Über die Auferstehung des Fleisches: Studien zur frühchristlichen Eschatologie [Reprint 2013 ed.] 3110139286, 9783110139280

Die Reihe Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft (BZNW) ist eine der ältesten undrenommierteste

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Über die Auferstehung des Fleisches: Studien zur frühchristlichen Eschatologie [Reprint 2013 ed.]
 3110139286, 9783110139280

Table of contents :
Geleitwort
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
I. Die Auferstehung des Fleisches als Glaubensgut
II. Zur Forschungsgeschichte
III. Der methodische Ansatz
§ 1 Die Formel von der „Auferstehung des Fleisches“ in der jüdischen Eschatologie
I. Die Apokryphen und Pseudepigraphen
II. Die rabbinische Literatur
III. Die targumische Literatur
Zusammenfassung
§ 2 Der erste Klemensbrief
I. Die Auferstehung der Toten in I Clem
II. Der Sprachgebrauch von „sarx“
III. Die Herkunft von I Clem 26,3
Zusammenfassung
§ 3 Ignatius von Antiochien
I. Der Kontext
II. IgnSm 7,1
III. Auferstehung Christi und Auferstehung der Christen
Zusammenfassung
§ 4 Der Barnabasbrief
I. Fleischwerdung und Auferstehung der Toten
II. Das Fleisch des Gekreuzigten und Verherrlichten
Zusammenfassung
§ 5 Der zweite Klemensbrief
I. II Clem 9,1-5
II. II Clem 14,1-5
Zusammenfassung
§ 6 Der Hirt des Hermas
I. Der Sprachgebrauch von „sarx“ und „pneuma“
II. Der christologische Zusammenhang
III. Die Zukunft des Fleisches
IV. Der Hirt des Hermas und II Clem
§ 7 Die Epistula Apostolorum
I. Das Fleisch des Auferstandenen
II. Das Fleisch der Auferstandenen
III. Zur theologischen Einordnung der EpAp
Zusammenfassung
§ 8 Justin
I. Zur Anthropologie Justins
II. Der „sarx“-Begriff
III. Auferstehung des Fleisches und chiliastische Hoffnung
Zusammenfassung
§ 9 Tatian
I. Die Anthropologie
II Eschatologie und Auferstehung des Fleisches
III. Tatian und Justin
Zusammenfassung
§ 10 Athenagoras von Athen
I. Leg. 31,3(4)
II. Die Aussage in Leg. 31,3(4) und die Anthropologie des Athenagoras
Zusammenfassung
§ 11 Ps Justins „De Resurrectione“
I. Die gegnerische Front
II. Die Antwort des Verfassers
Zusammenfassung
§ 12 Der apokryphe Briefwechsel zwischen den Korinthern und Paulus
I. Das Problem
II. Die Antwort
III. Zeit- und theologiegeschichtliche Einordnung von 3 Kor
Zusammenfassung
§ 13 Theophilus von Antiochien
I. Auferstehung des Fleisches und Unsterblichkeit
II. Das Auferstehungsverständnis
III. Theophilus und die Auferstehungsapologetik
Zusammenfassung
§ 14 Irenäus von Lyon
I. Die Anthropologie
II. Die Rettung und Zukunft des Fleisches
III. Die „konkrete Eschatologie“
Zusammenfassung
§ 15 Der Brief an Rheginos
I. Allgemeines
II. Das Auferstehungsverständnis
III. Theologiegeschichtliche Einordnung
§ 16 Das Philippusevangelium
I. Das Menschenbild
II. Salbung, Taufe und Auferstehung
III. Das auferstandene Fleisch
IV. Das EvPhil und der Brief an Rheginos
§ 17 Ergebnisse und Ausblick
I. Die Ergebnisse
II. Ausblick
Abkürzungen
Literarturverzeichnis
Register
I. Stellenregister (in Auswahl)
II. Namenregister
III. Autorenregister
IV. Sachregister

Citation preview

Horacio E. Lona Über die Auferstehung des Fleisches

W G DE

Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche

Herausgegeben von Erich Gräßer

Band 66

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1993

Horacio E. Lona

Über die Auferstehung des Fleisches Studien zur frühchristlichen Eschatologie

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1993

© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnahme Lona, Horacio E.: Über die Auferstehung des Fleisches : Studien zur frühchristlichen Eschatologie / Horacio E. Lona. — Berlin ; New York : de Gruyter, 1993 (Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche ; Bd. 66) ISBN 3-11-013928-6 NE: Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche / Beihefte

ISSN 0171-6441 © Copyright 1993 by Walter de Gruyter & Co., Berlin 30 Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Druck: Werner Hildebrand, Berlin 65 Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer, Berlin 61

.Dies sind die Symbole und die Abbilder der Auferstehung." (Brief an Rheginos)

Vorwort Die vorliegende Untersuchung ist aus der Beschäftigung mit der Eschatologie des Neuen Testaments entstanden, und zwar aus Neugier auf die Bedeutung und Herkunft einer im Neuen Testament nicht bezeugten Formel der eschatologischen Hoffnung: die Auferstehung des Fleisches. Der Durchgang durch oft kaum betretene Pfade der theologischen Literatur des zweiten Jahrhunderts erwies sich fiir den Verfasser als höchst anziehend und herausfordend, und so ist aus einem ursprünglich geplanten Aufsatz dieses Buch gewachsen. Prof. Dr. Anton Bodem nahm die mühsame Aufgabe der sprachlichen Korrekturen auf sich. Wer weiß, wie schwer es ist, nicht nur das auszudrücken, was man sagen kann, sondern auch das, was man sagen will, weiß auch, was solche Korrekturen bedeuten. Ihm gilt mein besonderer Dank. Mein Dank gilt auch Frau Renate Dafelmair, die den Text durchlas und mir half, manche Fehler zu beseitigen. Wenn die Literatur zum Thema im Rahmen meiner Möglichkeiten berücksichtigt wurde, ist dies der unermüdlichen Unterstützung von Frau Yolande Findel und Frau Brunhilde Limm in der Bibliothek der Theologischen Fakultät Benediktbeuern zu verdanken. Herr Dr. Ferdinand Rupert Prostmeier hat die Vorlage für die Drucklegung gefertigt. Für die Selbstverständlichkeit, mit der er seine Kenntnisse von den „Geheimnissen" der Textverarbeitung zur Verfügung gestellt hat, möchte ich ihm aufrichtig danken. Für die Aufnahme der Arbeit in die .Beihefte zur Zeitschrift fiir die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche' bedanke ich mich beim Herausgeber Herrn Prof. Dr. Erich Gräßer.

Benediktbeuern, den 27. Juli 1992

Horacio E. Lona

Inhaltsverzeichnis Geleitwort Vorwort Inhaltsverzeichnis

Einleitung

§

§

1

2

ν VII ix

ι

I.

Die Auferstehung des Fleisches als Glaubensgut

ι

II.

Z u r Forschungsgeschichte

3

III.

D e r methodische Ansatz

7

Die Formel von der „Auferstehung des Fleisches" in der jüdischen Eschatologie

n

I.

Die Apokryphen und Pseudepigraphen

11

ι.

A p k M o s 13

13

2.

ApkEl (hebr.) zz,6ff

13

3.

syrBar 50

14

4. 5. 6.

Apokryphon des Ezechiel TestAbr Β γ (112,1-3) Parjer 6,3-7

J5

7.

ApkEl (koptisch)

15 ró 18

II.

Die rabbinische Literatur

19

III.

Die targumische Literatur

20

Zusammenfassung

21

Der erste Klemensbrief

23

I.

Die Auferstehung der Toten in I Clem

23

ι.

Die thematische Einheit I Clem 24-26

23

2.

Die Funktion des Auferstehungsthemas im Rahmen des theologischen Anliegens von I Clem

3.

Das Auferstehungsverständnis

24 25

II.

Der Sprachgebrauch von „sarx"

27

III.

Die Herkunft von I Clem 26,3

29

Zusammenfassung

31

χ §

Inhaltsverzeichnis 3

Ignatius von Antiochien I.

Der Kontext

34

II.

IgnSm 7,1

39

III.

Auferstehung Christi und Auferstehung der Christen

40

Zusammenfassung §

4

§

§

5

6

7

43

I.

Fleischwerdung und Auferstehung der Toten

43

II.

Das Fleisch des Gekreuzigten und Verherrlichten

8

47 48

Der zweite Klemensbrief

51

I.

II Clem 9,1-5

51

II.

II Clem 14,1-5

59

Zusammenfassung

64

Der Hirt des Hermas

67

I.

Der Sprachgebrauch von „sarx" und „pneuma"

68

II.

Der christologische Zusammenhang

70

III.

Die Zukunft des Fleisches

73

IV.

Der Hirt des Hermas und II Clem

76

D i e Epistula Apostolorum

79

I.

Das Fleisch des Auferstandenen

80

II.

Das Fleisch der Auferstandenen

III.

§

42

D e r Barnabasbrief

Zusammenfassung §

33

82

Zur theologischen Einordnung der EpAp ι. Die anthropologische Begrifflichkeit 2. Die EpAp und die altchristliche Auferstehungsapologetik Zusammenfassung

88 89

Justin

91

I.

87 87

II.

Zur Anthropologie Justins ι. Die Eigenart des menschlichen Leibes 2. Sterblichkeit und Unsterblichkeit der Seele 3. Der philosophische Hintergrund Der „sarx"-BegrifF

92 92 96 99 103

III.

Auferstehung des Fleisches und chiliastische Hoffnung

105

Zusammenfassung

109

Inhaltsverzeichnis

§

9

§ 10

Tatian

m

I.

Die Anthropologie

in

ι. 2. 3.

in 115 116

Seele und Geist Seele und Leib bzw. Fleisch Der menschliche Leib und der „sarx"-Begriff

II

Eschatologie und Auferstehung des Fleisches

120

III.

Tatian und Justin ι. Das Menschenbild 2. Eschatologie und Auferstehung des Fleisches. Zusammenfassung

122 122

Ii

124

Athenagoras von Athen

127

I.

Leg. 31,3(4)

129

II.

Die Aussage in Leg. 31,3(4) und die Anthropologie des Athenagoras

§

χι

131

Zusammenfassung

132

Ps Justins „ D e Resurrectione"

135

I.

136

Die gegnerische Front ι.

II.

Über die Vollständigkeit des auferstandenen Fleisches 2. Gegen die Möglichkeit der Auferstehung 3. Gegen die Würde des Fleisches 4. Gegen die Auferstehungsverheißung Die Antwort des Verfassers ι. Über die Vollständigkeit des auferstandenen Fleisches 2. Über die Möglichkeit der Auferstehung 3. Über die Würde des Fleisches 4. Über die Auferstehungsverheißnug

Zusammenfassung § 12

137 138 139 140 142 142 145 148 151 153

D e r apokryphe Briefwechsel zwischen den Korinthern und Paulus

155

I.

Das Problem

155

II.

Die Antwort ι. Form und Struktur 2. Die Inhalte Zeit- und theologiegeschichtliche Einordnung von 3 Kor ι. 3 Kor und die Paulusakten

157 157 159 166 166

III.

Inhaltsverzeichnis

XII

2.

§ 13

§ 14

Das Auferstehungsverständnis in 3 Kor und die Theologie der Auferstehung im zweiten Jahrhundert Zusammenfassung

167 170

Theophilus von Antiochien

173

I.

Auferstehung des Fleisches und Unsterblichkeit

174

II.

Das Auferstehungsverständnis

180

III.

Theophilus und die Auferstehungsapologetik

183

Zusammenfassung

186

Irenaus von Lyon

189

I.

Die Anthropologie ι. Der vollkommene Mensch 2. Der Tod

189 189 194

II.

Die Rettung und Zukunft des Fleisches ι. Die Fleischwerdung des Erlösers 2. Fleisch und Geist 3. Die Eucharistie und die „salus carnis" Die „konkrete Eschatologie" ι. Das Auferstehungsverständnis 2. Die chiliastische Hoffnung

196 196 199 203 205 205 211

III.

§ 15

Zusammenfassung

214

Der Brief an Rheginos

217

I.

II.

III.

Allgemeines

218

ι. Literarische Form 2. Kommunikationssituation und Absicht 3. Gliederung und Inhalt Das Auferstehungsverständnis ι. Die christologische Grundlage

218 219 220 222

des Auferstehungsglaubens 2. Die Auferstehung der Gläubigen 2.1. Christologie und Auferstehungshoffnung 2.2. Die Beschaffenheit der Auferstandenen Theologiegeschichtliche Einordnung

222 224 224 225 228

1. 2.

228

2.1.

Das gnostische Selbstverständnis Der Brief an Rheginos als Zeugnis christlicher Theologie Die Voraussetzungen

229 230

Inhaltsverzeichnis 2.2.

Die Rezeption der paulinischen Eschatologie im Brief an Rheginos

XIII

232

Das Philippusevangelium

235

I.

23 6 236 239 240 241

II.

Das Menschenbild ι. Der Geist Gottes und der Mensch 2. Die Seele 3. Der Leib 4. Das Fleisch Salbung, Taufe und Auferstehung

III.

Das auferstandene Fleisch

246

ι. EvPhil § 23a 2. EvPhil § 23b 3. EvPhil § 23 c Das EvPhil und der Brief an Rheginos ι. Die Unterschiede 2. Die Gemeinsamkeiten

246

IV.

Ergebnisse und Ausblick I.

Die Ergebnisse ι. 2. 2.1. 2.2. 2.3. 2.4. 3. 4. 5.

II.

Die sprachliche Grundlage Die Motive Die antidoketische Polemik Die chiliastische Hoffnung Paränese und Askese Die Hoffnung der Märtyrer Die eschatologische Zukunft des Fleisches und das Bekenntnis zur Auferstehung des Fleisches Paulinische Theologie und Auferstehung des Fleisches Auferstehung des Fleisches und Anthropologie

Ausblick

243

H7 249 253 254 255 257 257 257 260 261 262 263 264 266 268 269

Abkürzungen

271

Literarturverzeichnis

2-73 287

Register I. II. III. IV.

Stellenregister (in Auswahl) Namenregister Autorenregister Sachregister

287 299 300 301

Einleitung Nach dem Verständnis der judenchristlichen Überlieferung haben Glaube und Theologie eine unabdingbare Bezogenheit auf die Sprache. Indem diese Uberlieferung sich auf eine Offenbarung Gottes in der Geschichte als verbindliche Wahrheitsinstanz beruft, bekennt sie sich zur Sprache als Mittel der Offenbarung. Niemand wird jedoch heute behaupten — will er nicht in einen OfFenbarungspositivismus oder in eine geschichtslose Haltung verfallen — , die Sprache könne unmittelbar die Wahrheit Gottes bezeugen. Gerade weil die Sprache immer die Sprache des Menschen in der Geschichte ist, trägt sie alle Züge der Bedingtheit und Mehrdeutigkeit, und zugleich des über das vorhandene Hinausgehenden, welche die Sprache charakterisieren. Jede religiöse Rede, die sich auf eine Offenbarung Gottes beruft, enthält Sätze, denen höchste Verbindlichkeit zukommt, weil sie unverzichtbares Offenbarungsgut beinhalten. Auch von solchen Sätzen gilt es, daß sie nicht „evident" sind. Sie müssen im Sinne der sie tragenden Überlieferung richtig interpretiert werden. Der Gegenstand dieser Untersuchung ist ein Satz, der in der Alten Kirche in einem bestimmten historischen Zusammenhang verbindlichen Charakter besaß: das Bekenntnis zur Auferstehung des Fleisches. Durch die Bedingtheit der Entstehung erklärt sich auch, daß diese Bekenntnisformel unter eigenen Voraussetzungen nur allmählich Geltung gewann, und dann in einer abwechslungsreichen Geschichte zum Gegenstand von Streitigkeiten und theologischen Kontroversen wurde.

I. Die Auferstehung des Fleisches als Glaubensgut Bekanntlich bezeugt die Heilige Schrift nirgendwo die AuferstehungshofFnung als Hoffnung auf die Auferstehung des Fleisches. In einem Prozeß, den die vorliegende Untersuchung rekonstruieren will, wird diese Formel zum Glaubensgut der Alten Kirche. Wenn man vom „Glaubensgut" spricht, soll zweierlei beachtet werden: i. das Bekenntnis zur Auferstehung des Fleisches ist eine Ausdrucksform der AuferstehungshofFnung, welche die anderen, etwa die .Auferstehung der Toten" oder

2

Einleitung

die „Auferstehung des Leibes" nicht ablösen, sondern eher präzisieren will. Meistens koexistieren all diese Formeln beim gleichen Autor. Die Frage ist nun, warum das Bekenntnis zur Auferstehung des Fleisches in einigen Texten in den Vordergrund rückt? i . Die Behauptung, das Bekenntnis zur Auferstehung des Fleisches gehöre zum Glaubensgut der Alten Kirche, muß zunächst von Texten bestätigt werden, die dem Bekenntnis die Gültigkeit und Verbindlichkeit des „Kanonischen" bescheinigen1. Das älteste Zeugnis bringt wohl Justin, Dial. 80,5, also kurz nach 150 in Rom. Im Zusammenhang mit der chiliastischen Hoffnung erscheint der Glaube an die Auferstehung des Fleisches als Ausdruck echter Rechtgläubigkeit. Justin gesteht zugleich, daß es auch viele andere Christen gibt, die anderer Meinung sind (80,2). Die dem Hippolyt zugeschriebene „Apostolische Überlieferung" ist ebenfalls ein Zeugnis auf römischem Boden. Nach der lateinischen Version lautet die Frage an den Täufling: „Credis in spiritu sancto et sanctam ecclesiam et carnis resurrectionem?"2 Nach der Taufe folgt die Bemerkung: „Haec autem tradidimus vobis in brevi de baptismo sancto et oblatione sancta, quia iam instructi estis de resurrectione carnis et de ceteris sicut scriptum est" 3 . Daraus kann man schließen, daß die „resurrectio carnis" Bestandteil der Unterweisung an die Taufbewerber war. Zum Glaubensinhalt der auf der ganzen Erde zerstreuten Kirche zählt Irenäus: και ά ν α σ τ ή σ α ι π ά σ α ν σάρκα πάσης άνθρωπότητος (Adv.Haer. I 10,1). In einer bekenntnisartigen Aussage drückt Adv.Haer. III 16,5 die Erwartung der Wiederkunft des Herrn „ad resuscitandam universam carnem" aus. Die „resurrectio carnis" gehört auch zur „regula fidei" Tertullians 4 . In beiden Fällen ist mit dem Einfluß des römischen Glaubensbekenntnisses zu rechnen5. Soweit dieses Bekenntnis aus den Angaben von Rufin von Aquileia 6 und Marceli von Ancyra 7 rekonstruiert werden kann, enthält es den Glauben an die „resurrectio carnis".

1 Vgl. A. Hahn, Bibliothek der Symbole; H. Lietzmann, Die Anfänge des Glaubensbekenntnisses; F. E. Vokes, Apostolisches Glaubensbekenntnis, in: T R E 3, 528-554 (Lit.). 1 Die Textüberlieferung ist nicht einheitlich. B. BOTTE hält „carnis resurrectionem" fur eine Interpolation. Vgl. das., La Tradition Apostolique 87 Anm. 1. ' In der lateinischen Überlieferung gibt es hier eine Lücke. Der Text ist in der sahidischen, arabischen und äthiopischen Übersetzung enthalten. Vgl. jetzt G. Schöllgen, Didache. Zwölf-Apostel-Lehre - W. Geerlings, Traditio Apostolica. Apostolische Überlieferung (Fontes Christiani i), Freiburg 1991, 270. 4 Vgl. De Praescr. Haer. 13,5: cum carnis restitutione; De Virg. Vel. 1,3: per carnis etiam resurrectionem. 5 Zur Bedeutung der römischen Gemeinde bei Irenäus vgl. Adv.Haer. III 3,1. Beiden Autoren ist die Wendung „Auferstehung des Fleisches" geläufig. 6 Exp. Symb. 39; Apol. c. Hier. I 5. In Aquileia wurde die Formel noch präzisiert: „huiuscarnis resurrectio" (Exp. Symb. 41,19^. 7 Überliefert durch Epiphanius, Haer. 72,3.1 (= GCS 37, 258).

Einleitung

3

Es ist möglich, aber nicht sicher, daß der Papyrus Dêr-Balizeh mit seinem Bekenntnis εις σαρκός άνάστασιν, ein Zeugnis der ägyptischen Kirche des zweiten Jahrhunderts einbringt8. Auf die weitere Entwicklung des Glaubensbekenntnisses brauchen wir nicht einzugehen. Aus den herangezogenen Zeugnissen läßt sich schließen — wie heute allgemein anerkannt — , daß die Auferstehung des Fleisches als verbindliches Bekenntnis zuerst in Rom bezeugt ist, und daß sie schon zum altrömischen Symbol (gegen Ende des zweiten Jahrhunderts) gehörte.

II. Z u r Forschungsgeschichte Eine unerläßliche Voraussetzungen für die Behandlung des Themas ist rein lexikalischer Natur. Wo die Formel von der Auferstehung des Fleisches" als allgemeiner Ausdruck der Auferstehungshoffnung verstanden wird, taucht die Frage nach ihrer Herkunft und Bedeutung nicht einmal auf. F. HÜNERMANN schreibt im Artikel „Auferstehung des Fleisches" in L T h K 2 1 79 if: „Es ist aber die A.d.F. eine Fundamentalwahrheit des christl. Glaubens und wird als solche schon von der Hl. Schrift hingestellt (1 Kor 15,uff; Hebr 6,1-2) ... Den Glauben an die A.d.F. bekennen von Anfang an die Väter" 9 . Im LThK 3 ändert sich äußerlich wenig. Der Artikel über die Auferstehung der Toten trägt den Titel „Auferstehung des Fleisches". Stillschweigend vermeiden die Autoren, die den biblischen Teil behandeln, weitgehend den Ausdruck „Auferstehung des Fleisches"10. Aber die Tatsache, daß er in der Heiligen Schrift nicht vorkommt, findet keine Berücksichtigung. Der knappe Abschnitt zur „Dogmengeschichte" von J. RATZINGER verliert konsequent kein Wort darüber (I i048f). Schon im Jahre 1892 veröffentlichte W. HALLER eine Untersuchung zum Thema, die offensichtlich wenig Beachtung fand: Die Lehre von der Auferstehung des Fleisches bis aufTertullian, in: Z T h K 2 (1892) 274-34211. In der Analyse der jüdischen und der neutestamentlichen Tradition (274-292) wird der Sprachgebrauch recht undifferenziert behandelt. Der zweite Teil, der die Entwicklung in der altchristlichen Literatur verfolgt, ist besser gelungen. Sowohl die 8

Vgl. F. E. Vokes, Apostolisches Glaubensbekenntnis 533. 9 Ähnlich L. Atzberger, Geschichte der christlichen Eschatologie 150-158; J. M. Nielen, Ich glaube an die Auferstehung des Fleisches. 10 G. J . BOTTERWERCK verwendet ihn nur einmal: „Die atl. Apokr. zeigen, daß der Glaube an die A.d.F. noch nicht Allgemeingut des Judentums war" (11044). J. SCHMID spricht nur von der „Auferstehung" (11045-1048). 11 Weder in der RE noch in der R G G 3 findet man irgendwelchen Hinweis auf die Arbeit oder das Problem. Anders der Artikel „Auferstehung. Dogmatisch", in: R G G 2 I 631-633, wo der „rechte" Sinn der „Fleischesauferstehung" erläutert wird.

4

Einleitung

Vertreter der Großkirche als auch die der Gnosis kommen hier zu Wort (293342), wenngleich die eigentliche Fragestellung nicht immer konsequent ins Auge gefaßt wird und da und dort die Neigung durchbricht, von dieser Frage in die Problematik der Auferstehungshoffnung im allgemeinen hineinzugleiten. Der Aufsatz von W. BIEDER, Auferstehung des Fleisches oder des Leibes? Eine biblisch-theologische und dogmengeschichtliche Studie, in: T h Z 1 (1945) 105120, zeigt anhand einiger Autoren (besondere Aufmerksamkeit verdient Ignatius) hinter dem vordergründigen substanzhaften Aspekt eine christologische und eine polemische Linie auf, die die Entstehung und Ausbreitung der Formel von der Auferstehung des Fleisches erklären. Richtig wird dabei die semantische Breite des „sarx"-Begriffes in der frühchristlichen Literatur ausgearbeitet (110112). Seine Interpretation von Rom 6 im Sinne von einem gegenwärtigen Sterben und Auferstehen mit Christus (118) verkennt freilich die Intention der paulinischen Aussage, und überträgt auf Rom 6 den Inhalt von Kol 2,12. Aber der Artikel ist ein guter Versuch, im Hinblick auf ein geschichtliches Verständnis der Formel, den historischen Hintergrund zu erhellen. Im Jahr 1962 sind zum Thema zwei Arbeiten erschienen. Die eine ist die Monographie von L. E. BOLIEK, The Resurrection of the Flesh. A Study of a Confessional Phrase, Amsterdam 1962. Auch hier kommt die Bedeutung der Formel von der Auferstehung des Fleisches richtig zur Geltung (39), während die historisch-theologische Entwicklung, die dazu geführt hat, sehr skizzenhaft dargestellt wird. L. E. BOLIEK verfolgt das Problem weiter über Orígenes und Augustinus bis auf Thomas von Aquin (40-81). Der Abschnitt über die Reaktion auf die Lehre des Orígenes enthält eine klare Ubersicht über die Argumente der Gegner: Methodius und Hieronymus (43-69). Nach einer Überprüfung der Meinung moderner Theologen entscheidet er sich für die Gültigkeit der Aussage zur Auferstehung des Fleisches (120-143). Die andere Arbeit ist das gemeinsame Werk von H. CORNÉLIS - J. GUILLET Th. CAMELOT - Μ.-Α. GENEVOIS, La résurrection de la chair, Paris 1962. J. GUILLET behandelt das Thema: „Les sources scripturaires de la foi et la résurrection de la chair" (139-162). Wie in den zitierten Artikeln des LThK spricht der Verfasser von der Auferstehung des Fleisches, ohne auf die Begrifflichkeit zu achten. Es ist richtig, daß den Erzählungen von den Erscheinungen des Auferstandenen in den Evangelien ein Auferstehungsverständnis zugrundeliegt, das mit der Formel von der Auferstehung des Fleisches in Einklang gebracht werden kann, aber die Formel hat einen eigenen Hintergrund, der nicht schon bei den Erscheinungsgeschichten vorausgesetzt werden darf. Kennzeichnend läßt J. GUILLET I Kor 15,50 unberücksichtigt. — Auch das Kapitel über die Lehre der Väter von H. CORNÉLIS (165-262) befriedigt nicht. Nach einer Übersicht über die gnostischen Anschauungen (nicht chronologisch oder traditionsgeschichtlich geordnet) setzt der Verfasser bei Irenäus an. Die Apostolischen Väter werden praktisch ignoriert, Justin flüchtig zitiert. — Für unsere Arbeit hat der Abschnitt über die lateinischen Väter, von Th. CAMELOT geschrieben (263-279),

Einleitung

5

wenig Interesse. Als Tertullian seinen Auferstehungstraktat schreibt, sind die Grundpositionen schon vorgegeben. V o n großer Bedeutung ist der Aufsatz von G . KRETSCHMAR, Auferstehung des Fleisches. Z u r Frühgeschichte einer theologischen Lehrformel, in: Leben angesichts des Todes (FS H. THIELICKE), Tübingen 1968, 101-137. G . KRETSCHMAR unterscheidet einen dreifachen Sprachgebrauch des „sarx"-Begriffes: 1. die W e n dung π ά σ α σ ά ρ ξ im alttestamentlichen Sinn als Bezeichnung der ganzen Menschheit in ihrer Geschöpflichkeit schlechthin, der die Heilsverheißung Gottes gilt. Diese Bedeutung sei in das altrömische Glaubensbekenntnis aufgenommen (136O; 2. das Bekenntnis zur Auferstehung des Fleisches als spezifisch christliche ZukunftshofFnung der Gemeinschaft mit Christus, wie es bei Justin, Dial. 80,5 zum Ausdruck kommt. In diesem Zusammenhang bedeutet „sarx" die Leiblichkeit des Menschen; 3. „sarx" — christologisch begründet — als „ D i mension des Wirklichen, die nicht ausgeklammert werden kann, wenn es um Wesen und Z u k u n f t des Menschen geht" (122). Solche auf den ersten Blick entgegengsetzten theologischen Entwürfe wie der von Justin und Irenaus einerseits und der des Philippusevangeliums und des Rheginosbriefes andererseits verwenden den „sarx"-Begriff nach G . KRETSCHMAR in diesem Sinne. Die chiliastische Überlieferung spielt dabei eine herausragende Rolle. Die Untersuchung ist wegweisend für das T h e m a und gewährt einen guten Einblick in die Problematik des zweiten Jahrhunderts. Sehr förderlich ist ferner die Einbeziehung gnostischer Texte in diesen theologischen Horizont. Methodisch bedenklich scheint mir hingegen die Nichtberücksichtigung der Apostolischen Väter, obgleich G . KRETSCHMAR dies wenigstens im Hinblick auf Ignatius für wichtig genug hält 12 . Auch wenn die Auferstehung des Fleisches nicht im Mittelpunkt der Untersuchung von T . H . C . VAN EIJK über die Auferstehung der Toten bei den Apostolischen Vätern (La résurrection des morts chez les Pères Apostoliques, Paris 1974) steht, wird das Problem nicht übersehen. Im letzten Kapitel (Ergebnisse und Perspektiven) setzt sich T . H . C . VAN EIJK mit den Grundpositionen der Forschung auseinander (170-178) und stellt richtig die Abhängigkeit der theologischen Beurteilung von einem bestimmten philosophischen Vorverständnis fest. Rückschauend auf die zuvor geleistete Analyse der Einzeltexte bestimmt T . H . C . VAN EIJK den existentiellen Ort für den Glauben an die Auferstehung bei den verschiedenen Autoren (178-192). Beachtenswert ist seine Kritik an den von G . KRETSCHMAR so herausgestellten Zusammenhang von Chiliasmus und Glauben an die Auferstehung des Fleisches (185-192). Der Artikel von R. STAATS .Auferstehung. Alte Kirche", in: T R E 4, 467-477, enthält einen Abschnitt über die Lehre von der Auferstehung des Fleisches (474O. Über G . KRETSCHMAR hinaus, dessen Aufsatz als „grundlegend" bezeichnet wird, hebt er das Gewicht von asketischen und martyrologischen Moti12

A.a.O. 115 Anm. 33b.

6

Einleitung

ven hervor. Für R. STAATS steht die römische Gemeinde in enger Verbindung mit der Entstehung der Formel, und zwar im Rahmen der antignostischen Polemik. Anders als G . K R E T S C H M A R hält er den dem Apologeten Justin zugeschriebenen Traktat „De Resurrectione" für nicht echt. Drei Arbeiten beschäftigen sich mit der Eschatologie des zweiten Jahrhunderts, aber sie gehen entweder auf unsere Frage nicht ein, oder nur sehr peripherisch: A. F E R N Á N D E Z , La escatologia en el siglo II, Burgos 1979; Β. D A L E Y , Patristische Eschatologie, in: M. SCHMAUS u.a. (Hg.), Handbuch der Dogmengeschichte, Bd. IV 7a: Eschatologie in der Schrift und Patristik, Freiburg 1986, 84-109; G . G R E S H A K E - J. K R E M E R , Resurrectio mortuorum. Zum theologischen Verständnis der leiblichen Auferstehung, Darmstadt 1986, 165-196, bes. 190-196. In der gebotenen Kürze bringt G . GRESHAKE eine gute Zusammenfassung des Problems13. Die jüngste Untersuchung zum Thema ist die von G. AF HÄLLSTRÖM, Carnis Resurrectio. The Interpretation of a Credal Formula, Helsinki 1988. Der Verfasser will vier Fragen beantworten, die sich im Zusammenhang mit dem Bekenntnis zur Auferstehung des Fleisches stellen: 1. Ist .Auferstehung des Fleisches" eine polemische Formel. Wenn ja, gegen wen richtet sich die Polemik? 2. Was ist mit „caro" gemeint: der ganze Mensch, der physische Teil oder etwas anderes? Was ist die Seele?; 3. Worauf bezieht sich die auferstandene „caro": auf alle Menschen oder nur auf die Heiligen? 4. Wie verhält sich die „carnis resurrectio" mit der Existenz eines tausendjährigen Reiches? (10). Drei Autoren von Traktaten „De Resurrectione": Ps.Justin, Athenagoras und Tertullian, werden herangezogen, um eine Antwort auf die gestellten Fragen zu geben. — Mag es auf den ersten Blick sinnvoll und methodisch korrekt erscheinen, für die Antwort drei Texte zu nehmen, die sich spezifisch mit der Auferstehungsfrage beschäftigen, wird das Verfahren zunehmend bedenklich, wenn man den Sachverhalt genauer betrachtet. 1. Bestenfalls können die drei Texte eine Interpretation der Formel von der Auferstehung des Fleisches vermitteln, aber nicht die Interpretation, die es so gar nicht gibt. Ähnliches gilt ftir die Antwort auf die gestellten Fragen; 2. Von den drei Traktaten weisen die von Ps.Justin und Tertullian viele formale und inhaltliche Gemeinsamkeiten auf — unabhängig von der Frage, wie man sie erklärt. Bei ihnen steht die Formel von der Auferstehung des Fleisches wirklich im Mittelpunkt. Der dem Apologeten Athenagoras zugeschriebene Traktat hat einen ganz anderen Charakter und gehört m.E. in einen anderen zeitgeschichtlichen Kontext — abgesehen davon, daß er nirgends die zu erörternde Formel belegt14 3. Die Beschränkung auf diese drei '' Der Aufsatz von F. REFOULÉ, Immortalité de l'âme et résurrection de la chair, behandelt die Frage nicht. J . AUER stellt gute Überlegungen zur Frage nach der Identität des Auferstehungsleibes an, aber der historische Teil ist mangelhaft. Vgl. ders., Auferstehung des Fleisches. Was kann mit dieser Aussage heute gemeint sein? Ein Versuch, in: M T h Z 16 (1975) 17-37. •4 Eine detailliertere Kritik zur Untersuchung G . AF HÄLLSTRÖMS erfolgt in den Abschnitten, die diese Autoren behandeln.

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Texte hat zur Folge, daß die Frage nach der Traditionsentwicklung im zweiten Jahrhundert zurückgestellt wird. Die Traktate sind aber alles andere als ein isoliertes Phänomen. Die Übersicht über die Forschungsgeschichte zeigt, daß noch keine Untersuchung vorgelegt wurde, die das Problem umfassend von den Anfangen bis zur festen Bezeugung des Bekenntnisses zur Auferstehung des Fleisches als Glaubensgut behandelt. Diese Lücke zu füllen, ist Ziel dieser Arbeit.

III. Der methodische Ansatz Die Untersuchung hat zunächst lexikalischen Charakter. Es geht aber nicht primär um die Bedeutung des Bekenntnisses zur Auferstehung des Fleisches im altrömischen Symbol, sondern um die Texte, die in der einen oder anderen Form der „sarx" eine eschatologische Zukunft einräumen. Das ist das Kriterium für die Auswahl der Texte. Das altrömische Glaubensbekenntnis ist durch spätere Zeugnisse zwar rekonstruierbar, aber der Satz über die Auferstehung des Fleisches erlaubt kaum Rückschlüsse auf den ursprünglichen Zusammenhang. Die Basis ist also zu schmal, um darauf eine Begriffsuntersuchung zu stützen. Ganz anders stellt sich das Problem, wenn man die literarische Grundlage erweiten. Hier begegnet man einer Fülle von Aussagen zur Rettung des Fleisches in jeweils sehr unterschiedlichen Kontexten, bei denen es möglich ist, nach dem Sinn und Anlaß solcher Aussagen zu fragen. Erst nach der Erfüllung dieser Aufgabe kann man einiges zur Bedeutung des Bekenntnisses im altrömischen Symbol sagen. Eine angemessene Antwort auf die Frage nach dem sprachlichen Hintergrund des Bekenntnisses zur Auferstehung des Fleisches verlangt ebenfalls die Miteinbeziehung aller in Fragen kommenden Texte. Die Sprache befindet sich nie in einem leeren Raum, und erst recht nicht, wenn sie etwas über die endgültige Gestalt des Menschen aussagen will. Der lexikalische Befund öffnet den Zugang zu einem breiteren theologischen Umfeld, in dem zwei Fragen entscheidende Bedeutung zukommt: die Frage nach dem Menschenbild und die Frage nach dem eschatologischen Entwurf, zu dem die Aussagen zur Auferstehung des Fleisches gehören. Bei einigen Autoren bedurfte es eines langen Umwegs, um schließlich die einschlägigen Texte zu untersuchen, aber dazu gibt es keine Alternative. Denn alle eschatologischen Aussagen setzen ein Menschenbild voraus. Wo und wie auch immer von einer eschatologischen Zukunft des Fleisches die Rede ist, verweist dies auf eine Anschauung vom Menschen zurück. Die Analyse der Einzelwerke gestaltet sich jedoch nicht nach einem im voraus festgelegten Schema, sondern versucht, der Eigenart des Textes zu entsprechen. Die soeben erwähnten Fragen behalten ihre Gültigkeit, aber bei so unterschied-

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liehen Ansätzen, wie sie z.B. von Ignatius von Antiochien oder Tatian bezeugt sind, würde eine einheitliche Annäherung zu den Texten schwerlich ihre Eigenart respektieren. Es ist ebenso klar, daß ein Überblick über so viele Autoren in einer Zeitspanne von etwa 100 Jahren gerade der theologischen und literarischen Vielfalt dieser Zeit Rechnung tragen soll. Der zeitliche Rahmen streckt sich von der zwischentestamentarischen Literatur bis zum Ende des zweiten Jahrhunderts. In dieser Zeit findet man die entscheidenden Zeugnisse fur den Glauben an die Auferstehung des Fleisches, so daß die Grenze um das Jahr 200 eine sachliche Begründung hat. Tertullian hätte keinen eigentlich neuen Aspekt gebracht, und mit Orígenes beginnt eine neue Etappe in der Geschichte der Auferstehungstheologie, deren Einbeziehung die Grenzen unserer Thematik sprengen würde. Der Ausblick am Ende der Arbeit deutet die weitere Entwicklung der Frage an. Die Autoren werden in ungefähr chronologischer Reihenfolge behandelt, aber bei der unsicheren Datierung der meisten Werke, versteht es sich, daß keine große Genauigkeit erzielt werden kann. Das hat aber keine gravierenden Folgen für die Auslegung. Wichtiger als eine sichere zeitliche Reihenfolge ist die Herausstellung von überlieferungsgeschichtlichen Zusammenhängen, in denen sich die Konturen der theologischen Entwicklung widerspiegeln. Folgende Fragen ergeben sich aus der Berücksichtigung der Forschungsgeschichte und aus dem methodischen Ansatz: ι. Was für ein sprachliches Substrat liegt der Formel von der Auferstehung des Fleisches zugrunde? Wie weit geht dabei der Einfluß der alttestamentlichen, der frühjüdischen und der neutestamentlichen Tradition? 15 2. Wie weit sind innerkirchliche Streitigkeiten (antignostische Polemik) und zeitbedingte theologische Vorstellungen und Anliegen (chiliastische Hoffnung, Paränese, asketische Forderungen, martyrologische Motive) der Anlaß für die Rede von der eschatologischen Zukunft des Fleisches bzw. für das Bekenntnis zur Auferstehung des Fleisches? 3. Wie ist das Verhältnis von der Rede über die eschatologische Zukunft des Fleisches im allgemeinen zum spezifischen Bekenntnis zur Auferstehung des Fleisches zu bestimmen? Was beinhaltet eigentlich der Glaube an die .Auferstehung des Fleisches"? 4. Ausgehend von der Tatsache, daß Paulus der einzige Verfasser des Neuen Testaments ist, der eine „Theologie der Auferstehung" bietet — seine Bezeichnung in gnostischen Kreisen als „Apostel der Auferstehung" (Exc. ex Theod. 23,2) ist sachlich richtig — , wie ist das Verhältnis zwischen der paulinischen

"5

Die Analyse von W. H A L L E R (1892) ist nicht nur in manchen Punkten durch die Ent-

wicklung in den letzten hundert Jahren überholt, sondern auch im methodischen Ansatz unzureichend. Die Arbeit von G . K R E T S C H M A R berücksichtigt gerade nicht die Frage nach der Grundlage in der jüdischen Literatur und bei den Apostolischen Vätern, obwohl die Bedeutung dieser Textgruppen erkannt wird.

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Theologie einerseits und den Verteidigern der Auferstehung des Fleisches im Verlauf des zweiten Jahrhunderts andererseits zu bestimmen? Die Frage richtet sich nicht nur an die Theologen der Großkirche, sondern auch an die von ihnen bekämpften Gegner. Es ist also die Frage nach der Rezeption der paulinischen Theologie in diesem Thema. 5. In welcher Beziehung zueinander stehen das Bekenntnis zur Auferstehung des Fleisches und das dementsprechende Menschenbild? Eine Antwort auf diese Fragen wird erst nach der Analyse aller in Frage kommenden Texte versucht werden, aber von der Sache her liegt das Gewicht der Untersuchung auf der Textanalyse. Denn eine richtige Analyse behält ihre Gültigkeit, auch wenn die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Beantwortung der Fragen nicht richtig gezogen wurden.

§ ι D i e Formel von der „Auferstehung des Fleisches" in der jüdischen Eschatologie Spätestens seit der Arbeit von P. VOLZ' 6 weiß man, daß die jüdische Eschatologie keine einheidiche Größe bildet. Gerade in der Frage der Auferstehung tritt die Vielfalt der Vorstellungen in aller Deudichkeit zutage. Es ist daher kennzeichnend fur die Forschungslage, wenn die jüngsten Untersuchungen zum Thema auf eine globale Charakterisierung verzichten und auf den Weg der Einzelanalyse das Spezifische bei jedem Text hervorheben 17 . Die Sprache der Hoffnung zeigt eine so breite Palette an Variationsmöglichkeiten, daß eine pauschale Gegenüberstellung bzw. Alternative ,Unsterblichkeit der Seele' oder Auferstehung des Fleisches' als Typisierung hellenistischen bzw. jüdischen Denkens dem Sachverhalt nicht entspricht'8. Wir fragen nach der Bedeutung der Formel von der „Auferstehung des Fleisches" in den verhältnismäßig wenigen jüdischen Texten, die sie belegen.

I. Die Apokryphen und Pseudepigraphen In seiner Monographie über den Terminus σάρξ widmet E. SCHWEIZER einen Paragraph dem Sprachgebrauch der Apokryphen und Pseudepigraphen19. Dort heißt es: „Wo der at.liche Einfluß stark ist, wird die Auferstehung des Fleisches erhofft" 1 0 . Die diese Aussage begründenden Texte sind: ApkMos 13; ApkElias (hebr.) 22,6ff (nach Ez 37); syrBar 50; Apokryphon des Ezechiel (nach Epiphanius, Haer. β^γο,ό) 1 1 . Es empfiehlt sich einfach, die angegebenen Texte zu analysieren mit dem Ziel, die Aussage zu verifizieren, daß der alttestamentliche Vgl. ders., Jüdische Eschatologie von Daniel bis Akiba, Tübingen-Leipzig 1903. Die zweite Auflage erschien unter dem Titel: Die Eschatologie der jüdischen Gemeinde im neutestamentlichen Zeitalter nach den Quellen der rabbinischen, apokalyptischen und apokryphen Literatur, Tübingen 1934. '7 Vgl. G. Sterni/erger, Der Leib der Auferstehung; G. W. E. Nickelsburg, Resurrection; H. C. C. Cavallin, Life after Death; U. Fischer, Eschatologie und Jenseitserwartung. Repräsentativ dafür ist das Buch von O. Cullmann, Unsterblichkeit der Seele oder Auferstehung der Toten? In: T h W N T V I I 118-121. 20 A.a.O. 120, isf. 21 Ebd.. Anm. 181.

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§ 1 „Auferstehung des Fleisches" in der jüdischen Eschatologie

Einfluß gerade im Bekenntnis zur Auferstehung des Fleisches zum Tragen kommt, und, wenn dies der Fall ist, in welcher Form. Hinsichdich dieser Behauptung taucht eine erste Schwierigkeit auf: Die Formel von der Auferstehung des Fleisches ist im A T nicht belegt. Die H o f f n u n g auf die Auferstehung der Toten stellt innerhalb der alttestamentlichen Literatur eine Randerscheinung dar, die im Zusammenhang mit dem A u f k o m m e n der Theologie der jüdichen Apokalyptik zu verstehen ist. In der hebräischen Bibel kommt mit Sicherheit nur D a n ii,2f.i3 als Zeugnis für die Auferstehungshoffnung in B e t r a c h t " . In der griechischen Bibel ist auf die bekannten Stellen 2 M a k k 7 ; 1 2 , 4 3 - 4 5 ; 14,37-46; 15,12-16 hinzuweisen. Keiner von diesen Texten drückt die Auferstehungshoffnung als Auferstehung des Fleisches aus. D e r behauptete Einfluß des A T auf die Apokryphen und Pseudepigraphen bezieht sich also nicht auf eine im A T bezeugte Bekenntnisform, sondern auf das alttestamentliche Verständnis von „sarx" als Bezeichnung der menschlichen Wirklichkeit 23 . Aber auch dann bleibt die Frage nach der Bedeutung der Formel offen. Ist sie als Synonym zur „Auferstehung der T o t e n " zu verstehen, oder setzt sie irgendwelchen neuen Akzent in der Artikulierung der endzeitlichen Hoffnung?

22

D i e D e u t u n g von Jes 26,19 ist umstritten. V g l . H. Wildberger, Jesaja ( B K . A T

XJi),

Neukirchen 1978, 994-998: Es gehe nicht um die Auferstehung einzelner, sondern um die W i e deraufrichtung Israels. „ D i e Formulierungen, mit denen das Im-Tode-Sein Israels und seine Errettung beschrieben wird, gehen über die traditionellen Formulierungen der Klage- oder Danklieder hinaus. Die unerhörte Situation endzeidicher Bedrängnis ruft eine Artikulierung in einer außergewöhnlichen Sprache. D a m i t steht Israel aber an der Schwelle des Glaubens an eine tatsächliche Wiederbelebung nach dem T o d e " (ebd. 996). 2

'

N a c h E. SCHWEIZER setzt Sir 16,17 die Auferstehung des Fleisches voraus (a.a.O. 109

A n m . 98). O f f e n b a r handelt es sich um eine fehlerhafte Angabe, denn Sir 1 6 , 1 7 hat mit der A u f erstehung des Fleisches nichts zu tun. N a c h dem Z u s a m m e n h a n g dürfte vermutlich J d t 16,17 gemeint sein: ο ύ α ι ε ύ ν ε σ ι ν έ π α ν ι σ τ α ν ο μ έ ν ο ι ς τ ω γ έ ν ε ι μ ο υ · κ ύ ρ ι ο ς π α ν τ ο κ ρ ά τ ω ρ έ κ δ ι κ ή σ ε ι α υ τ ο ύ ς έ ν ή μ ε ρ α κ ρ ί σ ε ω ς δ ο ύ ν α ι π υ ρ κ α ι σ κ ώ λ η κ α ς εις σ ά ρ κ α ς α υ τ ώ ν , κ α ι κ λ ά υ σ ο ν τ α ι έ ν α ί σ ϋ ή σ ε ι έ ω ς α ι ώ ν ο ς . D e r W e h r u f an die feindlichen V ö l k e r schließt mit der A n k ü n d i g u n g einer eschatologischen Strafe: Sie werden endlos an ihrem Fleisch durch Feuer und W u r m gepeinigt werden. Das T h e m a ist traditionell. V g l . Jes 66,24: κ α ι έ ξ ε λ ε υ σ ο ν τ α ι κ α ι δ ψ ο ν τ α ι τ ά κ ώ λ α των ανθρώπων τών παραβεβηκότων έν έμοί' ό γ α ρ σκώληξ αυτών ού τελευτήσει, κ α ι τ ό π ύ ρ α υ τ ώ ν ο ύ σ β ε σ θ ή σ ε ι α ι , κ α ι έ σ ο ν τ α ι ε'ις δ ρ α σ ι ν π ά σ η σ α ρ κ ί . V g l . auch Sir 7,17; M k 9,48; II C l e m 7,6; 17,5. J d t 16,17 greift auf das Bild v o m Feuer und W u r m , die das Fleisch der Bestraften peinigen, um die Strenge der Strafe anschaulich zu machen. M i t Fleisch ist der konkrete Mensch gemeint. Eigentlich geht die Aussage nicht über Jes 66,24 hinaus. W e n n J d t 1 6 , 1 7 der von E . SCHWEIZER angedeutete T e x t ist, dann ist seine Aussage von der hier vorausgesetzten Auferstehung des Fleisches abwegig.

§ 1 .Auferstehung des Fleisches" in der jüdischen Eschatologie i.

13

ApkMos 13 „Da wird alles Fleisch (πάσα σάρξ) von Adam an auferstehen bis zu jenem großen Tag, alle, welche heiliges Volk sind."24

Πάσα σάρξ übersetzt die alttestamentliche Wendung It03 und heißt „alle Menschen, die ganze Menschheit"25 (vgl. Jes 40,5.6; Jer 25,31 u.ö.). Der Text will also sagen, daß „zu jenem großen Tag", d.h. am letzten Tag, alle Menschen auferstehen werden. Die letzte Aussage: „alle, welche heiliges Volk sind" ist nicht als Einschränkung auf die Gerechten zu verstehen. Nach ApkMos 10 werden auch die Sünder an der Auferstehung teilhaben. Wird in ApkMos 13 die Auferstehung des Fleisches erhofft? Das Fleisch an sich kommt hier nicht in Betracht. Es ist mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß die Erwartung, πάσα σάρξ werde auferstehen, die leibliche Auferstehung der Toten mitbeinhaltet26, aber das bleibt unausgedrückt. Ebensowenig ist etwas gesagt über die leibliche Qualität der Auferstandenen. Der alttestamentliche Einfluß gilt an dieser Stelle nur für die Bezeichnung der Menschheit im allgemeinen. Hinsichtlich der Auferstehungshoffnung bleibt die Aussage im Rahmen der alttestamendichen Aussagen ohne eine besondere Akzentuierung.

2.

ApkEl (hebt.) 22,6ff „Elias sprach: Ich sehe, wie die Toten Gestalt annehmen, indem ihre Staubmassen geformt werden, und sie werden, wie sie ursprünglich waren, um Gott Preis zu spenden; denn (in der Schrift heisst es: ,Erkennt nun, daß ich, ich es bin' — und also lautet es auch in Ezechiel: ,Und ich sah, wie Sehnen an sie kamen'; und die Engel des Dienstes öffnen ihre Gräber und flössen ihnen ihre Seelen ein ... und richten sie auch (und stellen sie auf ihre Füsse)"27.

Das eindrucksvolle Bild der Wiederbelebung der Gebeine Ez 37 ist ursprünglich auf die Hoffnung einer Wiederherstellung des Volkes bezogen. In der späteren jüdischen Literatur wurde der Text oft im Licht der apokalyptischen Hoffnung Übersetzung nach Kautzsch II 519. Vgl. F. Baumgärtcl T h W N T V I I 106. 26 Vgl. H. C. C. Cavallin, Life after Death 73: JK. resurrection of the body is probably implied by the phrase ,all flesh', though it does not, of course, say anything other than ,all mankind' (cf. e.g. Joel 3:1; Zch 2:17; Is 40,5)." 2 7 Übersetzung nach M. Buttenwieser, Die hebräische Elias-Apokalypse 66. 2

5

14

§ 1 .Auferstehung des Fleisches" in der jüdischen Eschatologie

auf die Auferstehung der Toten gelesen und gedeutet. Hier liegt ein klares Beispiel dafiir vor. Die Toten werden auferstehen in der gleichen Gestalt ihrer irdischen Existenz. Das hätte auch in der Begrifflichkeit der Auferstehung des Fleisches ausgedrückt werden können, aber das ist nicht der Fall. Der gleiche Inhalt konnte durch andere Bilder ebenso zur Sprache gebracht werden. Die Stelle ist ungeeignet, um die These von E. SCHWEIZER zu untermauern, der alttestamentliche Einfluß werde dort sichtbar, wo die Auferstehung des Fleisches erhofft wird.

3.

syrBar 50 „ D a antwortete er und sprach zu mir: ,Höre, Baruch, dieses W o r t und schreibe ins Gedächtnis deines Herzens alles, was immer du erfährst! Denn sicher gibt die Erde ihre Toten dann zurück, die sie jetzt empfängt, um sie aufzubewahren; dabei wird sich an ihrem Aussehen nichts verändern. Denn wie sie empfangen hat, so wird sie sie auch wiedergeben, und wie ich sie ihr übergab, so wird sie sie auch auferstehen lassen. Denn dann wird's nötig sein, den Lebenden zu zeigen, daß die Toten wieder aufgelebt sind und daß die zurückgekommen sind, die einstmals weggegangen sind. U n d haben dann die einander erkannt, die jetzt sich kennen, wird kräftig sein mein (göttliches) Gericht. U n d kommen wird, was vorher ist gesagt" 28 .

Auch in diesem Text taucht der „sarx"-Begriff nicht auf. Die Auferstehung der T o t e n wird sehr konkret als Wiederbelebung des verstorbenen Leibes gedacht: A n ihrem Aussehen ändert sich nichts 29 . Das ist aber nicht das Entscheidende in diesem Zusammenhang, sondern was im folgenden Kapitel 51 behauptet wird. D i e stark hervorgehobene Identität der Auferstandenen mit den irdischen (Kap.50) ist die notwendige Voraussetzung für die Durchführung des Endgerichts, in dem über den W e r t der vollbrachten Taten entschieden wird. Erst nach dem Gericht geschieht die endzeitliche Verwandlung: „Das Aussehen derer, die hier frevelhaft gehandelt haben, wird schlimmer gemacht werden, als jetzt es ist, weil sie Martern erleiden müssen. Die Herrlichkeit von denen, die sich jetzt rechtschaffen gezeigt haben, wie mein Gesetz es will, und die in ihrem Leben Einsicht hatten und die in ihrem Herzen der Weisheit Wurzel pflanzten — ihr Glanz wird dann verherrlicht sein in unterschliedlicher Gestalt. Ins Licht ihrer Schönheit wird verwandelt sein das Ansehen ihres Angesichts. So können

28 29

Übersetzung nach A. F. J. Klijn. Ähnlich zu Sib IV182: στήσει δε βροτούς, πάλιν ώς πόρος ήσαν.

§ 1 „Auferstehung des Fleisches" in der jüdischen Eschatologie

15

sie die Welt bekommen und empfangen, die nicht vergeht, so wie sie ihnen versprochen ward" (51,2f). So wichtig der Text innerhalb der jüdisch-eschatologischen Anschauungen ist' 0 , ist der Ertrag für unsere Fragestellung doch gering. Ein Beleg fiir den alttestamentlichen Einfluß auf die Formel von der Auferstehung des Fleisches ist er nicht.

4.

Apokryphon des Ezechiel

Der Text ist von Epiphanius überliefert'1, aber die rabbinische Literatur kennt die gleiche Überlieferung ohne große Abweichungen'2. In allen Fassungen geht es letzlich um die gemeinsame Verantwortung von Leib und Seele für das menschliche Wirken. Das Gleichnis will sagen, daß der Mensch immer als Einheit vor Gott auftreten und nur als solcher zur Rechenschaft im Endgericht herangezogen wird. Das Thema wird in der christlichen Literatur, besonders in den Auferstehungstraktaten einen besonderen Platz einnehmen, um die Notwendigkeit der Auferstehung des Leibes — die Seele ist unsterblich — zu beweisen. Hinsichtlich der These von E. S C H W E I Z E R ergibt sich die gleiche Schwierigkeit wie in den zwei zuvor analysierten Texten: Der „sarx"-Begriff kommt nicht vor". Im gleichen Paragraph zitiert E. S C H W E I Z E R andere Texte, die wegen ihrer Begrifflichkeit kurz berücksichtigt werden sollen.

TestAbr Β η (ιΐ2,ι-3)' 4

5.

„Και άναλαμβανέσαι είς τους ουρανούς, τό δε σώμά σου μένει έπι της γης έως αν πληρωύώσιν έπτακισχίλοι αιώνες· τότε γαρ έγεριίησεται πάσα σάρξ." 3°

Vgl. Η. C. C. Cavallin, Life after Death 88-91. Vgl. Haer. 64,70,5-17 (= G C S 31, 515-517); deutsche Übersetzung bei P. Riasler, Altjüdisches Schrifttum 334-336; A.-M. Denis, Introduction 187-191; K.-G. Eckart, Das Apokryphon Ezechiel 52F. '2 Vgl. San 91b; LevR 4,5 zu Lev 4 , 2 ; Mekh zu Ex 15,1; MekhSh zu Ex 15,1; Tanch.Wajjiqra 6 (Buber 12) usw. Vgl. P. Fiebig, Die Gleichnisreden Jesu im Lichte der rabbinischen Gleichnisse des neutestamentlichen Zeitalters, Tübingen 1913, 73-76; G. Stemberger, Zur Auferstehungslehre 250-254. Zur religionsgeschichtlichen Herkunft des Gleichnisses vgl. K. Holl, Das Apokryphon Ezechiel, in: ders, Gesammelte Aufsätze zur Kirchengeschichte, Tübingen 1928, Bd. II, 33-43; W. Speyer, Die Geschichte vom Blinden und Lahmen. Erwägungen zu ihrer Entstehung, in: Elemente der Literatur. Beiträge zur Stoff-, Motiv- und Themenforschung (FS E. Frenzel), Stuttgart 1980, Bd. II 18-22. " In San 9iab ist von ¡"lû'tMl nicht von "1B3 die Rede. Text und Nummerierung nach der Ausgabe von M. R. James. 51

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§ 1 „Auferstehung des Fleisches" in der jüdischen Eschatologie

Die Probleme jeder Auslegung des TestAbr sind bekannt und brauchen hier nicht erörtert zu werden35. In beiden Versionen ist der Dualismus zwischen Leib und Seele deutlich bezeugt. Der Tod bedeutet die Trennung von Leib und Seele (Α ι = 78,10; Β 4 = io8,26; Β 7 = 112,6f), nur die Seele geht in den Himmel (B 14 = 118,26). In diesen Zusammenhang gehört unser Text: Die Seele Abrahams wird in den Himmel aufgenommen, während der Leib auf Erden bleibt, aber diese Trennung bedeutet nicht den endgültigen Zustand. Nach 7000 Jahren wird πάσα σάρξ auferweckt werden. Dies ist die endzeitliche und universale Auferstehung der Toten' 6 . Daß πάσα σάρξ hier als „alle Menschen" im Sinne von "ffiQ aufzufassen ist wird dadurch ersichtlich, daß von σάρξ und nicht von σώμα, was nach dem Hinweis auf den auf Erden zurückgebliebenen Leib Abrahams zu erwarten wäre, die Rede ist. Der Sachverhalt in TextAbr Β 7 = 112,1-3 ' s t daher ähnlich zu beurteilen wie in ApkMos 1337.

6.

Parjer 6,3-7^ V . 3 έτοίμασον σεαυτήν, ή καρδία μου, και εύφραίνου, και άγάλλου έν τώ σκηνώματί σου, λέγω τω σαρκικω οίκω σου· το πένθος σου γαρ μετεστράφη εις χαράν. έργεται γάρ ό ικανός, και άρει σε έκ του σκηνώματος σου, ού γάρ γέγονέ σοι αμαρτία. V . 4 άνάψυξον ή παρθενική μου πίστις, καί πίστευσον οτι ζήσεις. V . 5 έπίβλεψον έπι τον κόφινον τούτον τών σ ύ κ ω ν ιδού γάρ έξηκονταεξ έτη έποίησαν, και ούκ έμαράνθησαν, ούδή ώζεσαν, ά λ λ α στάζουσι τού γάλακτος. 35

V g l . Α. -M. Denis, Introduction 31-37; Μ. Dekor, Le Testament d'Abraham; G. W. E.

Nickebburg (Hg.), Studies o n the Testament o f Abraham (SBL Septuagint and Cognate Studies 6), Missoula 1976; E. Janssen, Testament Abrahams 195-201. 36

H . C . C . CAVALLIN scheint die Stelle übersehen zu haben. Seine Behauptung (a.a.O.

97): „The only resurrection mentioned in TestAbr ist a miracle worked by Abraham prior to his death, according to rec.B, 14: the resurrection o f Abraham's servants (παίδες) w h o had died in horror o f death", ist wahrscheinlich so zu erklären. 57

D i e Auferstehung allen Fleisches setzt dem Zwischenzustand ein Ende. E. SCHWEIZER

möchte zwischen dem auferweckten Fleisch und dem zurückgebliebenen Leib unterscheiden (a.a.O. 120 A n m . 182), aber der Sinn von τότε γ ά ρ έγερΟήσεται π ά σ α σ ά ρ ξ ist fu turisch-endzeitlich und erfaßt den ganzen Menschen. Vgl. M. Delcor, Le Testament d'Abraham 62f. 3®

T e x t nach der Ausgabe von J. R. Harris, T h e Rest o f the Words o f Baruch. Z u Einlei-

tungsfragen und Literatur vgl. A.-M. Denis, Introduction 70-78; G. Delling, Jüdische Lehre 5467.

§ 1 .Auferstehung des Fleisches" in der jüdischen Eschatologie

17

V . 6 οϋτως γίνεται σοι ή σάρξ μου, έάν ποιήσης τά προσταχιΐέντα σου ΰπό τού αγγέλου της δικαιοσύνης. V . 7 ό φυλάξας τον κόφινον τών σύκων, αύτος πάλιν φυλάξει σε έν ττ| δυνάμει αύτοϋ. Es handelt sich um das Gebet des Baruch, als er von Abimelech auf einem Grab sitzend gefunden wird. Für unser Thema ist die Bezeichnung des Leibes in V.3 von Bedeutung: „Mach dich bereit, mein Herz, freue dich und frohlocke in deinem Zelt, ich meine, in deinem fleischlichen Haus". Das Herz bezeichnet das Zentrum des inneren Lebens. Im Unterschied dazu steht das Zelt, das fleischliche Haus39. Der Grund für die Freude wird zunächst in allgemeiner Form angegeben: „Deine Trauer wird in Freude umgewandelt". Sodann in präziserer Form: „Denn der Mächtige kommt, und er wird dich aus deinem Zelt herausnehmen". Dem Inhalt der Verheißung liegt eine dualistisch geprägte Anthropologie zugrunde: Der Leib ist nur das Zelt, in dem das Herz wohnt 40 , und die Trennung von diesem Zelt wird als Anlaß zur Freude und Jubel angesehen. V.5 bringt den Vergleich mit einem Feigenkorb. Die Feigen hatte Abimelech geholt, bevor er Sechsundsechzig Jahre ohne Unterbrechung schlief (vgl. j . i f ) . Jetzt, bei der Begegnung von Abimelech und Baruch, sind die Feigen frisch, ohne jedes Anzeichen von Verwesung. Dies wird nun auf das Fleisch übertragen: „So wird auch dir, mein Fleisch, geschehen, wenn du das vom Engel der Gerechtigkeit Aufgetragene erfüllst" (V.6). Schließlich wird auf Gott hingewiesen, der sowohl den Feigenkorb als auch das menschliche Fleisch durch seine Macht bewahren kann (V.7). E. SCHWEIZER deutet die Stelle folgendermaßen: „Nach ParJer 6,6 bleibt die σάρξ unverweslich, obwohl der Körper 9,11-13 als σαρκικός οίκος der καρδία betrachtet wird, aus dem diese weggenommen wird 6,3".41 Die Erklärung trennt zwischen dem unverweslichen Fleisch und dem zurückgebliebenen Leib. Aber es ist sehr fraglich, ob damit der Sinn der Aussage getroffen wird 42 . G. DELLINGS Deutung dürfte hingegen die richtige sein: „,Fleisch' ist hier Bezeichnung des Leibes, wie anderswo in jüdischer Literatur, durch den der Mensch handelt; an ihm wird deshalb auch die Vergeltung Gottes vollzogen. Daß der geschöpfliche 39 8,32f.

Das Zusammenkommen beider Begriffe ist nicht ungewöhnlich. Vgl. Ps 15,9; 1 Q H

Vgl. Diog 6,8: άύάνατος ή ψυχή έν ιΐνητώ σκηνώματι κατοικεί. In: T h W N T VII 120. Ε. SCHWEIZER zitiert als vergleichbare Vorstellung TestAbr Β 7 = 112,3 (a.a.O. Anm. 182). In der Behandlung der Stelle wurde schon gezeigt, daß diese Deutung nicht haltbar ist. 42 Der Hinweis auf ParJer 9,11-13 ist noch weniger hilfreich. Es wird heute angenommen, daß die jüdische Vorlage bis 9,9 reichte, während 9,10-32 als christlicher Zusatz gilt. Vgl. G. Delling, Jüdische Lehre 13-17. Die anthropologischen Vorausseezungen in ParJer 9,11-13 sind allerdings anders als in 6,3-7. 40

41

ι8

§ 1 .Auferstehung des Fleisches" in der jüdischen Eschatologie

Leib nicht altert, sondern in voller Frische erhalten bleibt, das ist der zukünftige Lohn des Gerechten. D a ß dabei an ein vorangehendes Sterben gedacht ist, wird vorher angedeutet: έρχεται γαρ ό ικανός, κ α ι άρει σ ε έκ τοΰ σκηνώματος σ ο υ (6,3). G o t t wird den Frommen aus seinem σ κ ή ν ω μ α — aus seinem σαρκικός οίκος sagt eine Erläuterung zu σ κ ή ν ω μ α in 6,3 — befreien. So ist wohl im folgenden, in den schon besprochenen Aussagen 6,5-7, d e r Gedanke der Auferstehung eingeschlossen. Aber es ist zu beachten, wie entscheidend dabei die Leibhaftigkeit der Auferstehung betont wird, und in welchem Sinne das geschieht. D i e Trennung von der Behausung ist keine endgültige: das Feigenwunder wird zum Beweis für die einstige Unvergänglichkeit der σ ά ρ ξ . V o n einer andersartigen Leiblichkeit ist nichts angedeutet. Der die Feigen wunderbar erhalten hat, der vermag auch den menschlichen Leib unverwelkt zu bewahren"«. Parjer kennt auch andere Vollendungsvorstellungen, die, ohne auf das Auferstehungsnmotiv zurückzugreifen, andere Bilder der jüdischen Eschatologie verwenden (vgl. 5,23.34; 9,3). Im Unterschied zu ApkMos 13 und TestAbr Β η (112,1-3), w o π ά σ α σ ά ρ ξ „alle Menschen" bedeutet, meint σάρξ in Parjer 6 den menschlichen Leib. D i e Voraussetzungen für diesen Sprachgebrauch sind durch die alttestamentliche Literatur gegeben, die "itiD bzw. σ ά ρ ξ als Bezeichnung fur den Leib bringt. Aus dem Kontext läßt sich der Grund fur diese Begrifflichkeit erklären: Mit σ ά ρ ξ konnte die Kontinuität des irdischen Leibes mit dem Leib im Eschaton am besten ausgedrückt werden.

7.

ApkEl (koptisch) 35,7-9:

W i r werden ablegen das Fleisch des Leibes und dich töten, ohne daß du zu reden vermagst an jenem Tage.

42,10-15:

Danach kommen herab Elia und Henoch, legen ab das Fleisch dieser Welt, empfangen ein Fleisch des Geistes, verfolgen den Sohn der Gesetzlosigkeit und töten ihn, ohne daß er reden kann 44 .

Nach der Deutung E. SCHWEIZERS vertritt die koptische EliasApk eine Z w i schenlösung: A u f der einen Seite steht das Bekenntnis zur Auferstehung des 43 44

A.a.O. sjf. Übersetzung nach W. Schräge, Die Elia-Apokalypse.

§ 1 .Auferstehung des Fleisches" in der jüdischen Eschatologie

19

Fleisches unter dem alttestamentlichen Einfluß, das den ganzen Menschen meint. Auf der anderen Seite die Position der Parjer 6,6, derzufolge das Fleisch unverweslich bleibt, während das Herz aus dem Körper herausgenommen wird (die Analyse oben hat gezeigt, daß diese Deutung nicht haltbar ist). Die Zwischenlösung der koptischen EliasApk besteht darin, daß hier das Fleisch des Leibes zwar abgelegt, dafür aber geistiges Fleisch angezogen wird. Nach W . SCHRÄGE scheint die Wendung „Fleisch des Geistes" keine Parallele in der jüdischen Literatur zu haben 45 . Die Heranziehung dieser Stelle im Zusammenhang mit der Frage nach der Entstehung der Formel von der Auferstehung des Fleisches darf nicht vorbehaltlos geschehen. Der Vorbehalt ist zunächst durch die spätere Entstehung des Textes (im dritten Jahrhundert n.Chr.?) gegeben 46 , dann auch durch die Schwierigkeit, zwischen der jüdischen Grundschrift und der christlichen Überarbeitung zu unterscheiden. Die Möglichkeit, daß an unserer Stelle christlicher Einfluß zum Tragen kommt, darf man nicht ausschließen47.

II. D i e rabbinische Literatur Die Schwierigkeit, rabbinische Literatur heranzuziehen, besteht vor allem in dem bisher ungelösten Problem ihrer Datierung 48 . Das erschwert das Herausstellen von Parallelen bzw. die Bestimmung von Entwicklungslinien, die sich auf rabbinische Texte stützen. Der folgende Abschnitt fragt aber nicht nach rabbinischen Parallelen, sondern zunächst rein lexikalisch: Kommt in der rabbinischen Literatur das Bekenntnis zur Auferstehung des Fleisches vor? Erst wenn dies positiv beantwortet werden kann, darf und muß man die Frage nach traditionellen Zusammenhängen stellen. Wenn ich richtig sehe, spielt die Formel von der Auferstehung des Fleisches in diesem Rahmen keine Rolle 49 . Im Meinungsstreit zwischen den Schulen von R. 45

Anders in der christlichen Literatur. TercuUian spricht von „caro caelestis" (De Carne Christi 9,7) und von „caro spiritalis" (ebd. X V i), aber als Meinung des Valentin. Bei Epiphanius (Haer. 64,64,2 = G C S 31, 503) kommt σαρξ πνευματική vor. 46 Vgl. F. Maass, Eliasapokalypse, in: R G G 3 II 427; W. Bousset, Die Religion des Judentums 46: „Sie stammt in der gegenwärtigen Fassung aus dem Anfang des 4. Jahrhunderts. Zugrunde liegt wahrscheinlich eine jüdische Apokalypse aus der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts". 4 ? Das Auferstehungsverständnis ist nicht weit von manchen gnostischen Vorstellungen entfernt, wie sie etwa im Rheginosbrief oder im Philippusevangelium vertreten sind. 48 Vgl. K. Müller, Zur Datierung rabbinischer Aussagen. 49 Von der neuen Literatur vgl. G. Molin, Entwicklung; K. Schubert, Das Problem der AuferstehungshofFnung; ders., Die Entwicklung der Auferstehungslehre; H. Wahle, Die Lehre

20

§ 1 „Auferstehung des Fleisches" in der jüdischen Eschatologie

Hillel und R. Schammai bezüglich des Auferstehungsleibes (vgl. G e n R 14,5 und LevR 14,9) spricht man zwar von Haut und Fleisch, Sehnen und Knochen, aber Fleisch bedeutet eine Komponente des menschlichen Leibes. Es ist die Frage, ob die Bildung des Auferstehungsleibes in der künftigen Welt genau so geschehen wird wie in dieser Welt—sie beginnt mit Haut und Fleisch (lunai n j n "τπηα) und endet mit Sehnen und Knochen — , so die Schule von R. Hillel, oder ob die Reihenfolge anders sein wird — beginnend mit Sehnen und Knochen und endend mit Fleisch und Haut — , so die Schule von R. Schammai. Fleisch ist nicht ein Ausdruck für die menschliche Leiblichkeit, sondern ein spezifischer Teil des Leibes wie Haut, Sehnen und Knochen. Es ist zu beachten, daß der alttestamentliche Begriff ΊΒ3 als Bezeichnung für Leib, Körper in der rabbinischen Zeit allmählich durch η 13 abgelöst wird 50 . Damit kommen neue anthropologische Aspekte zum Ausdruck. „Während in dem Begriff Fleisch, angefangen von den kanonischen Schriften bis hin zu Qumran und den Targumen, der Mensch in der Regel als ganze Person erfäßt wird, schwingt bei Leib von vornherein der Gedanke des Hohlen oder Leeren mit, das einer Ausfüllung bedarf. Gefüllt aber wird der Leib nach der jüngeren Anthropologie, die ihre Voraussetzungen in der hellenistisch-orientalischen Umwelt des Judentums hat, mit einer körperhaft und personell vorgestellten, für menschliches Auge allerdings unsichtbaren Seele" 51 . In manchen Auferstehungstexten kommen beide Begriffe zusammen vor. Aber in diesem Fall bestimmt dann die Qualität von ^Ή52.

III. D i e targumische Literatur Auch in der targumischen Literatur53 lassen sich bekenntnisartige Aussagen belegen, die den Auferstehungsglauben ausdrücken 54 : die Wiederbelebung der Toten (TgNeoph zu Gen 19,26; zu Gen 25,34); der Gebeine (TgPal zu Ez 37,3.9). Gott läßt die Gebeine der Toten auferstehen (Tg zu Jes 26,19). Ähnlich zur rabbinischen Literatur richtet sich die Polemik gegen die Leugner der Aufer-

des rabbinischen Judentums; G. Stemberger, Zur Auferstehungslehre; H. C. C. Cavalli», Life after Death 171-186. 50 Vgl. R. Meyer, in: ThWNT VII 115. 51 Ebd. né. 52 Vgl. PRE 34: Jeder Geist kehrt zum fleischlichen Leib des Menschen zurück

(tö'K -iod ηιΛ mn rrn ta ττππι). Vgl. ebd. 35.

53 Der für die rabbinische Literatur geltende Vorbehalt hinsichtlich der Datierung der Texte ist auch für die targumische Literatur aktuell. 54 Im folgenden vgl. A. Rodríguez Carmona, Targum y Resurrección.

§ 1 „Auferstehung des Fleisches" in der jüdischen Eschatologie

21

stehung, d.h. gegen die Sadduzäer, die mit Kain identifiziert werden S5 . Eine Übersicht über die maßgebenden Texte zur Auferstehungshoffnung, wie sie in der Untersuchung von A. RODRÍGUEZ CARMONA aufgelistet worden sind, zeigt, daß die targumische Literatur keine einzige Stelle als Beleg für den Glauben an die Auferstehung der Toten in der Form der Auferstehung des Fleisches bietet.

Zusammenfassung ι. Die Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testaments verwenden in auffallend wenigen Stellen den „sarx"-Begriff, um die Hoffnung auf die Auferstehung der Toten auszudrücken 56 . 2. Der alttestamentliche Einfluß läßt sich in zwei Formen feststellen, die auf die semantische Breite des hebräischen ΊΒ2 zurückgehen: a. in der Wendung π ά σ α σάρξ bzw. als Bezeichnung für alle Menschen; b. als Synonym für Leib und Leiblichkeit (Parjer). Ein vom A T her beeinflußtes spezifisches Anliegen — abgesehen von der Konkretheit der Auferstehungsvorstellung — ist in diesen Texten nicht erkennbar. 3. In der rabbinischen Literatur scheint der „sarx"-Begriff in der Artikulation der endzeitlichen Hoffnung kaum eine Rolle gespielt zu haben. Allgemein handelt es sich um die Auferstehung der Toten. Wo die Anthropologie dualistische Züge trägt, ist von der Auferstehung des Leibes die Rede, zu dem auch das Fleisch gehört. 4. Der Befund in der targumischen Literatur ist negativ.

55

Vgl. ebd. 47-51. Vgl. G. Krctschmar, Auferstehung des Fleisches 115 Anm. 33a.

§ 2 Der erste Klemensbrief Innerhalb der christlichen Literatur ist I Clem 26,3s7 das älteste Zeugnis für die Hoffnung auf die Auferstehung des Fleisches: και πάλιν Ίώβ λέγει' και αναστήσεις την σάρκα μου ταύτην την άναντλήσασαν ταΰτα πάντα. Der Text wirft eine Reihe von schwierigen Fragen auf, deren Lösung der Frage nach der Bedeutung der Aussage voranzugehen hat: 1. Die Frage nach der Herkunft des Zitats: Bei dem Ijobzitat handelt es sich offensichtlich um Ijob 19,26. Das Problem besteht darin, daß weder der hebräische Text noch die griechischen Übersetzungen dazu von der Auferstehung des Fleisches sprechen. Hängt der Verfasser von einer Tradition ab, etwa einer Sammlung von „testimonia resurrectionis", bei der Ijob 19,26 als Schriftbeweis fur die Auferstehung des Fleisches verstanden und dementsprechend umformuliert wurde, oder geht die Umgestaltung auf das Konto des Klemens? 2. Die Frage nach Bedeutung und Funktion der Auferstehungsaussagen im Rahmen des theologischen Konzepts von I Clem. 3. Die Frage nach dem Sprachgebrauch von „sarx" in I Clem. Methodisch empfiehlt es sich, die Stelle I Clem 26,3 erst zu behandeln, wenn die anderen Vorfragen beantwortet worden sind, denn sie bilden eigentlich die Voraussetzung für eine umfassende Antwort. Demzufolge stellen wir die Frage nach der Herkunft des Zitats zurück, und zwar an den Schluß, im unmittelbaren Zusammenhang mit der Frage nach der Bedeutung der Aussage zur Auferstehung des Fleisches.

I. Die Auferstehung der Toten in I Clem ι.

Die thematische Einheit I Clem 24-26

Der Abschnitt läßt sich als eine Apologie für die Wirklichkeit der zukünftigen Auferstehung charakterisieren. Die apologetische Absicht des Verfassers kommt in der programmatischen Aussage 24,1: κατανοήσωμεν, άγπαητοί, πώς ό δεσπότης έπιδείκνυται διηνεκώς ήμιν την μέλλουσαν άνάστασιν έσεσθαι, wie auch fortlaufend in der Argumentationsart zum Ausdruck. Die künftige Aufer57 Zu den Einleitungsfragen vgl. /. Fischer, Die Apostolischen Väter 3-23; Ph. Vielhauer, Geschichte der urchristlichen Literatur 529-540; D. Powell, Art.: Clemens von Rom, in: T R E 8, 113-118; Α. Lindemann, Die Clemensbriefe 11-22.

2-4

§ 2 Der erste Klemensbrief

stehung hat schon einen Anfang in der Auferstehung Jesu 58 . Als eine schon geschehene Wirklichkeit bürgt sie für die noch zu erwartende Wirklichkeit der Totenauferstehung. Die Beispiele aus der Natur sollen ebenfalls die Wahrheit der künftigen Auferstehung beweisen: a. die Aufeinanderfolge von Tag und Nacht (24,3); b. das Schicksal des Samenkornes, das sich in der Erde auflöst, um dann durch die Fürsorge des Herrn aufzuerstehen und Frucht zu bringen (24,4f); c. das Beispiel vom Phönix (25,1-26.1). I Clem 26,2f zitiert drei Schriftworte als Schriftbeweis. Das erste Zitat kombiniert Worte aus Ps 27,7 und Ps 87,11 (LXX) 5 9 . Das zweite zeigt das gleiche Verfahren, diesmal mit Ps 3,6 und Ps 22,4 (LXX) é o . Das dritte Zitat ist die oben angedeutete Stelle Ijob 19,26.

2.

Die Funktion des Auferstehungsthemas im Rahmen des theologischen Anliegens von I Clem

Der Brief der römischen Gemeinde an die Gemeinde von Korinth ist sehr stark situationsbedingt. Der Text ist der Ausdruck einer klaren Stellungnahme zur Tatsache der Absetzung der Presbyter in Korinth durch eine Gruppe und zum daraus entstandenen Problem. Die Stellungnahme beansprucht fur sich normativen Charakter: Die Verhältnisse in der korinthischen Gemeinde sollen sich nach der Intention der römischen Gemeinde wieder „normalisieren". Wenn das Schreiben so situationsbedingt und pragmatisch orientiert ist, stellt sich die Frage, ob die Auferstehungsaussagen ein eigenes Gewicht haben oder ob sie nicht vielmehr im Zusammenhang mit der Absicht des Gesamttextes zu verstehen sind 6 '. Es ist allgemein anerkannt, daß der Verfasser sich erst im Kap.40 direkt mit dem Problem der korinthischen Gemeinde auseinandersetzt. Der vorangehende Teil hat allgemeinen Charakter und dient als Vorbereitung auf den entscheiden-

5° Wie Paulus; (i Kor 15,20.23; vgl. Kol I,i8) verwendet der Verfasser in diesem Zusammenhang den Begriff απαρχή, allerdings, wie später gezeigt wird, nicht im völlig gleichen Sinn. 59 λέγει γάρ που' και έξαναστήσεις με, και έξομολογήσομαί σοι Vgl. Ps 27,7b: ήλπισεν ή καρδία μου, και έβοηόήΰην, και άνέύαλεν ή σάρξ μου· και έκ ιίελήματός μου έξομολογήσομαί αύτω; Ps 87,11: μή τοίς νεκροις ποιήσεις θαυμάσια; ή ιατροί άναστήσουσιν, και έξομολογήσονταί σοι; Vgl. D. Α. Hagner, The Use j8f. Das Adverb „που" versteht D. Α. HAGNER als Hinweis darauf, daß der Verfasser auswendig zitiert (a.a.O. 106). Die Möglichkeit aber, daß Klemens hier auf „testimonia" und nicht auf den LXX-Text angewiesen ist, bleibt auf jedem Fall erwägenswert. έκοιμήΟην και ύπνωσα, έξηγέριΐην, δτι σύ μετ' έμοΰ ει. Vgl. Ps 3,6: έγώ έκοιμήΟην και ύπνωσα, έξηγέριΐην, δτι κύριος άντιλήμψεταί μου; Ps 22,4b: ... ού φοβηόήσομαι κακά, δτι σύ μετ έμοϋ ει. 61

Vgl. Β. Weiss, Amt und Eschatologie im I. Clemensbrief, in: ThPh 50 (1975) 70-83.

§ 2 Der erste Klemensbrief

2-5

den zweiten Teil 62 . Inhaltlich geht es weitgehend um Ermahnungen anhand bekannter Motive der jüdisch -hellenistischen Tradition: die Folgen von Neid und Eifersucht (Kap. 4-6), die Notwendigkeit der Buße (Kap. 7-8), die Vorbilder aus dem A T (Kap. 9-12), Ermahnungen zur Demut (Kap. 13-18) und zu friedlichem Leben (Kap. 19-22). Kap.23 stellt die Frage, die unmittelbar mit der Argumentation in Kap. 24-26 zusammenhängt und darüber hinaus die eschatologischen Aussagen im Abschnitt 27-36 betrifft: die Frage nach der Wirklichkeit der göttlichen Verheißung. Die Zweifler (vgl. 11,2) behaupten: „Das haben wir schon gehört zur Zeit der Väter, und siehe, wir sind alt geworden, und nichts davon ist uns widerfahren" (23,3). Der Verfasser von 2 Petr wird einige Jahrzehnte später eine ähnliche Frage bezüglich der Parusie des Herrn stellen (2 Petr 3,4). An unserer Stelle hat die Skepsis allgemeineren Charakter. Es geht dabei um die Erfüllung der Verheißungen überhaupt, ja um die Macht des Wortes Gottes, das, was es ankündigt, zu verwirklichen. Die Gewißheit von der künftigen Auferstehung, die durch die Beispiele aus der Natur und durch das Zeugnis der Schrift begründet wird, ist wohl als Antwort auf die zuvor geäußerte Skepsis zu verstehen. In der Erfüllung der Auferstehungshoffnung zeigt sich die Macht Gottes, seine Verheißungen zu verwirklichen: „Durch diese Hoffnung nun sollen unsere Seelen an den gebunden sein, der in den Verheißungen treu und in den Gerichtsentscheidungen gerecht ist" (27,1). Die Kritik an den Vorgängen in der korinthischen Gemeinde und die Aufforderung, nach den Vorbildern der Vergangenheit in Demut und Frieden zu leben, erhalten eine letztgültige Begründung, wenn sie in Zusammenhang mit dem Plan Gottes gebracht werden, der jedem Zweifel zum Trotz in Erfüllung gehen wird. Für die Gemeinde in Korinth gilt es, diesem Plan in seiner Konkretheit zu gehorchen, um schließlich den verheißenen Lohn empfangen zu können (Kap. 34-36). Wenn die vorstehende Deutung richtig ist, läßt sich daraus schließen, daß weder die Auferstehung Jesu noch die Auferstehung der Toten eigens thematisiert werden. Ihre Behandlung ist Teil einer Apologie des göttlichen Wirkens in der Welt.

3.

Das Auferstehungsverständnis

Wenn Paulus von Christus als απαρχή των κεκοιμημένων (ι Kor 15,20) spricht, meint er auch die sachliche Priorität der Auferstehung Jesu vor der Auferstehung der Gläubigen (vgl. auch 1 Kor 15,23). In dieser Hinsicht stellt I Clem 24,1 61 Sachlich ist es unwichtig, ob man den zweiten Teil schon mit Kap.37 anfangen läßt (z.B. K. Bihlmeyer, Die Apostolischen Väter XXVI; B. Altaner-A. Stuiber, Patrologie 45), oder ob Kap.37-39 nur als Überleitung angesehen wird (so J. Fischer, Die Apostolischen Väter 4).

26

§ 2 Der erste Klemensbrief

eine Parallele dazu dar. Aber die paulinische Aussage beinhaltet mehr als eine rein zeitliche Priorität. Durch die Auferstehung Jesu ist der neue Ä o n , in dem der Auferstandene herrscht, endgültig angebrochen. A m Ende der Zeit wird er sein Königtum dem Vater übergeben, und dann wird der letzte Feind, der T o d , vernichtet (i Kor 15,23-28). Der Sieg über den T o d , der bei der Auferstehung Jesu ansetzt, wird erst im Eschaton universale Tragweite gewinnen. Aber die Zeit zwischen Auferstehung Jesu und Eschaton ist keine neutrale Zeit, sondern sie ist schon durch das Leben geprägt: Der Getaufte lebt in der Neuheit des Lebens (Rom 6,4), er ist ja κ α ι ν ή κτίσις (Gal 6,15; 2 Kor 5,17). Aus der eschatologichen Priorität der Auferstehung Jesu zieht Paulus Konsequenzen für das Verständnis von Zeit und Erlösungswerk, die von Klemens so nicht gesehen werden. Es ist wahr, daß die wunderbaren Gaben Gottes schon in der Gegenwart eine Wirklichkeit sind (35,if), aber das Erscheinen des Reiches Christi steht noch aus (50,3; vgl. 42,3). Das Heilsereignis in Jesus Christus markiert keine entscheidende W e n d e in der Heilsgeschichte. Die alttestamentlichen Gestalten sind auch jetzt ohne Vorbehalt Vorbilder für die christlichen G e meinden 6 '. Gott ist der himmlische Herr und König der Äonen (61,2), von dem die ganze Schöpfungsordnung — auch die politische — abhängt 6 4 , aber seine Herrschaft als endzeitliche Größe wird allein von der Zukunft erwartet. Das Auferstehungsverständnis hängt deutlich mit dem Verständnis vom Reich Gottes bzw. Christi zusammen. W o dieses Reich als zukünftiges Reich erwartet wird, wo in der Gegenwart die Auswirkung des Heilsereignisses Christi zurücktritt zugunsten der Kontinuität mit den alttestamentlichen Modellen, kann der Auferstehungsgedanke nicht die Rolle spielen, die er in der paulinischen T h e o logie spielt. Auch die Argumentationsart in Kap. 24-25 läßt einen gegenüber dem paulinischen Denken veränderten Verstehenshorizont erkennen. Innerhalb der christlichen Literatur bezeugt I Clem zum erstenmal das Bemühen um eine mit Hilfe von Beispielen aus der Natur untermauerte Beweisführung. Der Auferstehungsglaube wird dabei aber nicht auf eine aufgrund innenweltlicher Erfahrung durch die Vernunft erkennbare Größe reduziert. Die Beispiele begründen nicht den Auferstehungsglauben, sondern veranschaulichen seinen Aussagegehalt und machen ihn akzeptabel. Weil die Macht der Auferstehung nicht in den Lauf der alten W e l t eingreift, führt die Auferstehung nicht eine Vollendung des Lebens herbei. So sind die erwähnten Beispiele aus der Natur Anschauungsmaterial für eine κ α τ ά καιρόν γινομένη ά ν ά σ τ α σ ι ς . Die bestimmte Zeit erfolgt nach einer kosmischen O r d nung und nicht als Folge einer Machtergreifung, die schon jetzt im G a n g ist. G e w i ß ist diese kosmische Ordnung auch eine göttliche Ordnung, da sich darin ' Vgl. R. Bultmann, Theologie 540F; Ο. Β. Knoch, Eigenart und Bedeutung der Eschatologie 107. 64 Vgl. Ο. B. Knoch, a.a.O. 108.

§ 2 Der erste Klemensbrief der Wille des Schöpfers äußert. Aber die Einordnung der Auferstehung der Toten in die Schöpfungsordnung stellt Schöpfung und Erlösung auf die gleiche Ebene 6 ' und drängt die eschatologische Qualität der Erlösungstat Gottes in Jesus Christus in den Hintergrund.

II. Der Sprachgebrauch von „sarx" Ein Überblick zeigt den starken Einfluß der alttestamendichen und der christlichen Überlieferung66: alttestamentlicher Einfluß: 6,y. και σαρξ έκ της σαρκός μου (vgl. Gen 2,23). 59 >3: και ύεόν πάσης σαρκός 64,1: κύριος πάσης σαρκός (vgl. Jer 39>27 [TM: 32,2]; Num 16,22; 27.1(if 1 • christlicher Einfluß: 32,2: έξ αυτού ό κύριος 'Ιησούς το κατά σάρκα (vgl. Rom 1,3; 9.5; 2. Kor 5,16). 38,2: ό άγνός έν τη σαρκί (vgl. ι Tim 5>22; IgnPol 5,2; II Clem 8,4.6; sim. V 6,6/59,6). 6,2: αι ασθενείς τω σώματι (C1 C 2 : τη σαρκί) (vgl. Mk 14,38 par.). 49.6: a. δια την άγάπην, ην εσχεν προς ημάς b. το αίμα αύτού έδωκεν ΰπέρ ημών Ιησούς Χριστός ό κύριος ημών έν ύελήματι ΰεού c. και την σάρκα ύπερ της σαρκός ήμών d. και την ψνχήν ύπερ των ψυχών ήμών. Zu b. vgl. Mk 14,24; Lk 22,20; zu c. vgl. Joh 6,51; zu d. vgl. Joh 10,11.15; 15,13; ι Joh 3,16. Die Prägnanz von I Clem 49,6 rechtfertigt, den Text aufmerksam zu beachten. Von der Form her gesehen handelt es sich um eine Hingabeformel (vgl. Gal 1,4; 2,20; Rom 8,32; Eph 5,2.25). Im Unterschied zu den zitierten neutestamentlichen Belegen, die allgemein von der Hingabe Jesu sprechen, werden hier αιμα, 6

5

Vgl. Ο. B. Knoch, a.a.O. 145. Die Stelle I Clem 25,3 (das Fleisch des Phönixvogels) wird hier nicht berücksichtigt, da ihr keine theologische Bedeutung zukommt. 66

6

?

Vgl.

F. Baumgärtd

in: T h W N T V I I 106. Die Wendung geht auf i m

zurück.

28

§ 2 Der erste Klemensbrief

σάρξ und ψ υ χ ή eigens erwähnt. Die dreigliedrige Formel kommt in I Clem nur hier vor. Sonst ist von der Hingabe und Heilsbedeutung des Blutes Christi die Rede (vgl. 7,4; 12,7; 21,6). Die Formel dürfte schwerlich als Hinweis auf ein trichotomistiches anthropologisches Modell zu verstehen sein. Die Hingabe des Blutes gilt allgemein ΰπερ ήμών und hat keine Entsprechung im menschlichen Blut, wie es in den zwei anderen soteriologischen Aussagen (für unser Fleisch bzw. für unsere Seelen) der Fall ist68. Die traditionelle Prägung der Formel weist einerseits auf die urchristliche eucharistische Überlieferung hin als den Hintergrund der Aussage. Andererseits läßt sich der Einfluß einer „Fleisch-Seele"-Anthropologie erkennen, die dazu dient, die soteriologische Auswirkung der Hingabe Jesu Christi auszudrücken: Der ganze Mensch, Fleisch und Seele, wird durch die Hingabe des Menschen Jesus, seines Fleisches und seiner Seele, gerettet. Die Aussagen c. und d. dienen der soteriologischen Ausdeutung der Grundaussage über die Hingabe des Blutes (das Blut ist hier, wie im A T , Metapher fur das Leben). Nicht zufällig wird Jesus Christus in der Grundaussage als der Herr bezeichnet, der dadurch den Willen Gottes erfüllt. Die Hingabe des Fleisches des Erlösers erinnert freilich an Joh 6,51c: και ò άρτος δε öv έγώ δώσω ή σάρξ μού έστιν ύπερ της τού κόσμου ζωής Es handelt sich m.Ε. um die „eucharistische" Deutung der Rede vom himmlischen Brot (Joh 6,51^58), die von einem Redaktor im Zusammenhang mit der antidoketischen Polemik in der johanneischen Gemeinde hinzugefügt wurde (vgl. 1 Joh 2,19; 4,2; 2 Joh 7) 6 ? . Ein traditionsgeschichtlicher Zusammenhang mit I Clem49,6 ist sehr unwahrscheinlich. Abgesehen von der Frage nach der Entstehungszeit beider Werke — wahrscheinlich ist I Clem früher entstanden als das Johannesevangelium als ganzes — hat I Clem 49,6 eine andere theologische Intention als Joh 6,510-58. Der Sprachgebrauch von „σάρξ" in I Clem 49,6 dürfte auf die Reflexion über Jes 53 in einem judenchristlichen Millieu zurückgehen 70 , das die menschliche Leiblichkeit auch mit dem „sarx"-Begriff im Sinne des alttestamentlichen Denkens ausdrücken konnte. Der Begriff erscheint hier noch frei von antidoketischen Tendenzen.

Irenaus bringt eine ähnliche Formel (Adv.Haer. V 1,1;). Die Reihenfolge ist zum Teil geändert: τω ίδ'ιω ου ν αΐματι λυτρωσαμένου ήμας του κυρίου κ α ι δόντος τήν ψ υ χ ή ν α υ τ ο ύ άντι της ήμετέρας ψ υ χ ή ς κ α ι τήν σ ά ρ κ α τήν εαυτού άντι των ημετέρων σαρκών. Die Beurteilung hängt mit einer Sicht der Entwicklung der johanneischen Gemeinde zusammen, die mir überzeugend erscheint. Ein ganz anderes Bild bieten G. Strecker, Die Anfänge der johanneischen Schule, in: N T S 32 (1986), 31-47; tiers., Die Johannesbriefe (KEK 14), Göttingen 1989; U. Schnelle, Antidoketische Christologie im Johannesevangelium (FRLANT 144), Göttingen 1987. 7° Vgl. D. A. Hagner, T h e Use 267.

§ 2 Der erste Klemensbrief

III. Die Herkunft von I Clem 26,3 Der Text lautet: και πάλιν Ίώβ λέγει" και αναστήσεις την σάρκα μου ταύτην την ά ν α ν τ λ ή σ α σ α ν ταϋτα πάντα. Der zitierte Text aus Ijob 19,26 heißt: ά ν α στήσαι το δέρμα 7 1 μου το άνατλών ταϋτα. Der LXX-Text spricht also von δέρμα, nicht von σάρξ. Die Berücksichtigung des T M bringt keine Lösung, sondern macht das Problem noch komplexer. Dort heißt es: πτπκ nonni n s n s p ] m a irmi. Der Text gilt als verderbt, und die verschiedenen Versionen, die voneinander nicht unerheblich abweichen, lassen keine sichere Urform erkennen 72 . Auf jeden Fall steht I Clem 26,3 dem LXX-Text wesentlich näher als dem masoretischen Text 7 3 . Wie erklärt sich die Variante σάρξ anstatt δέρμα? Zwei Gründe dürften hier eine Rolle gespielt haben: 1. Der T M sprach von „Fleisch". Ijob 19,26b läßt sich übersetzen mit: „aus meinem Fleisch werde ich Gott schauen". Der LXX-Text mit δέρμα nahm zwar das TU) des T M , aber das "itiao blieb möglicher Bezugspunkt einer anderen Ubersetzung; 2. Gelesen im ersten Jahrhundert von hellenistischen Juden bzw. Judenchristen, konnte Ijob 19,26 als Ausdruck der AuferstehungshofFnung verstanden werden. Wie die Textüberlieferung zeigt, wurde das δέρμα als unpassend empfunden 7 4 . Seine Ersetzung durch σώμα bzw. σάρξ ist in diesem Kontext durchaus verständlich. In der jüdischen und in der christlichen Literatur des ersten und zweiten Jahrhunderts erscheint Ijob 19,26 nirgends als Schriftbeweis für die AuferstehungshofFnung. Die Frage, ob die Form des Zitates in I Clem 26,3 von der Tradition schon vorgegeben war oder durch den Verfasser entstanden ist, läßt sich nicht leicht entscheiden.

71 nung.

A und Κ lesen αναστήσει δέ μου το σώμα als Hinweis auf die AuferstehungshofF-

72 Zu den bisherigen Deutungsversuchen vgl. G. Fohrer, Das Buch Hiob (ΚΑΤ XVI), Gütersloh 1963, 317-321. Die ursprüngliche Gestalt des T M ist umstritten. Vgl. F. Stier, Das Buch Ijob. Hebräisch und Deutsch, München 1954, 298f. Zur Auslegungsgeschichte vgl. /. Speer, Zur Exegese von Hiob 19,25-27, in: ZAW 25 (1905) 47-140. Zum Verhältnis zwischen dem hebräischen Text und der griechischen Übersetzung vgl. D. H. Gard, The Exegetical Methode of the Greek Translator of the Book of Job (JBL.MS VIII), Pennsylvania 1952, 39-42. Der Aufsatz von D. H. Gard, The Concept of the Future Life According to the Greek Translator of the Book of Job, in: J B L 73 (1954) 137-143, ist für unsere Frage unergiebig, da Ijob 19,26 nicht behandelt wird. 7Ì Vgl. D. A. Hagner, The Use 53. 74 S.o. Anm. 71.

§ 2 Der erste Klemensbrief

3o

Für eine redaktionelle Herkunft würde ein explizites Interesse an der leiblichen Auferstehung sprechen 7S . Aber das ist im Kontext von I Clem 24-26 nicht der Fall. Im gleichen Sinne könnte man auf I Clem 49,6 hinweisen: In seiner Liebe fïir uns hat Jesus Christus sein Fleisch für unser Fleisch hingegeben. Im Anschluß an dieses Glaubensbekenntnis hätte Klemens δέρμα durch σ ά ρ ξ ersetzt als Ausdruck für das durch Christus erlöste und durch Gott auferweckte Fleisch. Das wäre auch dann möglich, wenn man sich fur den traditionellen U r sprung von 49,6 entscheidet, wie wir es getan haben. Aber ein expliziter Zusammenhang zwischen 26,3 und 49,6 wird durch den jeweils unterschiedlichen Sprachgebrauch von σ ά ρ ξ problematisch. In 26,3 bezeichnet σ ά ρ ξ den ganzen Menschen in seiner Leiblichkeit (es wäre ein synonymer Ausdruck zum paulinischen σ ώ μ α in 1 Kor 15). In I Clem 49,6 bezeichnet σ ά ρ ξ die konkrete Leiblichkeit, aber im Gegensatz zu ψ υ χ ή . Damit ist die Möglichkeit einer redaktionellen Herkunft von σ ά ρ ξ in 26,3 freilich nicht restlos ausgeschlossen. Immerhin wäre es möglich, daß das „sarx"-Verständnis von Klemens als Bezeichnung des ganzen Menschen in 26,3 zum Vorschein kommt, während 49,6 ein Bekenntnis wiedergibt, bei dem die anthropologischen Voraussetzungen nicht weiter bedacht werden. Gewichtiger für die Befürwortung einer traditionellen Herkunft von σ ά ρ ξ in I Clem 26,3 ist das Auferstehungsverständnis des Verfassers 76 . Ihm geht es vor allem um die Gewißheit der künftigen Auferstehung als Erfüllung des göttlichen Planes und als Nachweis der Wirkung Gottes in der Welt. Das Verhältnis zwischen dem irdischen und dem auferstandenen Leib kommt nicht in seinen Blick. Dies gewinnt an Bedeutung, wenn man beachtet, daß in I Clem kein anderes neutestamentliches Zeugnis so oft zitiert wird wie 1 Kor. Der Verfasser erwähnt den Text ausdrücklich (I Clem 47,i) 7 7 . Hat Klemens i K o r 15,50 gelesen (Fleisch und Blut können das Gottes Reich nicht erben), dann scheint unwahrscheinlich, daß er von sich aus, ohne jeden besonderen Anlaß und ohne eine Rechtfertigung seines Sprachgebrauchs, von Auferstehung des Fleisches reden konnte, wenn er dies nicht in einer Quelle gefunden hätte.

75 So O. B. Knoch. Mit der Aussage, „dieses Fleisch" wird Gott auferwecken, sei der Verfasser „auf dem Höhepunkt seiner Ausführungen über die leibliche Auferstehung angelangt" (Eigenart und Bedeutung 155). 76 77

Vgl. T. H. C. van Eijk, La résurrection des morts 56F. Vgl. D. A. Hagner, The Use 195-209.

§ 2 D e r erste Klemensbrief

31

Zusammenfassung W e n n diese Überlegungen richtig sind, dann hat Klemens in 26,3 ein „testim o n i u m resurrectionis" zitiert, ohne damit eine besondere Aussage über die Leiblichkeit der Auferstandenen zu machen. H ö c h s t wahrscheinlich war dies auch nicht in der Quelle der Fall. D a ß diese Quelle einen großen Einfluß auf die B i l d u n g der Auferstehungsbegrifflichkeit ausgeübt hat, wie T . H . C . VAN EIJK m e i n t 7 8 , ist sehr fraglich. D i e L X X - F a s s u n g von Ijob 1 9 , 2 6 spielt in der Auferstehungsdiskussion im zweiten Jahrhundert keine Rolle. D e r T e x t wird erst von Orígenes zitiert (vgl. In M a t . 1 7 , 2 9 ) 7 9 . U m den Glauben an die Auferstehung des Fleisches auszudrücken, gibt es mehrere W e g e . D a h e r ist es zu vereinfachend, an die Wirkungsgeschichte von einem spezifischen T e x t zu denken, um diese Ausdrucksform zu erklären.

7

A.a.O. 57: „Cela signifie aussi que peu avant la dernière décennie du premier siècle, on pouvait parler à Rome d'une άνάστασις (της) σαρκός, bien que cette formule elle-même ne soit pas employée avant saint Justin". Wichtiger jedoch als die Feststellung der sprachlichen Kontinuität einer Formel ist wohl die Frage nach dem jeweils gegebenen Inhalt. Die Analyse von Justin (Dial. 80,5) wird zeigen, daß das Bekenntnis zur Auferstehung des Fleisches in einen Sinnzusammenhang gehört, der so nicht für I Clem 26,3 postuliert werden darf. G . GRESHAKE äußert die Vermutung, daß I Clem 26,3 auf die Formulierung „Ich glaube an die Auferstehung des Fleisches" anspielt, die „bereits im frühen stadtrömischen Symbol gebraucht" wird. Vgl. J. Kremer, Resurrectio Mortuorum 177. Daß schon gegen Ende des ersten Jahrhunderts in Rom ein Symbol mit dieser Formulierung existiert hat, halte ich für ausgeschlossen. 79 In seiner Erklärung zum Glaubensbekenntnis zitiert Rufin von Aquileia Ijob 19,25F als Schriftbeweis für die Wahrheit der „resurrectio huius carnis", aber der Text, auf den er sich bezieht, lautet: Qui resuscitaturus est super terram pellem meam, quae haec nunc haurit (Exp. Symb. 42,2if; 43,6f). Eine andere Textgrundlage, die vom Fleisch gar nicht spricht, begründet in diesem Fall das Bekenntnis zur Auferstehung des Fleisches. Die Beschäftigung mit der Schriftauslegung in der Alten Kirche lehrt immer wieder, daß die Kriterien, die heute selbstverständlich gelten, damals nicht selbstverständlich waren.

§ 3 Ignatius von Antiochien In den Ignatiusbriefen findet sich nur eine Stelle, in der ein explizites Bekenntnis zur Auferstehung des Fleisches v o r k o m m t , allerdings in einem sehr spezifischen Kontext 8 0 . Es handelt sich um I g n S m 7,1: ευχαριστίας και προσευχής άπέχονται, δ ι ά το μ ή ό μ ο λ ο γ ε ι ν τ η ν ε ύ χ α ρ ι σ τ ί α ν σ ά ρ κ α ε ί ν α ι τ ο ύ σωτήρος ή μ ώ ν ' Ι η σ ο ύ Χ ρ ι σ τ ο ύ τ η ν ύ π ε ρ των α μ α ρ τ ι ώ ν ή μ ώ ν π α τ ο ύ σ α ν , ή ν τή χρηστότητι ό π α τ ή ρ ήγειρεν. Ignatius polemisiert gegen die doketischen Gegner, die sich von der Eucharistiefeier und v o m gemeinsamen G e b e t fernhalten. D e n G r u n d dafür findet er in einem bestimmten Verständnis der Eucharistie, dem er sein eigenes Verständnis entgegenhält: „ D i e Eucharistie ist das Fleisch unseres Retters Jesus Christus, das für unsere Sünden gelitten, das der V a t e r in seiner G ü t e auferweckt hat". D a s Bekenntnis zum v o m V a t e r auferweckten Fleisch des Erlösers ist Teil einer durch den σ ά ρ ξ - B e g r i f f geprägten Bestimmung der Eucharistie 8 1 , der im Sinne des Ignatius das G e w i c h t eines verbindlichen Bekenntnisses zukommt. D i e Aussage, welche die unverkennbaren Z ü g e der Sprache des Ignatius trägt, bringt einen Aspekt seiner Christologie zum Ausdruck, den er besonders in der Auseinandersetzung mit den Irrlehrern 82 deutlich hervorhebt: die menschliche 80

In der folgenden Darlegung gehe ich von der „traditionellen" Datierung der Briefe aus, also in den ersten Jahrzehnten des zweiten Jahrhunderts. In den letzten Jahren wurde dies aus unterschiedlichen Gründen und methodischen Voraussetzungen heraus in Frage gestellt. Vgl. R. Wekenborg, Les lettres d'Ignace d'Antioche. Etudes de critique littéraire et de théologie, Leiden 1969; R. Joly, Le dossier d'Ignace d'Antioche (Université Libre de Bruxelles. Faculté de Philosophie et Lettres 69), Bruxelles 1979; J. Rius- Camps, The Four Authentic Letters of Ignatius, the Martyr (OrChrA 213; Christianismos 2), Rom 1979. Von den drei Arbeiten bringt die von R. Joly die gewichtigeren Argumente für eine kritische Überprüfung der zeitgeschichtlichen Einordnung des Ignatius. Die Schwierigkeiten diesbezüglich werden zum Teil richtig gesehen — das hatte auch die Forschung im neunzehnten Jahrhundert getan —-, aber es bleibt zu beachten, daß die vorgeschlagene Lösung mit noch größeren Problemen belastet ist als die „traditionelle" Erklärung. Auf eine eingehende Auseinandersetzung damit muß ich hier verzichten. 81

Vgl. H. E. Lona, Der Sprachgebrauch 383-408, hier 390-393. Im Folgenden werde ich oft auf diesen Aufsatz Bezug nehmen. Dort auch weitere Literaturangaben. 82 Gemeint sind die Vertreter einer doketistischen Christologie, so wie sie von Ignatius; dargestellt werden. Daß der Begriff „Doketismus" als Charakterisierung für die bekämpfte Irrlehre manche Fragen offen läßt, hat N. BROX richtig bemerkt. Vgl. den., „Doketimus". Wie weit

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§ 3 Ignatius von Antiochien

Wirklichkeit des Erlösers. Aber auch ohne einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Bekämpfung der Irrlehren gehört dies ohne Zweifel zum Bestand des Glaubensgutes. Es ist die „fleischliche" Verfassung des Erlösers, in der sich sein Mensch-Sein ausdrückt. Natürlich ist damit nicht die ganze Wirklichkeit Jesu Christi ausgesagt. Sie ist grundsätzlich bipolarer Natur, weil zwei Welten sich in ihr vereinen: die göttliche und die menschliche 83 . Darum ist der göttliche Arzt σαρκικός τε και πνευματικός, γεννητός και άγέννητος, έν σαρκι γενόμενος ιΐεός (IgnEph γ , ι ) . Aber die Existenz im Fleisch beinhaltet nach Ignatius das volle Menschsein Jesu. Die Bezeichnung σαρκοφόρος gilt daher auch als unverzichtbare Komponente des Bekenntnisses (IgnSm 5,2).

I. Der Kontext Der Brief an die Gemeinde von Smyrna, der die Aussage über die Auferstehung des Fleisches Jesu Christi enthält, ist charakterisiert durch die Ausführlichkeit der antidoketischen Polemik. In ihm läßt sich der Hintergrund bestimmen, aus dem heraus das Bekenntnis zur Auferstehung des Fleisches bei Ignatius zu verstehen ist. Dem Lobpreis an Jesus Christus folgt eine bekenntnisartige Aussage mit christologischem Inhalt (IgnSm 1,1-2). Das fünffache ά λ η ό ώ ς unterstreicht den Wirklichkeitscharakter bestimmter Inhalte, die für den Verfasser in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung sind: 1. die Herkunft κατά σάρκα aus dem Geschlecht Davids; 2. geboren aus einer Jungfrau; 3. angenagelt unter Pontius Pilatus und Herodes ύπέρ ήμών έν σαρκί; 4. gelitten; 5. auferstanden 84 . Das Anliegen des Ignatius ist deudich erkennbar. Die Gegner bestreiten nach seiner Meinung das echte Mensch-Sein des Erlösers. Ignatius zieht einen mit der davidischen Abstammung beginnenden Leitfaden, der konsequent bis zur wirklichen Geburt aus der Jungfrau 85 weitergespannt wird bis hin zu den Aussagen diese Gruppe mit den auch bekämpften judaisierenden Christen zusammenhängt (vgl. IgnMagn 8,1; 9,2; 10,3; IgnPhld 6,1; 8,2), kann offen bleiben. Die Aussagen über die Herkunft des Erlösers belegen ebenfalls diese Bipolarität. Die Abstammung κ α τ ά σ ά ρ κ α aus dem Geschlecht Davids deutet nicht nur die Erfüllung der messianischen Verheißung an, sondern auch die menschliche Sphäre, mit der sich die göttliche Sphäre verbindet. Vgl. IgnSm 1,1. Die Formel IgnEph 20,2 faßt dies in der Gegenüberstellung υιός άνθρωπου — υιός ι>εοϋ zusammen. Der Ausdruck υιός άνθρωπου wird nicht im Sinne der jüdischen Apokalyptik als Hoheitstitel verwendet, sondern wörtlich als Bezeichnung des Menschseins. Eine ähnliche Reihenfolge, mit einer formal deutlicheren Struktur, liegt in IgnTrall 9,1-2 vor. Wie die Parallele in IgnTrall 9,1 zeigt, liegt der Akzent auf der menschlichen Geburt. Das Motiv von der jungfräulichen Geburt in IgnSm 1,1 ist aber kein „traditioneller" Rest. In

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zur heilbringenden Bedeutung des Kreuzestodes, zu seinem Leiden und seiner Auferstehung 86 . Die Erwähnung des Pontius Pilatus 87 und des Herodes verleiht dem Ereignis der Kreuzigung die Gewißheit einer historischen Tatsache. Es handelt sich also um eine durch und durch menschliche Geschichte, die sich in einen Stammbaum einordnen läßt und in der Geburt ihren konkreten Anfang und im T o d ihr Ende hat. Andererseits verweisen die Aussagen zur soteriologischen W i r k u n g des Leidens (vgl. ζ: τ α ΰ τ α γ α ρ π ά ν τ α έ π α ύ ε ν δι' ή μ α ς , 'ίνα σωι3ώμεν) und zur Auferstehung auf eine andere Dimension, welche die Grenzen einer menschlichen Geschichte übersteigt. A u c h hier handelt es sich um Wirklichkeiten, die auf verschiedenen Ebenen liegen und doch unauflösbar aufeinander bezogen sind. Das Leiden gehört nämlich zur irdischen Geschichte des Erlösers, aber es kann erst im Lichte des Auferstehungsglaubens soteriologisch gedeutet werden. Der Glaube an den Auferstandenen eröffnet die Möglichkeit, die ganze Wirklichkeit des Erlösers richtig zu erfassen. Es ist daher verständlich, wenn Ignatius im folgenden Abschnitt (3,1-3) das Auferstehungsthema weiter entfaltet, und zwar unter einem präzisen Gesichtspunkt: Die Darlegung der fleischlichen Beschaffenheit des Auferstandenen soll seine „reale" Wirklichkeit beweisen. Im Hintergrund verbirgt sich das christologische Problem im Rahmen der antidoketischen Kontroverse. Ein „spiritualistisches" Verständnis der Auferstehung würde ein doketistiches Verständnis der Menschwerdung nahelegen. D i e Betonung der Identität des Irdischen mit dem Auferstandenen führt in diesem Fall notwendigerweise dazu, die Wirklichkeit des Auferstandenen, gleich wie beim Irdischen, durch die Realität des Fleisches auszudrücken. D a ß der Auferstandene seine σ α ρ ξ nicht abgelegt hat, ist ein Wissen aus Glauben, das zugleich zum Glauben fuhrt: έγώ γαρ και μετά την ά ν ά σ τ α σ ι ν έν σαριά αυτόν οιδα κ α ι πιστεύω όντα (IgnSm 3,1). Ein W o r t des Auferstandenen selber begründet diese Gewißheit: Als er nach der Auferstehung zu Petrus und zu den anderen ging, sprach er zu ihm (IgnSm 3,2): „Faßt an, betastet mich und seht, daß ich kein leibloser D ä m o n bin" (ψηλαφησατέ με και ΐδετε, δτι ούκ είμά δαιμόνιον ασώματον). Offenbar durch dieses Logion angeregt, hat Ignatius unmittelbar zuvor die Gegner als ασώματοι und δ α ι μ ο ν ι κ ο ί bezeichnet 88 . ihm k o m m t die oben angedeutete Bipolarität in der Bestimmung der Wirklichkeit Jesu Christi zum Ausdruck, die für die Christologie des Ignatius; so kennzeichnend ist. Die menschliche A b stammung und G e b u r t des Erlösers weisen auf die Wirklichkeit seines Menschseins hin; die jungfräuliche Geburt offenbart seine Zugehörigkeit zur göttlichen W e l t und verkündet sein Erscheinen als eine analogielose Neuheit (vgl. IgnEph 18,2-19,3). V g l . P. Meinhold,

Christologie

und Jungfrauengeburt 52-55. 86

N a c h IgnSm 2 ist die Auferstehung W e r k des Erlösers selber: ώς κ α ι α λ η θ ώ ς ά ν έ -

σ τ η σ ε ν εαυτόν. IgnTrall 9,2 steht dem Grundtenor der neutestamentlichen Überlieferung näher: D e r Vater hat ihn auferweckt: δς κ α ι ά λ η ι ΐ ώ ς ή γ έ ρ ύ η άπό νεκρών, έγείραντος α ΰ τ ό ν τ ο υ πατρός α ύ τ ο ϋ . V g l . auch IgnSm 7,1. V g l . IgnMgn 11,ι; IgnTrall 9,1. 88

vor.

δαιμονικός, δαιμόνιον und α σ ώ μ α τ ο ς k o m m e n bei Ignatius nur an diesen Stellen

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„Leiblos und dämonisch" sind in Wirklichkeit seine Gegner 89 . Die Aussage des Auferstandenen, er sei kein leibloser Dämon, zeigt hingegen die Realität der Auferstehung in der Konkretheit des auferstandenen Fleisches an. Gerade diese Konkretheit erklärt, warum die Berührung des Auferstandenen die Jünger zum Glauben führt: και ενόύς αύτοϋ ήψαντο και έπίστευσαν, κραιίέντες τη σαριά αύτοϋ και τω πνεύματι. Das von Ignatius zitierte Wort des Herrn findet sich in dieser Form in keinem der kanonischen Evangelien. Aber die Bezugnahme auf Lk 24,39 >st unverkennbar. Beim Erscheinen des Auferstandenen glauben die Apostel, ein Gespenst zu sehen (Lk 24,36fr ... έδόκουν πνεύμα ·όεωρειν). Daß der Auferstandene keine bloß geistige Wirklichkeit ist, folgt aus der zweifachen Aussage Lk 24,39. Z u nächst wird durch das Sehen die Identität Jesu festgestellt: 'ίδετε τάς χείρας μου και τους πόδας μου δτι έγώ είμι αυτός. Sodann werden die Jünger aufgefordert, sich selber von der Wirklichkeit des auferstandenen Fleisches zu überzeugen: ψηλαφήσατέ με και 'ίδετε, δτι πνεύμα σάρκα και όστέα ούκ εχει και3ώς έμε -θεωρείτε έχοντα. Dieser Text ist ohne Zweifel die Quelle für den ersten Teil von IgnSm 3,2. Für den zweiten Teil, der mit δτι ούκ είμι δαιμόνιον άσώματον beginnt, kann Lk 24,39 n u r den Anfang mit δτι als Parallele bieten. Sonst handelt es sich um eine andere Quelle 90 . In ά ν ά σ τ α σ ι ς έν σαρκί bedeutet σάρξ die ganze auferstandene Leiblichkeit. In diesem Punkt unterscheidet sich Ignatius von Lk 24,39b, wo von Fleisch und Knochen die Rede ist, aber Fleisch als Komponente des Leibes gemeint ist. Es fällt auf, daß Ignatius im Zusammenhang mit dem auferstandenen Leib nie den σώμα-Begriff verwendet 9 '. Als Widerlegung der Vorstellung von einem δαιμόνιον άσώματον hätte sich dies nahegelegt. Die eindeutige Bevorzugung des σάρξ-Begriffes dürfte mit der in ihm enthaltenen Konkretheit zusammenhängen, die im Rahmen der antidoketischen Kontroverse mehr als der σώμα-Begriff

9

Die Auseinandersetzung mit der Meinung der Gegner verläuft ähnlich wie bei der Frage nach der Wirklichkeit des Leidens in IgnSm 2: Nicht Leiden und Auferstehung ermangeln der Wirklichkeit, sondern die Gegner selbst. 90 Ein ähnliches Wort zitiert Orígenes: ex ilio libello, qui Petri doctrina appellatur, ubi salvator uidetur ad discípulos dicere: Non sum daemonium incorporeum" (De principiis, Praef. 8). Den ganzen Text IgnSm 3,2 überliefert Hieronymus, der auf das Hebräerevangelium verweist als den Ursprungsort des Wortes. Vgl. De viris ill. 16 (PL 23,666b); Comm. in Is. 18 (PL 24,628a). Eusebius, der zum erstenmal die Stelle zitiert, kennt ihre Herkunft nicht (vgl. Hist.Eccl. III 36,11). Ihre unterschiedliche Bestimmung bei Orígenes und Hieronymus weist auf einen traditionellen Hintergrund hin, der sich aber nicht mit Sicherheit einordnen läßt. Eine Erklärung allein aus der antidoketischen Polemik des Ignatius heraus unter dem Einfluß von Lk 24,36-39 scheint mir zu einfach. Anders Ph. Vielhauer, Judenchristliche Evangelien, in: NTApo 5 1123. 91 Der Begriff kommt überhaupt selten vor. In IgnRöm 4,2; 5,3 bezeichnet den Leib des Ignatius, der im Kampf gegen die Bestien vernichtet wird; IgnSm 1,2 hat ekklesiologische Bedeutung. Vgl. auch IgnSm 11,2.

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imstande war, das Menschsein des Irdischen und des Auferstandenen zur Sprache zu bringen. Die Begrifflichkeit ist aber nicht frei von Schwierigkeiten. W o bleibt die notwendige Erhabenheit der auferstandenen Leiblichkeit? Paulus spricht von einem σ ώ μ α πνευματικόν (ι Kor 15,44), u m das Anders-Sein der Auferstandenen auszudrücken und zugleich die notwendige Kontinuität der Person zu bewahren (1 Kor 15,49). Ignatius spricht zwar nicht von σαρξ πνευματική, aber er löst das Problem ebenfalls durch den Hinweis auf die Wirklichkeit des Geistes. Die Berührung des auferstandenen Leibes fuhrt die Jünger zum Glauben (IgnSm 3,2). Aber der Glaube entsteht nicht allein aufgrund eines physischen Kontakts. W a s sich in diesem Kontakt ereignet, geht über die sinnliche Wahrnehmung hinaus und wird zur Erfahrung der ganzen Wirklichkeit des Auferstandenen: Der Glaube entsteht nämlich, weil die Jünger mit seinem Fleisch und Geist eng verbunden waren (κραύέντες τη σαρκι αύτοΰ κ α ι τω πνεύματι). Die Behauptung setzt eine bestimmte Auffassung vom Auferstandenen voraus, die eine solche Erfährung ermöglicht. IgnSm 3,3 deutet sie an: μετά δέ την ά ν ά σ τ α σ ι ν συνέφαγεν αύτοις και συνέπιεν ώς σαρκικός, καίπερ πνευματκώς ηνωμένος τω πατρί. N a c h der Auferstehung aß und trank der Auferstandene in seiner fleischlichen Gestalt (ώς σαρκικός) mit den Jüngern, obwohl er geistlich mit dem Vater vereinigt war. Der Unterschied zwischen der fleischlichen Wirklichkeit, in der sich Jesus den Jüngern zeigt und handelt, und der geistlichen, die auf den Vater ausgerichtet bleibt, scheint im Widerspruch zu IgnSm 3,2 zu stehen, wo der Kontakt mit dem auferstandenen Fleisch auch die Erfahrung des Geistes vermittelt. Der Widerspruch löst sich jedoch auf, wenn man die Bedeutung von σ α ρ ξ und πνεύμα an dieser Stelle richtig herausstellt. Beide Begriffe weisen auf zwei Wirklichkeitsordnungen hin, die in der Gestalt des Erlösers eine Einheit bilden. Es ist nicht so, daß Jesus mit seinem Leib aß, während er mit seinem Geist mit dem Vater vereinigt war: Im Fleisch kommt seine Zugehörigkeit zur menschlichen Sphäre zum Ausdruck, im Geist zur göttlichen. Als σαρκικός und π ν ε υ μ α τ ι κ ό ς ist er der eine göttliche Arzt (IgnEph 7,2) 92 . Ignatius geht immer von dieser Einheit aus, aber er kann die eine oder die andere Komponente hervorheben. In der antidoketischen Auseinandersetzung versteht sich von selbst, daß er an der Betonung der leiblichen Wirklichkeit des Erlösers interessiert ist, aber die Synthese von göttlicher und menschlicher Wirklichkeit bleibt als wesentliche Grundlage 9 3 . D a ß Ignatius in diesem 92 Vgl. J. P. Martin, La pneumatologia en Ignacio de Antioquía 390; W. R. Schoedel, Ignatius of Antioch 23F. 93 In diesen Z u s a m m e n h a n g gehört auch IgnSm 12,2, wo die Auferstehung Jesu sowohl σ α ρ κ ι κ ή als auch π ν ε υ μ α τ ι κ ή bezeichnet wird. D a m i t sind nicht zwei, sich qualitativ unterscheidende Auferstehungsvorgänge gemeint, als würde sich der eine auf das Fleisch bzw. auf den Leib Jesu und der andere auf seinen Geist beziehen. Die Auferstehung Jesu ist zugleich fleischlich u n d pneumatisch, weil sie seine ganze Wirklichkeit betrifft, u n d diese ist eben fleischlich u n d pneumatisch. Die Auferstehung Jesu wird von der Christologie her charakterisiert.

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Zusammenhang die Frage nach der spezifischen Beschaffenheit des auferstandenen Fleisches nicht stellt, hängt von seinem christologischen Ansatz ab. Die Gabe des Geistes erfolgt hier nicht erst bei der Auferstehung von den Toten; keine Spur von einer Zwei-Stufen-Christologie läßt sich erkennen. Der starke Realismus der Szene vom Mahl mit dem Auferstandenen bereitet keine Schwierigkeit. Die Auferstehung vollendet das, was in der irdischen Existenz des Erlösers schon eine Wirklichkeit war. Die Formulierung in IgnSm 3,3 greift auf eine alte Überlieferung zurück. Lk 24,41-43 berichtet von einer Mahlzeit mit dem Auferstandenen. Aber die von Ignatius aufgenommene Tradition ist eigentlich in Apg 10,41 enthalten 94 . Petrus erwähnt dort in einer Rede die Erscheinungen des Auferstandenen, aber nicht vor dem ganzen Volk, sondern vor den von Gott vorherbestimmten Zeugen, nämlich ήμίν, ο'ίτινες συνεφάγομεν και συνεπίομεν αυτω μετά το άνοστήναι αϋτόν έκ νεκρών. Die Gemeinsamkeit mit IgnSm 3,3 ist unbestreitbar: μετά δε την ά ν ά σ τ α σ ι ν συνέφαγεν αϋτοις και συνέπιεν. Hinsichtlich des zweiten Teiles (... ώς σαρκικός, καίπερ πνευματικώς ηνωμένος τω πατρί) ist es wohl anders. Hier gibt es keine Gemeinsamkeit mehr mit neutestamentlichen Texten, und die Sprache ist so eng mit der Christologie des Ignatius verbunden, daß eine Herkunft aus der Tradition auszuschließen ist. Das gilt für die Formulierung als solche. Mit dem σάρξ-Begriff hingegen dürfte eine traditionelle Ableitung wahrscheinlich sein. Der Text Apg 2,25-28.31 mag diese Vermutung erhärten. In Apg 2,25-28 wird Ps 15,8-11 nach der LXX-Fassung zitiert. In diesem Zitat kommt einmal der Begriff σάρξ vor als Bezeichnung der menschlichen Wirklichkeit: ετι δε και ή σάρξ μου κατασκηνώσει έπ' έλπίδι (Ps 15,9)· Lukas versteht den Text als prophetische Weissagung der Auferstehung Jesu. In Apg 2,31 heißt es dann: προϊδών (Δαυίδ) έλάλησεν περι της αναστάσεως του Χρίσ τ ο υ οτι οΰτε έγκατελείφύη εις αδην οΰτε ή σαρξ αύτοϋ είδεν δ ι α φ ύ φ ά ν . Das Zitat nimmt Ps 15,10 wieder auf: οτι ούκ έγκαταλείψεις τήν ψ υ χ ή ν μου εις αδην ούδε δώσεις τον οσιόν σου ίδέίν διαψόοράν. Aber die Wiederauf nähme enthält eine fur unsere Fragestellung nicht unbedeutsame Änderung: anstelle von οσιος steht σάρξ. Das Fleisch des Auferstandenen wird die Verwesung nicht schauen! Damit ist implizit ein Bekenntnis zur Auferstehung des Fleisches Jesu enthalten, bei dem Fleisch, wie bei Ignatius, die ganze erfahrbare Wirklichkeit des Menschen Jesu bedeutet. Innerhalb der neutestamentlichen Literatur ist Apg 2,31 zwar der einzige Text, der von der σάρξ Jesu im Zusammenhang mit seiner Auferstehung spricht, aber die Stelle ist wichtig als Beweis für die Bedeutungsbreite des neutestamentlichen σάρξ-Begriffes, der gerade in eschatologischen Aussagen nicht allein nach dem paulinischen Sprachgebrauch bemessen werden darf.

94

Vgl. a u c h J o h 21,13. Ignatius; d ü r f t e das M o t i v d u r c h m ü n d l i c h e Ü b e r l i e f e r u n g ge-

kannt haben.

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Freilich ist die Sprache des Ignatius nicht als eine Weiterentwicklung von Apg 2,31 anzusehen. Die Wiederaufnahme von Ps 15,10 in Apg 2,31 geschieht ohne eine erkennbare doketistische Absicht, und eine literarische Abhängigkeit des Ignatius vom lukanischen Doppelwerk ist unwahrscheinlich. Aber die Konkretheit, mit der die Erscheinungen des Auferstandenen geschildert wurden, die semantische Polivalenz des biblischen σάρξ-Begriffes — die auch in Apg 2,31 dokumentiert ist — lassen sich als das sprachliche Substrat herausstellen, an dem Ignatius sein eigenes σάρξ-Verständnis entfalten konnte.

II. IgnSm 7,1 Wie anfangs erwähnt, steht die Aussage über das von der Güte des Vaters auferweckte Fleisch des Erlösers im Zusammenhang mit der Bestimmung der Eucharistie. Die Gleichsetzung von ευχαριστία und σάρξ ist innerhalb des Sprachgebrauchs des Ignatius eigenartig. In IgnPhld 4, einem anderen eucharistischen Text, erscheint nicht die „sarx" allein, sondern es werden das Fleisch und das Blut genannt als Bestandteile des eucharistischen Geschehens: σπουδάσατε ουν μια ευχαριστία χρήσόαΐ' μία γαρ σαρξ τοϋ κυρίου ήμών Ί η σ ο ΰ Χριστού και εν ποτήριον εις ένωσιν τοϋ αίματος αυτού, εν -βυσιαστήριον, ώς εις έπίσκοπος ά μ α τω πρεσβυτερίω και διακόνοις, τοις συνδούλοις μουι Unter ευχαριστία ist hier das ganze Geschehen des Herrenmahles zu verstehen, das in der Gemeinde unter dem Vorsitz des Bischofs gefeiert wird. Das ist auch der Sinn von χρήσθαι. Im Unterschied zu IgnRöm 7,3 (άρτον Θεού -θέλω, ö έστιν σαρξ 'Ιησού Χριστού) dient die „sarx" in IgnPhld 4 nicht als Signifikat des Brotes, obgleich dies impliziert sein dürfte. Daß anschließend das Blut in Verbindung mit dem Becher gesetzt wird, legt diese Vermutung nahe (vgl. IgnRöm 7,3). IgnSm 7,1 spricht von der Eucharistie in einer grundsätzlichen Form, die nicht primär durch die Zeichen des eucharistischen Geschehens bestimmt ist, sondern durch den Gedanken an die heilbringende Gegenwart des Auferstandenen in der Eucharistiefeier, σάρξ bedeutet hier die ganze menschliche Wirklichkeit des Erlösers in einer dreifachen Dimension: 1. soteriologisch: das Leid des Fleisches geschah ύπερ των αμαρτιών ήμών. Sie ist auch die Dimension der Geschichte Jesu als Geschichte des Gekreuzigten. Gegen die Behauptung eines scheinbaren Leidens bedeutet σάρξ auch das Reale und Wirkliche im Gegensatz zum Scheinbaren 95 ; 2. christologisch: dieses Fleisch wurde vom Vater auferweckt. Gott offenbart die Macht seiner Güte, indem er Jesus von den Toten auf's Das von Ignatius vorgetragene Eucharistieverständnis wird nicht grundlos von den Doketen abgelehnt, die konsequent an der Eucharistiefeier der Gemeinde nicht teilnehmen wollen.

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erweckt 96 ; 3. sakramental: das Vergangene wird in der Eucharistiefeier vergegenwärtigt und in dieser Form fur die Gläubigen zur Möglichkeit der Begegnung und Erfahrung 97 . Dem durch den σάρξ-Begriff vermittelten Realismus in der Christologie — gegen den Doketismus — entspricht der sakramentale Realismus, aber dieser ist weit entfernt von einer naiven magischen bzw. materialistischen Auflassung der sakramentalen Präsenz. Die Leidens- und Auferwekkungsaussagen verweisen auf das urchristliche Kerygma als das tragende Fundament der Vorstellung. Alle drei Aspekte in einem ähnlichen antidoketischen Kontext kommen in der johanneischen Literatur vor 98 . Joh 6,51^58 stellt die sakramentale Interpretation der Rede vom himmlischen Brot dar. Christologischer und sakramentaler Realismus — beides durch den σάρξ-Begriff ausgedrückt — gehören hier so eng zusammen wie bei Ignatius, so daß ein gemeinsamer traditioneller Hintergrund mit Recht angenommen werden kann.

III. Auferstehung Christi und Auferstehung der Christen Das Bekenntnis zur Auferstehung des Fleisches in IgnSm 7,1 ist fest eingebettet in die Begrifflichkeit des Ignatius, so wie sie seine Christologie prägt. Die Christologie ist das Zentrum, aus dem sich die eschatologischen Aussagen ableiten. Gehört zum Wesen dieser Christologie die Synthese von Fleisch und Geist als Charakterisierung der Gestalt des Erlösers, so versteht sich, daß das urchristliche Auferstehungskerygma in der Form der Fleischesauferstehung zur Sprache gebracht wird. Die Aufnahme des σάρξ-Begriflës in eschatologische Aussagen ist aber nicht das Ergebnis eines spezifischen Interesses an der Frage nach der Leiblichkeit des Auferstandenen. Diese Frage wird eigentlich nicht gestellt. Die Aussagen über den im Fleische erschienenen Auferstandenen heben die Wirklichkeit der Auferstehung hervor, ohne das Problem der Kontinuität zwischen dem irdischen und dem auferstandenen Fleisch zu thematisieren.

96 Wie Ignatius das Geheimnis aus verschiedenen Perspektiven beleuchten kann, zeigt IgnSm 2,i. Vgl. IgnTrall 9,2. S.o. Anm. 86. 97 Zur Frage eines sakramentalen und eines mysterischen Verständnisses der Eucharistie bei Ignatius, vgl. T. H. C. vanEijk, La résurrection des morts 104-112; Η. E. Lona, Der Sprachgebrauch 393 Anm. 32. 98 Das Problem wurde in der Untersuchung zum Sprachgebrauch von „sarx" in I Clem angedeutet. Vgl. W. Bieder, Auferstehung des Fleisches oder des Leibes? 113-116.

§ 3 Ignatius von Antiochien



Unter diesen Voraussetzungen ist ebenso verständlich, daß die Auferstehung der Toten in verhältnismäßig wenigen Texten erwähnt w i r d " . Von ihnen 100 dürfte IgnTrall 9,2 der wichtigste sein: ος και άληΌώς ήγέρϋη από νεκρών, έγείραντος αυτόν τού πατρός αυτού, ος και κ α τ ά τό ομοίωμα ήμας τους πιστεύοντας αύτώ ούτως έγερει ό πατήρ αύτού έν Χριστώ Ίησοΰ, ού χωρίς το άληΰινόν ζην ούκ έχομεν. Der Text schließt den bekenntnisartigen Abschnitt IgnTrall 9,1-2 ab. Trotz der textkritischen Unsicherheiten 101 ist der Sinn deutlich erkennbar: Gott der Vater hat Jesus Christus von den Toten auferweckt. In der gleichen Form (κατά τό ομοίωμα) wird er auch die Gläubigen auferwecken. Der Text nimmt Rom 6,5 auf: εί γαρ σύμφυτοι γεγόναμεν τω όμοιώματι τ ο ύ •θανάτου αύτού, αλλά και της αναστάσεως έσόμετία In beiden Fällen geht es um die Auferstehung Jesu als Vorbild, dem entsprechend die Auferstehung der Gläubigen gestaltet werden wird. Wenn die Auferstehung Jesu σαρκική und πνευματική bezeichnet wurde (IgnSm 12,2), wenn die Gläubigen sich mit dem Brot Gottes ernähren (IgnRöm 7,3), mit dem auferweckten Fleisch des Herrn (IgnSm 7,1), und dadurch die Unsterblichkeit erreichen (IgnEph 20,2), wenn schließlich ihre Auferstehung nach dem Modell der Auferstehung Jesu erfolgt, dann kann menschliche Vollendung nicht allein πνεύματι bestehen. Aber diese Konsequenz aus der ignatianischen Theologie bleibt nur angedeutet, eine explizite Aussage darüber kommt nicht vor. Angesicht des stark situationsbezogenen Charakters der Ignatiusbriefe, in denen nur Fragmente seiner Theologie festgehalten sind, überrascht dieses Schweigen eigentlich nicht. Was in ihnen im Hinblick auf unser Thema vermittelt wird, ist jedoch von Bedeutung. Denn sie zeigen einen eigenartigen Weg in der Artikulierung des Bekenntnisses zur Auferstehung des Fleisches, der durch das Gewicht des σάρξ-Begriffes in der Christologie des Ignatius und durch die Herausforderung des Doketismus gekennzeichnet ist.

99 Bedingt durch seine Situation, spricht Ignatius öfter von seiner eigenen Auferstehung im Zusammenhang mit seinem Märtyrertod. Vgl. IgnEph 11,2; IgnRöm 4,3; IgnSm 5,3; IgnPol 7,1. Vgl. auch IgnRöm 2,2. 100

Vgl. IgnMag 9,2 (die Auferstehung der alttestamentlichen Propheten) und IgnSm 7,1. Im zweiten Teil (δς και κατά ... ό πατήρ αΰτοϋ) wurde die Wiederholung des Subjekts als anstößig empfunden. Zu den Besserungsvorschlägen vgl. W. Bauer - H. Paulsen, Die Briefe des Ignatius 63. 101

42

§ 3 Ignatius von Antiochien

Zusammenfassung ι. Die einzige Aussage zur Auferstehung des Fleisches in den Ignatiusbriefen (IgnSm 7,1) betrifft das auferstandene Fleisch Jesu, und sie deutet zugleich die Eucharistie. Der „sarx"-Begriff bezeichnet ein dreifaches: das wahre MenschSein des Erlösers; seine eschatologische Vollendung, in der sich auch seine menschliche Wirklichkeit vollendet; seine sakramentale Gegenwart. 2. Die Polemik gegen den Doketismus bestimmt den historischen Hintergrund der Aussage. Darüber hinaus gehört sie in eine für Ignatius typische Theologie der „sarx". 3. Zur Auferstehung des Fleisches im Hinblick auf die Gläubigen gibt es bei Ignatius keine direkte Aussage, aber das Motiv der „Gleichheit" mit der Auferstehung Jesu nach IgnTrall 9,2 begründet die Annahme eines solchen Auferstehungsvers tandnisses.

§ 4 Der Barnabasbrief N u r an zwei Stellen ist in Barn 102 von der Auferstehung die Rede: 5,6 und 21,1, ohne allerdings die Auferstehung des Fleisches in Betracht zu ziehen 103 . V o n daher ist kein großer Ertrag fur unsere Fragestellung zu erwarten. W e n n dennoch dieses recht eigentümliche Schreiben des Urchristentums kurz berücksichtigt wird, dann weil es eine Etappe im Sprachgebrauch von „sarx" bezeugt, bei der manche interessanten Berührungspunkte mit anderen Texten aus der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts festzustellen sind. Barn 5,1-8,6 bildet eine thematische Einheit. Sie enthält wichtige christologische Aussagen, die den T o d Jesu mit Hilfe von verschiedenen alttestamentlichen Motiven deuten und seine heilbringende Bedeutung darlegen. In diesem Z u sammenhang sind zwei Themen zu untersuchen.

I. Fleischwerdung u n d A u f e r s t e h u n g v o n den T o t e n Neben der Deutung des Leidens Jesu kommt auch die Deutung der Fleischwerdung 1 0 4 zum Vorschein. Uns interessiert zunächst der Abschnitt 5,1-14, weil hier die zentrale Aussage Barn 5,6f über Jesu Auferstehung von den T o t e n vorkommt. Das Verb ,,ΰπομένειν" wird oft verwendet — sowohl im Hinblick auf das Leiden 105 als auch auf die Fleischwerdung — und kann als Gliederungssignal angesehen werden. Der einleitende Satz in Barn 5,1: είς τούτο γ α ρ ύπέμεινεν ..., und der Schluß in Barn 5,12a: οϋκοϋν εις τοϋτο ύπέμεινεν, weisen daraufhin. Aber auch bei den in diesem Abschnitt zu unterscheidenden kleineren Einheiten kommt ,,ΰπομένειν" eine ähnliche Funktion zu. 102

Z u d e n Einleitungsfragen u n d zur Literatur i m allgemeinen vgl. P. Prigent - R Kraft,

Épître de Barnabé 9-43; Κ. Wengst, Schriften des U r c h r i s t e n t u m s II 103-136. 10

3

N a c h W . HALLER b r i n g t Barnabas die fleischliche A u f e r s t e h u n g m i t der E r s c h e i n u n g

Christi i m Fleische in V e r b i n d u n g . Vgl. den., D i e Lehre v o n d e r A u f e r s t e h u n g 296. D i e D e u t u n g b e r u h t a u f einer m . E . falschen Ü b e r s e t z u n g der Stelle Barn 5,6. I0

+

Fleischwerdung wird bei Barn m i t „ K o m m e n " bzw. „Erscheinen i m Fleische" ausge-

d r ü c k t (vgl. 5,6.iof; 6,7.9.14; 12.10). D e r Präexistenzgedanke wird dabei vorausgesetzt (vgl. 5,5.10: 6,12a), aber n i c h t expliziert. Vgl. H. Windisch, Barnabasbrief 374f; P. Prigent - R. Kraft, Épître 42. I0

5

Vgl. II C l e m 1,2; IgnPol 3,2; Polyk 1,2.

§ 4 Der Barnabasbrief

44

Die erste kleinere Einheit ist Barn 5,1-4. Der Final-Satz 5,1b ('ίνα τη άφέσει των αμαρτιών άγνισ-όώμεν) drückt die Auswirkung und somit auch den Sinn des Leidens Jesu aus: „Dazu nämlich ertrug der Herr, das Fleisch der Vernichtung hinzugeben, damit wir durch die Vergebung der Sünden rein werden". Der thesenartigen Aussage folgt sodann der Schriftnachweis, in diesem Fall ein Zitat aus Jes 53,5.7b. Die Schlußfolgerung (ούκούν) daraus liegt in 5,3 vor: Die Gläubigen müssen Gott danksagen fur die von ihm offenbarte Erkenntnis, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verstehen läßt 106 . Mit Hilfe der Schrift bekräftigt Barn 5,4 dies ferner aus einer anderen Perspektive. Das Wort von Spr 1,17 (LXX): „Nicht zu Unrecht werden Vögeln Netze ausgespannt" wird als Warnung an die Adresse dessen ausgelegt, der die Erkenntnis über den Weg der Gerechtigkeit hat, sich aber auf den Weg des Dunkels begibt. Die zweite Einheit ist Barn 5,5-7. Die Wendung ετν δε καν τούτο, αδελφοί μου in 5,5a weist auf einen neuen argumentativen Schritt hin. Die Frage ist nun: Wieso hat der Herr, der auch Herr der Schöpfung ist, es ertragen, von Menschenhand zu leiden? (5,5). Die dritte Einheit (Barn 5,8-iia) verdeutlicht einen Aspekt der Grundaussage in 5,1. Das Leiden des Herrn hat die Sündenvergebung erwirkt. An seinen Aposteln zeigte sich, daß er nicht gekommen ist, Gerechte zu berufen, sondern Sünder. Aber nur sein Erscheinen im Fleisch hat es ermöglicht, daß die Menschen bei seinem Anblick gerettet werden konnten. Andererseits hat eben sein Kommen im Fleische, die Sünden des ungläubigen Israel vervollständigt. Die schon oben angesprochene Entsprechung zwischen 5,1a und 5,12a dürfte den Anfang und den Schluß einer größeren Texteinheit bilden, wenngleich damit keine inhaltliche Zäsur verbunden ist. Wie die weitere Darlegung in Barn 5,i2b-8,6 zeigt, setzt der Verfasser die Deutung der Fleischwerdung und des Leidens Jesu anhand ausgewählter alttestamentlichen Stellen fort. Uns interessiert Barn 5,5-7: die Frage nach dem Grund des Leidens des Herrn. Die Antwort darauf liegt in 5,6f vor, einem Text mit einer komplexen Struktur 1 0 7 . Sie läßt sich so darstellen: a': b1: e: d': e1: Ρ: g':

Ιοί

> i°7

αυτός δέ, 'ίνα καταργήση τον θάνατον και την έκ νεκρών ά ν ά σ τ α σ ι ν δείξη, ότι έν σαρκι εδει αυτόν φανερωιΐηναν, ΰπέμεινεν, 'ίνα τοις πατράσνν την έπαγγελίαν αποδώ καν αυτός έαυτώ τον λαόν τον καννόν έτονμάζων έπιδείξη έπι της γης ών, οτν την άνάστασνν αυτός πονήσας κρννεν.

Das ist der Inhalt der durch die Propheten vermittelten Erkenntnis. Vgl. 1,7. WINDISCH spricht von einer „merkwürdig verschlungene[n] Periode" (a.a.O. 328).

§ 4 Der Barnabasbrief

45

D e m T e x t geht eine kurze Einleitung voraus (5,6a): „Die Propheten, die von ihm die Gnade hatten, haben auf ihn hin prophezeit". Inhalt der prophetischen Ankündigung ist der cm-Satz ( e ) , was aber jetzt durch den vorangestellten „αυτός δέ" (a') nicht so deutlich erkennbar ist. D e r Verfasser ist offensichdich daran interessiert, die Aussage, der Herr habe ertragen (ύπέμεινεν), ,,έν σαρκι" erscheinen zu müssen (c') 108 , nicht nur inhaldich in den Mittelpunkt zu stellen, sondern ihre Bedeutung auch in der formalen Struktur des Satzes erkennen zu lassen. V o n dieser Aussage her sind nämlich die zwei'ίνα-Sätze (a' und d') zu interpretieren 109 . M i t ύπέμεινεν knüpft der Verfasser an 5,1 und 5,5a an, aber unmittelbar und vor allem an die Frage in 5,5b: πώς ο ύ ν ύπέμεινεν ύπό χειρός ανθρώπων παιίείν; Sie ist die Frage nach dem Grund des Leidens Jesu durch Menschenhand. D i e Tatsache, daß seine Antwort auf diese Frage in einer Aussage zur Fleischwerdung begründet ist (vgl. e'), zeigt unmißverständlich seine Auffassung von der unauflösbaren Einheit von Fleischwerdung und Leiden. Nicht zufällig verwendet er sowohl in der Frage als auch in der Antwort das Verb ,,ύπομένειν". Die Antwort auf die Frage in 5,5b entfaltet sich in den zwei Finalsätzen (a' und d'), welche die soeben angedeutete soteriologische Perspektive im Verständnis der Fleischwerdung unterstreichen. Der erste Finalsatz beinhaltet eine doppelte Aussage (a1 und b1). Der Herr hat ertragen, im Fleische erscheinen zu müssen, „um den T o d zu vernichten, und um die Auferstehung von den Toten zu zeigen" 110 . D e r Behauptung liegt das Kerygma vom heilbringenden T o d und von der Auferstehung Jesu zugrunde. Nach Leiden und T o d bedeutet die Auferstehung Jesu den Sieg über den T o d . Den sprachlichen Hintergrund für die erste Aussage bildet die christliche Interpretation von Jes 25,8, wie sie auch in ι Kor 15,26.54 belegt ist 1 ". Die zweite Aussage weist auf eine Folge aus diesem Sieg über den T o d hin: damit hat der Herr die Wirklichkeit der Auferstehung gezeigt.

1

δεί wird auch in Barn 5,13; 7,5.11; 12,5 in Bezug auf die Passion gebraucht. Auch hier

schlägt sich alte christliche Überlieferung nieder. Vgl. Mk 8,3iparr; Lk 24,7.26.44-46. 10 9 Das syntaktische Problem durch einen textkritischen Eingriff zu lösen, wie es K. WENGST vorschlägt, scheint mir nicht notwendig. Vgl. dm., Tradition und Theologie 24F. 110

Die beste Parallele, auf die schon WINDISCH hinweist (a.a.O. 328), ist Justin, I Ap.

63,16: ... νΰν δ' έν χρόνοις της υμετέρας άρχής, ώς προείπομεν, δια παρόένου άνθρωπος γενόμενος κ α τ ά την τοϋ πατρός βουλήν ύπερ σωτηρίας των πιστευόντων αύτω και έξουόενη ύ ή ν α ι και παιίειν ύπέμεινεν, ινα αποθανών κοιι άναστάς νικηση τον θ ά ν α τ ο ν . Vgl. auch Rheg. 44' 2 5" 2 9· Zur Frage der messianischen Testimonien als Grundlage vgl. P. Prigent, Les Testimonia i6of. PRIGENT geht nicht über die Angaben von WINDISCH hinaus. 111

In ι Kor 15,26.54 geht es um die endzeitliche Vernichtung des Todes, die mit der

Wiederkunft Christi und der Auferstehung der Toten zusammenhängt. In Barn 5,6 ist der Sieg über den T o d Folge der Fleischwerdung. Vgl. auch 2 T i m 1,10; Hebr 2,14. Der Text Jes 25,8 wurde auch in der rabbinischen Literatur messianisch gedeutet. Vgl. ExR 30,3. Weitere Belege bei Bill. III 481-483.

§ 4 D e r Barnabasbrief

46

W a r der erste Finalsatz inhaltlich christologisch geprägt, bietet der zweite Finalsatz einen breiteren soteriologischen Horizont. In einem Spannungsbogen, der von den Verheißungen an die Väter bis hin zur Auferstehung und z u m G e richt reicht, wird schließlich das M o t i v v o m Beweis der Auferstehung wiederaufgenommen. A u c h in diesem Fall enthält der Finalsatz eine doppelte Aussage. D i e erste Aussage ist d'): D i e Fleischwerdung hat die Erfüllung der V e r h e i ß u n g an die Väter gebracht. Beim letzten Teil der zweiten Aussage (f 'g') ist der Parallelismus zu b') leicht erkennbar: b')

; κ α ι την έκ νεκρών ά ν ά σ τ α σ ι ν δ ε ί ξ η

f'g')

έπιδείξη . . . οτι τ η ν ά ν ά σ τ α σ ι ν α υ τ ό ς π ο ι ή σ α ς κρίνει.

D i e Perspektive ist natürlich jeweils eine andere. In a'b') resultieren die Vernichtung des T o d e s und der Ausweis der Auferstehung direkt aus der Fleischwerdung. In f ' g ' ) erscheint der Beweis der Auferstehung und des Gerichts im W i r ken Jesu a u f Erden verankert. Das V e r b έπιδείξη wird nämlich durch zwei Partizipien umrahmt, die diesen Aspekt hervorheben: D e r Herr selbst hat sich ein neues V o l k bereitet (έτοιμάζων) 1 1 1 Das zweite Partizip ist noch wichtiger: έπί της γ η ς ών. In seinem irdischen Leben hat der Herr gezeigt, daß er selbst die Auferstehung wirkt, und einst richten wird" 3 . W e n n hier von der Auferstehung die Rede ist, wird dabei nur an die Aufersteh u n g Jesu gedacht, oder handelt es sich um die Auferstehung der T o t e n ? " 4 D e r Kontext ist vornehmlich christologisch, aber einiges spricht für eine Einbezieh u n g der allgemeinen Totenauferstehung 1 1 5 : i. die künftige Richtertätigkeit des Auferstandenen weist auf das Endgericht und somit a u f die eschatologischen Ereignisse hin; 2. die E r w ä h n u n g des neuen V o l k e s läßt sich besser verstehen, w e n n sie im Z u s a m m e n h a n g mit der von Jesus gewirkten, aber die Gläubigen betreffenden Auferstehung steht; 3. der Gedanke, daß nicht G o t t , sondern der verherrlichte Christus der Urheber der Auferstehung der T o t e n und Vollstrecker des Endgerichts ist, k o m m t auch in der johanneischen Literatur vor (vgl. Joh 5,nf.25-27).

112 Das dürfte auch im Zusammenhang mit der Erfüllung der Verheißung an die Väter stehen. "3 Vgl. H. Lohmann, Drohung und Verheißung 214. "4 Vgl. I Clem 24,1: κατανοήσωμεν, άγαπητο'ι, πώς ό δεσπότης έπιδείκνυται διηνεκώς ήμιν την μέλλουσαν άνάστασιν εσεσβαι Hier ist die Sache eindeutig. Mit δεσπότης ist Gott gemeint. Die kommende Auferstehung ist freilich die Auferstehung der Toten, für deren Wirklichkeit die Auferstehung Jesu bürgt. 115 An eine christologische Deutung denkt zunächst H. WINDISCH (a.a.O. 319), der aber eine Deutung auf die Auferstehung der Toten nicht ausschließt. T. H. C. VAN EIJK versteht schon Barn 5,6 als Hinweis auf die Auferstehung Christi und der Christen (La résurrection des morts 37).

§ 4 Der Barnabasbrief

47

II. D a s Fleisch des Gekreuzigten u n d Verherrlichten Barn 7,6-11 deutet das Leiden und den T o d Jesu als Sühne für die Sünden. Der Form der Darlegung nach handelt es sich um eine christologische Interpretation der alttestamentlichen Tradition über den Versöhnungstag (Lev 16), die aber mit späteren jüdischen Traditionen verbunden wird" 6 . Das Ritual fur den Versöhnungstag schreibt zwei fehlerlose und einander ähnliche Böcke vor, die dargebracht werden sollen. Einen von ihnen nimmt der Priester als Brandopfer für die Sünden. Der andere wird mit einer scharlachroten Wolle um das Haupt in die Wüste geschickt, nachdem das Volk ihn angespien und durchstochen hat. So weit die Überlieferung. Nach Barn 7,7 ist die Gestalt des verfluchten Sündenbocks, der mit der scharlachroten Wolle in die Wüste geschickt wurde, ein Typos für den leidenden Jesus. Die eigentliche Deutung erfolgt in Barn 7,9f, und sie verleiht dem Leidensmotiv eine starke eschatologische Prägung: A m jüngsten Tag (τότε τη ήμερα) werden die Menschen auch eine Gestalt mit einem scharlachroten Mantel um das Fleisch (τον ποδήρη έχοντα τον κόκκινον περι την σ ά ρ κ α ) sehen, und dann werden sie den wiedererkennen, den sie einst gekreuzigt, verhöhnt, durchstochen und angespien haben. Die Ähnlichkeit der zwei Böcke wird eigenartigerweise auf die Ähnlichkeit des einst kommenden Jesus mit seinem Typus gedeutet, die das Wiedererkennen ermöglicht" 7 . Drei christologische Motive sind in der Deutung Barn 7,9f enthalten: 1. das Leiden und der T o d Jesu sind als Sühneopfer für die Sünden zu verstehen; 2. am Ende der Zeit ergeht das Gericht über das jüdische Volk, wenn es in der G e stalt des wiederkehrenden Herrn den Gekreuzigten und Verschmähten erkennen wird; 3. der am Ende der Zeit Kommende ist zugleich der vom Leid und T o d Geprägte. V o m dritten Motiv her wird deutlich, warum der Verfasser, konsequent in seinem Sprachgebrauch, hier von „sarx" spricht (περι την σάρκα): E r will die Identität des Verherrlichten mit dem Gekreuzigten hervorheben. Denn die Gestalt, die sich am jüngsten Tag zeigt, ist die Gestalt des verherrlichten Herrn (vgl. M k 14,62). Aber die Erwähnung seines Fleisches, das immer das für das Heil der Menschen hingegebene Fleisch ist, erinnert daran, daß die Geschichte des Gekreuzigten durch die Verherrlichung nicht aufgehoben wird, sondern daß 116 Vgl. Yom 4,2; 6,6 und bYom 6,4f. Zur Abweichung und Übereinstimmung mit der jüdischen Tradition vgl. H. Windisch, a.a.O. 345^ Auch dort weitere Belege für das Erscheinen des Motivs in der chrisdichen Literatur. "7 Damit bestätigt der Verfasser seine Absicht, jede Aussage durch die Schrift belegen zu wollen. Vgl. H. Lohmann, Drohung und Verheißung Tili.

§ 4 Der Barnabasbrief

48

er als der Verherrlichte der Gekreuzigte bleibt. Durch den scharlachroten Mantel, mit dem er am Ende der Zeiten erscheinen wird, bekommt die Stunde der Passion (vgl. M t 27,28; M k 15,17; Joh 19,2) eine überzeidiche Gültigkeit, bis sie in die Verherrlichung hineingenommen wird" 8 .

Zusammenfassung Für die Frage über die Auferstehung des Fleisches ergibt sich folgendes: ι. Dort, wo von der heilbringenden Hingabe des Fleisches des Erlösers (Barn 5,1) und vom Nachweis der Auferstehung als Zweck der Fleischwerdung (Barn 5,6f) die Rede ist, wird die Gestalt des Erlösers aus der Perspektive der Verherrlichung gesehen. Daß auch seine Auferstehung auf diese „fleischliche" Realität bezogen sein muß, bleibt jedoch unausgesprochen" 9 . 2. N u r Barn 7,9 spricht von „sarx" des gekreuzigten, verherrlichten und zum Gericht wiederkommenden Herrn. Die Aussage impliziert das Bekenntnis zur Auferstehung des Fleisches im Rahmen des christologischen Bekenntnisses. Der Zusammenhang zeigt, daß die Anspielung auf die „sarx" des endzeitlichen Richters keine antidoketische Absicht verfolgt, noch einen Beweis für die Wahrheit der Auferstehung erbringen will 1 2 0 . Wenn der Verfasser in seiner Christologie häufig vom „sarx"-Begriff Gebrauch macht, dann deshalb, weil er die Einheit von Fleischwerdung und soteriologischem Leiden ausdrücken kann. 3. Von der Auferstehung des Fleisches bezüglich der Gläubigen ist nirgends die Rede. Der Zusammenhang zwischen Auferstehung der Toten und Endge-

n

® Hier stimmen Überlieferung und Deutung nicht ganz überein, denn nach der zitierten Tradition soll der, welcher den Bock trägt, ihm die Wolle abnehmen, und sie auf einen Brombeerstrauch legen (7,8), so daß der Bock ohne die Wolle in die Wüste geschickt wird. Ohne darauf einzugehen, bietet der Verfasser eine ekklesiologische Deutung. Wer die rote Wolle aufheben will, wird viel leiden müssen, weil der Dornenstrauch so schrecklich ist, daß er sich nur unter Mühsal seiner bemächtigen kann (7,11). "9 Erst Irenaus wird den Gedanken ausdrücken: „Solche (die dem Menschen die Erlösung rauben) verachten auch die Geburt unseres Herrn, der sich, das Wort Gottes, unsertwillen unterzog (ύπέμεινεν?), um Fleisch zu werden, damit er die Auferstehung des Fleisches erprobe und allen voran in den Himmel einziehe" (Epid. 39) (nach der Übersetzung von S. Weber, in Β KV 4, München 1912, 610). Vgl. auch 3 Kor 3,jf (s.u. § XII). 120 Der Unterschied zu Ignatius ist klar. Vgl. IgnSm 3,1-3; 7,1.

§ 4 Der Barnabasbrief

49

rieht (5,7; 21,1) legt den Gedanken von der engen Beziehung zwischen Leben auf Erden und eschatologischer Belohnung nahe, aber das wird nicht weiter expli-

121

J. N. D. KELLY behauptet: „Die Verfasser von 2. Clemens und des Barnabasbriefes betonen, daß es notwendig sei, daß wir in unserem gegenwärtigen Fleisch auferstehen, damit wir die uns gebührende Belohnung für unsere Taten empfangen". Dabei zitiert er II Clem 9 und Barn 5,6f; 21,1. Vgl. ders., Altchristliche Bekenntnisse 163. Der Bezug auf II Clem trifft ohne weiteres zu, der auf Barn findet keine Stütze im Text. Die endzeitliche Vergeltung sowie die Auferstehung der Toten konnten behauptet werden, ohne deswegen auf das Motiv von der Auferstehung des Fleisches zurückzugreifen, und darum geht es in dieser Frage.

§ 5 Der zweite Klemensbrief Die Bedeutung von II Clem 1 2 2 fur unsere Fragestellung besteht nicht zuletzt in der eigenartigen Verknüpfung von anthropologischen, christologischen und ekklesiologischen Anschauungen, die wichtige eschatologische Aussagen — auch zur Auferstehung des Fleisches — kennzeichnet. Zwei Texteinheiten werden im folgenden untersucht: II Clem 9,1-5 und 14,1-5.

I. II C l e m 9,1-5 Der Abschnitt II Clem 8,1-9,11, zu dem unser Text gehört, beginnt mit einer Ermahnung zur Umkehr angesichts der Tatsache, daß nur im irdischen Leben überhaupt Zeit zur Buße gegeben ist (8,2). Die Ermahnung setzt das Gericht nach dem T o d voraus, dem der Sünder nicht entgehen kann. V o r dieser drohenden Gefahr gewinnt die Aufforderung, jetzt Buße zu tun, ihren eindringlichen Charakter. „Nachdem wir aus der Welt hinausgegangen sind, können wir dort nicht mehr (unsere Sünden) bekennen oder noch Buße tun" (8,3). Der Verfasser bleibt aber nicht bei einer Aufforderung zur Buße. Er weist auch auf den W e g hin, der zum Leben führt: ποιήσαντες το ϋ έ λ η μ α τού πατρός κ α ι την σ ά ρ κ α άγνήν τηρήσαντες και τάς έντολάς τού κυρίου φυλάξαντες ληψόμει3α ζωήν αίώνιον(8,4). Das W o r t des Herrn vom Treusein im Geringen, um das Große empfangen zu können (vgl. Lk 16,11), wird in diesem Sinne ausgelegt: „Bewahrt das Fleisch rein und das Siegel unbefleckt, damit ihr das Leben empfangt" (8,jf). Die wesentlichen Elemente dieser Ermahnung kommen noch einmal in II Clem 9,6-11 vor, womit die Texteinheit abschließt: Buße tun, solange es noch Zeit dazu gibt (9,7f); die Erfüllung des göttlichen Willens — konkretisiert in diesem Fall in der Bruderliebe — als Bedingung für das Eingehen in das Reich Gottes (9,6.11).

122

Z u den Einleitungsfragen im allgemeinen vgl. K. Wengst, Schriften des Urchristen-

tums II 205-235; A. Lindemann,

D i e Clemensbriefe 189-196. R. WARNS bietet in seiner Marbur-

ger Dissertation eine ausführliche Information über die wichtigsten Einleitungsfragen und referiert umfassend über die Literatur. Vgl. ders., Untersuchungen zum 2.Clemens-Brief, Marburg 1989. Die Arbeit wird im folgenden wegen ihrer Bedeutung o f t herangezogen.

§ 5 Der zweite Klemensbrief

52·

Eine Ermahnung, die eine Betrachtung der menschlichen Existenz so eng mit einer eschatologischen Perspektive verbindet, steht und fällt mit der Annahme bzw. Ablehnung einer endgültigen, über die Grenzen des irdischen Lebens hinausgehenden Gestalt des Menschen 123 . Der Klärung dieser Frage dient die Stelle II Clem 9,1-5, die genau in der Mitte zwischen 8,1-6 und 9,6-11 steht. Es handelt sich anscheinend um einen umstrittenen Punkt innerhalb der Gemeinde (II Clem 9,1: και μή λεγέτω τις ΰμών): Einige leugnen für „dieses Fleisch" sowohl das Gericht als auch die Auferstehung (ότι αύτη ή σαρξ ού κρίνεται ουδέ άνίσταται) 1 2 4 . In der Begrifflichkeit von II Clem meint „dieses Fleisch" die menschliche Existenz in der Welt (5,5), in der Zeit des Handelns und der Entscheidung (8,2), wo es darum geht, gemäß dem Willen Gottes zu leben und das Fleisch rein zu bewahren (8,4.6). Der Begriff „Fleisch" umfaßt nicht allein die Körperlichkeit des Menschen, sein äußerliches Aussehen, sondern den ganzen Menschen als Subjekt des Handelns. Die Antwort des Verfassers besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil (9,2-4) hebt er die „fleischliche" Befindlichkeit als den Ort der Heilserfahrung hervor und weist auf die eschatologische Zukunft des Fleisches hin. Der zweite Teil bringt ein christologisches Argument: Christus, der Herr, war zuerst Geist, und ist Fleisch geworden. II Clem 9,2 blickt auf die Vergangenheit der Gemeinde zurück, um festzustellen, daß die entscheidende Wende vom Unheil ins Heil in keinem anderen Z u stand als in der Wirklichkeit des Fleisches stattfand: γνώτε, έν τίνι έσώ-όητε, έν τίνι άνεβλέψατε 1 2 5 , εί μή έν τη σαρκι ταύτη δντες. Der Ubergang vom T o d ins Leben, von der Blindheit und Finsternis zum Sehen und zum Licht, von der Verlorenheit zur Rettung, vom Nichtsein ins Dasein war in 1,6-8 der Grund für den Lobpreis der Gemeinde. Hier wird auf das Heilsereignis angespielt 126 , um die Existenz der Gläubigen im Fleisch als die einzige reale Möglichkeit der Heilsaneignung herauszustellen127. Vgl. H. Lohmann, Drohung und Verheißung 109. Das Gericht ist an dieser Stelle im Sinne der eschatologischen Bestrafung aufzufassen. Der Sprachgebrauch von κρίνω (I8,i) und κρίσις (10,5; 16,3; 17,6; I8,2; 20,4) legen diese Deutung nahe. Die Art der Bestrafung wird traditionell unter Bezugnahme auf Jes 66,24 (LXX) ausgedrückt. V o m Kontext her m u ß man jedoch annehmen, daß der Verfasser die gleiche Kontinuität zwischen Geschichte und Eschaton voraussetzt, wie im Falle der Auferstehung. Aber er spricht nicht von einer Auferstehung zum Gericht (vgl. Joh 5,29). 12 5 ά ν α β λ ε π ω bedeutet ein geistiges Schauen. Vgl. Bauer W b 99. Vgl. auch C o r p H e r m VII 1: στητέ νήψαντες· ά ν α β λ ε ψ α τ ε τοις όφϋαλμοίς της καρδίας. 126 άναβλεπω kommt auch in 1,6 als metaphorischer Ausdruck für die von Gott gewirkte Rettung aus der Verlorenheit vor. 12 7 Wie die Terminologie in 1,6 zeigt, greift der Verfasser auf eine allgemeine altchristliche Bekehrungs- und Taufterminologie zurück. Κ. P. DONFRIED hat versucht, ein Taufbekenntnis in der Form eines Hymnus zu rekonstruieren (The Setting 103-107). R. WARNS stellt dies in Frage aufgrund inhaltlicher Beobachtungen. So sei der Text II Clem 1,4 ein Kampfruf gegen die valentinianische Auffassung von der „Konfirmation" als einem höheren Eingangssa12

'

124

§ 5 Der zweite Klemensbrief

S3

Im Zusammenhang mit der Warnung in 9,1, man solle dem Fleisch (αύτη ή σ α ρ ξ ) weder das Gericht noch die Auferstehung absprechen, unterstreicht die Erinnerung an die έν τη σαρκι ταύτη vollzogene W e n d e zum Heil die Kontinuität zwischen Geschichte und Eschaton. V o n dem, was sich in der fleischlichen Existenz ereignet hat, hängt die endgültige Zukunft des Menschen ab. D a rum m u ß der Gläubige dieses Fleisch hüten wie den Tempel Gottes (II Clem 9,3: δέί ούν ήμάς ώς ν α ό ν -θεού φ υ λ ά σ σ ε ι ν τήν σάρκα). Der Wechsel vom belehrenden Ihr-Stil (V.i-2.4) zum gemeinschaftlichen Wir-Stil verstärkt den appellativen Charakter des Textes und weist darauf hin, daß diese Aufgabe alle betrifft. Die Aufforderung δέί φ υ λ ά σ σ ε ι ν τήν σ ά ρ κ α hat eine sachliche Parallele in 8,4 (και τήν σ ά ρ κ α άγνήν τηρήσαντες) und 8,6 (τηρήσατε τήν σ ά ρ κ α άγνήν κ α ι τήν σφραγίδα άσπιλον). Der Stelle 8,6 kommt besondere Bedeutung zu, weil sie eine Begründung der Paränese bietet, die nicht eschatologisch motiviert ist. Mit σφραγίς sind die Taufe und die in ihr übernommenen Verpflichtungen gemeint. Diese Deutung geht aus 6,9 deutlich hervor: ήμέϊς, έάν μή τηρήσωμεν το βάπτισμα άγνόν κ α ι άμίαντον, ποία πεπονόήσει ε ί σ ^ ε υ σ ό μ ε ϋ α εις το βασίλειον τού -θεού; Das Sprachfeld ist an beiden Stellen weitgehend homogen: Das Fleisch und das in der Taufe empfangene Siegel 128 sollen rein und unbefleckt bewahrt bleiben 129 . Dies ist die Bedingung fur das Eingehen in das Gottes Reich.

krament: „ W i r müssen in i h m vielmehr eine prooemial scharf geschliffene, polemische F o r m u lierung erkennen (die freilich nur k u n d i g e H ö r e r , also gerade die, die es anging, als polemisch h a b e n auffassen k ö n n e n ) " ( U n t e r s u c h u n g e n 183). D i e I n t e r p r e t a t i o n h ä n g t m i t der m a n c h m a l sehr hypothetischen —



Rekonstruktion der P o l e m i k gegen V a l e n t i n z u s a m m e n , die

R. W A R N S in seiner A r b e i t bietet. W i r d hier aber d e m T e x t nicht ein polemischer T o n unterstellt, d e n er nicht hat? A u c h bei der A n n a h m e einer solchen polemischen A b s i c h t ist der formelhafte C h a r a k t e r von II C l e m 1,4 so auflallend, d a ß die A n z e i c h e n für eine liturgische Herk u n f t d o c h überwiegen. — Sofern die von R. WARNS angegebene D a t i e r u n g (um 160) aufs e n g ste m i t d e m V e r l a u f der Auseinandersetzung m i t V a l e n t i n i a n e r n der zweiten G e n e r a t i o n verb u n d e n ist (ebd. 9 o f ), steht u n d fällt sie m i t der Rekonstruktion der Polemik. I2®

II C l e m 7 , 6 sagt an, was denen geschehen wird, welche das Siegel nicht bewahren.



D a s Verständnis v o n σ φ ρ α γ ί ς als A u s d r u c k für die T a u f e ist auch für den H i r t e n des H e r m a s charakteristisch. V g l . Herrn sim. V I I I i,}f; 6,3; I X 16,4-7; 17.4· V g l . G. Fitzer, in: T h W N T V I I 939-954, hier 952Í. —

D i e a p o k r y p h e n A p o s t e l a k t e n bestätigen vielmals den S p r a c h g e b r a u c h .

V g l . A c t P h i l 29 ( A c t A A p o 11,2 15,25); 44 (20,10); 134 (65,11); 142 (79,26); 144 (86,6); A c t T h o m 26 (141,20) u.ö. D e r T e r m i n u s wird in der Regel als S y n o n y m für die T a u f e verwendet. I29

R . W A R N S sieht in II C l e m 8,6 u n d 14,3 eine eucharistische Formel. Formal beruft er

sich a u f die in beiden T e x t e n gleichlautende Einleitungsformel ά ρ α ο ύ ν τ ο ϋ τ ο λ έ γ ε ι , die e t w a z u m f o l g e n d e n Inhalt führt: α δ ε λ φ ο ί , τ η ρ ή σ α τ ε τ η ν σ ά ρ κ α , 'ίνα τ ή ν ζ ω ή ν ά π ο λ ά β η τ ε (Untersuchungen 185-190). D i e Existenz v o n einer formelhaften T r a d i t i o n läßt sich nicht bestreiten (in der Erklärung zu II C l e m 14,3 wird das Problem behandelt). Es ist aber sehr fraglich, o b sie eucharistischer H e r k u n f t ist. D i e v o n R. W A R N S angeführten Parallelen ( A c t T h o m 121 = A c t A A p o 11,2 231,9-14; A c t j o h 110 = A c t A A p o ΙΙ,ι 208,11-209,2) erbringen keinerlei Beweis dafür (vgl. ebd. 185). R. WARNS m i ß t der Eucharistie in II C l e m m . E . eine B e d e u t u n g zu, die v o n den T e x t e n

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§ 5 Der zweite Klemensbrief

Die Haltung gegenüber dem eigenen Fleisch wird in 9,3 im Bezug auf den Tempel Gottes gesetzt. So wie die Heiligkeit des Gott geweihten Raumes eine besondere Haltung verlangt, um eben diesem heiligen Charakter zu entsprechen, so wird auch fur das Fleisch ähnliches gefordert. In seiner Untersuchung der Zitate in II Clem hat R. WARNS den Einfluß von ι Kor 3,i6f an dieser Stelle überzeugend aufgezeigt. Dabei verbindet er II Clem 9,3 mit 14,3: ι Kor 3,i6f ουκ ο'ίδατε οτι ναός ήεοϋ έστε και το πνεύμα του -θεού ... εϊ τις τον ναόν του -θεού φόείρει, φόειρέί τούτον ό ΰεός.

II Clem 9>3; Η>3 δει ούν ήμάς ώς ναόν ϋεού φυλάσσειν την σάρκα ... έάν τις ήμών τηρήση αυτήν έν τη σαρκι και μή φϋείρη^ 0

Bezüglich des Motivs vom Tempel Gottes ist die Erklärung einleuchtend. Aber es bleibt die Frage nach dem „sarx"-Begriff in diesem Zusammenhang, der in beiden Texten so pointiert vorkommt und von 1 Kor 3,i6f her nicht erklärt werden kann. Hier soll man m.E. 1 Kor 6,19 heranziehen: ή ούκ ο'ίδατε δτι το σώμα ΰμών ναός τοϋ έν ΰμιν αγίου πνεύματος έστιν ου εχετε από θεού. Im Kontext von ι Kor 6 geht es um sittliche Forderungen, die sich aufgrund des im Gläubigen wohnenden Heiligen Geistes — seine Gegenwart macht den Christen zum Tempel Gottes — notwendigerweise ergeben. Auch in II Clem 9,3 handelt es sich um eine sittliche Forderung, wenn auch ihr Inhalt noch näher präzisiert werden muß. Im Unterschied zu Paulus ist von σαρξ und nicht von σώμα die Rede 1 ' 1 . Das entspricht gut dem jeweiligen Sprachgebrauch. Der Verfasser von II Clem verwendet σώμα als anthropologischen Begriff immer im Zusammenhang mit ψ υ χ ή (5,4; i2,3.4)132, während σάρξ in unserem Text den ganzen Menschen bezeichnet, und zwar auch im Hinblick auf die Auferstehungshoffnung 133 . Paulus hingegen spricht im Zusammenhang mit der Auferstehung nur von σώμα, nie von σάρξ (vgl. 1 Kor 15,50!). Wenigstens bei Bezugnahme

nicht getragen wird. So z.B. in der Erklärung zu II Clem 1,3.5: „Die Themafragen 1,3.5 setzen vor die ganze Rede ein eucharistisches Vorzeichen. So denkt — und lebt — der 2.CI in einem sozusagen sakramentalisierten Raum. Von der Eucharistie gehen seine Gedanken aus und hierhin wandern sie zurück, nicht anders als etwa bei frommen Katholiken von heute, die täglich Messe halten oder die Frühmesse besuchen" (ebd. 177). 130 Untersuchungen 230. 131 Daraufhat auch A. Lindemann, Paulus im ältesten Christentum 265, hingewiesen. 132 In II Clem 14,2 wird der Terminus σώμα ekklesiologisch gebraucht: εκκλησία ζώσα σώμά έστιν Χριστοΰ. 133 In den eschatologischen Texten von II Clem kommt das anthropologische Schema „Leib-Seele" nie vor. Nur der „sarx"—BegrifF steht im Mittelpunkt.

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nähme auf 1 K o r 6,19 läßt sich behaupten, daß σ ά ρ ξ hier dem paulinischen σ ώ μ α entspricht 134 . Es bleibt die Frage, ob II Clem 9,3 (vgl. 8,4.6) nicht im Sinne einer asketischen Forderung auf sexuelle Enthaltsamkeit zu verstehen ist, also weit über den normativen Anspruch des paulinischen Textes hinaus 135 . Die Klärung der Frage ist wichtig für die Erhellung des religionsgeschichtlichen Hintergrundes, auf dem die Aussage von der Auferstehung des Fleishes beruht. Schon R. KNOPF hat in seinem Kommentar zu II Clem 1 3 6 auf die Stelle der Acta Pauli et Theclae 12 (= A c t A A p o ΙΙ,ι 244,3f) aufmerksam gemacht, die den Auferstehungsgedanken mit Jungfräulichkeit bzw. Verzicht auf ehelichen Verkehr verbindet: „ A u f andere Weise gibt es für euch keine Auferstehung, es sei denn, daß ihr rein bleibt und das Fleisch nicht befleckt, sondern es rein bewahrt" (τήν σάρκα..τηρήσητε άγνήν). D i e Aussage wird von Gegnern des Paulus dem Apostel zugeschrieben, nicht völlig grundlos. Denn im fünften A b schnitt verkündet Paulus das W o r t Gottes von der Enthaltsamkeit und der Auferstehung (περι έγκρατείας και αναστάσεως) in einer langen Reihe von Makarismen. Der zweite davon heißt: μακάριοι oi άγνήν τήν σ ά ρ κ α τηρήσαντες, οτι αύτοι ναός ύ ε ο ύ γενήσονται. Die asketische Ausrichtung ist hier unübersehbar. Ebenso auffallend sind einige terminologische Gemeinsamkeiten mit II Clem 1 3 7 . O h n e Hinweis auf die Auferstehung, aber wegen des Überlieferungszusammenhanges ist die Stelle I Clem 38,2 von Bedeutung: ό άγνός έν τη σαρκι μή ά λ α ζ ο ν ε υ έ σ ό ω , γινώσκων, οτι έτερος έστιν ό έπιχορηγών α ΰ τ φ τήν έγκράτειαν. Es handelt sich um ein Mitglied der Gemeinde, das jungfräulich bzw. ehelos lebt 138 . Das Gewicht der asketischen Forderung in II Clem 9,3 verstärkt sich, wenn man die Aussagen im Kap. 12 heranzieht. Ein apokryphes W o r t des Herrn, das in ähnlicher Form im Evangelium der Ägypter zitiert wird 139 , antwortet auf die

134

A n h a n d der traditionellen V e r b i n d u n g läßt sich n i c h t entscheiden, o b der Verfasser

ι K o r g e k a n n t hat. A n d e r e T e x t e (vgl. I g n P h l d 7,2: τ ή ν σ ά ρ κ α ύ μ ώ ν ώ ς ν α ό ν ι ΐ ε ο ΰ τηρείτε; Herrn sim. V 7,1: τ ή ν σ ά ρ κ α σ ο υ τ ά υ τ η ν φ ύ λ α σ σ ε κ α ό α ρ ά ν κ α ϊ ά μ ί α ν τ ο ν , 'ίνα τ ο π ν ε ύ μ α τ ο κ α τ ο ί κ η σ α ν έ ν α ύ τ η μ α ρ τ υ ρ ή σ η α ύ τ η κ α ι δ ι κ α ι ω Ο ή σ ο ύ ή σ ά ρ ξ . V g l . Irenaus, A d v . H a e r . V 6,2) weisen a u f eine schon feste sprachliche Prägung hin. V g l . a u c h A c t T h 97 (= A c t A A p o 11,2 203,1-2): . . . κ α ι δ έ ς ω μ α ι κ ά γ ώ σ φ ρ α γ ί δ α , κ α ι γ έ ν ω μ α ι ν α ό ς ά γ ι ο ς , κ α ι κ α τ ο ί κ η σ η έν έμο'ι αύτός. •35

V g l . Τ. Η. C. van Eijk, La résurrection des morts 66-69 ·

'36

V g l . der s., D i e Apostolischen V ä t e r i 6 j f .

137

A b g e s e h e n v o n den e r w ä h n t e n Stellen vgl. A c t a Pauli et T h e c l a e 6 (= A c t A A p o ΙΙ,ι

239,5f): μ α κ ά ρ ι ο ι ο ι τ ο β ά π τ ι σ μ α τ η ρ ή σ α ν τ ε ς . In 25 (ebd. 253,7) k o m m t σ φ ρ α γ ί ς als Bezeichn u n g der T a u f e vor. 138

V g l . IgnPol 5,2: ει τις δ ύ ν α τ α ι έ ν ά γ ν ε ί α μ έ ν ε ι ν ε ι ς τ ι μ ή ν τ η ς σ α ρ κ ό ς τ ο ύ κ υ ρ ί ο υ ,

έν ά κ α υ χ η σ ί α μενέτω. '39

Z u r Frage des Traditionsverhältnisses vgl. Η. Köster, Synoptische Ü b e r l i e f e r u n g bei

den apostolischen V ä t e r n ( T U 65), Berlin 1965,102-105; Ph- Vielhauer, Geschichte der urchristlichen Literatur 662-664.

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§ 5 Der zweite Klemensbrief

Frage, wann sein Reich kommen wird: „Wenn die Zwei eins sein werden und das Äußere wie das Innere und das Männliche mit dem Weiblichen, weder Männliches noch Weibliches". Von der sich daran anschließenden Deutung interessiert uns der zweite Teil: „Mit ,und das Männliche wie das Weibliche, weder Mänliches noch Weibliches' meint er folgendes: ein Bruder soll beim Anblick einer Schwester in keiner Weise an sie als Frau denken, noch soll sie an ihn als Mann denken. Wenn ihr das tut, sagt er, wird das Reich meines Vaters kommen"' 4 0 . Das Kommen des Reiches hängt also von der Erfüllung mehrerer Bedingungen ab, u.a. auch von der sexuellen Enthaltsamkeit. Andererseits zeigt der Kontext, daß der Verfasser keine wirkliche Naherwartung vertritt 141 . Da die Gläubigen den Tag der Erscheinung Gottes nicht kennen, sollen sie „stündlich" (και)' ώραν) das Reich Gottes in Liebe und Gerechtigkeit erwarten (12,1). Das eschatologische Motiv wird hier in den Dienst eines asketischen Ideals genommen. Es ist m.E. richtig, „daß der Verfasser nirgends klar und ausdrücklich die Forderung völliger geschlechtlicher Askese aufstellt"' 42 , und es wäre übertrieben, zu meinen, die Auferstehungsverheißung gelte nur der jungfräulich gebliebenen „sarx". Aber es läßt sich nicht leugnen, daß er ein Keuschheitsideal mit enkratischen Zügen vertritt. Andererseits beruht die asketische Forderung auf keiner dualistischen Vorstellung' 43 . Nur das Motiv vom Tempel Gottes legt es nahe, an die Anwesenheit des Geistes im Menschen zu denken, aber es handelt sich in diesem Fall um den Geist Gottes, nicht um den menschlichen Geist' 4 4 . Die Ausführungen im Kap. 14 werden das hier Angedeutete, aber nicht Ausgesprochene, bestätigen. II Clem 9,4 greift den Gedanken von 9,2 wieder auf. Die Existenz des Gläubigen im Fleische wird einem breiten Rahmen zugeordnet, der von der göttlichen Berufung bis hin zur Vollendung reicht: so wie er im Fleisch berufen wurde, so wird auch im Fleisch hingelangen. Έκλή-όητε ist ein passivum divinum (vgl. 9,5), und deutet den heilbringenden Ruf Gottes an, der die Wende von der Verlorenheit zum Heil hervorgebracht hat (vgl. 1,2.8; 2,7; 5,1; 10,1). Der zweite Teil des Satzes ist nicht eindeutig. Worauf ist das και έν τη σαρκχ έλεύσεσϋε zu be140

Übersetzung nach Κ. Wengst, Schriften des Urchristentums II 255. Vgl. Ph. Vielhauer, a.a.O. 742. 142 Vgl. K. Wengst, a.a.O. 231. 143 Vgl. R. Wams, Untersuchungen 191-193. Zwei Dinge sind in der Darstellung von R. WARNS recht problematisch: 1. die Einbeziehung der Eucharistie — in Zusammenhang mit 11 Clem 8,6 — als Motivierung der asketischen Forderung: „Der Genuß des Abendmahls bedeutet aber, daß das Fleisch von der αφθαρσία weiter durchdrungen wird, also auch eine geistliche Stärkung erfährt, und sich als ναός ιΐεοϋ darstellt" (ebd. 192). Von einer solchen Begründung steht im Text wohl nichts; 2. die Annahme einer polemischen Absicht in II Clem 12 gegen das „Brautgemach" der Valentinianer (ebd. 454-456). Die wenigen Angaben über den Gebrauch des Ägypter-Evangeliums bei den Valentinianern können ohnehin kein Argument liefern, wenn der Verfasser selber am Ende zugibt, daß eine sichere Identifizierung des Wortes in II Clem 12,2 mit dem Evangelium der Ägypter nicht möglich ist (ebd. 465O. 144 Vgl. T. H. C. van Eijk, La résurrection des morts 66-69. 141

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ziehen? Von 9,1 aus gesehen, legt sich das Gerichtsmotiv nahe: Ihr werdet vor Gottes Richterstuhl gelangen145. Aber das ist wenig wahrscheinlich. Wir haben oben gesehen, daß das Verständnis vom Gericht in II Clem überwiegend negativ ist, d.h. als Strafgericht verstanden wird' 46 . Die Aussage in 9,4b hängt mit dem Ruf Gottes zusammen (9,4a) und weist auf die eschatologische Vollendung hin. Daher ist es eher denkbar, daß der Verfasser die Aussage schon im Hinblick auf 9,6 gemacht hat: ... οπως έλθωμεν πάντες εις τήν βασιλείαν τού -θεού. Auf jeden Fall bildet die Wirklichkeit der „sarx" als Chiffre fur menschliches Dasein das Bindeglied zwischen Geschichte und Eschaton. II Clem 9,5 bringt den zweiten Teil der Argumentation. Durch einen Vergleich mit der christologischen Wirklichkeit soll die Wahrheit der der „sarx" geltenden Heilszusage bekräftigt werden. Nach dem Bekenntnis zum einen Christus, dem Herrn 147 , der uns gerettet hat, wird von ihm gesagt: ών μεν το πρώτον πνεύμα, έγένετο σαρξ και ούτως ημάς έκάλεσεν. Das Heilswirken Jesu spielt sich in der Sphäre des Fleisches ab' 48 . Der jetzt an die Gemeinde ergehende Ruf des Erlösers ist an seine irdische, fleischliche Wirklichkeit gebunden 149 . Dem entspricht die soteriologische Auswirkung in diesem von ihm erlösten Fleisch: ούτως και ήμείς έν ταύτη τη σαρκι άποληψόμει3α τον μισιϊόν. Im Grunde geht es hier um den gleichen Spannungsbogen wie in 9,4: von dem heilbringenden Ruf (in 9,5 christologisch verstanden) bis hin zur Vollendung 150 . Neu ist die Hervorhebung der Wirklichkeit des Erlösers im Fleisch. Gerade die Fleischwerdung des Erlösers bringt den Nachweis, daß es für den Menschen keine Heilsordnung außerhalb der Existenz im Fleisch gibt. Gegen wen richtet sich die Polemik des Verfassers? Mit Recht hat die Forschung immer wieder auf eine antignostische Front hingewiesen. Zwei Aspekte lassen sich herausstellen: ι Die Leugnung der Auferstehung:. Daß in christlichen Kreisen die künftige Auferstehung der Toten aus unterschiedlichen Gründen geleugnet wurde, belegt schon die Polemik des Paulus gegen die Enthusiasten von Korinth. Die Stelle 2. Tim 2,18 zeigt eine fortgeschrittene Phase der Kontroverse. Die Behauptung, die Auferstehung sei schon geschehen, läßt sich nämlich als eine FrüherscheiH5

So Bauer Wb 628.

146

S.o. A n m . 124.

147

D i e L A ευ; Χ ρ ι σ τ ό ς ist besser bezeugt als die m i t ε ι Χ ρ ι σ τ ό ς der syrischen Uberliefe-

rung. V g l . K. Wengst, Schriften des Urchristentums II 249 A n m . 71. Für unsere Fragestellung ergibt sich daraus keine Sinnänderung. 148

Z u r Christologie v o n II C l e m vgl. K. Wengst, a . a . O . 228-230; spezifisch zur Geistchri-

stologie vgl. R. Knopf, D i e Apostolischen V ä t e r 167. '49

V g l . K. Wengst, a . a . O . 229.

150

J. P. MARTÍN versteht unter μ ι σ τ ί ό ς den Heiligen Geist. V g l . dm.,

El Espíritu Santo

147. D e r K o n t e x t stützt diese D e u t u n g nicht. D a s M o t i v v o m T e m p e l G o t t e s (9,3) impliziert die G e g e n w a r t des Geistes, aber eben als gegenwärtige W i r k l i c h k e i t . Sonst gibt es keinen anderen H i n w e i s a u f d e n Geist. Erst K a p . 14 stellt d e n G e i s t als eschatologische G a b e dar. A b e r es ist problematisch, dies auch für Kap. 9 gelten zu lassen.

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nung christlicher Gnosis deuten, die im Verlauf des zweiten Jahrhunderts zur vollen Entfaltung gelangen wird. II Clem 9,1-5 befindet sich mitten in dieser Kontroverse. Seine Antwort enthält im Vergleich zur paulinischen Theologie eine eigene Akzentsetzung. Nicht die Erhabenheit und Andersartigkeit der auferstandenen Leiber, die im Begriff σώμα πνευματικόν zusammengefaßt wird (vgl. ι Kor 15,36-44), steht im Mittelpunkt, sondern die Kontinuität der „sarx", in der der Mensch von Gott gerettet wurde, in der er auch die ewige Belohnung, die Auferstehung empfangen wird. Wie diese Kontinuität zwischen der irdischen und der auferstandenen „sarx" näher verstanden werden soll, wird nicht gesagt. Anders als bei Paulus meint „sarx" hier nicht die Sphäre der Schwäche und Anfälligkeit, ja gar der Sünde, sondern bezeichnet einfach den ganzen Menschen in seiner historischen Konkretheit. Die Eigenart des Sprachgebrauchs versteht sich im Zusammenhang mit der antignostischen Polemik. Der „sarx"-Begriff war besonders geeignet, gegen jede gnostisch inspirierte spiritualistische Tendenz die menschliche Wirklichkeit in ihrer Materialität auszudrücken. Das Bekenntnis zur künftigen Auferstehung „dieses Fleisches" Schloß sowohl den Gedanken einer schon in der Taufe vollzogenen Auferstehung des Gläubigen aus als auch jede „fleischlose" Vorstellung menschlicher Vollendung. 2. Die Christologie: Auch der Verweis auf den fleischgewordenen Geist (9,5) erfolgt im Zuge der antignostischen Polemik. Die Präexistenz des Erlösers als Geist besagt seine vorzeitliche Zugehörigkeit zur göttlichen Welt. Die Erwähnung der Fleischwerdung nimmt mit Sicherheit Joh 1,14 wieder auf. Daß der Verfasser nicht vom fleischgewordenen Logos spricht, sondern vom fleischgewordenen Geist, dürfte durch seine Absicht bedingt sein, die göttliche Herkunft des Erlösers und zugleich seine irdische Wirklichkeit so unmißverständlich wie möglich auszudrücken. Und dafür war wiederum der „sarx"-BegrifF unumgänglich15'. Vom antidoketischen Anliegen und zum Teil von der Terminologie her erinnert der Text an IgnEph 7,2: έν σαρκι γενόμενος -θεός152. Aber für Ignatius ist die Gestalt des Erlösers bipolar bestimmt, indem zu ihm Fleisch und Geist unabdingbar gehören. II Clem 9,5 erörtert hingegen nicht das Verhältnis von Fleisch und Geist und scheint sich einem „Kenosis"-Schema zu nähren (vgl. Phil 2,7). Noch wichtiger ist der Unterschied bezüglich der Auferstehung, die in II Clem 9,1-5 ohne Beziehung auf die Auferstehung Jesu bleibt. Ignatius spricht vom auferweckten Fleisch des Herrn (IgnSm 7,1), nennt seine Auferstehung '51 Die Betonung der Wendung „in diesem Fleisch" in II Clem 9,1-5 rechtfertigt die Vermutung, daß auch die Gegner vielleicht von einer Fleischwerdung bzw. von der Auferstehung des Fleisches sprachen, wohl aber in einem Sinne, der für unseren Verfasser nicht annehmbar war. Die Analyse des Rheginosbriefes und des Philippusevangeliums wird diese Vermutung bekräftigen. Aber damit ist keineswegs sicher, daß II Clem 9,5 eine valentinianische Aussage polemisch aufnimmt (so R. Wams, Untersuchungen 250-255), wie A. LINDEMANN richtig festellt: „Die Möglichkeit einer solchen Rekonstruktion ist noch kein Beweis für ihre Richtigkeit" (Paulus im ältesten Christentum 270 Anm. 60). 152

Vgl. dazu Η. E. Lona, Der Sprachgebrauch 3S6f.

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σ α ρ κ ι κ ή und πνευματική (IgnSm 12,2), und behauptet, die Auferstehung des Gläubigen wird nach dem Modell der Auferweckung Jesu erfolgen (IgnTrall 9.2). Die anthropologischen und christologischen Elemente, die zur Bestimmung der eschatologischen Hoffnung in II Clem gehören, werden durch eine ekklesiologische Komponente bereichert.

II. II C l e m 14,1-5 Die Aufforderung 153 , durch die Erfüllung des Willens Gottes zur ursprünglichen, geisdichen, vor Sonne und M o n d geschaffenen Kirche zu gehören, eröffnet den Abschnitt. Zwei Möglichkeit bieten sich (έσόμεύα) je nach der Haltung gegenüber dem Willen Gottes: entweder die Zugehörigkeit zur ewigen himmlischen Kirche oder zu einer Räuberhöhle 1 ' 4 . Die abschließende Ermahnung, die Gläubigen sollen wählen, zur lebendigen Kirche zu gehören, um das Leben zu erlangen, rekapituliert das vorher Gesagte. Die Zugehörigkeit zur ewig präexistenten Kirche bedeutet keine vorzeitliche Heilsbestimmung des Gläubigen, so daß er „sine praevisis meritis" von vornherein auserwählt und gerettet wurde. Außer dem, was schon anhand von II Clem 9,1-4 gesagt worden ist, verlangt II Clem 14,1 eben eine klare Entscheidung, die sich im Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes konkretisiert. Beide Texte erteilen einem wie auch immer begründeten prädestinationistischen Erwählungsbewußtsein eine klare Absage. Den darauf folgenden Text II Clem 14,2-5 leitet eine ekklesiologische Grundaussage ein: έ κ κ λ η σ ί α ζ ώ σ α σ ώ μ ά έστιν Χριστού. Das T h e m a wird aber nicht weiter entfaltet. Das Motiv von der himmlischen Syzygie zwischen dem Erlöser und seiner Kirche bildet die Grundvorstellung 155 und führt schließlich zu einer '5' ώστε αδελφοί als Beginn der Paränese kommt in II Clem oft vor: 4,3; 7,1; 8,4; 10,1; 11,5; 16,1; 19,1. '54 Das Partizip ποιούντες in 14,1a ist als Konditional-Partizip aufzufassen, wie die Parallele in 14,1b zeigt (έάν δε μή ποιήσωμεν). 155 Das Motiv kommt in Eph 5,3if vor. Z u den gnostischen Spekulationen vgl. H. Schlier, Christus und die Kirche 60-75; A. Orbe, Cristo y la Iglesia 300-314. — V o n einem evidenten Piatonismus in II Clem zu sprechen, wie es A. GRILLMEIER tut, ist traditions- und religionsgeschichtlich abwegig. Vgl. ders., Jesus der Christus 163 Anm. 83. — J. DANIÉLOU lehnt jeden gnostischen Einfluß ab, und plädiert fur die judenchrisdiche Apokalyptik als Hintergrund. Vgl. den., Théologie du judéo-christianisme 337. — Nach R. WARNS hingegen rühren die inhaltlichen Spannungen in II Clem 14 daher, daß der Verfasser Denkformen, Begriffe und Aussagen der valentinianischen Gegner — natürlich im Gegensinn — aufnimmt (Untersuchungen 209). Die Parallelen zur valentinianischen Gnosis sind bekannt. Die Begrifflichkeit weist m.E. auf solche Spekulationen hin. O b der Verfasser allerdings so massiv gegen diese Front polemisiert, wie

6o

§ 5 Der zweite Klemensbrief

eigentümlichen Aussage über die Zukunft des Fleisches (14,5). Die Erschaffung des ersten Menschenpaares gilt als Abbild der Einheit zwischen Christus und der Kirche. Gen 1,27 (έποίησεν ό -όεός τον άνύρωπον άρσεν καν -θήλυ) wird ekklesiologisch gedeutet: Der Mann ist Christus und die Frau die Kirche. Aber dies bezieht sich nicht auf die irdische Kirche, sondern auf die Kirche des Anfangs bzw. auf die Kirche von oben 156 . Sie blieb jedoch nicht bloße himmlische Wirklichkeit. So wie im Fall des Erlösers, der zuerst Pneuma war und dann Fleisch geworden ist (9,5), so ist auch die himmlische Kirche am Ende der Zeit erschienen, um die Menschen zu retten157. Die pneumatische Kirche ist nämlich im Fleische Christi erschienen (II Clem 14,3a). Aus dieser Tatsache wird eine Konsequenz gezogen, welche die Existenz der Christen betrifft. Zwischen der im Fleische Christi erschienenen himmlischen Kirche und dem Gläubigen bzw. seinem Fleisch besteht ein eigenartiger Zusammenhang. Diese Kirche zeigt ihm, daß er sie, wenn er sie im Fleische bewahrt und nicht zugrunde richtet, im Heiligen Geist empfangen wird. Was bedeutet dies? Für den Gläubigen ist die Kirche eine Wirklichkeit, die seine Befindlichkeit in dieser Welt, sein Fleisch erfaßt. Diese Wirklichkeit läßt sich als ekklesiale Gegenwart des Heils verstehen, aber sie beinhaltet keine Heilsvollendung. Die lebendige Kirche ist der Leib Christi, dessen „sarx" die Gläubigen sind. Sie bleibt jedoch auch eine zukünftige Größe, die er im Heiligen Geist empfangen wird, und zwar bedingt durch seine ethische Antwort. Der Konditional-Satz ist eindeutig: έάν τις ημών τηρήση αυτήν έν τή σαρκά και μή φθείρη. Der Sprachgebrauch von τηρέω und σ ά ρ ξ in II Clem 8,4.6 (s.o.) läßt den Sinn der Aussage und sogleich den traditionellen Hintergrund erkennen. Die Bedingung für den Empfang der Kirche im Heiligen Geist (άπολήψεται

R. WARNS es darstellt, erscheint mir fraglich. Daß er letzlich ein antignostisches Anliegen verfolgt, dürfte jedoch klar sein. Der Verfasser beruft sich auf das Zeugnis der Schrift (nach der syrischen Textüberlieferung sind es die Schriften der Propheten) und der Apostel: την έκκλησίαν ού νϋν είναι, άλλα άνωθεν. Nach der Charakterisierung der Kirche in 14,1 meint ανωιίεν die Kirche des Anfangs, aber neben diesem temporalen Aspekt schwingt ein räumlicher mit: die Kirche des Anfangs ist auch die Kirche von oben. Vgl. Gal 4,25f. '57 έφανερώόη δε έπ έσχατων των ήμερων, ινα ήμας σώση. Der Satz kann auf die Kirche als Subjekt bezogen werden, oder auf Jesus. K. WENGST hat sich für die zweite Möglichkeit entschieden. Vgl. den., Schriften des Urchristentums II 276 Anm. 119. Ahnlich H. LOHMANN, Drohung und Verheißung 122. Vom Kontext her empfiehlt es sich, die Kirche als Subjekt zu betrachten. Vgl. Κ. P. Donfried, The Setting 163; Α. Frank, Studien 220-222. Traditionsgeschichtlich legt sich ebenfalls diese Deutung nahe. Denn es handelt sich um die eschatologische Offenbarung der Kirche, so wie sie in Eph 3,10 dargelegt wird. R. WARNS vernimmt hier ein Echo aus Kol 1,24.26 (Untersuchungen 211-215). Das έφανερώόη in II Clem 14,2 und Kol 1,26 spricht dafür. Aber die von ihm erwogene „Interpretatio Valentiniana" der Stelle (ebd. 213) ist kaum denkbar ohne die Wiederaufnahme von Kol 1,24-26 in Eph 3,8-10. Vgl. Η. E. Lona, Die Eschatologie im Kolosser- und Epheserbrief 277-281.

§ 5 Der zweite Klemensbrief

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αυτήν έν τώ πνεύματι τώ άγίω) ist die Keuschheit, so wie sie in II Clem 9,3 dargelegt wurde. Der Aufforderung liegt zunächst die Vorstellung von Eph 5,29-32 zugrunde: Niemand haßt das eigene Fleisch, sondern ernährt es und trägt Sorge dafür, so wie Christus das gleiche tut fur die Kirche. Ziel der Applikation ist jedoch nicht das Verhältnis von Mann und Frau, sondern der Umgang mit dem „eigenen" Fleisch. Da dieser Umgang aber im Rahmen der in 9,3 erteilten Ermahnung bestimmt wird, dürften auch hier 1 Kor 3,i6f und 1 Kor 6,15-17 eine Rolle spielen 1 ' 8 . Der erste Text (Eph 5,29-32) liefert den „sarx"-Begiff und den ekklesiologischen Horizont, der zweite (1 Kor 3,i6f und 6,15-17) die paränetische Ausrichtung. Zwischen Fleisch und Geist besteht auf der anthropologischen Ebene kein krasser Gegensatz. „Dieses Fleisch" ist der άντίτυπος 159 des Geistes, d.h. das Gegenbild, die Kopie, während der Geist das α ύ ΰ ε ν τ ι κ ό ν , das Original ist. Wer das Gegenbild bewahrt, wird das Original empfangen. Übertragen auf den Menschen und seine ethische Verwantwortung, heißt es: τηρήσατε τήν σάρκα 'ίνα τού πνεύματος μεταλάβητε. Die Aussage ist durch eine Zitationsformel eingeleitet: άρα ούν τούτο λέγει, άδελφοί· τηρήσατε ... Auch in II Clem 8,6 liegt eine ähnliche Formel vor: άρα ούν τούτο λέγει. Die Inhalte sind jeweils: 8,6: τηρήσατε την σάρκα άγνήν και τήν σφραγίδα άσπιλον, Ίνα τήν αίώνιον ζωήν άπολάβωμεν. 14,3: τηρήσατε τήν σάρκα Ίνα τού πνεύματος μεταλάβητε 100 . Der Verfasser dürfte hier an eine christliche Tradition anknüpfen, so wie sie in Herrn sim. V 7,1 bezeugt ist: τήν σ ά ρ κ α σ ο υ ταύτην φ ύ λ α σ σ ε κ α ϋ α ρ ά ν και άμίαντον, Ί ν α τό π ν ε ύ μ α τό κατοίκησαν έν αύτη μαρτυρήση αύτη και δικαιωθή σ ο υ ή σάρξ. Die anderen, im Zusammenhang mit der Erklärung zu II Clem 9,3 zitierten Texte gehören ebenfalls hierher. Das „Bewahren" des Fleisches bedingt den Besitz des eschatologischen Gutes. Der bisherige Gedankengang bewegte sich von oben nach unten: Von der mit ihrem Herrn verbundenen himmlischen Kirche, über ihre Erscheinung im Fleische Christi bis schließlich hin zu ihrem Empfang bei denen, die ihr Fleisch rein bewahren. Die Entsprechung der verschiedenen Wirklichkeitsebenen ist jedoch nicht vollständig. Sie ist vorhanden bei der himmlischen (die pneumatische Kirche, die mit ihrem Herrn im Himmel wie Mann und Frau gebunden ist) und der irdischen Syzygie (die im Fleische Christi offenbarte irdische Kirche). Aber das Gegensatzpaar πνεύμα - σ ά ρ ξ hat keine weitere Entsprechung auf der anthropologischen Ebene, noch wird hier das Schema „Leib-Seele" angewandt 101 .

Das Thema vom Leib Christi (14,2) spricht auch dafür. '59 Der Begriff gehört nicht in die platonische Lehre (so Bauer Wb 151), sondern in den Neuplatonismus. Vgl. L. Goppelt, in: ThWNT VIII246-260, hier 248. 160 Zur Deutung von R. Warm s.o. Anm. 129. 161 Gegen A. Orbe, Cristo y la Iglesia 326-328.

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§ 5 D e r zweite K l e m e n s b r i e f

D e r M e n s c h ist e i n h e i t l i c h σ ά ρ ξ , u n d das π ν ε ύ μ α ist d e r G e i s t G o t t e s . D i e S y zygie v o n g ö t t l i c h e m G e i s t u n d m e n s c h l i c h e r „sarx" ist n i c h t ein f u r allemal g e g e b e n , s o n d e r n bleibt i m S p a n n u n g s f e l d der e t h i s c h e n V e r a n t w o r t u n g 1 6 2 . II C l e m 14,4 setzt n o c h e i n m a l b e i m V e r h ä l t n i s z w i s c h e n C h r i s t u s u n d d e r K i r c h e an. D i e s m a l ist m i t d e m Fleisch d i e K i r c h e repräsentiert, m i t d e m G e i s t C h r i s t u s . D i e S p a n n u n g z u d e n v o r h e r g e m a c h t e n A u s s a g e n ist d e u d i c h e r k e n n bar, aber d e r Verfasser gerät d e s w e g e n in keinerlei W i d e r s p r u c h . D i e B i l d e r v o n C h r i s t u s u n d der K i r c h e begleiten d e n G e d a n k e n g a n g u n d zeigen n e u e A s p e k t e a n , die m i t a n d e r e n s e m a n t i s c h e n N o t e n z u s a m m e n h ä n g e n . C h r i s t u s ist n u n d e r G e i s t , i n d e m er n a c h seiner A u f e r s t e h u n g w i e d e r u m in die g ö t t l i c h e S p h ä r e z u r ü c k g e k e h r t ist. D i e K i r c h e , die zuerst in s e i n e m Fleisch e r s c h i e n e n ist, ist n u n F l e i s c h , w e i l sie e b e n d i e irdische K i r c h e g e b l i e b e n ist. G e w i ß

bleiben

m a n c h e F r a g e n o f f e n , u n d d i e A u s d r u c k s w e i s e ist n i c h t e i n d e u t i g . A b e r d e r V e r f a s s e r ist n i c h t u m eine klare B e s t i m m u n g des Verhältnisses z w i s c h e n C h r i stus u n d d e r K i r c h e b e m ü h t . Sein A n l i e g e n ist eigentlich ein paränetisches, d e n n jetzt k a n n er präzisieren, w a s in 14,3 s c h o n a n k l a n g . W e n n er w e i t e r f ä h r t u n d b e h a u p t e t , w e r das Fleisch m i ß h a n d l e , m i ß h a n d l e die K i r c h e , m a c h t er v o n der Z w e i d e u t i g k e i t des v o n i h m v e r w e n d e t e n „ s a r x " - B e g r i f f e s G e b r a u c h : das Fleisch als S y m b o l f ü r d i e K i r c h e , aber a u c h als A u s d r u c k d e r m e n s c h l i c h e n B e f i n d l i c h keit in d e r W e l t . D i e ursprüngliche E i n h e i t v o n Fleisch u n d G e i s t , v o n C h r i s t u s u n d K i r c h e , erweist sich in d i e s e m Z u s a m m e n h a n g als ethische A u f g a b e . W e r das F l e i s c h m i ß h a n d e l t , d . h . d i e K i r c h e b z w . sein e i g e n e s Fleisch, w i r d d e n Geist nicht empfangen. M i t II C l e m 14,5 g e h t die A r g u m e n t a t i o n des Verfassers in d i e s e m P u n k t z u E n d e . D e r T e x t b r i n g t z u g l e i c h die e n t s c h e i d e n d e A u s s a g e b e z ü g l i c h unserer F r a g e s t e l l u n g : τ ο σ α ύ τ η ν δ ύ ν α τ α ι ή σ α ρ ξ α ύ τ η μ ε τ α λ α β ε ΐ ν ζ ω ή ν κ α ι άφτ3αρσ ί α ν κ ο λ λ η ϋ έ ν τ ο ς α ύ τ η τ ο ύ π ν ε ύ μ α τ ο ς τ ο ύ ά γ ι ο υ . W e n n der G e i s t m i t d e m Fleisch e n g v e r b u n d e n 1st 163 , v e r m a g „dieses Fleisch" ein solches L e b e n u n d U n v e r g ä n g l i c h k e i t z u e m p f a n g e n . In 14,3.4 w a r v o n d e n B e d i n g u n g e n f ü r d e n E m p f a n g des G e i s t e s d i e R e d e : ο υ δ ε ί ς ο ύ ν τ ο ά ν τ ί τ υ π ο ν φ θ ε ί ρ α ς τ ο α ύ - θ ε ν τ ι Die Behauptung von Κ. NIEDERWIMMER, es handele sich hier um eine Polemik gegen gnostischen Libertinismus, setzt wohl zu einfach voraus, daß man von der Existenz eines solchen Libertinismus ausgehen kann. V g l . ders., Askese und Mysterium 192F. Andererseits räumt K . NIEDERWIMMER ein, daß der gnostische Libertinismus nur durch die urchristlich häresiologische Literatur belegt werden kann. „Die Nag-Hammadi-Texte haben bisher charakteristischer Weise zur Geschichte des gnostischen Libertinismus keine neuen Quellenbelege gebracht (wohl aber zur Geschichte der gnostischen Askese)" (ebd. 203). Vgl. auch kritisch dazu R. Warns, Untersuchungen 210 A n m . 7040. Der Verfasser bleibt auch hier in dem durch das Motiv der Verbindung von Mann und Frau bzw. Christus und der Kirche bestimmten Begriffsfeld. D e m Text liegt nämlich Gen 2,24 zugrunde: κ α ϊ προσκολληόήσεται προς την γ υ ν α ί κ α αΰτοϋ κ α ι έσονται οι δύο εις σ ά ρ κ α μ ί α ν . Die traditionelle Vermittlung ist freilich durch Eph 5,3if gegeben. Ein Ansatz dazu im paulinischen Denken findet sich in 1 Kor 6,17: ò δε κολλώμενος τω κυρ'ιω εν πνεϋμά έστιν (im Gegensatz zu 6,16: ό κολλώμενος τη πόρνη έν σώμά έστιν).

§ 5 D e r zweite Klemensbrief

KÒV μεταλήψεται

... τ η ρ ή σ α τ ε τ η ν σ ά ρ κ α , ' ί ν α τ ο ύ π ν ε ύ μ α τ ο ς μεταλάβητε

ό τοιούτος ο ύ ν ο ύ μεταλήψεται

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...

τ ο ύ π ν ε ύ μ α τ ο ς . In 14,5 geht es u m den E m p -

fang ( μ ε τ α λ α β έ ί ν ) von Leben und Unvergänglichkeit aufgrund der V e r b i n d u n g des Fleisches mit dem Geist. Das δ ύ ν α τ α ι des Fleisches geht aus dem E m p f a n g des Geistes hervor, ζ ω ή κ α ι α φ θ α ρ σ ί α sind die eschatologischen Güter. D i e Auferstehung wird in diesem Z u s a m m e n h a n g nicht erwähnt. A b e r es versteht sich von selbst, daß die durch das τ η ν σ ά ρ κ α τ η ρ έ ϊ ν ermöglichte E i n w o h nung des Geistes die grundsätzliche Voraussetzung für den E m p f a n g des Lebens und der Unvergänglichkeit in der Auferstehung schafft 1 0 4 . Ist die hier vorgetragene D e u t u n g von II C l e m 14,1-5 zutreffend, lassen sich von ihr aus die Stelle II C l e m 9,3 und das Auferstehungsverständnis überhaupt von II C l e m besser erfassen. W u r d e den Gläubigen eingeschärft, sie sollen das Die Deutung von E. SCHWEIZER ist m.E. unhaltbar: „Bes interessant ist die Aussage 2 Cl 14,5, daß es erst durch seine Verbindung mit dem hl Geist unsterblich wird. Eigtl widerspricht dies der Aussage von der Auferweckung; doch ist sich der Verf dessen gar nicht bewußt. Schon hier wird also das Problem sichtbar, das aus dem Zusammenfließen einer bibl-hbr Bejahung u einer hell Abwertung des Fleisches erwächst. Die Lösung wird oft darin gefunden, daß es wirkliches Leben nur in der Einung von Geist u Fleisch (als Körperlichkeit verstanden) gibt. Dies kann leicht dahin interpretiert werden, daß solche Einung nur möglich ist, wo das Fleisch dem Geist Raum gibt, sei es in der einwandfreien Ehe, sei es in der Askese. Dafür ist die Einung von Geist u Fleisch in Christus wirksames Urbild" (ThWNT VII I47Í). II Clem 14,5 behauptet nicht, daß das Fleisch durch die Verbindung mit dem Geist unsterblich wird, sondern daß es dadurch Leben und Unvergänglichkeit empfangen kann. Der Gedanke steht also in keinem Widerspruch zur Auferstehungsaussage. Es ist wahr, daß der Verfasser nicht ausdrücklich von der Auferstehung spricht, aber die Stelle ist im Zusammenhang mit 9,if zu verstehen. Von einer hellenistischen Abwertung des Fleisches läßt sich in II Clem 14 nichts spüren. Die asketische Tendenz in II Clem verträgt sich gut mit einer einheitlichen Anthropologie. Auch T . H. C. VAN EIJK bringt eine berechtigte Kritik an der Deutung SCHWEIZERS an, aber seine Erklärung verfehlt den Sinn der Eschatologie von II Clem: „Le salut consiste, en effet, en la possession de l'esprit et de la vie éternelle (8,6 et 14,5). La résurrection est alors la condition qui doit être remplie avant qu'on atteigne ces réalités eschatologiques: on ressuscite pour qu'on puisse avoir part à l'esprit et à la vie éternelle" (La résurrection des morts 83). „La résurrection est comme l'achèvement de la vie chrétienne dans la chair, qui inaugure la participation à l'Esprit et à la vie éternelle dans le Royaume" (ebd. 86). Nach II Clem 14,5 ist die Auferstehung nicht die Bedingung, um am Geist und ewigen Leben Anteil zu haben. Im Leben der Gläubigen ereignet sich schon die Gegenwart des Geistes, wenn sie das Fleisch „bewahren". Aufgrund dieser Gegenwart kann das Fleisch Leben und Unvergänglichkeit empfangen, d.h. auferstehen. Daß in II Clem „der Imperativ dem Indikativ vorgeordnet ist und das Heil rein zukünftig gedacht wird", wie H. LOHMANN behauptet (vgl. ders., Drohung und Verheißung 122), dem wird durch II Clem 1,1-8; 9,2 widersprochen (nur die erste Behauptung gilt für II Clem 14,5). Vgl. D. Powell, Art., Clemensbrief, Zweiter, in: T R E 8,121-123, hier 121. Nach R. BULTMANN ist πνεύμα in 14,iff nicht die eschatologische Gabe und Kraft, sondern Bezeichnung der himmlischen Wesenheit (vgl. ders., Theologie 521). Das trifft für II Clem 9,5; 14,3Í zu, aber schwerlich für 14,5. Was die Einwohnung des Geistes und die künftige Auferstehung anbelangt, scheint mir II Clem 14,5 sachlich auf dem gleichen Boden wie Rom 8,11 zu stehen, wiewohl 1. jede Verbindung zwischen der Auferstehung Jesu und der Auferstehung der Gläubigen hier fehlt; 2. der Imperativ in den Vordergrund rückt.

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§ 5 Der zweite Klemensbrief

eigene Fleisch wie den Tempel Gottes hüten (9,3), werden sie in 14,3 mit der gleichen Forderung konfrontiert: τηρήσατε την σ ά ρ κ α 'ίνα του πνεύματος μεταλάβητε. Was in 14,3 als Bedingung fur den Empfang des Geistes erscheint, gilt in 9,5 als Grund für die Paränese: Der Vergleich des Fleisches mit dem Tempel Gottes setzt die Einwohnung des Geistes voraus 105 . Gewiß liegt das Gewicht, aufs Ganze gesehen, nicht auf der Gegenwart des Geistes, sondern auf der Erfüllung der sittlichen Bedingungen für diese Gegenwart, aber das dürfte mit dem literarischen Charakter des Textes zusammenhängen 166 . Auf jeden Fall gewährt diese Gegenwart dem Fleisch eine radikal neue Möglichkeit: die Fülle des Lebens und die Unvergänglichkeit. Kam in II Clem 9,1-5 das Moment besonders der Kontinuität zwischen Geschichte und Eschaton zum Ausdruck, ergänzt 14,5 die theologische Anschauung aus einer anderen Perspektive, in der sich eine unaussagbare Zukunft kund tut (... ούτε έξειπειν τις δύναται ούτε λαλήσαι, ά ήτοίμασεν ό κύριος τοις έκλεκτοις αύτού). Das wird sicherlich die zuvor unterstrichene Kontinuität nicht aufheben. Aber der auch von Paulus in einem ähnlichen Zusammenhang verwendete άφΰαρσία-Begriff (vgl. 1 Kor 15,42.50.53.54) weist auf die Andersartigkeit des σώμα πνευματικόν hin, die diesmal in der Begrifflichkeit der „sarx" zur Sprache gebracht wird.

Zusammenfassung ι. Im Zusammenhang mit einer, durch den Blick auf die endgültige Vollendung begründeten Ermahnung antwortet II Clem 9,1-5 auf eine gnostisch inspirierte Leugnung der Auferstehung „dieses" Fleisches, welche die eschatologische Verantwortung des konkreten Subjekts stark relativieren würde. 2. Die Antwort erfolgt sodann in zwei Schritten: Der erste bestimmt die Existenz des Gläubigen έν σαρκί als den Ort der Aneignung des Heils und seiner Vollendung. Der zweite Schritt ist christologisch: die Fleischwerdung des zunächst als Geist existierenden Erlösers. Die Fleischwerdung begründet die Hoffnung des Gläubigen auf den Empfang der eschatologischen Belohnung ebenfalls in „fleischlicher" Gestalt. In der Auffassung vom „pneuma" liegt der Hauptunterschied vorstehender Analyse mit der von T . H . C VAN EIJK, der den Geist in II Clem als eine rein eschatologich futurische Größe betrachtet. Vgl. ders., La résurrection des morts 79.81. Daraus erklärt sich sein Urteil über das Auferstehungsverständnis von II Clem (s.o. Anm. 164). 166 Ist es denkbar, daß ein Verfasser des zweiten Jahrhunderts von der Taufe bzw. vom Siegel spricht (6,9; 7,6; 8,6) und dabei die Gabe des Geistes gänzlich ignoriert? Die Pragmatik des Textes sollte stärker zur Geltung kommen, bevor man allzu klare Folgerungen bezüglich seiner Theologie zieht. Das schafft freilich kein positives Argument für die tatsächliche Relevanz des Geistes in II Clem, läßt aber einen freien Raum offen.

§ 5 Der zweite Klemensbrief

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3. Die Syzygie mit dem Geist, welche die Einheit der Kirche mit dem Erlöser bestimmt, wird auf das Verhältnis des Menschen zu seinem Fleisch übertragen und in den Dienst der Paränese gestellt. In diesem Fall ereignet sich die Gegenwart des Geistes, wenn der Gläubige sein Fleisch „bewahrt". Diese Gegenwart ist zugleich die Voraussetzung dafür, daß die „sarx" Leben und Unvergänglichkeit in der Auferstehung erlangt.

§ 6 Der Hirt des Hermas W ä h r e n d der Forschungsstand z u m Hirten des Hermas durch viele offenen Fragen gekennzeichnet ist 107 , herrscht ein breiter Konsens hinsichtlich der Bedeutung des fünften Gleichnisses fur das Verständnis der Christologie. A u c h in diesem Kontext lassen sich einige Aussagen über die Z u k u n f t des Fleisches herausstellen, die im Rahmen unserer Fragestellung zu berücksichtigen sind. Darüber hinaus weisen die Berührungspunkte mit II C l e m a u f einen traditionellen Z u sammenhang hin, dessen Klärung die vorstehende D e u t u n g ergänzen kann. In sim. V 7,I/6O,I i6s hört Hermas von seinem Hirten folgende Ermahnung: τ ή ν σ ά ρ κ α σ ο υ τ α ύ τ η ν φ ύ λ α σ σ ε κ α Ό α ρ ά ν κ α ι ά μ ί α ν τ ο ν , 'ίνα το π ν ε ύ μ α το κ α τ ο ί κ η σ α ν έν α ύ τ η μ α ρ τ υ ρ ή σ η α ύ τ η κ α ι δικαιω-όή σ ο υ ή σ ά ρ ξ . D e r Ermahnung folgt sodann eine W a r n u n g : βλέπε, μήποτέ σ ο υ έπι τ ή ν κ α ρ δ ί α ν ά ν α β ή τ ή ν σ ά ρ κ α σ ο υ τ α ύ τ η ν φ Ό αρχήν ε ί ν α ι κ α ι π α ρ α χ ρ ή σ η α ύ τ η έν μ ι α σ μ ώ τινι ( s i m . V 7»2·/6Ο,2).

W e d e r hier noch an einer anderen Stelle ist von der Auferstehung des Fleisches — auch nicht von der Auferstehung der T o t e n im allgemeinen — die Rede, aber die E i n w o h n u n g des Geistes und sein W i r k e n bereiten dem Fleisch offenbar eine neue Z u k u n f t , wenngleich dies sehr unbestimmt bleibt. W i e wirkt sich das Zeugnis des Geistes aus, so daß das Fleisch gerechtfertigt wird? W a s ist damit gemeint? U n g e w ö h n l i c h ist ferner die Aufforderung, das Fleisch nicht für vergänglich zu halten. Handelt es sich etwa u m eine W e s e n s b e s t i m m u n g des Fleisches als unvergänglich, oder geht dies auf das W i r k e n des Geistes zurück? W i e aus dem Abschnitt ersichtlich ist, liegt hier ein eigentümliches σ ά ρ ξ - und π ν ε ύ μ α - V e r s t ä n d n i s vor. Dies soll im folgenden näher betrachtet werden, u m dann in einem weiteren Schritt die Konsequenzen daraus für die Christologie und schließlich fur die Eschatologie zu ziehen.

167 Zu den Einleitungsfragen vgl. R. Joly, Hermas 11-68; R. Staats, Art. Hermas, in: TRE 15,100-108; A. Hilhorst, Art. Hermas, in: RAC 14, 682-701; N. Brox, Der Hirt des Hermas 14-71. Die zweite Angabe entspricht der Nummerierung der kritischen Ausgabe von M. Whittaker. Auch der griechische Text nach dieser Ausgabe.

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§ 6 Der H i n des Hermas

I. D e r Sprachgebrauch von „sarx" und „pneuma" In der Analyse beschränken wir uns auf die Stellen — ausgenommen sim. V — , die im Hinblick auf unsere Frage relevant sind' 69 . Es empfiehlt sich, bei man. III 1/28,1 anzusetzen: άλήΦειαν α γ ά π α , κοά π ά σ α α λ ή θ ε ι α έκ τού στόματος σ ο υ έκπορευέσΰω, 'ίνα το πνεύμα, ö ό θεός κατωκισεν έν τη σαρκι ταύτη άλη·θες εϋρειίη παρά πασιν άνόρωποις, και ούτως δοξασθησεται ό κύριος ό έν σοι κάτοικων. Die Liebe zur Wahrheit und ihr Ausdruck bewirken, daß der Geist, den Gott im menschlichen Fleisch wohnen läßt, bei allen Menschen als wahrhaftig erfunden wird. So wird auch der Herr, der im Menschen wohnt, verherrlicht werden. Es handelt sich um kein anthropologisches σ ά ρ ξ - π ν ε ύ μ α Schema. Der Geist ist der göttliche Geist. Durch ihn wohnt Gott „in diesem Fleisch" (έν τη σαρκι ταύτη) bzw. im Menschen (ό κύριος ό έν σοι κάτοικων) 1 7 0 . Die „sarx" ist der Mensch in seiner irdischen Konkretheit. Die Einwohnung Gottes durch seinen Geist ist keine naturhafte Gegebenheit. Es gehört zur sittlichen Aufgabe, den Geist der Wahrheit nicht mit einem schlechten Gewissen zusammen wohnen zu lassen, noch den heiligen und wahrhaftigen Geist zu betrüben (man. III 4/28,4) 171 . Was hier nur angedeutet erscheint, wird an anderen Stellen der „mandata" deutlich ausgesprochen 172 . Weil der Geist zart ist, wird er vom Jähzorn, der selber ein böser Geist ist, bedrängt, ja sogar erstickt, und dann versucht er, seinen Wohnort zu verlassen (man. V 1,1-4/33,1-4). Der Mensch wird als ein Gefäß dargestellt, in dem es keinen Platz gibt für den heiligen und den bösen Geist zugleich, so daß der göttliche Geist den Menschen verläßt (vgl. man. V 2,5f/ 34,sf)' 73 · Ähnliches gilt für den Fall des Zweifels (man. IX nf/39,iif) und der Traurigkeit (man. X1-2/40,i-4i,6)' 7 4 . In der Gestalt des echten und des falschen Propheten drückt sich exemplarisch das Wirken des guten und des bösen Geistes aus (man. XI i-2i/43,i-2i) 175 . Von den beiden Begriffen kommt dem πνεύμα weit größere Bedeutung zu. Schon die Häufigkeit der Verwendung (ca.113 mal) ist ein Hinweis darauf. Vgl. dazu E. Schweizer, Gegenwart des Geistes; H. Opitz, Ursprünge frühchristlicher Pneumatologie; ]. P. Martín, Espíritu y dualismo de espíritus; Ν. Brox, Der Hirt des Hermas 541-546. 170 Zum Bild vom „Wohnen" vgl. N. Brox, a.a.O. 549-551. 171 Den gleichen Gedanken bringt man. X 2,6/41,6: το γάρ πνεύμα τοϋ ΐίεοΰ τό δοθέν εις την σάρκα τάυτην λύπην οΰχ υποφέρει οΰδε στενοχωρίαν. 172

Vgl. dazu Μ. Dibelius, Der Hirt des Hermas 517-519. Vgl. N. Brox, Die kleinen Gleichnisse 264^ Hier ist der Sachverhalt wesentlich komplexer. Vgl. M. Dibelius, a.a.O. 531-536. 175 Den religionsgeschichtlichen Hintergrund für die Anschauung von den zwei Geistern im Menschen bildet das Frühjudentum, besonders das Testament der zwölf Patriarchen und die Qumranliteratur. Eine Ubersicht mit Literatur bietet ]. P. Martin, Espíritu y dualismo 310-312. WS '7+

§ 6 Der Hirt des Hermas

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In diesen Texten ist der Geist nicht als anthropologische Komponente gedacht, sondern als göttliche Gabe, deren Präsenz vom sittlichen Verhalten des Menschen abhängt. Ein solches πνεύμα-Verständnis hängt ohne Zweifel mit dem paränetischen Anliegen des Werkes zusammen, besondes mit seiner Einladung zur Umkehr. Der Verfasser ist weit davon entfernt, ein geschlossenes anthropologisches Konzept zu vertreten. Ihm geht es darum, einerseits die Gemeinde zur Umkehr zu bewegen, andererseits das Wirken Gottes in jedem einzelnen zur Geltung zu bringen. Wenn der Gläubige dem sittlichen Appell Folge leistet, weiß er sich vom Geiste Gottes geleitet. Nicht in diese Gruppe gehören die Stellen, bei denen πνεύμα einfach das menschliche Subjekt bezeichnet, ohne eine besondere Qualifizierung (vgl. vis. I 2,4/2,4; vis. III 8,9/16,9 u.ö.). Im Vergleich zu πνεύμα ist der Sprachgebrauch von σάρξ bei Herrn einheitlicher. Grundsätzlich bezeichnet es den menschlichen Leib. So handelt es sich in vis. III 9,3/17,3 um den Körper, der durch viel Essen Schaden erleiden kann (in diesem Abschnitt werden σάρξ und σώμα 1 7 6 unterschiedlos verwendet). Ähnliches beinhaltet vis. III 10,7/18,7, diesmal aber kommt der Schaden durch übertriebene Askese. Ehebruch befleckt das Fleisch (man. IV 1,9/29,9). Die alte Frau der Visionen erscheint im zweiten Gesicht mit einem jüngeren Aussehen, aber sie hat την δε σάρκα και τάς τρίχας πρεσβυτέρας (vis. III 10,4/18,4; auch vis. III 12,1/20,1). Im dritten Gesicht hat sie nur greisenhaftes Haar, aber sonst ist sie ολη νεωτέρα και κάλλει έκπρεπεστάτη. Jugend und Schönheit zeigen sich im Fleisch. Dort, wo von der Einwohnung des Geistes im Fleisch die Rede ist (man. III 1/28,1; man. X 2,6/41,6), handelt es sich immer um den Geist Gottes. Andere wichtige anthropologische Begriffe sind κ α ρ δ ί α 1 7 7 und ψυχή 1 7 8 . Sie bringen aber keinen neuen nennenswerten Aspekt zum Ausdruck. Aufs Ganze gesehen ist die Anthropologie von Herrn ein einfaches Gebilde. Es geht immer um den ganzen Menschen, der in seinem äußerlichen Aussehen, in seiner Körperlichkeit (σάρξ - σώμα) bzw. in seinem Inneren, als Subjekt des Handelns und des Wollens vor Gott hintritt (καρδία - ψυχή). Keiner von diesen Begriffen hat eine so herausragende Bedeutung, daß man behaupten könnte, ihm käme eine Schlüsselrolle zu 179 .

176 Der σώμα—Begriff wird in ähnlichem Sinne auch in vis. III 11,4 (19,4) gebraucht. Bei den anderen vier Stellen hat σ ώ μ α immer ekklesiologische Bedeutung. Vgl. sim. 1X13,5/90,5;

17.5/94.5; 18,3/95.3; 18.4/95.4·

'77 Z u r Bezeichnung des Inneren des Menschen wohl im alttestamenclichen Sinne (ca. 85 mal). Besonders häufig ist die W e n d u n g ά ν α β α ί ν ε ι ν έπι τήν καρδίαν. Vgl. M. Dibelius, a.a.O. 427. 178 Auch hier ist der biblisch-semitische Hintergrund erkennbar (ca. 18 mal). Immer ist damit die ganze Person gemeint als Subjekt des Wünschens (vgl. man. IX 2/39,2 u.ö.), in ihrer Verantwortung vor Häufigkeit Gott (vgl. sim. VI 1,1/61,1 •79 V o n der her wäre καρδίαu.ö.). der wichtigste Begriff.

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§ 6 Der Hirt des Hermas

II. D e r christologische Z u s a m m e n h a n g Die Hauptschwierigkeit in der Auslegung der fünften „similitudo" bilden die unübersehbaren Spannungen zwischen der Erzählung vom treuen Diener und seiner Arbeit im Weinberg seines Herren und den darauf folgenden Deutungen' 8 0 . Es ist aber typisch für den Verfasser, das einmal dargestellte Bild stufenweise auf verschiedenen semantischen Ebenen auszulegen, ohne die Bildelemente notwendigerweise auf einen einzigen semantischen W e r t festzulegen. In der Erzählung steht der treue Knecht, der weit mehr tut, als ihm aufgetragen wurde, im Mittelpunkt. Der Sohn des Weinbergbesitzers bleibt am Rande des Geschehens und wird nur herangezogen — ähnlich wie die Freunde — , wenn es darum geht, dem Sklaven nicht nur die Freiheit zu gewähren, sondern ihn darüber hinaus als Miterben einzusetzen und an Kindesstatt anzunehmen (sim. V 2>7f/55>7ßlSl· D ' e e r s t e Auslegung der Erzählung (sim. V 5,2-6,43/58,2-59,43) wird durch eine allegorische Ausdeutung eingeleitet, welche alle Bildelemente entschlüsselt. Zwei davon sind in diesem Zusammenhang von entscheidender 180 Yg] ¡ m folgenden M. Dibelius, a.a.O. 560-577; ]. v. Walter, Die Komposition von Hermas sim.V und ihre dogmengeschichtlichen Konsequenzen, in: ZNW 14 (1913) 133-144; L. Cirillo, La christologie pneumatique; L. W. Nijendijk, Die Christologie des Hirten des Hermas; Ph. Henne, A propos de la christologie; der s., La véritable christologie; N. Brox, Die kleinen Gleichnisse 276-278; ders., Der Hirt des Hermas 314-328.485-495. Die zwei Aufsätze von Ph. Henne, die auf seine Dissertation zurückgehen (vgl. ders., La christologie chez Clément de Rome et dans le Pasteur d'Hermas, Louvain-la-Neuve 1988; inzwischen erschienen in: Paradosis 33, Fribourg 1992), bedeuten einen neuen Erklärungsversuch, indem dort der Abschnitt sim. V 6,4-8 nicht christologisch ausgelegt, sondern als allgemeine Aussage über das Fleisch verstanden wird. Die Struktur von sim. V sei konzentrisch: „Deux dialogues moraux encadrent le récit parabolique et ses interprétations. La practique du jeûne et le salut de la chair sont les thèmes qui introduisent et concluent cette Similitude (HSim V;i et HSim V;7). Ces mêmes thèmes sont au centre de la première et de troisième explications du récit parabolique (HSim V;3 et HSim V;6,4-7). L'explication christologique se trouve ainsi au coeur de la Cinquième Similitude (HSim V; 56,3)" (La cohérence 578). Mir scheint fraglich, daß der „Sohn" in sim. V 6,4 nicht mit dem Geist geichzusetzen ist, sondern er hier den „Sohn Gottes" bedeuten soll. Und das ist der entscheidende Punkt in der von Ph. H E N N E vorgeschlagenen Erklärung. Ebenso bedenklich ist der Verzicht auf die von sim. V 2f angegebene Deutung für das Verständnis von sim. V 6,4-8. Der wiederholte Hinweis auf die Selbständigkeit jeder Texteinheit in sim. V verkennt m.E. die Struktur des Textes, die auf eine progressive Ausdeutung der Bildelemente angelegt ist. Kritisch dazu auch N. Brox, Der Hirt des Hermas 307 Anm. 13 und S.3ÎO. Für unsere Fragestellung würde sich aber keine wesentliche Änderung ergeben. Nur der Vorbildcharakter der Christologie wäre hinfällig. 181 Der Schluß der Erzählung verliert an Aussagekraft durch die Hereinahme der Erzählung vom Gastmahl, die noch den Diener als Sklaven voraussetzt. Darum muß auch hier der Beschluß des Herrn des Weinbergs, den Sklaven zum Miterben einzusetzen, wiederholt werden (vgl. sim. V 2,11/55,11).

§ 6 Der H i n des Hermas

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Bedeutung: der Sohn in der Erzählung ist der Heilige Geist 182 , der Knecht der Sohn Gottes. Das Wirken des Knechtes ist nun das Heilswerk des Sohnes: die Bestellung der Engel zum Schutz des Volkes, die Reinigung von seinen Sünden durch dessen Mühsal, die Gabe des Gesetzes. Wie in der Erzählung konzentriert sich die Handlung auf den treuen Knecht und sein Wirken. Erst in der zweiten Deutung (sim. V 6,46-8/59,40-8) werden Knecht und Sohn der Erzählung, d.h. der Sohn Gottes und der Heilige Geist, in Beziehung zueinander gebracht. Es handelt sich in diesem Fall nicht um das Heilswerk Christi 1 8 ', sondern um seine Person. Das Adoptions-Thema vom Sklaven, der zum Sohn und Miterben wurde, wird am Anfang aufgenommen. Daß der Verfasser aber an der Darstellung einer rein adoptianistischen Christologie, bei der Christus von Gott nach Beratung mit dem Heiligen Geist und den Engeln zum Sohn und Miterben eingesetzt wird (sim. V 6,4^59,4b), nicht interessiert ist, zeigt sich in der darauf folgenden Deutung mit den Aussagen über das Verhältnis zwischen dem Geist und dem Sohn. In der Person Christi vereinen sich nämlich zwei Wirklichkeiten, die das Göttliche und das Menschliche repräsentieren: der Geist und das Fleisch. Es ist der Beschluß Gottes gewesen, den präexistenten Geist, den Schöpfungsmittler im Fleisch einwohnen zu lassen — nur hier darf man von Adoption sprechen. Das Fleisch hat dem Geist gedient, und ihn in keiner Form befleckt. Im Gegenteil. Weil das Fleisch gemeinsam mit dem Geist in allen Dingen zusammengearbeitet und -gewirkt hat, erwählte Gott die „sarx" als Gefährtin des Heiligen Geistes (sim. V 6,5F/ 9,5F). Unklar bleibt dabei das Verhältnis von der Einwohnung des Geistes zur Erwählung der „sarx" als Gefahrtin des Geistes. In einer Wendung, die an die Reaktion des Weinbergbesitzers angesichts der von seinem Knecht vollbrachten Leistung erinnert, wird sodann von der Beratung Gottes mit dem Heiligen Geist und den Engel berichtet. Da das Fleisch dem Geist so untadelig gedient hat, wird es auch einen Lohn für seinen Dienst bekommen, d.h. eine Wohnung zur Einkehr. Die Deutung endet mit einer allgemeinen Überlegung: Jedes Fleisch, in dem der heilige Geist gewohnt hat, wird seinen Lohn empfangen, wenn es unbefleckt und makellos erfunden wird 184 . Wie M . DIBELIUS richtig bemerkt hat, ist dies die einzige Stelle in der Deutung, bei der das Adoptions-Motiv des Gleichnisses zur Geltung kommt' 85 . Es dürfte aber kein eigenes Gewicht besitzen. Einmal wird durch die Ausdrucksweise deutlich, daß der Lohn des Fleisches nicht in einer adoptianistisch verstanSo in den Textausgaben von Whittakcr u n d Joly nach der lateinischen Überlieferung. 3 Es gehört zu den Besonderheiten des Herrn, d a ß seine Christologie o h n e die N a m e n „Jesus" u n d „Christus" a u s k o m m t . 18 4 I m A n s c h l u ß an N . BROX unterscheiden wir den „Heiligen Geist", der i m „Fleisch" des Sohnes w o h n t e u n d zu den christologischen Geistaussagen gehört (sim. V 5,2/58,2; 6,58/59,5-8; IX 1,1/78,1), von dem „heiligen Geist", der in „jedem Fleisch" w o h n t . Vgl. N. Brox, D e r H i r t des H e r m a s 323F. 542. 182 18

18

5

A.a.O. 573. Ähnlich N. Brox, ebd. 487.

§ 6 D e r Hirt des Hermas

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denen E r h ö h u n g besteht. D i e W e n d u n g ϊ ν α κ α ι ή σ α ρ ξ α ύ τ η . . . σ χ η τόπον τ ι ν ά κ α τ α σ κ η ν ώ σ ε ω ς (sim. V 6,7/59,7)

' s t denkbar unbestimmt, und kann

w o h l nicht im Sinne einer Erhöhung oder gar Auferstehung gedeutet werden 1 8 6 . Zweitens zeigt die Christologie des Herrn, daß das Adoptions-Schema nur eine Möglichkeit im Zusammenhang mit anderen recht unterschiedlichen christologischen Aussagen darstellt, die kaum a u f eine gemeinsame Linie zurückzuführen sind. So ζ. B. werden in sim. IX 12,2/89,2 Präexistenz und Beteiligung an der S c h ö p f u n g v o m Sohn behauptet (ό μ ε ν υ ι ό ς τ ο ύ ι ΐ ε ο ύ π ά σ η ς τ η ς κ τ ί σ ε ω ς α ύ τ ο ϋ προγενέστερος έ σ τ ι ν , ώ σ τ ε σ ύ μ β ο υ λ ο ν α υ τ ό ν γ ε ν έ σ θ α ι τ ω πατρι της κ τ ί σ ε ω ς αύτοϋ), aber ohne Erwähnung des Geistes. Hingegen identifiziert sim. IX 1,1/78,1 den Geist Gottes, präexistent und bei der Schöpfung der W e l t wirksam, mit dem Sohn Gottes (έκεινο γ α ρ το π ν ε ύ μ α ό υ ι ό ς τ ο ύ -θεού έστιν). Eine solche Identifikation liegt der sim. V fern, aber sie macht deutlich, daß der Verfasser über mehrere christologische Modelle verfugt, die er ohne systematischen Anspruch anwendet. N . BROX faßt den christologischen Entwurf des Herrn folgendermaßen zusammen: „Sohn Gottes ist der N a m e für den einwohnenden Geist zusammen mit dem dienenden, am Heil mitwirkenden, vorbildlich lebenden ,Leib' (s. sim. V 6,6a). V o r und nach der E i n w o h n u n g (Inkarnation) heißt der Heilige Geist der Sohn Gottes, weil und insofern durch ihn das W e s e n ,Sohn Gottes' maßgeblich konstituiert und als ,göttlich' qualifiziert ist, das den Heiligen Geist und den ,Leib', den er bewohnte, umfaßt hat"' 8 7 . Andererseits zeigt der Schluß sim. V 6,7^59,7b, daß damit nicht unbedingt eine Geistchristologie anvisiert wird, denn die E i n w o h n u n g des Geistes in jedw e d e m menschlichen Fleisch ( π ά σ α σ α ρ ξ ) relativiert eine exklusiv christologisch gedachte π ν ε ύ μ α - σ ά ρ ξ - V e r f a s s u n g 1 8 8 . Die Ausdruckweise ist bedeutsam, weil die Aussage unmittelbar nach den Aussagen über den Geist und die „sarx" des Gottessohnes erfolgt und auf eine unübersehbare Parallele zwischen ihm und dem Gläubigen abzielt: E i n w o h n u n g des Geistes im Fleisch, E m p f a n g des Lohnes unter der Bedingung, daß das Fleisch den Geist nicht befleckt. U m dem U m g a n g des Verfassers mit der Tradition gerecht zu werden und seine Aussageintention richtig zu erfassen, m u ß man an diesem Punkt, d.h. beim Übergang von der Christologie zur Paränese ansetzen. V o n der Struktur seiner Christologie her handelt es sich dabei um eine π ν ε ύ μ α - σ ά ρ ξ - C h r i s t o l o g i e , bei der der präexistente Geist im Fleisch eine W o h n u n g findet. In der Einigung von Fleisch und Geist verbinden sich H i m m e l und Erde, die göttliche und die menschliche W e l t . A b e r Herrn denkt nicht in statischen Sphären — etwa im Sinne des Ignatius — , noch ist er bemüht, seinem christologischen Konzept fe-

Anders L. Cirillo, La christologie pneumatique 46F. A.a.O. 493. 188 Die Aussage ist nicht auf die ganze Menschheit zu beziehen, sondern auf die Christen. Sie bilden die konkrete Gestalt der ewigen Kirche, sie haben von ihrem Erlöser das Gesetz bekommen, das sie zu erfüllen haben. 186 18

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ste Konturen zu verleihen. Sein Hauptinteresse gilt der Paränese. Und in der Sprache der Paränese ist es nicht so wichtig, was in der Gestalt des Erlösers einmalig und unwiederholbar geschehen ist — in diesem Fall die Gabe des Geistes — , sondern was Vorbildcharakter besitzt und zur Nachahmung auffordert 189 . Die vorbildhafte Bindung von Fleisch und Geist beim Erlöser begründet die Forderung nach einer ähnlichen menschlichen Antwort in der Form der sittlichen Lebensführung. Es ist charakteristisch für die Denkart des Verfassers, daß er einerseits vom Beschluß Gottes erzählt, den heiligen und präexistenten Geist, den Sohn Gottes, in dem von Gott auserwählten Fleisch wohnen zu lassen, andererseits aber dieses Fleisch nicht als bloßes Instrument unter der Führung des Geistes darstellt, sondern als treuen Mitarbeiter des Geistes unter Wahrnehmung seiner sittlichen Verantwortung' 90 . Gott findet Wohlgefallen am Fleisch des Erlösers, weil es sich nicht befleckt hat, solange es den Heiligen Geist auf Erden hatte (sim. V 6,6/59,6). Mit dieser Auffassung bereitet er den Übergang zur Paränese. Die Treue des Fleisches Christi zum Geist dient als Vorbild für die Treue jedes Menschen gegenüber dem Geist Gottes, der in ihm wohnt. Von hier aus erklärt sich, warum Herrn die Erscheinung des Geistes in der Gestalt des Erlösers mit dem Gedanken der Mitverantwortung des Fleisches verbindet und alsbald aus seinem Lohn auf den Lohn für jedes menschliche Fleisch schließt. Mit dieser Verbindung nimmt er seine Auffassung vom Verhältnis von Geist und Fleisch wieder auf, wie es die „mandata" darlegen (ohne freilich den Dualismus der Geister zu übernehmen), und schafft die Voraussetzungen für die letzte Ermahnung 7,1-4/60,1-4.

III. D i e Z u k u n f t des Fleisches Die einleitende Ermahnung sim. V 7,1/60,1 την σάρκα σου ταΰτην φύλασσε καιίαράν και άμίαντον nennt die Bedingung for die Wirkung des Geistes: Ίνα τό πνεύμα το κ α τ ο ί κ η σ α ν έν α ύ τ η μαρτυρήση α ύ τ η και δικαιωιΐη σ ο υ ή σάρξ. Die Forderung entspricht inhaltlich der Bedingung für den Empfang des Lohnes, so wie sie im Anschluß an die Deutung der Person des Erlösers in 6,8/59,8 formuliert wurde. Die Rolle des Geistes wird aber anders bestimmt. Es geht nicht nur um seine Präsenz im menschlichen Fleisch. Darüber hinaus bekommt er eine richterlich-eschatologische Funktion. V o n seinem Zeugnis über

189

V g l . N. Brox, a.a.O. 323.

190

D a r u m übersetzt DIBELIUS σ ά ρ ξ mit „Fleischnatur". Der Ausdruck hat aber den

Nachteil, daß er eine „Naturenlehre" suggeriert, die dem Verfasser sicherlich fremd ist. A u c h im christologischen Z u s a m m e n h a n g meint σ ά ρ ξ den Menschen. Das Verhältnis zwischen dem Geist, also dem präexistenten Sohn Gottes, und dem menschlichen Fleisch bleibt unklar.

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das Fleisch hängt das Urteil ab, ob das Fleisch gerecht gesprochen wird 191 . Nach dieser Stelle wäre der Geist die entscheidende Instanz ftir die Rettung des Fleisches. Aber die folgende W a r n u n g zeigt deutlich, daß die Wirklichkeiten des Geistes und des Fleisches als aufeinander bezogen gedacht werden. Der Verfasser rechnet mit der Möglichkeit einer irrigen Auffassung vom Wesen des Fleisches, der eine bestimmte T a t folgt. Das wäre der Gedanke von der Vergänglichkeit des Fleisches: βλέπε, μήποτέ σ ο υ έπι την καρδίαν' 9 2 ά ν α β ή την σ ά ρ κ α σ ο υ τ ά υ τ η ν φ-θαρτην είναι. Der Terminus φ-όαρτή als Bestimmung des Fleisches würde bedeuten, daß das Fleisch keine eschatologische Zukunft hat. Diese Auffassung ergibt sich nach Herrn als Folge aus dem Mißbrauch des Fleisches, indem man es in irgendwelcher Form befleckt 193 . Aus der Verbindung und Mitwirkung von Fleisch und göttlichem Geist im Menschen geht eine Befleckung auch des Geistes hervor: έάν μιάνης την σ ά ρ κ α σ ο υ , μιάνεις κ α ι τό π ν ε ϋ μ α τό άγιον. Die Konsequenz scheint vordergründig nur von der Befleckung des Fleisches herzurühren: κ α ν μιάνης την σ ά ρ κ α σ ο υ , ο ύ ζ ή σ η (sim. V 7.2/60,2). Aber in Wirklichkeit ist nicht die Verfehlung gegen das Fleisch das Alleinentscheidende, sondern die Wirkung, die diese auf den Geist hat. Denn Geist und Fleisch sind keine getrennten Bereiche. Beide gehören zusammen, und man kann nicht das eine ohne das andere beflecken. D e r Schluß ist einleuchtend: άμφότερα ο υ ν κ α θ α ρ ά φ ύ λ α σ σ ε , και ζ ή σ η τω -θεώ (sim. V 7,4/ 6 0,4). Nach dem Kontext besteht kein Zweifel darüber, daß die Behauptung von der Unvergänglichkeit des Fleisches — denn das ist der positive Inhalt der Aufforderung, das Fleisch nicht für vergänglich zu halten — nicht als kühne Wesensaussage über das Fleisch schlechthin verstanden werden soll 194 , sondern sie geht aus seiner Verbindung mit dem Geist hervor. Die Unvergänglichkeit hängt also nicht mit der Beschaffenheit des Fleisches zusammen, sondern zunächst mit der Einwohnung des Geistes. Sie ist nicht eine Eigenschaft des Fleisches im strengen Sinne, sondern eine Möglichkeit, die erst dann realisiert wird, wenn das Fleisch nicht befleckt wird. W e r ist hier das eigentliche Subjekt des Handelns? Das Motiv von der Befleckung des Fleisches setzt voraus, daß damit der Bereich der Leiblichkeit ge-

191 So DIBELIUS, a.a.O. 576. Anders N . BROX, der hier, ähnlich wie in vis. III 9,1/17,1 und man. V 1,7/33,7, »die vorläufige Rechtfertigung, die der Anfang des Heils, aber gefährdet ist" (a.a.O. 325) sieht. Der Kontext hier spricht eher für eine eschatologische Deutung. Die von N . BROX angeführten Texte stellen keine Parallele zu vis. V 7,1/60,1. 192

S.o. Anm. 1 7 7 .

193

Zu μιαίνω und μιασμός in Verbindung mit dem Fleisch vgl. Jud 8; 2 Petr 2,20; man.

I V 1,9/29,9.

'94 Vgl. 7". H. C. van Eijk, La résurrection des morts 95: „De la manière maladroite dont il s'exprime on pourrait même conclure que la chair possède déjà l'incorruptibilité en ce qu'elle n'est pas φθαρτή". Die Begrifflichkeit von Herrn ist gewiß nicht geglückt, aber die von T . H. C . VAN EIJK erwogene Möglichkeit ist bei einem judenchristlichen Autor wie Herrn kaum denkbar.

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meint ist. Dem steht aber kein geistiger Bereich gegenüber, der als Subjekt der Entscheidung gelten könnte. Es gibt kein anderes Subjekt als den Menschen, der, wenn er das Fleisch befleckt, nicht leben wird. Die Zukunft des Fleisches ist zugleich die Zukunft des ganzen Menschen. Richtet sich die Warnung vor der Gefahr, das Fleisch fiir vergänglich zu halten und es darum zu beflecken gegen eine bestimmte Front? Nimmt man den Gegenstand der Warnung als Einheit, wäre eine gnostische Verachtung des Fleisches denkbar, die zu einer libertinistischen Haltung gefuhrt hat. Angenommen, das Fleisch sei kein Bestandteil der endgültigen Gestalt des Menschen, ließe sich daraus auf eine Entwertung des Fleisches schließen, die asketisch-rigoristisch oder aber auch libertinistisch in die Tat umgesetzt werden kann. In diesem Fall würde das zweite zutreffen. Aber bevor die Züge einer antignostichen Polemik rekonstruiert werden, ist auf die bekannte Tatsache zu achten, daß die Existenz einer libertinistischen Gnosis nur durch Texte der Gegner und Häresiologen bezeugt ist. Es ist wahr, daß sie theoretisch zum gnostischen Selbstverständnis sehr gut paßt' 95 , aber es bleibt die beachdiche Schwierigkeit, daß kein einziger Text, der von den Gnostikern selber stammt, eindeutig als Beleg dafür verstanden werden kann' 96 . So gesehen ist eine Deutung des Textes auf dem Hintergrund einer antignostischen Polemik nicht unproblematisch' 97 . Die genaue Betrachtung des Textes weist auf eine andere Richtung hin. Zwei Indizien sprechen für die Gemeinde als den konkreten Hintergrund der Aussage, und zwar im Rahmen des allgemein paränetischen Anliegens des Werkes. Das erste ist die in sim. V 7,3/60,3 erörterte Frage nach der Rettung dessen, der in Unwissenheit sein Fleisch befleckt hat. Die Frage ist keine andere als die nach der Möglichkeit der Sündenvergebung und der Bußfrist, die schon in man. IV 3,1-7/31,1-7 behandelt wurde. Die Antwort erinnert an die Macht Gottes, den Sünder zu heilen, vorausgesetzt, daß dieser in der Gegenwart seine sittliche Pflicht dem Fleisch gegenüber erfüllt (vgl. man. IV 1,11/29,11). All dies läßt sich schlecht vereinbaren mit einer antignostischen Polemik. Der Blick des Verfassers richtet sich offenbar auf die Gemeinde. Das zweite Indiz liefert die Struktur der Warnung in sim. V 7,2/60,7. Es handelt sich dabei um zweierlei: Erstens um eine Meinung über die Beschaffenheit des Fleisches als vergänglich; zweitens um die Konsequenz für das sittliche Handeln. Das erste wäre sachlich richtig, würde man das Fleisch ohne den Geist •95 233-238.

Das hat H. Jonas eindrucksvoll dargestellt. Vgl. ders., Gnosis und spätantiker Geist

196 Ein Argument für die Existenz einer libertinischen Gnosis läßt sich m.E. auch nicht aus ι Kor 6 gewinnen. Die Mitte des ersten Jahrhunderts kennt noch kein gnostisches System, daher ist es fraglich, ob die Kategorie „Gnosis" fiir die korinthische Gemeinde zutreffend ist. '97 K. Niederwimmer interpretiert Herrn sim. V als antilibertinische Paränese (Askese und Mysterium 193-195). Abgesehen von der schon angesprochenen Frage bezüglich der Quellenlage scheint das Problem in Herrn doch ein anderes zu sein.

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§ 6 D e r H i r t des H e r m a s

allein betrachten. A b e r das Problem ist nicht die Frage nach der W ü r d e des Fleisches, sondern die G e f a h r seiner V e r u n r e i n i g u n g , die zugleich die B e f l e c k u n g des Geistes bedeutet. W i r bewegen uns a u f d e m G e b i e t der Paränese; genauer: es geht u m ein T h e m a , d e m der Verfasser großes G e w i c h t beimißt: die sexuelle Reinheit. G e r a d e das schon zitierte m a n . I V enthält eine reiche B e l e h r u n g über U n z u c h t , E h e , E h e s c h e i d u n g , E h e b r u c h ' 9 8 , die in all diesen Fällen auch die Frage nach M ö g l i c h k e i t u n d B e d i n g u n g f ü r B u ß e u n d V e r g e b u n g der S ü n d e n e i n schließt. D e r Schluß legt sich nahe, daß die christologischen u n d eschatologischen A u s sagen in diesem A b s c h n i t t d e m paränetischen A n l i e g e n des Verfassers untergeordnet sind u n d daß sie n u r von diesem her ihr angemessenes G e w i c h t g e w i n nen.

IV.

D e r H i r t des H e r m a s u n d I I C l e m 1 ? 9

D a ß zwischen d e m H i r t e n des H e r m a s u n d II C l e m ein traditionsgeschichtlicher Z u s a m m e n h a n g besteht, w i r d in der F o r s c h u n g allgemein a n g e n o m m e n , w e n n g l e i c h seine nähere B e s t i m m u n g umstritten ist. Anstelle einer Z u s a m m e n fassung der Ergebnisse bei der Analyse v o n Herrn heben w i r im f o l g e n d e n die P u n k t e h e r v o r , besonders die g e m e i n s a m e n L i n i e n 2 0 0 , die zur V e r d e u t l i c h u n g der vorherigen Aussagen beitragen k ö n n e n . Auch in diesem Zusammenhang spricht man von την σάρκα μιαίνειν. Vgl. man. IV 1,9/29,9. Im Unterschied zu II Clem läßt sich in diesem Text keine asketische Neigung feststellen (anders wahrscheinlich in vis. II 2,3/6,3]. Auch die zweite Ehe ist erlaubt (sim. IV 4,if/32,if)· άγνεία meint hier die eheliche Keuschheit. Herrn kennt aber auch die Tradition des Syneisaktentums (vgl. sim. IX 10,6-11,8/87,6-88,8). •99 T. H. C. VAN EIJK rechnet mit einer römischen Tradition, zu der er auch I Clem hinzuzählt (La résurrection des morts 41). Daß I Clem und Herrn in Rom entstanden sind, gilt als sicher. Uber den Entstehungsort von II Clem gehen die Meinungen hingegen auseinander. Korinth, Alexandrien und Syrien werden auch vorgeschlagen. Neulich hat R. WARNS mit Nachdruck für die Provinz Ägypten als Herkunftsort plädiert (vgl. ders., Untersuchungen 91-95). Vgl. jetzt A. Lindemann, Die Clemensbriefe 195: „Angesichts der äußeren Bezeugung sind Ägypten und Syrien allerdings wahrscheinlicher als Rom oder Korinth". Wenn man unter Tradition eine bestimmte theologische Linie versteht, dann besteht eine solche Verbindung zwischen II Clem und Herrn, während I Clem kaum bedeutsame Gemeinsamkeiten zu diesen Werken aufweist. Am wenigstens wohl in der Frage der Eschatologie. Die II Clem und Herrn zugrundeliegende gemeinsame Tradition reicht nicht aus, um auch für II Clem eine römische Herkunft zu postulieren, denn solche Gemeinsamkeiten lassen sich auch auf andere Weise erklären. Die Datierung beider Werke in der Zeit zwischen 130-150 stellt sie in einen zeitlichen Zusammenhang. Die Berücksichtigung von II Clem im vorhergehenden Abschnitt bedeutet keine Entscheidung zugunsten eines zeitlichen Vorrangs. 200

Vgl. γ / / C. van Eijk, La resurrection des morts 87-93.

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ι. Christliche Lebensgestaltung und Ruf zur Umkehr: II Clem und Herrn sind von einem pragmatischen Interesse geleitet. In der literarischen Form der vorgetragenen Predigt bzw. der fiktiven Offenbarung drückt sich die Absicht aus, die Gemeinde zur Umkehr zu bewegen. Die Sorge um die Frage nach der Möglichkeit und den Bedingungen der Sündenvergebung weist auf den Hintergrund beider Werke mitten im Leben der Gemeinde hin. Der Glaube muß sich im Alltag bewähren, in dem auch die Erfahrung von Schuld und Sünde die Menschen belastet. Durch die Erfüllung des göttlichen Willens sollen die Christen ihre Berufung verwirklichen. Die eschatologischen Aussagen sind auf diesem Hintergrund zu verstehen. 2. Die präexistente Kirche: Die irdische Gestalt der Kirche ist die Offenbarung einer himmlischen Wirklichkeit, die vor der Erschaffung der Welt war (vgl. II Clem 14,1). Nach Herrn, wo die Spekulationen über die Kirche einen breiten Raum einnehmen, wurde alles um der Kirche willen erschaffen (vis. I 1,6/1,6; vis. II 4,1/8,1). Die Aussagen zur Präexistenz der Kirche und zu ihrem Vorrang in der Schöpfung sind aber keine leere Spekulation, sondern zielen darauf ab, der Zugehörigkeit zur konkreten Kirche einen theologischen Wert zu verleihen. Der Gläubige erfährt in dieser Kirche die rettende Wirklichkeit der himmlischen Welt. In beiden Werken wird die paulinische Formel vom „Leibe Christi" aufgenommen, aber wichtiger ist der Einfluß eines ekklesiologischen Ansatzes wie im deuteropaulinischen Epheserbrief. Für unsere Thematik war freilich II Clem 14 von größerer Bedeutung als die Theologie des Herrn. 5. Christologie — Paränese — Eschatologie: Nach II Clem 9,5 wird die Präexistenz Christi in der Form des präexistenten Geistes dargestellt. Seine Erscheinung auf Erden ist also Fleischwerdung des Geistes. Herrn spricht in jeweils anderen Zusammenhängen vom präexistenten Geist (sim. V 6,5/59,5) u n d v o m präexistenten Sohn (sim. IX 12,2/89,2). Als solche werden sie auch gleichgesetzt (sim. IX 1,1/78,1). Fleischwerdung bedeutet hier Einwohnung des Geistes im menschlichen Fleisch. II Clem 14,1-5 schafft die Verbindung zwischen Christologie und Paränese auf dem Weg der Ekklesiologie: Die himmlische Kirche hat sich offenbart im Fleisch Christi, wobei Christus mit dem Geist, das Fleisch mit der Kirche gleichgestellt werden. Wer sein Fleisch „bewahrt", hat Anteil am Geist. Herrn geht von der Christologie in die Paränese über, indem er das für den Erlöser geltende Verhältnis zwischen Fleisch und Geist auf die Gläubigen überträgt und es in dieser Form als Vorbild fur die Haltung des Menschen im Umgang mit dem „Fleisch" darstellt. Die Auferstehung Christi ist dabei weder der Grund für die christliche Auferstehungshoffnung, noch der Anfang eines neuen Äons. Sie bleibt unausgesprochen. 4. Beide Themen, Syzygie mit dem Geist (II Clem) bzw. Einwohnung des Geistes (Herrn) weisen auf die paulinische Tradition als Grundlage hin, nämlich auf Eph 5 und Rom 8. Selbstverständlich sind beide Themen auch in der frühjüdischen und in der gnostischen Literatur reichlich belegt. Aber die Vorstellung von der Gegenwart des Geistes dient in unseren Texten der Artikulierung von

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§ 6 Der Hin des Hermas

eschatologischen Vorstellungen, bei denen der „sarx"-Begriff im Mittelpunkt steht. Die Verteidigung einer unvergänglichen Leiblichkeit schafft eine Trennungslinie zur Gnosis, der „sarx"-Begriff zur frühjüdischen Tradition. Natürlich darf man die Nachwirkung der paulinischen Tradition nicht als Rezeption des paulinischen Auferstehungsverständnisses auffassen201. Es handelt sich dabei um ein Element: die Einwohnung des Geistes bzw. die Verbindung von Geist und Fleisch, die als Grund fur die eschatologische Zukunft der menschlichen Leiblichkeit interpretiert wird. j. Die eschatologische Hoffnung im Hinblick auf die Zukunft: des Fleisches wird also allgemein durch die Verbindung bzw. durch die Wirkung des Geistes auf das Fleisch ausgedrückt (vgl. II Clem 14,5; sim. V 7,2/60,2). Immer ist die Gegenwart des Geistes durch die Erfüllung der sittlichen Forderung bedingt. II Clem 9,1-5 polemisiert gegen eine gnostisch inspirierte Leugnung von Gericht und Auferstehung für das Fleisch. Darum wird hier die Kontinuität zwischen der fleischlichen Befindlichkeit des Menschen auf Erden und seiner eschatologischen Gestalt unterstrichen. Herrn scheint sich im Rahmen seiner sittlichen Ermahnung zur sexuellen Reinheit zu bewegen. Diese Kontinuität ist vorausgesetzt, wird aber nicht eigens akzentuiert.

201 Die Bedeutung des „sarx"—Begriffes in beiden Werken und die Hervorhebung in II Clem von der Auferstehung „dieses Fleisches" überhaupt lassen sonst auf einen anderen Verstehenshorizont schließen. Die Nachwirkung von bestimmten Vorstellungen ist etwas anderes als eine eigentliche Rezeption bzw. eine Auseinandersetzung mit vorgegebenen Inhalten. Besonders in Herrn kann davon in diesem Zusammenhang nicht die Rede sein.

§ 7 Die Epistula Apostolorum Die Epistula Apostolorum (= EpAp) ist eine Streitschrift 202 , die, wahrscheinlich in der Mitte des zweiten Jahrhunderts entstanden203, sich als das wahre Zeugnis von Jesus Christus versteht und darstellt (8/19) 204 . Der Anspruch, ein solches Zeugnis ablegen zu können, leitet sich aus der fiktiven Entstehungssituation ab: Der auferstandene Herr erscheint den Aposteln und offenbart ihnen die Botschaft, die sie in der Form eines Briefes an die Christenheit in der ganzen Welt bekannt machen sollen (2(13]). Anlaß zu dieser Offenbarung ist das Auftreten der Pseudoapostel Simon und Kerinth (1 [12.]), die als Feinde des Herrn (7 [18] ) durch ihre List die Menschen töten und in die Verlorenheit führen wollen. Die Absicht der EpAp besteht einerseits darin, die Adressaten in der Lehre, die vom Verfasser als die Wahrheit der Offenbarung dargelegt wird, zu stärken, andererseits die strittigen Punkte in der Form von Fragen der Jünger und Antworten des Auferstandenen zu klären 205 . Daß Simon und Kerinth als Anlaß des Schreibens genannt werden, bedeutet nicht, daß es sich mit ihrer Lehre auseinandersetzt206. Solche Urvertreter der Häresien werden deshalb erwähnt, weil sie die ideale gegnerische Front bilden, die den Leser von der Notwendigkeit des apostolischen Briefes überzeugt. Für die Frage nach Entstehung und Inhalt der Formel von der Auferstehung des Fleisches ist die EpAp von großer Bedeutung. Hier wird m.E. zum erstenmal — wenn die angegebene Datierung richtig ist — die Rede von der Auferstehung des Fleisches mit einer Überlegung über die Beschaffenheit des Menschen in einen expliziten Zusammenhang gebracht.

101

Zu den Einleitungsfragen vgl. C. Schmidt, Gespräche Jesu; H. Duensing, Epistula Apostolorum; ders., in: ΝΤΑρο 4 I 126-155; C. D. G. Müller, in: ΝΤΑρο 5 I 205-233; Ph. Vielhauer, Geschichte der urchristlichen Literatur 683-687. 20 3 So Ph. Vielhauer (a.a.O. 684) und C. D. G. Müller: „um die Mitte des 2. Jahrhunderts" (a.a.O. 207). M. HORNSCHUH plädiert für die erste Hälfte des 2. Jahrhunderts und verzichtet auf größere Genauigkeit. Vgl. ders., Studien 116-119. 2 °4 Die Nummerierung und der Text folgen der Fassung von C. D. G. MÜLLER, die auf der Übersetzung von H. DUENSING beruht. 20 5 Zur Besrimmung der literarischen Gattung vgl. Ph. Vielhauer, a.a.O. 690-692. 206 Nur EpAp 8(i9)-i2(23) kann als polemische Aussage gegen Kerinth; verstanden werden. Der Text drückt die Identität des Gekreuzigten mit dem Auferstandenen unmißverständlich aus. Nach Irenaus (Adv.Haer. I 26,1) war die Meinung von Kerinth, Christus habe sich von Jesus in der Stunde der Passion getrennt, da er geistig war. Zu Kerinth vgl. den langen Exkurs bei C. Schmidt, a.a.O. 402-452. Die bekämpften gnostischen Lehren entsprechen sonst eher dem basilidianischen System. Vgl. M. Hornschuh, Studien 94f.

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§ 7 Die Epistula Apostolorum

Da die Auferstehung des Fleisches, die den Gläubigen verheißen ist, mit Fragen, welche die Auferstehung Jesu betreffen, eng verbunden ist, legt es sich nahe, dort zu beginnen, wo auch der Verfasser der EpAp den Grund für die Auferstehungshoffnung sieht, nämlich bei der Auferstehung Jesu.

I. Das Fleisch des Aufestandenen EpAp i(i2)-iî(24) bildet die Einleitung zur Offenbarung des Auferstandenen. Unter anderem geht es hier um eine massive Beteuerung der fleischlichen Existenz des Erlösers, die mit dem Hinweis auf seine Geburt anfangt. Die Verbindung einer vom Johannesprolog inspirierten Logoschristologie mit Elementen aus der lukanischen Kindheitsgeschichte fuhrt zu folgendem Bekenntnis: „Und Gott, der Herr (= der Vater) und der Sohn Gottes — wir glauben: Das Wort, das wurde Fleisch Märiens aus der Heiligen Jungfrau 207 , wurde in ihren Geburtsschmerzen verborgen vom Heiligen Geiste, und nicht durch Lust des Fleisches, sondern durch den Willen Gottes 208 wurde es geboren und wurde in Bethlehem (in Windeln) gewickelt und offenbart und daß es großgezogen wurde und heranwuchs, indem wir (es) sahen" (EpAp 3[14.]). Sein irdisches Wirken (8 [19]) und sein Kreuzestod „in den Tagen des Pontius Pilatus und des Fürsten Archelaus" (9[20]) bezeugen weiter die Zugehörigkeit des Erlösers zu unserer Welt. Die Wirklichkeit des Auferstandenen wird den Jüngern — nicht nur Thomas, sondern auch Petrus und Andreas — durch die unmittelbare Erfahrung des auferstandenen Fleisches offenbart (n[22]). Ihre Gewißheit geht aus dieser Erfahrung hervor: „Wir haben ihn befühlt, damit wir wahrhaftig erkennten, ob er auferstanden wäre im Fleisch, und wir fielen auf unser Antlitz, indem wir bekannten unsere Sünden, daß wir ungläubig gewesen seien" (12I23]) 209 . Es ist nicht schwer zu erraten — nicht zuletzt wegen der Gemeinsamkeiten mit IgnSm 3,2 2I ° — , daß der Verfasser ein antidoketisches Anliegen verfolgt. Es geht also dabei nicht nur um den Kontakt mit dem Fleisch des Auferstandenen als Beweis für seine Wirklichkeit, d.h., daß er kein Gespenst ist (vgl. Lk 24,39), sondern darüber hinaus um das Festhalten an der fleischlichen Beschaffenheit des Auferstandenen gegen jeden Versuch, den irdischen Jesus von dem erhöhten Christus zu trennen. 207

Nach der Übersetzung von H. DUENSING: das Wort, welches aus der heiligen Jungfrau FUisch wurde(ΝΤΑρο4 1128). 208 Vgl. Joh 1,13. 2 °9 Nach dem koptischen Text. 210 λάβετε, ψηλαφήσατέ με και ϊδετε, δτι ούκ είμ'ι δαιμόνιον άσώματον. και εϋι3ύς αύτοϋ ήψαντο και έπιστευσαν, κραύέντες τη σαρκι αύτοϋ και τω πνεΰματι.

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Die Einleitung geht zu Ende mit der Ankündigung dessen, was der Auferstandene den Jüngern sogleich offenbaren wird (EpAP 12U3]): „Erhebt euch, so will ich euch offenbaren das, was oberhalb der Himmel, und das, was in den Himmeln und eure Ruhe, die im Himmelreich" (der äthiopische Text hat „Auferstehung" anstelle von Ruhe). Das Thema der eschatologischen Ruhe bzw. der Auferstehung kommt tatsächlich oft zur Sprache, und zwar im Zusammenhang mit der Fleischwerdung und Auferstehung des Erlösers. In EpAp 19I30] fragen die Jünger, ob die eschatologische Ruhe nach der Art von Engeln oder des Fleisches bestehen wird. Der Offenbarer antwortet: „Siehe, ich habe angezogen (euer) Fleisch, in dem ich geboren und gekreuzigt bin; und ich bin auferstanden durch meinen Vater, der (im Himmel), damit erfüllet würde die Prophezeihung Davids, des Propheten in betreff dessen, was er verkündet hat über mich und meinen T o d und meine Auferstehung". Als Schriftbeweis dazu wird Ps 3,2-9 herangezogen. Noch deutlicher ist die Aussage des Auferstandenen in EpAp 21(32): „Wahrlich, aber, ich sage euch: Wie mich mein Vater von den Toten auferweckt hat, gleicherweise werdet auch ihr (im Fleisch = äth.) auferstehen und hinaufgenommen werden über die Himmel zu dem Orte, von dem ich euch von Anfang an (zuvor) gesagt habe, zu dem One, den euch bereitet hat, welcher mich gesandt hat. Und also werde ich alle Heilsveranstaltungen vollenden: Der ich bin ungezeugt und (doch) gezeugt von Menschen, der ich ohne Fleisch bin, (und doch) habe ich getragen das Fleisch, denn deswegen bin ich gekommen, damit ihr in der Wiedergeburt die Auferstehung in eurem Fleisch erhaltet, einem Gewände, das nicht vergehen wird, mit allen, die hoffen und glauben an den, der mich gesandt hat". So deutlich erkennbar die Absicht des Verfassers ist, die irdische Wirklichkeit des Erlösers und seine Fleischwerdung hervorzuheben, um die Gewißheit der künftigen Auferstehung der Gläubigen zu begründen, so lassen sich bei seinem christologischen Konzept Züge erkennen, die paradoxerweise nicht so weit entfernt sind von der doketistischen Christologie, die er offenbar bekämpfen will 2 ". Das betrifft vor allem die eigenartige Vermischung von Logos- und Engelchristologie und die in EpAP i3(24)-i4(25) enthaltenen Aussagen 212 . Wie M . HORNSCHUH formuliert: „Mit der Inkarnation wird der Logos irdischem Sein zwar gleichförmig, aber nicht wesensgleich" 213 . Die Fleischwerdung hat „funktionalen" Charakter. Nach EpAp 39(50) sind die Häresien der unmittelbare Anlaß der Fleischwerdung: „Um derentwillen aber, die meine Worte verderben, bin ich herabgekommen aus dem Himmel. Ich bin

211 Das kam schon in der langen Rezension von G. BARDY zur Studie von C. SCHMIDT zum Ausdruck. Vgl. ders., in: RB 50 (1921) 110-134, b « · 119-123. 212 Zur Engelchristologie vgl./. Barbel, Christos Angelos 235-240. Zur Christologie und ihrem Hintergrund vgl. die wertvolle Analyse von M. Hornschuh, Studien 39-52. 213 Vgl. Studien 49.

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das W o n (Logos). Ich bin Fleisch geworden, indem ich mich abmühte, lehne: Die Geladenen werden gerettet werden und die Verlorenen werden verlorengehen ewiglich. Man wird sie peinigen lebendig und sie züchtigen an ihrem Fleisch und ihrer Seele". Die Fleischwerdung setzt schon voraus, daß die Worte des fleischgewordenen Logos von einigen falsch interpretiert werden. Bei den Adressaten der EpAp, welche die wahre Interpretation dieser Worte nun durch den Brief der Apostel empfangen, kommt die Fleischwerdung zum Ziel: Sie sichert die Wahrheit der Offenbarung ab. Der Besitz dieser Wahrheit ist gleichbedeutend mit Heil. Dieses Heil zu vermitteln, ist die Aufgabe des Offenbarers. Im Hintergrund steht die innenkirchliche Kontroverse um die richtige Lehre angesichts der Abweichungen gegenüber einer Überlieferung, der kanonischer W e n zukommt. Ihnen gilt die Drohung des Auferstandenen: „Diejenigen aber, die (meine) Gebote übertreten haben und gelehrt haben in anderen Lehren (indem sie auflösen) die geschriebenen (Lehren) und hinzufugen ... eigene, indem sie lehren in anderen Worten (diejenigen, welche) glauben an mich in einer Aufrichtigkeit, wenn sie durch derartige zu Fall gebracht werden, (werden sie empfangen) eine ewige Strafe" (EpAp 29[4θ]). Auf die Frage der Jünger, ob auch andere Lehren existieren werden außer dem, was der Herr ihnen gesagt hat, antwortet dieser: „Es ist nämlich notwendig, daß sie existieren, damit die Bösen und die Guten offenbar werden. Und also wird offenbar werden das Gericht an denen, welche diese Werke tun, und gemäß ihren Werken werden sie gerichtet und dem Tode übergeben werden". In diesen Zusammenhang ist die Frage über die Beschaffenheit der Auferstandenen einzuordnen. Der Verfasser erhebt den Anspruch, mit der Autorität und im Namen des Auferstandenen, die Wahrheit der Offenbarung darzulegen.

II. Das Fleisch der Auferstandenen Die eschatologische Ruhe, die άνάπαυσις, ist ein zentraler Begriff fur den Ausdruck der menschlichen Vollendung nach der EpAp 2 ' 4 . Lazarus, die alttestamentlichen Gerechten und Propheten haben schon diesen Zustand erreicht, aber nur „unterhalb". Die wahre ά ν ά π α υ σ ι ς liegt aber „oberhalb", und zu ihr werden sie hineingeführt durch den Auferstandenen (EpAp 27138]). Diese himmlische Ruhe wird nun den Jüngern verheißen. Es ist der Ort, „an dem es kein Essen und Trinken, noch Jubeln, noch Trauern, noch Vergehen für die, die an ihm sind (gibt)" (EpAp i9[3o]). Die eigenartige Vorstellung einer solchen „apathischen" Vollendung dürfte als Ausdruck der radikalen Andersartigkeit des eschatologischen Zustandes zu verstehen sein. Aber die nächste Frage der Jünger 2I

4

Ahnlich im Rheginosbrief und im Philippusevangelium.

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83

weist auf den Punkt hin, der fur den Verfasser wichtig ist: „In welchem Bilde, entweder in der A n von Engeln oder des Fleisches?" Der Vergleich mit den Engeln nimmt wahrscheinlich Bezug auf das Wort Jesu bei der Erwiderung des sadduzäischen Einwands gegen den Auferstehungsglauben: άλλ' είσιν ώς ά γ γ ε λοι έν τοις ούρανοϊς (Mk 12,25) 215 . Aber hier wird die „Art von Engeln" der „Art des Fleisches" gegenübergestellt. War die Absicht Jesu, durch den Vergleich mit den Engeln einen plumpen Materialismus in der Auferstehungsvorstellung zu widerlegen, scheint nun der gleiche Vergleich in den Augen des Verfassers der EpAp die Gefahr einer spiritualistischen Auffassung zu bergen. So entscheidet er sich fur die „Art des Fleisches": Die Gläubigen werden in der Wiedergeburt die Auferstehung in ihrem Fleisch erhalten, d.h. in einem Gewand, das nicht vergehen wird (EpAp 2i[32]) 2 ' 6 . Mit dem Bild vom unvergänglichen Gewand ist eine verklärte Leiblichkeit gemeint 217 , in der sich sowohl die Kontinuität mit dem irdischen Fleisch als auch die neue Qualität des auferstandenen Fleisches ausdrückt. „ O Herr, steht es wirklich dem Fleisch bevor, mit der Seele und dem Geist (zusammen) gerichtet zu werden, und wird (die eine Hälfte davon) zwar im Himmelreich ruhen und die andere aber ewiglich, indem sie (noch) leben, gestraft werden?" (EpAp 22[33]). So lautet die seltsame Frage der Jünger, mit der die Erörterung über die Beschaffenheit der Auferstandenen eingeleitet wird. Das der Frage zugrundeliegende anthropologische Modell ist dualistisch: einerseits das Fleisch, andererseits die Seele und der Geist. Über die Zukunft des Fleisches wurde das Entscheidende schon gesagt: Der Offenbarer hat Fleisch getragen, damit die Gläubigen in der Wiedergeburt die Auferstehung in ihrem Fleisch erhalten (EpAp 2i[32]). Wenn das Problem hier wieder aufgenommen wird, dann nicht, um allgemein die Auferstehung des Fleisches zu verkünden, sondern um die spezifische Frage nach der Konsistenz einer dualistischen Anthropologie fur den Auferstehungsglauben zu lösen. Die Frage der Jünger läßt die Perspektive der chrisdichen Auferstehungshoffnung erkennen. Es wird zunächst nicht nach der Möglichkeit der Auferstehung des Fleisches gefragt — das kommt später zur Sprache. Eigentlich geht es um die Einheit des Menschen, um eine Einheit aus Fleisch, Geist und Seele. Ausgehend von der Auferstehungsverheißung erwägt der Verfasser die Möglichkeit, das Fleisch könne nach dem Gericht und der Auferstehung im Himmel ruhen, während Seele und Geist — an sich unsterblich — , indem sie weiter leben, ge-

2I

5

D e r Vergleich k o m m t auch in der j ü d i s c h e n A p o k a l y p t i k vor. Vgl. ä t h H e n 104,6;

51,4; syrBar 51,5.10. Vgl.

H. C. C. Cavallin,

Life after D e a t h 204.

N a c h d e m äthiopischen T e x t . D e r koptische T e x t ist hier lückenhaft. 2I

7

Vgl. M. Homschuh, Studien 65.

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§ 7 Die Epistula Apostolorum

straft werden. Die Unterscheidung zwischen dem, was an sich unsterblich ist — Seele und Geist — , und dem, was unsterblich gemacht wird — das Fleisch — , fällt nicht zugunsten dessen aus, was von Natur aus unvergänglich ist! Die Antwort des Offenbarers ist grundsätzlich: „Wahrlich, ich sage euch: Die Auferstehung des Fleisches wird geschehen, indem die Seele mit dem Geist in ihm ist" (ΕρΑρ 24Í35]). Eine neue Frage der Jünger bringt die in der Antwort schon enthaltene Schwierigkeit zum Ausdruck: „Herr, ist es denn möglich, daß das, was aufgelöst und vernichtet ist, heil werde? Nicht wie Ungläubige fragen wir dich, oder ist es dir unmöglich, sondern wir glauben wirklich, daß das, was du sagst, geschehen wird". Im Spiel der Fragen und Antworten geht es nicht nur um eine sachliche Lösung, sondern auch um die Inhalte, die der Verfasser bewußt unterstreichen will. In diesem Fall handelt es sich offensichtlich um den vergänglichen Charakter des Fleisches, dem von sich aus keine eschatologische Zukunft gehört. So stellt in EpAp 25(36) der Auferstandene selber eine scheinbar überflüssige Frage: „Was ist es denn, das vergeht? Ist es das Fleisch (oder) der Geist?" Die Antwort der Jünger lautet: „Das Fleisch ist vergänglich". Dazu die feierliche Aussage des Herrn: „Das, was gefallen ist, wird auferstehen, und das, was verloren, wird gefunden, und das, was schwach, wird genesen, damit an diesen Sobeschaffenen offenbar werde der Ruhm meines Vaters. Wie er es an mir getan hat, so werde ich selbst es tun an euch allen, die da glauben". Anders als bei der am Anfang gestellten Frage der Jünger (EpAp 22^3] ) bildet hier die Vergänglichkeit des Fleisches das Problem. Aber für die Macht Gottes existiert dieses Problem nicht. Am Schluß von EpAp 21(32), also unmittelbar vor der Frage der Jünger, verkündet der Auferstandene eine Botschaft, die im Kern schon die Antwort auf die erst nachher gestellten Fragen enthält: „Wahrlich ich sage euch, daß ich alle Gewalte von meinem Vater empfangen habe, damit ich die in Finsternis Befindlichen ins Licht zurückführe und die in Vergänglichkeit Befindlichen in die Unvergänglichkeit und die im Irrtum Befindlichen in die Gerechtigkeit und die im Tode Befindlichen in das Leben und damit die in Gefangenschaft Befindlichen entfesselt werden, wie das, was von Seiten der Menschen unmöglich ist, von Seiten des Vaters möglich ist. Ich bin die Hoffnung der Hoffnungslosen und der Helfer derer, die keinen Helfer haben, der Schatz der Bedürftigen, der Arzt der Kranken, die Auferstehung der Toten". Die Übertragung der göttlichen Allmacht auf den Auferstandenen bringt den Menschen Heil: Überwindung der Finsternis durch das Licht, des Irrtums durch die Gerechtigkeit, der Gefangenschaft durch die Befreiung. Sie schafft darüber hinaus eine neue Ordnung, die nicht allein die Lage des Menschen vor Gott betrifft, sondern auch die Grenzen des Geschaffenen berührt. Denn Vergänglichkeit und Tod haben mit der Wirklichkeit und der Beschaffenheit der Dinge zu tun, so daß die Verheißung der Unvergänglichkeit und des Lebens die Sprengung dieser Grenzen bedeutet. Das ist für die Menschen unmöglich, aber möglich für den Vater. Der Satz enthält die Grundaussage, die all das vorher Gesagte erklärt. Die Macht Gottes überwindet die den Menschen gezogenen

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Grenzen. Die in diesem Abschnitt vorkommenden Reihen von Gegensatzpaaren dienen der Verdeudichung dieses Sachverhaltes: „Das, was gefallen ist, wird auferstehen, und das, was verloren, wird gefunden, und das, was schwach, wird genesen". Der Verfasser berührt eine Frage, die in der Auferstehungsapologetik wenige Jahre später immer wieder behandelt wird: die Frage nämlich nach der Möglichkeit der Auferstehung. Für ihn ist sie jedoch keine Frage, die eigens thematisiert werden soll, denn für den Glauben stellt sich diese Frage eigentlich nicht. „Glaubet, daß alles, was ich euch sage, geschehen wird!" (EpAp 21 [32]). „Nicht wie Ungläubige fragen wir dich, oder ist es dir unmöglich, sondern wir glauben wirklich, daß das, was du sagst, geschehen wird" (EpAp 24(35]). »Wie er (d.h. der Vater) es an mir getan hat, so werde ich selbst es tun an euch allen, die da glauben" (EpAp 2.5(36]). In der bisherigen Darlegung läßt sich keinerlei Interesse erkennen für eine Argumentation, welche die Auferstehungshoffnung auch für die Vernunft plausibel machen könnte. Ein solcher Ansatz liegt aber in EpAp 26(37) v o r : „Wahrlich aber, ich sage euch: Das Fleisch wird auferstehen mit der Seele lebendig, damit statthabe ihre Verantwortung an jenem Tage in betreff dessen, das sie getan haben, es sei das Gute, es sei das Schlechte, auf daß stattfinde eine Auswahl der Gläubigen; derjenigen, die getan haben die Gebote meines Vaters, der mich gesandt hat. Und also wird stattfinden das Gericht in Strenge" 218 . Wie der Kontext zeigt, geht man von einem Menschenbild aus, bei dem seine Wirklichkeit nur in der Form einer komplexen Einheit besteht. Es ist nicht die Seele oder der Leib, die für sich wirken, sondern immer der ganze Mensch, der darum als ein solcher zur eschatologischen Rechenschaft im Endgericht herangezogen wird. Das Argument wird hier nur angedeutet, aber nicht weiter vertieft. Fragt man nach dem geschichtlichen Hintergrund, der zur bewußten Auseinandersetzung mit einem dualitischen Menschenbild im Zusammenhang mit der Auferstehungshoffnung geführt hat, dürfte die Antwort im Umfeld der Christologie zu suchen sein. Die Fleischwerdung des Erlösers — wie konsequent auch immer dies gedacht worden ist — war Voraussetzung und zugleich Grund für die Auferstehungshoffnung in der Form der Auferstehung des Fleisches (21 [32]). Die polemische Pointe der Darlegung ist unübersehbar: Wer die Auferstehung des Fleisches leugnet, stellt somit auch die Fleischwerdung und das Heilswerk des Offenbarers in Frage. Eine Argumentation, die Christologie und Auferstehungsglaube so eng zusammenfuhrt, läßt sich schwerlich ausreichend erklären ohne einen konkreten polemischen Anlaß. Es handelt sich dabei wahrscheinlich um Leute, die eine himm218

Es handelt sich um eine Auferstehung zum Leben als Belohnung und um eine Auferstehung zum Gericht als Strafe. Vgl. 39(50): „Die Geladenen werden gerettet werden, und die Verlorenen werden verlorengehen ewiglich. Man wird sie peinigen lebendig und sie züchtigen an ihrem Fleisch und ihrer Seele".

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§ 7 D i e Epistula Apostolorum

lische Seligkeit f u r Geist und Seele annhemen, die das Fleisch aber aufgrund seiner Vergänglichkeit von der endgültigen Gestalt des M e n s c h e n auschließen. D i e triadische Formel „Geist-Seele-Fleisch" dürfte unmittelbar von der Gnosis h e r k o m m e n 2 1 9 . W ä h r e n d auf der Ebene des Psychischen noch eine Rettungsmöglichkeit besteht, ist das Hylische, d.h. die W e l t der Materie u n d des Fleisches, v o m Heil völlig ausgeschlossen 2 2 0 . Freilich ist damit nicht gesagt, daß die hinter den Aussagen des Textes vermuteten G e g n e r tatsächlich Gnostiker waren. N u r soweit ist klar, daß sie die Auferstehung des Fleisches ablehnen und daß der Verfassser bei ihrer W i d e r l e g u n g sich einer anthropologischen Formel bedient, die sehr wahrscheinlich in gnostischen Kreisen entstanden ist. D a s Bekenntnis zur Auferstehung des Fleisches ist noch nicht verbindlich. D i e fiinfgliedrige

Glaubensformel ( E p A p 6[iy\)

enthält außer dem Vater, dem Sohn

u n d dem Heiligen Geist das Bekenntnis zur Heiligen Kirche und zur V e r g e b u n g der Sünde, aber nichts weiter. D i e Begrifflichkeit der E p A p zeigt jedoch ein Bild, in dem der A u s d r u c k den V o r r a n g hat, so daß er die Formel von der Auferstehung des Leibes ganz verdrängt.

2 '9 In ι Thess 5,23 spricht Paulus von Geist, Seele und Leib. Aber die Stelle dürfte höchstens auf dem Weg der paulinischen Rezeption in der Gnosis eine Rolle spielen. 220 Vgl. die Valentinianer der Exc. ex Theod. 54. Noch interessanter ist die Aussage in Epjac nf: „Denn ohne die Seele kann der Leib nicht sündigen, wie die Seele nicht ohne (den) Geist erlöst werden kann. Wenn aber die Seele erlöst wird vom Bösen und auch der Geist erlöst wird, wird der Leib sündlos. Denn der Geist macht die Seele le(ben)dig. Der Leib aber tötet sie. Das heißt: sie selbst tötet sich. Wahrlich, ich sage euch: Er wird die Sünde keiner Seele vergeben noch die Schuld dem Fleisch! Denn niemand von denen, die das Fleisch getragen haben, wird erlöst werden". (Ubersetzung nach D. Kirchner, in: Ν Τ Α ρ ο 5 I 243). Auch hier tritt eine triadische Anthropologie zutage, wenngleich dann zwischen Leib und Fleisch unterschieden wird. Für das Fleisch aber gibt es keine Hoffnung (vgl. dazu D. Kirchner, Zum Menschenbild in der Epistula Jaoobi Apocrypha). Die Aufforderung, das Fleisch nicht zu lieben bzw. es nicht zu schonen, begründet die Bereitschaft zum Martyrium (Epjac 5). Es stellt sich die Frage, ob die EpAp mit ihrer triadischen Anthropologie und der Verkündigung der Auferstehung des Fleisches nicht gegen eine solche Anschauung polemisiert. Wenn man berücksichtigt, daß der Adressat der Epjac ausgerechnet Kerinth ist, der in EpAp als Pseudoapostel bezeichnet wird, gewinnt die Annahme eines Zusammenhanges zwischen den beiden Texten an Wahrscheinlichkeit. So urteilt D. KIRCHNER: „Die Ähnlichkeiten zwischen Epjac und der Epistola Apostolorum sind so zu erklären, daß die EpAp auf eine geistige Situation reagiert, deren einer Repräsentat die Epjac ist. Literarische Abhängigkeit scheint nicht vorhanden zu sein. Aber es werden Themen behandelt und Fragen beantwortet, bei denen die Epjac sich anders entschieden hat" (Neutestamentliche Apokryphen I. 235). Nach A. A. T . EHRHARDT hingegen hat der Verfasser der EpAp den Epjac gekannt und benutzt. Er datiert die EpAp kurz vor 180. Vgl. den., Judaeo-Christians in Egypt.

§ 7 Die Epistula Apostolorum

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III. Z u r theologiegeschichtlichen Einordnung der E p A p Traditionsgeschichtlich gesehen bewegt sich die EpAp in diesem Punkt noch im Bereich der innerkirchlichen Kontroversliteratur, aber sie deutet eine Fragestellung an, die, über diesen Bereich hinausgehend, schon die typischen Probleme der Auferstehungsapologetik des zweiten und dritten Jahrhunderts ankündigt: der Zusammenhang von Auferstehungshoffnung und dualistischem Menschenbild, die Möglichkeit der Auferstehung angesichts der Allmacht Gottes, das Gerichtsthema als Beweis für die Notwendigkeit der Auferstehung. Rückschauend auf die vorher untersuchten Autoren stellt sich die EpAp als eine Vorstufe im Hinblick auf die Denkweise der griechischen Apologeten dar. Zwei Beobachtungen bekräftigen diese Behauptung:

ι.

Die anthropologische Begrifflichkeit

Bei den bisherigen Texten hat die Frage der Anthropologie im strengen Sinne, d.h. die Frage nach der menschlichen Verfäßtheit, nach seiner Beschaffenheit, so viel wie keine Rolle gespielt. Termini wie Leib, Fleisch, Seele und Geist werden zwar verwendet, aber nicht im Rahmen einer anthropologischen Reflexion. Da der „sarx"-Begriff oft die gesamte Wirklichkeit des Menschen ausdrückte, war nicht nötig, die Würde des Fleisches zu verteidigen. Auch nicht die Frage nach dem vergänglichen Charakter des Fleisches, die schon eine Antwort auf die Frage nach seiner Beschaffenheit voraussetzt, stand zur Diskussion. Die eschatologische Zukunft des Fleisches ergab sich hauptsächlich aus seiner Verbindung mit dem Geist Gottes. Eine gnostische Infragestellung der Auferstehung des Fleisches war nach unserer Analyse nur in II Clem zu erkennen. Aber die Antwort darauf nahm keinerlei Bezug auf die von den Gnostikern angeschnittene Problematik. Die Elemente fur eine Begründung der Auferstehungshoffnung waren in der Christologie und Ekklesiologie vorhanden. Daß sowohl im Bekenntnis zur Auferstehung des Fleisches als auch in seiner Ablehnung unbedingt anthropologische Anschauungen eine entscheidende Rolle spielen — vor allem die Wertung der Leiblichkeit — , war aus diesen Texten nicht zu entnehmen. Anders ist die Lage in der EpAp. Der Mensch ist eine komplexe Einheit, die aus einer materiellen Komponente, Fleisch, besteht, und aus einer geistigen, die man Seele und Geist nennen kann. Sicherlich wird man vergeblich nach einer begründenden Reflexion suchen, aber, wie auch immer der Verfasser zu der triadischen Formel gekommen ist, begegnet man hier zum erstenmal einem Bekenntnis zur Auferstehung des Fleisches, das den Unterschied zwischen dem materiellen und dem geistigen Element im Menschen thematisiert. Daher be-

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§ 7 Die Epistula Apostolorum

kommt der „sarx"-Begriff in den Auferstehungsaussagen der EpAp eine zweifache Bedeutung. Er kann im Sinne der älteren Überlieferung den ganzen Menschen bezeichnen, oder in der Auseinandersetzung mit einer dualistischen Anthropologie nur die Leiblichkeit des Menschen.

2.

Die EpAp und die altchristliche Auferstehungsapologetik

C. S C H M I D T , dem die Forschung die erste kritische Textausgabe und Kommentierung der EpAp verdankt, kommt in der Frage der Eschatologie zu dem Ergebnis, „daß der Verfasser der Epistola mit den Kontroversen voll und ganz vertraut ist und ihm die geistigen Waffen der Apologetik zur Verfügung stehen". Dabei muß er einräumen: „Er kann freilich ja nur mit einigen lapidaren Sätzen auf den Streit der Meinungen eingehen".121. Die Gemeinsamkeiten zwischen der EpAp und den Apologeten, die zu dieser Beurteilung fuhren, lassen sich in den folgenden Punkten zusammenfassen222: ι. Für Gott ist alles möglich, also auch die Auferstehung des Fleisches (EpAp 2i[32]). Vgl. Justin, I Ap. 19,6; Ps.Justin, De Res. Z.135/S.224223; Tertullian, Tertullian, De Res. 57,11; Theophilus, Ad Aut. II 13; Irenäus, Adv.Haer. V 5,2; Ps.Athenagoras, De Res. 9,2 224 . 2. Auferstehungshoffhung und Menschenbild: die Vergänglichkeit des Fleisches und die Unvergänglichkeit des Geistes und der Seele (EpAp 25[36]). Vgl. Ps.Justin, De Res. Z.303-306/S.240; ebd. II Fr. Z.1-4/S.244-246; Irenäus, Adv. Haer. V 6-8; Tertullian, De Res. 18,8; Methodius, De Res. 151,5. 5. Endgericht und Auferstehung {EpAp 26(37]). Vgl· Tatian, Or. 6,1; Tertullian, De Res. 14,1-9; Ps.Athenagoras, De Res. 18,1-23,6215. 4. Die Genesung des Schwachen und Kranken (EpAp 25(36]). Vgl. Justin, Dial. 69,6f, Ps.Justin, De Res. Z.108-123/S.222; Irenäus, Adv.Haer. V 1 2 , φ Tertullian, De Res. 57,if; 63,1226. 5. Das Vergängliche wird unvergänglich (EpAp 21(32]). Vgl. Ps.Justin, De Res. (II Fr.) Z.20/S.246; Irenäus, Adv.Haer. V 3,2; PsAthenagoras, De Res. 3,2.

221 C. Schmidt, Gespräche Jesu 353. Anders M. HORNSCHUH, der eher die Distanz der EpAp zu den Apologeten unterstreicht (Studien 3of). 222

Vgl. ebd. 346-355. Über die Angaben von C. SCHMIDT hinaus habe ich andere Stellen und Themen hinzugefügt, ohne Vollständigkeit anzustreben. 22 3 Die erste Angabe bezeichnet die Zeilen in der Ausgabe von HOLL, die zweite die Seite in der Ausgabe von OTTO. 224

Vgl. Η. E. Lona, Ps.Justin „De Resurrectione" 723-735. 5 Vgl. Η. E. Lona, Die dem Apologeten Athenagoras zugeschriebene Schrift „De Resurrectione Mortuorum" 566-569. 226 Vgl. Η. E. Lona, Ps.Justin „De Resurrectione" 717-723. 22

§ 7 Die Epistula Apostolorum

89

6. Jesus Christus, der Arzt {EpAp 21 [32]). Vgl. Ps.Justin, De Res. (II Fr.) Z.35f/S.248227. 7. Der Vergleich mit den Engeln im Himmel (EpAp i9[3o]). Vgl. Justin, Dial. 81,4; Ps.Justin, De Res. Z.101-104/S.220-222; Tertullian, De Res. 36,6f; 62,4; Methodius, De Res. 17,3 49,1. Die thematischen Berührungspunkten sind ohne Zweifel vorhanden, aber man gewinnt nicht den Eindruck, der Verfasser könne „nur mit einigen lapidaren Sätzen auf den Streit der Meinungen eingehen", wie C . S C H M I D T meinte. Eine Auseinandersetzung im Sinne der zitierten Apologeten darf man dem Text nicht anhängen. Man bräuchte nur irgendwelches gemeinsame Thema nehmen und seine Behandlung in der EpAp und bei den anderen Autoren vergleichen, um festzustellen, daß die Atmosphäre jeweils eine andere ist. Die Fragen sind schon da, aber die Blickrichtung der EpAp orientiert sich an der Gemeinde: sie bedingt die literarische Form, die Art der Auseinandersetzung mit den Gegnern, die Bezugnahme auf die Meinung der anderen, die Sprache überhaupt. Aber gerade durch diese Eigentümlichkeit markiert die EpAp in der Auferstehungsfrage die Nahtstelle zwischen der ältesten christlichen Literatur und den Apologeten. Die Datierung um 150 entspricht genau dieser Rolle.

Zusammenfassung ι. Die EpAp bekennt sich eindeutig zur Auferstehung des Fleisches, auch wenn die Formel noch keinen kanonischen Wert hat. 2. Das Bekenntnis ist christologisch begründet: Die Fleischwerdung des Erlösers und die fleischliche Verfassung des Auferstandenen bei seinen Erscheinungen vor den Jüngern bürgen fiir die Wahrheit des Bekenntnisses. 3. Der „sarx"-Begriff bezeichnet manchmal den ganzen Menschen. Von größerer Bedeutung ist die Verwendung des Begriffes zur Bezeichnung der menschlichen Leiblichkeit im Rahmen einer anthropologischen Überlegung, bei der das vergängliche Wesen des Fleisches durch die Macht Gottes gerettet wird. 4. Die Notwendigkeit der Auferstehung des Fleisches wird auch durch das Gerichtsargument auf der Grundlage einer „Geist-Seele-Fleisch"-Anthropologie untermauert. 5. Geläufige Themen der Auferstehungsapologetik treten in der EpAp auf, aber die Schrift gehört nicht in den geistigen Raum der christlichen Apologeten. Der konkrete Anlaß sind Kontroversen innerhalb der Gemeinde. Auf eine gnostisch beeinflußte Infragestellung der Christologie und der traditionellen Escha-

227

Es geht hier um den Titel „Arzt" im Zusammenhang mit der Auferstehungshoffnung.

90

§ 7 Die Epistula Apostolorum

tologie antwortet der Verfasser mit der Autorität der Botschaft des Auferstandenen.

§ 8 Justin In Dial. 80,5 legt Justin ein eindeutiges Bekenntnis zur künftigen Auferstehung des Fleisches und zur chiliastischen Hoffnung ab: ... και σαρκός ά ν ά σ τ α σ ι ν γενήσεσθαι έπιστάμεβα και χίλια έτη έν 'Ιερουσαλήμ οίκοδομτϊόείστ) και κοσμηθείση και πλατύνόείστ). Mit dieser Aussage antwortet er auf die Frage von Thrypho, ob die Christen an den Wiederaufbau von Jerusalem und an die eschatologische Sammlung der Gläubigen dort wirklich glauben (Dial. 8o,i). Zugleich distanziert sich Justin von der Meinung anderer Christen, welche u.a. die Auferstehung der Toten leugnen, und eine himmlische Seligkeit unmittelbar nach dem Tod erwarten (Dial. 80,4). Die Schwierigkeit, die Bedeutung dieses Bekenntnisses fur unsere Fragestellung herauszustellen, kommt hauptsächlich von den anthropologischen und eschatologischen Anschauungen Justins her, die sich schwer damit in Einklang bringen lassen. Es ist nicht nur die umstrittene Frage nach den philosophischen und theologischen Strömungen, die das Denken Justin beeinflussen, welche die Bestimmung seiner eigenen Position erschwert. Auch sein eigentümliches Verhältnis zu den von ihm übernommenen Traditionen spielt eine Rolle. Es geht sicherlich zu weit, Justin einen unkritischen Umgang mit der Tradition vorzuwerfern, wie es E. R. GOODENOUGH tut 228 , aber das Problem darf nicht übersehen bzw. durch ein harmonisierendes Verfahren gelöst werden. Um dieser Schwierigkeit Rechnung zu tragen, gehen wir in einem ersten Schritt auf das Menschenbild Justins ein. Die Analyse seiner Begrifflichkeit wird sodann erlauben, das oben zitierte Bekenntnis in seinen Sprachhorizont einzuordnen, um schließlich seine Bedeutung herauszustellen.

228 Vgl. tiers.. The Theology of Justin; Martyr 291: „One of the chief values of a study of Justin's eschatology is the testimony it bears to the completely uncritical character of his thinking ... If Justin could be thus uncritical in his use of tradition in this his most important doctrine, it can only be explained on the grounds that his was an inferior mind, and that to him the Christian life was immeasurably more important that its explanations or theology". Die Arbeit von A. O. Wieland, Die Eschatologie Justins, trägt zur Lösung des Problems recht wenig bei. Der analytische Teil (102-148) ist dürftig.

§ 8 Justin

92

I. Z u r Anthropologie Justins Die Anthropologie Justins läßt das Geprägtsein von der griechischen Philosophie vielfach erkennen. Das heißt jedoch nicht, daß das Menschenbild Justins eindeutig von einer der philosophischen Strömungen des Hellenismus her erklärt werden kann 1 2 9 . Zum einen war die zeitgenössische Philosophie stark synkretistisch, so daß eine genaue Bestimmung schon von der Quellenlage her problematisch ist (der so oft in diesem Zusammenhang erwähnte Mittelplatonismus bildet keine einheitliche Größe). Z u m anderen ist der Einfluß des hellenistischen Judentums und der judenchristlichen Tradition zu berücksichtigen, denen sich der Christ Justin verpflichtet fühlt. Schließlich bleibt zu bedenken, daß die Apologien und der Dialog mit Trypho Verteidigungs- und Propagandaschriften sind, die den gleichen Sachverhalt manchmal aus verschiedenen Perspektiven behandeln und manche Akzente je nach den Adressaten anders setzen.

ι.

Die Eigenart des menschlichen Leibes

Die Einleitung zum Dialog wird mit Recht als eine Schlüsselstelle zum Verständnis des Menschenbildes Justins und seines Verhältnisses zum Piatonismus angesehen 230 . Drei Dinge sind dabei zu beachten: i. Das Gespräch Justins mit dem Alten ist in den Dialog mit dem Juden Trypho eingebettet, und dieser ist eine literarische Fiktion nach dem klassischen Modell des philosophischen Gesprächs. Die literarische Form warnt vor einer biographischen Auslegung des Textes, als würde Justin hier die Geschichte seiner Bekehrung zum Christentum erzählen. Daß in Dial. 3,1-7,2 biographische Elemente enthalten sind, darf zwar nicht von vornherein ausgeschlossen werden, aber sie sind eigens zu ermitteln, und nicht durch eine biographische Auslegung stillschweigend vorauszusetzen; 2. Ebenso durch den literarischen Charakter des Textes bedingt, bleibt offen, ob das erzählerische Ich die Meinung Justins vor seiner Bekehrung wiedergibt 231 ; 22

9

Vgl. C. Andresen, Justin und der mittlere Piatonismus; L. W. Barnard, Justin Martyr

33-382

3° W. Schmid, Frühe Apologetik und Piatonismus; N. Hyldahl, Philosophie und Christentum; /. C. M. van Winden, An Early Christian Philosopher; ders., Le portrait; R. Joly, Christianisme et Philosophie; ders., Notes pour le Moyen Platonisme; C. J. de Vogel, Problems Concerning Justin Martyr. 231 In seiner Besprechung von C. Andresen, Logos und Nomos, schreibt H. DÖRRIE dazu: „Nun hat sich Justin hier nicht die Aufgabe gestellt, in der Haltung des Beichtenden seine Irrungen aufzuzeigen (nur dann dürfte man hoffen, daß Justin ohne Abschwächung aufzeichnet, was er vor der Bekehrung dachte). Ein Vergleich mit den Confessiones Augustins muß von der

§ 8 Justin

93

3. Die fiktive Gestalt des Alten verkörpert den Lehrer der Wahrheit, die durch den Dialog den Gesprächpartner in die Aporie treibt und ihn somit zur Wahrheitsfindung und -annahme fuhrt. Einen Einstieg in die Problematik bietet die Erörterung der Frage nach den menschlichen Möglichkeiten und Bedigungen fur die Gottesschau in Dial. 4. Der Alte stellt die Frage, ob die menschliche Vernunft (Nous) dafür eine solche Kraft besitzt oder ob sie, erst mit dem Heiligen Geist 2 ' 2 ausgestattet, Gott schauen wird (Dial. 4,1). Die Antwort Justins 2 " bejaht die erste Möglichkeit und begründet dies in der Verwandtschaft der Seele mit Gott und in ihrer Sehnsucht nach der Gottesschau (vgl. Phaed. 6je-66a; Resp. 509b). Die anschließende Frage des Alten scheint die Antwort Justins zu bestätigen. Er fragt nämlich nach dem Charakter dieser Verwandtschaft der Seele zu Gott. Wenn die Seele Teil der königlichen Vernunft ist, dann ergäbe sich daraus eine Analogie: So wie jene Vernunft Gott schaut, so wird es fur die menschliche Vernunft möglich sein, Gott zu schauen und so die Glückseligkeit zu erreichen (Dial. 4,2) 2 ' 4 . Aber die Zustimmung ist, wie der weitere Verlauf des Gesprächs zeigt, nur vordergründig. Anspielend auf die Lehre von der Seelenwanderung, fragt der Alte weiter, ob die menschliche Seele von einer Art ist, die sich von der Seele eines Pferdes und eines Esels unterscheidet. Im Sinne der Seelenwanderung verneint Justin diese Unterscheidung. Wenn die Seelen jedoch in ihrer Beschaffenheit gleich bleiben werden, stellt sich daher unvermeidbar die Frage, ob auch ein Pferd und ein Esel Gott schauen werden (Dial. 4,3). Hier muß Justin eine erste Korrektur an der zuvor erreichten Übereinstimmung anbringen: Nicht viele Menschen werden zur Schau Gottes gelangen; sie wird nur dem zuteil, der rechtschaffen und tugendhaft lebt. Die Verwandtschaft der Seele mit Gott ist also nicht die Voraussetzung für die Gottesschau, sondern die Lebensführung 235 . Aber auch diese Korrektur wirft eine neue Frage des Alten auf: T u n Ziegen und Schafe irgendwelches Unrecht? Nach dem zuvor vorgetragenen Argument müßten die Tiere also auch zur Gottesschau kommen (Dial. 6,4). Das wird aber von Justin verneint mit dem Hinweis, daß bei den Tieren der Körper ein Hindernis dafür ist. Darauf bemerkt der Alte,

Hand gewiesen werden; nicht auf das Selbstzeugnis kommt es im Dialog an, sondern auf den Nachweis, daß vom Piatonismus zum Christentum nur ein kleiner, unerheblicher Schritt zu tun ist" (Gn. 29 [1957] 185-196, hier 189F). 2 2 3 Die Anspielung auf den Heiligen Geist als nicht ursprünglich zu streichen, wie das N. HYLDAHL tut (a.a.O. 192), ist unbegründet. Vgl. dazu die Kritik von J. C. M. van Winden, An Early Christian Philosopher 7of. 2 " Wir sprechen von Justin im Sinne der zweiten Vorbemerkung oben. 2 '4 Zum philosophischen Hintergrund vgl. /. C. M. van Winden, ebd. 75-78. 2 '5 Justin verwirft das Motiv von der Verwandtschaft mit Gott nicht ganz. Es taucht in II Ap. 13,3 auf, um die Erkenntnis der Wahrheit bei vorchristüchen Zeugen zu erklären. Vgl. E. des Places, Syngeneia 185F; /. H. Waszink, Bemerkungen zum Einfluß des Piatonismus 427.

94

§ 8 Justin

daß, w e n n die T i e r e sprechen könnten, u m so mehr den menschlichen L e i b beschimpfen würden. N a c h N . HYLDAHL wird hier behauptet, daß der M e n s c h , abgesehen v o n der G a b e der Sprache, sich in keiner W e i s e v o r den T i e r e n auszeichnet. Folglich: „ W e n n die K ö r p e r der T i e r e sie daran hindern, G o t t zu erkennen, hindert der K ö r p e r des M e n s c h e n nicht weniger diesen an einer Gotteserkenntnis" 2 3 6 . J . C . M . VAN WINDEN sieht im G e d a n k e n g a n g eine „deductio ad a b s u r d u m " (auch N . HYLDAHL): „It must be clear to everyone that such an argument per se reveals nothing about the opinion of him w h o employs i t " 2 ' 7 . D i e nächste Frage des Alten scheint aber eine Aussage über den menschlichen L e i b anzudeuten, die v o n diesen Autoren übersehen wird. E r fragt, ob die Seele G o t t sieht, wenn sie in einem Leib ist, oder erst dann, w e n n sie sich v o n ihm getrennt hat. Justin antwortet: , A u c h während sie in der Gestalt eines M e n s c h e n ist, ist ihr möglich, durch die V e r n u n f t ( N o u s ) dies zu erreichen. A b e r besonders, w e n n sie sich v o m K ö r p e r getrennt hat und f ü r sich allein ist, erreicht sie dies, wonach sie sich die ganze Z e i t gesehnt hat". D i e Aussage n i m m t zwar a u f Phaed. 66e-6jz

Bezug, betont aber die Möglichkeit der Gottesschau f u r die

Seele auch in V e r b i n d u n g mit dem Leib in einer F o r m , die von der Platostelle, die sich a u f die Erkenntnis der W a h r h e i t bezieht u n d nicht spezifisch a u f die Gottesschau, beachtlich abweicht. D e n n in dieser ist nur von einer A n n ä h r u n g zur Erkenntnis die Rede, die v o m M a ß der Distanz zum Leib abhängt 2 ' 8 . Es ist wahr, daß die Frage des Alten ein neues A r g u m e n t gegen die Seelenwanderung einführt, aber die in ihr und in der A n t w o r t beinhaltete Aussage an sich ist nicht ohne Z u s a m m e n h a n g mit 4,3. In beiden Texten geht es um die Gottesschau. B e i den Tieren bedeutet der K ö r p e r ein Hindernis dazu. Bei den M e n schen nicht 2 ' 9 . D e r Unterschied gründet aber nicht in der Materialität des K ö r pers; nach dem Kontext müßte man sogar sagen: auch nicht in der Beschaffenheit der Seele (nur das Sprachvermögen wird als unterscheidendes E l e m e n t erw ä h n t ) 2 4 0 . Es gibt also ein Proprium des menschlichen Leibes, das ihn auszeichnet und von dem eines Tieres unterscheidet. A n dieser Stelle wird der G e d a n k e nicht weiter entfaltet, aber die A n d e u t u n g ist bedeutsam. Dial. 40,1 dürfte die passende Ergänzung dazu lieferen. Im R a h m e n einer typologischen Erklärung

' A.a.O. 197. '7 A.a.O. 82. 2'® „Denn wenn es nicht möglich ist, mit dem Leibe irgend etwas rein zu erkennen, so können wir nur eines von beiden, entweder niemals zum Verständnis gelangen oder nach dem Tode. Denn alsdann wird die Seele für sich allein sein, abgesondert vom Leibe, vorher aber nicht. Und solange wir leben, werden wir, wie sich zeigt, nur dann dem Erkennen am nächsten sein, wenn wir soweit wie möglich nichts mit dem Leibe zu schaffen noch gemein haben, was nicht höchst nötig ist, und wenn wir mit seiner Natur uns nicht anfüllen, sondern uns von ihm rein halten, bis der Gott selbst uns befreit". Übersetzung nach F. Schleiermacher. 2 '9 Die Auslegung von N. HYLDAHL geht hier am Text vorbei (a.a.O. 197). 240 Vgl. A. Orbe, La definición del hombre 533-537. 2 6 2

§ 8 Justin

95

des Paschalammes sagt Justin über die Bildung des ersten Menschen: οτν γαρ το π λ ά σ μ α , ö επλασεν ό ΰ ε ό ς τον 'Αδάμ, οίκος έγένετο τ ο ϋ έμφυσήματος τοΰ π α ρ ά τ ο ϋ ιΐεοϋ. D e r T e x t spielt auf G e n 2,7 an: καν ε π λ α σ ε ν ό -θεός τον άνόρωπον χ ο υ ν άπό της γης καν ένεφύσησεν εις το πρόσωπον α ϋ τ ο ϋ πνοήν ζωής, καν έγένετο ό άνθρωπος ενς ψ υ χ ή ν ζώσαν. Der von Gott selber gebildete menschliche Leib ist die W o h n u n g des Geistes 241 . Diese einzigartige T a t Gottes verleiht dem menschlichen Leib eine Qualität, die keinem Leib der anderen körperlichen Lebewesen eignet 242 . Ebenfalls schöpfungstheologisch begründet ist ein weiteres Argument bezüglich des besonderen Wertes des menschlichen Leibes. Zwar finden sich keine ausdrücklichen Zitate, dennoch läßt sich nachweisen, daß Justin das Thema der Ebenbildlichkeit Gottes (Gen i,26f) mit der Erzählung von der Bildung des menschlichen Leibes verbindet (Gen 2,7) und im Leib das A b b i l d Gottes sieht 243 . Die entscheidende Stelle ist Dial. 62,1-3. Nach dem Zitat von Gen 1,2628 in Dial. 62,1 wird die Frage nach der Bedeutung von πονήσωμεν eröaert. Justin weist die Meinung zurück, das πονήσωμεν sei auf die Elemente, d.h. auf die Erde und auf das andere zu beziehen, aus dem der Mensch geschaffen wurde (Dial. 62,ζ) 1 4 4 . Auch in diesem Zusammenhang lehnt er die Auflösung ab, der menschliche Leib sei von den Engeln erschaffen worden. Das πονήσωμεν ist ein W o r t des Vaters an den Logos (Dial. 61,2; 62,3.4); aber die angekündigte Handlung ist keine andere als die Bildung des menschlichen Leibes, in dem sich das Abbild Gottes verwirklicht. Die Verbindung von Gen i,26f und Gen 2,7 wird in der urchristlichen Literatur nach Justin häufig zur Kennzeichnung eines Menschenbildes verwendet, zu dem die Leiblichkeit — einige Autoren werden sie mit „Fleisch" bezeichnen — als wesentliche Komponente gehört 245 . Die Bedeutung des menschlichen Leibes findet einen weiteren Ausdruck bei den Texten, die im Sinne der christlichen Überlieferung von der eschatologischen Einheit von Leib und Seele sprechen: Die Bösen werden mit Leib und Seele eine ewige Strafe erleiden (I Ap. 8,4). So wird auch das W o r t Lk i2,4f in I Ap. 19,7 verstanden: V o r dem soll man sich fürchten, der Seele und Leib in die Gehenna werfen kann. Für G o t t ist es nicht unmöglich, die aufgelösten menschlichen Leiber, die wie Samen über die Erde zerstreut sind, auferstehen zu

241

Das M o t i v k o m m t vom hellenistischen Judentum her. V g l . Weish 15,11: . . . κ α ι τον

έ μ π ν ε ύ σ α ν τ α α ύ τ ώ ψ υ χ ή ν ε ν ε ρ γ ο ύ σ α ν κ α ι έ μ φ υ σ ή σ α ν τ α π ν ε ύ μ α ζωτικόΜ Philo, O p . 135: δ ένεφύσησεν, οΰδεν ή ν έτερον ή π ν ε ύ μ α ι3ειον. N o c h wichtiger ist die Aussage über den Leib in O p . 137: D e r Leib ist W o h n u n g (οίκος) und heiliger T e m p e l (νεώς ιερός) der vernünftigen Seele. Die Aussage erläutert die W i r k u n g des göttlichen Hauches auf den menschlichen Leib nach G e n 2,7 ( O p . 134). Darüber ausführlicher später. 242

Das T h e m a des Geistes ist damit nicht erschöpft, aber hier genügt diese Feststellung.

243

In der altchristlichen Literatur werden G e n 1,26 und G e n 2,7 z u m erstenmal in

I C l e m 33,4f gemeinsam ausgelegt. 244

Ähnliche Überlegungen auch bei Philo, O p . 75; C o n f . 169-179; Fug. 68-72; M u t . 31.

245

So z.B. Ps.Justin und Irenäus.

96

§ 8 Justin

lassen und sie mit Unsterblichkeit zu überkleiden (I Ap. 19,4; vgl. 18,6). Nach I Ap. 52,3 wird Christus bei seiner glorreichen Ankunft die Leiber aller Menschen auferwecken (vgl. Dial. 69,7). Diesen Texten liegt eine Leib-Seele-Anthropologie zugrunde: Wenn die Seele den Leib verläßt, existiert der Mensch nicht mehr (Dial. 6,2: καταλείπει ή ψ υ χ ή το σώμα και ό άνθρωπος ουκ έστιν). Es besteht kein Anlaß zur Annahme, daß Justin bei diesen Texten seine Ansicht über die Beschaffenheit des menschlichen Leibes, besonders über den in ihm wohnenden Geist Gottes, revidiert. Aber es ist sicherlich kein Zufall, wenn solche Aussagen nicht in einer Schrift wie der Apologie, die an eine breitere Öffentlichkeit gerichtet ist, vorkommen, sondern im Dialog mit Trypho, in dem Justin seine Verbundenheit mit der judenchristlichen Uberlieferung am besten zeigen kann. Der Wert des menschlichen Leibes wird von Justin in einer Art gewürdigt, die von der judenchristlichen Tradition und nicht von der Philosophie des Platonismus geprägt ist. Auch wenn er dabei keinen expliziten Bezug zur Auferstehungsfrage herstellt, so wird dadurch doch eine unerläßliche Voraussetzungen für die Annahme des Auferstehungsglaubens bereitgestellt.

2.

Sterblichkeit und Unsterblichkeit der Seele

Das Ergebnis der Diskussion über die Seelenwanderung (Dial. 4,2-7) rechtfertigt die anschließende Feststellung des Alten, daß die Philosophen darüber nichts wissen und auch nicht sagen können, was die Seele ist (Dial. 5,1). Die Feststellung leitet einen neuen Zug im Gespräch über die Unsterblichkeit der Seele ein. Die Argumentation baut auf der Parallelität zwischen der Beschaffenheit des Kosmos und der Seele auf 1 4 6 . Wenn die Welt als gezeugt gilt, dann auch die Seele, und infolgedessen ist sie auch nicht unsterblich. Dazu bringt der Alte eine Unterscheidung ein: Auch wenn alle Seelen sterblich sind, bedeutet dies nicht, daß alle Seelen tatsächlich sterben werden. Das wäre ein (ungerechtes) Glück für die Bösen 247 . Es verhält sich so: Die Seelen der Frommen werden in einem besseren Ort bleiben, die ungerechten und bösen Seelen hingegen in einem schlechteren, und dort werden sie auf die Zeit des Gerichts warten. So werden die Seelen, die Gottes würdig erschienen sind, nicht mehr sterben. Die anderen werden bestraft, solange es Gott will (Dial. 5,3). Der Zusammenhang und die Gemeinsamkeit mit Tim. 41b werden von Justin in Dial. 5,4 ausdrücklich erwähnt: „Was du sagst, ist dann wie das, was Plato in ^ Diese Parallele ist durch Tim. 40F, worauf an dieser Stelle angespielt wird, vorgegeben. Freilich läßt Justin den kosmologischen Aspekt unberücksichtigt. Vgl. ]. C. M. van Winden,, a.a.O. 86. H7 Vgl. I Ap. 18,1; Phaed. 107c.

§ 8 Justin

97

Timaeus über die Welt andeutet, daß diese zwar vergänglich ist, indem sie geworden ist, aber daß sie weder aufgelöst noch dem Los des Todes kraft des göttlichen Willens anheimfallen wird?" 2 4 8 Dem folgt eine weitere Überlegung, die die Gegensatzpaare „Ungezeugt-Unvergänglich" bzw. „Gezeugt-Vergänglich" näher erläutert 249 . D a die Prädikate „Ungezeugt-Unvergänglich" nur auf G o t t zutreffen 2 5 0 , ergibt sich daraus, daß alles andere Gezeugte auch vergänglich 1st 251 . Die Anfälligkeit und Torheiten der Seele beweisen, daß sie nicht ungezeugt ist. Hingegen haftet dem Ungezeugten der Charakter der Vollkommenheit und daher auch die notwendige Einmaligkeit an 2 5 2 . Ungezeugt kann also nur Einer sein, der zugleich die Ursache aller Gezeugten ist 253 . A m Ende von Dial. 5,6 stellt Justin eine Frage, die das Gesagte mit der Lehre Piatos und Pythagoras' in Beziehung setzt: „Ist dies dann Plato und Pythagoras geblieben, weisen Männern, die fur uns wie zu einer Mauer und zu einem Stützpunkt der Philosophie wurden?". 254 So wie die Frage lautet, läßt sie nur eine positive Antwort erwarten, etwa: Ja, daß es nur einen Ungezeugten gibt, und daß die Seele von Natur aus sterblich ist, ist Plato und Pythagoras entgangen. Der Alte aber gibt darauf keine eindeutige Antwort. Ihn interessiert nicht, was Plato, Pythagoras und alle anderen gemeint haben (Dial. 6,i) 2 5 5 . „ M i t der Wahrheit verhält es sich so: D u kannst sie lernen aus dem (was ich sage)" 2 5 6 . D i e Formulierung bringt den Anspruch des chrisdichen Glaubens zum Ausdruck, die Wahrheit zu besitzen, aber sie steht nicht im Widerspruch zur Lehre der Hauptvertreter der griechischen Philosophie. Auf jeden Fall vermeidet der Verfasser sorgfältig an dieser Stelle, irgendwelchen Gegensatz hervorzuheben. Beachtet man die Argumentation in Dial. 5,4-6,2, läßt sich zwischen der Meinung des Alten und dem, was in dem unmittelbaren Kontext als Lehre des Platonis-

248 Dial. 5,4: άρα τοιούτον έστιν δ λέγεις, ο\ον και Πλάτων έν Τιμα'ιω αίνίσσεται περί του κόσμου, λέγων ότι αύτός μεν και φθαρτός έστιν Τ| γέγονεν, ού λυθήσεται δε ούδέ τεύξ& ται θανάτου μοίρας δια την βούλησιν τού θεού; 249 Es ist nach wie vor umstritten, ob der Abschnitt 5,4-6 im Ganzen als Aussage Justins zu verstehen ist, oder ob der Alte in 5,4b (δσα γαρ έστι...) bzw. in 5,5 das Wort führt. Eine Entscheidung diesbezüglich hat keine Tragweite fur unsere Fragestellung. Vgl. die Argumente bei N. HyUahl, a.a.O. 207-209;/. C. M. van Winden, a.a.O. 94f; R. Joly, Christianisme et Philosophie 52f. 250 Dial. 5,4: μόνος γαρ άγέννητος και άφθαρτος ό θεός και δια τούτο θεός έστιν. 251 Dial. 5·4: δέ λοιπά πάντα μετά τούτον γεννητά και φθαρτά. 252 Dial. 5»sf: τ ° ϊ ά ρ άγέννητον τω άγεννήτω δμοιόν έστι και ίσον και ταύτόν ... δθεν ούδέ πολλά έστι τα άγέννητα. 253 ... και τοϋτο φήσεις απάντων αίτιον. 254 Dial. 5)6: ειτα ελαθε, φημί εγώ, Πλάτωνα και Πυθαγόραν, σοφούς άνδρας, οι ώπερ τείχος ήμίν και έρεισμα φιλοσοφίας έξεγένοντο; (das ταύτα mit J. C. M.

VAN WINDEN ergänzt).

Dial. 6,1: ουδέν έμοί, έφη, μέλει Πλάτωνος ούδέ Πυθαγόρου ούδέ άπλως ούδενός δλως τοιαύτα δοξάζοντος. 256 Dial. 6,1: το γαρ αληθές ούτως εχεν μάθοις δ' άν έντεϋθεν. 255

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mus vorgetragen wurde — abgesehen von der Seelenwanderung — , kein unvermeidlicher Gegensatz feststellen. Denn seine Aussage über die Sterblichkeit der Seele in Dial. 6,ι ist nichts anderes als eine Anwendung des Platozitates in 5,4 257 , die den kosmologischen Aspekt aber beiseite läßt und daraus eine Konsequenz fiir das Verständnis der Seele zieht, die so wahrscheinlich kein Platoniker hätte ziehen können und wollen. Die Seele ist nicht das Leben, behauptet er, sondern sie hat das Leben 258 , und das impliziert die Teilhabe am Leben, das eigentlich nur Gott ist 259 . So wie im Anschluß an Tim. 4iab behauptet wurde, daß der Kosmos, obschon vergänglich, kraft des Willens Gottes (δια την βούλησιν του ιΐεοϋ) nicht aufgelöst wird (Dial. 5,4), so wird hier betont, daß die Seele, obwohl sie nicht das Leben an sich ist, sondern nur Anteil am Leben hat, dennoch lebt, weil Gott es will (έπεν ζην αυτήν ό ύεός βούλεται). Der Argumentationsschluß Dial. 6,2 heißt: „So wie der Mensch nicht immer existiert, noch der Leib mit der Seele für immer verbunden ist, sondern, wenn diese Harmonie aufgelöst werden muß, die Seele den Leib verläßt und der Mensch nicht mehr existiert, so auch, wenn die Seele nicht mehr existieren soll, entfernt sich von ihr der lebendige Geist und die Seele existiert nicht mehr, sondern kehrt dorthin zurück, wovon sie genommen wurde" 2 0 0 . Implizit wird hier ein stufenartiges Abhängigkeitsverhältnis aufgestellt: So wie für den Leib die Seele das Lebensprinzip ist, so der lebendige Geist für die Seele. Bemerkenswert in der Argumentation ist jedoch die Betonung der menschlichen Einheit. Denn, daß der Leib von der Seele so abhängt, wird nicht ausdrücklich behauptet. Es steht nur, daß, wenn die Seele den Leib verläßt, der Mensch nicht mehr existiert. Das heißt aber, daß das Leben des Menschen von der lebenspendenden Präsenz der Seele im Leib abhängt. Die Seele allein ist nicht der Mensch. Die Analyse über die Eigenart des menschlichen Leibes zeigte, daß Justin in diesem Punkt eine Tradition weitergibt, die im Kreise des hellenistischen Judentums entstanden ist. Der menschliche Leib ist das Werk der göttlichen „plasis", in der der Heilige Geist wohnt. Daher eignet ihm eine Einzigartigkeit, die ihn von den anderen Körpern unterscheidet. In Dial. 6,if erscheint der Geist als Lebensprinzip der Seele in einer Art von trichotomistischer Anthropologie: Der 2 57 C . J. DE VOGEL sieht in diesem Text eine Ablehnung der Lehre Piatos: „... yet he saw quite well that in some things Plato was wrong, in particular in admitting that immortality is natural an inherent in the soul of men instead of depending on the will of God". Vgl. dies.. Problems Concerning Justin Martyr 362.381. Man m ü ß t e aber hinzufügen, Justin lehnt die Lehre Platos ab mit Argumenten, die er im Werk Piatos selber findet. 2 5® Das Argument beruht auf dem Vergleich mit dem jede Bewegung verursachenden Unbewegten. Wäre die Seele das Leben selber, würde sie nicht in die Reihe der Lebenden hineingehören. 2 59 εί δε ζτ), ού ζωή ο ύ σ α ζη, ά λ λ α μ ε τ α λ α μ β ά ν ο υ σ α της ζωής.

Dial. 6,2: ά λ λ α ώπερ άνόρωπος ού δ ι α παντός έστιν ούδέ σ ύ ν ε σ τ ι ν αεί τη ψ υ χ ή τό σωμοί, ά λ λ , δ τ α ν δέη λυΟήναι την άρμονίαν ταύτην, κ α τ α λ ε ί π ε ι ή ψ υ χ ή το σ ώ μ α κοίι ό ά ν θ ρ ω π ο ς ουκ έστιν, οϋτως καί, δ τ α ν δέη την ψ υ χ η ν μηκέτι είναι, άπέστη άπ α ύ τ η ς το ζωτικόν π ν ε ύ μ α κοίι ούκ εστίν ή ψ υ χ ή έτι, ά λ λ α κ α ι α ύ τ ή 6ι3εν έλήφιΐη έκέίσε χωρεί πάλιν.

§ 8 Justin

99

M e n s c h ist Leib und Seele, aber zur lebendigen Seele gehört unbedingt der lebendige und sogleich lebenspendende Geist.

3.

D e r philosophische Hintergrund

A u c h wenn mit unserer T h e m a t i k nicht unmittelbar verbunden, ergeben sich aus dem soeben besprochenen Abschnitt einige Fragen, die nicht unberücksichtigt bleiben sollen. E s geht vor allem u m die Frage nach dem Verhältnis Justins zur griechischen Philosophie, konkreter zum Piatonismus 2 6 1 . D i e A n t w o r t auf diese Frage verlangt zuerst die Bestimmung des Traditionshintergrundes in der Beweisführung Justins. D i e Folgerichtigkeit der A r g u m e n t a t i o n beruht a u f zwei Grundaussagen: ι. das A x i o m ά γ έ ν ν η τ ο ς = ά φ ύ α ρ τ ο ς = θ ε ό ς und seine Kehrseite: π ά ν τ α γ ε ν ν η τ ά κοά φ ΰ α ρ τ ά ; 2. die Seele hängt zum Leben von ζωτικόν π ν ε ύ μ α ab. In beiden Fällen lassen sich Parallelen aus verschiedenen philosophischen Richtungen heranziehen, die aber m . E . nur bei einem A u t o r oft und eindeutig belegt sind: Philo von Alexandrien 2 0 2 .

Als Beispiel für zwei entgegengesetzte Beurteilungen über diese Frage können C. ANDRESEN und N . HYLDAHL erwähnt werden. Nach einer kurzen Übersicht über Dial. 5,5F behauptet C. ANDRESEN: „Justins Urteile decken sich mit denen des Mittleren Piatonismus, wenn er seinen pythagoreischen Lehrer so günstig beurteilt". Vgl. den., Justin und der Mittelplatonismus 322. Nach N. HYLDAHL zeigt die Analyse von Dial. 5-6, daß die Lehre des Alten „ein Fremdkörper in Justins Schriften und Lehre ist. Justin legt nicht die Lehre dar, um die Unsterblichkeit der Seele zu bestreiten, sondern um den Piatonismus abzulehnen ... Hiermit ist der Piatonismus ad absurdum geführt" (a.a.O. 215). „Justins Christentumsauffassung vom Mittleren Piatonismus her erklären zu wollen, ist völlig verfehlt. Von dorther könnte man eher erklären, warum sich Justin von dem Mittleren Piatonismus lossagte. Der Mittlere Piatonismus in weitestem Umfang — d.h. der nicht schulmäßige Piatonismus, für den es kein direktes Zeugnis gibt — hat seiner eigenen Zeit und damit auch Justin seinen Stempel aufgedrückt. Bei Justin aber wurde die griechische Philosophie durch das Christentum zu einer relativen Größe, und wenn es so erscheint, als ob Justin sich nicht vom Einfluß und von der Denkweise des Piatonismus frei machte, hängt das entweder zusammen mit Justins Rücksichtnahme auf seine Leser oder mit der Notwendigkeit, sich einer philosophischen Terminologie zu bedienen, die in ihrer neuen Anwendung bei der Begegnung der Philosophie mit dem Christentum jedoch eine ganz neue Bedeutung erhielt" (ebd. 292). 261 Die Ansicht ist alles andere als neu. Auch J . C. M. VAN WINDEN führt die Argumentation in Dial. 6,if auf den Einfluß Philos zurück. Leider beschränkt er sich in der Begründung auf einen kurzen Hinweis auf den Aufsatz von H. A. Wolfion, „Plato's Pre-existent Matter in Patristic Philosophy" (in: L. Wallach [Hg.], The Classical Tradition [FS H. Caplan], Ithaca, New York 1966, 409-420), ohne dabei einen einzigen Text Philos anzugeben. Auch R. JOLY kritisiert diesen Aspekt und stellt die Stichhaltigkeit der Beweisführung in Frage: „En réalité la construction de Wolfson est fort fragile" (Christianisme et Philosophie 71). Offenbar ist ihm die Tragweite des philonischen Denkens und Einflusses auf die apologetische Tradition völlig entgangen. In einem später erschienenen Aufsatz (Notes pour le Moyen Platonisme) zitiert er einen

ΙΟΟ

§ 8 Justin

Philo macht sich das a n o n y m überlieferte W o r t zu eigen: τό τοι γ ε ν ό μ ε ν ο ν κατ-θανειν ο φ ε ί λ ε τ α ι und formuliert so ein im griechischen D e n k e n fest verankertes Prinzip: έπεται μεν γ α ρ τώ γ ε ν ο μ έ ν ω δ ι ά λ υ σ ι ς , άφ-θαρσία δ ε τ ω ά γ ε ν ή τ ω (Aet. 2 7 ) 2 6 3 . D i e A n w e n d u n g dieses Prinzips wird freilich zu unterschiedlichen Konsequenzen führen je nach dem, was man als ungezeugt u n d unvergänglich definiert: G o t t , die W e l t oder die Seele. In seiner Schrift über die U n vergänglichkeit der W e l t scheint Philo sich um den Nachweis zu bemühen, daß die W e l t ά γ έ ν η τ ο ς 2 6 4 κ α ι ά φ θ α ρ τ ο ς ist (Aet. 1 0 . 2 0 . 6 0 . 7 5 ·93) 2 6 5 . Diese Ansicht w i r d andernorts in seinen Schriften einer gründlichen Kritik unterzogen (vgl. O p . 7 . 9 . 1 7 1 ; S o m n . II 283; C o n f . 1 1 4 ) 2 6 6 . W e n n er weiter auch die φ ύ σ ι ς als ά γ έ ν η τ ο ς κ α ι ά φ θ α ρ τ ο ς bezeichnet, macht er damit eine bildliche Aussage über die N a t u r als den alles umfassenden Lebensraum (Sacr. 98-100: vgl. S o m n . I 9 4 ; II 234). D i e Prädikation ά γ έ ν η τ ο ς κ α ι ά φ θ α ρ τ ο ς wird sonst vor allem auf G o t t b e z o g e n 2 6 7 . Als ά γ έ ν η τ ο ς ist G o t t auch der Schöpfer (Cher. 4 4 ; G i g . 4 2 ; I m m . 56; Plant. 31). H i e r ist für den Juden Philo der A n k n ü p f u n g s p u n k t dafür, vieles aus dem G e d a n k e n g u t der griechischen Philosophie — tonischen T i m a e u s —

insbesondere des pla-

mit dem biblischen Schöpfungsgedanken zu verbin-

den 2 6 8 . D a die Entstehung zugleich der A n f a n g des Vergehens 1st 2 6 9 , bleibt der B e stand der S c h ö p f u n g auf die erhaltende Kraft des Schöpfers angewiesen. G e n a u die von Justin erwähnte Stelle T i m . 4ia.b wird von Philo oft als A r g u m e n t dafür

Text aus dem kaum bekannten Iuncus als Parallele. Verglichen mit dem Ausmaß der philonischen Zeugnisse ist die Parallele irrelevant. 26 3 Zur alten philosophischen Tradition vgl. Parmenides, Fr. 8 {Diets I 235); Melissos, Fr. 2 (Diels I 268f ) usw. Zu Plato, von dem Philo bei seiner Aussage abhängt, vgl. Tim. 52a; Resp. VIII 546a; über die Seele: Phaed. 88b; 95b.e; ioób.c.e; Phaedr. 245c-256a (... άρχή δε άγένητον ... έπειδή δε άγένητόν έστιν, και άδιάφόορον αΰτό ανάγκη είναι); Aristoteles, Phys. Γ IV 203 b: ετι δε και άγένητον και άφιίαρτον ώς άρχή τις ούσα· τό τε γαρ γενόμενον α ν ά γ κ η τέλος λαβείν, και τελευτή πάσης έστι φθοράς. 264 Z u άγέννητος und άγένητος vgl. J. Lebreton, Α Γ Ε Ν Ν Η Τ Ο Σ 433 f· 265 Die Echtheit der Schrift wird heute allgemein angenommen. Umstritten bleibt, ob sie eine Jugendschrift ist, die eine Meinung wiedergibt, von der sich Philo später distanziert hat, oder ob die Argumentation über die Unvergänglichkeit der Welt die Stellungnahme anderer darlegt. Im angekündigten aber nicht überlieferten Teil hätte sich Philo damit auseinandergesetzt. Zur gegenwärtigen Diskussion vgl. D. T. Runia, Philo von Alexandria and the Timaeus 394-396. 266 Beachtenswert ist die Tatsache, daß schon ,De aeternitate mundi' die Ansicht Piatos und Moses erwähnt, die Welt sei entstanden, aber unvergänglich durch den Willen Gottes. 267

Vgl. Sacr . 63.101; Gig. 15; Jos. 265; Her. 14; All. I $1; III 31; VitMos. II 171; LegGai. 118. ό άγένετος ist göttliches Prädikat (vgl. Sacr. 57.66; Det. 158; Post. 63). Der Index von LEISEGANG bringt ca. 30 Stellen als Beleg. 268 Die Bedeutung des Timaeus für diese Frage und für das Denken Philos überhaupt hat die umfassende Arbeit von D. T . RUNIA überzeugend dargelegt (s.o. Anm. 265). 269 v g l . Decal. 58: γένεσις δέ φΐ>οράς άρχή. Vgl. auch SpecLeg. II 166; Fug. 161.

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ιοί

herangezogen, daß die Welt zwar geschaffen, aber unvergänglich 1st 1 7 0 . Bekanntlich hat auch Attikos die gleiche Meinung vertreten (Attikos, Fr. 4,7.11.15). Es handelt sich bei beiden Autoren um ein wörtliches Verständnis des Timaeus, das sich im Falle Philos um so näher legt, da es mit dem biblischen Bericht — nach seinem Verständnis — grundsätzlich übereinstimmt. Wo der Schöpfungsgedanke sich so deutlich herausstellt — alles Geschaffene ist vergänglich und hängt in seinem Fortbestand vom Willen des Schöpfers ab — , wird die Endlichkeit zum konstitutiven Zug der Schöpfung. Natürlich zieht Philo daraus nicht die Konsequenz, die der Alte in Dial. 6,1 zieht, daß nämlich dann auch die Seele einfachhin sterblich ist. Unter Verwendung eines drei- bzw. zweiteiligen Schemas unterscheidet er — treu der platonischen Lehre — den unsterblichen von dem sterblichen Teil der Seele 27 '. Der unsterbliche Teil (ψυχή λογική, νους) hat einen göttlichen Ursprung und wird als solcher -θειος bzw. το θείον bezeichnet (All. II 95; Her. 84 272 ). Entscheidend für den Nachweis des philonischen Einflusses auf die Aussage über den lebendigen Geist in Dial. 6,if ist die Exegese Philos von Gen 2,7. Die Einhauchung des göttlichen Geistes — aus dem göttlichen Wesen (Op. 135; SpecLeg. IV 123) — in die irdische Substanz erklärt, warum der Mensch in seinem sichtbaren Teil sterblich, in seinem unsichtbaren Teil unsterblich ist: ύνητόν μεν κατά το σώμα, κατά δέ τήν διάνοιαν ά ό ά ν α τ ο ν (Op. 134ft v g'· Her. j6f). Der menschliche νους wäre erdhaft und vergänglich, hätte Gott ihm nicht diese δΰναμις όληιΐινής ζωής eingehaucht (All. I 32). So findet eine Vereinigung (ένωσις) der drei statt: des einhauchenden Gottes, des empfangenden menschlichen νους, und des eingehauchten Geistes (πνεύμα) (All. I 37). Nur so kann die Seele Gott erkennen (All. 138), denn ihre Speise ist nicht irdisch, sondern himmlisch (All. III 161; vgl. Somn. 134O. Unsterblichkeit und geistige Kraft der Seele gelten nicht als „Eigenschaften" der Seele an sich, sondern gehen auf die Einhauchung des göttlichen Geistes zurück. Daraus ergibt sich auch der besondere Wert des menschlichen Leibes: Er ist die Wohnung bzw. der heilige Tempel der λογική ψ υ χ ή , der das Abbild Gottes trägt (Op. 137) 273 . Gewiß sind diese Aussagen nicht als Beispiel fur eine biblisch fundierte Anthropologie aufgrund von Gen 2,7 zu verstehen. Die biblische Stelle liefert nur 270

Vgl. die Texte bei D. T. Runia, Philo von Alexandria and the Timaeus 232-242. Das dreiteilige Schema (vgl. All. I 70; III 114-116; SpecLeg. 1146.148; IV 92-94) orientiert sich an Tim. 69e-7ia (vgl. auch Resp. IV 439c-44lb). Die Scheidung nach einem vernünfigten und einem unvernünftigen Teil der Seele, in der sich die ganze Spannung der menschlichen Seele in ihrem leiblichen Gefängnis widerspiegelt, entspricht dem Kern der platonischen Seelenlehre (typisch dazu das Gleichnis vom Aufstieg der Seele in Phaedr. 246a-d). Bei Philo ist das Motiv öfters belegt (vgl. All. II 22-24.44^50.60-63 usw.). Vgl. D. T. Runia, a.a.O. 299-311. 2 2 7 Zu anderen Texten Philos und zum platonischen Hintergrund vgl. D. T. Runia, ebd. 271

331-334· 273

Vgl. Dial. 40,1. S.o. Anm. 241.

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den Beweis fur eine weitere Übereinstimmung der mosaischen Lehre mit dem philosophischen Denken, und hierzu gab es genügend Anknüpfungspunkte 274 . Was uns in diesem Zusammenhang interessiert, ist die durch die Vielfalt der platonischen Texte gegebene Möglichkeit, auch diese Lehre als Teil des breiten Lehrgebäudes des Piatonismus anzuführen. Ein Text wie Tim. 9oa-d war für diese Funktion hervorragend geeignet: Die vernünftige Seele wurde von Gott als ein δαίμων jedem gegeben, so daß der Mensch kein irdisches, sondern ein himmlisches Gewächs ist. Die göttliche Herkunft: der Seele gewährleistet auch hier ihre Unsterblichkeit und die Erkenntnis der göttlichen Gedanken 275 . Die Konsequenzen aus der vorstehenden Analyse für die Bestimmung der traditionellen Prägung in Dial. 5,4-6,2 und für das Verhältnis Justins zum Platonismus lassen sich so zusammenfassen: ι. Die Optik, aus der heraus Justin Plato liest und versteht, scheint bei den Fragen, die in diesem Zusammenhang zur Diskussion standen, stark durch die Plato-Rezeption des hellenistischen Judentums — vertreten durch Philo von Alexandrien — beeinflußt zu sein 276 . So erklärt sich sowohl die maßgebende Rolle des Timaeus in der Gedankenführung als auch die Übereinstimmung mit philosophischen Themen unter Wahrung einer biblischen Grundlage. 2. Betrachtet man die Seelenlehre des Alten unter diesen hermeneutischen Voraussetzungen, bleibt festzustellen, daß sie eine herkömmlich platonische Unsterblichkeitslehre widerlegt, ohne jedoch den Boden des Piatonismus zu verlassen: Die Argumente für diese Widerlegung stammten schließlich aus dem Timaeus selber! Der gebildete christliche Leser wurde dadurch in die Lage versetzt, eine scheinbar unüberbrückbare Distanz zwischen Christentum und Platonismus zu überwinden. Sehr wahrscheinlich hätte kein Platoniker eine ähnliche „Relecture" mitvollziehen können, aber sie war möglich und vertretbar. 3. Justin geht es nicht darum, einen Gegensatz zum Piatonismus herauszuarbeiten 277 , sondern er müht sich um dessen Überbietung in der Form einer Verdeutlichung und Vervollkommnung. Was der Alte sagt, ist in Timaeus zwar enthalten, aber merkwürdigerweise scheint eben dieser Inhalt den alten Philosophen verborgen geblieben zu sein. Im Grunde geht es hier um die bekannte Be274 Vgl. z.B. die Parallelen aus den Stoikern in Op. 135 und All. I 33f in der deutschen Philo—Ausgabe von L. Cohn. Der stoische Einfluß ist in der Exegese von Gen 2,7 an manchen Stellen offenkundig. Vgl. Plant. 18-20: Her. 56; Somn. I 34; SpecLeg. IV123. 275 276

Vgl. D. T. Runia, a.a.O. 334-338.

Der Versuch von L. W. BARNARD, den Einfluß von Philo auf Justin auf ein Minimum zu reduzieren, ist mehr als fraglich. Vgl. den., Justin Martyr 92-96; ders., Art., Apologetik, in: T R E 2, 371-441, hier 377Í. Vgl. die Kritik von C. ]. de Vogel Problems Concerning Justin Martyr 368-370. 277 Nach R. JoLY hat Justin im Prolog versucht, Piatonismus und Christentum einander gegenüberzustellen, um sich in der römischen Gemeinde zu rechtfertigen. Der platonische Einfluß bei ihm sei so stark gewesen, daß die Gegenüberstellung nicht ganz gelungen ist. Vgl. ders., Christianisme et Philosophie yif. Die Erklärung kann sich schwerlich auf den Text Justins berufen.

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103

urteilung der Philosophie, die man in II Ap. 13,2 lesen kann: ούχ öti αλλότρια έστι τά Πλάτωνος διδάγματα του Χριστού, άλλ' οτι ουκ έστι πάντα δμοια

II. Der „sarx"-Begriff Die oben skizzierte Anthropologie Justins läßt keinen Raum für den „sarx"-Begriff als bestimmende Komponente des menschlichen Daseins bzw. seiner Befindlichkeit in der Welt. Der folgende Überblick über den Sprachgebrauch von „sarx" bei Justin soll nun die eigenartige Stellung des Bekenntnisses zur Auferstehung des Fleisches in Dial. 80,5 im Rahmen seiner Begrifflichkeit hervorheben2?8. Justin verwendet den „sarx"-Begriff oft in Wendungen, die von der biblischen Überlieferung geprägt sind: ι. Die Beschneidung: περιτομή κατά σάρκα (Dial. 16,2; 18,2; 19,4; 23,1; 43,2); σαρκική (Dial. 18,3; 23,5); έπι τη σαρκί (Dial. 12,3); έν σαρκί (Dial. 16,3); περι την σάρκα (Dial. 92>3)· Vgl. auch Dial. 10,ι; 19,3· Es gibt auch eine άκροβυστία της σαρκός (Dial. 19,3; 92,4). 2. Die Abstammung: κατά σάρκα (Dial. 43.7; 44>Γ> ΐ4°> 2 )· Nach Dial. 135,6 gibt es eine Abstammung έξ αίματος και σαρκός 2 7 9 , der eine andere έκ πίστεως και πνεύματος gegenübersteht. 5. Zitate aus dem Alten Testament: Jes 66,24 (Dial. 44,3; 130,2; 140,3); Joel 2,29 (Dial. 87,6). 4. Das Fleisch des menschlichen Leibes: Nach Dial. 14,1 gibt es eine nutzlose Taufe, da sie nur Fleisch und Leib reinigt (ö την σάρκα και μόνον τό σώμα φαιδρύνει). Im Gegensatz dazu ergeht die Aufforderung: βαπτίσΰητε τήν ψυχήν άπο όργής ... και ίδού τό σώμα καΰαρόν έστι (Dial. 14,2)280. — Das Aussehen des Fleisches (σχήμα μεν το τής σαρκός) ist bei Mann und Frau jeweils anders (Dial. 23,5). In beiden Texten meint σάρξ das Äußerliche bzw. die Gestalt des menschlichen Leibes, ohne eine besondere Qualifizierung. 5. Der Fleischgewordene: Dial. 48,1 beginnt mit der kritischen Bemerkung Tryphos, der Gedanke an einen in göttlicher Gestalt präexistenten Christus, der dann ohne menschliche Herkunft Mensch wird (ούκ άνθρωπος έξ άνθρωπου), sei nicht nur sonderbar, sondern auch unsinnig. In seiner Antwort gesteht Justin 278 279

Vgl. Η. E. Lona, Ps.Juscin „De Resurrectione" 75of. Es entspricht dem Hebräischen Oll "IB3D, als Bezeichnung der menschlichen Her-

kunft. 280 In der Gegenüberstellung von Seele und Fleisch drückt sich der Gegensatz zwischen dem innerlichen bzw. tieferen und dem rein äußerlichen Sinn aus. Den von Trypho repräsentierten Juden, denen dieser Sinn entgangen ist, wirft Justin vor, sie haben die Stelle σαρκικώς verstanden.

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(Dial. 48,2), daß er die Präexistenz des Gottessohnes und seine menschliche Geburt aus der Jungfrau nicht beweisen kann (έάν άποδείξαι μή δύνωμαι) 28 '. Dennoch betrachtet er als erwiesen282, daß Christus präexistent war und γεννη•ΰήναι άνθρωπος όμοιοπαϋης ήμίν, σάρκα εχων, κατά την τοϋ πατρός βουλήν ΰπέμεινεν (Dial. 48.3)183· Die Menschwerdung, worauf schon die menschliche Geburt allgemein hinweist, wird durch das folgende όμοιοπαϋής ήμιν, σάρκα έχων präzisiert. Beide Aspekte ergänzen sich gegenseitig. Der Erlöser ist „uns gleichartig" geworden2®4, indem er Fleisch hatte. Όμοιοπαΐ>ής hat auch in Dial. 57,3 und II Ap. 10,8 den gleichen Sinn, obwohl der Grund für die Gleichartigkeit nicht explizit angegeben wird. Erhellend ist Dial. 93,3. Justin bestimmt hier, wer fxir den Menschen der Nächste sei: πλησίον δε άνθρωπου ουδέν άλλο έστιν ή το όμοιοπαΰές και λογικόν ζώον, ό άνθρωπος. Es ist die einzige Stelle bei Justin, in der der Mensch als λογικόν ζώον definiert wird. Aufàllend ist die Tatsache, daß die Leiblichkeit des Menschen nicht allein durch das ζώον ausgedrückt wird, sondern auch durch das όμοιοπαθές. Die Gleichartigkeit der Menschen untereinander hat etwas Spezifisches an sich, das mit der Beschaffenheit des menschlichen Leibes zu tun hat285. Die Erklärung dafür dürfte die im Rahmen der anthropologischen Anschauungen Justins dargelegte Auffassung von der Einwohnung des Heiligen Geistes im menschlichen Leib sein. Όμοιοπαι3ής bezeichnet also die spezifische Gleichartigkeit der Menschen aufgrund der einmaligen „plasis" des menschlichen Leibes. Das gleiche gilt für den fleischgewordenen Logos. Justin zitiert Joh 1,14 nie ausdrücklich. Aber wenn er in I Ap. 32,10 vom Logos spricht, der σαρκοποιηφέις286 άνθρωπος γέγονεν, läßt sich der Einfluß von Joh 1,14 — auf welchen Weg auch immer — m.E. nicht bestreiten. 6. Fkischwerdung und sakramentale Gegenwart: Die Nahrung, die die Gläubigen ευχαριστία nennen, ist kein gewöhnliches Brot und kein gewöhnlicher Trank (I Ap. 66,if). Wie Jesus Christus Fleisch geworden ist und Fleisch und Blut angenommen hat287, so ist diese Nahrung Fleisch und Blut des fleischgewordenen Jesus, aus der sich das Fleisch und das Blut der Gläubigen, durch eine Verwandlung (κατά μεταβολήν), ernähren. Die Deutung der eucharistischen Zeichen erinnert an IgnPhld 4; IgnRöm 7,3; IgnSm 7,1, und dürfte in die Tra2 1

Das hatte Thrypho schon behauptet: παράδοξος τις yáp ποτε και μή δυνάμενος

δλως άποδειχιΐήναι δοκει μοι είναι (Dial. 48,1). 282

Die inhaltliche Spannung ist auch in der Formulierung unübersehbar. Einerseits

steht: ά λ λ ' έκ παντός άποδεικνυμένου ότι οΰτος έστιν ό Χριστός ό τοϋ ιΐεοϋ. Andererseits bleibt: έ ά ν δε μή άποδεικνΰω. 28

'

Das „Ertragen" der Fleischwerdung (mit σαρκοποιτγθέις) kommt auch in Dial. 45,4;

100,2 vor. Vgl. Barn 5,6. 284

Im N T vgl. Jak 5,17; Apg 14,15.

28

Vgl.

5

A. Orbe, La definición del hombre

537.

286

Vgl. auch Dial. 84,2.

28

σαρκοποιηΟέις ... και σάρκα και αιμα ύπερ σωτηρίας ήμών εσχεν.

7

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ditionslinie von Joh 6,510-58 gehören. D a ß Justin hier eben diese Tradition wiedergibt, zeigt sich nicht zuletzt durch die nur in diesem Zusammenhang so ausgeprägte Begrifflichkeit. Er überliefert die Worte Jesu: τοϋτ' έστι το σ ώ μ ά μου (I Α ρ . 66,3), aber in der Deutung ist nur von σ ά ρ ξ die Rede (I Ap. 66,2). Das hindert ihn jedoch nicht, in einem anderen Kontext, aber auch im Zusammenhang mit der Eucharistie — das verheißene Brot nach Jes 33,13-19 deutet Dial. 70,4 auf das eucharistitische Brot — , von σωματοποιήσασόαι und nicht von Fleischwerdung zu sprechen. Der Überblick über den Sprachgebrauch von „sarx" bei Justin zeigt, daß der Begriff nirgends in Zusammenhang mit der Auferstehungshoffnung gebracht wird. Das Ergebnis ist an sich nicht überraschend, wenn man sich die Grundstruktur der Anthropologie Justins vergegenwärtigt. D a ß der Begriff im Rahmen der Christologie und einer bestimmten eucharistischen Tradition häufiger verwendet wird, läßt das Gewicht der urchristlichen Überlieferung erkennen, das sich aber nicht auf die Anthropologie auswirkt.

III. A u f e r s t e h u n g des Fleisches u n d chiliastische H o f f n u n g Dial. 80-82 bildet eine kleine thematische Einheit, in der die Frage der christlichen H o f f n u n g erörtert wird. Die einleitende Frage Tryphos weist auf eine besondere Problematik hin. Er fragt nämlich, ob die Christen wirklich an den Wiederaufbau Jerusalems und an die eschatologische Versammlung der Gläubigen samt Patriarchen und Propheten mit Christus glauben, oder ob Justin zu einem solchen Bekenntnis Zuflucht genommen hat, um sich in der Auseinandersetzung durchzusetzen (Dial. 80,1). Schon aus der Sicht des Fragenden scheint eine stark jüdisch geprägte „konkrete" endzeitliche Erwartung nicht von allen Christen geteilt worden zu sein. Die Antwort Justins bestätigt diesen Eindruck. Er beteuert zwar, daß dies auch die Meinung von vielen anderen Christen ist (έγώ μεν κ α ι ά λ λ ο ι πολλοί τ α ύ τ α φρονούμεν), muß aber zugleich zugeben, daß es auch viele Anhänger der reinen und frommen Lehre gibt, die diese Anschauung nicht teilen (Dial. 80,2). Davon zu unterscheiden sind die gottlosen Häretiker, die, obwohl sie auch Christen genannt werden 288 , eine durch und durch blasphemische und gottlose Lehre vortragen (Dial. 80,3). Trypho soll nicht als echte Christen diejenigen betrachten, die sich zu dieser konkreten H o f f n u n g nicht bekennen, den Gott der Väter lästern und die Auferstehung der T o t e n leugnen, indem sie behaupten, ihre Seele werde gleich nach dem T o d in den Himmel aufgenommen werden (Dial. 80,4). 288 Justin spielt hier auf Dial. 35,2. Er hat dort dem Trypho klar gemacht, daß die Häretiker sich als Christen ausgeben werden. Vgl. A. Orbe; Adversarios anónimos I2f.

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Das Bekenntnis Justins lautet (Dial. 80,5): έγώ δέ, και ει τινές είσιν òptìαγνώμονες κατά πάντα Χριστιανοί, κάι σαρκός ά ν ά σ τ α σ ι ν γ ε ν ή σ ε σ ό α ι έπνστάμεΌα κοά χίλια ετη έν Ιερουσαλήμ οίκοδομη-όείση και κοσμηόείση κάι πλατυνθείση. Von diesem Bekenntnis her lassen sich im Zusammenhang mit der Gestalt der eschatologischen Hoffnung drei Gruppen unterscheiden: 1. die erste Gruppe, zu der Justin und viele andere (Dial. 80,z) l S 9 gehören, bilden die Christen, die όρ-ô αγνώμονες κατά πάντα sind. Ihre vollkommene Rechtgläubigkeit zeigt sich im Bekenntnis zur künftigen Auferstehung des Fleisches und zur chiliastischen Hoffnung; 2. die zweite Gruppe bilden die vielen anderen, die sich an der reinen und gottgefälligen Lehre halten, aber das Bekenntnis zur chiliastischen Hoffnung nicht teilen (80,2: πολλούς δ' α ύ και των της καίσαρας κάι ευσεβούς όντων Χριστιανών γνώμης τούτο μη γνωρίζειν ...); 3· die dritte Gruppe sind die Häretiker, die κατά πάντα βλάσφημα κάι ά θ ε α κάι άνόητα διδάσκουσιν (Dial. 80,3). Ihre Lehre wird als blasphemisch, gottlos und unsinnig bezeichnet, weil sie nicht nur die chiliastische Hoffnung ablehnen, sondern darüber hinaus den Gott des A T lästern (80,4) 290 . Es ist sehr wahrscheinlich, daß Justin die Gestalt Markions vor Augen hat 29 '. Nicht nur die Lästerung des alttestamentlichen Gottes weist darauf hin. Markion hat auch die Auferstehung der Toten geleugnet und dafür die himmlische Seligkeit der Seele als menschliche Vollendung vertreten 292 . Bekenntnis zur Auferstehung des Fleisches und chiliastische Hoffnung erscheinen in Dial. 80,5 gemeinsam, aber sie gehören nicht unbedingt zusammen. Justin unterscheidet eben eine Gruppe von orthodoxen Christen, die nur die chiliastische Hoffnung ablehnt. Er selber vertritt in anderen Texten diese Form der Hoffnung, ohne die Auferstehung des Fleisches zu erwähnen (vgl. Dial. 85,7; 113,3-5; ii9.5f; ΐ39»4θ· In Dial. 40,4 handelt es sich um eine Andeutung, aber der Sinn ist der gleiche. Dennoch besteht ein sachlicher Zusammenhang zwischen den beiden, auch wenn er nicht ausdrücklich thematisiert wird. Der Konkretheit der chiliastischen Hoffnung entspricht nämlich die ebenso konkrete Vorstellung von der Auferstehung des Fleisches. Eine bedenkliche Spiritualisierung der Hoffnung setzt nach Justin schon bei der Ablehnung des Chiliasmus an; sie verläßt eindeutig die gemeinsame Glaubensgrundlage, wenn sie nur an der himmlischen Seligkeit der Seele festhält und die Auferstehung des Leibes preisgibt. Das Bekenntnis in Dial. 80,5 stellt sich einer solchen Spiritualisierung entgegen. Es liegt auf der Hand, daß Dial. 80,5 traditionsgeschichtlich von Offb 20,4f abhängt. Justin versteht die Stelle durchaus wörtlich. Der Seher Johannes be-

2



291

Die Formulierung in 80,5 ist vorsichtiger: κ α ι έί τινές ε ί σ ι ν . . . So ist das κ α ι τοϋτο μή ό μ ο λ ο γ ο ϋ σ ι ν i n 80,4 zu verstehen. Vgl. I Αρ. 26,j; 58,1; Dial. 35,6.

292 So der Bericht Tertullian in Adv.Mar. V 10,3 (Marcion enim in totum carnis resurrectionem n o n admittens et soli animae salutem repromittens ...). Vgl. A. von Harnack, Marcion 177 A n m . 2.

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merkt, daß es sich bei der tausendjährigen Herrschaft der Gläubigen mit dem Auferstandenen um die erste Auferstehung handelt. Von einer zweiten Auferstehung ist in der Offenbarung nachher nicht mehr die Rede. Über die Blutzeugen hat der zweite T o d allerdings keine Macht mehr (Offb 20,6). Die zweite Auferstehung, diesmal universal gedacht, wird aber in der Schilderung des Gerichts über die Toten mit dem anschließenden Sieg über den T o d (Offb 20,11-15) vorausgesetzt. Justin geht ausdrücklich in Dial. 81,4 auf Offb 20,4-6 ein. Der Seher verkündete, daß die Gläubigen tausend Jahre in Jerusalem verbringen werden. Erst danach (και μετά ταύτα) geschieht die allgemeine, fur eine ewige Zeit, alle Menschen umfassende Auferstehung und das Gericht (την και3ολικήν και ... αίων ί α ν όμούυμαδόν ά μ α πάντων ά ν ά σ τ α σ ι ν γενήσεσβαι και κρίσιν). Von dieser „endgültigen" Auferstehung gilt das Wort des Herrn: „Sie werden weder heiraten noch geheiratet werden, sondern sie werden wie Engel sein, Kinder Gottes, da sie an der Auferstehung teil haben 293 ". Das Zitat hebt die Erhabenheit der Auferstandenen hervor, die jedes materialistische Verständnis ihrer leiblichen Qualität ausschließt. Aber dies charakterisiert den Zustand der Auferstandenen bei der „endgültigen" Auferstehung. Für die Periode der irdischen tausendjährigen Herrschaft im neuen Jerusalem gilt die άνάστασις σαρκός im Sinne von Dial. 80,5. Justin legt offenbar keinen Wert auf eine derartige Periodisierung in der Auferstehungsvorstellung, aber einige Stellen lassen sich in dieser Richtung verstehen 294 . Dial. 113,4: Christus wird den Gläubigen nach der heiligen Auferstehung einen ewigen Besitz geben (ό δε μετά την ά γ ί α ν ά ν ά σ τ α σ ι ν αΐώνιον ήμιν την κ α τ ά σ χ ε σ ι ν δώσει). Die heilige Auferstehung wäre nach der Auferstehung des Fleisches der ewige Besitz der Vollendung. Nach Dial. 113,5 wird der auferstandene Herr in Jerusalem ewiges Licht ausstrahlen (vgl. Jes 60,20). Nach Dial. 119,5 werden die Gläubigen das heilige Land erben und das ewige Erbe empfangen. Ähnlich in Dial. 139,4f. Auch in Dial. 40,4 geschieht die eschatologische Belohnung der Gläubigen in Jerusalem. Wenn diese Auslegung richtig ist, darf man keinen Gegensatz zwischen der chiliastischen Hoffnung und der angeblichen Meinung Justins aufbauen, „that the new Jerusalem will be an immediate, spiritual, eternal land or inheritance" 295 . All die Stellen, in denen Jerusalem als Ort der eschatologischen Vollendung vorkommt, sind als Ausdruck der chiliastischen Hoffnung aufzufassen 296 . 2

93

ούτε γ α μ ή σ ο υ σ ι ν ούτε γαμηόήσονται, ά λ λ α ίσάγγελοι έσονται, τέκνα του ι3εοΰ

της αναστάσεως δντες. Der Text folgt grundsätzlich Lk 20,35F. 294

Schon OTTO macht diese Unterscheidung: „Duas admittit Iustinus resurrectiones,

quarum priorem vocat ά γ ί α ν , posteriorem vero αίωνίαν. Inter utramque autem collocatum est tempus regni mille annorum" (I/2 402f Anm. 9). So eindeutig ist der Sachverhalt nicht, aber der Unterschied zwischen ά γ ί α ν und αίωνίαν ist wichtig. 2

95

So L.

W. Barnard,

Justin Martyr's Eschatology 94. V o r ihm ähnlich E. R.

Good-

enough, T h e Theology of Justin Martyr 285. Die Gefahr, Justin zu unterschätzen, vor der H .

ιο8

§ 8 Justin

Zwischen der άνάστασις σαρκός und der καθολική και αιωνία άνάστασις dürfte m.E. kein qualitativer Unterschied bestehen. Es ist kennzeichnend, wenn der Ausdruck δευτέρα ά ν ά σ τ α σ ι ς bei Justin — wie schon vorher beim Seher Johannes — nicht nur niemals vorkommt, sondern darüber hinaus der Zustand der eschatologischen Vollendung öfters allgemein durch α φ θ α ρ σ ί α und α θ α ν α σ ί α charakterisiert wird 2 9 7 . Die zeitliche Periodisierung beabsichtigt nicht, Spekulationen über Vollendungsstufen anzustellen, an deren Ende die vollkommene Unvergänglichkeit und Unsterblichkeit stünde, sondern sie dient der Darstellung einer „konkreten" Eschatologie, bei der die Belohnung der Gläubigen in den Vordergrund rückt. Natürlich spielen auch andere Elemente eine Rolle mit: Sofern die chiliastische Hoffnung mit dem Wiederaufbau von Jerusalem rechnet — als eschatologische Tat Gottes —, drückt sie den christlichen Anspruch aus, das wahre Israel der Endzeit zu verkörpern. Ferner hebt sie aufs höchste die Kontinuität von Geschichte und Eschaton hervor. Wenn so viel von irdischer Hoffnung — besonders als Ausgleich zur trostlosen Situation der Gegenwart — in den Inhalt der eschatologischen Vollendung hineingenommen wird, spiegelt sich darin die Lage einer Gruppe wider, die am Rande der Gesellschaft, angefochten und verfolgt, jederzeit mit dem Tod rechnet 298 . Ähnlich wie in der Offenbarung des Johannes bilden Verfolgung und Martyrium den Erfahrungshintergrund fur den Entwurf einer „konkreten" Eschatologie 2 ". Der Tod Justins bestätigt schließlich den Ernst seiner Eschatologie. Dem Bericht seiner Hinrichtung liegt mit Sicherheit ein römisches Protokoll zugrunde. In ihm wird von der mit einem leichten spöttischen Unterton gestellten Frage des Präfekts Rustikus an Justin berichtet, ob dieser annehme, nach seinem Tod in den Himmel aufzusteigen, um dort einen Lohn zu empfangen. Die Antwort

CHADWICK gewarnt hat, wird durch diese Art der Beurteilung bestätigt. Vgl. dm., Early Christian Thought 20. M.M.n. ist die Eschatologie Justins weit konsequenter und stimmiger, als manche Kritiker es wahrhaben wollen. Vgl. auch G. Kretschmar, Auferstehung des Fleisches 131: „Aber die Aussagen sind doch nicht völlig disparat und der Unterschied ergibt sich je nachdem, ob der Märtyrerphilosoph das Endziel seiner Hoffnung unmittelbar anspricht, oder es durch die künftigen Geschehnisse hindurch wie durch ein Fernrohr hindurch schaut, oder ob er auf diese Zukunft achtet, die im Blick auf das Endziel Zwischenstation ist". An anderen Stellen spricht Justin allgemein von der Belohnung der Gläubigen und der Bestrafung der Bösen. So I Ap. 52,3: Der Herr wird bei seiner glorreichen Ankunft die Leiber aller Menschen auferstehen lassen; die Gerechten wird er mit Unvergänglichkeit bekleiden, die Ungerechten wird er ins ewige Feuer werfen (vgl. auch Dial. 45,4; 121,3). Daß die Auferstehung der Toten bei der Parusie des Herrn stattfinden wird, wird mehrmals behauptet, aber ohne Bezug zu nehmen auf Jerusalem (vgl. Dial. 69,7). 297

Vgl. I Ap. 10,3; 19,4; 39,5; 42,4; 52,3; Dial. 46,7; 69,7; 117,3; 139.SVgl. I Ap. ii.if; 57,2f; II Ap. 12,1; Dial. 96,2; 110,4.6. 299 Vgl. H. E. Lona, „Treu bis zum Tod". Zum Ethos des Martyriums in der Offenbarung des Johannes, in: H. Merklein (Hg.), Neues Testament und Ethik (FS R. Schnackenburg), Freiburg 1989, 442-461, hier 454-460. 298

§ 8 Justin

109

Justins ist eindeutig: „Das nehme ich nicht an, sondern ich weiß es und bin ganz davon überzeugt" (Martjust V 3).

Zusammenfassung ι. Das Bekenntnis zur Auferstehung des Fleisches hebt sich von der anthropologischen Begrifflichkeit Justins ab. Es fehlt auch jeder Versuch, eine sprachliche Verbindungslinie zu schaffen 300 . Obwohl Gen i,26f und Gen 2,7 als Einheit ausgelegt werden, ist der Mensch nicht als „Fleisch" definiert, noch spielt der „sarx"-Begiff irgendwelche Rolle in der Anthropologie Justins. Die Betonung der einmaligen Würde des menschlichen Leibes bedient sich einer anderen Begrifflichkeit. 2. Im Bereich der Eschatologie herrscht das gleiche Bild. Die Auferstehung des Fleisches wird nur im Rahmen der chiliastischen Hoffnung artikuliert. Auffallend ist dabei das Gewicht und der Nachdruck, mit dem Justin diese Art der Hoffnung vertritt, was jedoch in einem Mißverhältnis zur sprachlichen Prägung von der Auferstehung des Fleisches bleibt: sie kommt nur einmal vor (Dial. 80,5). 3. Inhaltlich bedeutet die Auferstehung des Fleisches kein Vorstadium der endgültigen Auferstehung. Sie hebt die Belohnung der Gläubigen und die endgültige Ablösung des ungläubigen Israel durch die Christen unter Bewahrung der heilsgechichtlichen Kontinuität hervor. Das Bekenntnis richtet sich auch gegen die Behauptung einer himmlischen Seligkeit der Seele gleich nach dem Tod. Die polemische Front scheint durch die Lehre Markions gegeben zu sein. 4. Die Rolle des Bekenntnisses zur Auferstehung des Fleisches im Rahmen der Anthropologie und Eschatologie Justins weist auf urchristliches Traditionsgut hin, das er fraglos bejahend übernimmt, ohne es in seine Begrifflichkeit zu integrieren.

3°° G. KRETSCHMAR k o m m t zu einer ganz anderen Beurteilung und Wertung Justins in der Frage der Auferstehung des Fleisches, weil er die Schrift „De Resurrectione" für echt hält. Vgl. ders., Auferstehung des Fleisches 112-114. Dazu s.u. § 11.

§ 9 Tatian In der „Oratio ad Graecos" (= Or.) Tatians gibt es nur eine Anspielung auf die Auferstehung des Fleisches, und zwar im Zusammenhang mit einer Erörterung über die menschliche Seele. In O r . is,i/i6,8-io 301 heißt es: ούτε γ ά ρ ά ν α υ τ ή (d.h. ή ψ υ χ ή ) φανείη ποτέ χωρίς σώματος ούτε ά ν ί σ τ α τ α ι ή σ α ρ ξ χωρίς ψυχής: „Denn niemals könnte die Seele ohne den Leib erscheinen, noch ersteht das Fleisch ohne die Seele a u f " . Nicht grundlos gelten die Anthropologie und Eschatologie Tatians als recht eigentümlich' 02 . Die nicht leichte Aufgabe, die zitierte Aussage in den Rahmen seiner Anthropologie und Eschatologie einzuordnen, ist jedoch unerläßlich, um sie richtig auslegen zu können. Ebenso von Bedeutung ist die Bestimmung seines Standpunktes im Vergleich zu dem seines Lehrers Justin.

I. D i e A n t h r o p o l o g i e ι.

Seele und Geist

Eine durch den Geist des Hellenismus geprägte philosophische Definition des Menschen lehnt Tatian entschieden ab: εστι γαρ άνθρωπος οϋχ, ώσπερ oí κορακόφωνοι δογματίζουσι, ζώον λογικόν νου κ α ι έπιστήμης δεκτικόν (Or. 15,1/ i 6 , i o f ) 3 ° ' : „Denn der Mensch ist nicht, wie die Rabenkrächzer' 0 4 lehren, ein '0I Die erste Angabe erfolgt nach der Teilung in Kapiteln und Paragraphen der Ausgabe von E. J. GOODSPEED, die zweite bezeichnet Seite und Zeile in der neuen kritischen Ausgaben von M. Whittaker, Tatian „Orario ad Graecos". Berücksichtigt wurde auch die Textausgabe mit dem „Index graecus" von E. SCHWARTZ. '°2 Sein vernichtendes Kapitel über Tatian beginnt J. GEFFCKEN mit den Worten: „Daß der Assyrer Tatian einer der schwierigsten Apologeten ist, steht fest" (Zwei griechische Apologeten 103). 3°' J. K. Th. OTTO verweist in seiner Textausgabe (Bd. VI 63 Anm. 3) auf die Stelle bei Sextus Empiricus, Pyrrh.Hypot. II 5: ά λ λ ο ι εφασκον άνβρωπον είναι ζφον λογικόν ϋνητόν, νοϋ και έπιστήμης δεκτικόν. Es ist ein Zitat aus Aristoteles, Top. I33bz: ... ειη άν άνθρωπου ίδιον το ζωον έπιστήμης δεκτικόν. Vgl. auch Ps.Plato, Definitiones 415b. Andere Angaben bei A. Orbe, La definición del hombre 527^ 3°4 Dai recht seltene Wort κορακόφωνος (es erscheint nicht einmal im Lexikon von Liddel—Scott!) ist hier wie in 1,3 eine Beschimpfung. „An die Stelle von Schwänen und Nachtigallen, mit denen die Sophisten sich gerne verglichen, setzt Aristophanes die Schwalben, Tatian

112

§ 9 Tatian

vernünftiges Lebewesen, das dazu fähig ist, Verstehen und Wissen z u empfangen". Diese Definition bringt nach seiner M e i n u n g eben nicht das fur den M e n schen eigentlich Spezifische und ihn von den anderen Lebewesen Unterscheidende zur Sprache. D e n n auch die unvernünftigen Lebewesen besitzen die Fähigkeit, Verstehen und Wissen zu empfangen: δ ε ι χ ι ΐ ή σ ε τ α ι γ ά ρ κ α τ ' α υ τ ο ύ ς κ α ι τ α ά λ ο γ α ν ο ΰ κ α ι έπιστήμης δεκτικά. Läßt sich die oben erwähnte C h a rakterisierung des M e n s c h e n philosophisch einordnen, hebt sich die folgende Aussage über die unvernünftigen Lebewesen, trotz des Anscheins eines Zitats (κατ' α υ τ ο ύ ς ) , eindeutig von der stoischen Lehre ab' 0 5 . W i e im folgenden deutlich wird, handelt es sich in Wirklichkeit u m eine Ansicht, welche die H a n d schrift Tatians trägt. Es wäre zu einfach, weil er τ α ά λ ο γ α fur empfänglich von ν ο υ ς und έ π ι σ τ ή μ η hält, ihm mangelhafte philosophische Schulung vorzuwerfen. W i c h t i g ist nicht so sehr, wie Tatian die philosophische Definition v o m Menschen ablehnt, sondern warum er das tut. Das gibt er unmißverständlich zu erkennen. Bei der Bestimmung seines Menschenbildes folgt Tatian, wenigstens vordergründig, der biblischen Uberlieferung. Deswegen sieht er das Proprium des Menschen nicht in seinem Dasein als vernünftiges Lebewesen, sondern in seiner Wirklichkeit als A b b i l d und Gleichnis Gottes. Als solcher ist er über die Ebene des Menschlichen hinaus zu G o t t selbst gelangt 3 0 6 . D i e Charakterisierung des Menschen aufgrund G e n 1,26 hat zentrale Bedeutung für das Verständnis der Anthropologie Tatians, aber sie ist kein isoliertes Element, sondern steht im engen Z u s a m m e n h a n g mit seinem Gesamtbild von G o t t und seiner Schöpfung 3 0 7 . N a c h O r . 12,1/12,18-21 gibt es zwei Arten von Geist 3 0 8 . D e r eine wird ψ υ χ ή genannt; der andere, größer als die Seele 309 , ist -θεού δε ε ί κ ώ ν κ α ι όμοίωσις. D i e hier genannte Seele ist keine andere als die „Weltseele", das in allen Lebewesen anwesende, lebensspendende Prinzip (Or. ΐ2,4/ΐ3,28-3θ) 3Ι °. D u r c h das W i r k e n dieses „materiellen Geistes" ( O r . 12,3/13,11), wie Tatian ihn nennt, bleibt einer-

die Raben" (R. C. Kukula, Tatians Rede an die Bekenner des Griechentums, in: Frühchrisdiche Apologeten und Märtyrerakten [BKV 12], München 1913,197 Anm. 2). Nach dem Kontext handelt es sich dabei um die Stoiker. 3 °5 Vgl. SVF I 86,37!; II 43,18-20; II 207,7-14; M. Pohlenz, Die Stoa I 85. 306 Or. ij.if/ié,13-16: μόνος δε ό άνθρωπος είκών και όμοίωσις τοϋ θεού, λέγω δε ανόρωπον οΰχι τον όμοια τοις ζωοις πράττοντα, άλλα τον πόρρω μεν της άνθρωπότητος προς αύτον δε τον ι3εόν κεχωρηκότα. 3°7 Vgl. Α. Orbe, La definición 52.5-533308 Vgl. W.-D. Hauschild, Gottes Geist und der Mensch 197-206, der Tatian als Vertreter des syrischen Christentums darstellt. Vgl. auch W. Cramer, Der Geist Gottes und des Menschen 47-58. 3°9 Vgl. Or. 4,2/5,iof: πνεύμα γάρ το δια της ΰλης διήκον, ελαττον υπάρχον τοϋ ιίειο τέρου πνεύματος. 310 Vgl. J. Feuerstein, Die Anthropologie Tatians 26-32.

§ 9 Tatian

113

seits die Transzendenz Gottes gewahrt, andererseits vermag dadurch der weltferne G o t t , der auch Geist ist, in die W e l t hinein gestaltend zu wirken 3 ". N a t ü r l i c h ist diese Seele nicht unsterblich, aber im Fall der menschlichen Seele hat sie die M ö g l i c h k e i t , dem T o d zu entgehen (Or. i3,i/i4,iof) 3 ' 2 · D i e erste Bedingung dafür ist die Erkenntnis der Wahrheit. A b e r diese ist nicht das Entscheidende, sondern die Gemeinschaft ( σ υ ζ υ γ ί α ) mit dem göttlichen Geist, mit der die Erkenntnis der Wahrheit in engem Z u s a m m e n h a n g steht. Das Verhältnis von Seele und Geist im Menschen gestaltet sich als Folge einer ursprünglichen V e r f e h l u n g gegen die Schöpfungsordnung. D e r Logos gilt als der Erstgeborene des Vaters (Or. 5,1/5,23) und zugleich Schöpfer der materiellen W e l t (Or. 5,2f/6,9). Er, der Geist v o m Geist (= Gott) ist, „hat in N a c h a h m u n g des Vaters, der ihn gezeugt, den Menschen z u m A b b i l d der Unsterblichkeit geschaffen, damit dieser, wie die U n Vergänglichkeit bei G o t t ist, ebenso, indem er Anteil an G o t t bekommt, gleichfalls die Unsterblichkeit besitze" (Or. 7,1/7,610) 313 . D a s bedeutet, daß die Unsterblichkeit eine Wesenbestimmung des ersten Menschen war. D e r Mensch war Abbild Gottes, weil er als Abbild des unsterblichen Gottes geschaffen wurde. D i e Übertretung bringt den Verlust der Unsterblichkeit mit sich. V o n der biblischen Erzählung in G e n 3 bleibt nur die Bezeichnung φρονιμώτερος, aber jetzt nicht im Hinblick auf die Schlange (Gen 3,1), sondern a u f den Engel, den Erstgeborenen, dem M e n s c h e n und Engel bei seiner A u f l e h n u n g folgen (Or. 7,2/7,i8-25) 3 ' 4 . D i e Strafe besteht in der Entfernung des stärkeren Geistes aus dem Menschen 3 1 5 . Es war der Geist Gottes, der dem Menschen Anteil an G o t t schenkte und somit auch die Unsterblichkeit. Jetzt ist dem Menschen, der nach dem A b b i l d der Unsterblichkeit Gottes geschaffen wurde, dieses Abbildsein ver-

311 Als reiner Geist durchdringt Gott nicht die Materie, sondern er ist der Schöpfer der materiellen Geister und der Formen, die zu ihr gehören. Or. 4,2/5,26 πνεύμα ό ΐ>εός, οΰ διήκων δια χής ύλης, πνευμάτων δε υλικών και των έν αύτη σχημάτων κατασκευαστής. Die Ablehnung der stoischen Lehre ist eindeutig. Vgl. W. Cramer, Der Geist Gottes 496 312 ούκ εστίν αθάνατος, άνδρες "Ελληνες, ή ψυχή και> έαυτήν, -θνητή δέ· άλλα δυνατός ή αύτή και μη άποΰνήσκειν. Ein Platoniker hätte einen solchen Satz differenziert auslegen können. Sterblich wurden die Seelen teile angesehen, die den affektiven und den instinktiven Bereich bewegen. Unsterblich ist nur die Seele, die das menschliche Ich als geistigen Kern ausmacht. Indem Tatian der Seele den eigentlichen „geistigen" Charakter abspricht, kommt seine Auffassung der Ablehnung des Piatonismus gleich. 313 λόγος γαρ ό επουράνιος πνεύμα γεγονώς άπό του πνεύματος και λόγος έκ λογικής δυνάμεως, κατά την τοϋ γεννήσαντος αυτόν πατρός μίμησιν εικόνα τής αθανασίας τον άνθρωοπον έποίησεν, Ίν', ώσπερ ή άφιίαρσία παρά τω ι3εω, τον αυτόν τρόπον ΐ>εοΰ μοίρας άνθρωπος μεταλαβών εχη και τό άΰάνατον. 3 '4 Tatian folgt auch nicht der in dieser Zeit geläufigen Erklärung vom Fall der Engel nach Gen 6 als Entstehung der bösen Geister. 315 Vgl. Or. 13,2/14,24-28: „Denn die Wohnung des Geistes ist oben, die Herkunft der Seele aber unten. Der Geist war am Anfang der Begleiter der Seele. Aber der Geist verließ sie, als sie ihm nicht folgen wollte".

114

§ 9 Tatian

loren gegangen. Die Stunde der Entstehung der Dämonen ist zugleich die Stunde, in der sich die Macht des Todes des Menschen bemächtigt. Die Gabe des götdichen Geistes, der die Unsterblichkeit verleiht, ist also nicht naturhaft ein für allemal gegeben. Der Mensch, wie die Engel, ist ein freies Wesen, das sich gegen Gott entscheiden kann 3 ' 6 . Tatian hebt sehr deudich das Moment der menschlichen Freiheit hervor, weil er nicht an den idealen Menschen denkt, sondern an den, durch seine freie Entscheidung: άπωλεσεν ήμάς το α ΰ τ ε ξ ο ύ σ ι ο ν δούλοι γεγόναμεν οί έλεύ-όεροι (Or. 11,2/12,140 gefallenen, dem aber auch der Weg der Erlösung angeboten wird. Daraus ergibt sich, daß die einzige Möglichkeit für den Menschen, den T o d zu überwinden, in der Verbindung mit dem göttlichen Geist besteht, so wie es am Anfang war 3 ' 7 . Nicht die Seele rettet den Geist, sondern sie wird von ihm gerettet' 18 . Freilich ist dies auch eine Frage der Entscheidung, und auf diesem Hintergrund kann Tatian behaupten, daß der göttliche Geist nicht mehr bei allen Menschen anwesend ist. Nur bei denen, die einem gerechten Wandel folgen, hält er sich auf und verbindet sich innig mit der Seele. Die Seelen, die der Wahrheit gehorchen, ziehen den verwandten Geist (το πνεύμα σ υ γ γ ε ν έ ς an sich (Or. 13,3/15,1-j) 319 . Eigenartigerweise entsteht die Verwandtschaft zwischen der Seele und dem Geist, wenn diese der Wahrheit gehorcht. Eine trichotomistische Verfaßtheit — Leib, Seele und Geist — ist keine Gabe der Natur, sondern Ergebnis der menschlichen Entscheidung auf der Suche nach der Wahrheit. Hier liegt die Erklärung, weswegen Tatian die Ansicht vertritt, der Mensch, in dem der göttliche Geist nicht wohnt, unterscheide sich von den Tieren nur durch die „artikulierte Stimme", d.h. die Sprache. Der wahre Mensch trägt in sich das Abbild Gottes, sonst bleibt er auf der Stufe der Lebewesen 320 . Mensch zu werden ist die ureigenste Lebensaufgabe des Menschen. Er soll wahrer Mensch werden, d.h. Abbild und Gleichnis Gottes 321 . Dies bedeutet, die ursprüngliche Einheit von Seele und Geist wieder zu erreichen. Die σ υ ζ υ γ ί α mit dem göttlichen Geist (Or. 13,2/14,22; 15,1/16,6) ist das Ziel.

3 317 318

319

Vgl. A. Puech, Recherchers sur le Discours aux Grecs de Tatian, Paris 1903, 66. Or. 13,2/14,26: γέγονεν μεν ούν συνδίαιτον άρχήϋεν τή ψυχή το πνεύμα. Or. 13,1/14,186 ψυχή γαρ ουκ αύτη το πνεύμα έσωσε ν, έσώόη δε ύπ αυτού. Vgl. auch Or. 20,3/23,3-5·

320 Or. 15,3/16,24-27: τοιούτου δε μή δντος του σκηνώματος (sc. του πνεύματος) προύχει των ύηρίων ό άνθρωπος κατά την εναρύρον φωνήν μόνον, τά δε λοιπά της αυτής έκείνοις διαίτης έστίν, ούκ ών όμοίωσις τοϋ ι3εού. Die Wendung εναριΐρος φωνή ist stoischer Herkunft. Vgl. M. Polenz, Die Stoa II 23. 321

Zwischen „Abbild" und „Gleichnis" macht Tatian keinen Unterschied. Vgl. J. Feuerstein, Die Anthropologie Tatians 38; A. Strucker, Die Gottebenbildlichkeit 30; M. Elze, Tatian und seine Theologie 66.

§ 9 Tatian 2.

"5

Seele und Leib bzw. Fleisch

Tatian charakterisiert die Seele als eine komplexe Wirklichkeit, die aus mehreren Teilen besteht. So erklärt er ihr Wirken im ganzen menschlichen Leib 322 , aber auch ihre Bezogenheit auf den götdichen Geist. Sie zeigt sich in der Vielfalt der menschlichen Glieder, so daß eine Wechselwirkung zwischen der materiellen Komplexität und dem lebenspendenden Prinzip zutagetritt. Die Seele ist das umfassende Band des Fleisches (Or. 15,2/16,21: δεσμός δε της σαρκός ψυχή), weil sie seine Vielfalt zusammenhält. Andererseits ist das Fleisch bzw. der Leib in seiner Komplexität buchstäblich der Behälter der Seele (σχετική δέ τής ψυχής ή σάρξ). Das Verhältnis zwischen Leib bzw. Fleisch und Seele ist wesentlich durch den Bezug auf den göttlichen Geist bestimmt. Im Unterschied zu einem herkömmlichen platonischen Ansatz wird die Seele nicht durch die Materialität des Leibes an sich gefährdet' 23 , sondern durch das Wirken der Dämonen, die sich der niederen Materie bedienen, um die Materie des menschlichen Leibes zu bekämpfen 324 . Aber die eigentliche Ursache ist die Trennung des göttlichen Geistes von der Seele. Tatian legt das Wort Joh 1,5: ή σκοτία το φώς ού καταλαμβάνει auf die Lage der Seele hin aus, aus der sich der Geist entfernt hat. Entsprechend seiner Aussageintention dreht er den Satz um, und formuliert: και τό φως την σκοτίαν κατέλαβεν. Wie im johanneischen Prolog ist mit dem Licht der Logos gemeint, mit der Finsternis jedoch nicht der Unglaube, sondern die unwissende Seele (Or. 13,1/14,18-21). Durch die Umkehrung der Aussage kommt zum Ausdruck, daß die Seele von sich aus keine Rettungsmöglichkeit hat. Sie selber ist Finsternis. Der Logos, der in diesem Zusammenhang mit dem göttlichen Geist gleichzusetzen ist325, kann sie mit seinem Licht umfangen, aber dafür muß die Seele ihm gehorchen. Tut sie das nicht, bleibt sie allein, und dies ist ihr Verhängnis: Sie neigt sich nach unten, zur Materie, und stirbt gemeinsam mit dem Fleisch (Or. 13,2/14,216 δια τοϋτο μόνη μεν διαιτωμένη προς τήν ϋλην νεύει κάτω συναποΦνήσκουσα τή σαρκί). Der Fall in die Materie und der T o d der

322 Or. 15,1/16,6-8: ψ υ χ ή μεν ούν ή των ανθρώπων πολυμερής έστι και ού μονομερής, συνόετή γάρ έστιν ώς είναι φανεράν αύτην δια σώματος. 323 Allgemein behauptet Tatian, daß die Materie sich der Seele bemächtigen will (Or. 15,3/17,3: ΰλη δέ της ψυχής κατεξουσιάζειν ήύέλησεν). 324 Vgl. Or.i6,2/i8,2f. Der Mensch kann sich der Materie entziehen, wenn er sich mit dem Panzer des himmlischen Geistes wappnet (Eph 6 , n f ) (Or. 16,2Í/18,3-6). Über dai Einwirken der Dämonen auf den menschlichen Gliedern s. Or. 18,3/20/17-19. Hier beruft sich Tatian auf die Meinung seines Lehrers Justin. 325 Vgl. W. Cramer, Der Geist Gottes und des Menschen 54.

ιι6

§ 9 Tatian

Seele wird nicht durch das Fleisch bzw. den Leib verursacht, sondern durch die Seele selber, die sich vom göttlichen Geist getrennt hat 326 .

3.

Der menschliche Leib und der „sarx"-Begriff

Σώμα und σάρξ verwendet Tatian an manchen Stellen offensichtlich synonym: Or. 13,1/14,12: Or. 13,2/14,2.2: Or. 15,1/16,8-10:

ύνησκει (ή ψυχή) μεν γαρ και λύεται μετά τοϋ σώματος νεύει κάτω (ή ψυχή) συναπαθνήσκουσα τησαρκί ούτε γαρ αν αύτη φανείη (ή ψυχή) ποτέ χωρίς σώματος ούτε άνίσταται ή σόφξ χωρίς ψυχής.

In all diesen Stellen handelt es sich um eschatologische Aussagen, die den Tod der Seele und ihrer Trennung vom Leib bzw. ihre endgültige Gestalt gemeinsam mit dem Leib zur Sprache bringen. Aufs Ganze gesehen scheint die Anthropologie Tatians stärker durch den „sarx"-Begriff geprägt zu sein als durch σώμα. Die entscheidende Stelle hierfür ist Or. 15,2/16,18-21: Or. 15,2/16,18-21: το μεν άσύγκριτον ούδέν έστιν έτερον ή αύτό το ον, το δε συγκρινόμενον ούτι 'έτερον ή το παρόμοιον. άσαρκος μεν ούν ό τέλειος -θεός, άνθρωπος δε σάρξ. Die Stelle steht am Anfang einer Erörterung über die Bedeutung von A b b i l d und Gleichnis Gottes". Unklar dabei ist der Sinn von ά σ ύ γ κ ρ ι τ ο ν . OTTO, P U E S C H , F E U E R S T E I N , K U K U L A , W H I T T A K E R ü b e r s e t z e n es m i t

„unvergleich-

bar" 327 . Rein lexikalisch und vom Kontext her ist eine solche Übersetzung gut begründet. Übersetzt man άσύγκριτον mit „unvergleichbar", hat man einen guten Anschluß an τό παρόμοιον, und zwar im Hinblick auf die Gottebenbildlichkeit des Menschen, deren Erläuterung vom Verfasser angekündigt wurde. So übersetzt KUKULA: „Unvergleichbar ist nur das absolut Seiende (d.i. Gott), vergleichbar nur das Ebenbildliche (d.i. der Mensch)". In einer Anmerkung zu dieser Stelle schreibt KUKULA weiter: „Ihm (d.h. Gott) ist gegenübergestellt το παρόμοιον (erg. τώ οντι), also ,das, was sich dem Seienden κατ' έξοχήν (Gott)

32

Vgl. Or. 20,1/22,10-15: „Denn die Welt zieht uns ja herab, und wegen der Schwäche (ατονία) verlange ich nach der Materie. Denn Flügel der Seele ist der vollkommene Geist. Aber nachdem die Seele ihn durch die Sünde ausgestoßen hat, flatterte sie wie ein junger Vogel und fiel zu Boden. D a sie sich von der Gemeinschaft mit dem Himmel getrennt hatte, sehnte sie sich danach, an den niedrigen Dingen teilzunehmen". 327 Auch in Bauer W b (unvergleichlich) z.St.

§ 9 Tatian

117

angleicht,' die όμοίωσις τ ο υ θ ε ο ύ , die das absolut Seiende (Gott) zur Voraussetzung hat, d.i. der unvollkommene Mensch" 3 2 8 . D i e Struktur des Textes bringt aber die Stichhaltigkeit dieser Interpretation in Schwierigkeiten. D e n n die vier Zeilen gehören offenbar zusammen. D i e erste Gegenüberstellung το μεν ά σ ύ γ κ ρ ι τ ο ν - το δε σ υ γ κ ρ ι ν ό μ ε ν ο ν besagt in allgemein gültiger Form das, was in der zweiten Gegenüberstellung sachlich behauptet wird: άσαρκος

μεν ο ύ ν ό τέλειος θ ε ό ς , - ά ν θ ρ ω π ο ς δε σάρξ. Das heißt, daß

die Bedeutung der allgemein gehaltenen Gegenüberstellung der weit konkreteren zweiten Aussage dienen soll. D i e Ubersetzung von ά σ ύ γ κ ρ ι τ ο ν mit „unvergleichbar" bleibt dann in einem unklaren Verhältnis zur gemeinten „Sachhälfte". G e w i ß läßt sich auch bei dieser Übersetzung eine Texteinheit konstruieren, aber die Beziehung beider Textteile zueinander ist doch nicht einleuchtend. D a ß m i t το π α ρ ό μ ο ι ο ν der M e n s c h als Ebenbild Gottes gemeint ist, wie KUKULA

es versteht, erscheint unter Berücksichtigung des Sprachgebrauchs

Tatians als wenig wahrscheinlich. Das W o r t k o m m t nur an dieser Stelle vor, und daher ist es fraglich, ob Tatian gerade hier, w o er die Bedeutung von είχών κ α ι ό μ ο ί ω σ ι ς erläutern will, von einem unklaren Begriff Gebrauch macht. D e r Kontext zeigt, daß er erst kurz darauf diese Erläuterung abgibt. Er versteht unter ό μ ο ί ω σ ι ς τ ο υ θ ε ο ύ nämlich die Einheit von Leib bzw. Fleisch und Seele, in der wie in einem T e m p e l der göttliche Geist wohnt (Or. 15,2/16,22-24). Abgesehen von diesen inhaltlichen Schwierigkeiten, bleibt zu bedenken, daß „unvergleichbar" nicht die einzig mögliche Übersetzung von ά σ ύ γ κ ρ ι τ ο ν ist. U n t e r Bezugnahme a u f den philosophischen Sprachgebrauch hat M . ELZE dara u f hingewiesen, daß σ ύ γ κ ρ ι μ α in der hellenistischen Philosophie auch die Z u sammensetzung von verschiedenen Teilen, vornehmlich die M i s c h u n g der Elemente bedeutet' 2 9 . So übersetzt er die Stelle: „ D a s Unzusammengesetzte ist nichts anderes als das Seiende selbst, und das Zusammengesetzte nichts anderes als das Angeglichene. O h n e Fleisch ist nun der vollkommene G o t t , der Mensch dagegegen Fleisch" 3 ' 0 . Z u r religionsgeschichtlichen E i n o r d n u n g der Aussage bieten einige Texte Philos gute Parallele: M u t . 3:

01 (οφθαλμοί) μεν γ α ρ τ ά α ι σ θ η τ ά μ ό ν α όρωσι, τ ά δ' α ι σ θ η τ ά σ ύ γ κ ρ ι τ α , φθοράς ά ν ά μ ε σ τ α , το δε θ ε ί ο ν άσύγκριτον, άφθαρτον.

M u t . 184: . . . έπειδή κ α ι ό θ ε ό ς ο ύ σ ύ γ κ ρ ι μ α , φύσις ώ ν ά π λ ή , κ ε κ ρ α μ έ ν α ς δέ τ ά ς των ά ν θ ρ ώ π ω ν . . .

328

529 33°

A.a.O. 2i8Anm. 3. Μ. Elze, Tatian und seine Theologie 67. Ebd.

§ 9 Tañan

ιι8 All. II 2:

ό -όεος μόνος έστι και εν, οΰ σύγκριμα, φύσις άπλή, ήμών δ' έκαστος και των άλλων ο σ α γέγονε πολλά, οιον έγώ πολλά εΐμι, ψ υ χ ή σώμα, και ψυχής άλογον λογικόν (...), ό δε -θεός ού σύγκριμα ούδέ έκ πολλών συνεστώς, άλλ' άμιγής άλλφ. Imm. 56: οί δέ συμβάσεις και σπονδάς προς σώμα Φέμενοι, άδυνατούντες άπαμφιάσασόαι το σαρκών περίβλημα και μόνην και κ α θ ' έαυτήν άπροσδεά και άπλήν φύσιν ίδέίν άμιγή και άσύγκριτον ...

Nach dem ersten Text ist das, was durch die Sinne wahrgenommen werden kann, das Zusammengesetzte, und daher auch das der Vergänglichkeit Ausgesetzte. Im Unterschied dazu steht Gott als der nicht Zusammengesetzte und daher auch Unvergängliche. Das Zusammengesetzte meint die der Materialität innewohnende Komplexität, die dem vergänglichen Charakter der Dinge entspricht. Die zwei folgenden Texte verdeutlichen die Anschauung Philos. Als der nicht Zusammengesetzte stellt Gott eine absolute Einheit dar, der die Vielfältigkeit und Komplexität des menschlichen Wesens gegenübersteht. Mit dem menschlichen έγώ ειμί ist notwendigerweise auch das πολλά verbunden. Nach Imm. 56 macht die Bindung zum Körperlichen unmöglich, das göttliche Wesen zu sehen. Dies wird als einfach (άπλή), ungemischt (άμιγή) und nicht zusammengesetzt (άσύγκριτος) bestimmt. Mut. 184 und All. II 2 zeigen die Beständigkeit des Begriffsfeldes. Von diesem Grundverständnis von σύγκριμα her läßt sich das andere semantische Moment, das aber an dieser Stelle eindeutig im Hintergrund bleibt, integrieren. Vergleichbar kann nur das Zusammengesetzte sein, weil darin die für die Objekte der Welt konstitutive Komplexität des Materiellen sich niederschlägt. Es handelt sich um eine allgemeingültige Aussage. Mögen sich diese Objekte auch durch bestimmte Merkmale unterscheiden, sie sind in ihrer materiellen Komplexität grundsätzlich ähnlich. Nur das Eine, das jeder Wahrnehmung Entzogene, kann nicht verglichen werden (vgl. Philo, Ebr. 43). Auf diesem Hintergrund ist die Sachaussage Tatians άσαρκος μεν ούν ό τέλειος -όεός, άνθρωπος δέ σάρξ zu verstehen. Durch die absolute Einfachheit des an sich Seienden, die eben seine Vollkommenheit ausmacht, transzendiert es den Bereich des Fleisches. Der Mensch hingegen ist Fleisch, d.h. er existiert in der Form der materiellen Komplexität, die im Begriff der σ ά ρ ξ sehr plastisch zum Ausdruck gebracht wird. Angesichts der Tatsache, daß Tatian manchmal σώμα und σάρξ unterschiedslos gebraucht, ist weiter zu fragen, ob der „sarx"-Begriff nicht eine eigene semantische Note besitzt, die ihn von „soma" abhebt.

§ 9 Tatian

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Im Zusammenhang mit seiner ausführlichen Behandlung der Dämonen behauptet Tatian, die Dämonen besitzen kein Fleisch 33 ', sondern eine geistige Verfassung, vergleichbar dem Feuer oder der Luft 3 3 2 . D i e Qualität der den D ä monen eigenen πνευματική σ ύ μ π α ξ ι ς ist jedoch nicht streng „geistig" zu verstehen, felis darunter ein Gegensatz zur W e l t der Materie angenommen wird. Denn die ganze Schöpfung besteht aus Materie 333 ; die Materie selbst ist nicht anfangslos, sondern sie wurde vom Schöpfer des Alls hervorgebracht 334 . So besitzen auch die Dämonen eine materielle Verfassung und haben ebenso wie die anderen Geschöpfe einen materiellen Geist 335 . Ja, sie haben auch eine materielle Gestalt (σώμα), die nur von den Menschen, die vom Geist Gottes beschützt werden, gesehen werden kann 336 . Die Übersicht über den Sprachgebrauch Tatians zeigt, daß der „soma"-Begriff jede materielle Gestalt bezeichnen kann, auch solche, die, wie im Fall der D ä monen, keine „fleischliche" Verfassung besitzen. Anders verhält es sich mit dem „sarx"-Begriff, den Tatian als Ausdruck der spezifischen Materialität des menschlichen Leibes verwendet. Die Anthropologie Tatian schließt freilich ein „sarx"-Verständnis als Bezeichnung für das Mensch-Sein an sich aus. Denn der wahre Mensch ist das Abbild und Gleichnis Gottes, und dazu wird er durch die Einwohnung des göttlichen Geistes in seinem Leib und seiner Seele. Die gewonnenen Ergebnisse aus der Anthropologie sollen nun im Bereich der Eschatologie Tatians im Hinblick auf die anfangs zitierte Aussage über die Auferstehung des Fleisches vervollständigt werden.

331 Darum sterben sie nicht leicht. Or. 14,1/15,14k oi ύνήσκουσι μεν ού ραδίως, σαρκός γαρ άμοιροϋσι. Vgl. auch 15,3/16,17: δαίμονες δε πάντες σαρκίον μεν ού κέκτηνται. 332 Or. 15,3/16,27^ πνευματική δέ έστιν άυτοϊς ή σύμπηξις ώς πυρός και άερος. 333 Or. I2,i/i2,22f: πάσαν εστίν ίδέΐν του κόσμου την κατασκευήν σύμπασάν τε τήν ποίησιν γεγονύίαν έξ ύλης. 334 Or. 5.3/6,12-15: ούτε γαρ άναρχος ή ύ λ η ... ύπο τού πάντων δημιουργού προβεβλημένη; Or. 12,1/12,24: ... ύπο τού ι3εού προβεβλημένην. 33' Or. 1 2 , 3 / 1 3 , 1 κ α ι οί δαίμονες ... σύμπηξιν έξ ύλης λαβόντες κτησάμενοί τε πνεύμα τό άπ' αύτής. Nach Or. 15,3/174-3 gibt es für die Dämonen keinen „Raum zur U m kehr", denn sie sind „Abglanz der Materie und der Bosheit" (της γαρ ύλης και πονηρίας είσιν απαυγάσματα). 336 Or. 15,3/16,28-31: μόνοις γούν τοίς πνεύματι θεού φρουρουμένοις εύσύνοπυα και τά τών δαιμόνων έστι σώματα, το"ις λοιποις δε ούδαμώς, λέγω δέ τόϊς ψυχικόίς. Nach Or. 1 6 , 2 / 1 7 , 2 5 ? können auch die „psychischen" Menschen die Dämonen sehen, wenn diese sich selbst den Menschen zeigen.

I20

§ 9 Tañan

II. Eschatologie und Auferstehung des Fleisches Die Darstellung der Eschatologie und der Ausdruck der Auferstehungshoffnung stehen in einer ersten Texteinheit im engen textuellen und sachlichen Zusammenhang mit der Lehre von der Schöpfung. Im Anschluß an die Aussage über die Entstehung der Schöpfung und der Materie und als Folge daraus bringt T a ñan seine Überzeugung zum Ausdruck, daß es eine Auferstehung der Leiber nach der Vollendung des Alls geben wird 337 . Der Glaube an die künftige Auferstehung ist durch das Gericht begründet, bei dem Gott der Schöpfer als Richter handeln wird 3 ' 8 . Aber dies ist nicht der Angelpunkt der Beweisführung über den Vorwurf der Ungläubigen, aufgrund der Auferstehungshoffnung seien die Christen Schwätzer. Den argumentativen Kern bildet seine Lehre von der Schöpfung der Materie und des Menschen. In diesem Zusammenhang deutet Tatian die Argumente an, die im Verlauf der späteren Auferstehungsapologetik die Eckpfeiler der Darlegung bilden werden. Vor seiner Geburt existiert der Mensch in dem undifferenzierten Substrat der fleischlichen Materie. Es handelt sich um eine latente Existenz, ohne Selbsterkenntnis. Erst durch die Geburt erlangt er das Bewußtsein von seiner Existenz 339 . Wenn der Mensch stirbt, existiert er nicht mehr in der Form, daß er gesehen werden kann, und kehrt in den Zustand zurück, in dem er vor seiner Geburt existiert hat 3 4 °, d.h. in die undifferenzierte fleischliche Materie. Die Vorstellungen von der Macht des Schöpfers und vom materiellen Substrat wirken in der von Tatian gezogenen Schlußfogerung nach: ,Auch wenn das Feuer mein Fleisch verzehrt, nimmt die Welt die in Dampf verwandelte Materie auf. Auch wenn die Flüsse oder die Meere mich vernichten und die wilden Tieren mich zerreißen, bleibe ich aufbewahrt in den Schatzkammern eines reichen Herren" 341 . Gott, der seine Macht wie ein König ausübt, kann also, wenn er will,

557 Or. 6,ι/6,ιφ και δια τοΰτο και σωμάτων άνάστασιν έσεσιίαι πεπιστεύκαμεν μετά την τών δλων συντέλειαν. 55® Or. é,i/6,2of.23: ... την σύστασιν εσεσφαι χάριν κρίσεως, ... δοκιμαστής δε αύτός ò ποιητής τ3εός γίνεται. Die Aussage wird nicht argumentativ ausgedeutet. 559 Or. 6,2/6,25-28: ώπερ γαρ ούκ ών πριν ή γενέσιίαι τίς ήμην ουκ έγίνωσκον, μόνον δε έν ύποστάσει της σαρκικής ύλης ύπήρχον, γεγονώς δέ ό μή πάλαι δια τής γενέσεως το είναι πεπίστευκα. 54° Or. 6,2/6,28-30: τον αυτόν τρόπον ό γενόμενος και δια θανάτου μηκέτ' ών αύιΐίς τε μηκέό' όρώμενος εσομαι πάλιν ώσπερ μή πάλαι γεγονώς ειτα γεννηθείς. 341 Or. 6,2/6,31-7,ψ K " v πυρ έξαφανίση μου το σαρκίον, έξατμισιίεισαν τήν ΰλην ό κόσμος κεχώρηκε' καν έν ποταμοις καν έν ϋαλάσσαις έκδαπανηϋώ καν ύπό θηρίων διασπασθώ, ταμείοις έναπόκειμαι πλουσίου δεσπότου

§ 9 Tañan

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die nur ihm sichtbare materielle Substanz, in die sich die menschlichen Leiber aufgelöst haben, in ihren früheren Zustand zurückfuhren 342 . Drei Argumente kommen hier kurz zum Ausdruck, mit denen sich die Auferstehungsapologetik intensiv beschäftigen wird: i. Gott der Schöpfer, der seine Macht durch die Erschaffung des Menschen schon erwiesen hat, kann bei seiner Auferstehung diese Macht noch einmal demonstrieren; 2. die Auflösung des menschlichen Leibes in das undifferenzierte materielle Substrat ist die Voraussetzung fiir die Wiederherstellung des unversehrten und vollständigen menschlichen Leibes. Möge ihm welche Todesart auch immer widerfahren sein, dieses Substrat bleibt zwar unsichtbar, aber intakt wie in einer Schatzkammer aufbewahrt. Aus ihr kann dann der Schöpfer der Welt den Leib wiederherstellen; 3. dies hängt vom Willen des Schöpfers ab. In diesem Zusammenhang wird vorausgesetzt, daß er dies will. Die Frage, ob die Auferstehung des Leibes doch nicht dem Willen Gottes widersprechen kann bzw. muß, taucht nicht auf. Nur das Motiv wird angedeutet. Die zweite Texteinheit mit einer eschatologischen Thematik steht im Zusammenhang mit der Lehre von der Sterblichkeit der Seele. Wie schon oben dargelegt wurde, gilt die Seele als ein materielles Lebensprinzip, aber sie besitzt in sich nicht das Leben. In diesem Fall ist der Tod der Seele durch die Unkenntnis der Wahrheit und durch die Trennung vom göttlichen Geist verursacht. Wenn die Seele allein bleibt, neigt sie sich nach unten zur Materie und stirbt gemeinsam mit dem Fleisch (Or. 13,2/14,210. Dieser Tod ist aber nicht endgültig. Eine unwiderrufliche Auflösung der Seele in die Materie würde sie jeder Bestrafung entziehen, und außerdem: wenn auch in diesem Kontext nicht ausdrücklich gesagt, gilt, daß die Unkenntnis der Wahrheit nicht schicksalshaft, sondern erst durch eine freie Entscheidung zustande gekommen ist. Die Seele wird bei der Vollendung der Welt gemeinsam mit dem Leib auferstehen, „um einen ewigen Tod als Strafe zu empfangen" (Or. 13,1/14,146 ΰ ά ν α τ ο ν διά τιμωρίας έν α θ α ν α σ ί α λαμβάνουσα). Es gibt also eine negative Bestimmung der Unsterblichkeit, die mit dem Begriff θ ά ν α τ ο ς bezeichnet wird, die den ganzen Menschen — Leib und Seele — erfaßt. Es gibt aber auch eine positive Bestimmung der Unsterblichkeit; sie gilt der Seele, die zur Erkenntnis Gottes gelangt. Die Seele stirbt dann nicht, auch wenn sie sich eine kurze Zeit lang auflöst 543 . Diese Erkenntnis bringt keine neue Beschaffenheit der Seele mit sich, sondern einen neuen Bezug zu Gott, der in der Gemeinschaft mit dem göttlichen Geist besteht. Daß Tatian die Auferstehung des Leibes hier nur anhand der ewigen Bestrafung erwähnt, ist durch das Thema bedingt. In der Polemik gegen die griechische Philosophie geht es um das Verständnis von der Seele als einer sterblichen 342 Or. 6,2/7,4f: ι3εός δε ό βασιλεύων, &τε βούλεται, την όρατήν αϋτφ μόνον ύπόστασιν αποκαταστήσει προς το άρχαΤον. 343

Or. 13,1/14.156 πάλιν τε ού ϋνησκει, καν προς καιρόν λυΰή, την έπίγνωσιν του ιΐεοϋ πεπονημένη.

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Größe und nicht um eine vollständige Darstellung der eschatologischen H o f f nung. Aber nach den Aussagen über die Erschaffung der Materie und über die Macht und den Willen Gottes, den menschlichen Leib vollständig auferstehen zu lassen, liegt es auf der Hand, daß die endgültige Gestalt des Menschen in seiner Vollendung nicht durch die Seele allein bestimmt werden kann. In den soeben besprochenen Stellen ist von der Auferstehung des Leibes die Rede. Indem Tatian die undifferenzierte Materie, in die der Mensch in seinem T o d zurückkehrt, σ α ρ κ ι κ ή ΰ λ η bezeichnet und damit die Bestimmung des Menschen in seiner komplexen Materialität als σ ά ρ ξ vorbereitet, schafft er die sprachliche und gedankliche Grundlage für das Bekenntnis zur Auferstehung des Fleisches; aber dort, wo dies explizit zum Ausdruck gebracht wird (Or. 15,1/ 16,8-10), gebraucht er σ ά ρ ξ und σ ώ μ α synonym. M a n könnte zwar auf Or. 25,2/27,9f hinweisen, wo Tatian, im Gegensatz zu denen, die nur die Seele als Subjekt der Unsterblichkeit betrachten, außer der Seele auch dem Fleisch eine solche Fähigkeit zuschreibt 344 . Darin zeigt sich aber nur, daß das Bekenntnis zur Auferstehung des Fleisches bei ihm eine Ausdrucksform der Auferstehungshoffnung darstellt. Sie ergibt sich zwangsläufig aus seinem Verständnis von Schöpfung und von der menschlichen Leiblichkeit, aber sie besitzt nicht den Rang des Kanonischen, noch vermag sie als Unterscheidungsmerkmal zu dienen, um die vollkommene Orthodoxie von einer mangelhaften abzuheben.

III. T a t i a n u n d Justin Im folgenden beschränke mich auf zwei Aspekte, die fur unsere Thematik von Belang sind.

ι.

Das Menschenbild

Trotz aller Unterschiede in der Haltung gegenüber der griechischen Philosophie läßt sich eine Gemeinsamkeit in der Bestimmung des Menschenbildes herausstellen: Die Seele an sich ist nicht unsterblich, sondern ihr Bestehen hängt vom lebendigen Geist ab. Das Thema kommt bei Justin nur in den Anfängskapiteln des Dialogs mit Trypho vor, während es bei Tatian eine zentrale Rolle spielt. J u '44 άπαι?ανατίζεσόαι μόνην την ψυχήν, έγώ δε και το σύν αύτη σαρκίον. Daß die Seele von Gott die Unsterblichkeit empfangen kann (άπαϋανατίζεσΟαι), wird von Philo oft behauptet (vgl. Op. 77; Det. Iii; Post. 123 uö.). Natürlich hat der Leib daran keinen Anteil (vgl. Conf. 149; VitMos. II 288). Den Hinweis auf die Begrifflichkeit Philos an dieser Stelle verdanke i c h J . P . MARTÍN.

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stin argumentiert dort mit dem expliziten Verweis auf die philosophische Tradition, die er mittels der Hermeneutik des hellenistischen Judentums interpretiert, während Tatian in der Ablehnung der herkömmlichen Seelenlehre des Platonismus seine Ablehnung der griechischen Philosophie zum Ausdruck bringt. Daß diese Ablehnung nur mit dem Instrumentarium der griechischen Philosophie erfolgt — fur den aufmerksamen Leser augenfällig — , würde Tatian natürlich nicht zugeben. Die Anthropologie Tatians ist weit stärker als bei Justin in seine Schöpfungslehre eingebettet. In strenger Systematik führt der Gedankengang von der Schöpfung des Alls und des ersten Menschen über die Interpretation des Falls als Verlust der Unsterblichkeit durch die Trennung vom göttlichen Geist zu seinem Bild vom gefallenen Menschen, dem der Weg zum Heil durch die Erkenntnis der Wahrheit und die Gemeinschaft mit dem Geist eröffnet wird. In der Anthropologie zeigen sich die Grundzüge seiner eigenartigen Soteriologie. Das Thema von der Anwesenheit des Geistes, die wahres Mensch-Sein nach dem Ratschluß Gottes überhaupt erst ermöglicht, weist über Justin hinaus auf eine andere Tradition hin, die ursprünglich frei von jedem philosophischen Anspruch im Werk Tatians einen neuen Ausdruck findet. Die zitierten Untersuc h u n g e n v o n W . - D . HAUSCHILD u n d W . CRAMER 3 4 5 h a b e n die V e r w u r z e l u n g

Tatians in einer jüdischen Tradition nachgewiesen, die sich sowohl in gnostischen Texten als auch in späteren Zeugnissen der syrischen Theologie niederschlagen wird. Mag zwar für die Pneumatologie gelten, daß sie weder aus biblischen Stellen noch aus, im christlichen Rom seiner Zeit geläufigen, Geistvorstellungen abgeleitet werden kann 346 , stellt sich der Sachverhalt im Hinblick auf unsere Fragestellung doch anders dar. Der Gedanke der Syzygie mit dem Geist als Bedingung für die Rettung des Fleisches ist in II Clem 14,5 deutlich ausgesprochen. Auch der Hirt des Hermas hat den Menschen als Fleisch definiert, das in Verbindung mit dem Geist Gottes die Unsterblichkeit erlangen kann. In beiden Werken fehlt das trichotomistische Modell und der philosophische Überbau, der das Denken Tatians prägt. Beide Werke bewegen sich vielmehr auf der Ebene der Paränese. Aber die Gemeinsamkeit der Anschauung ist nicht zu übersehen. Ich halte es fur möglich, daß diese spezifisch judenchristliche Tradition, die wenige Jahrzehnte vor Tatian in Rom bezeugt ist — fur Herrn ist dies sicher — , bei ihm weiterwirkt 347 . 345

S.o. Anm. 308. Vgl. auch P. Burns, Das Christusbild Aphrahats des Persichen Weisen (Hereditas 4), Bonn 1990, 25-29. 346 So W.-D. Hauschild, Gottes Geist und der Mensch 205. 347 Das ist nur ein Aspekt eines komplexen Gebildes. Die Frage nach der religionsgeschichdichen Einordnung dieser Tradition in die Zeit Tatians läßt sich schwer eindeutig bestimmen. Freilich ist die Erklärung durch den Einfluß des Mittelpiatonismus allein wenig überzeugend (vgl. M. Elze, a.a.O. 89F). Daß manche Spuren dieser Tradition nach Syrien führen, hat W.-D. HAUSCHILD anhand des PhilEv dargelegt. Aber die Verbreitung des Motivs in der valentinianischen Gnosis spricht gegen eine traditionelle Einschränkung auf Syrien.

§ 9 Tatian Nach dieser Anschauung läßt sich der Mensch in seiner historischen Gestalt nicht allein „anthropologisch" definieren. Zu ihm gehört wesendich eine „theologische" Komponente, von der seine eschatologische Zukunft abhängt. Bei Justin und Tatian ist der wahre Mensch Abbild und Gleichnis Gottes, wiewohl dieses Motiv jeweils anders verstanden wird. Tatian interpretiert allein Gen 1,26 von seiner Schöpfungslehre her. Daß auch der menschliche Leib Gottebenbildlichkeit besitzt, wie Justin meint — ohne daraus die Konsequenzen zu ziehen — , liegt Tatian fern. Der Grund dafür liegt m.E. in der Dürftigkeit seiner Christologie, die über Andeutungen nicht hinauskommt348. Wenn die christologische Brücke nicht geschlagen wird, gibt es keine Möglichkeit, auch im menschlichen Leib das Abbild Gottes, des reinen Geistes zu sehen.

2.

Eschatologie und Auferstehung des Fleisches. Zusammenfassung

Der Vergleich mit Justin bietet zugleich die Gelegenheit, den Ertrag aus der „Oratio" Tatians fiir unsere Frage zusammenzufassen. ι. Wo die Christologie kaum eine Rolle spielt, wo die Auferstehung Jesu nirgendwo erwähnt wird, überrascht die Tatsache nicht, daß die Auferstehungsaussagen Tatians fern von jedem christologischen Bezug bleiben. Tatian denkt monistisch theologisch im Rahmen einer kosmologisch geprägten Denkrichtung, bei der Auferstehungsglaube und Heilsgeschichte nicht zusammengehören. Ganz anders bei Justin, der nicht nur oft über die Auferstehung und Himmelfahrt Jesu spricht, sondern darüber hinaus den Zeitpunkt der allgemeinen Auferstehung der Toten mit der Wiederkunft des Erhöhten gleichsetzt. 2. Im Unterschied zu Justin läßt sich bei Tatian keine Art von chiliastischer Hoffnung feststellen. Überhaupt fehlt jeder heilsgeschichtliche Rahmen als Begründung der AuferstehungshofFnung. Weil Gott der Schöpfer der undifferenzierten Materie ist, in die Leib und Seele des Menschen nach dem Tod zurückkehren, kann er aus dieser Materie den Menschen wieder auferstehen lassen. Tatian argumentiert mit der Macht Gottes, um die Möglichkeit der Auferstehung des vollständigen menschlichen Leibes zu beweisen, so wie es Justin zuvor gemacht hatte. Aber bei ihm wäre es nicht sachgemäß, von Auferstehungshoff348 Vg[. Or.. 21,1/23,5-7: „Wir sind keine Narren, ihr Hellenen, noch sagen wir einen Unsinn, wenn wir verkündigen, daß Gott in menschlicher Gestalt erschienen ist" (... τΐεόν έν άνθρωπου μορφή γεγονέναι καταγγέλλοντες). Λ. Orbe versteht auch Or. 35,2/37,15-17 (τί γαρ χαλεπόν ανθρώπους πεφηνότας άμαύεις ύπό άνθρωπου νϋν όμοιοπαόοϋς συνελέγχεσύαι;) christologisch: „Qué mal habría en que hombres ignorantes ... fueran convencidos por un hombre de hoy (= Cristo) sujeto a sus mismas pasiones (= carnal)?" (La definición del hombre 529 Anm. 24J. Orbe interpretiert όμοιοπαιίής an dieser Stelle im Anschluß an Justin, Dial. 48,3. Aber Dial. 93,3 zeigt, daß der Ausdruck für Justin zur Definition des Menschen allgemein gehört. Der Kontext in Or. 35,2/35,15-17 spricht gegen eine christologische Deutung. Es geht hier um die Glaubwürdigkeit Tatians in der Auseinandersetzung mit der griechischen Kultur.

§ 9 Tatian nung im strenge Sinne zu sprechen. Die Auferstehung ergibt sich aus der Geschlossenheit des Systems und beinhaltet nicht die Überwindung der von der Natur gesetzten Grenzen, zu der nur der Glaube den Zugang öffnet. Keinerlei Anspielung auf die Schrift ist daher notwendig, um die Wahrheit zu begründen. 3. Die Aussagen zur Auferstehung des Fleisches in der „Oratio" haben keinen Bekenntnischarakter wie bei Justin. Sie stehen im Zusammenhang mit der für den menschlichen Leib konstitutiven „fleischlichen Materie", aber sie sind frei von jeder polemischen Absicht, richten sich nicht gegen Leugner einer „konkreten" Eschatologie, wie es bei Justin der Fall war. Warum Tatian überhaupt von der Auferstehung des Fleisches spricht, ist nicht anders zu erklären als durch die Konsequenz seines Denkens mit seinem eigenen Verständnis von der Struktur des Geschaffenen. 4. Die Kontinuität des irdischen mit dem auferstandenen Leib wird von J u stin und Tatian gleichermaßen behauptet. Die anhand der Wunder Jesu bewiesene Vollständigkeit der Auferstandenen und die Konkretheit der chiliastischen Hoffnung lassen diesen Aspekt bei Justin ohne Zweifel erkennen. Tatian argumentiert streng philosophisch mit der Rückkehr des Leibes in die Materie, aus der er, auch wenn verzehrt, zerrissen oder wie auch immer zugrundegegangen, auferstehen wird. Das Argument wird in der Auferstehungsapologetik des dritten und vierten Jahrhunderts ein lebhaftes Echo finden, und zwar sowohl seitens der Kritiker der Auferstehungshoffnung als auch seitens der christlichen Theologen, die dieses Auferstehungsverständnis verteidigen. Tatian ist ein typischer Vertreter des theologischen Pluralismus im zweiten Jahrhundert. Daß er, abgesehen von seiner Evangelienharmonie und von seinem späteren Rigorismus, theologisch weitgehend in Vergessenheit geraten ist, überrascht eigentlich nicht, wenn man bedenkt, wie stark die Rezeption der altchristlichen Theologie durch einen erst später entstandenen Maßstab der Orthodoxie und Kirchlichkeit geprägt ist. Das Unverständnis, das ein Kenner der Antike wie J . GEFFCKEN ihm entgegenbrachte, bezeugt weiter die Schwierigkeit, solche Gestalten historisch und theologisch richtig einzuordnen. Wenn unsere Deutung richtig ist, finden wir bei Tatian eine recht eigentümliche Verbindung einer in der römischen Gemeinde vorher bezeugten Tradition mit einem philosophischen Überbau, der ihr nicht immer angemessen, auf jeden Fall nicht hilfreich war, der aber doch den Zeitgeist zeigt, dem sich die christlichen Apologeten verpflichtet fühlten. Im Grunde scheint Tatian in seiner Anthropologie von dieser Tradition stärker beeinflußt zu sein als sein Lehrer Justin, wiewohl die Inhalte nun ganz anders dargestellt und begründet werden. Keiner von ihnen wollte ein origineller Denker, oder gar ein „großer Geist" sein. Ihre positive bzw. ablehnende Reaktion gegenüber der griechischen Philosophie und Kultur spiegeln die Grundvarianten wider, denen gegenüber sich die Christen im zweiten Jahrhundert entscheiden mußten.

§ io Athenagoras von Athen Der Ertrag aus dem Werk des Athenagoras fur die Frage nach dem Auferstehungsverständnis im allgemeinen hängt ganz entschieden von der Beurteilung der Frage nach der Echtheit von „De Resurrectione" (= De Res.) ab. Neigt man dazu, eine positive Antwort zu geben, rückt der Traktat in den Mittelpunkt der Erörterung, während die „Legatio" (= Leg.) mit ihren spärlichen Angaben nur eine untergeordnete Rolle spielt. Betrachtet man den Traktat als eine anonyme Schrift, die im Verlauf der handschriftlichen Überlieferung dem Apologeten Athenagoras zugeschrieben wurde, bleibt die Leg. einzige Quelle. Hier ist nicht der Ort, diese Frage „in extenso" zu behandeln 349 . Summarisch gebe ich die Punkte an, die m.E. fur die Unechtheit von De Res. sprechen. ι. Der Hinweis auf den Autor im Arethascodex (Parisinus gr. 451), der Hauptzeuge in der handschriftlichen Überlieferung, wurde entweder durch den Erzbischof Arethas oder durch den Schreiber Baanes eingetragen. Er ist auf jeden Fall sekundär. Vor dem Arethascodex (im Jahre 914 geschrieben) ist De Res. nicht belegt 350 . 2. Es gibt eine Reihe von sprachlichen Unterschieden (stilistischer und lexikalischer An) zwischen Leg. und De Res., die sich schwer erklären lassen, wenn man einen gleichen Verfasser annimmt 351 . 3. Die Leg. zeigt in vielen Punkten eine deutliche Abhängigkeit von der mit dem Namen Justins verbundenen apologetischen Tradition 352 . Inhaltlich und 549 Das ist geschehen in meinem Aufsatz: „Die dem Apologeten Athenagoras zugeschriebene Schrift ,De Resurrectione mortuorum' und die altchristliche Auferstehungsapologetik". Vgl. dort (532-541) die Auseinandersetzung mit den Aigumenten für die Echtheit von L. W. Barnard, Athenagoras 28-305 ders., Athenagoras: De Resurrectione; den., The Authenticity; Β. Pouderon, L'authenticité du Traité sur la Résurrection; ders., Public et adversaires. Dort konnten nicht berücksichtigt werden: G. afHälbtröm, Carnis Resurrectio; B. Pouderon, Athénagore d'Athènes; ders., Athénagore et Tertullien. Keine von diesen Arbeiten bringt neue Gesichtspunkte in die Diskussion. Die Behauptung von G. AF HÄLLSTRÖM: „,De Resurrectione' has been attributed to Athenagoras in the first manuscript containing it (Codex Paris gr. 451)" (Carnis Resurrectio 44), hat keine Beweiskraft für die Echtheitsfrage. Man müßte präziser sagen: In der ersten uns bekannten Handschrift, und die ist im zehnten Jahrhundert geschrieben! 351 Vgl. vor allem E. Gallicet, Atenagora o Pseudo-Atenagora; ders., Ancora sullo PseudoAtenagora. Seine Argumente wurden von B. POUDERON nicht widerlegt. G. AF HÄLLSTRÖM beruft sich auf die Untersuchung POUDERONS, um ebenfalls die Echtheit von De Res. zu behaupten, ohne offenbar das Gewicht der Argumente zu überprüfen (Carnis Resurrectio 43 Anm. 13). 352 Zum Einzelnachweis vgl. /. Geffcken, Zwei griechische Apologeten; M. Marcovich, Athenagoras. Legatio pro Christianis.

§ io Athenagoras von Athen

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formal hat hingegen D e Res. wenig gemeinsam mit den anthropologischen und eschatologischen Anschauungen Justins. 4. Wo die Auferstehung der Toten im Verlauf des zweiten Jahrhunderts thematisiert wird, geschieht dies oft im Rahmen einer antidoketistischen Kontroverse bzw. in Auseinandersetzung mit der Gnosis (Ign; II Clem; EpAp; Ps.Justin; Irenaus; 3 Kor). Die Formel von der Auferstehung des Fleisches dient darüber hinaus auch zum Ausdruck einer „konkreten" Eschatologie in der Form der chiliastischen Hoffnung 0ustin). Nichts in De Res. weist auf einen solchen Hintergrund hin 353 . Aber auch im Fall, daß man sich für die Echtheit des Traktats entscheiden würde, wäre damit für die spezifische Frage der Auferstehung des Fleisches nicht viel gewonnen. Wenigstens direkterweise. Denn der „sarx"-Begriff erscheint in D e Res. nirgendwo im Zusammenhang mit dem Auferstehungsbekenntnis 354 . Der Sprachgebrauch bewegt sich einheitlich auf einer „physiologischen" Ebene: Es ist das Fleisch des menschlichen Leibes. „Sarx" bezeichnet hier nicht die menschliche Leiblichkeit im allgemeinen oder gar den ganzen Menschen in seiner konkreten Existenz; sie braucht nicht gegen die Angriffe der Verachter — welcher Herkunft auch immer, aus der Gnosis oder aus dem Geist des Hellenismus (wie z.B. Kelsos) — verteidigt zu werden, die ihr jede Art von eschatologischer Zukunft absprechen. Der „sarx"-Begriff in De Res. ist im Vergleich zu den anderen im Rahmen dieser Untersuchung analysierten Schriften des zweiten Jahrhunderts erstaunlich homogen und semantisch arm. Der Sprachgebrauch von „sarx" in der Leg. zeigt ein ganz anderes Bild 355 . 353

A u c h G . AF HÄLLSTRÖM stellt die A b w e s e n h e i t einer a n t i g n o s t i s c h e n F r o n t in D e R e s .

fest ( a . a . O . 2 2 ) . 354

G . AF HÄLLSTRÖM ist diese T a t s a c h e n i c h t e n t g a n g e n . U m aber die E i n b e z i e h u n g v o n

D e R e s . in e i n e U n t e r s u c h u n g zu „ C a r n i s R e s u r r e c t i o " z u rechtfertigen, h e b t er h e r v o r , d a ß die A u f e r s t e h u n g d e s Leibes a u c h die d e s Fleisches einschließt, d a d a s F l e i s c h e b e n e i n T e i l des Leib e s ist ( a . a . O . 85F). In d i e s e m Fall wäre — wie er selber einsieht — d i e F o r m e l v o n der A u f e r s t e h u n g d e s Fleisches n i c h t sehr g l ü c k l i c h : G e g e n s t a n d der A u f e r s t e h u n g s h o f f n u n g ist n ä m l i c h n i c h t d a s F l e i s c h — in d i e s e m S i n n e v e r s t a n d e n — , s o n d e r n der L e i b . A u f d i e s e m s p r a c h l i c h e n H i n t e r g r u n d , der sich weiter in a n d e r e n a n t h r o p o l o g i s c h e n u n d e s c h a t o l o g i s c h e n A n s c h a u u n g e n n i e d e r s c h l ä g t , ist es m . E . eine m e t h o d i s c h e F e h l e n t s c h e i d u n g , D e R e s . in e i n e n e i n h e i t l i c h e n Z u s a m m e n h a n g m i t d e n A u f e r s t e h u n g s t r a k t a t e n P s . J u s t i n u n d T e r t u l l i a n s zu b r i n g e n , u n d d a s n o c h m i t d e m Z i e l , d i e G l a u b e n s f o r m e l v o n der A u f e r s t e h u n g d e s F l e i s c h e s zu i n t e r p r e t i e r e n . A u s der g e n a u e n B e t r a c h t u n g d e r B e g r i f f l i c h k e i t läßt sich n u r schließen, d a ß der T r a k t a t zu dieser F r a g e n i c h t s b e i t r ä g t u n d w o h l in e i n e n a n d e r e n t h e o l o g i s c h e n Z u s a m m e n h a n g g e h ö r t als d i e zwei e r w ä h n t e n S c h r i f t e n D e R e s u r r e c t i o n e . — D a ß d a s A n l i e g e n d e s T r a k t a t s d i e V e r t e i d i g u n g des D o g m a s v o n der A u f e r s t e h u n g d e s Fleisches ist — s o B . POUDERON ( P u b l i c et adversaires 315) — , e n t b e h r t j e d e r G r u n d l a g e i m T e x t . V g l . a u c h ders., A t h é n a g o r e et T e r t u l l i e n 2 1 0 : „ C o m m e T e r t u l l i e n , il (i.e. A t h e n a g o r a s ) d é f e n d la thèse d e l a résurrection de l a chair en s a substance primitive". 355

V g l . H. E. Lona,

B e m e r k u n g e n z u A t h e n a g o r a s u n d P s e u d o - A t h e n a g o r a s , in: V i g C h r

4 2 (1988) 3 5 2 - 3 6 3 . A u c h Β. Pouderon, Traiti\

A t h é n a g o r e d ' A t h è n e s 169:

c ' e s t - à - d i r e q u e d a n s le

ce m o t a c c e p t e un sens p h y s i o l o g i q u e , m a i s j a m a i s u n s e n s m é t a p h y s i q u e , a u c o n t r a i r e d e

§ io Athenagoras von Athen

129

Vorstehende Überlegungen begründen die Entscheidung, im folgenden sich auf die Leg. zu beschränken.

I. L e g .

3I,3(4)

356

Mit Kap. 30 geht die ausführliche Widerlegung des Atheismusvorwurfs, die im Kap. 4 angesetzt hatte, zu Ende. Athenagoras wendet sich im letzten Abschnitt seiner Bittschrift (Kap. 31-36) den zwei anderen Beschuldigungen zu: Menschenfresserei und Inzest. Leg. 31 geht jedoch nicht auf die angekündigten Fragen ein, sondern enthält eine anhand bekannter Argumente vorgetragene allgemeine Beteuerung der Unschuld der Christen. Die Anklage gegen die Christen sei im Grunde nicht neu, sondern bestätige den schon längt bekannten Brauch, daß die Bosheit die Tugend bekämpft (Leg. 31,1). Mehrere Beispiele, von Pythagoras bis Sokrates, beweisen die Behauptung. Athenagoras gibt sodann zwei Gründe an, welche die tadellose Lebensführung der Christen erklären: ihre eschatologische Ausrichtung und das Wissen um die Allgegenwart Gottes357: „Wären wir überzeugt, nur in diesem Leben zu leben, könnte man annehmen, daß wir sündigen werden, indem wir dem Fleisch und Blut dienen oder uns von Gewinn und Leidenschaft besiegen lassen. Da wir aber wissen, daß Gott Tag und Nacht über das, was wir denken, und über das, was wir sagen, wacht — denn er ist das Licht und sieht alles in unserem Herzen —, so glauben wir, daß wir von diesem Leben befreit entweder ein anderes, nicht irdisches Leben, besser als dieses und himmlisch, fuhren werden, wenn wir bei Gott und mit Gott in der Seele unbeirrt und leidenschaftlos bleiben, nicht mehr wie Fleisch, auch wenn wir Fleisch haben, sondern wie ein himmlischer Geist, oder, wenn wir mit den anderen hinfallen, ein schlimmeres Leben im Feuer (fuhren werden)" (Leg. 31,if [4D358.

la Supplique, où le mot désigne la nature matérielle, passible et même pécheresse de l'homme, par opposition à sa nature pneumatique ou spirituelle". Vgl. auch den., „La chair et le sang". Encore sur l'authenticité du traité d'Athénagore, in: VigChr 44 (1990) 1-5, hier 1. In der Teilung der Paragraphen gebe ich zuerst die Nummerierung von E. J. Goodspeed, und in Klammern die Nummerierung in den Ausgaben von P. Ubaldi und W. Schoedel an. Beim Text habe ich auch die jüngst erschienene Textausgabe von M. Marcovich berücksichtigt. 357 Vgl. J. Gejfcken, Zwei griechische Apologeten 230. 35® Leg. 31,2f [4]): εί μεν γάρ ένα τον ενταύθα βίον βιώσεσιίαι πεπείσμεΰα, καν ύποπτεΰειν ένην δουλεύοντας σαρκί και αίματι ή κέρδους ή επιθυμίας έλάττους γενομένους άμαρτειν έπει δε έφεστηκέναι μεν οΤις έννοοΰμεν, οτις λαλοϋμεν και νΰκτωρ και μεύ ήμέραν τον Οεόν οιδαμεν, πάντα δε φως αυτόν δντα και τά έν τη καρδία ήμών όράν, πεπείσμειία (δε) του ένταϋΰα άπαλλαγέντες βίου βίον έτερον βιώσεσϋαι άμείνονα ή κατά τον ένιΐάδε και έπουράνιον, ουκ έπίγειον, ώς αν μετά Οεοϋ και συν ι3εω άκλινέίς κα:ι απαθείς την

§ i o Athenagoras von Athen

I30

Es ist die einzige Stelle in Leg, in der der „sarx"-Begriff im Zusammenhang mit der eschatologischen Bestimmung des Menschen vorkommt. Ihre Deutung verlangt die Einbeziehung des unmittelbaren Kontexts. Im Zentrum der Argumentation stehen zwei entgegengesetzte Weisen, die Existenz des Menschen aufzufassen. Nach der ersten würde sie sich auf das gegenwärtige Leben beschränken. N u r unter der Voraussetzung, daß die Christen diese Auffassung vertreten, könnte man dann meinen, sie würden dem Einflußbereich des Irdischen verfallen. Nach der zweiten, die selbstverständlich mit der christlichen Überzeugung identisch ist, haftet dem irdischen Leben eine grundsätzliche Negativität an. Worin diese besteht, läßt sich aus der vorhergehenden Aussage eruieren. Der irdische Bereich stellt nämlich eine Gefahr dar, weil er eine Anziehungskraft, eine Macht ausübt. So können z.B. „Fleisch und Blut" die Menschen versklaven 359 , bzw. Gewinnsucht und Leidenschaft über sie siegen. A u f jeden Fall gibt es ein anderes, besseres und himmlisches Leben, in das der Mensch erst nach der Befreiung aus dem irdischen Leben (του έ ν τ α ϋ ύ α ά π α λ λαγέντες βίου) eingehen wird. Z u m Zustand der eschatologischen Vollendung gehören nach unserem Text zwei Komponenten: Seele und Fleisch. A u f die erste beziehen sich die zwei A d jektiva ά κ λ ι ν ε ι ς κοά άπαΰέίς. Das erste bezeichnet ihre Standhaftigkeit; das zweite ihre Erhabenheit über die Welt der Regungen und Wandlung. In einer merkwüdigen W e n d u n g wird sodann eine bestimmte Form der Existenz im Fleisch negiert (ούχ ώς σάρκες), um gleich darauf an der Wirklichkeit des Fleisches in der eschatologischen Gestalt des Menschen festzuhalten (καν εχομεν) 360 . Diese Gestalt kann offensichtlich nicht ohne Beziehung zur „sarx" gedacht werden, aber sie ist nicht mehr jene Beziehung, welche die irdische Erfahrung bestimmt. U m das auszudrücken, greift der Verfasser zur Vorstellung vom himmlischen Geist als Vergleichsterminus. Es handelt sich um ein Bild für menschliche Vollendung, das die Transzendenz und Andersartigkeit derselben

ψ υ χ ή ν ο ύ χ ώς σ ά ρ κ ε ς κ α ν εχομεν, ά λ λ ' ώ ς ο ΰ ρ ά ν ι ο ν π ν ε ύ μ α μ έ ν ω μ ε ν , ή σ υ γ κ α τ α π ί π τ ο ν τ ε ς τοις λοιποίς χ ε ί ρ ο ν α κ α ι δ ι ά πυρός. '59

D u r c h die V e r b i n d u n g der Stellen Lev 17,11 — „die Seele allen Fleisches ist Blut"

u n d G e n 2,7 —



„ u n d es blies G o t t in sein A n g e s i c h t einen Lebenshauch, und es ward der

M e n s c h zu einer lebenden Seele" — behauptet Philo das zweifache W e s e n der Seele und die Existenz zweier Arten von M e n s c h e n : τ ο μεν ι5είω π ν ε ύ μ α τ ι λ ο γ ι σ μ ω β ι ο ύ ν τ ω ν , τ ό δε α ι μ α τ ι κ α ι σ α ρ κ ό ς η δ ο ν ή ζ ώ ν τ ω ν (Her. 57)· Diesen Unterschied k e n n t A t h e n a g o r a s nicht, aber „Fleisch und Blut" werden ähnlich verstanden. A u c h Leg. 27,1 gehört in diesen Z u s a m m e n h a n g . Es geht hier u m die Seele, die nicht durch die V e r n u n f t bewegt wird, sondern den „Geist" der Materie empfängt: Sie schaut nicht mehr auf die himmlischen D i n g e und ihren Schöpfer, sondern auf das Irdische, als wäre sie nur Blut und Fleisch und kein reiner Geist mehr. „ B l u t und Fleisch" bedeuten hier die dem Geist entgegengesetzte Materialität. 360

M . M a r c o v i c h schlägt in seiner Textausgabe κ α ν < σ ά ρ κ α > εχομεν vor. D i e H i n z u -

f ü g u n g ist aber nicht n o t w e n d i g , da der Sinn des Textes auch o h n e sie deutlich erkennbar ist, u n d sie keinen Anhaltspunkt in der Textüberlieferung hat.

§ i o Athenagoras von Athen

131

hervorhebt (ούράνιον πνεύμα), ohne die notwendige Tatsächlichkeit der Leiblichkeit zu leugnen. Dazu dient der Hinweis auf das Fleisch. V o n den zwei Komponenten, Seele und Fleisch, kommt der ersten eine besondere Bedeutung zu. Die Lebensgemeinschaft mit Gott wird primär der Seele zugesprochen, aber die menschliche Einheit von Seele und Fleisch bleibt dennoch bewahrt. Das Bild vom himmlischen Geist umfaßt beide, so daß das Fleisch hier nur als verklärte, verwandelte Leiblichkeit verstanden wird.

II. Die Aussage in Leg. 31,3(4) und die Anthropologie des Athenagoras Zwei Stellen in der Leg. lassen die besondere Prägung des besprochenen Textes hervortreten. Die erste ist die schon angedeutete Stelle Leg. 27,1 361 . Das Ideal für die Seele ist hier das π ν ε ύ μ α κ α ύ α ρ ό ν , das Reiner-Geist-Sein. Die Abkehr vom himmlischen Bereich und die Hinwendung zum Irdischen scheinen eine Wandlung in der Seele hervorbringen zu können, bei der sie am Ende wie aus Fleisch und Blut wird und nicht mehr als reiner Geist besteht. Die Aussage visiert nur die Seele an, aber sie ist eigentlich der Ausdruck für den ganzen Menschen in seiner inneren Anfälligkeit im Verlauf seiner irdischen Existenz. Anders in Leg. 31,3(4). D e r „himmlische Geist" ist das Symbol fiir die eschatologische Gestalt des Menschen, zu der Seele und Fleisch gehören. Die andere Stelle is Leg. 36,i(if). Athenagoras verteidigt die Christen gegenüber dem Vorwurf der Menschenfresserei. Als Argument wird zunächst der A u f erstehungsglaube angeführt. Wenn am Ende der Zeit sogar die Erde die Toten zurückgeben wird, die in ihr liegen, dann werden auch von demjenigen die zur Auferstehung bestimmten Leiber verlangt, für die er — durch Menschenfresserei — zum Grab geworden ist. Hier zeigt sich nach Athenagoras die Unvereinbarkeit von Auferstehungsglaube und Menschenfresserei. Diese sei eher bei denen denkbar, die meinen, nach dem T o d werden sich Leib und Seele auflösen und verlöschen. Die Christen sind hingegen überzeugt, daß bei Gott nichts unerforscht bleiben wird und daß beide bestraft werden: der Leib und die Seele. Denn der Leib leistet Hilfe bei der Verwirklichung der irrationalen Impulse und Leidenschaften der Seele. Im folgenden (Leg. 36,2.(3]) versucht Athenagoras, den Auferstehungsglauben dadurch plausibel zu machen, daß er ihn nicht nur als Inhalt der christlichen Verkündigung darstellt, sondern daß er darüber hinaus in Einklang mit der Meinung von vielen Philosophen steht (ότι μέντοι ο ΰ κ α ύ ' ήμάς μόνον ά ν α στήσεται τ ά σ ώ μ α τ α , α λ λ ά και κ α τ ά πολλούς των φιλοσόφων). Z u m Schluß verweist er auf die Lehre von Pythagoras und Plato als Beweis für die MöglichSo. o. Anm. 359.

132

§ io Athenagoras von Athen

keit der Wiederherstellung der gleichen körperlichen Einheit nach ihrer Auflösung durch den Tod 3 0 2 . In diesem Abschnitt ist nur von der Auferstehung des Leibes die Rede, nicht des Fleisches. Die Tatsache ist m.E. dadurch zu erklären, daß die Anthropologie des Athenagoras sich vornehmlich der Kategorien von Leib und Seele bedient. Hinzu kommt, daß der „sarx"-BegrifF in Leg. 24,5; 27,1; 31,2 negativ besetzt ist. Wie ist dann die eigentümliche Begrifflichkeit in Leg. 31,3(4) zu verstehen? Setzt man als Entstehungszeit der Leg. das Jahr 177 an, drängt sich die Annahme einer Beeinflussung durch die eben in dieser Zeit in verschiedenen Zusammenhängen zur Geltung kommenden Formel von der Auferstehung des Fleisches auf. Unabhängig von der Entscheidung hinsichtlich der nach wie vor umstrittenen Frage nach dem Entstehungsort der „Legatio", ist ein solcher Einfluß, sehr wahrscheinlich durch das Gewicht der durch Justin verkörperten apologetischen Tradition vermittelt, gut denkbar. Die Gültigkeit der Formel steht durch das wenige Jahre später entstandene Werk des Irenäus und durch den auch in diese Zeit anzusetzenden Traktat „De Resurrectione" des Ps.Justin außer jedem Zweifel, wiewohl Vorsicht bei der Annahme von einer Entwicklungslinie geboten ist, die nicht unbedingt unseren Verfasser betreffen mußte. Daß diese Formel auf die Anthropologie des Athenagoras sonst keinen Einfluß ausübt, ist daraus zu erklären, daß sein Menschenbild stärker durch Begriffe der hellenistischen Philosophie geprägt ist als durch eine spezifisch altchristliche Begrifflichkeit.

Zusammenfassung ι. In der Anthropologie und Eschatologie des Athenagoras, so wie sie anhand der „Legatio" bestimmt werden können, spielt die Aussage zur Realität des Fleisches als konstitutives Element für die vollendete Gestalt des Menschen keine wichtige Rolle. Der „sarx"-Begriff wird sonst überwiegend negativ verstanden. 2. Durch das Bild des „himmlischen Geistes", zu dem die Seele und eine andere Daseinsweise von Fleisch als die irdische gehören, kommt das Moment der Transzendenz der auferstandenen Leiblichkeit zum Ausdruck. Der Verfasser geht nicht über diese Aussage hinaus. 3. Keinerlei Polemik ist in der analysierten Formulierung Leg. 31,3(4) zu erkennen. Wenn Athenagoras, um eine breitere Basis fur den AuferstehungsglauDer Gedankengang stimmt im wesentlichen mit dem von Justin, I Ap. 18,6; 20,3f überein. Das Argument wird ausführlich bei Ps.Justin, De Res. wiederaufgenommen. — Freilich bringt die Ankündigung eines περι της αναστάσεως λόγος in Leg. 37,1 keinen Beweis für die Echtheit von De Res.

§ io Athenagoras von Athen

133

ben zu schaffen, auf angebliche Parallelen in der griechischen Philosophie hinweist (Leg. 36,2b]), spricht er nur von der Auferstehung des Leibes. Das bedeutet, daß seine Begrifflichkeit nicht durch das Bekenntnis zur Auferstehung des Fleisches geprägt ist. Die Formel besitzt für ihn offenbar noch keinen normativen Charakter. 4. Die allgemein angenommene Entstehungszeit der „Legatio" läßt vermuten, daß die Aussage zum Fleisch der Vollendeten im Zusammenhang mit der wachsenden Bedeutung der Formel von der Auferstehung des Fleisches steht, ohne daß Athenagoras damit auch eine der Absichten übernommen hätte, die sonst mit dieser Formel in der letzten Hälfte des zweiten Jahrhunderts verbunden waren.

§ Ii Psjustins „ D e Resurrectione" D e r mit den Schriften Justins überlieferte Traktat „ D e Resurrectione" (= D e Res.) stellt in mehrfacher Hinsicht eine entscheidende Phase im Abschnitt der Traditionsentwicklung dar, der in der vorliegenden U n t e r s u c h u n g behandelt wird. Z u n ä c h s t gilt das für die Begrifflichkeit und den Inhalt der Schrift allgemein. S o w o h l im anthropologischen als auch im eschatologischen Sprachfeld k o m m t der „ s a i x " - B e g r i f f auffallend oft vor. D e r M e n s c h wird durch die „sarx" charakterisiert; die Verheißung an die „sarx" wird gegen alle Angriffe verteidigt; das Bekenntnis zur Auferstehung des Fleisches k o m m t mehrmals z u m A u s druck. All dies ließ sich schon bei dem einen oder bei dem anderen von den bisher untersuchten W e r k e n feststellen, aber nicht in der Dichte, die in D e Res. vorliegt. A u c h rein formal hat unser T e x t eine besondere Bedeutung. E r ist wohl der älteste Auferstehungstraktat der Alten Kirche, der einzige, der noch im zweiten Jahrhundert verfaßt w u r d e ' 6 3 . Als erster Vertreter der literarischen E n t w i c k lung, die sich in den anderen Auferstehungstraktaten der Alten Kirche niederschlägt, baut der T e x t auf der vorausgehenden theologischen u n d literarischen Tradition a u f — besonders auf dem W e r k Justins — , die er nun in eine neue Phase weiterfuhrt 3 6 4 . W a s fur ein Inhalt mit dem Bekenntnis zur Auferstehung des Fleisches in D e Res. verbunden ist, geht zuerst aus dem U m g a n g des Verfassers mit den E i n -

363 Zur Datierungsfrage vgl. H. E. Lona, Ps.Justin „De Resurrectione" 752-761. Für die Echtheitsfrage und für die theologische Einordnung des Traktats verweise ich auf diesen Aufsatz. — Auch Klemens von Alexandrien hat die Absicht bekundet, einen solchen Traktat zu schreiben (Paed. I 47,1; II 104,3), aber e s ' s t fraglich, ob er dies verwirklichen konnte. In der Überlieferung ist davon nichts erhalten. Zur Schrift „De Resurrectione Mortuorum", die Athenagoras von Athen zugeschrieben wird, s.o. § 10. 364

Die Gemeinsamkeiten zwischen der Schrift „De Resurrectione" und den echten Werken Justins haben immer wieder zur Behauptung ihrer Echtheit geführt. In der letzten Zeit vgl. P. Prigent, Justin et l'Ancien Testament 36-73; G. Kretschmar, Auferstehung des Fleisches 119; F. AUermath, Du corps psychique au corps spirituel 62. Diesen Gemeinsamkeiten stehen noch gewichtigere Unterschiede gegenüber. Der Sachverhalt läßt sich schwer erklären ohne ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Justin und dem Verfasser von „De Resurrectione". Vgl. H. E. Lona, Ps.Justin „De Resurrectione" 755F; G. afHäUström, Carnis Resurrectio 41. Auch dort spricht G . AF HÄLLSTRÖM von „the obvious affinities with Justin's theology". Am Ende seiner Untersuchung scheint er die Verfasserfrage offen zu lassen: „If Ps-Justin is Justin Martyr, he is thereby a moderate millenialist; ,De Resurrectione' does not, however, deal with this matter, which in its turn proves nothing: Justin Martyr does not deal with chiliasm in his Apologies, either" (ebd. 93). Die Analyse des Traktats wird zeigen, daß gerade in der Frage der Eschatologie die Begrifflichkeit und die Problematik anders geartet sind als bei Justin.

136

§ Ii Ps.Justins „De Resurrectione"

wänden hervor: wie er sie formuliert, wie er sich mit ihnen auseinandersetzt. Es geht dabei auch um die Rekonstruktion der gegnerischen Meinung. Was verbirgt sich hinter der Polemik gegen die Auferstehung des Fleisches? Wer sind die Träger dieser Polemik und somit auch die Gegner unseres Verfassers? In einem zweiten Schrift sollen die positiven Elemente seiner Antwort gewürdigt werden, um den Inhalt des Bekenntnisses so vollständig wie möglich zu erfassen.

I. D i e gegnerische Front Nach einem einleitenden Kapitel zitiert Ps.Justin vier Einwände gegen die Auferstehungshoffnung: i. die Auferstehung des Fleisches ist unmöglich; 2. sie ist darüber hinaus auch schädlich, da das Fleisch Ursache der Sünde ist. Wenn das Fleisch aufersteht, wird es auch mit seinen negativen Eigenschaften auferstehen; 3. wenn das Fleisch unvollständig aufersteht, zeigt sich darin das Unvermögen Gottes, alles zu retten; wenn es aber vollständig aufersteht, dann auch mit den entsprechenden Gliedern. Dagegen aber steht das Wort Jesu: „Sie werden weder heiraten noch werden sie verheiratet, sondern sie werden wie die Engel im Himmel sein, die kein Fleisch haben". Es gibt also keine fleischliche Auferstehung; 4. Jesus ist nur geistig und nicht im Fleisch erschienen. Er hatte bloß den Schein von Fleisch. Dem Fleisch gilt also keine Verheißung 365 . Zweierlei ist in der Darstellung der Einwände bemerkenswert: 1. von vornherein richten sich die Einwände präzis gegen die Auferstehung des Fleisches (De Res. Z.4if/S.2i4) und nicht gegen die Auferstehung der Toten bzw. des Leibes; 2. drei der vier Einwände betreffen spezifisch das Fleisch in seiner negativen Qualität oder heben den Widerspruch des Bekenntnisses zur Auferstehung des Fleisches zum Wort Jesu bzw. zu seiner geistigen Wesensart hervor. Nur die Behauptung von der Unmöglichkeit der Auferstehung ist allgemein gehalten. In der Analyse der Argumente gegen die Auferstehung des Fleisches halten wir uns an die Reihenfolge der Antwort des Verfassers: Am Anfang behandelt er das Problem von der Vollständigkeit des auferstandenen Fleisches (De Res. Z.66123/S.216-222); sodann zitiert er noch einmal die Einwände gegen die Auferstehung des Fleisches: sie ist unmöglich; sie ist auch unpassend wegen der Wertlosigkeit des Fleisches; dem gilt schließlich keine Verheißung (De Res. Z.124-128/ S.224). Es fällt auf, daß das christologische Argument beim vierten Einwand, Jesus sei nur geistig erschienen, nicht mehr erwähnt wird, wohl aber die Grundaussage über den Ausschluß des Fleisches aus der Auferstehungsverheißung.

De Res. Z.41-63/5.214-216 (die erste Angabe bezeichnet die Zeile in der Ausgabe von HOLL, die zweite die Seite in der Ausgabe von OTTO.

§ Ii Ps.Justins „De Resurrectione"

137

Eine Auseinandersetzung mit dem doketischen Ansatz der Gegner findet jedoch im ersten Fragment statt' 66 .

ι.

Über die Vollständigkeit des auferstandenen Fleisches

Der Einwand bringt zwei Schwierigkeiten bei, die mit einem stark materialistischen Auferstehungsverständnis zusammenhängen. Die erste Schwierigkeit wird durch ein Herrenwort bekräftigt: ούτε γ α μ ο ϋ σ ι ν οΰτε γαμίσκονται ά λ λ ' έσονται ώς άγγελοι έν τω ούρανώ 3 6 7 . Daraus schliessen die Gegner, daß die Auferstandenen frei von sexuellen Bindungen und Trieben, in ihrer Verfassung auch frei vom Fleisch und seinen Bedürfnissen sein werden' 68 . Die Schlußfolgerung ist klar: Es gibt keine σαρκική άνάστασις. Diese Wendung drückt die Auferstehungsform aus, die sie mit der Autorität des Herrenwortes ablehnen. Die Argumentation mit einem Wort Jesu weist auf einen innerkirchlichen Streit um das richtige Auferstehunsgverständnis hin. Die σαρκική ά ν ά σ τ α σ ι ς wird zwar bestritten, aber damit ist nicht gesagt, daß die Gegner jedwede Form der Auferstehungshoffnung bekämpfen 309 . Der Verfasser sieht auf jeden Fall in der Ablehnung der σαρκική άνάστασις eine Gefahr für die Gläubigen 370 . Anlaß für die vorgetragene Schwierigkeit ist offensichdich das oben angedeutete materialistische Auferstehungsverständnis, das — wie beim Gespräch Jesu mit den Sadduzäern — , in Zusammenhang gebracht mit der Betätigung der menschlichen Sexualität, leicht zu unsinnigen Folgerungen und Überlegungen fuhren kann. Die Argumentation der Gegner lautet: „Wenn der Leib vollständig auferstehen wird, wird er auch alle Glieder haben, daher auch die Funktionen der Glieder: Gebärmutter zum Gebären, das männliche Glied, um Samen hervorzubringen, und ähnliches" 3 7 '. Will man die Vollständigkeit der auferstandenen Leiber behaupten — um nicht die Macht Gottes anzuzweifeln, den ganzen Menschen durch die Auferstehung retten zu können — , bleibt nur der theologisch gut begründete Verzicht auf die σαρκική άνάστασις übrig, d.h. auf 366

Zur Frage nach der Zuordnung der Fragmente vgl. Η. E. Lona, a.a.O. 743-747. Der Text kommt der matthäischen Fassung am nächsten. Vgl. Mt 22,30. 368 De Res. Z.jáf/S.ué: 01 δε άγγελοι, φασίν, ούτε σάρκα εχουσιν οΰτε έσιΐίουσιν οΰτε συνουσιάζονται. 367

369

G. AF HÄLLSTRÖM meint, die Gegner würden den Auferstehungsbegriff in jeder Form ablehnen (Carnis Resurrectio 83). Mir scheint, daß die Darlegung der Schwierigkeit und besonders die Aussagen Ps.Justin im ersten Fragment, wo er eine reine πνευματική άνάστασις in Frage stellt, die Möglichkeit offen lassen, ob die Gegner nicht doch eine solche Formel hätten akzeptieren können, was auch immer darunter zu verstehen sei. 37° De Res. Z.58f/S.2i6: ταύτα μεν ούν και τά τούτοις όμοια λέγοντες πειρωνται διαστρέφειν τούς από της πίστεως. 371 De Res. Z.66-69/S.216: φασι τοίνυν εί όλόκληρον άναστήσεται το σώμα, και τά μόρια αύτού πάντα £ξει, ανάγκη δε και τά έργα των μορίων ύπάρξαι, μήτραν μεν κυίσκειν, σπερματ'ιζειν δε μόριον άνδρός και τά λοιπά δε ομοίως.

i38

§ il Ps.Justins „De Resurrectione"

eine Auferstehungsauffassung, die in der Frage der auferstandenen Leiber unreflektiert eine solche Kontinuität zwischen Geschichte und Eschaton postuliert, daß sie unausweichlich zum Widerspruch herausfordert. Justin hat auch den Vergleich mit den Engeln im Himmel verwendet, um den Zustand der Auferstandenen nach der „endgültigen" Auferstehung auszudrükken (Dial. 81,5), nachdem er das Bekenntnis zur Auferstehung des Fleisches im Zusammenhang mit der chiliastischen Hoffnung verteidigt hat (Dial. 80,5). Wie bei der Analyse der Stelle beobachtet, nähert sich seine Fassung dem lukanischen Text (vgl. Lk 20,35.36). Die Schuldiskussion ist offenbar weiter gegangen. Ps.Justin bezeugt eine Etappe, bei der der Text nicht mehr einfach und unproblematisch den Beweis für die Erhabenheit der Auferstandenen erbringt, sondern polemisch ein bestimmtes Auferstehungsverständnis als unannehmbar hinstellt. Bedeutsam für unsere Fragestellung ist die Tatsache, daß dieses Auferstehungsverständnis durch die Formel von der Auferstehung des Fleisches zur Sprache gebracht wird. Die zweite Schwierigkeit thematisiert einen anderen Aspekt auf der gleichen Linie: Wenn das Fleisch aufersteht, steht es dann so auf, wie es fallen wird (De Res. Z.108/S.222: εί ουν ή σαρξ άνίσταται, κοά τοιαύτη άνίσταται όποία κλι•όήσεται). Die Korrelativpronomina τοιαύτη - όποία weisen auf die grundsätzliche Analogie in der Beschaffenheit des Fleisches hin — in seinem irdischen und in seinem eschatologischen Dasein —, welche die Schwierigkeit entstehen läßt. Grammatikalisch hängt alles vom Konditionalsatz ab, aber durch die grammatikalische Struktur kommt auch die gemeinte Sache zum Ausdruck: Wenn das Fleisch aufersteht ...! Von der Auferstehung des Fleisches — nicht der Toten oder des Leibes — hängt also die behauptete Kontinuität von Geschichte und Eschaton ab. Die Gegner ziehen mit aller Konsequenz die Schlußfolgerung daraus: Dann müßte einer, der einäugig starb, ebenso einäugig auferstehen oder gelähmt, oder wie auch immer der körperliche Mangel war — auch das auferstandene Fleisch wird davon gezeichnet bleiben. Inhaltlich handelt es sich bei diesem Einwand nur um eine Variante der ersten Schwierigkeit. Eine Auferstehungsauffassung, die eine materielle Identität zwischen dem verstorbenen und dem auferstandenen Leib — der „sarx"-Begriff war in diesem Fall der Ausdruck dafür — impliziert, ist solchen Angriffen leicht ausgesetzt. Darum ist das Streitobjekt nicht das Bekenntnis zur Auferstehung der Toten schlechthin, sondern zur Auferstehung des Fleisches mit all seinen Implikationen.

2.

Gegen die Möglichkeit der Auferstehung

Der Einwand stellt vordergründig die Macht Gottes in Frage: Er könne nicht das verwesene und aufgelöste Fleisch wieder zusammenbringen. Bei seiner Argu-

§ Ii Ps.Justins „De Resurrecdone"

139

mentation unterscheidet der Verfasser zwei Gruppen, die hinter diesem Einwand stehen: Gläubige (De Res. Z.128-132/S.224) und Heiden (De Res. Z.153166/S.226-228). Über den Grund fur ihre Ablehnung wird nichts gesagt. Die Ausführlichkeit und der Argumentationsinhalt, mit denen sich Ps.Justin um eine überzeugende Beweisführung bemüht, lassen aber erkennen, daß er diesen Aspekt der Schwierigkeit durchaus ernst nimmt. Es ist das biologisch-physikalische Problem der Wiederherstellung des verstorbenen und aufgelösten menschlichen Leibes. Sowohl das Problem als auch die vom Verfasser gegebene Antwort beruhen auf der gleichen AuferstehungsaufFassung: Auferstehung als Wiedervereinigung und Wiederbelebung der aufgelösten Glieder. Daß sich hinter diesem Einwand doch ein anderes Problem verbirgt, wird erst bei den zwei nächsten Fragen sichtbar.

3.

Gegen die Würde des Fleisches

Neben dem αδύνατον bezüglich der Auferstehung des Fleisches steht das άσύμφορον. Es geht also nicht nur um die Möglichkeit, sondern auch um die sachliche Angemessenheit der Auferstehung des Fleisches. Wenn die Auferstehung etwas Schädliches beinhaltet, weil das Fleisch so wertlos und verachtungswürdig ist, dann bleibt die Auferstehung als Nichtgehöriges dem göttlichen Handlungsbereich fern 372 . Zwei Aussagen über Wesen und Wirkung des Fleisches begründen die vorstehende Beurteilung: Sein Wesen ist irdisch; es ist voll der Sünde und zwingt die Seele zum Mitsündigen 373 . Beide Aussagen sind eng aufeinander bezogen. Das irdische Wesen des Fleisches ist zugleich Ausdruck seiner Materialität und damit seiner Zugehörigkeit zu einer anderen Wirklichkeitsebene als der der Seele. Sieht man in der Materie den Ursprung des Bösen, dann ist das Fleisch Träger dieser Defizienz, die sich im Menschen wiederum negativ auswirkt, indem die Seele, die zum Bereich des Geistes gehört, durch das Fleisch der Macht des Materiellen unterliegt und zum Mitsündigen gezwungen wird. Der Angriff gegen das Fleisch geht aus einer dualistischen Anthropologie hervor, die ohne weiteres in den breiteren Kreis des Piatonismus eingeordnet werden kann. Die Angaben des Textes erlauben keine nähere Präzisierung. Aber die Ausdrucksform weist auf einen christlichen Kreis hin, oder wenigstens auf Leute, die ihre Einwände unter Heranziehung der biblischen Überlieferung formulieren. Zwei Indizien sprechen fur die Wahrscheinlichkeit dieser Vermutung: 372

So formuliert Ps.Justin die Schwierigkeit (De Res. Z.125-127/S.224): oi δε ώς μή προσήκον τώ ϋεώ το άνιστάνειν αΰτην δια το εΰτελες και εύκαταφρόνητον αύτης. 373 De Res. Ζ δ χ ι πρώτον αύτης έστιν ή ούσία γη, μετέπειτα δε και μεστή γέγονε πάσης αμαρτίας ώστε και την ψυχήν άναγκάσαι συναμαρτάνειν.

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§ Ii Ps.Justins „De Resurrectione"

ι. αΰτης (= της σαρκός) έστιν ή ούσία γη. Die Charakterisierung des Fleisches ist sogar biblisch richtig, wenn man Gen 2,7a als Grundlage nimmt: καν επλασ ε ν ό -όεος τον ανόρωπον χοϋν άπό της γης. Die Bildung des menschlichen Leibes durch Gott rechtfertigt die Aussage in De Res: Der Leib wurde aus dem Staub von der Erde gebildet, und so ist er Erde. Es ist kein Zufall, wenn der Verfasser in seiner Antwort die Genesisstelle erwähnt und die fleischliche Verfassung des Menschen sogar bestätigt; 2. die Bezeichnung des Fleisches als αμαρτωλός (De Res. Z.251/S.234) läßt sich in dieser Prägnanz ohne den Einfluß von manchen paulinischen Texten — etwa Gal 5,196 Rom 7,14; 8,3-13 — schwer erklären' 74 . Christliche Prägung und zugleich Verachtung des Fleisches sind in dieser Zeit nur bei gnostischen Gruppen vorstellbar. Auch der mögliche Einfluß des Paulus paßt gut dazu. Das Interesse der Gnostiker für den Apostel gerade im Zusammenhang mit der Auferstehungsfrage ist gut belegt.

4.

Gegen die Auferstehungsverheißung

Der Einwand scheint Teil eines Schulstreits zu sein, denn er wird mit dem für die bisherigen Aussagen der Gegner merkwürdigen Zugeständnis eingeleitet, das Fleisch sei das größte von allen Geschöpfen Gottes und daher auch das von ihm am meisten geschätzte. Dennoch bleibe es von der Auferstehungsverheißung ausgeschlossen. Das Zugeständnis beinhaltet genau die vorhergehende Argumentation des Verfassers über die Würde des Fleisches anhand von Gen 2,7 und Gen 1,26. Aber ihre Überzeugungskraft reicht nicht aus, um auch für das Fleisch die Auferstehungsverheißung gelten zu lassen. Über den Grund für die nach der Anerkennung vom Wert des Fleisches nicht ganz einsichtigen Verweigerung gibt es keine direkte Aussage, aber die erneute Auseinandersetzung mit der Frage des richtigen Menschenbildes, mit der Ps.Justin auf den Einwand antwortet, erlaubt einen Einblick in die Haltung der Gegner. Es handelt sich dabei um Christen, die bereit sind kraft: einer biblisch fundierten Beweisführung dem Fleisch, d.h. dem Bereich der menschlichen Leiblichkeit in ihrer Materialität, einen Wert zu

'74 D e r damit verbundene Vorwurf, das Fleisch würde die Seele zum Mitsündigen zwingen, läßt ein „sarx"-Verständnis erkennen, das nicht m e h r paulinisch ist. D e n n hier wird das Fleisch m i t der Leiblichkeit gleichgesetzt, und das sündhafte T u n des Menschen auf den Gegensatz von Fleisch u n d Seele zurückgeführt. Die paulinische Begrifflichkeit wird in den Dienst einer dualistischen Anthropologie genommen, o h n e zu beachten, daß der dem Fleisch verfallene Mensch im Sinne des Apostels immer der ganze Mensch ist. Die „Werke des Fleisches" betreffen auch die Leiblichkeit des Menschen, aber dazu zählen auch solche „geistige" H a l t u n g e n wie Feindschaft, Streit, Eifersucht, Spaltungen usw. (vgl. Gal 5,20).

§ H Ps.Justins „ D e Resurrectione"

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zumessen, der bei herkömmlichen gnostischen G r u p p e n schlecht denkbar ist 375 . T r o t z d e m scheint bei ihnen ein Menschenbild nach wie vor vorzuherrschen, in dem dieser Bereich letzlich nicht konstitutiv für das Mensch-Sein ist. N a c h der Darstellung des Verfassers erreicht seine Argumentation noch ein zweites M a l die Z u s t i m m u n g der Gegner, aber wie beim erstenmal fuhrt dies nur zur Formulierung einer neuen Schwierigkeit. Anscheinend geben sie zu, daß der M e n s c h wesentlich aus Fleisch bzw. Leib und Seele besteht: ά λ λ ' ή μεν ψ υ χ ή έ σ τ ι ν άφ-ô άρτος, μέρος ο ύ σ α τ ο ύ ι ΐ ε ο ύ κ α ι έ μ φ ύ σ η μ α κ α ι δ ι ά τ ο ύ τ ο το ί δ ι ο ν κοίι σ υ γ γ ε ν ε ς ή-όέλησε σ ώ σ α ι . ή δε σ α ρ ξ φ θ α ρ τ ή κ α ι οχκ ά π α υ τ ο ύ κ α "θάπερ ή ψ υ χ ή (De Res. Z.303-306/S.240). D i e Seele gehört nach dieser Aussage, die den Geist des Piatonismus widerspiegelt 3 7 6 , zur göttlichen W e l t 3 7 7 . A b e r die Argumentation der Gegner folgt auch dem W o r t der Schrift. Das έ μ φ ύ σ η μ α geht nämlich auf G e n 2,7b zurück: κ α ι έ ν ε φ ύ σ η σ ε ν εις το πρόσωπον α ύ τ ο ύ πνοήν ζ ω ή ς , κ α ι έγένετο ό ά ν θ ρ ω π ο ς εις ψ υ χ ή ν ζ ώ σ α ν 3 7 8 : D i e Seele entsteht durch den H a u c h Gottes. Diese Verwandtschaft der Seele mit G o t t bewirkt, daß sie als sein Eigenes betrachtet wird. Als solches gilt dann nur der Seele die göttliche Rettung. Das Fleisch hingegen ist vergänglich und existiert nicht an sich wie die Seele. D i e Auseinandersetzung mit den gegnerischen A r g u m e n t e n zeigt, daß die Kontroverse um die Auferstehung des Fleisches an verschiedenen Fronten geführt w u r d e und daß ihr O r t hauptsächlich der Binnenraum der christlichen Gemeinden war. Im zweiten Fragment charakterisiert Ps.Justin die G e g n e r folgendermaßen: „Aber der Fürst der Bosheit, da er die Lehre (von der Auferstehung des Fleisches) a u f andere Weise nicht vernichten konnte, sandte seine Apostel, die böse und pestartige Lehren einführten. Er hat sie aus denen erwählt, die unseren H e i land gekreuzigt haben, die zwar den N a m e n des Heilands trugen, jedoch die W e r k e dessen taten, der sie gesandt hat, durch die dem N a m e n (des Heilands) sich die Gotteslästerung angeschlossen hat" ( D e Res. II Fr. Z.21-27/S.246248) 379 . Aus der Sicht des Verfassers handelt es sich bei den Gegnern um Juden375 Der Rheginosbrief und das Philippusevangelium beweisen, daß die Bewertung des Fleisches in der Gnosis — auch bei voller Gültigkeit eines gnostischen Selbstverständnisses — sehr differenziert war. 376 Vgl. Tim. 90a; Leg. 899d; Resp. X 6ne; Phil. 3od. άφθαρτος gehört nicht zum platonischen Sprachgebrauch; hier hat es die Bedeutung von αθάνατος. 377 Ahnlich lautet die Aussage des Alten in Justin, Dial. 4,2, die aber als unhaltbar aufgegeben wird. 378 Vgl. Justin, Dial. 40,1. Zum Begriff έμφύσημα vgl. W.-D. Hauschild, Gottes Geist und der Mensch 269-272, bes. 270. 379 De Res. II Fr. Z.21-27/S.246-248: άλλα γαρ ούκ άλλως λυμαίνεσύαι τον λόγον δυνάμενος ό της πονηρίας άρχων έξέπεμψε τούς αποστόλους αυτού, κακός και λοιμώδεις διδασκαλίας εισάγοντας, έκλεξάμενος αυτούς εκ των σταυρωσάντων τον σωτήρα ήμών, οιτινες το μεν ονομα τοΰ σωτηρος εφερον τά δέ εργα τού πεμψαντος αυτούς έποίουν, δι' οΰς και τω ονόματι ήκολούΦησεν ή βλασφημία

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§ Ii Ps.Justins „De Resurrectione"

christen, die, wie so oft in der Auseinandersetzung um die christliche Wahrheit, vom Teufel gesandt, die Unwahrheit eingeführt haben. Die Charakterisierung ist zu wenig spezifisch, um eine bestimmte judenchrisdiche Gruppierung identifizieren zu können' 80 . Es bleibt jedoch zu bedenken, daß die Polemik der Epistula Apostolorum den „Pseudoaposteln" Simon und Kerinth gilt und daß an den zuletzt genannten die Epistula Jacobi Apocrypha aus Nag-Hammadi adressiert ist 38 '. Nach dem Bericht des Irenaus (Adv.Haer. I 26,1) vertritt Kerinth eine gnostische Christologie: Nur der Mensch Jesus habe gelitten und sei von den Toten auferstanden. Christus, der auf Jesus nach der Taufe als Taube herabgestiegen ist, sei von Leiden verschont geblieben, da er geistig war. Wenigstens in der Christologie wäre eine Übereinstimmung mit den Gegnern des Ps.Justin vorhanden. Freilich fehlen weitere Hinweise auf seine Lehre bezüglich der Auferstehung der Toten, so daß keine weitere Präzisierung möglich ist.

II. D i e Antwort des Verfassers ι.

Über die Vollständigkeit des auferstandenen Fleisches

Ziel der Beweisführung ist der Erweis, daß das Fleisch, d.h. der menschliche Leib, vollständig mit allen Teilen und Gliedern auferstehen wird, und daß dies nicht im Widerspruch zum Wort des Herrn steht, daß die Auferstandenen wie die Engel im Himmel sein werden. Grundlegend fur einen solchen Erweis ist die These, daß die tatsächliche Existenz eines Gliedes nicht notwendigerweise die Ausübung seiner Funktionen einschließt. Im Bereich der menschlichen Erfahrung findet Ps.Justin Beispiele, welche die aufgestellte These gerade im Zusammenhang mit der Ausübung der Sexualität einsichtig machen. Es gibt Frauen, die unfruchtbar sind, obwohl sie von Natur aus die Organe zum Gebären besitzen. Aber das ist nicht nur eine

' G . AF HÄLLSTRÖM identifiziert die Gegner mit Karpokrates und seinen Schülern und stellt folgende Gemeinsamkeiten heraus: ,,a) it is said of both that they were sent into the world by Satan, b) both had the task of preaching false doctrines, c) both are said to bring shame to the Christian name, i.e. they call themselves Christians, d) both are connected with an immoral way of life, e) both regard the body as evil, f ) according to both the soul can save itself (with the aid of God)" (Carnis Resurrectio 19). Die Punkte „a.b.c" betreffen Allgemeinplätze der antihäretischen Polemik, „d" trifft bei den Gegnern in De Res. nicht zu. „e.f " sind allgemein gnostisch. Weiter vermutet G . AF HÄLLSTRÖM hinter den vier Einwänden vier Gruppen von Gegnern. Hier räumt er ein, daß nicht alle diese Gruppen Anhänger des Karpokrates waren (ebd.). Der unter den verschiedenen Einwänden bestehende innere Zusammenhang macht zweifelhaft, ob der Verfasser bei der Darlegung der vier Einwände tatsächlich vier Gruppen vor sich hat. '8l S.o. § 7 Anm. 206 und 220.

§ Ii Psjustins „De Resurrectione"

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Erfahrungswahrheit auf der Ebene der physischen Gegebenheiten (De Res. Z.76-80/S.218). Es gibt darüber hinaus Männer und Frauen, die für immer oder eine Zeitlang freiwillig auf Geschlechtsgemeinschaft verzichten (De Res. Z.8085/S.218). Hier kommt ein Aspekt in der Argumentation zum Tragen, der nicht unmittelbar in den Gedankengang gehört, der aber die Einstellung des Verfassers in einer wichtigen Frage offenbart. Er behauptet nämlich, der freiwillige Verzicht von Männern und Frauen auf Geschlechtsgemeinschaft sei die Aufhebung der durch Begierde geschlossenen, aber gesetzlosen ehelichen Gemeinschaft. Auch die Geburt Jesu aus der Jungfrau wird in diesem Sinne ausgelegt: Dadurch hat er die Zeugung aus gesetzlosen Begierden zunichte gemacht und dem Fürsten dieser Welt gezeigt, daß für Gott die Bildung des Menschen möglich ist ohne menschliche Geschlechtsgemeinschaft (De Res. Z.89-92/S.220). Die Existenz des Erlösers im Fleisch wird voll bejaht, aber nichts davon sei um der Geschlechtsgemeinschaft willen geschehen (De Res. Z.93-95/S.220) 382 . Jesus wird nicht als Vorbild sexueller Enthaltsamkeit dargestellt, sondern eher als herausragendes Beispiel für die Überwindung eines allgemein negativ charakterisierten Gebrauchs der Sexualität. Die Existenz des Erlösers ist der lebendige Beweis ihrer eschatologischen Aufhebung. An dieser Stelle kann der Verfasser auf das von den Gegnern zitierte Herrenwort zurückgreifen und dem vorbehaltlos zustimmen, denn die kritische Spitze gegen die σαρκική άνάστασις ist nicht mehr da: Die Auferstandenen werden ihr „sarx" d.h. ihre Leiblichkeit vollständig wiedererhalten, und sie werden zugleich wie die Engel im Himmel sein. Das alles hat der Herr durch das zitierte Wort vorhergesagt, weil er von der Aufhebung der Geschlechtsfunktionen im Eschaton gewußt hat. Wenn manche Fähigkeiten des Fleisches schon jetzt außer Kraft gesetzt werden, dann sollen sich die Ungläubigen nicht wundern, wenn es auch in der kommenden Welt so bleibt (De Res. Z.100-107/S.220-222). Ps.Justin gibt im Grunde eine moralische Antwort auf eine Frage, die ein tieferes Problem berührte. Denn die Berufung auf die Aufhebung der „gesetzlosen" Geschlechtsgemeinschaft durch manche asketisch orientierten Christen bzw. durch die Geburt und die Lebensweise des Erlösers gibt noch keine Antwort auf das Anliegen des Fragenden, und das war nicht allein die Frage nach der möglichen Ausübung der Sexualität im Eschaton, sondern die Frage nach der spezifischen Qualität der auferstandenen Leiber. Das Herrenwort vermochte dem Einwand gegen eine naiv materialistische Auferstehungsvorstellung zusätzliches Gewicht zu verleihen, aber die eigentlich angedeutete sachliche Schwierigkeit ging über das Thema der Sexualität hinaus. '

Die Wendung της σαρκός επνΰυμ'ιαι (Z.95/S.220) ist wahrscheinlich durch die jo-

hanneische Tradition (1 Joh 2,16; Joh 1,13) beeinflußt. Nach einer LA, die schon durch die lateinische Fassung von Adv.Haer. (III 16,2; 19,2; 21,5; V 1,3) und Tertullian (De Carne Christi 15,3; 19,2; 24,2) bezeugt ist, bezieht sich Joh 1,13 auf die Herkunft des Erlösers. Natürlich ziehen die Valentinianer und Markion; eine andere Konsequenz aus der Stelle als Ps.Justin. Für sie erbringt der Text den Beweis, daß weder sie noch der Erlöser in die Welt des Fleisches gehören.

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§ Ii Ps.Justins „De Resurrectione"

Die zweite Schwierigkeit im Zusammenhang mit der Vollständigkeit des auferstandenen Fleisches löst der Verfasser mit dem Hinweis auf die Wundertätigkeit Jesu. Mit seinen Wundern hat Jesus nicht nur die prophetische Ankündigung erfüllt, sondern auch auf den Glauben an die Auferstehung der vollständigen und unversehrten Leiber hingewiesen (De Res. Z.115-123/S.222). In den Textausgaben von OTTO und HOLL sind zwei Fragmente erhalten, die beide im Anschluß an die Antwort auf den vierten Einwand bringen. Die Handschriften weisen auf einen eher kleinen Textverlust hin (και μετ' ολίγα). Ohne auf das Problem der ursprünglichen Textordnung einzugehen — ob die Fragmente ihren Platz irgendwo innerhalb des jetzigen Textes haben — , findet das erste Fragment einen guten inhaldichen Anschluß gleich nach dem soeben besprochenen Abschnitt. Es geht hier um den Beweis, daß die Auferstehung nicht nur πνευματική ist, sondern unbedingt auch σαρκική. Das ist genau die Antwort auf den ersten Einwand, dessen theologische Argumentation demonstrieren wollte, daß es keine σαρκική άνάστασις gibt. Nochmals nimmt der Verfasser auf die Wundertat gkeit Jesu Bezug, besonders auf die Totenerweckungen (De Res. I Fr. Z.1-5/S.242). Weit wichtiger ist jedoch das christologische Argument aus der Auferstehung Jesu' 8 '. Wäre die Auferstehung nur πνευματική gewesen, hätte der Auferstandene den allein liegenden Leib gezeigt, während die Seele auch allein gewesen wäre (De Res. Z.6-8/S.242). „Warum ist er im Fleische, das gelitten hatte, auferstanden, wenn nicht, um die fleischliche Auferstehung zu zeigen?" 3 ® 4 Auch die Erfährungen der Jünger mit dem Auferstandenen werden herangezogen: Sie haben den auferstandenen Leib berührt, sie aßen gemeinsam mit 1hm 385 . Zum Schluß spielt Ps.Justin auf das Wort Jesu von den himmlischen Wohnungen und auf die Himmelfahrt an: Weil es für das Fleisch nicht unmöglich ist, in den Himmel zu gelangen, wurde er in den Himmel aufgenommen, und die Jünger schauten ihn, wie er έν σαρκί war (De Res. Z.22-24/S.244). Am Ende wendet sich der Verfasser polemisch an die Gegner: Wenn einer nach diesen Argumenten noch Beweise für die Wirklichkeit der Auferstehung verlangen würde, unterscheidet er sich nicht von den Sadduzäern (De Res. 383

Der Text läßt sich auch gut verstehen als Antwort auf den Einwand gegen die Auferstehung des Fleisches durch die Behauptung, Jesus sei nur geistig und nicht έν σαρκί erschienen. 384 De Res. Z.9-11/S.242: τίνος ούν ένεκεν τη σαρκι τή παϋούση ανέστη, εί μή Ίνα δείξη την σαρκικήν άνάστασιν; De Res. Z.I3-I9/S.24 1 " 2 44 : ούπω εχετε πίστιν, φησίν, Ίδετε δτι έγώ είμι και ψηλαφάν αύτόν έπέτρεπεν αύτόϊς και τους τύπους των ήλων έν ταίς χερσ'ιν έπεδείκνυε και πανταχόθεν αύτόν κατανοήσαντες δτι αύτός έστι και έν τω σώματι παρεκάλεσαν αυτόν φαγειν μετ' αυτών ίνα και δια τούτου βεβαίως μάι}ωσιν, δτι άληύώς σωματικώς ανέστη και έφαγε κηρίον κοά ίχιΐύν. Der Text hängt traditionsgeschichdich von Lk 24,39-40.42-43 und Joh 20,27 ab· Ein Traditionszusammenhang besteht ebenfalls mit IgnSm 3,1-3. Vgl. Η. E. Lona, Der Sprachgebrauch 389^ Auch Ignatius spricht von einer σαρκική και πνευματική άνοστασις (IgnSm 12,2), aber in einem anderen Sinn als Ps.Justin. S.o. § 3 Anm. 93.

§ Ii Psjustins „De Resurrectione"

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Z.24-26/S.244). Auch dieser Vorwurf bestätigt die Zugehörigkeit des ersten Fragments zur Erörterung über die leibliche Vollständigkeit der Auferstandenen. Denn dort argumentieren die Gegner mit dem Herrenwort aus dem Gespräch Jesu mit den Sadduzäern. Wir haben gesehen, wie der Verfasser auch an dieses Wort appelliert, um seinen Standpunkt zu verteidigen. Jetzt, am Schluß der Beweisführung dreht er den Spieß um: Die Leugner der σαρκική ά ν ά σ τ α σ ι ς sind die wahren Sadduzäer, wenn sie sich nicht durch die vorgetragenen Argumente überzeugen lassen! Wie die Argumentation mit den Erscheinungen des Auferstandenen und mit der Himmelfahrt zeigten, versteht Ps.Justin die σαρκική άνάστασις durch und durch realistisch. Die Frage nach der Erhabenheit der auferstandenen Leiber, nach der Qualität einer verklärten Leiblichkeit, taucht in seinem Denkhorizont nicht auf. Er kann den Einwand der Gegner rhetorisch widerlegen, mit der eigentlich gemeinten Sache setzt er sich nicht auseinander. Traditionsgeschichtlich setzt er eine Linie fort, die bei den lukanischen und johanneischen Erscheinungserzählungen ansetzt und von Ignatius im Kampf gegen eine doketistische Christologie aufgenommen wird. Der paulinische Gedanke von der Unverhältnismäßigkeit zwischen dem irdischen und dem verklärten Leib in ihrer jeweiligen Verfassung (vgl. 1 Kor 15,42-44), von der notwendigen Verwandlung des irdisch-menschlichen, um die Grenzen der Vergänglichkeit zu überwinden (1 Kor ij.jof), ist dieser Linie fremd.

2.

Über die Möglichkeit der Auferstehung

Die Argumentation gestaltet sich unterschiedlich je nach den Adressaten. In einem ersten Schritt spricht Ps.Justin die Gläubigen an. Der Behauptung, die Auferstehung des Fleisches sei für Gott unmöglich, begegnet er mit dem Hinweis auf den Glauben aller Heiden an die Allmacht ihrer Götter. Stelltvertretend zitiert er das Wort Homers: „Die Götter vermögen alles, und zwar leicht"' 86 . Wenn die Heiden ein solches Vertrauen auf ihre Götter, die nur machtlose Götzen sind 3 ® 7 , haben, wieviel mehr müssen die Gläubigen daran glauben, da sie das besondere Fest 388 und den wahren Glauben besitzen (De Res. Z.132-143/S.224-226). Obwohl der Verfasser später sagen wird, daß den Gläubigen hinsichtlich der Möglichkeit der Auferstehung ein einfaches πεπιστεύκοίμεν genügen müßte (De Res. Z.i59f/S.226), spricht er von Beweisen (τεκμήρια) für diese Möglichkeit. Der erste Beweis, der die Macht Gottes zur Genüge zeige, ist die Erschaffung des Menschen aus Erde (Gen 2,7). Der zweite Beweis ist die Bildung der Lebe386 '87

Od. X 3oéf: ΐ>εοι δε τά πάντα δύνανται και ρεϊα. Vgl. Ps 113,3. Ähnlich Theophilus, Ad Aut. 1 1 . Gemeint ist sicherlich das Osterfest.

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§ Ii Ps.Justins „De Resurrectione"

wesen aus einem winzigen feuchten Tropfen (De Res. Z.144-149/S.226). Schließlich weist er auf die Auferstehung Jesu selber hin als Beweis (De Res. Z.151-153/ S.226). Ps.Justin ist überzeugt, daß diese Beweise die Möglichkeit der Auferstehung hinreichend beweisen können (De Res. Z.161-163/S.228). Die Tragweite solcher Beweise für das zur Diskussion stehende Thema und für das Auferstehungsverständnis wird nicht expliziert, aber einiges läßt sich herausstellen. Wenn Gott die Macht hatte, den Menschen zu erschaffen, wird er ebenso die Macht besitzen, ihn auferstehen zu lassen. Der Verfasser wird dabei schwerlich an die Auferstehung als eine Neuschöpfung gedacht haben, sondern — und hier argumentiert er ähnlich wie Justin mit den angeblichen Beweisen aus der griechischen Philosophie — an die Wiedervereinigung und Wiederbelebung der aufgelösten und zerstreuten menschlichen Glieder, so daß der Leib wiederersteht, wie Gott ihn aus dem Staub der Erde gebildet und lebendig gemacht hat. Beim zweiten Beweis hängt er von Justin ab (I Ap. 19,1.4). Das tertium comparationis der Pointe in dem Vergleich mit dem winzigen menschlichen Samen und der Wirklichkeit des aus ihm entstandenen Leibes ist nicht die Verwandlung, sondern die scheinbare Unmöglichkeit dieser Entwicklung, die aber durch niemanden bestritten werden kann. So wäre es auch in der Sache der Auferstehung. In einem zweiten Schritt setzt sich Ps.Justin mit den Kontrahenten auseinander, mit denen keine Glaubensgemeinschaft besteht. Drei verschiedene Richtungen der griechischen Philosophie, vertreten durch Plato, Epikur und die Stoa, werden erwähnt und zugleich auf eine gemeinsame Überzeugung zusammengebracht, die von allen bejaht wird: Weder kann aus dem Nicht-Seienden etwas werden, noch kann das Seiende in nichts aufgelöst werden und verlorengehen; die Elemente, aus denen die Entstehung aller Dinge erfolgt, bleiben unvergänglich (De Res. Z.182-185/S.228). Die Beweisführung geschieht sodann nach der gleichen Grundstruktur. Die Materie und Gott (Plato), die vier Elemente (die Stoiker) und die Atome (Epikur) sind unvergänglich. Daher besteht immer die Möglichkeit, die durch den Tod aufgelöste Materie neu zu gestalten, wie ein Künstler es auch tut mit der Materie, aus der er eine Statue oder ein Bild macht. Das wäre im Hinblick auf die Lehre Piatos zu sagen. Ähnliches gilt für die Macht Gottes, die Weltelemente zu durchdringen und so die gleiche Mischung und Verbindung der Elemente zu erreichen (stoische Lehre), d.h. den gleichen Körper zu bilden, der vorher war. So ist es schließlich auch der Fall bei der Lehre von den Atomen Epikurs. Aus einer bestimmten Ordnung und Stellung der Atome heraus entstehen die komplexen Körper und der Leib. Da die Atome unvergänglich sind, ist es dann auch nicht unmöglich, daß sie, wenn sie wieder zusammenkommen und die gleiche Stellung und Ordnung bekommen, den gleichen Leib bilden, der zuvor war (De Res. Z.185-227/S.228-232). Natürlich kann die Schlußfolgerung nach dieser Übersicht über die so verstandene

§ l i Ps.Justins „ D e Resurrectione"

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griechische Philosophie nichts anderes sein, als daß diese einstimmig im G r u n d e die Möglichkeit der Auferstehung des Fleisches vertritt 3 8 9 . Das Auferstehungsverständnis, das sich in der A n t w o r t Ps.Justins auf die Frage nach der Möglichkeit der Auferstehung artikuliert, entspricht voll der bisherigen Darstellung. D i e Beispiele aus der griechischen Philosophie heben die materielle Kontinuität in der Beschaffenheit des irdischen und des auferstandenen Leibes hervor. Erst durch das zweite Fragment, das sehr wahrscheinlich im Z u s a m m e n hang mit der in diesem Abschnitt untersuchten Frage steht, wird eine D i m e n sion sichtbar, welche davor warnt, d e m Verfassser eine beinahe p l u m p e materialistische Vorstellung zu unterstellen. H i e r bezieht er sich noch einmal a u f die griechische Philosophie, und zwar auf Plato und Pythagoras als deren Hauptvertreter. Sie haben schon gelehrt, daß die Seele unsterblich ist, der Leib hingegen vergänglich. W e n n der Heiland das gesagt und nur das Leben der Seele verkündet hätte, was hätte er eigentlich Neues gesagt außer d e m , was schon Pythagoras, Plato und ihre Anhänger gelehrt hatten? „Jetzt aber kam er und verkündete den Menschen eine neue und fremde H o f f n u n g . D e n n fremd und neu war, was G o t t verheißen hat, nicht die Unvergänglichkeit in der Unvergänglichkeit zu bewahren, sondern das Vergängliche unvergänglich zu machen" ( D e Res. II Fr. Z.17-21/S.24Ä)»0. In zweierlei Hinsicht bleiben die Aussagen Ps.Justins in einer merkwürdigen S p a n n u n g zueinander. Z u n ä c h s t bezüglich des Auferstehungsverständnisses. Einerseits wird die materielle Identität des verstorbenen Leibes mit dem auferstandenen unmißverständlich behauptet und gegen jeden Spiritualisierungsversuch verteidigt. D i e Widerlegung der ersten zwei Einwände hat dies hinreichend gezeigt. Andererseits macht die zitierte Aussage aus d e m zweiten Fragment ebenso deutlich, daß der Verfasser die ontologische D i f f e r e n z zwischen Vergänglichkeit und Unvergänglichkeit nicht übersehen hat. Es ist richtig, daß er die durch die Person gegebene Kontinuität zwischen dem irdischen und dem auferstandenen Leib öfters durch die materielle Identität darstellt, ja sie mit ihr gleichsetzt. Ebenso richtig ist, daß der G e d a n k e der V e r w a n d l u n g , der notwendigen A n dersartigkeit der auferstandenen Leiblichkeit in der B e w e i s f ü h r u n g nicht zum T r a g e n k o m m t . A b e r all dies verwischt nicht die Grenzen zwischen V e r g ä n g lichkeit und Unvergänglichkeit. D a r i n besteht das N e u e und Fremdartige der 3®9 Das bekundet Ps.Justin am Anfang der Argumentation, gleich nach der Aufstellung des von allen Schulen anerkannten Prinzips (De Res. Z.185-187/S.228: τούτων τοίνυν οΰτως εχόντων κατά πάντας αυτούς φανησεται δυνατή ή της σαρκός ύπάρχειν παλιγγενεσία), und als Abschluß der Beweisführung: De Res. Z.227-231/S.232: άλλα γαρ ό μεν περι τού δυνατην είναι την της σαρκός άνάστασιν ικανώς άποδέδεικταί μοι λόγος κατά τούς εθνικούς. εί δε κατά τούς απίστους οΰχ εύρίσκεται αδύνατος ή άνάστασις της σαρκός, πόσφ μάλλον κατά τούς πιστούς. 59° De Res. II Fr. Z.17-21/S.246: νύν δέ την καινήν και ξένην εύαγγελιζόμενος ηλι}εν άνΟρωποις ελπίδα, ξένον δε άρα ην και καινόν το τον Οεόν ύπισχνέίσΰαι μή τη αφθαρσία την άφϋαρσίαν τηρειν άλλα την φιίοράν άφΟαρσίαν ποιείν.

148

§ Ii Psjustins „De Resurrectione"

Auferstehungshoffnung, die eine ebenso neue und fremdartige Handlung Gottes verkündet. Der zweite Aspekt betrifft das Verhältnis zur hellenistischen Philosophie, ja überhaupt das Verhältnis von Vernunft und Glauben zueinander 391 . Liest man nur den Einleitungsabschnitt von „De Resurrectione", drängt sich der Eindruck auf, der Verfasser lasse nur den Glauben als Weg zur Wahrheit gelten, so resolut stellt er sich gegen jeden argumentativen Zugang 392 . Liest man aber weiter und sieht, wie er versucht, die Einwände argumentativ zu widerlegen, wird einem klar, daß die Ablehnung der Beweise nicht mit blindem Glaubensgehorsam gleichzusetzen ist. Er selber verzichtet nicht auf Argumente, die den „vernunftgemäßen" Charakter des Glaubensaktes darstellen sollen. Treffliches Beispiel ist die Heranziehung der griechischen Philosophie und die Feststellung, daß diese die Möglichkeit der Auferstehung stützt. Aber der Glaubensinhalt wird deswegen nicht auf eine „rationale" Größe reduziert, die folglich von der Vernunft völlig erkannt und durchschaut werden kann. Die Auferstehungshoffnung ist darum neu und fremd, weil sie etwas verkündet, das von der griechischen Philosophie nicht geahnt wurde, ja nicht einmal geahnt werden konnte. Dabei geht es nicht primär um eine Unzulänglichkeit der Erkenntnis, sondern der buchstäblich paradoxe Charakter des Gegenstandes — Gott macht das Vergängliche unvergänglich — übersteigt jede Erkenntnis.

3.

Über die Würde des Fleisches

Im Hintergrund der Diskussion um die Möglichkeit der Auferstehung des Fleisches stand eine andere Frage, die nicht mit der Allmacht Gottes zu tun hatte, sondern mit dem Wert der menschlichen Leibes. Der Ausgangspunkt dazu ist die richtige Einsicht, daß Gott seine Macht nicht willkürlich oder gar zu einem negativen Zweck ausübt. Der Ernst des Gottesbildes verlangt, daß seine Macht nur auf das Gute überhaupt ausgerichtet bleibt. So gehört das Thema von der Würde des Fleisches sachlich zur Erörterung der Möglichkeit seiner Auferstehung. Wenn dem Fleisch eine wesentliche Negativität anhaftet, dann kann Gott es nicht auferstehen lassen; nicht weil er die Macht dazu nicht hätte, sondern weil eine solche Tat mit theologischer Notwendigkeit aus seinem Handlungsbereich ausgeschlossen ist. Die Argumentation des Verfassers ist schöpfungstheologisch. Durch die Verbindung Gen 1,26 und Gen 2,7 kommt er zur Behauptung, daß der nach dem 391 Zum traditions- und kulturgeschichtlichen Hintergrund der Problematik vgl. H. E. Lona, Ps.Justin „De Resurrectione" 703-716. 392 So interpretiert R, Joly „De Resurrectione". Der von ihm herausgestellte Gegensatz zu Justin trifft für den Einleitungsabschnitt von „De Resurrectione" zu, nicht aber für das ganze Werk (Christianisme et Philosophie 128-130).

§ Ii Ps.Justins „ D e Resurrectione"

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Abbild und Gleichnis Gottes geschaffene Mensch kein anderer ist als der „fleischliche" (De Res. Z.239-244/S.244). W e n n der Mensch als σ α ρ κ ι κ ό ς das Abbild darstellt, erweist sich die Meinung als unsinnig, das Fleisch sei unansehnlich und wertlos. Die Verbindung der zwei Genesisstellen kommt zum erstenmal in der christlichen Literatur in I Clem 33,4F und später bei Justin vor (Dial. 62,1-3), aber keiner von ihnen zieht daraus die Konsequenz, der Mensch sei σαρκικός. D i e Sprache Ps.Justins wird schwerlich ohne jeden Zusammenhang mit der gnostischen Polemik stehen 3 9 3 . In Gen 2,7 lasen die Gnostiker in verschiedenen Varianten die Erschaffung des materiellen Menschen, der durch den Hauch Gottes zum „psychischen" Menschen wird 3 9 4 ; andere unterschieden zwischen dem Gott, der macht (ποιεί, wie in G e n 1,26), und dem Demiurg, der bildet ( π λ ά σ σ ε ι , wie in G e n 2, 7 ) 3 9 5. Es ist richtig, daß die Position der Gegner auf der irdischen Herkunft des menschliches Leibes gründet und nicht auf seiner Bildung durch das Wirken eines Mittlers 3 9 6 , aber ihre Einstellung scheint doch von einer gnostischen A b wertung der Leiblichkeit und der Materie inspiriert zu sein. D e m V o r w u r f , das Fleisch sei voll der Sünde und zwinge die Seele zum M i t sündigen, begegnet Ps.Justin in drei Schritten. Zuerst verweist er auf das Mitwirken von Seele und Fleisch: „Es ist zwecklos das Fleisch zu verurteilen und ihm allein die Sünden der beiden anzulasten" (De Res. Z.252-254/S.234) 3 9 7 . Er bleibt aber nicht beim Gedanken des notwendigen Zusammenwirkens von Leib und Seele stehen. Seiner Meinung nach ist es nicht das Fleisch, das die Seele zur Sünde zwingt, sondern umgekehrt die Seele, die das Fleisch zum Sündigen bewegt und anregt (De Res. Z.254-256/S.234). D e m Fleisch wird also eine passive Rolle zugeschrieben. O h n e die Aussage zu begründen, stellt Ps.Justin eine A n sicht auf, die der Behauptung der Gegner widerspricht und das Fleisch von sündhaften Taten „ent-schuldigt". Der zweite Schritt besteht im Vergleich mit einem Ochsengespann (De Res. Z.256-259/S.234): W e n n einer der Ochsen vom Gespann gelöst wird, kann kei393 Nach G . AF HÄLLSTRÖM ist die Formel von der „carnis resurrectio" in De Res. nicht antignostisch ausgerichtet (a.a.O. 83). Auch wenn in der Frage nach der Vollständigkeit der auferstandenen Leiber und nach der Möglichkeit der Auferstehung der gnostische Hintergrund nicht maßgebend ist, stellt sich die Sache in der Frage nach der Würde des Fleisches und nach der Auferstehungsverheißung doch anders dar. Sowohl in der Begrifflichkeit zum Menschenbild als auch im Ausdruck der eschatologischen Hoffnung spiegelt sich in aller Deutlichkeit eine antignostische Polemik wider. Die Behauptung, „the situation is thus very much the same as in Justin Martyr" (ebd.), übersieht völlig die terminologischen Unterschiede und die sachliche Verschiebung der Problematik. 394

Vgl. Exc. ex Theod. 50,1-51,2; Irenaus, Adv.Haer. I 5,5.

395

So EvPhil § 121. Vgl. A. Orbe, Antropología de San Ireneo 9.

39 6 Das ist das Problem bei Justin (Dial. 62,1-3), aber nicht in „De Resurrectione". 397 De Res. Z.252-254/S.234: μάτην κατηγοροΰντες αύτης κ α ϊ τά των αμφοτέρων άμαρτήματα μόνη περιτιϋέντες.

§ Ii Ps.Justins „De Resurrectione" ner von ihnen allein pflügen. Im Anschluß an die Betonung der eigentlichen Verantwortung der Seele bei der Sünde paßt der Vergleich, der nur die notwendige Beteiligung von Leib und Seele anschaulich machen kann, nicht mehr ganz. Der Vergleich läßt die Schuldfrage beiseite, und hat nur die Einheit des Menschen von Leib und Seele im Auge. Zum Schluß argumentiert Ps.Justin mit dem Wort Jesu: ,Aber selbst wenn das Fleisch als Sünder gilt: Nur um seinetwillen kam der Erlöser, heißt es doch: ,Ich bin nicht gekommen, die Gerechten zu rufen, sondern die Sünder' 3 ? 8 . Damit zeigt sich, daß das Fleisch von Gott mehr als alle anderen Geschöpfe geschätzt und geehrt und mit Recht von ihm gerettet wird" (De Res. Z.259264/S.236) 399 . Die Berufung auf dieses Wort Jesu ist überraschend und gewagt, aber für die Denkart des Verfassers kennzeichnend. Nach der Verteidigung des Fleisches — besonders durch das erste Argument — trug die Seele die Verantwortung für die Sünde, und nicht das Fleisch. Jetzt scheint Ps.Justin bereit zu sein, den Vorwurf gegen das Fleisch zu konzedieren. Damit nimmt er nicht seine frühere Behauptung wieder zurück, sondern verweist auf die Weise göttlichen Handelns, die für ihn weit größere Gültigkeit besitzt als jede Argumentation mittels Überlegungen über das Verhältnis von Fleisch und Seele. Das Wort Jesu gibt ihm die Gewißheit, daß Gott die Rettung des Verlorenen sucht und daß darum das Fleisch — gerade weil schwach und sündig — privilegiertes Objekt der heilbringenden Sendung des Sohnes ist. Wie in der Frage nach der Möglichkeit der Auferstehung verzichtet der Verfasser auch hier nicht auf eine Argumentation, welche die Plausibilität des Gegenstandes aufzeigen soll. Aber am Ende macht er ebenso deutlich auf die Grenzen der Vernunft aufmerksam, indem er sich auf das paradoxe Handeln Gottes beruft: das Vergängliche unvergänglich zu machen; die Sünder und nicht die Gerechten zu berufen, d.h. das Fleisch in seiner Schwäche und Anfälligkeit zu retten. Zur Annahme einer solchen Botschaft verhilft keine philosophische Überlegung. Ihr Inhalt ist dafür allzu eng mit einem Gottesbild und mit der Autorität des Offenbarers verbunden. Ps.Justin unternimmt keinerlei Versuch, dort durch die Vernunft eine Brücke zu schlagen, wo einzig und allein der Glaube gefordert ist.

398 Nach Mt 9,13. '99 De Res. Z.259-264/S.236: εί δε και ή σαρξ αμαρτωλός, μόνης ταύτης ενεκεν ήλύεν ό σωτήρ, καύώς φησιν ούκ ήλΟον καλεσαι δικαίους αλλά αμαρτωλούς. ¿ πεν δή ούν τιμία παρά θεώ και ένδοξος παρά πάντα τά ποιήματα δέδεικται ή σαρξ, δικαίως αν ύπ αυτού σωθήσεται.

§ il Ps.Justins „De Resurrectione" 4.

Über die Auferstehungsverheißung

Der Verfasser besitzt einen günstigen Ausgangspunkt für seine Antwort, indem er mit der Zustimmung seiner Gegner bezüglich des besonderen Stellenwertes des Fleisches rechnen kann. So bringt er am Anfang zwei allgemeinverständliche Vergleiche, die den unlogischen Schluß der Gegner aufdecken. Der Bildhauer und der Maler sorgen für den Erhalt der von ihnen geschaffenen Werke, und sie schaffen diese noch einmal, falls sie zerstört wurden. Niemand baut ein Haus, um es später wieder zu zerstören, oder beläßt das zerstörte in seinem Zustand, obwohl er die Macht hat, es wieder zu errichten (De Res. Z.270-279/S.236). Der Vergleichspunkt ist Gott, der weder zwecklos (μάτην) noch unsinnig (άφρων) handelt. So wäre sein Handeln, wenn er nach der Erschaffung des menschlichen Fleisches und trotz der Macht, es zu retten, es zuließe, daß das Fleisch verloren geht. Das zweite Argument beruht auf einer anthropologischen Überlegung. Auch dem Fleisch wurde die Auferstehung und das ewige Leben verkündet. „Dort, wo dem Menschen die Rettung verkündet wird, wird sie auch dem Fleisch verkündet. Denn was ist der Mensch anderes als das vernünftige Lebewesen, das aus Leib und Seele besteht? Ist etwa die Seele für sich der Mensch? Nein, sie ist die Seele des Menschen. Soll man nun den Leib Mensch nennen? Nein, sondern den Leib des Menschen. Wenn wirklich keines von beiden an sich der Mensch ist, sondern die Verbindung der beiden Mensch genannt wird, dann hat Gott den Menschen zum Leben und zur Auferstehung gerufen; nicht einen Teil, sondern das Ganze hat er gerufen, d.h. die Seele und den Leib" (De Res. Z.282-291/ S.238) 400 . Wird der Mensch so definiert, und hat Gott, wie schon zuvor gezeigt wurde, die Macht, die „Wiedergeburt" bzw. das Wiedererstehen des Fleisches zu bewirken, dann wäre es unpassend, wenn Gott die Seele retten würde, das Fleisch aber nicht. Nicht die Seele allein hat die Verkündigung des Heils gehört, sondern auch das Fleisch mit ihr, und sie haben an Jesus Christus geglaubt. Beide wurden (durch die Taufe) abgewaschen und haben die Gerechtigkeit gewirkt. Es wäre also ungerecht von Gott, wenn er, von den beiden, die an ihn geglaubt haben, das eine retten würde, das andere nicht (De Res. Z.293302/S.238-240). Z u r anthropologischen Überlegung über die Struktur des

De Res. Z.282-291/S.238: ένθα γάρ τον άνθρωπον ευαγγελίζεται σώσαι και τη σαρκι ευαγγελίζεται, τί γάρ έστιν ό άνθρωπος άλλ' ή τό έκ ψυχής και σώματος συνεστός ζωον λογικόν; μή ουν και}' έαυτήν ψυχή άνθρωπος; ου, άλλ' άνθρωπου ψυχή. μή ούν καλοίτο σώμα άνθρωπος; οΰ, αλλ ανθρώπου σώμα καλείται, ειπερ ουν κατ ιδίαν μεν τούτων ούδέτερον άνθρωπος έστιν, το δε έκ της αμφοτέρων συμπλοκής καλείται άνθρωπος, κέκληκε δε ό ι3εός εις ζωήν και άνάστασιν τον άνθρωπον, ού το μέρος άλλα τό δλον κέκληκεν, δπερ έστι την ψυχην και τό σώμα.

§ Ii Ps.Justins „De Resurrectione" menschlichen Wesens kommt die christliche Erfahrung vom Heil hinzu, die eben von diesem konkreten Menschen gemacht wurde 401 . Die letzte Schwierigkeit betont noch einmal den Unterschied zwischen Leib und Seele. In gewisser Form stellt sie von einem ontologischen Gesichtspunkt her die Gültigkeit des vorherigen Gedankengangs in Frage. Die Zugehörigkeit der Seele zur göttlichen Welt, ihre Verwandtschaft mit Gott als Teil und Hauch desselben, all dies bedeutet eine unüberbrückbare Distanz zum Fleisch als einem Teil der Materie und kennzeichnet es als ein dem göttlichen Bereich immer fern bleibendes „alienum". Indem Ps.Justin die göttliche Herkunft der Seele und ihre Zugehörigkeit zur göttlichen Welt nicht bestreitet, bejaht er ein Stück hellenistischer Anthropologie, aber nicht die von den Gegnern daraus gezogene Folgerung. Sein Festhalten an der Gültigkeit der Auferstehungsverheißung für das Fleisch begründet er nicht anthropologisch, sondern streng theologisch, d.h. kraft eines fur ihn nicht hinterfragbaren Gottesbildes: „Was fiir einen Dank wird man ihm — d.h.Gott — schulden? Was für ein Beweis seiner Macht und Güte ist es, wenn er das retten will, was schon von Natur aus gerettet und Teil von ihm selber ist?" (De Res. Z.306-308/S.240) 402 . Der Erweis der Güte vollzieht sich nicht in der Rettung dessen, was als Eigenes schon immer zu einem gehört, denn das heißt, sich selbst retten (De Res. Z.310-315/S.240). Die Rettung nur der Seele durch Gott betrachtet Ps.Justin demzufolge als eine theologisch nicht vertretbare Einschränkung der Macht Gottes, die seine Güte doch immer uneingeschränkt offenbart. Denn die Kraft der Güte verlangt etwas mehr. Mit einem Beispiel verdeutlicht er die Handlungsweise Gottes: Auch von einem Menschen wird man nicht behaupten, er sei gütig, wenn er sich nur seinen Kindern und Verwandten gnädig erweist. Das tun auch die wildesten Tiere, die, wenn es nötig ist, freiwillig ertragen, für ihren Nachwuchs zu sterben (De Res. Z.315-320/ S.240). „Darum hat uns der Heiland gelehrt, die Feinde zu lieben. Denn, so sagt er, welchen Dank habt ihr sonst dafür zu erwarten? So hat er uns gezeigt, daß das gute Werk darin besteht, nicht nur die eigenen Nachkommen zu lieben, sondern auch die Fremden. Was er uns aufgetragen hat, hat er selber viel früher auch getan" (De Res. Z. 321-3 24/S.240) 403 . Das zitierte Herrenwort folgt Lk6,32. Ps.Justin versteht die Feinde von Lk 6,32 im Sinne von „fremd", „außenstehend" (τους εξωϋεν), während die anderen, die zu lieben keine Wohltat ist, die Dank erwarten kann, die Verwandten, Hausgenossen sind (τους έξ α υ τ ο ύ γεγονότας). Durch die 401

In einer weit einfacheren Form und ohne den Hintergrund einer Diskussion um das richtige Menschenbild begegnet eine solche Reflexion in II Clem 9,2. 402 De Res. Z.306-308/S.240: ειτα τίς αύτω χάρις και τις έπίδειξις της δυνάμεως και χρηστότατος αύτού, εί το μεν φύσει σωζόμενον και μέρος ύπάρχον αύτού σώζειν εμελλεν. 4 °3 De Res. Z.321-324/S.240: δια τούτο και ó σωτήρ έδίδαξεν ημάς αγαπάν τους έχι}ρούς· έπει τίς ύμιν χάρις, φησίν. ώστε δέδειχεν ήμιν αγαθόν έργον είναι το μη τούς έξ αύτοϋ γεγονότας μόνον άγαπάν άλλα και τούς εξωΰεν. α δε ήμΙν παρήγγειλε πολύ πρότερον αύτός ποιεί.

§ Ii Ps.Justins „De Resurrectione"

153

gemeinte Sache bewegt ist er nicht interessiert, den Aspekt der Überwindung der Feindschaft zu betonen. Der Gegensatz „Feinde" bzw. „Haß" - „Liebe", die dem Worte Jesu zugrundeliegt, wird auf „fremd" - „eigen" übertragen, die in der Aussage über die götdiche Verwandtschaft der Seele und den vergänglichen Charakter des Fleisches enthalten war (De Res. Z.303-306/S.240). Nach der Auslegung des Verfassers bringt die Aufforderung Jesu zur Feindesliebe die Aufhebung dieses Gegensatzes zum Ausdruck. Die Weise göttlichen Handelns im Bereich der menschlichen Beziehungen bürgt ebenso fiir die eschatologische Zukunft des Fleisches. Wie in der Frage nach der Würde des Fleisches verwendet der Verfasser Argumente, die aus dem Bereich der philosophischen Reflexion und der menschlichen Erfahrung herkommen. Ebenso scheint er auch hier den Haupteinwand der Gegner zu konzedieren, um zum Schluß die durch ein Wort Jesu bezeugte paradoxe Handlungsweise Gottes anzukündigen, die dem Fleisch jeweils Rettung und Zukunft schenkt.

Zusammenfassung ι. Ps.Justin ist der erste altchristliche Verfasser, der die Einwände gegen die AuferstehungshofFnung — Möglichkeit der Auferstehung und vollkommene Wiederherstellung der auferstehenden Leiber — , die im Verlauf der späteren Auferstehungsapologetik immer wieder aufgegriffen werden, systematisch behandelt. 2. Inhaltlich und sprachlich steht die Frage nach der Auferstehung des Fleisches im Mittelpunkt. Die Gegner lehnen ausdrücklich eine σαρκική άνάστασις ab, obgleich nicht deutlich wird, ob sie eine Auferstehung der Toten überhaupt ablehnen und was konkret sie unter einer πνευματική άνάστασις verstehen. 3. Inhalt der σαρκική άνάστασις ist die Auferstehung des verstorbenen Leibes. Die personale Kontinuität zwischen dem irdischen und dem auferstandenen Leib wird durch die Identität der leiblichen Substanz gewährleistet. Auch wenn diese Perspektive den Grundtenor der Darlegung auszeichnet, weiß der Verfasser auch um die wesentliche Differenz zwischen Vergänglichem und Unvergänglichem. Im allgemeinen ist er in seiner Auferstehungsvorstellung stärker durch die johanneischen und lukanischen Erzählungen von den Erscheinungen des Auferstanden geprägt als von der paulinischen Eschatologie. 4. Die Gegner der σαρκική άνάστασις sind Christen, die ihren Standpunkt biblisch und philosophisch untermauern. Ihre gnostische Färbung ist leicht erkennbar, aber ihre Züge bleiben zu allgemein, um sie einer präzisen gnostischen Gruppe zurechnen zu können. Die Argumentation scheint die Auseinanderset-

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§ Ii Ps.Justins „De Resurrectione"

zung mit diesen Gruppen widerzuspiegeln. Wie er mit den Einwänden umgeht, die vorläufige Zustimmung und die neuen Argumente weisen daraufhin. 5. Im Zusammenhang mit dem Nachweis von der Vollständigkeit des auferstandenen Fleisches bewertet der Verfasser die Sexualität sehr negativ, ohne daraus jedoch eine asketische Forderung abzuleiten. 6. Rückschauend auf das Bekenntnis zur Auferstehung des Fleisches bei J u stin (Dial. 80,5), das im Zusammenhang mit der chiliastischen Hoffnung zum Ausdruck kommt, fallt auf, daß in De Res. dieses Bekenntnis ohne jede Verbindung mit der Erwartung einer tausendjährigen Herrschaft der Auferstandenen steht. Nichts weist in De Res. auf eine Periodisierung der eschatologischen Ereignisse hin. 7. War bei Justin die Anthropologie, trotz beachdichen Einflusses des hellenistischen Judentums, von der Begrifflichkeit der griechischen Philosophie beherrscht, so sieht der Sachverhalt bei Ps.Justin anders aus. Über den Einfluß des hellenistischen Judentums hinaus (z.B. in der Bedeutung von Gen 2,7 für die Bestimmung des Menschenbildes) tauchen hier Aspekte auf, die nur im Bereich der christlichen Reflexion denkbar sind. So ist z.B. die weit über Justin hinaus vollzogene Verbindung von Gen 1,26 und Gen 2,7, die zur Charakterisierung des Menschen als σαρκικός führt, unvorstellbar ohne die im christologischen Bekenntnis gründende Überzeugung, daß der Nachweis für die Wahrheit der Auferstehung des Fleisches schon durch das Erscheinen des Erlösers έν σαρκί geliefert ist. Die weitere Entfaltung der Thematik bei Irenäus und Tertullian hat hier ihre Grundlage. 8. Durch die Übernahme der hellenistischen Kategorien im Bereich der Anthropologie und durch die Zuhilfenahme der Philosophie für die Beweisführung der Auferstehungsmöglichkeit erweist sich Ps.Justin als ein christlicher Apologet, der im Geiste Justins eine möglichst breite Übereinstimmung zwischen der philosophischen Tradition und dem christlichen Glaubensgut herausstellen will. Deutlicher als bei Justin und den anderen griechischen Apologeten ist die Übernahme der philosophischen Begriffe und Vorstellungen von dem Bewußtsein begleitet, daß das fur die Christen gültige Gottesbild sich nicht in den Rahmen der streng rationalen Forderungen einpassen läßt. Die unerwartete Weise göttlichen Handelns, die allein die Rettung und die Zukunft des Fleisches begründen kann, ist auf dem Weg der reinen „ratio" nicht plausibel zu machen. Nach unserem Verfasser ist diese Handlungsweise durch das Wort Jesu geoffenbart und durch das, was die Macht Gottes an der Gestalt des Erlösers gewirkt hat. Darum ist sie nur im Glauben nachvollziehbar.

§ 12 Der apokryphe Briefwechsel zwischen den Korinthern und Paulus I. Das Problem Schon der Titel des apokryphen dritten Briefes des Paulus an die Korinther (= 3 Kor) weist auf seine Bedeutung für unsere Thematik hin: περά σαρκός 4 " 4 . Der Text stellt sich als die Antwort des Apostels auf eine Anfrage der Korinther dar 405 . Anlaß dazu ist das Auftreten von Simon und Kleobius 4 ° 6 in Korinth, die eine verderbliche Lehre vorgetragen haben (1,2). Sie läßt sich in folgenden Punkten zusammenfassen: „Man dürfe nicht, behaupten sie, sich auf die Propheten berufen, und Gott sei nicht allmächtig, und es gäbe keine Auferstehung des Fleisches, und nicht sei die Schaffung des Menschen Gottes (Werk), und nicht sei der Herr ins Fleisch gekommen, und nicht von Maria geboren, und die Welt sei nicht Gottes, sondern der Engel" (3 Kor i.io-ij) 4 0 7 . Die Liste der Fragen weist eindeutig auf eine Auseinandersetzung mit gnostischen Inhalten hin 4 ° 8 . Wichtiger als die Zuweisung der Meinungen an einen oder mehrere Gnostiker ist die Herausstellung ihrer inneren sachlichen Bezogenheit. Vom Thema des Briefes her legt sich nahe, die Fleischwerdung des Erlösers und die Verheißung von der Auferstehung des Fleisches der Erlösten als das eigentliche Ziel des gnostischen Angriffs anzusehen. Das Verbot, die Propheten 409 zu verwenden 4 ' 0 (3 Kor 1,10), hat in diesem Kontext den Sinn, die in der Großkirche übliche Tradition, durch Zitate aus prophetischen Texten die Fleischwerdung Christi zu beweisen, in Frage zu stellen 4 ". Damit zusammen404 Zur Einführung und Literatur vgl. W. Schneemelcher, N T A p o 5 II ly^f.iojf. Deutsche Übersetzung dort 231-234. Den griechischen Text zitiere ich nach der Ausgabe von M. Testuz, Papyrus Bodmer X-XIII. 4 °5 Die nur in PHeid p.45 erzählte Episode vom Aufenthalt Pauli in Philippi, die bloß in den Brief der Korinther an Paulus einführen will, bringt keinen neuen Inhalt. Es handelt sich m.E. um eine spätere Bildung, die als Einleitung zum Briefwechsel gedacht ist. Ahnliches gilt für den Zwischenbericht über die Übergabe des Briefes an Paulus. Die Nummerierung und Texteinteilung folgt dem Text von Schneemelcher. Beide Namen werden sonst bei Eusebius zitiert: Hist.Eccl. IV 22,5. 4 °7 Übersetzung hier nach Schneemelcher. Ansonsten versuche ich in meiner Übersetzung, dem Urtext näher zu bleiben. 4 °® Manches erinnert freilich an die Lehre Markions. Schon A. VON HARNACK machte darauf aufmerksam. Vgl. ders., Marcion 239*. S.u. III 2. 4 °9 Im griechischen Text in Singular. 410 Die lateinischen Hs. bringen „uti" bzw. „credi", P. Bod. χρήσΰοα. 411

Vgl. Justin, I Αρ. 31,7-39.5! Irenaus, Adv.Haer 110,ι.

§ i l Der dritte Korintherbrief

i56

hängend werden das Kommen des Herrn έν σαρκί 4 ' 2 und seine Geburt aus Maria geleugnet 413 (3 Kor 1,14). Die strittigen Aussagen zur Christologie schlagen sich weiter in Aussagen über Herkunft und Zukunft des Menschen nieder. Die Bildung des menschlichen Leibes 4 ' 4 (3 Kor 1,13), die als Werk Gottes die uneingeschränkte Bejahung der Leiblichkeit in ihrer Materialität beinhalten würde, kann natürlich nicht angenommen werden. Die Gnosis bietet verschiedene Erklärungen fiir die Herkunft des menschlichen Leibes, die Gen 2,7 umdeuten 415 . Die Bestimmung der Herkunft — auch wenn in diesem Fall nur negativ formuliert: der Leib ist nicht das Werk Gottes — bedingt auch die Z u kunft. Nach der Lehre von Simon und Kleobius gibt es keine Auferstehung des Fleisches (3 Kor 1,12). Christologie und Anthropologie gehören aufs engste zusammen, aber sie sind nicht die einzigen Elemente, die den Inhalt der Auseinandersetzung ausmachen. Hinzu kommt das eigendich Theologische. Die zweite Meinung der Gegner leugnet die Allmacht Gottes (1,11). Unmittelbar vor der Ablehnung der Auferstehung des Fleisches scheint die Frage nach der Macht Gottes gerade im Hinblick auf die Frage nach der Möglichkeit der Auferstehung gestellt zu sein 4 ' 6 . Sie kann aber auch als Frage nach der Möglichkeit der Fleischwerdung verstanden werden 4 ' 7 . Beide sind unauflösbarer Bestandteil der οικονομία Gottes 4 ' 8 . Zum Schluß wird die Entstehung der Welt auf das Wirken der Engel, und nicht Gottes zurückgeführt 4 ' 9 . Wie im Fall der Bildung des menschliche Leibes geht es hier um den Versuch, den „wahren" Gott von der Wirklichkeit der sichtbaren Welt fernzuhalten. Die zitierten gnostischen Meinungen und die Antwort darauf lassen jeweils eine große systematische Geschlossenheit erkennen, die auf eine Zeit nicht vor der Mitte des zweiten Jahrhunderts hinweist. Entscheidend ist aber die Art, wie der Verfasser auf die zitierten Irrlehren eingeht.

412

Vgl. ι Joh 4.2Í; 2 Joh 7; IgnEph 7,2.

413

Vgl. IgnEph 7,2; 18,2; IgnTrall 9,1; IgnSm 1,1. 414 Der Begriff πλάσις (auch koptisch) spielt auf Gen 2,7 an: και επλασεν ό ί>εος τον άνΰρωπον ... Die lateinischen Versionen bringen finctionem, figmentum, figuram, factura. 41 5 Einige Beispiele: die Engel (nach dem Buch Baruch bei Hippolyt, Ref. V 2 6 , j f ) ; vgl. Justin, Dial. 62,3; die Archonten (nach dem Wesen der Archonten 135,23-33). 416 41

7

418 41

9

Vgl. Ps.Justin, De Res. Z-42f/S.2i4. Vgl. Tertullian, De Carne Christi 3,1. Vgl. Irenaus, Adv.Haer. 1 1 0 , 1 . Apelles, nach Irenaus, De Carne Christi 8,2; De Praescr. Haer.34,4.

§ 12 D e r dritte Korintherbrief

157

II. D i e A n t w o r t ι.

F o r m und Struktur

D e r Verfasser ist b e m ü h t , der fiktiven K o r r e s p o n d e n z einen historisch a n g e m e s senen R a h m e n zu verleihen. S o erscheint Stephanas, den jeder Leser der echten K o r r e s p o n d e n z des Paulus mit d e n K o r i n t h e r n kennt (vgl. 1 K o r 1,16; 16,15.17), als A b s e n d e r des Briefes der G e m e i n d e . Ihn begleitet eine G r u p p e v o n Presbytern, deren N a m e n z u m großen Teil auch in der urchristlichen T r a d i t i o n belegt sind420. Paulus selber wird als der G e f a n g e n e C h r i s t i J e s u dargestellt (vgl. Phil 1,7; P h l m 9; E p h 3,1; 2 T i m 1,8). K e n n z e i c h n e n d fur die A b s i c h t des Schreibens ist die N a c h a h m u n g v o n paulinischen W e n d u n g e n , die n u n aber d e m Anliegen des Verfassers u n t e r g e o r d n e t sind. S c h o n a m A n f a n g b e h a u p t e t P s . P a u l u s , er sei n i c h t e r s t a u n t über die rasche A u s b r e i t u n g der Irrlehren. D e r A u s d r u c k ο ύ • ό α υ μ ά ζ ω ή ο ύ τ ω ς τ α χ έ ω ς (3 K o r 3,2) im Z u s a m m e n h a n g m i t einer P o l e m i k gegen andere M e i n u n g e n erinnert freilich an G a l 1,6 ( ι ί α υ μ ά ζ ω ο τ ι ο ύ τ ω ς τ α χ έ ω ς ) . D e r echte Paulus w u n d e r t sich über die schnelle S i n n e s ä n d e r u n g der Galater. Ps.Paulus hingegen w u n d e r t sich nicht über d e n Fortschritt der H ä r e sien, weil er sie als eschatologisches Zeichen deutet u n d daher a u c h als H i n w e i s a u f die baldige W i e d e r k u n f t des H e r r n 4 2 1 . D i e M ö g l i c h k e i t , das Auftreten der H ä r e t i k e r theologisch in ein System der Eschatologie e i n z u o r d n e n , läßt keinen R a u m f ü r die s p o n t a n e Reaktion des Apostels zu. A b e r auch unter anderen Z e i chen k o n n t e jeder Leser in diesem A u s d r u c k eine K a m p f a n s a g e an die Häretiker vernehmen. D e r weitere V e r l a u f des Schreibens bestätigt diesen E i n d r u c k : έ γ ώ γ α ρ έ ν άρχτ) π α ρ έ δ ω κ α ύμνν ä και π α ρ έ λ α β ο ν ύπό των προ έ μ ο ϋ α π ο σ τ ό λ ω ν γ ε ν ο μ έ ν ω ν τ ο ν π ά ν τ α χ ρ ό ν ο ν μ ε τ ά Ί η σ ο ΰ Χ ρ ι σ τ ο ύ (3 K o r 3,4)· D e r Verfasser verw e n d e t hier zunächst die gleiche F o r m e l für d e n E m p f a n g u n d die W e i t e r g a b e der Uberlieferung, v o n der Paulus in 1 K o r 11,23; 'S>3 G e b r a u c h macht. D i e Einleitung unterstreicht schon die Verbindlichkeit des Inhaltes. A b e r Ps.Paulus beruft sich weder a u f d e n H e r r n (1 K o r 11,23), n o c h läßt er einfach das G e w i c h t der Ü b e r l i e f e r u n g als G a r a n t i e für ihre W a h r h e i t gelten (1 K o r 15,3). D i e T r a d i tion rührt in diesem Fall v o n d e n vor Paulus berufenen A p o s t e l n her (vgl. G a l

420 Daphnos in IgnSm 13,2; Eubulus in 2 T i m 4,21; Theophilus in Lk 1,3; Apg 1,1; vgl. auch Ps.Clem., Recogn. X 71. Xenon ist der einzige ohne Parallele. 421 Das Motiv kommt von der jüdischen Apokalyptik her und entwickelt sich zu einem Topos der urchristlichen Literatur (vgl. Mk I3,2if), der sich in den späteren Schriften des N T verdichtet (2 Thess 2,1-3; 1 J ° h 2,18; 1 Tim 4,1; 2 Tim 3,1; 4,3).

§ 12 Der dritte Korintherbrief

158

1,17), die wie in Apg 1,21 „die ganze Zeit" mit Jesus waren. Die Kontinuität in der Weitergabe der wahren Lehre verlangt die apostolische Vermittlung, in die sich auch Paulus einreiht. Das lukanische Bild des Paulus kommt hier voll zum Tragen. Der Einleitung folgt das Bekenntnis. Seine Struktur verrät die Absicht des Verfassers, die Struktur der Glaubensformel 1 Kor 15,3-5 m i t den vier οτι-Sätzen nachzuahmen. Es handelt sich in diesem Fall um zwei οτι-Sätze, in denen der Kern der Antwort auf die Irrlehren enthalten ist: 3 Kor 3,5-8 a' b'

ö n

e

πνεύματος αγίου από ούρανού παρά τοϋ πατρός άποσταλέντος εις αύτήν, ϊνα εις κόσμον προέλΰη (3,6) κοά έλευ-θερώστ) πασαν σάρκα δια της ιδίας σαρκός, καί ϊνα έκ νεκρών ήμάς έγείρη σαρκικούς ώς έαυτόν τύπον (έν τύπον) 422 έδειξε, και δ τ ι ό άνΰρωπος ύπό τοϋ Πατρός αύτοϋ έπλάσύη, (3,7) 42 ' διό Keel άπολλύμενος έζητηόη (3,8) ')' ϊνα ζωοποιηθη διά της υιοθεσίας.

d' e' Ρ g' h' i'

ó κύριος ήμών Χριστός Ι η σ ο ύ ς έκ Μαρίας έγεννηόη, (3,5) έκ σπέρματος Δαυίδ,

Die zwei οτι-Sätze a'h' geben jeweils die Inhalte des Bekenntnisses an — die Geburt Jesu aus Maria und die Bildung des Menschen durch Gott (beide Verben in Passiv-Aorist: έ γ ε ν ν η ΰ η - έπλάστίη) — , aus denen sich die Heilswirkung zugunsten des Menschen ableitet, die in den'ίνα-Sätzen d'f'j' ausgedrückt wird. Im ersten Teil ist das Werk Jesu Christi zusammengefaßt, im zweiten Teil das Werk des Vaters. Die bekenntnisartige Aussage hebt sich stilistisch von der darauf folgenden Darlegung ab 424 . Der Gang der weiteren Argumentation läßt sich summarisch so darstellen: 422

N a c h M . TESTUZ gibt es in der Handschrift „mots pointés et effacés".

423

W . SCHNEEMELCHER übersetzt: „ U n d weil der M e n c h v o n seinem V a t e r geschaffen

ist, deswegen w u r d e er auch, als er verloren gegangen war, gesucht . . . " Sicherlich w i r d d u r c h diese U b e r s e t z u n g das 0τι m i t dem folgenden διό κ α ί gut v e r b u n d e n . A b e r die Gesamtstruktur des Bekenntnisses k o m m t besser zur G e l t u n g , w e n n m a n das &τι der beiden Sätze als &τι explicat i v u m übersetzt. 424

W . RORDORF, d e m ich für die Z u s e n d u n g seines n o c h n i c h t veröffentlichten A u f s a t -

zes herzlich d a n k e n m ö c h t e , hat sich auch m i t d e m T e x t beschäftigt. V g l . tiers., Héresie et O r t h o d o x i e selon la C o r r e s p o n d a n c e apocryphe entre les Corinthiens et l'Apôtre Paul. N a c h seiner Analyse u m f a ß t das alte v o m Verfasser ü b e r n o m m e n e B e k e n n t n i s n u r 3,5. D e m f o l g t die „explicitation t h é o l o g i q u e " in 3,6-18, die w i e d e r u m aus zwei T e i l e n besteht: 3,6 ist die direkte A n w e n d u n g des Bekenntnisses a u f das T h e m a des Briefes; 3,7-18: die Heilsgeschichte i m Lichte eben dieses T h e m a s . D a z u sei folgendes bemerkt: 1. 3,5 enthält Material aus alten G l a u b e n s b e kenntnissen (vgl. I g n E p h 18,2), aber das besagt nichts über seine tatsächliche H e r k u n f t . D i e

§ 12 Der dritte Korintherbrief V.p-23:

159

Das Werk Gottes und seine Widersacher V.9-11: Die vorchristliche Heilsordnung: Die Sendung des Geistes Christi in die Propheten und das Werk des Bösen. V.12-15: Die Geburt Jesu aus Maria durch die Sendung des Heiligen Geistes. V.16-17: Die Rettung des Fleisches durch den Leib Christi. V.19-23: Antihäretische Polemik.

V.24-32: Die Auferstehung des Fleisches V.24-25: Auferstehungsverheißung und Auferstehungsglaube. V. 26-27: Der Vergleich mit dem Weizenkorn. V.28-31: Die Geschichte Jonas' als Argument für die Gewißheit von der Auferstehung. V.32: Die Geschichte des Elisa als Argument fur die Unversehrtheit der auferstandenen Leiber. V.34-40:

Schluß V.34-35: V.36-39: V.40:

Persönliches. Ermahnung zur Treue zur Überlieferung. Gruß.

Es ist leicht zu erkennen, daß der Verfasser in diesem Teil die Grundinhalte seines Glaubensbekenntnisses expliziert. Darüber hinaus geht er direkt auf die im Brief der Korinther enthaltene Liste von Irrlehren ein und wendet sich zugleich polemisch an die Adresse der Häretiker.

2.

Die Inhalte425

Angesichts der zentralen Bedeutung des traditionellen Bekenntnisses — so aus der Sicht des Verfassers — in der Struktur des Schreibens empfiehlt es sich, die Analyse hier zu beginnen.

Anlehnung an 1 Kor 15,3-5 entspricht der Absicht des Verfassers, dem Bekenntnis die gleiche Verbindlichkeit zuzumessen; 2. Glaubensbekenntnis und Anwendung gehören inhaltlich und formal zusammen. Die Gesamtstruktur ist durch die δχι-Sätze in 3,5 und 3,7 bestimmt; 3. 3,7f dürfte kaum einen neuen Gedankengang einleiten. Der Stilwechsel findet indes in 3,9 statt. 425 Es handelt sich um keine vollständige Erklärung des Textes. Nur die Aspekte, die für unsere Thematik von Belang sind, werden herausgestellt. Der in Anm. 424 zitierte Aufsatz von W . RORDORF berücksichtigt den ganzen Text.

ι6ο

§ 12 Der dritte Korintherbrief

Die zwei ersten'ίνα-Sätze (d' und f ' 4 2 6 ) bringen den Z w e c k der Fleischwerdung zum Ausdruck. V o n den vier Aussagen sind die drei letzten (e'f'g') besonders wichtig. 2.1. Nach der ersten (... κ α ι έ λ ε ν θ ε ρ ώ σ η π ά σ α ν σ ά ρ κ α δια της ιδίας σαρκός) hat der Fleischgewordene π ά σ α ν σ ά ρ κ α befreit. In diesem Zusammenhang ist der Ausdruck nicht primär als allgemeine Bezeichnung des Menschen in seiner Geschöpflichkeit zu verstehen, wie das hebräische iffili ^D, sondern im Hinblick auf die Leiblichkeit des Menschen, die von Ps.Paulus mit „sarx" benannt wird. Δ ι α της ιδίας σαρκός: Die „sarx" des Fleischgewordenen ist das Instrument der Befreiung des menschlichen Fleisches. W i e in der letzten der hier zu berücksichtigenden Aussagen deutlich wird, ist der Erlöser Vorbild fur die Auferstehung von den Toten durch seine eigene Auferstehung, so daß die Erinnerung an den T o d des Erlösers wenigstens indirekt nicht ganz vergessen wird. Aber in der ersten Aussage scheint schon die Fleischwerdung eine Heilsbedeutung bezüglich der Befreiung des Fleisches zu besitzen. Die formelhafte W e n d u n g enthält keine Erläuterung zur Art der Versklavung des menschlichen Fleisches, die eine solche Befreiung notwendig gemacht hat. 3 Kor 3,11 läßt aber die hier zugrundeliegende Vorstellung erkennen. D e r Fürst (princeps) wollte wie Gott sein 427 , und so „fesselte er alles Fleisch der Menschen an die Lust" (την π ά σ α ν σ ά ρ κ α των ά ν ΰ ρ ώ π ω ν προς ήδονήν έδέσμευεν). Ps.Paulus spielt auf den Fall des Erzengels an, und sieht in ihm die Ursache für die Versklavung des menschlichen Fleisches unter der Macht der Lust 428 . Das Motiv läßt zuerst an die Sphäre der Sexualität denken, aber dies wird nicht expliziert. 3 Kor 3,16-18 gehört m.E. auch in diesen Zusammenhang. Ich zitiere den Text nach dem griechischen Text. O b er durch die lateinische Überlieferung ergänzt werden soll, darf offen bleiben. A u f jeden Fall sind hier Elemente enthalten, die nicht übersehen werden dürfen: τω γαρ ίδίω σώματι Χριστός Ι η σ ο ύ ς π ά σ α ν εσωσε σάρκα, Ίνα δικαιοσύνης ναόν έν τω ίδίω σώματι άναδείξη, έν ω ήμέίς ήλενόερώμεθα.

42 ® S. ο. die Struktur des Textes. 427 N a c h der lateinischen Überlieferung (der Text fehlt in der griechischen Version): N a m quia injustus princeps deus volens esse . . . 428 N a c h 3,15 war der Bereich des Fleisches in seiner Verlorenheit der O r t , an d e m der Böse seine Macht ausübte: σ α ρ κ ό ς ά π ο λ λ υ μ έ ν η ς έπεπολιτεύετο ό πονερός. „Ut per q u a m carn e m luctabatur inimicus". Die Übersetzung SCHNEEMELCHERS: „Damit der Böse, durch dasselbe Fleische, durch das er sein Wesen trieb ...", ist unscharf.

§ 12 D e r dritte Korintherbrief

161

Sowohl das Motiv der Befreiung als auch deren Adressaten ( π ά σ α σ ά ρ ξ ) verweisen auf die Bekenntnisaussage. Aber hier ist nicht das Fleisch des Fleischgewordenen das Instrument der Befreiung, sondern sein Leib, in dem er den Tempel der Gerechtigkeit darstellt. Sachlich ist nichts anderes gemeint. D i e Schwankungen in der Begrifflichkeit sind durch die Absicht des Verfassers zu erklären, paulinische Terminologie aufzunehmen. U n d gerade dadurch bietet er einen Einblick in sein Verständnis von der Befreiung des Fleisches. D e r „Leib Christi" steht im Mittelpunkt des Befreiungsgeschehens. Zuerst wird dies in einer Grundaussage ausgedrückt: „Durch seinen eigenen Leib hat Christus Jesus alles Fleisch gerettet" (3,16). Darauf folgt ein 'ίνα-Satz: „ U m in seinem eigenen 4 1 9 Leib den Tempel der Gerechtigkeit darzustellen" (3,17); an ihn schließt sich ein Relativsatz an: „Durch den wir befreit worden sind" (3,18). In der Rettung des menschlichen Fleisches stellt sich der Leib Jesu Christi als Tempel der Gerechtigkeit dar. Das Tempelmotiv im Zusammenhang mit der Auferstehungsfrage taucht zum erstenmal in der altchristlichen Literatur in II Clem 9,3 auf, aber nicht in Aussageform, sondern als Ermahnung zur Bewahrung des Fleisches auf dem Hintergrund von ι K o r 6,19 und 1 K o r 3 , i 6 f 4 3 ° . Später k o m m t es auch bei Irenaus, Adv.Haer. V 6,2 vor, aber nicht als sittliche Forderung, sondern als wichtiger Teil einer dichten theologischen Argumentation über Wert und Z u k u n f t des Fleisches, die ebenfalls mehrmals auf 1 K o r 6 Bezug nimmt. 3 K o r 3,16-18 ist eine christologische Aussage, die als solche keinen Ermahnungscharakter hat. Die Befreiung geschieht durch die Inkarnation 4 3 1 , da sich im Leibe Christi der Tempel der Gerechtigkeit darstellt. Der Tempel der G e rechtigkeit bedeutet den Gegensatz zum Bild des an die Lust gefesselten menschlichen Fleisches. Es ist wenig wahrscheinlich, daß der Verfasser mit dem Tempelmotiv keinerlei appellative Intention verbindet, etwa die Aufforderung, durch die Absage an die Begierde dem Tempel der Gerechtigkeit ähnlich zu werden und die Befreiung zu verwirklichen, die den Menschen durch die Fleischwerdung angeboten wird. Schließlich ist die paulinische Herkunft des Motivs nicht zu leugnen. Aber nichts davon schlägt sich im Text nieder. Das ganze Schreiben ist weitgehend frei von Aufforderungsformen. Die wenigen Beispiele dafür betreffen die Haltung der Gemeindemitglieder gegenüber den Irrlehrern bzw. Irrlehren (3 K o r 3,20.39). Sonst verfährt Ps.Paulus stark inhaltsorientiert: D i e Darstellung des Heilswerkes Gottes und der Wahrheit der Auferstehung stehen im Mittelpunkt des Lehrbriefes. 429 Nach der Textausgabe von M. TESTUZ ist έν τω ίδίω σώματι die LA des P. Bodmer. Zum Begriff άναδείκνυμι bringt BAUER W b unter Verweis auf unsere Stelle έν τω τοίω σώματι. Handelt es sich um einen Lesefehler? 430

S.o. die Erklärung zu II Clem 9,1-5. Vgl. auch IgnPhld 7,2. Richtig M . TESTUZ in seiner Anmerkung zu 3,18: „Remarquons le rôle important que joue l'incarnation dans cette théologie, c'est elle qui apporte le salut. Pas un mot n'est dit de la mort du Christ, considérée par d'autres comme primordiale". 431

162

§ 12 Der dritte Korintherbrief

2.2. "Ινα έκ νεκρών ημάς έγείρη σαρκικούς: Was in der ersten Aussage schon anklang, wird in der zweiten deutlich ausgesprochen. Zweck der Fleischwerdung ist die Verwirklichung der Auferstehungshoffnung 4 3 1 . Der Text läßt sich in zwei Formen übersetzen. Die erste wäre: „Damit er uns Fleischliche von den Toten auferwecke". 4 3 3 . Das σαρκικούς ist in diesem Fall Bestimmung des menschlichen Wesens. Als fleischliche Wirklichkeit wird der Mensch von den Toten auferweckt. Die zweite: „Damit er uns als Fleischliche von den Toten auferwecke". 4 3 4 , bezeichnet die Wirklichkeit des auferstandenen Leibes als fleischlich. Eindeutig im Sinne der zweiten Übersetzung wäre es, wenn das Adverb σαρκικώς vorkäme, aber auch in der vorliegenden Form ist diese Deutung möglich. Natürlich muß man zugeben, daß es sich um Akzente handelt, nicht um sachliche Unterschiede. Denn in beiden Fällen wird die fleischliche Beschaffenheit des menschlichen Wesens vorausgesetzt — wobei mit „sarx" die Gesamtwirklichkeit des Menschen umfaßt wird — , und sie bestimmt weiterhin die Wirklichkeit des auferstandenen Leibes als eine „fleischliche". Bei der zweiten Übersetzung kommt der letzte Aspekt weit stärker zur Geltung. In beiden Übersetzungen — wenn auch mit unterschiedlicher Intensität — tritt die Kontinuität des irdischen mit dem auferstandenen Leib in den Vordergrund. Bevor eine Entscheidung bezüglich der richtigen Übersetzung getroffen wird, ist das weitere Umfeld des Schreibens im Hinblick auf die Frage zu untersuchen, wie diese Kontinuität gedacht wird. 3 Kor 3,32 nimmt Bezug auf 2 Kön 13,21: Ein Mann wurde in das Grab des Elischa geworfen. Sobald er in Berührung mit dessen Gebeinen kam, wurde er lebendig. Ps.Paulus interpretiert die alttestamentliche Geschichte christologisch: τί και ύμέίς το σ ώ μ α κ α ι τ α όστά και το πνεύμα Χ ρ ι σ τ ο ύ έπιριφέντες έν έκείν η τη ήμερα ά ν α σ τ ή σ ε σ ϋ ε έχοντες ύ γ ι ή την σ ά ρ κ α . Trotz der Unklarheit des Textes, die sich auch in den anderen Versionen niederschlägt, läßt sich eine Deutung gewinnen, wenn man den Vergleich mit 2 Kön 13,21 und den traditionellen Hintergrund hinreichend berücksichtigt. In der Elischageschichte ist die Berührung mit den Gebeinen des Propheten die Ursache für die Auferstehung des Verstorbenen 435 . Eine ähnliche Berührung — das Fleisch der Gläubigen wird geworfen (έπιριφέντες) wie in 2 Kön 13,21 (έρριψαν) — mit einem, der gestorben ist und dennoch zur Quelle des Lebens wird, ist auch hier gemeint: Die Christen sind auf Leib, Knochen und Geist

432

Dies ist wohl als allgemeine Aussage mit futurischem Sinn aufzufassen. Vgl. Barn

J.6F. 433

434

S o W . SCHNEEMELCHER.

So die Übersetzung von M. TESTUZ: „Et pour qu'il nous resuscite, revêtus de chair, d'entre les morts". 435 2 Kön 13,21 endet mit: κ α ι εζησεν και ανέστη έπι τούς πόδας αυτού. Daraus hat Ps.Paulus das άναστήσεσύε.

§ i l Der dritte Korintherbrief

163

Christi geworfen, und an jenem T a g werden sie auferstehen mit unversehrtem Fleisch 4 ' 6 . D e r traditionelle Hintergrund, aus dem heraus der Verfasser die Elischageschichte interpretiert, ist m.E. durch die Tauftheologie von Rom 6,4 geprägt. Durch die Taufe auf den T o d Christi wurden die Gläubigen mit ihm begraben (συνετάφημεν ούν αύτω δια τοϋ βαπτίσματος εις τον Φάνατον), und dort entsteht das Leben, wobei die Auferstehung als endzeidiches Ereignis noch aussteht (vgl. Rom 6,5·8)457. G e w i ß sagt Ps.Paulus kein W o r t über die Umstände, unter denen die Christen auf den Körper, die Gebeine und den Geist des Herrn geworfen worden sind. Es geht in diesem Zusammenhang nicht um Tauftheologie, sondern um das richtige Auferstehungsverständnis. Aber bei einem Verfasser, der unbedingt das paulinische Erbe für sich beansprucht, ist der angedeutete Hintergrund durchaus plausibel. Die Unversehrtheit des Fleisches wird auch in der Geschichte des Jonas, die unserer Stelle unmittelbar vorangeht, hervorgehoben. Nachdem Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches verbracht hat, erhört Gott sein Gebet, κ α ι ούδεν α υ τ ο ύ διεφΐίάρη, ούτε ΰριξ ούτε βλεφαρον: „Nichts von ihm wurde verdorben, weder ein Haar noch ein Augenlid". Die Vorstellung scheint dem Inhalt zu entsprechen, der in anderen Schriften mit dem Begriff όλόκληρον ausgesagt wird: D e r Leib der Auferstandenen zeichnet sich durch die Vollständigkeit seiner Glieder aus438. Z u diesem Thema gehört auch der Vergleich mit dem Weizenkorn in 3 Kor 3,26f 439 . Ps.Paulus erwähnt das Motiv im Anschluß an 1 Kor 15,37, a ber die sprachlichen Reminiszenzen betreffen auch andere Stellen in 1 Kor 15 440 : 436 SCHNEEMELCHER übersetzt: „... mit unversehrtem Leibe". Ps.Paulus spricht an dieser wichtigen Stelle aber nicht allgemein von Leib, sondern von Fleisch. Nicht umsonst fängt der zweite Teil des Schreibens (über die Auferstehung) V.24 mit der polemischen Aussage an: „Die euch aber sagen, es gibt keine Auferstehung des Fleisches, für die gibt es keine Auferstehung". — Z u υγιή την σάρκα vgl. Theophilus, Ad Aut. II 26. 43?

Anders Kol 2,12; Eph 2,jf.

43'

Die breite Behandlung des Problems in De Res. des Ps.Justin mag als Beispiel dienen für die Bedeutung wie auch für die Schwierigkeiten, die mit dieser Vorstellung verbunden waren. 43' 3 Kor 3,26k οΰ τε γαρ άνδρες κορίνθιοι οιδασι τον έπι πυροϋ σπόρον ή των άλλων σπερμάτων, δτι γυμνά βάλλεται εις την γην και συμφύαίρεντα κάτω ήγέρόη έν Οελήματι ιίεοϋ εν σώμα και ήμφιεσμένα. 440 In einer frühen Phase der Erforschung von 3 Kor erklärte P. WETTER das Motiv vom Weizenkorn durch den Einfluß der rabbinischen Überlieferung und nicht durch 1 Kor (den.. Eine rabbinische Quelle des apokryphen dritten Korintherbriefes, in: T h Q 8 8 [1895] 622-633). Im Anschluß an diese Arbeit sieht W . RORDORF den ganzen Abschnitt 3,24-32, den er „traité sur la résurrection" bezeichnet, als abhängig von einer jüdischen Tradition (s.o. Anm. 424). Der Einfluß der rabbinischen Überlieferung auf das paulinische Saatgleichnis in 1 Kor 15,36-38 ist möglich, wenngleich die in Frage kommenden Texte viel jünger sind. Vgl. C. Farina, Die Leiblichkeit der Auferstandenen. Ein Beitrag zur Analyse des paulinischen Gedankenganges in I Kor 15,35-58, theol. Diss. Würzburg 1971, 53-66. Bei einem Verfasser, der 1 Kor sehr gut kennt und

164

§ 12 Der dritte Korintherbrief 3,26: ή των άλλων σπερμάτων στι γυμνά και συμφόαίρεντα έν ύελήματι ιΐεοϋ εν σώμα

15,27: ή τίνος των λοιπών άλλα γυμνόν 15,42: σπε'ιρεται έν φθορφ 15,38: και3ώς ιγθέλησεν και έκάστω ... 'ίδιον σώμα

Bezeichnenderweise bewegt sich der Verfasser in 3,27, wo nach dem Bild vom Weizenkorn die Sache selber erläutert werden soll, mit größerer Freiheit gegenüber der paulinischen Begrifflichkeit als in 3,26. Der formale Aspekt hängt freilich mit seinem Verständnis von der Leiblichkeit der Auferstandenen zusammen, das sich an einem entscheidenen Punkt von Paulus unterscheidet. 3,27 lautet: ώστε ού μόνον τό σώμα έγείρεται το βλη-όέν, ά λ λ α πολλοστόν όρτίόν ηύλογημένον. Das Verhältnis zwischen dem verstorbenen und dem auferstandenen Leib ist nicht primär durch die Andersartigkeit definiert, so wie es Paulus in ι Kor 15,35-49 tut > sondern durch einen „besseren" Zustand 441 . So wie das Samenkorn nackt in die Erde geworfen wird und durch den Willen Gottes bekleidet aufersteht (3,26), so ist der auferstandene Leib nicht nur der in die Erde geworfene verstorbene Leib (ού μόνον τό σώμα έγείρεται το βλιγόέν). Er ist darüber hinaus nun vielfältig, aufrecht, gesegnet. Die drei Begriffe, welche den auferstandenen Leib charakterisieren (πολλοστόν, όρθόν, ηύλογημένον) haben ohne Zweifel mit dem Leben zu tun und bleiben im Rahmen des zuvor verwendeten Bildes des Weizenkorns. Aber von der Distanz zwischen dem irdischen und dem auferstandenen Leib, die Paulus in 1 Kor 15,42-44 unter Verwendung des gleichen Bildes so eindrucksvoll hervorhebt, bleibt in 3 Kor im Grunde nichts mehr übrig. Solche Gegensätze wie: σπε'ιρεται έν φθορά, έγείρεται έν δόξη ... σπείρετπτι σώμα ψυχικόν, έγείρεται σώμα πνευματικόν sind dem Verfasser fremd. Die Kontinuität des auferstandenen mit dem irdischen Leib wird in 3 Kor ganz in Einklang mit den anderen bis jetzt untersuchten Verfassern des zweiten

deutlich bemüht ist, sich so „paulinisch" wie möglich auszugeben — und das ist der Fall beim Verfasser von 3 Kor —, ist der direkte Bezug auf 1 Kor 15 weit wahrscheinlicher als der Einfluß einer jüdischen Quelle, deren Entstehungszeit übrigens unsicher ist. W. RORDORF argumentiert weiter mit dem Hinweis, daß der Apostel nie von der Auferstehung des Fleisches gesprochen hätte. Aber das erhöht nicht die Wahrscheinlichkeit des Einflusses einer jüdischen Quelle. Das ganze Phänomen des Deuteropaulinismus bezeugt vielmals die Tatsache, daß es gut möglich war, sich auf Paulus zu berufen oder in seinem Namen zu schreiben, um Positionen zu vertreten, die der Theologie des Apostels fremd waren. Der „Traktat über die Auferstehung" — wenn man den Text so nennen will — in 3,24-32 geht auf keine jüdische Tradition zurück, sondern spiegelt eine Phase der theologischen Entwicklung wider, zu der auch Ps.Justin „De Resurrectione" und Irenaus gehören. 441

Vgl. W. Bieder, Auferstehung des Fleisches oder des Leibes? 107.

§ 12 Der dritte Korintherbrief

165

Jahrhunderts behauptet. Z u diesem Verständnis würde σαρκικός als Charakterisierung der Auferstandenen sachlich richtig passen 442 . Es bleibt dennoch die Frage, ob dem Verfasser nicht doch wichtiger war, σαρκικός zuerst im Hinblick auf die Beschaffenheit der menschlichen Leiblichkeit aufzufassen. Daflir spricht die Tatsache, daß die Erschaffung des Menschen durch Gott einer der von den Häretikern abgelehnten Inhalte ist. Ihre Meinung: ούδ' είναι την π λ ά σ ι ν τήν των ανθρώπων τοϋ ύ ε ο ϋ (3 Kor 1,13) wird im „Glaubensbekenntnis" des Verfassers ausdrücklich zurückgewiesen: κ α ι οτι ό άνθρωπος ύπο τού πατρός έ π λ ά σ ι ΐ η (3 Kor 3,7)· W i e schon oben angedeutet, verweisen die Termini πλάσις bzw. έπλάσ-θη auf die Bildung des menschlichen Leibes nach G e n 2,7a. D a ß der so beschaffene Mensch eben σαρκικός ist, behauptet ebenfalls Ps.Justin (De Res. Z.241/S.234), der in dieser Gestalt die Verwirklichung des Abbild-Gottes-Seins sieht. Die christologische Aussage, daß Christus in die W e l t gekommen ist, um die „Fleischlichen" von den Toten aufzuerwecken, findet sich in einem so engen Zusammenhang mit den theologischen Aussagen über die „plasis" des menschlichen Leibes, daß sich die Deutung von σαρκικός als Bestimmung des menschlichen Wesens nahelegt. 2.3. "Ως έαυτόν τύπον εδειξε: Jesus hat sich als Urbild der Auferstehung der Toten gezeigt. In welcher Hinsicht er als τύπος für die Auferstehung gilt, wird nicht näher erläutert. Nach dem Thema des Schreibens wird dies wohl darin bestehen, daß in ihm die Auferstehung des Fleisches schon eine Wirklichkeit geworden ist, die für alle Gläubigen Urbildcharakter hat: Auch bei ihnen wird es so geschehen. In seiner Auferstehung hat er dies gezeigt. Darauf weist 3 Kor 3,24f hin: Für die, welche die Auferstehung des Fleisches leugnen, gibt es keine Auferstehung. Es handelt sich dabei um ο'ίτινες τον ούτως ά ν α σ τ ά ν τ α άπιστούσι. Sie haben keinen Anteil an der Auferstehung, weil sie nicht an den so, d.h. im Fleisch, Auferstandenen, glauben. Es geht also nicht um die Gewißheit der Auferstehung der Toten durch die Auferstehung Jesu 443 , sondern um deren Modellcharakter unter dem spezifischen Gesichtspunkt der Auferstehung des Fleisches. Der Erlöser hat durch sein eigenes Fleisch das menschliche Fleisch erlöst, und so wie sein Fleisch von den Toten auferweckt worden ist, so wird es auch bei den Gläubigen sein. Der τύπος bestimmt die Konturen der künftigen Auferstehung, aber was erst in der Z u k u n f t gemeinsam sein wird, beruht auf einer schon gegebenen Gemeinsamkeit, in diesem Fall auf der fleischlichen Verfassung des Erlösers und des M e n schen.

442

D a ß der Ausdruck σ α ρ κ ι κ ή ά ν ά σ τ α σ ι ς Gegenstand der Diskussion im Zusammen-

hang mit dem richtigen Auferstehungsverständnis war, zeigen Ps.Justin, D e Res. I Fr. Z.Ii/ S.242; Rheg. 45,40-46,2. 443

So bei Ps.Justin, D e Res. Z.28f/S.2i2; Tertullian, D e Res. 2,1.

166

§ 12 Der dritte Korintherbrief

A u c h in diesem T h e m a lassen sich Spuren paulinischen Denkens wahrnehmen, etwa ι Kor 15,49: κ α ι κ α ό ώ ς έφορέσαμεν την εικόνα τ ο ϋ χοικοϋ, φορέσομεν κ α ι την εικόνα τοϋ έπουρανίου, und vor allem Phil 3,20fr . . . απεκδεχόμειία κύριον Ί η σ ο ύ ν Χριστόν, δς μετασχηματίσει το σ ώ μ α της ταπεινώσεως ήμών σύμμορ(ρον τω σώματι της δόξης αύτού. W e n n der erniedrigte irdische Leib des Menschen σύμμορφον dem verherrlichten Leib des Herrn sein wird, dann ist dieser eben der τ ύ π ο ς für die Auferstandenen. Aber bei Ps.Paulus ist der auferstandene Leib Jesu τύπος nicht nur für die Bestimmung der Auferstehungshoffnung im allgemeinen. Er ist es auch aufgrund seiner fleischlichen Verfaßtheit. Der Gedanke hat in der Textüberlieferung weiter gewirkt. In einem Text, die nur in der armenischen 444 und zum in der lateinischen Überlieferung bezeugt ist, wird nach den Geschichten des Jona und des Elischa (3 Kor 3,29-32) auch Elia erwähnt: „Similiter et de Helia propheta: filium uidae a morte resuscitavit. Quanto magis uos dominus Iesus in uoce tube in ictu oculi a morte resuscitabit, sicut et ipse a mortuis resurrexit. T i p u m enim nobis in suo corpore ostendit". Die lateinische Fassung ergänzt und deutet sachlich richtig das τύπος-Motiv: „Tipum enim nobis in suo corpore ostendit".

III. Z e i t - u n d theologiegeschichtliche E i n o r d n u n g v o n 3 K o r ι.

3 Kor und die Paulusakten

„Aber die Annahme der ursprünglichen Zugehörigkeit von III Kor zu den API ist wohl nicht mehr aufrecht zu erhalten". Diese Aussage von W . SCHNEEMELCHER445 signalisiert eine neue Tendenz in der Forschung, zu der die Veröffentlichung des griechischen Papyrus Bodmer aus dem dritten Jahrhundert wesentlich beitrug 446 . Denn in ihm ist weder die Einleitung noch der Zwischenbericht enthalten, und es fehlt weiter jeder andere Bezug zu den Paulusakten. Der koptische Papyrus Heidelberg, der beide Texte als Einheit bietet, ist erst im sechsten Jahrhundert entstanden. Es ist wahr, daß die syrische Kirche im vierten Jahrhundert den Zwischenbericht kennt, aber dies ist noch kein Beweis dafür, daß

444

In A fehlt jedoch der entscheidende Satz über den Typos.

445

V g l . den., N T A p o 5 II 208.

44^

Vielleicht ist es noch zu früh, um von einer W e n d e in der Forschung zu sprechen.

Aber die 5. Auflage der N T A p o wird sicherlich dahin wirken. Ph. VIELHAUER behauptete noch 1975, der Briefwechsel hätte sich erst später aus den Paulusakten herausgelöst und sei dann selbständig tradiert worden (Geschichte der urchristlichen Literatur 704).

§ 12 Der dritte Korintherbrief

167

sie das Stück aus den Paulusakten genommen hat 447 . Beim jetzigen Stand der Forschung kann man davon ausgehen, daß die apokryphe Korrespondenz mit den Korinthern unabhängig von den Paulusakten entstanden ist und daß sie erst später mit diesen in Verbindung gebracht worden ist. Die im Rahmen unserer Thematik geleistete Analyse kann dieses Ergebnis nur bestätigen. Die Korrespondenz stellt eine literarische Einheit dar, die sowohl formal als auch thematisch selbständige Züge aufweist. A u c h d i e A r b e i t e n v o n A . F . J . KLIJN u n d W . RORDORF 448 w a r e n in dieser

Frage von Bedeutung 449 . Aber das Problem der zeit- und theologiegeschichtlichen Einordnung von 3 Kor darf nicht als gelöst betrachtet werden. Das wird schon in den verschiedenen vorgeschlagenen Datierungen sichtbar: Nach A. F. J . KLIJN „a time well before 170" 4 5 0 ; nach W. RORDORF in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts 451 ; W . SCHNEEMELCHER nimmt den Zeitraum 185-195 als möglichen Ansatz an 4 ' 2 , aber er bezieht sich dabei auf die Paulusakten. Wenn die Korrespondenz mit den Korinthern schon als bestehender Text in die Paulusakten aufgenommen wurde, dann müßte sie früher datiert werden. Die Datierungsfrage läßt sich nur dann lösen, wenn man den Text zeit- und theologiegeschichdich richtig einordnet. Dem Thema der Korrespondenz entsprechend rückt die Frage nach dem Auferstehungsverständnis in den Mittelpunkt.

2.

Das Auferstehungsverständnis in 3 Kor und die Theologie der Auferstehung im zweiten Jahrhundert

z.r. Form und Inhalt von 3 Kor setzen die gnostische Krise voraus. Zeitlich und sachlich präziser muß man auf den augenfälligen Zusammenhang mit der Lehre Markions hinweisen 45 '. Seine Verachtung flir die Propheten des Schöp+•7 So argumentiert W. SCHNEEMELCHER in der 4. Auflage der NTApo II 235. Sein Urteil lautete damals: „Man wird also daran festhalten müssen, daß III Kor ein ursprünglicher Bestandteil der AP war, und zwar des Teiles, der von dem Aufenthalt des Paulus in Philippi berichtete" (ebd.). 44 8 Vgl. A. F. ]. Klijn, The Apocryphal Correspondence; W. Rordorf, Héresie et Orthodoxie. 449 W. SCHNEEMELCHER beruft sich ausdrücklich auf sie, um seine Beurteilung in der 5. Auflage der N T A p o zu begründen (a.a.O. 208). 45° A.a.O. 22. 451 A.a.O. (s-Anm. 424). 45* A.a.O. 214. 453 Zur Geschichte der umstrittenen Frage, ob Markion selber als Gnostiker zu betrachten ist, vgl. A. Lindemann, Paulus im ältesten Christentum 387-389. K. RUDOLPH hat das Problem m.E. richtig gesehen und treffend formuliert: „Marcions Lehre ist ... nicht ohne die gnostische Theologie zu verstehen. [...] Man ist geradezu angehalten, in Marcion einen konsequenten Fortsetzer des Paulus in gnostischem Geiste zu sehen. Er verarbeitet die zu seiner Zeit vorlie-

ι68

§ 12 Der dritte Korintherbrief

fergottes ist hinreichend dokumentiert 454 . Der Demiurg ist durch „pusillitas", „infirmitas" und „incongruentiae" gekennzeichnet 455 . Natürlich wird der Leib bzw. das Fleisch nicht auferstehen. Endgültiges Heil betrifft nur die Seele 456 . Daß der wahre Gott nicht mit der Schöpfung des menschlichen Leibes und der materiellen Welt in Zusammenhang gebracht werden darf, ist eine logische Konsequenz aus der Theologie Markions. Der Erlöser darf in diesem System keinen Kontakt mit der Welt der Materie und des Fleisches haben, d.h. er ist nicht geboren 457 . In der Tat können alle Meinungen der Häretiker, die im Brief der Korinther an Paulus vorgetragen sind, auf die Lehre Markions zurückgeführt werden 458 . Daß Markion in den Briefen des Paulus die Grundlage fiir sein System gefunden hat — abgesehen davon, wie weit er den Apostel richtig verstanden — , bedarf keiner weiteren Begründung. Ebenso steht fest, daß Paulus bei den Anhängern Markions gemeinsam mit dem Meister höchstes Ansehen genoß. Er gilt sogar als der verheißene Geist der Wahrheit 459 . Unter diesen Voraussetzungen bedeutet eine solche Verteidigung der Wahrheit — mit der Verbindlichkeit eines Glaubensbekenntnisses — , so wie sie in 3 Kor vorliegt, eine geschickte Art der Ketzerbekämpfung. Kein anderer als Paulus selber — so in der Fiktion des Briefes — widerlegt Hauptinhalte der Lehre Markions. Der Kronzeuge in manchen gnostischen Kreisen wird somit zum Ankläger! Im Zusammenhang mit der Auferstehungsfrage hat die Berufung der Gnostiker auf Paulus besondere Brisanz. Nicht von ungefähr nennen ihn die Valentianer α ν α σ τ ά σ ε ω ς απόστολος 4 0 0 . Ein gnostisches Auferstehungsverständnis konnte sich auf Paulus berufen, um sich als eine der Wahrheit der Offenbarung entsprechende Deutung auszuweisen. Das gilt unabhängig von der Frage, inwiefern die gnostische Exegese eine legitime Auslegung der paulinischen Theologie gen den gnostischen Konzepte, soweit sie seinem theologischen Ansatz entsprachen. Dies verbindet ihn mit den anderen großen Gnostikern seiner Zeit, die ähnlich originell und individuell verfuhren" (Die Gnosis 337f). 454 Vgl. die „Antihesen" Markions in der Zusammenstellung von A. von Harnack, Marcion H3f. 455

Ebd. 93. Ebd. 118. 457 Ebd. 109F. 458 W. R o r d o r f weist auf die Parallelen mit der Lehre von Satornil hin (vgl. Irenaus, Adv.Haer. I 24,1-2). Dabei wird Markion übersehen. D a ß 3 Kor als Brief des Paulus gelten will, erklärt sich aber besser, wenn die bekämpften Gegner mit Markion eng verbunden waren. 459 Vgl. Orígenes, Horn, in Lucam 25 (GCS 49, i5of): „Alii enim aiunt hoc, quod scriptum est,sedere a dextris saluatoris et sinistris', de Paulo et de Marcione dici, quod Paulus sedeat ,a dextris', Marcion sedeat ,a sinistris'. Porro alii, legentes: ,mittam vobis aduocatum, Spiritum ueritatis', nolunt intelligere tertiam personam a Patre et Filio et divinam sublimemque naturam, sed apostolum Paulum". 46° Exc. ex Theod. 23,2. 456

§ 12 D e r dritte Korintherbrief

169

darstellt. D i e gleiche Frage wäre auch an die Adresse der „ O r t h o d o x i e " zu stellen, als sie sich u m einen A n s c h l u ß an die paulinische T h e o l o g i e als G r u n d l a g e für ihre Position bemühte. So tritt Paulus in d e m fiktiven Brief nicht allgemein als Apostel der Aufersteh u n g auf, sondern als Apostel der Auferstehung des Fleisches. 2.1.

In der B e s t i m m u n g des Verhältnisses zwischen d e m irdischen u n d d e m

auferstandenen Leib —

besonders a n h a n d des Bildes v o m W e i z e n k o r n —

ist

deutlich geworden, wie Ps.Paulus trotz der Ü b e r n a h m e paulinischer Begrifflichkeit d o c h seinen eigenen W e g geht. D e r Sprachgebrauch v o n „sarx" liefert m . E . den Schlüssel für den theologischen Standort des Verfassers. Einige Beispiele k ö n n e n die Ergebnisse der A n a lyse z u den Einzelstellen ergänzen: a.

Z u r Bedeutung von π ά σ α σάρξ: Κ α ι έλευιίερώση π ά σ α ν σ ά ρ κ α δια της

Ιδίας σ α ρ κ ό ς (3 K o r 3,6). D i e W e n d u n g π ά σ α σ ά ρ ξ wird ähnlich gebraucht wie in der v o n Irenaus zitierten Glaubensregel: . . . κ α ι ά ν α σ τ ή σ α ι π ά σ α ν σ ά ρ κ α π ά σ η ς ά ν θ ρ ω π ό τ η τ ο ς (Adv.Haer. I ιο,ι). D i e E r w ä h n u n g der ganzen M e n s c h heit ( π ά σ η ς ά ν θ ρ ω π ό τ η τ ο ς ) läßt bei π ά σ α σ ά ρ ξ besonders das M o m e n t der Leiblichkeit hervortreten. Ähnliches gilt in 3 K o r 3,6 bei der E n t s p r e c h u n g v o n π ά σ α σ ά ρ ξ und dem Instrument der Befreiung (δια τ η ς ι δ ί α ς σ α ρ κ ό ς ) . Sachlich gleichbedeutent ist 3,16: τ ω γ α ρ ί δ ί φ σ ώ μ α τ ι Χ ρ ι σ τ ό ς ' Ι η σ ο ύ ς π ά σ α ν ε σ ω σ ε ν σ ά ρ κ α . N o c h deutlicher k o m m t dies in 3 K o r 3,11 zum Ausdruck: D e r T e u fel fesselte alles Fleisch der M e n s c h e n an die Lust (την π ά σ α ν σ ά ρ κ α τ ώ ν ά ν •όρώπων προς ή δ ο ν η ν έδέσμευεν). U n t e r π ά σ α σ ά ρ ξ versteht Ps.Paulus die M e n s c h e n unter d e m G e s i c h t s p u n k t ihrer leiblichen Befindlichkeit, in der ihr Menschsein besteht. b.

Κ α ι 'ίνα έκ ν ε κ ρ ώ ν ή μ ά ς έγείρη σ α ρ κ ι κ ο ύ ς (3 K o r 3,6) . . . οί δε ύ μ ί ν λ έ -

γ ο υ σ ι ν ά ν ά σ τ α σ ι ς ο ύ κ εστίν σαρκός, έκείνοις ούκ έστιν ά ν ά σ τ α σ ι ς , όίτινες τ ο ν ο ύ τ ω ς ά ν α σ τ ά ν τ α ά π ι σ τ ο ύ σ ι ( 3 K o r 3 , 2 4 0 . D e r erste Satz gehört in das „Glaubensbekenntnis" des Verfassers. D e r zweite qualifiziert das Bekenntnis zur A u f e r s t e h u n g des Fleisches als entscheidend für die eschatologische V o l l e n d u n g des G l ä u b i g e n , u n d zugleich verbindet er dies mit dem Bekenntnis zur Aufersteh u n g Jesu. D i e L e u g n u n g der A u f e r s t e h u n g des Fleisches k o m m t nach dieser Aussage der L e u g n u n g der A u f e r s t e h u n g Jesu gleich, da er eben im Fleisch auferstanden ist. D e m Bekenntnis zur A u f e r s t e h u n g des Fleisches k o m m t in diesen Aussagen eine V e r b i n d l i c h k e i t z u 4 6 ' , die im V e r l a u f des zweiten Jahrhunderts einen fest umrissenen zeitlichen R a h m e n besitzt: ca. 170-180, also unmittelbar vor der E n t s t e h u n g v o n A d v . H a e r . , das schon a u f dieser G r u n d l a g e aufbaut. In diese

461

D e r Verfasser betrachtet sein Schreiben als einen „ c a n o n veritatis", in d e m die B o t -

schaft der Propheten und des Evangeliums enthalten ist. V g l . 3,36.

170

§ 12 Der dritte Korintherbrief

theologische Konstellation ist auch Ps.Justin „De Resurrectione" einzuordnen* 62 . Offenbar hat sich in der Umgebung des Verfassers dieser Sprachgebrauch von „sarx" durchgesetzt. Es fällt trotzdem auf, daß er die ftir das Thema des Briefes entscheidende Stelle 1 Kor 15,50 mit keinem Wort erwähnt, noch auf sie anspielt: σ α ρ ξ και αιμα βασιλείαν ιΐεού κληρονομήσαι ού δύναται. Wie in der Analyse gnosticher Texte (besonders des Philippusevangeliums) und in Adv. Haer. gezeigt wird, war diese Stelle für die einen wichtig als Beweis fur die paulinische Begründung ihrer Ablehnung einer Auferstehung des Fleisches, während sie für die anderen zum notwendigen Gegenstand der Auslegung wurde — sofern sie an Paulus anknüpfen wollten — , um die Stelle in Einklang mit dem Bekenntnis zur Auferstehung des Fleisches zu bringen. Daß der Brief problemlos mit der Inhaltsangabe περι σαρκός eingeleitet wird, spricht fur eine Datierung in einer frühen Phase der Kontroverse innerhalb des angegebenen Zeitraumes 170-180.

Zusammenfassung ι. Die apokryphe Korrespondenz mit den Korinthern gehört in eine Phase der antignostischen Polemik des zweiten Jahrhunderts, in der die bekämpfte Lehre in ihrer systematischen Stimmigkeit erkannt worden ist. Dabei ist vor allem an die Lehre Markions zu denken. Die Autorität des Paulus und der apostolischen Uberlieferung bürgen für die Wahrheit und Verbindlichkeit der vom Verfasser angestrebten Verteidigung der Orthodoxie. 2. Anliegen des Schreibens ist eine Apologie des Fleisches, die, schöpfungstheologisch und christologisch begründet, in der Hoffnung auf die Auferstehung des Fleisches ihre logische Folge hat. 3. Einige Themen der Auferstehungsapologetik werden in 3 Kor angedeutet: die Vollständigkeit der auferstandenen Leiber, die Allmacht Gottes, die fleischliche Verfassung des Menschen. Aber sie sind nicht Objekt einer auch für die Vernunft plausible Beweisführung. Unser Text gehört in den Binnenraum der christlichen Gemeinde 463 .

4 z Ob auch der Papyrus Dêr-Balizeh, der ein altes Glaubensbekenntnis der ägyptischen Kirche mit der Formel von der Auferstehung des Fleisches enthält, in diesen Zusammenhang gehört, ist nicht sicher. Vgl. C. H. Roberts - B. Capelle, An Early Euchologium. The Dêr-Balizeh Papyrus Enlarged and Reedited, Louvain 1949. 46' Die EpAp, die auch zur Gattung des fiktiven apostolischen Briefes gehört, besitzt in stärkerem Ausmaß Elemente der Auferstehungsapologetik, vor allem die Erörterung über die Struktur des menschlichen Wesens.

§ 12 Der dritte Korintherbrief

171

4. Die Verbindlichkeit des Bekenntnisses zur Auferstehung des Fleisches läßt eine Datierung des Schreibens zwischen 170-180 als begründet erscheinen.

§ 13

Theophilus von Antiochien

D i e E n t s c h e i d u n g v o n E . J . GOODSPEED, die d r e i B ü c h e r „ A d A u t o l y c u m " (= A d A u t . ) in seine T e x t a u s g a b e der g r i e c h i s c h e n A p o l o g e t e n n i c h t a u f z u n e h m e n , u m die S e i t e n z a h l des W e r k e s n i c h t w e s e n d i c h z u e r h ö h e n 4 0 4 , d ü r f t e w e n i g s t e n s z u m T e i l das b e s c h e i d e n e Interesse d e r F o r s c h u n g a n T h e o p h i l u s e r k l ä r e n 4 6 5 . S e i n W e r k blieb a u c h aus d e m I n d e x A p o l o g e t i c u s a u s g e s c h l o s s e n 4 6 6 . D i e A u s g a b e n v o n G . BARDY (Paris 1 9 4 8 ) u n d R . M . G R A N T ( O x f o r d 1 9 7 0 ) h a b e n an dieser L a g e einiges g e ä n d e r t , a b e r es bleiben n o c h viele o f f e n e F r a g e n u n d u n b e rührte P r o b l e m e . D i e U n t e r s u c h u n g eines s o l c h e n T e i l a s p e k t e s , w i e es die F r a g e n a c h d e r A u f e r s t e h u n g des Fleisches ist, v e r m a g k e i n u m f a s s e n d e s U r t e i l ü b e r d i e T h e o l o g i e des T h e o p h i l u s u n d ü b e r seine D e n k v o r a u s s e t z u n g e n z u v e r m i t t e l n . A b e r a u c h die A n a l y s e eines T e i l a s p e k t e s b e r u h t a u f e i n e r breiteren B a s i s , die sich, o b w o h l sie h i e r n i c h t n ä h e r e r l ä u t e n w e r d e n k a n n , a u f die A n a l y s e a u s w i r k t . D a z u g e h ö r t die Ü b e r z e u g u n g v o n d e r V e r w u r z e l u n g des T h e o p h i l u s in e i n e r j u d e n c h r i s t l i c h e n T r a d i t i o n , die v o m h e l l e n i s t i s c h e n J u d e n t u m — b e s o n d e r s d u r c h das W e r k P h i l o s 4 6 7 . D a ß sein Platz i n n e r h a l b d e r c h r i s t l i c h e n A p o l o g e t e n des

4 4

Vgl. den., Die ältesten Apologeten VII. Der andere Grund, die zeitliche Nähe zu Irenäus, ist ebensowenig überzeugend. Die „Legatio" des Athenagoras wurde vielleicht nur ein paar Jahre früher als Ad Aut. geschrieben. Besonders im deutschen Sprachraum. Der Versuch von F. LOOFS, den Traktat des Theophilus gegen Markion aus Adv.Haer. des Irenäus zu rekonstruieren, gilt als gescheitert. Vgl. F. Loofs, Theophilus von Antiochien Adversus Marcionem. Andere Untersuchungen liegen zeitlich weit zurück. Vgl. O. Gross, Die Weltentstehungslehre des Theophilus von Antiochien, Leipzig 1895; A. Pommrich, Des Apologeten Theophilus von Antiochien Gottes- und Logoslehre, Leipzig 1904. T. RÜSCH hat das Thema vom Heiligen Geist bei Theophilus untersucht (1952); G . KRETSCHMAR schrieb über seine Theologie im Zusammenhang mit der Trinitätslehre ein wichtiges Kapitel (1956). Die Beiträge von R. M . GRANT, P. NAUTIN, N . ZEEGERS-VANDER

VORST und J. P. MARTÍN haben die Forschung in den letzten Jahren weiter gefördert. 466 Daher die geringe Rezeption von Ad Aut. im Wörterbuch von W. BAUER. Die fünfte Auflage (Bauer - Aland) hat diesbezüglich, soweit ich es überprüft habe, daran wenig geändert. y o r kurzem hat L. W. BARNARD diesen Einfluß bestritten und die Bedeutung der biblischen Uberlieferung und des Mittelpiatonismus unterstrichen: „Theophilus; scheint sich ebensowenig auf dem Boden Philos zu bewegen wie Justin, und es mag durchaus sein, daß Philos Einfluß auf das frühchristliche Denken bisher überschätzt worden ist und sich allenfalls in Alexandrien bemerkbar machte". Vgl. ders., Art.: Apologetik. Alte Kirche, in T R E 3, 371-411, hier 383. Diese Beurteilung, die durch kein Argument gestützt wird, übersieht das Ergebnis von manchen Einzeluntersuchungen über verschiedene Probleme von Ad Aut. Vgl. R. M. Grant, Theophilus of Antioch to Autolycus. Auf jeden Fall scheint der Einfluß Philos hinreichend be-

174

§ 13 Theophilus von Antiochien

zweiten Jahrhunderts ebenso begründet ist, wird sich im folgenden mit der notwendigen Klarheit herausstellen.

I. Auferstehung des Fleisches u n d Unsterblichkeit In den ersten Kapiteln von Ad Aut. I 4 6 8 wird die Frage nach der Möglichkeit der Gottesschau gestellt. Die Erörterung erfolgt nicht in einem theoretischen oder rein philosophischen Rahmen, sondern sie dient bekannten Interessen der altchristlichen Apologetik. Zum einen stellt sich eine bestimmte Lebensführung als die notwendige Voraussetzung für die Gottesschau heraus: „Denn Gott läßt sich von denen sehen, die ihn schauen können, sobald sie die Augen der Seele offen haben" 409 . Und dazu ist die Erfüllung von konkreten sittlichen Forderungen unerläßlich. Zum anderen kommt dadurch ein Gottesbild zum Ausdruck, das in seiner Transzendenz erhaben und frei von jedem Anthropomorphismus ist: „Die Gestalt Gottes ist unsagbar und unaussprechlich, und es ist nicht möglich, daß sie von fleischlichen Augen geschaut wird" 470 . Die übliche Polemik des Apologeten gegen die heidnischen Götzen ist mit dieser Aussage schon vorbereitet. Aber auch bei dieser Hervorhebung der Transzendenz und Unfaßbarkeit Gottes ist die Möglichkeit der Gottesschau nicht ganz ausgeschlossen. Gott selber entzieht sich zwar dem Vermögen der menschlichen Augen, aber er kann durch sein Werk erkannt werden. „Denn so, wie man die Seele im Menschen nicht sieht, da sie den Menschen unsichtbar ist, und dennoch durch die Bewegung des Körpers die Seele erkannt wird, so kann auch Gott von menschlichen Augen nicht geschaut werden, läßt sich aber durch seine Vorsehung und seine Werke sehen und erkennen" 47 '.

legt zu sein. Vgl. jetzt J. P. Martín, La presencia de Filón; der s., La antropología de Filón y la de Teófilo de Antioquía; ders., Filón hebreo y Teófilo cristiano. 468 Der griechische Text nach der Ausgabe von R. M. Grant, Theophilus of Antioch. Es wurden auch berücksichtigt: G. Bardy, Trois livres à Autolycus; J. Κ. Th. Otto, Corpus Apologetarum Christianorum (Bd. VII), Jena 1861. 469 Ad Aut. I 2: βλέπεται γαρ ϋεός τοις δυναμένοις αυτόν όραν, επαν εχουσι τούς οφθαλμούς άνεωγμένους της ψυχής. 47° Ad Aut. I 3: το μεν είδος του ι}εοϋ άρρητον και άνέκφραστόν έστιν, μή δυνάμενον όφΰαλμοϊς σαρκίνοις όραι3ήνοα. 471 Ad Aut. I 5: καύάπερ γαρ ψ υ χ ή έν άνύρώπφ οΰ βλέπεται, οιόρατος ο ύ σ α άνόρώποις, δια δε της κινήσεως του σώματος νοείται ή ψυχή, οΰτως εχοι ά ν και τον ι3εόν μή δ ύ ν α σ β α ι όραΦήναι ύπό οφθαλμών ανθρωπίνων, δια δέ τής προνοίας και τών έργων αΰτοϋ βλέπεται και νοείται. Es ist möglich, daß an dieser Stelle der Gedanke von Rom ι,2θ nachwirkt: τ ά γαρ αόρατα αυτού άπό κτίσεως κόσμου τοις ποιήμασιν νοούμενα καόοράται.

§ 13 T h e o p h i l u s v o n A n t i o c h i e n

175

T h e o p h i l u s betrachtet d i e G o t t e s s c h a u als eine e s c h a t o l o g i s c h e G a b e , d i e i m irdischen Leben durch eine heiligmäßige Lebensführung vorbereitet472,

im

E s c h a t o n d u r c h das A b l e g e n des Sterblichen u n d das A n z i e h e n d e r U n v e r g ä n g l i c h k e i t v e r w i r k l i c h t w i r d 4 7 5 : „ D e n n G o t t e r w e c k t d e i n Fleisch u n s t e r b l i c h m i t d e r Seele auf. U n d d a n n wirst d u , unsterblich g e w o r d e n , d e n U n s t e r b l i c h e n seh e n , w e n n d u jetzt i h m g l a u b s t " 4 7 4 . In d e r B e g r i f f l i c h k e i t s c h i m m e r t der E i n f l u ß v o n 1 K o r 15 d u r c h . D e r Ü b e r g a n g v o n der S t e r b l i c h k e i t in die U n s t e r b l i c h k e i t u n d das A n z i e h e n d e r U n v e r g ä n g l i c h k e i t e r i n n e r n n ä m l i c h an 1 K o r 15,53: δει γ ά ρ τ ο φ ύ α ρ τ ο ν τ ο ύ τ ο έ ν δ ύ σ α σ ό α ι ά φ ό α ρ σ ί α ν κ α ι τ ο τ)νητόν τ ο ύ τ ο έ ν δ ύ σ α σ Φ α ι ά ό α ν α σ ί α ν

Theophi-

lus ist k e i n P a u l u s e x e g e t , aber d e r E i n f l u ß des A p o s t e l s ist in d i e s e m Z u s a m m e n h a n g u n v e r k e n n b a r . V o n d e r p r o b l e m a t i s c h e n Stelle 1 K o r 15,50 g i b t es k e i n e direkte S p u r , aber T h e o p h i l u s d e n k t a n ein v e r w a n d e l t e s , unsterblich g e w o r d e n e s Fleisch. N a c h A d A u t . II 27 —

eine Stelle a u f die w i r n o c h z u r ü c k -

k o m m e n w e r d e n — h ä n g t die eschatologische V o l l e n d u n g a u c h v o n d e r E i n h a l t u n g d e r g ö t t l i c h e n G e b o t e ab. W e r das t u t , k a n n gerettet w e r d e n u n d , i n d e m e r d i e A u f e r s t e h u n g e r r e i c h t , die U n v e r g ä n g l i c h k e t e r b e n 4 7 5 . D i e p a u l i n i s c h e A u s s a g e , d a ß Fleisch u n d B l u t das R e i c h G o t t e s n i c h t e r b e n k ö n n e n , behält hier volle G ü l t i g k e i t . In d e r W e n d u n g α ν ε γ ε ί ρ ε ι γ ά ρ σ ο υ τ η ν σ ά ρ κ α ά ι ΐ ά ν α τ ο ν σ υ ν τ ή ψ υ χ ή ό ι ΐ ε ό ς ( A d A u t . I 7 ) beinhaltet σ ά ρ ξ d i e m e n s c h l i c h e L e i b l i c h k e i t , v o n d e r sich d i e Seele u n t e r s c h e i d e t . U n s t e r b l i c h w i r d das Fleisch, n i c h t die Seele. O b w o h l T h e o p h i l u s d a r a u f n i c h t näher e i n g e h t , hält er die Seele f u r das b e w e g u n g - u n d l e b e n s p e n d e n d e E l e m e n t 4 7 6 . U n t e r V e r w e i s a u f G e n 2,6f —

n a c h d e r „plasis"

des m e n s c h l i c h e n L e i b e s w u r d e d e r M e n s c h d u r c h d e n g ö t t l i c h e n H a u c h z u einer „ l e b e n d i g e n Seele" —

notiert er v o r s i c h t i g , d a ß die Seele d a h e r v o n d e n

m e i s t e n als unsterblich b e z e i c h n e t w i r d ( A d A u t . II 1 9 ) 4 7 7 , aber er selber m a c h t d i e s b e z ü g l i c h keine klare Aussage. Seine Z u r ü c k h a l t u n g ist n i c h t zufällig, sondern ergibt sich aus seiner A n s c h a u u n g v o n der U n s t e r b l i c h k e i t als M ö g l i c h k e i t des L e b e n s u n d n i c h t als n a t u r h a f 472 Ad Aut. I 7: εί ταϋτα νοείς, άνθρωπε, άγνώς και όσίως και δικαίως ζών, δΰνασαι όράν τον Όεόν. 473 Ad Aut. I 7: δταν άπόιϊη το ιΐνητόν κοά ένδυση την άφιίαρσίαν, τότε όψη κατά άξίαν τον θεό ν. 474 Ad Aut. I 7: ανεγείρει γάρ σου την σάρκα άΟάνατον σύν τη ψυχη ό όεός· και τότε όψη γενόμενος αθάνατος τον άΟάνατον, έάν νυν πιστεΰσης αΰτφ. 475 Ad Aut. II 27: έδωκεν γάρ ό ύεός ήμΤν νόμον και ένιολάς αγίας, ας πάς ό ποιήσας δύναται σωύήναι και της αναστάσεως τυχών κληρονομήσαι την άφόαρσίαν. Üblicherweise werden dazu zwei neutestamentliche Stellen angeführt: Hebr 11,35 (•••ινα κρείττονος αναστάσεως τύχωσιν) und die schon erwähnte 1 Kor 15,50. 476 Sie ist der Ursprung der Bewegung des Leibes, obwohl sie unsichtbar ist (Ad Aut. I 5). So wie der Geist Gottes über dem Wasser schwebte, um der Schöpfung Leben zu schenken, so auch die Seele im Menschen (Ad Aut. II 13). 477 Ad Aut. II 19: &0εν και αθάνατος ή ψυχή ώνόμασται παρά τοίς πλείοσι.

i76

§ 13 Theophilus von Antiochien

ter Bestimmung der Seele. Nach Ad Aut. II 24 versetzte Gott den Menschen von der Erde, aus der genommen war, ins Paradies und gab ihm Gelegenheit zum Forschritt, damit er vollkommen werde, ja sich sogar als Gott zeige, damit er in den Himmel gehe und ewiglich werde: „So wurde der Mensch in der Mitte geschaffen, weder vollständig sterblich noch in jeder Hinsicht unsterblich, sondern fähig für beides" 478 . So wie das Paradies eine Mittelposition zwischen Himmel und Welt einnimmt, so der Mensch. In Ad Aut. II 27 nimmt Theophilus das Thema wieder auf. Der Mensch ist von Natur aus weder sterblich noch unsterblich. „Denn wenn (Gott) ihn vom Anfang an unsterblich geschaffen hätte, hätte er ihn als Gott geschaffen. Zudem: hätte er ihn unsterblich geschaffen, würde Gott als schuldig an seinem Tod erscheinen. Also hat er ihn weder unsterblich noch sterblich geschaffen, sondern, wie wir schon vorher gesagt haben, fähig zu beiden" 479 . Die Unsterblichkeit ist schon immer als ein eschatologisches Gut gedacht, das der Mensch durch seine sittliche Anwort erlangen kann. Neigt er sich der Unsterblichkeit durch das Halten des Gebotes Gebotes zu, wird er von ihm die Unsterblichkeit empfangen und wie Gott sein 480 . Wendet er sich den Dingen des Lebens im Ungehorsam gegen Gott zu, ist er selber schuld an seinem Tod. Anders als bei Tatian gehört die Unsterblichkeit nicht zur Ausstattung des Menschen, so wie er von Gott geschaffen wurde, noch ist die Sterblichkeit Folge der Ursünde. Von vornherein ist der Menschen fähig, beides zu erreichen. Der Weg zur Unsterblichkeit öffnet sich dem Menschen, wenn er das Gebot Gottes bewahrt. Die Arbeit im Paradies bedeutet eigentlich die Einhaltung des Gebots, damit der Mensch sich nicht selber durch den Ungehorsam verliert, wie er dann tatsächlich durch die Sünde verloren gegangen ist 481 . „Gott hat uns das Gesetz und die heiligen Gebote gegeben. Jeder, der sie erfüllt, kann gerettet werden und — indem er die Auferstehung erreicht — die Unvergänglichkeit erben" 4 8 2 . Nicht die Gabe des göttlichen Geistes ist die Voraussetzung für die Auferstehung und für das Erlangen der Unvergänglichkeit — wie bei Herrn, 478 Ad Aut. II 24: μέσος γαρ ό άνθρωπος έγεγόνει, οΰτε -θνητός ολοσχερώς ούτε αθάνατος τό καθόλου, δεκτικός δε έκατέρων. 4 79 Ad Aut. II 27: οΰτε ούν φύσει θνητός έγένετο οΰτε αθάνατος, εί γαρ άθάνατον αυτόν άπ άρχής πεποιήκει, θεόν αυτόν πεποιήκει· πάλιν εί θνητόν αυτόν πεποιήκει, έδόκει αν ό θεός αίτιος είναι του θανάτου αΰτοΰ. οΰτε ούν άθάνατον αυτόν έποίησεν οΰτε μήν θνητόν, αλλά, καθώς έπάνω προειρήκαμεν, δεκτικόν αμφοτέρων.

Ad Aut. II 27: ... μισθόν κομίσηται παρ' αύτοϋ την άθανασίαν και γένηται θεός Es ist das erstemal in der christlichen Literatur, daß die eschatologische Vollendung als Vergöttlichung dargestellt wird. 4*®1 Ad Aut. II 24: τό δε ειπείν έργάζεσθαι ουκ άλλη ν τινά έργασίαν δηλόί άλλ' ή τό φυλάσσειν την έντολήν τοΰ θεοΰ, όπως μη παρακούσας άπολέση εαυτόν, καθώς και άπώλεσεν δια αμαρτίας. 482 Ad Aut. II 27: έδωκεν γαρ ό θεός ήμίν νόμον και έντολάς αγίας, ας πάς ό ποιήσας δύναται σωθήναι και της αναστάσεως τυχών κληρονομησαι την άφθαρσίαν. Vgl. auch Ad Aut. II 34.

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II C l e m und Tatian, natürlich unter jeweils anderen theologischen bzw. philosophischen Ansätzen — , sondern die Erfüllung des göttlichen Willens durch das Halten der Gebote. D a die Möglichkeit des Todes immer schon gegeben war, hat sich die Situation des Menschen auch nach der Sünde nicht prinzipiell geändert. Was für ihn im Paradies galt, gilt auch jetzt. Weder die Christologie noch die Pneumatologie 483 spielen hier eine Rolle. Überhaupt ist der soteriologische Aspekt in diesem Zusammenhang erstaunlich verkürzt ausgedrückt 484 . Theophilus kann zwar behaupten, daß, während sich der Mensch durch Nachlässigkeit und Ungehorsam den T o d erwarb, Gott ihm hingegen jetzt durch seine M e n schenfreundlichkeit und sein Erbarmen das Leben schenkt; aber der Nachsatz ist entscheidend: υπακούοντος αύτω τού ανθρώπου: wenn der Mensch ihm gehorcht (Ad Aut. II 27). W o r i n das gnadenhafte Handeln Gottes in der Geschichte besteht (τούτο ό θεός α ύ τ φ δωρέίται), ist nicht ersichtlich. Ebensowenig die Relevanz der Gegenwart (νυνί). Die Sprache des Theophilus läßt Spuren der christlichen Verkündigung erkennen; aber der Vergleich mit seinem eigenen Denken läßt ihre Umgestaltung umso deutlicher hervortreten. Das T h e m a des den T o d bewirkenden Ungehorsams zu Anfang, dem der Gehorsam und das Leben gegenübersteht, ruft die entgegensetzten Gestalten von Adam und Christus als Urheber des Lebens bzw. des Todes in Erinnerung (Rom 5,1220; ι Kor 15,22); das „jetzt" der Gabe Gottes erinnert an die Offenbarung der Gnade in der Gegenwart durch die Verkündigung des Evangeliums (Rom 3,2124). Aber nichts von diesem Inhalt bestimmt die Aussage des Theophilus 4 8 '. Die Erzählung von der Vertreibung Adams aus dem Paradies (Ad Aut. II 26) bleibt im großen und ganzen auf der gleichen Linie. Die große Wohltat Gottes (μεγάλη εύεργεσία) besteht darin, daß der Mensch nicht für immer in seiner Sünde gelassen wird. G o t t vertrieb ihn aus dem Paradies, „damit er durch die Strafe eine bestimmte Zeit die Sünde abbüße, und, so bestraft, später wieder gerufen werde" 4 8 6 . Die rätselhafte Wendung erklärt sich durch den Hinweis auf die zweifache Versetzung des Menschen ins Paradies (Gen 2,8.15). Das erstemal ist es schon geschehen in der Gestalt Adams. „Das zweite wird sich erfüllen nach der Auferstehung und dem Gericht" 4 8 7 . Die eschatologische Vollendung ist die Der Geist wirkt auf den Menschen nur insofern er das Wort der Propheten, durch das sich der Wille Gottes kundtut, inspiriert, aber er prägt das Menschenbild in keinerlei Weise. Vgl. Th. Räsch, Die Entstehung der Lehre vom Heiligen Geist 87-90. 484 Nach Ad Aut. II 34 hat Gott, der Vater und Schöpfer des Alls, den Menschen nach dem Fall nicht verlassen. Durch das Gesetz und die Sendung der Propheten konnte er zur Besinnung kommen und den einen Gott erkennen. 485 Vgl. R. M. Grant, The Problem of Theophilus içuf. Seine Beurteilung „But his thought is not simply un-Pauline; it is anti-Pauline" scheint mir allerdings unbegründet; Ν. Zccgcrs-Vander Vorst, Les citations du Nouveau Testament 375 Anm. 1. Daß auch in diesem Abschnitt philonische Einflüsse mitwirken, zeigt J. P. Martin, La antropologia 49-53. 486 Ad Aut. II 26: διαος δια της έπιτιμίας τακτώ άποτίσας χρόνω την άμαρτίαν και παιδευθεις έξ ύστερου άνακληύη. 4®7 Ad Aut. II 26: το δε δεύτερον μέλλη πληροΰσϋαι μετά την άνάστασιν και κρίσιν.

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Rückkehr ins Paradies. Theophilus vergleicht das Geschehen in der Auferstehung mit dem bei einem fehlerhaften Gefäß: er kann nach seiner Bildung wieder eingeschmolzen und neugebildet werden, damit es neu und vollständig wird (άναχωνεύεται ή άναπλάσσεται εις το γενέσθαι καινόν και όλόκληρον). So wird es auch beim Menschen sein. Nach seinem T o d kann er gebrochen sein, aber in der Auferstehung wird er wieder gesund erfunden, d.h. makellos, gerecht und unsterblich4*8. Die Sünde zeigt sich nur in der Sterblichkeit. War der Ungehorsam die Ursache fur die Vertreibung aus dem Paradies (Ad Aut. II 25), so erlangt der Mensch durch den Gehorsam gegenüber dem göttlichen Gebot die Möglichkeit, noch einmal in das Paradies einzugehen. Die Heilsgeschichte als Geschichte von Sünde und Gnade, Verlorenheit und Erlösung wird vereinfachend zu einer linearen Geschichte reduziert, bei der nur Gott und der Mensch wirken, ohne jede christologische Vermittlung. Die Güte Gottes offenbart sich darin, daß er den Menschen bestraft und ihm die Notwendigkeit des Gehorsams zeigt. Die Unsterblichkeit durch die Auferstehung beschließt die Handlung als Belohnung fur den Gehorsam. Nicht in der Geschichte vollzieht sich eigentlich das Heilshandeln Gottes, sondern am Ende derselben, wenn er dem Menschen die Unsterblichkeit und die Unvergänglichkeit schenkt in einer Art von neuer Schöpfung (Ad Aut. I 8: τω δε ποιήσαντ'ι σε -θεώ άπιστεις δΰνασ-όαί σε μεταξύ ποιήσαι;). Die Begrifflichkeit des Theophilus läßt eine eigenartige Spannung im Rahmen unserer Fragestellung erkennen. In Ad Aut. I 7, die einzige Stelle mit einer klaren Aussage zur Auferstehung des Fleisches 489 , erscheint der Mensch als die Einheit von Fleisch und Seele, wobei die Neigung erkennbar ist, die Seele für unsterblich zu halten. In den anderen Stellen, die sich mit der Frage nach der Sterblichkeit bzw. Unsterblichkeit des Menschen beschäftigen, vermißt man jede anthropologische Bestimmung. Der Mensch wird als konkrete Einheit dargestellt, die als solche den Weg des Gehorsams oder des Ungehorsams geht. Keinerlei Kampf zwischen Geist und Materie spiegelt sich in der Entscheidung für oder gegen Gott wider. Eine Verteidigung der Würde des Fleisches bzw. der Leiblichkeit ist unter diesen Voraussetzungen nicht erforderlich und kommt auch nicht in Sicht. Die Herkunft dieses Menschenbildes gründet in der Interpretation von Gen 1,26 und Gen 2,7. Wie im Brief des Klemens an die Korinther, bei Justin, Ps.Justin und Irenäus mit zunehmender Deutlichkeit ausgedrückt, legt Theophilus beide Stellen als Einheit aus. Nach Ad Aut. II 18 zeigt Gott durch sein Wort: „Laßt uns den Menschen machen nach unserem Abbild und Gleichnis" (Gen 488

A d Aut. II 26: δυνάμει γαρ τέιΐραυσταιΊνα έν τη ά ν α σ τ ά σ ε ι ύγιής εύρειίη, λέγω δε

άσπιλος και δ'ικαιος και αθάνατος. W i r werden im folgenden sehen, daß das „sarx"—Motiv auch anderen Texten zugrunde liegt, aber nicht explizit.

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1,26) die Würde des Menschen (μηνύει το αξίωμα τοϋ άνθρωπου). Von allen anderen Werken Gottes ist der Mensch das einzige Werk, das von Gott fur würdig gehalten wurde, von seinen eigenen Händen vollbracht zu werden (μόνον ιδίων έργον χειρών άξιον ηγείται την ποίησιν τοϋ άνθρωπου) 4 9 0 . Gemeint ist nichts anderes als die „plasis" des menschlichen Leibes nach Gen 2,7. Im folgenden Abschnitt spricht Theophilus tatsächlich von der πλάσις (Ad Aut. II 19). Wenn er dann auf Grund von Gen 2,7 bemerkt, daß die Seele von einigen als unsterblich betrachtet wird, berührt dies auf keinerlei Weise die grundsätzliche Einheitlichkeit seines Menschenbildes. Beide, Leib und Seele, sind von Gott geschaffen, und nur als deren Einheit existiert der Mensch 491 . Betrachtet man die Sachlage nur im Rahmen der Begrifflichkeit und des intratextuellen Kontexts, bleibt das Bekenntnis zur Auferstehung des Fleisches eigenartig unscharf. Es richtet sich weder explizit gegen eine gnostische Lehre (anders II Clem, EpAp, Ps.Justin, 3 Kor, Irenaus ), noch verbindet sich mit ihm eine besondere eschatologische Vorstellung (die chiliastische Hoffnung bei Justin, Dial. 80,5). Aus der Auslegung von Gen 1,26 und Gen 2,7 zieht Theophilus nicht die gleichen Konsequenzen wie Ps.Justin und Irenaus, nämlich den Menschen als „sarkikós" zu bezeichnen (auch 3 Kor). Wie im folgenden Punkt gezeigt wird, weisen manche Bilder im Zusammenhang mit der Auferstehungsfrage auf die Auferstehung des Fleisches als die tragende Vorstellung hin. Aber im Vergleich zu den anderen soeben erwähnten Autoren überwiegen bei Theophilus die impliziten Aussagen; die expliziten sind Verhältnismäßg spärlich. Die Frage rückt aber in ein anderes Licht, wenn man sie innerhalb eines breiteren Kontexts aufwirft. Die Aussagen über die Sterblichkeit und Unsterblichkeit des Menschen, über die Bildung des menschlichen Leibes als Abbild Gottes, über dessen Neubildung am Ende der Zeit werden im Rahmen einer Auslegung des Schöpfungsberichtes gemacht. Die unlösbare Einheit vom Schöpfer- und Erlösergott — trotz des eigenartigen Erlösungsverständnisses des Theophilus — und der besondere Wert des menschlichen Leibes (Ad Aut. II 18) sind Aussagen, die bei einem christlichen Verfasser der letzten Jahrzehnte des zweiten Jahrhunderts schwerlich ohne die Absicht erfolgt sind, eben durch die Auslegung der Schöpfungsgeschichte Position gegen Markion zu beziehen 492 . Durch das Be49° Vg]. I Clem 33,4: ... άνόρωπον ταις ιεραϊς κ α ι άμώμοις χερσιν επλασεν της έ α υ τοϋ εικόνος χαρακτήρα. 491

Auch Ad Aut. II 38 gehört hierzu. Es geht um den Nachweis, daß Gott nicht nur für die Lebenden sorgt, sondern auch für die Verstorbenen. Dazu zitiert Theophilus den „Propheten" Salomo: ε σ τ α ι ι α σ ι ς ταις σ α ρ ξ ι ν κ α ι έπιμέλεια των όστέων. Das Wort in Spr 3,22a (der Hinweis auf Spr 3,8 bei OTTO und GRANT ist irreführend) heißt: εσται δέ Ίασις ταϊς σαρξί σου κ α ι επιμέλεια τοίς σοίς όστέοις. Gott wird am Ende der Zeit das Fleisch heilen und sich um die Gebeine kümmern. 492 R. M . GRANT hat dies gut herausgestellt. Vgl. den., The Problem of Theophilus 192F. Das ist aber nicht die einzige Absicht bei der Berücksichtigung des Schöpfungsberichtes. Sicherlich verbindet sich damit auch ein apologetisches Anliegen „ad extra", d.h. an die Adresse der

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kenntnis zur Auferstehung des Fleisches erteilt Theophilus eine klare Absage an eine Spiritualisierung der Hoffnung oder gar an eine Verteufelung der materiellen Welt allgemein und der Leiblichkeit im besonderen. Erst die Bedeutung von Gen 1-3 für die Anthropologie des Theophilus und der Zusammenhang mit Markion verleihen seinen Aussagen die ihnen angemessene historische Tragweite.

II. Das Auferstehungsverständnis Grundelemente des Auferstehungsverständnisses in Ad Aut. wurden schon im vorstehenden Abschnitt aufgezeigt: Die Auferstehung ist eine Neubildung des menschlichen Leibes, durch die der Mensch die Unsterblichkeit und die Unvergänglichkeit erlangt. Auf dieser Basis sind die anderen Aspekte zu berücksichtigen, die im Werk des Theophilus vorkommen. Die Auferstehung ist eine Wirklichkeit, die alle Menschen betreffen wird. Der allgemeine Charakter der Auferstehung ist einer der Punkte, die mit dem Erweis der Macht Gottes verständlich gemacht werden sollen: „Gott ist mächtig, um die allgemeine Auferstehung aller Menschen zu erwirken" 493 . Da im Vordergrund die Frage nach der Allmacht Gottes, die Toten auferstehen zu lassen, steht, geht Theophilus nicht näher auf die anderen Fragen ein, die sich aufgrund einer solchen Behauptung notwendigerweise daran anschließen. Wenn er die allgemeine Auferstehung aller Menschen behauptet, denkt er dann etwa an eine Auferstehung zum Leben und an eine andere zum Gericht? Begründet er dies durch den Gerichtsgedanken, damit jedem nach seinen Taten Gerechtigkeit widerfahren wird? Der Text bietet keinen Anhalt für eine Antwort. Durch zwei Vergleiche werden Konturen des Auferstehungsverständnisses des Theophilus sichtbar. Der erste steht im Zusammenhang mit der oben zitierten Aussage von der alle Menschen umfassenden künftigen Auferstehung (Ad Aut. I 13). Auf der Suche nach Argumenten, um die Wahrheit von der Auferstehung beweisen zu können, erwähnt Theophilus das Beispiel des Kranken, der infolge der Krankheit sein Fleisch, seine Kraft und seine Gestalt verliert (νόσω περιπεσών άπώλεσάς σ ο υ τάς σάρκας και τήν ί σ χ ύ ν και το είδος). Wenn der Kranke Erbarmen und Genesung von Gott empfangt, bekommt er wieder den Leib, die Gestalt und die Kraft (πάλιν άπέλαβές σου το σώμα και το είδος και Nicht-Gläubigen. Es geht um das Wissen über den „Anfang", das sowohl das Alter der Offenbarung und deren Vorrang gegenüber der griechischen Philosophie beweist, als auch die richtige Chronologie über die Entstehung der Welt bis zur Gegenwart (Ad Aut. III 24-28) sicher erstellen läßt. 493

A d Aut. I 13: δυνατός έστιν ό ι3εός ποιήσαι την καύολικήν ά ν ά σ τ α σ ι ν απάντων

ανθρώπων.

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την ίσχύν). Der Kranke weiß aber nicht, wohin das Fleisch hingegangen ist, das während der Krankheit unsichtbar wurde (ούκ εγνως πού έπορεύόησάν σου αι σάρκες άφανεις γενόμεναι). In ähnlicher Form weiß der Mensch nicht, woraus sein Fleisch entstanden, noch woher es gekommen ist (οϋτως ούκ έπίστασαι ούδε πόθεν έγένοντο ή πού εν ήλ-dov) 494 . Natürlich könnte einer darauf antworten: Es kommt (d.h. das Fleisch) aus den Nahrungen und Flüssigkeit, die sich in Blut verwandelt haben. Aber auch dies ist das Werk Gottes, der es so gemacht hat, und kein anderer. Dem Vergleich mit der Krankheit liegt die Erfahrung vom Schwinden der Kräfte, von der Abmagerung und von der physischen Umgestaltung als Folge der Erkrankung zugrunde, σάρκες bzw. σώμα, ι σ χ ύ ς und είδος sind die dazu passenden Begriffe. Aber im letzten Teil des Vergleiches, wo von der Unwissenheit des Kranken und vom Wiedergeheilten die Rede ist, bleibt von den drei Begriffen nur σάρκες übrig 495 . Die Rückführung auf einen rein physiologischen Vorgang weist Theophilus zurück. Das dieses Geschehen ist ein έργον θεού! Der Ausdruck ist in diesem Zusammenhang signifikativ. Der Verfasser hat einleitend beim Vergleich mit der Krankheit behauptet, daß der Mensch aus sich erkennen kann, wie sich das Werk der Auferstehung an ihm ereignet: και έν σοι αύτώ έργον άναστάσεως γινόμενον. Die Auferstehung ist also ein Werk Gottes, das als solches durch die Erfahrung und den Vergleich mit der Krankheit erkannt werden kann. Sowohl das verwendete Bild als auch die Begrifflichkeit lenken den Blick auf die Formel von der Auferstehung des Fleisches hin. Denn es ist das Fleisch, das zunächst schwindet und dann wieder erscheint. Und darin zeigt sich die schöpferische Kraft Gottes, die hinter den physiologischen Vorgängen wirkt. Nach diesem Bild könnte man die Auferstehung als „end-gültige" Genesung auffassen 496 . Ein zweiter Vergleich bringt eine differenziertere Sicht zum Vorschein. Es ist der schon erwähnte Vergleich mit dem fehlerhaften Gefäß in Ad Aut. II 26. Wenn es neu gebildet wird, erscheint es als neu und vollständig (εις το γενέσθ α ι καινόν και όλόκληρον). Der Vergleich zielt m.Ε. nicht primär darauf ab, die Auferstehung als Neubildung des menschlichen Leibes bzw. als Neuschöpfung darzustellen, obwohl dieses Motiv bei Theophilus auch vorkommt 497 . Das Bild vom Gefäß, das vom Töpfer, wenn er es will, wieder gebildet werden kann, 494

Die Pluralform bezieht sich auf das vorhergehende σάρκες. Hier in Ad A u t . 1 1 3 und in Ad Aut. II 38 wird die Pluralform verwendet, während das Bekenntnis in Ad Aut. I 7 den Singular bringt. Sachlich gibt es keinen Unterschied. Im Singular ist der Leib im allgemeinen gemeint; die Pluralform scheint eher den Leib in seiner Vielfältigkeit zu bezeichnen. In keinem von diesen Text wird „sarx" als Synonym für den Menschen als Einheit verwendet. 495

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Ähnlich wie in Ad Aut. II 38 anhand von Spr 8,22a. S.o. Anm. 491. In diesem Sinne ist die Aussage am Ende von Ad Aut. I 8 zu verstehen: τω δε ποιήσαντί σε ιΐεώ άπιστέις δύνασΟαί σε και μεταξύ ποιήσοι ; 497

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ist ein beliebtes Mittel, die Möglichkeit der Auferstehung durch die Macht G o t tes zu beweisen 498 . Der Terminus όλόκληρον, der wahrscheinlich durch 1 Thess 5,23 beeinflußt ist, ist im Rahmen der Auferstehungsapologetik die beste Bezeichnung für die Vollständigkeit des auferstandenen Leibes 4 9 9 . Im G r u n d e geht Theophilus schon hier vom Bild zur Sache über. D e r auferstandene Leib wird zunächst als υγιής bezeichnet, ähnlich wie im apokryphen Korintherbrief 3,32: έχοντες ύ γ ι ή την σάρκα. V o n den darauf folgenden drei Adjektiven: άσπιλος 5 0 0 και δίκαιος κ α ι α θ ά ν α τ ο ς ist das letzte von Bedeutung. W u r d e in den beiden Vergleichen das M o m e n t der Kontinuität hervorgehoben, und zwar derart, daß der auferstandene Leib beinahe einfach als „gesunder" Leib erschien, k o m m t hier das M o m e n t der Andersartigkeit zum Tragen. D u r c h die Auferstehung hat der menschliche Leib seine von Gott gewollte Bestimmung erreicht: die Unsterblichkeit. Sie ist nicht in seiner Natur von vornherein grundgelegt, sondern es bedarf der sittlichen Bewährung, aber mit ihr geschieht die Rückkehr in die ursprüngliche Schöpfungsordnung, ins Paradies, die von der Sünde gestört wurde. Hierzu gehört das Bekenntnis zur Auferstehung des Fleisches in A d Aut. I 7, das im Zusammenhang mit der Frage nach der Gottesschau untersucht wurde: „Denn Gott erweckt dein Fleisch unsterblich mit der Seele". Der „sarx"-Begriff und die verwendeten Vergleiche reihen sich in die Auferstehungsvorstellung ein, die man als üblich bei den Autoren des zweiten Jahrhunderts bezeichnen kann. Bei der Charakterisierung des auferstandenen Leibes wird stärker seine Kontinuität mit dem irdischen betont, als die Andersartigkeit der verklärten Leiblichkeit. Gewiß, dieser Aspekt ist von Theophilus nicht einfach vernachlässigt. Durch die Auferstehung erbt der Mensch die Unvergänglichkeit (Ad Aut. II 27) 501 . Die Spannung zwischen der so verstandenen Kontinuität und der Transzendenz der auferstandenen Leiblichkeit wird durch die Interpretation der Auferstehung als einer neuen Schöpfung des menschlichen Leibes am Ende der Zeit abgemildert (Ad Aut. I 8), aber als Problem nicht thematisiert.

Dazu ausfuhrlicher im nächsten Punkt: Theophilus und die Auferstehungsapologetik. Vgl. Justin, Dial. 69,7; Ps.Justin, De Res. Z.49/S.214; Z.66/S.216; Z.n8f.i2i/S.222. Vgl. auch Tertullian, De Res. 634; wahrscheinlich auch EvPhil § 51. 5°° Vgl. Herrn sim. V 6,7/59,7: π ά σ α γαρ σαρξ άπολήψεται μισύόν ή ευρεθείσα α μ ί α ν τ ο ς και άσπιλος, έν f| το πνεύμα το άγιον κατωκησεν. S.o. § 6. 498

499

5°'

Vgl. Justin, Dial. 139,5·

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III. T h e o p h i l u s u n d die Auferstehungsapologetik In A d Aut. zeigen sich beachtliche Berührungspunkte mit der altchristlichen Auferstehungsapologetik, d.h. mit den Bestrebungen, den Auferstehungsglauben vor dem Angriff der Kritiker und Leugner zu verteidigen und ihn so mit Hilfe von Vernunftsargumenten als nachvollziehbar darzustellen. Das in diesem Abschnitt angesprochene Problem gehört nur mittelbar zu unserer Thematik. Aber die Art der Verteidigung des Auferstehungsglaubens erlaubt Rückschlüsse auf das Auferstehungsverständnis und auf den theologiegeschichtlichen Hintergrund von A d Aut. Einige Aspekte wurden schon angedeutet. Ein innerkirchliches Anliegen dürfte die in der Lehre Markions vollzogene Trennung von Schöpfung und Erlösung mit den dazu gehörenden Konsequenzen fur die Bewertung der materiellen W e l t sein. D i e Antwort des Theophilus ist wesentlich in seiner Auslegung von Gen 1-3 enthalten. Ein allgemeines Problem im Zusammenhang mit der Auferstehungshoffnung war die Frage nach der Macht Gottes. Im Rahmen des Auferstehungsverständnisses haben wir die Vergleiche untersucht, welche die Macht Gottes, die Toten auferstehen zu lassen, beweisen. A n sich handelt es sich um ein typisch apologetisches Thema. Das wird nun im folgenden vervollständigt. In A d Aut. I 8 beginnt Theophilus den Angriff gegen die Skeptiker mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit des Glaubensaktes in der Form des Vertrauens im Alltag. Der Bauer vertraut dem Samenkorn, wenn er es sät, wer mit einem Schiff fährt, vertraut dem Steuermann, der Kranke dem Arzt, der Schüler dem Lehrer. Das Vertrauen auf Gott beruht auf dem Wissen um seine Schöpfermacht (πρώτον μεν δτι έποίησέν σε έξ οΰκ όντος εις το είναι), die sich in der Entstehung des Menschen verstärkt auswirkt: „Gott hat dich aus einer kleinen und feuchten Substanz, aus einem winzigen Tropfen gebildet, der zuvor nicht existiert hat. G o t t hat dich so in dieses Leben hineingebracht . . . Glaubst D u nicht, daß der Gott, der dich erschaffen hat, dich nachher (noch einmal) erschaffen kann?"' 02 Die Argumentationsform bewegt sich im gewohnten Rahmen der Auferstehungsapologetik 503 . Unter dem Schein einer allgemein verständlichen Rationalität verbirgt sich der Anspruch des Glaubens. Die Beispiele über das selbstver5 o1 Ad Aut. I 8: και επλασέν σε έξ ύγράς ουσίας μικρός και έλαχίστης ρανίδος, ήτις ούδε αύτη ήν ποτε· και προήγαγέν σε ό ϋεός εις τόνδε τον βίον ... τω δε ποιήσαντί σε ι3εώ άπιστείς δύνασΟαί σε και μεταξύ ποιήσοα; Der Vergleich mit dem kleinen Tropfen ist traditionell. Vgl. Justin, I Ap. 19,4: ... έκ της μικρός ρανίδος δυνατόν τοιούτους γενέσθαι; Ps. Justin, De Res. Z.i48f/S.226: δτι έξ έλαχίστης ρανίδος ύγροϋ τηλικοϋτον πλάσσεται ζωον 5°' Einige von diesen Motiven sind schon in 2 Makk 7 enthalten. Vgl. dazu / . P. Martin, La antropología 54.

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ständliche Vertrauen im Alltag führen zur Aussage über den Schöpfer, der die Menschen aus nichts Seienden geschaffen hat. Erst nach der Zustimmung zur dieser Aussage gewinnen die anderen Beispiele ihre eigentliche Bedeutung. Wenn es einen protologischen Schöpfungsakt gegeben hat, dann ist auch ein eschatologischer möglich. In Ad Aut. I 13 setzt sich die apologetische Beweisführung von Ad Aut. I 8 fort. Wie in Ad Aut. I 2 im Hinblick auf Gott verlangt der Kontrahent einen von den Toten Auferstandenen zu sehen, um an die Auferstehung zu glauben 5 ° 4 . Die Antwort des Theophilus erfolgt in Ad Aut. I 13-14 und enthält drei Motive. Das erste ist ein „argumentum ad hominem", in diesem Fall an die Adresse eines Heiden gerichtet, der von den bekannten Erzählungen über Herakles und Asklepios weiß. Beide konnten den Tod überwinden. Wenn man einer solchen Geschichte Glauben schenkt, wird man dann Gott nicht glauben? Wird der Skeptiker überhaupt glauben, wenn Theophilus einen von den Toten auferweckten zeigen würde? Das zweite Motiv fuhrt in das unverkennbare Feld der christlichen Apologetik. Die von Gott gezeigten „vielen Beweise" (πολλά τεκμήρια) 505 sind aus dem Bereich der Natur entnommen: die Aufeinanderfolge der Jahreszeiten, der Tage und der Nächte, das Aufgehen der Samenkörner und Früchte, das Beispiel des Weizenkorns und sogar des Samens, der von einem Vogel irgendwo hingebracht und dort zu einem Baum wird. All dies ist das Werk der Weisheit Gottes, um zu zeigen, daß Gott mächtig ist, die allgemeine Auferstehung aller Menschen zu bewirken. Als letztes Beispiel erwähnt Theophilus die analoge Erfahrung der Auferstehung buchstäblich „am eigenen Leib" im Fall der Krankheit und der Genesung 506 . Im zweiten Buch (Ad Aut. II 14) bringt Theophilus weitere „Beweise" fur die Wirklichkeit der künftigen Auferstehung im Zusammenhang mit der Auslegung der Schöpfungsgeschichte. In der vielfaltigen Schönheit und Fülle des in den ersten drei Schöpfungstagen Entstandenen sieht er „ein Beispiel für die künftige Auferstehung aller Menschen" (δείγμα της μελλούσης ε σ ε σ ό α ι αναστάσεως απάντων ανθρώπων). Anlaß dazu ist die Betrachtung vom Wachstum des Feigenbaums und der anderen Bäume aus einem kleinen Samen 5 ° 7 . Auch die Erschaffung der Gestirne am vierten Tag gilt als Beispiel und Typos eines grossen Geheimnisses: die Auferstehung (Ad Aut. II 15) 508 . Die Sonne, deren Fülle im5°4 Ad Aut. I 2: δείξόν μοι τον ΐίεόν σου; Ad Aut. 113: δείξόν μοι καν ενα έγερΰέντα έκ νεκρών, "ίνα ίδών πιστεύσω. 5°5 Vgl. Ps.Justin, De Res. Z.i62f/S.228: τεκμήρια προς τό δυνατήν είναι δεικνΰειν την της σαρκός άνάστασιν. Die Stelle wurde im Rahmen des Auferstellungsverständnisses behandelt. 5°7 Beide Beispiele kommen auch in Ad Aut.113 vor. 5°8 Ad Aut. II 15: ταϋτα δέ δείγμα και τύπον επέχει μεγάλου μυστηρίοιι Vgl. P. Nautin, Notes critiques 217.

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mer gleich bleibt, ist Abbild Gottes, der die Fülle der Macht, der Weisheit und aller Güter besitzt. Der Mond, viel geringer an Macht und Glanz, ist Abbild des Menschen. Das monatliche Abnehmen und Sterben weisen auf den T o d hin, das Wiedererscheinen und Wachsen auf die künftige Auferstehung (άναγεννάται και αύξει εις δείγμα της μελλούσης έσεσ-όαι άναστοσεως) 5 ° 9 . Mit diesen Beispielen als Beweis fiir die Macht Gottes und somit für die Möglichkeit der Auferstehung knüpft Theophilus an eine apologetische Tradition an, die in der altchristlichen Literatur schon mit Klemens von Rom anhebt 510 und von Justin und Ps.Justin philosophisch weiter entfaltet wird. Ähnlich wie diese Autoren setzt er großes Vertrauen in die Beweiskraft der angeführten Beispiele. Sie reichen aus, um die anfängliche Skepsis zu beseitigen und die Zustimmung zum Glauben herbeizufuhren. In Ad Aut. I 14 identifiziert sich Theophilus — wohl rhetorisch — mit der Haltung seines ungläubigen Partners. Auch er gehörte zu denen, die nicht glauben konnten, daß die Auferstehung der Toten stattfinden wird: αλλ' νύν κατανοήσας αυτά πιστεύω. Was er jetzt aufmerksam betrachtet und ihn zum Glauben an die künftige Auferstehung der Toten geführt hat, sind die zuvor erwähnten Beispiele aus der Natur in Ad Aut. I i j (κατανόησον την τών καιρών και ημερών και νυκτών τελευτήν). Das gleiche Verb kommt in Ad Aut. II 14 vor in einem ähnlichen Zusammenhang, aber diesmal im Hinblick auf die Entstehung des Feigenbaums aus einem kleinen Samen (τις γαρ κατανοήσας ού -θαυμάσει έκ συκης ...). Die Naturphänomene, bei denen sich ein Wachstum des Lebendigen aus einem kleinen Anfang bzw. das wechselhafte Ab- und Zunehmen feststellen läßt, sind — nach dieser Auffassung — ein Bild für eine tiefere Wirklichkeit, die den menschlichen Augen jetzt zwar verborgen ist, durch die genaue Betrachtung dieser Phänomene aber gedeutet und erkannt werden kann. Wenn dies geschieht, vollzieht sich somit der Übergang vom Unglauben zum Glauben. Das ist aber nicht das einzige Argument für die Wirklichkeit der künftigen Auferstehung. Auch in der Form des eigenen Bekehrungsberichtes — und das ist das dritte Motiv in der Argumentation — erzählt Theophilus von der Begegnung mit den heiligen Schriften der heiligen Propheten, „die durch den Geist Gottes das früher Geschehene im voraus sagten, so wie dies geschah, und das Gegenwärtige, so wie es geschieht, und das Kommende in der Ordnung, in der es vollendet wird" 5 ". Das Gewicht der Argumentation kommt nicht vom Inhalt der prophetischen Botschaft, sondern von der Genauigkeit her, mit der all das von ihnen im voraus Gesagte in Erfüllung gegangen ist. Weil das Verhältnis zwischen Verheißung und Erfüllung so eindeutig ist, kann die Botschaft von der 5°9 Auch hier nimm: Theophilus ein Beispiel aus Ad Aut. I 13 wieder auf: κατανόησον την άνάστασιν της σελήνης την κατά μήνα γενομένην. 510

Vgl. I Clem 24,1: κατανοήσωμεν, αγαπητοί, πώς ό δεσπότης έπιδείκνυται διηνεκώς ήμ'ιν τήν μέλλουσαν άνάστασιν εσεσόαι Vgl. weiter I Clem 24,3-5. 511 Ad Aut. 114: oi και προείπον δια πνεύματος ι?εοϋ τά προγεγονότα ω τρόπω γέγονεν και τα ενεστώτα τίνι τρόπω γίνεται και τά επερχόμενα ποία τάξει άπαρτισύήσεται.

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künftigen Auferstehung diesbezüglich unmöglich eine Ausnahme machen, angenommen, sie sei auch Gegenstand der prophetischen Verkündigung 512 . Das ist ohne Zweifel der Fall. In Ad Aut. II 9, unmittelbar vor dem Schöpfungsbericht und dessen Auslegung, spricht Theophilus von den Menschen, die den Heiligen Geist besaßen und von Gott inspiriert und belehrt wurden. Auch hier drückt er die Gewißheit aus, daß sich das Kommende erfüllen wird, wie auch schon das Frühere 51 '. Indem er seine Auffassung von der Unsterblichkeit des Menschen als sittlicher Aufgabe aus der Schrift ableitet, ebenso wie die der Rückkehr ins Paradies durch eine neue Bildung des Menschen am Ende der Zeit, gehört die Auferstehungshoffnung in seinen Augen zum festen Bestandteil der Schrift bzw. der Botschaft der Propheten, und — als Folge davon — ist sie im Hinblick auf ihre Erfüllung von der gleichen Gewißheit getragen, die allgemein dem prophetischen Wort eigen ist. Alle drei Motive: die Anspielung auf die Auferstandenen in der hellenistischen Tradition, die „Beweise" aus der Natur und schließlich das Argument mit der sicheren Erfüllung der prophetischen Worte, kommen nicht zum erstenmal hier in der apologetischen Literatur vor. Im Zusammenhang mit der AuferstehungshofFnung hat ohne Zweifel Justin hier die Weichen gestellt, die von den anderen Autoren mit unterschiedlicher Intensität beachtet werden. Bei ihm lassen sich die inhaltlichen Parallelen zur Argumentation des Theophilus finden5'4.

Zusammenfassung ι. Weder die Frage der Eschatologie noch die Frage nach der Auferstehung des Fleisches bzw. der Toten stehen im Mittelpunkt der Darlegung in Ad Aut. In den zwei Textzusammenhängen, in denen die Frage erörtert wird, geht es um 512 In Ad Aut. II 38 wird das implizit behauptet durch die Verkündigung des Propheten Salomo gemäß Spr 3,22a. S.o. Anm. 491. 5 '3 Ad Aut.II 9: διό και πεπείσμεόα και περι των μελλόντων οϋτως εσεσΰαι, καθώς και τά πρώτα άπήρτισται. 5 4 ' Zum ersten Motiv vgl. Justin, I Αρ. 2i,2 (Asklepios und Herakles); zum zweiten Motiv mit den Beispielen aus der Natur vgl. I Ap. 19,1-4 (der Zweck der Beweisführung ist auch der Erweis der Macht Gottes. Vgl. I Ap. 19,5-7). Zum Argument mit der Erschaffung aus dem Nicht-Seienden in Ad Aut. I 8 vgl. I Ap. 10,3); zum dritten Motiv über die Zuverlässigkeit der prophetischen Weissagungen im Zusammenhang mit der Auferstehungshoffnung vgl. Dial. 80,5; 81,4. Die Bedeutung der Prophetie für die Argumentation Justins braucht nicht eigens hervorgehoben zu werden. — R. JOLY hat darin recht, wenn er Theophilus in das Umfeld der christlichen Apologetik einordnet und ihn nicht als isolierte Erscheinung, sondern als „essentiellment apologiste" betrachtet. Wenigstens im Bereich der Auferstehungsapologetik ist dies ohne Zweifel der Fall (Christianisme et philosophie 144). Gegen ]. P. Martin, La Antropología 54.

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umfassendere Themen, denen unsere Frage untergeordnet ist. A d Aut. I 7-8.13 steht im Zusammenhang mit der Möglichkeit der Gottesschau; Ad Aut. II 2427 gehört in eine Auslegung von Gen 1-3. 2. D i e apologetischen Argumente zum Erweis der Auferstehungswahrheit gehören zum größten Teil in das breitere Spektrum der christlichen Apologetik, die in diesem Fall besonders durch Justin vertreten ist. 3. Typisch fur Theophilus ist die Vorstellung der Auferstehung als Rückkehr ins Paradies durch eine Neubildung des menschlichen Leibes. Damit ist die Transzendenz der Auferstandenen gewährleistet. Die Vergleiche mit dem Gefäß und mit dem Genesungsvorgang heben eher die Kontinuität mit dem irdischen Leib hervor. 4. In den untersuchten Texten läßt sich kein Zusammenhang zwischen A u f erstehungshoffnung und Enderwartung erkennen. D i e chiliastische Hoffnung spielt ebensowenig eine Rolle. j. Ähnlich wie bei Tatian und Athenagoras bleibt die Auferstehungshoffnung von der Christologie losgelöst. Dies ist bei Theophilus um so auffallender, da er durch seine Auslegung von Gen 1-3 sichtlich um einen heilsgeschichtlichen Rahmen bemüht ist, aber verständlich im Zusammenhang mit der „monotheistischen" Prägung seiner Theologie in Ad Aut. 5 ' 5 . 6. Daß der „sarx"-Begriff in den wenigen Stellen, die fur unsere Thematik relevant waren, so im Vordergrund steht, hängt mit der Entstehungszeit von Ad Aut. — kurz nach 180 — und mit der Entwicklung des christlichen Vokabulars zusammen. 7. Das Menschenbild des Theophilus, in das sich sein Auferstehungsverständnis einfügt, setzt die Polemik gegen Markion voraus. Dies ist der historische Hintergrund für die Aussage über die Auferstehung des Fleisches.

515 Vgl. J. Bentivegna, A Christianity without Christ. Daraus soll man jedoch keine zu weitreichende Folgerung für seine Theologie im ganzen und für das antiochenische Christentum ziehen. Ad Aut. ist das einzige überlieferte Werk des Theophilus, aber nicht alles. Uber Umfang und Inhalt seiner Schriften gegen Hermogenes und gegen Markion wissen wir nichts.

§ 14 Irenaus von Lyon Im Rahmen der Theologie des zweiten Jahrhunderts bedeutet das Werk des Irenaus für das T h e m a unserer Untersuchung einen beeindruckenden Höhepunkt. W i e mit Recht behauptet wird, stellt es eine Theologie der „sarx" dar, die im Bekenntnis zur Auferstehung des Fleisches gipfelt, aber auf einer Gesamtsicht von Gott und Menschen, von Schöpfung und Erlösung beruht. Es wäre sicherlich eine Anmaßung, in einem Kapitel all dem Rechnung zu tragen, was in der Theologie des Irenäus mit der Verteidigung der W ü r d e des Fleisches und mit dem Bekenntnis zu dessen Auferstehung zusammenhängt. N u r über die Inhalte, welche unsere Fragestellung unmittelbar berühren, kann man hier zusammenfassend referieren, wobei die Bindung des Irenäus an die zuvor behandelten Autoren hervorgehoben werden soll. Im Unterschied zu manchen von diesen Autoren gibt es zu Irenäus glücklicherweise sehr gute Vorarbeiten, auf die sich unsere Untersuchung stützen kann 5 ' 6 . Für eine detaillierte Analyse der Texte verweise ich auf diese Arbeiten.

I. D i e A n t h r o p o l o g i e ι.

D e r vollkommene Mensch

Adv.Haer. V 6,1 kann als Ausgangspunkt für die Anthropologie des Irenäus genommen werden 5 ' 7 : „Glorificabitur autem Deus in suo plasmate, conforme illud et consequens suo puero adaptans. Per manus enim Patris, hoc est per Fi-

5'° E. Klebba, Die Anthropologie des hl.Irenäus. Eine dogmenhistorische Studie (KGS 11,3), Münster 1894; G. Wingren, Man and the Incarnation; G. Joppich, Salus carnis; Y. deAndia, Homo vivens. Lehrreich sind auch die „Notes justificatives", welche die von A. ROUSSEAU u.a. besorgte kritische Textausgabe von Adv.Haer. in der Reihe „Sources Chrétiennes" begleiten. Vor allem ist dai im deutschen Sprachraum wenig rezipierte Werk von A. ORBE ZU erwähnen (vgl. jetzt H.-J. Jaschke, Der Heilige Geist im Bekenntnis der Kirche; den., Art. Irenäus von Lyon, in: T R E 16, 258-268). Von den zahlreichen VeröfFendichungen verdienen besondere Beachtung seine „Antropología de San Ireneo" und die „Teología de San Ireneo", die eine umfassende Kommentierung (über 2000 Seiten!) von Adv.Haer.V enthält. Die hier vorliegende Interpretation verdankt den Arbeiten von ORBE wichtige Impulse. Der Text wird nach der Ausgabe von A. ROUSSEAU zitiert. Wo es möglich und sinnvoll ist, wird auch die griechische Überlieferung herangezogen.

I90

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lium et Spiritum, fit homo secundum similitudinem Dei, sed non pars hominis. Anima autem et Spiritus pare hominis esse possunt, homo autem nequaquam: perfectas autem homo commixtio et adunatio est animae assumentis Spiritum Patris et admixtae ei carni quae est plasmata secundum imaginem Dei". Die Stelle ist einer der vielen Texte, welche die unverwechselbaren Züge des Menschenbildes des Irenaus zeigen 5 ' 8 . Für unsere Frage besitzt sie besondere Relevanz, da sie eine lange Beweisführung fur die Wahrheit der Auferstehung des Fleisches nach dem Zeugnis des Apostels Paulus eröffnet (V 6-8). Das Motiv der „similitudo et imago Dei" und die Erwähnung der Hände des Vaters weisen auf den biblischen Text hin, der den Schlüssel fur die Anthropologie des Irenaus bietet: Gen 1,26 und Gen 2,7. Der Bischof von Lyon kennt weder eine Trennung zwischen dem ersten und dem zweiten Schöpfungsbericht, noch werden daraus verschiedene Schöpfungsordnungen abgeleitet — etwa eine geistige, ideale Welt einerseits und eine materielle andererseits — wie vor ihm bei Philo und nach ihm bei Orígenes. Der Mensch in seiner Materialität, als Gebilde Gottes, ist zugleich dessen Abbild und Gleichnis. Es ist richtig, daß in Adv.Haer. und in Epid. 5 ' 9 auch die andere, mehr philosophische Definition des Menschen vorkommt, aber gerade ihre Betrachtung macht den Unterschied zum Menschenbild des Irenaus um so deutlicher. Denn eine Charakterisierung des Menschen als „compositum" von Leib und Seele entspricht nicht dem historischen Menschen, so wie er von Gott erschaffen worden ist. Und Irenäus entwirft sein Menschenbild nicht von einem philosophischen Standpunkt aus, sondern von der mit christlichen Augen gelesenen biblischen Botschaft. Dazu gehört die heilsgeschichtliche Dimension, die in diesem Fall durch die Fleischwerdung und Auferstehung des Sohnes eine entscheidende Prägung erfahrt. Adv.Haer. V 6,1 kann dies gut beweisen. Gott wird verherrlicht „in suo plasmate", d.h. in dem von ihm gebildeten menschlichen Leib. Das „glorificabitur" bezieht sich wahrscheinlich unter Anspielung auf 2 Thess 1,10 auf die Wiederkunft des Sohnes 520 . Irenäus interpretiert die Verherrlichung Gottes έν τοίς άγίοις αυτού im Hinblick auf die für ihn in diesem Zusammenhang zentrale Aussage über die Zukunft des Fleisches. Gegen jede Verachtung der Materie behauptet er die volle Annahme des Fleisches durch Gott: Das Fleisch ist der Ort, an dem die Verherrlichung Gottes geschieht.

51® Wie Irenaus, ohne seine Grundanschauung zu ändern, die menschliche Wirklichkeit aus verschiedenen Perspektiven beleuchten kann, zeigen die von A. ORBE ausgearbeiteten sechs Definitionen vom Menschen (Antropología 28-31). 5'9 Vgl. Epid. 2: „Da der Mensch als Lebewesen aus Leib und Seele zusammengesetzt ist ..." (Übersetzung nach S. WEBER); Adv.Haer. V 3,2: „Et quidem animalem et rationalem facere hominem"; Adv.Haer. II 13,3: „compositi (homines) natura et ex corpore et anima subsistentes". Vgl. auch Adv.Haer. II 28,4; II 29,3; IV Pr. 4; V 20,1. 520

Vgl. A. Orbe, Teología de San Ireneo I 266.

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Die Erschaffung des Menschen gelangt zu ihrer ursprünglichen Bestimmung, wenn sie die Gestalt des verherrlichten Sohnes annimmt (conforme illud [= plasma] et consequens suo puero adaptans). R o m 8,29 bzw. Phil 3,21 sind die Stellen, auf die der Text anspielt. Der verherrlichte Leib des Erlösers ist das M o dell, an dem sich die Gestalt des menschlichen Leibes angleichen soll. Nach dem eschatologischen Ausblick kommt die protologische Aussage über die Entstehung des Menschen. Die Hände des Vaters 5 2 1 , d.h. durch den Sohn und den Geist 5 2 2 , haben ihn „secundum similitudinem D e i " gebildet. Durch den Sohn empfängt der Mensch die Gabe des Geistes, die eigentlich die „similitudo Dei" bewirkt. An dieser Stelle ist es der Mensch, der „secundum similitudinem Dei" geschaffen wurde. A m Schluß des zitierten Abschnitts spricht Irenäus von der „caro", „quae est plasmata secundum imaginem Dei". „Imago" und „similitudo" lassen sich im Grunde nur von der Christologie her verstehen 523 . Nach dem Abbild Gottes ist der Mensch gemacht, aber das ureigene Abbild Gottes ist der Sohn, und nach dem Abbild des Sohnes wurde der Mensch geschaffen (Epid. 22). N u r die Fleischwerdung des Sohnes hat das wahre Abbild des Menschen gezeigt. Z u vor war es noch nicht sichtbar; darum hat der Mensch auch die Ähnlichkeit um so leichter verloren: „Als aber der Logos Gottes Fleisch geworden war, bestätigte er beides. Er zeigte das wahre Abbild, indem er das wurde, was sein Abbild war; und er stellte die Ähnlichkeit sicher wieder her, indem er den Menschen dem unsichtbaren Vater durch den sichtbaren Logos ähnlich machte" 5 2 4 . D e m Begriff der Ähnlichkeit haftet eine Dynamik an, die dem Begriff des A b bildes fehlt 525 . Es ist der Geist, der diese Ähnlichkeit des Menschen zu Gott möglich macht. Nach Adv.Haer. V 9,1 dient die Seele als Instrument, wodurch der Geist die Ähnlichkeit bewirkt: D e r vollkommene Mensch besteht aus Fleisch, Seele und Geist, „indem der Geist erlöst und gestaltet, das Fleisch vereint und gestaltet wird, zwischen diesen beiden aber die Seele steht, die bald dem Geist folgt und dann von ihm erhoben wird, bald aber dem Fleische zustimmt und dann in die irdische Begierde hinabgleitet" 526 . Ohne den Geist kann der Mensch keine Ähnlichkeit mit Gott besitzen, obwohl er in seinem

521

Vgl. I Clem 33,4; Theophilus, Ad Aut. II 18.

522

Vgl· Adv.Haer. IV Pr.4; IV 20,1 („... quasi ipse suas non haberet manus. Adest enim ei semper Verbum et Sapientia, Filius et Spiritus, per quos et in quibus omnia libere et sponte fecit."); Adv.Haer. V 1,3; V 5,1. Vgl. Y. deAndia, Le due mani di Dio e l'incorruttibilità della carne in Ireneo, in: V M 36 (1982) 42-57. 523 Vgl. dazu Λ. Orbe, Antropología 89-148. Adv.Haer.V 16,2: όπότε δε σαρξ έγένετο ό λόγος τοϋ ΰεοϋ, τά αμφότερα έπεκύρωσε - και γαρ καν την εικόνα εδειξεν άληόώς, αυτός τούτο γενόμενος δπερ ην ή είκών αυτού, και την όμοίωσιν βεβαίως κατέστησε (et smilitudinem firmans restituit) συνεξομοιώσας τον ανόρωπον τω άοράτω πατρι δια τοϋ βλεπομένου λόγου. 525

5 2Ä

Vgl. Α. Orbe, Antropología 127-132. Übersetzung nach E. KUbba.

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Leib das Abbild hat 5 2 7 . Durch das Wirken des Geistes wird der Mensch zum „homo perfectus" 528 . D i e Seele und der Geist können ein Teil des Menschen sein, aber nie der Mensch. Der vollkommene Mensch ist die Verbindung und Vereinigung (commixtio et adunitio) der Seele, die den Geist des Vaters aufnimmt, und sich mit dem nach Gottes Abbild geschaffenen Fleisch vereinigt 529 . M i t dieser Interpretation von G e n 1,26 und G e n 2,7 schafft Irenaus die Grundlage ftir eine theologische Betrachtung des Menschen, die sich deutlich vom hellenistischen Menschenbild absetzt. Ohne die Definition des Menschen als Einheit von Leib und Seele zu verwerfen, legt Irenaus die Gewichte ganz anders. Zweierlei ist dabei herauszustellen: ι. Der Mensch kann nicht allein im Rahmen des „Menschlichen" adäquat definiert werden. Z u ihm gehört unbedingt eine spezifische theologische Komponente, von der das Leben des Menschen im strengen Sinn abhängt. Es handelt sich um die Selbstmitteilung Gottes durch seinen Geist, der nun im M e n schen wohnt und ihn „Gott-ähnlich" macht. Auf diesem Hintergrund versteht es sich, daß die Definition des Menschen als Einheit von Leib und Seele wesentlich unvollständig erscheint; ja, sie enthält das für den Menschen Spezifische und Unterscheidende eigentlich gar nicht. Ebensowenig ist bei dieser Betrachtungsweise denkbar, einem pneumatischen Kern im Menschen den Vorrang zu geben, falls dieser als reine anthropologische Größe gelten soll. Dies läßt sich nicht von der Seele an sich behaupten, da sie nur den „homo animalis" belebt, aber nicht den „homo perfectus". Und wenn Irenaus vom Geist spricht, meint er den Geist Gottes, der den vollkommenen Menschen bestimmt 530 . 2. D i e Leiblichkeit in der Konkretheit der „sarx" gehört nicht nur zur menschlichen Wirklichkeit. In ihr spiegelt sich das Abbild Gottes wider, das in der Fleischwerdung des Logos endgültig und eindeutig sichtbar geworden ist.

527 Adv.Haer. V 6,1: „Si autem defuerit animae Spiritus, animalis est vere qui est talis et carnalis derelictus imperfectus erit, imaginem quidem habens in plasmate, similitudinem vero non assumens per Spiritum." 528 Vgl. H.-J. Jaschkc, Der Heilige Geist 304-309. 529 Vgl. auch Adv.Haer. V 8,2: „Sed substantia nostra, hoc est animae et carnis adunatio, assumens Spiritum Dei, spiritalem hominem perficit".

53°

A . ROUSSEAU ( S C 15Z, S . 2 2 7 - 2 3 2 ) u n d H . - J . JASCHKE ( D e r H e i l i g e G e i s t 2 9 4 - 2 9 9 )

möchten in diesem Zusammenhang nicht den Trichotomie-Begriff verwenden, um das Menschenbild des Irenaus zu charakterisieren. Der Begriff sei unangebracht, „insofern damit eine menschliche Dreiteilung oder Dreieinheit ausgedrückt werden soll. Die Redeweise ist möglich, wenn sie die Unmittelbarkeit des Geistes zum Vollkommenen anzeigen will, ohne aber beides ineinander aufgehen zu lassen oder einen menschlichen Geist vom Heiligen Geist zu unterscheiden" (Der Heilige Geist 296f). Es handelt sich um eine Kritik an der Position A. ORBES. Vgl. zuletzt den., Teología de San Ireneo I 274, mit einer Antwort auf die Kritik. Mir scheint, daß die Terminologie des Irenaus sich nicht eindeutig festlegen läßt.

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D e r Gedanke an die Fleischwerdung führt dazu, daß „sarx" und „soma" öfters ausdrücklich synonym gebraucht werden 5 ' 1 . V o n der Christologie her wird eine Bezogenheit zwischen der materiellen und der göttlichen Welt anvisiert, die sowohl dem vom Piatonismus beeinflußten hellenistischen Denken als auch dem gnostischen Dualismus zutiefst widerspricht. Die theologiche Leistung des Irenaus läßt sich erst richtig einschätzen, wenn sein W e r k im Zusammenhang mit der theologischen Literatur des zweiten Jahrhunderts gelesen wird. O h n e auf das Verhältnis zur bekämpften Gnosis einzugehen, die als polemischer Hintergrund in einer Art von inhaltlichem Kontrapunkt seine eigenen theologischen Aussagen ständig begleitet und vielfältig bedingt, geht es hier um die Auswirkung mancher Traditionen auf das Menschenbild des Irenäus. Vier Gestalten treten hervor: Justin, Tatian, Theophilus von Antiochien und der Verfasser von „ D e Resurrectione". Justin ist der erste christliche Theologe, der sich ausführlich mit dem Menschenbild des Hellenismus auseinandersetzt. Seine Aussagen über die Sterblichkeit der Seele, wenn der Geist Gottes nicht bei ihr ist, bedeuten den ersten Versuch, eine Anthropologie zu entwerfen, die auf einem unabdingbaren Bezug zur Selbstmitteilung Gottes durch seinen Geist baut 5 3 2 . — Bei Tatian werden diese Züge verstärkt und systematisch ausgebaut. — Theophilus arbeitet sein Menschenbild aus G e n 1-3 heraus. D i e Entschiedenheit, mit der er G e n 1,26 und Gen 2,7 gemeinsam auslegt, die Bedeutung der „plasis" des menschlichen Leibes durch die Hände Gottes, sind weitere Berührungspunkte mit Irenäus. — Ps.Justin betrachtet den Leib als Haus der Seele, während das Haus des Geistes die Seele ist. Auch hier erscheint der Geist als das eigentlich lebenspendende Element, obgleich nicht deutlich ist, ob er damit den Geist Gottes meint, wie es bei Irenäus der Fall ist. D i e Bedeutung von Gen 1,26 und G e n 2,7 für das Menschenbild ist bei Ps.Justin genau so entscheidend wie bei Irenäus. Diese kurzen Beobachtungen zeigen, in welchem M a ß Irenäus einer bestimmten theologischen Tradition verpflichtet ist, die er aber systematisch ausbaut bis hin zu einem geschlossenen Ganzen.

531 Vgl. Adv.Haer. V 6,2: „Sed corpus nostrum, hoc est caro"; Adv.Haer. V 13,3: φανεpòv δτι το σώμα, δπερ έστιν ή σάρξ. 531 Ignatius, II Clem und Herrn werden hier nicht erwähnt. Sie gehen auch von der Gegenwart des Geistes Gottes im Menschen aus, diese wird aber nicht im Zusammenhang mit der Begrifflichkeit der hellenistischen Philosophie gedacht.

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2.

Der Tod

Das Menschenbild schlägt sich immer im Verständnis des menschlichen Todes nieder 533 . Nach Irenäus trifft der Tod den eigentlich sterblichen Teil im Menschen, und der ist nicht die Seele — dagegen spricht das häufig zitierte Gen 2,7: die Seele ist der Hauch des Lebens — , und noch weniger der Geist, da er das Leben derer ist, die ihn empfangen. Es bleibt also nur der Leib bzw. das Fleisch (Adv.Haer. V 7,1). So bringt der Tod die Trennung des Fleisches von der Seele hervor und dessen Auflösung in der Erde, aus der es genommen wurde (Adv. Haer. V 3,2; Epid. 15). Die Seelen gehen zu einem von Gott bestimmten Ort und verharren dort in Erwartung der Auferstehung (Adv.Haer. V 31,2). Bedeutet dies, daß die Seele unsterblich ist und daß der Tod als Trennung von Leib und Seele im Sinne der hellenistischen Philosophie verstanden wird? In Adv.Haer. V 4,1 setzt sich Irenäus kritisch mit dem gnostischen „Vater" auseinander, der „ea quidem quae sunt natura immortalia, quibus a sua natura adest vivere, fingit se vivificare", während er das, was seine Hilfe zum Leben bräuchte, dem T o d überläßt 534 . „Ea quae sunt natura immortalia, quibus a sua natura adest vivere", ist auf Geist und Seele zu beziehen. Es handelt sich dennoch um keine Aussage zur Unsterblichkeit der Seele im Sinne des Piatonismus. Der Sachverhalt läßt sich am besten mit der Gedankenführung Justin vergleichen. So wie er wiederholt Irenäus mit aller Klarheit das alte Prinzip: Nur das Ungeschaffene kann unsterblich sein. Das Werden gilt auch bei ihm als Anfang der Vergänglichkeit 535 . Seine Antwort auf die Frage nach der Sterblichkeit der Seele, die man aus diesem Prinzip ableiten muß, ist ebenso von Dial. 5-6 inspiriert. Nur Gott ist ohne Anfang und ohne Ende. Alles andere, was von ihm gemacht wurde und noch gemacht wird, hat einen Anfang. Aber an diesem Punkt zieht Irenäus nicht die zu erwartende Folge: und auch ein Ende, sondern er fährt fort: „perseuerant autem et extenduntur in longitudinem saeculorum secundum uoluntatem factoris Dei" (Adv.Haer. II 34,2). Die Existenz des Geschaffenen hängt vom Willen Gottes ab. Denn das Leben gehört nicht der menschlichen

533

Zum Todesverständnis bei Irenäus vgl. J. Fischer, Studien zum Todesgedanken; A. Orbe, Antropología 430-480; Y. de Andia, Homo vivens 109-125. 53 4 Der Gedanke kommt auch in Ps.Justin, De Res. Z.306-308/S.240 vor: Wenn die Seele von Natur aus zur götdichen Welt gehört, dann würde Gott keinen Beweis für seine Macht und Güte liefern, wenn er nur die Seele retten würde. Die „logische" Konsequenz aus der Anthropologie wäre der Ausschluß des Fleiches aus der Sphäre des Heils. Erst von der Theologie, d.h. vom Gottesbild her erweist sich diese Logik als unannehmbar. 535 Vgl. Adv.Haer. III 8,3: „Quae uero ab eo facta sunt initium sumpserunt; quaecumque autem inidum sumpserunt, et dissolutionem possunt percipere et subiecta sunt et indigent eius qui se fecit".

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Natur an sich, sondern es ist eine Gabe Gottes. Wer die Gabe dankbar annimmt, wird sie in Ewigkeit erhalten (Adv.Haer. II 34,3). Zum Schluß nimmt Irenaus noch einmal einen Gedanken Justins wieder auf: Die Seele ist nicht das Leben, sondern sie nimmt an dem Leben teil, das ihr Gott verleiht (II 34,4: sie et anima ipsa quidem non est uita, partieipatur autem a Deo sibi praestitam uitam) 5 ' 6 . Trotz der Übernahme von wichtigen Argumentationselementen beruht die Anschauung des Irenaus in dieser Frage auf einem anderen Fundament als bei Justin. Im Grunde sind die philosophischen Überlegungen nur eine sprachliche Form, um eine Überzeugung zum Ausdruck zu bringen, die nicht in der philosophischen Tradition verankert ist, sondern in der biblischen Überlieferung. Es handelt sich um die menschliche Sterblichkeit als Zeichen der Endlichkeit und somit der Geschöpflichkeit. Aus dem Gebet des Jonas um seine Rettung (Jona 2,3) vernimmt Irenaus ein Zeichen Gottes, damit der Mensch nicht die verkehrte Meinung vertritt, er sei von Natur aus unsterblich 537 . Die Wahrheit ist eine andere. Der Mensch ist schwach und von Natur aus sterblich 5 ' 8 , und darin drückt sich die Distanz zu seinem Schöpfer aus. Mit dieser Ansicht, bleibt Irenaus nicht nur Gen 2-3 treu, sondern darüber hinaus verdeutlicht er die Trennungslinie gegenüber einer gnostischen Anschauung, nach der im Gnostiker ein pneumatischer und unvergänglicher Kern verborgen ist, der nie verloren gegangen ist und nur auf den Ruf des Erlösers wartet, um zu erkennen, daß er zur göttlichen Welt gehört. Im Einklang mit der ganzen judenchristlichen Überlieferung wird damit Gott auf keinen Fall für schuldig am Tod des Menschen erklärt. Auch hier ist die Nähe zu Theophilus von Antiochien deutlich spürbar. Hätte der Mensch das Gebot Gottes beobachtet, wäre er unsterblich geworden (Epid. 15). Zweierlei sei anschließend bemerkt, um den Standpunkt des Irenaus zu verdeutlichen. Die natürliche Sterblichkeit des Menschen bedeutet, erstens, auf keinen Fall, daß damit der Macht Gottes eine Grenze gesetzt wird. Das

5

'° In den „Notes justificatives" zu dieser Stelle (SC 293, S-347F ) bestreitet A. ROUSSEAU den inneren Zusammenhang mit Justin, Dial. 6: „Là où Irénée a en vue la vie de l'Esprit qui est l'apanage des justes, le vieillard de Justin a en vue la vie naturelle de l'âme (qui n'est rien d'autre que sa simple existence, puisque, cette vie venant à se retirer, l'âme retombe dans son néant originel)" (348). Die Interpretation dürfte schwerlich zutreffen. In Adv.Haer. II 34 geht es nicht um den Geist, sondern um die Frage der Unsterblichkeit der Seele. Die Grundfrage, die Justin und Irenaus ähnlich stellen und beantworten, ist die Frage, ob die Seele an sich ein Lebensprinzip und als solche dann unsterblich ist, oder ob sie am Leben teilnimmt und dann auf den Willen Gottes für ihr Fortbestehen angewiesen ist. 537 Adv.Haer. III 20,1: „Nec umquam de Deo contrarium sensum aeeipiat homo, propriam naturaliter arbitrans earn quae circa se esset incorruptelam". 538 Vgl. Adv.Haer. V 3,1: „Quemadmodum enim didicisset homo quoniam ipse quidem infirmus et natura mortalis, Deus autem immortalis et potens".

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„Fleisch" bleibt „fähig" sowohl fiir den Tod als auch fur das Leben 5 ' 9 . Der Tod, zweitens, berührt zunächst das Fleisch des Menschen, aber er ist nicht durch die fleischliche Qualität des Leibes verursacht. Nicht die Materie hat den T o d gebracht, sondern der Ungehorsam (Adv.Haer. III 22,4) 540 . Wenn in diesem Zusammenhang vom Tod die Rede ist, macht Irenäus keine Unterscheidung zwischen Leib und Seele. So wie der Mensch als ganzer ungehorsam ist, und nicht allein sein Fleisch, so trifft der Tod den Menschen als Einheit.

II. D i e Rettung und Z u k u n f t des Fleisches ι.

Die Fleischwerdung des Erlösers

Das Menschenbild des Irenäus darf nicht isoliert betrachtet werden, als würde es an sich eine eigenständige Größe bilden. Der Sachverhalt liegt anders: Die Anthropologie gewinnt ihre Konturen aus der Christologie, und diese wiederum ist fest eingebettet in den Heilsplan Gottes 541 . Wenn Irenäus eine Theologie der „sarx" entwirft, dann, weil eine solche durch das christologische Bekenntnis angesichts der antignostischen Polemik geradezu gefordert ist. Der Ausgangspunkt ist die Wirklichkeit der Fleischwerdung des Erlösers, welche die höchst denkbare Bejahung der fleischlichen Verfassung des Menschen beinhaltet. Da aber in der Fleischwerdung des Sohnes sich der Heilswille Gottes kundtut, ist die Folgerung unausweichlich: Wenn das Fleisch nicht hätte gerettet werden sollen, wäre das Wort (der Logos) Gottes auch nicht Fleisch geworden 542 . Von hier aus liefert Irenäus die oben erläuterte Interpretation von Gen 1,26 und Gen 2,7. Die zwei entscheidenden Begriffe sind „dispositio" und „recapitulado". Der erste bezeichnet den Heilsplan Gottes von der Schöpfung bis hin zur Vollendung der Menschen und der Welt, in dessen Mittelpunkt die Fleischwerdung 539 Vgl. Adv.Haer. V 12,1: ώς γάρ φθοράς επιδεκτική ή σάρξ, οϋτως και αφθαρσίας, και ώς θανάτου, οϋτως και ζωής. Ahnlich Theophilus, Ad Aut. II 24: οϋτε θνητός ολοσχερώς οΰτε αθάνατος το καθόλου, δεκτικός δέ έκατέρων (vgl. Ad Aut. II 27). 54° Adv.Haer. III 22,4: „Inobaudiens facta (sc. Eua), et sibi et uniuerso generi humano causa facta est mortis". Die Gegenüberstellung zwischen Eva und Maria, wobei Eva als Typos für den Ungehorsam und den Tod gilt, geht auf Justin zurück (Dial. 100,5). Das Thema des Ungehorsams von Adam und Eva als Ursache des Todes kommt bei Irenäus mehrmals vor. Vgl. J. Fischer, Studien zum Todesgedanken 87-89. 541

Vgl. A. Bengsch, Heilsgeschichte und Heilswissen 65. Adv.Haer. V 14,1: „Si enim non haberet caro salvari, nequaquam Verbum Dei caro factum esset". Die Anspielung auf das Blut („et si non haberet sanguis justorum inquirí ...") gehört zur Argumentation in Adv.Haer. V 9-14, welche die Einwände der Gnostiker gegen die Rettung des Fleisches mit Hilfe der paulinischen Aussagen 1 Kor 15,50 entkräften will.

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des Sohnes steht. D i e „recapitulatio" meint die A u f n a h m e des Geschaffenen durch G o t t in der Gestalt des Sohnes. D i e Christozentrik der Vorstellung ist nicht zu überbieten. Im Sinne von E p h 1,10 sagt Irenaus: „ueniens per uniuersam dispositionem et omnia in semetipsum recapitulans". Aber sogleich hebt er den anthropologischen Aspekt hervor: „In omnibus autem est et homo plasmarlo Dei; et hominem ergo in semetipso recapitulans est" (Adv.Haer. III 16,6) 543 . Die „recapitulatio" der „plasmado D e i " durch den fleischgewordenen Sohn verlangt die gleiche fleischliche Qualität bei dem, der das Fleisch durch dessen Annahme zur Vollendung bringen wird, und dem, dessen Fleisch in die Sphäre des Göttlichen aufgenommen wird (Adv.Haer. V 14,2). Kein anderes als das menschliche Fleisch ist das Objekt der „recapitulatio". In ihr offenbart sich die „salus carnis", so wie sie von G o t t von Anfang an intendiert worden ist. D e r fleischlichen Wirklichkeit des Menschen soll eine neue Qualität verliehen werden, welche die Grenzen und Bedingungen der Natur völlig übersteigt: die U n vergänglichkeit. Aber es ist nicht so, daß die „salus carnis" eine durch die Sünde zerstörte Ordnung wiederherstellen würde. V o n vornherein, abgesehen vom Fall des Menschen, war diese Zielbestimmung des Fleisches schon von Gott gewollt. Irenaus beruft sich dabei auf die paulinische Aussage über Adam als „typus futuri" (Rom 5,14). Hier offenbart sich die „dispositio humani generis", „indem Gott zunächst den seelischen Menschen dazu bestimmte, daß er von dem geistigen erlöst werde". „ C u m enim praeexisteret saluans, oportebat et quod saluaretur fieri, uti non uacuum sit saluans" (Adv.Haer. III 22,3). Nicht die Sünde des Menschen hat die Fleischwerdung als M o m e n t der Erlösung notwendig gemacht, sondern die Präexistenz des Erlösers — und damit ist schon seine Fleischwerdung mitgedacht — macht die Erschaffung des Menschen erforderlich! Die Kühnheit des Gedankes geht über das, was man von der Theologie des zweiten Jahrhunderts erwarten kann, weit hinaus. Natürlich schiebt Irenäus den Fall des Menschen als Motiv für die Fleischwerdung nicht beiseite. Der oben zitierte T e x t und viele anderen zeigen das Gegenteil 5 4 4 . Aber das Gewicht der Christologie ist offenbar so gravierend, daß es zu solchen Aussagen führt. A u f einmal werden die Grenzen von Geist und Materie durch den Willen Gottes gesprengt, um die Materialität des menschlichen Fleisches durch eine neue und doch uralte Bestimmung „aufzuheben", d.h. auf eine neue, höhere Ebene zu transponieren, die es aus der Reichweite der menschlichen Erfahrung eigenartig abhebt. Während der Mensch sich von Schwäche und Verfallenheit umgeben weiß, ist er für die Unvergänglichkeit bestimmt, und diese betrifft nicht seinen Geist bzw. seine Seele als persönlichen Kern allein, sondern das Ganze seiner irdischen Wirklichkeit. Aber dabei denkt Irenäus, zum einen, nicht im Rahmen

543

Vgl. auch A d v . H a e r . III 21,10; III 22,3; I V 6,2; I V 40,3; V 1,2; V 14,1.2. Z u d e n W e n -

d u n g e n „in semetipso" bzw. „in s e m e t i p s u m " vgl. A. Orbe, Teología de San Ireneo I 668. 544

Vgl. H.-J. Jaschke, D e r Heilige Geist 309-312.

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einer anthropologischen Reflexion, sondern streng von der Christologie her; und er denkt, zum anderen, im Hinblick auf die Vollendung des Fleisches durch die Auferstehung, nicht im Hinblick auf die Wirklichkeit dieser Weltzeit. Mit seiner christologisch begründeten Theologie der „sarx" nimmt Irenaus eine Position ein, die dem Diskurs, dem Wirklichkeits- und Menschenverständnis des Piatonismus völlig entgegengesetzt ist. Obgleich seine Polemik nicht in erster Linie der Philosophie gilt, ist diese Feststellung ideengeschichtlich wichtig, um den Anteil der Gegner — die Gnosis — an einer in dieser Zeit immer stärker zur Geltung kommenden Anschauung — ihr Gipfel wird der Neuplatonismus sein — richtig einzuschätzen. Aber nicht nur gegenüber dieser Front hat eine Theologie der „sarx" einen unverkennbaren Bestimmungort. Ähnliches läßt sich im Hinblick auf die Sprache der AuferstehungshofFnung in der judenchristlichen Tradition sagen. Im Werk des Irenäus zeigt sich mit aller wünschenswerten Klarheit, was schon im Verlauf der vorliegenden Untersuchung bei den verschiedenen Autoren und Texten angedeutet wurde. Die Rede von der Auferstehung des Fleisches gewinnt eine eigene Prägnanz dort, wo die Christologie und die Fleischwerdung sich auf die Sprache der Hoffnung auswirken, und zwar so, daß sie Sprache schaffen, um sich artikulieren zu können. Negativ läßt sich dies durch die weitgehende Fehlanzeige in der nicht-christlichen jüdischen Literatur beweisen. Die Auferstehungshoffnung kennt hier verschiedene Ausdrucksformen, aber keine von ihnen ist durch die Formel von der „Auferstehung des Fleisches" bestimmt 545 . Eine Theologie der „sarx", die in der Fleischwerdung des Gottessohnes begründet ist, kommt im zweiten Jahrhundert sonst bei Ignatius von Antiochien, in „De Resurrectione" des Ps.Justin und im apokryphen dritten Brief des Paulus an die Korinther vor. Es ist sicherlich kein Zufall, wenn alle Vertreter dieser theologischen Richtung sich durch eine strenge antignostische Polemik auszeichnen. Die Infragestellung der fleischlichen Wirklichkeit des Erlösers regt hier eine Reflexion an, die von der Christologie in die Eschatologie hinübergeht: Das wirkliche Fleisch des Sohnes wurde vom Vater auferweckt, und so wird dieser auch die fleischliche Wirklichkeit des Menschen auferwecken. Auf dieser Grundlage entfaltet Irenäus seine Theologie der „recapitulado", die das Thema in einen alles umfassenden heilsgeschichtlichen Rahmen stellt.

545 Das bedeutet natürlich nicht, daß die Rede von der Auferstehung des Fleisches immer explizit die Fleischwerdung und den Zusammenhang zwischen der Auferstehung Jesu und der Auferstehung des Gläubigen als Fundament hat. Das zweite Element fehlt z.B. in II Clem und Herrn. Tatian, Athenagoras und Theophilus stellen diesbezüglich einen Extremfall dar, weil in derer Werken höchstens Anspielungen auch auf die Fleischwerdung des Erlösers vorhanden sind. Sie bleibt thematisch irrelevant und bildet keine Voraussetzung für die Sprache der Hoffnung. Daß die „sarx" bei diesen zur vollendeten Gestalt des Menschen gehört, hat jeweils andere Gründe.

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Fleisch und Geist

Daß nur der Geist den vor Gott vollkommenen Menschen ausmacht, ist ein fester Grundsatz in der Anthropologie des Irenaus. Hier geht es spezifisch um die Wirkung des Geistes auf das Fleisch im Hinblick auf seine Zukunft in der Form der Unvergänglichkeit. Es handelt sich um einen weiteren, wichtigen Aspekt der Theologie des Fleisches546. Die Wirklichkeit des Geistes waltet über dem Menschen schon vor seiner Erschaffung. Das Wort des Vaters: „Faciamus hominem ad imaginem . . . " (Gen 1,26) richtete sich an den Logos und an die Weisheit, an den Sohn und den Geist (Adv.Haer. IV 20,i) 547 . Aber erst durch das Herabkommen des Geistes auf Jesus in der Taufe erreicht die Wirklichkeit des Geistes eine neue Geltung, die — auch hier vollzieht sich die „recapitulado" — das Vergangene in der Geschichte in der Gestalt Jesu zu einer unüberholbaren Fülle bringt — er ist der von Geist Erfüllte — , und zugleich das sichtbare Zeichen für die noch ausstehende eschatologische Vollendung setzt: Er stieg auf den Sohn Gottes, der zum Menschensohn geworden war, hinab und gewöhnte 548 sich bei ihm daran, im Menschengeschlecht zu wohnen und in den Menschen zu ruhen und „in plasmate Dei" Wohnung zu nehmen, indem er in ihnen den Willen Gottes verwirklichte und sie aus der alten Ordnung zur Neuheit Christi erneuerte (Adv. Haer. III 17,1). Die Selbstmitteilung Gottes durch seinen Geist rettet das menschliche Fleisch aus der Vergänglichkeit. Die „infirmitas carni" wird durch die „fortitudo Spiritus" verschlungen, so daß durch die Verbindung mit dem Geist der geistige Mensch entsteht. Die Gabe des Geistes ist fur Irenaus das grundsätzliche G e genargument gegen die Feinde des Fleisches, die sich auf 1 Kor 15,50 berufen, um das Fleisch aus der Auferstehungsverheißung abzuschließen. Nur in Verbindung mit dem Geist wird das Fleisch fähig, das Gottesreich zu erben (Adv. Haer. V 9,3; 11,1). Dem Fleisch kommt dabei eine passive Rolle zu. Es nimmt nämlich nicht etwas in Besitz, sondern es wird vielmehr vom Geist Gottes in

54 Vgl. Th. Rüsch, Die Entstehung der Lehre vom Heiligen Geisti05-ii9; G. Joppich, Salus carnis 114-1x5; Y. de Andia, Homo vivens 278-297. 547 Zum Zusammenhang mit Theophilus, Ad Aut. II 15 vgl. G. Kretschmar, Studien zur frühchristlichen Trinitätstheologie 28-36. 54« In Adv.Haer. III 20,2 variiert Irenaus mit dem Thema der „Gewöhnung". Hier ist es der Logos Gottes, der unter den Menschen wohnte (Joh 1,14) und Menschensohn geworden ist, damit der Mensch sich gewöhne, Gott aufzunehmen, und Gott sich gewöhne, im Menschen zu wohnen. Für weitere Aspekte s.u. III 2: Die chiliastische Hoffiiung.

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das Reich Gottes aufgenommen (V 9,4) 549 . Die Aussagen in Adv.Haer. V 3,1-3 über die Macht Gottes, die gerade in der Schwäche des Fleisches voll zum Ausdruck kommt, erwähnen nicht den Geist, aber der Zusammenhang mit Adv. Haer. V 9-14, d.h. mit der richtigen Auslegung von 1 Kor 15,50, zeigt, daß im Hintergrund die Wirklichkeit des Geistes als des Vermittlers der Macht Gottes gedacht ist. Der Vergleich mit dem paulinischen Motiv vom veredelten und wilden Ölbaum erlaubt Irenäus einen wichtigen Aspekt zur Sprache zu bringen. Die Möglichkeit des Fleisches, durch den Geist Gottes potenziert und der Unvergänglichkeit fähig zu werden, bedeutet nicht, daß es seine spezifische Qualität verliert. Auch ein wilder Ölbaum verliert nicht seine Substanz, sein Holz-Sein, wenn er aufgepfropft wird, wohl aber ändert sich dadurch die Qualität seiner Frucht s s °. So meine das Wort des Paulus in 1 Kor 15,50 nicht die Verwerfung der fleischlichen Substanz, sondern es beziehe sich auf das Fleisch ohne die Eingießung des Geistes (Adv.Haer. V 10,2). Durch diesen Vergleich lehnt unser Verfasser eine bestimmte Spiritualisierung des Fleisches ab, die zum Verlust seiner ureigenen Wirklichkeit führen würde" 1 . Die Wirkung des Geistes auf den Menschen hat das pädagogische Moment der Gradualität in sich. So wie der Geist Gottes, durch seine Einwohnung im fleischgewordenen Sohn Gottes, sich daran gewöhnen konnte, bei den Menschen zu wohnen, ähnlich soll sich der Gläubige durch den Empfang des Geistes als des Angelds daran gewöhnen, im Hinblick auf seine Vollendung und Unvergänglichkeit, Gott aufzunehmen und zu tragen (Adv.Haer. V 8,1). Irenäus argumentiert mit Hilfe von Eph 1,13fr Der Gläubige trägt in sich das Siegel des verheißenen Geistes, aber dieser ist nur Angeld des Erbes (αρραβών της κληρονομιάς). Daraus zieht er zwei Konsequenzen: 1. Die Gabe des Geistes bedeutet die „communio Spiritus" mit dem Fleisch, nicht dessen Verwerfung (V 8,1); 2. die Gabe des Geistes (Indikativ) begründet die Verpflichtung (Imperativ), sich dem Geist zu unterwerfen (subjiciunt semetipsos Spiritui) (Adv.Haer. V 8,2). Auch wenn der Mensch, der sein Leben unter der Führung des Geistes gestaltet, in seiner Wirklichkeit von Seele und Fleisch schon jetzt ein geistiger Mensch ist, hat er damit die Vollendung noch nicht erreicht. Die Frucht des Geistes ist die „carnis salus". Als eine unsichtbare Kraft wirkt der Geist, indem er das Fleisch

549 Adv.Haer. V 9,4: οϋτω και ή σαρξ καΐ>' έαυτήν βασιλείαν ι3εού κληρονομήσαι ού δύναται, κλήρο νομηβήναι δέ εις την βασιλείαν τού ΰεοϋ δύναται. Vgl. Α. Orbe, Teología de San Ireneo I 435-437. 55° Vgl. Β. Aland, Fides und Subiectio l$f. 55' Manche Texte von Nag-Hammadi zeigen, daß die Argumentation des Irenäus einen sehr konkreten Hintergrund hat, nämlich die Neigung von bestimmten gnostischen Gruppen, die Rede von der „Auferstehung des Fleisches" und vom Fleisch überhaupt metaphorisch aufzufassen (s.u. die Abschnitte über den Rheginosbrief und über das Philippusevangelium). Irenäus versteht dies als einen Versuch, das Fleisch von der Auferstehung auszuschließen.

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„reif" und zur Un Vergänglichkeit fähig macht" 2 . Der Mensch muß sich an den Geist „gewöhnen" durch den sittlichen Gehorsam 553 , aber er trägt in sich die Kraft, die ihm zur künftigen Unvergänglichkeit fuhren wird. Bei aller Betonung der Gegenwart des Geistes bleibt der eschatologische Vorbehalt bestehen. Göttliche Gnade und menschliche Antwort bilden den Rahmen, innerhalb dessen sich chrisdiche Existenz vollzieht. Drei Autoren vor Irenaus haben das Verhältnis von Geist und Fleisch thematisiert: Ignatius, II Clem und Herrn. Bei Ignatius liefert die Christologie das Modell zum Verständnis der Verbindung der göttlichen (Geist) und der menschlichen Welt (Fleisch). Nicht die Wirkung des Geistes steht im Vordergrund, sondern die Wirklichkeit seiner Einheit im Menschen Jesu, welche die Bipolarität seiner Person, seines Lebens und seiner Auferstehung (IgnSm 12,2) bestimmt — „fleischlich und geistig" -—, wie es auch im Leben und in der Auferstehung der Gläubigen geschehen wird (IgnTrall 9,2). — Durch ein stark paränetisches Anliegen geprägt, erscheint das Motiv in II Clem und Herrn. Wenn das Fleisch rein bewahrt wird, verbindet sich der Geist Gottes mit dem menschlichen Fleisch und gewährt ihm die Unvergänglichkeit (vgl. II Clem 14,4f; sim. V 7,2/60,2). Aber es wäre unzutreffend zu meinen, diese Autoren hätten Irenäus inspiriert. Seine Inspirationsquelle sind die paulinischen Briefe, auf die er sich in den behandelten Abschnitten bezieht; sie bilden die Grundlage fiir die Entwurf seiner Theologie der „sarx". Natürlich ist mit dieser Feststellung, die sich mit Hilfe eines Registers der Schriftzitate des Irenäus leicht beweisen ließe, nicht die Frage beantwortet, wie weit die Theologie der „sarx" des Bischofs von Lyon in einer sachlichen Kontinuität mit der paulinischen Theologie steht. Die Frage läßt sich präziser überprüfen anhand der Auslegung von 1 Kor 15,50. Die sachliche Kontinuität betrifft m.E. das Verständnis vom Wirken des Geistes im Menschen. Das paulinische σώμα entspricht insofern der irenäischen σ ά ρ ξ , indem der „geistige" Mensch der konkrete historische Mensch ist, der sich der Kraft des Geistes öffnet und sich von ihr führen läßt554. Sie hat sich schon an der Gestalt des Gekreuzigten 552

Vgl. Adv.Haer. V 12,4: „Fructus aucem opcris Spiritus est carnis salus. Quis enim alius apparens fructus ejus est qui non apparet Spiritus, quam maturam efficere carnem et capacem incorruptelae?" 55 ' Die graduelle Befähigung des Menschen zur Unvergänglichkeit und zur Gemeinschaft mit seinem Schöpfer wächst als Wirklichkeit nicht nur während des irdischen Lebens. Nach diesem hat die Zeit des tausendjährigen Reiches diese Funktion zu erfüllen. Vgl. Adv.Haer. V 32,1: „... et mysterium justorum resurrectionis et regni, quod est principium incorruptelae, per quod regnum qui digni fuerint paulatim assuescunt capere Deum"; Adv.Haer. V 35,1: „ . . . et per ipsum assuescent capere gloriam Dei Patris". S.u. III 2.: „Die chiliastische Hoffnung". 554 Nach W. BOUSSET zeigt sich in Adv.Haer. V 9-14 (Deutung von 1 Kor 15,50), „wie gewaltsam hier die Gedanken des Paulus; verbogen und verzerrt werden" (Kyrios Christos 359). W. BOUSSET stellt allerdings nicht die Frage, ob das „sanc"-Veiständnis des Irenäus nicht wenigstens teilweise mit dem paulinischen „soma" semantisch deckungsgleich ist. Auch wenn es rieh-

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ausgewirkt, und sie wird im Eschaton an der Gestalt der Gläubigen wirken, aber das meint keine bloße Zukünftigkeit, sondern sie ist schon in der Gegenwart präsent. Als Geist des Lebens schafft er schon jetzt neues Leben, das aber erst in der endzeitlichen Auferstehung zur vollendeten Gestalt kommen wird. Der Unterschied betrifft das Verhältnis zwischen der irdischen und der auferstandenen Leiblichkeit. Das Auferstehungsverständnis des Irenäus wird uns später beschäftigen 555 , aber schon jetzt lassen sich die jeweiligen Perspektiven so charakterisieren: Paulus hält an einer grundsätzlichen persönlichen Kontinuität fest, die allein der Rede von der Auferstehung der Toten einen Sinn gibt; dabei heben die Vergleiche in ι Kor 15,39-49 das Moment der Erhabenheit des auferstandenen Leibes hervor. Diese Vergleiche wollen einfach sagen, daß es ganz anders sein wird und daß doch das gleiche Subjekt bleibt, jetzt als Träger der adamitischen, irdischen Gestalt, dereinst als Träger der himmlischen Gestalt aufgrund der Auferstehung (1 Kor 15,48F). Irenäus legt den Akzent — und dabei vertritt er die durchgehende Anschauung der Großkirche des zweiten Jahrhunderts — viel stärker auf „dieses Fleisch", das so durch den Geist Gottes die Unvergänglichkeit empfangen wird. Gewiß setzt die „Unvergänglichkeit" die Verwandlung voraus, aber die Denkart ist doch jeweils anders. Wenn Irenäus den Paulustext liest, tut er dies aus einer Perspektive, die nicht immer die Intention des Apostels erfaßt5535"49 P a r 'es auteurs chrétiens des quatre premiers siècles (BGBE 18), Tübingen 1977. Andia, Y. de, Homo vivens. Incorruptibilité et divinisation de l'homme selon Irénée de Lyon, Paris 1986. Andresen, C„ Justin und der mittlere Piatonismus, in: Z N W 44 (1952/53) 157195. Jetzt in: C. Zintzen (Hg.), Der Mittelplatonismus (WdF 70), Darmstadt 1981, 319-368. Atzberger, L„ Geschichte der christlichen Eschatologie innerhalb der vornicänischen Zeit, Freiburg 1896,150-158. Barbel, ]., Christos Angelos. Die Anschauung von Christus als Bote und Engel in der gelehrten und volkstümlichen Literatur des christlichen Altertums (Theoph. 3), Bonn 1941. Barnard, L. W„ Justin Martyr's Eschatology, in: VigChr 19 (1965) 86-98. Barnard, L. W„ Justin Martyr. His Life and Thought, Cambridge 1967. Barnard, L. W., Athenagoras. A Study in Second Century Christian Apologetic (ThH 18), Paris 1972. Barnard, L. W., Athenagoras: De Resurrectione. The Background and Theology of a Second Century Treatise on the Resurrection, in: StTh 30 (1976) 142· Barnard, L. W„ The Authenticity of Athenagoras' De Resurrectione, in: StPatr 15 (1984) 39-49.

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Register Fundorte in Anmerkungen sind mit kursiven Seitenzahlen indiziert.

I. Stellenregister (in Auswahl) ι. Biblische Schriften

Ijob 19,26

24. 29. 31

Psalmen 3.6 15,8-11 15.9 15.10 22,4 22,4b 27,7b 87.11 "3.3

M 38 77.38 38.39 M 24 H M HS

Sprichwörter 1.17 3,22a

44 ¡79

Jesus Sirach 7.17 16,17

12 12

Jesaja 25,8 40,5.6 53 53.5-7b 66,24

45 13 28 44 12. 52

Altes Testament Genesis 1,26 I,26f 1.27 z,6f i.7

2,7a 2,7b 2,24 3.1 Levitikus 16 17,11 2 Könige 13,21

9S-140· 148· 154· 178.190.192.193. 196.199. 213. 214 95· 109 60 175 95. ΙΟΙ. 102. 109. 1)0. 140.145.148. 149.154.156.178. 190-194.196. 207. 214. 236. 240 140.165 141 62 "3

47 130

162

Judit 16,17 2 Makkahäer 7 12,43-45 14,37-46 15,12-16

Daniel 12.2f.13 18} 12 12 12

Jona 1.3

195

288

Register 6 4

Neues Testament Matthäus 9.13 943 18 9,18 9ΛΑ ΛΤ-1Λ 26,27-29 Markus 8,31 9.48 12,25 I3,2if Lukas 1.3 6,32 7,12 12,4f 18,27 20,35.36 24,36-43 24,36-39 24.41-43 24,7.26.44-46 Johannes 1.5 1.13 1,14 5,2lf.25-27 6,510-58 6,51c 6,53F 6,53 6,69 20,17 20,19-29 20,26-29 21,13

ISO

/ ~I° 6,5.8 7,2îf 8,11

Ψ 163 227 205

1Π 212

8,19-21 _ ' £'23

214 19X '

111

45 12 83

¡Sí 152 211 95 210 /07.138 209. 258 }¡ 114 100

De Decalogo (Decaí.) 58

Quod Deus sit Immutabilis (Imm.) 56 100.118

De Josephe (Jos) 265

Legatio ad Gaium (LegGai.) 118 100

De Mutatione Nominum (Mut.) 31 95 184 117.118

De Opificio Mundi (Op.) 7 100 9 100 75 95 77 122 134 95 135 102 137 95 i34f ιοί 135 ιοί 137 ι°ι 171 ιοο

De Plantatione (Plant.) 18-20

Stellenregister Levitikus Rabba (LevR) 4,5 zu Lev 4,2 14,9 De Posteritate Caini (Post.) 63 100 123 122

De Sacrificiis Abelis et Caini (Sacr.) 57 100 63 100 66 100 101 100 De Somniis (Somn.) I34 II 283

De Vita Mosis (VitMos.) II 171 100 II 288 122

3. Rabbinisches Schrifttum Mischna-, Tosefta-, Talmudtraktate Sanhédrin (San) 91b If

Yoma (Yom) 6,6

47 47

Midrashim, T a r g u m i m , Sammelwerke Genesis Rabba (GenR) 14,5 20

Exodus Rabba (ExR) 30,3

Mekhiha deRabbi Shim»on b. Yohai (MekhSh) zu Ex 15,1 if zu Ex 15,1 if

Talmud Bauli Y orna (bYom) é.4f 47

Targum Neophiti zu Gen 19,26

De Specialibus Legibus (SpecLeg.) 1146.148 101 II 166 100 IV 92-94 101 IV 123 101. 102

4· 2

if 20

4S

Targum Pal zu Ez 37,3.9

4. Altchristliche Literatur Acta Apostolorum Apocrypha Acta Pauli 3 Kor 1,10-15 155 3 Kor 1,12 156 3 Kor 1,13 156.165 3 Kor 1,14 156 3 Kor 3,2-4 157 3 Kor 3,5-8 158 3 Kor 3,6 169 3 Kor 3,7 165 3 Kor 3,11 160. 169 3 Kor 3,16-18 160. 161 3 Kor 3,20.39 161 3 Kor 3.24Í 165.169 3 Kor 3,2¿f 163 3 Kor 3,32 162.182

Acta Pauli et Theclae 6 12

» 55

Acta Joannis 110

f}

Acta Philippi 19 44 (20,10)

53 sì

Register

292 134 (65,11) 142(79,26) 144 (86,6)

53 53 53

Acta Thomae (A/B) 26 (141,20) 97 (103,if) 121 (231,9-14)

53 55 53

Athenagoras Atheniensis legatio live supplicano sive deprecatio Christianis (Leg.) 27,1 132 132 31.1 132 M.5 17.1 131 129 31.1 129 3i.if(4) 131.132 3i.3(4) 3 6,i(if) 131 131.133 36,2(3)

Clemens Alexandrinus excerpta Theodoti (Exc. ex Theod.) 23,2 8 50,1-51,2 H9 86 54

pro

Pseudo-Athenagoras Atheniensis de resurrectione mortuorum (De Res.) 9,2 88 3.1 18,1- 23,6

Atticus Constantinopolitanus (Attikos) Fr. 4,7.11.15 ιοί

Barnabae Epistula (Barn) 5.1 43· 5.1-4 44 5.5-7 44 5,6f 43· 5,6 43· 5,8-i2a 44 5,12a 43 5,i2b-8,6 44 5.13 45 6,7.9.14 43 7.5·" 45 7,6-11 47 7.9f 47 48 7.9 12,5 45 12,10 43 48 21,1

paedagogus (Paed.) 138,1-3 I 41.1-43.3 I 43.3 I 47.1 II 104,3 II 19,3-20,1

Clemens Romanus epistula Clementis ad (I Clem) 24-26 24,1 H.3-5 25.3 26,2F 26,3

249 249 251 135 135 24P

Corinthios

33 >4f 33.4 49.6 epistula secunda (II Clem) 1,1-8 1,2 1.3-5 2,1 7.6 8,1-9,11 8,4.6 8,6 9.1-5 9.3 9.4 9.5 9,6-11 12,2 14.1-5 14,1 14.1 14.1-5 14.3 14.3» I4.4Í 14.4

Clementis

23.30 25.46.18; 22$ -27 M 23. 29. 30. 31.149, 258 95 179 27. 28. 30. 257

ad

Corinthios

63 43 53 237 12.53 51 17 53- 61 51. 52.58.59. t 78.161 53-55. 61. 63. i 152.161 56 57· 77 51 56 59.64 59-77 54- 60 59 53· 54 60 201 62

Stellenregister 14,5 17.5

62. 6}. 78 «

Clementina Recognitionen (Recogn.) X 71 IS7

Epiphanius Constantiensis panarion seu adversus LXXX haercses (Haer.) 64,64,2 If

Epistula Apostolorum l(l2)-I3(24) 3d4) 6(17) 8(19)-12(23) 12(23) i3(24)-i4(25) 19(30) 21(32) 22(33) 24(35) 25(36) 26(37) 27(38) 29(40) 39(50)

(EpAp) 80 80 86. 265 79 81 81 8i. 82. 89 81. 83-85. 83.84 84.85 84. 85. 88 85. 88 82 82 81

IV 1,9/29,9 IV ι,n/29,Ii IV 1,9/29,9

IV 3,1-7/31,1-7 V 1,1-4/33.1-4 ν 1,7/33.7 V2.jff34.jf i x 2/39,2

X 2,6/41,6

74-76

75

69

75 68 74

68 ¿Í. 69

similitudines pastoris (sim.) IV 4,if/32,if 76 V 2,11/5541 70 V 2,7f/55,7f 70 V 5,2-6,43/58,2-59,43 70 V 5,2/58,2 71 V 6,4-8/59,4-8 70 V 6,4b-8/59,4b-8 71

V 6,4/59.4 V 6,5/59/5 V 6,6/59,6 V 6,6a759,6a V 6,7/59,7 V γ,1/60,1 V 7,2/6O,2 V 7,2/60,7 V 7,3/60,3 V 7,4/60,4 VI 1,1/61,1 ΙΧι,ι/78,1 1X10,6-11,8/87,6-88,8 DC 12,2/89,2 IX 13,5/90,5

7» 77 27. 73 72 71· 67.73 67. 74.78. 75 75 74 ip 7/. 72.77 72. 77 íp

ix 17.5/94.5 1X18,3/95,3 1X18,4/95,4

tíj> tfp

Epistula Iacobi Apocrypha (Epjac)

5

86 86

nf

Eusebius Caesariensis historia ecclesiastica (Hist.Eccl.) III 28,1-5 262 III 28,6 262 III 36,11 }6 IV 22,5 itf V 3,4-4,if 262 V 3,4 262

Hermas mandata pastoris (man.)

III 1/28,1 III 4/28,4

68. 69 68

visionespastorts (vis.) 11,6/1,6 12,4/2,4 II 2,3/6,3 II 4,1/8,1 III 8,9/16,9 III 9,1/17,1

π ι 9.3/17.3

III 10,4/18,4 III 10,7/18,7 III 11,4/19,4 V 7,1/60,1

77 69 7(5· 77 69 74

69 69 69 ài? 74

Hieronymus commentarti in Is. (Comm. in Is.) 18

Register

294

De virii illustribus (De viris ill.) 36

16

Hippolytus Romanus

refutatio omnium haeresium philosophumena (Ref.) V2Ó, 7 f

sive

epistula ad Ephesios (IgnEph)

34. 37. 58. i¡6

41 156

201

(lgnMagn) 41 33 33 33 35

8,1 9.1 10.3 ".i epistula ad Philadelphias

(IgnPhld)

4

39.105. 204

6, ι

33

2,2 4.2 4.3 5-3 7,3

sí-

161

33

(IgnPol)

«

17· # 4-r

(IgnRöm) 2.2/

36 41 36 39.41.105.204.

H9 epistula ad Smymaeos

i,i-2

M

1,2

2

2,1

(IgnTrall) 249 34. 3S- 156 jj. 40. 41. 42. 59.

}4· 41

9,2

epistula ad Romanos

37· 41· 59· 101 157

8,1 9.1 9.2

Irenaeus

3.1 5.1 7,i

33· 35· 39-41· 59.105. 204

3}

epistula ad Magnesios

epistula ad Polycarpum

41

epistula ad Traíllanos

Ignatius Antiochenus

7,2 8,2

35 35. 36. 37. 80 37· 38 34

11,2 12,2 13.I

i;6

7,2 11,2 18,2 18,2-19,3 20,2

48

3.1-3 3.1 3.1 3.3 5.1 5.3 7.1

(IgnSm) 34

34• ¡5 § 17a 2)6 § 22 240

297

Stellenregister § 23 § 23a § 23b § 23c § 26b § 34 §36 § 40 § 43 § 44 §48 §5i § § 61a § 6id § 62 § 63a § 67b § 67c § 72c § 74 § 75 §76 § 77 § 80 § 82a §83 § 90b § 92 § 95 § 99a § 100 § 101 § 107b § 108 § 109a § 113 § "9 § 121 § 123a § 124 § 125a

204. 235. 255. 258. 259. 265 246. 247. 249251. 254 247. 248· 251. 254. 256 249. 254 237 241 237 238 244 254 240 182. 2)6 237 239 238 241 246· 247 252 252. 253 242. 246. 248. 251 238 2)8 243 2)8 116. 238-240 240 2)6. 237. 240 243 243 237· 243 241 248 242 240 240. 244 m 240. 241 149

241.247 252 252

Polycarpus Smyrnensis epistula ad Philippenses (PolPhil) 1,2 43

Brief an Rheginos (Rheg.) 44,25-29 4S 2)2. 244 45,25-28 45,40-46,2 I65 43,25-44,12 220

43.33f 44,13-38 44,13-46,2 44.15-32 45.14-23 45.i4f 45,16-21 45,24-46,2 45.25-28 45,39-46,2 46,2-49,9 46.3-7 47.3-48,3 47.4-6 47.4-8 47.6-9 47.17-19 47.19-23 47.24-26 47.24 47.26-29 47,38-49,3 47.38-48,3 48,3-49.9 48,34-38 48,38-49.5 49,6f 49,9-16 49.34-36 49,37-50,16

219 220 220 223 221. 224 223 223 221 254 225. 232 221 220 222 225. 254 232 225. 226 225 226 228 226 228. 254 226 232. 233 222 227 230 230 229 229 219

Tatianus Oratio ad. Graecos (Or.) 4,2/5,iof 112 4,2/5,2f "3 5.1/5,23 "3 5,2f/6,9 »3 5,3/6,12-15 lip 88 6,1 6,1/6,15F 120 6,2/6,25-28 120 6,2/7,4? 121 7,1/7,6-10 »3 7,2/7,18-25 »3 Ii ,2/12,14F 114 12,1/12,18-21 112 I2,l/l2,22f 119 I2,3/l3,II 112 12,4/13,28-30 112 I3,l/l4,I0f "3 13,1/14,12 116 I3,i/i4,i4f 121 13,1/14,18-21 115 I3,i/i4,i8f 114 13,2/14,2lf 115.121 114. Ii 6 13,2/14,22 13,2/14,24-28 "3

298 13.3/15.1-5 14,1/15,14Í 15,1/16,6-8 15,1/16,6 15,1/16,8-10 15,if/16,13-16 15,2/16,18-21 15,2/16,21 15,2/16,22-24 15,3/16,24-27 15,3/16,27F I5.3/I7.3 16,2/18,2f 18,3/20/17-19 20,l/22,I0-I5 20,3/23,3-5 21,1/23,5-7 25,2/27,9f 35,2/35,15-17

Register 114

42,2lf 43,6f

119 "5

114 III. 112

116.

122

116 115 »7 114 119 US "S "S 116 114 124

122

124

Tertullianus (De Came Christi)

3.1 8.2 9.7 15.3 19,2 24,2

&

IS* 19 143 143 143

Apol. c. Hier.

I5

Theophilus Antiochenus AdAutolycum (AdAut.)

Ii l2f I5 I 7-8.13 I7 18

88 88 89 63,1 88 88 89 182

de virginibus velandis (De Virg. VeL)

1,3

174. 184

174 187 175.178.182 178.182.183.184. 180.184.185 186 88 184.185

184.199. 225

179 175· 179 187 176.196 178 177.181 175-177·182 177 m

2 zjtf

De Resurrectione (De Res.)

2,1 14,1-9 18,8 36,6F 57,if; 57,n 62,4 63,1

14s

186

I13 II 9 II 13 II 14 II 15 II 18 II 19 II 24-27 II 24 II 25 II 26 II 27 II 34 II 38

De praescriptione haereticorum (De Praescr. Haer.)

13.5 34,4

31 31

2

4. Sonstige Literatur Aristoteles Physik (Phys.)

Γν 203b Topik (Top.) 133D2 Homer Odyssee (Od)

X 3o6f

100 in 14s

Plato Tyrannius Rufinus Exp. Symh.

39 4I.I9Í

Nomoi (Leg.)

899c!

141

299

Stellenregister Phaidon (Phaid.) 74a ff 88b 9jb.e lo6b.c.e 107c

Phaedros (Phaedr.) 245c-256a

Philebos (Phil.) 3od

2)9 100 100 100 96

100

141

Politeia (Rcsp.) I V 439c-441b V I I I 546a X 6ne

101 ioo 141

Timaeos (Tim.) 3oc~3ib 41b 4iab 52a èye-jin 90a-d 90a

239 96 98 100 101 102 141

11. iNamenregister Andreas Apelles Archelaus Arethas Aristophanes Aristoteles Athenagoras

Attikos Augustinus Baanes Daphnos Empedokles Epiktet Epikur Epiphanius Eusebius Eubulus Hermas Hermogenes Herodes Hieronymus Hillel Hippolyt Ignatius

Irenaus

80 i}6 80 127 III III 6.127.129.131. 1 3 2 . 1 3 3 . 1 8 7 . 198. 264 101 4.92 127 IS7 239 219 146 2. 15. 19 262 1 S7 67. 7 6 . 1 2 3 . 266. 268

187 34· 35 4. 36. 270 20 2. 1)6 8. 33-42. 48. 58. 59. 7 1 · 144· 145· 19). 198. 201. 204. 209. 217. 240. 248. 257. 259. 260. 266. 268 2. 4 . 5 . 28. 48. )). 79. 88. 9). 128. 132.142.149.154. i)). 1)6.161.168. 169. ιγ). 1 7 8 - 2 1 7 . 224• 2 3^· 242·

247. 248. 251. 253. 2)6. 257-262. 265. 2 66 Johannes 1 0 7 . 1 0 8 . 262 Johannes Damascenus 206 Johannes von Jerusalem 270 Justin 2. 4. 5. )i. 4). 88100. IO2-IO9. HlII). 122. 123-128. 132. 135. 1 3 8 . 1 4 1 . 146. 148. I49. 154. I)). 1)6. 173.178. 179. 182.18J-187. 193-195. 196 204. 206. 209-211. 214. 217. 257. 257. 261. 262. 264-266. 268 Karpokrates 142 Kelsos 128. 269 Kerinth 86.142. 262 Klemens 23. 3 0 . 3 1 . 1 7 8 . 1 8 5 Klemens von Alexandrien i)). 249. 251 Kleobius 155.156 Marceil von Ancyra 2 Markion 106. 143. I)). 168. 170. IJ). 1 8 0 . 1 8 7 Methodius 4. 88. 89. 206. 269 Mose 100 Orígenes 4. 8. 31. 36. 168. 190. 208. 265. 269. 270 Papias 214. 262 Paulus 8. 24. 25. 26. 37. 54· 55· 58. 64. 86. 140.155.157.158. 164.168-170.190. 198. 200. 201.

Register

300 202. 203. 206. 209. 220. 226. 227. 231. 255. 258. 259. 266. 267 35. 38. 80

Petrus Philo

Photius Plato

Pontius Pilatus Porphyrios Ps.Athenagoras Ps.Justin

Ps.Paulus Ps.Plato

95- 9 9 - 1 0 2 . 1 1 7 . 1 1 8 . 1 2 2 . 130. 173. 190 206 97. 98-100. 102. 1 3 1 . 1 4 6 . 1 4 7 . 239. 26p 34· 35· 80 269 88. 127. 268 6. 88. 89. pj. 128. 132.136. 137. 138150.152-154. 156. 165.170.178.179. 182.183.184.185. 193. 194.198. 206. 209-211. 217. 220. 257. 259. 260. 263. 265-267 157.160-163. ! 6 6 . 169. 209 III

Pythagoras Rheginos Rufin von Aquileia Satomil Saturus Schammai Sextus Empiricus Simon T a t i an

Tertullian

Theophil us

Thomas T h o m a s von Aquin Trypho Valentin Xenon

97· 131· 147 217. 218. 229. 253 2. 31. 270 168 264 20 III 79· Η * · 155· 156 8. 88. i n . 112. 113. 114-125.176.177. 187.193. 198. 237. 257. 264 2. 5. 6. 8. 19. 88. 89.106.128.143. 154. i$6.16¡r. 182. 220. 256. 258. 268 8 8 . 1 4 ¡ . 157.163. 1 7 3 . 1 7 5 - 1 8 7 · m193.195. 196.198. 199. 217. 22$. 257. 258. 264. 266 80 4 92. 9 6 . 1 0 3 . 1 0 5 . 122 $2. 218 157

III. Autorenregister ( A u t o r e n n e n n u n g e n bei b i b l i o g r a p h i s c h e n H i n w e i s e n s i n d n i c h t registriert) Andresen Auer Bardy Barnard Bauer Bieder Boliek Borchert Botterwerck Bousset Brox Bultmann Camelot Cavallin Chadwick Cornells Cramer Daley Daniélou Delling Dibeli us Donfried Dörrie Duero w

99 6 81. 173 102. 173 161. 173

Duensing Ehrhardt Eijk

79· 80 86 5. 31. 46. 63. 64. 74. 76. 249. 251. 256

4 4 23s 3 201 33. 71. 72. 74. 261 63 4 16 108

Elze Fernández Feuerstein GafFron GefFcken Genevois Goodenough Goodspeea Grant Greshake Grillmeier Guillet Hagner Haller Hällström

"7 6 π6 227. 244 III. 125

4 123 6 59 17 71· 73- 74 5* 92 269

Harnack Hauschild Henne

4 91 i n . 173 173· 179· 180 6 S9 4 H 3. S. 43 6.127.128.137. 142.149 ¡SS 123. 237 70

Autoren register Holl Hornschuh Hünermann Hyldahl Jaschke Joly Jonas Kelly Kirchner Klijn Knoch Knopf Koschorke Krause Kremer Kretschmar Kukula Layton Leisegang Lindemann Lohmann Loofs Marcovich Martin Martin Minard Müller Nautin Niederwimmer Orbe Otto Peel Pouderon Prigent

88.144

Puesch Ratzinger Refoulé Rodríguez Carmona Rordorf Rousseau Rudolph Runia Schenke

79· 81 3 93• 94· 99 192 99. 102.186 75 48 86 167 3» 55 253 238. 239. 242. 24}. 244. 2S2 6 5. 6. 8.109. 173. 259. 261. 264. 265 116.117 218. 219. 224. 226. 2}0 100 S8 60. 63 173 130 219 $7. 122. 173 220. 244 79 173 62. 7S 189. 190. 192. 223 88. 107. in. 116. 144. 179 III. 226. 229 127

Schmaus Schmid Schmidt Schneemelcher Schräge Schwartz Schweizer Staats Stählin Testuz Thielicke Till Vielhauer Vogel Volz Wams Weber Wengst Werner Wetter Whittaker Winden Windisch Zeegers-Vander Vorst

301 né 3.269 6 21 i$9- 16}. 167. 168 189. 192. 19s 167 100 229. 235. 238. 239, 240. 24}. 244. 246. 249. 2