Bestrafung wegen Vollrauschs trotz Rücktritts von der versuchten Rauschtat? [1 ed.] 9783428503957, 9783428103959

Obgleich beim Vollrauschtatbestand (§ 323 a StGB) die dem Täter zur Last gelegte Handlung die Herbeiführung des Rausches

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Bestrafung wegen Vollrauschs trotz Rücktritts von der versuchten Rauschtat? [1 ed.]
 9783428503957, 9783428103959

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CLAUS BARTHEL

Bestrafung wegen Vollrauschs trotz Rücktritts von der versuchten Rauschtat?

Schriften zum Strafrecht Heft 126

Bestrafung wegen Vollrauschs trotz Rücktritts von der versuchten Rauschtat?

Von

Claus Barthel

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Barthel, Claus: Bestrafung wegen Vollrauschs trotz Rücktritts von der versuchten Rauschtat? I Claus Barthel. Berlin: Duncker und Humblot, 2001 (Schriften zum Strafrecht ; H. 126) Zug!.: Wiirzburg, Univ., Diss., 2000 ISBN 3-428-10395-5

Alle Rechte vorbehalten Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddateniibemahme: Selignow Verlagsservice, Berlin Druck: Wemer Hildebrand, Berlin Printed in Germany

© 2001

ISSN 0558-9126 ISBN 3-428-l 0395-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97068

Meiner Mutter

Vorwort Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um die leicht überarbeitete und aktualisierte Fassung eines im Mai 2000 abgeschlossenen Manuskripts, das der Juristischen Fakultät der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg im Sommersemester 2000 als Dissertation vorgelegt wurde. Meinem akademischen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Michael Hettinger, an dessen Lehrstühlen an den Universitäten in Würzburg und Mainz ich über viele Jahre tätig sein durfte, gebührt mein besonderer Dank: partes pro toto für das mir entgegengebrachte Vertrauen, die erfahrene großzügige und wohlwollende Förderung, die mich und meinen Weg ganz entscheidend geprägt hat, die akademische Freiheit und - nicht zuletzt - auch für die Betreuung dieser Arbeit. Herrn Prof. Dr. Rainer Paulus sei für Erstellung des Zweitgutachtens gedankt, dem Verlag Duncker & Humblot für die Aufnahme dieser Arbeit in die Reihe "Schriften zum Strafrecht". Würzburg, im November 2000

Claus Barthel

Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel

Einführung in Gegenstand und Problematik der Untersuchung I.

Anlaß und Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

II.

Die Rechtsprechung zum Rücktritt von der versuchten Rauschtat . . . . . . . . 30

I. Darstellung der bisherigen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) RG, Entsch. vom 31. März 1936- I D 68/36, HRR 1936 Nr. 1149 b) BGH, Urt. vom 5.1.1971-5 StR 676/70, MDR/D 1971, 362 . . . . . c) BGH, Beschl. v. 7.9.1993-5 StR 327/93, NStZ 1997, 131 . . . . . . . d) BGH, Beschl. v. 27.5.1998-5 StR 717/97, NStZ-RR 1999, 8 . . . . 2. Betrachtung und Analyse der Rechtsprechung, Darstellung der Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) RG, Entsch. vom 31. März 1936- I D 68/36, HRR 1936 Nr. 1149 b) BGH, Urt. vom 5.1.1971-5 StR 676/70, MDR/D 1971, 362 . . . . . c) BGH, Beschl. v. 7.9.1993-5 StR 327/93, NS•Z 1994, 131 . . .. ... d) BGH, Beschl. v. 22.2.1994-1 StR 789/93, ~!V 1994, 304 ........ e) BGH, Beschl. v. 27.5.1998-5 StR 717/97, NStZ-RR 1999, 8

30 31 33 34 35 36 36 39 42 45 46

111. Die praktische Bedeutung des Problems, die möglichen Rechtsfolgen

47 47 2. Die rechtliche Bedeutung des Rücktritts von der versuchten Rauschtat . 49 a) Der qualifizierte Versuch als Rauschtat oder mehrere tatmehrheitlieh begangene Rauschtaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 b) Der einfache Versuch als alleinige Rauschtat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 I. Die praktische Bedeutung des Rücktritts von der versuchten Rauschtat

IV. Die actio libera in causa als mit dem Vollrausch "verwandte" Rechtsfigur und der Rücktritt von der versuchten Defekttat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 I. Die Konstellationen der "actio libera in causa" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2. Die Grundproblematik der "actio libera in causa", das Koinzidenzerfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 3. Die verschiedenen Begründungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tatbestandsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unrechtsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausnahmemodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56 57 61 62

10

V.

Inhaltsverzeichnis 4. Unvereinbarkeitsansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die wesentlichen Einwände gegen die Tatbestandsmodelle . . . . . . .

65 65

b) Die wesentlichen Einwände gegen das Unrechtsmodell . . . . . . . . . . . c) Die wesentlichen Einwände gegen die Ausnahmemodelle . . . . . . . . . 5. Resümee zur "Strafbarkeit der alic" ohne eigene Stellungnahme . . . . . . 6. Der Rücktritt vom Versuch der Defekttat im Zusammenhang mit der alic . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Problematik des Rücktritts von der versuchten Defekttat bei der alic . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Unterschied der Problematik des Rücktritts vom Versuch bei Vollrauschtatbestand und alic . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67 67 68 68 68 71

Zur weiteren Vorgehensweise der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

2. Kapitel Die Ansichten zu Normcharakter und Deliktsstruktur des § 323 a sowie Funktion der Rauschtat I.

Die "Vorgaben" des Schuldprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 I. Kongruenz von Unrecht und Schuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 2. Die Abhängigkeit des Strafrahmens vom strafrechtlichen Unrecht . . . . . 75

II.

Die wesentlichen zum Normcharakter des § 323 a vertretenen Ansichten in Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. § 323 a als ein abstraktes Gefährdungsdelikt, die Rauschtat als eine objektive Bedingung der Strafbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Tatbestand im engeren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die tatbestandliehe Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Gefährlichkeit der tatbestandliehen Handlung . . . . . . . . . . . b) Die Funktionen der Rauschtat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Rauschtat als objektive Bedingung der Strafbarkeit . . . . . . bb) Die Rauschtat als Indiz für die Gefährlichkeit des Rausches . . cc) Die Relevanz der Rauschtat für die Strafzumessung . . . . . . . . . 2. § 323 a als ein konkretes Gefährdungsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Kritik an § 323 a als einem abstrakten Gefährdungsdelikt . . . . . b) Die unterschiedlichen dogmatischen Begründungen eines konkreten Gefährdungsdelikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa)

76 76 78 78 78 80 80 81 83 86 87

89 § 323 a als ein konkretes Gefährdungsdelikt im engeren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 (I) Die besondere Gefährlichkeit des Rauschtäters . . . . . . . . . 89 (2) Die besondere Gefährlichkeit des Sichberauschens, des Rausches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

Inhaltsverzeichnis

II

bb) § 323 a als ein Mischgebilde aus abstraktem und konkretem Gefährdungsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 (I) Die (frühere) Rechtsprechung des 5. Strafsenats . . . . . . . .

93

(2) Die Ansicht Cramers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Ansicht Gollners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. § 323 a als objektiv konkretes und subjektiv generelles Gefahrdungsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der objektive Tatbestand des § 323 a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95 97

b) Die subjektive Tatseite ........ .. .......... ........... . . . .. . . . c) Die Kritik an Spendeis Modell ........... . . . . . ..... . ..... .... . 4. § 323 a als ein ,,Erfolgshaftungsdelikt" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Vollrausch als ein reines Erfolgshaftungsdelikt . . . . . . . . . . . . . .

98 98 100 101

l0 I I0 I

b) Der Vollrausch als eine Haftung für verschuldete Folgen ..... .... 103 aa) Die Haftung für "riskantes Verhalten" (Schweikert) .. . ..... . 103 bb) Schuld als persönliche Vermeidbarkeil (Hardwig) .... . ...... 104 cc) Stellungnahme zu den Ansichten von Schweikert und Hardwig 5. § 323 a als ein "Doppeltatbestand" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Ansicht von Wolter und Paeffgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme zu § 323a als einem Doppeltatbestand ... . ........

105 106 I 06 107

6. § 323 a als eine Zurechnungsnorm (Ausnahme oder Einschränkung des § 51 (a. F.) [§ 20]) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 a) § 323 a als eine Ausnahme oder Einschränkung des § 51 (a. F.) (§ 20) ... . .. .. .... ...... ..... .. . .. . .. . . . . . .. .......... .. . . .. 109 aa) Die Ansicht v. Webers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I 09 bb) Die Ansicht Maurachs .......... . . . . . .... .. ... . ...... .. . . III cc) Stellungnahme . . .. . ...... . . ... . . . . ... .. . . .. .. . . ... ...... b) "Kompromißlösung" . .. . . . . . . . . . ......... . .... ... . . .... . ..... 7. Verfassungswidrigkeits-Verdikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Ansicht Fristers . .. .... .. ... . .. . . ....... . . ... . .. . . . . . . .. .

112 114 114 115

b) Die Ansicht Lagodnys ................................ . .. . . . .. 116 c) Stellungnahme zu den Ansichten von Fristerund Lagodny ... .. . . 117

3. Kapitel

Die Stellungnahmen des Schrifttums zum Rücktritt von der versuchten Rauschtat I.

Die Argumente für die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts von der versuchten Rauschtat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 I. Der Rücktritt von der versuchten Rauschtat auf der Grundlage der Annahme eines abstrakten Gefährdungsdeliktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

12

Inhaltsverzeichnis

2.

3. 4. 5. II.

a) Der Rücktritt als ein Indiz für eine geringere Gefährlichkeit des Rauschtäters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Rücktritt als Ursache des Entfallens eines kriminalpolitischen Strafbedürfnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Rücktritt und der Wortlaut des§ 323a Abs. I ............ . .. d) Die Ansicht Hartls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Rücktritt von der versuchten Rauschtat ausgehend von der Annahme eines konkreten Gefährdungsdeliktes ................ .. . . . a) Die Ansicht Cramers ................ . .................. . . .. .. b) Die Ansicht Ranfts ............... .. . . . ................. ...... c) Die Ansicht Geisters ........................................ . Der Rücktritt von der versuchten Rauschtat nach dem Vollrauschmodell Spendeis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Rücktritt von der versuchten Rauschtat ausgehend von der Annahme (zumindest auch) einer Zurechnungsregel .... . ........ . ... Versuch eines Resümees der die Möglichkeit eines Rücktritts bejahenden Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Die Begründungen gegen die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts von der versuchten Rauschtat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Kritik Neumanns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Argumentation Kuschs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Normverständnis Kuschs ... .. . . . . . . . . . .... .. ....... . . . . . . b) Normstrukturelles Argument .......................... . . . . .... c) Rauschtatausschluß durch Gefahrüberlagerung ............ .. . . .. d) Fehlende Freiwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

III. Resümee - Klärung der offenen Fragen durch die Argumente des Schrifttums? .... . . .. .. .. . .. .. ... . . .. ... . . . .......... . . ... . .. .. ..... ... . . I. Rücktritt trotz fehlender Rücktrittsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Gefahr-Relevanz eines Rücktritts von der versuchten Rauschtat . .. a) Die geringere Gefährlichkeit des von der Rauschtat zurücktretenden Täters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der geringere "verbrecherische Wille" des von der Rauschtat zurücktretenden Täters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Wortlautargument .................. . ....... . .......... ... . . .

120 121 122 124 125 125 126 127 129 130 131 132 132 133 133 134 134 135 136 136 138 138 141 143

4. Kapitel

Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.) I.

Der sachliche und zeitliche Umfang der normhistorischen Betrachtung

145

II.

Die Trunkenheit im Preußischen StGB, dem StGB für den Norddeutschen Bund und dem Reichsstrafgesetzbuch . ....... . ... .... ........... . . . . . 146

Inhaltsverzeichnis

13

I. Die Trunkenheit im Preußischen Strafgesetzbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146

a) Das ALR von 1794 als Ausgangslage der Preußischen Gesetzesrevision . . . . .. .. . . .. ... .. . ... . .. . ... .. . ... . ... .. .. . ....... . . 147 b) Die Trunkenheit in der Preußischen Gesetzrevision (Entwurf 1828 -Entwurf 1851) ........... . ......... . . .. .. .............. . ... 149 aa) Die Regelung(stechnik) der Zurechnungs(un)fähigkeit . . .... . 149 bb) Die Regelung der vom Täter herbeigeführten Zurechnungsunfahigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 cc) Die Strafbarkeit der Trunkenheit/Trunksucht als solcher . . . . . c) Die Auslegung des § 40 PreußStGB durch Wissenschaft und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Trunkenheit im Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund und im Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Trunkenheit in der Entstehungsgeschichte des Strafgesetzbuches . . .. . . .. .. . . . .... . . . . . .... . . ... ......... . . ....... . .. . aa) Die Regelung(stechnik) der Zurechnungs(un)fähigkeit . . . . . . . bb) Die Regelung der vom Täter herbeigeführten Zurechnungsunflihigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Strafbarkeit der Trunkenheit/Trunksucht als solcher . . . . .

158 158 159 159 159 161 161

b) Die Auslegung des §51 RStGB durch Wissenschaft und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 3. Der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Bestrafung der Trunkenheit vom 23. März 1881 . ................. .. .............. ... . .... ... 163 a) Der ursprüngliche (Regierungs )Gesetzesentwurf (RegE 1881) . . . . . 164 b) Der Gesetzesentwurf in den Verhandlungen des Reichstags . . . . . . . 169 c) Der Kommissionsentwurf (KommE) ....... . . .................. 170 4. Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Bekämpfung der Trunksucht vom 15. Januar 1892 ...... . .. . . . . ... . . . . . ... .. ..... .. .. . ... . .... 175 III. Die Bestrebungen um die Reform des Strafgesetzbuches ( 1909-1930) . . . . 176

I. Die "Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts" (VDA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 a) Die der Darstellung zugrunde liegende Sicht des geltenden Rechts . b) Der Reformvorschlag .. . . .. ... .. . . . . . .. . . . .... ...... . . ....... 2. Der Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch 1909 (VE 1909) . a) Die Regelungen des Vorentwurfes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Regelung der Zurechnungs(un)fähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die strafrechtliche Sanktionierung der Rauschtat . . . . . . . . . . . . cc) b) Die aa) bb)

Übertretungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reaktionen des Schrifttums ....... . .. .. .... .. .. . .......... Die Kritik an § 64 VE 1909 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Kritik an§§ 306 Ziffer 3, 309 Ziffer 6 VE 1909 .... . ...

177 178 181 181 181 182 184 186 186 187

14

Inhaltsverzeichnis 3. Gegenentwurf zum Vorentwurf eines Deutschen Strafgesetzbuches, 1911 (GE 1911) . ...... . ................ . . . . .. .................. a) Die Regelung der Zurechnungs(un)fähigkeit ................. . . . b) Die strafrechtliche Verantwortlichkeit schuldhaft Trunkener . . . . . . . c) Übertretungsialbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Entwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch nach den Beschlüssen der Strafrechtskommission ("Kommissionsentwurf'), 1913 (KE 1913) . a) Die Regelung der Zurechnungs(un)fähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übertretungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die strafrechtliche Verantwortlichkeit schuldhaft Trunkener . . . . . . . aa) Die Diskussion in Erster Lesung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Diskussion in Zweiter Lesung . . ...................... cc) Schlußredaktion . ................ .. ...................... 5. Entwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch 1919 (E 1919) ........ . a) Die Regelung der Zurechnungs(un)fähigkeit ..... .... .. . .... .. .. b) Die strafrechtliche Verantwortlichkeit schuldhaftTrunkener ....... 6. Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches, 1922 (.,Entwurf Radbruch", E 1922) ................. . .................... .. 7. "Amtlicher Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs", 1925 (Reichsratsvorlage, E 1925) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. "Amtlicher Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs", 1927 (Reichstagsvorlage, E 1927) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches, 1930 (Entwurf Kahl, E 1930) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IV. Die Strafrechtsreform im Nationalsozialismus und das Gewohnheitsverbrechergesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entwurf eines Allgemeinen Strafgesetzbuches 1933 (Referentenentwurf, E 1933) ........ . . ..... . ... .......... . .... . ........... . ... 2. "Nationalsozialistisches Strafrecht" ..... . . .. . ......... . ........ . ... a) Die selbstverschuldete, die Zurechnungsfähigkeit ausschließende Trunkenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die das Leben anderer gefährdende Trunkenheit . .. . . . .... . ... .. . c) "Trunkenbolde" ... . . .... .. ......... . ...... . . .. . . ........ . . . . 3. Das Gewohnheitsverbrechergesetz .. ..... . . .... . . . . ................ a) Zurechnungsunfähigkeit und verminderte Zurechnungsfähigkeit . .. b) Der Straftatbestand der Volltrunkenheit, § 330a RStGB .... ... . .. 4. Die Entwürfe eines (Allgemeinen) Deutschen Strafgesetzbuches 19341936 (Entwurf Gürtner) .. .... .. ..... .... . ....... . ........... ... .. a) Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches 1934 (UkE 1934) .. . .. . . . .... . . .... .. . . . .. .. .. . .. ... . ............ . b) Der Entwurf in Erster Lesung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . c) Der Entwurf in Zweiter Lesung .. .. ... . . .... .. . ... ........ .. . .

188 188 189 194 194 195 196 196 196 199 200 202 202 203 206 209 210 211 212 212 212 213 214 214 215 215 216 218 218 221 221

Inhaltsverzeichnis

15

d) Entwurf eines Deutschen Strafgesetzbuchs, 1936 (E 1936) . . .... .. 222 e) Das Schicksal des Entwurfes 1936 und das Ende der nationalsozialistischen Strafrechtsrefonn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 5. Gesetz zur Änderung des Reichsstrafgesetzbuchs vom 4. September 1941 .............................. . ..... . . . ............. . . ... . 224 V.

(Vorläufiges) Resümee der historischen Auslegung . .. .......... . .. .. .. . I. Nonncharakter und Deliktsstruktur des § 330 a (R)StGB . . . . . . . . . . . . . a) § 330a (R)StGB als eine Ausnahmevorschrift von § 51 Abs. I (R)StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 330a (R)StGB als ein konkretes Gefährdungsdelikt c) § 330a (R)StGB als ein abstraktes Gefährdungsdelikt ...... . . . . .. 2. Voraussetzungen der "mit Strafe bedrohten Handlung" . . . . . . . . . . . . . .

226 227 227 228 230 231

VI. Der Vollrauschtatbestand nach dem E 1962 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 I. Die Regelung der Schuldunfähigkeit . . . .. .. .. ..... . .. .. .... ... . .. . 241

2. Der Vollrauschtatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 a) Eine Vorschrift- zwei Tatbestände(§ 351 Abs. I, 2 E 1962) . .... 242 b) Die Funktion der Rauschtat und ihre Vereinbarkeil mit dem Schuldprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Voraussetzungen der Rauschtat .................... . . . . . ... d) Die Einbeziehung der nicht ausschließbaren Schuldunfähigkeit in den Anwendungsbereich des Vollrauschtatbestandes . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Rechtsprechung zu den Fällen nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit .. .. ... . ......................... . ..... (I) Die Rechtsprechung des Reichsgerichts ........ .... .... (2) Die Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) BGHSt GS 9, 390 ff. .............. .. .... . ........... bb) Die Übernahme von BGHSt 9, 390 ff. durch§ 351 E 1962 ..

245 246 246 247 247 248 250 253

VII. Der Vollrauschtatbestand nach dem EGStGB vom 2.3.1974 (§ 330 a n.F.) 254 I. Beibehaltung eines einheitlichen Tatbestandes .... ..... . ............ 255 2. Die Rauschtat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 3. Die Einbeziehung der nicht ausschließbaren Schuldunfähigkeit in den Anwendungsbereich des Vollrauschtatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 VIII. Ergebnis der historischen Auslegung ... . .. . ...... .. ... . . . . .. . ........ I. Die Anwendbarkeit der Rücktrittsvorschriften auf die versuchte Rauschtat bei nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit . ............ . . a) Die BGHSt 9, 390 ff. zugrunde liegende Zweifelskonstellation . .. . b) Weitere Konstellationen nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit .. 2. Die Rauschtat als nunmehr "rechtswidrige Tat" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Straflosigkeit des Täters wegen der Rauschtat aufgrund festgestellter oder nicht auszuschließender Schuldunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

257 257 258 260 262 262

16

Inhaltsverzeichnis 5. Kapitel

Der Rücktritt von der versuchten Rauschtat und der Gesetzeswortlaut I.

Der Versuch einer Straftat als "rechtswidrige Tat" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265

II.

Der Versuch einer Straftat als "rechtswidrige Tat" nach und trotz wirksamen Rücktritts ......... . . . ................ .. .................... . . 268

III. Ursächlichkeil festgestellter oder nicht ausschließbarer rauschbedingter Schuldunfähigkeit für die Straflosigkeit des Täters aus der Rauschtat . . . . 270 I. Straflosigkeit des Rauschtäters wegen Schuldunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . 271 2. Straflosigkeit des Rauschtäters wegen nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit ............ . .................. . ................. . ... .. 272

6. Kapitel

Der Rücktritt von der versuchten Rauschtat und die Gefahrlichkeit des Rausches/Rauschtäters I.

Die Dogmatik der Gefährdungsdelikte (nach Rspr. und h. L.) ........ . ... I. Die Dogmatik konkreter Gefährdungsdelikte ........ ... ......... ... 2. Die Dogmatik abstrakter Gefährdungs- bzw. Gefährlichkeitsdelikte ... 3. Die abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikte .................... ... ..

274 274 275 278

II.

Das durch § 323 a StGB geschützte Rechtsgut ......................... l. Rechtsgut und Handlungsobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Rechtsgut des Vollrauschtatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Bedeutung des durch die Rauschtat geschützten Rechtsguts für den Vollrauschtatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

280 280 281

III. Der Rücktritt von der versuchten Rauschtat bei Annahme eines abstrakten Gefährdungsdeliktes . .. . . . . . . . .. . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Rücktritt von der versuchten Rauschtat und die Dogmatik der abstrakten Gefährdungsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Rücktritt von der versuchten Rauschtat und die "Sonderdogmatik" des Vollrauschs als einem abstrakten Gefährdungsdelikt . . . . . . . . . . . . . a) Die Rauschtat als Indiz für die Gefährlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die nur versuchte Rauschtat als Indiz für die Gefährlichkeit . . .... c) Der Rücktritt von der Rauschtat als Indiz für die geringere Gefährlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Stellungnahme zu der rücktrittsbedingt geringeren Gefährlichkeit des Rauschtäters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die geringere Gefährlichkeit des vom Versuch zurücktretenden Täters als Grund der Straffreiheit des Rücktritts . . . . . . . .

283 285 285 287 287 287 290 290 291

Inhaltsverzeichnis bb) Die geringere Gefahrliehkeil des vom Versuch zurücktretenden Täters als Grund der Anwendbarkeit der Rücktrittsvorschriften auf die versuchte Rauschtat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (I) Die Unterschiedlichkeil der beeinträchtigten Rechtsgüter . (2) Der Bezugspunkt des verbrecherischen Willens . . . . . . . . . (3) Rückwirkung des Rücktritts von der Rauschtat auf die vorherige Gefährlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Gefahrrelevanz des Rücktritts bei einer "Gesamtbetrachtung" ... .. . .... . .......... . . . ............... . . . .... (5) Bloße Minderung der Gefahrlichkeit, kein Ausschluß derselben ... . ................................. . .. . .... cc) Resümee .... . ................................... . ......

17

294 294 296 297 299 301 302

IV. Der Rücktritt von der versuchten Rauschtat bei Annahme eines konkreten Gefährdungsdeliktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 I. Die besondere Gefährlichkeit des Rauschtäters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 2. Die besondere Gefährlichkeit des Sichberauschens, des Rausches . . . . . 305 V.

Der Rücktritt von der versuchten Rauschtat bei Annahme eines abstraktkonkreten Gefährdungsdeliktes - zugleich zur Ansicht Cramers . ..... . . . 306

VI. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309

7. Kapitel

Die entsprechende Anwendung der Rücktrittsvorschriften I.

Möglichkeit und Grenzen der Analogie im materiellen Strafrecht . . . . . . . . 312

II.

Die Voraussetzungen analoger Gesetzesanwendung .... .. . . ........ . .. . I. Das Bestehen einer Gesetzeslücke . . . . . . . .... . ... . . ... .. . ... . .. .. .. a) Die Voraussetzung einer analogiefähigen Regelungslücke . . . . . . . . . b) Die fehlende Rücktrittsregelung beim Vollrau~chtatbestand - eine Gesetzeslücke? ...... .. ............. .. .. . .. . ............ .. . . . aa) Unmittelbar normteleologisches Erfordernis einer Rücktrittsregelung .. ....... . . . ... . . .. .... . . . . . ....... . ......... . . .. bb) Regelungserfordernis aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes .. . . .. . . . . .. . . .... . . .. . . . . . ..... .. .. . . .. .. . . ... . . . cc) Umkehrschluß vs. Gesetzeslücke ... . . . ... . . ......... . . . . .. dd) Singularia non sunt extendenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Die fehlende Rücktrittsregelung beim Vollrauschtatbestand eine Gesetzeslücke? . .. . . . . . . . .. ...... . . . ... .. ..... .. .... 2. Gleichwohl: Das Schließen jener Rechtslücke im Wege der Analogie . a) Das Wesen des Analogieschlusses . .. . ... . ........ .... ... ... ...

2 Barthel

314 314 314 316 316 318 320 321 325 325 326

18

Inhaltsverzeichnis b) Die entsprechende Anwendung der Rücktrittsvorschriften auf die versuchte Rauschtat .. ............... ... ...... . .. .. ..... . . .. . . aa) Gemeinsamkeiten und Unterschiede ............... . . . .. . . . (I) Gemeinsamkeiten ................... ... ..... . . .. .. .. (2) Unterschiede .............. . ...... . ......... ... . .. .. bb) Wesentlichkeil und Unwesentlichkeil der festgestellten Gemeinsamkeiten und Unterschiede ... . ............. . . .... (I) Rücktrittssituation und -Voraussetzung ......... . . ... . .. (2) Versuchsbezogenheil und Rechtsfolgen des Rücktritts . . . (3) Vorliegen eines tatbestandsmäßigen und rechtswidrigen Versuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Identität des Rücktrittsverhaltens ............. .... . . ... c) Ergebnis ....... . ................... . ... .. ........... ... .. ...

327 328 328 328 329 329 331 333 334 334

III. Der Rücktritt von der versuchten Rauschtat - ein Fall der Tätigen Reue? . I. Die Gemeinsamkeit der gesetzlich geregelten Fälle der tätigen Reue .. 2. Die materiellen Anforderungen an die Tätige Reue . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die unterschiedlichen Rechtsfolgen der Tätigen Reue ... . ..... ... . .. 4. Der Rücktritt von der versuchten Rauschtat - ein Fall der Tätigen Reue? .................... . ........... .. .. . ........... .. ... . .. . a) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufgabeverhalten .. ........ . .. . ............ . . .. . ..... . . .... . . c) Rechtsfolgen der Tätigen Reue . .. .. ... . .. .. . . ... . ... . .. . .... . . 5. Resümee zur Tätigen Reue .... .. ... . .. ..... ....... .. ........ . .. ..

335 335 336 337 338 338 341 343 343

IV. Resümee zur entsprechenden Anwendung der Rücktrittsvorschriften

344

Schlußbetrachtung I.

Zusammenfassende Betrachtung zum sog. "Rücktritt" von der versuchten Rauschtat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345

II.

(Mögliche) Ursachen für die Anwendung der Rücktrittsvorschriften trotz fehlender Voraussetzungen .. ... .. ........ . . . ................ . . . . .. . . 347

III. Rechtlich widerspruchsfreie Würdigung des sog. "Rücktritts von der versuchten Rauschtat" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 Anhang ..... . ..... . . . .... .. ... .... . . .. ..... . . . ......... .. ... . . . . . . . .. . 353 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376

Abkürzungsverzeichnis Die für Literatur und Quellen verwendeten Abkürzungen und Zitierweisen sind in den jeweiligen Verzeichnissen (S. 356 ff., 376 ff.) an den entsprechenden Stellen angegeben. a. A. a.a. O. a.E. a.F. Abi KR Abs. AK-StGB alic ALR Alt. Anm. Art. AT BA BayObLG Bd. Begr. Beschl. BGBI. BGH BGHR

BGHSt BT BT-Drucks. BVerfG BVerfGE BVerfGG bzw. d.h. DAR ders. 2'

andere(r) Ansicht am angegebenen Ort am Ende alter Fassung Amtsblatt des Alliierten Kontrollrats Absatz Alternativ-Kommentar zum Strafgesetzbuch (-Bearbeiter) actio libera in causa Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten Alternative Anmerkung Artikel Allgemeiner Teil Blutalkohol, Wissenschaftliche Zeitschrift für die medizinische und juristische Praxis Bayerisches Oberstes Landgericht Band Begründung Beschluß Bundesgesetzblatt, Teil I Bundesgerichtshof BGH-Rechtsprechung - Strafsachen, hrsg. von den Richtern des Bundesgerichtshofs (seit 1987), (zitiert nach Paragraph, abgekürztem Stichwort und laufender Nummer) Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Besonderer Teil Bundestags-Drucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz beziehungsweise das heißt Deutsches Autorecht derselbe

20 DJ DJZ DR DRiZ DStR DtZ E EGStGB Entsch. evtl.

f.

ff. Fn. FS GA GewVerbrG ggf. GS

h.L.

h.M.

HRR i.d.R. i.S. i.S.d. i.S.v. i.V. i. V. m. insbes. JA jdf. jew. JK JR Jura JuS JW JZ KE oder KommE KRG krit. Lb.

Abkürzungsverzeichnis Deutsche Justiz Deutsche Juristenzeitung Deutsches Recht Deutsche Richterzeitung Deutsches Strafrecht (zitiert nach Band und Seite) Deutsch-Deutsche Rechts-Zeitschrift Entwurf Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch Entscheidung eventuell(e) folgende fortfolgende Fußnote Festschrift Goltdammer' s Archiv für Strafrecht Gewohnheitsverbrechergesetz gegebenenfalls Gerichtssaal herrschende Lehre herrschende Meinung Höchstrichterliche Rechtsprechung (zitiert nach Jahr und Nummer) in der Regel im Sinne im Sinne des im Sinne von in Verbindung in Verbindung mit insbesondere Juristische Ausbildungsblätter jedenfalls jeweils Jura-Kartei, Beilage der Juristischen Ausbildung (zitiert nach den innerhalb der Paragraphen fortlaufenden Nummern) Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kommissions-Entwurf Kontrollratsgesetz kritisch Lehrbuch

Abkürzungsverzeichnis LG lit. LK LM

m. m.a.W. m.w.N. MDRIO MDR/H Mi!StGB MonSchrKrim MRK n.F. Nachw. NdsRpfl. NJ NJW NKNr. NStZ NStZ-RR NZV OGHSt OLG österVE ÖStZStr pol. StGB PreußStGB RegE RG RGBI. RGSt Rn. Rspr. RStGB RT

s.

s. s.o. s.u. SC.

21

Landgericht Iitera Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch (-Bearbeiter) Entscheidungen des Bundesgerichtshofes im Nachschlagewerk von Lindenmaier, Möhring u. a. mit mit anderen Worten mit weiteren Nachweisen Rechtsprechung des BGH in MDR bei Dallinger Rechtsprechung des BGH in MDR bei Holtz Militärstrafgesetzbuch Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform Konvention zum Schutz der Menschenrechte neue Fassung Nachweis Niedersächsische Rechtspflege Neue Justiz Neue Juristische Wochenschrift Nomos-Kommentar zum Strafgesetzbuch (-Bearbeiter) Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Zeitschrift für Strafrecht - Rechtsprechungsreport Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes für die Britische Zone in Strafsachen Oberlandesgericht österreichischer Vorentwurf Österreichische Zeitschrift für Strafrecht polnisches Strafgeesetzbuch preußisches Strafgesetzbuch Regierungsentwurf Reichsgericht Reichsgesetzblatt (Teil, Seite) Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Randnummer( n) Rechtsprechung Reichsstrafgesetzbuch Reichstag Seite oder Satz siehe siehe oben siehe unten scilicet

22 SchlHA schwed. SchwZStR SK sog. Sp. st. Rspr. StGB StGBNorddtBund StPO str. StrÄndG StrRG StV StVG Tb. u.a. u.ö. UkE Urt. V.

VDA VE Verh. vgl. VRS w.N. WaffG z.N. ZAkDR ZtwR zit. ZRP ZStW

Abkürzungsverzeichnis Schleswig-Holsteinische Anzeigen schwedisch Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch (-Bearbeiter) sogenannte Spalte ständige Rechtsprechung Strafgesetzbuch Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund Strafprozeßordnung strittig Gesetz zur Änderung des Strafrechts Strafrechtsreformgesetz Strafverteidiger Straßenverkehrsgesetz Teilband unter anderem, und andere und öfter Unterkommissions-Entwurf Urteil von, vom Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts Vorentwurf Verhandlung(en) vergleiche Verkehrsrechts-Sammlung (zitiert nach Band, Jahr und Seite) weitere Nachweise Waffengesetz zum Nachteil Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht Zeitschrift für Wehrrecht zitiert Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft (zitiert nach Band, Jahr und Seite)

1. Kapitel

Einführung in Gegenstand und Problematik der Untersuchung I. Anlaß und Gegenstand der Untersuchung "Auch wenn bei einer Verurteilung wegen Vollrausches die dem Täter zur Last gelegte Handlung die Herbeiführung des Rausches und nicht die im rauschbedingt schuldunfahigen Zustand begangene rechtswidrige Tat ist, so sind dennoch die Bestimmungen über strafbefreienden Rücktritt analog anzuwenden, wenn der mit ,natürlichem Vorsatz' handelnde Täter vom Versuch freiwillig zurücktritt" 1• So lautet der Leitsatz einer Entscheidung des I. Strafsenats des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1994. Es bedarf nun keiner detaillierten Kenntnisse der Dogmatik des Vollrauschtatbestandes, erfordert nicht einmal strafrechtliches oder auch nur allgemeines juristisches Wissen, um den in diesem Satze enthaltenen Widerspruch zu erkennen, der mit den einleitenden Worten "auch wenn" und dem darauf folgenden "dennoch" bereits sprachlich deutlich erkennbar hervortritt. So deutet schon der Satzbau darauf hin, daß die im ersten Teil des Satzes genannten Gegebenheiten (Herbeiführung des Rausches als tatbestandliehe Handlung) eigentlich eine andere als die in dessen zweiten Teil genannte Rechtsfolge (analoge Anwendung der sich auf die versuchte Rauschtat beziehenden Rücktrittsvorschriften) erwarten lassen. Auch der Umstand, daß es überhaupt der Feststellung in einem amtlichen Leitsatz bedarf, zeigt auf, daß diese sich nicht von selbst versteht, sondern offenbar eine Begründung erfordert. Die Aufmerksamkeit für obiges Judikat wird jedoch neben dem bereits Erwähnten noch dadurch gesteigert, daß die Rücktrittsvorschriften analog angewandt werden sollen, deren Voraussetzungen demnach also gar nicht vorliegen. Wenngleich es sich hierbei offensichtlich um eine Analogie "in bonam partem", also eine nicht strafbegründend oder strafschärfend wirkende und damit nach allgemeiner Ansicht um eine grundsätzlich zulässige2 handelt, läßt sie "aufmerken", bedeutet doch jede Analogie ein gewis1

Beschl. v. 22.02.1993 - I StR 789/93

§ 323 a Abs. I Rücktritt I.

= BGH StV

1994, 304

= BGHR StGB

24

I. Kap.: Einführung in Gegenstand und Problematik der Untersuchung

ses Abweichen vom Gesetz, dessen Anwendung auf einen (sc. angeblich) gesetzlich nicht geregelten (der Regelung für bedürftig angesehenen) Fall. Auch ist eine Analogie an bestimmte Voraussetzungen gebunden 3 , deren Vorliegen in jedem Einzelfall stets festgestellt werden muß. Nach der Begründung und Begründetheil dieser Entscheidung zu fragen, besteht mithin Anlaß. Ihr lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Angeklagte versetzte sich vorsätzlich in einen Rauschzustand, der möglicherweise seine Schuldfähigkeit ausschloß. In diesem Zustand beging er eine geHihrliehe Körperverletzung z. N. des I., einen Totschlagsversuch z. N. des P. und einen weiteren versuchten Totschlag z. N. des G. Nach letzterem rannte der Angeklagte in eine Gaststätte und rief den erschrockenen Gästen zu, sie sollten die Polizei holen. Das lebensgefährlich verletzte Opfer erreichte selbst noch den Gastraum und konnte durch einen herbeigerufenen Notarzt gerettet werden. Das Landgericht verurteilte den Angeklagten wegen vorsätzlichen Vollrausches zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und ordnete seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB4 an. Es wertete hierbei -neben den anderen im Rausch begangenen Taten -die zum Nachteil des G. verwirklichte als einen versuchten Totschlag. Auf die Revision des Angeklagten hin monierte der 1. Senat die Feststellungen der Strafkammer als unzureichend; sie hätte das Verhalten des Angeklagten nach dem versuchten Totschlag z. N. des G daraufhin überprüfen müssen, ob ein freiwilliger Rücktritt nach § 24 vorgelegen habe. Es hätte geklärt werden müssen, ob die Rettung des G auf den Angeklagten zurückgehe und dieser somit den Eintritt des Erfolges verhindert habe (§ 24 Abs. I Satz 1 2. Alt.) oder ob der Umstand, daß das Tatopfer selbst im Gastraum erschien, für dessen Rettung entscheidend gewesen sei; und sich der Angeklagte in diesem Fall zumindest ernsthaft um die Verhinderung des Erfolgseintrittes bemüht habe (§ 24 Abs. I Satz 2). In solchem Fall sei nämlich - wie im Leitsatz wörtlich wiedergegeben - eine analoge Anwendung der Rücktrittsvorschriften erforderlich. Soweit die Voraussetzungen eines freiwilligen Rücktritts in der Person des Angeklagten gegeben seien, läge als z. N. des G begangene Rauschtat nicht mehr ein Totschlagsversuch, sondern lediglich eine gefährliche Körperverletzung vor. Vgl. etwa LK 11 -Gribbohm, § I Rn. 77; S/S-Eser, § I Rn. 30 f. Vgl. statt vieler etwa Larenz, S. 370 ff.; Engisch, S. 138 ff.; Bydlinski, S. 472 ff. Ausführlich hierzu im 7. Kapitel. 4 Strafgesetzbuch vom 15. Mai 1871 (RGBI. S. 127) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1999 (BGBI. I S. 3322). Im folgenden sind §§ohne Gesetzesangabe solche des StGB in der geltenden Fassung, Vorschriften des Strafgesetzbuches früherer Fassungen werden stets ausdrücklich als solche gekennzeichnet 2

3

(a. F.).

I. Anlaß und Gegenstand der Untersuchung

25

Der I. Senat hob aus diesen Gründen unter Aufrechterhaltung des Schuldspruches den Rechtsfolgenausspruch und die Feststellungen insoweit auf, als sie das Verhalten des Angeklagten nach dem versuchten Totschlag z. N. des G betrafen, und verwies die Sache im Umfang der Aufhebung an eine andere Kammer des Landgerichts zurück. Liest man nun die (knappen) Gründe dieses Beschlusses, verdichten und verstärken sich die anfänglichen Widersprüche, eben deshalb aber auch die Zweifel. Der Straftatbestand des Vollrauschs ist nach ständiger Rechtsprechung ein abstraktes Gefährdungsdelikt5 , dessen tatbestandliehe Handlung allein im vorsätzlichen oder fahrlässigen Sichberauschen, dem Hervorrufen eines Rauschzustandes, besteht. Mit ihm ist der Tatbestand verwirklicht, das Delikt vollendet. Das Begehen einer rechtswidrigen Tat im Rauschzustand, die sog. Rauschtat, ist nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung eine die Strafbarkeit einschränkende objektive Bedingung der Strafbarkeit6 . Bestraft wird der Täter also nach dieser Auslegung des § 323 a - es gibt, wie an späterer Stelle zu zeigen sein wird, eine Vielzahl anderer Ansichten über den Normcharakter und die Deliktsstruktur dieser Vorschrift - allein wegen des schuldhaften Sichberauschens, nicht hingegen wegen der begangenen Rauschtat Sie ist lediglich eine - vom Unrechtstatbestand und folglich auch von der Schuld unabhängige - objektive Bedingung der Strafbarkeit und damit eine Voraussetzung der Bestrafung jenseits von Unrecht und Schuld. Darüber hinaus muß zwischen beiden, dem Sichberauschen und der im Rausch begangenen Tat, die im zweiten Halbsatz des § 323 a Abs. I genannte (Nicht)Beziehung bestehen, daß der Täter wegen der Rauschtat nicht bestraft werden kann, weil er rauschbedingt schuldunfähig ist oder dies nicht ausgeschlossen werden kann. Die durch den Täter schuldhaft herbeigeführte, festgestellte oder nicht auszuschließende Schuldunfähigkeit muß der Grund sein, der einer Bestrafung der Rauschtat entgegensteht. Der Straftatbestand des Vollrauschs setzt also voraus, daß der Täter wegen der im Rauschzustand begangenen Tat nicht bestraft werden kann. Wann immer eine Bestrafung des Täters aus dem im berauschten Zustand verwirklichten Tatbestand möglich ist, hat diese zu erfolgen und Vorrang vor § 323 a7 . Das ist etwa dann er Fall, wenn alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel die Schuldfähigkeit des Täters nicht beeinträch5 RGSt 69, 187, 188; aus der neueren Rspr. etwa BGH NJW 1992, 1519. Ausführliche Nachweise im 2. Kapitel, li. I. (dort Fn. 15 mit erläuterndem Hinweis). 6 Zuletzt etwa BGHSt 42, 235, 242 m. w. N. Ausführliche Nachweise im 2. Kapitel, II. I. 7 V gl. etwa LK 11 -Spendel, § 323 a Rn. 21 ; SK-Horn, § 323 a Rn. 32.

26

I. Kap.: Einführung in Gegenstand und Problematik der Untersuchung

tigen oder sie nur i.S. des§ 21 erheblich einschränken (ohne daß zugleich Zweifel an der Schuldunfähigkeit des Täters bestehen, die nach dem letzten Halbsatz des § 323 a Abs. l dessen Anwendungsbereich eröffnen würden). Desgleichen, wenn durch das Sichberauschen die Schuldfähigkeit des Täters zwar ausgeschlossen wird, eine Bestrafung jedoch nach h. M. nach den sog. Grundsätzen der actio libera in causa möglich ist8 . Hat man all dies - die hier zunächst nur grob wiedergegebene Grundstruktur des Vollrauschtatbestandes nach der Rechtsprechung - vor Augen, so ist die - und sei es auch nur analoge - Heranziehung der Rücktrittsvorschriften aus mehreren Gründen auf den ersten Blick fraglich. Zum einen deshalb, weil der eigentliche und auch einzig vorliegende Versuch bereits wegen der gegebenen oder jedenfalls nicht auszuschließenden Schuldunfähigkeit des Täters nicht strafbar ist, also schon aus diesen Gründen ein für den Täter strafloser Versuch vorliegt. Der Rücktritt vom Versuch einer Straftat9 , der nach h. M. und ständiger Rechtsprechung ein persönlicher Strafaufhebungsgrund ist 10, geht also "ins Leere", da er einen tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen und schuldhaften (und damit grundsätzlich strafbaren) Versuch denknotwendig voraussetzt. Mangelt es hieran, so fehlt bereits die Ausgangssituation jeglicher Rücktrittsvorschriften, ist deren Anwendungsbereich nicht eröffnet. Es mangelt also nicht etwa an Nebensächlichkeiten oder Begleiterscheinungen, sondern an der ersten Voraussetzung jeder Rücktrittsregelung, dem Vorliegen eines strafbaren Versuches. Provokant und pointiert hat diesen Befund Kusch mit der Frage formuliert, was das für eine Strafbefreiung sei "bei einem Täter, dem ohnehin keine Strafe drohe" 11 . Das gilt es bei der Frage nach einer analogen Anwendung der Rücktrittsvorschriften im Auge zu behalten, setzt doch die Analogie unter anderem die Vergleichbarkeit des gesetzlich geregelten mit dem im Wege der Analogie zu erfassenden, gesetzlich nicht bestimmten Sachverhalt voraus.

s. hierzu u. I. Kapitel, IV. Der Rücktritt ist stets an einen Versuch, dieser wiederum - da es den Versuch als solchen abstrakt nicht gibt - an ein bestimmtes Delikt gebunden. Folgerichtig müßte man demnach stets korrekt von einem "Rücktritt von dem Versuch einer Tat" sprechen. Da nun der Rücktritt von der versuchten Rauschtat das zentrale Thema dieser Arbeit ist und demnach unvermeidbar des öfteren erwähnt werden wird, soll - lediglich aus Gründen einer sprachlichen Vereinfachung durch Vermeidung dieser ausführlichen Begrifflichkeil - vom "Rücktritt vom Versuch" oder einfach vom "Rücktritt" die Rede sein, ohne daß hierbei die eben erwähnten dogmatischen Grundlagen vergessen worden wären. 10 Vgl. etwa die Nachw. bei S/S-Ese r, § 24 Rn. 4. 11 Kusch, NStZ 1994, 13 I, 132. 8

9

I. Anlaß und Gegenstand der Untersuchung

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Unabhängig von der fehlenden Rücktrittssituation ist des weiteren zu bedenken, daß das Sichberauschen und die Rauschtat bildlich gesehen auf zwei verschiedenen, sich nicht berührenden Ebenen liegen, und diese durch die von der Rechtsprechung propagierte (analoge) Anwendung der Rücktrittsvorschriften vermengt werden. Das Sichberauschen bildet das tatbestandliehe Unrecht des § 323 a und ist damit das, was dem Täter vorgeworfen und dessentwegen er bestraft wird. Die Rauschtat hingegen, die objektive Bedingung der Strafbarkeit, ist zwar auch, da rechtswidrige Verwirklichung eines Straftatbestandes, Unrecht, jedoch nicht das Unrecht des Vollrauschtatbestandes, nicht der Gegenstand des Schuldvorwurfs, der Strafgrund. Bei einer analogen Anwendung der Rücktrittsvorschriften träte der Täter damit von der versuchten Rauschtat, die man ihm gar nicht vorwirft, zurück, und es würde hierdurch die Strafbarkeit wegen des ihm vorgeworfenen Sichberauschens aufgehoben. Das ist, hat man die Rücktrittsdogmatik vor Augen, seltsam, zumindest ungewöhnlich. Auch zeitlich gesehen entwickeln sich Vollrauschtatbestand und Rauschtat zwingend unabhängig voneinander, können - wie in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall - unterschiedliche Stufen der (Tatbestands)Verwirklichung bestehen. Der Tatbestand des § 323 a ist bereits vollständig verwirklicht 12, das Delikt vollendet, während die Rauschtat hiervon gänzlich unabhängig über das Versuchsstadium nicht hinausgekommen ist. Von einem vollendeten Delikt kann man jedoch nur in den Ausnahmefällen der tätigen Reue zurücktreten, Straffreiheit erlangen. Der Rücktritt vom Versuch gewährt nun dem Täter keine allumfassende Straffreiheit, sondern hebt - wie es die einleitenden Worte des § 24 I sagen: "Wegen Versuchs wird nicht bestraft ..." - (sc. nur) die Bestrafbarkeit wegen des versuchten Delikts, von dem der Täter freiwillig zurücktritt, auf13 . Wenn der I. Senat in seinem eingangs genannten Beschluß jedoch ausführt, die Bestimmungen über strafbefreienden Rücktritt seien analog anzuwenden, so kann sich die Strafbefreiung nur auf die durch § 323 a selbst begründete Strafbarkeit beziehen - denn eine andere ist schlechterdings nicht vorhanden. Im entschiedenen Fall kommt dies nicht so deutlich zur 12 Die nur teilweise Verwirklichung des Vollrauschtatbestandes ist, da der Versuch des § 323 a nach §§ 23 Abs. I, 12 Abs. 2 nicht mit Strafe bedroht ist, ohne Bedeutung. 13 Der Ausnahmefall hiervon, daß sich die strafbefreiende Wirkung des Rücktritts auch auf die Strafbarkeit wegen eines bereits vollendeten Delikts erstreckt, wenn der Täter neben einem versuchten (Verletzungs)Delikt damit zugleich ein das selbe Rechtsgut betreffendes konkretes Gefährdungsdelikt vollendet hat (vgl. hierzu LK 10Vogler, § 24 Rn. 198; S/S-Eser, § 24 Rn. 110; SK-Rudolphi, § 24 Rn. 44; a. A. BGHSt 39, 128, 130 f.), sei hier noch vernachlässigt.

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I. Kap.: Einführung in Gegenstand und Problematik der Untersuchung

Geltung, weil der Täter im selben Rausch mehrere Rauschtaten begangen hatte und beim rücktrittsbedingten "Wegfall" der einen die anderen bestehen blieben. Wenn in der Entscheidung jedoch gesagt wird, bei einem freiwilligen Rücktritt des Angeklagten vom versuchten Totschlag z. N. des G. läge als Rauschtat nur noch eine gefährliche Körperverletzung z. N. des G. vor, so ist unverkennbar, daß der versuchte Totschlag, von dem der Täter "zurückgetreten" ist (bzw. zurückgetreten sein soll), nicht mehr "taugliche" Rauschtat, nicht mehr objektive Bedingung der Strafbarkeit sein soll. Beginge der Täter nun als Rauschtat nur einen Versuch, ohne hierbei zugleich durch die selbe oder weitere Handlungen ein anderes Delikt (vollständig) zu verwirklichen, so müßte die Rechtsprechung bei analoger Anwendung der Rücktrittsvorschriften zur Straflosigkeit des Täters kommen 14, wenn und weil der Versuch einer Rauschtat durch den freiwilligen Rücktritt des Täters "entfallen" soll. Folglich könnte der Täter von einem (für sich gesehen nicht bestrafbaren) Versuch zurücktreten und dadurch Straffreiheit hinsichtlich der Verwirklichung eines bereits vollendeten Deliktes erlangen. Ein systematisches wie dogmatisches Kuriosum, das mit der Rücktrittsdogmatik gleich an mehreren Stellen bricht. Auch dieser Widerspruch wird bei der Frage der Vergleichbarkeit im Rahmen der Analogie zu berücksichtigen sein. Die von der Rechtsprechung vorgenommene analoge Anwendung der Rücktrittsvorschriften ist damit genau genommen eine zweifache, die sich zum einen über die fehlende Rücktrittssituation hinwegsetzt, zum anderen die strafaufbebende Rücktrittswirkung vom eigentlichen Versuch (der Rauschtat) auf den vollendeten und damit grundsätzlich nicht rücktrittsfähigen Vollrauschtatbestand überträgt. Beide Momente - das Vorliegen eines strafbaren Versuchs und die Aufbebung gerade und ausschließlich der Versuchsstrafe oder -bestrafung - sind essentielle Charakteristika des Rücktritts; deren Fehlen hindert nicht nur das Entstehen der typischen Rücktrittslage, sondern vermindert auch die Vergleichbarkeit der rechtlich zu bewertenden Situation mit der gesetzlichen Regelung des Rücktritts (§ 24), wenn sie jene nicht gar schwinden läßt. Zudem: Nimmt man mit der Rechtsprechung einmal die Möglichkeit des freiwilligen Rücktritts von der versuchten Rauschtat an, so ergibt sich eine weitere "Unstimmigkeit". Sie zeigt sich beim Lesen des Gesetzestextes, der die Strafbarkeit wegen Vollrauschs neben der Verwirklichung des Tatbestan14 Ein solcher Fall lag der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang - soweit ersichtlich - noch nicht zur Entscheidung vor bzw. wurde nicht veröffentlicht. Zu der in der Entscheidung des Reichsgerichts gegebenen Möglichkeit dieser Konstellation sogleich u. I. Kapitel, II. I. a) und II. 2. a).

I. Anlaß und Gegenstand der Untersuchung

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des davon abhängig macht, daß der Täter im Rausch zum einen eine rechtswidrige Tat begeht und zum anderen ihretwegen nicht bestraft werden kann, weil er infolge des Rausches schuldunfahig war oder dies nicht auszuschließen ist. Der Rücktritt vom Versuch hebt nach heute h. M. nur die Bestrafbarkeil des Versuchs auf, läßt aber Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuld unberührt, verändert also nicht rückwirkend die Voraussetzungen der Strafbarkeit. Das Gesetz bezeichnet die Rauschtat als "rechtswidrige Tat", mithin als eine solche, die nach der Legaldefinition des § 11 Abs. 1 Nr. 5 den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht. Tritt nun der Täter von seinem Versuch zurück, so bleibt diese Rauschtat, da Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit hiervon nicht berührt werden, weiterhin eine rechtswidrige Tat - mehr Anforderungen stellt der Wortlaut des § 323 a Abs. l an die Rauschtat nicht. Ersichtlich anders zu beurteilen wäre das etwa dann, wenn das Handeln des Täters von einem Rechtfertigungsgrund gedeckt, sein Handeln deshalb zwar weiterhin tatbestandsmäßig, aber - da erlaubt - nicht rechtswidrig wäre. In diesem Falle läge eine rechtswidrige Tat nicht vor. Sieht man den Rücktritt vom Versuch als bloßen Strafaufhebungsgrund an, bleibt nach dem Rücktritt eine nicht nur tatbestandsmäßige und rechtswidrige, sondern darüber hinaus grundsätzlich sogar auch schuldhafte Tat bestehen 15 . Selbst wenn der Rauschtäter von der versuchten Rauschtat zurücktreten könnte, wären die Voraussetzungen des § 323 a Abs. l - liest man den Wortlaut der Vorschrift - gegeben. Für die Verwirklichung des Tatbestandes im engeren Sinne steht das außer Zweifel; doch auch für den zweiten, die objektive Bedingung der Strafbarkeit formulierenden Halbsatz, wäre die Lage nicht anders: Der Täter beginge im Rauschzustand eine rechtswidrige Tat und könnte ihretwegen nicht bestraft werden, weil er rauschbedingt schuldunfähig war oder weil dies nicht auszuschließen ist. Denn: die (tatsächliche oder lediglich nicht ausschließbare) Schuldunfähigkeit ist der Grund, weshalb der Täter nicht wegen der im Rausche begangenen rechtswidrigen Tat bestraft wird. A11 diese Überlegungen zeigen, daß sich der sog. Rücktritt von der versuchten Rauschtat dogmatisch widerspruchsfrei offensichtlich weder in das System und die Struktur des Vollrauschtatbestandes noch in die Dogmatik 15 Auch wenn man den Rücktritt vom Versuch nicht erst als strafaufbebend ansieht, sondern ihn systematisch bereits auf der Schuldebene ansiedelt, etwa als Schuldaufuebungs- oder -tilgungsgrund (Streng, ZStW I0 I [ 1989] 322, 324 f.), Schuldausschließungsgrund (Roxin, Heinitz-FS, S. 251 , 270, 273. f.) oder Entschuldigungsgrund (SK-Rudolphi, § 24 Rn. 6), kommt man diesbezüglich zu keinem anderen Ergebnis, läge auch nach einem strafbefreienden Rücktritt eine tatbestandsmäßige und rechtswidrige Tat vor.

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I. Kap. : Einführung in Gegenstand und Problematik der Untersuchung

des Rücktritts vom Versuch einordnen läßt, es vielmehr zu zahlreichen Friktionen kommt.

II. Die Rechtsprechung zum Rücktritt von der versuchten Rauschtat 1. Darstellung der bisherigen Rechtsprechung Die einleitend wiedergegebene Entscheidung des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs ist weder die erste noch die einzige, die sich mit dieser besonderen Konstellation des von der versuchten Rauschtat "zurücktretenden" Täters befaßt hat. Was sie jedoch gegenüber den anderen fünf Entscheidungen hervorhebt, ist die (relativ) ausführliche Stellungnahme, die die Anwendung der Rücktrittsvorschriften erstmals zumindest nicht als selbstverständlich erscheinen läßt. Die anderen Entscheidungen seien im folgenden in chronologischer Reihenfolge dargestellt. Besondere Beachtung gebührt hierbei der Entscheidung des 1. Strafsenats des Reichsgerichts vom 31. März 1936, ist sie doch gewissermaßen die "Geburtsstunde" des Rücktritts von der versuchten Rauschtat, denn ein Rücktritt des Täters von dem im Rausch begangenen Versuch eines Delikts wurde vor dieser Entscheidung - soweit ersichtlich - nie auch nur erwogen: weder in den Gesetzesmaterialien 16 zu dem durch das Gewohnheitsverbrechergesetz vom 24. November 1933 17 in das Strafgesetzbuch eingefügten Straftatbestand des Vollrauschs nach § 330a (a. F.) 18 noch in der Rechtsprechung19. Auch das umfangreiche Schrifttum zu§ 330a (a.F.) und zu seinen 16 Deutscher Reichs- und Preußischer Staatsanzeiger Nr. 277 v. 27.11.1933, Erste Beilage, S. I; sowie Begr. E 1925, S. 175 und Begr. E 1927, S. 190, auf die in der Begründung des Gewohnheitsverbrechergesetzes ausdrücklich verwiesen wurde (a. a. 0., Hauptausgabe, S. 2). 17 Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung. Vom 24. November 1933, RGBI. I S. 995. l8 Dessen ursprüngliche Fassung lautete: "Wer sich vorsätzlich oder fahrlässig durch den Genuß geistiger Getränke oder durch andere berauschende Mittel in einen die Zurechnungsfähigkeit (§ 51 Abs. I) ausschließenden Rausch versetzt, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn er in diesem Zustand eine mit Strafe bedrohte Handlung begeht. Die Strafe darf jedoch nach Art und Maß nicht schwerer sein als die für die vorsätzliche Begehung der Handlung angedrohte Strafe. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein, wenn die begangene Handlung nur auf Antrag verfolgt wird." 19 Zwar gab es mit RGSt 69, 187, 188 und RGSt 70, 326, 327 auch schon vor dieser Entscheidung solche, bei denen der Täter im Vollrausch den Versuch eines

li. Die Rechtsprechung zum Rücktritt von der versuchten Rauschtat

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zahlreichen Vorläufern in den Gesetzesentwürfen in der Zeit ab 1919 erörtert den Rücktritt von der versuchten Rauschtat nicht. Ja selbst spätere Monographien und Dissertationen20, die sich zum Teil ausschließlich mit dem Begriff der und den Anforderungen an die "mit Strafe bedrohte Handlung" im Rahmen des § 330a (a. F.) befassen, erwähnen den Rücktritt von der versuchten Rauschtat nicht. Hierfür kann es nur zwei Gründe geben: Entweder wurde die Problematik nicht gesehen oder es gibt den Rücktritt von der versuchten Rauschtat nicht. Welcher von beiden der wahre Grund ist, soll die folgende Untersuchung ergeben.

a) RG, Entsch. vom 31. März 19361 D 68/36, HRR 1936 Nr. 1149 Den rechtlichen Ausführungen jener ersten Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde2 1: Der Angeklagte hatte sich nach den Feststellungen der Strafkammer fahrlässig in zwei voneinander unabhängigen Fällen durch den Genuß geistiger Getränke in einen seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch versetzt und im ersten Fall die S. gebeten, ihm ihre I 0 jährige Enkelin "zur Ausübung des Geschlechtsverkehrs zur Verfügung zu stellen". Im zweiten Fall forderte er die 7 jährige K.S. mit der Bemerkung, er werde gleich nachkommen, auf, sich im Wohnzimmer auszuziehen. Das Landgericht hatte insoweit weder festgestellt, ob das Mädchen dem Ansinnen des Angeklagten gefolgt war und sich ausgezogen hatte, noch, daß der Angeklagte anschließend auch nur das Schlafzimmer betreten hatte. Gleichwohl wertete es das Verhalten des Angeklagten im Rauschzustand als ein vollendetes Verbrechen der Verleitung zur Vomahme einer unzüchtigen Handlung nach § 176 Abs. I Nr. 3 (a. F.) 22 im zweiten, und als eine Beleidigung nach § 185 im ersten Fall. Das Landgericht sprach den Angeklagten wegen zweier sachlich zusammentreffender Vergehen nach § 330a (a. F.) schuldig. Delikts begangen hatte, diese Entscheidungen geben jedoch den ihnen zugrunde liegenden Sachverhalt nicht wieder, womit unklar bleibt, ob überhaupt eine "Rücktrittssituation" (richtiger: was man in der Folgezeit für eine solche hielt) vorgelegen hatte. 20 Eine ausführliche Darstellung des Schrifttums erfolgt im 3. Kapitel dieser Arbeit. 21 Aus der Entscheidung wird lediglich wiedergeben, was für die vorliegende Problematik von Bedeutung ist. 22 Dessen damalige Fassung lautete: "Mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer (... ) mit Personen unter vierzehn Jahren unzüchtige Handlungen vornimmt oder dieselben zur Verübung oder Duldung unzüchtiger Handlungen verleitet."

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I. Kap.: Einführung in Gegenstand und Problematik der Untersuchung

Der I. Strafsenat des Reichsgerichts rügte zunächst die Feststellungen der Strafkammer betreffend die Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten und stellte das Vorliegen letzterer in Zweifel. Er sah einen Widerspruch darin, daß das Landgericht den Angeklagten einerseits als "sinnlos betrunken" ansah, andererseits aber für den ersten Fall feststellte, er sei sich der beleidigenden Wirkung seiner Äußerung gegenüber S. bewußt gewesen. Der Senat bemängelte sodann, daß die Strafkammer sich mit der Frage des Vorliegens einer nur verminderten Zurechnungsfähigkeit i. S. des § 51 Abs. 2 (a. F.) nicht auseinandergesetzt habe. Ferner rügte das Reichsgericht im zweiten Fall, daß der Angeklagte falls seine Äußerungen von ihm überhaupt ernst gemeint gewesen waren und nicht nur eine beleidigende Äußerung vorgelegen hatte - den Tatbestand des § 176 Abs. I Nr. 3 (a. F.) nicht vollendet, sondern nur versucht habe 23 , und fügte an, daß folglich ein freiwilliger Rücktritt vom Versuch zu prüfen gewesen wäre. An die - im ersten Falle gerügten - Feststellungen zur Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten anknüpfend differenzierte der Senat nun danach, ob sich der Angeklagte im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit (§ 51 Abs. I [a. F.]) oder der nur verminderten Zurechnungsfähigkeit (§ 51 Abs. 2 [a. F.]) befand: Der Rücktritt vom Versuch sei, so der Senat, "insbesondere dann von Bedeutung", wenn nach Zurückverweisung in der neuen Verhandlung festgestellt werde, daß der Täter sich in einem Zustand der verminderten Zurechnungsfähigkeit befunden habe; der Angeklagte könne dann nur wegen eines Vergehens der Beleidigung des Kindes für schuldig erkannt werden. Für den Fall der Zurechnungsunfähigkeit führte der Senat aus, daß - was zu jener Zeit höchst umstritten wa~4 - der Wille des Täters, die subjektive 23 Daß das Reichsgericht hier offensichtlich unproblematisch in dem Verhalten des Angeklagten bereits einen Versuch gesehen hatte, liegt in der vom Reichsgericht zur Frage des Strafgrunds des Versuchs vertretenen sog. subjektiven Theorie begründet; vgl. zu dieser LK 10-Vogler, Vor § 22 Rn. 46 f. Die Überbetonung der subjektiven Komponenten gegenüber den ob~ektiven hatte eine zeitliche Vorverlagerung des Versuchs zur Folge, vgl. etwa LK 0- Vogler, Vor § 22 Rn. 49 m. w. N. aus der Rspr. des Reichsgerichts. 24 Gegen die Feststellung und die Berücksichtigung des subjektiven Tatbestandes der Rauschtat (zumindest dem Wortlaut nach; hierzu Dorbritz, S. 35; Mezger, MonSchrKrim 1936, 413) RGSt 69, 187, 188; die Notwendigkeit einer solchen wurde in der Folgezeit von der Rechtsprechung jedoch stets bejaht, vgl. etwa RGSt 69, 189, 191; RG JW 1936,456, 514, 1911, 1975, 3003. Daß allerdings durch die Anerkennung der Unbeachtlichkeit des rauschbedingten Irrtums (sc. nach § 59 [a. F.]) im Rahmen der Rauschtat mit RGSt 70, 159, 160 dieser Standpunkt- je nach der vertretenen Ansicht - eingeschränkt oder aufgegeben wurde, sei an dieser Stelle nur erwähnt. Zum damaligen Streitstand im Schrifttum vgl. etwa Gramsch, Tatbestand, S. 63 ff.; Dorbritz, S. 31 ff.; LK 11 -Spendel, § 323a Rn. 185 ff.

II. Die Rechtsprechung zum Rücktritt von der versuchten Rauschtat

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Tatseite der Rauschtat festzustellen und zu prüfen sei - so der Senat wörtlich -, "ob letzterenfalls von einem freiwiiligen Rücktritt gesprochen werden kann". Die Ausführungen hierzu schließen mit dem Satz: " ... ein solcher (sc. freiwilliger Rücktritt; C. B.) wäre auch im Zustande der Zurechnungsunfähigkeit denkbar".

b) BGH, Urt. vom 5.1.1971 5 StR 676170, MDR/D 1971, 362 In dem vom 5. Strafsenat zu beurteilenden Fall25 betrat der Angeklagte nach den Feststellungen der Strafkammer ein mit Hecken und Jägerzäunen umgebenes Grundstück, um in das sich darauf befindliche Haus einzubrechen. Er schlug hierzu eine Scheibe der Terrassentüre ein. Die durch den Lärm aufmerksam gewordenen Nachbarn informierten die Polizei, die wenig später am Tatort eingetroffen den Angeklagten in einem Gebüsch versteckt liegend vorfand. Dieser entgegnete auf die Frage, was er dort mache, er wolle seinen Rausch ausschlafen. Der Angeklagte wies zu diesem Zeitpunkt eine Blutalkoholkonzentration von 2,6%o auf. Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen vorsätzlicher Volltrunkenheit nach § 330a (a. F.) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und hierbei die "mit Strafe bedrohte Handlung" in einem versuchten Einbruchsdiebstahl gesehen. Auf die Verletzung des sachlichen Rechts rügende Revision des Angeklagten hin hob der 5. Senat das Urteil des Landgerichts auf, da dieses die Möglichkeit offenlasse, "daß der Angeklagte die weitere Ausführung des Diebstahls freiwillig aufgegeben hat und daher nach § 46 Nr. I (a. F.) mit strafbefreiender Wirkung von einem Diebstahlsversuch zurückgetreten ist". Im weiteren befaßt sich der Senat sogleich mit einem Folgeproblem und stellt fest, daß der Umstand der rauschbedingten Zurechnungsunfähigkeit der Annahme der Freiwilligkeit im Sinne der Rücktrittsvorschriften nicht entgegenstehe. § 330a (a. F.) setze voraus, daß der Täter bei der mit Strafe bedrohten Handlung mit natürlichem Vorsatze handele. Wer hierzu trotz seines Rausches in der Lage sei, könne in aller Regel die weitere Ausführung der beabsichtigten Handlung auch freiwillig aufgeben. Das Urteil schließt mit den Ausführungen, daß der Angeklagte nicht infolge des Rausches handlungsunfähig geworden war und er auch nicht etwa deshalb sein Vorhaben aufgegeben habe, weil er durch den von ihm verursachten Lärm glaubte, den Diebstahl nicht vollenden zu können, was beides der Annahme eines freiwilligen Rücktritts entgegenstünde. 25 Der an der Fundstelle nicht umfassend wiedergegebene Sachverhalt ist der Originalentscheidung entnommen. 3 Barthel

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I. Kap.: Einführung in Gegenstand und Problematik der Untersuchung

c) BGH, Beschl. v. 7.9.1993 5 StR 327193, NStZ 1997, 131 Der genaue Sachverhalt dieser Entscheidung ist weder der Originalentscheidung zu entnehmen noch aus deren Gründen rekonstruierbar. Der Angeklagte hatte sich vorsätzlich in einen Rausch versetzt und in diesem eine Körperverletzung mit Todesfolge und eine Nötigung begangen. Darüber hinaus hatte er von dem Tatopfer mit seinen Gewalttätigkeiten die Zahlung von 20.000,- DM verlangt und anschließend den Tatort verlassen, ohne jedoch weiteres zur Durchsetzung seiner Forderung unternommen zu haben. Das Bezirksgericht nahm deshalb eine versuchte schwere räuberische Erpressung als weitere Rauschtat an und verurteilte den Angeklagten wegen vorsätzlichen Vollrausches zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren. Während der Strafsenat des Bezirksgerichts die Rauschtaten der Körperverletzung mit Todesfolge und der Nötigung rechtsfehlerfrei angenommen habe, rügt der - wiederum 5. - Strafsenat, daß eine versuchte schwere räuberische Erpressung als Rauschtat ausscheide, da insoweit die Voraussetzungen einer Strafbefreiung wegen Rücktritts vom Versuch vorlägen. Der Angeklagte habe von seiner Forderung Abstand genommen, ohne daß er sie später hätte realisieren wollen 26 und ohne daß er sie nachträglich für undurchsetzbar gehalten hätte27 . Damit sei der Angeklagte vom Versuch der schweren räuberischen Erpressung "strafbefreiend" zurückgetreten und damit habe zugleich das Bezirksgericht seiner Verurteilung nach § 323 a einen zu großen Schuldumfang zugrunde gelegt. Der Senat hob das Urteil des Bezirksgerichts im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen auf und verwies die Sache zurück.

26 In diesem Falle läge - zumindest nach Ansicht des Senats - das von der Rspr. geforderte endgültige Aufgeben der Tat nicht vor. Vgl. hierzu (insbes. auch zu der Frage, welche Anforderungen an die "Endgültigkeit" des Aufgebens zu stellen sind) etwa S!S-Eser, § 24 Rn. 39; SK-Rudolphi, § 24 Rn. 18, beide m. w.N. 21 Unter diesen Umständen würde ein Rücktritt nach der st. Rspr. deshalb ausscheiden, weil ein sog. fehlgeschlagener Versuch der schweren räuberischen Erpressung vorläge, von dem der Täter nicht zurücktreten kann; vgl. hierzu SIS-Eser, § 24 Rn. 7 ff. m. w. N. Zum gleichen Ergebnis käme man, wenn man den fehlgeschlagenen Versuch nicht als eigenständige, den Rücktritt a priori ausschließende Rechtsfigur anerkennt- so etwa v. Heintschel-Heinegg, ZStW 109 (1997) 36 ff. - ,da der Täter in diesen Fällen nicht freiwillig handelt. S. hierzu auch Fettes, GA 1992, 395, 398 ff.

II. Die Rechtsprechung zum Rücktritt von der versuchten Rauschtat

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d) BGH, Beschl. v. 27.5.19985 StR 717/97, NStZ-RR 1999, 8 Der Angeklagte hatte sich bedingt vorsätzlich in einen Rausch versetzt und in diesem Zustand vom Balkon seiner Wohnung aus mit einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe, die er Jahre zuvor ohne die erforderliche waffenrechtliche Erlaubnis erworben und seither in seiner Wohnung verwahrt hatte, mit "natürlichem" bedingten Tötungsvorsatz mehrmals auf den späteren Zeugen V. geschossen, ohne diesen jedoch zu treffen. Nach Abgabe des letzten Schusses befand sich noch eine Patrone im Patronenlager der Waffe. Der Angeklagte äußerte bei seiner unmittelbar nach der Tat noch in seiner Wohnung erfolgten Festnahme durch die Polizei, "das nächste Mal werde er besser treffen". Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen vorsätzlichen Vollrausches und unerlaubten Erwerbs einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe in Tateinheit mit Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der 5. Strafsenat ging zunächst - offensichtlich anders als die Strafkammer - davon aus, der Angeklagte sei freiwillig von dem im Vollrausch begangenen Versuch des Totschlags nach § 24 Abs. I Satz I, 1. Alt. zurückgetreten. Er führte kurz aus, daß es sich bei diesem Versuch um einen unbeendeten handele, da der Angeklagte noch weitere Handlungen hätte vornehmen müssen, um den tödlichen Erfolg herbeizuführen, und dieser Versuch auch nicht fehlgeschlagen sei, da sich in der Waffe des Angeklagten - wie er wußte - noch eine Patrone befand. Unter Verweis auf die Entscheidung des 1. Senats28 wurde festgestellt, daß die möglicherweise vorliegende Schuldunfähigkeit der Freiwilligkeit des Rücktritts nicht entgegenstünde. Der Angeklagte habe auch gegenüber dem ersten Tatkomplex (Waffenerwerb und Ausübung der tatsächlichen Gewalt über die Waffe) im zweiten Tatkomplex keinen weiteren Tatbestand des Waffengesetzes verwirklicht. Ein Führen der Waffe i. S. von§§ 53 Abs. 1 Nr. 3a lit. b, 4 Abs. 4 WaffG setze voraus, daß der Täter die tatsächliche Gewalt über die Waffe außerhalb seiner Wohnung, Geschäftsräume oder seines befriedeten Besitztums ausübt, was vorliegend nicht in Betracht komme, da hierfür der Standort des Schützen, nicht der Ort des Erfolgseintrittes entscheidend sei. Als (sc. nach dem "rücktrittsbedingten Wegfall" des versuchten Totschlags einzige) im Rausch begangene Tat verbleibe allein die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine halbautomatische Selbstladekurzwaffe 28

3'

BGH StV 1994, 304 = BGHR StGB § 323 a Abs. I Rücktritt I.

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I. Kap.: Einführung in Gegenstand und Problematik der Untersuchung

(§ 53 Abs. I Nr. 3 a lit. a WaffG), obgleich der Angeklagte dieses Dauerdelikt bereits in noch schuldfähigem Zustande begonnen hatte. Dessen weitere Ausführung "zerfalle" in zwei im Rausch begangene objektive Taten: Zunächst habe der Angeklagte nur weiterhin "- nunmehr allein objektiv -" die Dauerstraftat verwirklicht. Durch den Entschluß des Angeklagten zur Tötung des späteren Zeugen V. habe jedoch diese Tat nun - wenngleich auch kein weiterer Tatbestand erfüllt wurde - eine neue Qualität erlangt. Vom Augenblick dieses Entschlusses an stelle sie ein wesentlich intensiveres kriminelles Verhalten dar, gehe dieses von der bloß abstrakten Gefährlichkeit zur konkreten Gefährdung über. Das begründe eine Zäsur in dem Sinne, daß eine neue weitere (Rausch)Tat vorliege, der Angeklagte mithin § 53 Abs. I Nr. 3 a lit. a WaffG zweimal im Rausch verwirklicht habe. Trotz der Verwirklichung mehrerer Rauschtaten liege insgesamt nur eine einzige Tat nach § 323 a vor.

Der Senat änderte das Urteil des Landgerichts im Schuldspruch lediglich die Konkurrenzen betreffend dahin, daß der Angeklagte des unerlaubten Erwerbs einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe in Tateinheit mit Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese in weiterer Tateinheit mit vorsätzlichem Vollrausch schuldig sei, hob den gesamten Strafausspruch auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung an eine andere Kammer des Landgerichts zurück.

2. Betrachtung und Analyse der Rechtsprechung, Darstellung der Entwicklung Die dargestellte Rechtsprechung bietet eine in mehrfacher Hinsicht unerfreuliche Ausgangslage, ein schwaches "Fundament" - bedenkt man, daß die These des Rücktritts von der versuchten Rauschtat allein auf sie zurückgeht. Hierbei ist die geringe Anzahl der Entscheidungen weniger mißlich als deren inhaltlich kurze und knappe Ausführungen, vor allem aber das Fehlen jeglicher Begründung zur entscheidenden Frage.

a) RG, Entsch. vom 31. März 19361 D 68/36, HRR 1936 Nr. 1149 Die Ausführungen des Reichsgerichts beschränken sich - was die Problematik des Rücktritts des zurechnungsunfähigen Täters betrifft - im Kern auf zwei Halbsätze von noch dazu vagem Inhalt. Der Senat geht alternativ von zwei Möglichkeiten aus: der verminderten Zurechnungsfähigkeit und der Zurechnungsunfähigkeit des Täters im Zeitpunkt der vom Täter im trunkenen Zustand begangenen Tat(en). Die Feststellung nun, daß der Angeklagte im ersten Falle vom Versuch zurücktreten

li. Die Rechtsprechung zum Rücktritt von der versuchten Rauschtat

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kann, betrifft zum einen bereits nicht den Anwendungsbereich des Vollrauschtatbestandes, und versteht sich zum anderen von selbst, bedurfte deshalb eigentlich keiner Ausführungen. Für den Fall der Zurechnungsunfähigkeit führt das Reichsgericht nur aus, daß die Feststellung des Täterwillens (auch) deshalb von Bedeutung sei, da hiervon abhänge, ob "von einem freiwilligen Rücktritt gesprochen werden kann". Die Erwähnung des Rücktritts im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Täterwillen und die Nennung des Adjektivs "freiwillig" lassen hierbei darauf schließen, daß allein die Frage der Freiwilligkeit des Rücktritts Gegenstand dieser Ausführung ist, genauer: die Frage, ob auch ein Zurechnungsunfähiger freiwillig im Sinne der Rücktrittsvorschriften handeln kann 29 . Es fällt also zunächst auf, daß die Frage der Anwendbarkeit der Rücktrittsvorschriften auf die vom Täter im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit verwirklichte versuchte Rauschtat als solche überhaupt nicht erörtert, sondern schlichtweg -konkludent- behauptet wird. Und das, obgleich das Reichsgericht den Rücktritt vom Versuch in ständiger Rechtsprechung als (persönlichen) Strafausschließungsgrund ansah 30 und deshalb für diesen stets einen strafbaren Versuch voraussetzte. Ohne jede Begründung wird die Möglichkeit des Rücktritts eines zurechnungsunfähigen Täters von seinem schuldlos begangenen und damit straflosen Versuch angenommen. Es wird damit ohne ein Eingehen auf die der Frage nach der Freiwilligkeit des Rücktritts logisch vorangehende Frage und Prüfung des Vorliegens einer Rücktrittssituation nicht ein zweiter Schritt vor dem ersten, sondern ein zweiter Schritt ohne den ersten getan. Zudem: obgleich schon das Reichsgericht beim Straftatbestand des Vollrauschs das Herbeiführen des Rausches als die tatbestandliehe Handlung und die im Rauschzustand begangene Tat als eine objektive Bedingung der Strafbarkeit angesehen hae 1, will es die strafbefreiende Wirkung des Rücktritts - anscheinend - grundsätzlich auf den bereits vollendeten Vollrauschtatbestand erstrecken. Das wird zwar nicht expressis verbis gesagt, eine andere mögliche Bedeutung und Auswirkung der den Täter von der verwirkten Strafe befreienden Rücktrittsvorschriften ist jedoch nicht denkbar, 29 Da das Reichsgericht vor der Einführung des Vollrauschtatbestandes den Begriff der Zurechnungsfähigkeit im Sinne der Handlungsfähigkeit verstanden hat, ein Zurechnungsunfähiger demnach bereits nicht - im Sinne des Strafrechts - handeln konnte (vgl. etwa RGSt II, 56, 58; 21, 14, 15; 35, 73; 40, 21, 24 f. ; 56, 209, 211), hat sich bis zu diesem Zeitpunkt auch die Frage des Rücktritts eines Zurechnungsunfähigen vom Versuch schon deshalb nicht gestellt, weil es bereits an einer strafrechtlichen Handlung fehlte. Auf den Begriff der Zurechnungsfähigkeit und seinen Bedeutungswandel wird an späterer Stelle noch ausführlicher - unter Berücksichtigung des Schrifttums - einzugehen sein. 30 So etwa RGSt 4, 290, 293; 14, 19, 24; 16, 347; 37, 402, 405; 56, 209, 210. 3 1 RGSt 69, 187, 188; 70, 42.

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I. Kap.: Einführung in Gegenstand und Problematik der Untersuchung

da ihn allein eine Strafe wegen Vollrauschs, nicht hingegen wegen der Rauschtat selbst treffen kann. Auch diese untypische Wirkung des Rücktritts wird - wiederum ohne jede Begründung - angenommen. Die Ausführungen des Reichsgerichts beschränken sich insoweit darauf, daß der Rücktritt vom Versuch (sc. zwar) "insbesondere" dann von Bedeutung sei, wenn der Täter sich noch im Zustand der (evtl. verminderten) Zurechnungsfähigkeit befunden habe, "aber auch" für den Fall der Zurechnungsunfähigkeit zu prüfen sei, ob der Angeklagte vom Versuch freiwillig zurückgetreten sei. Das ist nicht eben viel, in keinem Falle auch nur annähernd der Ansatz einer Begründung. Betrachtet man die beiden zuletzt genannten "Unstimmigkeiten", so ist hervorzuheben, daß das Reichsgericht gleichwohl die Rücktrittsvorschrift unmittelbar anwenden will, indem es insoweit nicht von deren nur entsprechenden oder analogen Heranziehung spricht. Auffällig ist auch eine gewisse Vagheit der Aussagen des Senats, wenn es etwa heißt, daß von einem freiwilligen Rücktritt "gesprochen werden kann" und daß ein solcher "denkbar" sei. Hierbei muß allerdings berücksichtigt werden, daß die Ausführungen an dieser Stelle der Entscheidung nur die Funktion von Hinweisen an die Strafkammer des Landgerichts haben, an die die Sache zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen wurde. Schließlich ist eine weitere wichtige Feststellung zu treffen: Nachdem der Senat dargelegt hat, daß auch im Falle der Zurechnungsunfähigkeit des Täters dessen Wille für die Feststellung der im Rausch begangenen Tat von Bedeutung ist, führt er aus, daß der Angeklagte danach entweder (lediglich) die Ehre des Kindes verletzt (§ 185) oder eine versuchte Verleitung zur Vornahme einer unzüchtigen Handlung (§ 176 Abs. 1 Nr. 3 [a. F.]) begangen habe. Bereits nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts war eine Tateinheit von Sexualdelikten und Beleidigung grundsätzlich nicht möglich 32 . Das bedeutet, daß für den Täter - sollte sein Wille über die Beleidigung hinaus auf eine Verleitung des Kindes gerichtet gewesen sein der Versuch des § 176 Abs. 1 Nr. 3 (a. F.) seine einzige Rauschtat im Rahmen des § 330a (a.F.) gewesen wäre. Er hätte in diesem zweiten Falle neben dem Versuch nicht bereits den Tatbestand eines anderen Delikts vollständig im Rausch verwirklicht, so daß kein sog. qualifizierter Versuch 33 vorgelegen hätte.

32 Speziell zu § 176 Abs. I Nr. 3 (a. F.): RGSt 45, 344; zu den anderen Sexualdelikten vgl. etwa RGSt 65,337, 338; 71, 376jeweils m. w.N. 33 Zu dieser Terminologie vgl. bereits Schwartz, StGB (1914), § 46 Anm. I.

II. Die Rechtsprechung zum Rücktritt von der versuchten Rauschtat

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Die vom Reichsgericht angenommene strafbefreiende Wirkung des Rücktritts wäre für den zweiten Vollrausch also eine absolute in dem Sinne gewesen, daß sie für den Angeklagten zum (Teil 34)Freispruch hätte führen müssen. Die Anwendung der Rücktrittsvorschriften auf die versuchte Rauschtat im Rahmen des § 330a (a. F.) hätte also unmittelbar, bereits über die Frage des "Ob" der Strafe, entschieden.

b) BGH, Urt. vom 5.1.1971 5 StR 676170, MDR/D 1971, 362 Anders als in dem vom Reichsgericht zu beurteilenden Sachverhalt wurde hier die Zurechnungsunfahigkeit des Angeklagten im Zeitpunkt der im Rausch begangenen Tat von der Strafkammer widerspruchsfrei festgestellt und auch von der Revision nicht angegriffen. Gegenstand dieses Urteils war also ein zurechnungsunfähiger und damit schuldlos handelnder Täter. Und obwohl - hier beginnen sich die Entscheidungen zu ähneln - auch der Bundesgerichtshof im Anschluß an das Reichsgericht35 den Rücktritt vom Versuch als einen (persönlichen) Strafaufhebungsgrund ansah 36 (und bis heute ansieht) und deshalb für diesen stets einen strafbaren Versuch voraussetzte, wollte der 5. Senat die Rücktrittsvorschriften auf den Versuch des zurechnungsunfähigen und damit schuld- und deshalb straflos handelnden Rauschtäter angewendet wissen. Obgleich - die zweite Parallele zu der reichsgerichtliehen Entscheidung - der BGH wie zuvor auch das Reichsgericht das Herbeiführen des Rausches als die tatbestandliehe Handlung und die sog. Rauschtat nur als objektive Bedingung der Strafbarkeit ansah 37 , der Täter damit also wegen des bereits vollendeten Sichberauschens, nicht aber wegen der Rauschtat bestraft wird, sollte sich die strafbefreiende Wirkung des Rücktritts auf die Strafbarkeit des Täters wegen des bereits vollendeten Vollrauschtatbestandes erstrecken; ein Rücktritt vom an sich straflosen Versuch soll demzu34 Gegenstand der Anklage waren zwei zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit stehende Vergehen des Vollrausches, so daß bei Annahme der Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten und der Anwendung der Rücktrittsvorschriften auf die versuchte Rauschtat die Strafbarkeit der zweiten Tat entfallen wäre. 35 Das Reichsgericht hatte in späteren Entscheidungen den Rücktritt vom Versuch nicht mehr als einen persönlichen Strafausschließungs-, sondern als einen Strafaufhebungsgrund angesehen; vgl. etwa RGSt 73, 349, 350. Für die hier in Frage stehende Problematik des Rücktritts Zurechnungsunfähiger vom Versuch ist diese Differenzierung ohne Bedeutung. 36 So die st. Rspr., expressis verbis etwa in BGHSt 4, 172, 174; 6, 85, 88. 37 Seit BGHSt I, 124, 125; 275, 277, 327, 328; 2, 15. 18; 9, 390, 396 u.ö.

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I. Kap.: Einführung in Gegenstand und Problematik der Untersuchung

folge die Strafbarkeit wegen der Verwirklichung eines vollendeten Tatbestandes aufheben. Bezüglich dieser beiden Aspekte kann auf die Ausführungen zur Entscheidung des Reichsgerichts verwiesen werden. Da jedoch der Täter im hier zu beurteilenden Sachverhalt tatsächlich zurechnungsunfahig war, das also nicht nur eine noch durch das Landgericht zu überprüfende theoretische Möglichkeit war, kommt der oben aufgezeigte Widerspruch noch deutlicher zum Vorschein als in dem reichsgerichtliehen Judikat, wenn es heißt, es bestehe die Möglichkeit, daß der Angeklagte "mit strafbefreiender Wirkung vom Diebstahlsversuch zurückgetreten" sei. Dieser zentrale Satz des Urteils führt deutlich vor Augen, daß sich der Rücktritt als solcher zwar tatsächlich auf den im Rausch begangenen Versuch beziehen, der Rauschtäter also nach den Vorstellungen des Senats "vom Versuch" zurücktreten soll, ihm aber hierfür Strafbefreiung für die VeiWirklichung des vollendeten (Vollrausch)Tatbestandes gewährt werden soll. Es sei nochmals betont: die Strafe, von der der Täter durch den Rücktritt befreit werden soll, kann nur die aus der Verwirklichung des Vollrauschtatbestandes resultierende sein, eine andere liegt nämlich nicht vor. Wie schon das Reichsgericht, so geht auch der 5. Strafsenat des BGH nicht auf diese doch offensichtlichen Unstimmigkeiten ein und wendet wohl deshalb auch ohne jede Begründung - die Rücktrittsvorschriften unmittelbar an. Ein zweiter Unterschied zu der reichsgerichtliehen Entscheidung besteht in folgendem: Während der Täter in jener Entscheidung im Rausch nur einen Versuch begangen hatte, ohne daneben zugleich den Tatbestand eines anderen Deliktes rechtswidrig zu verwirklichen, liegt der Sachverhalt dieser Entscheidung anders. Da das Grundstück nach den Feststellungen des Landgerichts mit Hecken und Jägerzäunen umgeben war, hat der Angeklagte bereits durch das Betreten des Anwesens den Tatbestand des Hausfriedensbruchs (§ 123) und durch das Einschlagen der Scheibe der Terrassentüre zugleich den der Sachbeschädigung (§ 303) tatbestandlieh und rechtswidrig verwirklicht. Während diese beiden Delikte grundsätzlich im Wege der Gesetzeseinheit hinter den Einbruchsdiebstahl (§§ 242, 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1) zurücktreten38, leben sie bei einem Rücktritt des Täters vom Versuch des (Einbruchs) Diebstahls wieder auf39 . 38 Nach h. M. besteht Gesetzeseinheit in Form der Konsumtion; vgl. etwa RGSt 40, 430, 431 ; BGHSt 22, 127, 129; LK 11 -Ruß, § 243 Rn. 43 ; Tröndle/Fischer49 , § 243 Rn. 45; S/S-Eser, § 243 Rn. 59. Die Umqualifizierung des Wohnungseinbruchsdiebstahl von einem Regelfall einer Strafzumessungsvorschrift (§ 243 Abs. I S. 2 Nr. I a. F.) in ein Merkmal eines Qualifikationstatbestandes (§ 244 Abs. I Nr. 3

II. Die Rechtsprechung zum Rücktritt von der versuchten Rauschtat

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Hierauf geht der Senat, der die Rücktrittsregeln auf den im Rausch begangenen versuchten Diebstahl anwenden will, mit keinem Wort ein. Unter diesem Aspekt jedoch erweckt der bereits zitierte Satz, es habe die Möglichkeit bestanden, "daß der Angeklagte ( ... ) mit strafbefreiender Wirkung von dem Diebstahlsversuch zurückgetreten ist", weitere Zweifel. Die Möglichkeit des Rücktritts in dieser Konstellation einmal unterstellt40, hätte der Angeklagte in seinem Rauschzustand auch nach einem wirksamen Rücktritt weiterhin einen Hausfriedensbruch und eine Sachbeschädigung tatbestandsmäßig und rechtswidrig begangen, wären diese beiden Delikte im Rahmen des § 330a (a.F.) Rauschtaten, die gerade nach einem wirksamen Rücktritt - wenn man nach der Bejahung des Rücktritts auch dessen Konsequenzen beachtet - ihre Bedeutung erst wieder erlangt hätten. Der Täter hätte also - sollte er vom Diebstahlsversuch wirksam zurückgetreten sein - hierdurch keine Straffreiheit erlangt41 . Um so weniger ist die Formulierung von dem "strafbefreienden" Rücktritt verständlich. Vielleicht - da sich der Senat hierzu nicht äußert, kann das nur vermutet werden - soll der Diebstahlsversuch durch den Rücktritt aber auch (nur) seine Existenz und Funktion als Rauschtat verlieren. Damit lägen nach einem "wirksamen Rücktritt" statt eines versuchten Einbruchsdiebstahls lediglich eine Sachbeschädigung und ein Hausfriedensbruch als Rauschtaten vor. Dieser grundsätzlich beachtliche Unterschied wäre nach § 330a Abs. 2 (a. F.), nach dem die Strafe (sc. für den Vollrausch) nicht schwerer sein darf als die Strafe, die für die im Rausch begangene Tat angedroht ist, im Rahmen der Strafzumessung von Bedeutung gewesen. Der Strafrahmen des § 330 a Abs. 1 (a. F.), der neben Geldstrafe Gefängnis von einem Tag bis zu fünf Jahren(§ 16 Abs. 1 [a.F.]) vorsah, würde auf den Strafrahmen des § 303 Abs. 1 (Gefängnis von einem Tag bis zu zwei Jahren) reduziert42 . n. F.) durch das 6. StrRG ist für die Frage des Konkurrenzverhältnisses zu §§ 123, 303 StGB ohne Relevanz. 39 RGSt 40, 430, allgemein für den Fall der Gesetzeseinheit LK 10- Vogler, § 24 Rn. 195 f.; S/S-Eser, § 24 Rn. 109; Tröndle/Fischer4 9 , § 24 Rn. 18. 40 Das soll bei den folgenden Ausführungen stets der Fall sein, auch ohne daß hierauf gesondert hingewiesen wird. So wird der Terminus des Rücktritts von der versuchten Rauschtat von nun an weder in Anführungszeichen gesetzt noch mit dem Zusatz "sog." versehen werden. 41 Da der Hausfriedensbruch ein reines Antragsdelikt ist (§ 123 Abs. 2), die Verfolgbarkeil der Sachbeschädigung von einem Strafantrag oder der Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses durch die Staatsanwaltschaft abhängt (§ 303 c) und diese Prozeßvoraussetzungen nach § 323 a Abs. 3 auch für die Verfolgung des Vollrausches gelten, ist jedoch auch die - wohl mehr theoretische als praktische - Möglichkeit zu sehen, daß ein Strafantrag nicht gestellt und das besondere öffentliche Interesse hinsichtlich der Sachbeschädigung nicht bejaht wurde. Nur in solchem Falle hätte der Rücktritt eine für den Angeklagten umfassende strafbefreiende Wirkung gehabt. Diese Möglichkeit soll jedoch ausgeschlossen werden.

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I. Kap.: Einführung in Gegenstand und Problematik der Untersuchung

Mithin läge eine gänzlich andere gesetzliche Strafdrohung, mit ihr ein anderer Strafrahmen und mit beidem - zumindest in der Theorie - ein anderer Ausgangspunkt der Strafzumessung vor43 . Die weitere Erwägung des Senates dazu, ob ein zurechnungsunfähiger Täter freiwillig handeln könne und ein insoweit freiwilliges Handeln des Angeklagten vorgelegen habe, können hier offen bleiben. Sie stellen ausgehend von der Möglichkeit des Rücktritts bereits dessen Folgeprobleme dar, die nicht Gegenstand dieser Arbeit sind. c) BGH, Beschl. v. 7.9.1993 5 StR 327/93, NStZ 1994, 131 Bei der Betrachtung und Bewertung dieser über 20 Jahre später ergangenen Entscheidung des selben Strafsenats zu der im wesentlichen gleichen Problematik müssen die in der Zwischenzeit erfolgten gesetzlichen Änderungen Berücksichtigung finden. Während die Rechtsprechung ursprünglich - dem damaligen Gesetzestext streng folgend - für die Anwendbarkeit des § 330 a (a. F.) einen "die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch" voraussetzte, wendete der Bundesgerichtshof später die Norm auch in Fällen an, in denen das Ausmaß der Berauschung und damit die Feststellungen hinsichtlich der Zurechnungs(un)fähigkeit nicht sicher waren. Voraussetzung hierfür sollte sein, daß der Täter die "sichere" Grenze der verminderten Zurechnungsfähigkeit (§ 51 Abs. 2 [a. F.]) überschritten hatte und nicht ausräumbare Zweifel bestanden, ob der verschuldete Rausch die Zurechnungsfähigkeit des Täters ausgeschlossen oder nur erheblich vermindert hatte44 • Die Einbeziehung der nicht eindeutig nachweisbaren Zurechnungsunfähigkeit in den Tatbestand des § 330 a (a. F.) wurde durch das EGStGB vom 2.3.197445 "legalisiert"46 und liegt der heutigen Fassung des § 323 a zugrunde. 42 Bei einer Mehrzahl von Rauschtaten innerhalb desselben Rausches werden die Konkurrenzvorschriften entsprechend angewandt (s. etwa LK9 -Lay, § 330a Rn. 102; LK 11 -Spendel, § 323a Rn. 327 m.w.N.), so daß im Falle der "Tateinheit" (§ 73 [a. F.], § 52) der schwerere Strafrahmen der entscheidende wäre, hier also derjenige der Sachbeschädigung. 43 Zur (erstrangigen) Bedeutung des gesetzlichen Strafrahmens und dessen Bestimmung im Gesamtprozeß der Strafzumessung s. etwa LK 11 -Gribbohm, § 46 Rn. 243; SK-Horn, § 46 Rn. 50. 44 BGHSt GS 9, 390, 397 f.; BGHSt 16, 187, 189; 17, 333, 334 u.ö. 45 BGBI. I, S. 469, 495. Hierzu ausführlich 4. Kapitel, VI. 2. d) und VII. 3. 46 So wörtlich etwa LK 11 -Spendel, § 323a Rn. 105 und BGHSt 32, 48, 52. S. auch BT-Drucks. 7/550 S. 268.

II. Die Rechtsprechung zum Rücktritt von der versuchten Rauschtat

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Lediglich aus einer Verweisung des Senats auf frühere Entscheidungen47 wird ersichtlich, daß ein solcher Zweifelsfall dem vorliegenden Beschluß zugrunde lag. Der Angeklagte war demnach im Zeitpunkt der Rauschtat weder mit Sicherheit schuldfähig noch mit Sicherheit schuldunfähig, sondern befand sich in einem Zustand, in dem er möglicherweise (sc. hinsichtlich der versuchten räuberischen Erpressung) schuldunfähig war, daneben aber auch die Möglichkeit der nur verminderten Schuldfähigkeit bestand. Diese Zweifel konnten nicht ausgeräumt werden. Hierin liegt nun ein Unterschied zu den beiden vorher betrachteten Judikaten, der zunächst nur festzuhalten ist. Ob er für die hier in Frage stehende Problematik von Bedeutung sein wird, und - falls ja - von welcher, bleibt der späteren Untersuchung vorbehalten. Zwar war - wie dargestellt - die Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten in dem der Entscheidung des Reichsgerichts zugrundeliegenden Sachverhalt infolge der fehlerhaften Feststellungen des Landgerichts ebenfalls in der Weise ungewiß, daß der Täter entweder schon zurechnungsunfähig oder noch nur vermindert zurechnungsfähig gewesen war. Das Reichsgericht ging hierbei jedoch davon aus, daß das nach einer Zurückverweisung durch das Landgericht noch eindeutig festgestellt werden könne, und mithin kein endgültiger Zweifel in diesem Sinne vorlag48, und betrachtete die beiden Möglichkeiten alternativ, wobei es zu jeder gesondert Stellung nahm. Deshalb äußerte sich der Senat auch zum Rücktritt des zurechnungsunfähigen Rauschtäters von der versuchten Rauschtat im Rahmen des § 330a (a. F.) und nahm dabei hypothetisch den Fall feststehender Zurechnungsunfähigkeit an. Bei der Entscheidung des 5. Strafsenats des BGH vom 5.1.1971 hingegen war der Täter im Zeitpunkt der Rauschtat nach den nicht angegriffenen Feststellungen der Strafkammer tatsächlich schuldunfähig gewesen. Die wiedergegebenen Ausführungen beider Gerichte zum Rücktritt vom Versuch im Rahmen des Vollrauschtatbestandes gehen demnach von einem zurechnungsunfähigen Rauschtäter aus, das Reichsgericht insoweit auf Grund einer hypothetischen Betrachtung. Somit steht - anders als in den vorherigen Entscheidungen - für den vorliegenden Fall fest, daß der Angeklagte im Zeitpunkt der versuchten Rauschtat (§§ 255, 250 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1) möglicherweise schuldunfähig, möglicherweise aber auch nur vermindert schuldfähig war. Mit der Möglichkeit der verminderten Schuldfähigkeit geht nun zugleich auch die BGHSt 32, 48, 54 und BGHR StGB § 323 a Abs. I Rausch I und 3. Nach der Rspr. des Reichsgerichts sollte bei nicht überwindbaren Zweifeln dieser Art (sc. nach dem damaligen, durch das Gesetz vom 28. Juni 1935 [RGBI. I S. 839] in das StGB eingefügten § 2 b) eine Wahlfeststellung zwischen dem Vergehen des Vollrausches und der Rauschtat möglich sein, soRG HRR 1936 Nr. 1149 a.E. mit Hinw. auf RGSt 70, 42, 44. 47

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I. Kap.: Einführung in Gegenstand und Problematik der Untersuchung

Möglichkeit des Rücktritts vom Versuch einher, da der - wenn auch nur vermindert und damit eingeschränkt - Schuldfähige schuldhaft handelt, mithin einen strafbaren Versuch begeht, der - wie ausgeführt - erste Voraussetzung für einen als Strafaufhebungsgrund verstandenen Rücktritt ist. Allerdings ist festzuhalten, daß die erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Täters nicht erwiesen war, er sich vielmehr in einem Zustand befand, in dem dies lediglich nicht ausgeschlossen werden konnte. Diesen Unterschied zwischen tatsächlicher und (nur) nicht ausschließbarer verminderter Schuldfähigkeit gilt es stets zu beachten. Gleichwohl: Aufgrund der Möglichkeit erheblich verminderter Schuldfähigkeit könnte es immerhin sein, daß ein strafbarer Versuch des Rauschtäters vorläge, so daß ein Rücktritt grundsätzlich in Betracht käme. Mit ihr rückt der Rücktritt von der versuchten Rauschtat - im Vergleich zur Situation der zweifelsfrei festgestellten Zurechnungsunfähigkeit - zumindest ein wenig näher, sie könnte unter Umständen Auswirkungen auf das Argument der fehlenden Rücktrittssituation haben. Selbst wenn dem jedoch so wäre, würde die bereits hervorgehobene weitere Unstimmigkeit dieser Konstruktion bestehen bleiben, daß der Rücktritt von einer als objektive Bedingung der Strafbarkeit verstandenen Rauschtat Konsequenzen für die Strafe wegen Verwirklichung eines (noch dazu vollendeten!) Delikts - nämlich des Vollrauschtatbestandes - haben soll. Der Rücktritt würde also nicht die Strafe für den Versuch (die ja nicht existiert!) aufheben, sondern die Strafe für die Begehung eines anderen Deliktes, in dessen Zusammenhang der Versuch nur als objektive Bedingung der Strafbarkeit fungiert. Wie schon in der früheren Entscheidung wendet der 5. Senat auch hier die Vorschrift des § 24 Abs. l S. l unmittelbar an und spricht wiederum von der "strafbefreienden" Wirkung dieses Rücktritts, wenn es etwa heißt, das Bezirksgericht habe "übersehen, daß insoweit die Voraussetzungen einer Strafbefreiung wegen Rücktritts vom Versuch (. .. ) vorliegen", oder, der Angeklagte sei "von dem ( ... ) unbeendeten Versuch der schweren räuberischen Erpressung strafbefreiend zurückgetreten". Andererseits äußert sich der Senat über die in seiner früheren Entscheidung noch offen gebliebene Rücktrittswirkung doch zumindest etwas genauer. In beiden Fällen hatte der Angeklagte im Rauschzustand neben dem versuchten weitere Delikte verwirklicht49 . Während sich der Senat in jener früheren Entscheidung mit dem Hinweis auf die strafbefreiende Wirkung des Rücktritts ausschließlich auf das versuchte Delikt und den Rücktritt hiervon beschränkt hatte und auf die anderen Rauschtaten mit keinem 49 Hinsichtlich der Verfolgbarkeil der Rauschtaten und damit nach § 323 a Abs. 2 auch des Vollrauschtatbestandes in MDR/D 1971, 362 s. o. Fn. 41.

II. Die Rechtsprechung zum Rücktritt von der versuchten Rauschtat

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Wort eingegangen war, führt er in diesem Beschluß nun aus, daß die versuchte schwere räuberische Erpressung aufgrund des freiwilligen Rücktritts - so wörtlich - "als weitere Rauschtat ausscheide" und so vom Bezirksgericht zu Unrecht eine weitere Rauschtat angenommen worden sei. Auf diese Weise scheint zunächst eine Verbindung der Rücktrittswirkung mit dem Versuch wieder hergestellt, wenn aufgrund des Rücktritts von der versuchten Rauschtat nur diese ihre Bedeutung als Rauschtat verlieren, nur sie ausscheiden soll. Weshalb dies jedoch so sein soll - immerhin liegt auch nach einem Rücktritt weiterhin eine "rechtswidrige Tat" vor! -, wird nicht begründet. d) BGH, Beschl. v. 22.2.1994 1 StR 789/93, StV 1994, 304 Zur tatrichterlichen Ausgangsentscheidung bleibt hier wenig zu sagen. Auch in dem diesem Beschluß zugrunde liegenden Sachverhalt hatte sich der Angeklagte in einen Rauschzustand versetzt, der seine Schuldfahigkeit (nur) möglicherweise ausschloß und ebenfalls neben einer versuchten Rauschtat weitere Delikte begangen. Auch der 1. Senat will - wie kurz zuvor der 5. Senat - bei einem freiwilligen Rücktritt von der versuchten Rauschtat diese "entfallen" lassen. So wird ausgeführt, daß (sc. als Rauschtat) nicht ein Totschlagsversuch, sondern eine gefährliche Körperverletzung vorläge, käme ein freiwilliger Rücktritt in Betracht. Insoweit stimmt dieser Beschluß mit dem (zweiten) des 5. Senats überein. Die Ausführungen sind jedoch insgesamt für die aufgezeigten Widersprüchlichkeiten des Rücktritts von der versuchten Rauschtat wesentlich "sensibler", zeigen deutlich, daß die Problematik (zumindest teilweise) als eine solche erkannt wurde. Das wird in dem Satz des Urteils deutlich, der bei der Veröffentlichung wörtlich als Leitsatz übernommen wurde. Mit der getroffenen Feststellung, daß "bei einer Verurteilung wegen Vollrausches die dem Täter zur Last gelegte Handlung die Herbeiführung des Rausches und nicht die im rauschbedingt schuldunfähigen Zustand begangene rechtswidrige Tat ist", gleichwohl aber die Rücktrittsvorschriften auf einen im Rausch begangenen Versuch angewendet werden sollen, ist zumindest eine der oben aufgezeigten Unstimmigkeiten benannt. Das wird zudem durch die (lediglich) analoge Anwendung der Rücktrittsvorschriften unterstrichen. Eine Begründung hierfür, etwa eine Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen analoger Gesetzesanwendung, bleibt der Senat allerdings schuldig.

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I. Kap.: Einführung in Gegenstand und Problematik der Untersuchung e) BGH, Beschl. v. 27.5.1998 5 StR 717/97, NStZ-RR 1999, 8

Die jüngste Entscheidung des 5. Senats reiht sich - was den Rücktritt von der versuchten Rauschtat betrifft - im Ergebnis nahtlos in die Reihe ihrer Vorgängerinnen ein. Sprachlich fällt hierbei zunächst auf, daß das Adjektiv "strafbefreiend" im Zusammenhang mit dem Rücktritt von der versuchten Rauschtat etwas zurückhaltender als in den Entscheidungen des selben Senats aus den Jahren 1971 und 1993 verwendet wird, auf die der Senat im übrigen auch nicht verweist. Während es dort noch stets hieß, der Angeklagte sei mit strafbefreiender Wirkung von der jeweiligen versuchten Rauschtat zurückgetreten, die Strafbefreiung also mit der versuchten Rauschtat unmittelbar verbunden schien, wird dieser Begriff nunmehr nur ein einziges Mal bei der Zitierung des l. Senats verwendet, die Vorschriften über den strafbefreienden Rücktritt vom Versuch seien auch dann anzuwenden, wenn der mit "natürlichem" Vorsatz handelnde Täter vom Versuch der Rauschtat freiwillig zurückgetreten sei. Beim Lesen des Beschlusses fällt weiterhin auf, daß - zugegeben vielleicht eine Feinheit - der Senat sich zwar auf die auch zitierte Entscheidung des l. Senates beruft und deren zentrale Aussage zum Rücktritt von der versuchten Rauschtat anführt, ohne jedoch dabei deren nur "analoge" Anwendung der Rücktrittsvorschriften zu übernehmen. Interessant ist das deshalb, weil der 5. Senat in seinen früheren Entscheidungen stets von der unmittelbaren Anwendbarkeit der Rücktrittsvorschriften ausging. Die umfangreichen Ausführungen des Senates zu den waffenrechtliehen Tatbeständen und deren Konkurrenzverhältnis sind bemerkenswert50 und wären durchaus eine Betrachtung wert, betreffen jedoch den Rücktritt von der versuchten Rauschtat als solchen und damit das Thema der Untersuchung nicht. Sie sind für den der Entscheidung zugrunde liegenden Fall einzig dafür von Relevanz, ob der versuchte Totschlag ein qualifizierter Versuch war und wieviele Rauschtaten der Angeklagte verwirklicht hat. 50 So der Umstand, daß der Angeklagte das Ausüben der tatsächlichen Gewalt über eine automatische Selbstladekurzwaffe bereits in noch schuldfahigem, und daher von § 323 a nicht erfaßten Zustand verwirklicht hat und dieses (Dauer)Delikt nur in schuldunfähigem Zustand weiter aufrechterhielt. Ob das allein bereits eine Rauschtat im Rahmen des § 323 a darstellt, erscheint zumindest deshalb fraglich, weil die Norm des Vollrausches nach der Rechtsprechung primär der "Lückenschließung" dienen soll, es eine solche Lücke jedoch in dieser Konstellation des Dauerdeliktes gar nicht gibt; kritisch hierzu auch Altvater, NStZ 1999, 17, 20. Die Annahme einer durch den Tötungsentschluß begründeten Zäsur, die materiell-rechtlich eine zweite Tat begründet, scheint mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGHR WaffG §53 Abs. I Konkurrenzen 3; BGHSt 36, 151 , 154) in Einklang zu stehen.

III. Die praktische Bedeutung des Problems, die möglichen Rechtsfolgen

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Ihre Bedeutung erstreckt sich somit nach § 323 a Abs. 2 allein auf die Strafzumessung.

111. Die praktische Bedeutung des Problems, die möglichen Rechtsfolgen Die dogmatische Problematik des Rücktritts von der versuchten Rauschtat wurde bereits eingehend dargestellt. Sie allein wäre für sich bereits Grund genug für eine nähere wissenschaftliche Untersuchung. Gleichwohl ist das aufgezeigte Problem darüber hinaus auch durchaus von praktischer und forensischer Bedeutung.

1. Die praktische Bedeutung des Rücktritts von der versuchten Rauschtat Daß es bis heute, da § 323 a bereits seit etwa 65 Jahren in Kraft getreten ist, nur fünf höchstrichterliche Entscheidungen zur vorliegenden Problematik gibt, verwundert auf den ersten Blick. Wie zu zeigen sein wird, kann dies gewiß nicht daran liegen, daß derartige Konstellationen seltene, in der Realität kaum vorkommende wären. Die in den letzten Jahren zunehmend täterfreundliche Rücktrittsrechtsprechung51 des BGH hat den Anwendungsbereich des rücktrittsfähigen unbeendeten Versuches, und damit die Möglichkeit des Täters, bereits allein durch bloßes freiwilliges Aufgeben der weiteren Tatausführung Straffreiheit zu erlangen, erheblich erweitert: Zum einen geht die Rechtsprechung für die Unterscheidung zwischen beendetem und unbeendetem Versuch seit BGHSt 31, 170 vom sog. Rücktrittshorizont aus52 , zum anderen betrachtet sie bei einem aus mehreren Ausführungsakten bestehenden Tatablauf nicht die jeweiligen Einzelakte isoliert für sich, sondern das Gesamtgeschehen53 und verneint auf diese Weise - unter gleichzeitiger Annahme eines unbeendeten Versuches - immer öfter das Vorliegen eines den Rücktritt ausschließenden sog. fehlgeschlagenen Versuches. Kaum ein anderer Fall vermag dies deutlicher und auch eindrucksvoller zu belegen als jener der jüngsten Entschei51 Vgl. etwa die krit. Darstellung bei v. Heintschel-Heinegg, ZStW I 09 (1997) 29 ff., der gar von einer "extensiv rucktrittsfreundlichen Rechtsprechung" (a. a. 0., S. 29) spricht; ähnlich auch S/S-Eser, § 24 Rn. 16: eine "rucktrittsfreundliche Hinauszögerung des Übergangs vom unbeendeten zum beendeten Versuch". 52 Vgl. S/S-Eser, § 24 Rn. 17 a; SK-Rudolphi, § 24 Rn. II ff. jew. m. w. N. 53 Zur sog. "Gesamtbetrachtungslehre" im Gegensatz zur sog. "Einzelaktstheorie" etwa Wessels/Beulke, AT29 , Rn. 629 f.; kritisch und differenzierend SK-Rudolphi, § 24 Rn. 14 ff.

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I. Kap.: Einführung in Gegenstand und Problematik der Untersuchung

dung des 5. Senats zugrunde liegende Sachverhalt54 : So liegt, selbst wenn ein Täter bereits mehrmals mit Tötungsvorsatz auf sein Opfer geschossen hat, ohne es zu treffen, ein nicht fehlgeschlagener und damit rücktrittsfahiger unbeendeter Versuch eines Totschlags vor, solange der Täter noch ein weiteres Geschoß in seiner Waffe hat, zur Verwirklichung der Tat noch hätte weiterhandeln können und dies auch wußte. Allein die noch weiter bestehende Möglichkeit der Verwirklichung des Tatbestandes und die Kenntnis des Täters hiervon ermöglichen es dem Täter durch bloßes Aufgeben der Tat, durch bloßes Nichtweiterhandeln strafbefreiend vom Versuch zurückzutreten; es werden also im Vergleich zur Annahme eines beendeten Versuches geringe, ja minimale Anforderungen an die Rücktrittshandlung gestellt. So ist mit der zunehmend erleichterten Annahme eines unbeendeten Versuches (§ 24 Abs. 1 Alt. I) für die Rücktrittshandlung eine Aktion des Täters zur Verhinderung der Tatvollendung nicht verlangt, vielmehr nur ein schlichtes Aufgeben der weiteren Tatausführung erforderlich, solange der Täter - wie er weiß - mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln und ohne zeitliche Zäsur sein Ziel noch erreichen kann. Diese Rechtsprechung zum Rücktritt vom Versuch bei mehreren Ausführungsakten hat die Möglichkeiten des Rücktritts vom Versuch und damit auch die der zu untersuchenden Fallkonstellationen erweitert, ihr tatsächliches Vorkommen wahrscheinlicher gemacht. Daß es bislang dennoch nur wenige Judikate der Obergerichte zum Rücktritt von der versuchten Rauschtat gibt, kann demnach zumindest nicht daran liegen, daß sich solche Fälle nicht öfter ereignet hätten, die Situation also eine seltene wäre. Seit dem lokrafttreten des 6. StrRG am I. April 1998 ist zudem die Ausweitung der Versuchsstrafbarkeit zu berücksichtigen. Durch die Qualifizierung von Vergehen zu Verbrechen55 und die Anordnung der Versuchsstrafbarkeit bei Vergehen 56 ist die Zahl der Delikte, deren Verwirklichung bereits im Versuchsstadium mit Strafe bedroht ist, beträchtlich gestiegen. Der Hinweis auf die neu eingeführte Strafbarkeit der versuchten einfachen Körperverletzung (§ 223 Abs. 2) mag genügen. Dessen häufiges Vorkommen in der Realität bedarf keiner Erläuterung. Das bisher (!) gleichwohl seltene Auftauchen der Problematik des Rücktritts von der versuchten Rauschtat in der (sc. veröffentlichten) Rechtsprechung kann auf verschiedensten Ursachen beruhen: So ist zum einen die Möglichkeit zu erwägen, daß - unabhängig vom Rücktritt - ein Vollrausch s. die Darstellung im I. Kapitel, II. I. d). So etwa§ 221 Abs. 2 Nr. I i.Vgl. zu§ 221 Abs. 2 (a.F.). 56 Etwa §§ 174a Abs. 3, 174c Abs. 3, 223 Abs. 2, 225 Abs. 2, 235 Abs. 3, 236 Abs. 3, 239 Abs. 2, 265 Abs. 2, 273 Abs. 2, 318 Abs. 2, 340 Abs. 2. 54

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III. Die praktische Bedeutung des Problems, die möglichen Rechtsfolgen

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mit einer lediglich versuchten Rauschtat überhaupt bereits seltener zur Kenntnis der Straftatverfolgungsbehörden gelangt als ein "folgenreicher" Vollrausch; zum anderen, daß - sc. soweit erforderlich - die Bereitschaft des Opfers zum Stellen eines Strafantrages (§ 323 a Abs. 3) bei einer nur versuchten Rauschtat geringer ist, zumal dann, wenn der Täter von deren Vollendung Abstand genommen hat. Ferner wird die Staatsanwaltschaft in den Fällen, in denen die Tatgerichte der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgen, keine Revision einlegen. Über den wahren Grund weiter zu spekulieren, wäre müßig. Gleichwohl seien an dieser Stelle Überlegungen erwähnt, die Paeffgen zur vergleichbaren Problematik des Rücktritts von der versuchten Defekttat im Rahmen der actio libera in causa57 angestellt hat: "Die genannten Versuchs-Probleme geben zwar (... ) forensisch nicht viel her, weil sie i. d. R. informell (aber unstimmig) erledigt werden. Da die Justiz aber zum Einschreiten nach Grundsätzen aufgerufen ist, werfen die ausgebreiteten konstruktivistischen Unschlüssigkeilen ein grelles Licht auf die Zulässigkeit der (beinahe) nirgends in Zweifel gezogenen Praxis" 58 . In diesem Sinne ist der Rücktritt von der versuchten Rauschtat keinesfalls ein lediglich die Wissenschaft und die Dogmatik betreffendes, praxisfernes "Problem", das in dem oftmals polemisierend erwähnten "Elfenbeinturm" zu diskutieren und zu lösen wäre, sondern zugleich auch ein forensisch bedeutsames.

2. Die rechtliche Bedeutung des Rücktritts von der versuchten Rauschtat Die Frage nach der Möglichkeit des "Rücktritts von der versuchten Rauschtat" ist für die Strafbarkeit des Täters stets von Relevanz, wenngleich in verschiedenen Konstellationen in einem unterschiedlichem Maße:

a) Der qualifizierte Versuch als Rauschtat oder mehrere tatmehrheitlich begangene Rauschtaten Handelt es sich bei der Rauschtat um einen sog. qualifizierten Versuch 59, bei dem der Täter neben dem Versuch der Rauschtat durch die selbe HandJung zugleich ein anderes Delikt bereits vollständig verwirklicht hat60, ist die Frage nach dem Rücktritt von diesem Versuch "nur" für die Strafzumessung, also das "Wie" der Bestrafung, von Bedeutung, da die wegen des 57 58 59

Hierzu I. Kapitel, IV. 6. NK-Paeffgen, Vor § 323 a Rn. 44. Vgl. etwa Wessels/Beulke, AT29 , Rn. 653; Jescheck/Weigend, AT 5 , § 51 IV 2.

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Vollrausches zu verhängende Strafe nach § 323 a Abs. 2 von der für die Rauschtat angedrohten dergestalt abhängig, ja akzessorisch ist, daß erstere die letztere nicht überschreiten darf. Gleiches gilt, wenn der Täter neben der versuchten Rauschtat im selben Rausch eine weitere Rauschtat begeht, und beide zusammen in einem der Tatmehrheit entsprechenden61 Verhältnis stehen. Bejaht man nun mit der Rechtsprechung die grundsätzliche Anwendbarkeit und das Vorliegen der Voraussetzungen der Rücktrittsvorschriften im Einzelfall, und mit beidem damit das rücktrittsbedingte "Entfallen" der versuchten Rauschtat, so wäre lediglich die für die verwirklichte(n) vollendete(n) Rauschtat(en) angedrohte Strafe die limitierende des § 323 a Abs. 2. Hält man die Rücktrittsvorschriften hingegen bereits für nicht anwendbar, so wäre es daneben auch die für den Versuch der Rauschtat angedrohte, unter Umständen nach § 23 Abs. 1, 2 i. V. mit § 49 gemilderte Strafe, welche bei Vorhandensein weiterer Rauschtaten unter entsprechender Anwendung der §§ 52 ff. in eine zu bildende Gesamtstrafe einzubeziehen wäre6 2 . Jene für den Versuch der Rauschtat angedrohte Strafe kann hierbei trotz der Milderung gewichtiger sein als die für die zugleich verwirklichte(n) vollendete(n) Tat(en) angedrohte(n), etwa im Falle des versuchten Mordes oder Totschlags (im Verhältnis zu den Körperverletzungsdelikten) oder des versuchten Einbruchdiebstahls (im Verhältnis zum Hausfriedensbruch und der Sachbeschädigung).

b) Der einfache Versuch als alleinige Rauschtat Begeht der Täter im Rausch nur einen nicht-qualifizierten, "einfachen" Versuch, also ohne tatmehrheitlich hierzu eine andere Rauschtat zu verwirklichen, wäre die Frage nach der Anwendbarkeit der Rücktrittsvorschriften im Ergebnis von noch größerer Bedeutung, da sie in diesen Konstellationen nicht nur für die Art und die Höhe, also das Wieviel der Strafe, sondern bereits für das Ob entscheidend wäre. Da nach der Rechtsprechung im Falle eines wirksamen Rücktritts von der versuchten Rauschtat diese "als Rauschtat ausscheidet"63 , (insoweit) eine Strafbarkeit "entfällt"64, würde das in derartigen Sachgestaltungen zur Stratlosigkeit des Täters führen. Eine größere Bedeutung kann die Frage nicht haben! Dies, nämlich Straflo60 Dies war in sämtlichen Entscheidungen des BGH der Fall, hinsichtlich der Entscheidung des 5. Senats in BGH MDR/D 1971, 362 allerdings mit der oben in Fn. 41 gemachten Einschränkung. 61 s.o. Fn. 42. 62 s.o. Fn. 42. 63 So wörtlich der 5. Senat in BGH NStZ 1994, 131. 64 So wörtlich der 5. Senat in BGH NStZ-RR 1999, 8.

IV. Die actio libera in causa

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sigkeit des Täters, wäre etwa in jenem dem Reichsgericht vorgelegenen Sachverhalt die Folge gewesen, wenn die Feststellungen des Landgerichts die Zurechnungsunfahigkeit des Angeklagten ergeben hätten 65 ; in der jüngsten Entscheidung des 5. Senats etwa dann, wenn der Angeklagte nicht mit einer halbautomatischen, dem Waffengesetz unterfallenden Selbstladekurzwaffe geschossen, sondern das Opfer von seinem Balkon aus mit Gegenständen, etwa Blumentöpfen, beworfen hätte. Demnach steht die praktische Bedeutung der Problematik des Rücktritts von der versuchten Rauschtat - in tatsächlicher wie auch rechtlicher Hinsicht - außer jedem Zweifel.

IV. Die actio libera in causa als mit dem Vollrausch "verwandte" Rechtsfigur und der Rücktritt von der versuchten Defekttat Ohne auf die Rechtsfigur66 der sog. "actio libera in causa"67 (im folgenden stets: alic), die ihrer Herkunft nach, in ihrem Ursprung (causa) freie Handlung, einzugehen, kann eine Arbeit über den Vollrauschtatbestand in gleicher Weise nicht geschrieben werden, wie dies umgekehrt der Fall ist. Beide "Rechtsfiguren" sind aus der gleichen "Not" heraus geboren, stimmen in vielem miteinander überein und unterscheiden sich letztlich nur in einem einzigen Punkt, der allerdings von solchem Gewicht ist, daß sich zumindest nach h. M. - an nahezu gleiche Ausgangssituationen gänzlich unterschiedliche Rechtsfolgen anschließen. Neumann bezeichnet beide treffend als "thematisch benachbart und teilweise parallel strukturiert"68 . Auf die Figur der alic einzugehen ist aus mehreren Gründen geboten: Sie ging - zeitlich gesehen - dem Vollrauschtatbestand voraus; der Gesetzgeber des § 330a (a. F.) sowie alle zu dieser Norm führenden Gesetzesentwürfe setzten die alic als eine - wenn auch vereinzelt stets bestrittene, so doch in Wissenschaft und Praxis anerkannte - Größe voraus. So ist die Regelung des Vollrauschtatbestandes nur vor dem Hintergrund der alic verständlich. Darüber hinaus wird die alic - gerade wegen ihrer Nähe zum Vollrauschtatbestand und der deshalb erforderlichen Abgrenzung zu ihm - in der Diskuss.o. I. Kapitel, II. I. a) und 2. a). Auf die unterschiedlichen Ansichten darüber, ob es sich bei der alic überhaupt um eine eigenständige "Rechtsfigur" handelt, soll nicht eingegangen werden. Dies betrifft letztlich lediglich den Sprachgebrauch, ist für die Arbeit aber ersichtlich ohne Belang. Vgl. hierzu etwa NK-Paeffgen, Vor§ 323 a Rn. 3 m. w. N. 67 Zur Bedeutung und Herkunft des Begriffs etwa Hruschka, SchwZStr 90 (1974) 48, 50 ff. 68 Neumann, Kaufmann-FS, S. 581. 65 66

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I. Kap.: Einführung in Gegenstand und Problematik der Untersuchung

sion um Streitfragen im Zusammenhang mit § 323 a des öfteren zur Argumentation herangezogen. Auch bei der alic kann der Täter ein Delikt nur teilweise verwirklichen, es nur versuchen. Damit stellt sich hier ebenfalls die Frage nach der Möglichkeit und den Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts. Das ist - wenngleich aus anderen Gründen als beim Rücktritt von der versuchten Rauschtat im Rahmen des § 323 a - umstritten. Es wird gleichwohl zu prüfen sein, ob sich hierbei Parallelen beider Problemkreise ergeben. Aus diesen Gründen ist eine Darstellung dieser Rechtsfigur und ihrer Grundlagen dem Hauptteil der Arbeit vorangestellt. Der Überblick ist hierbei auf den für die Arbeit erforderlichen Umfang beschränkt69 .

1. Die Konstellationen der "actio libera in causa" Sowohl den Fallgestaltungen der alic als auch denjenigen des Vollrauschtatbestandes liegen mehraktige Geschehensabläufe zugrunde. In einem ersten Akt - der sog. actio praecedens, Defektbegründungshandlung oder causa - führt der Täter seine Schuldunfähigkeit70· 71 (§ 20) herbei und begeht anschließend in diesem Zustand - mit der sog. actio subsequens oder Defekthandlung - eine tatbestandsmäßige und rechtswidrige Tat. Hinsichtlich der Herbeiführung der Schuldunfähigkeit muß der Täter hierbei jeweils schuldhaft, d.h. vorsätzlich72 oder fahrlässig handeln 73 • Er begeht 69 Umfassende Darstellungen der alic finden sich etwa bei Hettinger, actio (1988); NK-Paeffgen, Vor§ 323a Rn. 1-65; LK 11 -Spendel, § 323a Rn. 21-46; SISLenckner, § 20 Rn. 32-41; aus neuerer Zeit auch - in kürzerer, aber umfassender Form- Rath, JuS 1995, 405 ff. und Rönnau, JA 1997, 599 ff. und 707 ff. 70 Der Begriff der alic wird darüber hinaus auch teilweise in einem weiteren Sinne verstanden und für all diejenigen Fälle verwendet, in denen der Täter andere Verbrechensmerkmale beseitigt, z. B. die Handlungsfähigkeit oder die Rechtswidrigkeil, s. hierzu etwa Küper, Leferenz-FS, S. 575; S/S-Lenckner, § 20 Rn. 34, ausführlich Krause, Jura 80, 172 f. jeweils m. w. N. Im Rahmen dieser Arbeit ist stets nur die die Schuld(fähigkeit) betreffende alic gemeint. 71 Die Herbeiführung der Schuldunfähigkeit war beim Tatbestand des Vollrausches zumindest die ursprünglich § 330a (a. F.), der im (objektiven) Tatbestand "einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch" voraussetzte, zugrunde liegende Ausgangssituation. Sie wurde erst später durch Rechtsprechung (s.o. Fn. 44) und Gesetzgebung (s.o. Fn. 45) um die Fälle der lediglich nicht nachweisbaren und damit nicht auszuschließenden Schuldunfähigkeit erweitert. Insoweit ist diesbezüglich der Anwendungsbereich der alic heute enger als der des § 323 a. 72 Der Begriff "vorsätzlich" ist bei der alic an dieser Stelle nicht im dogmatisch strengen Sinne zu verstehen, da das Herbeiführen der Schuldunfähigkeit als solches (etwa das Sichberauschen) -anders als bei § 323 a 1 - kein gesetzliches Tatbestandsmerkmal ist, auf das sich der notwendig tatbestandsbezogene Vorsatz beziehen könnte. Exakter wäre es daher zu sagen, daß der Täter seine Schuldfähigkeit wis-

IV. Die actio libera in causa

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die spätere Tat also in einem Zustand von ihm selbst verschuldeter Schuldunfähigkeit. Die Abgrenzung beider Rechtsfiguren voneinander findet allein im subjektiven Bereich statt74 • Bei der alic hat der Täter bereits bei der Herbeiführung seiner Schuldunfähigkeit, also noch im schuldfähigen Zustand, eine vorwerfbare innere Beziehung zu der später schuldunfähig begangenen Defekttat sei es, daß er sie mit zielgerichtetem Willen anstrebt, mit ihr als sicherer Folge seines Handeins rechnet oder ihren Eintritt nur ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet (Vorsatz), sei es, daß er sie nur vorhergesehen hat oder sie hätte vorhersehen und vermeiden können (Fahrlässigkeit). Von entscheidender Bedeutung ist hierbei, daß sich Vorsatz und Fahrlässigkeit auf die Begehung einer bestimmten Tat beziehen müssen 75 . Die spätere Defekttat muß bereits in diesem frühen Zeitpunkt, wenn auch nicht in allen konkreten Einzelheiten, wie etwa dem Tatort und der Identität des Opfers, so doch derart hinreichend konkretisiert sein, daß die Verwirklichung eines bestimmten gesetzlichen Tatbestandes bereits Gegenstand der Tätervorstellung ist76 . Nur in den - ungenau77 - als "vorsätzliche alic" bezeichneten Fallkonstellationen, in denen der Täter "vorsätzlich"78 seine Schuldfähigkeit beseitigt und hierbei bereits die hinreichend konkretisierte Defekttat in seinen Vorsatz aufgenommen hat, ist eine Bestrafung des Täters aus einem im Rauschzustand begangenen vorsätzlichen Delikt möglich. Wegen des sentlich und willentlich aufhebt. So etwa: Neumann, Kaufmann-FS, 592 f.; Saiger/ Mutzbauer, NStZ 1993, 561, 562; ähnlich auch, auf "dolus eventualis" als schwächste Vorsatzform abstellend, Hettinger, GA 1989, 3. Anders könnte dies sehen, wer dem sog. "Tatbestandsmodell" zur Begründung der alic folgt und bereits das Herbeiführen der Schuldunfähigkeit als eine tatbestandliehe Handlung betrachtet. 73 Für die alic ist das h. M., vgl. etwa S/S-Lenckner, § 20 Rn. 36; NK-Paeffgen, Vor § 323 a Rn. 32 f. jeweils m. w. N. auch zur a. A., die teilweise insoweit auf jegliches schuldhafte Handeln verzichtet. Für § 323 a ist dies hingegen, da gesetzlich geregelt, unumstritten. 74 LK 11 -Jähnke, § 20 Rn. 76; so etwa auch Cramer, Vollrauschtatbestand, S. 130, 132. 75 Zu einem bei der "Vorsatz-Variante" der alic neben der Defektverursachung und der Defekttat dritten Objekt des "Vorsatzes", der Funktionalität des Defekts für die Defekttat, dessen "Tat-Erheblichkeit", und damit einen "Tripel-Vorsatz", NKPaeffgen, Vor § 323 a Rn. 34 m. w. N. 76 So grundlegend BGHSt 21, 381 , 382. S. hierzu auch BGHSt 2, 14, 17; 10, 247, 248; 17, 259, 261; 17, 333, 335; 21, 381, 382; S/S-Lenckner. § 20 Rn. 37; LK 11 -Spendel, § 323a Rn. 39; LK 11 -Jähnke § 20 Rn. 80, 83; für den Vorsatz auch Puppe. JuS 1980, 346, 348. 77 s. hierzu etwa SK-Horn, § 323 a Rn. 28. 7 8 s. den Hinweis in Fn. 72.

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I. Kap.: Einführung in Gegenstand und Problematik der Untersuchung

Gegenstandes dieser Arbeit, der mit einer versuchten Defekt- oder Rauschtat stets zwingend eine vorsätzliche Deliktsverwirklichung voraussetzt, sei die folgende Darstellung auf die Vorsatz-Konstellationen der alic beschränkt79.

2. Die Grundproblematik der "actio libera in causa", das Koinzidenzerfordernis Nur Schuldhaftes Handeln ist strafbar (nulla poena sine culpa). Schuldhaft in diesem strafrechtlichen Sinne handelt nach dem normativen Schuldbegriff der h. M. derjenige, dem das Unrecht der Tat persönlich vorgeworfen werden kann, weil er sich nicht rechtmäßig verhalten, sich für das Unrecht entschieden hat, obwohl er sich rechtmäßig verhalten, sich für das Recht hätte entscheiden können 80 . Der strafrechtliche Schuldbegriff ist stets auf eine bestimmte Tat bezogen, strafrechtliche Schuld ist damit stets Tatschuld81. Ein derartiges Werturteil über die in der Tat zum Ausdruck kommende Gesinnung des Täters setzt notwendig dessen Entscheidungsfreiheit im Zeitpunkt der Tatbegehung voraus, daß er in der Lage ist, sich zwischen Recht und Unrecht zu entscheiden, "sein Verhalten nach den Normen des rechtlichen Sollens einzurichten und das rechtlich Verbotene zu vermeiden"82 . Hiervon geht das Gesetz als dem Regelfall aus, da der Mensch "auf freie, verantwortliche, sittliche Selbstbestimmung angelegt" 83 sei. Bei Vorliegen der psychologischen Voraussetzungen des § 20 ist diese Fähigkeit jedoch ausgeschlossen. Dem Täter, der aus den in § 20 genannten biologischen Gründen bereits unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder der trotz der gewonnenen Einsicht nicht dieser entsprechend zu handeln, kann sein 79 Zu der "fahrlässigen alic" sei verwiesen auf: Hettinger, actio, S. 354 ff.; 429 ff., 450 ff.; ders., GA 1989, I, II ff.; SK-Horn, § 323 a Rn 29; ders., StV 1997, 264, 265; S/S-Lenckner, § 20 Rn. 38; NK-Paeffgen, Vor § 323a Rn. 46-53. Zu deren (angeblicher) "Überflüssigkeit" für die strafbarkeilsbegründende Erfolgszurechnung bei fahrlässigen reinen Erfolgsdelikten: BGHSt 42, 235, 236 f.; Roxin, Lackner-FS, S. 312 f.; ders. AT § 20 Rn. 58; Neumann, StV 1997, 23, 24, jew. m.w.N. 80 BGHSt GS 2, 194, 200. V gl. zu diesem und anderen Schuldbegriffen etwa SIS-Lenckner, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 113 ff.; Roxin, AT § 19; Osterkom, S. 30 ff. Dieser heute herrschende normative Schuldbegriff, der strafrechtliche Schuld als die Entscheidung für das Unrecht trotz Andershandelnkönnens auffaßt, wird im folgenden der Arbeit zugrunde liegen. 81 SK-Rudolphi, Vor § 19 Rn. 3 m. w. N. 82 BGHSt a. a. 0. 83 BGHSt a. a. 0 .; zur Relevanz des Zeitpunkts der Tatbegehung, zum Tatzeitschuldprinzip SK-Rudolphi, Vor § 19 Rn. 3, 5.

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IV. Die actio libera in causa

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Verhalten nicht als eine Entscheidung gegen das Recht vorgeworfen werden. Er handelt in diesen Fällen deshalb ohne Schuld. Nach dem sog. Koinzidenz- oder Simultaneitätsprinzip müssen sämtliche Bestandteile eines Verbrechens im gleichen Zeitpunkt vorliegen 84, für die Schuld(fahigkeit) hat dies in § 20 mit den Worten "bei Begehung der Tat" seinen Niederschlag gefunden 85 . Hiernach wäre ein Täter in Konstellationen der alic "an sich" 86 - d. h. ohne die unter dem Begriff der alic vorgenommenen "Begründungsmodelle" und "Konstruktionen"87 - straffrei: Der Täter verwirklicht rechtswidrig einen Straftatbestand im Zustand der - von ihm vorher selbst herbeigeführten - Schuldunfähigkeit, ist also bei Begehung dieser Tat (in actu) schuldunfähig, demzufolge für diese Tat nicht verantwortlich. In dem vorangegangenen Zeitpunkt der actio praecedens war der Täter zwar schuldfähig, hat aber den Tatbestand und mit ihm strafrechtliches Unrecht noch nicht verwirklicht. Das vom Täter verwirklichte Unrecht und seine Schuldfähigkeit fallen damit zeitlich nicht zusammen, koinzidieren nicht. Konsequenz daraus wäre eigentlich, daß der Täter nicht aus der Norm bestraft werden kann, deren Tatbestand er rechtswidrig verwirklicht hat. Bis zum lnkrafttreten des § 330a (a. F.) am 1.4.1934 hätte das darüber hinaus die gänzliche Straffreiheit des Täters zur Folge gehabt. Seit der Einführung des Vollrauschtatbestandes in das Strafgesetzbuch wäre (immerhin), soweit die Schuldunfähigkeit durch "Alkohol oder andere berauschende Mittel" herbeigeführt worden war, eine Strafbarkeit wegen Vollrausches möglich. Da bei ihm bereits die "actio praecedens" - die Herbeiführung 84 Dies wird nur selten ausdrücklich festgestellt oder gar begründet, sondern meist ohne weitere Ausführungen als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt. Das einschlägige Schrifttum zur alic beschränkt sich daher regelmäßig insoweit auf einen Hinweis auf den Text des § 20 (,.bei Begehung der Tat"). Grundlegend hierzu jedoch etwa Hruschka, Strafrecht2 , S. 4 f., 22 ff., der das Simultaneitätsprinzip gar als ein ,.dem Recht vorgegebenes Prinzip" (a. a. 0., S. 5) und ,.eine allgemein gültige Bedingung sinnvoller Rede" (a. a. 0.) bezeichnet. Daß die Schuldfähigkeit im Zeitpunkt der Begehung der Tat vorliegen muß, liege, so Hruschka, ,.in der Natur der Sache" (SchwZStr 90 [ 1974], 58). Rönnau nennt es ein "allgemeines Rechtsprinzip der Strafrechtsdogmatik" (JA 1997, 604), Hettinger etwa das ,.Prinzip, auf dem das StOB aufgebaut ist" (actio, S. 436). Dieser Absolutheit gegenüber skeptisch Neumann, Kaufmann-FS, S. 591 f. 85 Jerouschek (JuS 1997, 385, 387, 388; Hirsch-FS, S. 241, 257) will neuerdings das Wort ,.bei" in § 20 nicht in einem zeitlichen Sinne, sondern als "bezüglich" auslegen und so die (sc. allgemein anerkannte und wohl ununmstrittene) Relation zwischen Schuldunfähigkeit und Tat hervorheben; krit. hierzu Schlüchter, Hirsch-FS, S. 345, 347. 86 Hettinger, GA 1989, 3; ders., Geerds-FS, S. 627. 87 Statt vieler etwa Lackner!KühP 3 , § 20 Rn. 25; eine wahre Vielfalt weiterer Bezeichnungen bei Hettinger, actio, S. 25 f.

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I. Kap.: Einführung in Gegenstand und Problematik der Untersuchung

eines die Schuldfähigkeit ausschließenden Rausches - die tatbestandliehe Handlung darstellt und der Täter bei deren Vomahme (noch) schuldfähig ist, handelt er insoweit bei und hinsichtlich der Verwirklichung des Vollrauschtatbestandes im Zeitpunkt der Tat schuldhaft, koinzidieren Unrecht und Schuld. Selbst bei einer möglichen Bestrafung des Täters wegen Vollrauschs ist jedoch zu beachten, daß dessen Strafrahmen stets so gestaltet war88 und ist, daß der Täter bei der Verwirklichung schwerer und schwerster Straftaten im Rauschzustand nur aus einem geringeren Strafrahmen als dem des im Rausch verwirklichten Tatbestandes bestraft werden konnte und kann. Am deutlichsten zeigt sich das gerade bei den Tötungsdelikten, die - im Strafrecht allgemein und bei der alic insbesondere - oftmals Gegenstand der Fallbeispiele sind, anhand derer die Problematik erläutert und die jeweils vertretene Lösung dann begründet wird. Dieses Ergebnis - Stratlosigkeit bzw. Bestrafung aus einem (möglicherweise viel) geringeren Strafrahmen - wird bis heute als "unbillig" 89 oder "dem Rechtsgefühl widerstrebend" 90 empfunden. Grund hierfür ist der Umstand, der die alic vom Vollrauschtatbestand unterscheidet: die bereits im Zeitpunkt der actio praecedens vorhandene schuldhafte Beziehung des Täters zu der später im schuldunfähigen Zustand begangenen Defekttat91 •

3. Die verschiedenen Begründungsmodelle Um diesen Widerstreit92 zwischen der - vielleicht nur scheinbaren Stratlosigkeit einerseits und dem bestehenden Strafverlangen andererseits zu lösen, werden93 im Schrifttum eine Vielzahl unterschiedlicher "Theorien" entwickelt und Ansichten vertreten. Ihnen allen ist, so unterschiedlich 88 Die obere Grenze des Strafrahmens des § 330a (a. F.) lag ursprünglich bei Gefängnis bis zu zwei Jahren, wurde jedoch durch Gesetz zur Änderung des Reichsstrafgesetzbuches vom 4.9.1941 (RGBI. I, S. 549, 550) auf Gefängnis schlechthin, d.h. bis zu fünf Jahren erweitert. Näheres hierzu ist der Darstellung der Normgeschichte vorbehalten, u. 4. Kapitel, V. 5. 89 NK-Paeffgen, Vor § 323 a Rn. I. 90 Puppe, JuS 1980, 346; ähnlich auch LK 11 -Jähnke, § 20 Rn. 76: "das Rechtsgefühl verlangt (. . .) Bestrafung"; Neumann, Kaufmann-FS, S. 590 spricht von der "Unvereinbarkeit der Lösung mit dem Rechtsgefühl und anerkannten Rechtsprinzipien"; nach Schmidhäuser, actio, S. 8, "sagt uns das auf Gerechtigkeit bezogene Rechtsgefühl", daß es "Gründe gibt, die für die Strafbarkeit sprechen"; nach Kühl, AT2 , § II Rn. 8 ist das Rechtsgefühl "nicht befriedigt"; ähnlich auch Kuhn-Päbst, S. 96, 98. 91 Ausdrücklich etwa BGHSt 17, 333, 335; Hruschka, JuS 1968, 554, 558; Jescheck/Weigend, AT5 , § 40 IV 2. 92 Zu ihm etwa Schmidhäuser, actio, S. 8. 93 Zuletzt etwa die "Relationstheorie" von Jerouschek, s.o. Fn. 85.

IV. Die actio libera in causa

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sie im einzelnen auch sind, gemeinsam, daß sie - in verschiedener Weise auf die actio praecedens zurückgreifen und dadurch die Stratbarkeit des Täters wegen der im Rausch begangenen Tat begründen. Im folgenden sollen nun die wesentlichen Ansichten in ihren Grundzügen dargestellt werden. Eine Auseinandersetzung mit den verschiedenen Ansichten und ihren Begründungen oder gar eine eigene Stellungnahme ist nicht Gegenstand dieser Arbeit.

a) Tatbestandsmodelle Die wohl h. M. versucht dem Koinzidenzprinzip dadurch gerecht zu werden, daß sie bereits die actio praecedens als (die) tatbestandliehe Handlung auffaßt. Da der Täter in diesem Zeitpunkt schuldfähig ist, lägen so Unrecht und Schuld zum gleichen Zeitpunkt vor, soll es sich bei der alic nur um eine "scheinbare Ausnahme" von dem Koinzidenzprinzip handeln. Die am weitesten gehende Auffassung begnügt sich - ausgehend von dem kausalen Handlungsbegriff und der Äquivalenztheorie - mit der Ursächlichkeil der Handlung für den späteren Erfolg 94, die Begehung der Defekttat Ausreichend soll es hiernach sein, daß der Täter in schuldfähigem Zustand die "entscheidende Ursache" für die Ausführung der Tat setzt95 . So bezeichnet der BGH die alic denn auch als das "verantwortliche In-Gang-Setzen der Ursachenreihe"96 . Wegen der bereits für das Unrecht und damit folglich auch für die Strafbarkeit grundsätzlichen97 Irrelevanz bloßer Vorbereitungshandlungen wird es jedoch überwiegend für erforderlich gehalten, daß der Täter in noch schuldfähigem Zustand (mindestens) vom Vorbereitungs- in das Versuchsstadium übergeht, mit der actio praecedens (wiederum: mindestens) im Sinne des § 22 unmittelbar zur Verwirklichung des Tatbestandes der Defekttat ansetzt98 • In (zumindest behaupteter) Übereinstimmung mit der 94 Baumann!Weber!Mitsch, AT 10, § 19 Rn. 35; LK 10-Lange, § 21 Rn. 72; Oehler, JZ 1970, 380 f. Cramer, Vollrauschtatbestand, S. 130 f. will bei der alic selbst auf das Mindesterfordemis der Kausalität verzichten. 95 BGHSt 21, 381 , 382; 34, 29, 33; NJW 1955, I 037. So bereits das RG, etwa RGSt 22, 413, 415 f.; JW 1930, 909 Nr. 7 m. Anm. Honig, das entscheidend auf die Ursächlichkeil der in schuldfähigem Zustand begangenen Handlung abstellte. 96 So etwa in BGHSt 17, 333, 335; 21, 381, 383, 384 u. ö. 97 Eine Ausnahme hiervon bilden § 30 bei Verbrechenstatbeständen und diejenigen Straftatbestände, die bereits Vorbereitungshandlungen unter Strafe stellen, etwa §§ 83, 96 Abs. I, 98, 149, 234a Abs. 3. Hierzu etwa S/S-Eser, Vorbem § 22 Rn. 13 ff. 98 SK-Horn, § 323 a Rn. 29; Küper, Leferenz-FS, S. 582; Puppe, JuS 1980, 346 f.; Roxin, Lackner-FS, S. 313 f. ; ders. AT 13 , § 20 Rn. 60; SK-Rudolphi, § 22

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allgemeinen Versuchsdogmatik, an der sich insoweit auch die Fälle der alic messen lassen müssen 99, wird bereits mit der actio praecedens ein solches unmittelbares Ansetzen und damit der Versuchsbeginn bejaht 100. Der Täter soll also etwa schon durch das Trinken von Alkohol, durch das Sichberauschen, unmittelbar zu der späteren im Rauschzustand begangenen Tat, etwa der Tötung eines Menschen, ansetzen 101 • Spätestens in dem Zeitpunkt, in dem der Zustand der (stark verminderten) Schuldfähigkeit in Schuldunfähigkeit umschlägt, die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Täters erstmals vollständig ausfällt 102 , beginne das Stadium des Versuchs. Da dies außerhalb der Fallkonstellationen der alic den grundsätzlichen Anforderungen an das Eintreten in das Versuchsstadium bei unmittelbarer Täterschaft 103 offensichtlich nicht entspricht 104, wird verschiedentlich die Beteiligungsform der mittelbaren Täterschaft unmittelbar 105 oder zumindest entsprechend 106 herangezogen, für die Frage des Zeitpunkts des unmittelbaRn. 21 m. w. N.; obwohl das Tatbestandsmodell ablehnend, grundsätzlich dem Zeitpunkt des Versuchs als dem frühest möglichen zustimmend Hettinger, actio, S. 437 ff.; Neumann, Zurechnung, S. 32 ff.; Paeffgen, ZStW 97 (1985) 513, 516 f. Anzumerken ist, daß der BGH das Erfordernis der Schuldfähigkeit im Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens bislang - soweit ersichtlich - nur in Fällen eines Affektes und eines epileptoiden Anfalles ausdrücklich angenommen hat (etwa BGHSt 23, 133, 135 f. ; 23, 356, 358 f.), nicht jedoch in Fallkonstellationen der alic. Ob diesbezüglich eine unterschiedliche rechtliche Wertung gerechtfertigt ist, erscheint fraglich; so andeutungsweise schon Hruschka, SchwZStr 90 (1974) 64, und wohl auch Salger/Mutzbauer, NStZ 1993, 561, 563 mit Fn. 35; deutlich auch Horn, StV 1997, 264. 99 Hierzu etwa Hettinger, actio, S. 440 f. 100 Maurach/Zipf, AT 18 , § 36 Rn. 54; Wolter, Leferenz-FS, S. 556 (beide hierbei von unmittelbarer Täterschaft ausgehend). 101 Hiergegen etwa LK 10-Vogler, § 22 Rn. 106 f.; Hettinger, actio, S. 440 ff.; Neumann, Zurechnung, S. 33 ff., sowie sämtliche Vertreter der im folgenden dargestellten Ausnahmetheorie. 102 SK-Rudolphi, § 22 Rn. 21; weitere Nachw. bei Otto, Jura 1986, 426, 428 in Fn. 7. Für einen früheren Zeitpunkt, nämlich bereits den des unmittelbaren Bevorstehens der Überschreitung der Schwelle des § 21, etwa Roxin, Lackner-FS, S. 307, 318; ders. AT 13 , § 20 Rn. 63 (in Widerspruch jedoch zu Rn. 60a.a. O.); Hirsch, Nishihara-FS, S. 88, 100; ders., JR 1997, 393. 103 Zu den Kriterien der sog. "gemischt subjektiv-objektiven Theorie" der h. M. vgl. etwa S/S-Eser, § 22 Rn. 36 ff. und Tröndle/Fischer49 , § 22 Rn. II jew. m.w.N. 104 Ein anderer Grund für die Bemühung des § 25 Abs. I Alt. 2 ist nicht ersichtlich, so schon Paeffgen, ZStW 97 (1985) 518; ähnlich hinsichtlich der Heranziehung der Grundsätze der mittelbaren Täterschaft auch Jerouschek, Hirsch-FS, S. 241, 246. 105 Welzel, S. 156; Jakobs, AT2 , 17/64; ders., Nishihara-FS, S. 105, 119 f.; Baumann/Weber/Mitsch, AT 10, § 19 Rn. 45; Hirsch, ZStW-Beiheft 1981 , 9 (zu der neueren, modifizierten Ansicht von Hirsch s. u. Fn. 107).

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ren Ansetzens also auf deren Grundsätze zurückgegriffen 107 . Der schuldhaft seine Schuldfähigkeit aufhebende Täter soll sich hierbei seiner selbst im schuldunfähigen Zustand als Werkzeug bedienen. Täter im schuldfähigen und Täter im schuldunfahigen Zustand werden - zumindest gedanklich als zwei verschiedene Personen betrachtet. Da das Versuchsstadium bei der mittelbaren Täterschaft nach h. M. bereits dann beginnt, wenn der mittelbare Täter die Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen hat und diesen aus seinem Einwirkungsbereich entläßt 108 , es also gerade nicht auf das unmittelbare Ansetzen des den Tatbestand unmittelbar Ausführenden ankommt, insoweit demnach eine Vorverlagerung des Versuchsstadiums gegenüber der unmittelbaren Täterschaft anzunehmen ist, wird unter Zuhilfenahme (sc. teilweise nur des Gedankens 109) der mittelbaren Täterschaft in den Fallkonstellationen der alic bereits mit der Defektbegründungshandlung ein unmittelbares Ansetzen zu der im Rausch begangenen Tat begründet. Zwei sich teilweise überschneidende Ausnahmen von dieser Vorverlegung sind allerdings - im einzelnen ist auch unter den Vertretern des Tatbestandsmodelles vieles umstritten! - anerkannt: Ein Rückgriff auf die Defektbegründungshandlung soll zum einen dann nicht möglich sein, wenn das Gesetz die Tathandlung in besonderer Weise dergestalt beschreibt, daß nicht jede Handlung und nicht jede Verursachung eines Erfolges für die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes genügen kann 110, da die actio praecedens in diesen Fällen den besonderen Anforderungen an die tatbe106 Puppe, JuS 1980, 346, 348; Roxin, Lackner-FS, S. 314 f.; ders., AT 13 , § 20 Rn. 60; SK-Rudolphi, § 20 Rn. 28 d; AK-StGB-Schild, § 20 Rn. 83; Preisendanz30, § 20 Anm. 6c; Herzberg, Spendei-FS, S. 222 f.; Behrendt, S. 71 ("vergleichbare Sachverhaltskonstellation"); mit der Einschränkungen auf die Fälle der Absicht auch LK 10-Vogler, § 22 Rn. 105. Nach Otto, Jura 1986, 426, 428 ist die mittelbare Täterschaft zwar ein "pädagogisch nutzbares Bild", aber keine "tragfähige Konstruktion". LK 11 -Spendel, § 323 a Rn. 36 betont die Unmittelbarkeit der Täterschaft, hält jedoch die Fälle der alic für mit der mittelbaren Täterschaft "vergleichbar", stellt ein "gewisse Ähnlichkeit" fest, so Spende/, JR 1997, 133, 134, wiederholt in Hirsch-FS, s. 379, 384. 107 So zuletzt Hirsch (Nishihara-FS, S. 88 ff., 95 f.; NStZ 1997, 230, 231; JR 1997, 391, 392), der in der alic einen "Unterfall des § 25 Abs. I Alt. I" sieht und in einer Kombination der Elemente der unmittelbaren und der mittelbaren Täterschaft von einer mittelbaren Deliktsbegehung durch den unmittelbaren Täter spricht. Dem grundsätzlich zustimmend Schlüchter, Hirsch-FS, S. 345, 355 ff.; gegen eine solche "Mischform" der Täterschaftsformen Jerouschek, Hirsch-FS, S. 240, 245 f. 108 So die sog. "Einzellösung". Grundlegend hierzu BGHSt 30, 363, 365; einschränkend und einen gewissen zeitlichen Zusammenhang fordernd BGHSt 40, 257, 269; ebenfalls einschränkend neuerdings auch BGHSt 43, 177, 180. S. ferner LK 11 Roxin, § 25 Rn. 152; S!S-Eser, § 22 Rn. 54, 54a; SK-Rudolphi, § 22 Rn. 20a, jew. m. w. N. Zur gesamten Problematik und zum Streitstand kritisch etwa Krack, ZStW 110 ( 1998) 611' 625 ff. 109 So etwa Hirsch, s.o. Fn. I 07.

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standsmäßige Handlung nicht gerecht, das speziell vertypte Handlungsunrecht nicht verwirklicht wird. Zum anderen verbiete sich ein Rückgriff bei den sog. eigenhändigen Delikten. Dies ist bei - sei es auch bei nur entsprechender - Heranziehung der mittelbaren Täterschaft deren konsequente Folge 111 . In beiden Fällen wird der Diskrepanz zwischen der Vorverlegung und dem Wortlaut der Norm (Art. 103 Il GG) Rechnung getragen. Eine Variante der Vorverlegungstheorie sieht Defektbegründungshandlung und Defekttat als eine Einheit 112 an und verzichtet stets, wenn es wenigstens zu einer versuchten Defekttat gekommen ist 113 , auf das Erfordernis des in schuldfähigem Zustand erreichten Versuchsstadiums, läßt also auch bloße ("schuldhafte") Vorbereitungshandlungen ausreichen. Bei einer nach dieser Ansicht erforderlichen ex-post-Betrachtung sei allein die Ursächlichkeil der actio praecedens von Bedeutung, unabhängig davon, ob diese aus der Perspektive ex-ante betrachtet Vorbereitungs- oder Versuchshandlung sei 114. 110 So jetzt erstmalig und ausdrücklich - wenn auch durch den Prozeßgegenstand auf §§ 315 c, 316 und § 21 Abs. I StVG beschränkt: BGHSt 42, 235, 239; zuvor schon (§ 316 Abs. I, 2 betreffend) LG Münster, NStZ-RR 1996, 266. Horn, GA 1969, 289, 302 f. und SK-Horn, § 323a Rn. 31 für Tätigkeitsdelikte, nicht hingegen für sog. "modalisierte Erfolgsdelikte" (a. a. 0 ., Rn. 30), mit ähnlichen Einschränkungen auch Roxin, AT § 20 Rn. 61; Baumann/Weber/Mitsch, AT 10, § 19 Rn. 41. A.A. insoweit etwa Puppe, JuS 1980, 346, 347; Spendet, JR 1997, 133, 135; ders., Hirsch-FS, S. 379, 386. 111 Herzberg, Spendel-FS, S. 203, 222 f.; Horn, GA 1969, 289, 303 und SKHom, § 323a Rn. 31; Roxin, Lackner-FS, S. 317 f.; ders., AT § 20 Rn. 61 a.E. A.A. mit der Begründung, bei eigenhändigen Delikten sei bei der mittelbaren Täterschaft nur die Täterschaft Dritter ausgeschlossen, neuerdings Hirsch, NStZ 1997, 230, 231; ders., JR 1997, 391, 393; ähnlich auch Jakobs, AT2 , 17/67, der in diesen Fällen eine Teilnahme (§§ 26 f.) des Täters an seiner eigenen Tat für gegeben hält. Ohne Begründung auch OLG Schleswig, MDR 1989, 761 f. (betreffend § 316 Abs. I, 2). 112 LK 11 -Spendet, § 323 a Rn. 30; ders., JR 1997, 133 f. 113 Dies ist bei allen bislang von der Rspr. entschiedenen und im Schrifttum diskutierten Konstellationen der alic der Fall. Die bei konsequenter Anwendung des Tatbestandsmodelles eine Strafbarkeit begründende Situation, in welcher der Täter nach der Beseitigung seiner Schuldfähigkeit keine weitere Handlung vorgenommen hat - etwa weil er eingeschlafen ist -, also darüber hinaus bereits nicht mehr für die Defekttat ursächlich geworden ist, sind bislang (sc. aus verständlichen Gründen) bereits nicht vor Gericht gekommen, im Schrifttum als Fälle der alic nicht betrachtet worden. Der Hinweis von Schtüchter (Hirsch-FS, S. 345, 360), jene Konstellation "sei nicht dazu angetan, grundsätzliche Bedenken gegen die Überlegungen der actio libera zu wecken", wird dem wissenschaftlichen Problem nicht gerecht. 114 LK 11 -Spendet, § 323 a Rn. 33; ders. , JR 1997, 133, 134; ders., Hirsch-FS, S. 379, 381; Herzberg, Spendel-FS, S. 203, 207, 215 f., 218 f., 236; dem- wenn auch mit einer gewissen kritischen Distanz - zustimmend Lackner22 , § 20 Rn. 25 a. E.; (teilweise) zustimmend auch Schtüchter, Hirsch-FS, S. 345, 349. Kritisch hier-

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In einer ähnlichen Weise betrachtet Streng actio praecedens und Defekttat als eine "Bewertungseinheit" 115 und kommt - ursprünglich von einem rein funktionalen Schuldbegriff ausgehend 116 - zu einer zeitlichen Koinzidenz von Tatbegehung und Schuld(fahigkeit), indem er den Begriff der "Tat" i. S. von § 20 weiter auslegt als die an der Formulierung des gesetzlichen Tatbestandes orientierte h. M. Er begreift Schuld hierbei als eine "Zuschreibung der Tat aufgrund von Stabilisierungsbedürfnissen der Mitbürger"117, also (zumindest überwiegend) generalpräventiv, und die Tat vor allem hinsichtlich ihrer sozialen Bedeutung. Entscheidend sei, "ob bzw. inwieweit die Tatbestandsverwirklichung auf eine Auflehnung des Täters gegen die Rechtsordnung zurückzuführen" 118 sei. Vor diesem Hintergrund sei die "Begehung der Tat" funktional zu verstehen und der Begriff der "Tat" über den Unrechtstatbestand hinaus auf die Defektherbeiführung auszudehnen, da nur so die soziale Relevanz des Gesamtgeschehens erfaßt werden könne. Dieser Ansicht liegt also ein gegenüber dem Unrechtstatbestand erheblich erweiterter Schuldtatbestand zugrunde, der bei der Bestimmung der "Tat" i. S. des § 20 der maßgebliche sei. Somit sei eine actio praecedens bereits "Begehung der Tat", unabhängig davon, ob sie auch schon "Begehung der Tat" im Sinne des gesetzlichen (Versuchs)Tatbestandes ist 119 .

b) Unrechtsmodell Dem von Schmidhäuser selbst so bezeichneten Unrechtsmodell 120 liegt neben einem materialen Straftat- auch ein materialer Unrechtsbegriff zugrunde, der über das im gesetzlich (formal) geregelten Unrechtstatbestand beschriebene Unrecht hinaus greift. Danach habe der gesetzliche (Unrechts-) Tatbestand nur die Funktion, "ein notwendiges Mindestmaß" in dem Sinne zu ausführlich Hettinger, Geerds-FS, S. 623, 637 ff., 641 ff.; Streng, JZ 1994, 709, 710 f.; knapp S/S-Lenckner, § 20 Rn. 35; Salger/Mutzbauer, NStZ 1993, 561, 564. 11 5 Streng, ZStW I0 I (1989) 273, 311; ders., JZ 1994, 709, 712. 116 Streng betont allerdings stets (jeweils erst am Ende seiner Beiträge), das Ausdehungsmodell sei von diesem Schuldbegriff unabhängig begrundbar, so in ZStW 101 (1989) 273, 317 und JZ 1994, 709, 714 in Fn. 65. In seiner jüngsten Veröffentlichung (JZ 2000, 20, 22 f.) stützt Streng den erweiterten Tatbegriff beinahe ausschließlich auf die in § 17 (und § 35 Abs. 2) kodifizierte Berucksichtigung des Vorverschuldens und will insoweit in § 20 einen Sonderfall des § 17 sehen. 117 Streng, ZStW I0 I (1989) 273, 311, anders formuliert auch 288 f. ns Streng, ZStW I0 I (1989) 273, 311. 119 Kritisch zum gesamten Ausdehnungmodells von Streng etwa Hettinger, Geerds-FS, S. 623, 645 ff., ausdrucklieh ablehnend jüngst auch BGHSt 42, 235, 240/241. Hiergegen wiederum Streng, JZ 2000, 20, 23 f. 120 Schmidhäuser, actio, S. 25, 27 ff. u. ö.

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anzugeben, daß in ihm dasjenige Geschehen geschildert wird, "das für die vorgesehene Strafe im zeitlichen Ablauf zum Endpunkt mindestens vorliegen muß'" 21 . Im Hinblick auf die Anfangsstadien des Tatgeschehens sei dem Unrecht durch die Tatbestandsbeschreibung hingegen keine Grenze gesetzt. Es sei allein unter den Aspekten der Wertverfehlung und der Rechtsgutsverletzung zu bestimmen, könne mithin auch in einem dem tatbestandlieh beschriebenen Verhalten vorangehenden bestehen, "soweit es den Achtungsanspruch des Rechtsguts bereits verletzt" 122, was jedenfalls dann der Fall ist, wenn es eine objektive (abstrakte) Gefahr für das Rechtsgut schafft 123 . Von dieser Grundlage ausgehend stellt bereits die actio praecedens Unrecht dar, so daß Schmidhäuser für die alic die zeitliche Koinzidenz von Unrecht und Schuld wahrt 124. c) Ausnahmemodelle

Der Ausgangspunkt der Ausnahmemodelle 125 ist die Ansicht, daß in Fallkonstellationen der alic die actio praecedens nicht als die tatbestandliehe Handlung angesehen werden könne, da für die Tatbestandliehkeil eines Verhaltens mindestens das Versuchsstadium erreicht sein müsse und dies bei der Defektbegründungshandlung hinsichtlich der Defekttat selbst bei reinen Erfolgsdelikten nicht der Fall sei 126. Deshalb wird nicht die die Schuldunfähigkeit herbeiführende Handlung als die tatbestandliche, als "Begehung der Tat" angesehen, sondern die eigentliche, den Tatbestand verwirklichende, zu deren Zeitpunkt der Täter "ohne Schuld" handelt. Die alic stelle keine lediglich "scheinbare", sondern eine wirkliche Ausnahme vom Koinzidenzprinzip dar. Begründet wird dies auf verschiedene Weise. Hervorzuheben sind dabei namentlich die Arbeiten von Hruschka, der diesbezüglich die "Pionierleistung"127 erbracht hat 128. Der Grund für die Ausnahme von § 20 ist hiernach ein doppelter: Schmidhäuser, actio, S. 36; ders., AT2 , Lb., 8/97. Schmidhäuser, actio, S. 29. 123 Schmidhäuser, actio, S. 44 f. ; ders., AT2 , Lb., 8/96. 124 Ablehnend hiergegen etwa Hettinger, JZ 1993, 513 ff. m. w. N. 125 Die Terminologie geht auf Neumann, Zurechnung, S. 41 ff. zurück. 126 Hruschka, SchwZStr 90 ( 1974) 54, 64; ders., Strafrecht2 , S. 40 ff.; Jescheckl Weigend, AT5 , § 40 VI 2; LK 11 -Jähnke, § 20 Rn. 77; SIS-Cramer, § 323a Rn. 35; Lackner/Kühf3 , § 20 Rn. 27; Maurach, JuS 1968, 554, 556 f.; Neumann, Zurechnunf, S. 32 ff. ; ders., Kaufmann-FS, S. 583 ff.; Otto, Jura 1986, 426, 428; ders., AT , § 13 Rn. 21 f.; LK 10-Vogler, § 22 Rn. 107 f.; Wessels/Beulke, AT29 , Rn. 415 i. V.m. Rn. 419. 127 So zu Recht Rönnau, JA 1997, 712; ähnlich Neumann, Kaufmann-FS, S. 590. 121

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Da der Täter in defektfreiem Zustand den Vorsatz gefaßt habe, eine (sc. bestimmte) Tat zu begehen, liege mit ihm das "entscheidende Moment der Straftat" noch im Zeitpunkt der Schuldfähigkeit vor, was die sachliche Zusammengehörigkeit aller actiones liberae in causa begründe 129 . Das Koinzidenzprinzip erfordere nicht, daß der Täter "zur Zeit der Tat" stets im Besitz seiner Geisteskräfte sei 130. Ferner wird der Umstand, daß der Täter seine Schuldunfähigkeit selbst "verschuldet" hat, zur Rechtfertigung einer teleologischen Reduktion 13 1 des § 20 angeführt. Durch das Aufheben der eigenen Schuldfähigkeit, etwa das Sichberauschen, verletze der Täter regelmäßig eine Obliegenheit im Sinne eines - im Verhältnis zu dem im Tatbestand zum Ausdruck kommenden primären Verbot - sekundären Verbotes 132 . Aus diesem Grunde sei ihm in entsprechender Heranziehung des Rechtsgedankens des § 35 Abs. I Satz 2, der auch eine vom Täter durch eine nicht tatbestandliehe Handlung verschuldete Situation voraussetzt, eine Berufung auf § 20 verwehrt 133• Die actio (eigentlich und genauer: culpa) praecedens sei nach dieser Ansicht demnach nicht Gegenstand, sondern Grund dieser (außerordentlichen) Zurechnung 134. Der Täter sei deshalb für die in actu schuldunfähige Begehung einer rechtswidrigen Tat mittelbar verantwortlich 135 . Dem haben sich mit kleinen Nuancen oder Zusätzen in der Begründung einige Vertreter des Schrifttums angeschlossen 136, etwa mit dem Hinweis, 128 Ein Eingehen auf Hruschka ist wegen seiner für diese "Theorie" fundamentalen Gedanken trotz des Umstandes, daß er selbst sich wegen der Unvereinbarkeit des Ausnahmemodells mit Art. I03 II GG jüngst ausdrücklich von diesem abgewandt hat (JZ 1996, 64 ff.; JZ 1997, 24), erforderlich. Denn etliche Vertreter des Schriftrums, die sich dem Ausnahmemodell angeschlossen haben, halten im Kern grundsätzlich weiterhin an Hruschkas Begründung fest und bauen auf ihr auf, sie folgen Hruschka lediglich hinsichtlich der Vereinbarkeil des Modells mit Art. 103 II GG nicht. 129 Hruschka, JuS 1968, 554, 558; ähnlich auch ders., SchwZStr 90 ( 1974) 72. 130 Hruschka, JuS 1968, 554, 558. 131 Hruschka bezeichnete sein "Modell" selbst als "Reduktionsverfahren" oder "Methode der Reduktion", so SchwZStr 90 (1974) 48, 55 u.ö. 132 Hruschka. Strafrecht2 , S. 294 f. (dort auch zu den Ausnahmen von diesem Grundsatz), S. 415 f. (zum Begriff der Obliegenheit i.d.S.). Offen bleiben Herkunft und Umfang dieser Obliegenheiten, Hruschka, JZ 1989, 310, 315. 133 Hruschka, Strafrecht2 , S. 293 f. i. V. m. S. 46 f. ; insoweit ebenso später auch Neumann, Zurechnung, S. 18 ff., 276 ff.; ders., StV 1997, 23, 25; Otto, AT5 , § 13 Rn. 24. 134 So ausdrücklich Hruschka, JZ 1997, 22, 23 f. Im Ergebnis ebenso Jescheck/ Weigend, AT 5 , § 40 VI 2, nach denen die Einschränkung des § 20 "sachlich gerechtfertigt" ist, "weil die tatbestandsmäßige Handlung mit der voll zu verantwortenden actio praecedens in einem dem Täter vorwerfbaren Zusammenhang steht". 135 Hruschka, JZ 1996, 64, 66; sich dem insoweit anschließend Neumann, GA 1985, 389, 392.

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das Schulddefizit bei Begehung der Tat werde "dadurch wieder ausgeglichen, daß sich der Täter im Hinblick auf diese schuldhart um seine Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit gebracht hat" 137 , bzw. eine Berufung des Täters auf§ 20 sei ausgeschlossen 138 , da rechtsmißbräuchlich 139• Der formale Widerspruch des Ausnahmemodells mit dem Wortlaut des § 20 wird von dessen Vertretern gesehen, ein Verstoß gegen das Bestimmtheilsgebot (Art. 103 li GG, § I) hingegen verneint. Als Begründung hierfür wird hauptsächlich angeführt, das Bestimmtheilsgebot habe seine eigentliche Bedeutung für die Beschreibung strafbaren Verhaltens in den Deliktstatbeständen des Besonderen Teils des StGB und des Nebenstrafrechts, nicht hingegen für den ohnehin fragmentarischen Allgemeinen Teil 140• Ferner findet sich die Ansicht, es handele sich bei der alic um einen Fall des Richterrechts 141 bzw. um eine gewohnheitsrechtlich anerkannte 142 Ausnahme von § 20 143 .

136 Lackner/ Küh/23 , § 20 Rn. 25 a. E. hält das Ausnahmemodell inhaltlich für vorzugswürdig. Nachdem der 4. Strafsenat es jedoch als "verfassungswidrig" eingeschätzt hat (s. hierzu sogleich Fn. 143) und die Praxis somit auf das Tatbestandsmodell zurückgreifen muß (sc. was sie übrigens stets getan hat), ruft Kühl nach dem Gesetzgeber. 137 SIS-Lenckner, § 20 Rn. 35; Kühl, AT2 , § II Rn. 9; so auch andeutungsweise Küper, Leferenz-FS, S. 591 f. 138 LK 10-Vogler, § 22 Rn. 107. 139 Otto, Jura 1986, 431; ders. , AT5 , § 13 Rn. 26; Jerouschek, Hirsch-FS, S. 241, 257 m.w.N. 140 Hruschka, JuS 1968, 558; S/S-Lenckner, § 20 Rn. 35; Otto, Jura 1986, 430; Ranft, Jura 1988, 133, 134. 141 LK 11 -Jähnke, § 20 Rn. 78. 142 Hruschka, JuS 1968, 559; Jescheck/Weigend, AT5 , § 40 VI I; SIS-Lenckner, § 20 Rn. 35. Gegen die Annahme von Gewohnheitsrecht und die alic als eine - wie viele andere auch - gesetzlich nicht explizit geregelten Zurechnungsregeln ansehend Otto, Jura 1999, 217 f. 143 Hiergegen und in dem Ausnahmemodell einen Verstoß gegen Art. 103 II GG sehend: BGHSt 42, 235, 241 ; NK-Paeffgen, Vor § 323 a Rn. 24; ders. , ZStW 97 (1985) 522 f. ; Puppe, JuS 1980, 346, 347; Roxin, Lackner-FS, S. 307 f., 309 f.; § 20 Rn. 57 a. E., Hettinger, Geerds-FS, S. 628 m. w. N. in Fn. 32. ders., AT Erwähnt werden muß, daß Hruschka neuerdings (seit JZ 1996, 68, wiederholt in JZ 1997, 24, vorher die Frage ausdrücklich "offen lassend" in Strafrecht2 , S. 47 f.) selbst "sein" Ausnahmemodell als mit Art. 103 II GG unvereinbar ansieht. Einer ungeschriebenen Ausnahme von § 20 stünden heute (präziser: bereits seit dem 1.1.1975) die gesetzlich geregelten Ausnahmefälle der §§ 35 Abs. I S. 2, 17, entgegen. Insoweit Hruschka widersprechend Streng, JZ 2000, 20, 25.

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4. Unvereinbarkeitsansichten Eine im Schrifttum vertretene Ansicht, die in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen 144 und der sich nun - mit Einschränkungen - auch der 4. Strafsenat des BGH angeschlossen hat, hält die Folgerungen aus der alic für unzulässig, da sie gegen den Wortlaut des § 20 ("bei Begehung der Tat") und damit gegen den nullum-crimen Grundsatz des Art. 103 II GG und § I verstoßen. Die Bestrafung des Täters sei in Konstellationen der alic lediglich - soweit dessen Voraussetzungen vorliegen - nach § 323 a, nicht hingegen aus dem im Rausch begangenen Delikt möglich. a) Die wesentlichen Einwände gegen die Tatbestandsmodelle Den die tatbestandliehe Handlung auf die Defektbegründungshandlung vorverlegenden Tatbestandsmodellen wird letztlich nur in deren Prämisse zugestimmt, daß mit jener mindestens das Versuchsstadium erreicht sein müsse, da die bloße Ursächlichkeit kein hinreichendes Kriterium der Strafbarkeit sei 145, nicht aber in deren rechtlicher Würdigung dieser Voraussetzung, die actio praecedens stelle bereits das unmittelbare Ansetzen zur Defekttat dar 146• In der actio praecedens liege noch kein unmittelbares Ansetzen zur Verwirklichung der Defekttat, da das geschützte Rechtsgut noch nicht (subjektiv) gefährdet sei und der Täter nach der Defektherbeiführungnoch weitere Handlungen vornehmen müsse 147 • 144 Die Strafbarkeit eines Täters in den Fallkonstellationen der alic war bereits früher umstritten; vgl. hierzu etwa die Darstellungen des Meinungsstandes (insbes. auch) des letzten Jahrhunderts bei Katzenstein, S. 4 ff., insbes. S. 27 ff. ; Hettinger, alic, S. 79 ff. Mit der heutigen Diskussion erlebt diese Streitfrage somit lediglich eine gewisse "Renaissance". 14 5 s. die Nachw. in Fn. 98. 146 Hettinger, actio, S. 437 ff.; ders., Geerds-FS, S. 628; NK-Pae.ffgen, Vor § 323a Rn. 6; ders., ZStW 97 (1985) 516 f.; Salger/Mutzbauer, NStZ 1993, 561, 563. Darüber hinaus wird bereits die Ursächlichkeil der Defektbegründungshandlung für die spätere Defekttat bestritten bzw. bezweifelt, da für diese nach der Äquivalenztheorie der Nachweis erforderlich ist, daß der Täter die Tat in schuldfähigem Zustande nicht begangen hätte, und dieser nur selten sicher zu führen sei. Hierzu jew. m. w. N. Hettinger, actio, S. 410 ff.; Neumann, Zurechnung, S. 26 f.; ders., Kaufmann-FS, S. 581, 583 f.; NK-Paeffgen, Vor§ 323a Rn. 6, 30; Salger/Mutzbauer, a. a. 0., 564. Hiergegen wiederum etwa Roxin, Lackner-FS, S. 307 f., 312/313; ders., AT 13, § 20 Rn. 59 m.w.N., der die Ursächlichkeil der Defektbegrundung für die konkrete Art und Weise der Verwirklichung der Defekttat, und damit bereits eine "Abweichung im Detail" ausreichen lassen will. 147 NK-Paeffgen, Vor § 323 a Rn. 6; Saiger/ Mutzbauer, NStZ 1993, 561 , 563. Hieran ändere auch die von Spende/ und Herzberg (s.o. Fn. 112 und 114) vorgenommene, allein auf die Kausalität beschränkte retrospektive Neubewertung der ac-

5 Barthel

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I. Kap.: Einführung in Gegenstand und Problematik der Untersuchung

Der Heranziehung (sc. wenn auch nur der Grundgedanken) des § 25 Abs. 1 2. Alt 148 wird vor allem dessen Wortlaut entgegengehalten, der "einen anderen" voraussetzt, der denknotwendig nicht der Täter selbst sein könne, aber auch, daß die Konstellation der alic mit der mittelbaren Täterschaft nicht vergleichbar sei 149• Die von den Vertretern der Tatbestandsmodelle praktizierte Vorverlagerung sei aus den genannten Gründen nicht nur- wie teilweise im Rahmen der Tatbestandsmodelle vertreten 150 - bei eigenhändigen Delikten und Tatbeständen mit einer näher konkretisierten Handlungsweise unzulässig, sondern auch bei sog. "reinen Erfolgsdelikten" 151 . Dem Ausdehnungsmodell wird hauptsächlich die durch die Einbeziehung der Vorbereitungshandlungen in den Schuld- nicht aber in den Unrechtstatbestand verlorengehende Kongruenz von Unrecht- und Schuldtatbestand vorgeworfen 152 . Was dem Täter mit der Schuld vorgeworfen werde sei umfangreicher als das von ihm begangene Unrecht, das jedoch der Gegenstand des Schuldvorwurfes sei. Der Begriff der "Tat" i. S. des § 20 müsse die selbe Bedeutung haben wie der gleichlautende in den Vorschriften der §§ 16 Abs. 1, 2, 17 Satz 1153 . tio praecedens nichts; so etwa Hettinger, Geerds-FS, S. 641; NK-Paeffgen, Vor § 323a Rn. 13; Salger/Mutzbauer, a. a. O., 564. 148 s. die Nachweise in den Fn. 105 und 106. 149 Hettinger, actio, S. 444 m.w. Verweisen in Fn. 25; ders., Geerds-FS, S. 630 f.; NK-Paeffgen, Vor§ 323a Rn. 7; ders., ZStW 97 (1985) 517 f.; Salger/Mutzbauer, NStZ 1993, 561, 564 f. 150 s. die Nachweise in den Fn. 110 und II!. 151 Das konnte (und hat) der 4. Strafsenat des BGH in seiner Entscheidung vom 22.8.1996, bei der es hinsichtlich der (,.vorsätzlichen") actio libera in causa um die §§ 315 c, 316 und § 21 StVG ging, dahingestellt sein lassen: ,.Diese sogenannte , Tatbestandslösung' , der die Vorstellung zugrunde liegt, daß bereits das Trinken ein Anfang der Ausführung der geplanten Tat ist, mag, was hier keiner Entscheidung bedarf, trotz aller grundsätzlichen Bedenken gegen ihren Ansatz, bei anderen Delikten eine tragfähige Grundlage für die Rechtsfigur der actio libera in causa darstellen.'' (BGHSt 42, 235 , 239; wörtliches Zitat unter Auslassung der Literaturnachweise). Bereits kurze Zeit später erging eine Entscheidung des 3. Strafsenats des BGH, in dem dieser ausdrücklich kundtat, an den vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen zur actio libera in causa festhalten zu wollen (BGH NStZ 1997, 230) und anfügte, die Entscheidung des 4. Senats stehe dem nicht entgegen, da sich diese nur auf die Delikte der (sc. vorsätzlichen) Straßenverkehrsgefahrdung und des Fahrens ohne Fahrerlaubnis beziehe. Gegen eine solche Differenzierung zwischen Tätigkeits- und ,.reinen Erfolgsdelikten" Hettinger, actio, S. 437 ff., 439; Küper, Leferenz-FS, S. 580; Fahnenschmidt/Klumpe, DRiZ 1997, 77, 80; (andeutungsweise) Salger/Mutzbauer, NStZ 1993, 561, 565. 152 Hettinger, Geerds-FS, S. 647 f. m. w.N. auf Kritiker ,.aus anderen Lagern" in den Fn. 137 und 138. 153 BGHSt 42, 235, 240; hiergegen zuletzt Streng, JZ 2000, 20, 23 f.

IV. Die actio libera in causa

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b) Die wesentlichen Einwände gegen das Unrechtsmodell Gegen das rein auf einer materialen Unrechtserfassung gründende Unrechtsmodell wird eingewandt, es löse die durch den gesetzlichen Tatbestand vorgegebenen Konturen dessen, was strafbar sein soll, auf. Was tatbestandliches Unrecht sei, folge nicht allein schon aus der Verletzung des Achtungsanspruches eines Rechtsgutes, sondern hänge von der (formalen) (Unrechts)Beschreibung im gesetzlichen Tatbestand und den Normen des Allgemeinen Teils - namentlich des § 22 - ab. Der Tatbestand beschreibe nicht lediglich die Mindestanforderungen an ein Tatgeschehen, sondern das gesamte als solches 154. Eine materiale Auffassung des Unrechts vermöge deshalb aus einer straflosen Vorbereitungshandlung kein straftatbestandliches Unrecht zu machen.

c) Die wesentlichen Einwände gegen die Ausnahmemodelle Gegen die von den Ausnahmemodellen vorgesehene "wirkliche" Ausnahme von § 20 wird vor allem vorgebracht, sie scheitere - zumindest 155 an dessen Wortlaut, der Schuld(fähigkeit) "bei Begehung der Tat" voraussetzt156, und verletze damit Art 103 II GG. Das Bestimmtheitsgebot gelte umfassend auch im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches, so daß der eindeutige Wortlaut der Norm sowohl strafbegründendem Gewohnheits- als auch Richterrecht entgegenstehe 157 und selbst ein nicht im Gesetz zum Ausdruck gekommener anders lautender Wille des Gesetzgebers unbeachtlich sei 158 .

154 Hettinger, actio, S. 414 f.; ders., Geerds-FS, S. 631; ders., JZ 1993, 515; NKPaeffgen, Vor § 323 a Rn. II; Saiger/Mutzbauer, NStZ 1993, 561, 564; deutlich auch Frister, ZStW 108 (1996) 645, 649 f. Der 4. Strafsenat ging in seiner Entscheidung (BGHSt 43, 235, 239 ff.) auf das Unrechtsmodell selbst überhaupt nicht em. 155 Zu dem bereits materialen Verstoß der Ausnahmemodelle gegen das Schuldprinzip s. NK-Paeffgen, Vor § 323 a Rn. 20 ff. m. w. N. 156 BGHSt 42, 235, 241 ; Hettinger, actio, S. 362 f., 444 ff.; ders., Geerds-FS, S. 635 ff.; ders., GA 1989, 17 f.; NK-Paeffgen, Vor§ 323a Rn. 24 ff.; ders., ZStW 97 (1985) 519 ff., Saiger/ Mutzbauer, NStZ 1993, 561, 565. In Abkehr von seiner früheren Ansicht (s.o. I. Kapitel, IV. 3. c, insbes. die Anmerkungen in Fn. 128, 143) auch Hruschka, JZ 1996, 64, 68; ders., JZ 1997, 22, 24. Der gleichen Ansicht sind im übrigen sämtliche Vertreter der Tatbestandsmodelle. 157 Wie Fn. 156. 158 BGHSt 42, 235, 242. s•

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I. Kap. : Einführung in Gegenstand und Problematik der Untersuchung

5. Resümee zur "Strafbarkeit der alic" ohne eigene Stellungnahme Wie der (notwendig kursorische) Überblick gezeigt hat, ist sowohl die Zulässigkeil der alic als solche, d.h. die Möglichkeit der Bestrafung eines Täters wegen einer im Zustand der Schuldunfahigkeit begangenen Straftat, als auch die Begründung dieser Strafbarkeit heftigst umstritten. Eine eigene Position zu dieser Streitfrage wird in dieser Arbeit bewußt nicht bezogen werden. Dies würde - soll es nicht auf die bloße Rekapitulation bereits bekannter Argumente und Gegenargumente hinauslaufen - eine umfangreiche und v. a. vertiefte Auseinandersetzung voraussetzen, wäre mithin Gegenstand einer eigenen Untersuchung, die in der einer anderen Thematik gewidmeten Arbeit nicht "beiläufig" sinnvoll erledigt werden kann. Gleichwohl soll, was die Zulässigkeil der alic betrifft, der sog. "h. M." gefolgt werden, da sie auch - mit der Einschränkung in BGHSt 42, 235 von der Rechtsprechung getragen wird und der zentrale Gegenstand dieser Arbeit- wie eingangs gezeigt - eine durch die Rechtsprechung geschaffene Figur ist. Dies erscheint konsequent. Das schließt freilich nicht aus, daß verschiedentlich auf abweichende Ansichten hingewiesen wird, wenn und soweit sich aus ihnen entscheidende Unterschiede bei der Betrachtung einzelner Rechtsfragen ergeben sollten.

6. Der Rücktritt vom Versuch der Defekttat im Zusammenhang mit der alic a) Die Problematik des Rücktritts von der versuchten Defekttat bei der alic Als problematisch und "bis heute nicht befriedigend gelöst" 159 wird der Rücktritt des in actu schuldunfahigen Täters von der versuchten Defekttat (insbesondere) bei der Annahme der Vorverlagerung der tatbestandliehen Handlung (sc. hauptsächlich von den Vertretern der Ausnahmemodelle) erachtet. Genau betrachtet handelt es sich hierbei um zwei streng voneinander zu trennende Fragenkomplexe: einmal den, ob es unter Zugrundelegung des Tatbestandsmodells überhaupt eine dem Täter zurechenbare Rücktrittshandlung geben kann, zum anderen, und diese Problematik ist mit derjenigen bei § 323 a identisch, um den, ob der Täter im Zustand der Schuldunfahigkeit freiwillig im Sinne der Rücktrittsvorschriften handeln kann. Beides wird - obwohl erforderlich - in der wissenschaftlichen Diskussion nicht stets voneinander getrennt. 159

Rönnau, JA 1997, 707, 710.

IV. Die actio libera in causa

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Die Möglichkeit des strafbefreienden Rücktritts von der versuchten Defekttat wurde - soweit ersichtlich - erstmals von Welp aufgeworfen und erörtert. Er zieht hierbei die Begründung der Tatbestandsmodelle für die Vorverlagerung der tatbestandliehen Handlung auf die actio praecedens heran, nämlich die Behauptung, mit dieser setze der Täter zum einen den "entscheidenden" Kausalverlauf in Gang 160 und gebe ihn zudem mit der Defektbegründungshandlung aus der Hand 161 • Jede dem zeitlich nachfolgende Aktion, etwa die Defekt- oder auch die "Rücktritts"-Handlung, sei nur ein weiteres Glied dieses Kausalverlaufes, den der Täter - um es nochmals zu betonen - aus der Hand gegeben habe. Somit stelle jedes Verhalten des Täters nach der Defektherbeiführung lediglich ein "zwangsmäßiges Produkt der bestehenden Ursachenkonstellation" 162 dar und mithin bereits keine relevante Rücktrittshandlung des Täters, zumal keine "freiwillige" (sc. da "zwangsmäßig" der Kausalität folgend) 163 . Damit bestreitet Welp 160 s. hierzu die Nachw. des Schrifttums und der Rechtsprechung in den Fn. 94 und 95. 161 Welp, S. 135. So etwa die Begrundung der Überschreitung des Versuchsstadiums durch die actio praecedens bei Roxin, AT 13 , § 20 Rn. 60 a. E.; ders., LacknerFS, S. 307, 314; Hirsch, Nishihara-FS, S. 88, 98 u. ö.; ders., JR 1997, 391, 393; Puppe, JuS 1980, 346, 349. 162 Welp, S. 135 mit Fn. 149. Hirsch (Nishihara-FS, S. 88, 103; NStZ 1997, 230, 231) verwendet wiederholt den Begriff des "Automatismus"; ähnlich von "Tötungsautomatik" sprechend auch Schlüchter, Hirsch-FS, S. 345, 356 u. ö. 163 Das in dieser Weise auch als Konsequenz der (von ihm nicht geteilten) h. M. sehend NK-Paeffgen, Vor § 323 a Rn. 43: der Rückzug des Täters sei belanglos, wenn man das Defekt-Geschehen als einen "zwangsläufig abrollenden Prozeß" ansehe. Auf die Begrundung von Welp, die Freiwilligkeit scheitere - unabhängig von der Frage der Schuldunfähigkeit! - bereits an der "Zwangsmäßigkeit" des durch die Defektbegrundung verursachten Geschehens, wurde bislang von den Vertretern der Tatbestandsmodelle nicht ausreichend eingegangen. Puppe (JuS 1980, 346, 349 in Fn. 18; sich dem teilweise anschließend auch Wolter, Leferenz-FS, S. 556) führt aus, der Täter behalte im Unterschied zu den eigentlichen Fällen der mittelbaren Täterschaft "rein äußerlich" die Herrschaft über das Wie und Ob der Tat und könne diese im Gegensatz zum mittelbaren Täter noch aufgeben. Gleichwohl begrundet Puppe (a. a. 0 .) nur wenige Sätze zuvor gerade das Vorliegen eines Versuches damit, der Täter habe mit der Selbstberauschung seine Freiheit, über das Ob der Tat zu entscheiden, aus der Hand gegeben. Nach Maurach (JuS 1961, 373, 375) ist nicht alles, was sich nach der Defektbegrundung ereignet, ein Produkt "blinder Kausalität", verbleibe dem Täter auch im Zustand der Schuldunfähigkeit die Möglichkeit, den Kausalverlauf zu korrigieren. Das scheint jedoch gerade dafür zu sprechen, daß der Täter den Kausalverlauf eben doch (noch) nicht "aus der Hand gegeben" hat. Unbefriedigend ist auch die Stellungnahme von Hirsch (zu dessen Ansicht s.o. Fn I 07), der auf der Basis der Grundgedanken der mittelbaren Täterschaft zwar für die Frage des unmittelbaren Ansetzens wiederholt die Metapher des "Aus-den-HändenGebens" des Geschehens benutzt, sie jedoch nicht durchzuhalten vermag, wenn der - nach der Ansicht von Hirsch unmittelbare - Täter aber gleichwohl vom Versuch zurliektreten können soll (sc. obwohl er das Geschehen doch aus den Händen gege-

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I. Kap.: Einführung in Gegenstand und Problematik der Untersuchung

sowohl bereits eine dem Täter zurechenbare Rücktrittshandlung als auch die Freiwilligkeit einer solchen, also insgesamt die Möglichkeit des strafbefreienden Rücktritts nach den Tatbestandsmodellen. Einen weiteren Aspekt greift später Neumann auf: Da der Täter mit der Defektbegründung alles nach seiner Vorstellung von der Tat zu deren Vollendung Erforderliche getan habe, sei der Versuch der Defekttat mit der actio praecedens stets zwingend ein beendeter 164, von welchem der Täter nicht durch bloßes Aufgeben der weiteren Tatausführung zurücktreten könne. In dem von Neumann gewählten Beispielsfall könne daher etwa der betrunkene Täter, der aus Mitleid die schon erhobene Waffe sinken läßt, nicht nach § 24 Abs. I zurücktreten. Dieses Ergebnis sei auf dem Boden der Vorverlegungstheorie zwingend 165 . Ungelöst sei ferner das Problem, wie der Rücktritt des schuldunfähigen Täters in ein auf der Parallele zur mittelbaren Täterschaft gegründetes Tatbestandsmodell integriert werden könne 166• In der Tat: zieht man § 25 Abs. I 2. Alt. - direkt oder auch nur entsprechend - heran, so wäre es der schuldunfähige Tatmittler, der vom Versuch zurückträte, nicht hingegen wie erforderlich - der schuldhaft und verantwortlich handelnde, sich hierdurch strafbar machende mittelbare Täter 167 .

ben hat!). Der Hinweis auf die Personenidentität vermag jenen Widerspruch nicht aufzuheben. 164 Neumann, Zurechnung, S. 39. Für einen beendeten Versuch auch Jakobs, AT2 , 17/68; ders., Nishihara-FS, S. I 05, 119; Küper, Leferenz-FS, S. 588 (in einem anderen Zusammenhang als dem Rücktritt); Welp, S. 135 (ohne hieraus allerdings weitere Konsequenzen zu ziehen). 165 Neumann, Zurechnung, S. 39/40. Vor jenem ,.Zwang", und damit letztlich vor den Konsequenzen der Dogmatik, kapituliert Kuhn-Päbst, die die Rücktrittsdogmatik dadurch durchbricht, daß sie den Fall der actio libera in causa als ,.einen Sonderfall des beendeten Versuchs ansieht, von dem der Täter, anders als in den sonstigen Fällen eines beendeten Versuchs, durch bloße Tataufgabe zurücktreten könnte" (S. 65). Roxin begründet das selbe Ergebnis, einen Rücktritt vom beendeten Versuch durch bloße Tataufgabe, allein mit rechtspolitischen Argumenten (AT § 20 Rn. 64); krit. hierzu Jerouschek, Hirsch-FS, S. 241, 255. 166 Neumann, Kaufmann-FS, S. 585. Selbst Jakobs (AT2 , 17/68) als Vertreter des Tatbestandsmodells weist darauf hin, daß das unverantwortliche Rücktrittsverhalten des Zurechnungsunfähigen keine freiwillige Leistung des Täters sei. Ein strafbefreiender Rücktritt komme nur in Betracht, wenn dieser (sc. vom Täter) beim Verlust der Zurechnungsfähigkeit vorbehalten worden war. Den Rücktritt - ohne jene Einschränkung - zuletzt ganz ausschließend Jakobs, Nishihara-FS, S. 105, 119. Auch Herzberg, der ebenfalls dem Tatbestandsmodell folgt (zu seiner ,.Variante" s. die Nachw. in Fn. 114), hält den Rücktritt von der versuchten Defekttat für mit der Annahme der mittelbaren Täterschaft nicht vereinbar (Spendel-FS, S. 209), bejaht aber gleichwohl die Möglichkeit des Rücktritts allein mit dem Hinweis auf die Vereinbarkeit freiwilligen Handeins mit der Schuldunfähigkeit

e,

IV. Die actio libera in causa

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Die meisten Anhänger des Tatbestandsmodells halten dem gleichwohl die Möglichkeit des strafbefreienden Rücktritts entgegen. Der Versuch sei in diesen Konstellationen mit der Defektbegründung nicht schon beendet, sondern noch unbeendet, da der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat noch weitere Handlungen vornehmen müsse, um die Defekttat zu verwirklichen168. Somit reiche für die Rücktrittshandlung als solche ein bloßes "Aufhören" aus. Ferner wird auch (teilweise nur) die Möglichkeit des "freiwilligen" Handeins des Täters mit dem Hinweis darauf betont, Freiwilligkeit setze keine Schuldfähigkeit voraus 169. Die letztere Frage, ob auch ein Schuldunfähiger freiwillig handeln könne, stellt sich hierbei im übrigen auch den Vertretern des Ausnahmemodells 170, die den Versuchsbeginn nicht bereits in der Defektbegründungshandlung sondern erst im unmittelbaren Ansetzen zur eigentlichen Defekttat sehen. Bereits in diesem Zeitpunkt und auch in dem ihm folgenden des Rücktritts ist der Täter voraussetzungsgemäß schuldunfähig.

b) Der Unterschied der Problematik des Rücktritts vom Versuch bei Vollrauschtatbestand und alic Die kurz aufgezeigte Problematik des Rücktritts von der versuchten Defekttat in den Fallkonstellationen der alic braucht hier nicht entschieden zu werden. Während es bei dem Thema der vorliegenden Arbeit primär bereits um die Anwendbarkeit der Rücktrittsvorschriften auf eine nur versuchte Rauschtat im Rahmen des Vollrauschtatbestandes geht, bildet diese Frage in den Fallkonstellationen der alic nicht das sich beim Rücktritt stellende Problem. Denn bei dieser liegt nach h. M. zum einen bereits ein wenn auch, wie dargestellt, unterschiedlich begründeter - strafbarer Versuch vor. Der Täter ist zum anderen aus dem im Zustand der Schuldunfähigkeit (teilweise) verwirklichten Delikt strafbar und eben diese Strafe soll durch 167 So i. E. auch Jerouschek, Hirsch-FS, S. 241, 253. Hirsch glaubt jenem Widerspruch zu entkommen, indem er die actio libera als einen Fall der unmittelbaren Täterschaft betrachtet und lediglich die Grundsätze der mittelbaren Täterschaft heranzieht (s.o. Fn. 107). Das Erreichen des Versuchsstadiums nur durch Heranziehung der (Grundsätzen der) mittelbaren Täterschaft zu begründen, gleichzeitig jedoch die Möglichkeit des Rücktritts durch Betonung der unmittelbaren Täterschaft (Nishihara-FS, S. 88, 100) zu begründen, erscheint nicht konsequent. 168 Maurach, JuS 1961, 373, 379; Puppe, JuS 1980, 346, 349 in Fn. 18. 169 Maurach. JuS 1961, 373, 380; Roxin, Lackner-FS, S. 319; ders., AT 13 , § 20 Rn. 64 (beide die kriminalpolitische Funktion des Rücktrittsprivileg anführend); Herzberg, Spendel-FS, S. 209; Behrendt, S. 72; Berte/, JZ 1965, 53, 54; Spende/, Hirsch-FS, S. 379, 390; das lediglich als "problematisch" bezeichnend Puppe, JuS 1980, 346, 349 in Fn. 18. 170 Roxin, Lackner-FS, S. 319/320; ders. , AT § 20 Rn. 64.

e.

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I. Kap.: Einführung in Gegenstand und Problematik der Untersuchung

den Rücktritt aufgehoben werden. Der Rücktritt und dessen strafaufhebende Wirkung beziehen sich damit unmittelbar auf den schuldhaften Versuch und die Versuchsstrafbarkeit Mit der beim Straftatbestand des Vollrausches gegebenen Besonderheit, daß das im Rausch verwirklichte Delikt nicht dasjenige ist, für das und aus dessen Strafrahmen der Täter bestraft wird, sondern lediglich eine objektive Bedingung der Strafbarkeit im Rahmen eines eigenständigen Deliktes (§ 323 a) darstellt, hat auch die Frage nach der Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts einen gänzlich anderen Hintergrund und damit auch eine andere Problemstruktur. Aufgrund der strukturellen "Verwandtschaft" von alic und Vollrauschtatbestand verwundert es nicht, daß es hinsichtlich des Problemkreises des Rücktritts von der versuchten Rausch- bzw. Defekttat eine Gemeinsamkeit gibt, nämlich die Frage, ob der Täter in schuldunfähigem Zustand "freiwillig" im Sinne der Rücktrittsdogmatik handeln kann. Das kann hier jedoch als ein Folgeproblem dahingestellt bleiben 171 . Damit ist der Rücktritt von der versuchten Straftat bei der alic zwar wie gezeigt wurde - auch mit zahlreichen Problemen verbunden, jedoch mit anderen als denjenigen, die sich beim Rücktritt von der versuchten Rauschtat im Zusammenhang mit § 323 a stellen.

V. Zur weiteren Vorgehensweise der Untersuchung Die erforderliche, aber bislang von der Rechtsprechung nicht geleistete Begründung für die und sei es auch nur analoge Anwendung der Rücktrittsvorschriften auf die versuchte Rauschtat im Rahmen des § 323 a wurde alsbald von einigen Vertretern des Schrifttums, das sich - meist allerdings ohne eine Begründung - insoweit dieser Rechtsprechung zum ganz überwiegenden Teile angeschlossen hat, "nachgereicht". Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, daß die Ansichten über den Normcharakter und die Deliktsstruktur des § 323 a erheblich divergieren, weshalb eine jede im Schrifttum vorgetragene Begründung entscheidend von "ihrem" Verständnis des § 323 a ausgeht und abhängt. Aus diesem Grunde ist es zunächst erforderlich, einen Überblick über die zum Normcharakter des § 323 a vertretenen Ansichten zu geben (2. Teil), bevor die einzelnen Begründungen näher dargestellt werden können (3. Teil).

171

s. bereits o. I. Kapitel, II. 2. b) a. E.

2. Kapitel

Die Ansichten zu Normcharakter und Deliktsstruktur des § 323 a sowie Funktion der Rauschtat Keine Einzelproblematik und kein Teilproblem einer Norm "hängt in der Luft", sondern ist stets mit deren Grundlagen untrennbar verbunden 1, muß also vor deren Hintergrund betrachtet und in deren Systematik - möglichst widerspruchsfrei - eingeordnet werden. So auch der Rücktritt von der versuchten Rauschtat beim Vollrauschtatbestand. Deshalb soll zunächst die Meinungsvielfalt zu Normcharakter und Deliktsstruktur des Vollrauschs und der damit untrennbar verbundenen Funktion der Rauschtat dargestellt werden. § 323 a stellt insoweit eine Besonderheit dar, als das Spektrum der vertretenen Ansichten außergewöhnlich breit ist: So wird - wie bei keiner anderen Norm des Besonderen Teils - bereits bezweifelt, ob es sich überhaupt um einen Straftatbestand handelt, variieren die Meinungen darüber, welche Art von Gefährdungsdelikt vorliegt, wurden gar eigene "Modelle" entworfen, bisherige dogmatische Systeme und Kategorien gesprengt, die Vorschrift verschiedentlich sogar als verfassungswidrig angesehen. Die folgende Darstellung, will an dieser Stelle lediglich einen Überblick bieten. Mit diesem soll nicht versucht werden, in die Argumentation einzusteigen oder den Streitstand gar um eine weitere Ansicht zu vermehren und hierbei den kühnen Anspruch zu erheben, den Erkenntnisstand damit- vielleicht - weitergebracht zu haben. Vielmehr wird auch an dieser Stelle die Übersicht über den Diskussionsstand lediglich als Grundlage für das Verständnis einzelner im Schrifttum vorgetragener Begründungen zum zentralen Thema dieser Arbeit dienen.

I. Die "Vorgaben" des Schuldprinzips Den von § 323 a erfaßten Sachverhaltskonstellationen liegt - wie denen der alic - ein zweiaktiges Geschehen zu Grunde: Der Täter berauscht sich zunächst mit alkoholischen Getränken oder anderen berauschenden Mitteln 1 So ausdrücklich für den Vollrauschtatbestand etwa Mayer, ZStW 59 ( 1940) 283, 284.

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2. Kap.: Die Ansichten zu Normcharakter und Deliktsstruktur

bis in einen Zustand der (mindestens nicht ausschließbaren) Schuldunfahigkeit hinein und begeht in ihm eine rechtswidrige Tat, die sog. Rauschtat Die Regelung des § 323 a ist nur hinsichtlich der den Defekt herbeiführenden Mittel (zumindest theoretisch) enger als der Anwendungsbereich der ("vorsätzlichen" 2 ) alic, stimmt mit diesem jedoch hinsichtlich der Anforderungen an den Defekt überein; beide erfassen auch die (Zweifels)Fälle der lediglich nicht ausschließbaren Schuldunfähigkeit des Täters im Zeitpunkt der Rauschtat3 . Wegen der dennoch bestehenden Teilidentität verwundert es nicht, daß auch die gesamte "Problematik" des § 323 a letztlich eine solche der Reichweite des Schuldgrundsatzes ist, auf diesen zurückgeführt werden kann. Während es bei der alic jedoch ausschließlich das Tatzeitschuld- oder Koinzidenzprinzip ist (Schuldfahigkeit "bei Begehung der Tat"), gegen das eine Strafbarkeit des Täters wegen der im Rausch begangenen Tat verstoßen könnte, sind es bei § 323 a andere aus dem Schuldprinzip abgeleitete Anforderungen an ein schuldangemessenes Strafen. Diese seien, da Hintergrund und Kernpunkt des gesamten Streites um die Deliktsstruktur und jede Einzelproblematik des § 323 a, zunächst knapp umrissen.

1. Kongruenz von Unrecht und Schuld Der dem Täter mit der Schuld gemachte Vorwurf ist stets ein konkreter; der Inhalt des Schuldvorwurfs ist nicht irgendeine fehlerhafte, rechtlich mißbilligte Willensbildung, sondern stets nur eine solche, die sich auf ein bestimmtes vom Täter verwirklichtes Unrecht bezieht, der Entschluß zu einer bestimmten rechtswidrigen Tat und dessen Realisierung. Das erfordert nicht nur, daß Unrecht und Schuld im selben Zeitpunkt vorliegen müssen, sondern darüber hinaus auch, daß beide gegenständlich kongruent sind, sich vollständig decken. Dem Täter darf - und das scheint die primär mit dem Grundsatz "nulla poena sine culpa" assoziierte und durch diesen gezogene "Grenze" des Strafens zu sein - nur schuldhaft verwirklichtes Tatunrecht zum Vorwurf gemacht werden, nicht hingegen vom Täter zwar verwirklichtes, von der Schuld jedoch nicht umfaßtes Unrecht; insoweit gilt: keine Strafe ohne Schuld. Darüber hinaus erfordert das Schuldprinzip aber zugleich, daß die Schuld den gesamten verwirklichten Unrechtsgehalt einer Tat umfaßt4 , weshalb es s. hierzu etwa SK-Horn, § 323 a Rn. 28. Vgl. zur Anwendbarkeit der alic in den Konstellationen der nicht ausschließbaren Schuldunfähigkeit etwa S/S-Cramer, § 20 Rn. 39 m. w. N. 2

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I. Die "Vorgaben" des Schuldprinzips

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keine schuldindifferenten Unrechtsmerkmale geben kann5 . Dem Täter dürfen demnach nicht einige Teile des verwirklichten Unrechts vorgeworfen werden, andere hingegen nicht. Unrechtsgehalt der Tat und Schuldvorwurf müssen einander vom Inhalt und vom Umfang her entsprechen6 .

2. Die Abhängigkeit des Strafrahmens vom strafrechtlichen Unrecht Der aus dem Schuldprinzip abgeleitete, einen seiner konkreten Ausprägungen darstellende und im Range eines Verfassungssatzes stehende7 "Grundsatz des schuldangemessenen Strafens" greift nicht erst bei der Anwendung strafrechtlicher Normen, dem Vorgang des Strafens ein, sondern ist bereits für die Ausgestaltung der Straftatbestände von entscheidender Bedeutung8 . Denn eine der jeweiligen Schuld des Täters angemessene Strafe setzt nicht nur und erst einen diese zutreffend berücksichtigenden Strafzumessungsvorgang, d. h. das Finden und Festlegen der schuldentsprechenden Strafe innerhalb des vorgegebenen Strafrahmens voraus, sondern als dessen Grundlage und Ausgangspunkt einen solchen Strafrahmen, der der Unrechts- und Schuldschwere dieser Tat auch abstrakt entspricht, sich an dieser ausrichtet9 . Bereits die (abstrakte) Strafandrohung in einem Straftatbestand hat daher zu der Schwere aller denkbar möglichen Taten (also wiederum abstrakt) in einem angemessenen, sachgerechten Verhältnis stehen 10, um bei der Rechtsanwendung im konkreten Fall eine schuldangemessene Strafe zu ermöglichen. Aus diesem Grunde muß der Strafrahmen als der Ausgangspunkt jeder Strafzumessung 11 daher als die Grundlage einer schuldangemessenen Strafe selbst schuldangemessen sein. Kaufmann, JZ 1963, 425, 426; Wessels/Beulke, AT29 Rn. 398. Kaufmann, Schuldprinzip, S. 248; ders.. Lange-FS, S. 27, 32. 6 Grundlegend BGHSt 10, 35, 38. 7 BVerfGE 86, 288, 312. 8 Das sollte er zumindest sein. Die (auch) unter diesem Aspekt kritische Untersuchung der Strafrahmen des sog. Verbrechensbekämpfungsgesetzes vom 28. I 0. I 994 (BGBI. I, S. 3186) von Heltinger (GA 1995, 399 ff.) läßt diesbezüglich zweifeln. 9 Hettinger, GA 1995, 408 ff., 410; ders., Doppelverwertungsverbot, S. 71 ff., 73, 128 ff.jew. m.w.N. 10 Knapp und schlagkräftig Paeffgen, ZStW 97 (1985) 5 I 3, 538: "Relationalität und damit Rationalität zwischen Unrecht/Schuld und Strafrahmen". 11 Zu der grundlegenden und "präjudiziellen" Bedeutung des Strafrahmens für die Strafzumessung etwa Bruns, Strafzumessung, S. 43 ff.; LK 11 -Gribbohm, Vor §§ 46 ff. Rn. 8. 4

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2. Kap.: Die Ansichten zu Normcharakter und Deliktsstruktur

Welche Strafdrohung in diesem Sinne "angemessen" ist, läßt sich nicht exakt bestimmen, der Gesetzgeber hat insoweit einen weiten Gestaltungsspielraum, der erst dann überschritten ist, "wenn die gesetzliche Regelung gemessen an der Idee der Gerechtigkeit - zu schlechthin untragbaren Ergebnissen führt" 12 • Die Notwendigkeit der Unrechtsrelation und -proportion des Strafrahmens ist primär eine Anforderung an den Gesetzgeber bei der Schaffung neuer oder der Abänderung bestehender Straftatbestände. Die Abhängigkeit des Strafrahmens bereits vom Tatunrecht wird jedoch zumeist - und gerade, wie zu zeigen sein wird, bei § 323 a - auch bei der Auslegung von Straftatbeständen als ein Kriterium für die Bestimmung des tatbestandsmäßigen Unrechts herangezogen. Ob dies ein zulässiges Argument bei der Auslegung (de lege lata), oder aber nur eine Form der Gesetzeskritik (de lege ferenda) ist, kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben.

II. Die wesentlichen zum Normcharakter des§ 323a vertretenen Ansichten in Literatur und Rechtsprechung Eine systematische Darstellung des Streitstandes nötigt zur Bildung von Gruppen. Das wiederum hat teilweise eine gewisse Nivellierung zur Folge; auch die Zuordnung einer bestimmten Ansicht zu der einen oder anderen dieser Gruppen ist - wie ein Blick auf bereits bestehende zusammenfassende Darstellungen dieser Art zeigt 13 - nicht immer eindeutig und zwingend. Mangels einer besseren Alternative soll im folgenden ebenso verfahren werden.

1. § 323 a als ein abstraktes Gefährdungsdelikt, die Rauschtat als eine objektive Bedingung der Strafbarkeit Nach der im Schrifttum 14 überwiegend vertretenen Ansicht und der von einigen Ausnahmen abgesehen - ständigen höchstrichterlichen Recht12 BVerfGE 50, 125, 140; 45, 187, 260, 267. Ausführlich hierzu Leibholz/Rinck/ Hesselberger, GG, Art. 20 Rn. 786 f.; Hettinger, Doppelverwertungsverbot, S. 74 ff. jew. m. w. N. 13 Vgl. neben den einschlägigen Kommentierungen des Vollrauschtatbestandes statt vieler Otto, Jura 1986, 478 ff. 14 So ausdrücklich: SK-Hom, § 323 a Rn. 2; Lackner/ KühP 3 , § 323 a Rn. I; S/SLenckner, Vor §§ 13 ff. Rn. 125; Lnckner, JuS 1968, 215, 216; Jescheck/Weigend, AT5 , §§ 26 II 2, 53 I 2b; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT Tb 28 § 96 Rn. 3 ff.; Wessels/Hettinger, BT f 3 Rn. 1028; Blei, BT 12 § 94 I; Bocke/mann, BT/3 § 25 II I c bb; Bruns, JZ 1958, 105, 108; ders., Lackner-FS, S. 439; Dencker, NJW 1980,

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sprechung 15 handelt es sich bei § 323 a um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, d.h. ein solches, bei dem der Eintritt einer Gefahr nicht objektives Merkmal des Tatbestandes, sondern die generelle Gefährlichkeit des tatbestandliehen Verhaltens nur gesetzgeberisches Motiv, Grund für die Existenz der Vorschrift ist 16•

2159, 2160; Dreher, JZ 1953, 421, 426; Foth, NJ 9 (1991) 386, 389; Hart/, S. 81; Krey, BT 110 Rn. 797; LK9 -Lay, § 330a Rn. 5, 6; Montenbruck, GA 1978, 225, 228; Puppe, GA 1974, 115; dies., Jura 1982, 281; Rengier, BT 22 , § 41 Rn. 5-8; Schröder, DRiZ 1958, 219, 222; Schwalm, MDR 1959, 906; Tröndle/Fischer49 , § 323 a Rn. I; Zipf, JR 1974, 291. Aus dem frtiheren Schrifttum zu § 330 (a. F.) seien erwähnt: Boldt, DR 1939, 1035, 1036; Bruns, DStR 6 (1939) 225, 230; Dahm, ZAkDR 1939, 267, 268; Dalcke/Fuhrmann/Schäfer (1942), § 330a Anm. 69a; Domning (1939), S. 28, 41, 49, 55; Freieslehen/Kirchner/Niethammer (1936), § 330a Anm. I; Gerland, ZStW 55 (1940) 784, 797; Gramsch, Tatbestand (1938), S. 59; Grasmann (1951), S. 17, 20 ff., 64 u.ö.; Mezger/Mikorey, MonSchrKrim 1936, 410, 412; Mühlmann/Bommel (1949), § 330a Anm. I; Nebel, JW 1935, 2373; Niederreuther, GS 114 (1940) 322, 324, 341; Pfeif/er/Maul/Schulte, StGB (1969), § 330a Anm. I; LK1 -Rohde, § 330a Anm. 3; Sartor (1939), S. 12 f., 21, 38 u.ö; Schajheutle, JW 1933, 2794, 2799; Schäfer/v. Dohnanyi (1936), § 330a Anm. 1.1. (S. 120); Schäfer/Wagner/Schafheutle (1934), § 330a Anm. 2; Scheiff (1940), S. 54, 73; Schmidt-Leichner, DStR 7 (1940) I 09, 113; Schreyer (1937), S. 56 ff.; Späth (1939), S. 12, 54; Stutzer, DStR 6 ( 1939) 250, 252; Wilhelm ( 1939), S. 4, 12 f., 21 f. 15 Vorweg: Entscheidend für die Einordnung einzelner Entscheidungen können stets ausschließlich deren inhaltliche Ausführungen zur Sache sein. Nahezu alle der angeführten Entscheidungen erwähnen den Begriff des abstrakten Gefährdungsdeliktes oder auch nur des Gefährdungsdeliktes nicht (sc. bei früheren Entscheidungen offensichtlich schon deshalb nicht, weil es zu diesem Zeitpunkt noch nicht umstritten war), vertreten diese Ansicht jedoch der Sache nach. Eine diesbezüglich überwiegend oder gar ausschließlich auf die Termini abstellende Betrachtungsweise (so etwa teilweise bei LK 11 -Spendel, § 323 a Rn. 56) scheint der Sache nicht dienlich. RGSt 69, 187, 188; 70, 42, 43; 70, 159, 160; 73, II, 13; 73, 177, 181 (dahingehend, Sinn des § 330a [a. F.) sei neben einem Ausgleich bei Rechtsverletzungen auch der Schutz der Allgemeinheit vor berauschten und deshalb gefahrliehen Tätern); RG DR 1941, 852. Weitestgehend haben sich der I., 2. und 4. Strafsenat des BGH dieser Rechtsprechung angeschlossen, etwa BGHSt I, 124 f. (im unmittelbaren Anschluß an die Funktion der Rauschtat als einem zwingenden Beweisanzeichen für die Gemeingefährlichkeit des Berauschten bezeichnet der 4. Senat die Norm als ein "Gefährdungsdelikt eigener Art"); I, 275, 277; 2, 14, 18; 6, 89; 16, 124, 125 f.; 17, 333, 334; 20, 284, 285; 32, 48, 53 (lediglich von einem "Gefährdungsdelikt" sprechend); BGH NJW 1992, 1519; BGH VRS 6, 431; auch OLG Braunschweig VRS 7, 123, 125; NJW 1966, 679, 680; OLG Harnburg JR 1982, 347, 38; OLG Schleswig Sch!HA 1969, 165; 1971, 215; OLG Zweibrücken VRS 32,455 f. 16 Zu dem Tatbestandstypus der abstrakten Gefährdun.psdelikte allgemein etwa Jescheck/Weigend, AT5 , § 26 II 2; Wessels/Beulke, AT2 Rn. 29; Hettinger, JuS 1997, L 41, 42 f., der, da eine Gefährdung gerade nicht erforderlich, den Begriff "Gefährlichkeitsdelikt" bevorzugt. Ausführlich zu dieser und anderen Deliktskategorien u. 6. Kapitel, I.

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2. Kap.: Die Ansichten zu Normcharakter und Deliktsstruktur

a) Der Tatbestand im engeren Sinne aa) Die tatbestandliehe Handlung Hierbei wird die Tathandlung allein in dem Sichberauschen, d.h. der Herbeiführung eines Rausches durch alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel gesehen. Nur auf diese muß sich daher auch das Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) des Täters beziehen. Die Begehung einer "rechtswidrigen Tat" hat nach dieser Ansicht primär die Funktion einer außerhalb des Tatbestands stehenden und daher grundsätzlich unrechtsneutralen objektiven (früher: äußeren) Bedingung der Strafbarkeit. Das Verschulden des Täters erstreckt sich nach dieser Ansicht auf die Begehung einer Rauschtat nicht, da diese für das tatbestandliehe Unrecht des § 323 a grundsätzlich ohne Bedeutung ist. bb) Die Gefährlichkeit der tatbestandliehen Handlung Die generelle Gefährlichkeit eines Rausches liegt in den Wirkungen des Alkohols bzw. der anderen berauschenden Mittel 17 auf die menschliche Psyche und Physis begründet 18 • Mit Bestimmtheit läßt sich insoweit lediglich feststellen, daß es den Rausch ebensowenig gibt wie die Auswirkungen eines solchen. Letztere sind von einer derart großen Vielzahl einzelner Umstände abhängig, daß sich detaillierte Aussagen über rauschbedingte Auswirkungen auf die Persönlichkeit und das Verhalten eines Menschen nicht treffen, sich die Wirkungen des Rausches niemals mit Gewißheit voraussehen lassen 19• Gleichwohl existiert eine Vielzahl regelmäßig mit einer alkoholischen Intoxikation einhergehender Erscheinungen und Symptome, die in verschiedenen Stadien20 nach Art und Ausmaß unterschiedlich auftreten können. 17 Zu der Vielzahl der "anderen berauschenden Mittel" sei auf die umfangreiche Darstellung bei LK 11 -Spendel, § 323 a Rn. 88-103 verwiesen. Zu deren Auswirkungen detailliert etwa Junge, S. 57 ff.; Hart/, S. 36 ff., beide mit zahlreichen w. N., sowie Kusch, Vollrausch, S. 36 ff. Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf die Auswirkungen des Alkohols; die der anderen berauschenden Mittel sind wenn auch in anderen Kombinationen und unterschiedlicher Intensität auftretend im wesentlichen ähnlich; bestehende Unterschiede sind für den Gegenstand dieser Arbeit jedoch ohne Bedeutung. 18 Grundlegend hierzu BGHSt 16, 124, 125 f. 19 BGHSt 16, 124, 125; BayObLG NJW 1974, 1520, 1521; Lange/üddeke/Bresser, S. 150: "Regeln gibt es nicht"; Eisen-Rauch, S. 217 ff., 223 ff. ; Forster-Brettel, s. 456, 477 ff. 20 Graduell unterschiedliche Rausch-Stadien werden in Abhängigkeit von der lediglich ein Indiz darstellenden Blutalkoholkonzentration unterschieden, wobei insoweit weder eine einheitliche Einteilung noch eine solche Terminologie existiert.

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Während der Alkohol zunächst meist jenen Zustand der Euphorie hervorruft, dem er seine allgemeine Beliebtheit verdankt, bewirkt er bei zunehmendem Konsum regelmäßig eine Steigerung des Antriebs und der Wagnisund Risikobereitschaft, gleichzeitig ein Nachlassen der Aufmerksamkeits-, Konzentrations-, Auffassungs- und Kombinationsfähigkeit, aber auch bereits leichte Ausfallerscheinungen (etwa Gleichgewichts- oder Sehstörungen)21 . Zugleich wird der Stoffwechsel beeinflußt und es kommt zu toxischen Wirkungen auf die Gehirnfunktionen22 . Besonders betroffen hiervon ist das Großhirn, Zentrum der rational analysierenden, abwägenden und steuernden Funktionen23 : Das natürliche Hemmungsvermögen wird zunehmend reduziert und schwindet mit steigender Alkoholisierung dahin. Der solcherart akut Berauschte vermag dadurch einerseits deliktischen Impulsen, die er auch im nüchternen Zustand gehabt hätte, nicht zu widerstehen ("persönlichkeitsadäquate Rauschtaten"), zugleich kann es andererseits zu deliktischen Impulsen kommen, die im nüchternen Zustand mit großer Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wären, denen der Täter dann nicht zu widerstehen vermag ("persönlichkeitsfremde Rauschtaten")24. Die enthemmende Wirkung des Alkohols kann dabei nicht nur als Ursache für den TatentschluG tatauslösendes Moment sein, sondern zugleich durch die Herbeiführung der Schuldunfähigkeit des berauschten Täters eine weitere gefahrrelevante Bedeutung haben. Ein akuter Rausch stellt medizinisch eine exogene (toxische) Psychose25 und als solche eine krankhafte seelische Störung i. S. des § 20 dar26 . Jene Lähmung der verstandes- und Schwerd (S. 119 f.) unterscheidet etwa die leichte (0,5 %o-1,5%o), mittlere (1,5%o2,5%o), schwere (2,5%o-3,5%o) und schwerste Trunkenheit (über 3,5 %o); teilweise anders die Systematisierung bei LK 11 -Spendel, § 323a Rn. 117, die "dem allgemeinen Sprachgebrauch entsprechen" soll: "Schwips" (0,5 %o- l %o), leichter Rausch (l,O%o-1,5%o), mittelschwerer Rausch (1,5 %o-2 [2,5] %o), schwerer Rausch (2 [2,5) %o-3%o) und Vollrausch (etwa ab 3%o). Nach Langelüddeke/Bresser, S. 150 ist eine klare Abgrenzung und Klassifizierung weder in Begriffen noch in der Sache möglich; kritisch zu jener Einteilung nach Stadien auch Forster-Brettel, S. 479 f. 21 Ponsold, S. 209 f.; Eisen-Rauch, S. 217 ff.; Forster-Brette/, S. 454 ff. Die genannten Ausfallerscheinungen dürften hierbei überwiegend für die Begehung fahrlässiger Rauschtaten von Bedeutung sein. 22 Langelüddeke/Bresser, S. 150. 23 Hallermann-Steigleder, MonSchrKrim 1968, I04, III; Schewe, ZStW-Beiheft 1981, 39, 47; Eisen-Rauch, S. 217. 24 Cramer, Vollrauschtatbestand, S. 2 f.; kritisch zur Differenzierung und gegen die Annahme der Existenz "persönlichkeitsfremder" Rauschtaten Ponsold, S. 256 f. 25 Eisen-Rauch, S. 217; Forster-Brettel, S. 477 ff. 26 LK 11 -Jähnke, § 20 Rn. 24; Tröndle/Fischer49 , § 20 Rn. 9; teilweise wird der einfache Alkohol- oder Drogenrausch auch unter die "tiefgreifende Bewußtseinsstörung" i. S. des § 20 subsumiert, was jedoch zu keinen anderen Ergebnissen führt; vgl. hierzu S/S-Lenckner, § 20 Rn. 13 m. w. N.

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2. Kap.: Die Ansichten zu Normcharakter und Deliktsstruktur

willensmäßigen Kontrolle beeinträchtigt hierbei weniger die Fähigkeit des Berauschten, das Unrecht der Tat einzusehen, als das Steuerungsvermögen, die Fähigkeit, nach jener gewonnenen Einsicht zu handeln27 . Mit der Beeinträchtigung der Steuerungsfahigkeit steigt zugleich die Wahrscheinlichkeit der Begehung einer Rauschtat Die Vielzahl der möglichen, die Begehung einer rechtswidrigen Tat fördernden rauschbedingten Beeinträchtigungen von Körper und Geist des Täters stellt, verbunden mit dem Umstand, daß jene zwar regelmäßig auftreten, gleichwohl aber im konkreten Einzelfall nicht vorhersehbar sind, die generelle Gefahrliehkeil eines Rausches für Rechtsgüter Dritter und der Allgemeinheit außer jeden Zweifel.

b) Die Funktionen der Rauschtat Der Rauschtat kommt beim Straftatbestand des Vollrausches nach h. M. insbesondere nach der Ansicht der ständigen Rechtsprechung - im wesentlichen eine dreifache Funktion zu, die bei der Frage, ob es sich bei einer versuchten Rauschtat, von welcher der Täter zurückgetreten sein soll, noch um eine solche handelt, die zu einer Strafbarkeit nach § 323 a führt, von gewichtiger Bedeutung sein kann. aa) Die Rauschtat als objektive Bedingung der Strafbarkeit Die Rauschtat hat nach dieser Ansicht als objektive Bedingung der Strafbarkeit zunächst eine strafbarkeitseinschränkende Funktion28 : Das tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Sichberauschen stelle für sich allein bereits vorwerfbares Unrecht dar, die Strafbarkeit hänge jedoch von der Begehung einer Rauschtat ab, werde durch diese nicht begründet, sondern eingeschränkt. Der Gesetzgeber übe insoweit Zurückhaltung 29 , als er Strafe nur für den Fall androhe, in dem der Täter eine Rauschtat begeht, da nur dann ein kriminalpolitisches Bedürfnis für Strafe bestehe30. Forster-Brettel, S. 480; Eisen-Rauch, S. 217. Grundlegend zu dieser Funktion der objektiven Bedingung der Strafbarkeit etwa SIS-Lenckner, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 124; SK-Rudolphi, Vor § 19 Rn. 13; speziell für die Rauschtat bei § 323 a etwa : Dreher, JZ 1953, 421, 426; Foth, NJ 9 (1991), 386, 389; Junge, S. 104 f.; Krey, BT 110 Rn. 797 f.; Kusch, Vollrausch, S. 61 ff.; LK9 -Lay, § 330a Rn. II, 37 f., 85; Maurach/Schroeder!Maiwald, BT Tb 28 § 96 Rn. 4; Schwalm, MDR 1959, 906; Stratenwerth, ZStW 71 (1959) 565, 568 f. 29 BGHSt 16, 124, 125. 30 SK-Horn, § 323 a Rn. 10; Junge, S. 103 ff. 27

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bb) Die Rauschtat als Indiz für die Gefährlichkeit des Rausches Darüber hinaus soll die Rauschtat zugleich 31 eine Aussage über die Gefährlichkeit der Tatbestandsverwirklichung ermöglichen32 . Der Aussageinhalt sei insoweit die (Gemein33 )Gefährlichkeit34 des Berauschten 35 bzw. des Rauschzustandes 36 ; die Ansichten über die Aussagekraft reichen hierbei vom bloßen "Anzeichen"37 oder "Indiz"38 bis hin zum "zwingenden Beweiszeichen"39. 31 U. a. hierin unterscheidet sich diese Ansicht von der- später noch darzustellenden Ansicht - Spendels, der in der Rauschtat nicht auch eine objektive Bedingung der Strafbarkeit, sondern ausschließlich eine "unwiderlegliche Beweistatsache für die Gefährlichkeit des Sichberauschens" sieht (LK 11 -Spendel, § 323 a Rn. 61 ). 32 Diese Ansicht wird - in unterschiedlichen Varianten - überwiegend auch von Vertretern des Schrifttums geteilt, die in § 323 a ein konkretes Gefährdungsdelikt sehen; vgl. etwa Kohlrausch/Lange, StGB 38, § 330a Anm. III, Lange, ZStW 59 (1940) 574, 581, 584 f., 587; ders. JZ 1951, 461, Dollinger, S. 14; Uhse, S. 14. Sie stimmen mit der hier dargestellten Ansicht nur darin überein, daß von der Verwirklichung der Rauschtat Rückschlüsse auf die Gefährlichkeit des Rausches bzw. des Rauschtäters gezogen werden können. Ausdrücklich gegen eine solche Funktion der Rauschtat bei der Annahme eines konkreten Gefährdungsdeliktes Frister, Schuldprinzip, S. 56 f. 33 BGHSt I, 124, 125. 34 BGH MDR/D 1974, 15; BGH NJW 1992, 1519. 35 BGHSt I, 124, 125; BGH MDR/D 1974, 15. 36 BGH NJW 1992, 1519. 37 BGHSt 38, 356, 361; BGH NJW 1992, 1519, BGH VRS 34 (1968) 349; OLG Stuttgart NJW 1971, 1815; Pickenpack, S. 13 ("Beweisanzeichen"). 38 BGH MDR/D 1974, 15; BGH DAR 1979, 180; 1982, 200; OLG Zweibrücken NZV 1993, 489; BayObLG NZV 1989, 318, 319; Bruns, JZ 1958, 105, 108 (Rauschtat als zwingendes Indiz der Gefährlichkeit des Täters); Dencker, JZ 1984, 453, 459 (Indiz für einen strafwürdigen Rausch); Gerland, ZStW 55 (1936) 784, 798 f. (die Gefährlichkeit der Straftat könne retrospektiv aus der Rauschtat erkannt werden); Gramsch, Tatbestand, S. I 08 (Rausch tat als sicheres und zuverlässiges Erkenntnismerkmal für die Gefährlichkeit des Rauschzustandes, geeignetstes und zuverlässigstes Indiz für eine Rauschgefährlichkeit); Niederreuther, ZfWR 1936/37, Bd. I, 284, 299 (etwas vage, jedoch wohl in diesem Sinne zu verstehen: die Rauschtat sei "für die Gefährlichkeit der Tat bis zu einem gewissen Grade maßgebend"); Schmid, S. 69 (Indiz dafür, daß der Täter im Rausch gefährlich ist); Schröder, DRiZ 1958, 219 (die Rauschtat diene nur dazu, die Fälle auszuscheiden, bei denen das Indiz der Gefährlichkeit in Gestalt des Vollrausches dadurch widerlegt werde, daß tatsächlich "nichts passiert" sei); Wilhelm, S. 22 (man könne erst von der Rauschtat auf die Gefährlichkeit der Tat und des Täters schließen). 39 BGHSt I, 124, 125; OLG Braunschweig NJW 1954, 1052. So ist wohl auch RGSt 73, 177, 181 zu verstehen, der Täter habe sich dadurch, daß er im Rausch mit Strafe bedrohte Handlungen begangen habe, als gefährlich für den Rechtsfrieden "erwiesen". Domning, S. 28 will in der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung "das ausschließliche Erkenntnismittel für die Gefährlichkeit des Täters" sehen, ähnlich auch Schreyer, S. 56, der eine Strafbarkeit nach§ 330a (a.F.) nur dann an6 Barlhcl

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2. Kap.: Die Ansichten zu Normcharakter und Deliktsstruktur

Anzahl, Schwere und Auswirkungen der Rauschtat(en) ließen - so die ständige Rechtsprechung - insoweit Rückschlüsse auf die Gefährlichkeit zu, so daß sie auch im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen seien. Was die "Aussagekraft" der Rauschtat betrifft, sei an dieser Stelle erwähnt, daß es - soweit ersichtlich - in der Rechtsprechung bislang keinen Fall gegeben hat, auch im Schrifttum kein Beispiel dafür genannt wird, das dieses Gefährlichkeits-"Indiz" der Rauschtat durch irgendeinen Umstand widerlegt hätte: Der Terminus des "zwingenden Beweiszeichens" scheint die Vorstellung der Rechtsprechung zutreffender wiederzugeben als die Begriffe "Indiz" oder "Anzeichen". Eine derartige Beweisfunktion der Rauschtat wird allerdings im Schrifttum selbst von einigen Vertretern der Ansicht, bei § 323 a handele es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, bestritten. Der Schluß von der Rauschtat auf die Gefährlichkeit des Rausches sei aus einem doppelten Grunde nicht schlüssig. Zwar sei zuzugeben, daß der in der Rauschtat liegenden Verletzung eines Rechtsgutes dessen Gefahrdung unmittelbar vorangehe, es gebe jedoch auch rauschunabhängige Gefahren in der Person des Täters, die sich in der Rauschtat realisiert haben könnten40, etwa auch Zufälle41 . Es sei nicht zwingend, daß eine durch den Rausch begründete Gefahr bestanden und - falls doch - sie sich in der Rauschtat auch realisiert habe. Zudem könne eine Gefahr im Sinne der Wahrscheinlichkeit eines eintretenden Schadens unabhängig von dem Erfolgseintritt bestehen, also auch dann, wenn sie nicht in einen Schaden umschlage42 . Es gebe mithin sowohl einen gefährlichen Rausch ohne eine Rauschtat als auch eine Rauschtat ohne einen gefährlichen Rausch. Weder könne die Rauschtat die Gefährlichkeit des Rausches beweisen, noch deren Ausbleiben diese widerlegen43. nimmt, "wenn die Gefährlichkeit des Täters dadurch feststeht, daß er eine vom Strafrecht mißbilligte Handlung begangen hat". 40 Junge, S. 71 ff. (Junge richtet seine Kritik expressis verbis nur gegen Spendeis Vollrausch-Modell, in welchem die Rauschtat eine "unwiderlegliche Beweistatsache für die Gefährlichkeit des Sichberauschens" sein soll [s. Nachw. in Fn. 31 ]. Da sich Spendeis Ansicht insoweit allein durch die Beweiskraft der Rauschtat für die Gefährlichkeit des Rausches von der hier dargestellten Ansicht der h. M. unterscheidet, beide Ansichten diesbezüglich in ihrem Grundsatz (Beweistauglichkeit der Rauschtat) jedoch übereinstimmen, richtet sich Junges Kritik auch gegen die hier dargestellte h. M.); ebenso Kusch, Vollrausch, S. 71. 41 Cramer, Vollrauschtatbestand, S. 82 f.; anders jedoch später SIS-Cramer, § 323 a Rn. 13, die Rauschtat nunmehr als ein Indiz für die Gefährlichkeit des Rausches betrachtend. 42 Cramer, Vollrauschtatbestand, S. 83; Frister, Schuldprinzip, S. 58; Junge, S. 73; Kusch, Vollrausch, S. 71. 43 Cramer, Vollrauschtatbestand, S. 82.

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Inkonsequenz wird der Annahme einer Indizwirkung der Rauschtat ferner insoweit vorgeworfen, als eine Kausalbeziehung zwischen Rausch und Rauschtat für den Tatbestand des § 323 a nicht vorausgesetzt44, der Gesetzestext " ... wenn er in diesem Zustand eine rechtswidrige Tat begeht ... " allein als ein zeitlicher, nicht aber ursächlicher Zusammenhang ausgelegt wird45 . cc) Die Relevanz der Rauschtat für die Strafzumessung Da sich das Verschulden im Zeitpunkt des Sichberauschens nicht auf die spätere Rauschtat erstreckt, den Täter in dieser Hinsicht weder ein Vorsatznoch ein Fahrlässigkeitsvorwurf trifft46, kann die Rauschtat, da unverschuldet, dem Täter nicht strafschärfend angerechnet werden47 . Das widerspräche der strafbegrenzenden Funktion des in § 46 Abs. 2 zum Ausdruck gebrachten Schuldprinzips, das auch die Ebene der Strafzumessung erfaßt48 . Gleichwohl berücksichtigt die ständige Rechtsprechung die Rauschtat im Rahmen der Strafzumessung bei § 323 a strafschärfend und damit zum Nachteil des Täters: Aufbauend auf der Annahme, die Rauschtat sei ein Erkenntnismittel für die Gefährlichkeit der Tatbestandsverwirklichung, sollen nämlich tatbezogene Merkmale des im Rausch verwirklichten Delikts strafschärfend berücksichtigt werden können, da sie als "Anzeichen für den Gefahrlichkeitsgrad des Rausches ( ... ) die wichtigsten Gesichtspunkte für die Beurteilung der Schwere der Tat nach § 323 a"49 repräsentierten. Zwar sollen für die Strafzumessung beim Vollrausch zunächst die Umstände und Gesichtspunkte maßgebend sein, die sich auf die Tathandlung des Sichberauschens beziehen50, darüber hinaus jedoch auch die objektiven tatbezogenen Umstände der Rauschtat, wie etwa deren Art, Umfang, 44 RGSt 73, 177, 182; BGH I StR 298170 v. 3.11.1970 (unveröffentlicht, zitiert bei Tröndle/Fischer49 , § 323a Rn. 10); Tröndle/Fischer49 , a.a.O.; LK9 -Lay, § 330a Rn. 69; Gerland, ZStW 55 (1938) 785, 800 f.; Gramsch, Tatbestand, S. 62. A.A. und damit eine Ursächlichkeit des Sichberauschens für die Rauschtat für erforderlich haltend BGH 4 StR 979/52 v. 22.10.1953 (unveröffentlicht, zitiert bei LK 11 Spendel, § 323 a Rn. 290); Cramer, Vollrauschtatbestand, S. 117. 45 Cramer, Vollrauschtatbestand, S. 82 in Fn. 112; Neumann, Zurechnung, S. 67 f., 75 ff., BrandsteUer, S. 147. Hiergegen zutreffend LK 11 -Spendel, § 323a Rn. 158 ff. m.w.N. 46 Ansonsten wäre - zumindest nach der h. M. - meist eine Strafbarkeit aus dem im Rausch verwirklichten Delikt nach den Grundsätzen der alic gegeben, welche die aus § 323 a verdrängen würde. 47 So ausdrücklich etwa BGHSt 38, 356, 361 . 48 Bruns, Lackner-FS, S. 439, 452. 49 BGHSt 23, 375, 376; 38, 356, 361. 50 BGH NStZ-RR 1997, 300, 301 ; auch OLG Braunschweig NJW 1954, 1052.

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2. Kap.: Die Ansichten zu Normcharakter und Deliktsstruktur

Schwere, Folgen und Gefährlichkeit51 . Dies soll selbst für den (tatbestandliehen) Erfolg der Rauschtat gelten; das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 stehe dem nicht entgegen, da der gesetzliche Tatbestand im Sinne dieser Vorschrift der des § 323 a Abs. 1, nicht hingegen der des im Rausch verwirklichten Deliktes sei 52 . Anders verhalte es sich hingegen bei den täterbezogenen Merkmalen der Rauschtat, etwa dem Tatmotiv oder der Gesinnung 53 , dem zielbewußten Vorgehen und nachhaltigen Verfolgen eines verbrecherischen Planes54 oder der Brutalität als Ausdruck roher Gesinnung55 . Auch Verhaltensweisen des Täters, die nur in der Rauschtat zum Ausdruck kommen, dürfen bei der Strafzumessung nicht strafschärfend berücksichtigt werden56. Als Grund für diese Differenzierung wird aufgeführt, daß solche inneren Umstände nur einem verantwortlichen Täter zugerechnet werden könnten, nicht hingegen einem wegen Volltrunkenheit zurechnungsunfähigen57 ; ferner, daß täterbezogene Merkmale - wie etwa eine rohe oder üble Gesinnung - bereits begrifflich voraussetzten, "daß der Täter nicht völlig außerstande ist, einsichtsgemäß zu handeln und die aus einem Gefühl mitmenschlicher Rücksichtnahme entspringenden Hemmungen wirksam werden zu lassen58 . Eine Berücksichtigung solcher täterbezogener Merkmale der Rauschtat oder ausschließlich in der Rauschtat zum Ausdruck gekommener Verhaltensweisen des Täters bei der Strafzumessung würde verkennen, daß nicht die Rauschtat, sondern einzig der Tatbestand des vorsätzlichen oder fahrlässigen Sichberauschens Gegenstand der Verurteilung ist59. Die Straf51 BGHSt 23, 375, 376 f.; 38, 356, 361; BGH MDR/D 1972, 198; 1974, 15; BGH MDR/H 1982, 811; BGH DAR 1982, 200; BGH VRS 34, 349, 350; BGH NStZ 1996, 334; BGH NStZ-RR 1997, 300, 30 I; BGHR StGB § 323 a Abs. 2 Strafzumessung I und 2; OLG Stuttgart NJW 1955, 1042; NJW 1971, 1815; OLG Karlsruhe NJW 1975, 1936; BayObLG NZV 1989, 318, 319; OLG Braunschweig NJW 1954, 1052; OLG Celle NJW 1969, 1588, 1589; OLG Hamm, VRS 36, 264 (allerdings mit dem zweifellos ebenso kuriosen wie bedenklichen Nachsatz, "weil es auch fehlerhaft wäre, den Schuldgedanken zu sehr in den Vordergrund zu rucken" [!?]). 52 BGH MDR/H 1982, 811 . 53 BGHSt 23, 375, 376; 38, 356, 361; BGH NStZ-RR 1997, 300; BGH StV 88, 530. 54 BGH MDR/D 1974, 15. 55 BGH MDR/H 1982, 811 ; BGHR StGB § 323 a Abs. 2 Strafzumessung I. 56 BGH StV 1988, 530; 1996, 89; BGH NStZ-RR 1997, 300. 57 BGH MDR/D 1974, 15; BGH StV 1996, 89. 58 BGH MDR/H 1982, 811, 812. 59 BGHSt 23, 375, 377. In der Sache identisch, wenn auch mit anderen Worten BGH MDR/D 1974, 15, wenn es dort heißt, die Rauschtat sei nur objektive Bedingung der Strafbarkeit und daher könnten Umstände, die das innere Tatbild der Rauschtat betreffen, bei der Zumessung der Strafe für das Vergehen nach § 330 a

II. Ansichten in Literatur und Rechtsprechung

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zumessungsrelevanz der tatbezogenen Umstände der Rauschtat wird letztlich allein auf deren ursächliche Beziehung zur tatbestandliehen Handlung des § 323 a zurückgeführt60. Wie aus den Nachweisen in den Fußnoten ersichtlich, sind jene dargestellten "Richtlinien"61 der Strafzumessung ausschließlich von der Rechtsprechung entwickelt worden. Das Schrifttum62 ist dem nur teilweise gefolgt63 . Vielfach wird in einer - und sei es auch nur mittelbaren Berücksichtigung der unverschuldeten Rauschtat ein Verstoß gegen das Schuldprinzip, konkret gegen § 46 Abs. 2, nach dem nur verschuldete Auswirkungen der Tat bei der Zumessung der Strafe berücksichtigt werden dürfen, gesehen. So hat etwa Bruns nachgewiesen, daß diese Rechtsprechung letztendlich auf eine Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen aus dem Jahre 1957 zurückgeht 64 , die gewissermaßen den Grundstein für die Strafzumessungsrelevanz der Rauschtat gelegt hatte. Deren im Leitsatz zusammengefaSte zentrale Aussage lautet: (a. F.) nicht berücksichtigt werden. In gleicher Weise auch BGHSt 38, 356, 361 und BGH StV 1988, 530. 60 So BGHSt 23, 375, 376: die Folgen der Rauschtat seien "zugleich Folgen des an deren Stelle tretenden Vergehens nach § 330a StGB" und stünden "auch zu dem Tatbestand des Sichberauschens in ursächlicher Beziehung"; ebenso BGHSt 38, 357, 361. Ähnlich auch OLG Karlsruhe NJW 1975, 1936, wenn es ausführt, die schweren (sc. Rausch-)Tatfolgen seien "für den Angeklagten kein bloßer Zufall, sondern bereits in dem schuldhaft gesetzten Gefahrenzustand, um dessentwillen die Selbstberauschung verboten ist, mit angelegt". 61 Als solche versteht Mösl (NStZ 1982, 148, 150) die Vorgaben der Rechtsprechung. 62 An dieser Stelle ist - wie sich aus dem Standort ergibt - nur derjenige Teil des Schrifttums berücksichtigt, der in § 323 a ein abstraktes Gefährdungsdelikt sieht. 63 Lackner/Kühtl 3 , § 323a Rn. 16 (die Rspr. kritisch wiedergebend [" . . . nach der Rspr. können ... "]); S/S-Cramer. § 323 a Rn. 30 a (ebenfalls kritisch distanziert: "Bei der Strafzumessung sollen nach h. M. tatbezogene Merkmale berücksichtigt werden können."); LK 11 -Gribbohm, § 46 Rn. 154 (den Vollrauschtatbestand im Rahmen des § 46 Abs. 2 bereits als einen - so wörtlich: - "Sondeifall" kennzeichnend, soll diese Rspr. nur mit den "Besonderheiten des Vollrauschtatbestandes" zu erklären sein [welche Besonderheiten das sein sollen, die eine Übergehung des § 46 Abs. 2 ermöglichen, ja rechtfertigen sollen, wird nicht gesagt]); SK-Horn, § 46 Rn. 110 und § 323 a Rn. 23 (zwar gegen eine unmittelbare Berücksichtigung der Rauschtat-Folgen, einer mittelbaren jedoch insoweit zustimmend, als diese Rückschlüsse auf den Grad der Gefährlichkeit und der kriminellen Energie des sich Berauschenden zulassen; damit der Rspr. zustimmend); Pfeiffer/Maul/Schu/te, § 330a Anm. 8; Tröndle/Fischer49 , § 323a Rn. 18; Junge, S. 97 (gegen eine Berücksichtigung von Art und Schwere der Rauschtat aber für eine Verwertung der für den Täter vorhersehbaren Gefahr und vorhersehbarer Folgen). 64 BGHSt GS I0, 259 ff.

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2. Kap.: Die Ansichten zu Normcharakter und Deliktsstruktur

"Wer schuldhaft eine gefahrenschwangere Lage geschaffen, gewissermaßen das Tor geöffnet hat, durch das mannigfaches unbestimmtes Unrecht eindringen konnte, den darf man, wenn das Unheil eingedrungen ist, im Bereich der Strafzumessung ohne Verletzung des Schuldgrundsatzes dafür verantwortlich machen."

Danach sollen ausschließlich Ursächlichkeil und Gefahrrealisierung für eine strafschärfende Berücksichtigung der Rauschtat erforderlich sein, nicht hingegen ein Verschulden in den Formen der Vorsatz- oder Fahrlässigkeitsschuld65. Die ständige Rechtsprechung verweist auch nach der Einführung des § 46 Abs. 2 durch das 2. StrRG66 stets - wenngleich teilweise nur mittelbar67 - weiterhin auf diese Entscheidung, und zwar, ohne auf deren Vereinbarkeit mit § 46 Abs. 2 einzugehen, ohne sich mit dem Inhalt dieser für das Strafzumessungsrecht zentralen Bestimmung auseinandergesetzt zu haben68 . Bruns' Fazit, diese Rechtsprechung stehe "auf rechtsdogmatisch tönernen Füßen"69 und stelle einen "gewissen Bruch"70 mit § 46 Abs. 2 dar, wird im Schrifttum geteilt, auch mit weniger Zurückhaltung71 .

2. § 323 a als ein konkretes Gefährdungsdelikt Die insbesondere im Schrifttum vertretene Auffassung, bei § 323 a handele es sich um ein konkretes Gefahrdungsdelikt, d. h. ein solches, das auf 65 Mit dieser Entscheidung wurde der lange Zeit als überwunden und aus dem Strafrecht verbannt geglaubte Grundsatz des "versari in re illicita" wieder zum Leben erweckt; so auch Lnng-Hinrichsen, ZStW 73 (1961) 210, 217. 66 Zweites Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 4.7.1969, BGBl I, 717. 67 So wird auf die Entscheidungen BGHSt 16, 124 ff. (vor dem 2. StrRG ergangen) und BGHSt 23, 375 ff. (unmittelbar nach dem 2. StrRG ergangen), die beide zur Begründung der Strafzumessungsrelevanz der Rauschtat ausschließlich auf BGHSt I 0, 259 ff. verweisen, insoweit aber keine eigenständige Begründung anführen, bis in die jüngste Zeit Bezug genommen, etwa BGHSt 38, 356 ff.; BGH NStZ 1996, 334 oder BGH NStZ-RR 1997, 300. 68 Bruns, Lackner-FS, S. 439, 452. Lackner/Kühz2 3 , § 323a Rn. 16 und LK 11 Gribbohm, § 46 Rn. 154 betrachten die Entscheidung des Großen Senats (BGHSt GS 10, 259 ff.) mit dem I. StrRG als durch § 46 Abs. 2 "überholt", sind also der Ansicht, daß sich die Rechtsprechung zu der Strafzumessungsrelevanz der Rauschtaten nicht mehr - weder unmittelbar noch mittelbar - auf diese Entscheidung stützen läßt. 69 Bruns, Lackner-FS, S. 439, 452. 70 Bruns, Strafzumessungsrecht, S. 162. 71 Deutlich insoweit etwa (Bundesrichter) Theune, StV 1985, 162, 163, nach dessen Ansicht diese Rechtsprechung erkennbar vom Schuldprinzip abweiche, und der Versuch, eine Übereinstimmung mit diesem herzustellen, keinen Erfolg haben könne. Gegen jegliche und damit auch die "nur" mittelbare Berücksichtiguni der Rauschtat bei der Strafzumessung auch Kusch, Vollrausch, S. 161 ; ebenso LK -Lny, § 330a Rn. 92 a.E.; Haubrich, DAR 1980, 359, 360.

Il. Ansichten in Literatur und Rechtsprechung

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der objektiven Tatseite den Eintritt einer Gefahr und korrespondierend hierzu ein diesbezügliches Verschulden voraussetzt, ist - wie sämtliche anderen im folgenden noch darzustellenden Ansichten auch - aus der Kritik an einem als abstraktes Gefahrdungsdelikt verstandenen Vollrauschtatbestand entstanden.

a) Die Kritik an§ 323a als einem abstrakten Gefahrdungsdelikt Neben den grundsätzlichen Bedenken und Einwänden gegen die Zulässigkeil abstrakter Gefahrdungsdelikte72 wird gegen die Annahme, bei § 323 a handele es sich um ein solches, hauptsächlich vorgebracht, das bloße Sichberauschen, das nach h. M. allein den Unrechtstatbestand bilden soll, sei bereits kein strafrechtliches Unrecht73 . Dies wird auf unterschiedliche Art und Weise zu begründen versucht, etwa mit dem Fehlen außerstrafrechtlicher Verbote74• 75 oder unter Berufung auf die "Sozialadäquanz"76 72 Statt vieler: SK-Rudolphi, Vor§ 306 Rn. 16 f.; Brehm, S. 44 ff.; Cramer, Vollrauschtatbestand, S. 51 ff. 73 Maurach etwa, JuS 1961, 373, 374 f., hält die Ansicht, das bloße Sichberauschen sei unrechtstragender Tatbestand, für "unhaltbar"; ähnlich zu verstehen ist wohl auch Hirsch, ZStW-Beiheft 1981, I, 12 f., nach dessen Ansicht ein Verbot des vorsätzlichen oder fahrlässigen Sichbelrinkens "in unserer Rechtsordnung schwerlich denkbar" sei, "tatbestandlich nicht von einem so weiten Verbot ausgegangen werden dürfe"; ähnlich auch LK9 -Hirsch, Vor §51 Rn. 189. Nicht zu überzeugen vermag die petitio principii von Kaufmann (JZ 1963, 425, 428), das Sichberauschen sei deshalb kein Unrecht, weil es nach deutschem Recht nicht rechtswidrig sei; ähnlich auch v. Weber, Stock-FS, S. 59, 70 f. Hiergegen deutlich Lackner, JuS 1968, 215, 217. 74 Hierbei müßte man - wie etwa v. Weber (Stock-FS, S. 59, 70) oder Kusch (Vollrausch, S. 50) dies tun - zwischen dem Alkohol und den anderen berauschenden Mitteln i. S. des § 323 a differenzieren, da nur hinsichtlich letzterer unterschiedliche staatliche Verbote existieren, etwa im Betäubungs- oder Arzneimittelgesetz. 75 Nach v. Weber (BA 1962, 211; Stock-FS, S. 59, 70 f.) muß die Rechtswidrigkeil (sc. und damit das Unrecht, C. 8.) des Sichberauschens "notwendig" zu Maßnahmen der Prohibition führen; in gleicher Weise sieht auch Roeder (Rittler-FS, S. 211, 212) ein staatliches Alkoholverbot als "zwangsläufige" Folge oder Voraussetzung der Bewertung des Sichberauschens als Unrecht an; ebenso Kaufmann, JZ 1963, 426, 428; Deselaers, S. 41; Haft, JA 1979, 651, 656; Kohler, S. 51 und G. Weber, S. 23. Hiergegen zutreffend Lackner, JuS 1968, 215, 217; Dencker, JZ 1984, 453, 460 in Fn. 74 und Kusch, Vollrausch, S. 50, die dem entgegenhalten, es gehe zum einen nicht um ein Verbot des Alkohols schlechthin, sondern nur um dessen Konsum in dem in § 323 a Abs. I beschriebenen Ausmaße (Lackner, a. a. 0.), zum anderen könne von einer nicht angeordneten Prohibition nicht auf das Unrecht des Sichberauschens geschlossen werden (Kusch, a. a. 0.; LK9 -Lay, § 330a Rn. 7). 76 Aus dem Jahre 1944 stammend und daher mit einem anderen Terminus - inhaltlich aber etwa das gleiche bedeutend - schon Kohlrausch/Lange, StGB 38 , § 330a Anm III: es sei aus dem "gesunden Volksempfinden zu erschließen, das (... ) in dem bloßen Sichberauschen kein strafwürdiges Unrecht sieht"; Lange später (JZ

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2. Kap.: Die Ansichten zu Normcharakter und Deliktsstruktur

und die "Tradition"77 der Trunkenheit, aber auch mit dem regelmäßig harmlosen Verlauf eines Rausches78 • Ein weiteres zentrales Argument ist stets der Strafrahmen des § 323 a Abs. I, der - erst seit einer Gesetzesänderung im Jahre 1941 79 - neben der Geldstrafe zunächst Gefängnis, heute Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vorsieht80 . Eine solche Strafandrohung entspreche nicht dem - teilweise dann eben doch angenommenen Unrechtsgehalt des bloßen Sichberauschens81 • Auch die Limitierung der Strafe des § 323 a Abs. 1 durch eine Anhindung an den Strafrahmen der 1951, 460, 461 ): für die "Volksmeinung" sei es nun einmal nichts Verbotenes und Vorwerfbares, wenn man sich berausche. Dieser Standpunkt wird bis in die neueste Zeit vertreten. Streng (JZ 1984, 114, 116; wiederholt in JZ 2000, 20, 27) zufolge entbehrt die Auffassung, allein das Sichberauschen sei das Unrecht des § 323 a, jeglicher "sozialen Basis", da das Sichbetrinken weder an sich rechtlich mißbilligt, noch von der Bevölkerung als strafwürdig angesehen werde. NK-Paeffgen, § 323 a Rn. 8 umschreibt die tatbestandliehe Handlung als "den als sozialüblich eingestuften Rauschmittelgenuß (Alkohol [!])". Ähnlich auch Arzt/Weber, LH 2 Rn. 426; Fajen, S. 46; Maurach, Schuld und Verantwortung, S. 109; Roxin, AT I 3 , § 23 Rn. 8; erst jüngst erneut: Misere, S. 114. Nicht überzeugend Jakobs, AT2 , 17/61 : die Berauschung sei in "weitem Maße sozial toleriert- wenn auch nicht unbedingt gebilligt-". Ohne an dieser Stelle auf den Begriff und die strafrechtliche Relevanz der Sozialüblichkeit einzugehen, sei an den in der vorherigen Fußnote erwähnten Hinweis Lackners auf die Notwendigkeit einer quantitativen Unterscheidung erinnert (deutlich auch Paeffgen, ZStW 97 [ 1985] 513, 535; unter einem anderen Aspekt auch Lagodny, S. 236) sowie daran, daß die Vorschrift des § 323 a mit Vollrausch betitelt ist (drastisch etwa die Worte Denckers [JZ 1984, 460]: es gehe bei § 323 a nicht mehr um das gesellige Trinken, sondern um "das - mit Verlaub: - Saufen"). Zur (zumindest heute) fehlenden Sozialadäquanz des Sichberauschens (bereits 1961) Hardwig, Eb. Schmidt-FS, S. 459, 460 f. 77 Mit Einschränkungen Kaufmann, JZ 1963, 428. Hingegen zu Recht gegen eine Bemühung der Rechtstradition Lackner, JuS 1968, 215, 217. 78 Heinitz, JR 1957, 347, 349; Hirsch, ZStW-Beiheft 1981, I , 13, 14; Lange, ZStW 59 (1940) 574, 584; ders., JZ 1951, 462; ders., JR 1957, 244; Roxin, AT rJ, § 23 Rn. II; Lackner, JuS 1968, 215, 218 (das Fehlen von Statistiken zugebend, beruft er sich auf die "Erfahrungen des täglichen Lebens"); ebenso OLG Celle NdsRPfl. 1950, 128 und OLG Oldenburg JZ 1951, 460. Der Hinweis von Schliwinski (S. 16), der Wahrheitsgehalt der Aussage, daß die meisten Volltrunkenen gar keine Rauschtat begingen, entziehe sich mangels empirisch fundierter Erkenntnisse einer Überprufung, ist - soweit ersichtlich - bislang und auf weiteres unwiderlegt und bedarf keiner weiteren Kommentierung. 79 Gesetz zur Änderung des Reichsstrafgesetzbuches vom 4. September 1941, RGBl I, 549, s. bereits I . Kapitel, Fn. 88. 80 Zur Relation von Strafrahmen und Unrecht s. o. 2. Kapitel, I. 2. 81 Bemmann, GA 1961, 65, 69; Hogräfer, S. 18; Lange, ZStW 59 (1940) 574, 575, 580; ders. , JR 1957, 242, 243, 245; Mayer, ZStW 59 (1940) 283, 285 f. ; Ranft, MDR 1972, 737, 739 f.; Ritt/er, Frank-Festgabe Bd. II, S. I, 25; Roeder, Rittler-FS, S. 211, 240; Roxin, AT § 23 Rn. 8; Schliwinski, S. 2 1; v. Weber, MDR 1952, 642; Welzel, Lb, S. 474; Wolter, NStZ 1982, 54, 56. Den heutigen Strafrahmen hielt bereits 1938 de lege ferenda für angemessen Gramsch, Tatbestand, S. 112.

e,

II. Ansichten in Literatur und Rechtsprechung

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jeweiligen Rauschtat (§ 323a Abs. 2) zeige, daß diese das Unrecht des Vollrauschtatbestandes zumindest mitbestimme, das Unrecht mithin nicht allein im Sichberauschen gesehen werden könne 82 .

b) Die unterschiedlieben dogmatischen Begründungen eines konkreten Gefährdungsdelikts Da die Rauschtat nach Ansicht der Kritiker im Rahmen des § 323 a nicht unrechtsindifferent ist, wird von Teilen des Schrifttums, aber auch der Rechtsprechung, auf unterschiedliche Weise der Versuch unternommen, ihr bereits im Tatbestand oder zumindest auf der Ebene der Schuld eine straf(mit)begründende Funktion zukommen zu lassen. Eine dogmatische Grenze all dieser Unternehmungen bildet hierbei die alic, von der sich der Vollrauschtatbestand unterscheiden, neben der er einen eigenständigen Anwendungsbereich haben soll. Das verbietet es, die konkrete Rauschtat als solche in den Tatbestand einzugliedern und ein Verschulden bezüglich der bestimmten83 , im Rausch begangenen rechtswidrigen Tat zu verlangen 84 . Jene strafbegründende Heranziehung der Rauschtat soll hierbei - darin stimmen alle der im folgenden dargestellten Ansichten überein -, in einer Weise erfolgen, die den Anwendungsbereich der alic nicht tangiert und damit dem Vollrauschtatbestand eine eigenständige Bedeutung zukommen läßt.

aa) § 323 a als ein konkretes Gefährdungsdelikt im engeren Sinne (l) Die besondere Gefährlichkeit des Rauschtäters

Eine im wesentlichen auf Kohlrausch 85 zurückgehende, später von Lange aufgegriffene und weiterentwickelte Ansicht will mit dem Straftatbestand des Vollrausches nicht jeden Rausch unter Strafe gestellt wissen, sondern nur den konkret gemeingefährlichen. Das wird von Lange u. a. damit 82 Arzt/Weber, LH 2 Rn. 426; Jescheck/Weigend, AT5 , § 51 IV 2 (die hieraus allerdings keine Konsequenzen ziehen); Ranft, MDR 1972, 740; ders., JA 1983, 193, 194. 83 Zu dem Bestimmtheilserfordernis des Vorsatzes bzgl. der Defekttat bei der alic s.o. I. Kapitel, IV. I. mit den Nachw. in Fn. 76. 84 So etwa statt vieler: Kohlrausch, ZStW 32 (1911) 645, 660; Lange, ZStW 59 (1940) 574, 591 ; Ranft, MDR 1972, 737, 740 f. Von dieser "Vorgabe" im Ausgangspunkt befreit wären - im jeweiligen Umfang der Ablehnung - nur diejenigen, welche die alic entweder grundsätzlich oder zumindest teilweise ablehnen (s.o. I. Kapitel, IV. 4.). 85 Kohl rausch, ZStW 32 ( 1911) 645, 660 ff.

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2. Kap.: Die Ansichten zu Normcharakter und Deliktsstruktur

begründet, daß die Norm durch das Gewohnheitsverbrechergesetz, das in seiner Gesamtheit den "Kampf' gegen gemeingefährliche Verbrecher bezweckte86, in das Strafgesetzbuch eingefügt wurde - und zwar gerade in den Abschnitt der gemeingefährlichen Delikte87 . Auch vermöge nur ein derart "qualifiziertes Sichbetrinken"88 die angedrohte Strafe zu rechtfertigen89. Ein solches "gemeingefährliches" Sichbetrinken liege nur dann vor, wenn das in der Täterpersönlichkeit dadurch begründet sei, daß der Täter (objektiv) die Neigung habe, im Rausch strafbare Handlungen zu begehen90, und er (subjektiv) um diese seine Neigung wisse oder fahrlässig nicht wisse91 . Der Vollrauschtatbestand sei damit auf den "Tätertyp des im Rausch Gemeingefährlichen"92 beschränkt. Lange betrachtet die Rauschtat in ihrer Funktion als Indiz für die (Gemein)Gefährlichkeit des Rausches als Teilstück des Unrechtstatbestandes93 ; durch das Abstellen auf die Neigung zu ihr wird die Rauschtat jedoch lediglich mittelbar in den Tatbestand einbezogen94. Diese Auffassung findet teilweise im Schrifttum95 Zuspruch, wurde aber auch vereinzelt von einigen wenigen Oberlandesgerichten aufgegriffen 96 • 86 So lautet der amtliche Titel des verkürzt Gewohnheitsverbrechergesetz genannten Gesetzes denn auch "Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung". 87 Lange, ZStW 59 (1940) 574, 585 f.; ders., JZ 195 I, 460, 461; Kohlrauschi Lange (1944), § 330a Anm. III. 88 Lange, ZStW 59 (1940) 592. 89 Lange, ZStW 59 ( 1940) 574, 580. In einem späteren Beitrag Langes wird deutlich, daß er in dem "bloßen", d.h. nicht konkret gefährlichen Sichberauschen lediglich eine Ordnungswidrigkeit sieht, für ihn überhaupt nur das "konkret gemeingefährliche" Sichberauschen ein echtes Kriminaldelikt ist (JR 1957, 242, 243, 244 ). Kohlrausch schlug bereits im Jahre 1911 de lege ferenda für den Fall, daß der Täter wußte, "daß er in der Trunkenheit zu Straftaten der begangenen Art neige", eine Strafandrohung von Haft oder Gefängnis bis zu sechs Monaten vor (ZStW 32 [1911] 645, 661). Fehle dem Täter hingegen diese Kenntnis, so könne "von Strafe keine Rede sein" (a.a.O., S. 660, 661). 90 Lange, ZStW 59 (1940) 574, 590. Lange spricht zuvor wiederholt nur davon, der Täter müsse die Neigung zu "Ausschreitungen irgendwelcher Art" im Rausch haben (etwa a. a. 0., 587, 588), verwendet also einen eindeutig weitergehenden Begriff. Durch eine Gleichstellung an späterer Stelle (a. a. 0., 590) wird jedoch deutlich, daß er hiermit nur strafbare Handlungen meint. Das bestätigte Jahre später ein Aufsatz (JR 1957, 242, 246). 91 Lange, ZStW 59 ( 1940) 574, 587 (Vorsatz), 590, 592 (Vorsatz und Fahrlässigkeit). 92 Kohlrausch/Lange (1944), § 330a Anm. III. 93 Lange, JZ 195 I, 460, 461. 94 So auch die Wertung von Schröder, DRiZ 1958, 219, die Rauschtat werde "nicht direkt in den Tatbestand einbezogen". 95 Arzt/Weber, LH 2 Rn. 427 ("Der Täter muß zu kriminellen Fehlleistungen im Rausch neigen, und er muß um diese Neigung wissen oder wissen können"); Weber,

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Die neuere Rechtsprechung des BGH berücksichtigt die Neigungen des Täters im Sinne Langes ausschließlich im Rahmen des § 21 bei selbstverschuldeter verminderter Schuldfahigkeit. Sie sieht von einer - in solchen Fällen grundsätzlich möglichen (!) - Straf(rahmen)milderung dann ab, wenn der Täter dazu neigt, nach Alkoholgenuß Straftaten zu begehen, ihm diese Neigung bewußt war oder doch hätte bewußt sein können 97 und er ferner mit der Begehung solcher strafbarer Handlungen rechnete oder rechnen mußte, die in Ausmaß und Intensität mit der ihm vorgeworfenen Tat vergleichbar sind98 . Im Rahmen des Vollrauschtatbestandes sind solche Neigungen des Täters nach der Rechtsprechung des BGH hingegen ohne Bedeutung. (2) Die besondere Gefahrlichkeit des Sichberauschens, des Rausches Eine andere in der Literatur vertretene Ansicht sieht in § 323 a zwar ebenfalls ein konkretes Gefährdungsdelikt, faßt es jedoch wesentlich weiter; die konkrete Gefahrlichkeit wird nicht, wie etwa von Lange, Heinitz und Welzel, auf die Psyche des Täters und dessen Neigungen beschränkt, sondern allgemeiner ein Sichberauschen erst dann als tatbestandlieh angesehen, wenn es unter "besonderen, gefahrbegründenden Umständen" 99 erfolgt. Letztere können also nicht nur persönlichkeitsgebundene sein (sc. wie die von Lange geforderten Neigungen des Täters im Rausch), sondern auch von den äußeren Tatumständen abhängen 100• Die Rausch tat, die nach dieser ZStW-Beiheft 1987, I, 23; Heinitz, JR 1957, 346, 348 f.; ders., JR 1957, 126, 128 f.; Welzel, S. 474 (Bestrafung des im Rausch kriminell gefährlichen Menschens). 96 OLG Celle, NdsRpfl. 1950, 128: Eine Bestrafung wegen Volltrunkenheit sei nur dann möglich, wenn der Täter mit seiner Neigung, unter dem Einfluß geistiger Getränke wenn nicht strafbare Handlungen, so doch irgendwie geartete Ausschreitungen zu begehen, rechnen mußte. Ebenso OLG Oldenburg, JZ 1951, 460, sich auf OLG Celle und Kohlrausch/Lange berufend: Eine Bestrafung aus § 330a a.F. sei nur möglich, wenn "der Täter wenigstens allgemein damit rechnen konnte, er werde im Rauschzustande Ausschreitungen begehen und damit eine Gefährdung des Rechtsfriedens herbeiführen". BayObLG NJW 1968, 1897 (zum Erfordernis der ausdriicklichen Feststellung des Vorsatzes hinsichtlich der Möglichkeit der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen im Rauschzustand). 97 BGHSt 34, 29, 33; BGH NStZ 1993, 537; zuletzt BGHSt 43, 66, 78 m. w. N. Vgl. hierzu etwa auch die Darstellung bei S!S-Lenckner, § 21 Rn. 20 m.w.N. 98 BGH NStZ 1996, 114, 115; krit. zu jenen Einschränkungen und im Ergebnis für die grundsätzliche Unbeachtlichkeit der selbstverschuldeten verminderten Schuldfähigkeit Rautenberg, DtZ 1997, 45, 46 m. w. N. 99 Ranft, MDR 1972, 737, 740. 100 Ranft, MDR 1972, 737, 740 f.; ders., JA 1983, 193, 194. Ohne Differenzierung, und damit umfassend, auch bereits Dollinger (1938), S. 13 f., ebenso Uhse

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2. Kap.: Die Ansichten zu Normcharakter und Deliktsstruktur

Ansicht eine adäquate Folge der gefahrträchtigen Umstände sein muß, werde auf diese Weise in den Tatbestand des § 323 a eingegliedert 101 . Da es beim Vollrauschtatbestand hierbei nicht um die konkrete Gefährdung eines bestimmten Rechtsgutes, nicht um die Vorhersehbarkeit einer bestimmten Rauschtat gehe, sei § 323 a ein konkretes Gefährdungsdelikt "besonderer Art" 102 . Hier ist wohl auch die Ansicht Roxins 103 einzuordnen. Denn auch er geht davon aus, daß nicht jeder Mensch im Rausch gefährlich und das Sichberauschen allein kein strafrechtliches Unrecht sei 104 ; Roxin schränkt § 323 a bereits auf der Tatbestandsebene dahingehend ein, daß der Täter die Rauschtat voraussehen können mußte. Hinsichtlich der Konkretisierung der Voraussehbarkeit beschreitet Roxin dabei einen Mittelweg; er stellt weder auf die konkrete Rauschtat, noch auf lediglich "strafbare Handlungen irgendwelcher Art" 105 ab, sondern verlangt - in Anklang an die Rechtsprechung zur selbstverschuldeten verminderten Schuldunfähigkeit 106 - , daß der Täter die Verwirklichung von Straftaten "von der Art der eingetretenen" 107 voraussehen konnte. Diese personale Beziehung des Täters zur Rauschtat wird - trotz des verminderten Grades der Konkretisierung (!) - ohne Einschränkungen als "Fahrlässigkeit" bezeichnet und damit vorausgesetzt, daß der Täter hinsichtlich der Rauschtat fahrlässig handeln muß 108 • (1951), S. 14-19; ausdrücklich Ranft zustimmend Schliwinski, S. 49 ff., 60; Hirsch (ZStW-Beiheft 1981, I, 15), der für § 323 a einen Rausch voraussetzt, "bei dem die konkrete Möglichkeit der Verwirklichung von Straftaten irgendwelcher Art besteht"; Küpper, BT I , II § 5 Rn. 59: untersagt sei die Herbeiführung eines gemeingefährlichen Rausches, es "muß also um einen Zustand gehen, bei dem die Möglichkeit der Begehung von Straftaten irgendwelcher Art besteht" . In gleicher Weise, allerdings auf Ausführungen zur subjektiven Tatseite beschränkt, auch LK9 -Hirsch, Vor §51 Rn. 189. 101 Ranft, MDR 1972, 737, 740 f.; ders., JA 1983, 193, 194. 102 Ranft, MDR 1972, 737, 740 f.; ders., JA 1983, 193, 194. 103 Roxin, AT § 23 Rn. 8 ff. ; ihm angeschlossen hat sich jüngst Geister, S. 397 ff. 104 Zur angeblichen "Sozialadäquanz" des Vollrausches s. bereits o. Fn. 76. 105 So die Rechtsprechung des 5. Strafsenats des BGH, hierzu sogleich. 106 s.o. Fn. 98. 107 Roxin, AT § 23 Rn. 9; ebenso Geisler, S. 398 ff. Jene Konkretisierung auf Taten "von der Art der eingetretenen" ist relativ ungenau; der Hinweis Geislers (S. 397), es müsse sich um eine Tat handeln, die "gerade im Unrechtsspektrum der konkret verwirklichten Tat liegt", verdeutlicht diese Konkretisierung etwas weiter. Das von Roxin verwendete einschränkende Kriterium wurde bereits in der Großen Strafrechtskommission in Erwägung gezogen, dort aber nicht befürwortet (Niederschriften, Bd. 8, S. 149). Zu einer weiteren möglichen Einschränkung auf Taten, die zum gleichen Gesetzesabschnitt gehören, vgl. Niederschriften, Bd. 8, S. 150. 108 Dazu, daß Fahrlässigkeit nach ganz überwiegender Ansicht Kenntnis bzw. Erkennbarkeit oder Voraussicht bzw. Voraussehbarkeit bzgl. der Möglichkeit der Ver-

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II. Ansichten in Literatur und Rechtsprechung

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bb) § 323 a als ein Mischgebilde aus abstraktem und konkretem Gefährdungsdelikt Zwischen der Auslegung des § 323 a als abstrakten oder konkreten Gefährdungsdelikt im jeweils dargestellten Sinne bewegen sich verschiedene Ansichten, die sich keinem dieser beiden Pole zuordnen lassen, sich von ihnen auch ausdrücklich distanzieren. Rillenkamp faßt sie unter dem treffenden Begriff "vermittelnde Gefährdungstheorien" 109 zusammen 110• (1) Die (frühere) Rechtsprechung des 5. Strafsenats

Populärster, zugleich auch gewichtigster Hauptvertreter und Vorreiter dieser Ansicht ist der 5. Strafsenat des BGH 111 • Er schränkt(e) 112 - im Unterschied zu und im Widerspruch mit der Rechtsprechung der anderen Senate 113 - den Tatbestand des Vollrauschs durch das Erfordernis ein, daß Vorsatz oder Fahrlässigkeit "die Möglichkeit umfassen müssen, der Täter werde im Vollrausch strafbare Handlungen irgendwelcher Art verüben" 114• Er müsse also wissen oder infolge Fahrlässigkeit nicht wissen, "daß er sich durch den Genuß geistiger Getränke in einen Rausch versetzt, in dem er wegen Ausschlusses des Einsichts- oder Hemmungsvermögens möglicherweise strafbare Handlungen irgendwelcher Art begehen wird" 115. Der Senat wirklichung eines bestimmten äußeren Tatbestandes voraussetzt, vgl. statt vieler LK 11 -Schroeder, § 16 Rn. 127 ff. 109 Hillenkamp, S. 98. Hwang (S. 63) spricht insoweit von "vermittelnden Lösungen". 110 Ausdrucklieh sei darauf hingewiesen, daß es sich hierbei nicht um die in Anschluß an Sehröder (JZ 1967, 522 ff.; ZStW 81 [1969] 7 ff.) zeitweise (vgl. SISCramer, Vorbem §§ 306 ff. Rn. 3) als "abstrakt-konkrete Gefahrdungsdelikte" bezeichnete Deliktskategorie handelt. Zu dieser an späterer Stelle, 6. Kapitel, I. 3. 111 Anzumerken ist, daß die vom 5. Senat vertretene Auffassung bereits lange zuvor - mit geringfügigen Unterschieden - im Schrifttum vertreten worden war, so etwa de lege ferenda von Siegert, MonSchrKrim 1932, 335, 339; (wenn auch später zu einem anderen Ergebnis kommend) v. Weber. GS I06 ( 1935) 329, 338; Jagusch, Anm. zu LM § 330a Nr. 2 (in knapper und gedrängter Form). 112 Der 5. Senat vertritt - soweit ersichtlich - diese Auffassung seit der Neufassung des Vollrauschtatbestandes durch das EGStGB von 1975 nicht mehr, ohne sie ausdrücklich aufgegeben zu haben. Zu dem Grund hierfür s. u. 4. Kapitel, VII. I. 113 s. hierzu die in Fn. 15 genannten Entscheidungen des BGH, die sämtlich solche der anderen Senate sind. Lackner (JuS 1968, 215, 216) spricht zutreffend von einer "Gegenposition" des 5. Strafsenats; nach Jescheck (GA 1959, 65, 81) läßt sich nur schwerlich behaupten, daß hiermit von der Rechtsprechung nicht abgewichen werde. 114 So erstmalig BGH VRS 7, 309, 310, wiederholt, bestätigt und ausgebaut in BGHSt 10, 247, 248 f., 251 ; BGH JR 1958, 28 f.; BGH VRS 17, 340, 341. 115 BGH VRS 7, 309, 311.

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2. Kap.: Die Ansichten zu Nonncharakter und Deliktsstruktur

begründet seine Ansicht damit, das bloße vorsätzliche oder fahrlässige Herbeiführen eines Rausches bedeute für sich allein noch keine strafbare Schuld; es müsse deshalb ein Verschulden vorliegen, das sich "in irgendeiner wenn auch noch so losen Form" 116 auf die Rauschtat beziehe. Diese Einschränkung (der inneren Tatseite) des § 323 a wurde jedoch bereits in der zweiten Entscheidung durch die zugleich getroffene Aussage wieder dahingehend "relativiert", daß sich "eine solche Voraussicht oder Voraussehbarkeit in a1Ier Regel derart von selbst verstehe, daß im allgemeinen davon abgesehen werden könne, vom Tatrichter besondere Urteilsfeststellungen hierüber zu verlangen" 117 . Dieser Ansicht haben sich in der Folgezeit einige Oberlandesgerichte 118, vereinzelt aber auch Vertreter des Schrifttums 119 angeschlossen. Sie verwirft ausdrücklich die Theorie des konkreten Gefährdungsdelikts Lange 'scher Prägung, indem sie die Gefahrliehkeil der Tathandlung nicht auf einen Tätertypus beschränkt, sondern auf die Gefährlichkeit des Rauschzustandes abste11t 120• Insoweit stimmt sie mit der (späteren) Ansicht von Ranft 121 überein. Sie unterscheidet sich von ihr jedoch entscheidend BGH 10, 247, 250. BGH 10, 247, 251, wiederholt und bestätigt in JR 1958, 28; BGH VRS 17, 340. Dieser Gedanken ist hierbei im übrigen kein Novum in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Vollrauschtatbestand, vgl. etwa schon die Ausführungen bei Niederreuther, ZfWR 1936/37, Bd. I, 284, 298. 118 OLG Köln NJW 1966,412 (allerdings in Verkennung der Lagejene Rspr. des 5. Senats als die "überwiegende Rechtsprechung des BGH" bezeichnend); OLG Celle VRS 28, 210, 211; NJW 1969, 759, 760; NJW 1969, 1916, 1917 (einen vorsätzlichen Vollrausch bereits dann annehmend, wenn der Täter die mögliche Begehung strafbarer Handlungen irgendwelcher Art nur voraussehen konnte, und damit im Widerspruch stehend zu BGH VRS 7, 309, 311); OLG Hamm NJW 1975, 2252, 2253; OLG Schleswig SchiHA 1969, 169; BayObLG NJW 1974, 1520, 1522; NJW 1990, 2334, 2335. 119 Montenbruck (GA 1978, 225, 239 f.) geht hinsichtlich des "Präzisionsgrades" der (möglichen) Vorstellung des Täters von der Rauschtat noch einen Schritt weiter als der 5. Senat, und verlangt nicht die Voraussicht/Vorhersehbarkeit der Begehung "irgendeiner Straftat" im Rausch, sondern läßt es unter dem Aspekt der Parallelwirkung in der Laiensphäre genügen, wenn der Täter wußte oder wissen konnte, daß er eines der im Gesetz genannten Rechtsgutsobjekte angreifen könnte. Ähnlich auch Otto (Jura 1986, 478, 486 und Grundkurs BT5 , § 81 Rn. 17), der für den subjektiven Tatbestand die allgemeine Kenntnis des Täters, "daß ein Rauschzustand gefährlich sei, weil es in einem derartigen Zustand zu Rechtsgutsbeeinträchtigungen Dritter kommen könne", für erforderlich, aber auch für ausreichend hält. Maurach/ Schroeder!Maiwald (BT Tb 28 § 96 Rn. 5) stimmen der Rechtsprechung des 5. Senates zu, sehen aber gleichwohl in § 323 a ein rein abstraktes Gefährdungsdelikt (a.a.O., Rn. 4). 120 BGH VRS 7, 309, 310 (unter Berufung auf eine Entscheidung des 4. Senats, BGHSt I, 124 f.); BGH 10, 247, 249; BGH JR 1958, 28 f. 121 s.o. Fn. 99 ff. m. w.N. 116 117

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dadurch, daß sie die Einschränkung lediglich und erst auf der subjektiven Tatseite, im Rahmen des inneren Tatbestandes des Vollrausches vornimmt, sie allein als eine Frage des Verschuldens auffaßt 122. Hierdurch entsteht zwischen dem objektiven und dem subjektiven Tatbestand eine gewisse "Schieflage", wird die Norm praktisch zu einem Delikt mit "überschießender Innentendenz" 123 , ohne daß das- anders als etwa bei den §§ 242, 252, 263 -im Gesetzestext eine Stütze fände 124. (2) Die Ansicht Cramers

Auf dieser dogmatischen Besonderheit baut die Ansicht Cramers auf. Er bestreitet die Indizwirkung der Rauschtat für die Gefährlichkeit des Rausches125, hält auch nicht jeden Vollrausch für strafbares Unrecht und fordert deshalb im Wege einer Objektivierung der Grundsätze des 5. Senats, daß der Rausch nicht nur nach der Vorstellung des Täters, sondern auch "objektiv die Möglichkeit der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung eröffnen muß" 126, er nach den "obwaltenden Umständen geeignet sein 122 So ausdrücklich BGHSt 10, 247, 250; BGH JR 58, 28 f.; BGH VRS 17, 340, 341. Nicht zugestimmt werden kann deshalb der Wertung Bertrams. die Rechtsprechung des 5. Strafsenats habe sich "theoretisch der Auffassung eines konkreten Gefährdungsdelikts angeschlossen" (MonSchrKrim 1961 , 10 I, I 02). 123 So Bocke/mann, BT/3, S. 214. Gegen die lediglich subjektive Einschränkung auch Lackner, JuS 1968, 215, 218; Cramer, Vollrauschtatbestand, S. 94. Zu bedenken ist hierbei allerdings, daß sich der 5. Senat in BGH JR 58, 28 (dem dritten Judikat zu dieser Thematik) ausdrücklich und mehrmals auf die zwischenzeitlich ergangene Entscheidung des Großen Senats in BGHSt GS 10, 259 ff. beruft. Nach ihr soll es - dort allerdings nur für die Strafzumessung' -ein von Vorsatz und Fahrlässigkeit unabhängiges Verschulden geben (s. hierzu bereits 2. Kapitel, II. I. b cc a. E.). Hierauf zurückgreifend und diesen Gedanken über die Strafzumessungsschuld hinaus auf die Strafbegründungsschuld erweiternd, geht der 5. Senat ausdrücklich davon aus, es gäbe für den Vollrauschtatbestand einen eigenen, auf die bloße Vorwerfbarkeit reduzierten Schuldbegriff Hiermit befreit sich der 5. Senat von jeglichen systematischen und dogmatischen Vorgaben und "Fesseln", versucht nicht, die Norm in das bestehende System einzuordnen, sondern durchbricht dieses. Dieser Weg ist jedoch "nicht gangbar" (Kohler, S. 55). Ebenfalls ablehnend, statt vieler: Bruns, JZ 1958, 105, II 0 ("völlige Sprengung des bisherigen Schuldstrafrechtssystems"); Kaufmann, JZ 1963, 425, 430 ("salto mortale der Beweisführung: das Schuldprinzip werde dem Gesetz angepaßt, statt daß umgekehrt das Gesetz am Schuldprinzip gemessen wird"); Lang-Hinrichsen, ZStW 73 (1961) 210, 214 ff.; Pickenpack, S. 17 ff.; Schliwinski, S. 45 f. Wenn auch scheinbar mit Bedenken, so doch im Ergebnis dem 5. Senat zustimmend l.ackner, JuS 1968, 215, 221. 124 So Bocke/mann, BT/3, S. 214; ähnlich auch bereits Schweikert, ZStW 70 (1958) 394, 404. 125 Cramer, Vollrauschtatbestand, S. 82 f.; ders., JuS 1964, 360, 362. 126 Cramer, Vollrauschtatbestand, S. 96. Vom gleichen Bestreben geleitet wie Cramer und im Ergebnis mit ihm übereinstimmend auch bereits Bemmann, GA

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2. Kap.: Die Ansichten zu Normcharakter und Deliktsstruktur

muß, zu einer Gefährdung von Rechtsgütern irgendwelcher Art zu führen" 127 . Auf diese Weise erreicht Cramer die von ihm angestrebte Kongruenz von objektivem und subjektivem Tatbestand, deren Fehlen der Ansicht des 5. Senats vorgeworfen wird. Jene Möglichkeit wird hierbei als Wahrscheinlichkeit einer Rechtsgütergefährdung in dem Sinne verstanden, daß bei einer anzustellenden Prognose das Eintreten einer konkreten Gefahrensituation näherliegt als deren Ausbleiben128. Den allgemeinen strafrechtlichen Gefahrenbegriff129 im Sinne einer gesteigerten Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts beibehaltend, wird als zu prognostizierendes Ereignis nicht der Eintritt eines Schadens, sondern der einer Gefahr verlangt, und damit die konkrete Gefahr einer Gefahr. Von der naheliegenden Annahme eines konkreten Gefahrdungsdeliktes hingegen unterscheide sich - so Cramer - seine Ansicht zum einen darin, daß ein solches Delikt stets ein bestimmtes Rechtsgut, ein konkretes Handlungsobjekt erfordere, woran es nach seiner Auslegung der Norm jedoch im Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbestandes fehle 130 ; zum anderen dadurch, daß er nicht die konkrete Gefahr eines Schadens, sondern lediglich die einer Gefahr verlange 131 . Entgegen der Ansicht des 5. Senats 132 sieht Cramer die Geeignetheil eines Rausches zur Begehung von Straftaten irgendwelcher Art nicht als derart wahrscheinlich an, daß es einer ausdrücklichen Feststellung durch den Richter nicht bedürfe, vielmehr sei sie stets positiv festzustellen 133 . 1961, 65, 72 f. Er sieht in der Rauschtat ein Tatbestandsmerkrnal, das vom Verschulden des Täters umfaßt sein muß. Aufgrund der weiten und unbestimmten Gesetzesfassung ("eine mit Strafe bedrohte Handlung") sei jedoch insoweit nur ein genereller Vorsatz, eine generelle Fahrlässigkeit erforderlich und ausreichend: Der Täter müsse beim Sichberauschen die Vorstellung haben bzw. haben können, daß er im Rausch möglicherweise irgend etwas mit Strafe Bedrohtes tut. Die Argumentation Bemmanns überzeugt jedoch in Anbetracht des gleichen abstrakt-generalisierenden Wortlautes bei §§ 48, 49 (a. F.) (gleiches gilt für §§ 26, 27) und der dort unbestrittenen Vorsatzkonkretisierung nicht. 127 S/S-Cramer, § 323 a Rn. I ; ähnlich bereits Cramer, Vollrauschtatbestand, s. 98. 128 Cramer, Vollrauschtatbestand, S. 10 I. Mit dieser Formulierung greift Cramer wörtlich die bereits auf das Reichsgericht zurückgehende damalige Definition des Begriffes der Gefahr durch den Bundesgerichtshof auf, vgl. etwa BGHSt 8, 28, 31; 13, 66,70. 129 Vgl. hierzu etwa Roxin, AT 13 , § II Rn. 122 ff.; Jescheck/Weigend, AT5 , § 26 I1 2. 13° Cramer, Vollrauschtatbestand, S. 100. Ob das allein ein tragender Grund ist, der gegen die Annahme eines konkreten Gefährdungsdeliktes spricht, erscheint zweifelhaft. Ranft (s.o. Fn. 102) nimmt diesen Umstand nur zum Anlaß, von einem konkreten Gefährdungsdelikt "besonderer Art" zu sprechen. 131 Cramer, Vollrauschtatbestand, S. 98. 132 s.o. Fn. 117.

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Cramers Auslegung des Vollrauschtatbestandes wird im Schrifttum überwiegend lediglich entgegengehalten, sie sehe die Norm in Wirklichkeit als konkretes, nicht aber - wie vorgegeben werde 134 - als abstraktes Gefährdungsdelikt Durch das Erfordernis der Möglichkeit einer Gefahr, die selbst wiederum eine Möglichkeit - nämlich die eines Schadenseintrittes - ist, werde lediglich einer Möglichkeit, einer Wahrscheinlichkeit eine weitere vorgeschaltet 135 . Damit werde letztlich unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls auf die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts abgestellt - in gleicher Weise wie bei den konkreten Gefährdungsdelikten; wobei lediglich ein abgemilderter Wahrscheinlichkeitsgrad entscheidend sei 136. Ferner wird jener Auffassung entgegengehalten, eine solch graduelle Unterscheidung der Wahrscheinlichkeilen sei praktisch nicht durchführbarl37. (3) Die Ansicht Gol/ners Der Auslegung des Vollrauschtatbestandes durch Cramer hat sich soweit ersichtlich - niemand angeschlossen. Gewisse Ähnlichkeiten bestehen jedoch mit der Ansicht Gollners 138 der ebenfalls eine restriktive Auslegung der Norm anhand objektiver Kriterien anstrebt, jedoch nicht schon am Unrechtstatbestand, sondern erst an der Rauschtat als objektiver Bedingung der Strafbarkeit ansetzt. In einem wertenden Vergleich mit den vorsätzlichen Erfolgs- und den Fahrlässigkeitsdelikten, bei denen von der Strenge und Weite der Äquivalenztheorie Ausnahmen zugelassen werden 139, führt er den Adäquanzgedanken so in das Normgefüge des § 323 a ein, daß er die Zurechnung der Rauschtat dort entfallen läßt, wo "bei Abwägung der Gesamtsituation die Berauschung ausnahmsweise die Verletzung fremder Rechtsgüter nach menschlichem Ermessen nicht erwarCramer, Vollrauschtatbestand, S. 101. So der Titel der Monographie Cramers: "Der Vollrauschtatbestand als abstraktes Gefahrdungsdelikt". 135 Lackner, JuS 1968, 215, 220. 136 Lackner (JuS 1968, 215, 218) hält es gar für "irreführend", wenn Cramer von einem abstrakten Gefährdungsdelikt spreche. Ähnlich etwa auch Hart/, S. 78 ff.; Kaufmann, JZ 1963, 425, 433 (grundsätzlich gegen die Annahme der Möglichkeit einer Gefahr); Puppe, GA 1974, 98, 105; Schliwinski, S. 47 f.; LK 11 -Spendel, § 323 a Rn. 55 in Fn. 117 (zu Cramers Modell als dem eines abstrakten Gefährdungsdelikts: "mehr dem Wort als der Sache nach"). Vor diesem Hintergrund ist die Bemerkung von Hardwig (GA 1964, 140, 147), nach Cramer sei .. § 330a im strengen Sinne ein abstraktes Gefährdungsdelikt", ein "reines abstraktes Gefahrdungsdelikt" (a. a. 0., 148), nicht nachvollziehbar. 137 Lackner, JuS 1968, 215, 220; Puppe, GA 1974, 98, 105; Schliwinski, S. 48. 138 Gollner, MDR 1976, 182 ff. 139 Gollner, MDR 1976, 186. 133

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2. Kap.: Die Ansichten zu Normcharakter und Deliktsstruktur

ten ließ" 140• Nur die adäquat verursachte Rauschtat soll die Strafbarkeit des Täters auslösen können.

3. § 323a als objektiv konkretes und subjektiv generelles Gefährdungsdelikt Spendel deutet den Vollrauschtatbestand als ein Gefährdungsdelikt und stimmt hierbei teilweise mit einigen der § 323 a als konkretes Gefährdungsdelikt betrachtenden Ansichten überein 141 , wenngleich er sie im Ergebnis allesamt ablehnt. Von diesem Ausgangspunkt hat Spendel ein "Modell" entwickelt, das sich den bisher dargestellten nicht zuordnen läßt: ein Gefährdungsdelikt "eigener Art" 142.

Besonders deutlich erkennbar ist hierbei das die Auslegung dominierende Anliegen, einerseits den bei Annahme eines abstrakten Gefährdungsdeliktes als zu weit empfundenen Tatbestand des § 323 a einzuschränken, andererseits bei einer Berücksichtigung der Rauschtat die Grenzen der alic nicht zu überschreiten, um der Norm einen eigenständigen Anwendungsbereich zu erhalten.

a) Der objektive Tatbestand des § 323 a Auch Spendel vertritt die Ansicht, nicht ein jeder, sondern nur der gefährliche Rausch sei strafrechtliches Unrecht 143, knüpft allerdings die für erforderlich gehaltene Gefährlichkeit nicht - wie etwa Lange - an den Rauschtäter und dessen Psyche an, sondern an das Sichberauschen, die Rauschbegründung, also die Tathandlung 144. Diese erweise sich durch die eingetretene Rauschtat als gefährlich, da dem mit ihr herbeigeführten Verletzungserfolg notwendig eine Gefährdung des angegriffenen Rechtsgutes vorausgehe bzw. in den Fällen, in denen die Rauschtat selbst ein Gefahr140 Gollner, MDR 1976, 188. Für eine Einschränkung der Strafbarkeit über das Erfordernis einer objektiven Bedingung hinaus durch das Erfordernis der Adäquanz schon Jescheck, Niederschriften, Bd. 2, S. 251. 141 Die Ansicht Spendeis wird deshalb auch verschiedentlich dem "Lager" des konkreten Gefährdungsdeliktes zugeordnet, etwa NK-Paeffgen, § 323 a Rn. 10; Rogall. ZStW 98 (1986) 574, 593 in Fn. 107. 142 So, den von BGHSt I, 124, 125 (sc. wenn dort auch vielleicht aus anderem Grunde) verwendeten Terminus aufgreifend, und auch nur in ihm mit Ranft (o. Fn. I 02) übereinstimmend, LK 11 -Spendel, § 323 a Rn. 66. 14.1 LK 11 -Spendel, § 323 a Rn. 224 ff. 144 LK 11 -Spendel, § 323 a Rn. 60. Insoweit stimmt er mit den oben in Fn. 99, I 00 genannten Vertretern, die § 323 a als ein konkretes Gefährdungsdelikt auffassen, überein; ebenso mit der "vermittelnden" Ansicht des 5. Senats (s. Hinweise in Fn. 120) und derjenigen Cramers (s.o. Fn. 127).

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dungsdelikt ist, mit ihr die Gefährdung feststehe 145 . Die Rauschtat habe im Normgefüge des § 323 a nur 146 die Funktion einer ausschließlichen und unwiderleglichen Beweistatsache 147 für die Gefährlichkeit des Sichberauschens, die ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 323 a sei 148 . Aufgrund dieser - wohl höchstmöglichen - Beweisfunktion der Rauschtat geht Spendet sogar so weit, daß er - obwohl die Rauschtat kein objektives Tatbestandsmerkmal ist! - den objektiven Tatbestand erst dann als voll erfüllt ansieht, wenn die Rauschtat verwirklicht ist; und das selbst in den Fällen, in denen das Sichberauschen bereits aus der Perspektive ex-ante betrachtet gefährlich ist 149. Der Beweistauglichkeit einer so verstandenen Rauschtat für die Gefährlichkeit des Sichberauschens steht nach Spendet nicht entgegen, daß die Rauschtat erst im Rausch begangen und die Gefährdung grundsätzlich im Wege einer ex-ante Betrachtung festgestellt wird 150. "Zur Ergänzung" 151 dieser Betrachtungsweise, der Prognose, sei eine ex-post-Beurteilung in der Weise erforderlich, daß eine bei ihrer Vornahme nicht gefährlich scheinende Handlung sich durch später eingetretene Umstände (hier: die Rauschtat) nachträglich als gefährlich erweisen könne 152. Im Ergebnis will Spende/ jedoch die Bewertung der Handlung des Sichberauschens als für ein Rechtsgut gefährlich ausschließlich im Wege einer ex-post-Betrachtung zulassenl53.

LK 11 -Spendel, § 323 a Rn. 60. s. hierzu bereits die Anmerkung in Fn. 31. 147 Darin stimmt die Ansicht Spendeis - was den Beweisgegenstand betrifft weitgehend mit den oben dargestellten Ansichten überein (s. Nachw. in den Fn. 32, 37, 38), unterscheidet sich von diesen allein durch den der Rauschtat zugesprochenen Beweiswert, der - im Vergleich zu der Annahme eines bloßen Indizes - mit der Unwiderlegbarkeit den höchsten Grad erreicht hat. Dieser Unterschied könnte jedoch, wie an früherer Stelle - s.o. 2. Kapitel, II. I. b) bb) (S. 82) - angemerkt, lediglich begrifflicher Natur sein. 148 LK 11 -Spendel, § 323 a Rn. 61. 149 LK 11 -Spendel, § 323a Rn. 228. Hieraus wird deutlich, daß eine Unterscheidung zwischen der Verwirklichung des Tatbestandes einerseits und deren Nachweis andererseits nicht getroffen wird, beides ineinander "übergeht". ISO LK 11 -Spendel, § 323 a Rn. 60 f., 227 ff. 151 Nicht widerspruchsfrei sind die Ausführungen Spendels, wenn er zunächst ausführt, eine ex-post-Betrachtung sei bei der Feststellung einer Gefahr lediglich "zur Ergänzung" der ex-ante-Betrachtung hinzuzuziehen (a. a. 0., Rn. 60), dann aber im folgenden stets die ex-post-Betrachtung zum ausschließlichen Feststellungsmodus erklärt (so a. a. O., Rn. 61 [die ex-ante Beurteilung werde durch die ex-post-Betrachtung ersetzt], 227, 228 u. ö.). 152 LK 11 -Spendel, § 323a Rn. 60. 153 s.o. Fn. 151. 145

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b) Die subjektive Tatseite Während im objektiven Tatbestand die Rauschtat die konkrete Gefährlichkeit des Sichberauschens beweist, indem die Tathandlung eine Gefahr für ein bestimmtes Rechtsgut oder verschiedene Rechtsgüter herbeigeführt haben mußi 54, sollen sich auf der subjektiven Tatseite Vorsatz oder Fahrlässigkeit hingegen nicht auf die Verletzung oder Gefährdung bestimmter, sondern allgemeiner: irgendwelcher Rechtsgüter beziehen I5 5 , und damit ein sog. "genereller Vorsatz" bzw. eine "generelle Fahrlässigkeit" ausreichend sein I5 6 . Als Grund hierfür wird das formale Argument der ansonsten entstehenden Überschneidung mit der alic angeführti 57 ; ferner der materielle Hinweis, die als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal angenommene konkrete Gefährlichkeit des Sichberauschens, auf die sich die Schuld des Täters beziehen müsse, könne sich "so gut wie in jeder deliktischen Tat auswirken"I58. Dem objektiv konkreten "Verletzungserfolg" steht damit subjektiv ein generelles, da sich nicht auf ein bestimmtes Rechtsgut, einen bestimmten Erfolg beziehendes Verschulden gegenüberi 59 . Damit entsteht wiederum I60 eine Inkongruenz von Unrecht und Schuldi 6 I, steht der eingetretenen objektiv konkreten Gefährdung ein ledigLK 11 -Spendel, § 323a Rn. 67. LK 1 I -Spende/, § 323 a Rn. 62, 67, 230. I 56 LK 1 I -Spende/, § 323 a Rn. 53, 62, 67, 230. Hierin stimmt die Ansicht Spendeis - wie er selbst zugibt (a. a. 0., Rn. 68) - mit der des 5. Senats überein. Im Unterschied zu dieser geht Spende/ jedoch nicht davon aus, daß ein solches Wissen oder Wissenmüssen sich derart von selber verstehe, daß es einer ausdrücklichen Feststellung im Urteil nicht bedürfe (s. Hinweise o. in Fn. 117), sondern verlangt hinsichtlich dieses Verschuldens stets eine ausdrückliche Feststellung (a. a. 0., Rn. 243, 371 ). 15 7 LK 1 I -Spende!, § 323 a Rn. 62. 158 LK I 1-Spendel, § 323 a Rn. 62. l59 LK 11 -Spendel, § 323a Rn. 67. 160 Was bereits der Rechtsprechung des 5. Senats vorgeworfen wurde (s. Hinw. o. in Fn. 123). Im Unterschied zu ihr nimmt Spende[ jedoch die im Vergleich zur Annahme eines abstrakten Gefährdungsdeliktes gemachten Einschränkungen nicht allein auf der subjektiven Tatseite, sondern bereits auf der objektiven vor - beide zudem, wie dargestellt, mit einem unterschiedlichen Konkretisierungsgrad. Bei genauer Betrachtung löst sich dieser Unterschied jedoch gleichwohl auf: Da Spende! bei einer vorliegenden Rauschtat stets, auf Grund deren Beweisfunktion zwingend, zur Annahme der Gefährlichkeit des Sichberauschens kommt, liegt damit die von ihm vorgenommene Einschränkung des objektiven Tatbestandes immer vor. Der Unterschied zur Ansicht des 5. Senats würde lediglich in den Fällen der nicht begangenen Rauschtat relevant werden, weil Spende! hier bereits den objektiven Tatbestand (a. a. 0 ., Rn. 228), der 5. Senat hingegen erst das Gegebensein der objektiven Bedingung der Strafbarkeit verneinen würde. Bedenkt man nun, daß diese Fälle der fehlenden Rauschtat regelmäßig bereits nicht zur Kenntnis der Straftatverfolgungsbe154

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lieh generelles Verschulden auf der subjektiven Seite gegenüber: Unrecht und Schuld entsprechen sich nicht.

c) Die Kritik an Spendeis Modell Die Kritik an dieser Auslegung der Norm setzt zumeist unmittelbar an deren zentralen Kernpunkt, der Funktion der Rauschtat als einer unwiderlegbaren Beweistatsache für die Gefahrliehkeil des Vollrausches, an. Zwar treffe der Schluß, daß der in einer Rauschtat liegenden Verletzung eines Rechtsgutes stets deren Gefahrdung vorausgehen müsse, zu, jedoch sei es nicht zwingend, sie auf das Sichberauschen zurückzuführen 162• Ferner wird eine ex-post-Betrachtung zur Bestimmung einer Gefahr als dem Begriff der Gefahr zuwiderlaufend verworfen 163•

4. § 323a als ein "Erfolgshaftungsdelikt" Eine um die Mitte dieses Jahrhunderts im Schrifttum vertretene Ansicht versuchte das mit dem Vollrauschtatbestand verbundene Kernproblem - die Bestimmung eines den Strafrahmen begründenden Unrechts - unter Heranziehung der Rauschtat auf die Weise zu lösen, daß sie in direkterer und unmittelbarerer Weise als die dargestellten anderen Auslegungen der Norm die Rauschtat in das Unrecht eingliederte.

a) Der Vollrausch als ein reines Erfolgshaftungsdelikt Mayer und Hogräfer entwickelten im selben Jahr die Ansicht vom Vollrauschtatbestandals einem reinen Erfolgshaftungsdelikt 164• hörden gelangen, geschweige denn vor ein Gericht kommen, kann diese Differenz hier vernachlässigt werden. 161 Dies gesteht Spende/ ausdrücklich ein (a. a. 0., Rn. 230), hält es jedoch scheinbar für unbedenklich. 162 s. hierzu die Hinweise o. in den Fn. 40-43. Hiergegen wiederum LK 11-Spendel, § 323 a Rn. 158 ff. 163 So bereits Bemmann, GA 1961, 70 f. ; Cramer, Vollrauschtatbestand, S. 82; Fajen, S. 42; Kaufmann, JZ 1963, 425, 431 (alle erwähnten Beiträge sind zeitlich vor Spendeis Kommentierung erschienen und wenden sich gegen die von der h. M. [s. die Nachw. in Fn. 33-39} und Lange [s. die Nachw. in Fn. 93, 32] vertretene Ansicht der Rauschtat als einem Indiz der Gefährlichkeit). Neuerdings auch Kusch, Vollrausch, S. 70 f. Hiergegen wiederum LK 11 -Spendel, § 323 a Rn. 60. 164 Die deutlich auffallende Parallelität der Gedankengänge beider Autoren und die teilweise sogar übereinstimmende Terminologie liegt darin begründet, daß Hogräfer ein Schüler Mayers war (so die Angabe bei Cramer, Vollrauschtatbestand, s. 24).

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2. Kap.: Die Ansichten zu Normcharakter und Deliktsstruktur

Nach Mayer sollte das Sichberauschen, verstanden als unmäßiger Alkoholgenuß165, bereits materielles Unrecht darstellen, die Strafwürdigkeit dieses Verhaltens jedoch erst durch die Rauschtat begründet werden 166. Die Unmäßigkeit und die Rauschtat zusammen seien der tragende Grund der Strafe 167 , die Rauschtat hierbei lediglich formal objektive Bedingung der Strafbarkeit, materiell jedoch der Grund der Bestrafung 168 , und daher auch den Grad der Strafbarkeit und die Natur des Unrechts näher charakterisierend169. Hogräfer sah in § 330 (a. F.) gar ein erfolgsqualifiziertes Delikt 170 . Obgleich die Rauschtat nach dieser Ansicht eine strafbegründende Funktion hat, soll sich das Verschulden des Täters nicht auf sie beziehen müssen, wird dem Täter dieser Erfolg damit auch ohne ein diesbezügliches Verschulden zugerechnet. Der Täter hafte mithin - im Rahmen der Adäquanz171 - auch für unverschuldete Erfolge. Beide Autoren bekannten sich damit ausdrücklich zu einer (schuldunabhängigen) Erfolgshaftung 172 . Zu beiden ist in der gebotenen, aber auch ausreichenden Kürze zu sagen, daß deren Ansichten, da unverschuldete Umstände strafbegründend herangezogen werden, gegen das Schuldprinzip verstoßen und sich zudem - spätestens seit der Einführung des § 56 (a. F. = § 18) in das StGB durch das 3. StÄG - auch nicht mehr mit der Dogmatik der erfolgsqualifizierten Delikte vereinbaren lassen 173 . 165 Mayer differenziert zwischen alkoholischen Getränken und anderen Rauschgiften. Während bei letzteren jeder Genuß eine Unmäßigkeit darstelle, komme es bei alkoholischen Getränken auf die von den Umständen des Einzelfalles abhängende objektive Pflichtwidrigkeit an, so ZStW 59 ( 1940) 283, 300 ff. 166 Mayer, ZStW 59 ( 1940) 283, 323, 332. Ähnlich - lediglich mit anderen Worten - auch Hogräfer, S. 46: "Das in der Berauschung liegende Verschulden aber reicht zur Rechtfertigung der Strafe nicht aus. Neben dem schuldhaft rechtswidrigen Sichbetrinken ist auch die Rauschtat tragender Grund der Strafe." 167 Mayer, ZStW 59 (1940) 283, 305; Hogräfer, S. 46. 168 Mayer, ZStW 59 (1940) 283, 307; Hogräfer, S. 46. 169 Mayer, ZStW 59 (1940) 283, 333. 170 So Hogräfer (S. 46) wörtlich in der Überschrift eines Kapitels, im Text selbst dann abgeschwächt in "ein den erfolgsqualifizierten Delikten ähnliches Gebilde", Mayer zieht die erfolgsqualifizierten Delikte zumindest vergleichend heran, etwa a. a. 0., S. 326 ff. Von diesem Deliktstypus unterscheide sich der Vollrauschtatbestand zumindest noch darin, daß die Rauschtat als Folge der Unmäßigkeit nicht wie bei den erfolgsqualifizierten Delikten - eine bereits vorher bestehende Strafe verschärfen, sondern eine solche erst begrunden würde. Zu diesem Aspekt etwa Kohler, S. 38; LK 11 -Spendel, § 323 a Rn. 50. 171 Mayer, ZStW 59 (1940) 283, 326 ff.; Hogräfer, S. 47 f. 172 Mayer, ZStW 59 (1940) 283, 307, 324, 325; Hogräfer, S. 46. 173 So schon Kohler, S. 38; ferner LK 11 -Spendel, § 323 a Rn. 50. Zur Dogmatik der erfolgsqualifizierten Delikte zur Zeit Mayers und Hogräfers - 1940 - s. etwa Cramer, Vollrauschtatbestand, S. 25 m. w. N. Aus § 56 (a. F. = § 18) nun die Konsequenz zu ziehen und mindestens Fahrlässigkeit hinsichtlich der Rauschtat zu verlan-

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b) Der Vollrausch als eine Haftung für verschuldete Folgen aa) Die Haftung für .. riskantes Verhalten" (Schweikert)

Obwohl er mit Mayer und Hogräfer darin übereinstimmt, daß die Rauschtat das Unrecht des Vollrauschtatbestandes (zumindest mit)begründe174, zieht Schweikert, der anders als jene jedoch die Erfolgshaftung ablehnt, daraus die Konsequenz, die Rauschtat müsse auch von der Schuld des Täters umfaßt sein. Um dieses Ziel, die Wahrung des Schuldprinzips, zu erreichen - Vorsatz und Fahrlässigkeit hinsichtlich der verwirklichten Rauschtat scheiden als Schuldformen aus den bereits mehrfach erwähnten Gründen aus -, kreiert Schweikert mit dem "riskanten Verhalten" neben Vorsatz und Fahrlässigkeit eine "dritte Verhaltensform" 175 als Schuldform176. Diese der Fahrlässigkeit ähnliche Verhaltensweise solle einen strafrechtlichen Vorwurf dann begründen, wenn der Täter sich objektiv riskant verhält, d. h. die Gefahr für die Beeinträchtigung eines Rechtsgutes schafft 177 , und subjektiv nach seinen Fähigkeiten und Kenntnissen in der Lage ist, das riskante Verhalten zu vermeiden 178. Einschränkend sei erforderlich, daß der eingetretene Erfolg - bei § 323 a: die Rauschtat - eine adäquate Folge dieses riskanten Verhaltens ist 179. Von der Fahrlässigkeit gen, würde nicht nur auf das Terrain der alic führen (Cramer, a.a.O., S. 24), sondern auch der eindeutigen Ansicht beider Autoren widersprechen. Ausdrücklich gegen die Anwendung des § 18 auf Vollrauschtatbestand und Rauschtat BGHSt 6, 89. Roxin, AT ! 3 , § 23 Rn. 9 fordert Fahrlässigkeit des Täters hinsichtlich der Rauschtat und räumt gleichwohl dem Vollrauschtatbestand eine eigenständige Bedeutung neben der fahrlässigen alic ein; in ähnlicher Weise auch NK-Puppe, § 15 Rn. 9. 174 Schweikert, ZStW 70 (1958) 394, 404 f., 410. Schweikert bezeichnet die Rauschtat sogar als ein Tatbestandsmerkmal, das in vollem Umfang Gegenstand der Vorwerfbarkeit sein müsse (a.a.O., S. 401). 175 Schweikert, ZStW 70 (1958) 394, 395. 176 Einen ähnlichen Weg ging übrigens bereits Jahre zuvor ein Kriegsgericht (Neue militärrechtliche Blätter 1935, 163 f.; zitiert nach Gerland, ZStW 55 [1936] 784, 797 f. Fn. 41 ), das in den Konstellationen des Vollrausches die Rauschtat als den eigentlichen Strafgrund und deshalb auch als ein Tatbestandsmerkmal des § 330 (a. F.) ansah. Das schuldhafte Sichberauschen solle hierbei das sonst fehlende Schuldmoment (sc. hinsichtlich der Rauschtat) ersetzen. Das Kriegsgericht verstand diese "Konstruktion" als eine "Fortbildung des Begriffes der Fahrlässigkeit für den Sonderfall der Trunkenheit". In der Sache kommt dem die spätere Ansicht Schweikerts sehr nahe. 177 Schweikert, ZStW 70 (1958) 394, 398. 17 8 Schweikert, ZStW 70 (1958) 394, 407. 179 Schweikert, ZStW 70 (1958) 394, 399, 403, 406, 407. Durch dieses, im Verhältnis zu der Annahme eines rein äquivalent kausalen Zusammenhanges einschränkende Kriterium, das bereits für Mayer und Hogräfer von Bedeutung war (s.o. Fn. 171), unterscheidet sich die Ansicht Schweikerts von der des Großen Senats in BGHSt GS 10, 259 ff., nach welcher der Täter für j ede Folge einer schuldhaft ver-

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2. Kap.: Die Ansichten zu Normcharakter und Deliktsstruktur

unterscheide sich die neue Schuldform im wesentlichen dadurch, daß an die Stelle der objektiven Sorgfaltspflichtverletzung das riskante Verhalten, und an die Stelle des objektiven Fahrlässigkeitselements der Voraussehbar- oder Erkennbarkeil des Erfolgseintritts der adäquate Zusammenhang zwischen riskantem Verhalten und eingetretenem Erfolg trete 180. bb) Schuld als persönliche Vermeidbarkeil (Hardwig)

Den Ausführungen Hogräfers ausdrücklich zustimmend 181 stellte Hardwig wenige Jahre später in ähnlicher Weise eine neue Form des strafrechtlichen Verschuldens jenseits von Vorsatz und Fahrlässigkeit vor. Er versteht Schuld hierbei als "persönliche Vermeidbarkeit" 182 des Unrechts und folgert daraus, daß Vorsatz und Fahrlässigkeit nicht die einzig möglichen Verschuldensformen seien. Der Gesetzgeber verbiete von ihm als gefährlich erkannte Verhaltensweisen und spreche damit zugleich die Warnung aus, bei Nichtbefolgung dieser Verbote, bei Verletzung der ihnen korrespondierenden Rechtspflichten den Täter für die daraus entstehenden Folgen haften zu lassen 183 ; dies zum einen unabhängig von der (möglichen) Kenntnis der Gefährlichkeit der Handlung 184 (die Kenntnis des Verbotes sei ausreichend), zum anderen - im Unterschied zur Fahrlässigkeit - ohne das Erfordernis einer Sorgfaltspflichtverletzung und ohne eine Beschränkung auf nur konkret vorhersehbare und damit bestimmte Folgen 185 . Der Täter, der die Warnungen des Gesetzgebers "in den Wind geschlagen hat" 186 , hafte für sämtliche daraus entstehenden Folgen, weil er sie - hätte er das Gebot befolgt hätte persönlich vermeiden können.

ursachten Gefahrenlage strafrechtlich haften sollte (s. hierzu o. S. 85/86 und Fn. 123). Insofern sieht Schweikert seine Ansicht als eine Einschränkung dieser Rechtsprechung (a. a. 0., 395). 180 Schweikert, ZStW 70 ( 1958) 394, 406. Das riskante Verhalten unterscheide sich von der Fahrlässigkeit demnach im wesentlichen nur darin, daß das Erfordernis einer Sorgfaltspflichtverletzung entfalle (a. a. 0., S. 407). Hiergegen mit guten Argumenten Bemmann, GA 1961, 65, 72 f.: Riskantes Verhalten bei gegebener bzw. möglicher Kenntnis der "Risikoumstände" sei stets eine Sorgfaltspflichtverletzung. 18 1 Hardwig, Eb. Schmidt-FS, S. 459 in Fn. 2. Diese Zustimmung beschränkt sich jedoch im wesentlichen auf die Überwindung des "Dogmas" von Vorsatz und Fahrlässigkeit als den einzigen strafrechtlichen Verschuldensfonnen. Darüber hinaus ist der Ansatz von Hardwig als ein selbständiger anzusehen. 182 Hardwig, Eb. Schmidt-FS, S. 459, 468, 470, 471 ; ders., GA 1964, 140, 141, 142, 144 u. ö. 183 Hardwig, Eb. Schmidt-FS, S. 459, 468, 470; ders., GA 1964. 140, 142 ff. 184 Hardwig, Eb. Schmidt-FS, S. 459, 468, 470, 472; ders., GA 1964, 140, 143. 185 Hardwig, Eb. Schmidt-FS, S. 459, 470, 472; ders., GA 1964, 140, 143. 186 Hardwig, Eb. Schmidt-FS, S. 459, 470; ders., GA 1964, 140, 143.

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Unter Zugrundelegung dieses Verschuldensbegriffs gelangt Hardwig konsequent zu dem Ergebnis, daß die Rauschtat vom Täter verschuldet sei, sich der Schwerpunkt im Vollrauschtatbestand auf die Rauschtat, das eigentliche Unrechtssubstrat 187, verschiebe. Damit wird jedoch der Vollrauschtatbestand, der gerade voraussetzt, daß der Täter für die im Rausch verwirklichte Tat nicht verantwortlich ist, überflüssig. Von seinem Standpunkt aus denn auch die letzte Konsequenz ziehend, geht Hardwig sogar so weit, die Rauschtat als die eigentliche, vom Täter verschuldete Straftat anzusehen und § 330 a a. F. den Status und die Eigenschaft eines Straftatbestandes abzusprechen: der Täter werde wegen der im Rausch begangenen Straftat bestraft 188 . cc) Stellungnahme zu den Ansichten von Schweikert und Hardwig Die von Schweikert und Hardwig entwickelten Ansichten sind aus mehreren Gründen mit dem geltenden Recht nicht in Einklang zu bringen 189 . Bereits dem von beiden beschrittenen Weg kann nicht gefolgt werden. Bei der Auslegung eines Straftatbestandes muß stets unter Beachtung und Berücksichtigung der die Grenzen der Auslegung bildenden höherrangigen Prinzipien die Norm in das vorgegebene System - möglichst widerspruchsfrei - eingegliedert werden. So ist der Vollrauschtatbestand mit dem das Strafrecht beherrschenden Schuldprinzip zu vereinbaren. Das geltende Recht sieht - wenn auch, wie beide Autoren insoweit richtig anmerken 190, nicht zwingend - de lege lata nur die Schuldformen des Vorsatzes und der Fahrlässigkeit vor 191 • Sowohl Schweikert als auch Hardwig gehen jedoch einen anderen Weg und verändern das ihnen vorgegebene System, indem sie den Schuldbegriff, dessen wesentliches Fundament, grundlegend abwandeln. Hierbei handelt es sich nicht mehr um Auslegung, sondern um die Schaffung eines gänzlich Hardwig, Eb. Schmidt-FS, S. 459, 472; ders., GA 1964, 140, 144 f. Hardwig, Eb. Schmidt-FS, S. 459, 473; ders. , GA 1964, 140, 145. 189 Zur Kritik des Schrifttums an den Zurechnungsmodellen von Schweikert und Hardwig s. etwa Neumann, Zurechnung, S. 118 m. w. N. 190 Schweikert, ZStW 70 (1958) 394, 410; Hardwig, GA 1964, 140, 144. 19 1 Das folgt heute zwingend aus § 15, so LK 11 -Schroeder, § 15 Rn. 6; SK-Samson, § 15 Rn. 2; S/S-Cramer, § 15 Rn. 5; Jescheck/Weigend, AT5 , § 29 I I. Insoweit neuerdings a. A. offensichtlich NK-Puppe, § 15 Rn. 9 (s. hierzu bereits o. Fn. 173), die das sog. "riskante Verhalten" als eine schwächere Zurechnungsform jenseits der Fahrlässigkeit für mit der Dogmatik vereinbar hält und darin eine Möglichkeit sieht, den Vollrauschtatbestand mit dem Schuldprinzip in Einklang zu bringen. Dies als eine unzulässige Ausdehnung der gesetzlichen Schuldformen des § 15 betrachtend und daher ablehnend Roxin, AT I3 , § 23 Fn. 5. 187 188

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2. Kap.: Die Ansichten zu Normcharakter und Deliktsstruktur

neuen Systems. Ein derartiger "revolutionärer" Akt überschreitet die Grenzen und die Zuständigkeit der Strafrechtswissenschaft, fällt alleine in die Kompetenz des Gesetzgebers. Beide "Modelle" strafrechtlicher Haftung sind, denkt man sie konsequent zu Ende, "contra Iegern". Wäre die Rauschtat tatsächlich vom Täter "verschuldet", so könnte er direkt wegen ihrer Begehung bestraft werden. Damit wäre der Vollrauschtatbestand, der - in seiner ursprünglichen 192 wie auch in seiner aktuellen Fassung - gerade das Gegenteil voraussetzt, nicht nur überflüssig, sondern sinnlos. Aus diesen Gründen sind beide Ansichten nicht mit dem geltenden Recht vereinbar und deshalb im folgenden nicht weiter zu berücksichtigen.

5. § 323 a als ein "Doppeltatbestand" a) Die Ansicht von Wolter und Paeffgen Alle bisher dargestellten Auslegungen und Deutungen des Vollrauschtatbestandes verwirft Wolter als schuld- oder strafinadäquat; er interpretiert § 323 a im Wege einer "teleologischen Reduktion der Straftatvoraussetzungen" 193 als einen aus zwei (einem engen und einem weiten) selbständigen Tatbeständen mit unterschiedlichen Strafrahmen bestehenden Doppeltatbestand194. Der weite Tatbestand entspreche hierbei dem von der h. M. (sc. zumindest dem Grundsatz nach) angenommenen abstrakten Gefährdungsdelikt ohne jede auch "noch so lose" Schuldbeziehung zur Rauschtat 195. Das bloße schuldhafte Sichberauschen allein sei auf der untersten Stufe kriminellen Unrechts und krimineller Schuld anzusiedeln, weshalb als Strafrahmen hierfür der mildeste des geltenden Strafrechts 196 (Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen) als angemessen erachtet wird. Dem wird ein enger, von einer "echten Schuldbeziehung" 197 des Täters zur Rauschtat geprägter Tatbestand gegenübergestellt. In Abgrenzung zu den Fällen der alic sei für ihn - unter analoger Heranziehung der Wahlfeststellungskriterien - erforderlich, daß der Täter sich nach Art und Schwere s.o. I. Kapitel, Fn. 18. Wolter, NStZ 1982, 54, 58. 194 Zu dem dieser Konstruktion sehr ähnlichen § 351 E 1962, der offensichtlich ,.Modell stand", s. u. 4. Kapitel, VI. 2. 195 Wolter, NStZ 1982, 54, 58. 196 Angedroht in§§ 106a Abs. I, 107b Abs. I, 160 Abs. I 2. Alt., 184a, 285. 197 Wolter, NStZ 1982, 54, 58. 192 193

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Straftaten vorgestellt hat, die mit der im Rausch verübten Tat (rechtsethisch und psychologisch) vergleichbar, gleichartig sind 198 . Darüber hinaus soll dieser enge Tatbestand zugleich als Auffangtatbestand Konstellationen der alic erfassen, bei denen eine Strafbarkeit nach deren allgemeinen Grundsätzen nicht gegeben wäre 199. Für den engen Tatbestand will Wolter den derzeitigen Strafrahmen des § 323 a beibehalten. Diesem Modell des Vollrauschtatbestandes hat sich wenig später Paeffgen angeschlossen200, der mit der Ansicht Wolters im wesentlichen übereinstimmt. Da Paeffgen jedoch die alic in ihrer vorsätzlichen Variante für unzulässig hält201 , will er in einschlägigen Fällen zu einer Strafbarkeit "im Gewande des § 323 a" kommen und sieht hierin den Anwendungsbereich des engen Tatbestandes202 .

b) Stellungnahme zu § 323 a als einem Doppeltatbestand Wolter und Paeffgen verstehen ihre Ausführungen ausdrücklich de lege lata203 . Den Überlegungen und Gedanken beider Autoren mag man inhaltlich in weiten Teilen durchaus zustimmen 204 ; das Bemühen um eine mit dem Schuldprinzip vereinbare Lösung der mit § 323 a verbundenen Proble198 Wolter, NStZ 1982, 54, 58. Dieses Maß der Konkretisierung ist weiter als das von der h. M. bei der alic für erforderlich gehaltene (dort: "bestimmte Straftat", s.o. I. Kapitel Fn. 76), enger hingegen als das der Rechtsprechung des 5. Strafsenats (dort: "strafbare Handlungen irgendwelcher Art", s.o. Fn. 114) oder das Cramers ("Begehung einer mit Strafe bedrohte Handlung", s. o. Fn. 126) im Rahmen des Vollrauschtatbestandes. Auf diese Weise sichert Wolter seiner Auslegung einen selbständigen Anwendungsbereich des engen Tatbestandes neben der alic und distanziert sich zugleich von den von ihm abgelehnten Vollrausch-Modellen. 199 Wolter, NStZ 1982, 54, 58 f. Auf eine Darstellung dieses "zweiten" und "dritten Anwendungsbereiches" des engen Tatbestandes wird an dieser Stelle verzichtet, da er für die weitere Arbeit ohne Bedeutung ist. 200 Paeffgen, ZStW 97 (1985) 513, 526 ff.; NK-Paeffgen, § 323 a Rn. 14 ff. 201 s. hierzu die Darstellung im I. Kapitel, IV. 4. 202 Paeffgen, ZStW 97 (1985) 513, 537 ff.; NK-Paeffgen, § 323a Rn. 16. Demzufolge ist der Anwendungsbereich des engen Tatbestandes bei Paeffgen weiter als bei Wolter. 203 Wolter, NStZ 1982, 54, 58; Paeffgen, ZStW 97 (1985) 513, 539; NK-Paeffgen, § 323a Rn. 14. Man könnte hieran jedoch zu zweifeln beginnen, wenn Wolter "seinem" § 323 a den "geltenden" gegenüberstellt (a. a. 0 ., S. 60) oder an einer anderen Stelle indirekt das Einschreiten des Gesetzgebers für erforderlich hält (a. a. 0., S. 59), oder wenn Paeffgen immerhin eine "gewisse Freizügigkeit im Umgang mit dem Gesetzeswort laut" zugesteht [a. a. 0., Rn. 17)). 204 Gewiß jedoch nicht umfassend. Wolter selbst nennt - in erstaunlich selbstkritischer Weise - den engen Tatbestand unter einem Aspekt eine "Strapazierung (und auch erste Auflockerung) des Schuldprinzips" (a. a. 0., S. 59), unter einem anderen einen "Widerspruch zur gesetzgeberischen Intention" (a. a. 0., S. 59).

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2. Kap.: Die Ansichten zu Normcharakter und Deliktsstruktur

matik unter gleichzeitiger Vermeidung vieler der den anderen Ansichten anhaftenden "Mängel" erscheint in einem erheblichen Maße gelungen. Gleichwohl kann den Deutungen nicht gefolgt werden, da sie nicht lediglich eine neue Sehweise, eine neue Interpretation dieser Norm darstellen, sie auslegen, sondern deren Inhalt selbst verändern. Für die Annahme zweier in § 323 a enthaltener Tatbestände ist weder in der Entstehungsgeschichte der geltenden Norm 205 noch im Gesetzestext auch nur ein Anhaltspunkt enthalten, die Ausführungen sind somit de lege lata nicht haltbar206. Mögen sich die angenommenen Einschränkungen des Tatbestandes dabei noch im Rahmen einer restriktiven Auslegung halten, wird deren Überschreiten mit der Schaffung (genauer: der Annahme) zweier selbständiger Tatbestände und der Festlegung der jeweiligen Strafrahmen evident. Die "Verteidigung" Paeffgens gegen diesen - wie er selbst zugesteht "ernst zu nehmenden" 207 - Angriff: der Täter werde im Vergleich zur alic begünstigt208 und der bei Zugrundelegung der h. M. in § 323 a Abs. 2 erblickte Widerspruch (Strafrahmen- und damit zugleich Unrechtsrelevanz einer unrechtsindifferenten objektiven Bedingung der Strafbarkeit) werde reduziert209, vermögen nicht darüber hinwegzuhelfen, daß sowohl die Festlegung der Voraussetzungen der Strafbarkeit (Straftatbestand im weiteren Sinne) wie auch die der Rechtsfolgen (Strafrahmen) in die Zuständigkeit des Gesetzgebers fällt.

205 Vielmehr ließe sich im Gegenteil eher sagen, daß der Gesetzgeber mit dem EGStGB 1975 jene in § 351 E 1962 enthaltene Aufspaltung des Tatbestandes (s.o. Fn. 194) gerade nicht übernommen, sie damit konkludent abgelehnt hat. Ausführlich hierzu an späterer Stelle, 4. Kapitel, VI. 2. a) und VII. I. 206 So auch die einstimmige Ansicht im Schrifttum, etwa S/S-Cramer, § 323 a Rn. I a. E. ("mit dem Gesetz nicht vereinbar"); LK 11 -Spendel, § 323 a Rn. 48 in Fn. 104 ("eine mit dem Gesetz unvereinbare Konstruktion"); Brandsteuer, S. 179; Bruns, Lackner-FS, S. 443 ("ohne Gesetzesänderung nicht zu verwirklichen"); Neumann, Zurechnung, S. 72 (die Überlegungen Wolters zwar als konsequent, jedoch als eine Korrektur, nicht aber eine Auslegung des Gesetzes betrachtend); Tröndle/ Fischer49 , § 323 a Rn. I ("de lege ferenda erwägenswert, de lege lata aber nicht erreichbar"); Junge, S. 75 f.; Frister, Schuldprinzip, S. 59 in Fn. 63. 207 Paeffgen, ZStW 97 ( 1985) 513, 538. 208 Paeffgen, ZStW 97 (1985) 513, 539; NK-Paeffgen, § 323a Rn. 17. Das Argument erfaßt jedoch nicht auch die Ansicht Wolters, da er - in zwei von dreien der Anwendungsbereiche des engen Tatbestandes (s.o. Fn. 199) - neben der alic eine Strafbarkeit über deren Grundsätze hinaus geschaffen hat. 209 Paeffgen, ZStW 97 ( 1985) 513, 539 f.

II. Ansichten in Literatur und Rechtsprechung

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6. § 323 a als eine Zurechnungsnorm (Ausnahme oder Einschränkung des§ 51 (a.F.) [§ 20]) a) § 323a als eine Ausnahme oder Einschränkung des § 51 (a. F.) (§ 20) Während alle bislang vorgestellten Ansichten 210 in § 323 a einen Straftatbestand erblicken, der das Sichberauschen unter der Voraussetzung der Begehung einer Rauschtat mit Strafe bedroht, und hierbei auf unterschiedlichste Weise der Rauschtat mittelbar, objektiv und/oder subjektiv Unrechts- und/oder Schuldrelevanz zusprechen, gibt es einige Vertreter im Schrifttum, die darüber hinaus der Rauschtat eine derart gesteigerte Bedeutung beimessen, daß jene das Unrecht des Vollrauschs nicht nur mitbegründen, sondern ausschließlich darstellen soll. Der Täter wird hiernach einzig wegen der im Rausch begangenen rechtswidrigen Tat bestraft, die Vorschrift des § 323 a lediglich als eine Ergänzung in Form einer Ausnahme bzw. Einschränkung der die Schuldfahigkeit regelnden Vorschrift des § 51 (a. F.) (= § 20) gedeutet, gleichsam als deren zweiter Absatz.

aa) Die Ansicht v. Webers Nach v. Weber, einem der ersten, wegbereitenden Vertreter jener Ansicht, ist der Täter wegen der Rauschtat zu bestrafen211 , da er sie (sc. im Ergebnis wohl mittelbar) dadurch verschuldet habe, daß er schuldhaft seine Zurechnungs-/Schuldunfahigkeit herbeigeführt habe 212 , die Rauschtat also hätte vermeiden können 213 . Diese, nach v. Weber der Volksanschauung entsprechende214 Verantwortlichkeit des Täters für die im Zustand des verMit der Ausnahme Hardwigs (s.o. Fn. 188). So v. Weber ausdrücklich etwa in Stock-FS, S. 59, 64, 70 f. In seinen früheren Beiträgen hingegen stellte er seine Ansicht lediglich als eine solche "de lege ferenda" dar, etwa in GS 106 (1935) 329, 330, 339, 343 (obgleich der Beitrag im Widerspruch zu seinem Inhalt mit "Die Bestrafung der Rauschtat" betitelt ist); MDR 1952, 641 , 642 (auch dieser Beitrag mit dem Titel "Die Bestrafung von Taten Volltrunkener" stimmt insoweit mit dem Inhalt nicht überein); GA 1958, 257, 258, 261. 212 v. Weber, MDR 1952, 641, 642; ders., GA 1958, 257, 262; ders. , Stock-FS, S. 59, 72 f. Dieser Ursachenzusammenhang ist so zu erklären, daß § 330 (a. F.) in seiner ursprünglichen Fassung einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch erfordert hat und der Rausch nach v. Weber für die Rauschtat ursächlich sein muß. 21 3 In diesem Argument offensichtlich mit der Ansicht Hardwigs (s.o. 2. Kapitel, II. 4. b bb) übereinstimmend. 214 So v. Weber, GS 106 (1935) 329, 339; ders., GA 1958, 257, 262; ders., Stock-FS, S. 59, 72. 210

211

110

2. Kap.: Die Ansichten zu Normcharakter und Deliktsstruktur

schuldeten Rausches begangenen Rauschtaten ergebe sich (u. a.) aus dem Umstand, daß die Strafbarkeit nach § 323 a nicht wie bei anderen Delikten von irgendeinem äußeren Ereignis, sondern von einer mit Strafe bedrohten Handlung abhängig gemacht werde 215 , und - bis heute ein Hauptargument dieser Ansicht - die Rauschtat für die Bestrafung des Täters materiell (§ 323 a Abs. 2) wie formell (§ 323 a Abs. 3) von Bedeutung sei 2 16. Aus alledem folge, daß in Wirklichkeit die Rauschtat und nicht das Sichberauschen bestraft werde. Unter ausdrücklicher Negierung des Koinzidenzprinzips 217 (!) soll trotz Vorliegens der Schuldunfähigkeit im Zeitpunkt der Tat der Täter wegen der Tat bestraft werden können, wenn und soweit die Schuldunfahigkeit von ihm verschuldet wurde, bzw. soll - in einer lediglich anderen Formulierung - der selbstverschuldete Rausch keine Zurechnungsunfähigkeit begründenz's. Diesem radikalen Ansatz v. Webers sind bislang nur wenige gefolgt2 19 .

v. Weber, MDR 1952, 641, 642; ders., Stock-FS, S. 59, 71. v. Weber, Stock-FS, S. 59, 71. 217 v. Weber, Stock-FS, S. 59, 72 f. Zu diesem oben I . Kapitel, IV. 2. 21 8 v. Weber. Stock-FS, S. 59, 73. 21 9 Nach Deselaers (S. 43) soll sich - insoweit ein kleiner Unterschied zur der Begründung v. Webers - der Betrunkene lediglich nicht auf seine selbstverschuldete Zurechnungsunfähigkeit berufen können, also nicht wegen des schuldhaften Sichbetrinkens, sondern wegen der Rauschtat bestraft werden. Diese Bestimmung gehöre, so Dese/aers, als ein "§ 20a", in den Allgemeinen Teil. Bertram (MonSchrKrim 1961. I 0 I, I 05) etwa spricht den Widerspruch zum Koinzidenzprinzip nicht expressis verbis an, relativiert das Schuldprinzip aber - wenig überzeugend - mit den Worten, die Schuld sei zwar eine sehr wichtige und unentbehrliche Grundlage des Strafrechts, aber nicht der alleinige Maßstab strafrechtlicher Beurteilung, dürfe nicht "verabsolutiert" werden. Auch Streng (ZStW 101 [1989] 273, 317 ff.; JZ 1984, 114 ff.; JR 1993, 35 ff.) stimmt inhaltlich der Ansicht v. Webers zu und teilt dessen Argumente. Auf der Basis des von ihm vertretenen "funktionalen Schuldbegriffs" (s. hierzu bereits o. I. Kapitel, IV. 3. a a. E.) verneint er jedoch einen Widerspruch mit dem Schuldprinzip, favorisiert aber gleichwohl eine - lediglich der Klarstellung dienende - Plazierung der Vorschrift im Allgemeinen Teil des StGB (JZ 1984, 114, 120; mit einem konkreten Gesetzesvorschlag eines § 20 Abs. 2: JZ 2000, 20, 27). Neumann (Zurechnung, S. 125 ff.) will in der "Tiefenstruktur" des § 323 a eine Ausnahmevorschrift zu § 20 erkennen und den Widerspruch mit dem Schuldprinzip (konkret: dem Erfordernis der Tatzeitschuld) durch das von ihm entwickelte Modell des "strafrechtlichen Verantwortungsdialogs" (a. a. 0., S. 269 ff.), das eine Berücksichtigung des "Vorverschuldens" ermöglichen soll, "zumindest verringern" (a. a. 0., S. 128); s. auch Brandsteuer, S. 237 ff. (der primär die mit § 323 a nahezu parallel strukturierten Vorschrift des § 287 österrStGB betrachtet, sein Ergebnis jedoch ausdrücklich aber auch für § 323 a reklamiert [a. a. 0 ., S. 250]). 21 5

2 16

li. Ansichten in Literatur und Rechtsprechung

III

bb) Die Ansicht Maurachs

Ausgehend von dem von ihm entwickelten Zurechnungsmodell und einem ihm entsprechenden Schuldbegriff gelangt Maurach auf dogmatisch anderem Wege zu einem im wesentlichen gleichen Ergebnis wie v. Weber220. Dem eigentlichen Zuschreibungsprozeß der Schuld ist hierbei das Verbrechensmerkmal der "Tatverantwortung" vorgeschaltet, das sich in der von äußeren Zwängen freien Tat-Urheberschaft des Täters erschöpfe und allein eine Mißbilligung (auch des zurechnungsunfähigen!) Täters darstelle221. Schuldhaftes Handeln setze über jene Mißbilligung hinaus voraus, daß der Täter das Unrecht der Tat hätte einsehen, sein Verhalten dieser Einsicht gemäß einrichten und damit das Böse hätte vermeiden können. Wer gleichwohl Unrecht verwirkliche, mißbrauche seine Zurechnungsfähigkeit, und handele deshalb schuldhaft222 : Der eigentliche Vorwurf, die strafrechtliche Schuld, wird in dem Mißbrauch der Zurechnungsunfähigkeit gesehen, und damit im Vergleich zu dem sich streng auf die Verwirklichung tatbestandsmäßigen Unrechts beziehenden Schuldbegriff der h. M. von der Verwirklichung tatbestandliehen Unrechts gelöst223 . Maurach spricht dem Sichberauschen jeglichen Unrechtsgehalt ab 224 und erblickt - wie v. Weber- in der Rauschtat das "eigentliche Verbrechen'm5 . Den strafrechtlichen Wesensgehalt des Vollrauschtatbestandes sieht Maurach in einer (sc. auf das Gebiet der Schuld beschränkten! 226 ) "Gesamtwesensschau" beider in der Norm verknüpften Lebenssachverhalte: dem nach seiner Ansicht - rechtlich indifferenten Sichberauschen und der nicht schuldhaft verwirklichten Rauschtat227 , die erst beide zusammen strafbares Unrecht bilden 228 . Während in der Rauschtat das verwirklichte Unrecht liegt, soll der Schuldvorwurf aus dem Sichberauschen folgen, das einen "krassen Fall"229 des Mißbrauchs der Zurechnungsfähigkeit und damit nach der Schuldlehre Maurachs ein Verschulden darste1It230 . 220 Zum Maurach'schen Zurechnungsmodell und Schuldbegriff grundlegend: Maurach, Schuld und Verantwortung, S. 36 ff.; ders., AT4 , zusammenfassend in § 31, ausführlich in§§ 32 ff.; fortgeführt von Maurach/Zipf, AT 18 , § 31 ff. 221 Maurach, Schuld und Verantwortung, S. 37 ff.; ders., Ar, § 31 li B I. 222 Maurach, Schuld und Verantwortung, S. 39 ff.; ders., AT4 , § 31 li B 2. 223 Maurach, Schuld und Verantwortung, S. 108 f. Eine vollständige Lösung des Schuldbegriffs vom tatbestandliehen Unrecht findet jedoch gleichwohl nicht statt, wie an anderer Stelle deutlich wird, etwa a. a. 0., S. 39. 224 Maurach, Schuld und Verantwortung, S. 108. Darüber hinaus verneint Maurach die Tatbestandsmäßigkeit des Sichberauschens, etwa Br. S. 485; BT5 • S. 511. 225 Maurach, Schuld und Verantwortung, S. II I. 226 Maurach, Schuld und Verantwortung, S. 110. 227 Maurach, Schuld und Verantwortung, S. 108, 110. 228 Maurach insoweit folgend auch Mayer, S. 16.

112

2. Kap.: Die Ansichten zu Normcharakter und Deliktsstruktur

Insgesamt charakterisierte Maurach den Vollrauschtatbestand zunächst eindeutig als ein Delikt, einen Straftatbestand231 , äußerte sich jedoch später zunehmend dahingehend, die Vorschrift sei eine Modifikation, eine Ausnahme von § 51 a. F. (§ 20), die ihren richtigeren Standpunkt im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches im Anschluß an jene Vorschrift gefunden hätte232 .

cc) Stellungnahme Die unbestreitbare Tatsache, daß § 323 a zum einen Tatbestandsstruktur besitze33 , zum anderen im Besonderen Teil des StGB steht, macht die Ansicht, es handele sich bei dieser Vorschrift um eine Zurechnungsnorm im Sinne einer Ausnahme von § 20, de lege lata nicht mit dem Gesetz vereinbar und damit nicht haltbar234 . Ihr widersprechen nicht nur der eindeutige Wille des Gesetzgebers 235 , die Normstruktur und die Stellung der Vorschrift im Gesetz, sondern auch der Umstand, daß § 323 a einen zwar durch den 229 Maurach, BT4 , S. 486; BT5 , S. 513; ähnlich schon ders., Schuld und Verantwortung, S. 117. 230 Insoweit ähnlich auch Dorbritz, S. 167, der den Gegenstand des Schuldvorwurfes darin sieht, daß der Täter sich schuldhaft der Empfänglichkeit für denjenigen Schuldvorwurf beraubt hat, den man ihm bei vorhandener Zurechnungsfähigkeit machen kann. Der durch den Mangel der Zurechnungsfähigkeit in Fortfall geratene Schuldvorwurf werde durch jenen "ersetzt". Und obgleich Dorbritz den Unrechtsgehalt - insoweit anders als Maurach - in der Rauschtat und dem Sichberauschen sieht (a. a. 0., S. 166), hält er die Vorschrift für "nichts anderes als eine Ausnahmebestimmung zu § 51 Abs. I" a. F. (§ 20). 231 So durchgehend in "Schuld und Verantwortung". 232 Maurach, AT4 , S. 443. Gleiches folgt etwa aus der Stellungnahme Maurachs, Aufgabe des § 330a sei es mithin, "dem Täter, der seine Zurechnungsfähigkeit schuldhaft ausschließt, die Möglichkeit einer Berufung auf die mögliche Folge der Unzurechnungsfähigkeit zu nehmen" (BT4 , S. 486). 233 Interessant zu beobachten ist jene Parallele, daß v. Weber und Maurach in der Entwicklung ihrer Ansichten beide ursprünglich zunächst noch am Tatbestandscharakter festhielten, ihn später aber leugneten. 234 Der Große Senat warf in BGHSt GS 9, 390 ff. zwar den Gedanken auf, § 330a (a. F.) könne seinem "wahren Wesen nach" überhaupt keinen selbständigen Straftatbestand aufstellen, sondern eine Ausnahme zu § 51 Abs. I (a. F.) sein, eine "besonders geartete strafrechtliche Verantwortlichkeit des Rauschtäters für die im selbstverschuldeten Zustand der Zurechnungsunfähigkeit begangene Straftat begründen", verwarf diese Überlegung jedoch sogleich mit dem Hinweis, es sei nicht zu übersehen, "daß die schuldhafte Selbstberauschung vom Gesetzgeber nun einmal als selbständiger Straftatbestand in den Besonderen Teil des Strafgesetzbuches gestellt worden sei" (a. a. 0 ., S. 396). Über diese einmaligen hypothetischen Überlegungen hinaus ist diese Ansicht nicht in die Rechtsprechung vorgedrungen. Ablehnend im Schrifttum etwa Dencker, JZ 1984, 453, 456 f.; Junge, S. 14 ff. m Hierzu ausführlich im 4. Kapitel dieser Arbeit, sub. V. I. a).

II. Ansichten in Literatur und Rechtsprechung

113

der Rauschtat beschränkten (§ 323 a Abs. 2), jedoch selbständigen Strafrahmen enthält. Das wäre nicht nur für eine Zurechnungsnorm untypisch, sondern würde zugleich auch den Absatz 2 der Norm überflüssig und daher unsinnig werden lassen, da bei einer Bestrafung der Rauschtat unmittelbar deren Strafrahmen anwendbar wäre 236, es einer Beschränkung dieser Art also nicht bedürfte. Ob man - wie in anderen europäischen Ländern geschehen 237 - de lege ferenda die selbstverschuldete Schuldunfähigkeit von § 20 ausnehmen sollte238 , kann in einer mit der Auslegung des geltenden Gesetzes befaßten Arbeit dahingestellt bleiben. 236 So auch Dencker, JZ 1984, 453, 456. Die Argumentation v. Webers hiergegen, der Strafrahmen des § 330 (a. F.) sei weiterhin subsidiär für die Konstellationen anwendbar, in denen der Täter "in selbstverschuldetem Rausch eine Schaden anrichtet (sc. wohl in dem Sinne zu verstehen, daß dies ohne eine mit Strafe bedrohte Handlung erfolgt, C. B.) oder ernsthaft die öffentliche Sicherheit und Ordnung stört" (MDR 1952, 641, 643), setzt sich nochmals weiter über den Gesetzestext hinweg, so daß sie sich de lege lata nicht zu behaupten vermag. 237 So etwa Kap. I § 2 Abs. 2 schwed. StGB, Art. 92 Abs. I Codice penale, eingeschränkt durch die Voraussetzung der Voraussicht bzw. Voraussehbarkeit des Ausschlusses der Zurechnungsfähigkeit auch Art. 31 § 3 polStGB. Ohne eine solche Einschränkung ehemals auch § 15 Abs. 3 StGB-DDR: "Wer sich schuldhaft in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt und in diesem Zustand eine mit Strafe bedrohte Handlung begeht, wird nach dem verletzten Gesetz bestraft". 238 Die Ansichten im Schrifttum sind gespalten: Ausführlich hierzu Hruschka, nach dessen Meinung (insofern mit der sogleich im folgenden dargestellten Auffassung übereinstimmend!) mit § 323 a nur nominell die Selbstberauschung, in Wirklichkeit aber die Rauschtat bestraft werde, es sich bei dem Vollrauschtatbestand insoweit um eine "Falschetikettierung", einen Gesetzesfehler handele (Strafrecht2 , S. 298 f.). Da Hruschka jedoch - wie bei den Ausführungen zur alic bereits erwähnt (s.o. I. Kapitel, Fn. 128, 143) -eine Ausnahme von § 20 de lege lata für ausgeschlossen hält, plädiert er für eine Gesetzesänderung, einen § 20 Abs. 2 (Strafrecht2, S. 302 f.; JZ 1996, 64, 69; JZ 1997, 22, 24 ), nach welchem der Täter dann nicht ohne Schuld handeln soll, wenn er für die Unfähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen, selbst verantwortlich ist. Neben einer solchen Vorschrift verliert § 323 a seine Bedeutung, weshalb Hruschka konsequent dessen gleichzeitige Streichung vorsieht (Strafrecht2 , S. 302; JZ 1996, 64, 71 f. [mit gewissen Modifikationen]; JZ 1997, 22, 24). Geilen (Maurach-FS, S. 173, 192 in Fn. 53) hält eine positivrechtliche Lösung "für möglich"; ebenso auch - nach einer ausführlichen Abwägung der für und gegen eine solche Ausnahme von § 20 sprechenden Argumente Dencker (JZ 1984, 453, 454 ff., 459), der den Wert einer solchen Vorschrift jedoch für "zweifelhaft" erachtet. Während Salger/Mutzbauer (NStZ 1993, 561, 565) den Gesetzgeber zum Handeln auffordern, Streng - von seinem "Ausdehnungsmodell" ausgehend - einen § 20 Abs. 2 lediglich als klarstellend und daher empfehlenswert ansieht (JZ 2000, 20, 26), hält Lagodny (S. 407 ff.) eine Ausnahme von § 20 strikt für nicht möglich. Auffallend ist, daß sich jüngst die Anzahl derer mehrt, die unter Berufung auf und in Anlehnung an § 15 Abs. 3 StGB-DDR (s.o. Fn. 237) eine dieser Vorschrift zumindest ähnelnde Ausnahme von § 20 fordern: vgl. etwa Rauten-

8 Barthel

114

2. Kap.: Die Ansichten zu Normcharakter und Deliktsstruktur

b) "Kompromißlösung" Gleichsam "zwei Herren dienen" will eine im Schrifttum vertretene Ansicht, die der gesetzgeberischen Entscheidung für einen Straftatbestand und damit gegen eine Zurechnungsvorschrift (im eben dargestellten Sinne) folge 39 , gleichwohl aber den Gedanken an eine Einschränkung des § 20 nicht gänzlich aufgibt: § 323 a sei zwar der Form nach ein (Gefährdungs)Delikt, sachlich jedoch eine Schuldzurechnungsregel240. Für die Rechtsanwendung bedeutet dies, daß § 323 a zunächst primär als ein Straftatbestand verstanden, das Verhalten des Täters zunächst allein an ihm gemessen wird. Überwiegend zur Klärung des Begriffes der "rechtswidrigen Tat", zur Bestimmung der an die Rauschtat zu stellenden Anforderungen, wird jedoch die sachliche Deutung des § 323 a als Schuldzurechnungsregel bemüht 241 . Die angenommene Funktion des § 323 a als einer Schuldzurechnungsregel wird somit zu einer Auslegungshilfe für den Straftatbestand des Vollrauschs.

7. Verfassungswidrigkeits-Verdike42 Im Rahmen ihrer vom Verfassungsrecht und hierbei insbesondere der Grundrechtsdogmatik ausgehenden Untersuchungen kommen Frister und berg, DtZ 1997, 45, 47 (ausgehend von einer lediglich sittlichen Schuld und unter ausdrücklicher Durchbrechung des Tatschuldprinzips!); Sick/Renzikowski, ZRP 1997' 484, 487. 239 Was wegen An. 103 II GG, § I zwingend erforderlich ist. 240 Otto, Jura 1986, 478, 481; ders., Grundkurs BT5 , § 81 Rn. I (zur Ansicht von Otto zu der Charakterisierung des § 323 a als einem Gefährdungsdelikt s. o. Fn. 119). So ist wohl auch Krümpelmann zu verstehen, wenn er ausfühn, § 323 a nehme "eine Mittelstellung zwischen dem Unrechtstatbestand und der Zurechnungsregel ein", sei "eine Verbindung von Tatbestand und Schuldregel" (ZStW 99 [1987] 191, 225). Ähnlich wohl auch Jakobs, der einerseits darlegt, der Strafgrund des Vollrausches sei nicht die Rauschtat, sondern das Sichberauschen, gleichzeitig aber als den Zweck der Vorschrift die "Sicherung" (AT2 , 17/59) bzw. die "Ennöglichung" (AT2 , 17/63) von Zurechnung ansieht. Inhaltlich dieser Ansicht zustimmend, jedoch daraus andere Konsequenzen ziehend Hruschka; s. hierzu die Ausführungen in Fn. 238. 241 So etwa Otto, Jura 1986, 478, 481 (zum Erfordernis der Handlungsfähigkeit im Rahmen der Rauschtat ), 485 (zur Frage, ob der Täter auch nach Rückerlangung der Schuldfähigkeit von der versuchten Rauschtat mit strafbefreiender Wirkung zurücktreten kann). Ähnlich müßte Krümpelmann verfahren, nach dessen Ansicht § 323 a "sich an beiden Kategorien messen lassen" (ZStW 99 [ 1987] 191, 225) muß. Ausdrücklich gegen eine solche Auslegung "nach Belieben" Dencker, JZ 1984, 453, 456. Krümpelmann und Jakobs (s.o. Fn. 240) verdeutlichen ihre Ansicht nicht anhand von Beispielen. 242 Dieser Terminus wurde von NK-Paeffgen, § 323a Rn. 13 übernommen.

II. Ansichten in Literatur und Rechtsprechung

115

Lagodny auf jeweils unterschiedlichen Wegen zu dem Ergebnis, § 323 a sei verfassungswidrig243 . Eine ausführliche Auseinandersetzung mit beiden Arbeiten ist an dieser Stelle weder möglich noch erforderlich244 ; ausreichend erscheint es vielmehr, die jeweiligen unterschiedlichen Begründung kurz darzustellen:

a) Die Ansicht Fristers Nach Frister kann Strafe als ein Grundrechtseingriff nicht (allein) nach dem Prinzip des überwiegenden öffentlichen Interesses gerechtfertigt werden245 . Sie dient - u. a., andere Strafzwecke werden zwar anerkannt, aber insoweit vernachlässigt 246 - der Abwehr der durch eine Straftat geschaffenen "Gefahr für die Normakzeptanz"247 , also positiven wie negativen generalpräventiven Zwecken. Der Täter müsse nun Eingriffe in seine Grundrechte nur insoweit dulden, als diese Gefahr ihm zuzurechnen sei, er die Strafvoraussetzungen verschuldet habe 248 . Unter diesem Aspekt prüft Frister sodann, ob die Rauschtat im Rahmen des § 323 a in diesem Sinne249 "gefahrbegründend" sei. Nachdem er verschiedene, bislang im 243 Bereits 1963 gelangte Arthur Kaufmann (JZ 1963, 425 ff.) zu dem Ergebnis, die Vorschrift des Vollrauschtatbestandes verstoße gegen das Schuldprinzip, lasse sich mit diesem nicht in Einklang bringen. Er hält jedem (sc. natürlich nur sofern zu seiner Zeit existenten) Auslegungsversuch der Norm die Argumente der jeweiligen Kritiker entgegen. Gleichwohl zieht er hieraus nicht die Konsequenz, sondern begegnet der Forderung, auf diese Strafbestimmung zu verzichten, mit den Sätzen, die an dieser Stelle wegen ihres Pathos wörtlich wiedergegeben werden sollen: "Es gibt heute viele, die glauben, man müßte eine derartige Konsequenz ziehen, und daraus erklären sich auch alle die verkrampften Versuche, eine formale Übereinstimmung des § 330a StGB mit dem Schuldgrundsatz zu konstruieren. Unsere Zeit ist im Hinblick auf die Realisierbarkeil absoluter Rechtsgrundsätze merkwürdig naturrechtsgläubig. Aber wir leben in einer Welt der Bedingtheit und der Unvollkommenheit. Das Schuldprinzip wird niemals vollkommen zu verwirklichen sein, jetzt nicht und nicht in omni tempore" (a. a. 0., 433). Die Ansicht Kaufmanns, trotz der erkannten Widersprüchlichkeil sei allein wegen der Notwendigkeit des Strafens zu strafen (a. a. 0.), vermag hingegen nicht zu überzeugen, gibt zudem den Sinn und die Aufgabe jeglicher Dogmatik preis. 244 Einen kritischen Überblick über beide Arbeiten geben Volk, ZStW I 04 ( 1992) 834 ff. [Frister]; Jakobs, ZStW II 0 (1998) 716 ff. [Lagodny] und Neumann, GA 1999, 35 ff. [Lagodny]. 245 Frister, Schuldprinzip, S. 31 ff. 246 Frister, a. a. 0., S. 35. 241 Frister, a. a. 0., S. 35, 48 ff. u. ö. 248 Diese Zweckgebundenheit der Duldungspflicht des Grundrechtsträgers leitet Frister aus der Menschenwürde (Art. I Abs. I GG) ab, aus der folge, daß jeder Mensch als prinzipiell gleichwertiges Mitglied der Gesellschaft anzuerkennen sei (a.a. O., S. 48, umfassende Nachweise in Fn. II).

s•

116

2. Kap.: Die Ansichten zu Nonncharakter und Deliktsstruktur

Schrifttum erwogene Funktionen der Rauschtat abgelehnt hat250 - u. a. die des Indizes, des Erkenntnismittels für die Gefährlichkeit des Rausches 251 , sowohl unter der Annahme eines abstrakten wie auch der eines konkreten Gefährdungsdelikts 252 - gelangt er zu dem Ergebnis, die Rauschtat habe "gefahrbegründende" Funktion. Sie Jasse sich damit erklären, daß die Akzeptanz des Verbotes, sich zu berauschen, durch einen folgenlosen Rausch in geringerem Maße gefährdet sei als durch einen Rausch, der zu einer Rauschtat geführt habe 253 . Da sich das Verschulden des Täters nicht auf die Rauschtat erstrecke, sei ihm diese nicht zuzurechnen, könne er folglich, da er die Gefahr für die Normakzeptanz nicht zu verantworten habe, nicht bestraft werden. § 323 a sei aus diesem Grunde verfassungswidrig.

b) Die Ansicht Lagodnys Auf einem anderem Wege gelangt Lagodny zu dem nämlichen Ergebnis. Er sieht in § 323 a ein abstraktes Gefährdungsdelikt254 und hält jede Einschränkung der Norm bei konkret absolut ausgeschlossener Gefährlichkeit des Verhaltens als deren Telos widersprechend für unzulässig255 . Bereits das der Norm zugrunde liegende Verbot des Vollrauschs (also nicht erst die Strafe!) wird von Lagodny als ein Eingriff in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. I GG) betrachtet256 , dessen verfassungsrechtliche Zulässigkeil "nur noch ein Problem der Abwägungsergebnisgrenzen"257 sei. Bei der erforderlichen Abwägung müsse nun -jede teleologische Reduktion der Norm wurde vorher abgelehnt! - auch der Bagatellfall: der in der Literatur so oft bemühte Zecher "im stillen Kämmerlein", bei dem jede rauschbedingte konkrete Gefahr für ein Rechtsgut Dritter ausgeschlossen scheint, Berücksichtigung finden 258 . Lagodny hält es nun für 249 D.h. es geht ausschließlich um die "Gefahr für die Nonnakzeptanz", nicht etwa um eine durch den Rausch begründete (abstrakte oder konkrete) Gefahr für bestimmte Rechtsgüter! 25 Frister, a. a. 0., S. 54-58. 251 Vgl. o. 2. Kapitel, II. I. b) bb), aber auch 2. Kapitel, II. 3. a). 25 2 Vgl. zu letzterem o. Fn. 32. 253 Frister, a. a. 0., S. 54. Die Überlegung erinnert in ihrer Richtung - wenngleich das ein dogmatisch gänzlich anderer Ausgangspunkt ist - sehr stark an die Kritik an § 323 a als abstraktem Gefährdungsdelikt, das bloße Sichberauschen stelle allein kein strafwürdiges Unrecht dar, vgl. dazu 2. Kapitel, II. 2. a). 254 Lagodny, S. 234. 255 Lagodny, S. 480 ff. Als eine solche Einschränkung wäre etwa die Auslegung der Nonn durch Cramer zu sehen, vgl. 2. Kapitel, II. 2. b) bb). 256 Lagodny, S. 236. 257 Lagodny, S. 236. 258 Lagodny, S. 482 ff.

°

II. Ansichten in Literatur und Rechtsprechung

117

"evident unangemessen", in diesen Fällen hierauf mit einem kriminalstrafrechtlichen Vorwurf reagieren zu wollen 259 und er zieht hieraus die Konsequenz, § 323 a sei verfassungswidrig. c) Stellungnahme zu den Ansichten von

Frister und Lagodny

Ohne die hier nicht näher dargestellte Gesamtleistung beider Autoren in irgendeiner Weise kritisieren oder gar schmälern zu wollen, kann ihrer Einschätzung der Verfassungsmäßigkeit des § 323 a nicht gefolgt werden. Im Zentrum beider Arbeiten stehen übergeordnete komplexe Themen und Fragestellungen260 ; die gefundenen Erkenntnisse und aufgestellten Thesen werden (u. a.)"auf die Vorschrift des § 323 a in einer jeweils knappen und gedrängten Form261 angewendet. Diese - im Rahmen des Gesamtwerkes durchaus zu rechtfertigende - knappe Erörterung der komplexen und in beinahe jeder Hinsicht umstrittenen Dogmatik der Vorschrift des § 323 a erscheint für die Schwere des getroffenen Urteils nicht ausreichend, wird diesem damit nicht gerecht. Dies vor allem vor dem Hintergrund, daß eine verfassungskonforme Auslegung262 der Annahme der Verfassungswidrigkeit stets vorausgeht - eine solche jedoch nicht stattfindet. Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Norm obliegt in unserer Rechtsordnung allein dem Bundesverfassungsgericht263 , das solch ein Urteil im Rahmen einer abstrakten (Art. 93 Abs. I Nr. 2 GG) oder konkreten 264 (Art. 100 Abs. 1 GG) Normenkontrolle, oder inzident im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a) treffen und die Norm mit rückwirkender Wirkung inter omnes für nichtig erklären kann (§§ 78, 95 Lagodny, S. 484 ff. Man lese nur die Titel der Arbeiten: Frister: Schuldprinzip, Verbot der Verdachtsstrafe und Unschuldsvermutung als materielle Grundprinzipien des Strafrechts; Lagodny: Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte. 261 Frister, Schuldprinzip, S. 53-59 [Gesamtumfang: 133 S.]; Lagodny, 233237,407-409, 484 f. [Gesamtumfang: 570 S.]. 262 Vgl. etwa nur S/S-Eser, § I Vorbem Rn. 30 ff. 263 Hinsichtlich ihrer diesbezüglichen Zurückhaltung ist der Ansicht Kaufmanns (s.o. Fn. 243) zuzustimmen. 264 Bei § 323 a handelt es sich - obgleich durch das Gewohnheitsverbrechergesetz vom 24. 11.1933 in das Strafgesetzbuch eingefügt - aufgrund der nach Inkrafttreten des Grundgesetzes erfolgten Änderungen um nachkonstitutionelles Recht, so daß die Verfassungsmäßigkeit der Norm - soweit die Prozeßvoraussetzungen vorliegen - im Wege der konkreten Normenkontrolle nach Art. I 00 Abs. I GG zu überprüfen ist, der Richter über deren Verfassungsmäßigkeit also nicht selbst entscheiden kann. Vgl. hierzu etwa BVerfGE 6, 65; II, 129 ff.; 25, 26 f.; 29, 42 f.; 66, 248, 254; 70, 129. 259

260

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2. Kap.: Die Ansichten zu Normcharakter und Deliktsstruktur

Abs. 3 S. I, 82 Abs. I BVerfGG). Das ist bislang nicht geschehen 265 , so daß die Ansichten von Fristerund Lagodny in einerde lege lata angelegten Arbeit im weiteren nicht berücksichtigt werden können.

265 Das BVerfG hat bisher nur die in § 330a Abs. I, 2 (a. F.) enthaltenen Bestimmungen zur Höhe der Strafdrohung auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüft und diese bejaht, BVerfG, DAR 1979, 181.

3. Kapitel

Die Stellungnahmen des Schrifttums zum Rücktritt von der versuchten Rauschtat Betrachtet man die Meinungsvielfalt zu Normcharakter und Deliktsstruktur des § 323 a, die sich oftmals geradezu diametral einander gegenüberstehenden Ansichten, so erstaunt doch einigermaßen, daß nahezu das gesamte Schrifttum - abgesehen von zwei (!) Ausnahmen - der Rechtsprechung im Ergebnis folgt, d. h. dem "Rücktritt von der versuchten Rausch tat" strafbefreiende Wirkung für den (sc. vollendeten) Vollrausch zukommen lassen will. Bei Sichtung des einschlägigen Schrifttums wurde schnell folgendes deutlich: Vor der (Veröffentlichung der) Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahre 1936 1 findet man im Schrifttum keinerlei Hinweise auf die "Problematik" des Rücktritts von der versuchten Rauschtat, gibt es diesen schlichtweg nicht2 . Auch nach Publikation der Entscheidung wird die Rücktrittsfrage in teilweise umfangreichen und auch spezielle Einzelprobleme der Norm aufgreifenden Dissertationen3 und Abhandlungen4 zum Vollrauschtatbestand nicht mit einem Wort erwähnt. Selbst Arbeiten, die ausschließlich die Rauschtat, die "mit Strafe bedrohten Handlung"5 , zum Gegenstand haben, ja sogar Veröffentlichungen, die sich zentral mit dem Versuch im Zusammenhang mit dem Vollrauschtatbestand befassen6 , übergehen das Problem mit Schweigen. 1 RG HRR 1936 Nr. 1149 (Entsch. vom 31. März 1936- I D 68/36); zum Inhalt der Entscheidung s.o. I. Kapitel, II. I. a). 2 Freieslehen/Kirchner/Niethammer-Kirchner (1936), § 330a Anm. 1- 14; Schäfer/v. Dohnanyi (1936}, § 330a Anm. 1- 5; Schäfer!Wagner/Schafheutle (1934), § 330a Anm. I-IV; Niederreuther, ZtwR 1936/37, Bd. I, 284 ff. Anzumerken ist bereits an dieser Stelle, daß auch sämtliche im Verlauf der Gesetzesentstehung verfaßten Entwürfe und Begründungen sowie Stellungnahmen zu und Beratungen über diese den Rücktritt von der versuchten Rauschtat nicht erwähnen. Zur Normgeschichte ausführlich im 4. Kapitel. 3 Scheiff(l940}, Schreyer (1937}, S. 100 ff.; Wilhelm (1939). 4 Cramer, Vollrauschtatbestand; Gerland, ZStW 55 (1936) 784 ff. 5 Dorbritz (1944); Fajen (1957), insbes. S. 66-109; Schmid (1949), insbes. S. 5392; Spaeth ( 1939). 6 Gramsch, JW 1938, 779 ff.

120

3. Kap.: Die Stellungnahmen des Schrifttums

Will man nun wissen, wie sich die unmittelbare oder analoge Anwendung der Rücktrittsvorschriften begründen läßt - die Rechtsprechung ist wie gesehen jede Begründung schuldig geblieben! -, so muß man feststellen, daß das Gros des Schrifttums7 sich der Rechtsprechung ohne weiteres, d.h. ohne eine Begründung, angeschlossen hat, die Möglichkeit des Rücktritts also ebenfalls schlichtweg behauptet8 . Nur wenige haben sich überhaupt argumentativ mit der Problematik auseinandergesetzt Ihnen gilt im folgenden das Augenmerk.

I. Die Argumente für die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts von der versuchten Rauschtat Die Begründungen der Möglichkeit eines solchen strafbefreienden Rücktritts hängen auf das engste von der Auslegung und der Auffassung der Norm durch die jeweiligen Interpreten ab. Aus diesem Grunde werden die Ansichten im folgenden der bereits dem 2. Teil der Arbeit zugrunde gelegten Systematik folgend dargestellt.

1. Der Rücktritt von der versuchten Rauschtat auf der Grundlage der Annahme eines abstrakten Gefährdungsdeliktes a) Der Rücktritt als ein Indiz für eine geringere Gefährlichkeit des Rauschtäters Soweit ersichtlich war Domning im Jahre 1939 der erste, der die Anwendbarkeit der Rücktrittsvorschriften auf die versuchte Rauschtat zu begründen versucht hat. 7 Arzt/Weber, LH 2 Rn. 442; Bruns, DStR 1939, 225, 227 (die Beachtung des freiwilligen Rücktritts für "einleuchtend" haltend); Gramsch, Tatbestand, S. 74 (s. jedoch Hinweis in Fn. 19); Lackner/KühP3 , § 323a Rn. 10; LK9 -Lay, § 330 Rn. 40; Mayer, ZStW 59 (1940) 283, 331; Niederreuther, GS 114 (1940) 322 ff. (Man beachte: Während Niederreuther in seiner Veröffentlichung aus dem Jahre 1936 noch ausdrücklich betont hatte, daß § 330 a ein Sondertatbestand sei, der "als solcher selbständig, d.h. ohne Rücksicht auf die Rauschtat zu behandeln" sei [Niederreuther, ZfWR 1936/37, Bd. I, 284, 296], hielt er vier Jahre später- welch Wandlung! - den Rücktritt von der versuchten Rauschtat unter Zitierung der Reichsgerichtsentscheidung "für möglich"); Tröndle/Fischer49 , § 323 a Rn. 14 i. V. m. Rn. 10; Wessels/Hettinger, BT 123 Rn. 1038 a. E. 8 Das Zitieren der Rechtsprechung ersetzt - soweit es überhaupt erfolgt - niemals eine Begründung, insbesondere dann nicht, wenn diese selbst eine solche nicht enthält.

I. Die Argumente für die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts

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Von den verschiedenen persönlichen Strafaufuebungsgründen spricht

Domning allein dem Rücktritt vom Versuch eine für die Bestrafbarkeil

wegen Vollrauschs rechtserhebliche Bedeutung zu. Bei allen anderen Strafaufuebungsgründen handele es sich um "Umstände, die erst nach Ausführung der Handlung eintreten", (sc. und deshalb, C. B.) "auf die zur Zeit der Tat vorhandene Gefährlichkeit des Unzurechnungsfähigen keinerlei Einfluß ausüben"9 könnten. Jene Sonderbehandlung des Rücktritts - denn auch dieser erfolgt, wie die anderen Strafaufuebungsgründe, erst nach Ausführung der tatbestandliehen Handlung! - rechtfertigt Domning mit den Gründen für die strafaufbebende Wirkung des Rücktritts: Neben den kriminalpolitischen Aspekten sei dies vor allem der Gedanke, daß der Täter deshalb von der Tat Abstand genommen habe, weil sein verbrecherischer Wille nicht intensiv genug gewesen war 10• Letztere "Präsumtion" oder "unwiderlegliche Vermutung" müsse nun in gleicher Weise für den Zurechnungsunfähigen gelten; auch bei ihm sei zu vermuten, daß er das betreffende Rechtsgut nur deshalb nicht verletzt habe, weil sein Geisteszustand nicht so gefährlich war 1 1. Der Rücktritt von der versuchten Rauschtat sei - soweit im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit vorgenommen - ein Indiz für eine "geringere Gefährlichkeit des Zurechnungsunfähigen" 12 • Diesen Gedanken haben sich später viele - bewußt oder unbewußt angeschlossen 13 .

b) Der Rücktritt als Ursache des Entfallens eines kriminalpolitischen Strafbedürfnisses In seiner nicht gedruckten Dissertation bezieht Grasmann Jahre später kurz Stellung zur vorliegenden Problematik. Er geht hierbei zunächst von Domning, S. 67. Domning, S. 69. 11 Domning, S. 69. 12 Domning, S. 69. Es sei daran erinnert, daß Domning in der Rauschtat das "ausschließliche Erkenntnismittel für die Gefährlichkeit des Täters" sieht (a. a. 0., S. 28, s. ferner o. 2. Kapitel, Fn. 39). 13 Blei BT 12 , § 94 IV (für eine lediglich analoge [!] Anwendung der Rücktrittsvorschriften, wenn man als den tragenden Grund des Rücktrittsprivilegs die manifestierte geringere Gefährlichkeit des Täters annehme, da der Täter durch den Rücktritt im Rauschzustande zeige, daß sein Rausch ihn nicht so gefährlich gemacht habe, wie dies durch den Versuch der Rauschtat zunächst indiziert worden war); Mitsch, Jura 1989, 485, 489. Zum selben Ergebnis gelangte auch Hogräfer, der in § 330 a (a. F.) ein "Erfolgshaftungsdelikt" sah (s. hierzu die Darstellung im 2. Kapitel, II. 4. a m. w. N.). Der Rücktritt vom Versuch sei zugleich ein Rücktritt von der Gefährlichkeit; die Erwägungen, die zur Aufstellung des § 46 (a. F.) geführt haben, träfen "wenigstens zum Teil" auch für den Trunkenen zu, der Rücktritt sei in Indiz für die mangelnde Gefährlichkeit (Hogräfer, S. 103 f.) . 9

10

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3. Kap.: Die Stellungnahmen des Schrifttums

den persönlichen Strafausschließungsgründen aus, beispielhaft wird § 247 Abs. 2 (a. F.) 14 genannt. Verwirkliche nun ein Volltrunkener (nach der ursprünglichen Gesetzesfassung des § 330a 15 zwingend ein Zurechnungsunfähiger) unter jenen besonderen, im Gesetz genannten, die Strafausschließung begründenden Umständen einen Straftatbestand, so liege zwar eine Rauschtat vor, gleichwohl stehe der persönliche Strafausschließungsgrund einer Bestrafung nach § 330a (a. F.) im Wege 16. Da die öffentliche Rechtssicherheit in solchen Fällen nur unwesentlich gestört oder gefährdet werde, bestehe kein kriminalpolitischer Anlaß, die nach § 330 a (a. F.) verwirkte Strafe auszusprechen 17 • Im Anschluß hieran betrachtet Grasmann die persönlichen Strafaufhebungsgründe und bemerkt, daß es denkbar sei, daß ein Volltrunkener die Ausführung der beabsichtigten Handlung freiwillig aufgibt oder vor der Entdeckung der Handlung den Eintritt des zur Vollendung gehörigen Erfolges durch eigene Tätigkeit abwendet, er also von dem Versuch der Rauschtat zurücktrete 18. Die zu den persönlichen Straufausschließungsgründen angestellten Überlegungen überträgt Grasmann auf den Rücktritt als persönlichen Strafaufhebungsgrund: Es fehle bei diesem ebenso an der kriminalpolitischen Notwendigkeit eines Strafausspruches, wie wenn gar keine mit Strafe bedrohte Handlung vorliegen würde 19• Deshalb könne der von der Rauschtat zurücktretende Rauschtäter nicht wegen Vollrauschs bestraft werden.

c) Der Rücktritt und der Wortlaut des § 323a Abs. 1 Ausgehend vom heutigen Wortlaut der Norm, den sie durch das EGStGB vom 2.3.197420 erhalten hat, gelangen einige Vertreter des Schrifttums im 14 Diese Vorschrift ordnete für die Fälle des Diebstahls oder der Unterschlagung, welche von Verwandten aufsteigender Linie gegen Verwandte absteigender Linie oder von einem Ehegatten gegen den anderen begangen worden sind, die Straffreiheit des Täters an. Die geltende Fassung des Strafgesetzbuches sieht heute in § 247 für vergleichbare (insgesamt weiter gefaßte) Fallkonstellationen lediglich ein Strafantragserfordemis vor. 1s s.o. I. Kapitel, Fn. 18. 16 Grasmann, S. 91 . 17 Grasmann, S. 91 . 18 Grasmann, S. 91 f. Die von ihm neben dem Rücktritt vom Versuch (§ 46 [a. F.]) erwähnte tätige Reue bleibt noch außer Betracht. Vgl. hierzu 7. Kapitel, III. 19 Grasmann, S. 92. Gramsch (Tatbestand, S. 74) hat sich bereits 1938 in ähnlicher Weise, nämlich von Strafausschließungs- auf Strafaufhebungsgründe rückschließend, geäußert. Anders als Grasmann behauptete er jedoch ohne jede Begründung, ein zugunsten des Rauschtäters hinsichtlich der Rauschtat bestehender Strafausschließungsgrund schließe auch eine Bestrafung wegen Rauschmittelmißbrauchs aus, und gleiches gelte für den Rücktritt von der-versuchten Rauschtat

I. Die Argumente für die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts

123

Wege einer grammatischen Auslegung zu dem Ergebnis, der Rücktritt von der versuchten Rauschtat habe für den Täter eine sich auf den Vollrausch erstreckende strafbefreiende Wirkung. Wesentliche Änderungen des Wortlauts gegenüber seiner ursprünglichen Fassung bestanden darin, daß der Rausch nicht mehr mit dem Attribut "die Zurechnungsfähigkeit ausschließend" versehen wurde, die Rauschtat nicht mehr als "eine mit Strafe bedrohte Handlung", sondern als "eine rechtswidrige Tat" bezeichnet und schließlich dem ersten Absatz jener letzte Halbsatz angefügt wurde, daß der Täter wegen der Rauschtat nicht bestraft werden könne, "weil er infolge des Rausches schuldunfähig war oder weil dies nicht auszuschließen ist". Nach Dencker wird mit diesem Halbsatz (auch) die Rauschtat näher bestimmt. Diese müsse nicht nur eine rechtswidrige Tat, d.h. eine den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklichende und zugleich nicht von einem Rechtfertigungsgrund gedeckte Handlung sein, sondern darüber hinaus auch eine Bestrafung des Täters zulassen, läge nicht die (ggf. lediglich nur nicht ausschließbare) Schuldunfähigkeit des Täters vor21 • Letztere müsse also nicht nur eine Ursache für die Straflosigkeit der Rauschtat sein, sondern die einzige. Stünden demnach einer Bestrafbarkeil des Täters wegen der begangenen Rauschtat bei hypothetisch hinzugedachter Schuldfähigkeit (weitere) Gründe entgegen (etwa §§ 35, 24 oder Strafausschließungsgründe), so werde der Täter nicht mangels fehlender Schuldfähigkeit nicht wegen der Rauschtat bestraft. Damit läge weder eine Rauschtat noch die Voraussetzungen des letzten Halbsatzes des § 323 a Abs. I vor, so daß der Täter im Ergebnis nicht aus § 323 a bestraft werden könne 22 . Jener Halbsatz sei - so Dencker- demnach wie folgt zu lesen: " ... und ihretwegen nur deshalb nicht bestraft werden kann, weil .. .'.u.

Diese Argumentation hat im Schrifttum vielfach Anklang gefunden 24 . BGBI. I S. 469, 495. Dencker, NJW 1980, 2159, 2161. 22 Dencker, NJW 1980, 2159, 2161, 2164 f. 2·1 Dencker, NJW 1980, 2159, 2161 (Hervorhebung im Original). Bedenklich, wenn nicht gar kurios erscheint es, daß Dencker seine Auffassung einerseits - wie er mehrfach betont! - auf den Wortlaut des Gesetzes stützen will, zugleich aber in der selben Veröffentlichung einen normergänzenden Hinweis gibt, wie die Vorschrift denn zu lesen sei. Beruft man sich auf den Wortlaut des Gesetzes, so muß man diesen exakt so nehmen, wie er im Gesetz steht. Alles andere - Hinweglassungen und Hinzufügungen - ist nicht mehr Gesetzestext. Die von Dencker gebotene "Leseempfehlung" bezüglich dieses Halbsatzes entfernt sich vom Gesetzestext, mag gegebenenfalls bei einer Gesetzesänderung, also de lege ferenda Beachtung finden . 24 Jeweils ohne Begründung: SK-Hom, § 323 a Rn. 19 i. V. m. Rn. 17 (die Rauschtat müsse allein wegen der rauschbedingten Schuldunfähigkeit straflos bleiben); Mitsch, Jura 1989, 485, 489 (für einen Fall des Rücktritts von der versuchten Rauschtat die Strafbarkeit [sc. der versuchten Rauschtat] entfalle nicht wegen der 2o 21

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3. Kap.: Die Stellungnahmen des Schrifttums

d) Die Ansicht Hartls Die Ausführungen Hartls zum Rücktritt von der versuchten Rauschtat sind dadurch gekennzeichnet, daß er zur Grundfrage (Möglichkeit des Rücktritts) und einer sich erst nach ihrer Bejahung stellenden Folgefrage (Möglichkeit des Rücktritts auch nach Wiedereintreten der Schuldfähigkeit des Täters) Stellung nimmt, ohne jedoch beides klar voneinander zu trennen. Den Bedenken gegen die Anwendung des § 24 auf eine objektive Bedingung der Strafbarkeit (gemeint ist wohl: einen zumindest nicht ausschließbar schuldlosen und damit straflosen Versuch) will Hart! durch eine analoge Anwendung der Rücktrittsvorschriften Rechnung tragen, da mit der Rauschtat als einer tatbestandsmäßigen und rechtswidrigen Tat eine "vergleichbare lnteressenlage" 25 vorliege, die eine solche analoge Anwendung rechtfertige. Während Hart! dann zunächst die Wirkung des Strafaufhebungsgrundes (zu Recht!) so versteht, daß dieser eine zunächst eingetretene Bestrafbarkeil rückwirkend wieder beseitige, führt er anschließend aus, durch einen wirksamen Rücktritt werde auch "die versuchte Rauschtat rückwirkend wieder beseitigt"26. Nach einem wirksamen Rücktritt komme eine Bestrafung nach § 323 a "mangels Rauschtat (als objektive Bedingung der Strafbarkeit) nicht in Betracht'm, da dieser die Rauschtat "beseitige".

Schuldunfähigkeit des Täters, sondern auf Grund des Rücktritts); Otto, BT5, § 70 Rn. 16; § 81 Rn. 16; ders., JK StR StOB§ 323a Nr. 5; ders., Jura 1986, 478, 485: "der Täter bleibt nicht straffrei, weil er infolge des Rausches schuldunfähig war oder weil es nicht auszuschließen ist, sondern weil er vom Versuch der Rauschtat zurückgetreten ist" (die Norm sachlich als eine Ergänzung zu §§ 20, 21 sehend; s.o. 2. Kapitel, li. 6. b). Hinsichtlich der "Lesart" mit Dencker übereinstimmend auch NK-Paeffgen, § 323 a Rn. 78, der sich dann gleichwohl - sehr vorsichtig und zurückhaltend - zum Rücktritt von dem Versuch der Rauschtat dahingehend äußert, "hier sollte § 24 analog angewandt werden" (a. a. 0 ., Rn. 80). Nach der These Pae.ffgens von einem "Doppeltatbestand" (s.o. 2. Kapitel, li. 5. a) dürfte diese Stellungnahme zum Rücktritt für beide Tatbestände gelten, den engen wie den weiten. Geister stimmt der Wortlautargumentation Denckers zwar umfassend zu (S. 419 f., 436), zieht dieses Argument dann jedoch überraschend für die Frage des Rücktritts von der Rauschtat nicht heran (S. 427-434). Zu Unrecht beruft sich Dencker (NJW 1980, 2159, 2161 in Fn. 21) übrigens auf LK9 -Lay, § 330a Rn. 38, der unter einer "mit Strafe bedrohten Handlung" eine solche versteht, die sich von einer "strafbaren Handlung" dadurch unterscheidet, daß sie wegen der Zurechnungsunfähigkeit schuldlos begangen wird. Daß sich Lay gleichwohl im Ergebnis für die Anwendbarkeit der Rücktrittsvorschriften ausspricht (a. a. 0., Rn. 40), bleibt unbegründet. 25 Hart!, S. 194. Zu der "Vergleichbarkeit" äußert sich Hart! hingegen nicht näher. 26 Hart!, S. 194. 27 Hart!, S. 194 f.

I. Die Argumente für die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts

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Dadurch zeige sich auch in diesen Fällen, so Hart!, die Funktion der Rauschtat als Begrenzung strafwürdiger Fälle28 .

2. Der Rücktritt von der versuchten Rauschtat ausgehend von der Annahme eines konkreten Gefährdungsdeliktes a) Die Ansicht Cramers Cramer rechnet sich selbst derjenigen Ansicht zu, die in § 323 a ein abstraktes Gefährdungsdelikt sieht, schränkt hierbei den Tatbestand jedoch dahingehend ein, daß der Täter sich unter solchen Umständen betrunken haben muß, die die Möglichkeit der Begehung von Rauschtaten eröffnen, also die Wahrscheinlichkeit eines Schadens und damit die einer Gefahr29 voraussetzt. In seiner 1962 erschienen Monographie nahm er zum Rücktritt von der versuchten Rauschtat noch nicht Stellung; jedoch zwei Jahre später im Rahmen einer Fallösung in einer Ausbildungszeitschrift - und daher nur knapp, in dem dort erforderlichen aber auch ausreichenden Umfang. Auch er befaßt sich dabei - wie Hart! - neben der grundsätzlichen Frage der Möglichkeit des Rücktritts auch mit Folgeproblemen, wie etwa dem Zeitpunkt eines solchen 30 . Dem Einwand gegen eine Anwendung der Rücktrittsvorschriften auf die Rauschtat im Rahmen des Vollrauschtatbestandes bei Annahme eines abstrakten Gefährdungsdeliktes, daß mit dem Vorliegen eines Versuchs die Gefährlichkeit des Rauschtäters bereits erwiesen sei, hält Cramer entgegen, das Verhalten des Rauschtäters sei insgesamt zu würdigen31, d.h. Versuchs- und Rücktrittshandlung. Bei einem Rücktritt stehe fest, "daß der Täter im betrunkenen Zustand nicht gefährlicher ist als im nüchtemen" 32. Auf diese beiden Sätze beschränken sich Cramers Ausführungen zu der Möglichkeit des Rücktritts von der versuchten RauschtaL Argumentativ an die besondere, d.h. rauschbedingte Gefährlichkeit des Täters anknüpfend, besteht eine gewisse Gemeinsamkeit mit der Ansicht Domnings, von dessen Ansatz sich der Cramersche jedoch dadurch unterscheidet, daß er der Rauschtat keine Indizwirkung für die Gefährlichkeit des Rausches bzw. des Rauschtäters zukommen läßt33. 28

Hartl, S. 195.

s. hierzu die Darstellung im 2. Kapitel, II. 2. b) bb) (2) m. w. N. Anders als bei Hart[ werden beide Problemkreise jedoch strikt voneinander getrennt. 31 Cramer, JuS 1964, 360, 364. 32 Cramer, JuS 1964, 360, 364. 33 Vgl. o. 2. Kapitel, Fn. 125. 29

30

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3. Kap.: Die Stellungnahmen des Schrifttums

b) Die Ansicht Ranfts Ranft, der in § 323 a ein konkretes Gefährdungsdelikt sieht und deshalb nur ein solches Sichberauschen für tatbestandlieh hält, das unter "besonderen, gefahrbegründenen Umständen" erfolgte34 , nahm bereits zweimal zur Frage des Rücktritts von der versuchten Rauschtat Stellung. Nachdem er sich ausführlich mit dem Strafgrund der Berauschung auseinandergesetzt und die bekannte Position bezogen hat, führt Ranft zunächst aus, daß sich der Rücktritt von der versuchten Rauschtat bei der Annahme eines abstrakten Gefährdungsdeliktes nicht sinnvoll in die Struktur der Norm einfügen lasse. Erblicke man den Strafgrund der Vorschrift allein in der schuldhaften Berauschung, so könne die Strafbefreiung nicht erklärt werden, da der Täter nicht von dem Sichberauschen, sondern von der Rauschtat, die eine objektive Bedingung der Strafbarkeit bilde, zurücktrete. Ein Rücktritt von einer objektiven Bedingung der Strafbarkeit sei jedoch "dogmatisch widersinnig" 35 : Nehme der Täter von der Verwirklichung eines weiteren Tatumstandes Abstand, so "könne ihm das nur zugute kommen, wenn dieser Umstand für die rechtliche Mißbilligung der Tat von Bedeutung"36 sei; dies sei jedoch bei der objektiven Bedingung der Strafbarkeit gerade nicht der Fall. Eine "entsprechende Anwendung" 37 der Rücktrittsvorschriften läßt sich nach Ranft jedoch rechtfertigen, wenn man den Vollrauschtatbestand als ein konkretes Gefährdungsdelikt versteht. Erblicke man den Grund der Strafaufhebung - wie der Bundesgerichtshof- in der geringeren Gefährlichkeit und Strafwürdigkeit des verbrecherischen Willens, nehme man an, der Täter zeige durch den freiwilligen Rücktritt, "daß sein verbrecherischer Wille nicht so stark war, wie es zur Durchführung der Tat erforderlich gewesen wäre" 38 , so erweise sich die entsprechende Anwendung der Rücktrittsvorschriften auf den Rücktritt des Rauschtäters als "system- und sachgerecht"39.

s. hierzu die Darstellung im 2. Kapitel, II. 2. b) aa) (2). Ranft, MDR 1972, 737, 742; ders., JA 1983, 239, 243. 36 Ranft, MDR 1972, 737, 742. 37 Ranft, MDR 1972, 737, 742, 743. Lange vor der Entscheidung des I. Strafsenats des BGH aus dem Jahre 1993 (BGH StV 1994, 304) plädierten damit bereits Ranft und Blei (s.o. Fn. 13) für eine lediglich "entsprechende" Anwendung der Rücktrittsvorschriften. 38 BGHSt 9, 48, 52. 39 Ranft, MDR 1972, 737, 743; ders. später nochmals m.a.W.: diese Kriterien (sc. geringere Gefährlichkeit und Strafwürdigkeit des verbrecherischen Willens, C. B.) ließen sich auch auf den zurechnungsunfähigen Täter anwenden (JA 1983, 239, 243). 34 35

I. Die Argumente für die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts

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In einer späteren Veröffentlichung stellt Ranft nochmals deutlicher dar, was gegen eine Berücksichtigung des Rücktritts spricht: Es sei kein Rücktritt von der schuldhaften Herbeiführung der Gefahr, die in der Berauschung liege; diese habe sich ja bereits in der Rauschtat realisiert, und der Rücktritt als persönlicher Strafaufhebungsgrund lasse das Unrecht, das in der Gefährdung des Angriffsobjektes liegt, grundsätzlich unberührt40. Die "analoge Anwendung" des § 24 rechtfertige sich dadurch, daß die Rauschtat in der Weise in den Tatbestand integriert sei, daß sich die konkrete Gefährlichkeit des Rauschzustandes in der Rauschtat verwirklichen müsse und der Täter durch den Rücktritt zeige, daß seine Gefährlichkeit nicht so groß war, wie es zur Durchführung der Tat erforderlich gewesen wäre41 .

c) Die Ansicht Geislers Im Rahmen seiner umfassenden Arbeit über die Vereinbarkeil objektiver Bedingungen der Strafbarkeit mit dem Schuldprinzip befaßte sich jüngst auch Geister mit dem Vollrauschtatbestand und der Frage nach dem Rücktritt von der versuchten Rauschtat Er interpretiert § 323 a hierbei nach Ablehnung anderer Ansichten als konkretes Gefährdungsdelikt und spricht der Rauschtat Unrechtsrelevanz zu. Der Ansicht Roxins42 folgend fordert er zur Wahrung des Schuldprinzips eine innere Beziehung des Täters zur Rauschtat, die er darin sieht, daß der Täter eine Straftat von der Art der später verwirklichten voraussehen konnte43 . Geister nähert sich dabei der Problematik des Rücktritts von der versuchten Rauschtat in der Weise, daß er die Frage der Möglichkeit der Freiwilligkeit des schuldunfähig handelnden Rauschtäters und die sich hieran anschließende der Auswirkungen eines freiwilligen Rücktritts von der versuchten Rauschtat auf die Haftung des Täters wegen Vollrauschs zum "Ausgangspunkt"44 seiner Untersuchung macht. Der eigentliche Ausgangspunkt jedoch, die beiden Fragen denknotwendig vorausgehende, ja primäre nach der (unmittelbaren oder entsprechenden) Anwendbarkeit der Rücktrittsvorschriften auf die im Zustand der (zumindest nicht ausschließbaren) Schuldunfähigkeit begangene, und deshalb nicht strafbar versuchte Rauschtat, die zudem als solche nicht (nach der Ansicht Geisters zumindest nicht allein) der Grund der Strafbarkeit ist45 , wird offensichtlich nicht als probleRanft, JA 1983, 239, 243. Ranft, JA 1983, 239, 243; von der Annahme eines konkreten Gefährdungsdeliktes ausgehend ähnlich auch Weber, ZStW 104 (1992) 415, 418. 42 s.o. 2. Kapitel, II. 2. b) aa) (2) a.E. mit Fn. 103, 107. 43 Geister, S. 398 ff., 411 u. ö. 44 Geister, S. 428. 45 s. hierzu bereits o. I. Kapitel, I. 40

41

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3. Kap.: Die Stellungnahmen des Schrifttums

matisch empfunden. Hier werden - wie schon in der Entscheidung des Reichsgerichts 46 - ein zweiter und ein dritter Schritt ohne den ersten gemacht. Dem systematischen, auf das (Nicht)Vorliegen einer Rücktrittssituation abstellenden Argument von Kusch, die Anwendung eines Strafaufhebungsgrundes auf einen ohnehin straflosen Versuch sei "paradox"47 , vermag Geister nur entgegenzuhalten, diese Betrachtung sei "formal"48 . Im Wege einer verschmelzenden Gesamtbetrachtung von Vollrauschtatbestand und Rauschtat wird die Anwendbarkeit der Rücktrittsvorschriften auf die versuchte Rauschtat mit einer für den Vollrauschtatbestand strafbefreienden Wirkung dann doch "en passent" damit begründet, daß dem Täter zwar keine Verurteilung wegen der konkret im Rausch begangenen (versuchten) Rauschtat drohe, wohl aber eine wegen Vollrauschs49 . Auch knüpfe - von seinem Standpunkt aus konsequent - die Vollrauschhaftung an die im Rausch begangene Tat an, so daß dem Täter deren "Art und Umfang" nicht gleichgültig sein könne 50 . Zur Anwendbarkeit der Rücktrittsvorschriften heißt es zuletzt, es entspreche auch dem Sinn des Rücktrittsprivilegs, eine freiwillige Umkehrleistung dann anzunehmen, wenn der Täter seiner rechtstreuen Gesinnung dadurch Ausdruck verleihe, daß er von der Tatvollendung Abstand nehme5 1. Wie zuvor schon Ranft52 führt Geisler zunächst aus, daß die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts mit der Annahme eines abstrakten Gefährdungsdeliktes, dessen Unrecht und Strafgrund allein im Sichberauschen liege und bei dem die Rauschtat lediglich als unrechtsneutrale objektive s.o. I. Kapitel, li. 2. a). Geisler selbst bringt an dieser Stelle den Begriff des Paradoxen ins Spiel (S. 429). Kusch (NStZ 1994, 131 f.) stellte lediglich die - berechtigte - Frage, was das beim Rücktritt von der versuchten Rauschtat denn für eine Strafbefreiung sei, bei einem Täter, dem ohnehin keine Strafe drohe. 48 Geisler, S. 429. - Was kann der Begriff "formal" an dieser Stelle anderes bedeuten als systematisch - und was gilt es gegen eine systematische Anwendung der Gesetzesvorschriften einzuwenden? 49 Dieser Gedanke vermag zwar das gewünschte Ergebnis - eine für den strafaufhebenden Rücktritt erforderliche Strafdrohung vorzuweisen - zu begründen, kann jedoch den Widerspruch weder aufheben noch auch nur verdecken, daß der Rücktritt gerade und nur die Versuchsstrafbarkeit aufhebt (Wortlaut des § 24 Abs. I!), eine solche damit gerade voraussetzt. Dem Vorgehen, einerseits hinsichtlich des Rücktritts auf die versuchte Rauschtat, andererseits hinsichtlich der durch ihn aufzuhebenden Bestrafbarkeil auf den vollendeten Vollrauschtatbestand abzustellen, haftet der Geruch einer ergebnisorientierten Notlösung an. 50 Geisler, S. 429. Angemerkt sei, daß der auch von Geisler als Strafaufhebungsgrund verstandene Rücktritt nur die Bestrafbarkeil des Täter aufhebt, die Straftat als solche jedoch unberührt läßt, weder ihre Art noch ihren Umfang verändert. 51 Geisler, S. 429. 52 s.o. Fn. 36. 46

47

I. Die Argumente für die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts

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Bedingung der Strafbarkeit eine diese einschränkende Funktion habe, nicht vereinbar sei. Wenn schon die Begehung der Rauschtat die rechtliche MißbiJligung des Vollrauschs nicht berühre, müsse für den Rücktritt von derselben konsequenterweise gleiches gelten53 . Anders verhalte es sich jedoch bei Annahme eines konkreten Gefährdungsdelikts. Hinter dem Umstand, daß die Rauschtat unrechtsbegründend und in den Unrechts- und Schuldzusammenhang des Vollrauschs eingebunden sei, stehe die Erwägung, daß sich die Gefährlichkeit des Vollrauschs unmittelbar aus seinen Folgen ergebe, weshalb die rechtliche Bewertung des Vollrauschs eng mit der den Gefahrerfolg vertretenden Rauschtat verknüpft sei 54. Durch den Rücktritt, eine dem Täter zurechenbare Umkehrleistung, werde sein Unrechtsverhalten gewissermaßen wiedergutgemacht55 . Dies schlage auf die rechtliche Bewertung des Vollrausches dergestalt durch, daß das Rauschtatverhalten des Täters sich letztlich nicht in dem vom Gesetz vorausgesetzten Maße als gefahrlieh erwiesen habe 56 . Der rechtsfeindliche Eindruck der versuchten Rauschtat werde durch das Rücktrittsverhalten des Täters "neutralisiert", was nach Ansicht Geislers bei der Bewertung der Rauschgefährlichkeit des Täter Berücksichtigung finden müsse57 . Aus diesem Grunde sei der Rücktritt von der versuchten Rauschtat im Rahmen des § 323 a grundsätzlich von Bedeutung58 .

3. Der Rücktritt von der versuchten Rauschtat nach dem Vollrauschmodell Spendeis Die Auslegung des§ 323a durch Spende/, der in der Norm ein objektivkonkretes, subjektiv-generelles Gefährdungsdelikt (sui generis) und in der Rauschtat eine ausschließliche und unwiderlegliche Beweistatsache für die Gefährlichkeit des Sichberauschens sieht59, läßt seine Stellungnahme zum 53 54

55 56

243.

Geister, Geister, Geister, Geisler,

S. 431. S. 431 . S. 431. S. 431 , so schon Ranft, MDR 1972, 737, 743; ders., JA 1983, 239,

Geister, S. 431. Der sich hieran anschließenden, auch von Geister erörterten Frage (S. 432 f.), ob der Rücktritt noch im Zustand der Schuldunfähigkeit erfolgen muß, oder ob er auch nach dem Wiedereintritt der Schuldfähigkeit noch möglich ist, wird, da es sich hierbei - wie schon bei der Frage der Vereinbarkeil der Freiwilligkeit mit der Schuldunfähigkeit - um ein Folgeproblem handelt, das die grundsätzliche Möglichkeit des Rücktritts bereits voraussetzt, nicht nachgegangen, da allein letzteres Gegenstand dieser Arbeit ist. 57

58

9 Banhel

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3. Kap.: Die Stellungnahmen des Schrifttums

Rücktritt von der versuchten Rauschtat bereits erahnen. Das insbesondere dann, wenn man berücksichtigt, daß Spendet jene Gefährlichkeit ausschließIich60 aus der Perspektive ex-post bestimmt. So ist es denn auch: Nach Darstellung der Rechtslehre, die die analoge Anwendung der Rücktrittsvorschriften mit der im Rücktritt zum Ausdruck kommenden geringeren Gefährlichkeit des Täters begründet, führt Spendet - konsequent! - aus, daß dieser Ausschluß der Rauschgefahr (sc. durch den Rücktritt) in gleicher Weise wie die Begründung der Rauschgefahr (sc. durch die Rauschtat) im Wege einer ex-post-Betrachtung erfolgen müsse, sich eine solche "nicht vermeiden"61 lasse. Die Rauschtat sei demnach "als Ganzes, etwa nicht nur als Diebstahlsversuch, sondern auch als ,Rücktritt' zu betrachten und zu bewerten"62 . Zuletzt argumentiert Spendet mit einem wertenden Vergleich, daß wenn schon für die Tat des nüchternen Delinquenten die Strafe aufgehoben werde, das Gesamtverhalten des volltrunkenen Täters nicht anders zu behandeln sei63 .

4. Der Rücktritt von der versuchten Rauschtat ausgehend von der Annahme (zumindest auch) einer Zurechnungsregel Betrachtet man - wie etwa Otto - die Vorschrift des § 323 a sowohl (formal) als abstraktes Gefährdungsdelikt als auch (sachlich) als eine Zurechnungsnorm in Form einer Ausnahme oder Einschränkung von § 2064, so ist der Rücktritt von der versuchten Rauschtat in der Tat "problemlos"65. Denn geht man bei der Auslegung66 der Norm davon aus, daß es deren Zweck (zumindest auch) sei, in Fällen der selbstverschuldeten Schuldunfähigkeit zu einer Strafbarkeit des Täters dadurch zu gelangen, daß die selbstverschuldete Schuldunfähigkeit für unbeachtlich erklärt oder dem Täter eine Berufung auf diese versagt wird, so ist die Annahme des Rücktritts von der versuchten Rauschtat konsequent: Bei Nichtberücksichtigung der Schuldunfähigkeit liegt ein schuldhafter und damit strafbarer Versuch vor, von dem s. hierzu die Darstellung im 2. Kapitel, li. 3. m. w. N. s. den Hinweis im 2. Kapitel, Fn. 151. 61 LK 11 -Spendel, § 323 a Rn. 220. 62 LK 11 -Spendel, § 323 a Rn. 220. 63 LK 11 -Spendel, § 323 a Rn. 220. 64 s. hierzu die Darstellung im 2. Kapitel, li. 6. b) m. w. N. 65 Otto, Jura 1986, 478, 485; so auch Geister, S. 430. 66 Vgl. zur Schuldzurechnungsregel als einer Auslegungshilfe des Deliktstatbestands des § 323 a bereits o. 2. Kapitel, li. 6. b) a. E. 59

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I. Die Argumente für die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts

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ein Rücktritt grundsätzlich möglich ist. Damit stellt sich die Problematik der Anwendung der Rücktrittsvorschriften auf einen straflosen Versuch bereits nicht, wird diese umgangen.

5. Versuch eines Resümees der die Möglichkeit eines Rücktritts bejahenden Literatur Wenngleich die im Schrifttum für die Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts vorgetragenen Ansichten nahezu alle von unterschiedlichen Auslegungen der Vorschrift des § 323 a ausgehen, so kristallisieren sich doch im wesentlichen drei verschiedene Begründungsmuster heraus. Ganz überwiegend ist es der Gedanke einer im Rücktritt von der versuchten Rauschtat zum Ausdruck kommenden geringeren Gefährlichkeit des Rausches bzw. des Rauschtäters, von dem aus - je nach dem zu § 323 a vertretenen Standpunkt auf unterschiedliche Weise - die Straflosigkeit des Täters wegen des schuldhaften Sichberauschens gefolgert wird 67 ; sei es, daß hierbei ausgehend von einer Indiz68 - oder Beweisfunktion69 der Rauschtat für die Gefährlichkeit des Rausches diese rückwirkend als widerlegt angesehen wird, sei es, daß (ebenfalls rückwirkend) die für den objektiven Tatbestand als erforderlich angesehene Gefährlichkeit des Sichberauschens verneint wird70. Während sich der Begründung des Rücktritts allein mit dem Entfallen eines kriminalpolitischen Strafbedürfnisses (Grasmann) soweit ersichtlich niemand angeschlossen hae 1, fand das dritte Argument, die Schulduofähigkeit müsse die einzige Ursache der Straflosigkeit des Täters wegen der Rauschtat sein, vermehrt Zuspruch72 . Die § 323 a inhaltlich als eine Zurechnungsregel verstehende Literaturansicht soll aus den oben73 erwähnten Gründen nicht weiter verfolgt werden. 67 So Domning, Blei, Mitsch, Ranft, Geister, Spende/, grundsätzlich auch Cramer. der jedoch das Erfordernis der Rauschbedingtheit der Gefährlichkeit verneint (s.o. Fn. 32). 68 So Domning, Blei und Mitsch. 69 So Spende/. 70 So Ranft und Cramer. 71 Ob mit dem Schlußsatz Hartls (S. 196), in den Fällen des Rücktritts von der versuchten Rauschtat .,zeigt sich somit die Funktion der Rauschtat, eine Begrenzung strafwürdiger Fälle herbeizuführen", jener Gedanken Grasmanns aufgegriffen und geteilt werden sollte, kann aufgrund der knappen Ausführungen Hartls nicht mit Sicherheit gesagt werden. Zur strafbarkeilsbegrenzenden Funktion der Rauschtat vgl. o. 2. Kapitel, II. I. b) aa). 72 Dencker, Horn, Mitsch, Paeffgen, Otto. 73 s. hierzu die Darstellung im 2. Kapitel, II. 6. a) 9*

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3. Kap.: Die Stellungnahmen des Schrifttums

Von ihr ausgehend läge infolge der Ausnahme oder Einschränkung des § 20 bereits kein strafloser Versuch vor und damit entstünde die vorliegende Problematik nicht, da es nach dieser Ansicht bereits direkt zu einer Strafbarkeit wegen der versuchten Rauschtat käme, nicht aber zu einem Rücktritt des schuldunfähigen Täters von der versuchten Rauschtat im Rahmen des § 323a. Ob für diejenige Ansicht, welche die Norm zumindest formal als Gefährdungsdelikt, inhaltlich jedoch als Zurechnungsregel versteht74 , anderes gelten kann, sei einer späteren Betrachtung vorbehalten.

II. Die Begründungen gegen die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts von der versuchten Rauschtat Im gesamten Schrifttum waren nur zwei Stimmen zu finden, die eine unmittelbare wie auch entsprechende Anwendung der Rücktrittsvorschriften auf die versuchte Rauschtat ablehnen.

1. Die Kritik Neumanns Neumann, der in § 323 a ausdrücklich keinen Straftatbestand, sondern eine Ausnahme von § 20 sieht75 , kritisiert an der h.M. u.a., daß sich die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts nicht mit der gleichzeitigen Annahme, § 323 a sei ein (Gefahrdungs)Tatbestand, in Einklang bringen lasse - und zwar unabhängig von der Interpretation der Norm als einem Straftatbestand.

Gegen die "Wortlaut"76-Argumentation77 Denckers und Horns macht Neumann geltend, sie widerstreite der Deutung des § 323 a als abstraktes Gefährdungsdelikt, da dem Rausch nicht als einem allgemeingefährlichem Zustand, sondern als strafausschließendem Umstand Bedeutung zugemessen s. hierzu die Darstellung im 2. Kapitel, II. 6. b) m. w. N. s. hierzu die Darstellung im 2. Kapitel, II. 6. a) m. w. N. dort in Fn. 219. Neumann hält damit - von seinem Standpunkt aus - zwar den Rücktritt von der versuchten (Rausch)Tat für möglich; das ist jedoch - wie soeben erläutert - ein Rücktritt von einer versuchten Straftat, nicht aber ein solcher von der versuchten Rauschtat im Rahmen des § 323 a. Gleichwohl interessiert Neumanns Kritik an der Rechtsprechung und der sie begründenden h. L.; daß er mit seinen Ausführungen nicht - wie die bislang dargestellten Vertreter des Schrifttums - seine eigene Meinung begründet, sondern eine andere kritisiert, ist hier ohne Belang. 76 Zu ihr sei auf die Ausführungen in Fn. 23 verwiesen. 77 s. hierzu die Darstellung im 3. Kapitel, I. I. c) m. w. N. o. in Fn. 24. 74 75

II. Die Begründungen gegen die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts 133

werde78 . Zudem könne es für eine als Indiz der Gefährlichkeit des Rausches fungierende Rauschtat nicht auf die Gründe für deren Straflosigkeit ankommen, es sei denn, diese wären geeignet, jene Indizwirkung zu entkräften 79• Dem Rücktritt von der versuchten Rauschtat spricht Neumann eine solche Wirkung auch für den Fall ab, daß man den Grund der Strafaufhebung in dem geringeren verbrecherischen Willen und der geringeren Gefährlichkeit des Täters sieht. Übereinstimmend mit den Autoren, die eine Indizwirkung der Rauschtat grundsätzlich ablehnen 80 , ist Neumann der Ansicht, man könne von der Nicht-Realisierung einer Gefahr nicht auf deren Nicht-Vorliegen schließen 81 • Der Rücktritt liege in der freien Entscheidung des Täters, sei vom Standpunkt der Umwelt und der betroffenen Dritten aus gesehen zufallig82 ; daß ein Schaden zufällig nicht eintrete, widerlege nicht die Annahme einer Gefahr83 .

2. Die Argumentation Kuschs a) Das Normverständnis Kuschs Kusch ist im gesamten Schrifttum der einzige Autor, der § 323 a als Gefährdungsdelikt auffaßt und sich zugleich gegen einen Rücktritt von der versuchten Rauschtat ausspricht. Er vertritt hierbei die Ansicht von § 323 a als einem abstrakten Gefahrdungsdelikt in ihrer reinsten, konsequentesten und wohl auch strengsten Form, indem er das Unrecht der Tat ausschließlich im Sichberauschen erblickt84 und der Rauschtat keinerlei Unrechtsund Schuldrelevanz zukommen läßt - nicht einmal lediglich mittelbar in Form eines Indizes für die Gefährlichkeit des Rausches 85 . Strafgrund des Vollrauschtatbestandes sei allein die rauschbedingte Gefährlichkeit für alle strafrechtlich geschützten Rechtsgüter. Das Erfordernis einer Rauschtat für die Strafbarkeit begründet Kusch u. a. mit dem von ihm angenommenen generalpräventiven Strafzweck, der "sozialpädagogischen Wirkung" des Strafens. Diese werde bei einem folgenlos gebliebenen Sichberauschen nicht erzielt86, sondern nur durch einen Rausch, auf dessen "Gefährlichkeit Neumann, Zurechnung, S. 92. Neumann, Zurechnung, S. 92. 80 s. hierzu die Darstellung im 2. Kapitel, I. I. b) bb) m. w. N. dort in Fn. 40--43. 81 Neumann, Zurechnung, S. 66 f. ; 92; im gleichen Sinne auch Kusch, Vollrausch, S. 129. 82 Neumann, Zurechnung, S. 93. 83 Neumann, Zurechnung, S. 93. 84 Kusch, Vollrausch. S. 20, 59 ff. 85 Kusch, Vollrausch, S. 70 f., 73; vgl. aber im folgenden den Hinweis in Fn. 87. 86 Kusch, Vollrausch. S. 71 ff. 78

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3. Kap.: Die Stellungnahmen des Schrifttums

eine im Rausch begangene rechtsgutsverletzende Handlung deutlich hinweist"87.

b) Normstrukturelles Argument Gegen eine Anwendung der Rücktrittsvorschriften auf die versuchte Rauschtat macht Kusch zunächst geltend, es mute "eigentümlich an", Strafausschließungsgründe88 im Rahmen der Rauschtat zu erörtern, da diese lediglich ein Straftatmerkmal, nicht hingegen die Straftat selbst sei 89 . Wohl in die selbe Richtung zielt seine rhetorische Frage, was das für eine Strafbefreiung sei, bei einem Täter, dem ohnehin keine Strafe drohe90. c) Rauschtatausschluß durch Gefahrüberlagerung

Ausgehend davon, daß die Rauschtat als objektive Bedingung der Strafbarkeit im Gesamtgefüge des Vollrauschtatbestandes die Funktion habe, auf die Gefährlichkeit der Tathandlung, des Sichberauschens, hinzuweisen91 , hat Kusch das Prinzip der "Gefahrüberlagerung" entwickelt. Nach diesem Prinzip soll in Konstellationen, in denen neben der rauschbegründeten Gefahr eine weitere Gefahr gegeben ist, die Rauschtat stets dann "ausgeschlossen" werden, wenn sich in der die Rauschtat verwirklichenden Handlung neben der Rauschgefährlichkeit zugleich eine weitere, stärkere Gefahr realisiert92 . In derartigen Fällen könne die durch das Sichberauschen begründete Gefahr durch die andere rauschunabhängige Gefahr 87 Kusch, Vollrausch, S. 119. ähnlich auch S. 130. Die von Kusch hierbei vorgenommene Differenzierung ist - wenn überhaupt - nur schwer nachvollziehbar. Der eindeutigen und ausdrücklichen Stellungnahme, die Rauschtat sei kein Indiz für die Gefährlichkeit des Sichberauschens (a. a. 0 ., S. 70 f.), steht die im Zusammenhang mit der Rauschtat als objektiver Bedingung der Strafbarkeit getroffene Äußerung gegenüber, die im Rausch begangene rechtsgutsverletzende Handlung weise deutlich auf die Gefährlichkeit der Berauschung hin (a. a. 0., S. 119). Berücksichtigt man nun, daß jede Rauschtat zugleich eine solche im Rausch begangene rechtsgutsverletzende Handlung darstellt, stehen beide Aussagen im Widerspruch zueinander. Der Umstand, daß die eine Aussage im Zusammenhang mit dem Tatbestand im engeren Sinne, die andere im Zusammenhang mit einer objektiven Bedingung der Strafbarkeit getroffen wird, vermag über diesen Widerspruch nicht hinwegzuführen. 88 Kusch sieht im Rücktritt vom Versuch anders als die h. M. keinen Strafaufhebungs-, sondern einen Strafausschließungsgrund. Dieser Unterschied ist jedoch vorliegend ohne Bedeutung. g9 Kusch, Vollrausch. S. 128 f.: ebenso schon Ranft (s.o. Fn. 35): "dogmatisch widersinnig". 90 Kusch, NStZ 1994, 131, 132. 91 Kusch, Vollrausch, S. 119 ff., 130 ff. S. hierzu den Hinweis eben in Fn. 87. 92 Kusch, Vollrausch, S. 119, 130.

II. Die Begründungen gegen die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts 135

dergestalt überlagert werden, daß die Rauschtat nicht mehr als eine Realisierung der Rauschgefahr gesehen werden könne, damit ihre wesentliche Funktion verliere und deshalb "ausgeschlossen" werde93 . Das sei beispielsweise dann der Fall, wenn der Rauschtäter im defensiven Notstand (§ 228 BGB) eine Sache zerstöre oder im Rahmen der Notwehr einen rechtswidrigen Angriff abwehre, da in derartigen Konstellationen die von der Sache oder dem rechtswidrigen Angriff ausgehende Gefahr die Rauschgefahr in der Handlung des Täters als einer Reaktion auf diese überlagere. Weil mit der Rauschtat der Hinweis auf die Gefährlichkeit des Sichberauschens entfällt, gelangt Kusch in diesen Fällen zur Straflosigkeit des Täters. In der Gefahrüberlagerung sieht Kusch in seiner die Norm streng teleologisch auslegenden Arbeit die einzige Möglichkeit eines Ausschlusses der Rauschtat. Etwas verwunderlich ist, daß Kusch den Rücktritt von der versuchten Rauschtat einerseits im Kapitel "Rauschtatausschluß durch Gefahrüberlagerung" neben Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründen aufgenommen hat, andererseits jedoch seine ablehnende Ansicht nicht mit dem eben dargestellten Argument begründet, was sich schnell erledigen ließe und an dieser Stelle nachgeholt sei: Beim Rücktritt vom Versuch der Rauschtat fehlt bereits eine zweite, rauschunabhängige Gefahr, die sich in der Handlung des Täters realisieren könnte, weshalb ein Fall der Gefahrüberlagerung a priori ausgeschlossen, nicht denkbar ist. Der Rücktritt von der versuchten Rauschtat würde nach dieser Ansicht die Rauschtat nicht "ausschließen", da die Rauschtat durch den Rücktritt ihre Eigenschaft, auf die Gefährlichkeit des Sichberauschens hinzuweisen, nicht verliert.

d) Fehlende Freiwilligkeit Nicht mit seinem Prinzip der Gefahrüberlagerung argumentiert Kusch gegen eine strafbefreiende Wirkung des Rücktritts, sondern damit, der Rauschtäter könne nicht freiwillig im Sinne der Rücktrittsdogmatik handeln. Kusch geht also unmittelbar von der vorrangigen und grundsätzlichen Frage der generellen Möglichkeit eines Rücktritts auf die sich hieran anschließende Folgefrage des Vorliegens der Rücktrittsvoraussetzungen über. Das Abstehen eines schwer Bewußtseinsgestörten von der weiteren Tat könne nicht im gleichen Sinne als autonom verstanden werden, wie dies beim Nichtberauschten für die Freiwilligkeit des Rücktritts vorausge93 Auf eine Darstellung des von Kusch entwickelten und präzisierten zweistufigen Verfahrens zur Ermittlung einer tatsächlichen Gefahrüberlagerung im konkreten Einzelfall (a. a. 0., S. 121 ff. , 130 ff.) wird hier verzichtet, da es für die Frage des Rücktritt darauf - wie gleich zu zeigen sein wird - nicht ankommt.

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3. Kap.: Die Stellungnahmen des Schrifttums

setzt werde94 . Der Rücktritt des Berauschten als ein gleichsam zufälliges Ereignis könne die versuchte Rauschtat nicht ausschließen 95 . Die Unvereinbarkeit von Schuldunfähigkeit und Freiwilligkeit bleibt bei Kusch in gleicher Weise letztlich unbegründet wie die gegenteilige Behauptung durch die Rechtsprechung96.

111. Resümee - Klärung der offenen Fragen durch die Argumente des Schrifttums? An dieser Stelle sei nun erstmals Bilanz gezogen, überlegt, ob und inwieweit die im Schrifttum für einen strafbefreienden Rücktritt von der versuchten Rauschtat vorgetragenen Argumente die nach der Betrachtung der Rechtsprechung offen geblieben Fragen zu beantworten vermögen.

1. Rücktritt trotz fehlender Rücktrittsvoraussetzungen Der doch offensichtlichen Systemwidrigkeit der Anwendung eines Strafaufhebungsgrundes auf eine (tatsächlich oder nicht ausschließbar) schuldlos begangene und bereits deshalb nicht strafbare Tat wird im Schrifttum kaum Beachtung geschenkt, jedenfalls werden Bedenken hiergegen nicht geäußert. Gleiches gilt für die Erstreckung der Rechtsfolgen des Rücktritts (Aufhebung der Versuchsstrafbarkeit) auf die Strafbarkeit des Täters wegen vollendeten (Vollrausch)Deliktes. Im Vordergrund der Argumentation steht vielmehr überwiegend die (sc. angebliche) Auswirkung eines Rücktritts auf die Gefährlichkeit des Rausches bzw. des Rauschtäters. Die Möglichkeit eines Rücktritts von der versuchten Rauschtat wird also nicht - wie sonst - nach dessen allgemeinen in der Rücktrittsdogmatik entwickelten Voraussetzungen bestimmt, sondern nach seinen Auswirkungen und Rechtsfolgen. Letztere können jedoch stets 94 Kusch, Vollrausch, S. 128; ders. , NStZ 1994, 131, 132: es stelle eine "unlösbare Denksportaufgabe" dar, einem schwer Bewußtseinsgestörten die Freiwilligkeit des Rücktritts nachzuweisen. 95 Kusch, Vollrausch, S. 129. 96 Während sich das Reichsgericht insoweit lediglich auf den Satz, ein freiwilliger Rücktritt "wäre auch im Zustande der Zurechnungsunfähigkeit möglich" (HRR 1936 Nr. 1149) beschränkte, behauptete der BGH in der Folgezeit stets die Vereinbarkeit der Freiwilligkeit mit der Zurechnungs- bzw. Schuldunfähigkeit (BGH MDR/D 1971, 362; Beschl. v. 27.5.1998 - 5 StR 717/97) oder nahm jene inzident, ohne mit einem Wort hierauf einzugehen, an (BGH NStZ 1994, 131; StV 1994, 304, 305). Wie bereits an früherer Stelle (s.o. I. Kapitel II. 2. b a. E.) angemerkt, soll zu dieser sich erst als Folgeproblem stellenden Frage im Rahmen dieser Arbeit nicht Stellung genommen werden.

III. Resümee

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nur das Ergebnis der Rechtsanwendung, nie aber deren Maßstab sein. Jene Vorgehensweise ist keine Rechtsanwendung, hängt die Anwendbarkeit einer Vorschrift doch vom Vorliegen ihrer Voraussetzung(en) ab, nicht hingegen davon, ob deren Rechtsfolgen dem Rechtsanwender gerade "passend", "zutreffend", "angemessen" oder "richtig" erscheinen. Wenn dabei- um nur ein Beispiel aufzugreifen- der im Schrifttum erhobene Einwand, daß ein strafaufhebender Rücktritt von einem wegen Schuldunfähigkeit des Täters straflosen Versuch nicht logisch sei97 , als eine "formale" Betrachtungsweise abgekanzelt wird98 und allein zum Zwecke der Erreichung des für richtig gehaltenen Zieles beim Rücktritt auf die dem Täter wegen des vollendeten Vollrauschtatbestandes drohende Strafe abgestellt wird, ist in diesem Punkt jegliche Systematik preisgegeben. Soweit im Schrifttum jener offene Widerspruch erkannt und deshalb eine (immerhin nur) lediglich "entsprechende" oder "analoge" Anwendung der Rücktrittsvorschriften befürwortet wird, hat sich allein Hart/ um eine Begründung bemüht. Die für eine analoge Anwendung erforderliche Vergleichbarkeit der Voraussetzungen (nochmals ausdrücklich: nicht der Rechtsfolgen!) der Vorschrift mit den Gegebenheiten des rechtlich zu beurteilenden Sachverhaltes will Hart/ allein damit begründen, daß die Rauschtat eine rechtswidrige und tatbestandsmäßige Tat erfordere und mit dieser eine vergleichbare, eine Analogie rechtfertigende Interessenlage vorliege99 . Worin jene Vergleichbarkeit besteht, wird hierbei allerdings nicht näher begründet. Die lediglich rechtswidrige Tat ist hinsichtlich der Anwendbarkeit eines Strafaufhebungsgrundes mit einer auch schuldhaft begangenen Straftat nicht vergleichbar, da ein strafbarer Versuch für einen als Strafaufhebungsgrund verstandenen Rücktritt denknotwendig die primäre Voraussetzung ist. Dieses erste und grundlegende Bedenken gegen eine - und sei es auch nur entsprechende - Anwendbarkeit der Rücktrittsvorschriften vermochte das Schrifttum nicht zu zerstreuen. Die Voraussetzungen einer analogen Anwendung der Rücktrittsvorschriften auf die versuchte Rauschtat wurden nicht einmal ansatzweise geprüft.

97 98 99

Kusch, NStZ 1994, 131 f. Geisler, S. 429; s. hierzu nochmals die Anmerkung in Fn. 48. Hanl, S. 194.

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3. Kap.: Die Stellungnahmen des Schrifttums

2. Die Gefahr-Relevanz eines Rücktritts von der versuchten Rauschtat a) Die geringere Gefährlichkeit des von der Rauschtat zurücktretenden Täters Jedoch selbst dann, wenn man die Möglichkeit eines Rücktritts von der versuchten Rauschtat unterstellt, vermögen die Ausführungen über dessen Auswirkungen auf die Gefahrlichkeit des Rausches bzw. Rauschtäters nicht zu überzeugen. Hierbei wäre die Argumentation Domnings am ehesten geeignet, die Rechtsprechung zu begründen, da sie vom selben Normverständnis des § 323 a ausgeht: einem abstrakten Gefahrdungsdelikt mit der Rauschtat als objektiver Bedingung der Strafbarkeit und zugleich als einem Indiz für die Gefährlichkeit des Sichberauschens bzw. des Rauschtäters. Aber auch die argumentativen Ausführungen derer, die im Vollrauschtatbestand ein konkretes Gefährdungsdelikt sehen (Cramer, Ranft u. a.), sind, was die Stellungnahme zu der rücktrittsbedingt verminderten Gefährlichkeit betrifft, in die Betrachtung mit einzubeziehen, unterscheiden sie sich letztlich doch nur durch das unterschiedliche Normverständnis in der Begründung der mittelbaren Tatbestandsrelevanz des Rücktritts von der Ansicht Domnings. Der Rücktritt vom Versuch gewährt als persönlicher Strafaufhebungsgrund dem Täter für das freiwillige Abstehen von der noch nicht vollendeten Tat Straffreiheit. Ohne hierbei jedoch Geschehenes ungeschehen zu machen - dies wäre eine Fiktion! -, wird lediglich die ansonsten eingreifende Rechtsfolge aufgehoben. Der Rücktritt läßt die Bestrafbarkeil des Täters, den staatlichen Strafanspruch, wegen eines versuchten Delikts entfallen - mehr jedoch auch nicht. Deshalb verwundert es, in welcher Weise dem Rücktritt im Schrifttum eine rückwirkende Auswirkung auf eine bereits eingetretene, und damit existente Gefahrensituation zugeschrieben wird. Besonders deutlich wird dies etwa bei Hart/, der zunächst Strafaufhebungsgründe als nach der Tat eintretende Umstände bezeichnet, die eine bereits eingetretene Strafbarkeit rückwirkend wieder beseitigen, sodann aber als Folge eines freiwilligen Rücktritts die versuchte Rauschtat als solche (also etwas Geschehenes, ein Faktum!) - wenn auch nur gedanklich - entfallen Jassen wi11 100• Ansonsten wird im Schrifttum aus dem Rücktritt der Schluß gezogen, der Täter habe einen geringeren verbrecherischen Willen, sei deshalb weniger 100

Hart/, S. 194.

III. Resümee

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gefährlich. Während jene Begründung für die Straffreiheit des freiwillig vom Versuch zurücktretenden schuldfähigen Täters nicht bezweifelt werden soll, kann den vom Schrifttum hieraus gezogenen Schlußfolgerungen für die Gefährlichkeit des Täters bzw. der Tathandlung im Rahmen des Vollrauschtatbestandes nicht zugestimmt werden. Allem voran sei zunächst jene ratio der Straffreiheit des Rücktritts genauer betrachtet. So heißt es in der insoweit grundlegenden Entscheidung des BGH: "Der verbrecherische Wille eines Täters, der von dem begonnenen Versuch freiwillig absieht, ist nicht so stark, wie es zur Durchführung der Tat erforderlich gewesen wäre. Seine Gefährlichkeit, die im Versuch zunächst zum Ausdruck gekommen ist, erweist sich nachträglich als wesentlich geringer. Aus diesem Grund sieht das Gesetz davon ab, den Versuch ,als solchen' zu ahnden." 101 Die Gefährlichkeit des Täters erweist sich demnach also lediglich als geringer, nicht etwa - mit Wirkung ex tune oder ex nunc - als nicht vorhanden! Sieht man - wie st. Rspr. und h. L. - in § 323 a ein abstraktes Gefährdungsdelikt, also die rauschbedingte Gefährlichkeit als den Strafgrund an, so würde diese durch den Rücktritt von der versuchten Rauschtat keinesfalls aufgehoben, gleich welche mittelbare Gefahrfunktion (Indiz, Beweismittel o. ä.) man der Rauschtat auch immer zuspricht. Wie vermag dann aus dem Rücktritt von der versuchten Rauschtat eine Straffreiheit wegen der Herbeiführung eines gefährlichen Rausches gefolgert werden, wenn doch ein abstraktes Gefährdungsdelikt lediglich eine vom Gesetzgeber als gefährlich eingestufte und deshalb strafbewehrte Handlung voraussetzen soll, ohne daß hierbei graduell in mehr oder weniger gefährliche Handlungen unterschieden wird? Festzuhalten bleibt, daß der Rücktritt die in der Rauschtat enthaltene Gefahr allenfalls vermindert, nicht aber - ex post - ausschließt. Zweifel an den vom Schrifttum gezogenen Schlüssen bestehen auch in zeitlicher Hinsicht. Der Rücktritt vom Versuch einer Straftat ist zunächst eine "innere Kehrtwende" des Täters von dem qua definitione im Talentschluß enthaltenen Willen zur Verwirklichung des gesamten Tatbestandes hin zum Streben nach der Vermeidung des Eintritts des tatbestandliehen Erfolges, der Nichtvollendung des jeweiligen (nur versuchten) Delikts. Dieser nach außen hin etwa im Aufgeben der Tat (§ 24 Abs. I S. I I. Alt.) oder im Verhindem von deren Vollendung (§ 24 Abs. 1 S. 1 2. Alt.) objektiv manifestierte Wandel muß zwingend (!) der Tathandlung des unmittelbaren Ansetzens i. S. des § 22 zeitlich nachfolgen. Mindestens bis zu diesem Zeitpunkt besteht eine Gefahr für das vom Täter angegriffene strafrechtlich geschützte Rechtsgut bzw. ggf. auch für das jeweilige Handlungsobjekt, d. h. ein Zustand des wahrscheinlichen Erfolgseintrittes, sei letzterer 101

BGHSt 9, 48, 52.

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3. Kap.: Die Stellungnahmen des Schrifttums

ein Verletzungs- oder ein Gefährdungserfolg. Selbst wenn man nun im Rücktritt eine geringere Gefährlichkeit des Täters erblickt, so tritt jene Verringerung der Gefährlichkeit, d.h. jene Verringerung der Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintrittes, erst im Zeitpunkt des Rücktritts ein; genauer: mit dem Gesinnungswandel der Rauschtäters und dessen Manifestation, sprich Umsetzung. Und das mit Wirkung ex nunc, da der Rücktrittswille, aus dem die geringere Gefährlichkeit geschlossen wird, erst nach der Tathandlung gebildet und ins Werk gesetzt worden ist; läge er bereits mit dieser zum gleichen Zeitpunkt vor, wäre ein Tatentschluß des Täters nicht gegeben. Der Zeitpunkt des Rücktritts bildet folglich (nur) einen markanten Wendepunkt. Im Ansatz erkannt hat dies bereits Domning, der eine Anwendung anderer Strafaufhebungsgründe auf die Rauschtat als den des Rücktritts im Rahmen des Vollrauschtatbestandes mit dem Argument abgelehnt hat, "daß Umstände, die erst nach Ausführung der Handlung eintreten, auf die zur Zeit der Tat vorhandene Gefährlichkeit des Unzurechnungsfähigen keinerlei Einfluß ausüben können" 102 . Wenn Domning im Anschluß darangleichwohl eine "Sonderbehandlung" des Rücktritts mit der Präsumtion des geringeren verbrecherischen und deshalb zugleich minder gefährlichen Willens des Rauschtäters begründet 103 , übersieht er zumindest den dargestellten zeitlichen Aspekt. Der verbrecherische Wille ist nicht bis in den Zeitpunkt der tatbestandsmäßigen Handlung zurück minder gefährlich, sondern erst ab dem Rücktritt. Die hier für wesentlich erachtete zeitliche Differenzierung und die daraus folgende, auf den Zeitpunkt der Rücktrittshandlung bezogene ex-nunc-Wirkung einer rücktrittsbedingten Gefahrverminderung entspricht zudem auch einer objektiven, lebensnahen Betrachtung jener Fallkonstellationen. Ganz zu Unrecht bezeichnet Neumann sein Fallbeispiel, in dem ein Betrunkener sich mit geschwungenem Messer auf einen Menschen stürzt und dem Fliehenden dann nachsetzt, um ihn zu töten, erst kurz vor Erreichen seines Opfers zur Besinnung kommt und von ihm abläßt, als "extrem'" 04 . Es mag zwar sehr anschaulich und drastisch geschildert sein, steht jedoch deshalb der Realität, dem "wahren Leben", etwa jenem der letzten einschlägigen Entscheidung des 5. Strafsenats 105 zugrunde gelegenen Sachverhalt in nichts nach. Niemand kann ernsthaft bestreiten, daß sich das Tatopfer, auf das der volltrunkene Täter von dem Balkon seiner Wohnung aus mehrmals schoß, ohne zu treffen, zu diesem Zeitpunkt in - einer sogar konkreten! -

102 103 104 105

Domning, S. 67 f. Domning, S. 69. Neumann, Zurechnung, S. 92. BGH NStZ-RR 1999, 8; zum Sachverhalt s.o. I. Kapitel, li. I. d).

III. Resümee

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Lebensgefahr befunden hat. Durch ein in die Tat umgesetztes "Aufgeben" des Tatentschlusses des Rauschtäters mag jene Gefahrenlage enden. Behaupten zu wollen, das Tatopfer habe sich in keiner Gefahr befunden oder der Täter sei nicht gefährlich gewesen, könnte man nicht nur dem jeweiligen Tatopfer selbst nicht erklären. Es liefe auf eine bare, dem Strafrecht fremde Fiktion hinaus. Mit dem Rücktritt von der versuchten Rauschtat mag die rauschbedingte Gefährlichkeit des Täters geringer werden. Da nach dem Vollrauschtatbestand der Täter jedoch wegen der von ihm schuldhaft verursachten rauschbedingten Gefährlichkeit (nach a. A. sogar wegen der konkreten rauschbedingten Gefahr) bestraft wird, jene eingetreten ist und sich im Versuch der Rauschtat realisiert hat, der Tatbestand damit vollendet ist, vermag ein später die Gefährlichkeit mit der Wirkung ex-nunc lediglich reduzierender oder beendender Rücktritt an der Strafbarkeit nach § 323 a nicht zu ändern. Selbst bei einem konkreten Gefährdungsdelikt, das den Eintritt einer Gefahr für die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes voraussetzt, endet diese Gefahr zu irgendeinem Zeitpunkt - ohne daß dies für die Vollendung des Tatbestandes oder für die Bestrafbarkeil des Täters von irgendeiner Bedeutung wäre. Um so weniger kann man an ein abstraktes Gefährdungsdelikt, dessen Handlung sich - nach Ansicht der Rechtsprechung und der h. M. erst durch einen Umstand (hier: die Rauschtat) als gefährlich erweisen muß, die Anforderung stellen, diese Qualifizierung müsse dauerhaft oder zumindest von einer bestimmten Dauer sein.

b) Der geringere "verbrecherische Wille" des von der Rauschtat zurücktretenden Täters Ein weiteres gilt es zu bedenken, wenn man eine Anwendung der Rücktrittsvorschriften auf die versuchte Rauschtat in Betracht zieht: Jene auch von der Rechtsprechung vertretene, auf den geringeren verbrecherischen Willen und die geringere Gefährlichkeit des Täters zurückgreifende Begründung der strafaufhebenden Wirkung des Rücktritts wurde für den "Prototyp" des Rücktritts vom Versuch, die unmittelbare Anwendung der Rücktrittsvorschriften geschaffen, d.h. den freiwilligen Rücktritt des Täters vom Versuch einer Straftat mit einer gerade und nur die Bestrafbarkeil des Versuchs aufhebenden Wirkung 106 . Folglich kann mit jenem "verbrecherischen Willen" auch stets nur der im Versuch der jeweiligen Straftat zum 106 Dieser Satz hört sich gewiß wie eine "Binsenweisheit" an. Die von der Rechtsprechung praktizierte und von der h. L. gebilligte "analoge" Anwendung der Rücktrittsvorschriften auf die versuchte Rauschtat, durch welche in letzter Konsequenz die wegen des vollendeten Vollrauschs verwirkte Strafe aufgehoben werden können soll, zwingt jedoch dazu, hieran zu erinnern.

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3. Kap.: Die Stellungnahmen des Schrifttums

Ausdruck kommende und im Tatentschluß enthaltene Wille zur Verwirklichung desjenigen Deliktes gemeint sein, das zu verwirklichen der Täter den Entschluß gefaßt und zu dem der Täter unmittelbar i. S. des § 22 angesetzt hat. Tritt der Täter etwa von einem versuchten Totschlag zurück, so zeigt sich - nach dieser Ansicht - darin, daß sein verbrecherischer Wille zur Begehung eines Totschlags nicht intensiv genug, nicht so stark war, wie es zur Vollendung erforderlich gewesen wäre. Deshalb soll eine Bestrafbarkeil wegen des versuchten Totschlags entfallen. Der zur Begründung der Straffreiheit argumentativ herangezogene "verbrecherische Wille" ist also kein allgemeiner und genereller, sondern - insoweit ähnlich dem Vorsatz und vergleichbar mit der Schuld(un)fähigkeit - stets auf ein bestimmtes Delikt bezogen. Dies vor Augen, erhebt sich neben den bereits erwähnten Bedenken ein weiteres. Der in der Verwirklichung des die Grundlage der Strafbarkeit bildenden § 323 a zum Ausdruck kommende verbrecherische Wille des Täters, sich in einen Rauschzustand zu versetzen und dadurch eine Gefahrenquelle für eine Vielzahl von Rechtsgütern zu begründen, wird durch den Rücktritt von der versuchten Rauschtat nicht nur nicht aufgegeben, sondern nicht einmal berührt. Denn mit dem Rücktritt distanziert sich der Rauschtäter nur von der versuchten Rauschtat als solcher, nicht hingegen zugleich auch von dem schuldhaft herbeigeführten Rausch. Der die Strafbarkeit des Täters wegen Vollrauschs (mit)begründende verbrecherische Wille wird - versteht man den Vollrauschtatbestand als ein abstraktes Gefährdungsdelikt - vom Rücktritt nicht betroffen. Somit läßt sich eine Auswirkung jenes Rücktritts auf die Strafbarkeit des Täters wegen Vollrausches zumindest nicht auf diese Weise begründen. Der in der Verwirklichung des Vollrauschtatbestandes zum Ausdruck kommende und jener der Rauschtat zu Grunde liegende verbrecherische Wille sind, da sie sich auf zwei unterschiedliche Tatbestände mit jeweils unterschiedlichem Unrechtsgehalt beziehen, auch zwei verschiedene mit einem je eigenständigen "Schicksal". Mit dem Rücktritt mag der Täter beweisen, oder mag zugunsten des Täters davon ausgegangen werden, daß sein verbrecherischer Wille zur Verwirklichung der Rauschtat nicht so ausgeprägt war, wie dies der Versuch zunächst hat vermuten lassen, tatsächlich nur so gering war, daß es einer Bestrafung wegen der versuchten Straftat nicht bedarf. Wie jedoch läßt sich vor diesem Hintergrund die mit der analogen Anwendung der Rücktrittsvorschriften zwangsläufig verbundene Erstreckung der strafaufhebenden Wirkung auf den vollendeten Vollrauschtatbestand rechtfertigen, hinsichtlich dessen der verbrecherische Willen des Täters unverändert geblieben ist, der nicht einmal vermindert, geschweige denn aufgegeben wurde? Diese Frage müßte bei einer analogen Anwendung der Rücktrittsvorschriften beantwortet werden.

III. Resümee

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Die Begründungen des Schrifttums für eine Anwendung der Rücktrittsvorschriften auf die versuchte Rauschtat überzeugen auch unter dem Aspekt der Gefahrrelevanz des Rücktritts für die Tatbestandsverwirklichung zusätzlich zu der fehlenden Rücktrittssituation - nicht.

3. Das Wortlautargument Die ausführlich von Dencker entwickelte, aber auch von anderen vertretene These, die Schuldunfahigkeit des Rauschtäters müsse die einzige Ursache für die Straflosigkeit der Rauschtat sein, wirkt etwas bemüht. Der Argumentation, der Rauschtäter werde in den Konstellationen des Rücktritts von der versuchten Rauschtat nicht wegen der fehlenden Schuldfahigkeit, sondern aufgrund der strafbefreienden Wirkung des Rücktritts nicht bestraft, sind gewisse Züge eines "Taschenspielertricks" zu eigen. Beides macht das Argument schwer nachvollziehbar, wenn man in § 323 a einen Straftatbestand, nicht hingegen eine Ausnahme von § 20 für die Konstellationen der verschuldeten Schuldunfähigkeit sieht 107. Prämisse für den Ansatz von Dencker ist die Suggestion, es gebe überhaupt einen strafbefreienden Rücktritt des Schuldunfähigen von seinem schuldunfähig begangenen und bereits deshalb straflosen Versuch; die Vorstellung, man könne die Gründe der Straflosigkeit beliebig kumulieren. Das geht jedoch zumindest bei solchen (hier im weitesten Sinne verstandenen) Strafausschließungsgründen nicht, die gewisse Voraussetzungen an die Handlung, die Tat stellen, auf die sie angewandt werden. So setzt ein Rechtfertigungsgrund eine den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklichende Handlung voraus, ein Entschuldigungsgrund in gleicher Weise eine tatbestandsmäßige und rechtswidrige Handlung wie ein strafaufhebender Rücktritt einen tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen und schuldhaft begangenen Versuch eines als solchen strafbedrohten Delikts. Scheitert die durch eine bestimmte Handlung möglicherweise in Betracht kommende (Be)Strafbarkeit bereits an einer bestimmten ersten, straftatsystematisch logisch vorausgehenden Voraussetzung, so sind weitere, die diese erste voraussetzen, ohne Relevanz 108 . s. hierzu die Darstellung im 3. Kapitel, I. 4. Zur Verdeutlichung folgendes Beispiel, ein etwas weiterentwickelter SchulFall zum aggressiven Notstand: Spaziergänger S wehrt einen ihn angreifenden wilden Fuchs mit dem ihm von seinem Nachbarn geliehenen Regenschirm so vehement ab, daß der Schirm, den er irrig für den eigenen hält, beschädigt wird. Eine Strafbarkeit des S wegen Sachbeschädigung scheidet in diesem Falle wegen des Talumstandsirrtums nach § 16 Abs. I S. I aus, da S bei Begehung der Tat Umstände nicht kannte, die zum gesetzlichen Tatbestand des § 303 Abs. I gehören. Geradezu befremdend wäre es, die Straflosigkeit des S nun darüber hinaus auch mit dem ag107 108

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3. Kap.: Die Stellungnahmen des Schrifttums

Der Rücktritt des schuldlos Handelnden von seinem "Versuch" ist systematisch wie dogmatisch gesehen ein "Unding". Ein weiterer Grund gegen jene Argumentation ist deren In-AnspruchNahme des Wortlauts der Norm. Selbst wenn man einmal von der Möglichkeit eines Rücktritts ausgeht, ist die im Schrifttum vertretene Auffassung für die Erheblichkeil eines Rücktritts von der Rauschtat dem Wortlaut nicht so zwingend zu entnehmen, wie etwa Dencker und Otto dies behaupten. Die im Gesetz festgelegte Voraussetzung, daß der Täter wegen der Rauschtat nicht bestraft werden kann, weil er rauschbedingt schuldunfähig war oder dies nicht auszuschließen ist, formuliert mit dem Wort "weil" nichts weiter als die Ursächlichkeil der Schuldunfahigkeit des Täters für seine Straflosigkeit hinsichtlich der im Rausch begangenen Tat. Ohne nun hier auf die Voraussetzungen der Kausalität näher einzugehen, sei angemerkt, daß auch mehrere Bedingungen für einen Erfolg kausal sein können und unter Zugrundelegung der Äquivalenztheorie mehrere Ursachen gleichwertig sind, die gleiche Bedeutung haben. Sollte man nun - was hier bestritten wird! - den Standpunkt vertreten, der Täter könne von der versuchten Rauschtat zurücktreten, so wäre jenes im Schrifttum propagierte Erfordernis der ausschließlichen Ursächlichkeil der Schuldunfähigkeit des Täters für die Straflosigkeit der Rauschtat dem Gesetzestext jedenfalls nicht zu entnehmen. Daß von mehreren Bedingungen nur eine einzige als für den Erfolg ursächliche gelten soll, wäre ausgehend von der allgemeinen Kausalitätslehre jedenfalls eine erhebliche Ausnahme, für die es einen Anhaltspunkt geben müßte. Zwar liefert Dencker mit dem Text seiner "Leseempfehlung" der Norm, des letzten Halbsatzes des § 323 Abs. 1109 eine Begründung und hiervon ausgehend wäre Dencker auch zuzustimmen. Jedoch liegt jener Interpretation - wie bereits angemerkt 110 - nicht der Gesetzeswortlaut zugrunde, sondern ein diesen wesentlich einschränkender und damit erheblich verändernder Text. Somit vermag auch das angebliche "Wortlaut"-Argument des Schrifttums nicht zu überzeugen, nicht weiterzuführen und auch die von der Rechtsprechung versäumte Begründung nicht zu liefern. Da die im Schrifttum vorgetragenen Argumente für eine Anwendbarkeit der Rücktrittsvorschriften auf die versuchte Rauschtat allesamt aus den dargelegten Gründen nicht überzeugen, d. h. die aufgezeigten Unstimmigkeiten und Widersprüche nicht aufzulösen vermögen, wird im folgenden, dem Hauptteil dieser Arbeit, die Frage des Rücktritts von der versuchten Rauschtat mit Hilfe der Auslegung des § 323 a zu klären versucht. gressiven Notstand (§ 904 BGB) begründen zu wollen, oder gar mit einem fehlenden erforderlichen Strafantrag oder der Nichtbejahung des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung (§ 303 c). 109 s.o. 3. Kapitel, I. I. c ). 11 0 s. die Anmerkung in Fn. 23.

4. Kapitel

Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.) I. Der sachliche und zeitliche Umfang der normhistorischen Betrachtung Der Weg der Entstehung einer Norm muß notwendigerweise von deren Nichtexistenz ausgehen. Gegenstand der historischen Betrachtung ist daher zunächst der vom späteren Vollrauschtatbestand erfasste Lebenssachverhalt, die Situation, daß sich ein Mensch in einen Rauschzustand versetzt, der seiner Bestrafbarkeil wegen einer in diesem Zustand begangenen Tat entgegensteht. Von diesem Ausgangspunkt aus ist zu untersuchen, wie jene Fallgestaltung vor der Schaffung dieses Straftatbestandes, d. h. ohne ihn, rechtlich geregelt war, welche Rechtsfolgen an ihn geknüpft waren. Hierbei spielt die Ursache für die Straflosigkeit des volltrunkenen Täters, seine Unzurechnungsfähigkeit (später: Schuldunfähigkeit), eine zentrale Rolle. Da sie in einer gewissen Weise für den Vollrauschtatbestand vorausgesetzt wird, ist sie mit ihm untrennbar verbunden. Die Frage des Vollrauschs ist daher stets zugleich auch eine Frage der Zurechnungs(un)fähigkeit. Sie muß daher am Ausgangspunkt der Betrachtung stehen. Wegen seiner insoweit auch historisch zentralen Bedeutung sei das Hauptaugenmerk hierbei - erneut - auf den Alkohol(rausch) gerichtet. Desgleichen soll auch wiederum die actio libera in causa als eine diese Arbeit nicht zentral berührende Rechtsfigur überwiegend außer Betracht bleiben 1• Damit bleibt als sachlicher Ausgangspunkt der Betrachtung der historischen Entwicklung des § 323 a die Konstellation, daß sich der Täter in einen seine strafrechtliche Verantwortung ausschließenden alkoholischen Rausch versetzt und in diesem Zustand eine Tat begeht, ohne daß er vorher, d. h. im nicht berauschten Zustand, an die Begehung jener bestimmten Tat gedacht hat oder hätte denken sollen.

1 Eine umfangreiche Darstellung der historischen Entwicklung und der gesetzlichen (Nicht)Regelungen der actio libera in causa findet sich bei Hettinger, actio, S. 57 ff. und Katzenstein, S. 64 ff., 75 ff. 10 Barthel

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4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

Allgemeine und umfassende, bereits mit der Antike beginnende Überblicke über die strafrechtliche Relevanz der Trunkenheit gibt es bereits in großer Zahl 2. Sie alle zeigen auf, daß es eine einheitliche systematisch stringente Entwicklung hin zu einer bestimmten Regelung nicht gegeben hat. Grob vereinfacht läßt sich sagen, daß nahezu jede denkbare strafrechtliche Reaktionsmöglichkeit auf die selbstverschuldete Zurechnungsunfähigkeit im historischen Verlauf schon einmal vertreten wurde: die beiden Extrempositionen der völligen Straflosigkeit und der vollen Bestrafung des Täters wegen der im Rausch begangenen Tat (z.T. mit Strafschärfungen!) ebenso wie die Annahme einer - oftmals an die Fahrlässigkeit anknüpfenden - milderen Bestrafung des Täters wegen der Rauschtat; aber auch die Schaffung eines eigenen Tatbestandes, der die Trunkenheit als solche unter Strafe stellte. "Einstiegsstelle" in die Betrachtung der Normgeschichte soll das Preußische Strafgesetzbuch von 1851 sein, das als das in Deutschland territorial am weitesten verbreitete Partikularstrafgesetzbuch des 19. Jahrhunderts zwar nicht rechtstechnisch der Vorgänger, aber doch in großen Teilen teilweise die "Vorlage" 3 des Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund vom 31. Mai 1870 war, das später Reichsgesetz wurde4 und als Reichsstrafgesetzbuch fortgalt 5 .

II. Die Trunkenheit im Preußischen StGB, dem StGB für den Norddeutschen Bund und dem Reichsstrafgesetzbuch 1. Die Trunkenheit im Preußischen Strafgesetzbuch Liest man § 40 PreußStGB, die zentrale Vorschrift der Zurechnung, so ist zunächst ein Zusammenhang mit dem die Strafe ausschließenden Rausch nicht ersichtlich. Jene Vorschrift lautet nämlich:

2 Etwa Gramsch, Tatbestand, S. 3 ff.; Ruisinger, S. 12 ff.; Hettinger, actio, S. 61 ff.; kurz auch v. Lilienthal, VDA, AT, V, S. 76 ff.; Schreyer, S. 12 ff.; G. Weber, S. 9 ff. 3 Zur Vorlage-Funktion des PreußStGB etwa Meyer, StGB, S. XI f. 4 § 2 Abs. 2 des Gesetzes betreffend die Verfassung des Deutschen Reichs vom 16. April 1871 in Verbindung mit Art. 80 Abs. 2 Nr. 3 der Verfassung des Deutschen Bundes vom 15. November 1870, BGBI des Deutschen Bundes 1871 , Nr. 16, s. 63. 5 Vgl. Gesetz betreffend die Redaktion des Strafgesetzbuchs für den Norddeutschen Bund als Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871 , RGBI. 1871, Nr. 24, S. 127.

II. Die Trunkenheit im Preußischen StGB

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"Ein Verbrechen oder Vergehen ist nicht vorhanden, wenn der Täter zur Zeit der That wahnsinnig oder blödsinnig, oder die freie Willensbestimmung desselben durch Gewalt oder durch Drohung ausgeschlossen war".

Gleichwohl sollte ein alkoholischer Rausch - wie ein Blick in die Entstehungsgeschichte der Norm zeigen wird - trotz des engen Wortlauts der Norm unterfallen.

a) Das ALR von 1794 als Ausgangslage der Preußischen Gesetzesrevision Eine wesentlich allgemeiner gehaltene Zurechnungsvorschrift enthielt das ALR im 20. Titel des II. Teils mit § 16, wonach "bei dem kein Verbrechen also auch keine Strafe" stattfindet, der "frey zu handeln unvermögend ist". Daß von letzterer Beschreibung auch der alkoholbedingte Rausch erfaßt werden sollte, läßt sich aus § 22 schließen, der eine Ausnahme von § 16 statuierte6 : "Wer sich selbst vorsätzlich oder vermittelst eines groben Versehens, es sey durch Trunk oder auf andere Art, in Umstände versetzt hat, wo das Vermögen, frey zu handeln, aufgehoben oder eingeschränkt ist; dem wird das unter solchen Umständen begangene Verbrechen nach Verhältniß dieser seiner Verschuldung zugerechnet".

Groß ist die Zahl der Fragen, die jene Vorschrift seinerzeit aufgeworfen hat7 • Als unstreitig dürfte zunächst jedenfalls gelten, daß der Täter in jenen Konstellationen wegen der im Rausch begangenen Tat und nicht wegen der Herbeiführung des Rauschzustandes bestraft werden sollte, und daß eine (den heutigen §§ 20, 21 entsprechende) Differenzierung zwischen dem vollständigen Ausschluß und der bloßen Einschränkung der Zurechnungsfähigkeit nicht stattfand. Auch fällt auf, daß die Norm insoweit fragmentarischen Charakter hatte, als sie auf Fälle der Herbeiführung des Defektzustandes durch Vorsatz oder "grobes Versehen" beschränkt war, mithin insoweit Fälle der "einfachen" Fahrlässigkeit - die es nach §§ 28, 30 i. V. m. §§ 23, 24, 25 II 20 ALR auch gab - nicht zu erfassen schien. Wer demnach zwar fahrlässig, nicht aber grob fahrlässig einen Rausch herbeiführte, sollte für das in diesem Zustand begangene Verbrechen strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden.

6 Zum Ausnahmecharakter des § 22 etwa Katzenstein, S. 76; Hettinger, actio, S. 79 f.; Gramsch, Tatbestand, S. 17, spricht von einem "offenbaren Gegensatz". 7 Nicht zugestimmt werden kann insoweit der Ansicht von Kuhn-Päbst, S. 14, die Vorschrift des § 22 II 20 ALR stelle eine "präzise" Regelung der alic dar; zutreffender insoweit Bode, in: Motive zum E 1828, S. 156, der die Vorschrift als "dunkel und zweideutig gefaßt" charakterisiert.

10'

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4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

Uneinigkeit bestand hingegen über die Bedeutung der Wendung, daß das Verbrechen dem Täter "nach Verhältniß dieser seiner Verschuldung zugerechnet" werde, insbesondere darüber, welches Verschulden hiermit gemeint war: lediglich das hinsichtlich der Defektherbeiführung oder das hinsichtlich der im unfreien Zustand begangenen Tat. Hiervon betroffen ist die zentrale Frage nach dem Anwendungsbereich, den Voraussetzungen der Norm. Unklar war, ob sie nur die Konstellationen der alic erfassen sollte, in denen der Täter im Zeitpunkt noch bestehender Zurechnungsfähigkeit bereits einen "Vorsatz" hinsichtlich der späteren Rauschtat aufwies, bzw. hinsichtlich dieser zumindest (nach der Einschränkung des § 22 II 20 ALR: grob) fahrlässig handelte, oder ob auch bereits diejenigen Fälle des (späteren) Vollrauschtatbestandes erfaßt sein sollten, in denen sich das Verschulden des Täters ausschließlich auf die Herbeiführung des die Zurechnung ausschließenden Rausches erstreckte8 . Die erstere Ansicht dürfte wohl zutreffend sein, denn es wäre - auch nach dem damaligen Stand der Wissenschaft- nicht schlüssig, sogar widersprüchlich, die Zurechnung einer Tat als vorsätzlich oder fahrlässig begangen allein vom Verschuldensgrad hinsichtlich der Defektherbeiführung und damit nicht der zu strafenden Tat abhängig zu machen. § 16 II 20 ALR stellt demnach eine positivrechtliche Regelung der actio libera in causa dar9 . Somit zeigt sich die gesetzliche Regelung der Zurechnungsunfähigkeit im Preußischen ALR wie folgt: Der das "Vermögen frey zu handeln" ausschließende Rausch schloß grundsätzlich die Strafbarkeit des Täters wegen einer in diesem Zustand begangenen Tat aus (§ 16 II 20), soweit dem Täter hinsichtlich der Rauschtat weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit zur Last lag(§ 16 II 20 i. V.m. § 22 II 20). Andernfalls sollte er wegen der Rauschtat bestraft werden. Eine Bestrafung der Herbeiführung der die Straflosigkeit begründenden Umstände selbst kannte das ALR nicht. 8 In letzterem Sinne versteht etwa Ruisinger, S. 7 f., die Vorschrift. Nach seinem Verständnis der Nonn soll sich das Verschulden des Täters einzig auf die Trunkenheit, d.h. nicht auch zugleich auf die spätere Rauschtat beziehen; insoweit ebenso auch Gramsch, Tatbestand, S. 17. Allein die Art des Verschuldens (Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit, culpa) hinsichtlich der Herbeiführung der Trunkenheit solle darüber entscheiden, ob die im Rausch begangene Tat dem Täter als vorsätzliche oder culpose, fahrlässige zugerechnet werde. So ist wohl auch Oppenhoff, Preuß. StGB, § 40 Anm. 4 zu verstehen, der in § 22 II 20 ALR den allgemeinen "Satz des alten Rechts" sieht, daß verschuldete Trunkenheit eine vollständige Ausschließung der Strafe nicht begründen könne, und damit die Norm, lediglich ein Verschulden hinsichtlich der Defektherbeiführung voraussetzend, über den Anwendungsbereich der actio libera hinausreichend zu verstehen scheint. 9 Ebenfalls in der Vorschrift eine Regelung der alic sehen etwa Katzenstein, S. 75 f.; Temme, Lehrbuch, S. 178 ff.; Bode, in: Motive zum E 1828, S. 155 ff.; Hälschner, System, S. 115 f.; Goltdammer, Materialien I, S. 352 f.; ferner Hettinger, actio, S. 80 ff. mit einer Darstellung des zeitgenössischen Schrifttums.

II. Die Trunkenheit im Preußischen StGB

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b) Die Trunkenheit in der Preußischen Gesetzrevision (Entwurf 1828- Entwurf 1851) So umfangreich die gesamte Revision des Preußischen Strafrechts war, so zahlreich die Entwürfe, revidierten Entwürfe und Motive zu denselben 10, so wenig Änderungen brachten sie für die strafrechtlichen Folgen einer im Zustand eines selbstverschuldeten Rausches begangenen Straftat. Im wesentlichen sind es zwei voneinander unabhängige Problemkreise, die es jeweils zu betrachten gilt: die Regelungstechnik und Formulierung der die Zurechnungsfahigkeit betreffenden Vorschrift und die gesetzlichen Bestimmungen der actio libera in causa. aa) Die Regelung(stechnik) der Zurechnungs(un)fähigkeit

Der im Jahr 1827 von dem Revisor, Kammergerichtsrat Bode, einem Mitglied der von der Gesetzrevisions-Kommission gebildeten und mit dem Entwurf eines Strafgesetzbuches beauftragten Deputation, vorgelegte, auf den Allgemeinen Teil beschränkte Entwurf des Criminal-Gesetz-Buches für die Preußischen Staaten enthielt mit § 111 E 1827 eine in der Regelungsmaterie dem § 16 II 20 ALR entsprechende, diesen lediglich sprachlich umgestaltende 11 , exakter als dieser formulierte Regelung der Zurechnungsfähigkeit, welche die "Freiheit zu handeln" präzisierend in zwei Elemente aufspaltete: "Nur demjenigen kann ein Verbrechen zugerechnet, und die Strafe desselben auferlegt werden, der mit Willkühr zu handeln, und die Unrechtmäßigkeit seiner Handlung einzusehen dabei fähig war."

Mit dieser Formulierung bilden das "Bewußtseyn der Strafbarkeit der Handlung" und die "Willkühr des Handelnden", verstanden als die "Möglichkeit, daß sich derselbe durch die Vorstellung von der Strafbarkeit der Handlung zu deren Unterlassung bestimmen könne" 12, die Grundlagen der Zurechnung; nach heutiger Terminologie die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit13. In der folgenden Bestimmung waren, insoweit der Regelungstechnik anderer Partikulargesetzbücher folgend 14, enumerativ Beispiele von Täter10 Zur Geschichte und zum Verlauf der Preußischen Gesetzrevision ausführlich etwa Temme, Glossen, S. 1-10; Beseler, Kommentar, S. 3-15. 11 Motive zum E 1827, S. 148. 12 Motive zum E 1827, S. 148. 13 Der Unterschied zur heutigen, § III E 1827 zumindest vom Grundsatz her entsprechenden Zurechnungsnorm des § 20, daß sich die Einsichtsfähigkeit des Täters auf das Unrecht der Handlung, nicht hingegen auf deren Strafbarkeit beziehen muß, sei nebenbei erwähnt.

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4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

gruppen oder Tatsituationen genannt, in denen der Täter "daher" zurechnungsunfähig ist. Ziffer 5 des § 112 E 1827 erfaßte diejenigen, die "durch den Genuß hitziger Getränke, oder anderer betäubender Sachen in völlige Bewußtlosigkeit gerathen sind".

Den Motiven ist zu entnehmen, daß jene veranschaulichende Konkretisierung der die Grundlage der Zurechnung abstrakt beschreibenden Vorschrift der Rechtssicherheit dienen sollte, da es ohne eine solche trotz noch so sorgfältiger und präziser Formulierung des § 111 E 1827 wegen seiner notwendigen - Abstraktheil zu "Mißdeutungen und falschen Urtheilen" 15 kommen könne. Auf den alkoholbedingten Rausch als Ursache der Zurechnungsunfähigkeit gehen die Motive nicht ein 16; sie scheinen ihn für nicht erläuterungsbedürftig zu halten. Die Gesetzrevisions-Kommission hielt das Nebeneinander von einer allgemein formulierten und einer konkrete Fälle aufzählenden Vorschrift für nicht möglich 17 und sah zudem in jener das Grundprinzip der Zurechnung allgemein formulierenden Vorschrift des § 111 E 1827 die Gefahr ihrer zu weiten Deutung und damit der Erweiterung des Gebietes der Zurechnungsunfähigkeit18. So enthielt der wenig später von dieser Kommission umgearbeitete "Erste Entwurf des Strafgesetzbuchs" daher unter ersatzloser Streichung einer allgemein die Zurechnungsfähigkeit beschreibenden Vorschrift in § 72 E 1830 lediglich eine Aufzählung der Fälle der Zurechnungsunfähigkeit Hiernach waren "wegen Zurechnungsunfähigkeit zur Zeit der That" u.a. straflos 19: "2. diejenigen, welche durch Wahnsinn, Raserei, Blödsinn, oder sonst durch einen Krankheitszustand des Gebrauchs der Vernunft beraubt sind" und "4. diejenigen, welche sich im Zustande des Schlafs oder gänzlicher Schlaftrunkenheit, oder einer andern Art von völliger Bewußtlosigkeit befanden". Motive zum E 1827, S. 145 f. Motive zum E 1827, S. 148. 16 An der entsprechenden Stelle enthalten die Motive lediglich Ausführungen zum Affekt (Motive zum E 1827, S. 155). 17 Goltdammer, Materialien, Theil I, S. 348. 18 So später rückblickend die Motive zu dem E 1833, dort S. 23. Zu den Entwürfen der Jahre 1828 und 1830 selbst existieren keine Motive zu den Vorschriften des Allgemeinen Teils. 19 Wortgleiche Regelungen enthielt bereits der Entwurf aus dem Jahr 1828, der als eine kritische Reaktion auf den von Bode allein gefertigten Entwurf noch von der Deputation der Gesetzrevisions-Kommission selbst erstellt und anschließend dem Staatsministerium zur Beratung vorgelegt worden war. Zu diesem Entwurf etwa Temme, Glossen, S. 5. Beide folgenden Ziffern bauen inhaltlich auf § 112 Nm. 2 und 4 E 1827 auf. 14

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II. Die Trunkenheit im Preußischen StGB

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Eine § 112 Ziffer 5 E 1827 entsprechende Regelung war in diesem Entwurf nicht mehr enthalten, die explizite Erwähnung des Alkohols ("hitzige Getränke") und der "anderen betäubenden Sachen" fortan aus den Entwürfen für immer entfernt20. Stattdessen wurde in Ziffer 4 des § 72 E 1830 in Erweiterung von § 112 Nr. 4 E 1827 - der Passus "oder einer andern Art völliger Bewußtlosigkeit" eingefügt, um damit "den Fall gänzlich schuldloser Trunkenheit stillschweigend mit zu umfassen" 21 . Die Rüge des Staatsministeriums, daß bei jener Fassung der Fall der Trunkenheit "aus dem Gesetz nicht erhelle'm, fand in der Gesetzesfassung ebensowenig Berücksichtigung wie diejenigen Stimmen, die sich dafür aussprachen, daß die Trunkenheit weder entschuldigend noch auch nur strafmildernd wirken könne23 . Die folgenden Entwürfe griffen in der Regelungstechnik wieder auf die des Entwurfs von 1827 zurück, führten also jene allgemeine Grundvorschrift wieder ein; so zuerst § 73 des "Ersten revidirten Entwurfes" (E 1833): "Nur demjenigen kann eine Handlung als Verbrechen zugerechnet werden, welcher die Rechtswidrigkeit derselben einzusehen und die Handlung zu unterlassen im Stande war"24 .

Als Grund hierfür wurde stets angeführt, daß eine abschließende und zugleich inhaltlich erschöpfende Aufzählung all jener Fälle der Zurechnungsunfähigkeit - insbesondere auch hinsichtlich zukünftiger neuer Erscheinungsformen - nicht möglich sei 25 , es daher einer allgemeinen Vorschrift bedürfe. Eine folgende, konkrete Anwendungsfälle nennende Vorschrift sei dann lediglich als eine Anweisung an die Gerichte zu verstehen, wie sie jene Vorschrift "auf die einzelnen, nach der bisherigen Erfahrung am häufigsten vorkommenden, Fälle anzuwenden haben"26, also lediglich als die allgemeine Norm erläuternd. Jene Entwürfe enthielten weiterhin solche "Exemplifikationen", welche die Fallgruppen des § 72 E 1830 mit geringfügigen sprachlichen VerändeGleiches gilt schon für den Entwurf 1828 (s. den Hinw. in Fn. 19), dort § 70. So erläutert bei Goltdammer, Materialien, Theil I, S. 352 mit einem exakten Quellen-Nachweis in Fn. I. 22 Goltdammer, Materialien, Theil I, S. 352. 23 Goltdammer, Materialien, Theil I, S. 352 mit Nachw. in Fn. 2. 24 Wortgleich hiermit § 76 E 1836; sprachlich nur geringfügig verändert und auf die "Unrechtmäßigkeit" statt die "Rechtswidrigkeit" der Handlung abstellend auch § 78 E 1843. 25 Motive zum E 1833, S. 23; Protokoll der Kommission des Staatsrats über die Beratungen des Revidierten Entwurfs eines Strafgesetzbuches von 1836, 13. Sitzung V. 27.10.1838, S. 95. 26 Motive zum E 1833, S. 23. 20 21

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rungen und unter teilweiser Zusammenfassung der einzelnen Ziffern übernommen haben 27 . Der im Jahre 1845 von dem Ministerium der Gesetz-Revision vorgelegte "Revidirte Entwurf des Strafgesetzbuchs für die Preußischen Staaten" enthielt ausschließlich eine allgemeine Vorschrift und brachte hinsichtlich der Regelungstechnik der Zurechnungs(un)fähigkeit die letzte Wende. Dessen § 57 lautete, erstmals in negativer Formulierung: "Eine an sich strafbare Handlung kann denjenigen Personen nicht zugerechnet werden, in welchen durch jugendliches Alter oder durch einen besonderen Geisteszustand der freie Gebrauch der Vernunft völlig aufgehoben war" 28.

Die Kritik an den Exemplifikationen der früheren Entwürfe war mit unterschiedlichen Argumenten von den verschiedensten Seiten gekommen29. Vor allem wurde die Entbehrlichkeit jener Vorschriften hervorgehoben, da sich jeder auf diese Weise im Gesetz besonders erwähnte Beispielsfall auf die in der allgemeinen Vorschrift enthaltene Regelung zurückführen lasse, die Nennung einzelner Erscheinungsformen der Zurechnungsunfähigkeit daher "entbehrlich" sei 30. Weiter wurde vorgebracht, daß eine Aufzählung aller Fälle der Zurechnungsunfähigkeit nicht möglich sei, zudem die verwendeten Formulierungen und Bezeichnungen nicht stets gelungen seien und deshalb Anlaß zu Zweifeln böten31 • Das Nebeneinander beider Regelungen veranlasse "Verwirrungen und Mißgriffe"32 . Ausdrücklich erwähnt wird in diesem Zusammenhang, daß etwa der Pommersehe Landtag bei § 79 Nr. 4 E 1843 33 , wonach diejenigen zurechnungsunfähig und deshalb den gesetzlichen Strafen nicht unterworfen waren, "welche sich im Zustande des Schlafs oder gänzlicher Schlaftrunkenheit oder einer andem Art völliger Bewußtlosigkeit befanden", jede Rücksicht auf Trunkenheit ausdrücklich ausschließen wollte, weil diese eher als ein Verschärfungsgrund für die Strafe angesehen werden müsse 34• § 74 Nr. I E 1833; § 77 Nr. 2 E 1836; § 79 Nm. 3,4 E 1843. Ähnlich auch § 48 E 1846, dort nur "ausgeschlossen" statt "völlig aufgehoben"; ebenso § 50 E 1847. 29 Revision des E 1843, Erster Band, S. 175 f. 30 Revision des E 1843, Erster Band, S. 176. 31 Revision des E 1843, Erster Band, S. 176 f. 32 Revision des E 1843, Erster Band, S. 176 f.; Motive zum E 1847, S. 28. 33 Inhaltlich insoweit mit § 72 Nr. 4 E 1830 (s.o. S. 150) übereinstimmend. 34 Revision des E 1843, Erster Band, S. 177 f.; ebenfalls wiedergegeben in den Motiven zum E 1847, S. 29. Goltdammer (Materialien, Theil I, S. 353) teilt mit, der Antrag, "daß die Trunkenheit ausdrücklich als ungeeignet zur Ausschließung der Zurechnungsfähigkeit erklärt werden sollte", sei im Ständischen Ausschusse abgelehnt worden, und auch der mit dem Zusatz "daß jedoch bei absichtsloser Verletzung in diesem Zustand Milderung der Strafe eintreten solle" versehene Antrag habe die notwendige Unterstützung in der Versammlung nicht gefunden. 27

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Inhaltlich sollte mit § 57 E 1845 trotzder deutlich anderen Formulierung von den entsprechenden Vorschriften vorhergehender Entwürfe nicht abgewichen werden. Mit dem Terminus des "freien Gebrauchs der Vernunft" sollten die in den früheren Entwürfen (seit dem E 1827) getrennt genannten Momente des "Bewußtseins und der Willensthätigkeit" lediglich zusammengefaßt werden, da beide in einem "untrennbaren Zusammenhange" stünden35. Der Bezeichnung ". . . durch einen besonderen Geisteszustand ... " sollte in der Norm allein die Funktion zukommen, den Gegensatz zu der ebenfalls die Zurechnung ausschließenden, jedoch mit einem "gewöhnlichen" Geisteszustand verbundenen Kindheit aufzuzeigen 36 . Mit ihr sollten sämtliche "hier in Frage kommenden psychischen und somatischen Zustände"37 erfaßt sein. Die Trunkenheit war hierbei als ein solcher Zustand explizit erwähnt. Bei den Verhandlungen des im Jahre 1848 zusammenberufenen "Vereinigten ständischen Ausschusses" über den Entwurf 184738 fanden die Anträge auf Aufnahme einer gesetzlichen Bestimmung, daß die Trunkenheit die Zurechnungsfahigkeit nicht ausschließen 39 und der im Gesetz genannte "besondere Geisteszustand" keine Beachtung finden solle, wenn er nicht unfreiwillig eingetreten sei40, jeweils nicht die erforderliche Mehrheit. Der letzte, im Jahre 1850 gefertigte und 1851 veröffentlichte41 Entwurf, der schließlich Gesetz wurde, brachte hinsichtlich der Formulierung der Zurechnungsunfahigkeit mit § 38 ein "Novum", das mit der aufgezeigten Entwicklungsgeschichte der Norm vollkommen "bricht"42 : Revision des E 1843, Erster Band, S. 178; Motive zum E 1847, S. 29. Eines Zitates wert ist die in der Revision getroffene Formulierung: "Der besondere Geisteszustand soll den Gegensatz ausdrücken gegen die in dem Leben jedes Menschen nothwendig vorkommende Kindheit" (Revision des E 1843, Erster Band, S. 177). 37 Revision des E 1843, Erster Band, S. 177; Motive zum E 1847, S. 29. 38 Zu§ 50 E 1847 s.o. Fn. 28. 39 So bereits in der vorbereitenden Abteilung des Ausschusses (5. Sitzung, 4. Januar 1848), Verhandlungen des im Jahre 1848 zusammenberufenen Vereinigten ständischen Ausschusses, Erster Band, 1848, S. 46. Das gleiche Schicksal teilte der im Ausschuß von dem Abgeordneten v. Gaffron vorgetragene Vorschlag (8. Sitzung, 27. Januar 1848), nach dem zusätzlich jedoch in dem Fall, daß die Versetzung in den Zustand der Trunkenheit keine absichtslose sei, mildemde Gründe bei der Bestrafung eintreten sollten, Verhandlungen des im Jahre 1848 zusammenberufenen Vereinigten ständischen Ausschusses, Erster Band, 1848, S. 208 f., sowie (ausführlicher) Zweiter Band, 1848, S. 377 ff. 40 So der Antrag des Abgeordneten Steinbeck (8. Sitzung, 27. Januar 1848), Verhandlungen des im Jahre 1848 zusammenberufenen Vereinigten ständischen Ausschusses, Erster Band, 1848, S. 208; (ausführlicher) Zweiter Band, 1848, S. 377 ff. 41 Dieser Entwurf wird verschiedentlich nach seinem Entstehungsjahr als "Entwurf 1850", überwiegend jedoch - so auch hier - als "Entwurf 1851" bezeichnet. 35

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4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

"Ein Verbrechen oder Vergehen ist nicht vorhanden, wenn der Thäter zur Zeit der That wahnsinnig oder blödsinnig, oder die freie Willensbestimmung desselben durch Gewalt oder durch Drohungen ausgeschlossen war."

Sämtliche Formulierungen vorheriger Entwürfe vor Augen, fallt es nun schwer, die Trunkenheit als einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand unter diese Vorschrift zu subsumieren; das insbesondere vor dem Hintergrund, daß die gesetzlich erwähnten Geisteszustände des Wahnsinns und des Blödsinns justament solche Bezeichnungen sind, die zwar in früheren Entwürfen auch enthalten waren43 , dort aber ersichtlich nicht die Trunkenheit erfassen sollten! Ein Blick in die Motive führt nicht weiter44 : Denn dort ist einerseits zu lesen, § 38 E 1851 enthalte den "allgemeinen Grundsatz, daß die Strafbarkeit jeder Handlung bedingt ist durch die Zurechnungsfähigkeit, durch den freien Gebrauch der Vernunft und durch die freie Willensbestimmung"45 , andererseits dann aber auch, daß "die Fälle, in denen der freie Gebrauch der Vernunft, nämlich der untrennbare Zusammenhang des Bewußtseins und der Willensthätigkeit aufgehoben ist, sowie die Mittel, durch welche die freie Willensbestimmung ausgeschlossen wird, zur Vermeidung von Mißgriffen speziell bezeichnet"46 seien. Klärenden Aufschluß gibt letztlich erst die Stellungnahme47 einer Kommission der Ersten Kammer zu jener (sc. scheinbaren) Beschränkung der die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Geisteszustände auf Wahn- und Blödsinn. In dieser heißt es, eine abschließende Aufzählung jener Zustände sei nicht möglich und deshalb nicht beabsichtigt gewesen. Ausgehend davon, daß der erkennende Richter sämtliche Voraussetzungen der Strafbarkeit selbständig prüfe, und damit auch - ohne daß es dazu einer gesetzlichen Vorschrift bedürfe - das Vorliegen der Zurechnungsfähigkeit, bezwecke die vorliegende Gesetzesstelle lediglich, "die Fälle zu bezeich42 Eine mögliche Ursache dieses plötzlichen "Wandels" könnte der Umstand sein, daß das Justizministerium für die Gesetzrevision im März 1848 aufgelöst und im folgenden Jahr wiederbesetzt wurde mit Juristen, die, so Temme (Glossen, S. 9), "hauptsächlich in der Schule des französischen Rechts auferzogen waren". Ein Blick auf Art. 64 Code penal rechtfertigt diesen Verdacht: "IJ n'y a ni crime ni delit, Jorsque Je pn!venu etoit en cas de demence au temps de l'action, ou Jorsqu'il a ete contraint par une force, a Ia quelle il n'a pu resister." Zur Ähnlichkeit jener Vorschriften bereits Katzenstein, S. III; von einer "fast wörtlichen Aufnahme" spricht Goltdammer, Materialien, Theil I, S. 404; Beseler, Kommentar, S. 179, nennt Art. 64 Code penal gar die "QueUe" des § 40 PreußStGB. 43 § 112 Nr. 2 E 1827; § 70 Nr. 2 E 1828; § 72 Nr. 2 E 1830; § 74 Nr. I E 1833; § 77 Nr. 2 E 1836; § 79 Nr. 3 1843. 44 So bereits Goltdammer, Materialien, Theil I, S. 354. 45 Motive zum E 1851, S. 18. 46 Motive zum E 1851, S. 18 f. 47 Wiedergegeben bei Goltdammer, Materialien, Theil I, S. 355.

II. Die Trunkenheit im Preußischen StGB

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nen, wo es seiner (sc. des Richters, C. B.) Beurtheilung nicht bedürfe, wo vielmehr die Nichtexistenz des Verbrechens oder Vergehens so klar vorliege, daß die Verfolgung entweder gar nicht einzuleiten, oder vor der mündlichen Verhandlung einzustellen sei"48 . Der in den Motiven49 zuvorderst genannte allgemeine Grundsatz der Zurechnung sollte daher, sämtlichen früheren Entwürfen folgend, beibehalten werden50, die explizit erwähnten Fälle des Wahnsinns und des Blödsinns sollten keine abschließende Aufzählung darstellen. Insoweit weicht § 38 E 1851 inhaltlich nicht von den entsprechenden Vorschriften der vorherigen Entwürfe ab, bleibt jedoch, was die Klarheit des Gesetzes betrifft, hinter ihnen erheblich zurück. In dieser Fassung ging die Norm als § 40 in das Preußische Strafgesetzbuch ein. bb) Die Regelung der vom Täter herbeigeführten Zurechnungsunfähigkeit Weit weniger Änderungen als die Regelung der Zurechnungsfähigkeit erfuhren diejenigen der actio libera in causa im Laufe der Gesetzrevision. Der EntwurfBodesaus dem Jahre 1827 enthielt unmittelbar anschließend an die Vorschriften der Zurechnungsfähigkeit (§§ 111, 112 E 1827) zwei gesetzliche Bestimmungen der actio libera in causa: "§. 113. Wer sich absichtlich durch Trunk oder sonst, in einen bewußtlosen Zustand versetzt hat, um in demselben ein zuvor beschlossenes Verbrechen auszuführen, dem ist die That, so wie er sie vorher beschlossen hatte, und zwar als eine vorsätzliche, zuzurechnen." "§. 114. Hatte sich Jemand den bewußtlosen Zustand, in welchem er ein Verbrechen beging, ohne eine solche Absicht (§. 113.) zugezogen, und das

Verbrechen also wider Willen verübt: so kommt es auf die Beschaffenheit der Handlung an, durch welche er seine Bewußtlosigkeit veranlaßte, ob ihm das Verbrechen als ein fahrlässiges (§. 72. u.f.) zugerechnet werden könne."

Bodes Hauptanliegen war es hierbei, an § 22 li 20 ALR anschließend, diese "dunkel und zweideutig" gefaßte Norm dahingehend zu präzisieren, Goltdammer, Materialien, Theil I, S. 355. Motive zum E 1851, S. 18. 50 Erkennbar ist das insbesondere auch daran, daß in der knappen Erläuterung zu § 38 E 1851 (ganze drei Sätze!) deutlich auf die Terminologie etwa der Revision des E 1843 (Erster Band, S. 178) oder der Motive zum E 1847 (S. 29) zurückgegriffen wurde. Jede andere Entscheidung wäre wissenschaftlich ein "revolutionärer Akt" gewesen, der in den Motiven eine ausführlichere Erläuterung erfahren hätte. 48

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4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

daß von der Regelung nur noch diejenigen Fälle erfaßt werden sollten, in denen die "Freiheit des Täters" gänzlich aufgehoben ist51 . Ausdrücklich wird hervorgehoben, daß in jenen Konstellationen die im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit begangene Tat der Strafgrund sei, nicht hingegen die Herbeiführung der die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Umstände52 . Letzteres könnte "höchstens mit einer kleinen Polizeystrafe belegt werden"53. Vieles wäre über die Molivierung Bades zu jenen Vorschriften der actio libera in causa zu sagen54, muß jedoch an dieser Stelle unterbleiben 55 . Bereits der von der Gesetz-Revisions-Kommission erstellte Entwurf 182856 hat jene Regelungen der actio libera in causa nicht übemommen 57 . Nach Goltdammer ist der Grund hierfür gewesen, daß es bei der vorsätzlichen alic als widersprüchlich empfunden wurde, von völliger Bewußtlosigkeit durch Trunkenheit auszugehen, "und dennoch vorauszusetzen, daß der Thäter gleichwohl in ihr noch den vorbergefaßten Vorsatz zum Verbrechen wisse und ausführe" 58 . Ferner sei eine explizite Erwähnung der Trunkenheit im Gesetz deshalb bedenklich, "weil in ihr ein Deckmantel gegen die Strafbarkeit gesucht werden würde"59 . Die Revision des Revidirten Entwurfes von 1836 plädierte schließlich für eine Wiedereinführung der gesetzlichen Regelungen der vorsätzlichen wie 51 Motive zum E 1827, S. 156. Zu Erinnerung: § 22 II 20 ALR stellte die bloße Einschränkung des Vermögens frei zu handeln, dessen Aufhebung gleich, s. o. 4. Kapitel, II. I. a). 52 Motive zum E 1827, S. 156. 53 Motive zum E 1827, S. 156. 54 Durchaus nicht stimmig, gar widersprüchlich erscheint es etwa, wenn Bode in den Motiven (S. 156) schreibt, in den Fällen der vorsätzlichen actio libera in causa beweise der Umstand, "daß der Verbrecher im Zustande der Trunkenheit den vorher gefaßten Plan ausführte, daß er nicht bewußtlos und mithin zurechnungsfähig war", also ausdrücklich von der Zurechnungsfähigkeit des Täters ausgeht, in § 113 E 1827 gleichwohl von einem "bewußtlosen Zustand" spricht. Jene Diskrepanz zwischen Entwurf und Motiven monierte bereits Katzenstein, S. 80 in Fn. 23. 55 Hierzu sei auf die Darstellungen von Katzenstein, S. 79 f. und Hettinger, actio, S. 85 verwiesen. 56 Zu diesem bereits Fn. 19. 57 Ebenso die Entwürfe der Jahre 1830, 1833, 1836. Zu den Entwürfen 1828, 1830 und 1836 sind erläuternde Motive nicht vorhanden ; die Motive zu dem Entwurf 1833 nehmen, da unmittelbar an beide vorherigen Entwürfe anknüpfend, hierzu nicht Stellung (S. 23). 58 Goltdammer, Materialien, Theil I, S. 351 . Kurios ist es, daß die Kommission sich an dieser Stelle eines Arguments Bades gegen die vorsätzliche Form der alic bedient, das dieser in den Motiven seines Entwurfes zwar selber vorgetragen hat (s.o. Fn. 54), ohne jedoch die Konsequenzen daraus zu ziehen. 59 Goltdammer, Materialien, Theil I, S. 351 .

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der fahrlässigen actio libera in causa. Nach der Fassung des Entwurfes (§ 76 f. E 1836) schließe auch die verschuldete Trunkenheit die Zurechnungsfähigkeit und mit ihr die Strafbarkeit des Täters aus, was weder für die Fälle der Absicht noch für die der Fahrlässigkeit zu rechtfertigen sei60 . Jene müßten daher, "um Mißverständnisse zu verhüten, nothwendig in dem Strafgesetzbuche vorgesehen werden"61 . So tauchen denn in dem Kommissions-Entwurf des Jahres 1843 mit den §§ 80 f. gesetzliche Regelungen der actio libera in causanochmals auf2 , um jedoch in den nachfolgenden Entwürfen63 sogleich wieder (für immer) zu verschwinden. Ausführlich nimmt die Revision des Entwurfs von 1843 zur Streichung der actio libera in causa Regelungen Stellung. Zur vorsätzlichen Form wiederholt sie die bereits von der Revisions-Kommission im Jahre 1828 vorgetragenen Gründe der Widersprüchlichkeit64 und die Bedenken hinsichtlich der expliziten Erwähnung der Trunkenheit im Gesetz65 . Gegen eine Regelung der fahrlässigen actio libera in causa wird vorgetragen, sie sei "überflüssig", "weil es sich von selbst verstehe, daß dem Richter die darin angeordnete Prüfung obliege"66 . Die Motive späterer Entwürfe nehmen zu dieser Frage nicht mehr Stellung67 . Eine von den Einschränkungen der actio libera in causa losgelöste Regelung der Rechtsfolgen einer vom Täter selbst herbeigeführten Zurechnungsunfähigkeit, etwa im Sinne einer Ausnahmevorschrift, welche die selbst herbeigeführte Zurechnungsunfahigkeit für rechtlich unbeachtlich erklärt, war in keinem der Entwürfe vorgesehen.

60 Protokoll der Kommission des Staatsrats über die Beratungen des Revidierten Entwurfs eines Strafgesetzbuches von 1836, 13. Sitzung v. 27.10.1838, S. 96 f. 61 Protokoll der Kommission des Staatsrats über die Beratungen des Revidierten Entwurfs eines Strafgesetzbuches von 1836, 13. Sitzung v. 27.10.1838, S. 97. 62 "§ 80 E 1843: Hat sich jedoch der Thäter absichtlich durch Trunk oder sonst in einen solchen Zustand versetzt, um in demselben ein zuvor beschlossenes Verbrechen auszuführen, so ist ihm die That, soweit er sie vorher beschlossen hatte, als eine vorsätzliche zuzurechnen". "§ 81 E 1843: Hat sich jemand den bewußtlosen Zustand, in welchem er ein Verbrechen beging, ohne eine solche Absicht (§ . 80.) zugezogen, so kommt es auf die Umstände an, ob ihm das Verbrechen als ein fahrlässiges zugerechnet werden kann." 63 Entwürfe aus den Jahren 1845, 1846, 1847, 1851. 64 Revision des E 1843, Erster Band, S. 191 f. 65 Revision des E 1843, Erster Band, S. 191 . 66 Revision des E 1843, Erster Band, S. 191. 67 So die Motive zu den Entwürfen 1847 und 1851.

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4. Kap.: Die Normgeschichte des § 323 a (§ 330 a a. F.)

cc) Die Strafbarkeit der Trunkenheit/Trunksucht als solcher Der Entwurf von 1851 fügte in den Sechsten Titel des Zweiten Theils als ein "Vergehen wider die öffentliche Ordnung" § 107 ein, nach dessen Ziffer 1 mit Gefängnis von acht Tagen bis zu drei Monaten bestraft wurde, "wer dem Spiele, dem Trunke oder Müßiggange sich dergestalt hingiebt, daß er in einen Zustand versinkt, in welchem zu seinem Unterhalte oder zum Unterhalte deljenigen, zu deren Ernährung er verpflichtet ist, durch VermitteJung der Behörde fremde Hülfe in Anspruch genommen werden muß".

Diese teilweise an das "Gesetz über die Bestrafung der Landstreicher, Bettler und Arbeitsscheuen" angelehnte Vorschrift68 hat mit dem späteren Vollrauschtatbestand nichts gemein. Sie knüpft - anders als die bislang dargestellten Zurechnungsnormen - nicht unmittelbar an den momentanen, lediglich vorübergehenden Zustand der Trunkenheit an, sondern an die Trunksucht als solche69 . Die strafbare Handlung ist nicht das Herbeiführen der Zurechnungsunfähigkeit, sondern das der Unterstützungsbedürftigkeit; die Strafbarkeit hängt von der Inanspruchnahme einer Behörde, nicht von der Begehung einer Straftat ab. Wie aus den anderen Ziffern der Vorschrift deutlich hervorgeht, bezweckt sie überwiegend den Schutz öffentlicher finanzieller Interessen, der Staatskasse70 . § 107 Ziffer 1 E 1851 ging mit leichten Veränderungen als § 119 Ziffer 1 in das PreußStGB ein.

c) Die Auslegung des§ 40 PreußStGB durch Wissenschaft und Rechtsprechung Unstreitig ist, daß - trotz des insoweit mißverständlichen, da zu engen Wortlautes - die Trunkenheit je nach deren Schweregrad als ein die Zurechnungsfähigkeit möglicherweise ausschließender Umstand von § 40 PreußStGB aufzufassen war71 . Der Begriff und die Funktion der Zurechnungsfähigkeit wurde dabei überwiegend so verstanden, daß bei deren Fehlen bereits keine strafrechtlich bedeutsame Handlung des Täters vorliegen sollte72, sie demnach bereits Voraussetzung einer Handlung im strafrechtlichen Sinne war. Zur Strafbarkeit eines Täters in den Konstellationen der actio libera in causa und deren Begründung sei lediglich angemerkt, daß sich sowohl hinMotive zum E 1851. S. 35. Kaffamik. S. 22; G. Weber, S. II . 70 Gramsch, Tatbestand, S. 22. 71 So etwa Beseler, Kommentar, S. 177, 181; Oppenhoff, Preuß. StGB, § 40 Anm. 4; Hälschner, System, S. 114 f.; Temme, Lehrbuch, S. 176. 72 So etwa Beseler, Kommentar, S. 176; Temme, Glossen, S. 114. 68

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II. Die Trunkenheit im Preußischen StGB

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sichtlich der vertretenen Ansichten als auch der jeweiligen Begründungen insoweit in gleicher Weise wie heute - ein "buntes Bild"73 zeigt, das jedoch im Rahmen dieser Arbeit nicht näher nachgezeichnet werden muß74 . Abschließend ist lediglich festzustellen, daß nach dem Preußischen Strafgesetzbuch auch die vom Täter selbst herbeigeführte, von ihm "verschuldete" Zurechnungsunfähigkeit grundsätzlich - d. h. abgesehen von den (umstrittenen) Fällen der actio libera in causa-seine Strafbarkeit ausschließen sollte.

2. Die Trunkenheit im Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund und im Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich a) Die Trunkenheit in der Entstehungsgeschichte des Strafgesetzbuches aa) Die Regelung(stechnik) der Zurechnungs(un)fähigkeit

Die mit den Anträgen der Reichstagsabgeordneten Wagner und Planck vom 30. März 1868 initiierte75 , die Rechtseinheit auf dem Gebiet des Strafrechts anstrebende Schaffung eine "Strafgesetzbuchs für den Norddeutschen Bund" ging inhaltlich wesentlich von dem Preußischen Strafgesetzbuch als "Vorlage" aus, baute auf diesem auf6 . Sie ist, was die Regelung der Zurechnungsfähigkeit betrifft, erneut vom Ringen um eine "passende" Formulierung geprägt. Der erste Entwurf, mit dessen Erstellung der damalige Vortragende Rat des Justizministeriums Friedberg beauftragt wurde, enthält in § 46 die sachlich dem § 40 PreußStGB entsprechende Vorschrift: "Eine Handlung ist als Verbrechen oder Vergehen nicht zu betrachten, wenn die freie Willensbestimmung des Thäters zur Zeit der That ausgeschlossen war".

Jene Fassung, ersichtlich von dem Bestreben getragen, die mit der Nennung des Blödsinns und des Wahnsinns (zumindest sprachlich) zu enge Formulierung des § 40 PreußStGB aufzugeben 77 , knüpfte nun die Zu rechHettinger, actio, S. 92. Verwiesen sei diesbezüglich auf die Überblicke bei Katzenstein, S. 124-136 und Hettinger, actio, S. 92-100. 75 Ausführlich zur weiteren Entstehungsgeschichte des Gesetzes Rubo, RStGB, S. I ff.; Rüdorjf. RStGB, S. I ff.; Schubert, GA 1982, 191 ff. 76 Statt vieler: Meyer. StGB, S. X f. 77 Motive zum EI 1869, S. 100, bezug nehmend auf ein im Auftrag des Justizministers von der "Königlich Wissenschaftlichen Deputation für das Medizinal-We73

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nungsfähigkeit nur noch an das Fehlen der psychologischen Voraussetzung der freien Willensbestimmung, ohne jedoch an dessen Ursache bestimmte Anforderungen zu stellen oder auch nur Beispiele hierfür aufzuzählen. Sowohl das Kriterium als auch der Terminus der Willensfreiheit als einzige Voraussetzung der Zurechnungsfähigkeit wurden im Schrifttum überwiegend als zu abstrakt, zu unbestimmt und daher mißverständlich kritisiert78 ; ebenso die Methode, allein auf das psychische Moment abzustellen. Die vom Bundesrat zum Zweck der Revision des ersten Entwurfes einberufene Bundes-Kommission reagierte auf die vielfältige Kritik an der Vorschrift mit deren Neufassung, die - um Konkretisierung bemüht - verschiedene Elemente und Formulierungen früherer preußischer Entwürfe in sich vereinigte. § 49 E li 1869 lautete: "Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn der Thäter zur Zeit der Begehung der Handlung sich in einem Zustande der Bewußtlosigkeit oder krankhafter Störung der Geistesthätigkeit befand, durch welchen eine freie Willensbestimmung in Beziehung auf die Handlung ausgeschlossen war."

Motive zu diesem Entwurf wurden zwar angefertigt, jedoch als solche nicht veröffentlicht79 . Erst die Motive zu einem dritten Entwurf (Reichstagsvorlage 1870), dem Ergebnis der Beratung des zweiten Entwurfes im Bundesrat, der die Vorschrift des § 49 E li 1869 wortgleich und unter gleicher Zählung übernommen hatte, erläutern die Gesetzesfassung näher. Zwischen den beiden theoretischen Extremen, der für "im hohen Grade bedenklich" gehaltenen und aus diesem Grund abgelehnten rein abstrakten Regelung einerseits und einem zwar als Ideal angestrebten, jedoch sprachlich nicht realisierbaren, die Gründe der Zurechnungsfähigkeit "fest umschreibenden Thatbestande" stellt die gefundene Formulierung einen Mittelweg dar, der hinter dem angestrebten Optimum zurückbleibt. Der sen" erstelltes Gutachten. Dessen Bedenken gegen die Fassung des § 46 EI 1869, sie sei gleichzeitig zu weit und zu eng, wurde von dem Verfasser des Entwurfes nicht geteilt, der Formulierungsvorschlag der Deputation, der zentral auf eine "krankhafte Störung der Geistesthätigkeit" abstellte, auch nicht in den Entwurf aufgenommen, weil auf diese Weise die Entscheidung über die Frage der Zurechnungsfähigkeit in einem solchen Maße den medizinischen Sachverständigen übertragen werde, daß der Richter nur noch "Vollstrecker des vorangegangenen medizinischen Ausspruches" sei (a.a. O., S. 101). Gegen diese Argumentation unter Hinweis auf die freie Beweiswürdigung Haeberlin, Kritische Bemerkungen, S. 33 f. 78 Etwa }essen, S. 2 ff.; Binding, Entwurf, S. 68 ff. 79 Nach Schubert (GA 1982, 196) wurden die Motive von der Kommission nicht genehmigt und lagen auch später dem Bundesrat zur Beschlußfassung nicht vor. Rubo (RStGB, S. 38), einem (Mit)Verfasser dieser Motive zufolge wurden sie jedoch mit der weiteren Revision und Änderungen des Entwurfes fortgeschrieben, so daß die Motive zu dem Entwurf III 1869, der späteren Reichstagsvorlage, insoweit mit denjenigen zum Entwurf II 1869 übereinstimmen dürften, da die Vorschrift des § 49 E II 1869 unverändert blieb.

II. Die Trunkenheit im Preußischen StGB

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Begriff der "krankhaften Störung der Geistesthätigkeit" wurde in dem Vorschlag der "Königlich Wissenschaftlichen Deputation"80 aufgenommen81 ; unter "Bewußtlosigkeit" wurden all diejenigen "auf die Willensfreiheit störend einwirkenden Zustände" verstanden, "welche gewöhnlich nicht als Krankheit aufgefaßt zu werden pflegen" 82• Die Trunkenheit wird als ein solcher Zustand der Bewußtlosigkeit ausdrücklich erwähnt83 . Bei der Beschreibung der die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Folgen jener Zustände hielt der Entwurf an der Formel "Ausschließung der freien Willensbestimmung" als der "relativ besten"84 fest. In dieser Fassung nahm der Reichstag § 49 E III 1870 als § 51 an, lediglich die Worte "in Beziehung auf die Handlung", mit der ursprünglich Fälle des "partiellen Irrsinns" erfaßt werden sollten8 \ verfielen der Streichung 86 . bb) Die Regelung der vom Täter herbeigeführten Zurechnungsunfähigkeit Die actio libera in causa - im Rahmen der Preußischen Gesetzrevision letztmalig in der Revision des E 1843 erwähnt87 - taucht in der Entstehungsgeschichte des StOB in den Jahren 1869/1870 mit keinem Wort mehr auf: weder in Entwürfen noch (deren gesetzliche Regelung ablehnend) in den Motiven oder den Verhandlungen von Bundesrat und Reichstag. cc) Die Strafbarkeit der Trunkenheit/Trunksucht als solcher § 119 Ziffer 1 PreußStGB 88 wurde - von geringfügigen sprachlichen, juristisch unbedeutsamen Änderungen abgesehen - in das neue StOB als § 361 Ziffer 5 übernommen 89 . Die unveränderte Übernahme bezieht sich jedoch nur auf die tatbestandliehen Voraussetzungen der Strafbarkeit. Eine Änderung erfolgte insoweit, als die Vorschrift, die vormals als ein ,,Vergehen wider die öffentliche Ordnung" im Gesetzbuch stand, bereits mit dem s. o. Fn. 77. Motive zum E III 1870, S. 56. 82 Motive zum E III 1870, S. 56. 83 Motive zum E III 1870, S. 55. 84 Motive zum E III 1870, S. 56. 85 Motive zum E III 1870, S. 57. 86 Verh. des Reichstags 1870, Band 2, S. 1147-1149 (52. Sitzung, 23. Mai 1870), Antrag des Abgeordneten v. Salzwedell; hierzu etwa Meyer, StGB, § 51 Anm. 4; Höinghaus, StGB, S. 79 f. 87 s.o. 4. Kapitel, II. I. b) bb) a.E. 88 s.o. 4. Kapitel, II. I. b) cc) a. E. 89 § 350 Ziffer 3 E I 1869; § 375 Ziffer 5 E II 1869; § 357 Ziffer 5 E IIl 1870. 80 81

11 Banhel

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4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

ersten Entwurf 1869 in demjenigen Abschnitt des Gesetzbuches plaziert wurde, der die "Übertretungen" regelte90. Dem lag die Erwägung zugrunde, daß "diese Handlungen an sich in der Oekonomie des Gesetzes hier, wo nur geringfügige Gesetzverletzungen mit Strafe bedroht werden, ihre richtigere Stelle finden" 91 . Anstatt Gefängnis von acht Tagen bis zu drei Monaten war als Sanktion Haft von einem Tag bis zu sechs Wochen vorgesehen. Aus dem Vergehen wurde eine Übertretung, die angedrohte Strafe im Vergleich zum PreußStGB erheblich gemildert92 . Von § 361 Ziffer 5 abgesehen war im allgemeinen Strafrecht keine Strafbarkeit der Trunkenheit oder der Trunksucht vorgesehen93 .

b) Die Auslegung des§ 51 RStGB durch Wissenschaft und Rechtsprechung Da die Vorschrift des § 51 RStGB inhaltlich mit § 40 PreußStGB, der lediglich enger formuliert war, als er verstanden werden sollte9 \ im wesentlichen übereinstimmte, die "Neuregelung" demnach nur die Formulierung, nicht aber den Inhalt änderte95 , erstaunt es nicht, daß auch die Auslegung des § 51 RStGB der des § 40 PreußStGB entsprach: Der Zustand der (schweren oder völligen) Trunkenheit wurde als ein solcher der "Bewußtlosigkeit" im Sinne des § 51 RStGB verstanden96, wobei dieser Begriff 90 So der "Dritte Theil" in dem Entwurf I 1869, ab dem Entwurf II 1869 der letzte Abschnitt des Zweiten Teils des StGB. 91 Motive zum EI 1869, S. 309, eine wortgleiche Begrundung findet sich in den Motiven zum E III 1870, S. 86. 92 v. Kirchmann, StGB, S. 218. 93 Anders hingegen in sonderstrafrechtlichen Bestimmungen: Nach § 85 Abs. I Ziffer 2 MiiStGB (v. 20. Juni 1872) wurde bestraft, wer "durch ( ... ) absichtlich veranlaßte Trunkenheit sich dem Gefechte oder vor dem Feinde einer sonstigen, mit Gefahr für seine Person verbundenen Dienstleistung zu entziehen sucht"; § 151 MilStGB sah Strafe für denjenigen vor, der "im Dienste oder, nachdem er zum Dienste befehligt worden, sich durch Trunkenheit zur Ausführung seiner Dienstverrichtung untauglich macht" . Nach § 84 SeemannsO (v. 27. Dezember 1872), der eine gröbliche Verletzung von Dienstpflichten unter Strafe stellte, sollte die "Trunkenheit im Schiffsdienste" als eine solche gelten. Auf Vorschriften des Sonderstrafrechts soll im folgenden nur hingewiesen werden, ohne daß sie in die Untersuchung eingehen. 94 s.o. 4. Kapitel, II. I. b) aa) a. E. 95 So auch v. Kirchmann, StGB, S. 49 f., der darauf hinweist, daß § 40 PreußStGB (sc. nur) "in seiner Fassung erheblich geändert" wurde; ebenso Meyer, StGB, S. XXIII, der ebenfalls von einer lediglich "anderen Fassung" spricht. 96 Meyer, StGB, § 51 Anm. 4; v. Kirchmann, StGB, S. 50; Rubo, RStGB, § 51 Anm. 5; Oppenhoff, RStGB, § 51 Anm. 3, 4; Schwartz, RStGB, § 51 Anm. 3; Rüdorff, RStGB, § 51 Anm. 4.

II. Die Trunkenheit im Preußischen StGB

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nicht wörtlich dahingehend aufgefaßt wurde, daß das Bewußtsein des Täters völlig aufgehoben sein müsse, da in solchen Fällen bereits ein gewillkürtes Verhalten und damit eine Handlung nicht vorliegen würde97 . Die einleitenden Worte "eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden" wurden ganz überwiegend so verstanden, daß bei fehlender Zurechnungsfähigkeit nicht erst die Zurechnung der Handlung des Täters zur Schuld, sondern bereits eine Handlung nicht vorliege98 ; die Zurechnungsfähigkeit wurde - wie schon teilweise im preußischen Strafrecht99 - insoweit im Sinne der (strafrechtlichen) Handlungsfähigkeit verstanden. Auch zur Strafbarkeit des Täters in den Konstellationen der vorsätzlichen alic gilt das zum PreußStGB Gesagte: Sowohl das Ergebnis - von der vollen Zurechnung über die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit bis zur Straflosigkeit wurde alles vertreten - als auch die dogmatischen Begründungen waren umstritten 100 . Von diesen Fällen abgesehen sollte die verschuldete wie die unverschuldete Zurechnungsunfähigkeit des Täters seine Strafbarkeit ausschließen, wurde insoweit zwischen beiden nicht differenziert 101 •

3. Der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Bestrafung der Trunkenheit vom 23. März 1881 Wenngleich nicht Gesetz geworden, verdient dieses Gesetzesvorhaben aus dem Jahr 1881 Beachtung. Die in dem Entwurf wie auch im Rahmen der Diskussion über ihn vorgeschlagenen Regelungstechniken werden nämlich für die Auslegung späterer Entwürfe von Bedeutung sein - bei Übereinstimmung in gleichem Maße wie bei Abweichung von ihnen.

97 Statt vieler Schwartz, RStGB, § 51 Anm. 3. Im seihen Sinne auch bereits die Motive zu § 74 E 1833 der preußischen Gesetzrevision, wonach (neben anderen, in § 74 E 1833 genannten auch) der Zustand der Bewußtlosigkeit ein solcher ist, in welchem (sc. nur) die Zurechnung "wegen Mangel an Einsicht von der Rechtswidrigkeit der Handlung ausgeschlossen ist" (a. a. 0., S. 24). 98 Schwartz, RStGB, §51 Anm. I, 7; Berner, S. 116 f.; a. A. und die Zurechnungsunfähigkeit als einen Schuldausschließungsgrund betrachtend etwa Meyer, Lehrbuch, S. 143 ff., 148 f. 99 s. o. Fn. 72. 100 s. die Überblicke bei Katzenstein, S. 244-265 und Hettinger, actio, S. 249260. 101 Anders hingegen im Rahmen der Strafzumessung. Hier sah § 49 Abs. 2 MiiStGB eine ausdrückliche Ausnahme vor: "Bei strafbaren Handlungen gegen die Pflichten der militärischen Unterordnung, sowie bei allen in Ausübung des Dienstes begangenen strafbaren Handlungen bildet die selbstverschuldete Trunkenheit des Thäters keinen Strafmilderungsgrund". II*

164

4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

a) Der ursprüngliche (Regierungs)Gesetzesentwurf (RegE 1881) Mit dem Entwurf wurde ein zweifaches Ziel verfolgt: zum einen - wie bereits in dessen Titel angedeutet - die Bekämpfung der in der Bevölkerung zunehmenden Trunkenheit wegen deren mannigfaltigen und sozial nachteiligen Auswirkungen 102 durch die Bestrafung als solche, zum anderen die Vermeidung der Straflosigkeit rauschbedingt zurechnungsunfähiger Täter. § I des Gesetzes sah- neben und zusätzlich 103 zu § 361 Ziffer 5 RStGB, der als zu wenig effizient kritisiert wurde 104 - einen weiteren Übertretungstatbestand vor, nach welchem bestraft werden sollte, "wer in einem nicht unverschuldeten Zustande ärgernißerregender Trunkenheit an öffentlichen Orten betroffen wird". Auch wenn in dieser Norm die Strafbarkeit an die Trunkenheit und nicht- wie in § 361 Ziffer 5 RStGB -an die Trunksucht anknüpft, so hat sie doch mit dem späteren Vollrauschtatbestand darüber hinaus nichts gemein, da sie die Strafbarkeit des Täters nicht von der Begehung einer Straftat im Rauschzustand abhängig macht, sondern allein die Erregung eines Ärgernisses in der Öffentlichkeit voraussetzt.

Kernstück des Gesetzentwurfes 105 , auf das sich die folgende Betrachtungen beschränken und konzentrieren werden, war jedoch dessen § 2: "(1) Wer sich in einen bis zur Ausschließung der freien Willensbestimmung

gesteigerten Zustand von Trunkenheit versetzt und in demselben eine Handlung begeht, welche, in freier Willensbestimmung begangen, seine strafrechtliche Verortheilung zur Folge haben würde, wird nach den nachfolgenden Bestimmungen bestraft.

(II) Die Strafe ist nach demjenigen Gesetze festzusetzen, welches auf die in freier Willensbestimmung begangene Handlung Anwendung finden würde. (III) An die Stelle einer hiernach angedrohten Todesstrafe oder lebenslänglichen Freiheitsstrafe tritt Gefängnißstrafe nicht unter einem Jahre. In den übrigen Fällen ist die Strafe zwischen einem Viertheil des Mindesbetrages und der Hälfte des Höchstbetrages der angedrohten Strafe zu bestimmen, wobei an die Stelle einer Zuchthausstrafe Gefängnißstrafe von gleicher Dauer tritt.

102 Die Begründung des Entwurfs (Verh. des RT 1881, Band 3, Aktenstück Nr. 70, S. 407 f.) nennt als Folgen der Trunksucht etwa Pauperismus, Krankheiten, vermehrte Sterblichkeit, (einen großen Teil der) Selbstmorde, Kriminalität, Degeneration. 10 3 Verh. des RT 1881, Band 3, Aktenstück Nr. 70, S. 410 (I. Sp.). 104 Verh. des RT 1881, Band 3, Aktenstück Nr. 70, S. 407 (r. Sp.). 105 So auch die einhellige Meinung bei der Ersten Lesung des Gesetzesentwurfes im Reichstag, etwa: Verh. des RT 1881 , Band I, S. 780 (v. Schwarze); 784 (Traeger); 784 (Witte).

II. Die Trunkenheit im Preußischen StGB

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Soweit bei Freiheitsstrafen das Viertheil des Mindestbetrages 6 Monate und soweit die Hälfte des Höchstbetrages 5 Jahre übersteigt, tritt eine Ermäßigung auf die angegebenen Beträge ein. (IV) Die Vorschriften des vorstehenden Absatzes finden auf fahrlässig begangene Handlungen, sowie auf Uebertretungen keine Anwendung. Imgleichen bleibt sie außer Anwendung, wenn der Thäter in der auf Begehung der strafbaren Handlung gerichteten Absicht sich in den bezeichneten Zustand versetzt hat."

Gesetzgebungsmotiv und Bestreben war es hierbei - die gleiche Terminologie sollte über fünfzig Jahre später bei der Schaffung des § 330a StGB im Jahre 1933 nochmals auftauchen! - eine "Lücke im System des Strafrechts auszufüllen" 106, welche darin gesehen wurde, daß "eine große Zahl der in hochgradiger Trunkenheit begangenen Verbrechen der strafrechtlichen Ahndung sich vollständig entzieht" 107• Der nach Ansicht des Entwurfes vom Gesetzgeber "sicher nicht gewollte" 108, darüber hinaus zudem "das Rechtsgefühl verletzende'" 09 und deshalb nicht zu duldende Zustand wurde dabei auf verschiedene Gründe zurückgeführt: Zuvorderst wird in der Begründung des Entwurfes die Auslegung des § 51 RStGB genannt, nach welcher in den Fällen der Trunkenheit eine "Bewußtlosigkeit" nicht erst bei vollkommener Bewußtlosigkeit angenommen werde, sondern schon dann, wenn der Trunkene des Bewußtseins nicht gänzlich beraubt, dieses nur erheblich eingeschränkt wird 110• Eine solche Auslegung sei vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen 111 • Verh. des RT 1881, Band 3, Aktenstück Nr. 70, S. 407 (r. Sp.). Verh. des RT 1881, Band 3, Aktenstück Nr. 70, S. 402 (1. Sp.). 108 Verh. des RT 1881, Band 3, Aktenstück Nr. 70, S. 402 (1. Sp.). 109 Verh. des RT 1881, Band 3, Aktenstück Nr. 70, S. 407 (1./r. Sp.). 110 Verh. des RT 1881, Band 3, Aktenstück Nr. 70, S. 402 (r. Sp.). 111 Verh. des RT 1881 , Band 3, Aktenstück Nr. 70, S. 402 (r. Sp.). Die knappen Ausführungen der Begründung zur "Auslegung des §. 51 des Strafgesetzbuches" sind in mehrfacher Hinsicht in sich widersprüchlich. So wird dort einerseits behauptet, der Begriff der Bewußtlosigkeit sei im wörtlichen Sinne so zu verstehen, daß er nur solche Zustände erfasse, in denen das Bewußtsein des Täters in vollem Umfang ausgeschlossen sei. Andererseits werden jedoch an der selben Stelle die Motive zum § 49 E III 1870 (S. 68- 70) zitiert, wonach mit dem Begriff der Bewußtlosigkeit all "diejenigen auf die Willensfreiheit (sc. nur, C. B.) störend einwirkenden Zustände bezeichnet werden, welche gewöhnlich nicht als Krankheit aufgefaßt werden", es sich danach nur um eine Störung der Willensfreiheit, d.h. deutlich weniger als die Bewußtlosigkeit im wörtlichen Sinne, handeln muß. Ferner: Die Begründung rügt die Anwendung des § 51 RStGB auf die Fälle der Betrunkenheit, führt jedoch im gleichen Zuge aus, "der durch übermäßigen Alkoholgenuß herbeigeführte Zustand wird als Abweichung von dem gesunden Lebensprozesse mit dem Wort ,krankhaft' bezeichnet werden können" (a. a. 0 .). Demnach würde die Begründung die Anwendbarkeit des § 51 RStGB auf die Fälle der Trunkenheit bejahen, lediglich unter Annahme einer anderen Alternative. 106

107

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4. Kap.: Die Normgeschichte des § 323 a (§ 330 a a. F.)

Die Strafbarkeit des Täters in den Fallkonstellationen der vorsätzlichen actio libera in causa, die mit § 2 Absatz 4 Satz 2 RegE 1881 inzident anerkannt wurde 112, scheitere in praxi überwiegend an deren Nachweis, was die Begründung des Entwurfes mit der Seltenheit der Fälle, Beweisschwierigkeiten und dem Befund, daß diese Rechtsfigur umstritten sei, zu begründen versucht 113• Zu einer Strafbarkeit des trunkenen Täters wegen fahrlässiger Tatbegehung komme es regelmäßig deshalb nicht, weil diese überhaupt nur in wenigen Fällen mit Strafe bedroht sei und zudem der im trunkenen Zustand herbeigeführte (konkrete) Erfolg für den Täter meist nicht - wie nach der Fahrlässigkeitsdogmatik erforderlich - vorhersehbar sei 114. Zuletzt führe auch der Umstand, daß eine gesetzliche Vermutung für die Zurechnungsfähigkeit nicht existiert, zu der hohen Zahl von Freisprüchen bei im Zustand der Trunkenheit begangenen Straftaten 115 • Als Grund hierfür wurde angeführt, daß bei Zweifeln an der Zurechnungsfähigkeit des Täters diese stets nachgewiesen werden müsse, und bei nicht ausräumbaren Zweifeln, die trotz (und wegen!) der sachverständigen Gutachter häufig seien, stets zugunsten des Angeklagten zu entscheiden sei. Nach der Begründung des Entwurfes war für eine Strafbarkeit nach § 2 RegE 1881, der jene Lücke schließen sollte, "ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Versetzung in den Zustand der Willensunfreiheit und der in diesem Zustande begangenen Handlung'" 16 ebensowenig erforderlich wie die Voraussetzung, "daß der Thäter im Zustande der freien Selbstbestimmung die eingetretene Rechtsverletzung vorhergesehen habe oder hätte vorhersehen können" 117• Ersteres unterschiede - sah man in der Norm tatsächlich einen Straftatbestand -die Rauschtat von der objektiven (nach früherer Terminologie: äußeren) Bedingung der Strafbarkeit, letzteres grenzte die Vorschrift von einem Fahrlässigkeitsdelikt ab. Die kritische Äußerung des Reichtags-Abgeordneten von Schelling, "der Gesetzentwurf beruhe nicht auf einem wissenschaftlichen Prinzip, aus welchem sich die einzelnen Bestimmungen nach bloß logischen Gesetzen entwickeln" 118, sei an dieser Stelle kommentarlos wiedergegeben. 112 Ausführlich zur vorsätzlichen actio libera in causa in dem Regierungsentwurf und dessen Erster Lesung im Reichstag Hettinger, actio, S. 265 ff. 11 3 Verh. des RT 1881, Band 3, Aktenstück Nr. 70, S. 403 (I. Sp.). 114 Verh. des RT 1881, Band 3, Aktenstück Nr. 70. S. 403 (1./r. Sp.). Wie sich die Einschätzung hinsichtlich des letzteren Argumentes innerhalb kurzer Zeit drastisch wandeln sollte, wird sich im folgenden noch zeigen. 115 Verh. des RT 1881, Band 3, Aktenstück Nr. 70, S. 404 (1. Sp.). 116 Verh. des RT 1881, Band 3, Aktenstück Nr. 70, S. 409 (r. Sp.). 117 Verh. des RT 1881, Band 3, Aktenstück Nr. 70, S. 409 (r. Sp.). 118 Verh. des RT 1881, Band 3, Aktenstück Nr. 70, S. 778 (r. Sp.).

II. Die Trunkenheit im Preußischen StGB

167

Auch ansonsten ist die Vorschrift ausweislich der Begründung des Entwurfes von wahrlich "zwittriger" Gestalt. Einerseits wird in der Begründung nämlich betont, das "Sichversetzen in einen die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand von Trunkenheit" sei mit Strafe bedroht und § 2 RegE 1881 schaffe ein "neues Vergehen eigener Art" 119. Des weiteren ist dort jedoch auch zu lesen, die Vorschrift "modifiziere aber damit zugleich die Vorschrift des §. 51 des Strafgesetzbuchs, soweit letztere sich auf eine die Willensfreiheit ausschließende Trunkenheit bezieht" 120. Nach der ersten Aussage wäre demnach das Sichberauschen die strafbare Handlung, nach der zweiten hingegen die im Rauschzustand vollzogene Handlung, die Rauschtat Wie ein Mittelweg, ein tertium - wenn es ein solches denn geben sollte und dies vom Entwurf tatsächlich beabsichtigt war - auszusehen hätte, wird nicht erläutert. Bedenkt man zum einen, daß § 2 RegE 1881 keinen eigenen Strafrahmen enthält, sondern in Absatz 2 auf denjenigen des im Rauschzustand verwirklichten Tatbestandes verweist und ihn (nur bei Vorsatzdelikten, § 2 Absatz 4 Satz l) lediglich in der in Absatz 3 beschriebenen Weise reduziert, so handelt es sich bei jener Vorschrift de facto nicht um einen neuen Straftatbestand, sondern allein um eine Modifikation des § 51 RStGB 121 , welche bei alkoholbedingter Zurechnungsunfähigkeit des Täters im Zeitpunkt der Tat seine Bestrafung trotz dieser Zurechnungsunfähigkeit ermöglichen und den Strafrahmen der Rauschtat obligatorisch reduzieren sollte. Der Strafgrund sollte damit nicht die Herbeiführung der Zurechnungsunfähigkeit, das Sichberauschen, sondern die im Rausch begangene Tat, der im Rausch herbeigeführte Erfolg sein. Dies geht denn auch eindeutig aus der Begründung des Entwurfes hervor, wenn sie sich für den Umstand, daß es nicht vorausgesetzt sei, daß der "Thäter im Zustande der freien Selbstbestimmung die eingetretene Rechtsverletzung vorhergesehen habe oder hätte vorhersehen können" 122, auf den Grundsatz beruft, "daß derjenige, welcher Verh. des RT 1881, Band 3, Aktenstück Nr. 70, S. 409 (1. Sp.). Verh. des RT 1881, Band 3, Aktenstück Nr. 70, S. 409 (1. Sp.). 121 Im Ergebnis ebenso Brandsteuer, S. 120; Dorbritz, S. 13 f.; Gramsch, Tatbestand, S. 24; Hogräfer, S. 20; Scheiff, S. 12 (der darauf hinweist, daß Trunkenheitsdelikte, also nicht das Sichberauschen bestraft wurden). Die Beteuerungen Schwarzes (GS 33 [ 1881], 458 f.), mit § 2 des Entwurfes hätte an der Vorschrift des § 51 RStGB nichts geändert werden sollen, sie bleibe unberührt und § 2 sei nicht einmal als eine Ergänzung des § 51 RStGB anzusehen, sind mit den Fakten nicht in Einklang zu bringen: Daß die in § 51 RStGB angeordnete Rechtsfolge der Straflosigkeit durch § 2 "modifiziert" werden würde. dürfte außer Streit stehen, wird das doch selbst von der Begründung des Entwurfes "eingestanden", s.o. Fn. 120. Lediglich soweit Schwarze ausführt, daß an den Voraussetzungen des § 51 RStGB nichts geändert werden sollte, verdient er ungeteilte Zustimmung. 122 Verh. des RT 1881, Band 3, Aktenstück Nr. 70, S. 409 (r. Sp.). 119

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4. Kap.: Die Normgeschichte des § 323 a (§ 330 a a. F.)

sich in den fraglichen Zustand versetzt, für alle in demselben begangenen Rechtsverletzungen die Verantwortung zu tragen habe" 123 ; damit war nichts anderes als das Zurechnungsprinzip "versari in re illicita" wiedergegeben. Bei den Ausführungen zur "Festsetzung der Strafe" heißt es dann auch konsequent, daß sich die "Strafwürdigkeit des in dem nach §. 2 vorausgesetzten Zustande begangenen vorsätzlichen Verbrechens oder Vergehens ebenso wie bei dem in freier Willensbestimmung begangenen Reate, in erster Linie nach der Schwere der eingetretenen Rechtsverletzung" 124 bestimmte. Von besonderem Interesse ist an dieser Stelle die gesetzliche Beschreibung der Rauschtat, der Voraussetzungen, die an sie gestellt werden. Wie in § 2 Absatz I RegE 1881 bereits - im Vergleich zu späteren Regelungen unmißverständlich - formuliert, muß die Rauschtat eine Handlung sein, "welche, in freier Willensbestimmung begangen, seine (sc. des Thäters; C. B.) strafrechtliche Verurtheilung zur Folge haben würde". Es wird also im Wege einer hypothetischen Betrachtungsweise ermittelt, ob die im Zustand der vom Täter herbeigeführten Zurechnungsunfähigkeit begangene Handlung dessen Verurteilung zur Folge hätte, wenn man die Zurechnungsunfähigkeit hinwegdenkt, unberücksichtigt läßt bzw. die Zurechnungsfähigkeit hinzudenkt. Das setzt zunächst voraus, daß eine Handlung vorliegt, die einem Strafgesetz unterliegt, d.h. objektive und subjektive Tatbestandsmomente und ggf. erforderliche bestimmte Willensrichtungen gegeben sind; ferner, daß sie darüber hinaus von dem Zustand der Zurechnungsunfähigkeit abgesehen eine strafrechtliche Verurtheilung des Täters zur Folge haben würde 125 . Anders- mit einer Formulierung des späteren Schrifttums ausgedrückt 126 - formuliert: Die Zurechnungsunfähigkeit des Rauschtäters sollte der einzige Grund für dessen Straflosigkeit sein. Als ein im Hinblick auf Absatz 3 des späteren Vollrauschtatbestandes erwähnenswertes Beispiel nennt die Begründung an dieser Stelle den Strafantrag und führt aus, daß, "falls die fraglichen Vorschriften zur Strafverfolgung einen Strafantrag oder eine Ermächtigung erfordern, dies auch für eine auf Grund des §. 2 eintretende Strafverfolgung gilt" 127 : aufgrund der Formulierung der Vorschrift und der hypothetischen Betrachtungsweise eine Selbstverständlichkeit. Nach dieser klaren und eindeutigen Gesetzesfassung wäre deshalb auch die rechtliche Würdigung des Rücktritts von der versuchten Rauschtat unproblematisch, da letztere - von der Zurechnungsunfahigkeit des Täters 123 124 125 126 127

Verh. des RT 1881, Band 3, Aktenstück Nr. 70, S. 409 Verh. des RT 1881 , Band 3, Aktenstück Nr. 70, S. 409 Verh. des RT 1881, Band 3, Aktenstück Nr. 70, S. 409 s.o. 3. Kapitel, I. I. c); hierzu auch 3. Kapitel, III. 3. Verh. des RT 1881, Band 3, Aktenstück Nr. 70, S. 409

(r. Sp.).

(r. Sp.). (r. Sp.). (r. Sp.).

II. Die Trunkenheit im Preußischen StGB

169

abgesehen - wegen der strafaufbebenden bzw. -ausschließenden Wirkung des Rücktritts (§ 46 RStGB) nicht die Verurteilung des Täters zur Folge haben würde. Dieser bliebe demnach nach § 2 Abs. 1 RegE 1881 straflos.

b) Der Gesetzesentwurf in den Verhandlungen des Reichstags Bei der Beratung des Gesetzesentwurfes in Erster Lesung im Reichstag bestand hinsichtlich dessen § 2 Konsens im wesentlichen nur darüber, daß ein Regelungsbedarf bestehe 128 ; die im Entwurf vorgeschlagene Regelung(stechnik) hingegen stieß überwiegend auf Ablehnung 129• Die Vorschrift wurde hierbei zumeist nicht als ein eigenständiger Straftatbestand, sondern als eine Regelung des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches, eine Ausnahmevorschrift zu § 51 RStGB verstanden 130• Auch über die Auslegung des Begriffs des Bewußtlosigkeit, nämlich ob dieser - wie in der Begründung des Regierungsentwurfes favorisiert 131 - wörtlich auszulegen sei und die vollständige Ausschaltung des Bewußtseins erfordere oder nicht, konnte Einigkeit nicht erzielt werden 132 . Wegen der gerade hinsichtlich § 2 bestehenden Differenzen und der Komplexität der juristisch-dogmatischen Problematik fand der Antrag v. Schwarzes, der Gesetzesantrag möge einer Kommission von 14 Mitgliedern zur Vorbereitung überwiesen werden, die Mehrheit des Reichstags 133 •

128 Eine Ausnahme bildete insoweit allein der Abgeordnete Traeger, der in einer humorvollen, "pointenreichen und geistreichen Darstellung" (so das Urteil des Abgeordneten Witte, Verh. des RT 1881, Band I, S. 793) sowohl eine Zunahme der Fälle der Trunkenheit als auch einen gesetzlichen Handlungsbedarf bestritt (a. a. 0., s. 781-786). 129 Verh. des RT 1881, Band I, S. 780 (v. Schwarze); 792 (Reichensperger) ; 794 (Witte); 799 (v. Maltzahn-Gültz). 130 Verh. des RT 1881, Band I, S. 780 (v. Schwarze); 784 (Traeger); 792 (Reichensperger, zumindest insoweit, als er von den Strafhandlungen spricht, die im Zustand der Trunkenheit begangen worden sind). Nicht eindeutig ist etwa die Ansicht des Abgeordneten v. Schelling, der am ersten Sitzungstage noch äußerte. § 2 stelle "eine Ergänzung des allgemeinen Theils des Strafgesetzbuches dar, indem er sich mit der Frage beschäftigt, in welcher Weise Trunkenen ihre Thaten zuzurechnen seien" (a. a. 0., S. 777), bereits am folgenden Tag jedoch in der Norm ein "delictum sui generis" erblickte, "durch das das ,Sichversetzen in die Trunkenheit' ( . .. ) mit Strafe bedroht werden soll" (a. a. 0., S. 796). 13 1 s.o. 4. Kapitel, II. 3. a) (S. 165), mit Fn. II 0, II I. 132 Ausdrücklich gegen die engere, streng am Wortlaut orientierte Auffassung v. Schelling (a. a. 0 ., S. 777 f.; 798); ausdrücklich dafür etwa v. Schwarze (a. a. 0., S. 779 f.) und Traeger (a. a. 0., S. 785). 133 Verh. des RT 1881, Band I, S. 837.

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4. Kap.: Die Normgeschichte des § 323 a (§ 330a a. F.) c) Der Kommissionsentwurf (KommE)

Obgleich die Kommission ausdrucklieh beabsichtigte, weder eine Änderung an den Bestimmungen des §51 RStGB vorzunehmen 134, noch auf dessen Auslegung einzuwirken, oder auch nur die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dieser Vorschrift zu beeinflussen 135, mußte sie - zwangsläufig- im Zusammenhang mit der Bedürfnisfrage bezüglich§ 2 RegE 1881, die unmittelbar von der Auslegung des Begriffs der Bewußtlosigkeit i. S. des § 51 RStGB in Fällen der Trunkenheit abhing, Stellung beziehen. Differenzierte man zwischen völliger Bewußtlosigkeit und Bewußtlosigkeit, so könne nur die letztere, bei welcher "der Trunkene zwar das Bewußtsein und den Gebrauch seiner Verstandeskräfte nicht völlig verloren habe" 136, aber "der Wille die Verstandesoperationen nicht mehr zu beherrschen vermöge und daher diese der gesetzlichen Ordnung und des Zusammenhanges entbehren" 137, als eine die freie Willensbestimmung ausschließende Bewußtlosigkeit im Sinne des Gesetzes verstanden werden. Bei völliger Bewußtlosigkeit hingegen sei bereits die bewußte Aktionsfähigkeit aufgehoben, so daß schon von einer Handlung nicht die Rede sein könne 138 . Infolge dieser weiteren Auslegung des Begriffes der Bewußtlosigkeit, die mit der häufigeren Annahme der Zurechnungsunfähigkeit zu einer häufigeren Straflosigkeit von Rauschtätern führte, wurde das Bedürfnis nach einer "lückenschließenden" Regelung des § 2 von der Mehrheit der Kommission bejaht. Die Minorität der Kommission, die sich nicht durchzusetzen vermochte, sah in § 2 RegE 1881 einen bedenklichen und gefährlichen Eingriff in die Praxis. Die Rechtsprechung habe nach der engen Auslegung des § 51 RStGB bislang die Zurechnungsunfähigkeit Trunkener regelmäßig verneint und so auf die volle gesetzlich Strafe erkannt. Mit jener neuen Vorschrift werde die Praxis nun gedrängt, die selben Fälle der Trunkenheit unter die Norm zu fassen und auf diese Weise zu einer milderen Bestrafung zu gelangen139. 134 In der Begründung des Regierungsentwurfs war noch von einer "Modifizierung" des § 51 RStGB in Fällen der Trunkenheit die Rede, s.o. Fn. 120. 135 Kommissionsbericht, Verh. des RT 1881 , Band 4, S. 874. Ein hohes Ideal, dem die Kommission jedoch wegen des untrennbaren Zusammenhanges des § 2 mit § 51 RStGB - zumindest hinsichtlich der Auslegung des letzteren - , wie die folgenden Ausführungen zeigen werden, nicht gerecht werden konnte. 136 Kommissionsbericht, Verh. des RT 1881, Band 4, S. 873. 137 Kommissionsbericht, Verh. des RT 1881, Band 4, S. 873. 138 Kommissionsbericht, Verh. des RT 1881 , Band 4, S. 873; ausführlich Schwarze, GS 34 ( 1881) 432 ff., 436 f. 139 Zu dieser Ansicht, die in § 2 konsequent eine Strafmilderung und daher eine verdeckte Einführung der verminderten Zurechnungsfähigkeit erblickte, Kommis-

II. Die Trunkenheit im Preußischen StGB

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Grundlegend äußerte sich der Bericht der Kommission zur rechtlichen Begründung der Strafbarkeit des Täters. Sie liege in der Fahrlässigkeit, welche allerdings nicht an (dem Zeitpunkt) der (Rausch)Tathandlung festgemacht, sondern bereits auf das Sichberauschen, die Herbeiführung der Zurechnungsunfähigkeit vorverlegt wurde 140• Der Täter handele bereits durch das Sich-Versetzen in den Zustand der Zurechnungsunfähigkeit fahrlässig, weil er sich "der Möglichkeit beraubt, die Folgen der beabsichtigten Handlung zu überlegen und vor Ausführung der letzteren in Betracht zu ziehen, um hiernach sich zu bestimmen, ob er die Handlung vornehmen wolle oder nicht" 141 • Wenn es dann jedoch heißt, diese Fahrlässigkeit sei strafbar, "weil durch sie die Handlung und mit letzterer der rechtsverletzende Erfolg veranlaßt worden" 142 sei, wird die gesamte Begründung der Strafbarkeit de facto letztlich auf eine erfolgsursächliche Sorgfaltspflichtverletzung reduziert. Mit der weiteren dogmatischen Voraussetzung einer Fahrlässigkeitsstrafbarkeit, der Voraussehbarkeit des konkreten Erfolges, die ja noch in der Begründung des Regierungsentwurfes ausdrücklich als regelmäßig nicht gegeben angesehen wurde (!) 143, setzte der Kommissionsbericht sich denn auch nicht weiter auseinander 144• Insgesamt ist zu sehen, daß im Kommissionsbericht zwar der Begriff der Fahrlässigkeit ohne jeden auf eine Modifizierung hindeutenden Zusatz verwendet, aber offensichtlich nicht im Sinne der herkömmlichen Fahrlässigkeit verstanden wurde, sondern als eine "besondere", modifizierte. So etwa, sionsbericht, Verh. des RT 1881 , Band 4, S. 874; ausführlich wiederum Schwarze. GS 34 (1881) 459. 140 Kommissionsbericht, Verh. des RT 1881 , Band 4, S. 874. In dieser (im Vergleich zur Rauschtat vorverlagerten) Fahrlässigkeit sah bereits Schwarze in den Verhandlungen des Reichstages eine mögliche Begründung der durch § 2 RegE 1881 angeordneten Strafbarkeit (Verh. des RT 1881, Band I, S. 781 ); sich ihm anschließend auch Traeger (a. a. 0., S. 784). Ausführlich dazu Schwarze. GS 34 ( 1880) 459 ff. 141 Kommissionsbericht, Verh. des RT 1881, Band 4, S. 875. 142 Kommissionsbericht, Verh. des RT 1881, Band 4, S. 875. 143 s.o. 4. Kapitel, II. 3. a) (S. 166, Fn. 114). 144 Gerade in Anbetracht der Abweichung von der in der Begründung des Regierungsentwurfes ausdrücklich erwähnten anderen Ansicht ist dies ein bemerkenswertes Defizit. Auch der ansonsten sehr ausführliche Bericht des Kommissionsmitgliedes Schwarze bleibt eine Stellungnahme hierzu im Ergebnis schuldig. Schwarze referiert zwar die unterschiedlichen Ansichten, ob eine besondere Fahrlässigkeit des Täters auch hinsichtlich der Rauschtathandlung erforderlich sei (GS 34 [ 1880] 461463), und bejaht das konkludent. Die Vorhersehbarkeit des eingetretenen Erfolges wird von ihm jedoch schlichtweg pauschal postuliert: "Die Willensschuld des Fahrlässigen liegt auch hier darin, daß er sich den eingetretenen Erfolg zu vergegenwärtigen nicht gewillt war, obgleich er vorherzusehen gewesen" (a. a. 0 ., S. 465).

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4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

wenn es im Zusammenhang mit der Strafzumessung bei § 2 KommE heißt, der Richter werde sich "bei Normirung der Strafe in diesen Fällen gewiß vergegenwärtigen, daß die Strafbarkeit zumeist nicht so hoch zu veranschlagen sei, wie bei den gewöhnlichen kulposen Delikten" 145 ; oder wenn dort zu lesen ist, "daß insbesondere das Strafmaß nicht überschritten werden dürfe, welches für das betreffende kulpose Delikt ( ... ) normirt ist" 146 . Bereits die Notwendigkeit einer solchen Vorschrift zeigt, will man ihr nicht lediglich deklaratorischen Charakter zusprechen, daß es sich nicht um die "gewöhnliche" Fahrlässigkeit handeln kann. Bei scheinbarer Einigung über jene Fahrlässigkeit des Sichberauschenden als Grundlage des strafrechtlichen Vorwurfes bestanden nun unterschiedliche Ansichten über die Konsequenzen hieraus für den Kreis der Rauschtaten, die von dem neuen § 2 erfaßt werden sollten: ob dies alle in Strafgesetzen mit Strafe bedrohten Handlungen oder nur solche sein sollten, für die das Gesetz eine strafbare Fahrlässigkeit anerkennt. Im Sinne der ersten und umfassenderen, insoweit an § 2 RegE 1881 angelehnten Alternative wurde folgende Fassung beantragt, die dem späteren Vollrauschtatbestand bereits einen Schritt näher kommt als § 2 RegE 1881: .,Mit Geldstrafe bis zu 1000 M. oder mit Haft oder mit Gefängnis bis zu 3 Jahren wird bestraft, wer in einem durch selbstverschuldete Trunkenheit herbeigeführten Zustande von Bewußtlosigkeit, durch welchen seine freie Willensbestimmung ausgeschlossen ist, eine Handlung begeht, welche, in freier Willensbestimmung begangen, seine strafrechtliche Verortheilung zur Folge haben würde."

Mit dieser Fassung wäre erstmals (!) im deutschen Strafrecht ein Straftatbestand mit eigenem Strafrahmen formuliert worden, der das Sichberauschen unter der Voraussetzung der Begehung einer Rauschtat unter Strafe stellt. Die gesetzlichen Anforderungen an die Rauschtat stimmten hierbei mit der hypothetischen Betrachtungsweise (strafrechtliche Verurteilung des Täters bei Zurechnungsfähigkeit) des § 2 RegE 1881 überein. Der ohnehin knappe und im wesentlichen nur Ergebnisse zusammenfassende Bericht der Kommission geht - verständlicherweise - schon auf den Versuch einer Rauschtat und folglich auch auf die besondere Konstellation des Rücktritts mit keinem Worte ein. Gleichwohl kann in diesen Fällen im Ergebnis von der Straffreiheit des Täters ausgegangen werden. Sei es, daß man das bereits mit dem Fehlen des für eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit zwingend erforderlichen, dem Täter zurechenbaren Erfolgseintrittes bei einer nur versuchten Rauschtat begründet, sei es, daß man erst im Rahmen 145 Kommissionsbericht, Verh. des RT 1881, Band 4, S. 876 (Hervorhebung vom Verf.; C. 8 .). 146 Kommissionsbericht, Verh. des RT 1881, Band 4, S. 876.

II. Die Trunkenheit im Preußischen StGB

173

der anzustellenden hypothetischen Betrachtung die Straflosigkeit des Täters wegen der versuchten Rauschtat aufgrund des Rücktritts bejaht 147 . Der Täter bliebe demnach jedenfalls straflos. Noch deutlicher erscheint das Ergebnis aus einer zweiten beantragten Fassung der Vorschrift zu folgen, die den Grundgedanken der Fahrlässigkeit weitaus deutlicher und konsequenter zum Ausdruck brachte als die vorherige: "Die Strafe, mit welcher das Gesetz eine Handlung unter der Voraussetzung bedroht, daß sie aus Fahrlässigkeit begangen worden, tritt auch dann ein, wenn der Thäter die Handlung in einem bis zur Ausschließung der freien Willensbestimmung gesteigerten und von ihm verschuldeten Trunkenheit begangen hatte." 148

Danach wurde die Strafe allein an das die Fahrlässigkeit begründende und für den Eintritt des Erfolges ursächliche Sichberauschen geknüpft, ohne daß über die Handlung(squalität) hinaus besondere Anforderungen an die Rauschtat gestellt wurden. Da mit einer solchen Fassung gerade die dolosen Delikte als mögliche Rauschtaten ausgeschieden wurden 149 , gab es folglich bereits deshalb 150 nicht einmal eine versuchte Rauschtat Der Täter wäre in den hier mit "Rücktritt von der versuchten Rauschtat" umschriebenen Konstellationen demnach auch nach dieser Vorschrift straflos. Da auch nach längerer Diskussion eine Einigung auf einen der beiden beantragten Vorschläge nicht erzielt werden konnte, fand letztlich folgende Fassung, die mit einem Streich pragmatisch sämtliche juristischen Probleme "über Bord geworfen" und die "Lösung der Frage auf den Boden des practischen Bedürfnisses'" 51 gestellt hat, die Majorität der Kommission: "§ 2 Kommissionsentwurf

(I) Mit Gefängniß bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark wird bestraft, wer in einem durch selbstverschuldete Trunkenheit bis zur Ausschließung der freien Willensbestimmung herbeigeführten Zustande der Bewußtlosigkeit eine Handlung begeht, durch welche der Tod eines Men147 Eine eingehendere Betrachtung des vorrangigen Grundes der Straflosigkeit des Täters nach dieser Fassung in den Konstellationen des Rücktritts von der versuchten Rauschtat soll, da nicht zielführend - unterbleiben. 148 Die Fassung dieses Antrags bestätigt die soeben aufgestellte Behauptung, daß es sich bei der Fahrlässigkeit, die im Sichbetrinken gesehen wurde, nicht um Fahrlässigkeit im bislang herkömmlichen Sinne handeln kann. 149 Kommissionsbericht, Verh. des RT 1881, Band 4, S. 875. 150 Als ein weiterer Grund wäre natürlich wiederum der fehlende Eintritt des tatbestandliehen Erfolges zu nennen. 151 Schwarze, GS 34 (1880) 470. Zurückhaltender der offizielle Bericht der Kommission, in dem es heißt, man habe mit dieser Vorschrift "den vorhandenen vielfachen Schwierigkeiten in der Regelung dieser Materie begegnen wollen", Kommissionsbericht, Verh. des RT 1881, Band 4, S. 875.

174

4. Kap.: Die Normgeschichte des § 323 a (§ 330 a a. F.) sehen oder eine Körperverletzung mit einer der in §. 224 des Strafgesetzbuchs bezeichneten Folgen, oder eine Beschädigung von Sachen der in §§. 304, 305 des Strafgesetzbuchs bezeichneten Arten oder einen Brand (§§. 306, 308, 311 des Strafgesetzbuchs) oder eine der in§§. 312, 315, 317, 321, 322, 323, 324, 327, 328 des Strafgesetzbuchs bezeichneten gemeinen Gefahren und Beschädigungen verursacht wird.

(II) ... "

Von der dogmatischen Begründung jener Strafbarkeit mit Hilfe der Vorverlegung der Fahrlässigkeit war man mit der neuen Vorschrift offensichtlich abgewichen 152. Zur Begründung der Strafbarkeit sollte nur noch die Ursächlichkeit der Handlung des Rauschtäters für einen der im Gesetz abschließend aufgezählten Erfolge von Bedeutung sein. Die Strafbarkeit wurde dabei auf die Verletzung solcher Rechtsgüter beschränkt, "deren Schutz im besonderen Interesse der bürgerlichen Gesellschaft liege und vorzugsweise der Aufgabe der Gesetzgebung anheimfalle" 153 . Das erstmals jedoch unabhängig davon, ob die Rechtsgutsverletzung dolos oder culpos herbeigeführt wurde 154. Demnach gab es zugleich eine Rauschtat im Sinne eines vom Täter im Rausch verwirklichten Deliktes, eines bestimmten Tatbestandes, nach dieser Regelung nicht mehr. Vielmehr sollte lediglich "die Eigenart und allgemeine Wichtigkeit des durch die Rechtsverletzung angefochtenen Rechtsguts" 155 , die "Thatsache des rechtsverletzenden Erfolges"156 entscheidend sein. Damit entfernte sich diese Norm wieder von der 152 Das steht im Kommissionsbericht zwar nicht expressis verbis, ist jedoch dort "zwischen den Zeilen" zu lesen. So etwa, wenn es heißt, man glaubte, den vielfältigen Schwierigkeiten in der Regelung dieser Materie dadurch zu begegnen, daß man beschloß, "eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Thäters für die in dem mehrbezeichneten, von ihm verschuldeten Zustande begangenen Rechtsverletzungen zu statuieren" (Kommissionsbericht, Verh. des RT 1881 , Band 4, S. 875; Hervorhebung vom Verf.; C. B.), sich diese also nicht bereits aus der "allgemeinen" Fahrlässigkeitsdogmatik als solcher ergab. Oder wenn es etwa heißt, daß man die vorgeschlagene Strafbestimmung "als eine völlig selbständige und unabhängige aufgefaßt habe" (a. a. 0 ., S. 876), obgleich deren obere Grenze des Strafrahmens von drei Jahren mit dem Höchstbetrag der im Strafgesetzbuch für culpose Delikte angedrohten Strafe übereinstimmte (a. a. 0., S. 876). Eindeutig zuletzt auch der Hinweis, der Richter werde bei "Normirung der Strafe in diesen Fällen sich gewiß vergegenwärtigen, daß die Strafbarkeit zumeist nicht so hoch zu veranschlagen sei, wie bei den gewöhnlichen culposen Delikten, und daß insbesondere das Strafmaß nicht überschritten werden dürfe, welches für das betreffende culpose Delikt, wenn es nach dem Strafgesetzbuche zu beurtheilen sein würde, in den letzteren normirt ist" (a. a. 0., S. 876). Schwarze bezeichnete die Regelung in ambivalenter Weise als eine "neubegründete strafrechtliche Verantwortlichkeit", bei der man jedoch die "Basis der neuen Strafsanction in der Fahrlässigkeit erblickte" (GS 34 [ 1880] 470). 153 Kommissionsbericht, Verh. des RT 1881 , Band 4, S. 875. 154 Kommissionsbericht, Verh. des RT 1881, Band 4, S. 875. 155 Kommissionsbericht, Verh. des RT 1881, Band 4, S. 875. 156 Kommissionsbericht, Verh. des RT 1881, Band 4, S. 876.

II. Die Trunkenheit im Preußischen StGB

175

strukturellen Ähnlichkeit mit dem späteren Vollrauschtatbestand, stand der frühere Vorschlag 157 ihm merklich näher 158 . Von einer Berücksichtigung der vorsätzlichen actio libera in causa, an deren wissenschaftlichen Umstrittenheil sich weder im Ergebnis noch in den Begründungen wesentliches geändert hatte 159, sah der Kommissionsentwurf ab, da ein Bedürfnis für eine § 2 Absatz 4 RegE 1881 entsprechende Vorschrift verneint wurde. Eine Entscheidung dieser umstrittenen Kontroverse sollte der Wissenschaft überlassen werden 160• Auch der (Kommissions)Entwurf des Jahres 1881 wurde nicht Gesetz, da seine Beratung im Reichstagsplenum wegen des bevorstehenden Schlusses der Reichstagssession abgesetzt wurde. Zu einer Wiederaufnahme des Entwurfes kam es nicht mehr.

4. Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Bekämpfung der Trunksucht vom 15. Januar 1892 Dieser Gesetzesentwurf hatte - wie bereits aus seinem Titel ersichtlich nun wieder die Trunksucht als solche und nicht jene die Zurechnungsfähigkeit ausschließende, grundsätzlich zur Straflosigkeit des Täters führende Trunkenheit zum zentralen Gegenstand, wenngleich in seiner Begründung dann doch zu lesen ist, der Entwurf suche den Mißbrauch geistiger Getränke auch dadurch zu bekämpfen, daß er "die Trunkenheit und beziehungsweise die Trunksucht strafrechtlich bekämpft'" 61 . Neben verschiedenen gewerbepolizeilichen (§§ 1-9) und privatrechtliehen (§§ I 0, II) Bestimmungen wies der Entwurf auch strafrechtliche auf, die zum Teil lediglich Zuwiderhandlungen gegen erstere mit Strafe sanktionierten (§§ 12-15), darüber hinaus aber auch selbständige Übertretungstatbestände (§§ 16- 20). So übernahm der Entwurf mit einer geringfügigen Änderung des Strafrahmens § 1 RegE 1881 in der Fassung des Kommissionsentwurfes und sah - damit über die Grenzen des § 361 Ziffer 5 RStGB hinausgehend - Geldstrafe bis zu sechzig Mark oder Haft bis zu vierzehn s. 0. s. 172. Insoweit anderer Ansicht und § 2 in der Fassung des Kommissionsentwurfes - wenn auch mit gewissen Einschränkungen - als einen ersten Vorläufer des heutigen § 323 a sehend Hettinger, actio, S. 271. 159 Hettinger, actio, S. 249 ff., 271 ff. mit einer ausführlichen Darstellung des Schrifttums vor und nach dem gescheiterten Gesetzesentwurf. 160 Kommissionsbericht, Verh. des RT 1881, Band 4, S. 876. Umfassend hierzu und zu den unterschiedlichen Interpretationen der Streichung des § 2 Absatz 4 RegE 1881 im Schrifttum Hettinger, actio, S. 271 ff. 161 Verh. des RT 1890-1892, Fünfter Anlagenband, Aktenstück Nr. 593, S. 3553. 157 158

176

4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

Tagen für denjenigen vor, der "in einem selbstverschuldeten Zustand ärgernißerregender Trunkenheit an einem öffentlichen Orte betroffen wird". Und obgleich die Problematik des § 2 RegE 1881, über die man im Reichstag und in der Kommission heftigst gestritten hatte, auch gut zehn Jahre später in der Wissenschaft nicht gelöst war 162 , enthielt der Entwurf eine entsprechende Vorschrift nicht 163 , obwohl der Entwurf aus dem Jahre 1881 in der Begründung dieses Gesetzentwurfes ausdrücklich erwähnt wurde 164, also nicht in Vergessenheit geraten war. Über einen Grund hierfür ließe sich nur spekulieren 165 •

111. Die Bestrebungen um die Reform des Strafgesetzbuches (1909-1930) 1. Die "Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts" (VDA) Die vergleichende Darstellung stellte weder einen Gesetzesentwurf dar, noch kann sie zu den Gesetzgebungsmaterialien im engeren Sinne gezählt werden. Gleichwohl ist sie - in der gebotenen Kürze - an dieser Stelle zu erwähnen. Jenes vom Reichsjustizamt im Jahre 1902 in Auftrag gegebene, von einem wissenschaftlichen Komitee von acht Strafrechtsprofessoren unter der Mitwirkung nahezu aller deutscher Strafrechtslehrer erstellte Gutachten sollte "eine zuverlässige und erschöpfende Übersicht über die strafrechtlichen Grundsätze aller größeren Ku1turstaaten'" 66 darstellen und Vorschläge für die Reform des deutschen Strafrechts ausarbeiten. Es bildete eine wesentliche wissenschaftliche Grundlage der folgenden Reform des Strafrechts 167 .

Ausführlich hierzu Hettinger, actio, S. 284 ff. Bestimmungen über die Bestrafung von Handlungen Betrunkener, .,die gerade die Eigentümlichkeit des früheren Entwurfes darstellen", vermißte auch v. Lilienthai, VDA, AT, V, S. 81. 164 Die Begründung nennt, den neuen Entwurf als eine breit angelegte und umfassende Maßnahme rechtfertigend, den Entwurf aus dem Jahre 1881 lediglich als Beispiel für einen Versuch der Gesetzgebung, einzelne Seiten dieser Angelegenheit (sc. der Bekämpfung der Trunksucht; C. B.) zu ordnen", Verh. des RT 1890-1892, a. a. 0., S. 3552, beruft sich immerhin aber an anderer Stelle bei der Begründung des § 18 ein weiteres Mal auf die Beschlüsse der Kommission des Reichstages zu dem Gesetz-Entwurf aus dem Jahre 1881. 165 Hettinger, actio, S. 284. 166 v. Hippe/, Deutsches Strafrecht I, S. 359 (wörtlich das Einladungsschreiben des Reichsjustizamtes zitierend). 162 163

III. Die Bestrebungen um die Reform des Strafgesetzbuches ( 1909-1930) 177

Der für die vorliegende Arbeit thematisch einschlägige Teil dieser Vergleichenden Darstellung wurde von v. Lilienthai verfaßt

a) Die der Darstellung zugrunde liegende Sicht des geltenden Rechts Aus den einleitenden Ausführungen zum zentralen Begriff der Zurechnungs(un)fahigkeit geht im Rahmen der bislang betrachteten historischen Entwicklung erstmalig hervor, daß er- von dem einsetzenden Wandel des psychologischen zum normativen Schuldbegriff erfaßt - in der Wissenschaft nunmehr auch im Sinne einer Schuld(un)fähigkeit aufgefaßt wurde 168 • v. Lilienthai hingegen versteht den Begriff der Zurechnungsunfähigkeit in dem weiteren Sinne einer in der Person des Täters begründeten (objektiven) Strafunfähigkeit, bei der im Einzelfall Strafe überflüssig ist, da die mit ihr verfolgten Strafzwecke (Generalprävention oder gerechte Vergeltung) nicht erreicht werden können 169 • Im Rahmen des § 51 RStGB folgt v. Lilienthai der weiten Auslegung des Begriffes der Bewußtlosigkeit. Er fordert mithin nicht das vollkommene Fehlen des Bewußtseins, sondern erachtet bereits erhebliche Trübungen desselben für ausreichend, läßt also den Zustand der gesteigerten Trunkenheit dem Begriff der Zurechnungsunfahigkeit unterfallen 170. In den aus der Schwierigkeit der erforderlichen exakten Feststellung dieser Voraussetzung und aus dem Grundsatz in dubio pro reo - zumindest theoretisch - folgenden Freisprüchen volltrunkener Täter sieht v. Lilienthai eine "Gefahr für die Gesellschaft" 171 . Zur "vorsätzlichen alic" - nur diese Variante sieht er als eigentliche alic an - meint v. Lilienthal, es sei nicht erst aus juristischen, sondern bereits aus psychologischen und physiologischen Gründen zweifelhaft, ob sich der Täter im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit des vorher im Zustand der Zurechnungsfähigkeit gefaßten Entschlusses erinnerte, ob also die für erforderlich gehaltene subjektive Verbindung des noch zurechnungsfähigen Täters zu der späteren Rauschtat bestehe 172 . 167 Eb. Schmidt, Geschichte, S. 395. Die Begründung des VE 1909 nennt die "Vergleichende Darstellung" selbst das hauptsächliche literarische Hilfsmittel bei der Aufstellung des Entwurfes (Begr. VE 1909, Allg. Teil, S. V f.). 168 v. Lilienthal, VDA, AT, V, S. 2. 169 v. Lilienthal, VDA, AT, V, S. 2 170 Die alkoholbedingte Intoxikation sei darüber hinaus begrifflich auch eine "krankhafte Störung der Geistestätigkeit" i. S. d. § 51 RStGB. v. Lilienthai differenziert jedoch zusätzlich danach, ob der Zustand von langer oder längerer Dauer (dann krankhafte Störung der Geistestätigkeit) oder ein schnell vorübergehender ist (dann Bewußtlosigkeit), v. Lilienthal, VDA, AT, V, S. 27. 171 v. Lilienthal, VDA, AT, V, S. 28. 12 Barthel

178

4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

Hinsichtlich der dogmatischen Begründung der Rechtsfolge "Straflosigkeit'' des § 51 RStGB vertritt v. Lilienthai einen normativen Handlungsbegriff, nach welchem das Tun eines Zurechnungsunfahigen zwar eine Handlung und nicht etwa ein Nullum, jedoch keine Handlung im (straf)rechtlichen Sinne ist. Eine solche setze nämlich stets voraus, daß das Verhalten einer Person seinen Ursprung in deren freien Willen hatte 173.

b) Der Reformvorschlag Die Empfehlung materieller Änderungen beginnt mit der Feststellung, daß gegen den Inhalt des § 51 RStGB nur ein wesentliches Bedenken geltend zu machen sei: das Fehlen einer besonderen Bestimmung für die Trunkenheit174. Das Zusammentreffen der Umstände, daß bei der Trunkenheit der Grund der Zurechnungsunfahigkeit meist vom Täter freiwillig hervorgerufen werde, er hierbei - häufiger als in der Praxis angenommen - zurechnungsunfahig werde und zudem in einem solchen Zustand zu einer großen Anzahl strafbarer Handlungen neige, rechtfertige das Bedürfnis nach einer besonderen gesetzlichen Bestimmung 175 . Unter Auswertung des umfassenden rechtsvergleichenden Teils der Abhandlung zählt der Autor die verschiedenen inhaltlichen wie regelungstechnischen Möglichkeiten einer strafrechtlichen Berücksichtigung der Trunkenheit auf: - keine Auswirkung der Trunkenheit auf die Strafbarkeit des Täters; - nur die unverschuldete Trunkenheit als Strafausschließungsgrund (mit/ ohne ausdrücklicher Erwähnung der actio libera in causa); - Trunkenheit als Strafmilderungsgrund (mit/ohne ausdrücklicher Erwähnung der actio libera in causa); - selbständige Straftatbestände; - Übertretungstatbestände.

v. Lilienthai behauptet - unter Berufung auf Aschaffenburg 176 -, daß im Falle der Trunkenheit die Voraussetzungen der Zurechnungsunfahigkeit tatsächlich weit öfter vorlägen als in der Praxis der Rechtsprechung angenommen, daß man eigentlich alle wirklich Betrunkenen freisprechen müsse 177. 172

v. Lilienthal, VDA, AT, V, S. 35 f.; ausführlich hierzu Hettinger, actio,

173

v. Lilienthal, VDA, AT, V, S. 37. v. Lilienthal, VDA, AT, V, S. 76. v. Lilienthal, VDA, AT, V, S. 76. Aschaffe nburg, MonSchrKrim 4 (1907/8) 422, 429 f. v. Lilienthal, VDA, AT, V, S. 83.

s. 288 ff. 174

175 176

177

III. Die Bestrebungen um die Reform des Strafgesetzbuches (1909-1930) 179

Letzteres wäre ein Unrecht gegenüber der Gesellschaft, jene Praxis der Gerichte hingegen ein Unrecht gegenüber den Tätem 178 . Dieser "Zwickmühle" will v. Lilienthai - ohne Verleugnung der allgemein für den Ausschluß der Zurechnungsfähigkeit geltenden Grundsätze! - dadurch entkommen, daß er den Betrunkenen, "dem man seine Handlung nicht zurechnen kann, dennoch bestraft, weil er sich betrunken hat" 179 • Eine wie etwa in § 361 Ziffer 5 RStGB von der Erregung eines Ärgernisses in der Öffentlichkeit abhängig gemachte Bestrafung der Trunkenheit als solcher in Form eines nur eine äußerst geringe Strafe vorsehenden Übertretungstatbestandes lehnt v. Lilienthai aus mehreren Gründen als kriminalpolitisch verfehlt ab. Eine Bestrafung der Trunkenheit ohne derartige Einschränkungen hingegen hält er zwar grundsätzlich für kriminalpolitisch wertvoll, jedoch in der Praxis für nicht durchführbar, insbesondere wegen der dadurch zu erwartenden drastischen Zunahme kurzzeitiger Freiheitsstrafen ISO. Aus diesem Grunde, und weil durch eine Bestrafung der Trunkenheit die Begehung strafbarer Handlungen in trunkenem Zustand gar nicht verhindert werde, bleibt für v. Lilienthai allein eine Berücksichtigung der im Rausch begangenen Delikte respektive der herbeigeführten Erfolge bei einer strafrechtliche Reaktion 181 • Hierbei greift er auf Bekanntes (sc. nicht aber Bewährtes) zurück: jene auf Schwarze zurückgehende 182, zu § 2 RegE 1881 in den Verhandlungen des Reichstages und hieran anschließend in der Kommission entwickelte dogmatische Begründung der Strafbarkeit mittels einer durch den zeitlichen Rückgriff von der eigentlichen Rauschtat auf das Sichberauschen, die Herbeiführung der Zurechnungsunfahigkeit, konstruierten Fahrlässigkeit 183 • Wenn es dann in sehr allgemein gehaltener Form heißt, fahrlässig handele, "wer einen Zustand herbeiführt, aus dem, wie er wissen mußte, sich Gefahren für die Rechtsgüterwelt ergeben, ohne daß er Sorge dafür trägt, die in concreto vorhandene Gefahr abzuwenden" 184, oder: jeder wisse, "daß, wenn er die Herrschaft über sich selbst verliert, es vom Zufall abhängt, ob es zu einer Rechtsgüterverletzung kommt oder nicht" 185, wird deutlich, daß der v. Lilienthal, VDA, AT, V, S. 83. v. Lilienthal, VDA, AT, V, S. 83 (Hervorhebung im Original, C. 8 .). 180 v. Lilienthal, VDA, AT, V, S. 83. 181 So zumindest eindeutig v. Lilienthal, VDA, AT, V, S. 84 (oben). 182 s.o. Fn. 140. 183 s.o. 4. Kapitel, II. 3. c) (S . 171). 184 v. Lilienthal, VDA, AT, V, S. 84. Zu diesem Satz bemerkt v. Lilienthai ausdrücklich in einer Anmerkung (a. a. 0 ., Fn. I), es handele sich nicht um die Begriffsbestimmung im allgemeinen, sondern um die Hervorhebung einer der Arten der Fahrlässigkeit. 178 179

12'

180

4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

Begriff der Fahrlässigkeit - wie schon im Rahmen der Diskussion über § 2 RegE 1881 11!6 - ohne eine Konkretisierung des Vorhersehens bzw. der Vorhersehbarkeit auf den tatsächlich eingetretenen, im Rauschzustand herbeigeführten Erfolg verstanden wird. Daß v. Lilienthai diese Form des Verschuldens nicht als Fahrlässigkeit im herkömmlichen Sinne ansieht, sondern als eine besondere, neue Form der Fahrlässigkeit, geht aus seinen weiteren Ausführungen denn auch klar hervor: Die in den Fällen der Trunkenheit zu bestrafende Fahrlässigkeit habe aus mehreren Gründen einen "besonderen Charakter"; zum einen, "weil die Zahl der möglicherweise eintretenden Erfolge eine erheblich große ist", zum anderen, weil "ihr Eintritt regelmäßig von einer Menge von anderen Bedingungen abhängt, deren Vorhandensein im einzelnen als rein zufällig und nicht voraussehbar im Augenblick des strafrechtlich erheblichen Handeins erscheint'"!l7 . Von der reinen Erfolgshaftung unterscheide sich diese Verschuldensform nur durch die Kenntnis des Täters von der Möglichkeit (= Vorhersehbarkeit) des Eintritts dieser verschiedenartigen Erfolge, also dem Erfordernis einer lediglich generellen Vorhersehbarkeit. Wegen dieses "besonderen Charakters" jener Fahrlässigkeit und des Umstandes, daß viele der häufig im Rausch verwirklichten Delikte solche sind, die nur vorsätzlich begehbar sind (etwa Widerstand gegen die Staatsgewalt, Sachbeschädigung, Sittlichkeitsdelikte), spricht sich v. Lilienthai auch zur Vermeidung von Strafbarkeitslücken - ausdrücklich dagegen aus, auf die Fälle der Trunkenheit einfach die Vorschriften über die Strafbarkeit fahrlässiger Delikte anzuwenden l!l!l. Einen konkreten, ausformulierten Normvorschlag unterbreitet v. Lilienthai nicht; er beschränkt sich auf die Empfehlung, die Differenzierung zwischen vorsätzlicher und fahrlässiger Herbeiführung der Trunkenheit, da beide gleichermaßen geHihrlieh seien, nicht bereits im Tatbestand, sondern erst im Rahmen der Strafzumessung vorzunehmen und unverschuldete Trunkenheit von der Regelung auszuschließen 189 • Von den beiden unterschiedlichen Regelungsmöglichkeiten, der Aufstellung eines allgemeinen Strafmaßes oder der Abstufung der Strafe nach der Schwere der begangenen Tat, bevorzugt v. Lilienthai die erstere, da das strafrechtlich entscheidende Tun unabhängig von dem eingetretenen Erfolg stets dasselbe sei 190• Eine Entscheidung werde auch davon abhängen, ob und in welchem Maße 185 l86

187 188 189 190

v. Lilienthal, VDA, AT, V, s.o. 4. Kapitel, II. 3. c) (S. v. Lilienthal, VDA, AT, V, v. Lilienthal, VDA, AT, V, v. Lilienthal, VDA, AT, V, v. Lilienthal, VDA, AT, V,

S. 84. 171 mit Fn. 144). S. 85. S. 85. S. 85. S. 86.

III. Die Bestrebungen um die Reform des Strafgesetzbuches ( 1909-1930) 181

sich das zu schaffende Strafgesetzbuch zu dem Prinzip der Erfolgshaftung bekenne. Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß nach dem im wesentlichen auf der Begründung des § 2 des Kommissionsentwurfes von 1881 aufbauenden und sie weiterentwickelnden Konzept eindeutig die Herbeiführung der Trunkenheit die tatbestandliehe Handlung darstellen 191 , der im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit herbeigeführte Erfolg dem Täter jedoch zugerechnet werden sollte. Ob das durch die Schaffung eines zwar "nur" modifizierten, gleichwohl aber neuen Fahrlässigkeitsbegriffs - wie behauptet "ohne Verleugnung der allgemeinen für den Ausschluß der Zurechnungsfähigkeit geltenden Grundsätze" 192 gelungen ist, mag man ernstlich bezweifeln, waren doch im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit herbeigeführte Erfolge dem Täter nach der bisherigen Zurechnungslehre überhaupt nicht zurechenbar, auch nicht als Fahrlässigkeit.

2. Der Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch 1909 (VE 1909) Der Vorentwurf, ein nicht amtlicher, von einer mit fünf Praktikern besetzten Sachverständigen-Kommission erstellter und mit einer Begründung versehener Entwurf eines Strafgesetzbuches 193, vermochte - wie in seiner Begründung selbst zugegeben wurde (!) - die aufgezeigte Problematik der selbstverschuldeten Zurechnungsunfähigkeit nicht widerspruchsfrei in das System des Strafrechts einzufügen.

a) Die Regelungen des Vorentwurfes aa) Die Regelung der Zurechnungs(un)fähigkeit Der Entwurf verzichtete - wie schon § 51 RStGB und seine zahlreichen Vorläufer - auf eine positive Definition der Zurechnungsfähigkeit und hielt an der biologisch-psychologischen Methode zu deren Bestimmung fest. An Stelle der Voraussetzung der "krankhaften Störung der Geistestätigkeit" wurden in § 63 Abs. I VE 1909 die Begriffe "Geisteskrankheit" und 191 Dies geht unzweifelhaft etwa auch aus den Ausführungen zur Abgrenzung zur actio libera in causa hervor, wenn es heißt, ein solches Zurückbeziehen der Verschuldung auf das bewußte Tun sei nicht das Konstatieren einer actio libera in causa, sondern .,einfach die Bestrafung einer rechtsgutsgefährdenden actio libera" (v. Lilienthal, VDA, AT, V, S. 84). 192 v. Lilienthal, VDA, AT, V, S. 83. 193 Detailliert zur Entstehung des VE 1909 etwa Begr. VE 1909, Allg. Teil. S. V ff.

182

4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

"Blödsinn" (wieder) eingeführt, das Merkmal der Bewußtlosigkeit hingegen beibehalten: "Nicht strafbar ist, wer zur Zeit der Handlung geisteskrank, blödsinnig oder bewußtlos war, so daß dadurch seine freie Willensbestimmung ausgeschlossen wurde".

Daß die hochgradige Trunkenheit hierbei unter den Begriff der Bewußtlosigkeit fallen, und damit als ein Zustand der Unzurechnungsfähigkeit angesehen werden kann, wird in der Begründung des Entwurfes ausdrücklich festgestellt 194 ; heißt es erläuternd, daß bei einer bis zur Bewußtlosigkeit gediehenen Trunkenheit "juristisch im allgemeinen von der strafrechtlichen Zurechnung der in ihr begangenen Handlungen keine Rede mehr" 195 sein könne.

bb) Die strafrechtliche Sanktionierung der Rauschtat Besonderheit und Novum des Vorentwurfes ist hinsichtlich der Regelung der Zurechnungs(un)fähigkeit die erstmalige ausdrückliche Erwähnung der Trunkenheit in § 64 VE 1909 196, einer "Sonderbestimmung, betreffend die Fahrlässigkeit" 197 : "War der Grund der Bewußtlosigkeit selbstverschuldete Trunkenheit und hat der Täter in diesem Zustand eine Handlung begangen, die auch bei fahrlässiger Begehung strafbar ist, so tritt die für die fahrlässige Begehung angedrohte Strafe ein."

In vielerlei Hinsicht interessant ist die Begründung zu dieser Vorschrift. Wie in den Gesetzesentwürfen aus den Jahren 1881 und 1892 wird die Notwendigkeit der Bekämpfung der Trunksucht mit den Mitteln des Strafrechts und die Ineffizienz der bislang vorhandenen gesetzlichen Bestimmungen betont. Ungewöhnlich ist, daß, obwohl von einer nur geringen Zahl der Fälle der Straflosigkeit Trunkener wegen Zurechnungsunfähigkeit ausgegangen wird 198, da "bei demjenigen, der überhaupt noch strafbare Handlungen zu begehen vermag, sinnlose Trunkenheit meist nicht vorliegt" 199, man gleichwohl eine diese ,,Strafbarkeitslücke" schließende Vorschrift für erforderlich hält.

Begr. VE 1909, Allg. Teil, S. 228. Begr. VE 1909, Allg. Teil, S. 228. ' 96 Von mindestens gleicher "Neuartigkeit" und Bedeutung war selbstverständlich die Einführung der verminderten Zurechnungsfähigkeit in den Absätzen I und 2 des § 63 VE 1909, die jedoch für die Thematik der Arbeit nicht von Bedeutung ist. 197 Begr. VE 1909, Allg. Teil, S. 228. 198 Begr. VE 1909, Allg. Teil, S. 234. 199 Begr. VE 1909, Allg. Teil, S. 234. 194 195

III. Die Bestrebungen um die Reform des Strafgesetzbuches (1909-1930) 183

Eine § 2 RegE 1881 entsprechende, die Strafe vergleichbar den Versuchsgrundsätzen (§ 44 RStGB) mildemde Vorschrift wird ausdrücklich abgelehnt, da eine solche die Grundsätze der Zurechnung durchbreche, wenn der Zurechnungsunfähige wegen der in diesem Zustand begangenen vorsätzlichen Handlung verantwortlich gemacht werde: ein "rechtlich kaum hinnehmbares Ergebnis"200 • Um jedoch die als berechtigt angesehene "kriminelle Verantwortlichkeit" des Täters zu begründen, wird - einmal mehr! - auf die Fahrlässigkeit zurückgegriffen, in der Tradition der Begründung zu § 2 KommE 1881 und übereinstimmend mit den Ausführungen v. Lilienthais die Fahrlässigkeit bereits in dem Handeln desjenigen erblickt, der sich sinnlos betrinkt201 . Der Vorentwurf enthielt eine die Fahrlässigkeit definierende Vorschrift in § 60: "Fahrlässig handelt, wer die Tat zwar nicht mit Vorsatz, jedoch aus Mangel an derjenigen Aufmerksamkeit ausführt, zu welcher er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet und imstande ist".

Auf die Voraussetzungen der Fahrlässigkeit und die Frage, ob diese im Fall des sich betrinkenden Rauschtäters, der Situation des § 64 VE 1909, vorliegen, geht die Begründung an dieser Stelle mit keinem Wort ein. Aus Anmerkungen zu § 60 VE 1909 geht jedoch eindeutig hervor, daß das Kriterium der Vorhersehbarkeit des Erfolges als notwendiger Bestandteil und Voraussetzung der Fahrlässigkeit verstanden wurde und der Begriff der Fahrlässigkeit gegenüber der herrschenden Auslegung des geltenden Rechts in seinem Wesen nicht verändert werden sollte202 . Auch eine dritte Form des Verschuldeos neben Vorsatz und Fahrlässigkeit war ausdrücklich nicht beabsichtigt203 . Fügt man nun alle die Fahrlässigkeit betreffenden Aussagen einerseits und die Regelung des § 64 VE 1909 andererseits zusammen, so wird jener Satz der Begründung, der der Heranziehung der Fahrlässigkeit folgt, verständlich: "Wenigstens würde eine solche Annahme nicht geradezu in Widerspruch zu den Grundregeln der Zurechnung treten und besonders dann berechtigt sein, wenn der Täter wußte, daß er im Trunke zu Ausschreitungen neigt" 204 : Ein Eingeständnis der Verfasser des Vorentwurfes, ein Zugeben, daß § 64 VE 1909 im Widerspruch zu den Grundregeln der Zurechnung steht.

2oo Begr. VE 1909, Allg. Teil, S. 234. 2o1 2o2 2o3 204

Begr. Begr. Begr. Begr.

VE VE VE VE

1909, 1909, 1909, 1909,

Allg. Allg. Allg. Allg.

Teil, S. 214. Teil, S. 214. Teil, S. 201 f. Teil, S. 235.

184

4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

Anläßlich der Begründung zu § 58 Abs. I Satz I VE 1909 ("Wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, ist nur strafbar, wer schuldhart handelt.") findet sich der Hinweis, daß von dem Grundsatz "Keine Strafe ohne Schuld" Ausnahmen bestehen könnten, die jedoch dann einer gesetzlichen Regelung bedürften 205 . § 64 VE 1909 findet in diesem Zusammenhang jedoch ebensowenig Erwähnung wie § 58 Abs. 1 Satz 1 VE 1909 bei der Begründung des § 64 VE 1909. Letzterer soll offenbar trotz des eingestandenen Widerspruches nicht als eine Ausnahme in diesem Sinne verstanden werden. Die Begründung hebt lediglich hervor, daß § 64 VE 1909 eine gewisse Bestrafung des Täters bei Delikten gegen das Leben und die körperliche Unversehrtheil sowie gemeingefährlichen Delikten ermöglichte206. Daß die Strafbarkeit des Rauschtäters auf die Fälle beschränkt ist, in denen auch die fahrlässige Begehung des verwirklichten Deliktes mit Strafe bedroht ist, demnach ,,Strafbarkeitslücken" bestehen, übergeht die Begründung geflissentlich, obgleich dies der ausdrückliche Einwand v. Lilienthais dagegen war, die Vorschriften über die Strafbarkeit fahrlässiger Delikte auf die Fälle der Trunkenheit anzuwenden 207 . Von einer gesetzlichen Regelung der actio libera in causa nahm der Vorentwurf im wesentlichen aus den gleichen Gründen Abstand, aus denen bereits der KommE 1881 Jahre zuvor die Regelung des § 2 Abs. 4 RegE 1881 gestrichen hatte 208 .

cc) Übertretungstarbestände Anstelle des Übertretungstatbestandes des § 361 Ziffer 5 RStGB sah der Vorentwurf differenzierend einen Tatbestand der gefährlichen Trunkenheit (§ 306 Ziffer 3) vor: "Mit Geldstrafe bis zu 300 M. oder mit Haft bis zu einem Monat wird bestraft, 3. wer sich durch eigenes Verschulden in einen Zustand von Trunkenheit versetzt, in der er eine grobe Störung der öffentlichen Ordnung oder eine persönliche Gefahr für andere verursacht." Begr. VE 1909, Allg. Teil, S. 200 f. Begr. VE 1909, Allg. Teil, S. 235. 207 s.o. 4. Kapitel, III. I. b) (S. 180 mit Fn. 188). Dieses Schweigen ist besonders deshalb auffällig, weil die Begründung des Vorentwurfes ansonsten regelmäßig zu den Ausführungen der "Darstellung des Deutschen und ausländischen Strafrechts" Stellung nimmt, wenn dieser gefolgt wird; und zwar in gleicher Weise wie bei Abweichungen, so auch ausdrücklich etwa Begr. VE 1909, Allg. Teil, S. VI. 208 s. o. 4. Kapitel, II. 3. c) a.E. (S. 175 mit Nachw. in Fn. 160); Begr. VE 1909, Allg. Teil, S. 235. 2os

206

III. Die Bestrebungen um die Reform des Strafgesetzbuches ( 1909-1930) 185

Ferner war ein Tatbestand der groben Trunkenheit (§ 309 Ziffer 6) geplant: "Mit Geldstrafe bis zu 100 M. oder mit Haft bis zu einem Monat wird bestraft, 6.

wer in einem Zustand selbstverschuldeter Trunkenheit, der geeignet ist, Ärgernis zu erregen, an einem öffentlichen Ort betroffen wird."

Während letztere Vorschrift - ohne daß die Begründung es erwähnt inhaltlich auf § I RegE 1881 209 zurückgeht, anders als dieser lediglich nicht den tatsächlichen Eintritt der Erregung eines öffentlichen Ärgernisses erfordert, sondern bereits die Eignung der Trunkenheit hierzu ausreichen läßt, ist die Regelung der gefährlichen Trunkenheit ein Novum. Als "Schutzobjekte" - Rechtsgüter i. S. der heutigen strafrechtsdogmatischen Terminologie - dieses Übertretungstatbestandes werden sowohl die öffentliche Ordnung als auch die Sicherheit anderer genannt210, wobei die Gefährdung anderer auf eine solche für Leib und Leben beschränkt und der Begriff der Gefahr als "eine ernstliche Gefahr, also die nach den Umständen des gegebenen Falles zu beurteilende nahe Wahrscheinlichkeit einer Verletzung anderer"211 verstanden wurde. Mit dieser Vorschrift tritt erstmals der Aspekt der Gefährdung in einem die Trunkenheit sanktionierenden Straftatbestand in Erscheinung, ja in den Vordergrund. Die Vorschrift selbst wurde als ein abstraktes Gefährdungsdelikt212, der Eintritt der Gefahr als eine objektive Bedingung der Strafbarkeit verstanden 213 . Von dem späteren wie dem heutigen Vollrauschtatbestand, der im Schrifttum überwiegend auch als ein solches Delikt gesehen wird2 14, unterscheidet sie sich jedoch beträchtlich. Zum einen dadurch, daß der Kreis der geschützten Rechtsgüter auf einige wenige beschränkt ist, zum anderen dadurch, daß die Herbeiführung einer Gefahr nicht an die Verwirklichung eines Tatbestandes im Zustand der Trunkenheit gebunden ist, mithin keine Rauschtat erfordert. Soweit eine solche vorläge, ginge wohl § 64 VE 1909, bei den Tötungs- und Körperverletzungsdelikten stets einschlägig, § 306 Ziffer 3 VE 1909 voraus 215 .

s.o. 4. Kapitel, II. 3 a). Begr. VE 1909, Bes. Teil, S. 856. 211 Begr. VE 1909, Bes. Teil, S. 856. 212 Dorbritz, S. 15. 21 3 Begr. VE 1909, Bes. Teil, S. 856. 214 s.o. 2. Kapitel, II. I. 215 Hinsichtlich der Konkurrenzverhältnisse zwischen den Übertretungstatbeständen untereinander und zu § 64 VE 1909 vgl. etwa Zusammenstellung, S. 416 f. 209 2 10

186

4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

b) Die Reaktionen des Schrifttums Der mit der Erstellung und insbesondere auch der Veröffentlichung des Vorentwurfes beabsichtigte Zweck, eine "öffentliche Beurteilung"216 durch Reaktionen des Schrifttums hervorzurufen, um auf diese Weise eine breite Diskussionsbasis für die Reform des Strafgesetzbuchs zu schaffen, wurde erreicht217 .

aa) Die Kritik an § 64 VE 1909 Hinsichtlich der dargestellten Regelungen, insbesondere des § 64 VE 1909, fiel sie überwiegend negativ aus 218 . Die massive Kritik konzentrierte sich hierbei im wesentlichen auf zwei Schwerpunkte. Als dogmatisch gewichtigstes Argument wurde angeführt, § 64 VE 1909, der lediglich ein Verschulden des Täters hinsichtlich der herbeigeführten Trunkenheit voraussetzte, ordne eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit an, ohne daß im konkreten Einzelfall eine Fahrlässigkeit des trunkenen Täters hinsichtlich des von ihm herbeigeführten Erfolges auch vorliegen müsse. Fahrlässigkeit erfordere eine bestimmte subjektive Beziehung des Täters zu dem eingetretenen Erfolg, nämlich daß er diesen vorhersehe bzw. zumindest vorhersehen könne, wobei es diesbezüglich auf den konkreten, den tatsächlich eingetretenen Erfolg ankomme 219 • Auf den Punkt gebracht hat das Problem Beling: "Wer sich berauscht, der kann unter Umständen voraussehen, daß er diesen oder jenen Unfug treiben, diese ober jene Schädigung begehen wird"; man könne jedoch unmöglich behaupten, "daß jeder sich Berauschende alle möglichen Untaten als von ihm möglicherweise im trunkenen Zustand zu begehende voraussehen könne'.22°. Die (Fahrlässigkeits)Schuld des Täters werde durch § 64 VE 1909 lediglich fingiert, präsumiert221 • Dort, wo der Täter tatsächlich den Begr. VE 1909, Allg. Teil, S. V. So auch v. Hippe/, Deutsches Strafrecht I, S. 362. 218 Einen umfassenden Überblick über die eingehende Kritik an § 64 VE 1909 bietet die im Reichs-Justizamt gefertigte "Zusammenstellung der gutachterliehen Äußerungen über den Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch", s. 145-149. 219 Ausführlich etwa Kohlrausch, ZStW 32 (1911) 655 f.; ders., Reform I, S. 224; Kantorowicz, MonSchrKrim 7 ( 1910/ II) 291. 220 Reling, Unschuld, S. 81, Hervorhebungen dort; im Ergebnis ebenso Wach, DJZ 1910, Sp. 16, der bezweifelt, daß das im Zustand der Trunkenheit Verübte schlechthin der Fahrlässigkeit zugerechnet werden kann. 22 1 Binding, GS 77 (1911) 36; Frank, Reform I, S. 249; Kohlrausch, ZStW 32 (1911) 657; Köhler, Hirths Ann. 1910, 200. 216 217

III. Die Bestrebungen um die Reform des Strafgesetzbuches ( 1909-1930) 187 konkreten Erfolg vorausgesehen habe oder haben könnte, sei die Vorschrift des § 64 VE 1909 hingegen schlichtweg überflüssig 222 . Mit ihr werde die Erfolgs- oder Zufallshaftung, die der Vorentwurf mit dem - sehr gelobten! - § 62223 für die erfolgsqualifizierten Delikte aus dem Strafgesetzbuch verwiesen hat, an anderer Stelle wieder eingeführt224• Die Vorschrift des § 64 VE 1909 wurde damit sowohl als Widerspruch zu § 60 VE 1909 (Fahrlässigkeit) als auch als Verstoß gegen das in § 58 Abs. 1 VE 1909 niedergelegte Prinzip der Schuldhaftung angesehen 225 . Weiterhin rügte man überwiegend die in § 64 VE 1909 enthaltene Beschränkung der Verantwortlichkeit Trunkener auf Fahrlässigkeitsdelikte und die dadurch entstehende Strafbarkeitslücke; dies jedoch ersichtlich weniger aus dogmatischen Gründen 226 als mit "kriminalpolitischen" Einwänden gegen das Ergebnis 227 .

bb) Die Kritik an§§ 306 Ziffer 3, 309 Ziffer 6 VE 1909 Da sich auch bei § 306 Ziffer 3 VE 1909 das Verschulden des Täters nur auf die Trunkenheit, nicht hingegen auf die herbeigeführten Erfolge der groben Störung der öffentlichen Ordnung oder der persönlichen Gefahr erstrecken mußte, sah man vereinzelt auch in dem Übertretungstatbestand der gefährlichen Trunkenheit eine Ausnahme vom Schuldprinzip228 . Frank kritisierte ferner, daß der Trunkene hinsichtlich der - abstrakt formulierten 222 Frank, Gefängniskunde 44 (1910) 253 f.; Kohlrausch, ZStW 32 (1911) 654. 657; Köhler, Hirths Ann. 1910,200. 223 § 62 VE 1909: "Wo das Gesetz für den Fall, daß eine strafbare Handlung

einen bestimmten, nicht gewollten Erfolg herbeiführt, eine erhöhte Strafe androht, tritt, soweit nichts anderes bestimmt ist, diese Strafe nur dann ein, wenn der Täter die Möglichkeit eines solchen Erfolges voraussehen konnte." 224 Im Ergebnis ebenso Kohlrausch, ZStW 32 (1911) 658; Kantorowicz, MonSchrKrim 7 (1910/11) 291. Köhler, Hirths Ann. 1910, 200, sieht in § 64 VE 1909 die "unwillkommene Auferstehung" des Grundsatzes des versari in re illicita. 225 So später etwa auch Gramsch, Tatbestand, S. 27; Ruisinger, S. 37. 226 Ausgehend von der Annahme einer Fahrlässigkeit des Täters erscheint jene Beschränkung der Strafbarkeit durchaus geradezu konsequent. Nicht zu Unrecht fragt Frank (Reform I, S. 250 f.; Gefängniskunde 44 [1910] 254), weshalb der Trunkene insoweit schlechter gestellt werden sollte als andere Personen. Wenig überzeugend dagegen die Bemerkung Köhlers (Hirths Ann. 1910, 200), es handele sich bei § 64 ohnehin um keine "echte", sondern nur um eine fingierte Fahrlässigkeit. 227 Vgl. insoweit Zusammenstellung, S. 147 f. (ausführliche Darstellung des Schrifttums unter Nennung der jeweils vorgetragenen Argumente). 228 Frank, Reform I, S. 252; ders., Gefängniskunde 44 (1910) 254 f.; Kitzinger, ÖstZStr I (1910), 447 f. Lediglich "unsympathisch berührt" Kohlrausch, ZStW 32 (1911) 664.

188

4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

- persönlichen Gefährdung schlechter gestellt werde als andere, nicht trunkene Personen, für welche die Gefährdung anderer als solche strafrechtlich nicht relevant sei 229 . Gegen den Tatbestand der groben Trunkenheit (§ 309 Ziffer 6 VE 1909) erhob sich das Bedenken, daß durch das Abstellen auf die Eignung der Trunkenheit zur Erregung eines Ärgernisses, nicht aber auf dessen Eintritt selbst, die Strafbarkeit zu weit vorverlegt werde, die Strafnorm zu weit gehe 230 . Der bereits von v. LilienthaP31 gegen eine solche Vorschrift vorgebrachte Einwand, sie könne auf verschiedene Bevölkerungsklassen ungleich angewandt werden, also zu einer "Klassenjustiz" führen, wurde - lediglich mit anderen Worten - auch dem Tatbestand der groben Trunkenheit entgegengehalten232.

3. Gegenentwurf zum Vorentwurf eines Deutschen Strafgesetzbuches, 1911 (GE 1911) Der im Jahre 1911 als Reaktion auf den Vorentwurf veröffentlichte, von den vier Professoren Kahl, v. Lilienthal, v. Liszt, und Goldschmidt erstellte Gegenentwurf ist zwar wiederum kein amtlicher, sondern ausschließlich die Privatarbeit der genannten Wissenschaftler, gleichwohl jedoch ein bedeutsames Element im Gesamtprozeß der Strafrechtsreform233 .

a) Die Regelung der Zurechnungs(un)fähigkeit Die vom Vorentwurf vorgenommenen Änderungen der Formulierung der biologischen Voraussetzungen der Zurechnungsunfähigkeit (§ 63 Abs. 1 VE 1909) wurden in § 13 Abs. 1 GE 1911 der bestehenden Gesetzeslage wieder etwas angenähert, der Begriff der "Bewußtlosigkeit" i. S. d. § 51 RStGB seiner überwiegenden Auslegung durch Literatur und Rechtsprechung entsprechend - wie schon von Frane 34 vorgeschlagen - durch "Bewußtseinsstörung" ersetzt:

229 230

204 f.

Frank, Reform I, S. 252; ders., Gefängniskunde 44 ( 191 0) 255. Rosenberg, Reform II, S. 484 f.; Schwandner, MonSchrKrim 7 ( 1910/11)

v. Lilienthal, VDA, AT, V, S. 83. Frank, Reform I, S. 253 f.; ders., Gefängniskunde 44 (1910) 255 f.; Kohlrausch, ZStW 32 ( 1911) 663, auch kritisch zum unbestimmten Begriff des Ärgernisses; Köhler, Hirths Ann. 1910, 204; Begr. GE 1911 , S. 202. 233 v. Hippe/, Deutsches Strafrecht I, S. 363. 234 Frank, Reform I, S. 235, der den Begriff der "Bewußtseinsstörung" wiederum aus § 14 des schweizerischen Vorentwurfes von 1900 entnommen hat. 231

232

III. Die Bestrebungen um die Reform des Strafgesetzbuches (1909-1930) 189 "Eine Handlung ist straflos, wenn der Täter zur Zeit der Handlung wegen Bewußtseinsstörung oder krankhafter Störung der Geistestätigkeit nicht die Fähigkeit besaß, die Strafbarkeit seiner Tat einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln."

Da auch mit der neuen Formulierung der psychologischen Erfordernisse der Zurechnungsunfähigkeit, nämlich der Fähigkeit des Täters, "die Strafbarkeit seiner Tat einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln", der bisherige Begriff des "Ausschlusses der freien Willensbestimmung" inhaltlich nicht verändert, sondern lediglich sprachlich präzisiert werden sollte 235 , hat sich auch an der Beurteilung der Zurechnungsunfähigkeit hochgradig Trunkener durch den Gegenentwurf nichts geändert.

b) Die strafrechtliche Verantwortlichkeit schuldhaft Trunkener Mit den ebenso prägnanten wie vernichtenden Worten, § 64 VE 1909 hege zwar eine gute Absicht, sei jedoch zu streichen236, beginnt die Stellungnahme des Gegenentwurfes zu jener Vorschrift. Die Verfasser schließen sich hierbei der dargestellten überwiegenden Kritik des Schrifttums an: § 64 VE 1909 prämiere in seiner Wirkung geradezu die vorsätzlichen Trunkenheitsdelikte, indem der schuldhaft Trunkene bei Verwirklichung einer nur bei vorsätzlicher Begehung strafbaren Handlung straflos bleibe237 . Als "wesentlicher und unverbesserlicher Fehler" des § 64 VE 1909 wurde jedoch angesehen, daß er die allgemein gültigen Grundsätze über Zurechnung aufhebe, weil er ohne Schuld strafe 238 , wenn die Fahrlässigkeit sich lediglich auf die Herbeiführung des trunkenen Zustandes beziehen müsse, ohne jede Verbindung mit der Wahrscheinlichkeit oder Möglichkeit einer Straftat239 . Jenen allgemeingültigen Grundsätzen (sc. der Zurechnung; C. B.) gegenüber könne § 64 VE 1909 nicht aufrechterhalten werden, weshalb der Gegenentwurf die - wie verschiedentlich im Schrifttum geforderte240 - ersatzlose Streichung des § 64 VE 1909 vorsah. Um dem danach verbleibenden "ungedeckten Bedürfnis der Strafverantwortlichkeit"241 Rechnung zu tragen, schlug der Gegenentwurf erstmals einen neuen Weg ein, mit dem er von sämtlichen bisherigen "Fahrlässigkeits"-Begründungen Abstand nahm. Begr. GE 1911, S. 12 f. Begr. GE 1911, S. 14. 237 Begr. GE 1911, S. 14 f. 238 Begr. GE 1911, S. 15. 239 Begr. GE 1911, S. 15. 240 Beting, Unschuld, S. 81 ; Binding, GS 77 (1911) 36; Frank, Reform I, S. 249; Kohl rausch, ZStW 32 ( 1911) 658. 24 1 Begr. GE 1911, S. 15. 235 236

190

4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

Mit der - § 242 österVE 1909242 nachgebildeten - Vorschrift des § 190 GE19ll "(1) Wer sich vorsätzlich oder fahrlässig in einen die Zurechnung nach § 13 Abs. I ausschließenden Zustand der Trunkenheit versetzt, wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft, wenn er in diesem Zustand eine Handlung begeht, die ihm sonst als Verbrechen oder Vergehen zuzurechnen wäre. §§ 14, 69243 finden Anwendung. (II) Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein, wenn die begangene Handlung nur auf Antrag zu verfolgen ist."

sollte nun erstmals die selbstverschuldete Trunkenheit als solche bestraft werden, wenn sie den Grund der Zurechnungsunfähigkeit bildete, um derentwillen der Täter von der Handlung selbst freigesprochen werden mußte244 . Die Trunkenheit sollte als solche bestraft werden, d. h. nicht - wie noch in den vorherigen Entwürfen angenommen - wegen einer (sc. möglicherweise) in ihr liegenden Fahrlässigkeit des Täters und deren Ursächlichkeil für den später eintretenden Erfolg. Die Vorschrift begründe die Verantwortlichkeit des Täters dafür, "daß er sich schuldhaft in den Zustand einer die Zurechnung ausschließenden Trunkenheit versetzt hat" 245 . Strafbarkeit solle jedoch nur dann eintreten, "wenn er in diesem Zustand eine Handlung begeht, die ihm sonst als Verbrechen oder Vergehen zuzurechnen wäre". Mit letzterem sei eine "Bedingung der Stratbarkeit"246 aufgestellt. 242 Der nahezu zeitgleich zum deutschen Vorentwurf entstandene Österreichische Vorentwurf zu einem Strafgesetzbuch (österVE 1909) sah in dem sechzehnten Abschnitt des Besonderen Teiles ("Strafbare Handlungen gegen den öffentlichen Frieden.") in § 242 folgende Regelung vor: "Wer sich vorsätzlich oder fahrlässig in den Zustand einer die Zurechnung ausschließenden Trunkenheit versetzt, wird mit Gefängnis oder Haft bis zu sechs Monaten bestraft, wenn er in diesem Zustand eine Tat veriibt, die ihm sonst als strafbar zuzurechnen wäre und die strenger als mit sechs Monaten Freiheitsstrafe bedroht ist. Der Täter wird nur mit Ermächtigung verfolgt, wenn die in der Trunkenheit verübte Tat nur mit Ermächtigung oder auf Privatanklage zu verfolgen ist." 243 § 14 GE 1911 sah unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit der Verwahrung zurechnungsunfähiger (§ 13 Abs. I GE 1911) oder nur vermindert zurechnungsfähiger(§ 13 Abs. 2 GE 1911) Täter in einer öffentlichen Heil- und Pflegeanstalt vor, § 69 GE 1911 regelte neben dem Wirtshausverbot die Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt 244 Begr. GE 1911, S. 16. 2 ~ 5 Begr. GE 1911, S. 202. Inhaltlich ebenso die Begrundung zu § 242 österVE 1909, die auf die Trunkenheit als häufige Ursache der Verletzung oder Gefährdung von Rechtsgütern hinweist und die Strafbarkeit der selbstverschuldeten Trunkenheit mit der Gefährdung der Rechtsordnung rechtfertigt, Bemerkungen zum österVE 1909, S. 218. 246 Begr. GE 1911, S. 202.

III. Die Bestrebungen um die Reform des Strafgesetzbuches ( 1909-1930) 191

Mit diesem Straftatbestand, der - anders als § 64 VE I 909, auch insoweit dem österVE 1909 folgend 247 - in den mit ,,Störung des Rechtsfriedens und der öffentlichen Ordnung" betitelten 8. Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches eingestellt werden sollte, war - für das deutsche Recht - der Grundstein für den später Gesetz gewordenen Vollrauschtatbestand gelegt248 . Besondere Beachtung gilt an dieser Stelle wiederum der Rauschtat und ihren Voraussetzungen. § 190 GE I 911 stellt an sie die Anforderung, daß die im Rausch begangene Handlung dem Täter sonst, d.h. bei nicht bestehender selbstverschuldeter Zurechnungsunfahigkeit, als Verbrechen oder Vergehen zuzurechnen wäre. Auch das ist neu. Wie sich aus der Begründung des Entwurfes ergibt, sahen seine Urheber den Begriff der "Zurechnung" in diesem Zusammenhang stets als "Zurechnung zur Schuld"249 und die Zurechnungsunfahigkeit als einen Schuldausschließungsgrund250 an. Im Wege einer hypothetischen Betrachtung müßte - unter Hinzudenken oder Annahme der Zurechnungsfähigkeit des Täters die im Rausch verwirklichte Handlung ein schuldhaft begangenes Delikt darstellen, d. h. der Rauschtäter rechtswidrig und schuldhaft (vorsätzlich oder fahrlässig) den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht haben. Das ist nun etwas anderes - präziser: weniger - als die Anforderungen, die etwa § 2 RegE 1881 an die im Rausch begangene Handlung des Zurechnungsunfahigen gestellt hatte. Nach dieser Vorschrift sollte die Rauschtat eine Handlung sein, welche, in freier Willensbestimmung begangen, die strafrechtliche Verortheilung des Täters zur Folge haben würde 251 . Soweit man sich der Auffassung anschließt, daß § 2 RegE 1881 keinen Straftatbestand, sondern eine Modifikation des § 51 RStGB darstellte 252 , Strafgrund damit die Rauschtat als solche sein sollte, kann man den an die Rauschtat angelegten Maßstab nur als konsequent bezeichnen. s.o. Fn. 242. So auch Gramsch, Tatbestand, S. 31; Dorbritz. S. 22. 249 Begr. GE 1911, S. 15. Expressis verbis wird dies in der insgesamt knappen Begründung des Gegenentwurfes nicht erwähnt. Der Umstand jedoch, daß sich unmittelbar an die an § 64 VE 1909 geübte Kritik, er hebe die allgemein gültigen Grundsätze über Zurechnung auf, der Satz anschließt, er (sc. § 64 VE 1909) ohne Schuld strafe, rechtfertigt die Annahme einer als "Schuldfähigkeit" im heutigen Sinne verstandenen Zurechnungsfähigkeit, wobei an dieser Stelle der zu jener Zeit aufkommende Disput, ob die Schuldfähigkeit eine Voraussetzung oder ein Element der Schuld sei, nicht relevant ist. 250 Begr. GE 1911, S. II. 251 s.o. S. 164. Nämliches gilt auch für die insoweit gleich formulierte, in der Kommission 1881 vorgeschlagene erste alternative Formulierung einer Regelung (s.o. S. 172). 252 s.o. 4. Kapitel, II. 3. a) (S. 167 mit Fn. 121 ). 247

248

192

4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

Daß die in § 190 Abs. I GE 191 I enthaltenen Anforderungen ganz andere sind, geht außer aus dem Wortlaut der Norm auch bereits aus der Existenz des zweiten Absatzes dieser Vorschrift deutlich hervor. Da es nach Absatz I für die Annahme einer Rauschtat lediglich darauf ankommen sollte, daß diese - wäre sie im Zustand der Zurechnungsfahigkeit vom Täter verwirklicht worden - eine schuldhafte wäre, hätte das jenseits der Schuld angesiedelte und diese nicht mehr berührende Strafantragserfordernis für das Vorliegen einer Rauschtat und damit die Strafbarkeit des Täters nach § I 90 Abs. I GE I 9 I 1 keine Bedeutung253 . Das Vorliegen wie das Fehlen eines Strafantrages ist als bloße prozessuale Straftatverfolgungsvoraussetzung für das Vorliegen wie das Nichtvorliegen der Schuld, der schuldhaften Verwirklichung eines Deliktes, ohne jede Bedeutung. Für den als (persönlicher) Strafaufhebungsgrund verstandenen freiwilligen Rücktritt vom Versuch 254 kann nichts anderes gelten, wird durch diesen doch allein die Bestrafung des Täters wegen der Begehung des versuchten Delikts aufgehoben, nicht hingegen die Schuld des Täters, die Zurechnung seiner Handlung als Verbrechen oder Vergehen auch nur berührt. Da demnach selbst nach dem Rücktritt von einem versuchten Delikt die Handlung dem Täter als Verbrechen oder Vergehen zurechenbar bliebe, weil trotz des Rücktritts - bei gedachter Zurechnungsfähigkeit - ein vom Täter schuldhaft begangener Versuch einer Straftat vorläge, wäre auch der Rücktritt vom Versuch der Rauschtat im Rahmen des § 190 Abs. 1 GE 1911 für das Vorliegen der erforderlichen objektiven Bedingung der Strafbarkeit und damit für die Strafbarkeit des Täters wegen "selbstverschuldeter Trunkenheit" ohne Bedeutung. Die Konstellation des Rücktritts des Rauschtäters findet wegen ihrer unbestreitbaren konstruktiven Besonderheit und vielleicht auch ihrer Seltenheit verständlicher Weise in den ohnehin knappen Begründungen des Gegenentwurfes keine Erwähnung. Fest steht jedoch, daß die Verfasser des Entwurfes an die im Rauschzustand durch den Täter verwirklichte Tat - in Kenntnis der Regelung und 253 Zu der als Konsequenz aus den insoweit abweichenden Anforderungen an die Rauschtat folgenden anderen Bedeutung des Strafantrages für das Vorliegen einer Rauschtat und damit die Strafbarkeit des Rauschtäters nach § 2 RegE 1881 s.o. 4. Kapitel, II. 3. a) (S. 168). Daß danach bei einem hinsichtlich der Rauschtat bestehenden Strafantragserfordernis bereits das Vorliegen einer Rauschtat von der Stellung eines Strafantrages abhängig war, bedurfte - anders als in § 190 GE 1911 keiner ausdtiicklichen Erwähnung im Gesetz. Der Bedeutung des Strafantrages war in der Begrundung des Regierungsentwurfes ausdtiicklich gedacht, s.o. Fn. 127. 254 Die Verfasser des Gegenentwurfes charakterisierten - wie auch Rechtsprechung und überwiegende Wissenschaft zu dieser Zeit (vgl. etwa Frank. VDA, AT, V, S. 197) - den freiwilligen Rücktritt vom Versuch (§ 30 GE 1911) als einen persönlichen Strafaufhebungsgrund; s. Begr. GE 1911 , S. 44.

III. Die Bestrebungen um die Reform des Strafgesetzbuches ( 1909-1930) 193

Formulierung des § 2 RegE 1881 !255 - bewußt andere Anforderungen gestellt haben als § 2 RegE 1881. Hierbei ist nicht nur zu bedenken, daß ein deutliches Abweichen von früheren Formulierungen zumeist auf einer insoweit auch inhaltlichen Änderung beruht, sondern auch, daß die Rauschtat in § 190 GE 1911 als äußere Bedingung der Strafbarkeit im Rahmen eines neuen, von der Rauschtat verschiedenen Tatbestandes eine vollkommen andere Funktion bekam, als sie sie in § 2 RegE 1881 gehabt hatte; und zwar, wie immer man diesen auch verstehen mag, als eigenständiges Delikt oder Modifikation des § 51 RStGB. Zudem haben die Verfasser des Gegenentwurfes bei § 190 GE 1911 durch das Abstellen auf ein bei Zurechnungsfähigkeit des Täters (nur) schuldhaft verwirklichtes, nicht aber auch dessen Verurteilung bewirkendes Delikt erkennbar geringere Anforderungen an die Rauschtat gestellt. Mit Absatz 2 wurde für das Strafantragserfordernis eine Ausnahme von jenem in § 190 Abs. l GE 1911 normierten Rauschtaterfordernis geschaffen. Eine ausschließlich die Bestrafbarkeil des Täters wegen der Rauschtat als solcher betreffende Voraussetzung wurde auf den neu geschaffenen Tatbestand der "selbstverschuldeten Trunkenheit" übertragen. Für andere, jenseits der Schuld liegende positive oder negative Bestrafungsvoraussetzungen - zu denken wäre etwa, neben dem Strafaufhebungsgrund des Rücktritts vom Versuch, an die Verjährung oder verschiedene im Besonderen Teil des StGB angeordnete Strafausschließungsgründe - wurde eine solche Ausnahme nicht gesehen. Wie hätte sie aussehen können? Eine pauschale Erstreckung auf sämtliche schuldunabhängigen Bestrafbarkeitsvoraussetzungen hätte den in Absatz I festgelegten Grundsatz aufgehoben und wäre zwar nicht formal, jedoch inhaltlich der in § 2 RegE 1881 normierten Rauschtatvoraussetzung gleichgekommen: Die Rauschtat hätte bei vorhandener Zurechnungsfähigkeit die Verurteilung des Täters zur Folge haben müssen. Da ein solcher Verweis auf Strafaufhebungs-, Strafausschließungsgründe und prozessuale Straftatverfolgungsvoraussetzungen den Intentionen der Entwurfsverfasser zuwidergelaufen wäre, bestand nur die Möglichkeit, lediglich einzelne wenige Voraussetzungen der Bestrafbarkeil zu nennen, die, ursprünglich für die Rauschtat bestimmt, nun auf den Tatbestand der Trunkenheit übertragen werden sollten. Dies ist in § 190 Abs. 2 GE 1911 für das Strafantragserfordernis geschehen. 255 An dieser Stelle die Kenntnis der Verfasser des Gegenentwurfes von Existenz und Inhalt des § 2 RegE 1881 anzunehmen, ist keine Unterstellung oder bloße Behauptung. Die Begründung des Vorentwurfes, auf dem der Gegenentwurf ausdrücklich aufbaut (Begr. GE 1911 , S. III), erwähnt nicht nur die Vorschrift des § 2 RegE 1881, sondern auch dessen Inhalt ausdrücklich (Begr. VE 1909, Allg. Teil, S. 234)! 13 Barthel

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4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

Weshalb man sich gerade und nur allein auf den Strafantrag beschränkte, kann weder der Begründung des Gegenentwurfes, noch derjenigen zu § 242 österVE 1909, dem "Vorbild"256 des § 190 GE 1911, entnommen werden257. c)

Übertretungstatbestände

Die Verfasser des Gegenentwurfes schlossen sich weitgehend der Kritik an §§ 306 Ziffer 3, 309 Ziffer 6 VE 1909 an und strichen beide "wenig glücklichen Vorschriften" 258 . Das jedoch nicht etwa wegen angenommener Mängel, sondern mit der Begründung, daß jene durch die Vorschrift des § 190 GE 1911 entbehrlich würden 259 , der sie ersetze260 . Dies stellt eine evidente Einschränkung der Strafbarkeit im Vergleich zu den Regelungen des Vorentwurfes dar: der Täter könnte hiernach nur dann für das schuldhafte Sichversetzen in den Zustand der die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Trunkenheit verantwortlich gemacht werden, "wenn er in diesem Zustand eine Handlung begeht, die ihm sonst als Verbrechen oder Vergehen zuzurechnen wäre".

4. Entwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch nach den Beschlüssen der Strafrechtskommission ("Kommissionsentwurf"), 1913 (KE 1913) Die Reform des Strafgesetzbuches wurde vom Reichsjustizamt weiterbetrieben. In der Zeit vom 4. April 1911 bis zum 13. September 1913 war eine große, aus Praktikern und Wissenschaftlern zusammengesetzte Strafrechtskommission im Reichsjustizamt damit beschäftigt, auf der Basis des Vorentwurfes einen grundlegenden Entwurf des Strafgesetzbuches zu verfassen, der später als Regierungsvorlage dem Reichstag vorgelegt werden sollte 261 . Der Kommissionsentwurf selbst wurde im Jahre 1913 fertiggestellt, jedoch erst im Jahre 1920 veröffentlicht. Die Motive zu diesem Entwurf, die auf der Grundlage der Protokolle der Kommission verfaßt werden Begr. GE 1911, S. 15 f., 201 f. Begr. GE 1911, S. 16, 201; Bemerkungen zum österVE 1909, S. 218 f. 2ss Begr. GE 1911, S. 202. 259 Begr. GE 1911, S. 202. 260 Begr. GE 1911, S. 329. 261 Allgemein zum Kommissionsentwurf etwa v. Hippe/, Deutsches Strafrecht I, S. 362 f. ; Eb. Schmidt, Geschichte, S. 397; umfassend: Schubert, Reformkommission (1911-1913), Band I, S. XVII ff. 256

257

III. Die Bestrebungen um die Reform des Strafgesetzbuches (1909-1930) 195

sollten, kamen infolge des Kriegsausbruches nicht zustande262 ; die mittlerweile publizierten Protokolle vermögen sie jedoch weitestgehend zu ersetzen.

a) Die Regelung der Zurechnungs(un)fähigkeit Die Kommission lehnte zunächst - wie bereits der Gegenentwurf, auf den man insoweit nicht einging - die in § 63 VE 1909 vorgenommenen (sprachlichen) Änderungen der biologischen Voraussetzungen des § 51 RStGB aus verschiedenen Gründen ab und faßte die Regelung der fehlenden Zurechnungsfähigkeit in § 20 Abs. 1 KE 1913 wie folgt: "Nicht schuldhaft handelt, wer zur Zeit der Tat wegen Bewußtseinsstörung, wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder wegen Geistesschwäche unfähig ist, das Ungesetzliche der Tat einzusehen oder seinen Willen dieser Einsicht gemäß zu bestimmen."

Die Zurechnungsunfähigkeit ausdrücklich als einen Schuldausschließungsgrund betrachtend263 , hielt auch der KE an der sog. gemischt biologisch-psychologischen Bestimmungsmethode fest. Mit dem Begriff der "Bewußtseinsstörung" sollte wiederum264 lediglich die Auslegung des zu engen Begriffes der Bewußtlosigkeit durch die Rechtsprechung im Sinne einer erheblichen Beeinträchtigung des Bewußtseins gesetzlich anerkannt werden 265 , der neue Terminus der "Geistesschwäche" allein solche Störungen der Geistestätigkeit erfassen, die zwar aus psychiatrischer Sicht i. S. des § 51 RStGB krankhafte sind, von psychiatrisch nicht geschulten Berufsrichtern oder Laienrichtern jedoch nicht als solche angesehen werden 266 . Insoweit wollte der Kommissionsentwurf lediglich sprachliche, nicht aber inhaltliche Änderungen an § 51 RStGB vornehmen.

Kahl, DJZ 1921, Sp. 147. Reformkommission (1911-1913), Protokolle, Band I, S. 315. 264 Zur selben Intention der Verfasser des Gegenentwurfes s.o. 4. Kapitel, III. 4. a). 265 Reformkommission (1911-1913), Protokolle, Band I, S. 316. 266 Reformkommission (1911 - 1913), Protokolle, Band I, S. 318 ff. Der Antrag auf Aufnahme der "Geistesschwäche" als dritter alternativer biologischer Voraussetzung wurde in Erster Lesung noch als nicht erforderlich abgelehnt (a. a. 0 ., S. 321 ), in Zweiter Lesung jedoch im Hinblick auf die Regelung der verminderten Zurechnungsfähigkeit (§ 20 Abs. 2 KE) angenommen, da die Aussage, alle Geistesstörungen, die zur Zurechnungsunfähigkeit führen, seien krankhafte, auf die verminderte Zurechnungsfähigkeit nicht übertragbar sei (Reformkommission [1911 - 1913], Protokolle, Band 3, S. 58 ff., 60). 262 263

13'

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4. Kap.: Die Normgeschichte des § 323 a (§ 330a a. F.)

b) Übertretungstatbestände In Erster Lesung verfielen verschiedene Änderungsanträge zum Übertretungstatbestand der gefährlichen Trunkenheit (§ 306 Ziffer 3 VE 1909) im Ergebnis alle der Ablehnung 267 , man hielt an den Voraussetzungen der Vorschrift fest (§ 387 KE I 1913). Lediglich ihr Strafrahmen erfuhr - ohne Angabe von Gründen - eine Anhebung auf die nach den bisherigen Kornmissionsbeschlüssen höchste zulässige Übertretungsstrafe (Haft oder Geldstrafe bis zu fünfhundert Mark) 268 . Die Vorschrift der groben Trunkenheit (§ 309 Ziffer 6 VE 1909) wurde mit der Begründung, daß in diesen Fällen stets zugleich auch eine Störung der öffentlichen Ordnung vorliege und damit die Vorschrift der gefährlichen Trunkenheit einschlägig sei, als nicht erforderlich angesehen und ersatzlos gestrichen 269 . Zugleich erhob sich gegen eine solche Vorschrift erneut der Einwand, die Norm strafe unterschiedliche Volksschichten unterschiedlich270. Erst in Zweiter Lesung wurde der Tatbestand der gefährlichen Trunkenheit auf die Gefährdung von Sachgütem erstreckt 271 (§ 387 KE II 1913); er ging letztlich als § 417 in den Kommissionsentwurf ein: ,.(1) Wer sich durch eigenes Verschulden in Trunkenheit versetzt, wird mit Haft

oder Geldstrafe bestraft, wenn er in diesem Zustand andere Personen verletzt oder gefährdet, grobe Gewalttätigkeiten gegen fremde Sachen begeht oder die öffentliche Ordnung gröblich stört.

(II) Neben Haft kann auf Wirtshausverbot, auf Unterbringung des Verurteilten in einer Trinkerheilanstalt und auf Arbeitshaus erkannt werden(§§ 399, 400)."

c) Die strafrechtliche Verantwortlichkeit schuldhaft Trunkener aa) Die Diskussion in Erster Lesung Unmittelbar im Anschluß an die Diskussion über die Regelung der Zurechnungsunfähigkeit auf § 64 VE 1909 eingehend, fiel das Urteil über diese im Schrifttum heftig kritisierte Vorschrift ebenso kurz, prägnant und Reformkommission (1911-1913), Protokolle, Band 3, S. 541 ff. Reformkommission (1911-1913), Protokolle, Band 3, S. 545. 269 Reformkommission (1911-1913), Protokolle, Band 3, S. 545 f. Daß § 306 Ziffer 3 VE 1909 jedoch nicht lediglich eine einfache, sondern eine grobe Störung der öffentlichen Ordnung erforderte, scheint bei der Bewertung des § 309 Ziffer 6 VE 1909 als "nicht erforderlich" offensichtlich - zumindest dem Schweigen der Protokolle zufolge - nicht beachtet worden zu sein. 270 Reformkommission (1911-1913), Protokolle, Band 3, S. 545. 271 Reformkommission (1911-1913), Protokolle, Band 4, S. 637. 267 268

III. Die Bestrebungen um die Reform des Strafgesetzbuches (1909-1930) 197

entschieden aus, wie nur wenige Jahre zuvor in der Begründung des Gegenentwurfes: "Einstimmig und ohne weitere Debatte" wurde beschlossen, diese Vorschrift zu streichen, "da sie mit dem Grundsatz der Schuldhaftung im Widerspruch stehe und mit Recht von der Kritik als unzureichend angefochten worden sei" 272 • Erst der Diskussion über die Übertretungstatbestände schloß sich diejenige um eine weitergehende Verantwortlichkeit Trunkener - zeitlich und inhaltlich - an. Auf Grundlage der Annahme, daß der Strafrahmen des Übertretungstatbestandes der gefährlichen Trunkenheit in den Fällen nicht ausreichend sei, in denen der Täter im Zustand verschuldeter Trunkenheit einen Menschen töte oder ein anderes schweres Verbrechen begehe, zudem die kurze Verjährungsfrist für Übertretungstatbestände in solchen Fallgestaltungen nicht angemessen erscheine, wurde ein besonderer Vergehenstatbestand nach Art des § 190 GE 1911 und des § 242 österVE angeregt: "Wer sich vorsätzlich oder fahrlässig in einen die Zurechnung nach § 23 Allg. T. ausschließenden Zustand von Trunkenheit versetzt, wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark bestraft, wenn er in diesem Zustand eine Tat begeht, die ihm sonst als Verbrechen oder Vergehen zuzurechnen wäre. " 273

Die vielfach gegen diese Vorschrift vorgebrachten Einwände, vom Standpunkt der Schuldhaftung aus lasse sich für im Zustand selbstverschuldeter sinnloser Trunkenheit begangene strafbare Handlungen nur eine Übertretungsstrafe rechtfertigen, die Androhung einer Vergehensstrafe bedeute die Anerkennung der Erfolgshaftung 274 , konnten sich nicht durchsetzen. Die Vorschrift sei, so lautete die Erwiderung, lediglich eine "Fortführung des im § 306 Ziffer 3 (sc. VE 1909; C. B.) bereits anerkannten Grundsatzes" 275 , sie privilegiere auch die Fälle der actio libera in causa nicht, da sie für diese Konstellationen nicht gelte276. Gegen die im Antrag enthaltene Formulierung der Rauschtat wurde geltend gemacht, das Abstellen auf Verbrechen oder Vergehen und damit auf Delikte, sei bedenklich, da die erforderliche Differenzierung häufig von Reformkommission (1911-1913), Protokolle, Band I, S. 332. Reformkommission (1911 - 1913), Protokolle, Band 3, S. 546. 274 Reformkommission (1911-1913), Protokolle, Band 3, S. 546. 275 Reformkommission (1911-1913), Protokolle, Band 3, S. 546. Dieser "bereits anerkannte Grundsatz" wird an jener Stelle nicht näher erläutert. Aus dem Gesamtzusammenhang des Protokolls jener Sitzung geht jedoch hervor, daß es sich um die Vereinbarkeil des Strafbarkeilserfordernisses eines schuldunabhängigen Erfolgseintrittes mit dem Schuldprinzip handelt, was im Zusammenhang mit dem Tatbestand der gefährlichen Trunkenheit mit der Funktion des Erfolges als einer objektiven Bedingung der Strafbarkeit begründet wurde (a. a.O., S. 541 f.). 276 Reformkommission (1911-1913), Protokolle, Band 3, S. 547. 272

273

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4. Kap.: Die Normgeschichte des § 323 a (§ 330 a a. F.)

subjektiven Tatbestandsmerkmalen abhänge, deren Vorliegen bei einem sinnlos Betrunkenen nicht entscheidbar sei 277 , weshalb auch oftmals nicht eindeutig zu klären sei, ob ihm die Tat "sonst" als Verbrechen oder Vergehen zugerechnet werden könnte. Weil, so die Annahme, allein auf den äußeren Erfolg der Tat abzustellen sei, wurde eine Vorschrift angeregt, die Strafe demjenigen androhen solle, der im Zustand selbstverschuldeter Trunkenheit einen Menschen töte278 . Die obsiegende Mehrheit der Kommission hielt jedoch an der vorgeschlagenen Formulierung fest; man führte zu den Anforderungen an die Rauschtat lediglich aus, durch das Wort "sonst" werde "klar ausgedrückt, daß der Täter den ganzen Tatbestand des in Frage stehenden Verbrechens oder Vergehens mit Ausnahme der Voraussetzung seiner Zurechnungsfähigkeit bei der Tat erfüllen müsse" 279 . Bei einem Abstimmungsergebnis von 8 gegen 8 Stimmen gab der Stichentscheid des Vorsitzenden den Ausschlag für die beantragte Formulierung eines neuen Tatbestandes der ,,Straftaten sinnlos Trunkener". Während der Antrag (des selben Antragstellers, Meyer), bezüglich der actio libera in causa eine Subsidiaritätsklausel in die Vorschrift aufzunehmen, als "überflüssig", "schwer verständlich und möglicherweise irreführend"280 abgelehnt wurde, fand der insoweit den Vorbildern des § 242 österVE 1909 und § 190 GE 1911 folgende Antrag auf Hinzufügung eines Absatzes 2 die Zustimmung der gesamten Kommission. Er lautete: "Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein, wenn die begangene Handlung nur auf Antrag zu verfolgen ist."

Hierzu wurde bemerkt, diese Vorschrift sei notwendig, "weil sonst der sinnlos betrunkene Täter schlechter gestellt sei als der zurechnungsfähige"281. Weshalb jedoch dieser Aspekt lediglich in Bezug auf das Strafantragserfordernis berücksichtigt werden sollte, nicht hingegen allgemeiner gefaßt wurde, geht aus den Protokollen nicht hervor.

277 Reformkommission (1911-1913), Protokolle, Band 3, S. 546. Dieser Einwand galt zunächst der ursprünglich beantragten, nur auf Verbrechen abstellenden Fassung, besteht jedoch in gleicher Weise gegen die auch Vergehen mit einbeziehende später abgeänderte Formulierung fort. 278 Reformkommission (1911-1913), Protokolle, Band 3, S. 546. Dies muß- im Protokoll nicht gerade vorzüglich formuliert - im Sinne einer bloßen Verursachung des Todes eines Menschen zu verstehen sein, nicht hingegen im Sinne von (vorsätzlicher oder fahrlässiger) Tötung. 279 Reformkommission (1911-1913), Protokolle, Band 3, S. 547. 280 Reformkommission (1911-1913), Protokolle, Band 3, S. 547. 281 Reformkommission (1911-1913), Protokolle, Band 3, S. 547. Bei fehlendem Antrag sei - so weiter - eine Strafbarkeit des Täters unter dem Aspekt der gefahrliehen Trunkenheit zu prüfen.

III. Die Bestrebungen um die Reform des Strafgesetzbuches ( 1909-1930) 199

Nach weiteren Ergänzungen und Umstellungen lautete das Vergehen der "Straftaten sinnlos Trunkener" nach der Ersten Lesung ( § 312 KE I 1913 ): "(I) Wer sich durch eigenes Verschulden in Trunkenheit versetzt, wird mit Gefangnis bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark bestraft, wenn er in der Trunkenheit ein Verbrechen oder Vergehen begeht, wegen dessen er nicht bestraft werden kann, weil es ihm nach § 23 nicht zuzurechnen ist. (II) In besonders leichten Fällen kann von Strafe abgesehen werden. (III) Neben Gefangnis kann auf Wirtshausverbot (§ 97) oder auf Unterbringung des Verurteilten in einer Trinkerheilanstalt (§ 98) oder in einem Arbeitshaus (§ 94) erkannt werden. (IV) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt, wenn die begangene Handlung nur auf Antrag zu verfolgen ist."

bb) Die Diskussion in Zweiter Lesung In Zweiter Lesung wurde erstmals beantragt, die Vorschrift ersatzlos zu streichen. Begründet wurde das - außer mit der Wiederholung früherer Argumente gegen die Norm282 - damit, daß die Bestrafung selbstverschuldeter Trunkenheit aus dem Übertretungstatbestand der gefährlichen Trunkenheit(§ 387 KE II 1913) zur Bekämpfung der Ausschreitungen Trunkener ausreiche 283 • Zum einen sei bei der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes eines Verbrechens oder Vergehens durch den sinnlos Trunkenen regelmäßig auch bereits eine gröbliche Störung der öffentlichen Ordnung oder eine Gefährdung anderer Personen gegeben, zum anderen unterschieden sich die Strafandrohungen beider Vorschriften nur so geringfügig voneinander, daß es nicht lohne, beide nebeneinander beizubehalten284• Statt dessen wurde angeregt, zugleich mit der Streichung des § 312 KE I 1913 die Voraussetzungen des § 387 KE II 1913 zu verbessern sowie dessen Strafandrohung zu verschärfen 285 • Die Kommission hielt dem Antrag entgegen, die Ahndung der in sinnloser Trunkenheit begangenen Tötung einer Menschen mit (sc. nur) einer Übertretungsstrafe würde dem "gesunden Rechtsempfinden des Volkes nicht genügen" 286; andererseits könne § 387 KE li 1913 nicht in ein Vergehen umgewandelt werden, da die Norm auch verhältnismäßig harmlose Exzesse 282 So etwa das bereits in Erster Lesung gegen § 312 KE I 1913 vorgebrachte Argument der Unmöglichkeit der Feststellung des subjektiven Tatbestandes bei sinnlos Trunkenen, s.o. 4. Kapitel, III. 4. c) aa) (S. 197 f. mit Fn. 277). 283 Reformkommission (1911-1913), Protokolle, Band 4, S. 529. 284 Reformkommission (1911-1913), Protokolle, Band 4, S. 529. 285 Reformkommission (1911-1913), Protokolle, Band 4, S. 529. 286 Reformkommission (1911-1913), Protokolle, Band 4, S. 529.

200

4. Kap.: Die Normgeschichte des § 323 a (§ 330a a. F.)

von Trunkenen erfasse287 . Der Antrag auf Streichung des § 312 KE I 1913 verfiel daraufhin mit 11 gegen 4 Stimmen der Ablehnung. Ein letzter, § 312 KE I 1913 betreffender Antrag ging dahin, " ... die Worte ,oder Vergehen' und den Absatz 3 zu streichen und die Strafe auf Gefängnis bis zu einem Jahr (oder Geldstrafe) festzusetzen."

Zur Begründung des - genau betrachtet - aus drei Teilen bestehenden Antrages hieß es, man müsse bei Beibehaltung der Vorschrift des § 312 KE 1913 "dafür Sorge tragen, daß sie sich im Tatbestand und in der Strafandrohung genügend von § 387 abhebe"288 • Um das zu erreichen, sei die in Erster Lesung erfolgte Ausdehnung auf Vergehen wieder aufzugeben; dadurch ergebe sich eine Beschränkung des § 312 auf Ausschreitungen schwerster Art, weshalb dann auch die Strafdrohung "angemessen zu erhöhen" sei289 • Die Mehrheit der Kommission sprach sich für die Beibehaltung der Vergehen als möglicher Rauschtaten aus und stimmte unter Ablehnung des Antrages einem weiteren zu, der mit einer Strafandrohung von "Gefangnis bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bis zu dreitausend Mark" über jenen noch hinausging. Die Höhe der angedrohten Strafe ist demnach allein aus dem Bestreben entstanden, die Vorschrift von dem Übertretungstatbestand der gefährlichen Trunkenheit deutlich abzuheben. Unergiebig blieb das Protokoll hinsichtlich der beantragten Streichung des Strafantragserfordemisses: insoweit wurde offensichtlich weder eine Begründung des Antrages gegeben, noch hat sich die Kommission damit auseinandergesetzt

cc) Schlußredaktion Letzte Änderungen erfuhr § 312 KE I 1913 in der Schlußredaktion in einer der letzten Sitzungen der Kommission. Mit knapper Mehrheit beschloß man die bereits in Zweiter Lesung beantragte, damals jedoch abgelehnte Einschränkung des Anwendungsbereiches der Vorschrift auf im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit begangene Verbrechen. Als Hauptgrund hierfür wurde angeführt, die durch Einbeziehung auch der Vergehen nötig gewordene Zulassung der Geldstrafe und das Absehen von Strafe in besonders leichten Fällen habe die abschreckende Wirkung der Vorschrift wesentlich verringert290 . Ferner sei zu berücksichtigen, "daß 287 288 289

290

Reformkommission Reformkommission Reformkommission Reformkommission

( 1911-1913), (1911-1913), (1911-1913), (1911 - 1913),

Protokolle, Protokolle, Protokolle, Protokolle,

Band Band Band Band

4, S. 4, S. 4, S. 4, S.

529 f. 530. 530. 729.

III. Die Bestrebungen um die Reform des Strafgesetzbuches ( 1909-1930) 20 I

der § 312 eine völlig neuartige Vorschrift zur Bekämpfung des Alkoholmißbrauchs enthalte, die von dem Grundsatz der Schuldhaftung in gewisser Beziehung abweiche" 291 , weshalb die Strafbarkeit möglichst eingeschränkt werden müsse und nur die schwersten Rechtsbrüche unter den Tatbestand gebracht werden dürften 292 . Für geringere Verfehlungen reiche hingegen der Tatbestand der gefährlichen Trunkenheit aus. Als Konsequenz aus dieser Beschränkung wurde uno actu die in § 312 KE I 1913 vorgesehene Geldstrafe und die Befugnis zum Absehen von Strafe ebenso gestrichen wie das in Absatz 3 enthaltene Strafantragserfordernis. Als Begründung für letzteres heißt es in der Begründung lapidar, ohne daß man sich zuvor hiermit(§ 312 Abs. 3 KE I 1913) inhaltlich auseinandergesetzt hatte, das Antragserfordernis spiele bei Verbrechen "keine erhebliche praktische Rolle" 293 . So ging jenes Novum unter der Bezeichnung "Straftaten sinnlos Trunkener" als§ 338 in den Kommissionsentwurf 1913 ein: "(1) Wer sich durch eigenes Verschulden in Trunkenheit versetzt, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft, wenn er in der Trunkenheit ein Verbrechen begeht, wegen dessen er nicht bestraft werden kann, weil es ihm nach § 20 Abs. I nicht zuzurechnen ist. (II) Neben der Strafe kann auf Wirtshausverbot oder auf Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt erkannt werden (§§ 97, 98)."

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, daß unter Rauschtat eine Handlung verstanden wurde, mit der der Täter "den ganzen Tatbestand des in Frage stehenden Verbrechens mit Ausnahme der Voraussetzung seiner Zurechnungsfähigkeit bei der Tat erfüllen müsse" 294, wobei man in der Zurechnungsfähigkeit eine Voraussetzung der Schuld, in der Zurechnungsunfähigkeit einen Schuldausschließungsgrund sah. Bei bestehender Zurechnungsfähigkeit müßte demzufolge ein tatbestandsmäßiges, rechtswidriges und schuldhaft verwirklichtes Verbrechen des Rauschtäters vorliegen. Das stimmt - von der Beschränkung auf Verbrechen abgesehen - mit den insoweit lediglich sprachlich anders gefaßten Anforderungen des § 190 GE 1911 an die Rauschtat überein. Anders als dieser durchbricht die endgültige Vorschrift des Kommissionsentwurfes diesen Grundsatz jedoch nicht durch die Übertragung des Strafantragserfordernisses von der Rauschtat auf jenen neuen Trunkenheitstatbestand.

291 292 293 294

Reformkommission Reformkommission Reformkommission Reformkommission

(1911-1913), (1911-1913), (1911-1913), (1911-1913),

Protokolle, Protokolle, Protokolle, Protokolle,

Band Band Band Band

4, S. 729. 4, S. 729. 4, S. 729. 3, S. 547.

202

4. Kap.: Die Normgeschichte des § 323 a (§ 330a a. F.)

Während § 190 GE 1911 von dem Grundsatz, daß die vom Täter im Rausch verwirklichte Tat bei gedachter Zurechnungsfähigkeit nur eine verschuldete, dem Täter zur Schuld zurechenbare, d.h. keine auch seine Verurteilung bewirkende sein muß, mit dem Erfordernis des Strafantrages eine ausdrücklich gesetzlich formulierte Ausnahme statuierte, enthielt § 338 KE 1913 eine solche nicht, bzw. wurde diese - vormals in dem Entwurf noch explizit enthalten - mit der Beschränkung der Rauschtaten auf Vergehen allein aus praktischen Gründen "in letzter Minute" wieder gestrichen.

5. Entwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch 1919 (E 1919) Die durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges unterbrochenen Reformbemühungen wurden im Frühjahr 1918 erneut aufgenommen. Der Staatsminister des Reichsjustizamtes beauftragte eine Kommission damit, die Beschlüsse der Strafrechtskommission, den Kommissionsentwurf 1913, aufgrund der zwischenzeitlich kriegsbedingt veränderten Verhältnisse einer erneuten Prüfung zu unterziehen 295 . Der hieraus entstandene - wiederum nicht amtliche 296 - Entwurf 1919 war denn auch - der Aufgabenstellung entsprechend - lediglich "nichts weiter als der KE 1913 mit einer Zahl von Änderungen"297 , wahrte insgesamt die in den Beschlüssen der Strafrechtskommission 1913 niedergelegten Grundsätze298 .

a) Die Regelung der Zurechnungs(un)rahigkeit Jene Zielsetzung des Entwurfes vor Augen erstaunt es nicht, daß die Regelung der Zurechnungsunfähigkeit inhaltlich keine Änderungen erfahren hatte, lediglich die einleitenden Worte des § 20 Abs. 1 KE 1913 "Nicht schuldhart handelt, ..." in § 18 Abs. I E 1919 in "Nicht zurechnungsfähig ist, ... " geändert worden waren. Hiermit sollte nur verdeutlicht werden, daß nach dem Abschied vom rein psychologischen Schuldbegriff die Schuld nunmehr aus zwei Merkmalen bestand (der Zurechnungsfähigkeit und dem Vorsatz oder der Fahrlässigkeit), und unter den Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 E 1919 allein die erste entfiel 299. 295 Denkschrift 1920, S. 7; v. Hippe/, Deutsches Strafrecht I, S. 365; Eb. Schmidt, Geschichte, S. 397. 296 Denkschrift 1920, S. 7. 297 v. Hippe/, Deutsches Strafrecht I, S. 365. Eine Zusammenfassung der Änderungen findet sich bei Kahl, ZStW 42 (1921) 205 ff. 298 Denkschrift 1920, S. 7. 299 Denkschrift 1920, S. 28 f.

III. Die Bestrebungen um die Reform des Strafgesetzbuches (1909-1930) 203

Die selbstverschuldete Trunkenheit fand in § 18 Abs. 2 Satz 2 E 1919300 nur insoweit Erwähnung, als sie die bei venninderter Zurechnungsfähigkeit ansonsten zwingend angeordnete Strafmilderung ausschließen solle.

b) Die strafrechtliche Verantwortlichkeitschuldhaft Trunkener Im Entwurf 1919 sind Übertretungstatbestände, welche die selbstverschuldete Trunkenheit unter besonderen Voraussetzungen unter Strafe stellen, nicht mehr enthalten, wurde demnach die in der Zweiten Lesung der Kommission 1911-1913 angeregte 301 , aber damals abgelehnte Streichung des Tatbestandes der "gefährlichen Trunkenheit" vollzogen. Eine Begründung hierfür findet sich an den entsprechenden Stellen nicht. Mit dem E 1919 entfielen die Übertretungsstrafen für die selbstverschuldete Trunkenheit aus den Refonnentwürfen für ein Strafgesetzbuch - wie sich zeigen sollte: für immer. Die Möglichkeit der Bestrafung schuldhaft Trunkener beschränkte sich demnach auf den mit "Sinnlose Trunkenheit" betitelten und in den Abschnitt "Gemeinschädliches Verhalten" eingeordneten § 274 E 1919: "(I) Wer sich schuldhaft in Trunkenheit versetzt, wird mit Gefängnis bis zu sechs

Monaten oder mit Geldstrafe bis zu dreitausend Mark bestraft, wenn er eine Handlung begeht, wegen derer er nicht bestraft werden kann, weil er infolge der Trunkenheit nicht zurechnungsfähig war.

(li) Ist der Täter schon früher wegen sinnloser Trunkenheit oder wegen strafba-

rer Ausschreitungen im Trunke verurteilt worden, so ist die Strafe Gefängnis bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.

(III) In besonders leichten Fällen kann von Strafe abgesehen werden."

Die im Verhältnis zu § 338 KE 1913 zahlreichen Änderungen der Vorschrift werden in deren kurzer Begründung nicht gerechtfertigt. Unter ausdrücklicher Betonung, daß selbstverschuldete Trunkenheit allein die Strafmilderung bei verminderter Zurechnungsfähigkeit, nicht jedoch die Straflosigkeit des zurechnungsunfähigen und daher schuldlos handelnden Täters ausschließen könne, wird § 338 KE 1913 als eine notwendige Ergänzung zu den sonstigen Bestimmungen über die Trunkenheit angesehen 302 . Eine § 18 Abs. 2 Satz 2 E 1919 entsprechende Vorschrift sei für die Zurechnungsunfähigkeit nicht möglich, weil das "mit den Grundlagen der Schuldlehre unvereinbar wäre" 303 . Da die Schuld des Täters in den ein300 § 18 Abs. 2 E 19: "War die Fähigkeit zur Zeit der Tat aus einem dieser Gründe nur in hohem Grade vermindert, so ist die Strafe zu mildern (§ II I). Dies gilt nicht bei Bewußtseinsstörungen, die auf selbst verschuldeter Trunkenheit beruhen". 301 Reformkommission (1911-1913), Protokolle, Band 4, S. 529. 302 Denkschrift 1920, S. 219.

204

4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

schlägigen Fallkonstellationen - d.h. diejenigen der actio libera in causa ausgeschlossen! - allein darin liege, daß er sich schuldhaft in Trunkenheit versetzt hat, es hinsichtlich der Tat selbst, die er in diesem Zustand begeht, aber an einer Schuld im strafrechtlichen Sinne fehlt, könne der Täter nur wegen der selbstverschuldeten Trunkenheit strafrechtlich verantwortlich gemacht werden; dies geschehe in § 274304 . Vermutlich dadurch bedingt, daß die Verfasser des Entwurfes die Herbeiführung der sinnlosen Trunkenheit als solche nicht als strafrechtliches Unrecht betrachteten305 , vermochten sie die dogmatischen Konsequenzen aus der Schaffung eines neuen Tatbestandes, der "Vertatbestandlichung" des Sichbelrinkens nicht zu ziehen: "Schuldhaft" sei in § 274 Abs. I nicht in dem engen Sinne zu verstehen, daß schuldhaft nur handele, wer den Tatbestand vorsätzlich oder fahrlässig verwirklicht und zur Zeit der Tat zurechnungsfähig ist - so die gesetzliche Definition des schuldhaften Handeins in § 10 E 1919 -; "vielmehr versetze sich der schuldhaft in Trunkenheit, dem ein sittlicher Vorwurf daraus zu machen ist, daß er sich betrunken hat"306 . Die noch in den Beratungen der Kommission 1913 zunächst ausdrücklich abgelehnte, dann jedoch in der Schlußredaktion aufgenommene Beschränkung der Rauschtaten auf Verbrechenstatbestände wurde mit der bereits damals hiergegen vorgetragenen Begründung der Unmöglichkeit der für eine solche Differenzierung erforderlichen Feststellung subjektiver Tatumstände bei Taten sinnlos Trunkener wieder aufgegeben. Ein sinnlos Trunkener könne weder vorsätzlich noch fahrlässig handeln 307 . Zum erheblichen Abweichen des vorgesehenen (Grund)Strafrahmens des § 274 Abs. I E 1919 von demjenigen des § 338 KE 13, der als Höchststrafe noch Gefängnis bis zu zwei Jahren vorsah, nimmt die Begründung keine Stellung. Dort heißt es lediglich im Anschluß an die hinsichtlich der Rauschtat eingeführte Gleichstellung von Verbrechen und Vergehen, es sei dem Gericht überlassen, der Art und den Folgen der in der Trunkenheit begangenen Tat gerecht zu werden; "bei einer Höchststrafe von sechs Monaten Gefängnis könnten auch schwere Fälle ausreichend geahndet werden" 308 • Der für den Wiederholungstäter vorgesehene erhöhte Strafrahmen entspricht dem im KE 1913 angeordneten Strafrahmen. Wirft man nun einen kurzen Blick zurück und bedenkt, daß der jetzt gewählte Strafrahmen - hinsichtlich der Gefängnisstrafe - dem des § 190 303 304 305

306

3°7

3°8

Denkschrift 1920, S. 219. Denkschrift 1920. S. 219 f. Die Begründung des Entwurfes schweigt sich hierüber gänzlich aus. Denkschrift 1920, S. 220. Denkschrift 1920, S. 220. Denkschrift 1920, S. 220.

III. Die Bestrebungen um die Reform des Strafgesetzbuches (1909-1930) 205

GE 1911 entsprach und derjenige des § 338 KE 1913 primär nur deshalb erhöht worden war, um einen signifikanten Unterschied zum Strafrahmen des Übertretungstatbestandes der "Gefährlichen Trunkenheit" zu schaffen309, wird dieser Rückgriff auf den Strafrahmen des § 190 GE 1911 nach der erfolgten Streichung des Übertretungstatbestandes zumindest nachvollziehbar, vielleicht gar verständlich. Der beachtlichen Senkung des Strafrahmens entspricht - wenngleich mit ihr die Grenze zur Übertretung 310 nicht überschritten wurde - konsequent die in Absatz 3 eingefügte Möglichkeit des Absehens von Strafe in besonders leichten Fällen, war jene Regelung doch ursprünglich für Übertretungstatbestände vorgesehen 311 . Mit der Formulierung der an die Rauschtat zu stellenden Anforderungen weicht § 274 E 1919 nur geringfügig von derjenigen des § 338 KE 1913 ab. Während der noch die fehlende Zurechnung auf die Tat bezog " ... ein Verbrechen, wegen dessen er nicht bestraft werden kann, weil es ihm ( ... ) nicht zuzurechnen ist."

formulierte§ 274 E 1919 auf die Person des Täters bezogen " ... eine Handlung, wegen derer er nicht bestraft werden kann, weil er infolge der Trunkenheit nicht zurechnungsfähig war".

Damit setzt auch § 274 E 1919 als Rauschtat eine Handlung des Täters voraus, die ihm ansonsten, d.h. bei vorliegender Zurechnungsfähigkeit, als schuldhart begangenes Verbrechen oder Vergehen zuzurechnen wäre, mithin ein von der Zurechnungsunfähigkeit abgesehen schuldhaft verwirklichtes Delikt. Wie schon § 338 KE 1913 durchbricht auch der ihm insoweit folgende § 274 E 1919 diesen Grundsatz nicht dadurch, daß ein für die Rauschtat Reformkommission (1911-1913), Protokolle, Band 4, S. 530. § 402 E 1919: "Übertretungen sind die Handlungen, die nur mit Geldstrafe bedroht sind"; § 403 E 1919: "Die Geldstrafe beträgt mindestens eine Mark und, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, höchstens eintausend Mark". § 404 E 1919 sah für bestimmte Fälle des Rückfalls Geldstrafe bis zu zehntausend Mark oder Haft bis zu drei Monaten vor. 311 Reformkommission (1911-1913), Protokolle, Band 3, S. 547, unter Hinweis auf§ 310 Abs. I VE 1909, der als allgemeine Vorschrift auf den Übertretungstatbestand der "groben Trunkenheit" (§ 306 Ziffer 3 VE 1909) anzuwenden war. In der Kommission 1913 wurde in Erster Lesung die Übertragung jener grundsätzlich nur für Übetretungstatbestände geltenden Vorschrift auf den Vergehenstatbestand des § 312 KE I 1913 (s. o. S. 199) einstimmig angenommen. Auch die Begründung des E 1919 (Denkschrift, S. 220) stimmt inhaltlich mit der in der Kommission 1913 vorgebrachten (a. a. 0., S. 548) überein: Das Absehen von Strafe sei in besonders leichten Fällen gestattet, da die Ausschreitungen Trunkener häufig harmloser Art seien. 309

310

206

4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

vorgesehenes Strafantragserfordernis auf den neu geschaffenen Tatbestand übertragen wird 312 .

6. Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches, 1922 ("Entwurf Radbruch", E 1922) Die von dem damaligen Justizminister Gustav Radbruch im Jahre 1922 erstellte, jedoch erst 30 Jahre später veröffentlichte Regierungsvorlage eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches hat auf Grund der in ihr vorgeschlagenen Abschaffung der Todesstrafe, aber auch der Zuchthaus- und Ehrenstrafen die Beachtung der Wissenschaft gefunden 313 . Hinsichtlich der strafrechtlichen Verantwortung selbstverschuldet Trunkener sind die Neuerungen in diesem Entwurf demgegenüber eher bescheiden: Er änderte an der Regelung der Zurechnungsunfähigkeit selbst nur wenig 314 und stellte an die Spitze des mit "Mißbrauch von Rauschgiften" 315 überschriebenen 34. Abschnitts folgenden mit "Volltrunkenheit" betitelten § 327: "(1) Wer sich vorsätzlich oder fahrlässig durch den Genuß geistiger Getränke

oder durch andere berauschende Mittel in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn er in diesem Zustand eine mit Strafe bedrohte Handlung begeht.

3 12 Erinnert man sich der Begründung für die in der Schlußredaktion der Strafrechtskommission erfolgten Streichung des Strafantragserfordemisses, die da lautete, daß das Antragserfordernis bei der vorgesehenen Beschränkung der Rauschtaten auf Verbrechen "keine erhebliche praktische Rolle" spiele - s.o. 4. Kapitel, III. 4. c) cc) - , so hätte man das Strafantragserfordernis mit dem Wegfall eben jener Beschränkung wieder erwarten können. m Eh. Schmidt, Geschichte, S. 406; ders. ; Einleitung zum E 22, S. XI, XVIII; zu den "fortschrittlichen" Elementen des Radbruch-Entwurfes auch Wassermann, s. 25 ff. 314 § 17 Abs. I E 1922 stellte- anders als noch§§ 20 Abs. I KE 1913, 18 Abs. I E 1919 - bei der Zurechnungsunfähigkeit hinsichtlich der psychologischen Voraussetzungen nicht mehr auf das "Ungesetzliche", sondern auf das "Unerlaubte" der Tat ab, das einzusehen oder nach dieser Einsicht gemäß zu handeln der Täter aufgrundder-aus den genannten Vorschriften des KE 1913 und des E 1919 übernommenen - biologischen Voraussetzungen unfähig sein muß. 315 Die übrigen in diesem Abschnitt enthaltenen Vergehen, mit denen der Entwurf - so Mamroth, Reform II, S. 374 über den identischen Abschnitt im späteren E 1925 - "Neuland betrat", setzten sämtlich eine vom Täter selbstverschuldete Trunkenheit nicht voraus, sind demnach auch mit den in früheren Entwürfen enthaltenen Übertretungstarbeständen der gefährlichen und groben Trunkenheit nicht einmal ähnlich, knüpfen die Strafbarkeit an andere, zumeist frühere Punkte an. Es handelt sich etwa um: Bruch des Wirtshausverbots (§ 328), Abgabe geistiger Getränke an Insassen einer Trinkerheilanstalt (§ 329), Verabreichung geistiger Getränke an Jugendliche oder Betrunkene (§ 330).

III. Die Bestrebungen um die Reform des Strafgesetzbuches (1909-1930) 207 (II) Die Strafe darf jedoch nach Art und Maß nicht schwerer sein, als die für die vorsätzliche Begehung der Handlung angedrohte Strafe. (III) Die Verfolgung tritt nur auf Verlangen oder mit Zustimmung des Verletzten ein, wenn die begangene Handlung nur auf Verlangen oder mit Zustimmung verfolgt wird."

Das sprachlich neue Gewand und die darin liegende Annäherung der Vorschrift an den später Gesetz gewordenen Vollrauschtatbestand sind mit der Satzstruktur, dem erstmaligen Erscheinen des Begriffes des Rausches im ersten Absatz, der Limitierung der Strafe in Abhängigkeit von derjenigen der Rauschtat in Absatz 2 und schließlich wiederum dem Antragserfordernis deutlich sichtbar. Durch das Erfordernis des Sichversetzens in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand ist der Umstand der Zurechnungsunfähigkeit von der Beschreibung der Rauschtat in den Tatbestand im engeren Sinne vorgezogen und damit insgesamt in den Vordergrund gestellt. Ferner fällt auf, daß die Rauschtat erstmals nicht mehr mit den Systemkategorien Vergehen/Verbrechen, sondern als eine "mit Strafe bedrohte Handlung" beschrieben ist. Was genau unter einer solchen zu verstehen sein sollte, geht aus dem Entwurf nicht deutlich hervor, findet sich insbesondere nicht unter den in § II E 1922 definierten Begriffen. Der Entwurf kennt neben dem Begriff der "mit Strafe bedrohten Handlung" auch den weiteren der "strafbaren Handlung", verwendet beide jedoch in einer solchen Weise, daß sich eine eindeutige Aussage über ihren Inhalt und ihre Abgrenzung nicht treffen läßt 316 .

316 Es hat zunächst den Anschein, als würde der Begriff der "mit Strafe bedrohten Handlung" als eine lediglich tatbestandsmäßige, der der "strafbaren Handlung" hingegen im Sinne einer darüber hinaus auch rechtswidrigen, nicht aber schuldhaften Handlung verstanden: So heißt es etwa in § 20, eine strafbare Handlung liege nicht vor, wenn die Rechtswidrigkeit der Tat durch das öffentliche oder bürgerliche Recht ausgeschlossen sei; bei ausdrücklicher Aufgabe der strengen Akzessorietät der Teilnahme (§ 27; Bemerkungen zu E 1922, S. 61) wird die Haupttat bei der Anstiftung (§ 25) und der Beihilfe (§ 26) als eine strafbare Handlung bezeichnet und beim Versuch sollte sich der Entschluß des Täters auf die Begehung einer strafbaren Handlung beziehen (§ 23). In § 22 wird die durch Notstand oder Nothilfe gerechtfertigte Handlung als eine "mit Strafe bedrohte" bezeichnet. An anderen Stellen des Entwurfes wird der Begriff der "mit Strafe bedrohten Handlung" hingegen wieder so verwendet, daß er eine auch schuldhafte Handlung bedeuten muß, etwa in§§ 101, 109, wenn dort Geldstrafe und Nebenfolgen an "mit Strafe bedrohte Handlungen" geknüpft sind, oder in § 115, der die Reichsverweisung eines wegen bestimmter "mit Strafe bedrohter" Vergehen verurteilten Ausländers regelt. Fazit: Die Begriffe der "strafbaren" und der "mit Strafe bedrohten" Handlung wurden in dem Entwurf nicht so systematisch verwendet, daß sich allein aufgrund dessen ihr bestimmter, voneinander abgrenzbarer Inhalt ableiten ließe.

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4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

Die kappen "Bemerkungen"317 zum Entwurf nehmen im Zusammenhang mit der Maßregel der Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt (§§ 42 Ziffer 2, 44 E 1922) kurz Stellung zum Tatbestand der Volltrunkenheit: "Der Entwurf ( ... ) bestimmt, daß selbstverschuldete Trunkenheit nicht die sonst bei verminderter Zurechnungsfähigkeit vorgeschriebene Strafmilderung begründet (§ 17 Abs. 2 Satz 2). Er bedroht für den Fall, daß das begangene Delikt dem Täter wegen Volltrunkenheit nicht zugerechnet werden kann, die selbstverschuldete Trunkenheit selbst mit Strafe (§ 327)"m. Mit der im letzten Satz enthaltenen Beschreibung gibt Radbruch exakt die an die Rauschtat zu stellenden Voraussetzungen wieder, die bereits - wie dargestellt - den Vorläufern des § 327 E 1922 in den vorangegangenen Entwürfen zugrunde lagen: Eine Handlung, die dem Täter wegen dessen Zurechnungsunfähigkeit nicht als Delikt zugerechnet werden kann 319 . Weshalb der Entwurf - wie schon in § 190 Abs. 2 GE 1911 und in den Beratungen über§ 338 E 13 zeitweise vorgeschlagen- für das Strafantragserfordernis erneut eine Ausnahmeregelung traf, ist den Bemerkungen nicht zu entnehmen. Vielmehr spricht die in § 327 Abs. 2 E 1922 getroffene Anhindung der Strafe des Vergehens der Trunkenheit an die der Rauschtat eher dafür, daß eine Verbindung zwischen beiden grundsätzlich (d.h. nach Absatz I der Vorschrift) gerade nicht besteht - ansonsten hätte der Absatz lediglich deklaratorische Bedeutung. Auffallend ist schließlich die erhebliche Anhebung des Strafrahmens auf Gefängnis bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe (sc. nach § 33 E 1922 fünfzig bis zu eine Million Mark). Hinsichtlich der Freiheitsstrafe stellt das im Verhältnis zu § 190 GE 1911 und § 274 E 1919 eine Vervierfachung (!) der Strafandrohung dar, die für § 338 KE 1913 seinerzeit nur damit begründet worden war, daß durch die Beschränkung der Rauschtaten auf Verbrechen die Strafbarkeit auf schwerste Rechtsbrüche eingeschränkt worden sei320 , eine Argumentation, deren Voraussetzungen - wie immer man zu ihnen steht - durch § 327 Abs. 1 E 1922 beseitigt worden sind.

3 17 Eine umfassende, zu allen (oder wenigstens einigen) Vorschriften detailliert Stellung nehmende "Begründung" im herkömmlichen Sinne war offensichtlich zwar vorhanden (wird von Radbruch in ZStW 45 [ 1925] 417 selbst zitiert!), jedoch nicht veröffentlicht worden. 318 Bemerkungen zum E 1922, S. 58. In späteren Veröffentlichungen ging Radbruch auf den Tatbestand der Volltrunkenheit entweder nicht mehr (ZStW 45 [ 1925] 417 ff.) oder nicht mehr detailliert (Berliner Tageblatt Nr. 581 vom 9.12.1927, I. Beiblatt, S. 2) ein. 31 9 § 190 Abs. I GE 1911 (s.o. S. 191 ff.); § 338 E 1913 (s.o. S. 198 mit Fn. 279, S. 201); § 274 E 1919 (s.o. S. 205). 320 Reformkommission (1911 - 1913), Protokolle, Band 4, S. 729.

III. Die Bestrebungen um die Reform des Strafgesetzbuches (1909-1930) 209

Für die besonders leichten Fälle war - anders als noch in § 312 Abs. 2 KE I 1913 und § 274 Abs. 3 E 1919 - nicht mehr die Möglichkeit des Absehens von Strafe, sondern nur noch die der Verwarnung vorgesehen (§ 334 E 1922).

7. "Amtlicher Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs", 1925 (Reichsratsvorlage, E 1925) Aus dem Radbruch'schen Entwurf, über den die Reichsregierung erst im Herbst 1924 beraten hatte, ging durch insgesamt zwar nur wenige, inhaltlich aber tiefgreifende Änderungen 321 der noch im gleichen Jahr dem Reichsrat zugeleitete und 1925 veröffentlichte Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches hervor. Er war, da erstmalig nicht nur von amtlicher Seite angeregt oder in Auftrag gegeben, sondern von der Verantwortung einer Regierung getragen, der erste amtliche Strafgesetzentwurf322 . Mit den nicht-amtlichen Entwürfen auf das engste verbunden, beruhte er doch in den Kernfragen - wie schon der E 1919 - "auf den Beschlüssen der Strafrechtskommission und verdankte das Meiste und Beste seinen Vorläufern"323. Der E 1925 hatte die Vorschriften der Zurechnungs(un)fähigkeit (§ 16 ff.) und den Tatbestand der Volltrunkenheit (jetzt: § 335) wörtlich aus dem E 1922 übernommen und sah lediglich für die besonders leichten Fälle nun wieder die Möglichkeit des Absehens von Strafe vor (§ 342). "Neu" war insoweit gegenüber dem E 1922 nur die Begründung. Diese führt zunächst allgemein aus, § 335 fülle durch eine besondere Strafdrohung die Lücke aus 324 , die dadurch entstehe, daß die selbstverschuldete Trunkenheit nach § 17 Abs. 2 Satz 2 allein die Strafmilderung bei verminderter Zurechnungsfähigkeit ausschließe, während der zurechnungsunfähige Täter nach geltendem Recht straffrei ausgehe325 . Unter dem Gesichts321 Eine Zusammenstellung der wesentlichen Änderungen findet sich bei Radbruch, ZStW 45 ( 1925) 417 ff. 322 v. Liszt, Lehrbuch, S. 92. 323 Begr. E 1925, S. 3. Weber spricht von der Reichstagsvorlage gar als einem "Enkel des Kommissionsentwurfes von 1913", Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 6 Rn. 51. 324 Zur gleichen Terminologie bereits beim RegE 1881, s.o. 4. Kapitel, II. 3. a) (S. 165 mit Fn. 106). m Begr. zum E 1925, S. 174. Die Strafbarkeit des Täters nach den Grundsätzen der actio libera in causa wurde an dieser Stelle nicht erwähnt. Ob dies dabei lediglich auf einem Versehen beruhte oder bewußt deshalb nicht geschah, weil man diese Rechtsfigur als bestehend vorausgesetzt hatte oder eine Stellungnahme zu dieser Problematik scheute, ist nicht bekannt. Bereits die Begründung zum E 1927 sollte diese Lücke und Zweifel schließen. 14 Barthel

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4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

punkt, daß der Täter selbst seine Trunkenheit herbeigeführt habe, erscheine sein Verhalten aber durchaus strafwürdig326 . Die Ausführungen speziell zu § 335 begründen letztlich nur, weshalb mit dem Begriff der "mit Strafe bedrohten Handlung" die frühere Differenzierung zwischen Vergehen und Verbrechen (sc. und Übertretungen!) aufgegeben wurde. Hierfür wird das bereits in der Kommission 1913 327 und der Begründung des E 1919328 vorgetragenen Argument angeführt, daß die für eine solche Unterscheidung oftmals erforderliche Feststellung subjektiver Tatmomente bei sinnlos Berauschten nicht möglich sei, da diese weder vorsätzlich noch fahrlässig handeln könnten 329 . Alles weitere der "Begründung" erschöpft sich lediglich in einer Wiedergabe oder Erläuterung des Textes. Zu dem hohen Strafrahmen der Vorschrift wird - wiederum wörtlich ein Satz aus der Begründung des E 1919 wiederholt, der sich dort allerdings auf einen wesentlich geringeren Strafrahmen mit einer Obergrenze von Gefängnis bis zu sechs Monaten bezog - kurios! - : "Der Art und den Folgen der in dem Rauschzustand begangenen Tat gerecht zu werden, muß hiernach dem Gericht überlassen werden; bei einer Höchststrafe von zwei Jahren Gefängnis können auch schwere Fälle ausreichend geahndet werden." 330

8. "Amtlicher Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs", 1927 (Reichstagsvorlage, E 1927) Bei der Durcharbeitung des Entwurfes im Reichsrat erfolgten zahlreiche Abänderungen, die insgesamt einen neuen Entwurf erforderlich machten 331 . So wurde die verminderte Zurechnungsfähigkeit in § 13 Abs. 2 nicht mehr als ein zwingender, sondern lediglich als ein fakultativer Straf(rahmen)milderungsgrund angesehen und zugleich die selbstverschuldete Trunkenheit ausdrücklich als ein diese Milderung ausschließender Zustand gestrichen: Die abweichenden Regelungen früherer Entwürfe 332 verließen insoweit "ohne zwingenden Grund den Boden des Schuldprinzips"333 und seien zudem nicht folgerichtig, wenn der Umstand, daß die Begr. E 1925, S. 174. s.o. Fn. 277. 328 s.o. Fn. 307. Die Begründung des E 1919 wurde sogar wörtlich übernommen. 329 Begr. E 1925, S. 175. 330 Begr. E 1925, S. 175. 331 Eb. Schmidt, Geschichte, S. 406. 332 § 13 Abs. 2 Satz 3 GE 1911 ; § 20 Abs. 2 Satz 2 E 13; § 18 Abs. 2 Satz 2 E 1919, § 17 Abs. 2 Satz 2 E 1922, § 17 Abs. 2 Satz 2 E 1925 326

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III. Die Bestrebungen um die Reform des Strafgesetzbuches (1909-1930) 211

Beeinträchtigung oder Aufhebung der Zurechnungsfähigkeit vom Täter selbst verschuldet wurde, einmal berücksichtigt werde, das andere Mal aber nicht. Ob bei selbstverschuldeter, die Zurechnungsfähigkeit lediglich verrnindemder Trunkenheit die Strafe zu mildem sei, überließ der Entwurf ausdrücklich dem richterlichen Ermessen334. Im Tatbestand der Volltrunkenheit (nunmehr: § 367) änderte man lediglich in Absatz I den Begriff "Rauschzustand" in "Rausch" ab und strich in Absatz 3 die Worte "des Verletzten". Die noch im E 1925 vorgesehene Möglichkeit des Absehens von Strafe in besonders leichten Fällen der Volltrunkenheit entfiel, die Vielzahl der weiteren neben der Volltrunkenheit in dem Abschnitt "Mißbrauch von Rauschgiften" enthaltenen Strafandrohungen wurde unter Verzicht "auf eine erschöpfende Zusammenstellung der Strafvorschriften gegen den Mißbrauch von Rauschgiften" 335 auf zwei reduziert. Die Begründung zu diesem Entwurf ist mit denjenigen seiner Vorläufer weitestgehend identisch, ergänzt sie jedoch durch den Hinweis, daß der durch schuldhaft herbeigeführte Trunkenheit Zurechnungsunfähige nach geltendem Recht nicht stets wegen der im Rausch begangenen Tat nicht bestraft werden könne, sondern nur, soweit die Voraussetzungen der actio libera nicht vorliegen 336 . Zur (Höhe der) angedrohten Strafe heißt es lediglich, sie sei, verglichen mit der auch bei selbstverschuldeter Zurechnungsunfähigkeit entfallenden "regelmäßigen Strafe" - eine "verhältnismäßig geringfügige Strafe"337 (sc. dies offensichtlich unabhängig von der im Rausch verwirklichten Tat, deren Strafrahmen für eine vergleichende Betrachtung doch von Bedeutung wäre).

9. Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches, 1930 (Entwurf Kahl, E 1930) Der E 1927 wurde durch das Reichsgesetz zur Fortsetzung der Strafrechtsreform vom 31. März 1928 in die IV. Legislaturperiode "gerettet", dort bis Juli 1930 in einem Ausschuß beraten und in der V. Wahlperiode auf Antrag von Kahl letztmals als "Entwurf Kahl" in den Reichstag eingebracht338. Der Entwurf sah in § 13 Abs. 2 bei verminderter ZurechnungsfäBegr. E 1927, S. 15. Begr. E 1927, S. 15. 33s Begr. E 1927, S. 189. 336 Begr. E 1927, S. 189. Ausführlich hierzu unter dem Aspekt der actio libera in causa Hettinger, actio, S. 304 ff. 337 Begr. E 1927, S. 15. 338 Detaillierte Darstellung bei Eb. Schmidt, Geschichte, S. 407. 333 334

14'

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4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

higkeit wieder grundsätzlich die zwingende Straf(rahmen)milderung vor, für die durch schuldhafte Trunkenheit herbeigeführte erstmalig die fakultative. Die Vorschrift der Volltrunkenheit wurde als § 367 wörtlich aus dem E 1927 übernommen. In der letzten Phase der Weimarer Republik scheiterte die Weiterführung der Reform des Strafrechts am Widerstand der radikalen Parteien 339 ; mit der Weimarer Republik gingen auch die Bemühungen um die Reform des Strafrechts unter340. Die darauf folgende stand unter gänzlich anderen Vorzeichen.

IV. Die Strafrechtsreform im Nationalsozialismus und das Gewohnheitsverbrechergesetz 1. Entwurf eines Allgemeinen Strafgesetzbuches 1933 (Referentenentwurf, E 1933)

Der im Sommer 1933 auf der Grundlage der Reichstagsvorlage 1927 im Reichsjustizministerium aufgestellte, mit dem Untertitel "Vorläufige Vorschläge" versehene Referentenentwurf eines Allgemeinen Strafgesetzbuches, der im September 1933 an Preußen und die Landesjustizverwaltungen als "Diskussionsgrundlage" 341 versandt wurde, übernahm die Vorschriften der Zurechnungsunfähigkeit (§ 13 Abs. 1), der verminderten Zurechnungsfähigkeit (§ 13 Abs. 2 342) und der Volltrunkenheit (§ 367) unter Beibehaltung der Numerierung unverändert aus dem E 1927.

2. "Nationalsozialistisches Strafrecht" Die unter diesem Titel ebenfalls im September 1933 veröffentlichte Denkschrift des Preußischen Justizministers war gedacht als ein Vorschlag zur Neugestaltung eines Strafrechts, das als Teil der Gesamtrechtsordnung den Zielen des Staates nach nationalsozialistischer Auffassung dienen sollte. Ihre Verfasser verstanden sie selbst ausdrücklich nicht als Entwurf, sondern als den Versuch, "ein Gerippe eines nationalsozialistischen deutEb. Schmidt, Geschichte, S. 407 f. LK 11 -Jescheck, Einl Rn. 69. 3 ~ 1 So wörtlich das Begleitschreiben an die Landesjustizverwaltungen, abgedruckt bei Quellen zur Reform (1933-1939), 11.1.1., S. I in Anm. I. 342 Dort: fakultative Strafrahmenmilderung ohne explizite Erwähnung des selbstverschuldeten Rauschzustandes. Mit der Übernahme des § 13 Abs. 2 E 1927 wurde zugleich - bewußt oder unbewußt - § 13 Abs. 2 E 1930 (s. o. 4. Kapitel, III. 9.) abgelehnt. 339 340

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sehen Strafrechts aufzustellen" 343 , eine Vorarbeit für die kommende Strafrechtsreform, die auch nur als eine solche gewertet werden sollte344. Der selbstverschuldeten Trunkenheit wurde hierbei unter verschiedenen Aspekten an mehreren Stellen gedacht.

a) Die selbstverschuldete, die Zurechnungsfähigkeit ausschließende Trunkenheit Nachdem es zunächst als selbstverständlich bezeichnet wird, daß Strafe nur gegen Zurechnungsfähige verhängt, nur eine im Zustand der Zurechnungsfähigkeit begangene strafbare Handlung strafrechtlich geahndet werden könne, wird hiervon ausdrücklich für den Fall eine Ausnahme gemacht, daß der Täter selbst seinen Zustand der Bewußtlosigkeit schuldhaft herbeigeführt hae45 , da die Straffreiheit des Rauschtäters der "gesunden Volksanschauung" nicht entspreche346 . Folgende Regelung sollte dem Rechnung tragen: "Wer zur Zeit der Tat nicht zurechnungsfähig ist, wird nicht bestraft. Jedoch gilt Unzurechnungsfähigkeit nicht durch einen vom Täter schuldhaft herbeigeführten Zustand von Bewußtlosigkeit begründet."

Die Annahme der vollen strafrechtlichen Verantwortung des Täters in solchen Fällen sei lediglich eine "Weiterführung des in Wissenschaft und Praxis bereits anerkannten Gedankens der ,actio libera in causa' " 347 , führe diesen folgerichtig durch 34 !!. Bei der Schaffung des Tatbestands der Volltrunkenheit ( § 367 in E 1927 und E 1930), so heißt es, habe man verkannt, daß es nicht um die Einführung eines neuen Sondertatbestandes über die Bestrafung betrunkener Personen gehe, sondern darum, eine Ausnahme von dem Grundsatz zu schaffen, daß in zurechnungsunfahigem Zustand begangene Handlungen nicht bestraft werden können 349 . Mit dieser Regelung hätte man die Zurechnungsfahigkeit des Täters zur Zeit der Tat schlichtweg fingiert (" ... gilt ... ") und damit eine Begründung der Strafbarkeit gewählt, die zwar auch schon (u. a.) von den Verfassern des E 1919 in Betracht gezogen, jedoch ausdrücklich als "mit den Grundlagen der Schuldlehre unvereinbar" 350 verworfen worden war. 34 3

344 345

346 347

348 349 350

Denkschrift Denkschrift Denkschrift Denkschrift Denkschrift Denkschrift Denkschrift Denkschrift

1933, 1933, 1933, 1933, 1933, 1933, 1933, 1920,

S. 12. S. 12. S. 136, auch S. 117. S. 117. S. 117. S. 136. S. 136. S. 219.

214

4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

Der entscheidende Unterschied zwischen der actio libera in causa und dem Tatbestand der Volltrunkenheit, jene vorwertbare innere Beziehung des Täters in noch schuldfähigem Zustand zur späteren Rauschtat, wurde in gleicher Weise geflissentlich verschwiegen wie der Umstand, daß alle bislang dargestellten Entwürfe jene Möglichkeit einer Ausnahme der Schuldfähigkeit zwar als solche erkannt, sie jedoch bewußt und ausdrücklich abgelehnt hatten. Da nach der vorgeschlagenen Bestimmung der Täter wegen der im Rauschzustand verwirklichten Tat bestraft werden konnte, erübrigte sich ein Eingehen auf den Tatbestand der Volltrunkenheit, der ja gerade die Straflosigkeit des Rauschtäters hinsichtlich der Rauschtat voraussetzt.

b) Die das Leben anderer gefährdende Trunkenheit Der bereits in früheren Entwürfen enthaltene Vergehenstatbestand der Lebensgefahrdung351 sollte um die selbstverschuldete Trunkenheit als eine besondere Gefahrenquelle ergänzt werden, womit allerdings nur solche Fälle gemeint waren, in denen die Alkoholisierung die Zurechnungsfähigkeit des Täters nicht ausgeschlossen und dieser eine Lebensgefährdung für andere herbeigeführt hatte, ohne damit zugleich auch eine Straftat zu begehen352. Eine Vorschrift also, die demnach mit dem späteren Vollrauschtatbestand nichts gemein gehabt hätte.

c) "Trunkenbolde" Hinsichtlich des Übertretungstatbestandes des § 361 Ziffer 5 RStGB wurde vorgeschlagen, diesen inhaltlich zu übernehmen, jedoch schwerer als im bisherigen Recht zu bestrafen, da der Täter "sich an dem Wertvollsten, was die Vorsehung dem Menschen gegeben hat, versündigt"353 .

351 So zuletzt § 243 E 1930: "Wer abgesehen von den Fällen der §§ 225 bis 235, 238, 239, 241, 242, wissentlich oder gewissenlos eine unmittelbare Gefahr für Menschenleben herbeiführt, wird mit Gefängnis bestraft." - Bei den auf die in dieser Norm Bezug genommenen Tatbeständen handelt es sich um solche des Abschnittes "Gemeingefährliche Handlungen. Störung des öffentlichen Verkehrs". 35 2 Denkschrift 1933, S. 52. 353 Denkschrift 1933, S. 53. Über das konkrete Ausmaß der Erhöhung des Strafrahmens äußerten sich die Verfasser der Denkschrift nicht, da die Einordnung der verschiedenen Straftaten in Kategorien, und damit auch die Aufstellung gesetzlicher Strafrahmen mit Mindest- und Höchstmaßen, dem Gesetzgeber überlassen werden sollte (a. a. 0., S. 112).

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3. Das Gewohnheitsverbrechergesetz Das "Gesetz gegen gefahrliehe Gewohnheitsverbrecher und über Maßnahmen der Sicherung und Besserung" vom 24.11.1933 354 fügte als Novellengesetz weitaus mehr in das Strafgesetzbuch ein, als dessen plakativer Titel vermuten ließ. Mit ihm sollten "fühlbare Lücken des geltenden Rechts" geschlossen und eine "gesetzliche Grundlage für eine wirksame Verbrechensbekämpfung" geschaffen werden, wobei man glaubte, beides nicht bis zum Abschluß der Reform des Strafrechts, dem lokrafttreten eines neuen deutschen Strafgesetzbuches hinausschieben zu können 355 . Bei dem Gesetz handelt es sich zu einem großen Teil um die partielle Vorwegnahme der in Angriff genommenen, jedoch noch nicht abgeschlossenen Gesamtreform des Strafgesetzbuchs. Zahlreiche Vorschriften entstammten aber auch - zum Teil wörtlich - den Entwürfen der Jahre 1925 und 1927356 . Selbst die Begründung verwies insoweit subsidiär auf die der früheren Entwürfe zu einem Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuch 357 : Deutlich erkennbar ist eine - soweit es die für diese Arbeit relevanten Vorschriften betrifft - sachliche Kontinuität der Reform des Strafrechts; das Gewohnheitsverbrechergesetz stellt damit insoweit keine Neuschöpfungen nationalsozialistischer Prägung dar. a) Zurechnungsunrahigkeit und verminderte

Zurechnungsrahigkeit

Die Zurechnungsunfahigkeit wurde in § 51 Abs. 1 RStGB weitestgehend im Sinne der in den früheren Entwürfen enthaltenen Yorschriften 358 geändert: "Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn der Täter zur Zeit der Tat wegen Bewußtseinsstörung, wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder wegen Geistesschwäche unfähig ist, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln." 354

355

s. 2.

RGBI. I 1933, Nr. 133, S. 995 ff. Begründung GewVerbrG, Dt. Reichs- u. Preuß. Staatsanzeiger Nr. 277, 1933,

356 Ob mit dem Gewohnheitsverbrechergesetz insoweit von der in der Denkschrift des Preußischen Justizministers Kerrl (s.o. Fn. 343) geäußerten, als eine "Empfehlung" verstandenen Ansicht, die bisherigen Entwürfe eines Strafgesetzbuches könnten "aus den verschiedensten Gründen nicht zur Grundlage der Neugestaltung des Strafrechts im nationalsozialistischen Staate gemacht werden" (a. a. 0., S. 4), abgewichen wurde, oder ob dies damit erklärt werden kann, daß es sich lediglich um eine Novelle handelte, bleibt offen. 357 Begründung GewVerbrG, Dt. Reichs- u. Preuß. Staatsanzeiger Nr. 277, 1933, s. 2. 358 § 20 Abs. I KE 1913; § 18 Abs. I KE 1919; § 17 Abs. I E 1922; § 17 Abs. I E 1925; § 13 Abs. I E 1927; § 13 Abs. I E 1930.

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4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

Die Begründung zu dieser Regelung geht hinsichtlich des für die (Voll)Trunkenheit relevanten Merkmals der Bewußtseinsstörung über die Ausführungen früherer Entwürfe nicht hinaus, legt dar, daß durch diesen Terminus der ausdehnenden Auslegung des früheren Begriffes der "Bewußtlosigkeit" durch die Rechtsprechung gefolgt werden sollte359 . Die Vorschrift stellte bei der psychologischen Voraussetzung der Zurechnungsunfähigkeit - abweichend von § 13 Abs. 1 E 1927360 (und § 13 Abs. 1 E 1933 [!]) - hinsichtlich der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit nicht mehr auf das Unrechtmäßige der Tat ab, sondern verwendete den weiteren Begriff des "Unerlaubten"361 , der sowohl Verstöße gegen das Recht als auch gegen das Sittengesetz erfassen sollte362. Mit der Vorschrift der Zurechnungsunfähigkeit wurde auch die der verminderten Zurechnungsfähigkeit (§ 51 Abs. 2) aus den früheren Entwürfen in das Strafgesetzbuch übernommen, und zwar in der "Variante" mit lediglich fakultativer Straf(rahmen)milderung363 : "War die Fähigkeit, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, zur Zeit der Tat aus einem dieser Gründe erheblich vermindert, so kann die Strafe nach den Vorschriften über die Bestrafung des Versuchs gemildert werden".

Die Vorschrift hatte neben der Funktion möglicher Strafmilderung vor allem - nach der Gesamtkonzeption des Gesetzes sogar primär! - die, Voraussetzung der Maßnahme der Unterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt (§ 42 b) zu sein, die auch gegen einen nur vermindert zurechnungsfähigen Täter verhängt werden konnte.

b) Der Straftatbestand der Volltrunkenheit,§ 330a RStGB Der langen Tradition der Reformentwürfe (seit 1911 !) folgend wurde der Tatbestand der Volltrunkenheit als § 330a in den Abschnitt "Gemeingefährliche Handlungen" des Reichsstrafgesetzbuchs, eingefügt. Die ersten beiden Absätze stimmten mit § 367 E 1927 wörtlich überein: 359 Begründung GewVerbrG, Dt. Reichs- u. Preuß. Staatsanzeiger Nr. 277, 1933, Erste Beilage, S. I. 360 Ähnlich auf das Gesetz, und damit das Recht abstellend auch § 20 Abs. I E 1913 und § 18 Abs. I E 1919 (beide: das Ungesetzliche der Tat), ähnlich auch § 13 Abs. I GE 1911 (Strafbarkeit der Tat). 361 So bereits schon § 17 Abs. I E 1922 und § 17 Abs. I E 1925. 362 Begründung GewVerbrG, Dt. Reichs- u. Preuß. Staatsanzeiger Nr. 277, 1933, Erste Beilage, S. I. 363 So bereits§ 13 Abs. 2 E 1933, § 13 Abs. 2 E 1927. Anders hingegen (zwingende, aber in Fällen vom Täter selbstverschuldeter Bewußtseinsstörung ausgeschlossener Strafrahmenmilderung) § 13 Abs. 2 E 1930, § 17 Abs. 2 E 1925, § 17 Abs. 2 E 1922, § 18 Abs. 2 E 1919.

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"(1) Wer sich vorsätzlich oder fahrlässig durch den Genuß geistiger Getränke oder durch andere berauschende Mittel in einen die Zurechnungsfähigkeit (§ 51 Abs. I) ausschließenden Rauschzustand versetzt, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn er in diesem Zustand eine mit Strafe bedrohte Handlung begeht

(II) Die Strafe darf jedoch nach Art und Maß nicht schwerer sein, als die für die vorsätzliche Begehung der Handlung angedrohte Strafe. (III) Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein, wenn die begangene Handlung nur auf Antrag verfolgt wird."

Der Gesetzgeber hatte sich mit dieser Vorschrift gegen die noch kurz zuvor vom Preußischen Justizminister empfohlene Ausnahmeregelung zu § 51 RStGB und damit für einen eigenen Straftatbestand entschieden. Die Begründung der Norm ist infolge ihrer Übernahme aus dem E 1927 und der Verweisung auf die dortige Begründung364 ausgesprochen kurz365 : Sei der Täter zur Zeit der Tat so berauscht, daß er die Fähigkeit, das Unrechtmäßige366 der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, völlig verloren habe, so könne er wegen Zurechnungsunfähigkeit - ausdrücklich abgesehen von den Fällen der actio libera in causa - nicht bestraft werden. Sein Verhalten sei aber auch in anderen Fällen als denen der actio libera in causa strafwürdig, wenn der Rauschzustand schuldhaft herbeigeführt worden sei. Diese Lücke des geltenden Rechts fülle § 330a aus. Die Begründung schließt mit dem Satz, daß der "Entwurf.367 eine Unterscheidung danach, ob die begangene Tat ein Verbrechen, ein Vergehen oder eine Übertretung darstelle, nicht vorsehe. Näheres erfährt man an dieser Stelle nicht. Die Beschreibung der Rauschtat als einer "mit Strafe bedrohten Handlung" wird in dem Gesetz wortgleich auch in der Vorschrift der Unterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt (§ 42 b Abs. I Satz 1) verwendet: "Hat jemand eine mit Strafe bedrohte Handlung im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit (§ 51 Abs. I, § 58 Abs. 1368 ) oder der verminderten Zurechnungsfähigkeit (§ 51 Abs. 2, § 58 Abs. 2) begangen, so ordnet das Gericht seine Unterbrins.o. Fn. 357. Begründung GewVerbrG, Dt. Reichs- u. Preuß. Staatsanzeiger Nr. 277, 1933, Erste Beilage, S. I. 366 Offensichtlich ein Fehlgriff in der Begründung des Gesetzes, sollte es für die Zurechnungsunfähigkeit doch auf das Unerlaubte, nicht nur das Unrechtmäßige der Tat ankommen. 367 Offensichtlich ein zweiter Fehlgriff - vermutlich entstanden aus einer allzu nahen Anlehnung der Formulierung an die Begründung des E 1927 (dort: S. 190) handelt es sich hier doch vorliegend um ein Gesetz, nicht um einen Entwurf. Beide genannten Ungenauigkeiten (schon Fn. 366) zeigen die Eile, mit der das Gesetz gefertigt wurde, ferner den Umstand, daß die Vorschrift der Volltrunkenheit aus dem E 1927 übernommen wurde, ohne daß diese grundlegend überdacht worden war. 364

365

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4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

gung in einer Heil- und Pflegeanstalt an, wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert."

In diesem Zusammenhang führt die Begründung aus, eine mit Strafe bedrohte Handlung sei eine solche, die strafbar wäre, wenn nicht infolge der Zurechnungsunfähigkeit dem Täter die Schuld im strafrechtlichen Sinne fehlen würde 369 .

4. Die Entwürfe eines (Allgemeinen) Deutschen Strafgesetzbuches 1934-1936 (Entwurf Gürtner) Am 3. November 1933 nahm eine amtliche, aus Ministerialjuristen, Praktikern und Wissenschaftlern 370 zusammengesetzte Strafrechtskommission unter der Leitung des Reichsjustizministers Gürtner ihre Arbeit auf. Als deren erstes Ergebnis lag im Mai 1934 ein noch auf den Allgemeinen Teil beschränkter "Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches" vor, aus dem durch zahlreiche Änderungen schließlich der im Dezember 1936 fertiggestellte "Entwurf eines Deutschen Strafgesetzbuches" hervorging. Eine grobe Skizzierung des Entwurfes in seinen verschiedenen Entwicklungsstadien soll zum einen das darin zum Ausdruck kommende Verständnis des Tatbestandes der Volltrunkenheit, zum anderen aber auch die unterschiedlichen Formulierungen der Rauschtat aufzeigen, die im Laufe dieser Zeit erheblich variierten.

a) Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches 1934371 (UkE 1934) Dieser Entwurf übernahm im wesentlichen die Vorschrift der Zurechnungsunfähigkeit aus § 51 Abs. 1 RStGB in der durch das GewVerbrG geschaffenen Fassung, verzichtete lediglich auf die - so die Begründung von der krankhaften Störung der Geistestätigkeit bereits mitumfaßte Geistesschwäche und stellte bei der Einsichts- und Steuerungsfahigkeit nun 368 § 58 Abs. I regelte die Zurechnungsunfähigkeit Taubstummer, § 58 Abs. 2 deren verminderte Zurechnungsfahigkeit. 369 Begründung GewVerbrG, Dt. Reichs- u. Preuß. Staatsanzeiger Nr. 277, 1933, s. 3. 370 Zu der die ideologisch-nationalsozialistische Prägung der Strafrechtsreform durch ihre Sachlichkeit mäßigenden Bedeutung der Teilnahme der Strafrechtswissenschaftler an der Kommission etwa Roxin, AT § 4 Rn. 12; unter ausdrücklicher Hervorhebung Kohlrauschs auch Eb. Schmidt, Geschichte, S. 450 f. 371 Untertitel: zusammengestellt nach den Vorschlägen der Unterkommissionen der Strafrechtskommission.

e,

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wieder auf das Unrecht der Tat, nicht deren Unerlaubtheil ab (§ 14 UkE 1934). Die Auswirkungen der Trunkenheit auf die Zurechnungsfähigkeit wurden thematisch in dem mit "Trunkenheit" betitelten § 15 b UkE 1934 zusammengefaßt: "(1) Wer im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit eine Tat begeht und sich durch den Genuß geistiger Getränke oder durch andere berauschende Mittel in diesen Zustand versetzt hat, um die Tat zu begehen, wird wegen vorsätzlicher Begehung dieser Tat bestraft. (II) Wer sich vorsätzlich oder fahrlässig durch den Genuß geistiger Getränke oder durch andere berauschende Mittel in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt, wird mit Gefängnis oder mit Geldstrafe bestraft, wenn er in diesem Zustand eine mit Strafe bedrohte Handlung begeht. Die Strafe darf jedoch nach Art und Maß nicht schwerer sein als die für die vorsätzliche Begehung der Handlung angedrohte Strafe. Die Verfolgung tritt nur auf Verlangen oder mit Zustimmung ein, wenn die begangene Handlung nur auf Verlangen oder mit Zustimmung verfolgt wird. (III) Wegen verminderter Zurechnungsfähigkeit, die auf einem selbstverschuldeten Rausch beruht, darf die Strafe nicht gemildert werden."

Die gesetzliche Regelung der nach Überzeugung der Kommission auch ohne eine solche rechtlich zulässigen und anerkannten actio libera in causa erfolgte allein aus dem Gedanken, daß ein "volksnahes und gemeinverständliches StGB eine klare Auskunft geben solle"372 . Die bewußte Beschränkung der Formulierung auf die absichtliche actio libera in causa sollte dabei keine Ablehnung der Anerkennung anderer Varianten (dolus eventualis, Fahrlässigkeit)373 sein. Von einer sämtliche Verschuldensformen umfassenden Formulierung wurde Abstand genommen, da eine solche "notwendig sehr verwickelt und umständlich werden und dadurch die Gemeinverständlichkeit leiden würde"374 . In Absatz 2 des § 15 b UkE 1934 begegnet - an ungewohnter Stelle und mit zwei Veränderungen - der Straftatbestand der Volltrunkenheit wieder. Neben der Umformulierung der Verfolgungsvoraussetzungen (Satz 3) wurde der Strafrahmen der Vorschrift gravierend ausgeweitet: von vormals Gefängnis bis zu zwei Jahren auf Gefängnis - nach § 35 Abs. 2 UkE 1934 Schäfer, Schuldlehre (I. Autl.), S. 42. Einer Regelung der fahrlässigen alic bedurfte es nach Ansicht der Unterkommission nicht, da insoweit das Strafbedürfnis durch Abs. 2 des § 15 b gedeckt sei, so Anm. 13 des Entwurfes; ebenso Schäfer, Schuldlehre (I. Aufl.), S. 42. Zur Frage der Formulierung im Gesetz sei auf das umfangreiche Protokoll der Sitzung der Kommission vom 22.1.1934 verwiesen (Quellen zur Reform [ 1933-1939], 11.2.1, s. 277- 283). 374 Schäfer, Schuldlehre (2. Autl.), S. 69 f. 372 373

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4. Kap.: Die Normgeschichte des § 323 a (§ 330a a. F.)

- bis zu zehn Jahren! Weder der offiziell veröffentlichte Bericht über die Arbeit der Kommission noch die Protokolle der Kommissionssitzungen enthalten eine Begründung für diese drastische Verschärfung des Strafrahmens. Fest steht jedoch, daß man nach heftigen Diskussionen über die dogmatische Begründung der Strafe375 an der bereits im GewVerbrG getroffenen Lösung eines "Sonderdeliktes in Form des durch eine objektive Straftat qualifizierten Vollrausches" festhielt, obgleich man darin eine "Art Erfolgshaftung" und eine "Durchbrechung des reinen Schuldprinzips" sah376 . Die unsystematische Eingliederung des Deliktes in den Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches wurde mit dem Ziel begründet, ein "volkstümliches Strafgesetzbuch" zu schaffen, das in klaren und übersichtlich aufgebauten Abschnitten "nach Möglichkeit eine zusammenhängende Antwort auf alle die Fragen geben soll, deren Beantwortung der unbefangene Leser in diesem Zusammenhang erwartet" 377 . Die Einordnung des Tatbestandes der Volltrunkenheit in den Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches erfolgte damit - systemwidrig - allein aus Gründen einer thematischen Zusammenfassung, nicht hingegen in Abkehr von der Schaffung eines Sondertatbestandes hin zu einer Ausnahmeregelung.

375 Die Diskussion über die - so Gürtner - "nicht ganz einfache Frage der verschuldeten Unzurechnungsfähigkeit'' (Quellen zur Reform [ 1933-1939], 11.2.1, S. 277) wurde in der Kommission wesentlich von einem Antrag des Grafen Gleispach beherrscht, der die Strafbarkeit des Täters - ähnlich wie der KommE 1881 und Schwarze, s. o. 4. Kapitel, II. 3. c (S. 171 mit Fn. 140) - als eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit begründen wollte, wenn der Täter "sich sagen konnte, daß die Alkoholisierung ihn für seine Umwelt gefährlich macht" (a. a. 0., S. 278). Nach seiner Ansicht sei der Täter aus - soweit vorhanden - einem Fahrlässigkeitstatbestand zu bestrafen, wo ein solcher nicht existierte, aus einem zu schaffenden Sondertatbestand, dessen Höchststrafe mit derjenigen fahrlässiger Delikte übereinstimmen sollte. Obgleich dieser Ansatz Gleispachs - von Klee als Fiktion entlarvt (a. a. 0., S. 278) und fortan auch so bezeichnet - seine Anhänger fand, wurde er im Ergebnis von der Kommission ebenso abgelehnt wie die von Klee befürwortete, bereits in der Denkschrift 1933 vorgeschlagene (s. o. 4. Kapitel, IV. 2. a) Ausnahmeregelung der Zurechnungsfähigkeit für die Fälle der selbstverschuldeten Unzurechnungsfähigkeit (a. a. 0., S. 278). Eine solche Ausnahmeregelung sei eine mit dem Willensstrafrecht schwer vereinbare fictio iuris et de iure. Die Bestrafung wegen fahrlässig begangener Tat stelle zwar keine echte Fiktion dar, würde sich jedoch "von einer gewissen Vergewaltigung der tatsächlichen Sachlage nicht ganz freihalten", Schäfer, Schuldlehre (I. Aufl.), S. 43. 376 Schäfer, Schuldlehre (I . Aufl.), S. 43. 377 Schäfer, Schuldlehre (I . Autl.), S. 44.

IV. Strafrechtsreform im Nationalsozialismus

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b) Der Entwurf in Erster Lesung Nach einer Umstellung des Allgemeinen Teils vor den Besonderen innerhalb des Strafgesetzbuches kehrte die Vorschrift des § 15 b UkE 1934 nun als § 371 UkE I 1934378 wieder, der Strafrahmen des Absatzes 2 nun jedoch auf den des § 330a RStGB reduziert. Die Frage, ob man jenen Absatz 2 der Systematik folgend als Straftatbestand in den Abschnitt "Gemeingefährliche Handlungen" des Besonderen Teiles des Strafgesetzbuches eingliedern, oder des Regelungszusammenhangs wegen im Allgemeinen Teil belassen sollte, fand bereits in Erster Lesung eine deutliche Mehrheit für die erstere Ansiche79 . Die Einordnung wurde jedoch der Zweiten Lesung vorbehalten 380. c) Der Entwurf in Zweiter Lesung

Die Zweite Lesung löste die komplexe Vorschrift der Trunkenheit in ihre einzelnen Absätze auf. Eine auf die absichtliche actio libera in causa beschränkte gesetzliche Regelung wurde teilweise als unbefriedigend, da irreführend, teilweise als überflüssig bemängelt. Vor die Entscheidung gestellt, entweder eine umfassende, d.h. auch die anderen Vorsatzformen und die Fahrlässigkeit berücksichtigende Formulierung der actio libera in causa zu schaffen, oder aber von einer Regelung abzusehen, entschied man sich für letzteres, und damit den einfacheren Weg. § 371 Abs. 3 UkE I 1934 (Verbot der Strafmilderung bei selbstverschuldeter verminderter Zurechnungsfähigkeit) wurde als neuer Absatz der Regelung der verminderten Zurechnungsfähigkeit im Allgemeinen Teil angefügt (§ 25 Abs. 3 UkE II 1935 381 ) .

Der Straftatbestand der Volltrunkenheit fand Aufnahme in den Besonderen Teil (nunmehr § 314 UkE II 1935/36382): 378 Entwurf eines Deutschen Strafgesetzbuchs (Entwurf der amtlichen Strafrechtskommission, I. Lesung 1933/34, zusammengestellt nach den von der Redaktionskommission überarbeiteten Vorschlägen der Unterkommissionen). 379 Quellen zur Reform (1933-1939), Il.2.2, S. 527-531. 380 Quellen zur Reform (1933-1939), Il.2.2, S. 531. 381 Entwurf eines Deutschen Strafgesetzbuchs (Entwurf der amtlichen Strafrechtskommission, 2. Lesung 1935, zusammengestellt nach den Vorschlägen der Unterkommissionen). 382 Entwurf eines Deutschen Strafgesetzbuches (Entwurf der amtlichen Strafrechtskommission, 2. Lesung 1936, zusammengestellt nach den Vorschlägen der Unterkommissionen - nach dem Stand vom I. Februar 1936); wortgleich der Entwurf nach dem Stand vom I. Mai 1936.

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4. Kap.: Die Normgeschichte des § 323 a (§ 330a a. F.)

"(1) Wer sich vorsätzlich oder fahrlässig durch den Genuß geistiger Getränke

oder durch andere berauschende Mittel in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch versetzt, wird mit Gefangnis bis zu zwei Jahren oder mit Haft bestraft, wenn er in diesem Zustand eine Handlung begeht, deretwegen er strafbar wäre, wenn er sie im Zustand der Schuldfähigkeit begangen hätte.

(II) Die Strafe darf jedoch nach Art und Maß nicht schwerer sein, als die für die

vorsätzliche Begehung der Handlung angedrohte Strafe.

(111) Besondere Vorschriften über die Verfolgung der im Rausch begangenen

Handlung gelten auch hier."

Die Vorschrift wurde jedoch nicht, wie noch in Erster Lesung erwogen, in den Abschnitt der "Gemeingefährlichen Handlungen" eingestellt, sondern in den der "Störung des Volksfriedens", da die Begehung von Straftaten im Zustand des selbstverschuldeten Rausches "mehr geeignet sei, die Bevölkerung zu beunruhigen als eine Gemeingefahr herbeizuführen" 383 . Der Tatbestand sah nun als Strafe Gefängnis bis zu zwei Jahre oder Haft vor, die Rauschtat wurde - abweichend von den bisherigen Entwürfen nicht mehr als mit Strafe bedrohte Handlung, sondern im Wege der hypothetischen Betrachtung - man erinnert sich an die Formulierung des § 2 Abs. 1 RegE 1881 384 - als eine Handlung beschrieben, derentwegen der Täter strafbar wäre, wenn er sie im Zustand der Schuldfähigkeit begangen hätte. Bereits kurze Zeit später findet sich eine sprachlich stark verkürzte und vereinfachte Fassung des Tatbestandes als § 312 UkE II 1935/36385 wieder: "(1) Wer sich schuldhaft durch Rauschmittel schuldunfähig macht, wird mit

Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Haft bestraft, wenn er in diesem Zustand eine Straftat begeht.

(II) Für die Verfolgung dieser Straftat bestehende besondere Vorschriften gelten

auch hier."

Hinweise auf die Gründe für die Umgestaltung der Vorschrift waren nicht zu finden.

d) Entwurf eines Deutschen Strafgesetzbuchs, 1936 (E 1936) Mit einer neuen, zum Kriterium des Mit-Strafe-Bedrohtseins zurückkehrenden Formulierung der Rauschtat in § 306 E 1936: Leimer, Störung des Volksfriedens, S. 298. s.o. s. 164. 385 Entwurf eines Deutschen Strafgesetzbuches. Entwurf der amtlichen Strafrechtskommission, 2. Lesung 1935/36, zusammengestellt nach den Vorschlägen der Unterkommissionen - nach dem Stand vom I. Juli 1936. 38·1 384

IV. Strafrechtsreform im Nationalsozialismus

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"(I) Wer sich vorsätzlich oder fahrlässig durch Rauschmittel schuldunfähig macht, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Haft bestraft, wenn er in diesem Zustand eine mit Strafe bedrohte Tat begeht. (Il) Für die Verfolgung dieser Tat bestehende besondere Vorschriften gelten auch hier."

endete die anvisierte Reform durch die Strafrechtskommission vorerst. Aus der dem Entwurf beigelegten Begründung geht hervor, daß mit § 303 E 1936 das besondere Delikt der Trunkenheit, wie es durch das GewVerbrG in das StGB eingefügt worden war, übernommen wurde, ohne hierbei trotz der offensichtlichen Neuformulierung - den Tatbestand ändern zu wollen 386 : Der äußere Tatbestand bestehe allein darin, daß der Täter sich durch Rauschmittel schuldunfähig mache, die Begehung der Tat sei nur eine Bedingung der Strafbarkeie 87 . Liege der äußere Tatbestand vor und sei ein Schuldvorwurf begründet, so werde der Täter strafbar, sobald er den Tatbestand einer strafbaren Handlung verwirkliche 388 . Das Vorliegen einer "mit Strafe bedrohten Tat" sollte sich demnach nur danach bestimmen, ob der Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht wurde. Der zweite Absatz bewirke allein, "daß der Verletzte gehört werden muß, bevor über die Verfolgung des Täters nach § 303 entschieden wird, sowie, daß die Anordnung des Reichsministers der Justiz eingeholt werden muß, sofern das eine oder das andere für die Verfolgung der vom Täter im Rausch begangenen Tat vorgeschrieben ist" 389 : die Durchführung prozessualer Verfahrensschritte.

e) Das Schicksal des Entwurfes 1936 und das Ende der nationalsozialistischen Strafrechtsreform Die Hoffnung Gürtners, der Entwurf werde zügig, bereits in einer Kabinettssitzung im Januar 1937, verabschiedet werden 390 , blieb unerfüllt; die Entscheidung wurde verschoben. In den folgenden Jahren kam es wiederholt zu Änderungen des Entwurfes. Eine solche war die Einfügung einer Straferhöhung auf Gefängnis bis zu zehn Jahre (§ 27 Abs. 1 E 38391 ) für besonders schwere Fälle in den Tatbestand der Trunkenheit, § 303 E 38:

386 387 388 389 390

Begr. E 1936, S. 196. Begr. E 1936, S. 196. Begr. E 1936, S. 196. Begr. E 1936, S. 196. Regge/Schubert, Quellen zur Reform (1933- 1939), 11.1.1, S. XVI.

224

4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

"(1) Wer sich vorsätzlich oder fahrlässig durch Rauschmittel schuldunfähig macht, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Haft, in besonders schweren Fällen mit Gefängnis bestraft, wenn er in diesem Zustand eine mit Strafe bedrohte Tat begeht. (II) Wenn für die Verfolgung dieser Tat besondere Vorschriften bestehen, gelten

sie auch hier."

In dieser Fassung stand die Vorschrift der Trunkenheit als § 310 auch in dem bereits unterschriftsreifen "Deutschen Strafgesetzbuch", das im Dezember 1939 vorlag. Das Vorhaben scheiterte letztlich allein aus politischen Gründen, (u. a.) der Auffassung Hitlers, daß die Verabschiedung des Deutschen Strafgesetzbuches im Wege der ordentlichen Gesetzgebung erfolgen müsse, und seiner Abneigung, während des Krieges neue grundlegende Gesetze zu erlassen392 : das erfolglose Ende der nationalsozialistischen Gesamtreform des Strafrechts.

5. Gesetz zur Änderung des Reichsstrafgesetzbuchs vom 4. September 1941 Durch dieses Gesetz393 , das die Anordnung der Todesstrafe gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und Sittlichkeitsverbrecher (§ I) sowie die Neufassung der Straftatbestände des Mordes und des Totschlags (§ 2) als zentrale und bedeutende Gegenstände hatte, wurde neben anderen, hierzu im Vergleich weit weniger spektakulären Änderungen grundverschiedenen Sachgebieten angehöriger Vorschriften durch § 7 "en passant" das Höchstmaß der für die Volltrunkenheit (§ 330a RStGB) angedrohten Strafe von bisher zwei auf nunmehr fünf Jahre Gefängnis angehoben: der noch heute gültige Strafrahmen des § 323 a. Eine amtliche Begründung zu diesem Gesetz existiert offensichtlich nicht. Mit den publizierten Stellungnahmen von Freisler (Staatssekretär im Reichsjustizministerium und Mitglied der Strafrechtskommission) und Schmidt-Leichner (Reichsjustizministerium) liegen jedoch zwei quasi "halbamtliche" Begründungen vor, die gerade in Anbetracht der Bedeutung des hohen Strafrahmens als einem Argument in der Diskussion über den Normcharakter, die Rechtsnatur und das Unrecht des Vollrauschtatbestandes nicht unbeachtet bleiben dürfen. Laut Freisler ist die Gelegenheit dieses Gesetzes genutzt worden, "um ( ... ) Unzulänglichkeiten in einzelnen Straftatbeständen oder in der gesetz391 Entwurf eines Deutschen Strafgesetzbuchs. "Zur Kabinettssitzung im Juni 1938". 392 So Regge/Schubert, Quellen zur Reform (1933-1939), 11.1.1, S. XVII. 393 RGBI. I 1941, Nr. 101 , S. 549 f.

IV. Strafrechtsreform im Nationalsozialismus

225

Iichen Strafdrohung zu beseitigen"394, habe es einem in der Praxis hervorgetretenen Bedürfnis entsprochen; die Strafdrohung "gegen Rauschtaten" wesentlich zu erhöhen395 . Ähnlich heißt es bei Schmidt-Leichner, die Erhöhung der Strafdrohung habe einem Gebot der Praxis entsprochen, verschiedene Fälle hätten gezeigt, "daß Rauschtaten von außerordentlicher Rohheit mit Verlust von Menschenleben begangen werden, die trotz der Unzurechnungsfähigkeit einen hohen Grad verbrecherischer Gesinnung des Täters verraten" 396. Die Möglichkeit einer höheren Gefängnisstrafe einzuführen, sei daher geboten gewesen 397· 398 . Beide Äußerungen dokumentieren in deutlicher und anschaulicher Weise, daß bei der Erhöhung der Strafdrohung das Augenmerk nicht mehr auf den vom Verschulden des Täters allein umfaßten Tatbestand, das Sichberauschen, gerichtet war, sondern ausschließlich auf die Rauschtat, auf die sich nach der Konzeption des § 330 a RStGB das Verschulden des Täters gerade nicht erstreckt (sonst actio libera in causa! 399). Das kommt auch im Änderungsgesetz selbst zum Ausdruck, wenn dort in § 7 die Vorschrift des § 330a des Strafgesetzbuches "Rauschtaten" und nicht "Volltrunkenheit" genannt wurde, wie es noch im GewVerbrG der Fall gewesen war. Welche Bedeutung und welchen Stellenwert die damalige Strafrechtspraxis und Ministerialbürokratie der Strafrechtsdogmatik beigemessen haben, sei mit zwei Zitaten aus der Strafrechtskommission 1933 belegt: Bei der Diskussion über die Möglichkeiten der Bestrafung desjenigen, der schuldhaft seine Schuldunfahigkeit beseitigt und in diesem Zustand eine Straftat Freisler, DJ 1941, 929, 930. Freisler, DJ 1941, 929,930. 396 Schmidt-Leichner, DR 1941, 2145, 2150. 397 Schmidt-Leichner, DR 1941 , 2145, 2150. 398 Es ist interessant zu sehen, daß mit exakt dem selben Motiv, ja mit teilweise beinahe wortgleicher Argumentation derzeit wesentliche strafverschärfende Änderungen des Vollrauschtatbestandes angestrebt werden, welche - auf unterschiedliche Weise - die Rauschtat stärker in den Mittelpunkt rucken und daher Struktur und Charakter der Vorschrift gravierend verändern. Krit. zu den Gesetzesentwürfen des Bundesrates (BT-Drucks. 141759 vom 14.4.1999, hervorgegangen aus einem Entwurf des Landes Berlin, BR-Drucks. 123/97 vom 19.2.1997) und der Fraktion der CDU/CSU (BT-Drucks. 14/545 vom 16.3. 1999, hervorgegangen aus einem Antrag des Freistaates Bayern, BR-Drucks. 123/2/97 vom 15.10.1997) Siek/ Renzikowski, ZRP 1997, 484 ff.; Freund/Renzikowski, ZRP 1999, 497 ff. ; Wessels/Hetringer, BT 3 Rn. 1030; Streng, JZ 2000, 20, 26 f.; knapp auch Hirsch, JR 1997, 391, 393 in Fn. 27. Die jeweiligen Vollrauschregelungen sind im Anhang wiedergegeben; vgl. auch die Dokumentation in BA 2000, 142 ff. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit ihnen findet, da die vorliegende Arbeit das geltende Recht zum Gegenstand hat, nicht statt. 399 Begründung GewVerbrG, Dt. Reichs- u. Preuß. Staatsanzeiger Nr. 277, 1933, Erste Beilage, S. I. 394

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15 Barthel

226

4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

begangen hat, plädierte Klee (Senatspräsident, Berlin) ausdrücklich für eine Ausnahmeregelung zu § 51 RStGB, und damit dafür, den Zurechnungsunfähigen wie einen Zurechnungsflihigen zu behandeln. Klee meinte zu dieser Fiktion: "Ich stoße mich aber praktisch nicht an dieser Fiktion, weil das Volk diese Fiktion verstehen wird. Wissenschaftlich mag sie ja vielleicht bedenklich sein"400 . Im selben Zusammenhang äußerte sich Freisler (Staatssekretär im Reichsjustizministerium) dahingehend, "daß wir nicht etwa ein System zugrunde legen wollen, um dieses System restlos logisch durchzuführen"401 . Die Erhöhung des Strafrahmens des § 330 a RStGB wurde offensichtlich allein mit dem vom Täter zwar verursachten, nicht jedoch auch verschuldeten Erfolg begründet. Daß das nicht nur mit der heutigen Dogmatik unvereinbar ist, bedarf keiner Erklärung. Der 1941 auf diese Weise erhöhte Strafrahmen ist gleichwohl noch heute geltendes Recht.

V. (Vorläufiges) Resümee der historischen Auslegung An dieser Stelle der Betrachtung der historischen Entwicklung des Vollrauschtatbestandes erscheint es sinnvoll, eine erste "Zwischenbilanz" zu ziehen, da die nächste inhaltliche Änderung der Norm, ihre Neufassung durch das EGStGB vom 2.3.1974, sie in zweifacher Weise wesentlich verändern sollte. Während § 330 a (R)StGB in seiner ursprünglichen Fassung noch einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand voraussetzte und die Rauschtat als "eine mit Strafe bedrohte Handlung" bezeichnete, sollte der Tatbestand nach seiner Neufassung neben den Fällen der vom Täter schuldhaft herbeigeführten Schuldunfähigkeit auch diejenigen erfassen, in denen die Schuldunfähigkeit des Täters im Zeitpunkt der Rauschtat nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann, also nur nicht mit Gewißheit auszuschließen ist. Im gleichen Zuge sollte die Rauschtat nunmehr "rechtswidrige Tat" heißen. Beide Veränderungen bilden eine Zäsur in der Entwicklungsgeschichte der Norm, was hier ein Einhalten gebietet.

400

40t

Quellen zur Reform (1933-1939), 11.2.1, S. 278. Quellen zur Reform (1933-1939), 11.2.1, S. 279.

V. (Vorläufiges) Resümee der historischen Auslegung

227

1. Normcharakter und Deliktsstruktur des § 330 a (R)StGB a) § 330a (R)StGB als eine Ausnahmevorschrift von § 51 Abs. 1 (R)StGB Angesichts der Entstehungsgeschichte des § 330 a erscheint es kaum noch einer ausdrücklichen Erwähnung wert zu sein, daß der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift einen Straftatbestand, nicht hingegen für die Fälle der vom Täter selbst verschuldeten Zurechnungsunfähigkeit eine Ausnahme von dem Erfordernis der Schuldfähigkeit im Zeitpunkt der Tatbegehung geschaffen hat. Da die gegenteilige Ansicht jedoch vertreten wurde und auch heute noch verschiedentlich mit unterschiedlichen Modifikationen in der Begründung Zustimmung findet 402 , sei hierzu gleichwohl kurz Stellung genommen. Die Möglichkeit einer Ausnahmeregelung zu § 51 (R)StGB stand als solche bereits von Anfang an zur Disposition403 , war dem Gesetzgeber als eine mögliche Alternative zur Schaffung eines Straftatbestandes demnach bekannt. Mit § 330a (R)StGB entschied er sich bewußt gegen sie. Das folgt neben der unbestreitbaren Tatbestandsstruktur, dem eigenen Strafrahmen der Norm und deren Einstellen in den Besonderen Teil des Strafgesetzbuches auch aus der Begründung des GewVerbrG und den Begründungen zu den entsprechenden Vorschriften der vorangegangenen Entwürfe (§ 335 E 1925, § 367 E 1927), auf die in der amtlichen Begründung ausdrücklich verwiesen wurde404. So etwa, wenn es dort heißt, die Lücke der Strafbarkeit werde durch eine "besondere Strafdrohung"405 geschlossen und dieser Begriff bereits im folgenden Satz mit dem des Straftatbestandes synonym verwendet wird; wenn die Norm als eine Vorschrift bezeichnet wird, die "als Vergehen mit Strafe belegt"406 sei, oder wenn die Begründungen der Vorschriften in den Entwürfen 1925 und 1927 stets mit den Worten eingeleitet werden, der Täter solle "wegen Volltrunkenheit"407 bestraft werden, also gerade nicht wegen der im Rausch begangenen Tat selbst. Der Unterschied kommt schließlich auch in der Formulierung des ebenfalls durch das

s.o. 2. Kapitel, li. 6. Ausdrücklich etwa v. Lilienthal, VDA, AT, V, S. 81 ; Denkschrift 1920, S. 219 (zum E 1919); explizit, zur Zeit der Entstehung des GewVerbrG publiziert, gar mit einem Formulierungsvorschlag versehen: Denkschrift 1933, S. 136. 404 Begründung GewVerbrG, Dt. Reichs- u. Preuß. Staatsanzeiger Nr. 277, 1933, S. 2. 405 Begr. E 1925, S. 174. 406 Begr. E 1927, S. 189. 407 Begr. E 1925, S. 175; Begr. E 1927, S. 190. 402

403

15'

228

4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

GewVerbrG neu in das Reichsstrafgesetzbuch eingefügten § 42c Abs. 1 deutlich zum Ausdruck: "Wird jemand, der gewohnheitsmäßig im Übermaß geistige Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich nimmt, wegen eines Verbrechens oder Vergehens, das er im Rausch begangen hat oder das mit einer solchen Gewöhnung in ursächlichem Zusammenhang steht, oder wegen Volltrunkenheit (§ 330a) zu einer Strafe verurteilt und ist seine Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt oder einer Entziehungsanstalt erforderlich, um ihn an ein gesetzmäßiges und geordnetes Leben zu gewöhnen, so ordnet das Gericht neben der Strafe die Unterbringung an."

Eine Ausnahmeregelung zu § 51 (R)StGB wurde stets als mit dem Schuldgrundsatz unvereinbar abgelehnt, ja selbst als man die Vorschrift aufgrund ihres Sachzusammenhangs mit der Schuldfähigkeit im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches lokalisieren wollte, hat man an deren Talbestandscharakter nicht gezweifelt408 (sc. und sie deshalb wieder in den Besonderen Teil eingestellt). Und selbst als man im Nationalsozialismus ein kämpferisches, das Volk schützendes Strafrecht schaffen wollte409 und zu dessen Erreichung manche dogmatischen und rechtsstaatliehen Grenzen durchbrach, erachtete man es als "falsch", den Täter nicht "für die Volltrunkenheit, sondern für das in ihr begangene Verbrechen zu bestrafen, da diese Sühne seinem Verschulden nicht entsprechen würde.'.4 10 Die Behauptung, mit § 330a sei eine Ausnahme von §51 StGB a.F. geschaffen worden, ist mit der Entstehungsgeschichte der Norm unvereinbar. Hierfür sind genügend Beweise vorgetragen. Daß der Gesetzgeber dies nicht expressis verbis in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebracht hat, mag an der Offensichtlichkeit der von ihm getroffenen Regelung liegen, daran, daß diesbezüglich eine weitere Begründung nicht erforderlich war.

b) § 330a (R)StGB als ein konkretes Gefährdungsdelikt Die von und im Anschluß an Kohlrausch vorgenommene Restriktion des Tatbestandes der Volltrunkenheit im Sinne eines - mehr oder weniger konkreten Gefährdungsdeliktes kann sich ebenfalls nicht auf den historischen Gesetzgeber berufen. Allen Vertretern dieser Ansicht ist gemein, daß 408 Quellen zur Reform (1933-1939), 11.2.2, S. 527-531; 11.2.3, S. 87-97; Schäfer, Schuldlehre (I. Aufl.), S. 43; ders., Schuldlehre (2. Aufl.), S. 70. Anderer Ansicht in der Kommission war nur Klee (Quellen zur Reform [ 1933-1939], Il.2.3, S. 88 f.), der in der Vorschrift die Möglichkeit der Bestrafung des Täters wegen der im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit begangenen Rauschtat, also eine Ausnahme von § 5 I RStGB erblickte. 409 Vgl. hierzu nur Gürtner/ Freisler, S. 133 ff. 41 0 Gürtner/ Freis/er, S. 73.

V. (Vorläufiges) Resümee der historischen Auslegung

229

sie "in irgendeiner, wenn auch noch so losen Form"411 auf der objektiven und/oder subjektiven Tatseite auf die Rauschtat zurückgreifen: durch das Erfordernis der Neigung des Täters, im Rausch strafbare Handlungen zu begehen412 , das Postulat besonderer, die Gefahr einer Rauschtat begründender Umstände des Sichberauschens413 , die Annahme, der Täter habe die Möglichkeit, im Vollrausch strafbare Handlungen irgendwelcher Art zu begehen, zumindest kennen können müssen414, oder die These, die Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen sei mindestens eine mögliche415 oder adäquate416 Folge des Sichberauschens gewesen. Die äußere Tatseite des Straftatbestandes der Volltrunkenheit setzt nur voraus, daß sich der Täter in einen die Zurechnungsfahigkeit ausschließenden Rausch(zustand) versetzt. Für sämtliche späteren objektiven Einschränkungen finden sich weder im Wortlaut der Vorschrift noch in deren langer Entstehungsgeschichte auch nur Anhaltspunkte. Daß sich das Verschulden des Täters nicht auf die bestimmte, tatsächlich verwirklichte Rauschtat erstrecken muß, folgt zum einen aus dem Umstand, daß Gesetzgeber wie Entwurfsverfasser die actio libera in causa als bestehende, die Strafbarkeit des Rauschtäters begründende Rechtsfigur vorausgesetzt haben und der Tatbestand der Volltrunkenheit erst und überhaupt nur dann zur Anwendung kommen sollte, wenn der Rauschtäter auch nach den Grundsätzen der alic nicht wegen der Rauschtat bestraft werden konnte. Dies wäre jedoch, müßte sich sein Verschulden auf die bestimmte Rauschtat beziehen, der Fall gewesen. Daß sich Vorsatz oder Fahrlässigkeit nicht auf die Rauschtat erstrecken müssen, diese damit eine äußere Bedingung der Strafbarkeit sein sollte, folgt zudem aus deren gesetzestechnischer Formulierung, ihrer Einkleidung in einen Bedingungssatz. Auf diese Weise wurde zwischen Tatbestandsmerkmalen und dem zur Strafbarkeit erforderlichen Eintritt weiterer Umstände, zu denen der Täter eine innere Beziehung nicht zu haben braucht, unterschieden417 • Ein nicht auf den konkreten Erfolg, die bestimmte Rauschtat, sich erstreckendes Verschulden, ein Verschulden, das - wie es der 5. Strafsenat des BGH später formulieren sollte - "sich in irgendeiner, wenn auch noch so losen Form" auf die Rauschtat bezieht, war den Verfassern der Entwürfe 411

412

4 13 41 4

4 15 416 417

BGHSt 10, 247, 250 (sc. dort jedoch nur auf das Verschulden bezogen). s.o. 2. Kapitel, II. 2. b aa) (I). s.o. 2. Kapitel, II. 2. b aa) (2). s.o. 2. Kapitel, II. 2. b bb) (I). s. o. 2. Kapitel, II. 2. b bb) (2). s.o. 2. Kapitel, II. 2. b bb) (3). Begr. E 1925, S. 13; Begr. E 1927, S. 16.

230

4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

ebenso fremd wie der damaligen Schulddogmatik, die stets den Bezug von Vorsatz oder Fahrlässigkeit auf einen konkreten Erfolg erforderte. Kohlrausch, der bereits 1911 als Reaktion auf § 64 VE 1909 de lege ferenda im Rahmen eines Gefährdungsdelikts mit dem Erfordernis des Wissens des Täters, "daß er in der Trunkenheit zu Straftaten der begangenen Art neige" 418 , ein derartiges "ausgedünntes" Verschuldenselement vorgeschlagen hatte, plädierte in der Strafrechtskommission 1933 in Erster419 und Zweiter420 Lesung des § 15b Abs. 2 UkE 1934/§ 371 Abs. 2 UkE I 1934 dafür, dieses Element in den Tatbestand der Volltrunkenheit aufnehmen, konnte sich damit jedoch nicht durchsetzen. Kohlrauschs Bemühen macht zudem deutlich, daß eine solche Einschränkung des Tatbestandes in der gesetzlichen Regelung zum Ausdruck kommen müßte421 .

c) § 330a (R)StGB als ein abstraktes Gefährdungsdelikt Allein die Deutung des Tatbestandes der Volltrunkenheit als ein abstraktes Gefährdungsdelikt ist mit dem Willen des Gesetzgebers vereinbar. Hierbei darf man allerdings in der Gesetzesbegründung eine explizite Stellungnahme, gar die expressis verbis erfolgende Erwähnung des Terminus "abstraktes Gefährdungsdelikt" nicht erwarten, stand doch die Annahme eines konkreten Gefährdungsdeliktes, allein demgegenüber man diese Abgrenzung hätte vornehmen können, zu dieser Zeit (noch) gar nicht zur Diskussion. Daß mit dem Tatbestand der Volltrunkenheit zwar primär, aber nicht nur eine (Strafbarkeits)Lücke des geltenden Rechts geschlossen werden sollte, sondern das Sichberauschen gerade auch wegen seiner Gefährlichkeit, seiner häufigen Ursächlichkeit für die Begehung von Straftaten mit Strafe bedroht werden sollte, was mit Grund für die Schaffung des Tatbestandes war, ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung422 . Auf diese vom Kohl rausch, ZStW 32 (1911) 645, 661. Quellen zur Refonn (1933-1939), 11.2.1, S. 281 f. , dort beschränkt darauf, der Täter müsse wissen, "daß er im Rausch zu Ausschreitungen neigt". 420 Quellen zur Refonn ( 1933- 1939), 11.2.2, S. 94, dort abstellend auf das Wissen des Täters, "daß er im Zustand der Trunkenheit zu Straftaten oder zu Gewalttätigkeiten neigt". 421 In gleicher Weise wie Kohlrausch sollte übrigens Jahre später lAnge (sc. ungewollt) den Beweis führen, daß es einer gesetzlichen Erwähnung jener die Gefährlichkeit des Sichberauschens konkretisierenden Umstände bedarf. Das Thüringische Anwendungsgesetz zum Strafgesetzbuch vom 1.11 .1945, an dessen Entwurf lAnge als Mitarbeiter der Gesetzgebungsabteilung des Landes Thüringen (zumindest wesentlich mit-) beteiligt war, fügte in § 330 a die Worte ein, ., . . . (versetzt), obwohl er damit rechnen muß, daß er in diesem Zustand Ausschreitungen begeht, .. .", lAnge, JR 1957, 242, 244; Deselaers, S. 42. 418

419

V. (Vorläufiges) Resümee der historischen Auslegung

231

Gesetzgeber generell für gefährlich gehaltene Handlung des Sichberauschens sollte sich das Verschulden des Täters beziehen; der Eintritt einer konkreten Gefahr - der ebenfalls vom Verschulden umfaßt sein müßte sollte für die Verwirklichung des Tatbestandes nicht erforderlich, kein Tatbestandsmerkmal sein423 . In diesem Sinne wurde § 330a RStGB auch von dem zeitgenössischen Schrifttum verstanden424•

2. Voraussetzungen der "mit Strafe bedrohten Handlung" Betrachtet man die Fassung des § 330a a. F., so ist offensichtlich, daß die Frage der Strafbarkeit des von der versuchten Rauschtat "zurücktretenden" Täters keine Frage des Tatbestandes, sondern eine solche der objektiven Bedingung der Strafbarkeit ist, die sich letztlich darauf reduziert, ob der Versuch einer Rauschtat auch nach erfolgtem "Rücktritt" noch eine "mit Strafe bedrohten Handlung" ist. Der Entstehungsgeschichte der Norm ist - wie zu erwarten war - eine unmittelbare Antwort auf diese Frage nicht zu entnehmen. Zahlreiche Entwürfe enthielten zwar Legaldefinitionen425 , jedoch keine der "mit Strafe bedrohten Handlung". Eine Entscheidung läßt sich jedoch sowohl aus dem Begriff selbst als auch aus der Norm ableiten. Zunächst fallt auf, daß es eine Handlung sein muß, die mit Strafe (nur) bedroht ist. Das Gesetz bedroht einzelne Handlungen mit Strafe in den Straftatbeständen426 ; das unter der Voraussetzung, daß sie rechtswidrig und schuldhaft begangen wurden. Diese Strafandrohung erfolgt abstrakt generell, vom jeweiligen konkreten Einzelfall unabhängig. Sie ist damit nicht identisch mit der Frage der tatsächlichen Bestrafung des Täters, der Verhän422 Begr. E 1925, S. 174; Begr. E 1927, S. 189; auf beide wurde in der amtlichen Begründung des GewVerbrG ausdrücklich verwiesen, s.o. 4. Kapitel, IV. 3., Fn. 357. 423 Aus den Begründungen der Entwürfe 1925 und 1927 geht zudem an anderer Stelle deutlich hervor, daß die Unterscheidung zwischen abstrakten und konkreten Gefährdungsdelikten auch diesen Entwürfen zugrundelag, und daß die Gefahr nur dort, wo sie ein Tatbestandsmerkmal und nicht bloßer gesetzgeberischer Grund für die Aufstellung des Tatbestandes sein sollte, im Tatbestand selbst ausdrücklich erwähnt wurde (Begr. E 1925, S. 106, dort die§§ 202 Abs. 2, 203-209, 217 E 1925; Begr. E 1927, S. 116, dort die§§ 225-233, 241, 243, 240 E 1927). 424 s. die Literaturangaben o. 2. Kapitel, li. 1., dort Fn. 14. 425 § II E 1922, § II E 1925, § 9 E 1927, § 9 E 1930. 426 In gleicher Weise sieht auch Boldt (DR 1939, 1035, 1036) im Begriff der "mit Strafe bedrohten Handlung" nur eine Verweisung auf die Tatbestände des Besonderen Teils und die in ihnen enthaltenen Verbote; (zumindest vom Ansatzpunkt her) ebenso Hogräfer, S. 93.

232

4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

gung einer Strafe im Einzelfall, sondern vielmehr lediglich deren notwendige, nicht aber auch hinreichende Bedingung. Ob der Versuch einer Straftat mit Strafe bedroht ist, hängt davon ab, ob es sich bei der Tat um ein Verbrechen oder Vergehen handelt: im ersteren Falle stets, im letzteren nur, falls dies gesetzlich ausdrücklich bestimmt ist (§ 43 Abs. 2 RStGB, § 23 Il). Da der Täter nach der Vorgabe des Tatbestandes der Volltrunkenheit bei Begehung der Rauschtat zwingend zurechnungsunfähig sein muß, kann mit der "mit Strafe bedrohten Handlung" keine schuldhafte gemeint sein. Denn unabhängig davon, welcher Ansicht man in der dogmatischen Streitfrage, ob der strafrechtliche Schuldbegriff ein rein psychologischer oder ein normativer ist, auch folgt, stellt die Zurechnungsfähigkeit stets ein Erfordernis schuldhaften Handeins dar: nach dem psychologischen Schuldbegriff eine Schuldvoraussetzung, nach dem normativen ein Schuldelement4 27 . Demnach kann die "mit Strafe bedrohte Handlung" nur eine um die Zurechnungsfähigkeit des Täters verkürzte, eine abgesehen von der Zurechnungsunfähigkeit "schuldhafte" Deliktsverwirklichung sein; eine Handlung also, die, wenn der Täter im Zeitpunkt der Rauschtat zurechnungsfähig gewesen wäre, für ihn mit Strafe bedroht wäre. Nach dem psychologischen Schuldbegriff setzt das voraus, daß bei Hinzudenken der als Schuldvoraussetzung verstandenen Zurechnungs-/Schuldfähigkeit des Täters die Verschuldensformen Vorsatz oder Fahrlässigkeit vorlägen; nach dem normativen Schuldbegriff, daß nur das Schuldelement der Zurechnungs-/Schuldfähigkeit fehlt, nicht hingegen auch das Schuldelement des Vorsatzes oder der Fahrlässigkeit. Mithin ist eine Handlung erforderlich, die, wäre der Täter im Zeitpunkt der Rauschtat zurechnungsfähig gewesen, eine schuldhafte Deliktsverwirklichung darstellen würde. Das kommt in den ersten Fassungen des Tatbestandes deutlich zum Ausdruck: " ... eine Handlung, die ihm sonst als Verbrechen oder Vergehen zuzurechnen wäre"42 8 . Mit den in§ 338 Abs. I KE 1913 und§ 274 Abs. 1 E 1919 verwendeten, sprachlich neu gefaßten Formulierungen der Rauschtat429 , die beide hervor427 Zum Wandel vom psychologischen zum normativen Schuldbegriff und zum Aufbau des letzteren sei - statt vieler - auf die "bahnbrechende" (so zu Recht Goldschmidt, Frank-Festgabe, S. 428) Abhandlung von Frank verwiesen: Über den Aufbau des Schuldbegriffs, S. 521 ff. 428 § 190 Abs. I GE 1911; ebenso, nur auf eine Tat, statt eine Handlung abstellend, auch ein Vorläufer des § 312 KE I 1913 in den Verhandlungen der Reformkommission (1911-1913); s.o. 4. Kapitel, III. 4. c) aa), Fn. 273. 429 § 338 Abs. I KE 1913: " ... ein Verbrechen, wegen dessen er nicht bestraft werden kann, weil es ihm( ... ) nicht zuzurechnen ist."; § 274 Abs. I E 1919: " ... eine Handlung, wegen derer er nicht bestraft werden kann, weil er infolge der Trunkenheit nicht zurechnungsfähig war."

V. (Vorläufiges) Resümee der historischen Auslegung

233

heben, daß der Täter aufgrund seiner Zurechnungsunfahigkeit wegen der Rauschtat nicht bestraft werden kann, sollte von dieser Konzeption offensichtlich nicht abgewichen werden. Der bloße veränderte Wortlaut der Formulierungen könnte nun nahelegen anzunehmen, es müsse sich bei der Rauschtat um ein Verbrechen/Vergehen handeln, für dessen Begehung der Täter allein und ausschließlich wegen seiner Zurechnungsunfähigkeit nicht bestraft werden kann, m. a. W., daß bei angenommener Zurechnungsfähigkeit des Täters im Zeitpunkt der Rauschtat andere Gründe einer Bestrafung des Rauschtäters nicht entgegenstehen dürften. Gegen eine solche Auslegung läßt sich jedoch mehreres anführen: Zunächst wäre die Übertragung der für die Rauschtat bestehenden Strafantrags- oder Straftatverfolgungserfordernisse auf den Tatbestand der Volltrunkenheit überflüssig: Wenn die Zurechnungsunfähigkeit des Täters in diesem Sinne wirklich einziger Grund für seine Straflosigkeit sein sollte, müßten nämlich sämtliche für die Straftatverfolgung wie die Verurteilung des Täters erforderlichen Voraussetzungen ohnehin bereits für das Vorliegen einer "mit Strafe bedrohten Handlung" geprüft werden. Nun ist jenes Strafantragserfordernis (zuletzt: § 190 Abs. 2 GE 1911) zwar justament in § 338 KE 1913 und § 274 E 1919 nicht enthalten; wie aus den Materialien eindeutig hervorgeht430, jedoch nicht, weil man es aus diesem Grunde für überflüssig gehalten hatte, sondern weil man der Ansicht war, daß das Antragserfordernis bei der erfolgten Beschränkung der Rauschtaten auf Verbrechen "keine erhebliche praktische Rolle"431 spiele (sc. weshalb es dann auch mit der Rücknahme jener Beschränkung auf Verbrechen ab dem E 1922 wieder in die Norm aufgenommen wurde). Weiter läßt sich anführen, daß die Verfasser der Entwürfe ein derart geändertes Verständnis von der Rauschtat einfach und mühelos deutlicher, ja eindeutig zum Ausdruck hätten bringen können. Etwa mit der Formulierung, daß die Rauschtat ein Verbrechen oder Vergehen sei, wegen dessen der Täter "nur deshalb"432 nicht bestraft werden kann, weil es ihm nicht zuzurechnen ist bzw. weil er infolge der Trunkenheit nicht zurechnungsfähig war. Wie deutlich und unmißverständlich man diese Ansicht - wäre sie denn vertreten worden - in Gesetzessprache hätte fassen können, zeigt ferner ein Blick zurück auf § 2 Abs. I RegE 1881 433 , wo es heißt: " ... eine

s.o. 4. Kapitel, III. 4. c) cc). Reformkommission (1911-1913), Protokolle, Band 4, S. 729. 432 Vgl. zu dieser Einschränkung Denckers o. 3. Kapitel, I. I. c), zur dortigen Diskrepanz zwischen de lege lata und de lege ferenda s. die Anmerkung in 3. Kapitel, Fn. 23; ferner die Ausführungen o. 3. Kapitel, III. 3. 433 s.o. S. 164. 430

43 1

234

4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

Handlung, welche in freier Willensbestimmung begangen, seine (sc. des Täters, C. B.) strafrechtliche Verortheilung zur Folge haben würde". Hätten also die Verfasser der Entwürfe abweichend von § 190 Abs. 1 GE 1911 jene Auffassung von den Voraussetzungen der Rauschtat vertreten, wäre dies gewiß auch in den Verhandlungen der Kommission 1911-1913 oder der Begründung zum E 1919 zumindest angesprochen worden. Das ist jedoch nicht der Fall. Daß genau dieses Verständnis von der Rauschtat als einer Handlung, die, wäre der Täter zurechnungsfähig gewesen, schuldhaft begangen wäre, auch § 327 E 1922 zugrunde lag, in dem die Rauschtat erstmals als "mit Strafe bedrohten Handlung" beschrieben wurde, folgt aus den Bemerkungen zu diesem Entwurf. Wenn es dort heißt, die selbstverschuldete Trunkenheit sei für den Fall mit Strafe bedroht, "daß das begangene Delikt dem Täter wegen Volltrunkenheit nicht zugerechnet werden kann"434, wird mit diesen Worten die Rauschtat in erkennbar sprachlicher Anlehnung an § 338 Abs. 1 KE 13 und§ 274 Abs. I E 1919 formuliert. Diese Auffassung von der "mit Strafe bedrohten Handlung" zeigt sich zudem auch in der Verwendung des Begriffs in der Vorschrift des § 42 b (Unterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt), die ebenfalls durch das GewVerbrG in das RStGB eingefügt wurde435 . Noch in deren Vorläufer, § 56 E 1927, war die Anlaßtat der Maßregel so formuliert, daß jemand als nicht zurechnungsfähig freigesprochen oder als vermindert zurechnungsfähig verurteilt worden sein mußte. Zur ersten Alternative führt die Begründung aus, als nicht zurechnungsfähig werde jemand nur dann freigesprochen, "wenn die Zurechnungsunfähigkeit der einzige Grund ist, aus dem ihm die Tat nicht zugerechnet wird"436 . Der Zurechnungsunfähige müsse also nicht bloß erwiesenermaßen die Tat begangen haben, es dürfe ihm vielmehr auch kein Umstand zustatten kommen, der die Rechtswidrigkeit der Tat ausschließt oder der unabhängig von der Geistesstörung, Geistesschwäche oder Bewußtseinsstörung den Vorsatz ausschließen würde437 . Mit dem GewVerbrG wurde die Einleitung der Vorschrift neu gefaßt:

Bemerkungen zum E 1922, S. 58. Es wird an dieser Stelle erkannt, daß der Begriff der "mit Strafe bedrohten Handlung" in beiden Vorschriften (§§ 42b, 330a RStGB) grundsätzlich nicht zwingend die selbe Bedeutung haben muß. Der Umstand jedoch, daß der Begriff nicht nur durch den selben (historischen) Gesetzgeber, sondern zudem auch in ein und demselben Gesetz wortgleich in beiden Vorschriften verwendet wurde, ohne daß dabei in der Begründung eine inhaltliche Unterscheidung getroffen wurde, legt eine einheitliche Bedeutung des Begriffes in beiden Vorschriften nahe. 4 36 Begr. E 1927, S. 45. 437 Begr. E 1927, S. 45. 434 435

V. (Vorläufiges) Resümee der historischen Auslegung

235

"Hat jemand eine mit Strafe bedrohte Handlung im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit (...) oder der verminderten Zurechnungsfähigkeit (... ) begangen, .. .",

wobei auf die Begründung zum E 1927 verwiesen wurde und ohne daß durch diese Neuformulierung von § 56 E 1927 und den Voraussetzungen der Anlaßtat abgewichen werden sollte. Dieses Verständnis einer ,.mit Strafe bedrohten Handlung" wird zusätzlich noch dadurch bestätigt, daß mit der Einfügung des § 42 b durch Art. 3 Ziffer 7 GewVerbrG der Vorschrift der Verjährung ein weiterer Absatz angefügt wurde (§ 67 Abs. 5 RStGB), wonach mit der Verjährung der Strafverfolgung auch die Befugnis, auf Grund der Tat Maßregeln der Sicherung und Besserung anzuordnen oder zuzulassen, erlischt. Nach der Begründung ist diese Ergänzung ,.nötig" gewesen438 . Unnötig wäre sie hingegen, wenn die ,.mit Strafe bedrohte Handlung" im Falle der Zurechnungsfähigkeit über das Vorliegen der Schuld hinaus auch die Möglichkeit der Verurteilung des Täters voraussetzen würde. All das zeigt deutlich, daß die Rauschtat im Rahmen des Straftatbestandes der Volltrunkenheit als eine Handlung verstanden wurde, die - wäre der Täter im Zeitpunkt der Rauschtat zurechnungsfahig gewesen - eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Deliktsverwirklichung darstellen würde; sie nicht jedoch auch darüber hinaus die Bestrafung der Rauschtat zur Folge haben würde. Ganz in diesem Sinne wurden die Voraussetzungen der Rauschtat auch in Schrifttum und Rechtsprechung verstanden: Bereits kurze Zeit nach Inkrafttreten des § 330a war die Auslegung des Begriffs der "mit Strafe bedrohten Handlung" Gegenstand eines vehementen Disputs, avancierte die Problematik gar zur ,.Hauptproblematik"439 der Vorschrift, zu deren "schwierigstem und umstrittenstem Problem"440 : die Frage, ob bei der Rauschtat auch die subjektive Tatseite vorliegen könne und müsse. Vom psychologischen Schuldbegriff ausgehend und die Schuldfähigkeit als eine Voraussetzung der Schuldformen des Vorsatzes und der Fahrlässigkeit betrachtend, wurde anfangs - insoweit konsequent - die Ansicht vertreten, die "mit Strafe bedrohte Handlung" bestehe nur aus einer objektiven Tatseite, da es infolge der Schuldunfähigkeit des Täters eine subjektive nicht geben könne441 .

438 Begründung GewVerbrG, Dt. Reichs- u. Preuß. Staatsanzeiger Nr. 277, 1933, Erste Beilage, S. I. 439 Schulz, S. 10; Grasmann, S. 58: "Kernfrage bei der Auseinandersetzung über § 330a"; Deselaers, S. 44: "Kernpunkt des Streits um § 330a"; Niederreuther, GS 114 (1940) 325: "Hauptproblem". 440 Gramsch, Tatbestand, S. 63; ähnlich auch Gerland, ZStW 59 (1940), 801.

236

4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

Rechtsprechung und h. L. verlangten hingegen auch das Vorliegen subjektiver Momente der Rauschtat Nur auf diese Weise lasse sich oftmals - so etwa bei Tendenz- und Absichtsdelikten und solchen, die nur die vorsätzliche Begehung pönalisieren - feststellen, ob überhaupt eine "mit Strafe bedrohte Handlung" vorliege und gegen welches Verbot der Täter im Rausch verstoßen habe. Auch sei die Verwirklichung nur der äußeren Tatseite nie mit Strafe bedroht. Für die Vorsatztaten442 sollte erforderlich sein, daß der Täter mit sog. "natürlichem Vorsatz" 443 gehandelt hatte. Während der Vorsatz nach der älteren Lehre als der Wille eines Zurechnungsfähigen stets bereits eine Wertung enthielt, sollte jener natürliche Vorsatz ein rein psychologischer und rechtlich indifferenter sein, dessen Vorliegen allein nach Vorstellungsinhalt und Bewußtsein des Täters zu bestimmen war damit in der Sache nichts anderes als das Schuldelement des Vorsatzes im 441 Jene Ansicht berief sich zudem auf die Begründungen zu § 335 E 1925 und § 367 E 1927. Dort heißt es, hinsichtlich der Rauschtat sei eine Unterscheidun~ danach, ob der Täter im Rauschzustand ein Verbrechen, ein Vergehen oder eine Ubertretung begehe, nicht vorgesehen, da diese oftmals von subjektiven Momenten abhingen, die bei dem sinnlos Berauschten ausschieden (Begr. E 1925, S. 175; Begr. E 1927, S. 190). Die Begründung zum E 1925 (nicht jedoch die zum E 1927!) führt zudem weiter aus, "insbesondere sei für die Feststellung, daß ein sinnlos Berauschter vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat, kein Raum" (a. a. 0., S. 190). Diese Ansicht wurde - anfangs überwiegend von Praktikern - vertreten, etwa von Schlosky, JW 1936, 3425 ff.; Hodes, JW 1936, 514; Dörffler, DJ 1933, 749 (für den gleichlautenden Begriff in § 42b); Dalcke (26. Aufl.), § 330a Anm. 3; Hogräfer, S. 91 ff.; Sartor, S. 27 ff., 49; als Ergebnis einer streng teleologischen Auslegung auch Domning, S. 47 ff.; grds. auch Uhse, S. 44; von seinem Normverständnis (s.o. 2. Kapitel, II. 4. a) her auch Mayer, ZStW 59 (1940) 323 f. Lediglich dem Wortlaut, nicht jedoch dem Inhalt nach RGSt 69, 187, 188, wenn dort einerseits ausgeführt wurde, der innere Tatbestand der mit Strafe bedrohten Handlung brauche nicht festgestellt zu werden, andererseits jedoch als Rauschtat eine versuchte Notzucht (§§ 173, 43 RStGB) angenommen wurde, was ohne eine Berücksichtigung des subjektiven ( !) Tatentschlusses nicht möglich gewesen wäre. Noch heute wird diese Ansicht verschiedentlich vertreten; s. etwa LK 11 -Spendel, § 323 a Rn. 185 ff. m.w.N. 442 Aufgrund des Gegenstands dieser Arbeit wird auf die fahrlässige Rauschtat, deren Voraussetzung insbesondere wegen der Frage des an den Rauschtäter anzulegenden, nach damals überwiegender Ansicht subjektiv zu bestimmenden Sorgfaltsmaßstabes problematisch war, nicht eingegangen. Vgl. hierzu etwa Hogräfer, S. 88 ff. m. w. N. 443 Der Begriff, der - soweit ersichtlich - auf Gerland (ZStW 55 [ 1936] 802 ff.) zurückgeht, hatte sich im Schrifttum etabliert, während die Rechtsprechung zunächst nur von der Vorstellung und dem Willen des Täters (RG JW 1936, 456; HRR 1936, Nr. 1149), dem Bewußtseinsinhalt und der Willensrichtung (RG JW 1936, 1911, 1975, 3003) sprach. Allmählich glich sich die Judikatur, die den Vorsatz als eine Schuldform ansah, jedoch der Terminologie des Schrifttums an: RGSt 73, II , 15 f.: "Vorsatz" und natürlicher Wille; RG HRR 1938, 190: Vorsatz (ohne jede Einschränkung); RG DR 1941, 852 erwähnte erstmals den "sog. ,natürlichen Vorsatz"'. Der BGH übernahm diese Terminologie bereits mit BGHSt I, 124, 126.

V. (Vorläufiges) Resümee der historischen Auslegung

237

Rahmen des normativen Schuldbegriffes444 . Das Lager der Subjektivisten spaltete sich schon bald an der Frage, ob die Vorschrift des § 59 RStGB (§ 16 Abs. 1) auch dann auf Rauschtäter und Rauschtat angewendet werden könne, wenn der Irrtum auf der Trunkenheit beruht, rauschbedingt ist. Während Teile des Schrifttums445 und anfangs auch die Rechtsprechung des Reichsgerichts446 das Vorliegen des "natürlichen Vorsatzes" konsequent allein nach dem Vorstellungsinhalt des Rauschtäters im Zeitpunkt der Rauschtat bestimmten und damit auch dem rauschbedingten Tatumstandsirrtum vorsatzausschließende Wirkung zusprachen, sollte nach der sich bald in Literatur447 und Rechtsprechung448 durchsetzenden Ansicht der rauschbedingte Irrtum des Täters für die Feststellung der subjektiven Tatseite der Rauschtat unerheblich sein. Kriminalpolitisches und teleologisches Hauptargument der nun h. M. war hierbei, daß bei der Häufigkeit rauschbedingter Fehlvorstellungen und der Tatsache, daß eine Vielzahl der im Rausch begangenen Taten nur vorsätzlich begangen strafbar sind, die Vorschrift des § 330 a a. F. "in vielen Fällen unanwendbar bliebe"449 , wenn sich der Rauschtäter hinsichtlich der Rauschtat auf § 59 RStGB berufen könnte. Das Auslegungsproblem, das in nahezu jeder seit 1937 erschienenen Abhandlung über § 330a a. F. zumindest angesprochen, meist jedoch ausführlich erörtert wurde, zeigt, daß sich die Diskussion über die "mit Strafe bedrohte Handlung" stets im Rahmen des Begriffs hielt, der sich aus der historischen Auslegung ergeben hat. Der Terminus wurde dabei überwiegend negativ, im Wege der Substraktionsmethode450 dahingehend bestimmt, daß "sämtliche inneren und äußeren Tatumstände erfüllt sind und die So bereits Hogräfer, S. 74 f. Mezger, MonSchrKrim 1936, 410 ff., 413; Freies/eben/Kirchner/Niethammer, § 330a Anm. 5d; Gerland, ZStW 55 (1936) 801 ff., 804 f.; Lang, DJ 1937, 1217 ff.; Dahm, ZAkDR 1939, 267 f.; Bruns, DStR 1939, 225 ff., 233; Klee, JW 1939, 548; Schutz, S. 25; Schreyer, S. 82; Kaffamik, S. 19; Wilhelm, S. 34; Finke, S. 101 ff., 115; Hoelz, S. 32; v. Weber, GS 106 (1935) 329 ff., 333, 338. 446 RG JW 1936, 514; HRR 1936 Nr. 1550. 447 Graf, DRiZ 1934, 235 ff. ; Nebel, JW 1935, 2374; Richter, JW 1935, 2368; Pfundtner/Neubert-Rietzsch, § 42b Anm. 5 i. V.m. § 330a Anm. 3; Dalcke/Schäfer (32. Auf!.), § 330a Anm. 69c; Niederreuther, ZfWR 1936/37, 294; ders., GS 114 (1943) 338; Boldt, DR 1939, 1035 ff., 1037; Dollinger, S. 44; ders., DR 1939, 1033 ff.; Schmidt-Leichner, DStR 1940, 109 ff. ; Stutzer, DStR 1939, 250 ff. , 252 f. ; Gramsch, Tatbestand, S. 72; Schmid, S. 82 ff. ; H. Mayer, ZStW 59 ( 1940) 318; Scheiff, S. 76; Domning, S. 60. 448 Ausführlich RGSt 73, II, 15 ff., 17; erstmals bereits angedeutet in RG HRR 1938 Nr. 190. 449 RGSt 73, II, 15. 450 Schmidt-Leichner, DStR 1940, I 09 faßte die "Subtraktionsmethode" der Subjektivisten kurz wie folgt zusammen: "volles Verschulden hinsichtlich des Erfolges minus Zurechnungsfähigkeit". 444

445

238

4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

Rauschtat dem Täter lediglich auf Grund seines Rausches nicht zur Schuld zugerechnet werden kann"451 , also ein schuldhaftes Handeln abzüglich der Schuldfähigkeit452 . Nichts anderes ist mit den Formulierungen gemeint453 , daß eine Handlung vorliegen müsse, die strafbar wäre, wenn der Täter nicht infolge Zurechnungsunfähigkeit schuldlos wäre454 . Die Lektüre der damaligen Literatur zeigt, daß die Begriffe "strafbare Handlung" und "mit Strafe bedrohte Handlung" synonym für eine tatbestandsmäßige, rechtswidrig und schuldhafte Handlung verwendet wurden 455 , beide also nicht über das schuldhafte Verhalten hinaus auch die Entstehung eines staatlichen Strafanspruches voraussetzten. Mit den genannten Definitionen sollte letztlich nicht mehr erreicht werden, war nicht mehr beabsichtigt, als die Berücksichtigung auch der inneren, subjektiven Tatseite bei der Rauschtat sicherzustellen456, weil nur auf diese Weise die Rauschtat als eine bestimmte Verbotsübertretung im Sinne eines Deliktstypus gekennzeichnet werden kann457 . Sehr deutlich 451 Gramsch, Tatbestand, S. 73. In gleichem Sinne auch zum selben Begriff in § 42 b Schäfer/Wagner/Schafheutle, § 42 b Anm. 6: .,. .. eine Tat, die bei einem zurechnungsfähigen Täter als Verbrechen oder Vergehen zu werten wäre". 452 Finke, S. 10 I: .,Bei dieser Auffassung der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung besteht mithin nur insoweit ein Unterschied gegenüber der Handlung eines Zurechnungsfähigen, als die Zurechnungsfähigkeit selbst in Frage steht, alle übrigen Voraussetzungen und Kennzeichen sind die gleichen."; Gerland, ZStW 55 ( 1936) 805: ., .. . wenn eine rechtliche mit Strafe bedrohte Handlung ihrem gesamten Tatbestand nach vorliegt bis auf das eine, daß wegen mangelnder Zurechnungsfähigkeit eine Bestrafungsmöglichkeit nach §51 Abs. I StGB ausgeschlossen ist."; Schreyer, S. 93: .,... daß eine strafrechtlich sanktionierte Handlung ihrem gesamten Tatbestand nach vorliegen muß mit Ausnahme der Bestrafungsmöglichkeit wegen Zurechnungsunfähigkeit."; Schutz, S. 20: ., . .. daß der gesamte innere Tatbestand der Rauschtat vorliegen muß, soweit er nicht durch die Zurechnungsunfähigkeit des Täters notwendig ausgeschlossen ist."; Kaffarnik, S. 19: ., . . . strafbare Handlung muß ihrem ganzen Inhalt nach vorliegen, abgesehen davon, daß infolge der Zurechnungsunfähigkeit eine Bestrafung nicht erfolgen kann."; Lang, DJ 1937, 1219: " .. . wenn alle objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale dieser Tat vorliegen mit Ausnahme derjenigen subjektiven Elemente, für die die Zurechnungsfähigkeit Voraussetzung ist."; Nebel, JW 1935, 2374: .,... daß die mit Strafe bedrohte Handlung ihrem völligen äußeren Tatbestand nach vorliegen muß und eine Bestrafung des Täters nur auf Grund des § 51 Abs. I StGB. ausgeschlossen ist."; Wilh elm, S. 35: " . .. dann gegeben, wenn sie ihrem ganzen objektiven und subjektiven Tatbestand nach vorliegt und nur wegen fehlender Zurechnungsunfähigkeit (§ 51 Abs. I StGB.) eine Möglichkeit zur Bestrafung fehlt." 453 So auch Bruns, DStR 1939, 228. 454 Schäfer/Wagner/Schafheutle, § 330a Anm. 5; Finke, S. 107; Molfenter, S. 27; Niederreuther, ZfWR 1936/37, 300; ähnlich auch Späth, S. II : .,konkrete Straftaten, also Taten, die sonst, d.h. für den Zurechnungsfähigen, mit Strafe bedroht sind". 455 Etwa Gerland, ZStW 55 ( 1936) 799; Späth, S.l6; Wilhelm, S. 20; Sartor, S. 40; Dol/inger, S. I, 44; Molfenter, S. 27; Finke, S. 102; Schreyer, S. 59. 456 So auch Bruns, DStR 1939, 228.

V. (Vorläufiges) Resümee der historischen Auslegung

239

geht das etwa aus der Rauschtatbestimmung bei Schäfer/v. Dohnanyi hervor, wenn sich dort dem Satz, "der Täter muß eine Handlung begangen haben, für die er strafbar sein würde, wenn nicht die durch den Vollrausch begründete Zurechnungsunfahigkeit im Zeitpunkt der Tat bestanden hätte"458, die Anmerkung anschließt, daß "also" auch die Willensseite, das "Willensähnliche" im Verhalten des Täters beachtet werden müsse. Schließlich: Die durch historische Auslegung gewonnene Begriffsbestimmung gibt auch eine Antwort darauf, weshalb der Rücktritt von der versuchten Rauschtat bei § 330 a a. F. im Schrifttum bis zur (Veröffentlichung der) ersten Entscheidung des Reichsgerichts im Jahre 1936459 gänzlich unbekannt war und auch später in umfangreichen Abhandlungen, Monographien und Dissertationen keine Erwähnung fand460 ; und zwar selbst in Arbeiten nicht, die sich ausschließlich (!) mit der "mit Strafe bedrohten Handlung" befaßten461 , auch nicht in Arbeiten, die dem Versuch der Rauschtat eigens ein besonderes Kapitel widmeten462 , ja nicht einmal in einer solchen, die den Versuch im Zusammenhang mit § 330 a a. F. zum zentralen Gegenstand hatte463 . Man hatte den Rücktritt nicht etwa übersehen oder vergessen464, vielmehr war er eben für das Vorliegen einer "mit Strafe bedrohten Handlung" ohne Relevanz. Der zeitlich spätere Rücktritt des Täters, der ihm lediglich Straffreiheit gewährt, kann der früheren Versuchsverwirklichung nicht ihre Eigenschaft nehmen, mit Strafe bedroht zu sein465 . Rücktrittssituation und -handlung schließen sich lediglich an die Versuchsverwirklichung an und verändern 457 Deutlich RG JW 1936, 456: "Es ist also festzustellen, ob und welchen strafrechtlichen Tatbestand der Berauschte wirklich herbeigeführt hat, wobei nur seine Zurechnungsunfähigkeit außer Betracht bleibt". 458 Schäfer/v. Dohnanyi, § 330 a Anm. 2 b. 459 RG HRR 1936 Nr. 1149; s. hierzu o. I. Kapitel, II. I. a) und II. 2 . a). 460 s.o. die Einleitung zum 3. Kapitel m. w.N. 461 Dollinger (1938); Späth (1939); Dorbritz (1944 ); Schmid (1949); Deselaers (1950); Hoelz (1951 ). 462 Dollinger, S. 40 ff.; Schreyer, S. 100 ff.; Finke, S. 120 f. 463 Gramsch, Versuch und Teilnahme beim Rauschmittelmißbrauch nach § 330a Strafgesetzbuch, JW 1938, 779 ff. 464 Der Gedanken, daß wirklich alle genannten Autoren der - zum Te il umfangreichen - einschlägigen Abhandlungen den Rücktritt vom Versuch vergessen haben sollten, wirkt mehr als befremdlich und liegt damit fern. Die Anwendbarkeit entschuldigender Vorschriften auf die Rauschtat , die ebenso wie der Rücktritt Ausnahmecharakter haben, wird in den genannten Arbeiten denn auch stets erwähnt und diskutiert, da in diesen Fällen auch bei Zurechnungsfähigkeit des Täters keine schuldhafte und damit strafbare, mit Strafe bedrohte Handlung vorläge. 465 Vgl. zum Unterschied zwischen der abstrakt-generellen Androhung der Strafe durch Gesetz und der konkreten Bestrafung des Täters im Einzelfall bereits o. s. 231 f.

240

4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

(allenfalls) deren Folgen. Der Rücktritt prägt als eine neue und selbständige Handlung - insoweit anders als etwa ein Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund! - nicht das Bild der deliktsverwirklichenden Handlung. Wie sollte er ihr dann die Eigenschaft nehmen, mit Strafe bedroht zu sein? Zudem setzt der Rücktritt - wenn man ihn auf die versuchte Tat eines Zurechnungsunfähigen überhaupt für anwendbar hält - ja gerade voraus, daß die Handlung, die den Versuch begründet, vom Gesetz mit Strafe bedroht ist, dem Täter ohne den Rücktritt mithin Strafe droht. Ansonsten wäre jeder Rücktritt sinnlos. Der wirksame Rücktritt vom Versuch hat demnach nur zur Folge, daß der entstandene Strafanspruch des Staates wieder erlischt bzw. nicht durchgesetzt, der Täter wegen dieses Versuches nicht bestraft wird. Auch nach einem wirksamen Rücktritt von einem versuchten Totschlag bleibt dieser mit Strafe bedroht, strafbar. Die Straffreiheit des Täters ändert nichts daran, daß er eine "mit Strafe bedrohte Handlung" begangen hat. Es verwundert nicht, daß viele Autoren, die den Rücktritt von der versuchten Rauschtat nicht erwähnen, zur Frage der Anwendbarkeit entschuldigender und schuldausschließender Vorschriften auf die Rauschtat Stellung nehmen466. Beides sind vom Regelfall abweichende Ausnahmesituationen, Sonderkonstellationen, die sich sowohl in ihrer praktischen wie auch wissenschaftlichen Bedeutung wohl die Waage halten dürften. Wenn hierbei das eine Erwähnung findet, das andere hingegen nicht, so liegt das einzig darin begründet, daß das eine für die Frage, ob bei Zurechnungsfähigkeit des Täters eine strafbare Handlung vorläge, Bedeutung hat, das andere hingegen nicht. Die mit der historischen Auslegung gefundene Bedeutung des Begriffs der "mit Strafe bedrohten Handlung" erklärt auch diese Erscheinung.

VI. Der Vollrauschtatbestand nach dem E 1962 Der Entwurf eines Strafgesetzbuches 1962, das Ergebnis der im Jahr 1953 wieder aufgenommenen Strafrechtsrefonn, der aus dem von der Großen Strafrechtskommission ( 1954-1959) ausgearbeiteten Entwurf (E 1960467 ) nach wenigen kleineren Änderungen durch die Beratungen der 466 Dollinger, S. 44; ders., DR 1939, 1033; Spaeth, S. 62 ff.; Deselaers, S. 68; Wilhelm, S. 35 f.; Gerland, ZStW 55 (1936) 805; Schu[z, S. 30 f.; Mayer, ZStW 59 (1940), 333; Dalcke (33. Auf!. 1942), § 330a Anm. 69c; Pfundtner/NeubertRietzsch, § 330 a Anm. 4; Freies/eben/Kirchner/Niethammer, § 330 a Anm. 5 d; Bruns, DStR 39, 236; Lang, DJ 1937, 1218. 467 Soweit sich der E 1962 in den für die Arbeit einschlägigen Vorschriften von Inhalt und Begründung nicht vom E 1960 unterscheidet, wird im folgenden stets der E 1962 als die weiter vorangeschrittene Version des Entwurfes zitiert werden.

VI. Der Vollrauschtatbestand nach dem E 1962

241

Länderkommission hervorgegangen ist und dem Bundestag vorgelegt wurde, ist als solcher in seiner Gesamtheit zwar nie Gesetz geworden; prägt(e) das Strafgesetzbuch jedoch dadurch entscheidend, daß er - in Teilen - als Grundlage verschiedener späterer Gesetze468 diente. Der durch das EGStGB 1975 geänderte Vollrauschtatbestand ist hierfür ein treffliches Beispiel, da er den Vollrauschtatbestand des E 1962 -zumindest in wesentlichen Teilen - übernahm.

1. Die Regelung der Schuldunfähigkeit Der E 1962 hielt mit § 24 an der seit dem VE 1909 bestehenden Tradition der gemischt biologisch-psychologischen Methode der Regelung der Schuldunfähigkeit fest, veränderte jedoch die Terminologie - und damit teilweise auch die Weite der Vorschrift- insoweit, als die biologischen Voraussetzungen unter dem Oberbegriff der "seelischen Störungen" nunmehr als "krankhafte seelische Störung", "ihr gleichwertige Bewußtseinsstörung" und "Schwachsinn" bezeichnet wurden. Bei der psychologischen Voraussetzung stellte der Entwurf hinsichtlich der Einsichts- und der Steuerungsfähigkeit in Abweichung von § 51 a. F. - wieder469 - auf das "Unrecht" der Tat, nicht mehr ihr "Unerlaubtes" ab470 . Der alkoholische Rausch sollte grundsätzlich die Schuldfähigkeit des Täters ausschließen können, nunmehr jedoch nicht mehr als "Bewußtseinsstörung", sondern als "krankhafte seelische Störung" verstanden werden471 . Im Zusammenhang mit der (sc. einer krankhaften seelischen Störung) "vergleichbaren Bewußtseinsstörung" führt die Begründung aus, es komme für die Frage der Schuldunfähigkeit nicht darauf an, ob der Täter deren Voraussetzungen selbst verschuldet habe472 . Der Entwurf sehe jedoch von einer ausdrücklichen Regelung ab, um durch eine solche nicht der Rechtsprechung vorzugreifen473 . Trotz der geänderten Parameter des § 24 E 1962 hatte sich in der Sache nichts geändert: der Rausch im Sinne des § 330a a. F. sollte weiterhin die Schuldfähigkeit eines Täters ausschließen können.

468

469 470 47 1 4 72

473

Vgl. hierzu etwa LK 11 -Jescheck, Ein!. Rn. 72. Vgl. zu dem insoweit gleichlautenden § 14 UkE 1934 s.o. S. 218 f. Zu der Entwicklung s. o. Fn. 314. Begr. E 1962, S. 138. Begr. E 1962, S. 139. Begr. E 1962, S. 139.

16 Barthel

242

4. Kap.: Die Normgeschichte des § 323 a (§ 330a a. F.)

2. Der Vollrauschtatbestand In einem in vielerlei Hinsicht474 neuen Gewand erschien der Vollrauschtatbestand als § 351 E 1962: (I)

Wer sich vorsätzlich oder fahrlässig durch alkoholische Getränke oder andere Rauschmittel in einen Rausch versetzt, wird mit Strafhaft oder mit Geldstrafe bis zu einhundertachtzig Tagessätzen bestraft, wenn er in diesem Zustand eine rechtswidrige Tat begeht und ihretwegen nicht bestraft werden kann, weil er infol~e des Rausches schuldunfähig war oder weil dies nicht auszuschließen ist. 4 5

(II) Hat der Täter damit gerechnet oder konnte er damit rechnen, daß er im Rausch rechtswidrige Taten begehen werde, so ist die Strafe Gefängnis bis zu fünf Jahren, Strafhaft oder Geldstrafe. (III) Die Strafe darf nach Art und Maß nicht schwerer sein als die für die Rauschtat angedrohte Strafe. (IV) Die Tat wird nur auf Antrag, mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgt, wenn die Rauschtat nur auf Antrag, mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgt werden könnte.

a) Eine Vorschrift - zwei Tatbestände (§ 351 Abs. 1, 2 E 1962) Die Aufspaltung der Strafdrohung innerhalb des Vollrauschtatbestandes ist das Ergebnis der Auseinandersetzung mit der an § 330a a. F. geübten Kritik, dem Bemühen die Norm mit dem Schuldprinzip in Einklang zu bringen, und einer (starken) Anlehnung an die Rechtsprechung des 5. Strafsenats des BGH. Trotz "gewisser Änderungen im tatbestandliehen Bereich" sollte der bisherige Wirkungsbereich der Bestimmung erhalten bleiben476. Ausgehend von der - in Rechtsprechung und Schrifttum - überwiegenden Ansicht, der Vollrauschtatbestand sei ein Gefährdungsdelikt, setzt sich die Begründung zunächst (nur) mit der Frage auseinander, ob es sich um 474 Auf die erfolgte Änderung des Absatzes 3 (Aufhebung der Limitierung des Strafrahmens auf "die für die vorsätzliche Begehung der Handlung angedrohte Strafe"; vgl. hierzu Begr. E 1962, S. 539) sowie die geringfügige Änderung des Absatzes 4 (Erweiterung der auf den Vollrausch anzuwendenden Strafverfolgungsvoraussetzungen um die Ermächtigung und das Strafverlangen; hierzu Begr. E 1962, S. 539), wird im folgenden nicht näher eingegangen, da beide weder für das Thema der Arbeit, noch auch nur für die Auslegung des Vollrauschtatbestandes von entscheidender Bedeutung sind. 475 In § 351 Abs. I E 1960 war die Geldstrafe nicht auf 180 Tagessätze beschränkt, sondern unbegrenzt, d. h. deren Höchstmaß betrug nach § 51 Abs. I E 1960 360 Tagessätze. 476 Begr. E 1962, S. 536.

VI. Der Vollrauschtatbestand nach dem E 1962

243

ein abstraktes oder ein konkretes Gefährdungsdelikt handele. Bei der Erörterung der Frage, ob der Rausch bereits als solcher gefährlich sei und deshalb strafrechtliches Unrecht darstelle, oder ob es zusätzlicher Umstände zur Begründung des Unrechts bedürfe, wurden neue Argumente nicht mehr ins Feld geführt. Die Annahme eines auf die konkrete Gefährlichkeit des Rauschtäters gestützten konkreten Gefährdungsdeliktes wurde mit dem kriminalpolitischen Argument abgelehnt, sie würde, da der Täter um seine Rauschgefährlichkeit, seine Neigungen wissen müsse, den Tatbestand des § 330 a, der eine Lücke schließen solle, zu weit einschränken und damit seinem Zweck zuwiderlaufen477 . Eine derartige Einschränkung des Tatbestandes sei zudem auch nicht erforderlich, da bereits die Herbeiführung eines Rausches als solche in einem Gemeinwesen, in dem die Menschen auf engstem Raum zusammengedrängt lebten, wegen der eingetretenen Enthemmung und Steuerungslosigkeit und der herabgesetzten Beherrschung körperlicher und geistiger Kräfte eine Gefahr für die Allgemeinheit bilde, sich der Eintritt einer durch den Rausch begründeten Gefahr nicht ausschließen lasse478 . Deshalb sei die Herbeiführung eines jeden Rausches gefährlich und aus diesem Grunde strafrechtliches Unrecht. Im Unterschied zum einheitlichen Strafrahmen des (damals) geltenden Vollrauschtatbestands sollte jedoch - zur Wahrung des Schuldgrundsatzes479- bei der Strafdrohung differenziert, diese gestaffelt werden480 . Absatz I stelle dabei den "Grundtatbestand" des Vollrauschs dar, bei dem die Begehung einer Rauschtat nicht (deutlicher: in keiner "auch noch so losen Form") von der Schuld des Täters umfaßt sein brauche481 . Für ihn sei mit der Strafandrohung von Strafhaft bis zu sechs Monaten (§ 47 Abs. 1 E 1962) nur eine "leichte Strafe" vorgesehen, die den Tatbestand - wieder - in die Richtung der Übertretungen, der Polizeidelikte rücke482. Durch sie sollte zum Ausdruck kommen, daß den Täter, dem nur das Sichberauschen, nicht aber die Rauschtat zum Vorwurf gemacht werde, "regelmäßig"483 kein schweres Verschulden treffe484 . Sie reiche zudem aus, im Rahmen dieses Begr. E 1962, S. 537. Begr. E 1962, S. 537. Diese Begründung wurde kurze Zeit später größtenteils wörtlich von BGHSt 16, 124, 125 übernommen. 479 Zu der aus dem Schuldprinzip abgeleiteten Abhängigkeit des Strafrahmens vom strafrechtlichen Unrecht s.o. 2. Kapitel, I. 2. 480 "Bescheiden" formuliert die Begründung, die abgestufte Strafdrohung "käme auch dem Schuldgrundsatz entgegen", Begr. E 1962, S. 538. 4 81 Begr. E 1962, S. 538. 482 Gar für die Annahme eines Polizeidelikts Koffka, Niederschriften, Band 5. S. 105; Band 8, S. 145. Der weitergehende Vorschlag von Fritz und Lange , jenen Absatz I wegen seines geringen Unrechtsgehalts gar aus dem Strafgesetzbuch auszuscheiden und in das OWiG aufzunehmen, fand nicht die Zustimmung der Kommission, Niederschriften, Band 8, S. 146. 477

47 8

16•

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4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

Verschuldeos auch bei Rauschtaten mit unvorhersehbar schweren Folgen eine das Sühnebedürfnis befriedigende Strafe zu finden 485 . Mit Absatz 2, der auf Absatz I aufbaut, diesen voraussetzt486, wurde die Rechtsprechung des 5. Strafsenats487 in die Norm übernommen. Die (nur! 488 ) von diesem Senat für die Auslegung des Vollrausches gemachte Einschränkung, der Täter müsse wissen oder zumindest wissen können, daß "er im Rausch irgendwelche Ausschreitungen strafbarer Art begehen könne"489, wird Voraussetzung der in § 351 Abs. 2 E 1962 "erhöhten" jedoch der dem bislang geltenden Recht entsprechenden - Strafdrohung490 . Als Grund für diese Unterscheidung findet sich die Erwägung, daß den Täter in letzterem Falle eine "ungleich schwerere Schuld treffe", ihm nicht 483 Die - wenn auch nur geringe - Einschränkung durch das Wort "regelmäßig" wirft Fragen auf. Wenn sich - wie die Konzeption zu § 351 Abs. I E 1962 es versteht - das Verschulden des Täters ausschließlich und allein auf die Herbeiführung eines Rausches erstreckt, nicht aber auch - und zwar nicht einmal ansatzweise - auf die im Rausch begangene Tat, so fragt sich, welcher Art die Ausnahmen sein können, die von der geringen Strafdrohung nicht mehr adäquat erfaßt wären. 484 Begr. E 1962, S. 538. 4 85 Begr. E 1962, S. 538. 486 Systematisch handelt es sich bei § 351 Abs. 2 E 1962 um einen Qualifikationstatbestand. In der Begründung des Entwurfes wird dieser Terminus gar nicht, in den Diskussionen der Großen Strafrechtskommission überwiegend nicht verwendet; Ausnahme etwa Niederschriften, Band 8, S. 149. 487 Siehe ausführlich hierzu 2. Kapitel, li. 2. b) bb) (I). 488 In nicht nachvollziehbarer Weise setzt die Begründung zum E 1962 (wie übrigens auch schon die Diskussionen in den Sitzungen der Großen Strafrechtskommission) die Rechtsansicht des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs mit derjenigen des Gerichtshofs insgesamt gleich. Die Entscheidung des 5. Senats in BGHSt 10, 247 ff. wird als zwischen der Annahme eines konkreten und der eines abstrakten Gefährdungsdelikts vermittelnder Standpunkt "des Bundesgerichtshofs" (Begr. E 1962, S. 537) oder die "Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs" (Begr. E 1962, S. 538) bezeichnet. Daß es sich hierbei nur um die Rechtsprechung eines Senats handelte, die zudem von der anderer Senate wesentlich abwich (s.o. 2. Kapitel, Fn. 113), wird nicht erwähnt. Ob der Umstand, daß Bundesrichterin Koffka, die Mitglied der Großen Strafrechtskommission war (Niederschriften, Band 8, S. 145), dem 5. Strafsenat angehörte, in irgendeiner Weise zur Erklärung herangezogen werden kann, ist Spekulation, fällt jedoch auf. 4 89 BGHSt 10, 247, 251. 490 Aus den Materialien geht hierbei nicht eindeutig hervor, ob dieses Kriterium des 5. Strafsenats, das er nur auf der subjektiven Tatseite verwendet hatte - vgl. o. 2. Kapitel, II. 2. b) bb) (I) -, in § 351 Abs. 2 E 1962 auf der objektiven Tatseite ein Pendant haben sollte - etwa im Sinne Cramers, s.o. 2. Kapitel, II. 2. b) bb) (2) - mit der Möglichkeit der Begehung rechtswidriger Taten. So die Ansicht von Schwalm (Niederschriften, Band 8, S. 147), der in Absatz 2 das (nur in eine subjektive Fassung gekleidete) objektive Merkmal der "Verursachung der Gefahr der Begehung rechtswidriger Taten im Rausch" erblickte und damit ein konkretes Gefährdungsdelikt annahm.

VI. Der Vollrauschtatbestand nach dem E 1962

245

nur das Sichberauschen, sondern "bis zu einem gewissen Grade" auch die Rauschtat selbst zum Vorwurf gemacht werden könne491 . Dieser Rechtsprechung folgend wurde auch deren weitere Annahme, daß sich ein solches Vorhersehen bzw. Vorhersehbarkeit "in aller Regel von selbst verstehe"492 , übernommen, weshalb Absatz 2 die Regel, Absatz 1 die Ausnahme darstellen sollte493 . Von den Fällen der alic, die der Entwurf damit inzident anerkannt hat, sollte sich § 351 Abs. 2 E 1962 nur durch die geringere Konkretisierung der schuldhaften Beziehung des Täters zur Rauschtat unterscheiden494, da diese bei der alic stets eine bestimmte Tat zum Gegenstand hat.

b) Die Funktion der Rauschtat und ihre Vereinbarkeil mit dem Schuldprinzip Entscheidungsmaßstab und Gradmesser für die Beantwortung der in der Großen Strafrechtskommission heftig umstrittenen 495 Frage der Vereinbarkeit objektiver Bedingungen der Strafbarkeit mit dem Schuldprinzip war, ob der durch sie jeweils erfaßte Erfolg das Unrecht begründend oder steigernd zur Unrechtsmaterie des Tatbestandes gehört und damit vom Verschulden des Täters umfaßt sein muß, oder nicht496 . Für den Vollrauschtatbestand lief dies auf die nun schon bekannte Frage hinaus, ob dessen tatbestandliches Unrecht allein im Sichberauschen oder (zumindest auch) in der Rauschtat liegt. Nach heftiger Diskussion entschied man sich für ersteres497, indem das Unrecht des Sichberauschens allein mit seiner Gefährlichkeit begründet wurde. Da die Rauschtat somit als weder unrechtsbegründend noch -steigernd angesehen wurde, sollte sie als objektive Bedingung der Strafbarkeit allein aus kriminalpolitischer Zweckmäßigkeit strafbegrenzend wirken, das allgemein gefährliche Sichberauschen nur dann strafrechtlich sanktioniert werden, wenn sich dessen Gefährlichkeit in einer rechtswidrigen Tat geäußert hatte, so daß die Gerichte aus Gründen der Strafökonomie498 mit "sachlich bedeutungslosen Vorgängen" nicht befaßt werden sollten499 . 491 Begr. E 1962, S. 538. 492 BGHSt 10, 247, 251. 493 Begr. E 1962, S. 538. 49 4 495 496

s. 92.

Begr. E 1962, S. 538 f. , auch schon BGHSt I0, 247, 250 f. Niederschriften, Band 2, S. 234 ff., 245 f. 250 f.; Band 5, S. 84 ff. Begr. E 1962, S. 538 i. V. m. S. 268; Lackner, in Niederschriften, Band 5,

497 In der Sache wurden über die oben (2. Kapitel, II. 2. a) bereits dargestellten Argumente hinaus keine weiteren vorgebracht. 498 Niederschriften, Band 8, S. 148 u. ö. 499 Begr. E 1962, S. 538.

246

4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

c) Die Voraussetzungen der Rauschtat Die Rauschtat selbst wurde erstmals nicht mehr als "mit Strafe bedrohte Handlung" bezeichnet, sondern als "rechtswidrige Tat". Nach der Legaldefinition des § II Abs. I Nr. 2 E 1962 war hierunter zu verstehen "eine rechtswidrige Handlung, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, auch wenn sie nicht schuldhaft begangen ist".

Die Begründung führt dazu aus, daß es Vorschriften gebe, bei denen die Rechtsfolge nicht erst bei rechtswidriger und schuldhafter Verwirklichung des Tatbestandes eines Strafgesetzes eintrete, sondern bereits dann, wenn die tatbestandsmäßige Handlung rechtswidrig ist. Der Begriff der "rechtswidrigen Tat" sei dafür vorgesehen, zweckmäßiger Weise im Gesetz klarzustellen, "daß die Rechtsfolge von der Schuldbewertung unabhängig oder daß das Fehlen des Schuldvorwurfs Voraussetzung für die Rechtsfolge ist, oder daß die Rechtsfolge sowohl bei schuldhaftem Handeln als auch bei Fehlen der Schuld eintritt"500. Zur Frage, ob dies bei Vorsatztatbeständen einen "natürlichen Vorsatz" voraussetzt, nahm der Entwurf bewußt keine Stellung, sondern überließ deren Klärung Rechtsprechung und Rechtslehre501. Der Begriff der "rechtswidrigen Tat" wurde damit als ein Teilausschnitt des komplexeren Gebildes der Straftat verstanden, als "tatbestandsmäßiges und rechtswidriges Handeln"502 . Die Frage, ob hierbei auch die innere Tatseite berücksichtigt werden müsse, wurde bewußt offen gelassen. Über diese Problematik gingen die Detailfragen zu den Voraussetzungen der "rechtswidrigen Tat" auch nicht hinaus 503 . So stand die Überlegung, ob der Täter bei hypothetisch angenommener Schuldfahigkeit wegen der "rechtswidrigen Tat" auch bestraft werden könnte, zu keiner Zeit im Raum. d) Die Einbeziehung der nicht ausschließbaren Schulduruahigkeit in den Anwendungsbereich des Vollrauschtatbestandes § 351 Abs. 1 E 1962 erweiterte den Anwendungsbereich des Vollrauschtatbestandes über die Fälle hinaus, in denen der Täter wegen der Rauschtat aufgrund der rauschbedingten Schuldunfahigkeit nicht bestraft werden kann, um die Konstellationen, in denen der Täter wegen lediglich nicht ausschließbarer Schuldunfahigkeit hinsichtlich dieser Rauschtat straflos bleibt ("... oder weil dies nicht auszuschließen ist."). Uno actu mußte deshalb soo Begr. E 1962, S. 119. so1 Begr. E 1962, S. 119. 502 Niederschriften, Band 8, S. 143, 151. 503 Etwa Niederschriften, Band 8, S. 149.

VI. Der Vollrauschtatbestand nach dem E 1962

247

notwendiger Weise - die im Gesetz beschriebene Eigenschaft des Rausches, die Zurechnungsfähigkeit(§ 51 Abs. I a.F.) auszuschließen, da nunmehr zu eng, gestrichen werden. Denn mit einem die Schuldfähigkeit ausschließenden Rausch als notwendiger Tatbestandsvoraussetzung wäre die Aufnahme der Zweifelsfälle, d. h. der nicht sicher feststellbaren Schuldunfähigkeit, in den Anwendungsbereich des Vollrauschtatbestandes nicht vereinbar gewesen. Beides erfolgte mit dem Ziel, eine (sc. weitere) Lücke zu schließen, "deren Ausfüllung der Rechtsprechung beträchtliche Schwierigkeiten bereitet hat" 504 . Letztere gilt es wenigstens kurz zu skizzieren, um die beabsichtigte Änderung des Tatbestandes zu verdeutlichen.

aa) Die Rechtsprechung zu den Fällen nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit Die Frage der Bestrafung des Täters in den Konstellationen, in denen trotz Ausschöpfung aller Beweismittel nicht aufgeklärt werden kann, ob er nach vorangegangener Alkoholisierung im Zeitpunkt der Rauschtat zurechnungsunfähig (§ 51 Abs. I a. F.) oder aber nur vermindert zurechnungsfähig (§51 Abs. 2 a.F.) war, wurde in der Rechtsprechung im Lauf der Zeit insbesondere wegen der Veränderung der gesetzlichen Lage - unterschiedlich entschieden. (1) Die Rechtsprechung des Reichsgerichts

Nach der (frühen) Rechtsprechung des Reichsgerichts blieb der Täter in obiger Konstellation gänzlich straffrei. Infolge des Grundsatzes in dubio pro reo schied wegen nicht erwiesener Zurechnungsfähigkeit seine Bestrafung wegen der Rauschtat (i. V. m. § 51 Abs. 2) aus; wegen der gleichfalls nicht erwiesenen Zurechnungsunfähigkeit entfiel aber auch die Bestrafung nach § 330a a. F., da die Norm bereits im objektiven Tatbestand einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch und damit die Feststellung der Zurechnungsunfähigkeit verlangte505 . Auch die Grundsätze wahldeutiger Feststellung vermochten eine Strafbarkeit des "Rauschtäters" nicht zu begründen. Die Möglichkeit einer Wahlfeststellung war nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts zunächst eng begrenzt, allein dort zulässig, "wo lediglich verschiedene Ausführungsarten eines und desselben Verbrechens oder Vergehens in Betracht kommen, die, Begr. E 1962, S. 538. (Rückblickend) RGSt 70, 42, 43; so auch ausdrücklich Schäfer/Wagner/Schafheutle, § 330a Anm. 3 a.E. 504

505

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4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

wenn sie auch in verschiedenen Vorschriften untergebracht sind, doch keinen verschiedenen Tatbestand ergeben und vom Gesetz als gleichwertig angesehen werden" 506, unzulässig hingegen, "wo verschiedene Tatbestände in Frage stehen, die in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung dergestalt voneinander abweichen, daß der eine den anderen ausschließt oder abweichend von ihm zu beurteilen ist"507 . Der Pienarbeschluß der Vereinigten Strafsenate vom 2. Mai 1934508 ließ als Ausnahme hiervon - sehr zurückhaltend und auf die ihm vorgelegte Rechtssache beschränkt - eine wahldeutige Feststellung bei ungleichartigen Tatbeständen "aus Erwägungen der Zweckmäßigkeit" nur für das Verhältnis Diebstahl-Hehlerei zu 509. Eine grundlegende Veränderung trat durch das Gesetz vom 28. Juni 1935510 ein, dessen Art. 2 unter dem Titel "Verhütung ungerechter Freisprechungen durch Zulassung der Wahlfeststellung" diese durch Einfügung des § 2 b in das RStGB nun uneingeschränkt gestattete: .,Steht fest, daß jemand gegen eines von mehreren Strafgesetzen verstoßen hat, ist aber eine Tatfeststellung nur wahlweise möglich, so ist der Täter aus dem mildesten Gesetz zu bestrafen."

Unter Anwendung der neuen Norm wurde in der Folgezeit Wahlfeststellung zwischen § 330 a a. F. und der im Rausch verwirklichten Tat wiederholt angenommen511 • (2) Die Rechtsprechung des BGH Nach der Streichung des § 2 b durch Art. I KRG Nr. II vom 30.1.1946512 setzte die Rechtsprechung bei der Frage nach der Zulässigkeil und den Voraussetzungen der Wahlfeststellung wieder dort an, wo das Reichsgericht vor der Einfügung des § 2 b "stehengeblieben" war, jener Entscheidung der Vereinigten Strafsenate513 • Aus einer Formulierung des Plenarbeschlusses514, welche im Zusammenhang der Entscheidung eher unscheinbar wirkte, entwickelte sich im Schrifttum die Lehre von der notRGSt 68, 257, 258. RGSt 35, 231,232 m.w. N.; bestätigt in RGSt 68,257,258. 508 RGSt 68, 257 ff. 509 Ausdrücklich ablehnend noch RGSt 53, 232. 510 Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuch vom 28. Juni 1935, RGBI. I, S. 839. 511 RGSt 70, 42, 43 ff. ; 70, 85, 87; 70, 326 ff.; ebenso- dies jeweils aufgrund der gesetzlichen Regelung als unproblematisch betrachtend - das Schrifttum, etwa Pfundtner/Neubert-Rietzsch, § 330a Anm. 5; Freies/eben/Kirchner/Niethammer, § 330a Anm. 5; Gramsch, Tatbestand, S. 92; Schreyer, S. 38; Wilhelm, S. 39; Mayer, ZStW 59 (1940) 338; Niederreuther, ZfWR 1936/37, 286. 512 ABIKR S. 55. m So ausdrücklich etwa BGHSt I, 127, 128; I, 275, 276. S. auch OGHSt 2, 89 ff. mit weiteren Nachweisen auch der oberlandesgerichtliehen Rechtsprechung. 506

5°7

VI. Der Vollrauschtatbestand nach dem E 1962

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wendigen rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit der wahldeutigen Tatvorwürfe, die von der Rechtsprechung übernommen wurde515 . Dementsprechend lehnte der 4. Strafsenat 1951 eine über die Grundsätze des Reichsgerichts hinausgehende Wahlfeststellung als den rechtsstaatliehen Grundgedanken des deutschen Strafverfahrensrechts zuwiderlaufend ab516, so die Wahlfeststellung zwischen dem Vergehen des Vollrausches und der mit Strafe bedrohten Handlung. Der Tatbestand des § 330a, der geschaffen worden sei, um die Lücke im Strafrecht zu schließen, die infolge der Straflosigkeit der Rauschtaten Zurechnungsunfähiger bestand, und um die Gefahren zu bekämpfen, die der Allgemeinheit und dem Einzelnen durch den Rauschmittelmißbrauch drohen, schütze die Gesamtheit der Rechtsgüter, nicht ein einzelnes bestimmtes Rechtsgut, wie die im Rauschzustand verletzte Norm 517 • Die "mit Strafe bedrohte Handlung" bilde hierbei nur eine Bedingung der Strafbarkeit. Daß sie im Falle der verminderten Zurechnungsfähigkeit des Täters eine selbständige strafbare Handlung bleibt, zeige, daß das Vergehen des § 330a von allen anderen Straftatbeständen tatsächlich und rechtlich verschieden sei518 . Da sich der Unrechtsgehalt der Norm allein durch das Sichberauschen bestimme, also nicht von der Bewertung der Rauschtat berührt werde, seien der Rauschmittelmißbrauch und die Rauschtat psychologisch und rechtsethisch nicht vergleichbar, eine Wahlfeststellung zwischen beiden deshalb unzulässig 519 • Das Ergebnis - Straflosigkeit des Täters! - mußte nach Ansicht des Senats trotz des durchaus berechtigten Bedürfnisses nach einer lückenlosen Verbrechensbekämpfung hinter dem rechtsstaatliehen Grundsatz zurücktreten, daß eine Strafe, die vergelten und sühnen soll, nur auf Grund einer in allen Einzelheiten bestimmten Schuldfeststellung ausgesprochen werden darf; anerkannte "Erfordernisse der Praxis" hätten hinter die rechtsstaatliehen Gesichtspunkte der Rechtswahrheit und Rechtssicherheit zurückzutreten520. 514 RGSt 68, 257, 261. Danach dränge sich die Ungerechtigkeit, die darin bestehe, daß die Verurteilung auf einer bloßen Möglichkeit, nicht aber einer Wirklichkeit beruht, "da besonders auf, wo mehrere Verfehlungen, die eine verschiedene seelische Verfassung des Täters voraussetzen und ihm eine verschiedene sittliche Bewertung zuziehen, in die Wahl aufgenommen werden." 515 Zur Entwicklung der Wahlfeststellung vgl. etwa LK 10-Tröndle, § I Rn. 73 ff. m. w.N.; LK 11 -Gribbohm, §I Rn. 100 ff. 516 BGHSt I, 275, 276 f. 517 BGHSt I, 275, 277. 518 BGHSt I, 275, 277. 519 BGHSt I, 275, 277 f.; so auch der I. Strafsenat in BGHSt I, 327 f.; ebenso zuvor schon das Schrifttum, etwa LK617-Rohde, § 330a Anm. 12; Mühlmann/Bommel, § 330a Anm. 2; Schönke 3 , § 330a Anm. VI. 5zo BGHSt I, 275, 278.

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4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

(3) BGHSt GS 9, 390 ff. Einen in vielerlei Hinsicht ebenso bedeutsamen wie umstrittenen Wendepunkt markierte der Beschluß des Großen Senats für Strafsachen vom 15. Oktober 1956, in dem über die ihm vorgelegte Rechtsfrage "Ist eine Wahlfeststellung zwischen einem Vergehen nach § 330a StGB und der die Bedingung der Strafbarkeit bildenden, mit Strafe bedrohten Handlung zulässig?" zu entscheiden war. Die besondere Bedeutung dieser Entscheidung resultiert nicht zuletzt daraus, daß sie - vom E 1962 wie auch vom späteren Gesetzgeber inhaltlich unverändert übernommen - durch das EGStGB vom 2.3.1974 positiv geltendes Recht werden sollte. Nach einer rückblickenden Zusammenfassung der Rechtsprechung zur Wahlfeststellung lehnte der Große Senat - an dem Erfordernis der rechtsethischen und psychologischen Gleichwertigkeit der unterschiedlichen Tatbestände festhaltend und im Anschluß an die Entscheidungen des I. und. 4. Senats521 - die Möglichkeit der Wahlfeststellung zwischen § 330a und der die Rauschtat bildenden "mit Strafe bedrohten Handlung" ab. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß man einen Täter nur dann verurteilen dürfe, wenn man ihm eine bestimmte, schuldhaft begangene Straftat nachweisen kann, sei mit der Wahlfeststellung nur dann zu rechtfertigen und zu ertragen, wenn "sie sich auf Straftaten bezieht, die, was das sittlich-rechtliche Werturteil über sie und die innere Beziehung des Täters auf sie angeht, wesentlich gleichwertig sind"522 . Die den Gegenstand der Wahlfeststellung bildenden Taten müssen danach einander in der Art der sittlichen Bewertung, die ihnen im allgemeinen Rechtsempfinden zuteil wird, ähnlich sein (rechtsethische Gleichwertigkeit) und zudem muß eine einigermaßen gleichgeartete Beziehung des Täters zu den mehreren in Frage stehenden Verhaltensweisen bestehen (psychologische Vergleichbarkeit)523 . Beides liege im Verhältnis des Sichberauschens zu der späteren Rauschtat nicht vor: Derjenige, der sich schuldhaft in einen die Zurechnungsfahigkeit ausschließenden Rausch versetzt, tue - trotz der Gleichheit des äußeren Gesamtgeschehens - etwas ganz anderes als derjenige, der vermindert schuldfähig eine Straftat - welche auch immer - begeht. Damit scheide eine Verurteilung aufgrund wahldeutiger Feststellung aus 524 . BGHSt I, 275, 277 f.; BGHSt I, 327 f. BGHSt 9, 390, 394. 523 BGHSt 9, 390, 394. 524 Der Senat spricht an, daß etwas anderes gälte, wenn man mit einem Teil der Rechtslehre (s.o. 2. Kapitel, II. 6) in § 330a keinen Straftatbestand, sondern eine Ausnahmevorschrift von § 51 Abs. I (a. F.) erblickte, da so bei beiden möglichen Alternativen der selbe Tatbestand verwirklicht wäre, lediglich über die Frage, ob der Täter im fraglichen Zeitpunkt schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war, 521

522

VI. Der Vollrauschtatbestand nach dem E 1962

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Eine Verurteilung des Täters nach dem Rechtssatz in dubio pro reo hält der Senat - so wörtlich - für "bedenklich": denn die hierfür erforderliche Voraussetzung, daß beide möglichen Tatbestände zueinander im Verhältnis eines Weniger zum Mehr, in einem Stufenverhältnis525 stehen, sei zwar grundsätzlich für eine im Zustand der Schuldunfähigkeit begangene Tat im Verhältnis zu einer im Zustand der verminderten Schuldfähigkeit begangenen Tat innerhalb desselben gesetzlichen Tatbestandes zu bejahen. Beim selbstverschuldeten Vollrausch sei das hingegen anders, da bei der Annahme von Schuldunfähigkeit die mildere Strafdrohung des § 330 a nicht an die im Rausch begangene Tat, sondern an das schuldhafte Sichberauschen anknüpft, einen tatsächlich wie rechtlich anderen Tatbestand526. Damit würde der Rahmen des Stufenverhältnisses verlassen 527 . Ein (sc. begrifflich-logisches528) Stufenverhältnis zwischen § 330 a und der im Zustand verminderter Schuldfähigkeit begangenen Tat, und damit die Anwendung von in dubio pro reo, wurde vom Senat nicht nur verbal stark bezweifelt, sondern im Ergebnis inhaltlich wohl doch verneint529 . Einer ausdrücklichen Stellungnahme hierzu glaubte der Senat sich entziehen zu können, da er - neben der Wahlfeststellung und "in dubio pro reo" - ein "neues Geleise"530 benutzte: die Lehre vom sog. "Auffangtatbestand": Sinn und Zweck des § 330 a bestehe darin, diejenige als unerträglich empfundene Lücke zu schließen, "die dadurch gegeben war, daß der Trinker, der im Zeitpunkt der Tat nicht einmal mehr vermindert zurechnungsfähig war, wegen erwiesener oder möglicher Zurechnungsunfähigkeit freigesprochen werden mußte"531 . Um dem abzuhelfen, sei das vorausgehende schuldhafte Sichberauschen unter Strafe gestellt worden532 , für dessen Zweifel bestünden (BGHSt 9, 390, 395). Er verwirft diese Ansicht jedoch sogleich mit dem entgegenstehenden Willen des historischen Gesetzgebers (a. a. 0., S. 396). 525 Angemerkt sei, daß die frühere Rechtsprechung (so auch die Entscheidung des Senats) die Beweisregel "in dubio pro reo" nur bei sog. begrifflich-logischen Stufenverhältnissen angewandt hat, d. h. bei solchen, bei denen die für den Täter günstigere Norm in der ihm ungünstigeren begrifflich enthalten ist, etwa im Verhältnis Grundtatbestand-Qualifikation. Erst später wendete die Rechtsprechung den Zweifelssatz - wie zuvor schon die h. L. - auch bei sog. normativ-ethischen Stufenverhältnissen an, erst in entsprechender, dann in direkter Anwendung; vgl. etwa NK-Frister, Nach § 2 Rn. 32 f. m. w. N. 526 BGHSt 9, 390, 397. 527 BGHSt 9, 390, 397. 528 s.o. Fn. 525. 529 Paeffgen, NStZ 1985, 8, 12 in Fn. 69. 530 Schneidewin, JZ 1957, 324. 531 BGHSt 9, 390, 397 f. 532 Jene Behauptung des Großen Senats, mit § 330a a. F. sollten auch diejenigen Lücken geschlossen werden, die sich durch die nicht erweisbare Schuldunfähigkeit eines berauschten Täters ergeben, ist nicht haltbar. Die vom Senat hierfür bemühte

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4. Kap.: Die Normgeschichte des § 323 a (§ 330 a a. F.)

Strafwürdigkeit es unerheblich sei, ob die Zurechnungsunfähigkeit des Täters im Zeitpunkt der Rauschtat bewiesen oder lediglich nicht ausschließbar sei. Entscheidend sei allein, "ob der Täter die Grenze des § 51 Abs. 2 StGB überschritten hat, so daß die Strafvorschrift für die Rauschtat nicht mehr eingreift"533 . Deshalb beschränke sich die Anwendung des § 330a nicht auf die Fälle erwiesener Zurechnungsunfähigkeit, sondern solle nach dem aus der Entstehungsgeschichte534 und dem Gesetzeszweck sich ergebenden Sinn auch die Fälle treffen, in denen der Richter nicht feststellen kann, ob die mit Strafe bedrohten Handlung im Zustande der Angetrunkenheil oder der Volltrunkenheit begangen wurde535 . § 330a stelle deshalb eine "Auffangstrafdrohung, die immer dann gelten soll, wenn der Betrunkene wegen der im Rausch begangenen Tat nicht aus der hierfür geltenden Strafvorschrift (i. V. m. § 51 Abs. 2 StGB) bestraft werden kann", dar536. Damit Entstehungsgeschichte des Vollrauschtatbestandes, insbesondere die vom ihm angegebenen Quellen (Begründungen zum E 1925 und zum E 1927) liefern die Begründung, für die sie als Beleg herangezogen wurden, gerade nicht. Denn liest man an den einschlägigen (vom Senat nicht angegebenen) Stellen, sucht man nach der vom Senat behaupteten Begründung vergebens. So äußert sich die Begr. E 1925 hinsichtlich der zu schließenden Lücke ganz eindeutig nur dahingehend, daß es diejenige sei, die sich eröffnet, wenn "der Täter zur Zeit der Tat so berauscht ist, daß er die Fähigkeit, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln, völlig verloren hatte" (Begr. E 1925, S. 174, Hervorhebung vom Verf.; C. B.), so daß die allgemeine Regel des § I 6 E 1925 gelte, "daß nicht strafbar ist, wer zur Zeit der Tat nicht zurechnungsfahig ist" (a. a. 0.). Daß, "wer sich durch den Genuß geistiger Getränke oder durch andere berauschende Mittel in einen Zustand der Zurechnungsunflihigkeit versetzt und in diesem Zustand eine mit Strafe bedrohte Handlung begeht, wegen dieser Tat nicht bestraft" werden kann, nach "geltendem Rechte völlig straffrei ausgeht" (a. a. 0.), diese Lücke sollte durch die besondere Strafdrohung des § 335 E 1925 ausgefüllt werden. Die ebenfalls vom Senat erwähnte Begründung zum E 1927, die an der betreffenden Stelle - bis auf die Erwähnung der actio libera in causa (s.o. Fn. 325 [a. E.] u. Fn. 335) identisch ist, hatte ebenfalls ausschließlich den erwiesen zurechnungsunflihigen Täter im Blick (Begr. E 1927, S. 189). Für die Begründung zum Gewohnheitsverbrechergesetz gilt, last but not least, das selbe (Begründung GewVerbrG, Dt. Reichs- u. Preuß. Staatsanzeiger Nr. 277, 1933, Erste Beilage, S. 1). Die Erweiterung der mit § 330a zu schließenden Straflücke von dem selbstverschuldet schuldunfähigen Täter auf den nicht ausschließbar schuldunfähigen Täter kann sich - redlicherweise - nicht auf den historischen Gesetzgeber berufen. Dieser hatte jenen Zweifelsfall nicht bedacht, was nicht zuletzt auch eindeutig aus dem Wortlaut des § 330 a Abs. I a. F. hervorgeht. Der Bemerkung Wolters (Wahlfeststellung, S. 77 m. w.N. in Fn. 77), die Rechtsprechung habe einen Gesetzgeberwillen, den es nicht gegeben hat, unterlegt, kann nach der eindeutigen Quellenlage nicht widersprochen werden. Ebenfalls nur die Straflosigkeit des Täters aufgrund des festgestellten § 5 I a. F. als den Grund der mit § 330 a a. F. zu schließenden Rechtslücke sehend Paeffgen, NStZ 1985, 8, 10. m BGHSt 9, 390, 398. 534 Vgl. insoweit Fn. 532. 535 BGHSt 9, 390, 398. 536 BGHSt 9, 390, 397 f.

VI. Der Vollrauschtatbestand nach dem E 1962

253

se1 m den besagten Zweifelsfallen - unabhängig von der Beweisregel in dubio pro reo - § 330 a anwendbar. In Anbetracht der späteren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs537 ist an dieser Stelle ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß die Entscheidung des Großen Senats nicht sämtliche Fälle der nicht feststellbaren und daher zweifelhaften Schuldunfähigkeit erfaßte538 , sondern nur diejenigen, bei denen der Täter im Zeitpunkt der Rauschtat so berauscht ist, daß lediglich ein Zweifel besteht, ob der Täter noch vermindert schuldfähig oder schon schuldunfähig ist539. Die Reichweite jenes Auffangtatbestandes ist mithin eine beschränkte, nicht jeden Zweifel an der Schuldunfähigkeit umfassende. Das gilt es im folgenden zu berücksichtigen.

bb) Die Übernahme von BGHSt 9, 390 ff durch § 351 E 1962 Die Lösung des Problems durch den Großen Strafsenat, die mit der Annahme eines Auffangtatbestandes, eine Wahlfeststellung ausdrücklich ablehnend540, letztlich im Ergebnis doch mit deren Rechtsfolge übereinstimmte541, und die zugleich die Grenzen des "einen die Zurechnungsfähigkeit (§ 51 Abs. I) ausschließenden Rauschzustand" fordernden Wortlauts des § 330a Abs. I a.F. überschritten hatte (Art. 103 Abs. 2 GG, § 2)542 ,

537 In BGHSt 32, 48 ff. zog der 4. Strafsenat in einer Fallkonstellation, in der die Schuldfähigkeit des Täters dergestalt umstritten war, daß nicht nur die beiden Möglichkeiten der Schuldunfähigkeit und der eventuellen Überschreitung der verminderten Schuldfähigkeit im Raume standen, sondern auch die volle Schuldfähigkeit des Täters nicht auszuschließen war, den Beweissatz .,in dubio pro reo" heran. Damit wurde die Strafbarkeit des Täters nach § 323 a unabhängig von der Rechtsfigur des Auffangtatbestandes aufgrund der Anwendung des Beweissatzes ermöglicht, dessen Anwendung der Große Senat für bedenklich gehalten und deshalb nicht herangezogen hatte. Im Unterschied zu diesem ging der 4. Senat jedoch von einem normativethischen Stufenverhältnis aus, s.o. Fn. 525. Die übrigen Senate hatten gegen diese Rechtsauffassung keine Bedenken (BGHSt 32, 48, 57). 538 Einige Sätze des Beschlusses ließen - isoliert betrachtet - diesen Schluß zu, etwa BGHSt 9, 390, 397 f. 539 Statt vieler Paeffgen, NStZ 1985, 8, I 0. 540 BGHSt 9, 390, 392-395. 541 Dreher sprach deshalb insoweit von einer .,verdeckten Wahlfeststellung" (MDR 1957, 179), in seiner weitergehenden Kritik gar von einer Methode, .,die man nicht einmal mehr eine versteckte Wahlfeststellung nennen kann" (a. a. 0.). Nach der Ansicht von Schneidewin sollte durch den Beschluß des Großen Senats die dem Richterspruch verwehrte Wahlfeststellung .,in das Gesetz verlegt" werden (JZ 1957, 327); nach Schwarz eine .,verkappte Anerkennung der Wahlfeststellung" (NJW 1957, 402). 542 Dreher, MDR 1957, 180; Schneidewin, JZ 1957, 326 f.; Heinitz, JR 1957, 129; Schwarz, NJW 1957, 402.

254

4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

wurde vom E 1962 ohne jede Einschränkung oder Veränderung übemommen543. Die hierbei für die Fälle der nicht feststellbaren Schuldunfähigkeit verwendete Formulierung, daß der Täter wegen der Rauschtat nicht bestraft werden kann, weil seine Schuldunfähigkeit nicht auszuschließen ist, geht dabei über die inhaltlichen Grenzen der Entscheidung des Großen Senats hinaus und ist damit zu weit. Denn unter sie fällt auch diejenige Fallkonstellation, in der bei Zweifeln an der Schuldunfähigkeit des Täters die "sichere Grenze" der verminderten Schuldfähigkeit nicht überschritten, und neben der Schuldunfähigkeit auch die volle Schuldfähigkeit des Täters möglich ist. Auch in diesem Fall ist ja die Schuldunfähigkeit nicht auszuschließen. Gleichwohl ist diese Konstellation nicht von BGHSt 9, 390 ff., und damit auch nicht vom Willen der Entwurfsverfasser erfaßt, die über jene Rechtsprechung ausdrücklich nicht hinausgehen wollten. Auf die vielfache und massive Kritik an der Entscheidung544 ging die Begründung zum E 1962 mit keinem Wort ein545 . Das soll auch hier nicht geschehen, da die umstrittene Einbeziehung jener Zweifelsfälle546 in den Tatbestand des § 330a a. F. später mit dem EGStGB 1975 Gesetz wurde, und damit (zumindest seit diesem Zeitpunkt) dem Willen des historischen Gesetzgebers entspricht. Eine Kritik hieran wäre eine Kritik am Gesetz, die nicht Gegenstand einer Arbeit ist, die sich mit der Auslegung des geltenden Rechts befaßt.

VII. Der Vollrauschtatbestand nach dem EGStGB vom 2.3.1974 (§ 330a n.F.) Durch die Novellierung in Art. 19 Nr. 185 des EGStGB vom 2.3.1974547 erhielt der Tatbestand seine heutige Fassung548 und die ausdrückliche Bezeichnung "Vollrausch". Vor dem Hintergrund des eben erläuterten Begr. E 1962, S. 538. s.o. Fn. 541, 542; ferner zusammenfassend LK9 -Lay, § 330 a Rn 31 m. w. N.; LK 10-Tröndle, § I Rn. 99 f. 545 Pointiert Dreher, MDR 1970, 369, 370: " .. . und § 351 E 1962 hat denn auch gute Miene zu bösem Spiel gemacht und die Theorie im Text seines Abs. I ausdrücklich sanktioniert." 546 Nochmals: es handelt sich um die auf eine bestimmte Fallkonstellation beschränkten Zweifelsfälle, bei denen der Täter mit Gewißheit zumindest "den sicheren Bereich des § 21" überschritten hat. S. o. S. 253 mit Fn. 537. 54 7 BGBI. I S. 469, 495. 548 Durch das 18. StrÄndG vom 28.3.1980 (BGBI. I S. 373, 374) wurde der Tatbestand lediglich neu numeriert (seitdem: § 323 a statt vormals § 330a), blieb inhaltlich jedoch unverändert. 54 3

544

VII. Der Vollrauschtatbestand nach dem EGStGB vom 2.3.1974

255

E 1962 bleibt an dieser Stelle nur aufzuzeigen, inwieweit dessen Konzeption übernommen wurde und inwieweit nicht.

1. Beibehaltung eines einheitlichen Tatbestandes Jene differenzierende Aufspaltung des einheitlichen Tatbestandes in zwei Strafdrohungen, wie sie § 351 Abs. 1, 2 E 1962 vorgesehen hatte, wurde vom Gesetzgeber nicht übernommen, die bisherige, 1941 auf Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren angehobene Strafandrohung jedoch beibehalten; dies allerdings, ohne die insoweit in § 351 Abs. 2 E 1962 enthaltene, auf die Rechtsprechung des 5. Strafsenats zurückgehende Einschränkung in das Gesetz aufzunehmen, der Täter hätte mit der Begehung rechtswidriger Taten gerechnet bzw. rechnen müssen. Nicht nur das eindeutige Schweigen des Gesetzestextes - man hätte die einschränkende Passage zur Klarstellung übernehmen können - zeigt, daß jene Rechtsprechung des 5. Strafsenats vom Gesetzgeber bewußt nicht übernommen wurde (insoweit also ein beredtes Schweigen); auch die Gesetzesbegründung549, die nur Judikate des Großen Senats (BGHSt 9, 390 ff.) und des 2. Strafsenats (BGHSt 16, 187 ff.) erwähnt, die beide die restriktive Auslegung des 5. Senats nicht teilten, belegt das. Der 5. Strafsenat hatte denn auch seine frühere Rechtsprechung zu § 330 a a. F. nach der Neufassung der Norm - soweit ersichtlich - nicht mehr fortgeführt.

2. Die Rauschtat Die ohnehin knappe Begründung zur Änderung des § 330 a ging - anders als diejenige zum E 1962 - auf die Funktion und die Vereinbarkeil der Rauschtat als objektiver Bedingung der Strafbarkeit mit dem Schuldprinzip nicht ein. Die Voraussetzungen der Rauschtat, nunmehr "rechtswidrige Tat" anstaU "mit Strafe bedrohte Handlung", wurden in § 11 Abs. 1 Nr. 5 definiert als "nur eine solche, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht".

Die Begründung erläutert unter der Überschrift "Anpassung an den neuen Sprachgebrauch", daß bislang für denselben Begriff verschiedene Bezeichnungen verwendet worden seien; so etwa eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Handlung teils als "Straftat", teils als "strafbare Handlung", eine rechtswidrige, nicht aber auch schuldhafte Handlung sowohl als "rechtswidrige Tat", als auch als "mit Strafe bedrohte Handlung" bezeichnet wurde 550 . Das Strafgesetzbuch verwende nunmehr einheit54 9 550

BT-Drucks. 7/550, S. 268. BT-Drucks. 7/550, S. 191.

256

4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

lieh die Begriffe "Straftat" und "rechtswidrige Tat", ohne diese allerdings anders als der E 1962551 - näher zu bestimmen552 . Da die Bezeichnung "rechtswidrige Tat" eine Beziehung zum Strafrecht nicht immer deutlich erkennen Jasse, werde durch § II Abs. I Nr. 5 "zumindest klargestellt, daß dies nur eine solche ist, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirkJicht"553.

3. Die Einbeziehung der nicht ausschließbaren Schuldunfähigkeit in den Anwendungsbereich des Vollrauschtatbestandes Mit der Neufassung des § 330a Abs. I sollten nun auch die Fälle erlaßt werden, in denen der Täter wegen nicht auszuschließender Schuldunfahigkeit für die Rauschtat nicht bestraft werden kann; die Wendung des § 351 E 1962 wurde wörtlich übernommen. Die Begründung führt hierzu aus. der Entwurf wolle nicht hinter die Rechtsprechung zurückgehen, mit der Formulierung solle die vom Großen Senat in BGHSt 9, 390 entschiedene Frage "ausdrücklich klargestellt" werden 554. In Anbetracht der darin liegenden Wortlautüberschreitung555 erscheint die vielfach im Schrifttum verwendete Kennzeichnung als "Legalisierung der Rechtsprechung"556 etwas treffender.

s.o. S. 246. BT-Drucks. 7/550, S. 191. Wenngleich die Legaldefinition der "rechtswidrigen Tat" in § II Abs. I Nr. 5 nicht (mehr) den Hinweis auf die nicht erforderliche Schuldhaftigkeit des Handeins enthält, so ergibt sich dies auch ohne einen solchen. Zum einen dadurch, daß überhaupt einer der beiden für die Bezeichnung der tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen und nicht schuldhaft begangenen Handlung angeführten Begriffe aufgegriffen wurde, zum anderen mittelbar auch dadurch, daß die Begriffe "rechtswidrige Tat" und "Straftat" im StGB unterschiedlich verwendet werden, zum letzteren etwa Tröndle/Fischer49, § II Rn. 33. 553 BT-Drucks. 7/550, S. 191. 554 BT-Drucks. 7/550, S. 268. Sowohl aus der insoweit wörtlichen Übernahme der Formulierung des § 351 Abs. I E 1962 als auch aus der ausdrücklichen Bezugnahme auf BGHSt 9, 390 ff. ist ersichtlich, daß durch die Neufassung des Vollrauschtatbestandes trotz des weiteren Wortlautes - wie schon zu § 351 E 1962 erläutert, s.o. 4. Kapitel, VI. 2. d) aa) (3) (S. 253) - nicht sämtliche Fälle des Zweifels an der Schuldunfähigkeit des Täters erfaßt werden sollten, sondern nur diejenigen, in denen der Täter die Grenze der verminderten Schuldfähigkeit (sc. eindeutig) soweit überschritten hatte, daß er im Zeitpunkt der Rauschtat nur entweder schuldunfahig oder zumindest vermindert schuldfähig gewesen sein konnte. Eine dritte Möglichkeit - die volle, unverminderte Schuldfähigkeit - sollte es nicht geben. 555 s.o. 4. Kapitel, VI. 2. d) bb) (S. 253 mit Fn. 542). 556 So etwa LK 11 -Spendel, § 323 a vor Rn. I. 551

552

VIII. Ergebnis der historischen Auslegung

257

VIII. Ergebnis der historischen Auslegung Das den Vollrauschtatbestand (§ 330a a. F.) vor seiner gesetzlichen Änderung zum 1.1.1975 betreffende vorläufige Resümee557 bedarf nunmehr abschließend der Überprüfung daraufhin, ob es durch die Einbeziehung der Fälle der nicht ausschließbaren Schuldunfähigkeit oder die Änderung der Bezeichnung der Rauschtat zu korrigieren ist. Das läuft auf die Fragen hinaus, ob in den Zweifelsfallen ein Rücktritt von der versuchten Rauschtat möglich ist (dazu 1.), ob der Versuch der Rauschtat auch nach dem "Rücktritt" noch eine "rechtswidrige Tat" im Sinne des § 330a n. F. i. V. m. § II Abs. I Nr. 5 bleibt (dazu 2.) und ob der Täter auch in diesen Fällen wegen der Rauschtat nicht bestraft werden kann, weil seine Schuldunfähigkeit nicht auszuschließen ist (dazu 3.).

1. Die Anwendbarkeit der Rücktrittsvorschriften

auf die versuchte Rauschtat bei nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit

In jenen Fällen der nicht ausschließbaren Schuldunfähigkeit geht mit der damit zugleich denkbaren Alternative der (verminderten) Schuldfähigkeit auch die grundsätzliche Möglichkeit des strafaufhebenden Rücktritts einher558 . Damit rückt diese Konstellation im Vergleich zu den Fällen der nachgewiesenen Schuldunfähigkeit des Rauschtäters zumindest etwas näher in die Richtung eines schuldhaft begangenen Versuches und damit des Anwendungsbereichs der Rücktrittsvorschriften. Die Anwendung des als Strafaufhebungsgrund verstandenen und deshalb die schuldhafte Verwirklichung des mit Strafe bedrohten Versuchs einer Rauschtat voraussetzenden Rücktritts vom Versuch käme bei Zweifelsfällen hinsichtlich der Schuldunfähigkeit des Täters im Zeitpunkt der Rauschtat nur dann in Betracht, wenn nach der Neufassung des § 330 a a. F. der s.o. 4. Kapitel, V. Vgl. hierzu bereits I. Kapitel, II., 2. c). So sind wohl auch die knappen Ausführungen Cramers (JuS 1964, 360, 364) zu verstehen, der (nur) in jenen Zweifelsfällen die Möglichkeit des Rücktritts von der versuchten Rauschtat damit begründen will, daß der Täter im Falle verminderter Schuldfähigkeit vom Versuch hätte zurücktreten können und ihm durch die Einbeziehung der Zweifelsfälle in den Anwendungsbereich des § 330a a. F. (Anm.: der Beitrag entstand nach BGHSt 9, 390 ff.) kein Nachteil entstehen dürfe. Eine Ablehnung der Anwendung der Rücktrittsvorschriften im Rahmen des § 330a a. F. verletze daher den Grundsatz "in dubio pro reo" (a. a. 0.). Jüngst so auch Jakobs (Nishihara-FS, S. 108, I 19 in Fn. 46): "Auch mag, bei Zweifeln über die Schuldfähigkeit, beim Rücktritt diese zugunsten des Täters bejaht werden". Zu diesem Argument, das stillschweigend die Anwendbarkeit jenes Grundsatzes voraussetzt, wird im folgenden Stellung genommen. 557

558

17 Barthel

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4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

Grundsatz "in dubio pro reo" noch im Rahmen, innerhalb der Vorschrift anwendbar wäre. Denn: könnte man dann - zugunsten des Täters! - von verminderter Schuldfähigkeit ausgehen, so läge mit ihr ein schuldhaft begangener und damit strafbarer Versuch vor. Von ihm wäre - die Erfüllung der weiteren Anforderungen vorausgesetzt -ein strafbefreiender Rücktritt möglich. Ginge man hingegen von der Schuldunfähigkeit des Täters aus, würde sich dessen Strafbarkeit aus § 330 a a. F. ergeben. Wäre in dubio pro reo anwendbar, so müßte damit zugunsten Täters von verminderter Schuldfähigkeit ausgegangen werden, da das die für den Täter im Ergebnis günstigere Alternative wäre. Der entscheidende Ansatzpunkt zur Klärung dieser Frage muß hierbei die Entscheidung des Großen Senats sein, da sich der Gesetzgeber explizit auf sie berufen hatte, sie "ausdrücklich klarstellen" 559 und über sie hinaus keine weitere eigene Regelung treffen wollte. Wie an früherer Stelle bereits erwähnt, ist eine Differenzierung erforderlich, da die zentrale, Gesetz gewordene Entscheidung des Großen Senats nicht alle Fälle der nicht ausschließbaren Schuldunfähigkeit erfaßte560 .

a) Die BGHSt 9, 390 ff. zugrunde liegende Zweifelskonstellation Als erste Konstellation ist diejenige zu erörtern, die dem Beschluß des Großen Senats zugrunde lag: Der Täter hat zur Überzeugung des Gerichts fien "sicheren Bereich" der verminderten Schuldfähigkeit derart überschritten, daß nicht ausgeschlossen werden kann, daß er im Zeitpunkt der Rauschtat bereits schuldunfähig war. Hieraus folgt, daß es nur zwei Alternativen gegeben haben kann: die Schuldunfähigkeit und die verminderte Schuldfähigkeit des Täters im fraglichen Zeitpunkt. Der Große Senat hatte in seiner Entscheidung erhebliche Bedenken gegen die Anwendung des Zweifelssatzes geäußert und das hierfür erforderliche Stufenverhältnis zwischen der Rauschtat und dem Tatbestand des § 330 a a. F. als nicht gegeben angesehen561 . Der folgende, wenig befriedigende Hinweis, jene aufgeworfenen Zweifelsfragen bedürften keiner Entscheidung562, könnten wegen des Auffangcharakters des § 330 a a. F. dahingestellt bleiben, ist im Ergebnis letztlich doch eine deutliche Verneinung BT-Drucks. 7/550, S. 268. s.o. 4. Kapitel, VI. 2. d) aa) (3) a.E. (S. 253). Vgl. zur entgegengesetzten, den Vollrauschtatbestand als einen umfassenden Auffangtatbestand betrachtenden Auffassung sogleich die Anmerkung in Fn. 570 m. w. N. zu beiden Ansichten. 561 s.o. 4. Kapitel, VI. 2. d) aa) (3) (S. 251). 562 BGHSt 9, 390, 397. 559 560

VIII. Ergebnis der historischen Auslegung

259

der Frage der Anwendbarkeit des Grundsatzes in dubio pro reo bei Zweifeln an der Schuldunfähigkeit des Rauschtäters. Zum einen ist es so, daß der Senat für die als "bedenklich"563 erachtete Anwendung jener Beweisregel nicht ein Argument anführt, vielmehr lediglich solche aufzeigt, die gegen ihre Heranziehung sprechen. Zum anderen gilt es zu bedenken, daß der Täter bei der Anwendung des Zweifelssatzes regelmäßig straffrei ausginge, da hinsichtlich der Rauschtat von Schuldunfähigkeit, hinsichtlich des Vollrauschtatbestandes hingegen von verminderter Schuldfähigkeit auszugehen wäre. Hätte der Senat "in dubio pro reo" für anwendbar gehalten, so hätte er wegen des mit Hilfe des Auffangtatbestandes begründeten konträren Ergebnisses über das Verhältnis beider zueinander Stellung beziehen müssen, was er nicht getan hat. Wenn es ferner gegen Ende des Beschlusses heißt, daß der Richter in solchen Zweifelsfällen "unabhängig von der Beweisregel ,Im Zweifel für den Angeklagten' ermächtigt und gehalten ist, seiner Entscheidung die Annahme der Volltrunkenheit zugrunde zu legen mit der Folge, daß dann zwingend aus § 330a StGB zu bestrafen ist"564 , wird offensichtlich, daß der Grundsatz "in dubio pro reo" bei Zweifeln über die Schuldunfähigkeit überhaupt nicht zur Anwendung gelangen soll565 . Diese werden damit bereits vom Auffangtatbestand nicht nur berücksichtigt, sondern sogar vorausgesetzt, sind in ihn "integriert", quasi "vertatbestandlicht"566. Die Anwendung des Vollrauschtatbestandes erfordert es nach dieser Deutung gar nicht, daß sich die Frage, ob der Täter im Zeitpunkt der Rauschtat noch vermindert schuldfähig oder aber bereits schuldunfähig war, eindeutig klären läßt567 . Sie ist daher nicht entscheidungserheblich. Da es einer eindeutigen Feststellung für den Anwendungsbereich des Auffangtatbestandes demnach nicht bedarf, sind auch diesbezüglich vorhandene Zweifel keine solchen im Sinne des "in dubio pro reo". Denn der Grundsatz hat gerade zur Prämisse, daß über den Gegenstand des Zweifels eine eindeutige Feststellung getroffen werden muß 568 . BGHSt 9, 390, 397. BGHSt 9, 390, 398. 565 Paeffgen (NStZ 1985, 8, II) spricht - insoweit knapp! - davon, der Vollrauschtatbestand nehme eine ,,Ausnahmestellung gegenüber dem In-dubio-Gebot" ein. 566 Dieser Begriff wurde von Trändie übernommen, der in der Neufassung des Vollrauschtatbestandes die Wahlfeststellungsproblematik "vertatbestandlicht" sieht, etwa LK 10, § I Rn. 99; vgl. auch Wolter, Wahlfeststellung, S. 83, der von "vertatbestandlichten Beweiszweifeln" spricht. Zu beachten ist, daß der Begriff des Tatbestandes hierbei in einem weiteren, nicht auf den Unrechtstatbestand beschränkten Sinne zu verstehen ist. 567 Dies entbindet das Gericht selbstverständlich nicht von der prozessualen Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO). 563

564

17'

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4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

Bestätigt wird das Ergebnis letztlich noch dadurch, daß es in jenem Beschluß des BGH heißt, in den Zweifelsfällen sei "zwingend" aus § 330 a a. F. zu bestrafen. Denn zu jedem anderen Ergebnis - Bestrafung aus der Rauschtat (i. V. m. § 51 Abs. 2 a. F.) oder Freispruch - käme man, da die Wahlfeststellung ausdrücklich ausgeschlossen wurde, allein über die Anwendung des Zweifelssatzes. Eine Anwendung des Rechtssatzes "in dubio pro reo" ist damit in den betrachteten Fällen ausgeschlossen, und damit auch die isolierte Betrachtung der Strafbarkeit des vermindert schuldfähigen Rauschtäters aus der Rauschtat, die allein eine Anwendung der Rücktrittsvorschriften ermöglicht hätte.

b) Weitere Konstellationen nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit Neben der eben betrachteten Zweifels-Konstellation gibt es zwei weitere, bei denen jeweils die Schuldunfähigkeit des Täters nicht auszuschließen ist569, die also zumindest unter den Wortlaut des letzten Halbsatzes des § 330 a Abs. l n. F. fallen. Fall I: Aufgrund von Zweifeln im tatsächlichen Bereich ist sowohl die Schuldunfähigkeit als auch die verminderte und die volle Schuldfähigkeit des Täters nicht auszuschließen. Alle drei Zustände liegen damit im Bereich des Möglichen 570. Fall 2: Die volle Schuldfähigkeit des Täters ist ausgeschlossen, jedoch ist zweifelhaft, ob der Täter jene vom Großen Senat gezogene "sichere Grenze des § 21" tatsächlich überschritten hatte, oder lediglich mit Gewißheit vermindert schuldfähig war (BGHSt 32, 48).

Statt vieler: Jescheck!Weigend, AT5 , § 16 I I. Der Zweifel an dem Vorliegen der verminderten Schuldfähigkeit des Täters, bei dem jedoch die Voraussetzungen der Schuldunfähigkeit ausgeschlossen sind, berührt bereits den Wortlaut des Vollrauschtatbestandes nicht. Er führt zu einer Verurteilung des Täters aus der Rauschtat mit einer fakultativen Straf(rahmen)milderung nach § 21, hierzu etwa BGH VRS 50 (1976) 359. Jene Konstellation bleibt daher bei der folgenden Betrachtung möglicher Zweifels-Konstellationen ausgeschlossen. 57° Für eine, auf den lediglich die nicht auszuschließende Schuldunfähigkeit verlangenden Wortlaut gestützte Anwendung des Vollrauschtatbestandes auch in jenen Konstellationen etwa LK9 -Lay, § 330a Rn. 112; LK 10-Tröndle, § I Rn. 99; SKHom, § 323a Rn. 16; SIS-Cramer, § 323a Rn. 8a jeweils m.w.N; dagegen jedoch die frühere Rspr. (etwa BGH GA 1967, 281; VRS 50 [1976] 359; VRS 56 [1979] 448; OLG Schleswig VRS 53 [ 1977] 38; BayObLG VRS 56 [ 1979) 450 ff.; OLG Köln VRS 68 [1985] 39) und der überwiegende Teile des Schrifttums. Vgl. zum Streitstand etwa Tröndle/Fischer49 , § 323 a Rn. 5 a. Der 4. Strafsenat hatte diese Frage in BGHSt 32, 48, 54 bewußt offen gelassen. 568

569

VIII. Ergebnis der historischen Auslegung

261

Diesen beiden Konstellationen ist gemein, daß sie nicht Gegenstand jener Entscheidung des Großen Senats waren, die später vom Gesetzgeber rezipiert wurde. Damit sind sie zugleich nicht von der Gesetzesänderung durch das EGStGB 1975 erfaßt, da der Gesetzgeber lediglich "nicht hinter die Rechtsprechung zurückgehen" 571 wollte, nicht aber über deren Auslegung des Vollrauschtatbestandes hinaus die Vorschrift verändern und deren Anwendungsbereich erweitern wollte. Nach dem Beschluß des Großen Senats sollten neben den bereits vom bisherigen Wortlaut des § 330a a. F. gedeckten Fällen der festgestellten Schuldunfähigkeit des Täters auch diejenigen der nicht ausschließbaren Schuldunfähigkeit des Täters erfaßt werden, bei denen zumindest die "sichere Grenze" der verminderten Schuldfähigkeit des Täters überschritten ist. Präziser: es sollten nur diese ansonsten die Straflosigkeit des Täters zur Folge habenden Zweifelsfalle von § 330a "aufgefangen" werden, nicht hingegen alle. Beide hier aufgezeigten Zweifelsfälle sind deshalb nicht Gegenstand jenes Beschlusses, und fallen damit auch nicht in den Anwendungsbereich des § 330a n.F. Die Frage, wie solche Zweifel an der Schuldunfähigkeit des Rauschtäters zu behandeln sind, ist infolgedessen auch keine Frage der Auslegung des Vollrauschtatbestandes, stellt sich deshalb nicht bei dessen Anwendung, nicht innerhalb dieser Vorschrift. Vielmehr kommt der Zweifelssatz außerhalb des Vollrauschtatbestandes dergestalt zur Anwendung, daß die Strafbarkeit des Täters zunächst nach den verschiedenen Alternativen zu ermitteln ist. In beiden scheidet danach in den Konstellationen des Rücktritts von der im Rausch verwirklichten versuchten Tat eine Strafbarkeit in jedem Falle aus: Denn geht man von voller (Fall I) oder verminderter (Fälle I und 2) Schuldfähigkeit aus, folgt die Straflosigkeit des Täters aus der strafaufhebenden Wirkung des Rücktritts. Legt man der strafrechtlichen Würdigung der Tat hingegen die Schuldunfähigkeit des Täters zugrunde, folgt dessen Straflosigkeit aus eben dieser. Der Täter hat sich nach keiner der möglichen Alternativen strafbar gemacht, ist damit auch im Ergebnis straflos. Mit Hilfe des in dubio-Satzes wird somit allein die Frage der Anwendbarkeit des Vollrauschtatbestandes als solchem geklärt, nicht jedoch, ob in dessen Rahmen die Rücktrittsvorschriften auf die versuchte Rauschtat Anwendung finden. So bleibt als Ergebnis festzuhalten, daß es auch nach der Neufassung des Vollrauschtatbestandes in Form des § 330 a n. F. nach dem Willen des historischen Gesetzgebers in den "Zweifelsfällen" einen Rücktritt von der versuchten Rauschtat im Rahmen des Vollrauschtatbestandes nicht gibt. Denn 571

BT-Drucks. 7/550, S. 268.

262

4. Kap.: Die Normgeschichte des§ 323a (§ 330a a.F.)

hier ist der Anwendungsbereich der Rücktrittsvorschriften nicht eröffnet. Das vorläufige Resümee 57 ~ muß insoweit nicht revidiert werden.

2. Die Rauschtat als nunmehr "rechtswidrige Tat" Mit dem gefundenen Ergebnis, daß es nach der Vorstellung des historischen Gesetzgebers vom Vollrauschtatbestand keinen Rücktritt von der versuchten Rauschtat gibt, der sich auf die Bestrafbarkeil des Täters wegen Vollrauschs auswirkt, ist die Frage, ob die Rauschtat auch nach einem "Rücktritt" noch "rechtswidrige Tat" wäre, d. h. noch die Anforderungen erfüllt, die das Gesetz an sie stellt, eigentlich obsolet. Gleichwohl soll ergänzend hierzu Stellung genommen werden. Selbst wenn es die Möglichkeit eines Rücktritts von der versuchten Rauschtat gäbe, behielte diese nach einem solchen ihren Charakter als "rechtswidrige Tat" und damit als begangene Rauschtat bei. Das sowohl, wenn man mit dem Wortlaut der Gesetzesbegründung in der Legaldefinition lediglich eine Einschränkung auf straftatbestandliches Handeln sieht573 , als auch dann, wenn man den Begriff der rechtswidrigen Tat darüber hinaus als tatbestandsmäßige, rechtswidrige und zugleich nicht schuldhafte Handlung, also als einen Teilausschnitt der Straftat versteht574. Denn der mit dem historischen Gesetzgeber und der heute h. M. systematisch als persönlicher Strafaufhebungsgrund einzuordnende Rücktritt vom Versuch würde weder die Tatbestandsmäßigkeit noch die Rechtswidrigkeit der versuchten Rauschtat berühren. Selbst nach einem Rücktritt wäre die versuchte Rauschtat demnach noch rechtswidrige Tat.

3. Straflosigkeit des Täters wegen der Rauschtat aufgrund festgestellter oder nicht auszuschließender Schuldunfähigkeit Letztlich würde denn auch der durch das EGStGB von 1975 eingefügte letzte Halbsatz des § 323 a Abs. 1 a. F., wonach für eine Strafbarkeit wegen Volltrunkenheit erforderlich ist, daß der Täter wegen der Rauschtat "nicht bestraft werden kann, weil er infolge des Rausches schuldunfähig war oder weil dies nicht auszuschließen ist", selbst bei Anwendbarkeit der Rücktrittsvorschriften bei einem wirksamen Rücktritt von der versuchten Rauschtat nicht die Straflosigkeit des Täters wegen Volltrunkenheit zu begründen vermögen. 572

573 574

s.o. 4. Kapitel, V. BT-Drucks. 7/550, S. 191. s.o. Fn. 552.

VIII. Ergebnis der historischen Auslegung

263

Dabei war die 1. Alternative inhaltlich bereits unausgesprochen in § 330 a Abs. 1 a. F. enthalten. Denn wenn der Wortlaut jener Fassung mit einem die "Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch" zugleich die (sc. festgestellte) Zurechnungsunfähigkeit des Täters im Zeitpunkt der Rauschtat verlangte, setzte er als Konsequenz hieraus zwingend voraus, daß der Rauschtäter infolge seiner Zurechnungs-/Schuldunfähigkeit nicht wegen der Rauschtat bestraft werden kann. Ein ausdrücklicher Hinweis hierauf wäre nicht nur ungewöhnlich, sondern überflüssig gewesen. Die 2. Alternative stellt hingegen ein Novum dar, mit dem die von der Rechtsprechung entwickelte Figur des Auffangtatbestandes gesetzlich fixiert werden sollte. So resultiert die Straflosigkeit des Rauschtäters in Fällen der festgestellten Schuldunfähigkeit aus eben dieser Befindlichkeit. Die Anwendung eines Strafaufhebungsgrundes auf eine schuldlos begangene Rauschtat lag für den historischen Gesetzgeber in der selben Weise fern, wie es dies heute tut575 (bzw. sollte576). Da bei der lediglich nicht ausschließbaren Schulduofähigkeit der Beweissatz "in dubio pro reo" nicht herangezogen werden, der Anwendungsbereich des Straftatbestandes der Volltrunkenheit unabhängig von diesem Grundsatz gegeben sein sollte, war und ist die Rauschtat des vennindert schuldfähigen Täters als solche, für sich nicht Gegenstand der strafrechtlichen Beurteilung. So lag die Heranziehung der Rücktrittsvorschrift in gleicher Weise und aus dem selben Grunde fern wie in den Fällen der Schuldunfähigkeit des Rauschtäters. Die erst später aus dem Schrifttum577 hervorgegangene Überlegung, der Täter sei in den Fällen des Rücktritts von der versuchten Rauschtat wegen dieser Tat nicht - wie es der Gesetzestext verlangt - aufgrund der tatsächlichen oder nicht auszuschließenden Schuldunfähigkeit straffrei, sondern wegen der strafaufhebenden Wirkung des Rücktritts, war dem Gesetzgeber fremd. Betrachtet man die dogmatisch-systematischen Widersprüche dieses Ansatzes5711, vennag das Fehlen einer ausdrücklichen Stellungnahme des Gesetzgebers nicht zu verwundern. Als abschließendes Gesamtergebnis der historischen Auslegung ist daher festzuhalten, daß es einen Rücktritt von der versuchten Rauschtat im Rahmen des Delikts der Volltrunkenheit bereits begrifflich nicht gibt. Ein Verhalten des Täters im Rauschzustand, das dem in den Rücktrittsvorschrif575 In diesem Sinne (nochmals) Kusch. NStZ 1994, 131, 132, wenn auch offensichtlich als einziger, so doch überzeugend und insoweit bislang nicht widerlegt. 576 Vgl. zu der gegenteiligen Auffassung etwa Denckers und anderer o. 3. Kapitel, III. 3. 577 s.o. 3. Kapitel, III. 3. 578 s.o. 3. Kapitel, III. 3.

264

4. Kap.: Die Normgeschichte des § 323 a (§ 330a a. F.)

ten beschriebenen äußerlich und innerlich entspricht, vermag deshalb die Straflosigkeit des Täters nicht zu begründen. Auch wenn dieser im Rauschzustand etwa freiwillig die weitere Ausführung der (Rausch)Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. bleibt er - soweit alle Strafbarkeilsvoraussetzungen des Vollrauschtatbestandes vorliegen - wegen Volltrunkenheit strafbar. Denn er hat in einem selbst schuldhart herbeigeführten Rausch eine rechtswidrige Tat begangen, derentwegen er nicht bestraft werden kann, weil er infolge des Rausches schuldunfähig war oder weil dies nicht auszuschließen ist. Mehr verlangt das Gesetz für die (Be)Strafbarkeit des Täters wegen Vollrauschs nicht.

5. Kapitel

Der Rücktritt von der versuchten Rauschtat und der Gesetzeswortlaut Das im Wege der historischen Auslegung gefundene Ergebnis ist nun auf seine Vereinbarkeil mit dem Wortlaut der Norm hin zu überprüfen. Hierbei bedarf es der Klärung, ob die Strafbarkeit des Täters nach § 323 a auch dann vom Gesetzestext gedeckt ist, wenn der Täter im Rauschzustand nur den Versuch einer Rauschtat begeht und hieran anschließend von diesem "zurücktritt" - genauer: sich so verhält, wie in den Rücktrittsvorschriften (§ 24 Abs. 11) beschrieben. Da das - nach h. M. - keine Frage des Tatbestandes im engeren Sinne, des Unrechtstatbestandes ist, kann sich die Untersuchung auf denjenigen Teil des § 323 a Abs. I beschränken, der die Voraussetzungen der Rauschtat regelt. Das bedeutet, daß zu prüfen ist, ob der Täter in diesen Fällen eine "rechtswidrige Tat" begangen hat 2 und "ihretwegen nicht bestraft werden kann, weil er infolge des Rausches schuldunfähig war oder weil dies nicht auszuschließen ist".

I. Der Versuch einer Straftat als "rechtswidrige Tat" Während der Geltung des § 330a a.F. war die Frage, ob auch der Versuch einer Straftat eine Rauschtat sein könne, unproblematisch. Denn wenn der Versuch im Gesetz für strafbar erklärt war (§ 43 a. F.), lag damit zugleich eine "mit Strafe bedrohte Handlung" vor. Das war derart selbstverständlich, daß es nur selten ausdrückliche Erwähnung fand 3 . Weiterer Ausführungen hierzu bedurfte es nicht4 . 1 Die folgende Untersuchung beschränkt sich hierbei auf die Rücktrittsvorschrift des § 24 Abs. I, blendet also die §§ 24 Abs. 2, 31 aus. Das rechtfertigt sich weniger aus dem Umstand, daß sämtlichen Entscheidungen der Rechtsprechung die Vorschrift für den Rücktritt des Alleintäters zugrundelagen (§ 46 a. F., § 24 Abs. 1), als vielmehr aus dem Thema der Arbeit, die sich mit der grundsätzlichen Frage der Anwendbarkeit der Rücktrittsvorschriften auf die versuchte Rauschtat befaßt. Besonderheiten speziellerer Rücktrittsnormen sind insoweit ohne Bedeutung. 2 Nach Bottke ist die Frage einer entsprechenden Anwendung des § 24 auf die versuchte Rauschtat sogar primär die, "ob noch eine ,rechtswidrige Tat ' ( ... ) gegeben ist, wenn der Täter von der versuchten Rauschtat nach § 24 zurücktritt" (S. 340, Fn. 83).

266 5. Kap.: Rücktritt von der versuchten Rauschtat und der Gesetzeswortlaut

Mit der Änderung der Begrifflichkeilen durch das EGStGB von I975 wurde diese "Selbstverständlichkeit" quasi übernommen. Bei einer genauen Betrachtung des Wortlauts versteht sich die Aussage, daß jeder Versuch einer Straftat zwingend eine rechtswidrige Tat sei, jedoch keineswegs von selbst. Wenn nämlich die Legaldefinition des § II Abs. I Nr. 5 für das Vorliegen einer rechtswidrigen Tat eine solche fordert, "die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht" ,

kommen zumindest in all jenen Fällen zunächst Zweifel auf, in denen der Täter zur Verwirklichung des Tatbestandes i. S. des § 22 unmittelbar ansetzt ohne hierbei auch nur ein Tatbestandsmerkmal zu verwirklichen. Denn lediglich "tatbestandsnahe" 5 Handlungen, mit denen der Täter erst zur Tatbestandsverwirklichung ansetzt, die ihr also vorgelagert und damit selbst nicht-tatbestandlieh sind, verwirklichen den Tatbestand eines Strafgesetzes gerade noch nicht6 , und zwar nicht einmal teilweise. Damit läge - geht man strikt vom Wortlaut der Legaldefinition aus - keine rechtswidrige Tat vor. Anders verhält es sich hingegen, wenn das unmittelbare Ansetzen mit der tatbestandliehen Handlung identisch ist, da der Täter in dieser Konstellation den Tatbestand eines Strafgesetzes zumindest teilweise verwirklicht hat. Allerdings ist zu sehen, daß die "rechtswidrige Tat" in § II Abs. I Nr. 5 nicht als eine solche definiert ist, die den Tatbestand eines Strafgesetzes "zumindest teilweise" verwirklicht. Der Wortlaut scheint daher zunächst dafür zu sprechen, daß der gesamte Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht sein muß, damit eine "rechtswidrige Tat" vorliegt. Nun hatte der Gesetzgeber bei der Schaffung der Legaldefinition gewiß weder im Sinn, den Versuch einer Straftat aus dem Begriff der "rechtswidrigen Tat" auszuscheiden, noch das Vorhandensein einer "rechtswidrigen Tat" bei einer nur versuchten Straftat von der Art des "unmittelbaren Ansetzens" abhängig zu machen, danach zu differenzieren, ob der Tatbestand bereits teilweise verwirklicht wurde oder nicht. Wie gesehen, sollte der Begriff vielmehr allein durch die Bindung an den Tatbestand eines 3 Etwa Pfundtner/Neubert-Rietzsch, § 330a Anm. 5. Stillschweigend wurde der Versuch als Rauschtat stets dann vorausgesetzt, wenn dieser als Argument für das Erfordernis der subjektiven Tatseite der Rauschtat angeführt wurde; s. hierzu o. 4. Kapitel, V. 2. 4 Gramsch, JW 1938, 779. 5 Der Begriff wurde von Murmann übernommen (S. II, 24 ff. u. ö.). 6 Deutlich etwa S/S-Eser, § 22 Rn. 26; LK 10-Vogler, § 22 Rn. 24; jeweils bei der ablehnenden Darstellung der formell objektiven Theorie. Vgl. auch Maurach/Gössel/Zipf, AT 2 7 , § 40 Rn. 21.

I. Der Versuch einer Straftat als "rechtswidrige Tat"

267

Strafgesetzes auf das Gebiet des Strafrechts beschränkt7 , die Fälle sonstigen rechtswidrigen Handeins - etwa Ordnungswidrigkeiten - ausgeschlossen werden. Der scheinbare Widerspruch zwischen dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers und dem nahezu gleichermaßen eindeutigen Wortlaut der Norm läßt sich jedoch auflösen: Seit Überwindung der zur Frage des Mindesterfordernisses des unmittelbaren Ansetzens vertretenen formell-objektiven Theorie8 , mit der Gleichstellung der Rechtsfolgen von tatbestandsnahem und (sc. teilweise) tatbestandlichem Verhalten beim unmittelbaren Ansetzen zur Verwirklichung des Straftatbestandes, begeht auch derjenige einen strafbaren Versuch, der nicht "im streng formalen Sinne" schon tatbestandlieh handelt. Da jede Strafbarkeit, so auch die Versuchsstrafbarkeit, zwingend tatbestandsmäßiges Verhalten voraussetzt, handelt i. S. des § 22 auch der Täter tatbestandlich, der nur mit tatbestandsnahem Verhalten in das Versuchsstadium eintritt. Auch er verwirklicht den Tatbestand eines Strafgesetzes, genauer: dessen Versuchstatbestand. Differenziert man bereits auf der objektiven Tatseite zwischen dem Tatbestand des vollendeten Delikts und dem Versuchstatbestand, so löst sich obiger Widerspruch gänzlich auf. Ein und dieselbe Handlung, die bezogen auf den Tatbestand des vollendeten Delikts (noch) nicht tatbestandsmäßig ist, weil sie den gesetzlichen Tatbestand nicht einmal teilweise verwirklicht, kann bezogen auf den insoweit nach vorne erweiterten Versuchstatbestand schon tatbestandsmäßig sein. Versteht man nun unter dem Begriff des "Tatbestandes eines Strafgesetzes" in § II Abs. 1 Nr. 5 nicht nur den des vollendeten Delikts, sondern auch den Versuchstatbestand - wogegen nichts spricht -, liegt unabhängig von der Form des unmittelbaren Ansetzens in jedem Versuch einer Straftat stets die Verwirklichung des Tatbestandes eines Strafgesetzes9 und damit -

7 BT-Drucks. 7/550, S. 191. Für den von einer weiterreichenden Intention getragenen § II Abs. I Nr. 2 E 1962 - vgl. hierzu o. 4. Kapitel, VI. 2. c) - gilt das seihe. 8 Vgl. zu ihr etwa LK 10-Vogler, § 22 Rn. 24; SIS-Eser, § 22 Rn. 26 jeweils m.w.N. 9 Friktionen mit dem Wortlaut des § 22, nach dem der Täter lediglich "nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar" ansetzen, d.h. den Tatbestand selbst gerade nicht verwirklichen muß, bestehen nicht. Da die Versuchsstrafbarkeit stets den Vollendungswillen des Täters voraussetzt (vgl. etwa SIS-Eser, § 22 Rn. 21 m. w. N.) kann mit dem Begriff des "Tatbestandes" in § 22 lediglich der des vollendeten Delikts gemeint sein, ist dieser damit enger als der gleichlautende Begriff in § II Abs. I Nr. 5.

268 5. Kap.: Rücktritt von der versuchten Rauschtat und der Gesetzeswortlaut

wenn und soweit Rechtfertigungsgründe das tatbestandliehe Handeln nicht erlauben - eine "rechtswidrige Tat".

II. Der Versuch einer Straftat als "rechtswidrige Tat" nach und trotz wirksamen Rücktritts Nach dem heute vorherrschenden Verständnis vom Rücktritt als einem Strafaufhebungsgrund tangiert der Rücktritt - wie bereits mehrfach erwähnt - das Vorliegen einer rechtswidrigen Tat nicht, da durch ihn weder die Tatbestandsmäßigkeit10, 11 noch die Rechtswidrigkeit 12 der Versuchshandlung berührt werden. Der Rücktritt vom Versuch hebt diesen nicht "rückwirkend" auf, ändert mithin nichts daran, daß der Täter den (Versuchs)Tatbestand eines Strafgesetzes rechtswidrig verwirklicht hat; und damit bleibt seine Tat "rechtswidrige Tat" im Sinne des Gesetzes 13 • 10 Ein kurzer historischer Rückblick: Eine insoweit andere Beurteilung ergäbe sich etwa nach dem Preußischen StGB von 1851. Dort war der Rücktritt als eine quasi negative Voraussetzung in den Versuchsbegriff integriert. Nach § 31 preußStGB war der Versuch "nur dann strafbar, wenn derselbe durch Handlungen, welche einen Anfang der Ausführung enthalten, an den Tag gelegt und durch äußere, von dem Willen des Täters unabhängige Umstände gehindert worden oder ohne Erfolg geblieben ist". Demnach läge in den heute als Rücktritt vom Versuch bewerteten Fällen bereits kein Versuch vor. Vgl. hierzu Müller, S. 62 ff., zu ähnlichen früheren gesetzlichen Regelungen s. etwa S. 41 f., 45 f., 50 ff.; Lang-Hinrichsen, Engisch-FS, S. 353, 366 f. in Fn. 35. Von jener Regelungstechnik wichen jedoch bereits die Entwürfe eines Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund (vgl. etwa §§ 39 ff. E I 1869; §§ 41 ff. E II 1869, §§ 41 ff. E III 1870), schließlich auch §§ 43, 46 StGBNorddtBund ab. 11 Zu der selben und damit ebenfalls von der heutigen Ansicht abweichenden Bewertung wären die Vertreter der sog. Rechtstheorie(n) gekommen (Zachariä, Luden, Bemer, Binding), die auch nach und trotz der erfolgten Trennung der Rücktrittsvon der Versuchsvorschrift dem Rücktritt eine den Tatbestand, das tatbestandliehe Unrecht oder die Rechtswidrigkeit annullierende Wirkung zuschrieben und damit im Falle eines wirksamen Rücktritts mit im Detail unterschiedlichen Begründungen bereits das Vorliegen eines (rechtswidrigen) Versuches bzw. des Versuchsunrechts verneinten. Vgl. hierzu etwa LK 10-Vogler, § 24 Rn. 7; Mufioz-Conde, ZStW 84 (197;> 756, 758; Müller, S. 66 f.; Jäger, S. 3 f., ausführlich Maurach/Gössel!Zipf, AT 2 , § 41 I Rn. 7- 9 jew. m. w. N. Die sog. Rechtstheorien vermochten sich nicht durchzusetzen, sind heute als "überholt" (so schon LK 10- Vogler, § 24 Rn. 7) anzusehen und werden deshalb nicht in die weitere Betrachtung mit einbezogen. 12 So aber Binding, ausgehend von "seiner" Rechtstheorie, etwa in: GS 68 (1906) I, 23 f. 13 So auch ausdrücklich BGHSt 31 , 132, 133 zum Begriff der "rechtswidrigen Tat" in § 63: "Eine rechtswidrige Tat ( .. .) liegt auch vor, wenn bei einem Antragsdelikt der Strafantrag fehlt; dieser ist lediglich eine Prozeßvoraussetzung. In gleicher Weise läßt der Rücktritt vom Versuch das begangene Unrecht unberührt; nach § 24 StGB unterbleibt insoweit lediglich die Bestrafung." Daß der Senat in jener

II. "Rechtswidrige Tat" nach und trotz wirksamen Rücktritts

269

Zu keinem anderen Ergebnis käme, wer den Rücktritt als eine schuldrelevante Größe versteht und ihn demzufolge als Schuldtilgungs-, Schuldausschließungs- oder Entschuldigungsgrund klassifiziert 14; denn der Begriff der "rechtswidrigen Tat" fordert mit Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeil lediglich einen Teilausschnitt aus dem komplexeren Gebilde der Straftat15, während die Schuld- ihr Vorliegen wie ihr Fehlen- für das Gegebensein einer "rechtswidrigen Tat" ohne jegliche Bedeutung ist. Gegen ein Verständnis der "rechtswidrigen Tat" als einer lediglich tatbestandsmäßigen und rechtswidrigen, nicht aber auch schuldhaften Tat spricht es hierbei nicht, daß der Gesetzgeber des EGStGB 1975 bei der Änderung der Terminologie von vormals "mit Strafe bedrohten Handlung" auf nunmehr "rechtswidrige Tat" durch Art. 18 II Nr. 140 EGStGB in § 74 Abs. 3 und § 101 a Satz 3 mit dem Begriff des "Handelns ohne Schuld" zwei Ausnahmen vom generellen neuen Sprachgebrauch getroffen hat. Mit beiden sollte eine sachliche Änderung nicht verbunden sein 16. Überall dort, wo das Gesetz über eine tatbestandsmäßige und rechtswidrige Handlung hinaus auch eine schuldhafte verlangt, verwendet es stets den Begriff der Straftat 17 . Etwas anderes ergibt sich im übrigen auch nicht aus jener "ungeschickten"18 Formulierung in § 140, nach welcher Gegenstand der Belohnung oder Billigung einer Straftat nur eine der dort explizit genannten "rechtswidrigen Taten" sein kann, die "begangen oder in strafbarer Weise versucht worden ist". Unumstritten ist, daß der Begriff der "rechtswidrigen Tat" auch an dieser Stelle lediglich eine tatbestandsmäßige und rechtswidrige Handlung voraussetzt, die Tat nicht auch schuldhaft begangen sein muß 19. Entscheidung gleichwohl dem Rücktritt Bedeutung zugesprochen hat. beruht auf teleologischen und systematischen Überlegungen zu den Maßregeln der Besserung und Sicherung (a.a.O., S. 143), auf die an dieser Stelle im Rahmen der grammatischen Auslegung nicht eingegangen werden kann und muß. 14 Vgl. die Nachweise zu den einzelnen Ansichten bei S/S-Eser, § 24 Rn. 4. 15 So über die Begründung des EGStGB (BT-Drucks. 7/550, S. 191) hinausgehend und damit insoweit zugleich der des E 1962 (a. a. 0 ., S. 119) folgend das heutige Schrifttum, etwa SIS-Eser, § II Rn. 42, 45; LK 11 -Gribbohm, § II Rn. 85; NKLemke, § II Rn. 40 a. E.; Tröndle/Fischer49 , § II Rn. 33; AK-Wassennann, § II Rn. 26. Für die bloße Funktion der Definition als Beschränkung auf straftatbestandIiches Verhalten hingegen SK-Rudolphi, § II Rn. 39. 16 LK 11 -Gribbohm, § II Rn. 85 mit Hinweis auf BT-Drucks. 7/550 S. 215; ausführlicher hierzu LK 10-Tröndle, § II Rn. 67. 17 Besonders deutlich wird die unterschiedliche Verwendung beider Begriffe etwa in § 25 (dort: Straftat) und §§ 26, 27 (dort: [vorsätzlich begangene] rechtswidrige Tat); lediglich aus formulierungsspezifischen Gründen abweichend "rechtswidrige Tat" in § 258 Abs. I. 18 LK 11 -Hanack, § 140 Rn. 5; ähnlich auch Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 28 , § 93 Rn. 22: "mißverständlicher Gesetzeswortlaut".

270 5. Kap.: Rücktritt von der versuchten Rauschtat und der Gesetzeswortlaut

Durch die Formulierung der "in strafbarer Weise versuchten" rechtswidrigen Tat sollte nicht ein strafbarer, d. h. auch schuldhaft begangener Versuch gefordert, sondern lediglich zum Ausdruck gebracht werden, daß nur diejenigen versuchten Straftaten erfaßt werden sollten, deren Versuch für strafbar erklärt20 oder - in der älteren Terminologie - mit Strafe bedroht ist. Im Rahmen des § 140 ist anerkannt, daß dieser Tatbestand auch dann verwirklicht ist, wenn der (Vor21 )Täter der versuchten rechtswidrigen Tat von derselben zurückgetreten ist22, da gleichwohl eine "rechtswidrige Tat" vorliegt, die belohnt oder in der in § 140 Nr. 2 beschriebenen Weise gebilligt werden kann. Damit läge auch bei Anwendbarkeit der Rücktrittsvorschriften und Erfüllung aller Rücktrittsvoraussetzungen, also bei und nach einem wirksamen Rücktritt von der versuchten Rauschtat eine rechtswidrige Tat und damit eine Rauschtat vor.

111. Ursächlichkeit festgestellter oder nicht ausschließbarer rauschbedingter Schuldunfähigkeit für die Straflosigkeit des Täters aus der Rauschtat Hier begegnet ein im Schrifttum vertretenes Argument wieder, das an anderer Stelle bereits dargestellt worden ist23 . Nach ihm wird der Täter in den Fällen des Rücktritts von der versuchten Rauschtat nicht deshalb straflos, weil er - tatsächlich oder lediglich nicht ausschließbar - schuldunfähig war, sondern weil er vom Versuch strafbefreiend zurückgetreten sei. Damit sei eine Voraussetzung des § 323 a Abs. I nicht erfüllt, der Täter habe sich aus diesem Grunde nicht wegen Vollrauschs nach § 323 a strafbar gemacht24 . Auch an dieser Stelle ist es wiederum von Vorteil, beide Alternativen des letzten Halbsatzes des § 323 a Abs. I getrennt zu betrachten, zu differenzieren. 19 LK 11 -Hanack, § 140 Rn. 5; SK-Rudolphi, § 140 Rn. 4; SIS-Cramer, § 140 Rn. 2; Tröndle/Fischer49 , § 140 Rn. 5; Stree, NJW 1976, 1179, 1181. 20 Stree, NJW 1976, 1177, 1181; LK 1 1-Hanack, § 140 Rn. 5 (beide mit Hinw. auf die Gesetzesmaterialien). 21 Gemeint ist der Täter der "rechtswidrigen Tat", die im Rahmen des § 140 das "Objekt" der Tathandlung bildet. Daß dieser Täter mit dem des § 140 identisch sein kann (vgl. SK-Rudolphi, § 140 Rn. 8, str.), soll der gewählten Bezeichnung nicht entgegenstehen. 22 SK-Rudolphi, § 140 Rn. 4; S/S-Cramer, § 140 Rn. 2; Lackner!Küht2 3 , § 140 Rn. 2; Tröndle/Fischer49 , § 140 Rn. 5; Stree, NJW 1976, 1177, 1181; teleologisch differenzierend und daher einschränkend auch LK 11 -Hanack, § 140 Rn. 8, ebenso Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2 8 , § 93 Rn. 22. 23 s.o. 3. Kapitel, I. I. c); vgl. zur Bewertung dieser Ansicht o. 3. Kapitel, III. 3.

III. Ursächlichkeil festgestellter Schuldunfähigkeit

271

1. Straflosigkeit des Rauschtäters wegen Schuldunfahigkeit Mit jenem dem Tatbestand durch das EGStGB 1975 angefügten Halbsatz " ... und ihretwegen nicht bestraft werden kann, weil er infolge des Rausches schuldunfahig war oder weil dies nicht auszuschließen ist."

sollte - unbestritten! -eine Ursächlichkeit gesetzlich postuliert werden: Die (zumindest nicht ausschließbare) Schuldunfähigkeit des Täters im Zeitpunkt der Rauschtat sollte der Grund dafür sein, daß der Täter trotz Begehung der Rauschtat für diese nicht bestraft werden kann. Selbst wenn man sich über die systemwidrige Anwendung eines Strafaufhebungsgrundes wie des Rücktritts auf einen schuldlos begangenen und damit bereits aus diesem Grunde straflosen Versuch einmal hinwegsetzt25 , sie also für möglich hält, wäre die Strafbarkeit des Täters gern. § 323 a auch nach erfolgtem Rücktritt von der versuchten Rauschtat mit dem Wortlaut der Norm vereinbar. Denn der Straftatbestand verlangt, wie das Wörtchen "weil" signalisiert, nur, daß die Schuldunfähigkeit für die Straflosigkeit des Täters wegen der Rauschtat ursächlich sein muß. Er fordert hingegen keine Monokausalität in dem Sinne, daß die Schuldunfähigkeit der alleinige Grund der Straflosigkeit sein müsse. Letzteres wäre gleichbedeutend damit, daß der Täter bei Annahme von Schuldfähigkeit bestrafbar sein müßte. Daß in gleicher Weise mehrere Gründe für eine Rechtsfolge ursächlich sein können, wie dies für verschiedene Ereignisse oder Umstände hinsichtlich ein und denselben Erfolgs anerkannt ist26, bedarf keiner weiteren Ausführungen. Die im wesentlichen wohl von Dencker27 entwickelte Interpretation, die bei einem Zusammentreffen 28 von Schuldunfähigkeit und Rücktritt alleine letzterem eine - im weiteren Sinne verstandene - strafausschließende Wirkung zuspricht und behauptet, der Täter sei nicht wegen seiner Schuldunfähigkeit, sondern allein aufgrund der strafaufbebenden Wirkung des Rücktritts straflos, ist - insbesondere von der grundsätzlichen Gleichwertigkeit aller Bedingungen ausgehend - mit dem Wortlaut der Norm nicht vereinbar. Weshalb in jenen Konstellationen der Rücktritt der entscheidende Grund der Straflosigkeit des Täters trotz Begehung der Rauschtat sein und 24 Sc. dies selbstverständlich nur unter der Prämisse, daß der Täter im Rauschzustand neben der versuchten Rauschtat durch die selbe oder eine weitere Handlung keinen weiteren Straftatbestand rechtswidrig verwirklicht hat. 25 Gegen die systematischen Bedenken vgl. o. 3. Kapitel, III. 3. 26 Vgl. zur alternativen und kumulativen Kausalität etwa nur S/S-Lenckner, Vorbem § 13 ff. Rn. 82, 83; SK-Rudolphi, Vor § I Rn. 51, 51 a. 27 NJW 1980, 2159, 2161. 28 s. o. Fn. 25.

272 5. Kap.: Rücktritt von der versuchten Rauschtat und der Gesetzeswortlaut

die Schuldunfähigkeit demgegenüber jegliche Bedeutung als Ursache der Straflosigkeit verlieren sollte, ist bislang nicht einmal zu begründen versucht worden. Nach dieser Auslegung müßte der Wortlaut exakt so lauten, wie Dencker jene einschlägige Passage des Gesetzestextes zu lesen empfiehlt, nämlich: " ... und ihretwegen nur deshalb nicht bestraft werden kann, weil ... " 29 . Die "Leseempfehlung" Denckers zeigt auf vorzügliche Weise, daß seine Auslegung gerade nicht dem Wortlaut des geltenden Gesetzes entspricht, also allenfalls de lege ferenda Beachtung finden könnte. Denn seine Version des Gesetzestextes ist nicht Gesetz und das Gesetz selbst deckt eine Auslegung, die statt des herkömmlichen, weiten Kausalitätsbegriffes zwingend einen zur Monokausalität verengten verlangt, nichr3°. Andere Möglichkeiten der Formulierung der Schuldunfähigkeit als einzigem Grund der Straflosigkeit, d. h. der damit gleichzusetzenden Bestrafbarkeit des Täters wegen der Rauschtat bei gegebener Schuldfähigkeit, hat die Betrachtung der Gesetzesgeschichte gezeigt, etwa § 2 Abs. 1 RegE 1881 3 1• Dessen Formulierung könnte man- unter Verwendung der heutigen Terminologie - etwa wie folgt fassen: " ... eine Handlung, die im Zustand der Schuldfähigkeit begangen, seine strafrechtliche Verurteilung zur Folge haben würde". Daß jene frühere hypothetische Betrachtungsweise nicht mehr hinter dem heutigen Gesetzeswortlaut steht, ist ebenso offensichtlich wie der Umstand, daß der Gesetzgeber eine im Sinne von Monokausalität einschränkend verstandene Kausalität hätte sprachlich zum Ausdruck bringen können 32, dies aber nicht getan hat.

2. Straflosigkeit des Rauschtäters wegen nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit In den Zweifelsfällen der nicht ausschließbaren Schuldunfähigkeit käme man zu einem als Strafaufhebungsgrund verstandenen Rücktritt - wenn überhaupt - allein über die Anwendung des Rechtssatzes "in dubio pro reo". Denn nur im Rahmen der alternativen Betrachtung der möglichen Gegebenheiten und der sich auf deren Grundlage jeweils ergebenden Strafbarkeit des Täters würde der schuldhaft begangene Versuch des vermindert Dencker, NJW 1980, 2159, 2161 (Hervorhebung im Original). Sc. was Dencker durch die Erforderlichkeil seiner "Leseempfehlung" wenn auch indirekt, so doch deutlich bestätigt. 31 s.o. S. 164; deutlicher noch jene im Rahmen der Kommission beantragte Fassung, s.o. S. 172. 32 Z. B. mit der Formulierung Denckers. 29

30

III. Ursächlichkeil festgestellter Schuldunfähigkeit

273

schuldfähigen Täters als solcher Gegenstand rechtlicher Betrachtung und Bewertung. Wenngleich - wie oben dargestellt - die Anwendbarkeit des Zweifelssatzes innerhalb des § 323 a nicht dessen historischer Auslegung entspricht, sei im Rahmen der grammatischen Auslegung gleichwohl wiederum von der anderen Ansicht, der Anwendbarkeit von "in dubio pro reo", ausgegangen, diese mitberücksichtige3 . Gelangte man nun via "in dubio pro reo" zu einer isolierten Betrachtung der Rauschtat, so läge bei Annahme von verminderter Schuldfähigkeit (§ 21) ein schuldhaft begangener Versuch vor, von dem der Täter strafbefreiend zurücktreten könnte. Dann wäre der Rücktritt vom Versuch zumindest auf den ersten Blick - der Grund der Straflosigkeit. Bei der Annahme von Schuldunfähigkeit (§ 20) wäre hingegen diese, wie es § 323 a Abs. I voraussetzt, die Ursache der Straflosigkeit des Täters hinsichtlich der Rauschtat Jedoch selbst bei Annahme der verminderten Schuldfähigkeit wären die Voraussetzungen jenes letzten Halbsatzes des § 323 a Abs. 1 erfüllt, der Täter wäre wegen der Rauschtat straflos, weil seine Schuldunfähigkeit nicht auszuschließen ist. Denn die Anwendung von "in dubio pro reo", die letztlich erst den Weg zu dieser Betrachtungsweise eröffnet und damit den strafbefreienden Rücktritt ermöglicht, hat ihren Grund darin, daß die Schuldunfähigkeit des Rauschtäters nicht auszuschließen ist. Somit wäre der Grund der Straflosigkeit des Rauschtäters zwar unmittelbar die strafaufhebende Wirkung des Rücktritts, mittelbar jedoch der Zweifel an der Schuldunfahigkeit. Die - und sei es auch nur über in dubio pro reo führende - Ursächlichkeit der rauschbedingten, nicht ausschließbaren Schuldunfähigkeit wäre damit auch in jenen Zweifelsfällen gegeben. Der Wortlaut des Gesetzes stünde aus diesem Grunde der Strafbarkeit des Täters in den Fällen des Rücktritts von der versuchten Rauschtat wiederum nicht entgegen.

33 Das auch deshalb, weil der 4. Strafsenat - unter Billigung der anderen Senate - in BGHSt 32, 48 ff. die Anwendbarkeit des § 323 a in jenen Zweifelsfällen nicht - wie noch der Große Senat in BGHSt 9, 390 ff. - auf den Charakter der Norm als einem "Auffangtatbestand", sondern auf die Anwendung der allgemeinen Beweisregel "in dubio pro reo" gestützt hat. Das Vorliegen eines hierfür erforderlichen Stufenverhältnisses, das der Große Senat noch als ein begrifflich-logisches (BGHSt 9. 390, 397) verstanden und deshalb im Verhältnis der Rauschtat zu § 330 a a. F. verneint hatte, bejahte der 4. Senat nun, allerdings hierbei nicht mehr von einem begrifflich-logischen, sondern einem "normativ-ethischen" Stufenverhältnis ausgehend (BGHSt 32, 48, 56 f.); s. hierzu bereits o. 4. Kapitel, Fn. 525.

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6. Kapitel

Der Rücktritt von der versuchten Rauschtat und die Gefährlichkeit des Rausches/Rauschtäters Das im Wege der historischen Auslegung gefundene und anschließend durch den Wortlaut des Gesetzes bestätigte Ergebnis, daß ein auf die versuchte Rauschtat bezogenes Rücktrittsverhalten des Täters dessen Strafbarkeit wegen vollendeten Vollrauschs nicht aufzuheben vermag, sei nun zuletzt auf seine Vereinbarkeit mit dem durch die Nonn verfolgten Zweck hin untersucht. Dabei wird die zentrale Frage sein, ob ein Rücktritt von der Rauschtat auf die abstrakte Gefährlichkeit bzw. die konkrete Gefahr Auswirkungen hat, die gerade unter dem Aspekt des Gefährdungsdeliktes eine Straflosigkeit des Täters rechtfertigen. Bevor man sich jedoch dieser Frage zuwendet, bedarf es einer darstellenden Erörterung der komplexen und in vielerlei Hinsicht umstrittenen Thematik der Gefahr und der Gefährlichkeit sowie der mit ihnen verbundenen unterschiedlichen Deliktskategorien. Jenem "weiten Feld" ist daher zunächst die Aufmerksamkeit zu widmen.

I. Die Dogmatik der Gefährdungsdelikte (nach Rspr. und h.L.) 1. Die Dogmatik konkreter Gefahrdungsdelikte Nach dem herkömmlichen dualistischen System werden die Gefährdungsdelikte in abstrakte und konkrete unterschieden. Unter letzteren werden hierbei solche Erfolgsdelikte verstanden, deren tatbestandliches Unrecht in der Verursachung einer konkreten Gefahr für ein bestimmtes Rechtsgut besteht 1• Die Gefahr, deren Eintritt Merkmal des objektiven Tatbestandes ist und damit festgestellt werden muß, wurde lange Zeit - bei unterschiedlichen Formulierungen im einzelnen- nach dem traditionellen Gefahrbegriff als die gesteigerte Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintrittes verstanden. So sollte eine konkrete Gefahr in diesem Sinne dann vorliegen, wenn der Eintritt eines Schadens "nahelag" 2 , er "wahrscheinlicher war als dessen 1

Statt vieler: Jescheck/Weigend, AT5, § 26 II 2.

I. Die Dogmatik der Gefährdungsdelikte (nach Rspr. und h. L.)

275

Ausbleiben" 3 . Für das Vorliegen einer konkreten Gefahr sollte damit "nicht schon die entfernte, weit abliegende Gefahr" genügen, sondern eine "im Einzelfall zu beurteilende naheliegende Gefahr"4 erforderlich sein. Die Frage nach dem Eintritt einer derartigen Gefahr war damit ausschließlich eine solche des für notwendig gehaltenen, nicht wissenschaftlich skalierund exakt bestimmbaren5 und deshalb ungenauen Wahrscheinlichkeitsgrades. In jüngster Zeit ist dieser allein auf einer Wahrscheinlichkeitsbetrachtung beruhende Gefahrenbegriff in Rechtsprechung und Schrifttum zunehmend weiter eingeschränkt und dahingehend konkretisiert worden 6 , daß über eine naheliegende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts hinaus für den Gefahrerfolg erforderlich sein soll, daß ein potentiell gefährdetes Tatobjekt überhaupt existent ist und in den Wirkungsbereich des gefährlichen Täterverhaltens gerät7 . Darüber hinaus wird der Gefahrbegriff durch den zentral gewordenen Topos des "Zufalls" normativ 8 dahingehend beschränkt, daß das geschützte Rechtsgut/Handlungsobjekt durch das Täterverhalten in eine so kritische Situation gebracht worden sein muß, daß der Eintritt des Schadens nur noch vom Zufall abhängt9 .

2. Die Dogmatik abstrakter Gefährdungsbzw. Gefährlichkeitsdelikte Aus der klassischen Dichotomie der Gefahrdungsdelikte läßt sich der Begriff der abstrakten Gefahrdungsdelikte zunächst primär im Wege der 2 RGSt 10, 173, 176; grundlegend für die weitere Rspr. des RG, vgl. etwa RGSt 61, 362, 364; im Schrifttum etwa Arzt/Weber, LH 2, Rn. 71 . 3 BGHSt 8, 28, 31; II, 162, 164; 13, 66, 70; 18,271. 4 BGHSt 18, 271, 272 f.; 19, 268 f.; 22, 344 ff.; 26, 179. 5 Deutlich etwa BGHSt 18, 271, 272: "Der Begriff ,Gefahr' entzieht sich genauer wissenschaftlicher Umschreibung. Er ist nicht allgemeingültig bestimmbar und überwiegend tatsächlicher, nicht rechtlicher Natur". Auch die rechtliche Durchdringung des Begriffes darf man als nicht abgeschlossen bezeichnen, vgl. etwa Roxin, AT § II Rn. 122. 6 Vgl. hierzu etwa die zusammenfassenden Darstellungen bei Küper, BT3 , S. 137. 140 f. und Zieschang, S. 36 ff. 7 So in der Rspr. erstmals explizit BGH NJW 1989, 1227. Vgl. statt vieler etwa Roxin, AT rJ, § II Rn. 122 f . m. w.N. 8 Einen Sonderweg geht insoweit Horn, SK vor § 306 Rn. 5 ff., der den Begriff des Zufalls naturwissenschaftlich bestimmt und nur bei einem nicht wissenschaftlich erklärbaren Ausbleiben des Erfolges eine konkrete Gefahr annehmen will. 9 So zuletzt etwa BGH NStZ 1999, 32, 33. Vgl. statt vieler etwa Küper, BT\ S. 140 f. m. w. N. zu Rspr. und Schrifttum; zu der bislang nicht geklärten Frage, wie jene "Zufallskomponente" zu bestimmen sei, Zieschang, S. 45 ff.; Roxin, AT 13 , § II Rn. 124 ff.

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6. Kap.: Rücktritt und Gefährlichkeit des Rausches/Rauschtäters

Substraktionsmethode danach bestimmen, daß bei ihnen für die Verwirklichung des Unrechtstatbestandes weder der Eintritt eines Verletzungserfolges noch der einer konkreten Gefahr erforderlich ist 10, sie damit regelmäßig schlichte Tätigkeitsdelikte sind 11 . Der Strafgrund der durch die abstrakten Gefährdungsdelikte inkriminierten Handlungen wird hierbei dogmatisch unterschiedlich beurteilt: Nach der Theorie der generellen Gefahr 12 ist die tatbestandlieh beschriebene Handlung mit Strafe bedroht, weil sie generell bzw. typischerweise zur Beeinträchtigung eines Rechtsguts führen kann 13 . Gegenstand der beurteilenden Betrachtung ist damit nicht die einzelne, konkrete Handlung als solche, sondern deren jeweilige Klasse 14 oder Gattung 15 . Diese umfaßt solche Handlungen, die mit einer signifikanten statistischen Wahrscheinlichkeit und damit nach allgemeinem Erfahrungswissen einen Schaden an einem bestimmten Rechtsgut herbeiführen können. Der Strafgrund ist damit nicht die tatsächliche Gefährlichkeit der konkreten Handlung, sondern allein deren Zugehörigkeit zu jener Gruppe von als gefährlich eingestuften Verhaltensweisen 16. Die Handlung als solche muß deshalb nicht gefährlich sein. In Anlehnung an eine Formulierung Schröders 17 : Entscheidend ist mithin nicht die Gefährlichkeit eines bestimmten Verhaltens, sondern die einer Verhaltensweise. Eben das - die Möglichkeit der Strafbarkeit auch einer in concreto ungefährlichen Handlung - versucht die "Theorie der abstrakten Gefahr" 18 dadurch zu vermeiden, daß sie am Erfordernis der Gefährlichkeit der Tathandlung festhält Hierzu bedient sie sich des Mittels der Präsumtion/Fiktion19 bzw. der Vermutung 20 : Wegen der oftmals schweren Nachweisbarkeil des Gefahreneintritts werde der Eintritt einer Gefahr bzw. die Gefährlichkeit der Handlung21 unwiderleglich 22 vom Gesetzgeber vermutet23 . 10 SK-Horn, Vor § 306 Rn. 15 (sc. der weitergehend auf der Grundlage der Substraktionsmethode den Begriff der abstrakten Gefahr leugnet). 11 Jescheck!Weigend, AT5, § 26 li 2. 12 Vgl. hierzu etwa Brehm, S. 10: Graul, S. 144 ff. ; Ahn, S. 3 ff. 13 S/S-Cramer, Vorbem §§ 306 ff. Rn. 3; eine umfassende Zusammenstellung der Ansichten im Schrifttum findet sich bei Graul, S. 145 ff. 14 Brehm, S. 10. 15 Graul, S. 144. 16 Brehm, S. 10. 17 ZStW 81 (1969) 7, 14. 18 Vgl. hierzu etwa Brehm, S. 10 f.; Graul, S. 151 ff.; Ahn, S. 6 ff. 19 Graul, S. 152. 20 Brehm, S. II. 21 Zu der Differenzierung, ob der Eintritt einer Gefahr oder (nur) die Gefährlichkeit einer Handlung Gegenstand jener Vermutung ist, vgl. Graul, S. 152 ff. 22 So Baumann/Weber!Mitsch, AT, § 8 Rn. 43.

I. Die Dogmatik der Gefährdungsdelikte (nach Rspr. und h. L.)

277

Die dogmatisch strikte Trennung beider Erklärungsansätze wird im Schrifttum vielfach nicht aufrechterhalten; so werden beide miteinander vermengt, wenn es etwa heißt, die generelle Gefährlichkeit werde gesetzlich vermutet24 . Zu vermerken ist an dieser Stelle eine Gemeinsamkeit beider Ansichten: Sie beschränken die Feststellung der (generellen oder abstrakten) Gefährlichkeit allein auf die des tatbestandlieh beschriebenen Verhaltens, da die Merkmale, aus denen sich die typische Gefährlichkeit der Handlung ergibt, im Tatbestand abschließend genannt sind 25 . Umstände, die im konkreten Einzelfall darüber hinaus tatsächlich gefahrrelevant sind (etwa: gefahrbegründend, -steigernd, -mindernd oder -ausschließend), bleiben hierbei grundsätzlich unbeachtet, da sie nicht zum gesetzlichen Tatbestand gehören und durch ihre Konkretheil der für diese Gefährdungsdelikte gerade charakteristischen Abstraktheil zuwiderlaufen. Vor dem Hintergrund des Schuldprinzips wird hiervon im neueren Schrifttum - methodisch zumeist in Form einer einschränkenden teleologischen Auslegung - eine Ausnahme für die Fälle propagiert, in denen es wegen der Besonderheit des Einzelfalles trotz einer (formell) tatbestandliehen Handlung nach menschlichem Erfahrungswissen mit Sicherheit nicht zu den schädlichen Erfolgen kommen kann, deren Vermeidung für den Gesetzgeber Grund für die Schaffung des jeweiligen Tatbestandes war. Wenn die Handlung trotz formeller Tatbestandsmäßigkeit in diesem Sinne unter keinen Umständen zu einer Beeinträchtigung der rechtlich geschützten Interessen führen kann, diese offensichtlich ausgeschlossen ist, soll eine Strafbarkeit unter der Voraussetzung nicht gegeben sein, daß der Täter um die gefahrausschließende Situation weiß26. Die Rechtsprechung ist einer derartigen, die konkreten Umstände des Einzelfalls berücksichtigenden Auslegung nicht gefolgt27 bzw. konnte die Frage (sc. bislang!) offenlassen, da die sehr strengen Anforderungen an die Brehm, S. II; Maurach/Zipf, AT 18, § 20 Rn. 31 ("unterstellt"). So etwa Wessels/Beulke, AT29 , Rn. 29; ähnlich Schröder, ZStW 81 (1969) 7, 14; Kaufmann, JZ 1963, 425, 432; Ostendorf, JuS 1982, 426, 429. Ob der Ansicht Brehms (S. II f.), die h. M. stelle eine Synthese beider Theorien dar, und es bedürfe insoweit keiner Differenzierung, zuzustimmen ist, bedarf hier keiner Entscheidung. 25 Vgl. etwa S/S-Cramer, Vorbem §§ 306 ff. Rn. 3, 3 a. 26 Vgl. zum Streitstand etwa S/S-Cramer, Vorbem §§ 306 ff. Rn. 3a; Lacknerl KühP 3 , § 306a Rn. I; Tröndle/Fischer49 , § 306a Rn. 2; LK 11 -Wo(ff, § 306 Rn. 3 (jew. zu § 306 Nr. 2 a.F. bzw. § 306a Abs. I Nr. I n. F.); Lackner/KühP 3 , § 244 Rn. 2; SIS-Eser, § 244 Rn. 5a (jew. zu§ 244 Abs. I Nr. I a. F. bzw. § 244 Abs. I Nr. I a n. F.). 27 BGH NStZ 1985, 547 [zu § 250 Abs. I Nr. I a.F.]; BGHSt 43, 8, 12 f. [zu § 30a Abs. 2 Nr. 2], jew. hinsichtlich des qualifizierenden, abstrakt gefährlichen Merkmals des Bei- bzw. Mitsichführens einer Schußwaffe. 23

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6. Kap.: Rücktritt und Gefährlichkeit des Rausches/Rauschtäters

"absolute" Ungefährlichkeil in den zu entscheidenden Fällen jeweils nicht vorlagen 28 . Ob es derartige Ausnahmesituationen auch beim Vollrauschtatbestand gibt - die Literatur bemüht in anderem Zusammenhang wiederholt das verklärte Bild vom "Zecher im stillen Kämmerlein" -mag dahinstehen. Denn die Konstellation des Rücktritts von der versuchten Rauschtat ist aus mehrfachem Grunde jedenfalls keine solche: Zum einen ist offensichtlich, daß die Gefährlichkeit des Rausches bzw. des Rauschtäters nicht von Anfang an ausgeschlossen ist, wie dies in den entsprechenden Fällen der teleologischen Reduktion stets vorausgesetzt wird. Zum anderen wäre - würde man dem Rücktritt überhaupt eine Gefahrrelevanz zusprechen - die mit dem Rücktritt eintretende Gefahrlosigkeit nicht von der erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, bedenkt man, daß der Rücktritt eine freiwillige, nur "mögliche" Entscheidung des berauschten Täters ist. Jene im Schrifttum vertretene teleologische Reduktion vermag die Straflosigkeit des von der versuchten Rauschtat zurücktretenden Rauschtäters damit nicht zu begründen.

3. Die abstrakt-konkreten Gefahrdungsdelikte Neben den abstrakten und konkreten Gefahrdungsdelikten gibt es eine weitere Deliktskategorie, die im Anschluß an Schröder29 häufig als abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt bezeichnet wird30 . Wie bei den abstrakten Gefährdungsdelikten ist der Strafgrund auch hier die generelle Gefährlichkeit eines Verhaltens, die jedoch - allein formal anders als bei den abstrakten Gefährdungsdelikten3 1 - nicht nur lediglich gesetzgeberi28 BGHSt 26, 121, 124 ff.; 34, 115, 118 f.; BGH NStZ 1982, 420 f.; 1985, 407 f. (jeweils zu § 306 Nr. 2 a. F.). Zur Billigung dieser Rechtsprechung durch den Gesetzgeber des 6. StrRG Wessels/Hettinger, BT 123 , Rn. 968 m.w.N. 29 JZ 1967, 522 ff.; ZStW 81 (1969) 7 ff. 30 Die heutige Terminologie ist von einer schillernden Vielfältigkeit geprägt, vgl. etwa nur die Zusammenstellung bei Zieschang, S. 162 f. Im Schrifttum dürften sich mittlerweile die Begriffe "potentielles Gefährdungsdelikt" und "Eignungsdelikt" durchgesetzt haben (so S/S-Cramer, §§ 306 ff. Vorbem Rn. 3). Die Rechtsprechung verwendet die Begriffe "abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt" und "potentielles Gefährdungsdelikt" teilweise synonym (BGHSt 39, 371, 372) bzw. hält allein an ersterem fest (BGH NJW 1999, 2129). 31 Gallas, Heinitz-FS, S. 171, 174, 175. Sowohl die h.L. als auch die Rechtsprechung betrachten daher die abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikte als ab~trakte Gefährdungsdelikte (vgl. statt vieler S/S-Cramer, §§ 306 ff. Vorbem Rn. 3 m. w. N.), als deren Untergruppe (BGH NJW 1999, 2129), eine "Spielart" derer (Gallas, a. a. 0., S. 175, 180). Für die Auflösung der klassischen Zweiteilung der Gefähr-

I. Die Dogmatik der Gefährdungsdelikte (nach Rspr. und h. L.)

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sches Motiv, sondern ein normatives Tatbestandsmerkmal ise 2 . Dieses ist meist als die Eignung, einen bestimmten Erfolg herbeizuführen, formuliert33, so etwa die Eignung der geäußerten Tatsache zur Verächtlichmachung oder Herabwürdigung bei der üblen Nachrede (§ 186) oder die Eignung ionisierender Strahlen, die Gesundheit eines Menschen zu schädigen in § 309 Abs. 134. Wegen der Vielgestaltigkeit der in Betracht kommenden Lebensverhältnisse ist die generelle Gefährlichkeit eines Verhaltens in diesen Fällen nicht - wie bei den (rein) abstrakten Gefahrdungsdelikten - vom Gesetzgeber bindend und abschließend beurteilt, sondern vom Richter in jedem Einzelfall gesondert festzustellen. Allein darin, daß über die Gefährlichkeit anband der Umstände der jeweiligen Tatsituation entschieden wird, besteht eine gewisse Ähnlichkeit mit den konkreten Gefahrdungsdelikten 35 . Von ihnen unterscheiden sich die abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikte jedoch entscheidend dadurch, daß die Gefahrlichkeit nach einem generalisierenden, vom Einzelfall abstrahierenden Maßstab, nur unter Berücksichtigung generell 36, d. h. erfahrungsgemäß und typischerweise gefahrdender Faktoren festgestellt wird. Untypische, im Sinne von inadäquate Umstände werden zur Beurteilung der Gefährlichkeit trotz ihrer eventuellen tatsächlichen Gefahrrelevanz hierbei nicht herangezogen. Somit werden zwar spezielle Tatumstände (deshalb und insoweit: konkret) berücksichtigt, dies jedoch nur generalisierend37 (deshalb und insoweit: abstrakt). Eine Gefahrdungsdelikte und die Annahme einer eigenständigen Deliktsgruppe der "Eignungsdelikte" Hoyer, S. 201. 32 Gallas, Heinitz-FS, S. 171, 174, 180. 33 Der Rückschluß von dieser Formulierung auf das Vorliegen eines abstrakt-konkreten Gefährdungsdeliktes ist hingegen nicht zwingend, Gallas, Heinitz-FS, S. 171, 181 f.; Roxin, AT 13 , § II Rn. 136; Graul, S. 117; Hoyer, S. 134 ff. (mit einer ausführlichen Analyse zahlreicher "Eignungsdelikte"). 34 Die entsprechenden Klauseln des § 229 Abs. I a. F. (Geeignetheit des Tatmittels, die Gesundheit zu zerstören) und des § 308 Abs. I Alt. 2 a. F. (Geeignetheit des für den Täter nicht fremden Tatobjekts nach Beschaffenheit und Lage das Feuer bestimmten anderen Objekten mitzuteilen), die lange Zeit zentraler Gegenstand der Diskussion waren, sind durch das 6. StrRG entfallen. Vgl. zu § 224 Abs. I Nr. I jetzt Lackner/KühP, § 224 Rn. I a; Wessels/Hettinger, BT23 , Rn. 263; Tröndle/Fischer49, § 224 Rn. 3 zur Veränderung des § 308 Abs. I Alt. 2 a. F. durch das Reformgesetz etwa Tröndle/ Fischer49 , § 306 Rn. I). 35 Die Ansicht Schröders, allein aufgrund des formalen Umstandes, daß der Richter über die Gefährlichkeit zu entscheiden habe, läge grundsätzlich ein konkretes Gefahrdungsdelikt vor (JZ 1967, 522; ZStW 81 [1969] 7, 22; zu den engen Ausnahmen JZ 1967, 522, 525; ZStW 81 [ 1969) 7, 22) wurde bereits frühzeitig vehement bestritten und konnte sich nicht durchsetzen, vgl. etwa Gallas, Heinitz-FS, S. 171, 181 f.; Zieschang, S. 171. 36 Zum Begriff des Generellen Zieschang, S. 197 ff. 37 BGH NJW 1994, 2161.

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6. Kap.: Rücktritt und Gefährlichkeit des Rausches/Rauschtäters

dung des jeweiligen Handlungsobjekts im Einzelfall ist damit - wie bei den abstrakten Gefährdungsdelikten - für die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes nicht erforderlich 38 .

II. Das durch § 323 a StGB geschützte Rechtsgut Die objektiv-teleologische Auslegung und die im Zusammenhang mit dem Vollrauschtatbestand als Gefährdungsdelikt zentralen Begriffe der Gefahr bzw. der Gefährlichkeit erfordern an dieser Stelle zwingend ein Eingehen auf das durch § 323 a geschützte Rechtsgut So ist der Begriff der konkreten Gefahr - im oben dargestellten Sinne als die (zumindest auch) normativ zu bestimmende gesteigerte Wahrscheinlichkeit eines Erfolgseintritts verstanden - ohne eine Bezugsgröße, an der sich der prognostizierte Erfolg realisieren soll, unvollständig, ja sogar aussageleer. Eine Gefahr "an sich" gibt es nicht, sondern stets nur die Gefahr für einen bestimmten Gegenstand im weitesten Sinne, für ein Rechtsgut bzw. Handlungsobjekt Gleiches gilt für den Begriff der (abstrakten oder generellen) Gefährlichkeit, da sich hier jeweils die Frage stellt, welche Rechtsgüter die zu bewertende Verhaltensweise erfahrungsgemäß typischerweise beeinträchtigt.

1. Rechtsgut und Handlungsobjekt Der Begriff des Rechtsguts wird im folgenden als ein durch die Rechtsordnung geschützter ideeller Wert der Sozialordnung verstanden, an dessen Erhaltung die Gemeinschaft ein Interesse hat, und der entweder einem einzelnen oder der Gesamtheit als Träger zugeordnet ise9 ; etwa die vergeistigten Werte des Lebens, des Eigentums oder der Willensfreiheit. Der für die objektiv-teleologische Auslegung relevante strafrechtliche Rechtsgutsbegriff beschränkt jene Werte hierbei auf solche, die dadurch speziell unter dem Schutz des Strafrechts stehen, daß besondere Formen ihrer Beeinträchtigung bei Androhung von öffentlicher Strafe verboten sind40 . Das von jenem vergeistigten Rechtsgutsbegriff streng zu unterscheidende Handlungs- oder Angriffsobjekt ist dagegen der konkrete Gegenstand der

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38 Statt vieler etwa Roxin, AT § II Rn. 135; S!S-Cramer, §§ 306 ff. Vorbem Rn. 3 m.w. N.; BGHSt 39,371, 372; BGH NJW 1999, 2129. 39 So LK 11 -Jescheck, Vor§ 13 Rn. 6; Jescheck/Weigend, AT5 , § 26 I 2. Vgl. zu anderen Rechtsgutskonzepten, auf die an dieser Stelle einzugehen nicht erforderlich ist, etwa die Nachweise bei den genannten oder etwa auch SK-Rudolphi, Vor § I Rn. I ff.; NK-Hassemer, Vor§ I Rn. 256 ff.; Roxin, AT § 2 Rn. 2 ff. jew. mit zahlreichen Nachweisen. 40 LK 11 -Jescheck, Vor§ 13 Rn. 6; S/S-Lenckner, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 9.

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II. Das durch § 323 a StGB geschützte Rechtsgut

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realen Welt, an dem die Tathandlung vollzogen wird41 , etwa das Leben eines bestimmten Menschens.

2. Das Rechtsgut des Vollrauschtatbestandes Der strukturellen Besonderheit der Norm entsprechend zeigt sich auch bei der Bestimmung des geschützten Rechtsguts ein eher ungewohntes Bild. Bei der Annahme eines Gefährdungsdelikts42 wird das Sichberauschen wegen seiner gefahrlichen, da die Begehung rechtswidriger Taten fördernden Wirkung bestraft, nicht hingegen die im Rausch begangene Tat selbst. Demzufolge kann das Rechtsgut des Vollrauschtatbestandes auch nicht mit dem der Rauschtat identisch sein. Denn andernfalls stünde das Rechtsgut des § 323 a vor und bei Begehung der Tat, dem Sichberauschen, noch gar nicht fest43 , und würde zudem mit jeder Rauschtat "von Fall zu Fall, in verschiedenster Weise wechseln"44, womit die Norm letztlich kein eigenes, selbständiges Rechtsgut hätte und damit kein Straftatbestand, sondern eine Ausnahmeregelung von § 20 wäre45 . Das Rechtsgut wird vielmehr unabhängig von dem durch die Rauschtat geschützten bestimmt. Indem der Täter durch das schuldhafte Sichberauschen seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit ganz ausschließt bzw. erheblich einschränkt, versetzt er sich in einen Zustand, in dem er - theoretisch, mit einer der Abstraktheil des Gesetzes entsprechenden Betrachtungsweise -jede Straftat begehen könnte, wenn auch im konkreten Einzelfall nur ein Delikt oder wenige in Betracht kommen. Aus diesem Grunde ist nicht ein einzelnes, rauschtatspezifisches Schutzgut gefahrdet und damit das durch 41 Wessels/Beulke, AT29 , Rn. 8; NK-Hassemer, Vor § I Rn. 264; S/S-Lenckner, Vorbem §§ 13 ff. Rn. 9; LK 11 -Jescheck, Vor§ 13 Rn. 6. 42 Die allein in der Literatur vertretene Ansicht, bei § 323 a handele es sich um keinen Straftatbestand, sondern eine Zurechnungsnorm in Form einer Ausnahme bzw. Einschränkung von § 20 (s.o. 2. Kapitel li. 6. a), wird hier, da - wie dargestellt - weder mit der Gesetzesgeschichte noch dem Wortlaut, und damit dem geltenden Gesetz vereinbar, nicht berücksichtigt. Im übrigen dürfte sich bei konsequenter Betrachtung der Norm als einer bloßen Zurechnungsvorschrift die Frage nach einem Rechtsgut ohnehin erübrigen, da lediglich Straftatbestände Rechtsgüter schützen, Vorschriften des Allgemeinen Teils hingegen lediglich ein Sinn und Zweck zukommt. Ggf. anders beurteilt werden könnte dies allenfalls von den Vertretern der "Kompromißlösung" (s.o. 2. Kapitel II. 6. b), die in § 323a nur der Form nach ein Delikt, sachlich jedoch eine Schuldzurechnungsregel sehen, etwa Otto, Grundkurs BT5 , § 81 Rn. I. 43 LK9 -Lay, § 330a Rn. 19; BGHSt 20, 284, 285 ("das - zunächst ganz ungewisse - Einzelrechtsgut"). 44 BGHSt 16, 124, 128. 45 So im Ergebnis auch Cramer, Vollrauschtatbestand, S. 77; Schliwinski. S. 61.

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6. Kap.: Rücktritt und Gefährlichkeit des Rausches/Rauschtäters

§ 330 a geschütztes Rechtsgut, sondern die "Gesamtheit aller Rechtsgüter"46.

Jenes, aufgrund der Abstraktheit der von § 323 a erfaßten Gefahr und der dadurch bedingten Vielzahl der zu schützenden Rechtsgüter komplexe, alle einzelnen durch das Strafrecht geschützten Rechtsgüter additiv umfassende "kollektive Rechtsgut"47 unterscheidet sich vom herkömmlichen Rechtsgutsbegriff, der sich punktuell auf einen bestimmten ideellen Wert beschränkt, nicht unerheblich. Paeffgen etwa hält den Schutz einer Vielheit von Rechtsgütern zwar formal für das Rechtsgut des Vollrauschtatbestandes, bezeichnet es jedoch als fragwürdig, "ob bei einem solchen ,Rechtsordnungs 'Schutz noch von ,Rechtsgut' in einem materiellen Sinn gesprochen werden kann"48 . Vielleicht ist deshalb auch stets versucht worden, das Rechtsgut des Vollrauschtatbestandes mit einem einzigen Begriff zu benennen, dem man jene Summierung der einzelnen Schutzgüter nicht anmerkt. So sind etwa genannt worden: die "(Sicherheit der) Allgemeinheit"49 , die "Rechtsgüterordnung"50 oder der "Rechtsfriede"51 • 46 BGHSt I, 275, 277; 26, 363; ähnlich auch BGH NJW 1992, 1519 ("§ 323 a StGB soll als Gefährdungsdelikt der generellen Gefahrlichkeit entgegenwirken, die allen strafrechtlich geschützten Rechtsgütern mit jedem die Schuldfähigkeit ausschließenden Rausch erwächst"); Kusch, S. 23 f. ("alle Rechtsgüter"); Junge, S. 65; Schliwinski, S. 62 ("alle Rechtsgüter des Strafrechts"); Schmidhäuser, BT, 15/19. 47 Nicht im Sinne eines Gegensatzes zu dem Begriff des Individualrechtsguts zu verstehen, daß die geschützten Sozialwerte einem Kollektiv, d.h. einer Vielzahl von Trägern zugeordnet sind, sondern dahingehend, daß sich dieses Rechtsgut aus einer Vielzahl anderer zusammensetzt. 48 NK § 323a Rn. 5 (Hervorhebung vom Verf.; C. B.). Ähnlich auch Haft, BT7 , S. 277, der aus dem Umstand, daß § 323a als abstraktes Gefährdungsdelikt alle Rechtsgüter des Strafrechts schützt, die Schlußfolgerung zieht, ein eigenes Rechtsgut dieses Tatbestandes lasse sich nicht bestimmen; krit., aber ohne Ergebnis auch Haft, JA 1979, 651, 656 f. 49 RGSt 73, 177, 181 ("Der Gedanke, die Allgemeinheit vor solchen Personen zu schützen, die im Rausche strafbare Handlungen begehen."); BGHSt I, 124, 125 ("die Gefährdung der Allgemeinheit, die aus der toxisch bedingten Bewußtseinsstörung erwachsen kann"); BGHSt I, 275, 277 ("Bekämpfung der Gefahren, die der Allgemeinheit und dem Einzelnen durch den Rauschmittelmißbrauch drohen"); BGHSt 2, 14, 15, 19 ("Die Strafdrohung des § 330a StGB will einer Gefährdung der Allgemeinheit vorbeugen"); BGHSt 16, 124, 128 ("§ 330a StGB dient dem Schutz der Allgemeinheit vor den Gefahren, die ihr bei der unberechenbaren Wirkung vornehmlich des Alkohols [. .. ] nach allgemeiner Erfahrung von Volltrunkenen drohen"); BGHSt 20, 284, 285 ("Die Vorschrift[ .. .] hat zur Aufgabe, die Allgemeinheit vor rauschbedingten Ausschreitungen zu bewahren."); BayObLG VRS 70 (1986) 446, 447 ("Die Strafvorschrift des § 323 a StGB [... ] soll die Allgemeinheit vor rauschbedingten Ausschreitungen bewahren); Mühlmann!Bommel, § 330a Anm. I. 50 Montenbruck, GA 1978, 225, 238. 51 RGSt 73, 177, 181; LK9 -Lay, § 330a Rn. 19; Maurach, BT5 , S. 512.

II. Das durch § 323 a StGB geschützte Rechtsgut

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Daß hinter all diesen Begriffen inhaltlich nichts anderes steht als der Schutz aller durch das Strafrecht geschützten Rechtsgüter, dürfte offensichtlich sein. Deshalb erstaunt es nicht, wenn oftmals an ein und derselben Stelle neben der "Gesamtheit aller Rechtsgüter" auch einer der genannten Begriffe - quasi erläuternd - verwendet wird 52 . Verschiedentlich wird der Begriff des Rechtsguts ganz vermieden und statt dessen der Aspekt des Schutzzwecks, der ratio legis herangezogen 5 3 .

3. Die Bedeutung des durch die Rauschtat geschützten Rechtsguts für den Vollrauschtatbestand Wenngleich - wie dargestellt - das Rechtsgut des Vollrauschtatbestandes nicht mit dem der jeweiligen Rauschtat identisch ist, so kommt doch auch ihm eine gewisse Bedeutung zu 54 . Denn das vom Täter mit der Rauschtat rechtswidrig angegriffene Rechtsgut ist stets zwingend ein Element und Teilausschnitt jenes umfassenderen Rechtsguts des § 323 a55 . Insofern ist es nur konsequent, wenn man auch das angegriffene Rechtsgut des konkret durch die Rauschtat Betroffenen als durch das Verbot des Vollrauschs zumindest mittelbar56 oder sekundär57 geschützt erachtet58 . Etwa BGHSt I, 275, 277; Montenbruck, GA 1978, 225, 238. SK-Horn, § 323 a Rn. 2. Gegen eine Gleichsetzung von Rechtsgut und ratio Iegis Jescheck/Weigend, AT5 , § 26 I 2 mit Nachw. in Fn. 10; zu einem solchen § 2 Rn. 7. "methodischen" Rechtsgutsbegriff Roxin, AT 54 Ohne eine solche wären § 323 a Abs. 2, 3 nicht zu erklären. Der strafprozessuale Schutz des unmittelbar durch die Rauschtat Betroffenen orientiert sich weniger an dem Kriterium des durch den Vollrauschtatbestand oder die konkrete Rauschtat geschützten Rechtsguts als vielmehr an einem möglichst umfassenden Schutz des einzelnen: So soll etwa der durch ein Nebenklagedelikt Verletzte auch dann nebenklagebefugt sein, wenn dieses Delikt (nur) im Rahmen des § 323 a die Rauschtat bildet, so BGH NStZ-RR 1998, 305; LR25 -Hilger, § 395 Rn. 16 m. w.N. Für das Privatklageverfahren soll der Vollrauschtatbestand hingegen auch dann ein Offizialdelikt sein, wenn ein Privatklagedelikt die Rauschtat bildet, LR25 -Hilger, § 374 Rn. 16; Kl/M-G44, § 374 Rn. 2. Im Klageerzwingungsverfahren wird hinsichtlich der Bestimmung des "Verletzten" i. S. d. § 172 Abs. I StPO hingegen auf die Rauschtat abgestellt, da durch diese als objektive Bedingung der Strafbarkeit ein rechtlich anerkannter Bezug zu spezifischen Rechtsgütern des einzelnen deutlich werde, so LR24 -Rieß, § 172 Rn. 93 m.w.N. 55 Diesen Zusammenhang deutlich darstellend etwa BGHSt 26, 363: "Die Vorschrift soll den Gefahren entgegenwirken, die sich für die Gesamtheit der Rechtsgüter und damit für jedes einzelne von ihnen durch die Beeinträchtigung des Bewußtseins ... in folge des Genusses von Alkohol und der anderen berauschenden Mittel ergeben." 56 Cramer, Vollrauschtatbestand, S. 78; OLG Celle NJW 1962, 1833. 57 Tröndle/ Fischer49 , § 323 a Rn. I: primär sei hingegen der Schutz der Allgemeinheit vor den von Berauschten erfahrungsgemäß ausgehenden Gefahren; insoweit übereinstimmend mit den o. in Fn. 49 genannten. 52

53

e,

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6. Kap.: Rücktritt und Gefährlichkeit des Rausches/Rauschtäters

Dieser lediglich mittelbare Schutz(reflex) ist jedoch nicht von einer solchen Stärke und Bedeutung, daß das unmittelbar durch die Rauschtat angegriffene Rechtsgut bei der Bestimmung des Rechtsguts des Vollrauschtatbestandes und damit der teleologischen Auslegung primär zu berücksichtigen wäre. Zum einen ist zu erkennen, daß es bei § 323 a - anders als beim Tatbestand der jeweiligen Rauschtat! - nicht um seiner selbst willen durch das Verbot des Vollrauschs geschützt ist59, sondern allein als ein Teil aller durch die Strafrechtsordnung geschützten Rechtsgüter, für die der Täter rauschbedingt abstrakt gefährlich ist. Das durch die Rauschtat geschützte Rechtsgut steht lediglich als ein Repräsentant all der Rechtsgüter, die der Vollrauschtatbestand zu schützen bestimmt ist. Des weiteren sind Art und Intensität des Angriffs und der Beeinträchtigung zu berücksichtigen, die bei § 323 a und der die Rauschtat bildenden Straftat divergieren. Ein jedes durch das Strafrecht geschützte Rechtsgut wird nicht umfassend vor jeglicher Art von Beeinträchtigung geschützt, sondern nur hinsichtlich bestimmter, vom Gesetzgeber für besonders gravierend gehaltener Beeinträchtigungsweisen (und -erfolge), die in den (Unrechts)Tatbeständen beschrieben sind. Somit besteht ein untrennbarer Zusammenhang zwischen der strafrechtlich relevanten Beeinträchtigung eines Rechtsguts und dem tatbestandsmäßigen Unrecht einer Handlung. Bei der Betrachtung des durch eine Norm geschützten und durch die Verwirklichung eines bestimmten Tatbestandes verletzten Rechtsguts ist daher stets nur die durch ihn beschriebene Handlung von Bedeutung. Danach könnte das unmittelbar durch die Rauschtat und die in deren Tatbestand beschriebene Verhaltensweise angegriffene Rechtsgut nur dann zugleich auch durch § 323 a geschütztes Rechtsgut sein, wenn die im Tatbestand der Rauschtat umschriebene Verhaltensweise (sc. und damit die Rauschtat selbst) zugleich Teil des Vollrauschtatbestandes wäre. Die Rauschtat müßte also Teil des Unrechtstatbestandes des § 323 a sein, auf die sich dann - straftatsystematisch konsequent - das Verschulden des Täters zu erstrecken hätte. Daß ein solches Verständnis dem dogmatischen System und der Struktur des § 323 a widerspricht, ist im Verlauf der bisherigen Untersuchung bereits 58 Diesbezüglich ohne eine ausdrückliche Einschränkung auf einen lediglich mittelbaren oder sekundären Schutz auch RGSt 70, 159, 160 ("Zweck [sc. des § 330a; C. 8.], die vom Berauschten der Allgemeinheit und den einzelnen drohenden Gefahren zu bekämpfen"); BGHSt I, 275, 277 (s. o. Fn. 49); BGH VRS 7 (1954) 309, 310; OLG Harnburg JR 1982, 345, 347; LK617-Rohde, § 330a Anm. 2. 59 Man bedenke an dieser Stelle wiederum, daß jenes durch die Rauschtat geschützte Rechtsgut in dem für § 323a relevanten Zeitpunkt des Sichberauschens voraussetzungsgemäß! - noch gar nicht feststeht.

III. Der Rücktritt bei Annahme eines abstrakten Gefährdungsdeliktes

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aufgezeigt worden. Würde sich das Verschulden des Täters auf die im Rausch verwirklichte Tat beziehen, so ergäbe sich - regelmäßig - eine Strafbarkeit des Täters nach den Grundsätzen der actio libera in causa. Daß der Gesetzgeber mit der Einfügung des § 330a a. F. in das Strafgesetzbuch jedoch einen Tatbestand schaffen wollte, der die trotz Bestehens der actio libera in causa vorausgesetzten Strafbarkeilslücke schließen sollte, hat die Nonngeschichte gezeigt und ist auch dem letzten Halbsatz des § 323 a Abs. 1 zu entnehmen. Als Rechtsgut des Vollrauschtatbestandes ist damit die Gesamtheit aller Rechtsgüter anzusehen, da diese Gesamtheit es ist, für die der Täter durch das Sichberauschen gefährlich wird, alle durch das Strafrecht geschützte Rechtsgüter vor dieser Gefahr geschützt werden sollen.

111. Der Rücktritt von der versuchten Rauschtat bei Annahme eines abstrakten Gefährdungsdeliktes Die eben in ihren Grundzügen dargestellte Dogmatik abstrakter Gefährdungsdelikte60 und die von der Rechtsprechung und dem Schrifttum geschaffene "Sonderdogmatik" des Vollrauschtatbestandes als abstraktes Gefährdungsdelikt, nach der die Rauschtat ein Indiz für die Gefährlichkeit sein soll61 , verlangen eine differenzierte Betrachtung.

1. Der Rücktritt von der versuchten Rauschtat und die Dogmatik der abstrakten Gefährdungsdelikte Erinnert man sich der Charakteristika abstrakter Gefährdungsdelikte, so verbietet sich eine Berücksichtigung des Rücktritts von der versuchten Rauschtat im Rahmen des § 323 a per se. Und das ganz unabhängig davon, wie man die Auswirkung des Rücktrittsverhaltens auf die Gefährlichkeit im Einzelfall auch beurteilen mag. Denn es kommt, wie dargestellt, bei den abstrakten Gefährdungsdelikten nicht auf die tatsächliche Gefährlichkeit der konkret zu beurteilenden Handlung an, sondern einzig auf deren generelle, typische Gefährlichkeit, deren Zugehörigkeit zu einer vertypten gefährlichen Verhaltensweise. Nach anderer Ansicht wird die Gefährlichkeit der im Tatbestand beschriebenen Handlung vom Gesetzgeber, d.h. abstrakt-generell, vennutet.

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s. o. 6. Kapitel, I. 2. s. o. 2. Kapitel, II. I., insbes. sub b) bb).

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6. Kap.: Rücktritt und Gefährlichkeit des Rausches/Rauschtäters

Deshalb werden die konkreten Umstände des Einzelfalls nur dazu und auch nur insoweit herangezogen, wie dies erforderlich ist, um das Täterverhalten unter die im Tatbestand beschriebene Verhaltensweise zu subsumieren; etwa um festzustellen, ob der Täter im Zustand der Fahruntüchtigkeit im Verkehr ein Fahrzeug geführt (§ 316), vor Gericht uneidlich falsch aussagt (§ 153) oder- im Falle des § 323 a- sich durch alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel in einen Rausch versetzt hat. Nur die für diese Feststellung erforderlichen Umstände sind Tatumstände, nur sie sind für die Tatbestandsmäßigkeit relevant. Alle weiteren Umstände, mögen sie sich auch auf die tatsächliche Gefährlichkeit der konkreten Handlung auswirken, sind für deren Tatbestandsmäßigkeit ohne Bedeutung, da sie an der generellen, d. h. vom Einzelfall unabhängigen Gefährlichkeit nichts ändern, die Handlung eine solche bleibt, die der Gesetzgeber für typischerweise gefährlich hält bzw. deren Gefährlichkeit er vermutet. Weder vermögen solche Umstände die Handlung aus der Gruppe der gefährlichen Verhaltensweisen auszuscheiden, noch die gesetzliche Vermutung zu widerlegen. Die insoweit von manchen Autoren geforderte enge und umstrittene Ausnahme, daß konkrete Umstände des Einzelfalls dann zu berücksichtigen seien, wenn eine Gefährdung des Rechtsguts "absolut ausgeschlossen" ist62 , liegt beim Rücktritt von der versuchten Rauschtat nicht vor, da die Gefährdung weder von Anfang an, noch mit der erforderlichen hohen, absoluten Sicherheit ausgeschlossen ist. Die Dogmatik der abstrakten Gefährdungsdelikte verbietet eine Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls; und zwar sowohl zur Begründung als auch zum Ausschluß der Gefährlichkeit der tatbestandsmäßigen Handlung. Eine Betrachtung des auf die versuchte Rauschtat bezogenen Rücktrittsverhaltens ist nun - mag sie formal auch in eine (sc. systemwidrige) Rücktrittsprüfung gekleidet sein - inhaltlich nichts anderes als eine Berücksichtigung eben solcher Umstände und daher mit dem Wesen des abstrakten Gefährdungsdeliktes nicht vereinbar. Ein jedes Eingehen auf den Rücktritt von der versuchten Rauschtat hat zudem nicht nur einen konkreten Umstand zum Gegenstand, sondern darüber hinaus auch einen Ausnahmefall und läuft damit der gerade und nur das Grundsätzliche berücksichtigenden Abstraktheil dieses Deliktstypus in eklatanter Weise zuwider.

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s.o. Fn. 26.

III. Der Rücktritt bei Annahme eines abstrakten Gefährdungsdeliktes

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2. Der Rücktritt von der versuchten Rauschtat und die "Sonderdogmatik" des Vollrauschs als einem abstrakten Gefährdungsdelikt a) Die Rauschtat als Indiz für die Gefährlichkeit Obgleich der Vollrauschtatbestand von der h. M. als ein abstraktes Gefahrdungsdelikt betrachtet wird63 , hat sich für ihn in Rechtsprechung und Schrifttum eine gewisse "Sonderdogmatik" entwickelt. Während sich die Gefährlichkeit der tatbestandliehen Handlung nach der Dogmatik der abstrakten Gefährdungsdelikte aufgrund gesetzgeberischer Wertung allein aus ihrer Tatbestandsmäßigkeit selbst ergibt, soll die Gefährlichkeit des Sichberauschens (erst und zudem nachträglich!) durch die Rauschtat indiziert oder zwingend bewiesen werden64 . Damit wird- im krassen Widerspruch zur allgemeinen Dogmatik -zum einen die Gefährlichkeit der tatsächlichen Handlung, nicht die der Verhaltensweise, betrachtet; zum anderen werden hierzu konkrete Umstände herangezogen und damit das Terrain des Abstrakten verlassen 65 . Darin liegt ein zweifacher Widerspruch zur Dogmatik der abstrakten Gefährdungsdelikte66. Daß diese Konstruktion weder der Gesetzesgeschichte der Norm entspricht, noch in deren Wortlaut einen Halt findet, bedarf nach den bisherigen Untersuchungen kaum noch ausdrücklicher Erwähnung. Da die Arbeit jedoch das geltende Recht - und das ist v.a. das Recht in der durch die höchstrichterliche Rechtsprechung angewandten Form - zum Gegenstand hat, wird gleichwohl auf die zugrunde liegende Ansicht eingegangen, ohne daß damit über deren "Berechtigung" entschieden wäre.

b) Die nur versuchte Rauschtat als Indiz für die Gefährlichkeit Soll die Rauschtat Indiz für die Gefährlichkeit der Verwirklichung des Vollrauschtatbestandes sein, so muß sie selbst entweder eine konkrete Gefahr darstellen oder zumindest als gefährlich aufzufassen sein. Bei der vollendeten Rauschtat, die stets (Verletzungs)Erfolgs-, konkretes oder s.o. 2. Kapitel, II. I. mit zahlr. Nachw. in den Fußnoten. s.o. 2. Kapitel, II. I. b) bb) mit zahlr. Nachw. in den Fußnoten. 65 Zu den inhaltlichen Einwänden gegen einen Schluß von der Rauschtat auf die Gefährlichkeit des Sichberauschens und folglich gegen die Rauschtat als Indiz der Gefährlichkeit s.o. 2. Kapitel, II. I. b) bb) [Junge, Cramer, Kusch, u.a.]. 66 Deutlich zum Widerspruch zur Dogmatik der abstrakten Gefährdungsdelikte Freund/Renzikowski, ZRP 1999, 497, 498; Siek/ Renzikowski, ZRP 1997, 484, 486. 63

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6. Kap.: Rücktritt und Gefährlichkeit des Rausches/Rauschtäters

abstraktes Gefährdungsdelikt ist, versteht sich das von selbst. Für die nur versuchte Rauschtat hingegen bedarf es einer Begründung67 . Dies insbesondere hinsichtlich des untauglichen Versuchs, bei dem es aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen überhaupt nicht zu einer Tatbestandsvollendung, einer Verletzung oder Gefahrdung, kommen kann, und zudem wegen des Umstandes, daß der Begriff der Gefahr sich von einem bloßen Wahrscheinlichkeitsurteil hin zu einer normativen Größe entwickelt (hat) und danach voraussetzt, daß ein potentiell gefährdetes Tatobjekt überhaupt existent ist und in den Wirkungsbereich des gefahrliehen Täterverhaltens gelangt68 . Schießt der Täter etwa im Vollrausch mit natürlichem Tötungsvorsatz auf eine Leiche oder einen Gegenstand, den er irrig für einen Menschen hält, so ist eine hierin liegende "Lebensgefahr" auf den ersten Blick nicht ersichtlich. Während die früher zum Strafgrund des Versuchs vertretenen, sog. rein objektiven Theorien für das Vorliegen eines Versuches noch zunächst die abstrakte, später die konkrete Gefährdung des geschützten Handlungsobjektes verlangten 69, und die (rein) subjektiven Theorien unabhängig von der objektiven Gefährdung oder Gefährlichkeit der Handlung überwiegend den (wenn auch nur in irgendeiner, nicht zwingend tatbestandsmäßigen oder tatbestandsnahen Weise) betätigten subjektiven verbrecherischen Willen in den Vordergrund stellten70, sieht die heute in §§ 22, 23 Abs. 3 verankerte "gemischt subjektiv-objektive Theorie" den Strafgrund des Versuches in einer Zusammenschau beider Elemente. So wird nach der herrschenden sog. Eindruckstheorie der Strafgrund des Versuches in der Betätigung des rechtsfeindlichen Willens gesehen, soweit dieser das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Geltung des Rechtsordnung erschüttern und der Rechtsfriede dadurch beeinträchtigt werden kann 71 • Aufgrund dieser (zumindest) teilweisen Subjektivierung des Versuchsunrechts und damit zugleich auch des Strafgrundes des Versuchs ist - wie die Strafbarkeit des untauglichen Versuches (§ 23 Abs. 3) zeigt - eine objektive Gefahr oder Gefährdung des Rechtsguts- oder Handlungsobjektes für das Vorliegen eines Versuches zwar hinreichend, jedoch nicht notwendig 72 . 67 So auch Sax, JZ 1976, 429, 432: "Eine Rechtsgutsgefährdung scheint nun zwar beim tauglichen Versuch vorzuliegen, beim untauglichen jedoch zu fehlen". 6 8 s.o. 6. Kapitel, I. I. mit Nachw. in Fn. 7. 69 Vgl. LK 10-Vogler, Vor § 22 Rn. 39 f.; Jescheck/Weigend, AT5 , § 49 II I jeweils m.w.N. 70 Vgl. LK 10-Vogler, Vor§ 22 Rn. 46 f. 71 So etwa Jescheck/Weigend, AT5 , § 49 II 2; S/S-Eser, Vorbem § 22 Rn. 13; LK 10-Vogler, Vor§ 22 Rn. 54 ff. alle m.w.N., auch zur Kritik an dieser Ansicht und weiteren Theorien. Dieser Ansicht ist die Rspr. teilweise gefolgt, etwa BGHSt II , 268, 271; 324. 327.

III. Der Rücktritt bei Annahme eines abstrakten Gefährdungsdeliktes

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Die Gefährdung des Handlungsobjektes wird allein in subjektivierter Sicht - auf der Grundlage der Vorstellung des Täters von seiner Tat (§ 22) - für die Abgrenzung des Vorbereitungs- vom Versuchsstadium, die Frage des unmittelbaren Ansetzens i. S. des § 22, herangezogen73 . Gleichwohl besteht auch beim untauglichen Versuch eine objektive Gefährdung, die sich jedoch nicht auf das Handlungsobjekt, sondern das Rechtsgut bezieht74: Denn die in der Betätigung des rechtsfeindlichen Willens liegende Mißachtung der Geltung des Rechtsgutes, das der Täter in einem bestimmten Rechtsgutsobjekt zu verletzen glaubt, stellt bereits eine objektive Gefährdung dieses Rechtsguts dar75 . Damit besteht bei jedem Versuch einer Straftat, auch beim untauglichen, stets eine objektive Gefährdung des geschützten Rechtsguts; beim tauglichen Versuch unter Umständen zudem zusätzlich eine Gefährdung des Handlungsobjektes. So kann unter diesem Aspekt jeder Versuch - tauglicher wie untauglicher - Indiz für die Gefährlichkeit des Rausches sein 76. Zum gleichen Ergebnis käme die Ansicht, die bei einem untauglichen Versuch nicht ein bestimmtes Rechtsgut, sondern den "allgemeinen Rechtsfrieden"77 als gefährdet ansieht - besteht dessen strafrechtlicher Schutz doch nur in dem Schutz aller durch das Strafrecht geschützten Rechtsgüter78. Mithin kann auch nach dieser Ansicht die Rauschtat Gefährlichkeitsindiz für den Vollrausch sein, da mit dem untauglichen Versuch der Rauschtat das Rechtsgut gefährdet wird, das § 323 a schützt: die Gesamtheit aller Rechtsgüter, der "Rechtsfrieden"79 .

So ausdrücklich etwa zuletzt BGH NStZ 1998, 347, 348; BGHSt 43, 177, 182. V gl. etwa S/S-Eser, § 22 Rn. 42 ff.; LK 10- Vogler, § 22 Rn. 54 ff. (Gefährdungsgedanke als bloßes Indiz der Unmittelbarkeit); Tröndlel Fischer49 , § 22 Rn. II m.w.N. der Rechtsprechung, zuletzt auch BGHSt 43, 177, 179 ff. 74 Zum wesentlichen Unterschied vgl. Sax, JZ 1976, 429, 432 sowie o. 6. Kapitel, II. I. 75 Sax, JZ 1976, 429, 432 f.; LK 10-Vogler, Vor 22 Rn. 53; S/S-Eser, Vorbem § 22 Rn. 22; ausführlich zu der Frage der Rechtsgutsgefährdung beim untauglichen Versuch nach der subjektiv-objektiven Versuchslehre Niepoth, S. 119 ff. m. w. N. 76 Daß durch die Rauschtat stets nur ein oder mehrere bestimmte Rechtsgüter geschützt werden, das Rechtsgut des Vollrauschtatbestandes jedoch komplexer als diese(s) ist (s.o. 6. Kapitel, II. 2.), wird sogleich noch erörtert werden, s. u. 6. Kapitel, III. 2. d) bb) (I). 77 Maurach/Gössel/Zipf, AT 2 7 , § 40 Rn. 135 a.E. 78 Vgl. hierzu o. 6. Kapitel, II. 2. 79 Vgl. hierzu o. 6. Kapitel, II. 2. 72

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19 Barthel

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6. Kap.: Rücktritt und Gefährlichkeit des Rausches/Rauschtäters

c) Der Rücktritt von der Rauschtat als Indiz für die geringere Gefährlichkeit Vor dem Hintergrund der Funktion der Rauschtat als Gefährlichkeitsindiz ist der Rücktritt von der versuchten Rauschtat nun verschiedentlich als ein Indiz für die geringere Gefährlichkeit des Rauschtäters betrachtet und damit zugleich versucht worden, die Anwendung der Rücktrittsvorschriften auf die Rauschtat und die daraus folgende strafbefreiende Wirkung teleologisch zu begründen. Domning, der den Gedanken erstmals entwickelt hat80, ging von der Annahme aus, die strafbefreiende Wirkung des Rücktritts beruhe auf der Präsumtion, daß der Täter seinen Tatplan nur deshalb nicht ausführe, weil sein "verbrecherischer Wille nicht intensiv genug" 81 sei. Diese Annahme übertrug Domning auf den Vollrauschtatbestand: Auch bei Zurechnungsunfähigen müsse "in solchen Fällen unwiderleglich vermutet werden, daß sie das betreffende Rechtsgut nur deshalb nicht verletzten, weil ihr Geisteszustand nicht so gefährlich war"s2 . Deshalb müsse der Rücktritt auch einen Zurechnungsunfähigen vor der Verhängung strafrechtlicher Sanktionen schützen.

Diese Begründung hat bislang nur im Schrifttum vereinzelt Zustimmung gefunden83 . Die Rechtsprechung hingegen hat sich ihr nicht angeschlossen, obwohl sie im Vollrauschtatbestand ein abstraktes Gefährdungsdelikt sowie in der Rauschtat ein Indiz der Gefährlichkeit sieht und zudem die strafbefreiende Wirkung des Rücktritts (zumindest auch) aus dem geringeren verbrecherischen Willen und der deshalb geringeren Gefährlichkeit des Täters ableitet84 .

d) Stellungnahme zu der rücktrittsbedingt geringeren Gefährlichkeit des Rauschtäters Jener Begründungsversuch h'at nur auf den ersten Blick etwas Schlüssiges und Überzeugendes; bei genauerer Betrachtung der zumeist nur auf einen oder wenige Sätze verkürzten Darstellungen zeigt sich jedoch eine Vielfalt von Unstimmigkeiten und Widersprüchen. Zunächst sei die Ansicht von der mit dem Rücktritt verbundenen "geringeren Gefährlichkeit" von Tat und Täter betrachtet; im Anschluß hieran ist die Frage zu untersuchen, ob sich 80 81

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84

s.o. 3. Kapitel, I. I. a). Domning, S. 69. Domning, S. 69. Blei, BT 12 § 94 IV; Mitsch, Jura 1989, 485, 489; Hogräfer, S. 103 f . BGHSt 9, 48, 52; 14, 75, 80; 37, 340, 345.

III. Der Rücktritt bei Annahme eines abstrakten Gefährdungsdeliktes

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die Argumente auch auf die Konstellation des Rücktritts von der versuchten Rauschtat übertragen lassen, ob sie es rechtfertigen, die strafbefreiende Wirkung des auf die versuchte Rauschtat bezogenen Rücktritts auf die Strafbarkeit wegen des vollendeten Vollrauschs zu erstrecken.

aa) Die geringere Gefährlichkeit des vom Versuch zurücktretenden Täters als Grund der Straffreiheit des Rücktritts Der gesetzgebensehe Grund der Straffreiheit des Rücktritts war und ist heftig umstritten 85 • Eine weitverbreitete Ansicht begründet die strafbefreiende Wirkung des Rücktritts mit dem durch ihn entfallenden Strafzweck. Der Rücktritt zeige, daß der verbrecherische Wille des Täters nicht so stark war, wie es zur Durchführung der Tat erforderlich gewesen wäre86 ; die im Versuch zunächst zum Ausdruck gekommene Gefährlichkeit des Täters erweise sich nachträglich als wesentlich geringer87 • Eine Strafe sei daher weder erforderlich, um den Täter für die Zukunft von Straftaten abzuhalten, noch, um andere abzuschrecken oder die verletzte Rechtsordnung wiederherzustellen88; mit dem Rücktritt entfalle sowohl das Strafbedürfnis als auch die Strafwürdigkeit des zurückgetretenen Täters89. Die Begründung selbst ist heftig umstritten90. Die Hauptkritikpunkte setzen hierbei unmittelbar am argumentativen Kernpunkt der Begründung an, dem geringeren verbrecherischen Willen und der geringeren Gefährlichkeit des Täters. So lasse sich vom Rücktritt des Täters nicht zwingend darauf schließen, dessen Tatentschluß habe von vomeherein eine geringere Intensität gehabt91 ; dieser könne vielmehr im Zeitpunkt des Versuchs durchaus stark genug gewesen sein92 . Auch und selbst der bei Begehung der Tat 85 Vgl. die zusammenfassenden Darstellungen bei S/S-Eser, § 24 Rn. 2-4; LK 10Vogler, § 24 Rn. 6-20; SK-Rudolphi, § 24 Rn. 2-5; umfassend Ulsenheimer, S. 33 ff. 86 So auch schon RGSt 14, 19, 23; obgleich das Reichsgericht seit RGSt 6, 341 ff. in st. Rspr. die Straffreiheit des Rücktritts mit der kriminalpolitischen Theorie von der "goldenen Brücke" begründete. 87 BGHSt 9, 48, 52; S/S-Cramer, § 24 Rn. 2 b. 88 BGHSt 9, 48, 52. 89 BGHSt 37, 340, 345 f. 90 Umfassend hierzu Ulsenheimer, S. 78 ff. 91 Lang-Hinrichsen, Engisch-FS, S. 353, 369 m.w.N.; so auch Bottke, S. 216: "Ein allgemeingültiges Naturgesetz, wonach ein Entschluß, den jemand ,ungehindert' aufgibt, von vomeherein nicht ,beharrlich genug' gewesen sein könne, gibt es nicht". Nach Munoz-Conde, ZStW 84 ( 1972) 756, 758 soll der verbrecherische Wille des Täters auch im Zeitpunkt des Rücktritts noch vorhanden sein können. 92 LK 10-Vogler, § 24 Rn. 14. 19•

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6. Kap.: Rücktritt und Gefährlichkeit des Rausches/Rauschtäters

noch fest entschlossene und von seiner Tat überzeugte Täter kann sich im zeitlichen Verlauf eines anderen besinnen und vom Versuch zuriicktreten. Dieses Umdenken des Täters ist gerade das Charakteristische und die Voraussetzung des Rücktritts. Ferner setzt die Versuchsstrafbarkeit subjektiv nur einen auf die vollständige Verwirklichung eines bestimmten Tatbestandes gerichteten Entschluß des Täters voraus. Das Vorliegen eines - noch dazu nicht meßbaren! - ein (un)bestimmtes Maß erreichenden verbrecherischen Willens ist dariiber hinaus nicht als eine zusätzliche oder besondere Voraussetzung der Strafbarkeit bekannt93 . - Wie aber soll das Fehlen einer die Strafbarkeit nicht konstituierenden Voraussetzung dieselbe ausschließen? Somit hat der die Straflosigkeit mitgründende Aspekt des "geringeren verbrecherischen Willens" bereits einen sehr zweifelhaften Ausgangspunkt, wirft eine Vielzahl von Fragen auf: etwa die, wie man den verbrecherischen Willen über das Vorliegen des stets erforderlichen Tatentschlusses hinaus überhaupt feststellt, welches Maß für die Strafwürdigkeit des Versuches erforderlich und wie dieses Quantum letztlich zu bestimmen ist. Der verbrecherische Wille des Täters ist im geltenden Strafrecht allein im Rahmen des § 46 Abs. 2 bei der Strafzumessung zu berücksichtigen94 . Dort wird er- neben anderen Umständen -bei der Festsetzung der schuldangemessenen Strafe innerhalb des Strafrahmens berücksichtigt; seine Geringfügigkeit kann die Strafe jedoch niemals ausschließen. Schließlich ist gegen die "geringere Gefährlichkeit" des zurücktretenden Täters noch der gravierende Einwand erhoben worden, ein nachträglicher Umstand wie der Rücktritt könne für die im Wege einer Prognose ex-ante zu bestimmende Gefährlichkeit nicht zur Folge haben, daß das Gefährlichkeitsurteil nachträglich zu revidieren sei. Die insoweit zentrale Ausführung des BGH, die Gefährlichkeit des Täters, "die im Versuch zunächst zum Ausdruck gekommen war, erweise sich nachträglich als wesentlich geringer"95, widerspreche daher eklatant den Begriffen der Gefahr und der Gefährlichkeit96, deren Vorliegen im Wege einer Prognose bestimmt wird.

Ulsenheimer, S. 81 m. Nachw. in Fn. 305. Zum Willen des Täters im Rahmen der Strafzumessung (dort oftmals: "kriminelle" oder "verbrecherische" Energie) etwa S/S-Stree, § 46 Rn. 16; SK-Horn, § 46 Rn. 115a; LK 11 -Gribbohm, § 46 Rn. 83 ff. 95 BGHSt 9, 48, 52 (Hervorhebung vom Verf.; C. 8.). 96 Lang-Hinrichsen, Engisch-FS, S. 353, 369 m. w. N. und dem "markanten Beispiel" v. Hippels in Fn. 45: "Hat jemand im Krieg im heftigsten Kugelregen gestanden und ist er unversehrt heimgekehrt, so wäre es in der Tat abwegig zu behaupten, er sei nicht gefährdet gewesen. Maßgebend ist, ob bei Betrachtung ex ante eine nahe Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schadens bestand. Dies wird dadurch, 93

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III. Der Rücktritt bei Annahme eines abstrakten Gefährdungsdeliktes

293

In der Tat ist es nicht verständlich, daß der Rücktritt die durch den Versuch begründete, d.h. im Zeitpunkt des Rücktritts existente Gefährlichkeit für das durch ihn angegriffene Rechtsgut und/oder Handlungsobjekt nachträglich vermindern können soll. Der Rücktritt beseitigt als Strafaufhebungsgrund allein die Rechtsfolge einer versuchten Straftat. Statt vieler Worte seien an dieser Stelle die pointierten Ulsenheimers zitiert: "Der freiwillige Rücktritt ändert nicht nachträglich die Vergangenheit, sondern wirkt als eine neue Tatsache in die Zukunft!"97 So kann der Rücktritt vom Versuch die bis dahin bestehende Gefährlichkeit keinesfalls mit Wirkung extune vermindern, sondern allenfalls mit Wirkung ex-nunc beenden. Davon unabhängig wird die behauptete "geringere Gefährlichkeit" des zurücktretenden Täters als solche bestritten, da der Rücktritt oftmals lediglich vom Zufall abhänge98 . In gleicher Weise wie auch schon beim "geringeren verbrecherischen Willen" würde sich zudem auch bei der "geringeren Gefährlichkeit" die Frage stellen, welches Maß für die Annahme eines strafwürdigen Versuches überhaupt vonnöten ist, in welchem Maß die Gefährlichkeit "minder" sein müßte, damit die mit dem Strafrecht verfolgten Zwecke nicht mehr angestrebt zu werden bräuchten. An dieser Stelle sollen die unterschiedlichen Ansichten nicht weiter verfolgt, die einzelnen Argumente und Gegenargumente nicht dargestellt und bewertet werden99 . Das würde ein umfangreiches und vertieftes Eingehen auf die Dogmatik von Versuch und Rücktritt erfordern, die beide nicht im Zentrum der Arbeit stehen. Im folgenden interessiert allein, ob sich jene Erklärung für die Straffreiheit des Rücktritts auch auf den Rücktritt von der versuchten Rauschtat im Rahmen des Vollrauschtatbestandes übertragen läßt. Für diese Frage jedoch soll der Ansicht von der geringeren Gefährlichkeit des zurücktretenden Täters gefolgt werden - ohne daß darin eine Anerkennung oder Zustimmung zu sehen ist.

daß ein Schaden ausblieb, nicht beseitigt"; LK 10 -Vogler, § 24 Rn. 14; Bottke,

s. 216 ff.

Ulsenheimer, S. 85. Jescheck/Weigend, AT5 , § 51 I 4. Etwas vorsichtiger Lackner/KühP 3 , § 24 Rn. 2, nach deren Ansicht sich der freiwillig Zurücktretende nicht in jedem Einzelfall, aber doch typischerweise als minder gefährlich erweise. Damit wird jedoch die Möglichkeit der Auswirkung des Rücktritts auf die Gefährlichkeit in Grundsatz anerkannt! 99 Vgl. hierzu etwa Ulsenheimer, S. 82 ff. 97

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6. Kap.: Rücktritt und Gefährlichkeit des Rausches/Rauschtäters

bb) Die geringere Gefährlichkeit des vom Versuch zurücktretenden Täters als Grund der Anwendbarkeit der Rücktrittsvorschriften auf die versuchte Rauschtat Der Umstand, daß jene Überlegungen sich allein auf eine versuchte Straftat konzentrieren und die Straffreiheit des Rücktritts vom Versuch begründen sollten, wird offensichtlich als unproblematisch angesehen. Die zahlreichen systematischen Unterschiede, wie etwa, daß die versuchte Rauschtat lediglich objektive Bedingung der Strafbarkeit im Rahmen des Vollrauschtatbestandes ist, und der Täter aus diesem - noch dazu vollendeten! Delikt, nicht aber wegen der versuchten Tat bestraft wird, sind nicht einmal erwähnt. Dies ist im folgenden nachzuholen: (I) Die Unterschiedlichkeil der beeinträchtigten Rechtsgüter

Den Ausführungen Domnings ist deutlich zu entnehmen, daß er sowohl bei der isolierten Betrachtung des Versuchs als solchem als auch bei Betrachtung des Versuches als Rauschtat im Rahmen des Vollrauschtatbestandes stets von ein und dem selben Rechtsgut ausgeht, nämlich dem unmittelbar durch den Versuch angegriffenen. So, wenn er etwa schreibt: "Auch bei Zurechnungsunfähigen muß in solchen Fällen unwiderleglich vermutet werden, daß sie das betreffende Rechtsgut nur deshalb nicht verletzten, weil ihr Geisteszustand nicht so gefährlich war" 100. Wie bereits erläutert 101 , kann das durch den Vollrauschtatbestand geschützte Rechtsgut nicht mit dem der Rauschtat identisch sein, sich nicht auf dieses reduzieren. Der Täter, der sich schuldhaft in einen Vollrausch versetzt, wird nach der Konzeption des § 323 a als abstraktes Gefahrdungsdelikt generell für alle Rechtsgüter gefährlich, nicht allein für das im Rauschzustand dann tatsächlich gefährdete oder sogar verletzte. Selbst wenn man nun mit der oben dargestellten Ansicht einmal annehmen würde, durch den Rücktritt erweise sich der Täter als "weniger gefahrlieh", würde sich dieses Urteil zunächst nur auf die durch den Versuch begründete Gefährlichkeit, und damit diejenige für das durch den Versuch angegriffene Rechtsgut, beziehen. Über die Gefährlichkeit des Täters für das durch § 323 a geschützte, umfassendere Rechtsgut wäre damit unmittelbar noch keine Aussage getroffen. Auch nach dem "Rücktritt" von einer versuchten Rauschtat kann der Täter in gleicher Weise wie zuvor für eine Vielzahl weiterer Rechtsgüter gefährlich sein, da der Grund seiner Gefahr100 IOI

Domning, S. 69 (Hervorhebung vom Verf.; C. 8 .). s.o. 6. Kapitel, II. 2.

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lichkeit, das Berauschtsein, regelmäßig nicht mit dem Rücktritt endet, sondern weiterhin fortbesteht 102 . Wenngleich der Gedankengang Domnings auch nicht zwischen dem komplexen Rechtsgut des Vollrauschtatbestandes und dem im Vergleich hierzu engeren der Rauschtat differenziert, so kann hierin jedoch kein Widerspruch gesehen werden. Vielmehr ist ihm sogar eine gewisse Konsequenz zu bescheinigen. Denn wenn nach der Konzeption der Rauschtat als Indiz für die Gefährlichkeit schon die Gefährdung auch nur eines einzelnen Rechtsguts ausreicht, um die Gefährlichkeit des Täters für sämtliche Rechtsgüter nachzuweisen, so ist es nur folgerichtig, bei der Feststellung der geringeren Gefährlichkeit in gleicher Weise ebenfalls auf das einzelne Rechtsgut abzustellen. Hinsichtlich der strafbegründenden Gefährlichkeit allein auf die Rauschtat, hinsichtlich der (sc. angeblich) strafbefreienden geringeren Gefahrliehkeil oder gar Ungefährlichkeil hingegen auf sämtliche Rechtsgüter abzustellen, wäre ein Widerspruch, zumal ein für den Täter nachteiliger. Aus dem selben Grunde verbietet sich auch eine gesetzessystematische Argumentation mit der Verortung des Delikts in dem mit "Gemeingefährliche Straftaten" betitelten 28. Abschnitt des Strafgesetzbuchs. Zum einen ist bereits zu bedenken, daß die als eine "konkrete Gefahr für eine unbestimmte Anzahl von Menschen oder zahlreiche Sachen von mindestens insgesamt hohem Wert" 103 verstandene gemeine Gefahr heute nur noch in § 323 c Tatbestandsmerkmal, die Überschrift des 28. Abschnitts insoweit zumindest mißverständlich ist 104 . Selbst wenn man jedoch den Aspekt der Gemeingefährlichkeit lediglich als ein gesetzgeberisches Motiv bei der Interpretation einiger Vorschriften des 28. Abschnitts im Auge behält 105 , 102 Anders in den Fällen, in denen der Täter erst nach Wiedereintritt der (mit Sicherheit feststellbaren) vollen oder verminderten Schuldfähigkeit von der versuchten Rauschtat zurücktritt. Wie bereits an anderen Stellen bereits angemerkt (s.o. 3. Kapitel, I. I. d (Hart/]; 2. c (Geisler]), ist diese Konstellation jedoch als eine Folgeproblematik nicht Gegenstand dieser Arbeit. 103 Tröndle/Fischer49 , § 243 Rn. 36 i.V. m. § 323c Rn. 3b. Deutlich jene eben erläuterte Repräsentanten-Funktion eines einzelnen Rechtsguts für die Gesamtheit aller bei dem Begriff der Gemeingefahr betonend LK 11 -Spendel, § 323 c Rn. 58: "Die Gemeingefahr betrifft nicht ein individuell bestimmtes Rechtsgut, sondern entweder einen unbestimmten einzelnen, der repräsentativ für die Allgemeinheit steht, oder eine unbestimmte Vielzahl oder bestimmbare Mehrzahl von Personen und Sachen oder schließlich Güter der Allgemeinheit." (Hervorhebung im Original, C. B.); ebenso SK-Horn, Vor § 306 Rn. 8. A.A. und stets für eine Gemeingefahr die Gefährdung einer größeren Anzahl von Menschenleben oder erheblicher Sachwerte für erforderlich haltend SIS-Cramer, Vorbem §§ 306 ff. Rn. 19. Zusammenfassend zum Begriff der gemeinen Gefahr Küper, BT3 , S. 136 f. 104 SK-Horn, Vor § 306 Rn. I a; Tröndlel Fischer49 , Vor § 306 Rn. I; SIS-Cramer, Vorbem §§ 306 ff. Rn. I.

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läßt sich nach erfolgtem Rücktritt von der Rauschtat die Strafbarkeit nicht mit der Gemeingefährlichkeit begründen, wenn diese zuvor allein durch die (versuchte) Rauschtat begründet bzw. bewiesen wurde. Jene angenommene Indizfunktion der Rauschtat ist streng von der Verwirklichung einer bestimmten rechtswidrigen Tat abhängig 106 und damit auch strikt an ein bestimmtes Rechtsgut gebunden. Würde - was im folgenden noch zu prüfen sein wird - durch den Rücktritt von der versuchten Rauschtat tatsächlich die Gefährlichkeit für das durch die Rauschtat geschützte Rechtsgut gemindert oder ausgeschlossen werden und diese Rauschtat infolgedessen als "Gefährlichkeits-Indiz" ausscheiden, so müßte eine andere im Rausch begangene Tat vorliegen, um den Vollrausch als gefährlich zu kennzeichnen. Als ein Zwischenresümee läßt sich demnach festhalten: Erblickt man den Grund der Straffreiheit des Rücktritts (zumindest auch) in der in ihm zum Ausdruck kommenden geringeren Gefährlichkeit des zurücktretenden Täters, und sieht man zugleich in der Rauschtat (zumindest auch) ein Indiz für die Gefährlichkeit, so steht der Umstand, daß die Rauschtat lediglich ein bestimmtes Rechtsgut, der Vollrauschtatbestand hingegen sämtliche Rechtsgüter schützt, der Überlegung nicht entgegen, die strafbefreiende Wirkung des Rücktritts auf die Strafbarkeit wegen Vollrauschs zu erstrekken. (2) Der Bezugspunkt des verbrecherischen Willens In der Entscheidung des BGH, welche die Straffreiheit des Rücktritts erstmals mit dem Wegfall des Strafzwecks begründete, wurde als ein Argument hierfür angeführt, durch den freiwilligen Rücktritt vom Versuch zeige sich, "daß der verbrecherische Wille nicht so stark war, wie es zur Durchführung der Tat erforderlich gewesen wäre" 107• Wenngleich jener "verbrecherische Wille" - ein beliebtes, da sehr vages Argument - weder inhaltlich exakt bestimmbar und meßbar ist, so wird in jenem letzten Halbsatz 105 So allgemein für die Delikte des 28. Abschnitts Wessels!Hettinger, BT23 , Rn. 949. Da der Begriff der Gemeingefahr jedoch zumeist eine konkrete Gefahr voraussetzt, könnte der Aspekt der Gemeingefährlichkeit überhaupt nur dann Berücksichtigung finden, wenn man § 323 a als ein konkretes Gefährdungsdelikt auffaßt. So wird der Begriff des "gemeingefährlichen" Rausches bzw. Rauschtäters denn auch nur von Vertretern jener Auffassung verwendet, so insbesondere von Lange, s. o. 2. Kapitel, II. 2b) aa) (1). Gleichwohl eröffnete sich eine Möglichkeit der Berücksichtigung der gemeinen Gefahr, wenn man nicht auf die konkrete Gemeingefahr, sondern die abstrakte Gemeingefährlichkeit abstellen würde. 106 s. den obigen Hinweis auf § 323 Abs. 2, 3 in Fn. 54. 107 BGHSt 9, 48, 52.

III. Der Rücktritt bei Annahme eines abstrakten Gefährdungsdeliktes

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zumindest zweierlei deutlich: zum einen, daß er sich stets auf die Verwirklichung eines bestimmten Delikts bezieht, und damit keine abstrakte Größe ist, zum anderen eine erforderliche Größenordnung, ein Kriterium für das Mindesterfordemis, das zur Durchführung einer Straftat notwendige Maß. Ungeachtet der mit dem "verbrecherischen Willen" zusammenhängenden Fragen 108 ist jedoch deutlich, daß sich dieses Kriterium der Straffreiheit des Rücktritts vom Versuch nicht auch auf den Vollrauschtatbestand übertragen läßt. Denn sollte der von der Rauschtat zurücktretende Täter tatsächlich auch das bleibe ausdrücklich dahingestellt! - einen verbrecherischen Willen haben, der für die Durchführung der Rauschtat nicht ausreichend ist, so kann man dies hinsichtlich des verbrecherischen Willens zur Verwirklichung des Vollrauschtatbestandes ersichtlich nicht sagen. Denn, wie immer man den verbrecherischen Willen des Täters auch definieren mag, so hat er jedenfalls zur Verwirklichung des gesamten Tatbestandes des § 323 a ausgereicht. Wenn der Täter im Falle des freiwilligen Rücktritts von der versuchten Tat nicht bestraft werden soll, weil sein "verbrecherischer Wille" zur Durchführung der Tat nicht ausreichend war, so läßt sich die Erstreckung der strafaufhebenden Wirkung des Rücktritts auf den vollendeten Vollrauschtatbestand mit dieser Begründung nicht übertragen. (3) Rückwirkung des Rücktritts von der Rauschtat auf die vorherige Gefährlichkeit Bei der Berücksichtigung des Rücktritts von der versuchten Rauschtat unter dem Aspekt der geringeren Gefahrliehkeil tritt zu dem bereits festgestellten, in der Bewertung der tatsächlichen Gefährlichkeit der einzelnen Handlung unter Beachtung konkreter Umstände des Einzelfalles liegenden Widerspruch zum Wesen der abstrakten Gefahrdungsdelikte ein weiterer hinzu. Versteht man die Begriffe Gefahr und Gefährdung mit der Rechtsprechung und h. M. als Zustände naheliegender Schadenseintritte, die im einen Fall im Wege der Prognose in jedem Einzelfall festzustellen, im anderen Fall vom Gesetzgeber abstrakt-generell bewertet und damit entschieden sind 109 , so verbietet sich eine diese Prognose nachträglich korrigierende Berücksichtigung späterer Ereignisse, sind Gefahr und Gefährlichkeit ausschließlich aus der Perspektive ex-ante zu bestimmen.

108 109

s. o. 6. Kapitel, III. 2. d) aa) (S. 292). s.o. 6. Kapitel, I. I. u. 2.

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6. Kap.: Rücktritt und Gefährlichkeit des Rausches/Rauschtäters

Hiergegen verstößt jene Ansicht, die vom Rücktritt von der versuchten Rauschtat auf eine geringere Gefährlichkeit des Sichberauschens schließen will, gleich in doppelter Weise: indem sie zunächst vom Rücktritt auf die Gefährlichkeit der diesem vorangehenden Versuchshandlung, und hieran anschließend von der geringeren Gefahrlichkeit des Versuchs auf die des wiederum zeitlich vorangehenden Sichberauschens schließt. Von den beiden gleichermaßen bedeutsamen Fragen, ob die Rauschtat die Gefährlichkeit des Sichberauschens indizieren oder gar beweisen kann, und der weiteren, ob der Rücktritt von der versuchten Rauschtat diese Wirkung wieder rückgängig machen kann, ist hier - wie an anderer Stelle bereits erwähnt 110 - nur die letztere zu erörtern. So bleibt allein zu beantworten, ob der Umstand, daß sich eine ex-ante als schadensbringend beurteilte Verhaltensweise entgegen dieser Prognose später tatsächlich anders (nämlich positiver!) entwickelt, auf die Gefährlichkeit rückwirkend von Einfluß ist, das frühere Urteil revidieren kann. Das wird - abgesehen von dem hier interessierenden Fall des Rücktritts von der versuchten Rauschtat - ganz überwiegend verneint: Ein als gefährlich eingeschätztes Verhalten werde nicht dadurch rückwirkend zum ungefährlichen, daß sich der prognostizierte Schadensfall nicht realisiert 111 • Selbst Spende/, der die Gefahrliehkeil des Sichberauschens ausschließlich durch die von ihm als eine unwiderlegliche Beweistatsache verstandene Rauschtat nachträglich feststellen will 112, muß einräumen, daß dadurch ein ex-ante gesehen gefährlich erscheinendes Verhalten nicht nachträglich wegen der ausgebliebenen Verletzung für ungefährlich erklärt werden kann, weil das eine Aufhebung des Gefahrbegriffes bedeuten würde 113 • Somit kann der Rücktritt von der versuchten Rauschtat, selbst wenn man ihn als gefahrmindernd oder -ausschließend 114 erachten würde, die vorher festgestellte Gefährlichkeit des Sichberauschens nicht ungeschehen machen. Wer wollte ernsthaft behaupten, der Täter, der - wie in der neuesten Entscheidung des 5. Strafsenats 115 - im Zustand des selbstverschuldeten Rausches mit einer automatischen Selbstladekurzwaffe von seinem Balkon aus mehrfach mit bedingtem Tötungsvorsatz auf einen Menschen geschossen hatte und das Schießen mit einer Patrone im Patronenlager beendete, sei ungefährlich gewesen? s.o. 6. Kapitel, III. 2. a). Junge, S. 71 ff.; Cramer, Vollrauschtatbestand, S. 82 ff.; Kusch, Vollrausch, S. 70 f. ; Kaufmann, JZ 1963, 425, 431 ; Brehm, S. 145; vgl. ferner o. Fn. 96. 112 s.o. 2. Kapitel, II. 3. a). 113 LK 11 -Spende/, § 323 a Rn. 60. 114 Zum wesentlichen Unterschied sogleich im Anschluß unter (5). 115 BGH NStZ-RR 1999, 8, zum Sachverhalt s. o. I. Kapitel, li. I. d). 110 111

III. Der Rücktritt bei Annahme eines abstrakten Gefährdungsdeliktes

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Der Rücktritt von der versuchten Rauschtat vermag eine bestehende Gefahrensituation allenfalls zeitlich zu beenden, niemals jedoch die Gefährlichkeit des Sichberauschens rückwirkend aufzuheben 116. (4) Gefahrrelevanz des Rücktritts bei einer "Gesamtbetrachtung" Gegen eine isolierte, "atomisierende Betrachtungsweise" 117 von Versuch und Rücktritt hat sich die in den Jahren 1968 und 1969 von Lang-Hinrichsen im Anschluß an v. Hippel 118 wieder aufgegriffene "Gesamtbetrachtungslehre" gewandt. Im strikten Gegensatz zu dem Trennungsprinzip der h. M., das den Versuch als strafbegründend und den Rücktritt von diesem als strafaufhebend, mithin als einen Strafaufhebungsgrund versteht, will jene Ansicht, sich von der psychologisch-naturalistischen Betrachtungsweise lösend, Versuch und Rücktritt als eine Wertungseinheit verstanden wissen 119• Die Grundlage hierfür bildet ein normativ erweiterter, über die Verwirklichung der einzelnen Tatbestandsmerkmale hinausgehender Tatbegriff, der auch Umstände und Verhaltensweisen umfaßt, die der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes vorangehen, sie begleiten oder ihr - wie der Rücktritt - nachfolgen 120. Beim Rücktritt vom Versuch sei dieser lediglich ein Fragment des Ganzen, werde der volle Wert und Sinngehalt des gesamten Täterverhaltens 116 Nicht nachvollziehbar ist, wie Domning zunächst die Anwendbarkeit von Strafaufuebungsgründen auf die mit Strafe bedrohte Handlung mit der Begründung verneint, daß Umstände, die erst nach Ausführung der Handlung eintreten, auf die zur Zeit der Tat vorhandene Gefährlichkeit des Zurechnungsunfähigen keinerlei Einfluß ausüben können (S. 67 f.), und unmittelbar anschließend hieran dem Rücktritt eine "Sonderbehandlung" einräumt (S. 69), obgleich auch dieser erst nach Ausführung der tatbestandliehen Handlung eintritt. Domnings Begründung jener "Sonderbehandlung" mit kriminalpolitischen Erwägungen vermag jenen Widerspruch nicht aufzulösen. 117 l.ang-Hinrichsen, Engisch-FS, S. 353, 373. 118 v. Hippe/, Untersuchungen über den Rücktritt vom Versuch ( 1966). Im Gegensatz zu der Ansicht von l.ang-Hinrichsen integrierte v. Hippe/ - historischen gesetzlichen Vorbildern folgend (s. o. 5. Kapitel, Fn. 10) - den Rücktritt in der Weise in den Versuchstatbestand, daß er den freiwilligen Rücktritt als ein negatives Merkmal des Versuchs verstand, a. a. 0., S. 58 ff.; 68 ff. 119 l.ang-Hinrichsen, Engisch-FS, S. 353, 366 ff., 370 ff.; ders., JR 1968, 278, 279. Der Grundgedanken hat bis in letzter Zeit verstärkt Anhänger gefunden: SKRudolphi, § 24 Rn. 5; Roxin, Kriminalpolitik, S. 35 f.; Ulsenheimer, S. 88 ff.; Schmidhäuser, AT, 15/74 f. (der den Rücktritt gleichwohl als Strafaufhebungsgrund bezeichnet!); Rudolphi, ZStW 85 (1973) 104, 120; Mufioz-Conde, GA 1973, 33, 40; Eser/Burkhardt, StrafR II 3 , Nr. 32, A 22. 120 l.ang-Hinrichsen, JR 1968, 278, 279; ders., Engisch-FS, S. 353, 366 ff.

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6. Kap.: Rücktritt und Gefährlichkeit des Rausches/Rauschtäters

nur dann richtig erfaßt, wenn "der dynamische Vorgang der freiwilligen Transformation eines zunächst gegen ein Rechtsgut gerichteten und betätigten Willens in einen rechtstreuen Willen, der auf die Verhinderung der Rechtsgutsverletzung gerichtet ist" 121 , die vollständige Bewertungsgrundlage bilde. Fraglich ist nur 122, ob sich eine solche Gesamtbetrachtung von Rücktritt und Rauschtat in irgendeiner Weise auf die Gefährlichkeit des Rauschtäters und damit die Strafbarkeit nach § 323 a auswirken kann. Hiervon geht offensichtlich Spende/ aus, ohne jene Ansicht ausdrücklich zu erwähnen. So begründet er die Anwendbarkeit der Rücktrittsvorschriften auf die versuchte Rauschtat damit, "die Rauschtat sei hier also als Ganzes, nicht nur als Diebstahlsversuch, sondern auch als ,Rücktritt' zu betrachten und zu bewerten"123. Auf diese Weise soll im Wege einer ex-post-Beurteilung die Rauschgefahr ausgeschlossen werden 124• Liest man die Ausführungen von Lang-Hinrichsen aufmerksam, so ist das aber offensichtlich zu verneinen. Denn jene Gesamtbetrachtung von Versuch und Rücktritt dient ausschließlich der Beurteilung der Strafwürdigkeit und Strafbedürftigkeit des Verhaltens des freiwillig vom Versuch zurücktretenden Täters 125 , mit deren Fehlen dessen Straffreiheit begründet wird. Lang-Hinrichsen, Engisch-FS, S. 353, 371. Zur grundsätzlichen und umfassenden Kritik an jener Gesamtbetrachtungslehre Burkhardt, S. 114 ff.; Walter, S. 26 ff. (insbes. gegen den normativen Gesamttatbegriff). Gegen die Tauglichkeit jener Ansicht zur Begründung der Straffreiheit, da sie den Rücktritt eher als einen Strafzumessungsaspekt sieht, etwa LK 10- Vogler, § 24 Rn. 16; Jescheck!Weigend, AT5 , §51 I 5. Kurz angemerkt sei lediglich, daß eine strafaufhebende Wirkung des Rücktritts heute allein aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 24 Abs. I Satz 2 (" . .. wird er straflos, wenn .. .") nicht bestritten werden kann, und daß ferner jene Gesamtbetrachtung mit der gesetzgeberischen Entscheidung für eine Trennung von Versuch und Rücktritt (vgl. o. 5. Kapitel, Fn. I 0) schwerlich vereinbar sein dürfte (a. A. insoweit LK 10- Vogler, § 24 Rn. 15 a. E.; Burkhardt, S. 107 m. w. N.). Lang-Hinrichsen selbst mißt jener Änderung der gesetzlichen Regelungstechnik zwar eine grundsätzliche Bedeutung bei, jedoch in der Meinung, sie mache allein die Ansicht v. Hippels (s.o. Fn. 118) mit dem Gesetz unvereinbar (a. a. 0 ., S. 367 in Fn. 37). 123 LK 11 -Spendel, § 323a Rn. 220 a.E.; ähnlich auch schon Cramer, JuS 1964, 360, 364, der das Verhalten des Rauschtäters "insgesamt" würdigen will. 124 LK 11 -Spendel, § 323 a Rn. 220 a. E. Die Aussage ist mit der früheren, daß durch eine Ex-post-Betrachtung freilich ein anfänglich, d.h. ex ante gesehen gefährlich erscheinendes Verhalten nicht nachträglich wegen der ausgebliebenen Verletzung für ungefährlich erklärt werden dürfe, weil dies eine Aufhebung des Gefahrbegriffs bedeuten würde (a. a. 0., Rn. 60), unvereinbar. 125 Lang-Hinrichsen, Engisch-FS, S. 353, 371 , 372, 373; ders., JR 1968, 278, 279; ebenso ausdrücklich SK-Rudolphi, § 24 Rn. 5; Ulsenheimer, S. 88 ff.; Schmidhäuser, AT, 15/74 f. ; Rudolphi, ZStW 85 (1973) 104, 120. 121

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III. Der Rücktritt bei Annahme eines abstrakten Gefährdungsdeliktes

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So kompensiere bei einer wertenden Gesamtbetrachtung weder das spätere Verhalten das frühere, noch lasse es dies nachträglich in einem anderen Lichte erscheinen. Das nachträgliche Hinzutreten des Positiven verleihe dem Gesamtverhalten lediglich einen neuen Aspekt der Wertung; beide Verhaltensweisen erscheinen sozusagen als negative und positive Punkte einer Bilanz, die bei der Gesamtbewertung zu einem anderen Ergebnis hinsichtlich der Strafwürdigkeit führen 126• Aus einer solchen Gesamtbetrachtung ergibt sich also gerade nicht worauf ausdrücklich hingewiesen wird - eine nachträgliche Veränderung des negativen Verhaltens (Versuch) durch das positive (Rücktritt). Der Versuch, die im Versuch einer Straftat liegende Gefährlichkeit durch den Rücktritt nachträglich zu verneinen, wird gar nicht unternommen, so daß auch die Gesamtbetrachtung keine rückwirkende Gefahrrelevanz des Rücktritts für das vorangegangene Sichberauschen begründet oder auch nur begründen will. (5) Bloße Minderung der Gefahrlichkeit, kein Ausschluß derselben

Zuletzt spricht gegen die Argumentation der rücktrittsbedingten geringeren Gefahrlichkeit auch schlichtweg ihre fehlende SchlüssigkeiL Die abstrakten Gefährdungsdelikte setzen eine generell gefährliche Verhaltensweise voraus. Bestimmte Gefährlichkeitskategorien, -klassen oder -grade, wie etwa ein sehr, durchschnittlich oder nur gering gefährliches Verhalten, sind hierbei zwar tatsächlich möglich, jedoch ohne rechtliche Relevanz. Daher gibt es auch keine Stufe, unterhalb derer ein Verhalten wegen (zu) geringer Gefährlichkeit nicht strafbar wäre. Die Gefährlichkeit des von der Rauschtat zurücktretenden Täters wird jedoch von der oben dargestellten Argumentation nicht einmal bestritten, lediglich als "geringer" bezeichnet. Die tatsächlich möglichen und auch vorkommenden Abs.tufungen können neben einer Vielzahl anderer Umstände im Rahmen der Strafzumessung Berücksichtigung finden (§ 46 Abs. 2). Eine strafausschließende Wirkung einer "geringsten GeHihrlichkeitsstufe" kennt das Strafgesetzbuch grundsätzlich nicht. Eine Ausnahme bietet das geltende Recht allein in der "Minimaklausel" des § 326 Abs. 6 127 . Sie macht die dogmatisch umstrittene Straffreiheit von ganz bestimmten Voraussetzungen abhängig und ist auch im Umweltstrafrecht auf den Straftatbestand des unerlaubten Umgangs mit gefährlichen Abfällen beschränkt. § 326 Abs. 6 dokumentiert die Notwendigkeit einer Lang-Hinrichsen, Engisch-FS, S. 353, 372. Vgl. zu dieser etwa LK 11 -Steindoif, § 326 Rn. 144 ff.; Wessels/Hettinger, BT 123 , Rn. 1089. 126 127

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6. Kap.: Rücktritt und Gefährlichkeit des Rausches/Rauschtäters

gesetzlichen Regelung für einen Ausschluß der Strafbarkeit; der deutliche Ausnahmecharakter verbietet jegliche entsprechende Anwendung 128 . Jede ohne eine solche gesetzliche Regelung angenommene Straflosigkeit wegen geringer Gefährlichkeit ist damit nicht mehr Anwendung des geltenden Gesetzes, sondern die Anmaßung einer Gesetzgeberstellung und -macht, die weder dem Schrifttum noch der Rechtsprechung zusteht. Ergänzend sei nur erwähnt, daß ein - wie auch immer systematisch einzuordnender - Strafausschließungsgrund der "geringen" Gefährlichkeit zum einen nicht auf den Straftatbestand des § 323 a und die Konstellation des Rücktritts von der versuchten Rauschtat bei diesem beschränkt werden könnte, sondern für alle abstrakten Gefährdungsdelikte gelten müßte. Zum anderen würde ein solcher Grund infolge seiner Unbestimmtheit der Quell erheblicher Rechtsunsicherheit sein. cc) Resümee

Selbst wenn man im Rücktritt vom Versuch eine letztlich geringere Gefährlichkeit des Täters oder der Tat erblickt und damit über das Wegfallen des Strafzweckes mittelbar die Straffreiheit des Rücktritts begründet, so läßt sich mit dieser Argumentation eine Anwendung der Rücktrittsvorschriften auf die versuchte Rauschtat und die damit verbundene Übertragung der strafaufhebenden Wirkung auf die durch die Verwirklichung des bereits vollständig verwirklichten Vollrauschtatbestandes gegebene Strafbarkeit nicht begründen. Jene Argumentation ist dabei zu sehr unmittelbar auf den Versuch der Straftat bezogen und fixiert, als daß sie sich auf die versuchte Rauschtat im Rahmen des vollendeten Vollrauschtatbestandes übertragen ließe. Ein der tatbestandliehen Handlung nachfolgendes Ereignis vermag deren Gefährlichkeit nicht rückwirkend entfallen zu lassen, zu annullieren. Dies ohnehin dann nicht, wenn es die Gefährlichkeit nur vermindert, nicht aber ausschließt. So bleibt am Ende dieses Abschnitts festzuhalten, daß der Rücktritt von der versuchten Rauschtat mit dem Deliktscharakter des Vollrauschtatbestandes als einem abstrakten Gefährdungsdelikt grundsätzlich nicht vereinbar ist, da die generelle Gefährlichkeit des Sichberauschens durch ihn nicht (rückwirkend) entfällt. Das gilt selbst dann, wenn man in der Rauschtat ein Indiz für die Gefährlichkeit der Tatbestandsverwirklichung sieht.

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LK 11 -Steindorf, § 326 Rn. 149 ff.; Wesse/si Hettinger, BT 12 3 , Rn. 1089.

IV. Der Rücktritt bei Annahme eines konkreten Gefährdungsdeliktes

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IV. Der Rücktritt von der versuchten Rauschtat bei Annahme eines konkreten Gefährdungsdeliktes Obgleich die Annahme eines konkreten Gefährdungsdeliktes weder mit der historischen Auslegung des Vollrauschtatbestandes vereinbar ist 129, noch in seinem Wortlaut eine Stütze findet, sei - der Vollständigkeit der Untersuchung wegen- auch auf die Frage eingegangen, wie sich der Rücktritt von der versuchten Rauschtat mit der Annahme eines konkreten Gefährdungsdeliktes vereinbaren würde. Auch insoweit sei nach den unterschiedlichen Begründungen differenziert. Soweit die Vertreter dieser Ansicht in der Rauschtat ein Indiz für die Gefährlichkeit des Rausches sehen 130, kann in vollem Umfang auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden, da insoweit ein argumentativer Unterschied nicht besteht, die eben geäußerte Kritik also in gleicher Weise greift.

1. Die besondere Gefährlichkeit des Rauschtäters Die ursprüngliche, auf Kohlrausch zurückgehende Ansicht 131 fand die konkrete Gefährlichkeit eines "gemeingefährlichen" Sichbetrinkens ausschließlich in der Psyche des Täters und verlangte für ein "konkret gemeingefahrliches" Sichberauschen, daß der Täter (objektiv) die Neigung habe, im Rausch strafbare Handlungen zu begehen und (subjektiv) um diese seine Neigung wisse oder fahrlässig nicht wisse. Der Vollrauschtatbestand sei daher auf den "Tätertyp des im Rausch Gemeingefahrlichen" beschränkt. Da hiernach der entscheidende, d. h. für die Annahme einer konkreten Gefahr relevante Aspekt jene Neigung des Täters ist, im Rausch strafbare Handlungen zu begehen, nicht aber diese Taten selbst, zeigt sich, daß der Rücktritt von der versuchten Rauschtat auch nach dieser Ansicht keinerlei Bedeutung für das Vorliegen einer konkreten Gefahr haben kann. Denn es soll nicht die ggf. erst später unmittelbar durch die Rauschtat geschaffene Gefahr (sc. auf die sich das Verschulden des Täters anders als bei der alic ja nicht erstreckt), sondern die durch das Zusammentreffen des Sichberauschens des Täters mit seinen Neigungen begründete sein; beides zusammen soll einen Schadenseintritt nahelegen. Hierfür ist es jedoch ohne jede Bedeutung, ob der Täter in dem zu beurteilenden Einzelfall eine Rauschtat s.o. 4. Kapitel, V. I. b). So etwa Kohlrausch, Lange, Dollinger, Uhse, s. o. 2. Kapitel, II. I b) bb), mit Nachw. in Fn. 32. 131 s. o. 2. Kapitel, II. 2. b) aa) (I). 129

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6. Kap.: Rücktritt und Gefährlichkeit des Rausches/Rauschtäters

vollendet oder nur versucht hat, und ob er im letzteren Falle vom Versuch zurückgetreten ist. Daß die im Rausch verwirklichte Tat für die konkrete Gefahr nicht von Relevanz ist, ergibt sich aus folgenden Erwägungen: zum einen wird die Rauschtat überhaupt nur mittelbar berücksichtigt, nämlich als Gegenstand der Täterneigung; zum anderen sind die Taten, zu denen der Täter im Rausch neigt, stets nur abstrakte Größen, die im Rausch verwirklichte Tat hingegen ist ein Konkretum. Neigt ein Täter etwa dazu, in berauschtem Zustand Menschen mit gefährlichen Werkzeugen zu verletzen (§ 224 Abs. 1 Nr. 2), so ist die gefährliche Körperverletzung lediglich eine Deliktskategorie, eine abstrakte Beschreibung der Art von Taten, zu denen der Täter im Rausch tendiert. Erst dann, wenn sich die Neigung im Rausch auch realisiert, der Täter den gesetzlichen Tatbestand rechtswidrig verwirklicht, liegt eine bestimmte gefährliche Körperverletzung als Rauschtat vor. Da sich der Rücktritt vom Versuch nun ausschließlich auf die konkret versuchte Rauschtat bezieht, ist er für jene Neigungen des Täters ohne Bedeutung. Ob der Rücktritt von der versuchten Rauschtat die Gefährlichkeit des Täters im Rausch mindernd oder ausschließend beeinflussen könnte, ist nach jener Ansicht daher letztlich ohne Belang. Deutlich wird das auch daran, daß der Täter nicht im Rausch gefährlich sein, sondern nur allein dem "Tätertyp des im Rausch Gemeingefährlichen" entsprechen muß, d. h. nur die generelle, typische Rauschgefährlichkeit, nicht aber die im konkreten Fall tatsächliche erforderlich ist. Berauscht sich demnach ein Täter, der die Neigung hat, im Rausch strafbare Handlungen zu begehen, in der gesetzlich beschriebenen Weise, so besteht die von jener Ansicht für erforderlich gehaltene konkrete Gefahr bereits mit dem Sichberauschen, d. h. unabhängig von der Begehung der Rauschtat Daß diese durch den Rücktritt von der versuchten Rauschtat nicht rückwirkend aufgehoben wird, wurde bereits erläutert. Eine abschließenden Überlegung: Nach der Deutung des § 323 a als konkretes Gefährdungsdelikt käme man allein dann zur Straflosigkeit des Täters, wenn der Rücktritt von der versuchten Straftat als rückwirkend gefahrausschließend zu betrachten wäre und gleichzeitig der Täter die Neigung hätte, im Rauschzustand nur versuchte Straftaten zu begehen und von diesen stets freiwillig zurückzutreten. Die Lebensfremdheit dieser Konstruktion bedarf keiner Erläuterung.

IV. Der Rücktritt bei Annahme eines konkreten Gefährdungsdeliktes

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2. Die besondere Gefährlichkeit des Sichberauschens, des Rausches Nach der ebenfalls eine konkrete Gefahr voraussetzenden, deren Ursprung jedoch weiter fassenden Ansicht soll die durch das Sichberauschen geschaffene konkrete Gefahr nicht nur auf die Täterpsyche und -neigung zurückführbar sein, sondern auch aus den besonderen, gefahrbegründenden Umständen des Sichberauschens resultieren 132, damit nicht nur persönlichkeits-, sondern auch tat- und situationsgebunden sein können. Die für erforderlich gehaltene konkrete Gefahr wird danach im Sichberauschen in einer gefahrträchtigen Situation unter Umständen gesehen, welche die konkrete Möglichkeit der Begehung von Straftaten irgendwelcher Art begründen. Was hiervon ausgehend gegen eine Berücksichtigung des Rücktritts von der versuchten Rauschtat spricht, hat Ranft kurz und überzeugend zusammengefaßt133: "Der Rücktritt von der Rauschtat ist keineswegs gleichzusetzen mit einem ,Rücktritt' von der schuldhaften Herbeiführung der Gefahr, die in der Berauschung liegt. Diese Gefahr hat sich auch im Versuch der Rauschtat bereits realisiert. Der Rücktritt ist aber persönlicher Strafaufhebungsgrund, der das Unrecht, das in der Gefährdung des Angriffsobjekts liegt, grundsätzlich unberührt läßt.'" 34 Dem ist im Ergebnis nichts hinzuzufügen. Inhaltlich ist nur insoweit zu widersprechen, als primär auf die durch die Rauschtat begründete konkrete Gefahr abgestellt wird, die jedoch, da nicht vom Verschulden des Täters umfaßt, nicht die für § 323 a als konkretes Gefährdungsdelikt relevante sein kann. Vom Standpunkte Ranfts aus ist das jedoch kein Widerspruch, da er die Rauschtat nicht als die bestimmte im Sinne der tatsächlich verwirklichten (mittelbar) in den Tatbestand mit einbezieht, sondern sie stets nur als "irgendeine" rechtswidrige Tat betrachtet, d.h. mit einem generalisierenden Maßstab. Folglich ist nicht die konkrete Gefährdung eines bestimmten s.o. 2. Kapitel, II. 2. b) aa) (2). Sc. obgleich er sich im Ergebnis dann doch für eine entsprechende Anwendung der Rücktrittsvorschriften ausspricht! Da Ranft das allein mit der im Rücktritt zum Ausdruck kommenden geringeren Gefährlichkeit und Strafwürdigkeit des verbrecherischen Willens begründet, und allein aufgrund dessen die entsprechende Anwendung der Rücktrittsvorschriften für "system- und sachgerecht" hält (MDR 1972, 737, 743; JA 1983, 239, 243), also genau die bekannten Argumente derer heranzieht, die im Vollrauschtatbestand ein abstraktes Gefährdungsdelikt sehen, erübrigt sich ein weiteres Eingehen auf diese Argumentation. Zur (u. a.) von Ranft vertretenen lediglich entsprechenden Anwendung der Rücktrittsvorschriften s. sogleich im 7. Kapitel. 134 Ranft, JA 1983, 239, 243. 132 133

20 Barlhcl

306

6. Kap.: Rücktritt und Gefährlichkeit des Rausches/Rauschtäters

Rechtsguts entscheidend, sondern die Gefährdung irgendeines Rechtsguts das Kriterium 135 . Der Rücktritt von der versuchten Rauschtat ist damit auch nach dieser "Lesart" des § 323 a nicht mit dessen systematischen Deliktsnatur als einem konkreten Gefährdungsdelikt vereinbar. Denn die durch das Sichberauschen unter besonderen, gefahrbegründenden Umständen geschaffene konkrete Gefahr wird durch den späteren Rücktritt von der Rauschtat nicht berührt. Auch wenn man entscheidend auf die durch die Rauschtat begründete Gefahr abstellen und dem Rücktritt insoweit Relevanz zusprechen wollte was nach der hier vertretenen Ansicht beides abgelehnt wird - so würde dies nichts anderes bedeuten als die Beendigung einer konkreten Gefahr. Eine jede Gefahr endet jedoch einmal; das aber ist für die bereits entstandene Strafbarkeit ohne Belang. Selbst wenn man also hinsichtlich der Gefahr auf den Versuch der Rauschtat abstellen würde, auf den sich das Rücktrittsverhalten unmittelbar bezieht, so ergäbe sich unter dem Aspekt des konkreten Gefährdungsdeliktes keine Straffreiheit des Täters.

V. Der Rücktritt von der versuchten Rauschtat bei Annahme eines abstrakt-konkreten Gefährdungsdeliktes - zugleich zur Ansicht Cramers Der Vollrauschtatbestand ist in sämtlichen einschlägigen Abhandlungen und Veröffentlichungen über die abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikte 136 nicht als ein solches angesehen worden 137 • Wenn hier gleichwohl auf jene Deliktskategorie einzugehen ist, so aufgrund der Ausführungen und der Terminologie Cramers. Für die abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikte ist die generelle Gefährlichkeit der tatbestandliehen Handlung entscheidend, die - anders als bei den abstrakten Gefährdungsdelikten - nicht nur gesetzgeberisches Motiv, sondern normatives Tatbestandsmerkmal und daher in jedem Einzelfall festzustellen ist. Ein zwar weder hinreichender noch notwendiger, gleichwohl jedoch zentraler Begriff ist hierbei derjenige der "Eignung" 138 : Die tatbe135 Aus diesem Grunde auch die Bezeichnung konkretes Gefährdungsdelikt "besonderer Art", s.o. 2. Kapitel, II. 2. b) aa) (2). 136 s.o. 6. Kapitel, I. 3. mit den dort angegebenen Hinweisen zum Schrifttum. Zur Terminologie vgl. o. Fn. 30. 137 Insbes. auch die umfassenden, zahlreiche Delikte aufgreifenden Untersuchungen von Hoyer (insbes. S. 134 ff.) und Zieschang (insbes. S. 206 ff.) erwähnen den Vollrauschtatbestand nicht. 138 s.o. Fn. 33.

V. Rücktritt bei Annahme eines abstrakt-konkreten Gefährdungsdeliktes

307

standliehe Handlung muß geeignet sein, einen bestimmten Erfolg herbeizuführen. Eben diesen Terminus greift auch Cramer wiederholt auf139, wenn er den Deliktscharakter des Vollrauschtatbestandes und dessen tatbestandliehe Voraussetzungen erörtert 140: So hält er es für die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes für erforderlich, daß der Rausch geeignet sei, "zu strafbaren Handlungen irgendwelcher Art zu führen'd 41 , die Herbeiführung des Rauschzustandes nach den "obwaltenden Umständen geeignet sein muß, zu einer Gefährdung von Rechtsgütern irgendwelcher Art zu führen" 142 . Wenn jene Ausführungen nahelegen, Cramer sehe im Vollrauschtatbestand ein Eignungsdelikt 143 , so trügt der Schein. An dem Umstand, daß bei abstrakten Gefährdungsdelikten auch tatsächlich absolut ungefährliche Handlungen strafbar sind 144, nimmt er Anstoß und hält deshalb eine Einschränkung jener Delikte mit dogmatischen Mitteln für erforderlich. Der Unwertgehalt abstrakter Gefährdungsdelikte dürfe sich nicht im bloßen Verstoß gegen Verbote oder Gebote erschöpfen 145 ; das Unrecht dürfe kein rein formales sein, sondern müsse gewisse Eigenschaften aufweisen, die ein Gefährdungsverbot materiell rechtfertigen 146 . Der für das kriminelle Unrecht notwendige Rechtsgüterangriff erfordere objektiv eine Beeinträchtigung des geschützten Rechtsguts; auch das abstrakte Gefährdungsdelikt müsse deshalb in irgendeiner Beziehung zur Rechtsgütergefährdung stehen, um seinen Namen zu rechtfertigen 147 . Den zwischen der Ungefährlichkeit und der für die abstrakten Gefährdungsdelikte nicht in 139 Aus "historisch-chronologischer" Sicht darf nicht übersehen werden, daß Cramer den Begriff der "Eignung" bereits in seiner 1962 erschienenen Monographie "Der Vollrauschtatbestand als abstraktes Gefährdungsdelikt" verwendet hatte, also, bevor Sehröder mit seinen für jenen Deliktstypus zentralen und bedeutsamen Veröffentlichungen aus den Jahren 1967 (JZ 1967, 522 ff.) und 1969 (ZStW 81 [1969] 7 ff.) dem Deliktstypus des abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikts und damit auch dem Begriff der Eignung erstmals eine besondere Bedeutung verliehen hatte. Gleichwohl rechtfertigt sich ein Eingehen auf Cramer und seine Terminologie, da er sie bis heute unverändert beibehalten hat; zuletzt S/S-Cramer, § 323 a Rn. I , und hier auch wiederholt auf die Monographie verweist, ohne die dort geäußerten Ansichten zu widerrufen. 140 Ausführlich hierzu und auch zu der Entstehung jener Ansicht als Reaktion auf die Rechtsprechung des 5. Strafsenats o. 2. Kapitel, li. 2. b) bb) (2). 141 Cramer, Vollrauschtatbestand, S. 96. 142 SIS-Cramer, § 323 a Rn. I . 143 s.o. Fn. 30. 144 Siehe hierzu o. 6. Kapitel, I. 2. 145 So aber noch Binding, Lehrbuch II, I, S. 5 f.; ders. , Normen I, S. 408. 146 Cramer, Vollrauschtatbestand, S. 65. 147 Cramer, Vollrauschtatbestand, S. 67 f.

20•

308

6. Kap.: Rücktritt und Gefährlichkeit des Rausches/Rauschtäters

Betracht kommenden konkreten Gefahr 148 angesiedelten Gefährlichkeitsgrad sieht Cramer in der Wahrscheinlichkeit einer konkreten Gefährdung, die deren Vorstufe bildet 149 • Der Begriff der Eignung wird dementsprechend als das Wahrscheinlichkeitsurteil verstanden, daß ein bestimmtes Mittel erfahrungsgemäß einen bestimmten Gefahrdungseffekt hervorruft 150, und mit der Wahrscheinlichkeit einer Gefahr gleichgesetzt 151 Damit stellt Cramer auf die nahe Wahrscheinlichkeit einer konkreten Gefahr ab. Da letztere wiederum als nahe Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts definiert wird, ist die abstrakte Gefahr nach der Cramer'schen Definition die Wahrscheinlichkeit der Wahrscheinlichkeit eines Erfolgseintritt und damit eine - wenn auch vielleicht abgeschwächte - konkrete Gefahr 152. Die Auffassung Cramers von den abstrakten Gefahrdungsdelikten unterscheidet sich von den abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikten ganz wesentlich. Während für diese nicht die Gefährlichkeit einer bestimmten Handlung, sondern die einer bestimmten Verhaltensweise entscheidend ist, die lediglich anhand konkreter Tatumstände ermittelt wird, und es deshalb auch keiner Gefährdung des jeweiligen Rechtsguts bedarf, so ist bei Cramer die konkrete Handlung Gegenstand der Gefahrbeurteilung, kommt es auf die tatsächliche Gefahr an, nicht auf die generelle. Die Konzeption - gleiches gälte bei Annahme eines abstrakt-konkreten Gefährdungsdeliktes! - steht nun mit der Anwendung der Rücktrittsvorschriften auf die versuchte Rauschtat nicht in Einklang. Verlangt man für den Tatbestand des § 323 a lediglich, daß das Sichberauschen (nur) geeignet ist, "zu strafbaren Handlungen irgendwelcher Art'" 53 , "zu einer Gefahrdung von Rechtsgütern irgendwelcher Art" 154 zu führen, so vermag der spätere Rücktritt von der Rauschtat an dieser zuvor im Rahmen des objektiven Tatbestandes festgestellten Eignung nichts zu ändern. So überraschen auch die Stellungnahmen Cramers zum Rücktritt von der versuchten Rauschtat nicht. In seiner 1962 erschienenen umfassenden Monographie lehnte Cramer noch jede Indiz- und Beweiswirkung der Rauschtat ·für die Gefährlichkeit des Sichberauschens ab 155 und erwähnte 148 Zur insoweit anderen Ansicht von Rabl ausführlich Cramer, Vollrauschtatbestand, S. 55 ff. 149 Cramer, Vollrauschtatbestand, S. 68 f. 15° Cramer, Vollrauschtatbestand, S. 53. 151 Cramer, Vollrauschtatbestand, S. 69. 152 Siehe hierzu bereits o. 2. Kapitel, II. 2. b) bb) (2) m. w. N. dort in Fn. 136. 15·1 Cramer, Vollrauschtatbestand, S. 96. 154 S/S-Cramer, § 323 a Rn. I. l55 Cramer, Vollrauschtatbestand, S. 82 ff.

VI. Resümee

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den Rücktritt von der versuchten Rauschtat - nach der hier vertretenen Ansicht: konsequent! - nicht. In einer wenig später erschienen Veröffentlichung ging er dann bereits davon aus, daß die Rauschtat die Gefährlichkeit des Sichberauschens "erweise" 156 und begründete die Beachtlichkeil des Rücktritts damit, daß das Verhalten des Rauschtäters (sc. also Versuch und Rücktritt) "insgesamt zu würdigen" sei 157 . Da die Veröffentlichung im Jahr 1964 die Lösung eines Falles betraf, in dem der Täter lediglich nicht nachweisbar schuldunfähig war, wurde die Anwendbarkeit der Rücktrittsvorschriften zudem darauf gestützt, daß der Täter durch die Einbeziehung jener Zweifelsfälle in den Auffangtatbestand des § 330a a. F. nicht schlechter gestellt werden dürfe als der vermindert Schuldfähige. In seiner letzten Stellungnahme hat Cramer die Anwendbarkeit der Rücktrittsvorschriften nicht weiter begründet 158 Zur Vereinbarkeil jenes generellen Geeignetheilserfordernisses mit der Annahme des konkreten Rücktritts von der Rauschtat hat er bislang nicht Stellung genommen. Ob man die Geeignetheil nun abstrakt-generell oder aber bezogen auf die konkrete Tathandlung versteht: der Rücktritt von der versuchten Rauschtat ändert an der grundsätzlichen Geeignetheil des Vollrausches, zu strafbaren Handlungen oder Gefährdungen von Rechtsgütern irgendwelcher Art zu führen, nichts.

VI. Resümee Das Ergebnis der historischen und grammatischen Auslegung, daß die Rücktrittsvorschriften auf eine im selbstverschuldeten Rausch begangene versuchte Rauschtat im Rahmen des § 323 a nicht anzuwenden sind, ist durch die teleologische Auslegung des Vollrauschtatbestandes bestätigt worden. Denn unabhängig davon, ob man § 323 a nun als ein abstraktes oder ein konkretes Gefährdungsdelikt ansieht, läuft die Annahme eines Rücktritts von der versuchten Rauschtat, dessen strafaufhebende Wirkung grundsätzlich den Vollrauschtatbestand erfassen soll, dem mit der Norm verfolgten Zweck in jedem Fall zuwider. Erachtet man die generelle Gefährlichkeit des Sichberauschens als den Strafgrund, so vermag ein auf die versuchte Rauschtat bezogenes RücktrittsCramer, JuS 1964, 360, 364. Cramer, JuS 1964, 360, 364, s. zu jener "Gesamtbetrachtung" von Versuch und Rücktritt o. 6. Kapitel, III. 2. c) bb) (4) mit Fn. 123. 158 S/S-Cramer, § 323 a Rn. 13. 156

157

310

6. Kap.: Rücktritt und Gefährlichkeit des Rausches/Rauschtäters

verhalten des Täters allenfalls die durch den Versuch der Rauschtat begründete Gefährlichkeit mit Wirkung ex-nunc zu vermindern oder zeitlich zu beenden, jedoch an der abstrakten, generellen Gefährlichkeit der Verwirklichung des Vollrauschtatbestandes nichts zu ändern. Dies auch deshalb, da die den Strafgrund bildende Gefährlichkeit eine generelle, die durch den Versuch der Rauschtat begründete hingegen eine tatsächliche, konkrete ist. Sieht man das Sichberauschen unter ganz bestimmten Voraussetzungen als eine konkrete Gefahr an, vermag jener Rücktritt, der als ein Strafaufhebungsgrund lediglich ex-nunc die Rechtsfolgen einer strafbaren Handlung modifizieren, nicht aber rückwirkend Tatsächliches ungeschehen machen kann, eine Straflosigkeit des Täters ebenfalls nicht zu begründen. Denn die konkrete Gefahr, deren rechtswidrige und schuldhafte Herbeiführung den Grund der Strafbarkeit bildet, wird durch das Rücktrittsverhalten des Täters regelmäßig nicht einmal beendet, niemals jedoch rückwirkend aufgehoben. Die Anwendung der Rücktrittsvorschriften auf die versuchte Rauschtat würde demnach - wenn diese Tat die einzige im Rausch verwirklichte ist zur Straffreiheit des Täters führen, obwohl seine Handlung abstrakt gefährlich war, obwohl er eine konkrete Gefahr geschaffen hatte.

7. Kapitel

Die entsprechende Anwendung der Rücktrittsvorschriften Da sich eine unmittelbare Anwendung der Rücktrittsvorschriften auf die versuchte Rauschtat aus systematischen wie dogmatischen Gründen verbietet, stellt sich zuletzt die Frage nach ihrer entsprechenden, analogen Anwendung. Eine solche ist- zumindest neuerdings- von Rechtsprechung' und Schrifttum2 propagiert worden, durchgehend allerdings ohne eine auch nur ansatzweise erfolgende Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen einer entsprechenden Anwendung. Rechtsfortbildung ist jedoch kein "Freibrief', mit dem man sich unter bloßem Hinweis auf die Analogie oder die Nennung des Begriffes zur Erreichung von als "gerecht" oder "kriminalpolitisch erforderlich" empfundenen Ergebnissen über sämtliche dogmatischen Widersprüche hinwegsetzen kann 3 . Analogie rechtfertigt nicht jede Anwendung einer Rechtsnorm über deren Anwendungsbereich hinaus. Vielmehr ist sie an bestimmte Voraussetzungen gebunden, die sie als Rechtsfortbildung praeter Iegern von der Rechtsanwendung contra Iegern unterscheidet. Ihnen gilt es im folgenden nachzugehen.

1 Für eine nur entsprechende Anwendung der Rücktrittsvorschriften erstmals BGH StV 1994, 304; ohne einen Hinweis auf die Analogie, und damit wohl für eine unmittelbare Anwendung des § 24 auf die Rauschtat jedoch wieder BGH NStZ-RR 1999, 8, s.o. I. Kapitel, II. 2. e). Ohne einen solchen Hinweis auch schon BGH MDR/D 1971 , 362; NStZ 1994, 131. 2 Etwa Arzt/Weber, LH 2 Rn. 442; Blei, BT 12 , § 94 IV; S/S-Cramer, § 323 a Rn. 21 ; Hart/, S. 194; Ranft, MDR 1972, 737, 742; ders., JA 1983, 239, 243; Rengier, BT 112 , § 41 Rn. 16. 3 Zutreffend und pointiert Bottke, S. 340 f., wegen seiner Deutlichkeit wörtlich wiedergegeben: "Gleichwohl ist die Rechtspraxis bei der ,analogen' Rechtsanwendung nicht ,frei'. Sie hat auch hier die allgemein - also auch bei täterbegünstigenden Lösungen - bedeutsame Rechtsetzungsprärogative des Gesetzgebers zu beachten (Art. 20 Abs. 3, 70 ff., 97 Abs. I GG). Relativ problemlos ist die analoge Rechtsanwendung daher nur dann, wenn sie , wissenschaftsnah' abläuft und nicht mit legislatorischen Grundentscheidungen in Konflikt gerät."

312

7. Kap.: Die entsprechende Anwendung der Rücktrittsvorschriften

I. Möglichkeit und Grenzen der Analogie im materiellen Strafrecht Das in Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 und Art. 7 MRK4 niedergelegte strafrechtliche Analogieverbot (nulla poena sine lege scripta et stricta) betrifft lediglich die Analogie in malam partem, d. h. die strafbegründende oder -schärfende5 , steht einer solchen zugunsten des Täters jedenfalls nicht entgegen6. Rechtsprechung und Literatur wollen die Rücktrittsvorschrift des § 24, die als Rechtsfolge die Strafbarkeit des Täters "wegen Versuches" entfallen läßt, dergestalt auf die versuchte Rauschtat und die Strafbarkeit des Täters wegen Vollrauschs anwenden, daß die versuchte Rauschtat in ihrer für die Strafbarkeit des Täters erforderlichen Funktion für den Vollrauschtatbestand "entfällt", wenn die Voraussetzungen eines freiwilligen Rücktritts gegeben sind. Wie dieser "Wegfall" dogmatisch exakt einzuordnen und zu verstehen ist, geht hierbei aus den vielen verschiedenen Formulierungen nicht eindeutig hervor: So wird teilweise - offensichtlich von der Konstellation ausgehend, in der die versuchte Rauschtat das einzige im Rausch verwirklichte Delikt ist - lediglich von der strafbefreienden Wirkung eines solchen Rücktritts gesprochen 7 , oder davon, daß die Strafbarkeit nach§ 323a entfalle8 • Unter Berücksichtigung der Möglichkeit, daß neben der im Rausch nur versuchten Tat noch weitere vorliegen können, finden sich sodann Formulierungen, daß der Bemessung der Strafe bei Nichtberücksichtigung des Rücktritts ein zu großer Schuldumfang zugrunde gelegt werde 9 , bzw. daß der Versuch, von dem der Täter zurückgetreten ist, nicht mehr als Rauschtat vorliege 10, als Rauschtat ausscheide 1 1• 4 Zu dem sich aus Art. 7 MRK ergebenden sachlich-rechtlichen Analogieverbot s. Kleinknecht/Meyer-Goßner44 , Art. 7 MRK Rn. I m. w. N. 5 LK 10-Tröndle, §I Rn. 38; LK 11 -Gribbohm, §I Rn. 77 ff.; SJS-Eser, § I Rn. 24, 30; SK-Rudolphi, § I Rn. 22, 25; Maurach!Zipf, AT 18 , § 10 Rn. 20. 6 Womit über die Vereinbarkeil mit Art. 20 Abs. 3 GG, der Bindung der Rechtsprechung an das Gesetz, noch nichts ausgesagt ist, vgl. hierzu knapp LK 11 -Gribbohm, § I Rn. 77. 7 BGH MDR/D 1971 , 362. 8 Arzt/Weber, LH 2 Rn. 442; Ranft, JA 1983, 239, 243. 9 BGH NStZ 1994, 131. 10 BGH StV 1994, 304, 305; auch BGH NStZ-RR 1999, 8 (wonach nach einem freiwilligen Rücktritt von der versuchten Rauschtat allein ein neben diesem verwirklichtes Delikt als Rauschtat verbleibt); Hart/, S. 194 (durch den Rücktritt werde die versuchte Rauschtat rückwirkend wieder "beseitigt", eine Bestrafung nach § 323 a komme mangels Rauschtat [als objektiver Bedingung der Strafbarkeit] nicht in Betracht).

I. Möglichkeit und Grenzen der Analogie im materiellen Strafrecht

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Durch den - wie auch immer sich vorzustellenden - Wegfall der versuchten Rauschtat, auf die sich das Rücktrittsverhalten des Täters bezieht, wird der Täter dabei in jedem Falle bevorzugt 12: Ist die versuchte Rauschtat nur eine von mehreren im selben Rausch verwirklichten Taten, sei es, daß durch die Versuchshandlung zugleich ein anderer Tatbestand vollständig verwirklicht wird (dann: qualifizierter Versuch) oder durch eine oder mehrere andere Handlungen weitere rechtswidrige Taten begangen werden, so wirkt sich der rücktrittsbedingte Wegfall der versuchten Rauschtat über § 323 a Abs. 2 zugunsten des Täters aus. Denn bei der Ermittlung der für die im Rausch begangene(n) Tat(en) angedrohten Strafe, die bei einer Mehrzahl von Rauschtaten unter entsprechender Anwendung der §§ 52 ff. bestimmt wird 13 , wäre die für die versuchte Rauschtat angedrohte Strafe bei Bildung der "Gesamtstrafe" nicht zu berücksichtigen. Dies wäre sowohl bei Tateinheit (§ 52 Abs. 2 Satz 1) als auch bei Tatmehrheit(§ 54 Abs. 1 Satz 1, 2) für den Täter nur von Vorteil. Denn jene für den Versuch der Rauschtat angedrohte Strafe kann selbst bei einer Milderung nach § 23 Abs. I, 2 i. V. m. § 49 gewichtiger sein als die für die zugleich verwirklichte(n) vollendete(n) Tat(en) angedrohte(n) 14• Noch offensichtlicher ist der Vorteil des Täter in der "neuralgischen" Konstellation, in der er im selbstverschuldeten Rausch nur eine rechtswidrige Tat versucht, ohne durch dieselbe Handlung oder andere im selben Rausch eine weitere Rauschtat zu begehen 15 • Hier hätte der Rücktritt zur Folge, daß die einzige Rauschtat wegfiele und mit ihr die für die Strafbarkeit des Täters erforderliche objektive Bedingung der Strafbarkeit. Der Rücktritt von der versuchten Rauschtat hätte demnach strafbefreiende Wirkung, der Täter könnte nicht wegen Vollrauschs bestraft werden. Konstellationen, in denen sich ein Rücktritt für den Täter nachteilig auswirkt, sind nicht ersichtlich. Die entsprechende Anwendung der Rücktrittsvorschriften auf die versuchte Rauschtat geschieht damit stets und ausschließlich zugunsten des Täters. Das Analogieverbot steht dem mithin nicht entgegen.

II

12 13 14 15

BGH NStZ 1994, 131. Siehe hierzu bereits o. 3. Kapitel, II. 2. a) und b). Vgl. nur LK 11 -Spendel, § 323a Rn. 327m. w.N. Vgl. hierzu o. I. Kapitel, III. 2. a) mit Beispielen. Siehe hierzu o. I. Kapitel. III. 2. b).

314

7. Kap.: Die entsprechende Anwendung der Rücktrittsvorschriften

II. Die Voraussetzungen analoger Gesetzesanwendung 1. Das Bestehen einer Gesetzeslücke Analoge Rechtsanwendung als eine Methode legitimer gesetzesergänzender Rechtsfortbildung praeter Iegern setzt primär das Bestehen einer Gesetzeslücke voraus 16. Der Vollrauschtatbestand enthält keine Regelung über die Folgen eines Rücktritts des Täters von der versuchten, im Rausch begangenen rechtswidrigen Tat. In Anbetracht der Seltenheit und Besonderheit dieser Konstellation verwundert dies nicht. Das bloße Fehlen einer Regelung allein bedeutet zunächst nichts weiter als ein Schweigen des Gesetzes, stellt jedoch noch keine Gesetzeslücke dar.

a) Die Voraussetzung einer analogiefabigen Regelungslücke Eine Regelungs- oder Gesetzeslücke liegt vielmehr erst und auch nur dann vor, wenn - zunächst allgemein formuliert - der gesetzlichen Regelung dort Regelungsinhalte fehlen, wo sie für bestimmte Sachverhalte erwartet werden 17 , das Gesetz daher unvollständig ist. Der Standpunkt, von dem aus dieses Werturteil gefallt wird, und der hierbei angewendete Bewertungsmaßstab, ist nach ganz h. M. ein nicht zwingend gesetzlicher, aber ein rechtlicher: das geltende Recht 18 . Hauptkriterien zur Feststellung einer Gesetzeslücke sind die Regelungsabsicht und die Teleologie des Gesetzes 19, aber auch von der einschlägigen Norm abstrahierte, allgemeine Rechtsprinzipien20, wie etwa das Prinzip der Gleichbehandlung gleichartiger Fälle21 . Larenz, S. 370; Bydlinski, S. 472 f. So für den umfassenderen Begriff der "Rechtslücke" Engisch, S. 139 f. 18 Canaris, Lücken, S. 32; zu "außerrechtlichen", etwa psychologischen oder soziologischen Bewertungsgrundlagen S. 31 f.; Bydlinski, S. 473; Kramer, S. 137 (die "Rechtsordnung"). 19 Larenz, S. 372 ff. ; Bydlinski, S. 473 ("rationes legis"); Engisch, S. 145 (unter besonderer Betonung des Erfordernisses einer objektiv-teleologischen, ausdrücklich gegen eine historische Auslegung der Norm); Kramer, S. 138 (teleologische Gesamtbetrachtung der Iex lata); S/S-Eser, § I Rn. 35 ("Wille des Gesetzes"); BGHSt 6, 311, 312 ("Zweck und Sinn der einschlägigen Vorschriften", aber auch deren Entstehungsgeschichte und deren Zusammenhang mit anderen Bestimmungen); deutlicher noch BGHSt 9, 131, 133 (Entstehungsgeschichte und Zusammenhang der Vorschrift mit anderen als Mittel zur Bestimmung von Sinn und Zweck der Vorschrift). 20 Bydlinski, S. 473; Laren::., S. 374 f. 21 Zippelius, S. 59; Larenz nennt das Prinzip der Gleichbehandlung gar ein solches, "das jedem Gesetz innewohnt, weil und soweit es beansprucht, ,Recht' zu sein" (S. 374). 16 17

II. Die Voraussetzungen analoger Gesetzesanwendung

315

Demnach liegt eine Gesetzeslücke etwa dann vor, wenn nach der Regelungsabsieht eines Gesetzes, dem gesetzgebefischen Plan, der nicht geregelte Sachverhalt einer Regelung bedurft hätte 22 , seine Nicht-Regelung, die "Lücke", also "planwidrig" ist23 . Die Regelung dieses Sachverhalts muß nach dem mit dem Gesetz verfolgten Zweck für dessen Vollständigkeit erforderlich sein. Ausgehend von der höheren Abstraktionsstufe der Rechtsprinzipien wird unter dem Aspekt der Gleichbehandlung eine Regelung dann als rechtlich erforderlich, deren Fehlen mithin als eine "Lücke" angesehen, wenn das Gesetz einen bestimmten Sachverhalt A in einer bestimmten Weise regelt, es aber keine Bestimmung für den im Sinne der getroffenen Wertung gleichliegenden Fall B enthält24 . Analogie ist damit nicht nur und erst ein Mittel zur Lückenfüllung, sondern dient bereits zu deren Ermittlung 25 . Von ganz entscheidender Bedeutung ist, daß eine solche .,offene"26 Lücke des Gesetzes immer nur dann vorliegt, wenn eine bestimmte Regelung fehlt, die nach der getroffenen rechtlichen Wertung zu erwarten war. Hiervon strikt abzugrenzen ist die Frage, ob eine als fehlend angesehene Regelung rechtspolitisch als sinnvoll und aus diesem Grunde als wünschenswert zu erachten ist27 . Allein Gesetzeslücken "de lege lata" können im Wege der Analogie praeter Iegern geschlossen werden, nicht hingegen "rechtspolitische Lücken" vom Standpunkt eines künftigen besseren Rechts (de lege ferenda) 28 . Sie zu schließen fällt allein in die Kompetenz des Gesetzgebers 29 .

22 Larenz, S. 372; Engisch, S. 142 (insoweit etwas ungenau: Eine Lücke liege nur dann vor, wenn man eine Regelung nicht nur vermutet, sondern vermißt). 23 Kramer, S. 137. 24 Larenz, S. 375; ähnlich auch Zippelius, S. 59; ausführlich Canaris, Lücken, s. 71 ff. 25 Canaris, Lücken, S. 72; Zippelius, S. 59. 26 Zu den verschiedenen Lücken-Kategorien (mit jeweils unterschiedlicher Terminologie) Canaris, Lücken, S. 134 ff.; Larenz, S. 377 ff.; Bydlinski, S. 473 ff.; Kramer, S. 139 ff.; Zippelius, S. 58 ff. 27 Larenz, S. 374; Bydlinski, S. 473 (Abgrenzung der Gesetzeslücke zu bloßen individuellen oder kollektiven rechtspolitischen Wünschen); Canaris. Lücken. S. 33 f.; Zippelius, S. 60 f .; ausdrücklich auch BGHSt 7, 190, 194. 28 Engisch, S. 142; Kramer, S. 139 f. 29 Diese Aussage bedürfte eigentlich keines Nachweises; wegen der Deutlichkeit der Ausführungen gleichwohl: OLG Celle NdsRpfl 1995, 23.

316

7. Kap.: Die entsprechende Anwendung der Rücktrittsvorschriften

b) Die fehlende Rücktrittsregelung beim Vollrauschtatbestand eine Gesetzeslücke? Somit stellt sich die Frage, ob für den Vollrauschtatbestand eine Regelung über die Rechtsfolgen des Rücktritts von der versuchten Rauschtat in diesem Sinne fehlt, insoweit also eine Gesetzeslücke vorliegt.

aa) Unmittelbar normteleologisches Erfordernis einer Rücktrittsregelung Der dem Vollrauschtatbestand zugrundeliegende Regelungsplan und das mit ihm verfolgte Ziel, die zur Ermittlung der eventuellen Gesetzeslücke heranzuziehen sind, wurden unter historischem wie objektiv-teleologischem Aspekt bereits ausführlich erörtert. Hierauf kann nun zurückgegriffen werden. Die entscheidende Frage lautet danach, ob der Vollrauschtatbestand in seiner geltenden Fassung eine in sich geschlossene, vollständige Regelung enthält, oder ob es insoweit einer zusätzlichen, ergänzenden Vorschrift bedarf, welche für ein auf die Rauschtat bezogenes Rücktrittsverhalten die Strafbarkeit wegen Vollrauschs - etwa in ähnlicher Weise wie § 323 a Abs. 3 - von der hypothetischen Bestrafbarkeil wegen der Rauschtat abhängig macht. Nach dem Ergebnis der Auslegung des Vollrauschtatbestandes ist dies zu verneinen. Die wichtigsten Argumente seien in diesem Zusammenhang nochmals kurz in Erinnerung gerufen: Gegenstand des strafrechtlichen Vorwurfs ist - im Unterschied zu den Konstellationen der actio libera in causa - allein das Sichberauschen, das wegen seiner Gefährlichkeit strafbares Unrecht darstellt, und deshalb unter Strafe gestellt ist, nicht hingegen die im Rausch begangene (versuchte) rechtswidrige Tat, auf die sich das Verschulden des Täters nicht erstreckt. Somit berührt jenes rücktrittsähnliche Verhalten nicht die Tatbestandsmäßigkeit Wie ausführlich erläutert wurde, wirkt sich dieses Rücktrittsverhalten auch in keiner Weise so auf die den Strafgrund darstellende Gefährlichkeit aus, daß eine Straffreiheit begründbar wäre; und zwar weder bei Annahme eines abstrakten 30 noch bei Annahme eines konkreten 31 Gefährdungsdeliktes32. Die Rauschtat ist im Gesetz zudem formuliert als "rechtswidrige Tat", vor 1975 als "mit Strafe bedrohte Handlung". Historische33 wie auch gram30 31

32

s.o. 6. Kapitel, III. s.o. 6. Kapitel, IV. Zusammenfassend o. 6. Kapitel, VI.

II. Die Voraussetzungen analoger Gesetzesanwendung

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matische34 Auslegung haben gezeigt, daß hierunter Handlungen zu verstehen sind, die - wären sie im Zustand der (sicher feststellbaren) Schuldfahigkeit begangen - den Tatbestand eines Strafgesetzes nicht nur rechtswidrig, sondern darüber hinaus auch schuldhaft verwirklichen würden. Die im Rausch begangene Handlung müßte demnach im Falle der Schuldfähigkeit strafbar, nicht hingegen auch bestrafbar sein. Jenseits der Schuld für die Bestrafbarkeil erforderliche Voraussetzungen sind für die Rauschtat demnach ohne Bedeutung. Jede andere Ansicht legt den materiellen Schwerpunkt bei § 323 a auf die Rauschtat, und macht damit aus dem Delikt des Vollrauschs inhaltlich eine (zumindest teilweise 35) mit einer Milderungsmöglichkeit versehene Ausnahmevorschrift zu § 20. Daß das weder dem historischen Willen des Gesetzgebers, noch dem Wortlaut der Norm entspricht, wurde bereits nachgewiesen. Auch deshalb entspräche eine Vorschrift, die das Rücktrittsverhalten des Täters mit Straffreiheit prämiert, nicht dem Zweck des Vollrauschtatbestandes, da auf diese Weise auf eine abgesehen von der Schuldunfähigkeit nur nicht strafbare, sondern auch bestrafbare Handlung abgestellt würde. So läßt sich zusammenfassend feststellen, daß eine Vorschrift, welche inhaltlich einer entsprechenden Anwendung des § 24 auf die versuchte Rauschtat entspräche und die strafaufhebende Wirkung auf den Vollrauschtatbestand erstrecken würde, nicht nur Sinn und Zweck des Vollrauschtatbestandes nicht entspricht, sondern ihm geradezu zuwiderläuft. Damit ist eine solche Bestimmung nicht mehr vom Regelungsplan und der Regelungsabsicht des § 323 a umfaßt, ihr Fehlen stellt demzufolge keine Gesetzeslücke dar. Ob die Strafbarkeit des von der versuchten Rauschtat zurücktretenden Täters wegen Vollrauschs rechts- oder kriminalpolitisch mißfällt 36 , ist - wie bereits dargestellt - für die Frage einer Gesetzeslücke ohne Bedeutung, kann nur de lege ferenda Berücksichtigung finden 37 .

33 s.o. 4. Kapitel, V. 2.; VI. 2. c); VII. 2; die historische Entwicklung abschließend zusammenfassend 4. Kapitel, VIII. 2. 34 s.o. 5. Kapitel, II. und III. 35 Zwingend nur für solche Delikte, deren Strafrahmen schwerer ist als derjenige des§ 323a Abs. I. 36 So die (Haupt)Argumentation Grasmanns (S . 91) für die Anwendbarkeit der Rücktrittsvorschriften auf die versuchte Rausch tat, s. o. 3. Kapitel, I. I. b ). 37 s.o. 7. Kapitel, II. I. a) a. E.

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7. Kap.: Die entsprechende Anwendung der Rücktrittsvorschriften

bb) Regelungseifordernis aufgrunddes Gleichbehandlungsgrundsatzes Das Fehlen einer Regelung des Rücktritts von der versuchten Rauschtat könnte aber im Hinblick auf § 323 a Abs. 3 "Die Tat wird nur auf Antrag, mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgt, wenn die Rauschtat nur auf Antrag, mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgt werden könnte."

unter dem Aspekt des Gleichbehandlungsgrundsatzes eine echte Gesetzeslücke darstellen. Durch die faktische Übertragung der prozessualen Voraussetzungen der Rauschtat auf den Vollrauschtatbestand hängt die Bestrafbarkeit des Vollrauschs in dieser Hinsicht nämlich von der der Rauschtat ab. Kann sie wegen des FehJens von Antrag, Ermächtigung oder Strafverlangen nicht verfolgt, der Täter folglich ihretwegen nicht bestraft werden, soll gleiches für die Bestrafbarkeit wegen Vollrauschs gelten. § 323 a Abs. 3 ist sprachlich eindeutig auf die dort genannten Straftatverfolgungsvoraussetzungen beschränkt. Wegen der in bonam wie in malam partem bestehenden Wortlautgrenze der Auslegung kann die Vorschrift auch nicht im Wege der Auslegung (secundum Iegern) auf den Rücktritt von der versuchten Rauschtat erstreckt werden. Das Fehlen einer dementsprechenden Rücktrittsregelung stellte nach dem Prinzip der Gleichbehandlung dann eine Gesetzeslücke dar, wenn der Rücktritt vom Versuch der Rauschtat mit dem Fehlen des Strafantrages38 rechtsähnlich und daher wertungsmäßig vergleichbar wäre. Denn dann würde Gleiches gesetzlich nicht gleich behandelt. Der Strafantrag ist seiner Rechtsnatur nach eine Prozeßvoraussetzung39 . Sein Fehlen hat folglich keine materiell-rechtlichen Wirkungen, ändert nichts am Vorliegen einer Straftat, setzt sie vielmehr voraus; er bewirkt lediglich ein Prozeßhindemis. Das gesetzgebensehe Motiv für Strafantragserfordernisse ist kein einheitliches. Es läßt sich im wesentlichen auf folgende zwei Aspekte zurückführen 40: Bei personengebundenen Delikten 38 In den folgenden Ausführungen soll allein der Strafantrag betrachtet werden. Zum einen deshalb, weil er in seiner tatsächlichen Bedeutung sowohl die Ermächtigung (etwa§§ 90, 90b, 97, 104a, 194 Abs. 4, 353a, b) als auch das Strafverlangen (§ 104a) bei weitem übertrifft, zum anderen deshalb, da die Unterschiede von Ermächtigung und Strafverlangen zum Strafantrag - vgl. S/S-Eser, § 77 e Rn. 2, 3 für die vorliegende Untersuchung ohne Bedeutung sind. 39 So die ganz h.M., LK 11 -Jähnke, Vor§ 77 Rn. 7 m. w.N. Vgl. zu den anderen Ansichten, nach denen der Strafantrag - entweder ausschließlich oder zumindest auch - materiell-rechtliche Wirkung hat, etwa SK-Rudolphi, Vor § 77 Rn. 7 ff. 40 S!S-Stree, § 77 Rn. 4; SK-Rudolphi, Vor § 77 Rn. 2 ff.; Lackner/Küh/23 , § 77 Rn. I; weiter differenzierend und vier Fallgruppen bildend LK 11 -Jähnke, Vor § 77 Rn. 4 f.

II. Die Voraussetzungen analoger Gesetzesanwendung

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werden durch das Strafantragserfordernis die Interessen des Opfers an der Wahrung seiner Privatsphäre geachtet und geschützt (z.B. §§ 182 Abs. 3, 205 Abs. I, 235 Abs. 7, 247). Bei anderen Delikten ist das Interesse der Allgemeinheit an der Bestrafung des Täters so gering, daß die Strafverfolgung von der Entscheidung des Opfers abhängig gemacht wird (z. B. §§ 123 Abs. 2, 248a, 289 Abs. 3, 294, 303c). Der Rücktritt vom Versuch wirkt nach h. M. strafbefreiend, steht einer Bestrafung des Täters wegen Versuchs entgegen und ist daher materieller, nicht prozeßrechtlicher Natur. Der Grund der strafaufhebenden Wirkung ist - wie bereits angedeutet - umstritten. Die wesentlichsten hierzu vertretenen Ansichten sehen in der Straffreiheit etwa einen Anreiz für den Täter zur Umkehr, dessen Belohnung für die erfolgte freiwillige Umkehr, oder begründen die Straffreiheit mit der geringeren Gefahrlichkeit des zurücktretenden Täters und dem daraus gefolgerten Wegfall des Strafzweckes41 . So offensichtlich die aufgezeigten Unterschiede zwischen Rücktritt und fehlendem Strafantrag sind, so offensichtlich sind auch deren Gemeinsamkeiten: In beiden Fällen kann der Täter im Ergebnis nicht wegen der begangenen Straftat verurteilt werden: im einen Fall, weil der staatliche Strafanspruch wieder aufgehoben wurde, im anderen, weil er nicht durchgesetzt werden kann. Rücktritt und fehlender Strafantrag haben ferner gemeinsam, daß sie sich auf die Gefährlichkeit der Tatbestandsverwirklichung des § 323 a nicht auswirken. Für den Strafantrag ist das offensichtlich, für den Rücktritt von der versuchten Rauschtat wurde es dargelegt42. Die dogmatisch höchst unterschiedlichen Gründe der Straffreiheit betreffen nicht das Wesentliche der § 323 a Abs. 3 zugrunde liegenden Wertung. Sie läßt sich zwar bedauerlicherweise nicht mit der gewünschten Klarheit und Deutlichkeit historisch anhand der Entwürfe ermitteln, denn diese schweigen insoweit allesamt43 . Immerhin geht aber aus einem Verhandlungsprotokoll der Reformkommission 1911-1913 hervor, daß der Grund der Einfügung eines Vorläufers des § 323 a Abs. 3 sein sollte, den sinnlos Betrunkenen nicht schlechter zu stellen als den Zurechnungsfähigen 44 . Vgl. etwa die Zusammenstellungen bei S/S-Eser, § 24 Rn. 2 ff. s.o. 6. Kapitel, III. und IV. 43 Begr. GE 1911, S. 16, 201; (dessen "Vorbild") Bemerkungen zum österVE 1909, s. 218 f. 44 So das Argument Meyers, durch dessen Antrag das von der Rauschtat abhängige Strafantragserfordernis in Erster Lesung des KE 1913 wieder in die Norm eingefügt wurde, s. Reformkommission (1911-1913), Protokolle, Band 3, S. 547, ferner o. 4. Kapitel, III. 4. c) aa). Nachdem dies in der Schlußredaktion wieder gestrichen wurde (s. o. 4 . Kapitel, III. 4. c) cc) war es weder in § 338 KE 1913, noch in § 274 E 1919 vorhanden, tauchte erstmals wieder im Radbruch-Entwurf von 1922 als 41

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7. Kap.: Die entsprechende Anwendung der Rücktrittsvorschriften

Das Wesentliche und Charakteristische der Regelung des § 323 a Abs. 3 liegt demnach darin, die (hypothetische) Straflosigkeit des Täters wegen der Rauschtat auch für den Vollrausch zu erhalten, obwohl der Gegenstand der Bestrafung hier nicht die Rauschtat, sondern das Sichberauschen ist. Unter diesem Aspekt sind der Rücktritt vom Versuch und der fehlende Strafantrag - obgleich ansonsten dogmatisch höchst verschieden - wertungsmäßig vergleichbar. Daß das eine gesetzlich geregelt wurde, das andere hingegen nicht, legt eine echte Lücke des § 323 a nahe, läßt eine solche zunächst vermuten.

cc) Umkehrschluß vs. Gesetzeslücke Im Hinblick auf § 323 a Abs 3 wäre nun grundsätzlich auch an einen Umkehrschluß (argumentum e contrario) dergestalt zu denken, daß nur die dort ausdrücklich genannten, einer Bestrafbarkeil der Rauschtat entgegenstehenden Gründe (fehlender Strafantrag usw.) auf den Vollrauschtatbestand übertragen werden, andere - wie etwa der Rücktritt (§ 24) - aber nicht. Verhielte es sich so, so wäre das Schweigen des Gesetzes ein bewußtes, ein qualifiziertes, dem man unmittelbar zu entnehmen hätte, daß der gesetzlich nicht ausdrücklich geregelte Fall auch nicht geregelt werden sollte (argumentum e silentio). Auf der Grundlage eines solchen Umkehrschlusses läge eine gesetzliche Regelung des dann nur scheinbar nicht geregelten Tatbestandes, und damit keine Gesetzeslücke vor45 , womit der Weg für eine analoge Rechtsanwendung versperrt wäre. Danach wäre der Rücktritt von der versuchten Rauschtat als ein Strafaufhebungsgrund - anders als das ausdrücklich erwähnte Strafantragserfordernis - für die Strafbarkeit wegen Vollrauschs nicht in seiner typischen strafaufhebenden Wirkung zu berücksichtigen, sondern lediglich ein im Rahmen der Strafzumessung nach § 46 Abs. 2 zu bewertendes Nachtatverhalten. Der Grat zwischen Umkehrschluß und Analogie ist ein schmaler, die Frage, ob das Schweigen des Gesetzes ein ausdrückliches und bestimmtes ist, oder nicht, schwierig zu beantworten. Zustimmung verdient zunächst die Überlegung von Canaris, daß eine gewisse praktische Vermutung für das argurnenturn e contrario dort besteht, wo es höchst unwahrscheinlich ist, daß der Gesetzgeber andere als die § 327 Abs. 3 E 1922 auf, dort jedoch ohne eine Begründung. Die Entwürfe der Jahre 1925 und 1927, die den Tatbestand der Volltrunkenheit insoweit unverändert übernahmen (§ 335 E 1925, § 367 E 1927) lassen eine Begründung ebenso vermissen wie das Gewohnheitsverbrechergesetz, das sich im wesentlich auf die Begründung der vorangegangenen Entwürfe berief. 45 Larenz, S. 390; Canaris, Lücken, S. 44 ff.

II. Die Voraussetzungen analoger Gesetzesanwendung

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explizit genannten Tatbestände nur versehentlich nicht erwähnt hat. Ein solcher Schluß ist jedoch selbst bei überschaubaren und einfachen Sachlagen nicht zwingend46. Übereinstimmung besteht im Schrifttum darüber, daß der Umkehrschluß keine Frage rein formaler, strikt vom Buchstaben des Gesetzes ausgehender Logik ist, sondern die einschlägige Vorschrift stets normativ-teleologisch erfaßt werden muß47 . Ein Umkehrschluß wäre danach nur dann zulässig, wenn der in Frage stehende, nicht geregelte Sachverhalt mit dem gesetzlich ausdrücklich geregelten nicht vergleichbar ist, dessen Sinn und Zweck nicht entspricht. Nur dann käme der dem argurnenturn e contrario zugrunde liegende Unähnlichkeilsschluß zum Tragen, daß die zu vergleichenden Tatbestände in den für die fragliche Rechtsfolge maßgeblichen Punkten nicht übereinstimmen und aus diesem Grunde verschieden behandelt werden müssen48 . Wie bereits festgestellt49 , stimmen der Rücktritt vom Versuch und die in § 323 a Abs. 3 genannten Straftatverfolgungsmaßnahmen in dem für diese Regelung maßgeblichen Punkte überein. Aus § 323 a Abs. 3 läßt sich deshalb nicht der Schluß ziehen, daß sämtliche dort nicht genannten, die Bestrafbarkeil der Rauschtat ausschließenden Gründe nicht auf den Vollrauschtatbestand übertragen werden können. Was den Rücktritt von der versuchten Rauschtat betrifft, kann daher ein Umkehrschluß nicht gezogen, eine Gesetzeslücke somit nicht mit einem argurnenturn e contrario verneint werden.

dd) Singularia non sunt extendenda Wenn bereits zur Feststellung einer Gesetzeslücke die Analogie herangezogen wird50, so ist es erforderlich, hierbei auch deren Grenzen zu berücksichtigen. Eine solche stellt der Grundsatz "singularia non sunt extendenda"51 dar, nach dem Ausnahmevorschriften eng auszulegen und einer analogen Anwendung nicht fähig sind52 . § 323 a Abs. 3 hat nun - in gleicher Weise übrigens wie schon Abs. 2 einen solchen Ausnahmecharakter, wenn und soweit man den Vollrauschtatbestand als abstraktes Gefährdungsdelikt ansieht. Denn - so auch die einCanaris, Lücken, S. 44. Larenz. S. 390 f.; Bydlinski, S. 476 f.; Kramer, S. 152 f.; Engisch, S. 149; Canaris, Lücken, S. 44 f. 48 Canaris, Lücken, S. 45. 49 Soeben in 7. Kapitel, II. I. b) bb). 50 s. o. Fn. 25. 51 Im gleichen Sinne etwa auch "exceptiones sunt strictissimae interpretationis". 52 Larenz, S. 355; Kramer, S. 155; Engisch, S. !51 f. 46 47

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7. Kap.: Die entsprechende Anwendung der Rücktrittsvorschriften

heilige Kritik derer, die § 323 a als konkretes Gefährdungsdelikt53 oder Ausnahmevorschrift zu § 2054 interpretieren - wenn man von der Grundannahme ausgeht, daß das Unrecht der Volltrunkenheit, des Vollrausches, allein im Sichbetrinken liegt, die Rauschtat hingegen unrechtsindifferent ist und (deshalb) lediglich eine objektive Bedingung der Strafbarkeit bildet, läßt sich nicht begründen, weshalb Strafrahmen und Strafantragserfordernis der Rauschtat für die Bestrafung des Täters wegen Vollrauschs von Relevanz sein sollen. Wenn wirklich das Herbeiführen eines Vollrauschs allein und gerade nicht die im Rausch verwirklichte rechtswidrige Tat das strafrechtliche Unrecht und damit den Grund der Strafbarkeit darstellt, so ist die Bezugnahme auf die Rauschtat sowohl bei der Strafzumessung (Abs. 2) als auch bzgl. der Straftatverfolgungsvoraussetzungen (Abs. 3) in der Tat nur schwer erklärlich, stellt einen gewissen "Bruch" dar55 . Der Ausnahmecharakter des § 323 a Abs. 3 ist hierbei am schärfsten ausgeprägt, wenn man den Vollrauschtatbestand als abstraktes Gefährdungsdelikt sieht; er ist immerhin noch vorhanden, aber von geringerem Gewicht, wenn man ein konkretes Gefährdungsdelikt annimmt, da die Rauschtat dann zumindest mittelbar in das tatbestandliehe Unrecht integriert ist56 ; er ist nicht vorhanden, wenn man die Norm als eine Ausnahme vom Koinzidenzerfordernis des § 20 interpretiert. In letzterem Fall wäre § 323 a Abs. 3 vielmehr sogar konsequent, da es nach dieser Ansicht die Rauschtat ist, derentwegen der Täter bestraft wird.

53 Ranft, MDR 1972, 737, 740; ders., JA 1983, 193, 194; Arzt/Weber, LH 2 Rn. 426 a.E. 54 BrandsteUer, S. 146 f.; Neumann, S. 52; Streng, ZStW 101 (1989) 273, 317; ders. , JR 1993, 35, 37; ders., JZ 1984, 114, 116, Maurach, BT5 , S. 513; Weber, s. 29. 55 Das geben selbst diejenigen zu, die den Vollrauschtatbestand als abstraktes Gefährdungsdelikt sehen: Gramsch, Tatbestand, S. 113 f. (Die enge Beziehung zu der Strafbarkeit der Rauschtat sei "mit dem Grundsatz, daß nicht die Rauschtat, sondern das Sichberauschen bestraft werden soll, nicht vereinbar". Gramsch plädiert daher sogar für eine Streichung jenes 3. Absatzes); Pfundtner/Neubert-Rietzsch, § 330a Anm. 8 ("Der Gedanke, daß [... ] nicht die im Rauschzustand begangene Tat, sondern die schuldhafte Herbeiführung des Rauschzustandes bestraft wird, könne nicht restlos durchgeführt werden, wie sich aus Abs. 2 und 3 ergibt."); Schäfer/v. Dohnanyi, § 330a Anm. 3 (Die volle Durchführung des Grundsatzes, daß das Gesetz in § 330a einen selbständigen, d.h. von der Rauschtat unabhängigen Strafrahmen zur Verfügung stellt, "würde zu Unbilligkeilen führen".). 56 Gleiches gilt für die (sc. frühere; s.o. 4. Kapitel, VII. I. a. E.) Rechtsprechung des 5. Strafsenats, welcher die Rauschtat mittelbar in den subjektiven Tatbestand integrierte, indem er verlangte, Vorsatz oder Fahrlässigkeit müßten "die Möglichkeit umfassen, der Täter werde im Vollrausch strafbare Handlungen irgendwelcher Art verüben", vgl. hierzu o. 2. Kapitel, Il. 2. b) bb) (I) m.w.N.

II. Die Voraussetzungen analoger Gesetzesanwendung

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Selbst wenn man die Straf(rahmen)limitierung des § 323 a Abs. 2 noch mit der von der h. M. angenommenen Strafzumessungsrelevanz der Rauschtat57 und ihrer Funktion als Indiz für die Gefahrlichkeit der Tatbestandverwirklichung58 begründen könnte, lassen sich diese Argumente auf Prozeßvoraussetzungen des Absatzes 3 nicht übertragen. Denn diese sind gefahrneutral, ohne jeden Bezug zu Unrecht und Schuld. Der Ausnahmecharakter des § 323 a Abs. 3, über den unter dem Aspekt des Gleichbehandlungsgrundsatzes eine Gesetzeslücke begründet wurde, steht folglich mit der Annahme eines - abstrakten oder konkreten - Gefahrdungsdeliktes fest. So strikt und absolut, wie sich der Grundsatz "singularia non sunt extendenda" zunächst auch anhört, wird er doch nach der in der Methodenlehre herrschenden Ansicht alsbald wieder "entschärft", weitgehend zurückgenommen59. Wie schon beim Umkehrschluß60 geht man nämlich auch bei dem Gebot restriktiver Anwendung von Ausnahmevorschriften nicht von deren Wortlaut, sondern von deren ratio und telos aus. Danach sind (auch) Ausnahmevorschriften analog anwendbar, wenn und soweit ein nicht gesetzlich geregelter Sachverhalt wertungsmäßig ihrem Sinn und Zweck entspricht, lediglich nicht unter ihren zu engen Wortlaut subsumiert werden kann 61 . Eine Schranke wird jedoch teilweise dort anerkannt, wo Vorschriften nicht nur eine Ausnahme von einem Grundsatz darstellen, sondern systemwidrig sind62 . Eine solche Systemwidrigkeit liege etwa dann vor, wenn eine Norm nicht in das "innere System" der Rechtsordnung passe, zu ihr "querstehe"63. Betrachtet man die Vorschrift des § 323 a Abs. 3 unter diesen beiden Aspekten, erheben sich Zweifel daran, ob man von dieser Bestimmung ausgehend eine echte Gesetzeslücke begründen kann. Zwar konnte vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck der Vorschrift der Strafaufhebungsgrund des Rücktritts noch als mit dem Strafantragserfordernis vergleichbar angeHierzu ausführlich o. 2. Kapitel, Il. I. b) cc). Hierzu ausführlich o. 2. Kapitel, II. I. b) bb); kritisch hierzu o. 6. Kapitel, 111. 2. 59 Engisch etwa hält jenen Satz für ,,fragwürdig" (S. 151 ), er sei mit "größter Vorsicht zu handhaben" (S. 152). Canaris spricht gar von einer "verfehlten Regel", die "als überholt gelten dürfte" (Lücken, S. 181 ), Pawlowski von einer "alten fonnalen Regel" (Rn. 489a; Hervorhebung im Original). 60 s.o. 7. Kapitel, II. I. b) cc ). 61 Kramer, S. 155 ff.; Engisch, S. 151 ff.; Canaris, Lücken, S. 181; Larenz, S. 355 f. Pawlowski, Rn. 489a. 62 Kramer, S. 157; Canaris, Systemdenken, S. 132. 63 Kramer, S. 157. 57

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7. Kap.: Die entsprechende Anwendung der Rücktrittsvorschriften

sehen werden 64 , doch stellt sich bei genauer Betrachtung jener dritte Absatz des Vollrauschtatbestandes nicht nur als Ausnahme, sondern auch als eine (prozessuale) Systemwidrigkeit dar. Es mag banal klingen, ist jedoch gleichwohl an dieser Stelle zu erwähnen: die prozessualen Voraussetzungen der Straftatverfolgung, des Strafverfahrens hängen - neben der Person des Täters - entscheidend von der (Straf)Tat (im materiellen Sinne) ab, die den Gegenstand des Strafverfahrens bildet. Das gilt für die sachliche Zuständigkeit des Gerichts in gleicher Weise wie für das Prozeßhindemis der Verjährung, für die Einstellung des Verfahrens nach §§ 153, 153a StPO wie auch - für das Strafantragserfordemis. Wird nun wegen Vollrauschs nach § 323 a ennittelt, der Täter angeklagt und verurteilt, so bildet ausschließlich dieses Delikt die materielle Tat, nach deren Voraussetzungen sich der Schuldspruch richtet. Die Rauschtat findet im Schuldspruch nicht einmal Erwähnung65 . Der Täter wird wegen des schuldhaften Sichberauschens verfolgt, nicht wegen der im Rausch begangenen rechtswidrigen Tat; denn sie ist wegen der tatsächlichen oder jdf. nicht ausschließbaren Schuldunfahigkeit des Täters im Zeitpunkt der Rauschtat nicht strafbar. Wenn § 323 a Abs. 3 nun gleichwohl auf die Straftatverfolgungsvoraussetzungen der Rauschtat abstellt, also einer materiellen Tat, die dem Täter in diesem Verfahren nicht vorgeworfen wird, so ist das nicht nur eine simple Ausnahme von obigem Grundsatz, sondern läuft diesem System zuwider. Dem läßt sich nicht entgegenhalten, daß auch die Rauschtat in ihrer Funktion als objektive Bedingung der Strafbarkeit Gegenstand des Verfahrens ist, ihre Voraussetzungen damit ennittelt und festgestellt werden müssen, da ihr Vorliegen für die Strafbarkeit von entscheidender Bedeutung ist, oder, daß die Rauschtat auch Gegenstand der Tat im prozessualen Sinne ist66 : Das Antragserfordernis richtet sich allein nach der materiellen Tat, die den Tatvorwurf bildet - und das ist nicht die Rauschtat Gleiches gilt auch in zeitlicher Hinsicht bei einer Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts innerhalb der prozessualen Tat (§ 265 StPO): Sollte gegen den Täter wegen eines vorsätzlichen, unter den Voraussetzungen der actio libera in causa begangenen Delikts verhandelt werden, sich im Rahmen der Beweisaufnahme jedoch sein Vorsatz bezüglich der bestimmten Defekttat im Zeitpunkt des Sichberauschens nicht beweisen lassen, so 64 65 66

s.o. 7. Kapitel, II. I. b) bb) und cc). Statt vieler: S/S-Cramer, § 323 a Rn. 35 m. w. N. LK 11 -Spendel, § 323a Rn. 359 ff. m.w.N.

II. Die Voraussetzungen analoger Gesetzesanwendung

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wäre die Rauschtat zunächst das dem Angeklagten vorgeworfene Delikt und müßte sich das Antragserfordernis nach diesem richten. Gleiches gilt, wenn der Täter wegen eines vorsätzlichen Delikts vor Gericht steht und sich erst im Laufe der Hauptverhandlung seine Schuldunfahigkeit im Zeitpunkt der (Rausch)Tat herausstellen würde. Vollrausch und Rauschtat können demnach innerhalb desselben Strafverfahrens hinsichtlich eines Verhaltens den Tatvorwurf bilden, nie aber zur gleichen Zeit. Denn kommt das Gericht zu der Überzeugung, daß die Voraussetzungen des Vollrauschs vorliegen, so ist von diesem Zeitpunkt an nur § 323 a das einschlägige Delikt, das dem Täter vorgeworfen wird, nicht (mehr) die Rauschtat Daß sich das Stranfantragserfordemis gleichwohl nach der Rauschtat richtet, durchbricht das dargestellte prozessuale System.

ee) Die fehlende Rücktrittsregelung beim Vollrauschtatbestandeine Gesetzeslücke? Die Systemwidrigkeit des § 323 a Abs. 3 mahnt zur Vorsicht. Würde man von dieser Vorschrift ausgehend, eine Gesetzeslücke bejahen, so hieße das - in Anlehnung an ein Zitat Reicheis - "einen Fehler des Gesetzgebers verdoppeln"67, weil man weitere Voraussetzungen und Besonderheiten der Rauschtat auf den Vollrauschtatbestand übertrüge. Hinzu kommt, daß auch die ausschließlich am Vollrauschtatbestand orientierte teleologische Wertung keine Regelungslücke ergeben hat68 . Aufgrund dieses Befunds läßt sich die nicht vorhandene Regelung der Folgen eines Rücktritts von der versuchten Rauschtat nicht als eine Gesetzeslücke des Vollrauschtatbestandes bewerten. Damit würde sich bereits die Frage nach einer analogen Anwendung der Rücktrittsvorschriften erübrigen.

2. Gleichwohl: Das Schließen jener Rechtslücke im Wege der Analogie Wenn hier dennoch der Frage weiter nachgegangen wird, ob eine entsprechende Anwendung der Rücktrittsvorschriften auf die versuchte Rauschtat zulässig sein könnte, so soll damit in keiner Weise das soeben festgestellte Ergebnis wieder in Zweifel gezogen werden. Die folgenden Ausführungen 67 Zitiert nach Kramer, S. 157. Das Originalzitat lautet: "Hat der Gesetzgeber einen Fehler gemacht, so tut der Richter dem Staat einen schlechten Dienst, wenn er sich beeilt, ihn zu verdoppeln". 68 s.o. 7. Kapitel, II. I. b) aa).

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7. Kap.: Die entsprechende Anwendung der Rücktrittsvorschriften

bezwecken vielmehr eine umfassende Antwort auf die gestellte Frage, eine Antwort, mit der sich auch diejenigen auseinandersetzen müssen, die - entgegen der hier vertretenen Ansicht - eine Regelungslücke bejahen.

a) Das Wesen des Analogieschlusses Den Hintergrund der Analogie bildet der Gleichbehandlungsgrundsatz69, der sowohl die Gleichbehandlung wesentlich gleicher als auch die Ungleichbehandlung wesentlich ungleicher Fälle gebietet. Um dessen zentralen Ausgangspunkt festzustellen, werden bei der hier allein in Frage kommenden Gesetzes- oder Einzelanalogie der im Gesetz ausdrücklich geregelte Fall und der zur Beurteilung stehende, nicht gesetzlich geregelte Fall miteinander verglichen. Dabei stellt die gesetzliche Regelung die Vergleichsbasis70 dar, die Wertungen, die ihr zugrundeliegen, die sie prägen, ihr Zweck und ihre Grundgedanken, ergeben den Vergleichsmaßstab71 . Erweisen sich gesetzlich geregelter und nicht geregelter Fall insoweit als ähnlich, wird die gesetzliche Regel (zumeist: die Rechtsfolge) über ihren eigentlichen Anwendungsbereich hinaus (praeter Iegern) auf den nicht geregelten Fall angewandt, um Gleiches gleich zu behandeln. Schwierig ist hierbei die Bestimmung der Ähnlichkeit, die Frage, inwieweit die zu vergleichenden Konstellationen miteinander übereinstimmen müssen, um schon "ähnlich" zu sein, wie weit sie sich voneinander unterscheiden dürfen, um noch "ähnlich" zu sein. Einfach zu bestimmen sind wie meist - die beiden Extrema: die Übereinstimmung beider Sachverhalte in allen Hinsichten (= Gleichheit) oder in keiner Hinsicht (= absolute Ungleichheit)72 • Die zwischen diesen Polen liegende, für die Analogie entscheidende Ähnlichkeit ist dann gegeben, wenn die Vergleichsobjekte zwar in einigen Hinsichten voneinander abweichen, jedoch gerade in denen, die für die teleologisch zu bestimmende rechtliche Bewertung maßgeblich sind, übereinstimmen73 . Diese Übereinstimmung in den "entscheidenden" Punkten begründet trotz bestehender konkreter Ungleichheit eine generelle Gleichheit, die es rechtfertigt, die Rechtsfolgen einer Norm auf einen (nur) ähnlichen Fall zu übertragen, und die es zugleich auch erlaubt, bestehende tatsächliche Unterschiede als unerheblich auszuklammern74 , zu vernachlässigen. So ausdrücklich Zippelius, S. 62, 67; Kramer, S. 149; Larenz. S. 381. Zippelius, S. 67. 71 Larenz, S. 381 f. ; Kramer, S. 148, Bydlinski, S. 476 f. ("Gleichheit des Rechtsgrundes und des Schutzbedürfnisses"). 72 Larenz, S. 381. 73 Larenz. S. 381. 74 Zippelius, S. 62, 68 ff. 69

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li. Die Voraussetzungen analoger Gesetzesanwendung

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Zu bewertender und gesetzlich geregelter Sachverhalt müssen sich so sehr ähneln, daß die Analogie ein Gebot der Gerechtigkeit ist75 • b) Die entsprechende Anwendung der Rücktrittsvorschriften auf die versuchte Rauschtat

Für die Frage der entsprechenden Anwendbarkeit der Rücktrittsvorschrift des § 24 auf die versuchte Rauschtat im Rahmen des § 323 a sind die beiden folgenden Fallkonstellationen miteinander zu vergleichen: Fall A: Der Täter tritt freiwillig von einer rechtswidrig und schuldhaft versuchten Straftat zurück. Beispiel: T schießt einmal mit Tötungsvorsatz mit einem Gewehr auf 0, ohne diesen jedoch zu treffen. Er gibt sein Vorhaben freiwillig auf, obwohl er - wie er weiß - in diesem Zeitpunkt noch eine Patrone in seiner Schußwaffe hat, d. h. nochmals auf 0 hätte schießen können.

Fall B: Der Täter versetzt sich durch alkoholische Getränke schuldhaft in einen Rausch, so daß seine Schuldunfähigkeit ausgeschlossen, oder dies zumindest nicht auszuschließen ist. In diesem Zustand begeht er - mit natürlichem Vorsatz - den Versuch einer Straftat, gibt jedoch freiwillig deren weitere Ausführung auf oder verhindert deren Erfolg. Beispiel: T schießt in einem schuldhaft durch alkoholische Getränke herbeigeführten Rauschzustand, in dem seine Schuldfähigkeit aufgehoben oder dies nicht auszuschließen ist, einmal mit Tötungsvorsatz auf 0, ohne diesen jedoch zu treffen. Er gibt sein Vorhaben freiwillig auf, obwohl er - wie er weiß - in diesem Zeitpunkt noch eine Patrone in seiner Schußwaffe hat, d. h. nochmals auf 0 hätte schießen können.

Entscheidend ist, ob das Täterverhalten in Fall B ("Rücktritt von der versuchten Rauschtat") dem in Fall A ("Rücktritt von der versuchten Straftat"), gemessen an der Rücktrittsregelung des § 24 ähnlich ist, der gesetzlich nicht geregelte Fall B dem gesetzlich geregelten Fall A im dargelegten Sinne entspricht.

75

BGHSt 7, 190, 193 f.; BGH NJW 1951, 809.

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7. Kap.: Die entsprechende Anwendung der Rücktrittsvorschriften

aa) Gemeinsamkeiten und Unterschiede (l) Gemeinsamkeiten

Gemeinsamkeiten bestehen in folgendem: In beiden Fällen betätigt der Täter seinen Entschluß zur Begehung einer Straftat zunächst in der Weise, daß er nach seiner Vorstellung von dieser Tat im Sinne des § 22 unmittelbar zur Verwirklichung des Tatbestandes ansetzt. Aufgrund eines autonomen Sinneswandels nimmt er hierauf wieder Abstand von der Tat: Obgleich er glaubt, noch nicht alles nach seiner Vorstellung von der Tat zu deren Vollendung Erforderliche getan zu haben, gibt er die weitere Ausführung der Tat auf (sog. unbeendeter Versuch, § 24 Abs. 1 S. l Alt. l) oder verhindert, in der Meinung, bereits alles getan zu haben, was nach seiner Vorstellung von der Tat zu deren Vollendung notwendig oder möglicherweise ausreichend ist, deren Vollendung (sog. beendeter Versuch, § 24 Abs. 1 S. l Alt. 2). Die durch den Versuch der Straftat begründete Gefahr für das angegriffene Rechtsgut-nicht zwingend auch für das Handlungsobjekt76! - wird durch dieses gegensteuernde Täterverhalten beendet, zumindest aber verringert. Die den Versuch der Straftat betreffenden Gemeinsamkeiten beider betrachteten Fälle beschränken sich damit auf das Vorliegen eines tatbestandsmäßigen und rechtswidrigen Versuches und das hieran anschließende freiwillige Abstandnehmen des Täters von ihm in der in § 24 Abs. l beschriebenen Art und Weise. Die subjektive Vorstellung des Täters sowie das objektive Täterverhalten bilden die Übereinstimmung beider Konstellationen. (2) Unterschiede Die Unterschiede zwischen beiden Fällen sind schon, da bereits wiederholt unmittelbar oder mittelbar angesprochen, bekannt. Zu dem an dieser Stelle erforderlichen Vergleich seien sie nochmals kurz zusammengefaßt. Im Fall A verwirklicht der Täter den Versuchstatbestand rechtswidrig und, da bei Begehung dieser Tat schuldfähig, auch schuldhaft. Er hat demnach volldeliktisch gehandelt, sich einer versuchten Straftat schuldig gemacht. Der staatliche Strafanspruch ist (zunächst) entstanden. Gänzlich anders verhält es sich insoweit dagegen in Fall B. Dort besteht eine Strafbarkeit des Täters wegen der versuchten Tat aufgrund seiner Schuldunfahigkeit überhaupt nicht bzw. kann - was dem im Ergebnis gleichsteht - prozessual nicht nachgewiesen werden. 76

s. hierzu o. 6. Kapitel, III. 2. b).

II. Die Voraussetzungen analoger Gesetzesanwendung

329

Aus diesem Grunde wird der Täter nicht wegen des Versuchs jener Straftat, sondern wegen eines vollkommen anderen Verhaltens, nämlich des vorangegangenen Sichberauschens, bestraft. Dieses Verhalten wurde in § 323 a vertatbestandlicht, so daß der Strafbarkeit des Täters ein anderer Tatbestand und damit auch ein anderes Delikt als das zugrundeliegt, dessen Tatbestand im Rausch rechtswidrig verwirklicht wurde. Der Täter wird nicht mehr wegen der im Rausch (teilweise) verwirklichten Tat, sondern wegen des schuldhaften Sichberauschens bestraft. Die tatbestandsmäßige und rechtswidrige Rauschtat ist von ihrer systematischen Funktion her allein objektive Bedingung der Strafbarkeit im Rahmen des Vollrauschtatbestandes. Beide Fälle unterscheiden sich daher bereits im Objekt der strafrechtlichen Würdigung. Während die unrechtsbegründende Handlung des Täters im Fall A das unmittelbare Ansetzen zum Versuch der Straftat ist, bildet im Fall B das Sichberauschen die tatbestandsmäßige Handlung, das Unrecht der Tat. Als Folge davon, daß der Strafbarkeit des Täters in beiden Fällen (grund)verschiedene Delikte zugrundeliegen, ist weiter festzustellen, daß diese auch in unterschiedlichen Verwirklichungsstufen vorliegen. Während die das Unrecht und die Strafbarkeit begründende Tat in Fall A lediglich versucht wurde, ist in Fall B mit dem Sichberauschen bereits der Tatbestand des Delikts vollendet. Daß trotz offensichtlicher Teilidentität des Geschehens in beiden Fällen ein derartig relevanter (§§ 23 Abs. 2, 24) Unterschied besteht, liegt darin begründet, daß im Fall B auf das Sichberauschen, ein im Vorfeld der "eigentlichen" Tat liegendes Verhalten, zurückgegriffen wird, das vertatbestandlicht wurde; allgemeiner formuliert: in der Vorverlagerung der Strafbarkeit bei den abstrakten Gefahrdungsdelikten. Ein dritter Unterschied resultiert aus den beiden genannten: Da sich der Täter in Fall A wegen eines versuchten, in Fall B hingegen wegen eines vollendeten Delikts strafbar gemacht hat, kann sich die strafaufhebende Wirkung des Rücktrittsverhaltens in Fall A nur auf die Bestrafbarkeil des Täters wegen versuchten, in Fall B nur auf die wegen vollendeten Delikts beziehen.

bb) Wesentlichkeil und Unwesentlichkeil der festgestellten Gemeinsamkeiten und Unterschiede (I) Rücktrittssituation und -Voraussetzung

Ist es für § 24 entscheidend, daß sich das Rücktrittsverhalten des Täters auf einen rechtswidrigen und schuldhaften und damit strafbaren Versuch bezieht, oder besteht das für den Rücktritt Wesentliche allein im Täterverhalten als solchem, d. h. unabhängig von der Strafbarkeit des begangenen Versuches?

330

7. Kap.: Die entsprechende Anwendung der Rücktrittsvorschriften

Die erste Frage ist eindeutig zu bejahen, die zweite damit zu verneinen. Das folgt für die ganz h. M. nicht nur und erst aus der Klassifizierung des Rücktritts als Strafaufhebungsgrund, sondern auch aus dessen Sinn und Zweck, und zwar ganz unabhängig davon, worin man die ratio der Straffreiheit des Rücktritts sieht. Denn alle hierzu vertretenen Theorien und Erkläningsversuche77 gehen davon aus, daß der Versuch der Straftat ohne den Rücktritt die Strafbarkeit des Täters zur Folge hat. Die Folgerung ist derart selbstverständlich, daß sie gar nicht ausdrücklich erwähnt wird. Ohne Strafbarkeit des begangenen Versuchs könnte die Straffreiheit des Rücktritts nach der kriminalpolitischen "Theorie von der goldenen Brücke" für den Täter kein Anreiz sein, zur Legalität zurückzukehren, wäre die Straffreiheit nach der "Gnadentheorie" kein Gnadenakt, nach der "Prämientheorie" für den Täter keine Prämie, keine Belohnung. Die Rücktritt und Versuch als eine normative Einheit betrachtende Ansicht78 hätte ohne einen grundsätzlich strafbaren Versuch keinen Anlaß zu der Begründung einer solchen Sehweise. Auch die unterschiedlichen Strafzwecktheorien gründen die Straffreiheit auf ein erst durch den Rücktritt bedingtes Entfallen der Strafzwecke, setzen daher einen strafbaren Versuch voraus, betonen entweder den verbrecherischen Willen und die Gefährlichkeit des Täters, oder den rechtserschütternden Eindruck des Versuches. Nach der "Schulderfüllungstheorie" von Herzberg79 schließlich gäbe es ohne einen schuldhaften Versuch keine Rechtsschuld, die der Täter durch den freiwilligen Rücktritt erfüllen könnte. Kurzum: jede Theorie setzt mit Selbstverständlichkeit das Vorausliegen einer Rücktrittssituation, d. h. einen schuldhaft begangenen Versuch voraus. Eine strafbarer Versuch ist mithin keine zufällige und bloße Begleiterscheinung, kein lediglich schmückendes Beiwerk des Rücktritts, sondern dessen normteleologisch notwendige Voraussetzung. Das Fehlen eines schuldhaft begangenen Versuchs, die fehlende Rücktrittssituation begründet daher beim Rücktritt von der versuchten Rauschtat einen wesentlichen Unterschied zwischen den betrachteten Fallkonstellationen, die sich diesbezüglich nicht ähnlich sind.

77 Zu den wesentlichen Theorien sei auf die folgenden zusammenfassenden Darstellungen verwiesen: S/S-Eser, § 24 Rn. 1-3; LK 10-Vogler, § 24 Rn. 6-20; Berz, S. 20 ff.; Jäger, S. 3 ff. 78 s. o. 6. Kapitel, III. 2. d) bb) (4). 79 Herzberg, Lackner-FS, S. 325 ff., 349 ff.; ders., NStZ 1989, 49 ff.

II. Die Voraussetzungen analoger Gesetzesanwendung

331

(2) Versuchsbezogenheil und Rechtsfolgen des Rücktritts

§ 24 ordnet als Rechtsfolge die Straflosigkeit des Täters an, bestimmt, daß dieser wegen des Versuchs nicht bestraft wird. Es wird durch den freiwilligen Rücktritt die Bestrafungsmöglichkeit aufgehoben, die zuvor durch den Versuch der Tat begründet wurde. So wie sich der Rücktritt und die Rücktrittshandlung auf den Versuch beziehen, bezieht sich seine strafaufhebende Wirkung auf die Bestrafbarkeil des Täters wegen eben dieses Versuches. Beide stehen zueinander in einem untrennbaren Zusammenhang. Der Täter muß mit dem Rücktritt die weitere Ausführung der Tat aufgeben oder die Vollendung der Tat verhindern, zu deren Verwirklichung er vorher unmittelbar angesetzt hat. Da sich die rechtsfeindliche Aktion (Versuch) und die hierzu gegenläufige rechtstreue Gegenaktivität (Rücktritt) auf die seihe (versuchte) Tat beziehen, steht der Rücktritt auch grundsätzlich 80 nur und ausschließlich der durch sie begründeten Bestrafbarkeil entgegen. Kann vor diesem Hintergrund die Rücktrittskonstellation in Fall B als derjenigen des Falles A noch hinreichend ähnlich bezeichnet werden? Beim Rücktritt von der versuchten Rauschtat (Fall B) bezieht sich das Rücktrittsverhalten des Täters auf die im Rausch versuchte rechtswidrige Tat, die Rücktrittsfolge hingegen nicht nur auf die Strafbarkeit wegen eines anderen, sondern auch eines vollendeten Delikts! Der Täter, der in einer solchen Konstellation etwa von einem "versuchten Totschlag" dadurch "zurücktritt", daß er das Schießen auf sein Opfer einstellt, würde dafür von der Strafbarkeit befreit, die durch das schuldhafte Sichberauschen begründet wurde (sc. von dem der Täter nicht einmal im tatsächlichen Sinne zurücktritt oder dies auch nur könnte). Der Wortlaut des § 24 "Wegen Versuchs wird nicht bestraft (... )" steht einer Ähnlichkeit und einer Analogie zunächst nicht entgegen, da die Analogie nicht immer zu einer wörtlich identischen Anwendung der Rechtsfol80 Als eine Ausnahme hiervon ist anerkannt, daß der Rücktritt vom Versuch eines Verletzungsdelikts auch die Strafbarkeit wegen eines damit zugleich begangenen vollendeten konkreten Gefährdungsdelikts aufhebt, wenn beide Tatbestände bezüglich desselben Rechtsguts zueinander im Verhältnis von Verletzungs- und konkretem Gefahrdungsdelikt stehen, die im Versuch liegende konkrete Gefahr mit der des vollendeten Delikts identisch ist; vgl. etwa LK 10- Vogler, § 24 Rn. 198; S/S-Eser, § 24 Rn. 110; SK-Rudolphi, § 24 Rn. 44; a. A. BGHSt 39, 128, 130 f. Dies soll jedoch nicht gelten, wenn das vollendete Delikt eine abstrakte Gefährdung beinhaltet, da diese allgemeine weiter als die im Versuch liegende tatsächliche Gefährdung ist; vgl. S!S-Eser, § 24 Rn. 110. Für den Vollrauschtatbestand kommt jene Ausnahme hierbei aus doppeltem Grunde nicht in Betracht: Zum einen handelt es sich bei diesem um ein abstraktes Gefahrdungsdelikt, zum anderen ist das durch ihn geschützte Rechtsgut weiter und umfassender als das jeder (versuchten) Rauschtat; vgl. hierzu o. 6. Kapitel, II. 2.

332

7. Kap.: Die entsprechende Anwendung der Rücktrittsvorschriften

genanordnung einer analog anzuwendenden Vorschrift führt 81 , der Wortlaut jener Vorschrift bei der Analogie grundsätzlich überschritten wird (Rechtsanwendung praeter Iegern). Da sich der Rücktritt auf die das tatbestandliehe Unrecht und die Strafbarkeit begründende Handlung beziehen muß, könnte man beide Rücktrittskonstellationen überhaupt nur dann als ähnlich bezeichnen, wenn die versuchte Rauschtat (zumindest auch) das Unrecht des Vollrauschs begründen würde. Je mehr man hierbei den Schwerpunkt des tatbestandliehen Unrechts i. S. des § 323 a vom Sichberauschen auf die Rauschtat verschiebt, desto ähnlicher werden sich beide Fälle hinsichtlich der erforderlichen Tatidentität von Versuch und Rücktritt. Es ergibt sich hierbei exakt die gleiche Abstufung, die sich bereits an anderer Stelle hinsichtlich des Ausnahmecharakters des § 323 a Abs. 3 ergeben hat82 . Sieht man den Unrechtsgehalt allein in der Rauschtat und erblickt man deshalb § 323 a lediglich als Ausnahme vom Koinzidenzprinzip des § 20, so bezieht sich der Rücktritt von der versuchten Rauschtat nur auf den Versuch, der dann Unrecht und Strafbarkeit konstituiert83 . Die Übereinstimmung schwindet, sobald für den Vollrauschtatbestand neben der Rauschtat auch das Sichberauschen als unrechtsbegründend angenommen wird. Nicht mehr vorhanden ist sie schließlich, wenn man das Unrecht des Vollrauschs allein im Sichbetrinken findet und der Rauschtat jegliche unmittelbar unrechtsbegründende Funktion abspricht. Selbst diejenige Ansicht, die § 323 a als konkretes Gefährdungsdelikt deutet84 und die Rauschtat als das Unrecht des Vollrauschtatbestandes mitkonstituierend erachtet85 , vermag jene Differenz zwischen Versuch und Rücktritt nicht aufzuheben. Denn da die Rauschtat nach dieser Auffassung nur einen Teil des tatbestandliehen Unrechts ausmacht, würde der Rücktritt von der versuchten Rauschtat sich auch nicht auf das gesamte verwirklichte Kramer, S. 148, in Fn. 497. s.o. 7. Kapitel, II. I. b) dd) (S. 322). 8 J Jene weder mit dem Willen des historischen Gesetzgebers noch mit dem Wortlaut des § 323 a zu vereinbarende Ansicht wurde aus eben diesem Grunde bereits an früherer Stelle in dieser Arbeit nicht weiterverfolgt Vgl. hierzu bereits o. 6. Kapitel, Fn. 42. 84 s.o. 2. Kapitel, II. 2. 85 So ausdrücklich etwa Lange, JZ 1951, 460, 461; Ranft, MDR 1972, 737, 740; ders., JA 1983, 193, 194. An dieser Stelle ist auch Jescheck zu erwähnen, der § 323a zwar als ein abstraktes Gefährdungsdelikt einstuft (Jescheck/Weigend, AT5 , § 26 II 2), die Rauschtat jedoch als eine "unechte Strafbarkeitsbedingung" ansieht, die ihrem Wesen nach ein strafbegründendes Tatbestandsmerkmal ist und deshalb zum Unrechtstatbestand gehört, lediglich formell als Strafbarkeilsbedingung ausgestaltet ist (Jescheck/Weigend, AT5 , §53 I 2; LK 10-Jescheck, Vor§ 13, Rn. 79; ähnlich auch Roxin, AT § 23 Rn. 7 ff.). 81

82

e,

li. Die Voraussetzungen analoger Gesetzesanwendung

333

Unrecht (Sichberauschen und Rauschtat) beziehen, der Täter damit nur teilweise zurücktreten. Solch ein "Teilrücktritt" wäre jedoch ohne Relevanz, da dem Unrechtsgehalt der Rauschtat - anders als etwa in den Fällen der Qualifikation im Verhältnis zum Grunddelikt86 - keine eigenständige, formal abgegrenzte Bedeutung zukäme. Ein nur teilweises Zurücktreten könnte ferner niemals die gesamte Bestrafbarkeil aufheben. Bei Annahme eines konkreten Gefährdungsdeliktes würden sich daher Rücktrittshandlung und -folgen auf unterschiedliche Delikte beziehen. Nach Ansicht der h. M., die die Rauschtat als objektive Bedingung der Strafbarkeit und Indiz der Gefährlichkeit der Tatbestandsverwirklichung interpretiert, ist jene Diskrepanz schließlich am deutlichsten zu erkennen, ja offensichtlich. Wenn das Unrecht des Vollrauschs allein im gefährlichen Sichberauschen liegt, bezieht sich das Rücktrittsverhalten auf eine für das der Strafbarkeit zugrundeliegende Unrecht indifferente Tat. Der Täter würde von dem Unrecht der einen Tat Abstand nehmen und hierfür von der Strafe für eine andere Tat befreit, von deren Unrecht er sich weder subjektiv noch objektiv distanziert hat. Er träte also lediglich von dem Indiz für die das Unrecht begründende Gefährlichkeit zurück87 , nicht aber von diesem selbst. Der Umstand, daß Rücktrittsverhalten und Rücktrittsfolge nicht miteinander korrespondieren, bricht mit einem wesentlichen Grundsatz der Dogmatik des Rücktritts, nämlich dem, daß der Rücktritt (zumindest auch 88 ) die Bestrafbarkeil des ihm zugrundeliegenden Versuches aufhebt. Aus diesem Grunde sind beide vergleichend betrachteten Konstellationen des Rücktritts vom strafbaren Versuch und des Rücktritts von der versuchten Rauschtat auch insoweit nicht vergleichbar. (3) Vorliegen eines tatbestandsmäßigen und rechtswidrigen Versuchs In beiden betrachteten Beispielsfällen verwirklicht der Täter rechtswidrig den Versuchstatbestand eines Deliktes. Dieser Teilausschnitt einer Straftat ist eine nur notwendige, nicht jedoch auch hinreichende Voraussetzung für die Strafbarkeit der versuchten Deliktsbegehung und damit auch für den Rücktritt vom Versuch. Sie ist aus diesem Grunde von der gesamten, die Bewertungsgrundlage der Ähnlichkeit bildenden, gesetzlichen Rücktrittsregelung weit entfernt. Der tatbestandsmäßige und rechtswidrige Versuch 86 Zu der umstrittenen Möglichkeit eines Teilrücktritts in diesen Fällen LK 10Vogler, § 24 Rn. 208; S/S-Eser, § 24 Rn. 113. 87 Zu der "Auswirkung" des Rücktritts von der versuchten Rauschtat auf deren Funktion als Gefährlichkeitsindiz s.o. ausführlich 6. Kapitel, III. 2. 88 Vgl. o. Fn. 80.

334

7. Kap.: Die entsprechende Anwendung der Rücktrittsvorschriften

einer Straftat als Gemeinsamkeit beider Konstellationen kann deshalb vor dem Hintergrund und gemessen an der Rücktrittsvorschrift des § 24 keine entscheidende Ähnlichkeit beider verschiedenen Fälle begründen89. (4) Identität des Rücktrittsverhaltens Der festgestellten Identität des tatsächlichen "Rücktritts"-Verhaltens in beiden Fällen müßte nun zumindest eine wesentliche Bedeutung zukommen, um die beiden ebenfalls festgestellten wesentlichen Unterschiede kompensieren zu können. Jedes Täterverhalten ist rechtlich nur dann und nur insoweit von Bedeutung, wie es von einer gesetzlichen Vorschrift erfaßt wird, deren Voraussetzungen entspricht. Erst die (direkte oder analoge) Anwendung einer Vorschrift (secundum oder praeter Iegern) entscheidet damit über die rechtliche Relevanz eines Verhaltens. Aus diesem Grund kann ein tatsächliches Verhalten an sich nicht schon über die Anwendbarkeit einer Vorschrift entscheiden. Die bloße Identität des Rücktrittsverhaltens in tatsächlicher Hinsicht kann beide miteinander verglichenen Fälle daher nicht rechtlich ähnlich machen. Denn ob ihr im gesetzlich nicht geregelten Fall überhaupt eine Bedeutung zukommt, ist erst mit der Beantwortung der Frage der analogen Anwendung der Rücktrittsvorschriften entschieden. Die festgestellte Gemeinsamkeit in tatsächlicher Hinsicht ist daher für sich genommen nicht tauglich, eine rechtliche Ähnlichkeit beider Fälle zu begründen.

c) Ergebnis Der gesetzlich nicht geregelte Fall des Rücktritts von der versuchten Rauschtat weicht von der gesetzlichen Regelung des § 24, seiner Grundstruktur und seinem Regelungszweck, wesentlich ab. Beide sind sich aus diesem Grunde nicht ähnlich. Anders als in der gesetzlich geregelten Konstellation tritt der Täter schon nicht von einem strafbaren Versuch zurück, so daß sich die Rechtsfolge des § 24 auch nicht auf eine Versuchsstrafbarkeit erstrecken kann. Beide Fälle unterscheiden sich damit sowohl in den Voraussetzungen als auch in der Rechtsfolge und damit in zwei fundamentalen Charakteristika des Rücktritts. Die im Vorliegen einer tatbestandmäßigen und rechtswidrigen Tat bestehende Gemeinsamkeit vermag jenen 89 A.A. Hart/, S. 194, jedoch ohne jede Begründung für die damit nur behauptete Vergleichbarkeit, s.o. 3. Kapitel, I. I. d), dort Fn. 25.

III. Der Rücktritt von der versuchten Rauschtat - ein Fall der Tätigen Reue? 335

erheblichen Unterschied nicht zu nivellieren. Infolgedessen verlangt das Prinzip der Gleichbehandlung auch keine entsprechende Anwendung des § 24 auf die im Rausch begangene versuchte rechtswidrige Tat.

111. Der Rücktritt von der versuchten Rauschtat ein Fall der Tätigen Reue? Über die von der Rechtsprechung und weiten Teilen des Schrifttums angenommene analoge Anwendung der Rücktrittsvorschriften auf die versuchte Rauschtat gelangt man mit der Straflosigkeit des Täters grundsätzlich90 zu einer (möglichen91 ) Rechtsfolge der sog. tätigen Reue. Der Täter wird bei ihr im Ergebnis so gestellt, als sei er mit strafbefreiender Wirkung vom vollendeten Delikt des Vollrauschs zurückgetreten92 • Die diese Folge allein ermöglichende tätige Reue ist im Besonderen Teil des Strafgesetzbuchs wie auch in Nebenstrafgesetzen für verschiedene Straftatbestände vorgesehen. Die Voraussetzungen dieser Form der "Strafaufhebung" sind jedoch, wie die des Rücktritts, gesetzlich geregelt, entsprechende Bestimmungen nicht nach Belieben analogiefähig93 . Da sich sowohl die direkte wie auch die analoge Anwendung der Rücktrittsvorschriften auf die versuchte Rauschtat verbietet, ist abschließend kurz zu untersuchen, ob sich die problematischen Fälle über die Rechtsfigur der tätigen Reue erfassen lassen. Hierzu sind deren Anwendungsbereich, Voraussetzungen und Rechtsfolgen zu betrachten.

1. Die Gemeinsamkeit der gesetzlich geregelten Fälle der tätigen Reue Die große Vielfalt der Delikte, bei denen eine tätige Reue des Täters auch nach Deliktsvollendung gesetzlich privilegiert wird, lassen sich zum überwiegenden Teil auf einen gemeinsamen Nenner bringen, teilen fast alle eine Gemeinsamkeit: es handelt sich bei ihnen um Straftatbestände, welche den Strafrechtsschutz und damit auch die Strafbarkeit vorverlegen. Systematisch lassen sich hierbei folgende Deliktskategorien unterscheiden: Zunächst die sog. echten Untemehmenstatbestände, die bereits das Unternehmen einer Straftat unter Strafe und insoweit Vollendung und Ver90 In den ,.neuralgischen" Fällen, in denen der Täter im selbstverschuldeten Rausch nur eine versuchte Rauschtat begeht und von dieser freiwillig ,.zurücktritt". 91 Hierzu sogleich unter III. 3. 92 s.o. Fn. 90. 93 s.o. Fn. 3.

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7. Kap.: Die entsprechende Anwendung der Rücktrittsvorschriften

such gleichstellen (§ II Abs. I Nr. 6), und die sog. unechten Unternehmenstatbestände, die nicht auf das Unternehmen der Tat abstellen, sondern bereits bestimmte Absichten verfolgende Tätigkeiten, Tendenzhandlungen erfassen94, wobei jeweils die volle Strafbarkeit wegen vollendeter Tat angeordnet ist. Als weitere Gruppe ließen sich die sog. Vorbereitungsdelikte nennen, die das Versuchsstadium des § 22 noch nicht erreicht haben und bloße ansonsten straflose materielle Vorbereitungshandlungen zu einem eigenen Straftatbestand erheben95 , damit zu formell vollendeten Delikten machen96. Daneben ist die tätige Reue jedoch auch bei Delikten vorgesehen, die sich keiner dieser Kategorien zuordnen lassen, etwa bei einigen Brandstiftungs- (§ 306e) und Aussagedelikten (§§ 158 Abs. I, 163 Abs. 2), einem (Verletzungs)Erfolgs- (§ 306e Abs. 2 i. V. m. §§ 306d Abs. I, 306 Abs. I) wie einem abstrakten Gefährdungsdelikt (§ 163 Abs. 2 i. V. m. §§ 163 Abs. I, 154, 165).

2. Die materiellen Anforderungen an die Tätige Reue Die Anforderungen an das Aufgabeverhalten des Täters beim Rücktritt vom vollendeten Delikt sind deliktsspezifisch unterschiedlich. Generell läßt sich feststellen, daß der Täter entweder den drohenden Enderfolg abwenden97 oder zumindest die von ihm geschaffene abstrakte98 oder konkrete99 Gefahr rechtzeitig wieder beseitigen muß 100. Verschiedentlich verschafft hierbei nicht nur der tatsächliche Verhinderungserfolg dem Täter Straffreiheit, sondern - durch verschiedene, § 24 Abs. I S. 2 nachgebildete Regelungen 101 - bereits das freiwillige und ernsthafte Bemühen des Täters,

94 V9I. zu der Deliktskategorie der echten und unechten Unternehmensdelikte etwa LK 1-Gribbohm, § II Rn. 88 ff. ; LK 10-Vogler, Vor § 22 Rn. 93 ff.; S/S-Eser, Vorbem. § 22 Rn. 15 f. und§ II Rn. 46 ff.; 52 ff.; Jescheck/Weigend, AT5 , § 26 II 7 jew. m.w.N. 95 S/S-Eser, Vorbem § 22 Rn. 13 ff. mit einer weiteren verfeinerten Aufgliederung in drei Kategorien. 96 LK 10-Vogler, Vor§ 22 Rn. 88 ff. 97 So z. B. durch freiwilliges Löschen des Brandes, bevor ein erheblicher Schaden entstanden ist, § 306e Abs. 2 i. V. m. §§ 306d Abs. I, 306a Abs. I. 98 So z.B. im Falle des§ 163 Abs. 2, § 306e Abs. 2 i.V.m. §§ 306d Abs. I, 306a Abs. I. 99 So z. B. im Falle des § 314a Abs. 3 Nm. I a, b, d, e; oder des § 306e Abs. 2 i.V. m. § 306d Abs. I, 306a Abs. 2. 100 Jescheck/Weigend, AT 5 , § 26 II 7; LK 10-Vogler, § 24 Rn. 210. 101 §§ 149 Abs. 3 (beschränkt auf§ 149 Abs. 2 Nr. I); 298 Abs. 3 S. 2; 306e Abs. 3.

111. Der Rücktritt von der versuchten Rauschtat - ein Fall der Tätigen Reue? 337

dieses Ziel zu erreichen, wenn Erfolg oder Gefahr ohne dessen Zutun abgewendet oder beseitigt werden.

3. Die unterschiedlichen Rechtsfolgen der Tätigen Reue Die Rechtsfolge des Abstandnehmens des Täters von der bereits vollendeten Tat, das zumeist freiwillig 102 , stets aber durch ein aktives Verhalten geschehen muß, ist bei den verschiedenen deliktsspezifischen Regelungen des Besonderen Teils höchst unterschiedlich. Nach dem Inhalt der Rechtsfolge lassen sich Strafaufhebung, Absehen von Strafe und bloße Straf(rahmen)milderung nach § 49 Abs. 2 unterscheiden; hinsichtlich der Entscheidungsgebundenheit des Gerichts deren fakultative oder obligatorische Anordnung. Die sich aus der Kombination der verschiedenen Elemente ergebenden Möglichkeiten treten zudem entweder einzeln oder wahlweise nebeneinander als Rechtsfolge der tätigen Reue auf103 : ein umfangreiches "Repertoire der richterlichen Möglichkeiten" 104• Die insoweit in der Rechtsfolge mit dem Rücktritt vom Versuch allein identische obligatorische Straflosigkeit des Täters, die ursprünglich nur bei der Brandstiftung (§ 310 a. F.) und der unterlassenen Verbrechensanzeige (§ 139 Abs. 4) im Gesetz vorgesehen war 105, ist heute zwar in weiteren, jedoch verhältnismäßig wenigen Fällen als alleinige Rechtsfolge vorgesehen106. Sie kann trotz ihres häufigeren Vorkommens noch immer als Ausnahme bezeichnet werden 107• Überwiegend ordnet das Gesetz die flexibleren Rechtsfolgen der fakultativen Straf(rahmen)milderung und der Möglichkeit des Absehens von Strafe an 108.

Vgl. zu den Einzelheiten und Ausnahmen S/S-Eser, § 24 Rn. 117. Einen Überblick über die verschiedenen Kombinationen der Rechtsfolgen und deren Vorkommen gibt Lackner/Kühf3 , § 24 Rn. 29. 104 Schröder, Mayer-FS, S. 389. 105 Zur historischen Entwicklung Jescheck/Weigend, AT5 , § 51 V I: Schröder, Mayer-FS, S. 378 ff., 388 ff. 106 Etwa§§ 31; 98 Abs. 2 S. 2;149 Abs. 2; 152a Abs. 5 i.V.m. 149 Abs. 2; 275 Abs. 3 i. V. m. 149 Abs. 2; 163 Abs. 2; 261 Abs. 9, 298 Abs. 3 S. I; 306e Abs. 2; 314a Abs. 3; 320 Abs. 3; 330b Abs. I S. 2. 107 LK 10-Vogler, § 24 Rn. 210. 108 Siehe hierzu o. Fn. 103. 102

103

22 Barlhcl

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7. Kap.: Die entsprechende Anwendung der Rücktrittsvorschriften

4. Der Rücktritt von der versuchten Rauschtat ein Fall der Tätigen Reue? a) Anwendungsbereich Der Straftatbestand des Vollrauschs enthält keine Regelung der tätigen Reue; auch in keinem seiner zahlreichen Vorläufer in den Gesetzesentwürfen war jemals eine solche vorgesehen. Mit der letztlich auf eine These Schröders 109 zurückgehenden Behauptung, der Auswahl der Vorschriften, die eine tätige Reue vorsehen, beruhe auf keinem anderen Prinzip als dem des Zufalls 110• 111 , wird im Schrifttum vereinzelt inzident eine Gesetzeslücke und zu deren Schließung eine analoge Anwendung der Vorschriften der tätigen Reue befürwortet. So ist etwa für die Straftatbestände der §§ 234a Abs. 3, 257, 265 a.F., 323 c, 334 III, die allesamt die Strafbarkeit vorverlegen, indem sie Vorbereitungshandlungen(§§ 234a Abs. 3ll2, 265 a.F. 11 3 ) oder Tendenzhandlungen (§§ 257 114, 323 c 115) kriminalisieren, eine analoge Anwendung der je nach Sachlage entsprechenden Rücktrittsvorschriften der §§ 31 , 83 a, 310, 316 a Abs. 2 (a. F.) befürwortet worden 1 16• Vorausgesetzt wird hierbei 109 Anläßlich einer Untersuchung der Rücktrittsmöglichkeiten des Täters beim echten und unechten Unternehmensdelikt meinte Schröder, es sei "kein sachlicher Grund ersichtlich", weshalb ein Rücktritt vom Unternehmen nur in den gesetzlich geregelten Fällen möglich sein sollte, in den anderen gleichgelagerten hingegen nicht (Kern-FS, S. 457, 463). 110 S/S-Eser, § 24 Rn. I 16; ihm zustimmend Rehr-Zimmennann, S. 102 in Fn. 403. 111 Jene Behauptung einer Gesetzeslücke bedürfte der sorgfältigen Überprüfung, die eine umfassende Beschäftigung mit der Materie voraussetzt. Eine solche kann vorliegend nicht erbracht werden. Zu Recht krit. zur "leichtfertigen" Annahme von Regelungslücke und Analogie Bottke, S. 341 f.; 690. 112 Vgl. etwa SIS-Eser, § 234a Rn. 15. 113 Vgl. etwa S/S-Lenckner, § 265 Rn. I. 114 Weber, ZStW-Beiheft 1987, 13. 115 LK 10-Tröndle, § II Rn. 79. 116 SIS-Eser, § 24 Rn. 116; § II Rn. 51 , 55; Jescheck/Weigend, AT5 , § 51 V 2, 3 (subtil differenzierend: während eine entsprechende Anwendung der Rücktrittsvorschriften auf ähnlich gelagerte Fälle bei Vorbereitungshandlungen "geboten" sei, "erscheine" dies bei Unternehmensdelikten [sc. nur] "gerechtfertigt"); Stratenwerth, AT 3 , Rn. 733; Lackner/KühP3 , § 24 Rn. 29 a.E. (keine einheitliche Aussage, jedoch grundsätzlich zustimmend); LK 11 -Roxin, § 31 Rn. 2 (für eine grundsätzlich entsprechende Anwendung des § 31 auf alle Vorbereitungshandlungen); thematisch auf die Unternehmensdelikte beschränkt auch Schröder, Kern-FS, S. 463; Weber, ZStW-Beiheft 1986, 14 f.; jüngst auch NK-Lemke, § I I Rn. 42, der betont, die gesetzlichen Regelungen der tätigen Reue seien Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens, der auch für die übrigen Unternehmensdelikte Geltung beanspruchen

III. Der Rücktritt von der versuchten Rauschtat - ein Fall der Tätigen Reue? 339

jedoch stets, daß das entsprechende Delikt, von dem der Täter zurücktritt, strukturell dem Tatbestand entspricht, dessen Rücktrittsregelung entsprechend herangezogen werden soll 117. Die Rechtsprechung 118 und mehrheitlich auch das Schrifttum 119 nehmen von einer solchen entsprechenden Anwendung der Vorschriften der tätigen Reue ganz überwiegend Abstand 120• Gegen eine solche Gesamtanalogie wird eingewendet, die gesetzlichen Regelungen der tätigen Reue seien keineswegs - wie behauptet 121 - ein könnte, sie stellten damit kein abgeschlossenes, der Analogie unzugängliches System dar. Köhler, AT, S. 483 wiederum will danach differenzieren, ob mit der formellen Deliktsvollendung nur ein Versuchs- oder bereits auch ein "hinreichendes Gefährdungsunrecht" verwirklicht ist, und nur in ersterem Falle den "Grundsatz der tätigen Reue" analog anwenden. 117 s. sämtliche in Fn. 116 Genannten. 118 RGSt 56, 95 ff. (gegen eine entsprechende Anwendung der Vorschrift der tätigen Reue der Brandstiftungsdelikte [§ 310 a. F.] auf den Versicherungsbetrug [§ 265 a. F. ]); BGHSt 14, 213, 217 (gegen eine entsprechende Anwendung des .,Grundgedankens der tätigen Reue mit strafbefreiender Wirkung" auf die unterlassene Hilfeleistung [§ 330c a. F.], da deren gesetzliche Regelungen nur für bestimmte Straftatbestände aus besonderen kriminalpolitischen Erwägungen vorgesehen seien); BGHSt 15, 198 (gegen eine entsprechende Anwendung der - dem heutigen § 31 entsprechenden - §§ 49 a Abs. 3, 4 a. F. sowie von Vorschriften, welche die tätige Reue für bestimmte Staatsschutzdelikte vorsahen [§§ 82, 89 Abs. 3 a. F.] auf § 122 Abs. 2 a. F., der bereits das Unternehmen eines Ausbruchs Gefangener als Gefangenenmeuterei mit Strafe bedrohte). 119 Umfassend etwa LK 10-Vogler, § 24 Rn. 213 a. E.; Tröndle/Fischer49 , § 24 Rn. 19, auch § II Rn. 34; Jakobs, AT2, 25/3, 5, 7; thematisch auf die Unternehmensdelikte beschränkt: LK 11 -Gribbohm, § II Rn. 91, 97; SK-Rudolphi, § II Rn. 43, 47; AK-StGB-Wassermann, § II Rn. 29 f.; Maurach/Gössel!Zipf, AT 27 , § 40 Rn. 82; Berz, S. 131 f. (ausdrücklich nur de lege lata, für eine Rücktrittsmöglichkeit de lege ferenda hingegen a.a. 0., S. 132, 141) jew. m. w. N. 120 Die Entscheidung BGHSt 6, 85 87, in der dem heutigen § 31 entsprechende § 49 a Abs. 2, 3 a. F. auf § 234 a Abs. 3 entsprechend angewendet hat, kann als einmaliger Ausnahmefall bezeichnet werden. Dort begründet der 6. Strafsenat das Vorliegen einer Gesetzeslücke allein damit, daß das Schweigen des Gesetzes nicht zwingend ein bewußtes sei, die analoge Anwendung des § 49 a Abs. 2, 3 mit dem Hinweis der Vergleichbarkeit des§ 239a Abs. 3 mit§ 49a Abs. 2, 3 a. F. und letztlich dem allgemeinen gesetzgebensehen Willen, "bei freiwilligem Abstehen von einem strafbaren Tun Straflosigkeit zu gewähren" (a. a. 0., S. 87). In BGH NJW 1956, 30 f. wendete der 5. Strafsenat - unter ausdrücklicher Berufung auf BGHSt 6, 85 ff. - § 49 a Abs. 3 a. F. auf den inhaltlich § 234 a Abs. 3 entsprechenden § 2 Abs. 4 des Berliner Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit vom 14.6.1951 entsprechend an. 121 s.o. Fn. 110. Die kühne Behauptung, der Umstand, daß bei einigen Delikten eine tätige Reue vorgesehen sei, bei anderen hingegen nicht, beruhe auf gesetzgeberischer Willkür oder Zufall, ist letztlich eine Frage, inwieweit man dem Gesetzgeber "Ignoranz oder Nachlässigkeit unterstellen will" (Burkhardt, JZ 1971, 352, 358) und kann. Betrachtet man das differenzierte System der tätigen Reue - heute etwa nur 22•

340

7. Kap.: Die entsprechende Anwendung der Rücktrittsvorschriften

"Zufallsprodukt"; vielmehr verfolge der Gesetzgeber mit der nur bei ganz bestimmten Tatbeständen vorgesehenen Möglichkeit der tätigen Reue bestimmte kriminalpolitische Zwecke 122 , so daß das Fehlen entsprechender Vorschriften bei anderen Delikten bereits keine planwidrige Gesetzeslücke sei 123 . Ferner verbiete sich auch aufgrund des (sc. v. a. auch unterschiedlichen) materialen Unrechts der Delikte 124 und des Umstands, daß zahlreiche Rücktrittsvorschriften auf die jeweiligen Tatbestände zugeschnitten sind 125 , deren die tätigen Reue vereinheitlichende entsprechende Anwendung. Die Klärung jener Streitfrage kann dahingestellt bleiben wie zuvor schon die Frage nach dem Bestehen einer Gesetzeslücke 126 . Denn selbst diejenigen Autoren, welche Vorschriften der tätigen Reue auf andere Delikte übertragen wollen, beschränken die entsprechend anzuwendenden Vorschriften auf die für Vorbereitungshandlungen (v. a. §§ 31; 316c Abs. 3, 4 a. F.; 311 c Abs. 3 Nr. 2 a.F.) 127 und Unternehmensdelikte (v.a. §§ 83a, 316 Abs. 2 a.F.) 128 gesetzlich vorgesehenen, und verlangen, daß es sich jeweils um vergleichbare Delikte handelt. Der Vollrauschtatbestand ist jedoch mit diesen Deliktstypen bereits nicht vergleichbar: Denn eine wesentliche Voraussetzung des § 323 a ist es gerade, daß der Täter - in Abgrenzung zur actio libera in causa! - beim Sichberauschen

§§ 314a, 320- so ist jener Vorwurf an den Gesetzgeber in seiner Pauschalität (so auch Berz, S. 14) eine Ungeheuerlichkeit. Vgl. etwa - pars pro toto - als ein Beispiel aus jüngster Zeit BT-Drucks. 1317164, S. 51, 13/8587, S. 51, die belegen, daß die Streichung des § 316 a Abs. 2 a. F. durch das 6. Strafrechtsreformgesetz nicht auf einem Zufall beruhte, oder etwa BT-Drucks. 13/8587, S. 57 oder die umfangreichen Nachweise bei Böse, StV 1998, 509, die gleiches für die Einfügung der tätigen Reue bei dem Delikt des unerlaubten Entfernens vom Unfallort, jetzt: § 142 Abs. 4, beweisen. Weitere Argumente gegen die behauptete "Planlosigkeit" des Gesetzgebers bei Berz, S. 132; LK9 -Busch, § 46 a Rn. 7 a. E. 122 RGSt 56, 95, 96; BGHSt 14, 213, 217; SK-Rudolphi, § II Rn. 43, 47; AKStGB-Wassermann, § II Rn. 30 a. E. 123 LK 11 -Gribbohm, § II Rn. 91 ("unzulässige Korrektur des Gesetzes"); LK9 Busch, § 46a Rn. 7 ("Eingriff des Richters in die Kompetenz des Gesetzgebers"); Berz, S. 132. 124 LK 10-Vogler, § 24 Rn. 213 a. E.; Schmidhäuser, StudB, 111100. BGHSt 15, 198, 200 betont zudem die Unterschiedlichkeil der Rechtsgüter und den Umstand, daß das Rechtsgut des einen Delikts bereits verletzt sein kann, während das des anderen erst und nur gefährdet ist. 125 LK 11 -Gribbohm, § II Rn. 97. 126 Vgl. hierzu jedoch die Anmerkung in Fn. 121. 127 S/S-Eser, § 24 Rn. 116; Jescheck/Weigend, AT5 , § 51 V 2. 128 NK-Lemke, § II Rn. 42; Weber, ZStW-Beiheft 1986, 13 ff.; Jescheck/Weigend, AT5 , §51 V 3.

III. Der Rücktritt von der versuchten Rauschtat- ein Fall der Tätigen Reue? 341

noch keinerlei subjektive Beziehung zu der konkreten späteren Rauschtat gebildet hat. Genau diese innere Beziehung des Täters zur später verwirklichten Tat, dem später eintretenden Erfolg, ist jedoch ein Charakteristikum aller Vorbereitungs- und Unternehmensdelikte. Jede materielle Vorbereitungshandlung setzt denknotwendig und zwingend eine Finalität voraus, daß nämlich der Täter die vorzubereitende Tat bereits kennt, sein Vorsatz sich auf sie bezieht. Ohne einen bereits im Vorbereitungsstadium bestehenden subjektiven Bezug zur späteren Tat wäre die Vorbereitung keine solche. Gleiches gilt für das Unternehmen der Tat. Daß der hier der Vollendung gleichgestellte Versuch der Straftat für den Tatentschluß einen Vorsatz bezüglich dieser bestimmten Tat voraussetzt, bedarf ebensowenig einer Erläuterung wie die Tatsache, daß bei den unechten Unternehmensdelikten die Tendenzhandlungen das subjektiv-finale Anstreben des entsprechenden Erfolges und damit eine bestimmte Vorstellung des Täters von ihm voraussetzt. Versetzt sich der Täter nun schuldhaft in einen Rausch, ohne hierbei auch nur an die Möglichkeit der Begehung einer bestimmten Straftat zu denken, so stellt das weder eine Vorbereitung der dann später begangenen bestimmten Rauschtat, noch schon deren Unternehmen dar. Denn mag es auch bei den Fallgestaltungen der vorsätzlichen actio libera in causa heftig umstritten sein, ob mit dem bloßen Sichberauschen allein bereits das Versuchsstadium der Defekttat überschritten wird 129 , so steht dies in den Fällen des Vollrausches außer Streit. Damit ist das i. S. des § 323 a tatbestandliehe Sichberauschen im Fall des Vollrauschs mit Unternehmens- und Vorbereitungshandlungen nicht vergleichbar, womit bereits eine erste Voraussetzung der analogen Anwendung der für diese Delikte im Gesetz vorgesehenen Vorschriften der tätigen Reue fehlt.

b) Aufgabeverhalten Selbst wenn man die genannten Vorschriften im Wege einer Gesamtanalogie entsprechend anwenden wollte, läge beim Rücktritt des Täters von der versuchten Rauschtat kein Verhalten vor, das den Anforderungen einer auf den Vollrausch bezogenen tätigen Reue genügen würde. Denn das setzte voraus, daß der Täter freiwillig bei Erfolgsdelikten den endgültigen Erfolg, bei Gefährdungsdelikten die konkrete oder abstrakte Gefahr beseitigt 130 .

129

130

Vgl. zu diesem Streitstand o. I. Kapitel, IV. 3. a). s. o. 7. Kapitel, III. 2.

342

7. Kap.: Die entsprechende Anwendung der Rücktrittsvorschriften

Wie bereits an früherer Stelle erörtert 131 , vermag jedoch das auf die versuchte Rauschtat bezogene Rücktrittsverhalten lediglich die unmittelbar durch den Versuch begründete Gefahr oder Gefährdung des angegriffenen Handlungsobjekts und/oder 132 Rechtsguts zu beeinträchtigen, im Einzelfall zu vermindern oder zu beenden. Auf die hiervon zu unterscheidende, für den Vollrausch relevante und dessen Unrecht begründende abstrakte Gefährlichkeit des Sichberauschens hat der Rücktritt jedoch keine Auswirkungen. Der Täter müßte, wollte man denn eine tätigen Reue beim Vollrauschtatbestand praeter Iegern annehmen, die abstrakte, durch den eingetretenen Rausch begründete Gefahr beseitigen. Diese beruht jedoch, wie eingangs erläutert 133 , auf den unterschiedlichen, im einzelnen nicht vorhersehbaren Auswirkungen des Alkohols und der berauschenden Mittel auf die menschliche Psyche und Physis. Tritt der Täter nun (nur) von der versuchten Rauschtat zurück, so ändert das an dem gefahrbegründenden Rauschzustand nichts: Eine etwa vorhandene alkoholbedingte Antriebssteigerung oder die Reduktion des Hemmungsvermögens 134 wird durch den Rücktritt von der Rauschtat ebensowenig zwingend berührt wie die mindestens erhebliche Verminderung (§ 21) oder Ausschaltung (§ 20) der Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit des berauschten Täters. Der Täter müßte, um die materiellen Anforderungen einer tätigen Reue zu erfüllen, entweder den Rauschzustand beenden oder sich in eine Situation begeben, die jegliche Gefahr für irgendein Rechtsgut unmöglich macht 135• Beides dürfte jedoch schon theoretisch nicht möglich sein. Die durch den Vollrausch begründete und nach der h. M. durch die Rauschtat nur erwiesene abstrakte Gefährlichkeit des Täters wird vielmehr allein durch den natürlichen Prozeß des Abbaus des Rauschmittels im Körper des Täters dann beseitigt, wenn jene berauschende Wirkung den Rauschgrad unterschreitet.

s. o. 6. Kapitel, III. 2. d), insbes. sub. aa) (3). s. zu der Frage, was bei einer nur versuchten Straftat Objekt der Gefährdung ist o. 6. Kapitel, III. 2. b). 133 s. zu den einzelnen möglichen Auswirkungen o. 2. Kapitel, II. I. a) bb). 134 Vgl. hierzu o. 2. Kapitel, Il. I. a) bb). 135 Gerade letzteres wäre beim Vollrauschtatbestand als einem abstrakten Gefährdungsdelikt dogmatisch nicht unproblematisch, da für ihn die generelle Gefährlichkeit entscheidend ist, es hiernach gerade nicht auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ankommt, auch in tatsächlich ungefährlichen Situationen eine abstrakte Gefahr gegeben sein kann. Vgl. hierzu o. 6. Kapitel, I. 2. 131

132

III. Der Rücktritt von der versuchten Rauschtat - ein Fall der Tätigen Reue? 343

c) Rechtsfolgen der Tätigen Reue Schließlich sei noch der Rechtsfolgen der tätigen Reue gedacht. Überwiegend ordnet das Gesetz in den Vorschriften der tätigen Reue fakultativ das Absehen von Strafe und/oder die Straf(rahmen)minderung nach § 49 Abs. 2 an, nur selten hingegen - wie bei § 24 - die obligatorische Straflosigkeit des Täters 136• Dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis zeigt sich auch bei den Vorschriften, die für eine analoge Anwendung überwiegend herangezogen werden. Zwingend ist die Straflosigkeit nur in § 31 und § 314 a Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. § 310 (= § 311 c Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. § 311 b a. F.) vorgesehen, in allen anderen Fällen finden sich hingegen die genannten flexibleren fakultativen Regelungen. So bedürfte es einer zusätzlichen Begründung, weshalb bei einer analogen Anwendung der Vorschriften der tätigen Reue auf den Vollrauschtatbestand die dem Täter günstigste Rechtsfolge der zwingenden Strafaufhebung anzunehmen sein so11 137 . Die hierzu von Weber geäußerte Ansicht, bei einer analogen Anwendung jener Rücktrittsvorschriften sei die verstärkte Wirkung anzunehmen 138 , bedarf jedenfalls der Begründung.

5. Resümee zur Tätigen Reue Der Rücktritt von der versuchten Rauschtat hat mit der tätigen Reue, die - wenn überhaupt - allein die Bestrafbarkeil des Täters wegen vollendeten Vollrauschs wieder aufheben und dessen Straflosigkeit dogmatisch begründen könnte, nichts gemein. Weder ist ihr Anwendungsbereich eröffnet, noch stellt der auf die versuchte Rauschtat bezogene Rücktritt zugleich auch einen Rücktritt vom erfolgten Sichberauschen dar, der materiell für die tätige Reue erforderlich wäre. Zuletzt erweist sich auch die Rechtsfolge der obligatorischen Strafaufhebung des § 24 keinesfalls als zwingend, sie hätte für die Tätige Reue eher Ausnahmecharakter. So ist abschließend festzustellen, daß die Konstellation des Rücktritts von der versuchten Rauschtat weder die einer tätigen Reue ist, noch einer solchen auch nur entspricht. Die durch eine analoge Anwendung des § 24 folgende Straflosigkeit des Täters kann deshalb auch nicht mit der Rechtsfigur der tätigen Reue begründet werden.

s.o. 7. Kapitel, III. 2. Vgl. zu der Problematik der unterschiedlichen Rechtsfolgen bei einer analogen Anwendung der Vorschriften der tätigen Reue Burkhardt, JZ 1971, 352, 358. 13 8 Weber, ZStW-Beiheft 1986, 13. 136 137

344

7. Kap.: Die entsprechende Anwendung der Rücktrittsvorschriften

IV. Resümee zur entsprechenden Anwendung der Rücktrittsvorschriften Die in der Rechtsprechung erstmals mit BGH StV 1994, 304, im Schrifttum 139 jedoch schon lange vorher vertretene lediglich "entsprechende" Anwendung der Rücktrittsvorschriften auf die versuchte Rauschtat hat sich bei einer näheren Überprüfung der Voraussetzungen der analogen Anwendung von Rechtsvorschriften als nicht haltbar erwiesen. So konnte bereits das Vorliegen einer Gesetzeslücke nicht festgestellt werden. Auch liegt mit dem Rücktritt von der versuchten, als solcher straflosen Rauschtat eine mit der gesetzlichen Regelung des § 24 nicht vergleichbare und daher nicht analogiefähige Situation vor: Der Täter tritt von einem straflosen Versuch zurück, wobei sich die hierdurch erlangte Straflosigkeit auf ein bereits vollendetes Delikt erstrecken soll, von dem der Täter jedoch nicht zurückgetreten ist: ein dogmatisches Unding. In den Konstellationen des Rücktritts von der versuchten Rauschtat, bei denen sich eine unmittelbare Anwendung der Rücktrittsvorschriften verbietet, ist damit auch deren "nur" entsprechende Anwendung nicht zulässig.

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s.o. Fn. 2.

Schlußbetrachtung I. Zusammenfassende Betrachtung zum sog. "Rücktritt" von der versuchten Rauschtat Wendet man am Ende dieser Untersuchung den Blick nochmals auf deren Anfang zurück, so ist festzustellen, daß die dort geäußerten Zweifel am Rücktritt von der versuchten Rauschtat nicht geklärt, die festgestellten Unstimmigkeiten nicht beseitigt werden konnten. In eine Frage umforrnuliert könnte der Leitsatz der Entscheidung des 1. Strafsenats 1, die den Anstoß zu dieser Arbeit gegeben hat, etwa lauten: Warum sollen die Bestimmungen über den strafbefreienden Rücktritt analog angewendet werden, wenn doch bei einer Verurteilung wegen Vollrauschs die dem Täter zur Last gelegte Handlung die Herbeiführung des Rausches und nicht die im rauschbedingt schuldunfähigen Zustand begangene (versuchte) rechtswidrige Tat ist? Die Rechtsprechung ist eine Antwort auf diese Frage bislang schuldig geblieben. Die wenigen Erklärungsversuche des Schrifttums2 vermochten einer kritischen Überprüfung nicht stand zu halten und können zudem weder auf die Entstehungsgeschichte3 , noch auf die Systematik4 und den Wortlaut5 des Vollrauschtatbestandes gestützt werden. Auch ist der Rücktritt von der versuchten Rauschtat nicht mit dem Charakter des Vollrauschtatbestandes als Gefahrdungsdelikt in Einklang zu bringen6, widerspricht dessen "strafaufhebende" oder auch nur reduzierende7 Wirkung dem mit der Vorschrift angestrebten Strafzweck. So berührt der konkrete Rücktritt weder die den Strafgrund bildende abstrakte Gefährlichs.o. S. 23. s.o. 3. Kapitel, I. 3 s.o. 4. Kapitel. 4 s.o. s. 295 f. 5 s.o. 5. Kapitel. 6 s.o. 6. Kapitel. 7 Zu der Frage, unter welchen Umständen der Rücktritt von der versuchten Rauschtat strafauthebend, unter welchen "nur" strafmildernd wirken würde s.o. 7. Kapitel, I. I

2

346

Schlußbetrachtung

keit des Sichberauschens 8 , noch läßt sich aus ihm rückwirkend der Schluß ziehen, der Täter sei von Anfang an ungefährlich gewesen. In gleicher Weise kann er rückwirkend die bereits eingetretene, nach einer teilweise im Schrifttum vertretenen Ansicht9 den Strafgrund bildende konkrete Gefahr nicht mit Wirkung ex-tune ungeschehen machen 10: dies wäre gemessen an der Sachlage reine Fiktion. Auch die, offensichtlich in Erkenntnis dieser Friktionen angenommene lediglich entsprechende Anwendung der Rücktrittsvorschriften hat sich bei einer - wohl erstmaligen 11 - Prüfung der Voraussetzungen der Analogie als nicht möglich erwiesen 12 • So fehlt es bereits an deren Grundvoraussetzung, einer Gesetzeslücke. Zudem ist die Fallkonstellation des rauschtatbezogenen Rücktritts nicht mit jener der gesetzlichen Regelung zugrundeliegenden Konstellation des Rücktritts vom strafbaren Versuch vergleichbar. Da alle Auslegungsmethoden zu dem selben Ergebnis geführt haben, muß die bislang nicht geklärte, höchst umstrittene Frage nach deren Konkurrenzverhältnis (bzw. besser: deren Hierarchie) nicht beantwortet werden (sc. was sich beiläufig auch nicht fundiert erledigen ließe) 13 . Damit ist und bleibt die obige Frage jedoch unbeantwortet. Da die Untersuchung der vom Schrifttum vorgebrachten Begründungen nicht nur diese widerlegt und entkräftet, sondern sich darüber hinaus zugleich auch gezeigt hat, daß ein die Bestrafbarkeil wegen vollendeten Vollrauschs aufhebender Rücktritt von der versuchten Rauschtat weder mit dem Wesen des Vollrauschtatbestandes als Gefährdungsdelikt noch mit dem des Rücktritts als versuchsbezogenem Strafaufhebungsgrund in Einklang zu bringen ist, muß die Frage hier auch unbeantwortet bleiben: Gründe für eine entsprechende Anwendung der Rücktrittsvorschriften sind nicht ersichtlich. s.o. 6. Kapitel, III. s.o. 2. Kapitel, II. 2. 1o s.o. 6. Kapitel, IV. 11 Eine Prüfung der Voraussetzungen der analogen Anwendung der Rücktrittsvorschriften auf die versuchte Rauschtat war im gesamten Schriftturn nicht zu finden. Offensichtlich wird eine solche allein aufgrund des Umstandes, daß die Analogie ausschließlich zugunsten Täters wirkt, für nicht erforderlich gehalten. Hierzu sei nochmals auf Bottke verwiesen, o. 7. Kapitel, Fn. 3. 12 s.o. 7. Kapitel. Dort auch zur Frage der Tätigen Reue. 13 Vgl. zur Methodenfrage, dem "Rang der unterschiedlichen Methoden" etwastatt vieler - Larenz, S. 343 ff.; Zippelius, S. 56 f.; Bydlinski, S. 553 ff.; Rüthers, § 22, jeweils rn. w. N. Die in dieser Arbeit bevorzugte Synthese der klassischen Auslegungsrnethoden (kritisch zu dieser AK-StGB-Hassemer, § I Rn. 122 ff.) dürfte auch einem in der Rechtsprechung zu erkennenden "Trend" entsprechen, vgl. etwa BGHSt 43, 346, 348 ff. 8

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li. (Mögliche) Ursachen für die Anwendung der Rücktrittsvorschriften

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Nach allem läßt sich aus dem Fehlen sachlicher und überzeugender Gründe nur der Schluß ziehen, daß es einen Rücktritt von der versuchten Rauschtat im Rahmen des Vollrauschtatbestandes nicht gibt.

II. (Mögliche) Ursachen für die Anwendung der Rücktrittsvorschriften trotz fehlender Voraussetzungen Wenn sich damit die Frage nach dem Grund der von der Rechtsprechung praktizierten und auch vom nahezu gesamten Schrifttum 14 favorisierten Anwendung der Rücktrittsvorschriften nicht in deren Sinne zufriedenstellend beantworten läßt, so sei doch zumindest versucht zu begründen, weshalb die Rücktrittsvorschriften trotz des - vom I. Strafsenat treffend erkannten - dogmatischen Widerspruchs nach ganz h. M. auf die versuchte Rauschtat angewendet werden sollen. Zunächst ist erstaunlich, daß trotz der Vielzahl der teilweise grundverschiedenen Ansichten über Normcharakter und Deliktsstruktur des Vollrauschtatbestandes fast alle Vertreter des Schrifttums hinsichtlich des Rücktritts von der versuchten Rauschtat zum seihen Ergebnis kommen. Das legt die Annahme nahe, daß es einen übergeordneten, von dogmatischen Kategorien und Kriterien losgelösten gemeinsamen Nenner all jener unterschiedlichen Ansichten gibt, der eine Anwendung der Rücktrittsvorschriften auf die versuchte Rauschtat zu empfehlen oder gar zu fordern scheint. Dieser gemeinsame Nenner liegt vermutlich in dem Gedanken, der Täter dürfe im Fall des Vollrauschs (§ 323 a) nicht schlechter gestellt werden als der (zumindest) vermindert schuldfähige Täter, der, da schuldhaft handelnd, unbestritten vom Versuch der Straftat mit strafbefreiender Wirkung zurücktreten kann 15 : ein Verbot der Schlechterstellung des (zumindest nicht ausschließbar) Schuldunfähigen. Jenes "Dogma der verbotenen Schlechterstellung" des Schuldunfähigen schwingt im gesamten Schrifttum zum Vollrauschtatbestand bei der Diskussion der verschiedensten Einzelfragen stets mit, taucht wiederholt auch explizit auf16. 14 Gegen eine Anwendung der Rücktrittsvorschriften haben sich allein Neumann (s.o. 3. Kapitel, II. I) und Kusch (s.o. 3. Kapitel, li. 2) ausgesprochen. 15 Dies war auch die häufig zu beobachtende spontane Reaktion bei Gesprächen mit Kollegen über Thema und Ergebnis dieser Arbeit. 16 RG HRR 1936, Nr. 1550; Freies/eben/Kirchner/Niethammer (1936), § 330a Anm. 5 d; Schreyer, S. 73; Gerland, ZStW 55 ( 1940) 784, 797 (jeweils zu der Frage der Beachtlichkeil rauschbedingter Irrtümer bei der Rauschtat, s. hierzu o. 4. Kapitel, V. 2); speziell zum Rücktritt: Cramer, JuS 1964, 360, 364 (s.o. 4. Kapitel, Fn. 558/; ähnlich auch LK 11 -Spendel, § 323a Rn. 20 a.E.; zur Frage der Verjährung: LK 1-Spendel, § 323 a Rn. 351.

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Schlußbetrachtung

Allgemein hat den Gedanken einmal das OLG Celle formuliert: "Überall dort, wo das Grunddelikt (sc. gemeint: die Rauschtat; C. B.) eine für den Angeklagten günstigere Entscheidung als die Bestimmung des § 330a StGB zuläßt, muß deshalb in einem solchen Falle die für das Grunddelikt getroffene Regelung eingreifen'" 7 . Die Überlegung, der Schuldunfähige dürfe nicht schlechter gestellt werden als der Schuldfähige, ist jedoch - wenn überhaupt - nur auf den ersten Blick plausibel. Denn eine Schlechterstellung setzt ebenso wie eine Besserstellung einen gleichen Ansatzpunkt voraus, die miteinander verglichenen Positionen müssen in den für die rechtliche Bewertung wesentlichen Kriterien übereinstimmen. Nur wenn das der Fall ist, kann überhaupt von einer stets eine Vergleichbarkeit voraussetzenden Schlechter- bzw. Besserstellung im eigentlichen Sinn gesprochen werden 18• Andernfalls liegt lediglich eine sachlich gebotene unterschiedliche Behandlung vor. Betrachtet man nun den Vollrauschtatbestand, mit dem der Gesetzgeber nach ständiger Rechtsprechung und h. L. dem Täter die Herbeiführung des Rausches und nicht die in rauschbedingt schuldunfähigem Zustand begangene rechtswidrige Tat zu Last legt, so wird offensichtlich, daß eine im Zustand verminderter Schuldfähigkeit begangene Straftat damit nicht vergleichbar ist. Das wegen seiner abstrakten Gefährlichkeit für eine Vielzahl von unterschiedlichen Rechtsgütern unter Strafe gestellte Sichberauschen hat mit der später im Rausch verwirklichten Tat, die - welche es auch immer sei - stets nur einige wenige ganz bestimmte Rechtsgüter betrifft, nichts gemein. Somit sind beide Konstellationen nicht miteinander vergleichbar und läßt sich nicht sagen, der Täter werde in dem einen Fall besser oder schlechter gestellt als der Täter im anderen. Im Schrifttum haben das bislang nur wenige Autoren erkannt und auch ausdrücklich betont. Bereits 1939 schrieb Domning, der, infolge einer streng teleologischen Auslegung des § 330 a a. F. die Gefährlichkeit des Rausches betonend, die subjektive Tatseite der Rauschtat für entbehrlich hielt 19 und dieses Ergebnis gegen den Vorwurf der Schlechterstellung des schuldunfähigen Rauschtäters verteidigte: "Hier wird aber übersehen, daß der Volltrunkene ja nicht wegen der Begehung der Rauschtat, sondern wegen der schuldhaften Herbeiführung einer Gefahr bestraft wird. (.. .) Ein Vergleich zwischen der gefährlichen Berauschung und der Begehung einer Straftat ist schlechterdings nicht möglich" 20. OLG Celle, NJW 1959, 2274, 2275. So wird etwa ein Sehender gegenüber einem Blinden, der als eine staatliche Leistung Blindengeld oder -hilfe bezieht, nicht schlechtergestellt, sondern lediglich aufgrund eines sachlichen Grundes anders behandelt. 19 s.o. 4. Kapitel, V. 2., dort Fn. 441. 17 18

II. (Mögliche) Ursachen für die Anwendung der Rücktrittsvorschriften

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Unbeantwortet blieb bisher- soweit ersichtlich - auch die Frage Fajens: "Warum sollte der betrunkene Täter nicht schlechter als der nüchterne gestellt werden? Der Schuldvorwurf orientiert sich bei beiden an völlig verschiedenen Kriterien" 21 . Beide Äußerungen verdienen Zustimmung. Jene tatsächliche "Schlechterstellung" des Täters bei Vorliegen der Voraussetzungen des Vollrauschtatbestandes beruht auf der 1934 Gesetz gewordenen gesetzgeberischen Entscheidung, bereits das Sichberauschen unter Strafe zu stellen, also auf dieser Vorverlagerung des Strafgrundes und damit der Strafbarkeit. Das hatte zur Folge, daß ein bis dahin strafloses Handeln seither strafbar ist, es für die Strafbarkeit nicht auf den Eintritt eines Verletzungs- oder konkreten Gefahrdungserfolges ankommt, sondern bereits und nur auf die abstrakte rauschbedingte Gefährlichkeit. Die Strafbarkeit des Täters richtet sich in diesen Fällen nach den Voraussetzungen des selbständigen Tatbestandes des § 323 a. Von den in § 323 a Abs. 2, 3 gesetzlich vorgesehenen Ausnahmen abgesehen werden über das Vorliegen einer "rechtswidrigen Tat" hinaus die Strafbarkeitsvoraussetzungen der Rauschtat nicht berücksichtigt22 , da sie weil vom Täter nicht verschuldet - nicht die ihm mit dem Vollrauschtatbestand vorgeworfene Straftat ist. Bei der Rauschtat im Rahmen des Vollrauschtatbestandes Strafbarkeitsvoraussetzungen, die über die Feststellung einer rechtswidrigen Tat hinausgehen, zu berücksichtigen und direkt oder unter Mißachtung des Grundsatzes "singularia non sunt extendenda" 23 mit dem Hinweis auf § 323 a Abs. 3 entsprechend anwenden zu wollen, läuft jener gesetzlichen Vorverlagerung der Strafbarkeit in eklatanter Weise zuwider. Durch ein solches Verfahren wird die vom Gesetzgeber vorverlegte Strafbarkeit im Ergebnis nämlich wieder auf die Rauschtat zurückverlegt. Je mehr man über die gesetzlich festgelegten Grenzen des § 323 a Abs. 2, 3 hinaus Strafbarkeits- und Bestrafbarkeitsvoraussetzungen der Rauschtat berücksichtigt24, desto mehr rückt man diese in den Mittelpunkt des strafDomning, S. 49. Fajen, S. 36. Nach der hier vertretenen Ansicht handelt es sich nicht um eine Schlechterstellung, sondern lediglich um eine Andersbehandlung. 22 So bereits Niederreuther, ZfWR 1936/37, Bd. I, 284, 296. 23 s.o. 7. Kapitel, II. I. d) dd). 24 Für eine Berücksichtigung der (Strafverfolgungs)Verjährung der Rauschtat für die Bestrafbarkeil des Vollrauschs etwa Tröndle/Fischer49 , § 323a Rn. 14; SKHorn, § 323a Rn. 20 i.V.m. 26; NK-Pae.ffgen, § 323a Rn. 82 (dies als h.M. darstellend und es .,in Parallelisierung zu § 323 a Abs. 3" für naheliegend haltend); 2o

21

350

Schlußbetrachtung

rechtlichen Interesses, macht sie zur Grundlage der rechtlichen Bewertung, desto mehr verschiebt man demnach beim Vollrauschtatbestand den Schwerpunkt vom abstrakt gefährlichen Sichberauschen weg zu der vom Täter nicht verschuldeten Rauschtat Ein Gedanke von Späth, geäußert zur Frage der Berücksichtigung der subjektiven Tatseite der Rauschtat, bringt dies klar zum Ausdruck, und verdient deshalb erwähnt zu werden: "Wenn man bei § 330a (sc. a. F.; C. B.) sämtliche Tatbestandsmerkmale einer strafbaren Handlung - abgesehen von der Zurechnungsfähigkeit - verlangt, bestraft man gewissermaßen die Straftat als solche selbst" 25 . Diese nur die subjektive Tatseite der Rauschtat betreffende Überlegung Späths läßt sich über das Erfordernis der (natürlichen) Schuld bei der Rauschtat hinaus auch auf Strafaufhebungs-, -ausschließungsgründe und Straftatverfolgungsvoraussetzungen verlängern, die auf die Rauschtat bezogenen sind. Denn verlangt man für die Rauschtat nicht nur eine "rechtswidrige Tat", sondern eine abgesehen von der Schuldunfähigkeit des Täters auch bestrafbare Handlung, oder m.a. W. die Schuldunfähigkeit als den einzigen Grund der Straflosigkeir26 , so heißt das denen das Wort reden, die in § 323 a keinen Straftatbestand, sondern eine Einschränkung oder Ausnahme von § 20 sehen. Versteht man den Vollrausch hingegen als abstraktes (oder auch konkretes) Gefahrdungsdelikt, so verbietet sich eine Berücksichtigung von Gründen, die eine Bestrafbarkeil des Täters wegen der Rauschtat ausschließen, bei der Frage der Strafbarkeit wegen Vollrauschs. Für den Rücktritt von der versuchten Rauschtat wurde das nachgewiesen. Als Ergebnis bleibt festzuhalten, daß es einen Rücktritt des (zumindest nicht ausschließbar) Schuldunfähigen von der versuchten Rauschtat, wie er von der h. M. behauptet wird27 , beim Vollrauschtatbestand nicht gibt28 ; LK 11 -Spendel, § 323a Rn. 351 (ebenfalls in analoger Anwendung des § 323a Abs. 3). Für eine Übertragung der für die Rauschtat vorgesehenen Möglichkeit des Absehens von Strafe auf den Vollrauschtatbestand OLG Stuttgart, NJW 1964, 413, dem zustimmend Tröndle/ Fischer49 , § 323 a Rn. 18; SK-Horn, § 323 a Rn. 24; S/SCramer, § 323 a Rn. 29 (auch für die Kompensation). 25 Späth, S. 48. 26 Zu dieser Ansicht Denckers s.o. 3. Kapitel, I. I. c) und III. 3. 27 Zu den konkreten Rechtsfolgen eines Rücktritts von der versuchten Rauschtat vgl. o. 7. Kapitel, I. 28 Erwähnt sei an dieser Stelle, daß die h. M. auch im Rahmen des § 63 den Rücktritt eines Schuldunfähigen von der versuchten (Anlaß)Tat für möglich hält (s.o. 5. Kapitel, Fn. 13). Ähnlich wie bei § 323a wird damit auch bei § 63 der Rechtsnatur des Rücktritts als Strafaufhebungsgrund widersprechend die Möglichkeit des Rücktritts von einem schuldlos begangenen und damit bereits aus diesem

III. Rechtlich widerspruchsfreie Würdigung

351

ferner, daß der - hier nur vermutete - Grund für eine Anwendung der Rücktrittsvorschriften nicht überzeugt. Schließlich richtet sich die Anwendbarkeit einer Rechtsvorschrift (hier: die des § 24) stets nach deren Voraussetzungen, nicht nach dem Erwünschtsein ihrer Rechtsfolgen.

111. Rechtlich widerspruchsfreie Würdigung des sog. "Rücktritts von der versuchten Rauschtat" Was es hingegen gibt, ist ein auf die versuchte Rauschtat bezogenes Täterverhalten, das dem in den Rücktrittsvorschriften beschriebenen entspricht. Daß diese Bestimmungen unanwendbar sind, bedeutet jedoch nicht, daß das genannte Täterverhalten für die Bestrafbarkeil ohne jede Bedeutung wäre. Da die Straftat, der Vollrausch, mit dem Eintritt des (Voll)Rauschs bereits vollendet ist, kann jenes "Rücktrittsverhalten" des Täters bei der Strafzumessung als Nachtatverhalten innerhalb des Strafrahmens des § 323 a gern. § 46 Abs. 2 strafmildernd berücksichtigt werden. Denn durch dieses Verhalten wird immerhin die vom Täter rechtswidrig verursachte Gefahr für das mit der Rauschtat angegriffene Rechtsgut und/oder Handlungsobjekt vermindert bzw. u. U. sogar beendet. Eine - im Vergleich zur unmittelbaren oder entsprechenden Anwendung der Rücktrittsvorschriften - flexible Lösung ist also durchaus vorhanden. Sie ermöglicht eine gerechte, d.h. das verwirklichte Unrecht, die Schuld des Täters und die Folgen der Straftat gleichermaßen berücksichtigende Bestrafung; und zwar ohne hierbei mit dem Vollrauschtatbestand oder mit der Rücktrittsdogmatik in Widerspruch zu geraten. Bedenkt man einerseits, daß der Täter in den Fällen des Rücktritts von der versuchten Rauschtat hinsichtlich des Vollrauschtatbestandes volldeliktisch (!) gehandelt, d.h. tatbestandsmäßig, rechtswidrig und schuldhaft eine abstrakte (bzw. nach a. A. eine konkrete) Gefahr geschaffen hat, behält man Grunde straffreien Versuch angenommen. Der Strafaufhebungsgrund soll dort, wo er ersichtlich keine Strafe aufbeben kann, der Anordnung der Maßregel entgegenstehen, die Schuldunfähigkeit alleiniger Grund der Straflosigkeit sein. Wenngleich diese Problematik mit der hier untersuchten auch auf den ersten Blick ~ewisse Gemeinsamkeiten teilt, so verbietet sich doch jegliche (sc. vorschnelle) Ubertragung des für § 323 a gefundenen Ergebnisses auf den Rücktritt von der versuchten Anlaßtat. Ob sich diese Widersprüchlichkeil mit dem Wesen der Maßregel vereinbaren und begründen läßt, bedürfte einer eigenständigen Untersuchung unter Berücksichtigung des Wesens und der Besonderheiten jener "zweiten Spur" des Strafrechts. Vgl. zu dieser Problematik BGHSt 23. 356, 359 f.; 31, 132, 135; BGH MDR/H, 1985, 449; LK 11 -Hanack, § 63 Rn. 34; Jescheck/Weigend, AT5 , § 72 II 2 a; Blau, JR 1984, 27 ff.; Schlegl, NJW 1968, 25 f. ; Venzlaff!Foerster-Schreiber, S. 48 f.; a. A. LK8 -Jagusch, § 42b Anm. II. 2. a. a; einschränkend Geilen, JuS 1972, 73, 74 f., 78 f.

352

Schlußbetrachtung

andererseits aber auch im Auge, daß das rauschtatbezogene Rücktrittsverhalten sich insbesondere für das Tatopfer positiv auswirkt29, so ist der hier aufgezeigte Weg dem der h. M. insoweit überlegen, als er beide Aspekte berücksichtigt, ohne dabei den einen zum Nachteil und unter Vernachlässigung des anderen in den Hintergrund zu stellen, also letztlich unbeachtet zu lassen. Besonders deutlich wird das in jenen "neuralgischen" Fällen, in denen der Täter neben der versuchten Rauschtat keine weitere rechtswidrige Tat im selben Rausch verwirklicht. Rechtsprechung und h. L. müßten in solchen Fällen im Ergebnis trotz der Gefährlichkeit des Täters zu dessen Freispruch gelangen, da die versuchte Rauschtat als solche durch den Rücktritt "entfällt"30. Anhand eines praktisch gewordenen Falles: Hätte der Täter in der neuesten Entscheidung des 5. Strafsenats31 im Vollrausch nicht vom Balkon aus unter Verletzung des Waffengesetzes mit einer Schußwaffe auf sein Opfer geschossen, sondern es mit Gegenständen (etwa Steinen oder Blumentöpfen) beworfen, so müßte die h. M. ihrer Ansicht konsequent folgend den Täter freisprechen, obwohl er - wer würde dies ernstlich in Frage stellen? - rauschbedingt gefährlich geworden ist und der Vollrauschtatbestand eben diese Gefährlichkeit sanktionieren will. Ein solcher Fall, der den Widerspruch von Gefährdungsdelikt und strafaufhebender Wirkung des Rücktritts deutlich vor Augen führt, war bislang von der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zu entscheiden; wenn es zu einer Entscheidung kommen sollte, darf man auf deren Ergebnis gespannt sein!

29 Es sei ein letztes Mal auf den für das Thema dieser Arbeit überaus anschaulichen Sachverhalt der Entscheidung BGH NStZ 1999, 8 hingewiesen, s.o. I. Kapitel, II. I. d) und 2e). 30 s. hierzu I. Kapitel, III. 2. b); s. zu den Rechtsfolgen des Rücktritts von der versuchten Rauschtat auch 7. Kapitel, I. 31 s. o. Fn. 29.

Anhang Gesetzesentwürfe zur Reform des Vollrauschtatbestandes (Wiedergabe der Vollrauschregelungen) 1. Gesetzesantrag des Landes Berlin, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches (§ 323 a StGB) - Strafschärfung bei Rauschtaten BR-Drucks. 123/97 vom 19.02.1997) Artikel I § 323 a des Strafgesetzbuches in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. März 1987 (BGBI. I S. 945, 1160), zuletzt geändert durch Artikel 8 des Gesetzes vom 21. August 1995 (BGBI. I S. 1050), wird wie folgt geändert:

I. Es wird folgender Absatz 2 eingefügt: "(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter sich vorsätzlich in einen Rausch versetzt und die in diesem Zustand begangene rechtswidrige Tat ein Verbrechen ist." 2. Die bisherigen Absätze 2 und 3 werden Absätze 3 und 4.

23 Barthel

354

Anhang

2. Antrag des Freistaats Bayern, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches(§ 323a StGB) - Strafschärfung bei Rauschtaten BR-Drucks. 123/2/97 vom 15.10.1997 Artikel 1

Änderung des Strafgesetzbuches § 323 a des Strafgesetzbuches in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. März 1987 (BGBI. I S. 945, 1160), das zuletzt geändert worden ist durch ... , wird wie folgt geändert: I. Absatz I wird wie folgt gefaßt: "(I) Wer sich vorsätzlich oder fahrlässig durch alkoholische Getränke oder

andere berauschende Mittel in einen Rausch versetzt, wird, wenn er in diesem Zustand eine rechtswidrige Tat begeht und ihretwegen nicht bestraft werden kann, weil er infolge des Rausches schuldunfähig war oder weil dies nicht auszuschließen ist, mit der Strafe bestraft, die für die im Rausch begangene Tat angedroht ist. Die Strafe ist nach § 49 Abs. I zu mildern." 2. Absatz 2 wird aufgehoben.

3. Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Rauschtaten-Strafschärfungsgesetz BT-Drucks. 14/545 vom 16.03.1999 Artikel 1

Änderung des Strafgesetzbuches § 323 a des Strafgesetzbuches in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBI. I S. 3322), das zuletzt geändert worden ist durch . .. , wird wie folgt geändert:

I . Absatz I wird wie folgt gefaßt:

"(I) Wer sich vorsätzlich oder fahrlässig durch alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel in einen Rausch versetzt, wird, wenn er in diesem Zustand eine rechtswidrige Tat begeht und ihretwegen nicht bestraft werden kann, weil er infolge des Rausches schuldunfähig war oder weil dies nicht auszuschließen ist, mit der Strafe bestraft, die für die im Rausch begangene Tat angedroht ist. Die Strafe ist nach § 49 Abs. I zu mildern." 2. Absatz 2 wird aufgehoben.

Anhang

355

4. Gesetzentwurf des Bundesrates, Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes - § 323a StGB - (... StrÄndG), BT-Drucks. 141759 vom 14.4.1999 Artikel 1

Änderung des Strafgesetzbuches Dem § 323 a Abs. I des Strafgesetzbuches in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. März 1987 (BGBI. I S. 945, 1160), das zuletzt durch ... geändert worden ist, werden folgende Sätze angefügt: "Droht das Gesetz für die im Rausch begangene Tat Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren an, so ist die Strafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren. Satz 2 ist auch dann anzuwenden, wenn die im Rausch begangene Tat die Voraussetzungen eines besonders schweren Falls erfüllt, der mit Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren bedroht ist. Berauscht sich der Täter in den Fällen der Sätze 2 und 3 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren."

23'

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8. Legislaturperiode, I. Session 1890/92, 5. Anlagenband, Aktenstück Nr. 593, S. 3545 ff.; Begründung, ebda., S. 3547 ff. Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch. Bearbeitet von der hierzu bestellten Sachverständigen-Kommission. Veröffentlicht auf Anordnung des ReichsJustizamts, Berlin 1909 [zitiert: VE 1909] Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch. Begründung. Allgemeiner Teil. Bearbeitet von der hierzu bestellten Sachverständigen-Kommission. Veröffentlicht auf Anordnung des Reichs-Justizamts, Berlin 1909 [zitiert: Begr. VE 1909, Allg. Teil] Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch. Begründung. Besonderer Teil. Bearbeitet von der hierzu bestellten Sachverständigen-Kommission. Veröffentlicht auf Anordnung des Reichs-Justizamts, Berlin 1909 [zitiert: Begr. VE 1909, Bes. Teil] Zusammenstellung der gutachterliehen Äußerungen über den Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch gefertigt im Reichs-Justizamt Als Manuskript gedruckt, Berlin 1911 [zitiert: Zusammenstellung] Vorentwurf zu einem Österreichischen Strafgesetzbuch und dem Einführungsgesetze. September 1909, Wien 1909 [zitiert: österVE 1909] Erläuternde Bemerkungen zum Vorentwurf eines Österreichischen Strafgesetzbuches vom September 1909 und zum Vorentwurf des Einführungsgesetzes, Wien 1910 [zitiert: Bemerkungen zum österVE 1909] Protokolle der Kommission für die Reform des Strafgesetzbuches (1911-1913), herausgegeben und eingeleitet von Werner Schubert, Frankfurt am Main 1990. Band I Allgemeiner Teil des Vorentwurfes in I. Lesung, Protokolle 1-70 Band 2 Schlußberatungen des Allgemeinen Teils, I. Lesung des Besonderen Teils§§ 100-211 des Vorentwurfs, Protokolle 71-140 Band 3 Besonderer Teil des Vorentwurfs in I. Lesung §§ 212-310 des Vorentwurfs, Protokolle 141- 207 Band 4 Zweite Lesung und Schlußredaktion des Entwurfs, Protokolle 208-282 [zitiert: Reformkommission (1911-1913), Protokolle, nach Band und Seite] Kommissionsentwurf: Entwurf der Strafrechtskommission 1913, in: Entwürfe zu einem Deutschen Strafgesetzbuch. Veröffentlicht auf Anordnung des ReichsJustizministeriums, Erster Teil, Berlin 1920 [zitiert: KE 1913] Entwurf von 1919, in: Entwürfe zu einem Deutschen Strafgesetzbuch. Veröffentlicht auf Anordnung des Reichs-Justizministeriums, Zweiter Teil, Berlin 1920 [zitiert: E 1919] Denkschrift zu dem Entwurf von 1919, in: Entwürfe zu einem Deutschen Strafgesetzbuch. Veröffentlicht auf Anordnung des Reichs-Justizministeriums, Dritter Teil, Berlin 1920 [zitiert: Denkschrift 1920] Entwurf eines allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs 1922 (Radbruch), Nachdruck Tübingen 1952 mit einer Einleitung von Eberhardt Schmidt [zitiert: E 1922]

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Amtlicher Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs nebst Begründung. Veröffentlicht auf Anordnung des Reichsjustizministeriums. Erster Teil: Entwurf [zitiert: E 1925], Zweiter Teil: Begründung [Begr. E 1925], Berlin 1925 Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs mit Begründung und 2 Anlagen (Reichtstagsvorlage), Berlin 1927, (Nachdruck) Bonn 1954, in: Materialien zur Strafrechtsreform, 3. Band [zitiert: E 1927] Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs (Kahl), Berlin 1930, (Nachdruck) Bonn 1954, in: Materialien zur Strafrechtsreform, 5. Band [zitiert: E 1930] Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs (Referentenentwurf, Untertitel: "Vorläufige Vorschläge") 1933, abgedruckt in: Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozeßrechts, li. Abteilung NS-Zeit (1933-1939) - Strafgesetzbuch, Band I Entwürfe eines Strafgesetzbuchs, I. Teil, hrsgg. von Jürgen Regge und Werner Schubert, Berlin, New York 1988 [zitiert: (Referentenentwurf) E 1933] Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung. Vom 24. November 1933, RGBI. I, Nr. 133, S. 995 ff. (Gewohnheitsverbrechergesetz) Begründung zum Gewohnheitsverbrechergesetz vom 24. November 1933, in: Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger vom 27. November 1933, Nr. 277, S. 2 ff. Protokolle der Strafrechtskommission des Reichsjustizministeriums ( 1933-1936), abgedruckt in: Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozeßrechts, li. Abteilung NS-Zeit (1933-1939) - Strafgesetzbuch, Band 2 Protokolle der Strafrechtskommission des Reichsjustizministeriums, hrsgg. von Jürgen Regge und Wemer Schubert, Berlin, New York, I. Teilband 1988, 2. Teilband 1989, 3. Teilband 1990 [zitiert: Quellen zur Reform (1933-1939), Protokolle, nach Abteilung, Band, Teilband und Seite] Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs, zusammengestellt nach den Vorschlägen der Unterkommission der Strafrechtskommission, 1934, abgedruckt in: Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozeßrechts, li. Abteilung NS-Zeit (1933-1939) - Strafgesetzbuch, Band I Entwürfe eines Strafgesetzbuchs, I. Teil, hrsgg. von Jürgen Regge und Wemer Schubert, Berlin, New York 1988 [zitiert: UkE 1934] Entwurf eines Deutschen Strafgesetzbuchs (Entwurf der amtlichen Strafrechtskommission, I. Lesung 1933/34, zusammengestellt nach den von der Redaktionskommission überarbeiteten Vorschlägen der Unterkommissionen), abgedruckt in: Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozeßrechts, li. Abteilung NS-Zeit (1933-1939) - Strafgesetzbuch, Band I Entwürfe eines Strafgesetzbuchs, I. Teil, hrsgg. von Jürgen Regge und Wemer Schubert, Berlin, New York 1988 [zitiert: UkE I 1934] Entwurf eines Deutschen Strafgesetzbuchs (Entwurf der amtlichen Strafrechtskommission, 2. Lesung 1935, zusammengestellt nach den Vorschlägen der Unterkammissionen), abgedruckt in: Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozeßrechts, li. Abteilung NS-Zeit (1933-1939) - Strafgesetzbuch, Band I Entwürfe eines

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Strafgesetzbuchs, I. Teil, hrsgg. von Jürgen Regge und Wemer Schubert, Berlin, New York 1988 [zitiert: UkE II 1935] Entwurf eines Deutschen Strafgesetzbuchs (Entwurf der amtlichen Strafrechtskommission, 2. Lesung 1935/36, zusammengestellt nach den Vorschlägen der Unterkommissionen nach dem Stand vom I. Februar/ I. Mai/ I. Juli 1936), Vorabdruck Februar/Mai/Juli 1936, abgedruckt in: Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozeßrechts, II. Abteilung NS-Zeit (1933-1939) - Strafgesetzbuch, Band I Entwürfe eines Strafgesetzbuchs, I . Teil, hrsgg. von Jürgen Regge und Wemer Schubert, Berlin, New York 1988 [zitiert: UkE li 1935/36] Entwurf eines Deutschen Strafgesetzbuchs, Dezember 1936, abgedruckt in: Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozeßrechts, II. Abteilung NS-Zeit (1933- 1939) - Strafgesetzbuch, Band I Entwürfe eines Strafgesetzbuchs, I. Teil, hrsgg. von Jürgen Regge und Werner Schubert, Berlin, New York 1988 [zitiert: E 1936] Begründung zum Entwurf eines Deutschen Strafgesetzbuchs von 1936, abgedruckt in: Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozeßrechts, II. Abteilung NS-Zeit (1933-1939)- Strafgesetzbuch, Band I Entwürfe eines Strafgesetzbuchs, 2. Teil, hrsgg. von Jürgen Regge und Werner Schubert, Berlin, New York 1990 [zitiert: Begr. E 1936] Entwurf eines Deutschen Strafgesetzbuchs, Vorlage "Zur Kabinettssitzung im Juni 1938", abgedruckt in: Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozeßrechts, II. Abteilung NS-Zeit (1933-1939) - Strafgesetzbuch, Band I Entwürfe eines Strafgesetzbuchs, 2. Teil, hrsgg. von Jürgen Regge und Werner Schubert, Berlin, New York 1990 [zitiert: E 1938] Deutsches Strafgesetzbuch Vom Dezember 1939, abgedruckt in: Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozeßrechts, II. Abteilung NS-Zeit (1933-1939) Strafgesetzbuch, Band I Entwürfe eines Strafgesetzbuchs, 2. Teil, hrsgg. von Jürgen Regge und Werner Schubert, Berlin, New York 1990 Gesetz zur Änderung des Reichsstrafgesetzbuches. Vom 4. September 1941 , RGBI. I, Nr. 101 , S. 549 ff. Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission. 2. Band. Allgemeiner Teil. 14. bis 28. Sitzung, Bonn 1958 5. Band. Allgemeine Fragen zum Besonderen Teil. 53. bis 58. Sitzung, Bonn 1958 8. Band. Besonderer Teil. 76. bis 90 Sitzung, Bonn 1959 [zitiert: Niederschriften, nach Band und Seite) Entwurf eines Strafgesetzbuches (StGB), E 1960, mit Begründung, in: BR-Drucks. 270/60 [zitiert: E 1960] Entwurf eines Strafgesetzbuches (StGB), E 1962 mit Begründung - Bundestagsvorlage- Bonn 1962 [zitiert: E 1962] Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch (EGStGB) vom 2. März 1974, in: BGBI. I 1974, Nr. 22, S. 469 Strafgesetzbuch vom 15. Mai 1871 in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1999 (BGBI. I S. 3322)