Skepsis Oder Furcht Gottes?: Studien zur Komposition und Theologie des Buches Kohelet [Reprint 2013 ed.] 3110154587, 9783110154580

In der Reihe Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft (BZAW) erscheinen Arbeiten zu sämtlichen Ge

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German Pages 302 [300] Year 1997

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Skepsis Oder Furcht Gottes?: Studien zur Komposition und Theologie des Buches Kohelet [Reprint 2013 ed.]
 3110154587, 9783110154580

Table of contents :
Einleitung
Kapitel I: Das Buch Kohelet
1. Spuren redaktioneller Arbeit im Buch Kohelet
2. Ist der erste Epilogist der Herausgeber?
3. Aufzeichnungen aus der Schule Kohelets
4. Folgerungen für die Koheletexegese
Kapitel II: Kompositionsanalysen
1. Die Unverfügbarkeit des Glücks (5,9-6,9)
1.1. Übersetzung
1.2. Aufbau und Argumentation
1.3. Die Freude als Narkotikum oder als Antwort Gottes?
2. Ein Schultext par excellence (7,1-22)
2.1. Übersetzung
2.2. Zur Einheit des Textes
2.3. Der Mensch unter dem Schicksal
3. Ein Geschick trifft sie alle (9,1-12)
3.1. Übersetzung
3.2. Aufbau und Argumentation
3.3. Ein israelitisches Trinklied
Exkurs: Die Scheol im Buch Kohelet
4. Wenn dunkle Wolken wiederkehren (11,1-12,7)
4.1. Übersetzung
4.2. Zur Einheit des Textes
4.3. Der Aufruf zur Tatkraft
4.4. Der Weg des Menschen in sein ewiges Haus
Kapitel III: Der Traktat des Kohelet
1. Die Frage nach dem Gewinn (1,3)
2. Rahmenstück I: Der Kreislauf der Natur (1,4-11)
3. Das Lebensexperiment des Königs (1,12-2,26)
Exkurs: Die drei Lebensweisen in der Nikomachischen Ethik
4. Rahmenstück II: Das Rätsel der Zeit (3,1-9)
Kapitel IV: Skepsis oder Furcht Gottes?
1. Die Summe der Lehre Kohelets (3,10-15)
2. Die Majestät Gottes als hermeneutischer Schlüssel
Anhang
Tabelle A: Zum Gesamtaufbau des Buches Kohelet
Tabelle B: Komposition der Lehrrede 5,9-6,9
Tabelle C: Komposition des Traktats 1,3-3,15
Literaturverzeichnis
Register

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Alexander A. Fischer Skepsis oder Furcht Gottes?

W G DE

Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft Herausgegeben von Otto Kaiser

Band 247

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1997

Alexander A. Fischer

Skepsis oder Furcht Gottes? Studien zur Komposition und Theologie des Buches Kohelet

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1997

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Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

[Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft / Beihefte] Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamendiche Wissenschaft. Berlin ; New York : de Gruyter. Früher Schriftenreihe Reihe Beihefte zu: Zeitschrift für die alttestamendiche Wissenschaft NE: HST Bd. 247. Fischer, Alexander A. : Skepsis oder Furcht Gottes?. - 1997

Fischer, Alexander Α.: Skepsis oder Furcht Gottes? Studien zur Komposition und Theologie des Buches Kohelet / Alexander A. Fischer. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1997 (Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamendiche Wissenschaft ; Bd. 247) Zugl.: Marburg, Univ., Diss., 1996 ISBN 3-11-015458-7

ISSN 0934-2575 © Copyright 1997 by Walter de Gruyter & C a , D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Druck: Werner Hildebrand, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer-GmbH, Berlin

Meinem Großvater Reinhold Sautter (1888-1971)

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist der Ertrag meiner Studien zum Buch Kohelet, die ich während meiner Assistentenzeit von 1990-1994 an der Wilhelms-Universität Münster durchführte. Das Manuskript wurde im Oktober 1995 im Vikariat in Heilbronn abgeschlossen und im Juni 1996 vom Fachbereich Evangelische Theologie der Philipps-Universität Marburg als Dissertation angenommen. Mein Dank gilt an erster Stelle meinem alttestamentlichen Lehrer Herrn Prof. D. Dr. Otto Kaiser, der diese Arbeit nicht nur angeregt, sondern ihr Entstehen begleitet und durch das kritische Gespräch wesentlich befördert hat. Ebenso danke ich Herrn Prof. D. Dr. Jörg Jeremias, der freundlicherweise das Zweitgutachten erstellte, Herrn Prof. Dr. Walter Beyerlin, der mir als seinem Assistenten den nötigen Freiraum gewährte, und schließlich Herrn Pfarrer Otto Friedrich von der Wartberg-Au-Gemeinde in Heilbronn, dessen Kollegialität mir den Abschluß der Arbeit im Vikariat ermöglichte. Für die Förderung meines Studiums und meiner Promotion danke ich meinen Eltern und der Studienstiftung des Deutschen Volkes, für die Aufiiahme der Arbeit in die Reihe der "Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft" dem Herausgeber Herrn Prof. D. Dr. Otto Kaiser und für die Drucklegung dem Verlag. Daß die vergangenen Jahre nicht nur von intensiver wissenschaftlicher Beschäftigung ausgefüllt waren, sondern auch zu einem ereignisreichen Lebensabschnitt geworden sind, verdanke ich schließlich meiner Wohngemeinschaft Elke Beckmann, André Jocham, Regina Lötz, Thomas Rapp, Margit Zoehren und meinen Freundinnen und Freunden vom Biegeneck in Marburg, mit denen mich viele Erfahrungen und Erlebnisse verbinden. Heilbronn, den 30. Juni 1996

Alexander Achilles Fischer

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

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Kapitel I: Das Buch Kohelet

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1.

Spuren redaktioneller Arbeit im Buch Kohelet

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2. 3. 4.

Ist der erste Epilogist der Herausgeber? Aufzeichnungen aus der Schule Kohelets Folgerungen für die Koheletexegese

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Kapitel II: Kompositionsanalysen

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1. 1.1. 1.2. 1.3.

Die Unverfügbarkeit des Glücks (5,9-6,9) Übersetzung Aufbau und Argumentation Die Freude als Narkotikum oder als Antwort Gottes?

56 56 59 74

2. 2.1. 2.2. 2.3.

Ein Schultext par excellence (7,1-22) Übersetzung Zur Einheit des Textes Der Mensch unter dem Schicksal

86 86 89 103

3. 3.1. 3.2. 3.3.

Ein Geschick trifft sie alle (9,1-12) Übersetzung Aufbau und Argumentation Ein israelitisches Trinklied Exkurs: Die Scheol im Buch Kohelet

115 115 117 137 146

χ 4. 4.1. 4.2. 4.3. 4.4.

Inhaltsverzeichnis

Wenn dunkle Wolken wiederkehren (11,1-12,7) Übersetzung Zur Einheit des Textes Der Aufruf zur Tatkraft Der Weg des Menschen in sein ewiges Haus

149 149 152 163 172

Kapitel III: Der Traktat des Kohelet

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1. 2. 3.

186 193 203 208 217

4.

Die Frage nach dem Gewinn (1,3) Rahmenstück I: Der Kreislauf der Natur (1,4-11) Das Lebensexperiment des Königs (1,12-2,26) Exkurs: Die drei Lebensweisen in der Nikomachischen Ethik . . . Rahmenstück II: Das Rätsel der Zeit (3,1-9)

Kapitel IV: Skepsis oder Furcht Gottes?

226

1.

Die Summe der Lehre Kohelets (3,10-15)

228

2.

Die Majestät Gottes als hermeneutischer Schlüssel

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Anhang

251

Tabelle A: Zum Gesamtaufbau des Buches Kohelet Tabelle B: Komposition der Lehrrede 5,9-6,9 Tabelle C: Komposition des Traktats 1,3-3,15

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Literaturverzeichnis Register

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Einleitung Mit ihrem Titel Skepsis oder Furcht Gottes? greift unsere Arbeit die bis heute in der Auslegung unterschiedlich beantwortete Grundfrage auf, ob Kohelet ein skeptischer Philosoph oder ein jüdischer Weiser gewesen sei, und setzt zugleich ein Fragezeichen hinter diese Alternative. Denn angesichts des sich in der gegenwärtigen Forschung abzeichnenden und sich differenzierenden Bildes der spätbiblischen Weisheit erweist sie sich als ungenügend. Vor allem die häufig mit der sogenannten Skepsis Kohelets verbundene Außenseiterstellung verliert ihre Evidenz, insofern sich diese theozentrisch begründete Skepsis durch die neueren redaktionsgeschichtlichen Untersuchungen des Hiobbuches zusehends als angemessene Antwort auf die verborgene Weisheit Gottes herauskristallisiert. Gleichzeitig wandelt sich aber auch der Begriff der Furcht Gottes von einer in der älteren Spruchweisheit verwurzelten, sittlichen und dem Vergeltungsdenken verhafteten Empfehlung zu einer das Verhältnis zu Gott grundsätzlich bedenkenden und aller Weisheit vorausliegenden Haltung. Damit berühren wir einen zweiten im Titel enthaltenen Aspekt. Denn bei der Skepsis und der Furcht Gottes handelt es sich um zwei Themen, die fur unser Verständnis der Lehren Kohelets entscheidend sind. Während immer wieder versucht worden ist, beide gegeneinander abzusetzen und dadurch das Buch auf eine einlinige Interpretation festzulegen, gedenken wir in unserer Arbeit zu zeigen, daß Furcht Gottes und Skepsis bei ihm zusammengehören und einander bedingen. Die grundlegende und durch die Sentenzentheorie nicht wenig beförderte Schwierigkeit in der Auslegung liegt zweifellos darin, daß sich für jede Interpretation verschiedene Texte aus dem Buch Kohelet anfuhren lassen. Um einen willkürlichen Umgang mit ihnen zu unterbinden und größere Sicherheit in ihrer Bewertung zu gewinnen, erfolgt die gegenwärtige Forschung im Zusammenhang mit einer Untersuchung der Komposition. Denn es ist einleuchtend, daß die den Kontext übersehende oder mißverstehende Isolation einzelner Reflexionen dem Denken Kohelets nicht gerecht wird. Demgemäß ist die doppelte Frage zu stellen, welchen Stellenwert die Einzelworte in den

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Einleitung

Lehren Kohelets besitzen und welchen größeren Sinnzusammenhang diese durch etwaige übergreifende Kompositionen gewinnen. Daher beginnt unsere Abhandlung in Kap. I mit einer Untersuchung des Gesamtaufbaus und erörtert das Problem, ob das Buch und zumal die hinter dem Traktat 1,3-3,15* stehenden Texte von Kohelet selbst oder einem Redaktor zusammengestellt sind. Die Erörterung der in 3,16-12,7 folgenden Texte muß sie gegebenfalls aus ihrer redaktionellen Verklammerung lösen und ihren Skopus getrennt feststellen. Dazu fuhren wir in Kap. II verschiedene Kompositionsanalysen durch. Sie dienen dem Zweck, größere thematische Einheiten zu ermitteln, die sich als Kompositionen Kohelets ansprechen lassen. Gleichzeitig damit stellt sich die Frage nach dem primären Sitz im Leben der darin verarbeiteten Sprüche und Texte. Um die im hinteren Teil des Buches zusammengestellten Lehren nicht vorschnell als Anhang und Erläuterung des Traktats zu deuten, lassen wir seine Auslegung erst in Kap. III folgen. Mit der Frage, ob und inwiefern der Traktat als ein von Kohelet verfaßtes Resümee seiner Lehren verstanden werden kann, befassen wir uns in Kap. IV. Vor allem die Schlußreflexion 3,10-15 rückt dadurch in den Gesichtskreis, weist sie doch allein schon durch den sechsmaligen Gebrauch des Wortes Gott auf ihre fundamentale Bedeutung hin. Haben wir so die formalen und inhaltlichen Probleme abgeschritten, können wir abschließend die Summe des Ganzen ziehen.

Zu dem bereits ausgeführten Nachweis, daß es sich bei 1,3-3,15 um einen von Kohelet entworfenen Traktat handelt, vgl. A. Fischer, Beobachtungen zur Komposition von Kohelet 1,3-3,15, ZAW 103 (1991), S. 71-86, und unsere weitergehende Begründung in Kap. III.

Kapitel I Das Buch Kohelet Längst ist erkannt, daß in 1,1 eine ältere Überschrift ermittelt werden kann, die kurz Worte Kohelets lautete und nachträglich um die Zusätze Sohn Davids, König in Jerusalem erweitert worden ist.1 Inspiriert durch die Königsfiktion hat der Ergänzer den Kohelet mit König Salomo identifiziert und so das Büchlein in den Rang salomonischer Weisheitsdichtung erhoben. Die ältere Überschrift Worte Kohelets1 dürfte dem Verfasser des ersten Epilogs zuzuweisen sein, der Kohelet in 12,9f als einen Weisen vorstellt und durch den markant ans Nachwort angehängten Spruch 12,11 die TltTlp Ή 1 7 mit den Ή Π CPttDri gleichzustellen bezweckt. 3 Aus seiner Feder soll auch das Leitwort 1,2 stammen,4 das zusammen mit 12,8 eine Inclusio bildet und dadurch das Büchlein in einer gewissen Abgeschlossenheit präsentiert.* Unverkennbar

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Vgl. erstmals L. Bertholdt, Historischkritische Einleitung in sämmtliche kanonische und apokryphische Schriften des alten und neuen Testaments, Fünften und letzten Theils erste Hälfte, Erlangen 1815, S. 2208. Vgl. die kurzen Überschriften Prov 10,1 und 22,17 (LXX). Vgl. ferner A. S. Kamenetzky, Das Koheleth-Rätsel, ZAW 29 (1909), S. 64-66, mit seiner Hypothese, daß dem Verfasser des Buches Kohelet eine ursprüngliche Sammlung von Sprüchen mit dem Titel Worte Kohelets überkommen sei, die er seinem Buch mit mehr oder weniger Geschick einverleibt und darin verarbeitet habe. Bevor der Explikator das Wort Kohelet als Personenname deutete, trug die ursprüngliche Überschrift den Sinn Volkssprüche oder Worte, die für den allgemeinen Gebrauch bestimmt sind. Zur Auslegung von 12,11 vgl. unten S. 34ff. Bereits Raschbam hat in seinem Kommentar erklärt, daß 1,2 nicht von Kohelet herrühre, sondern von der Person, die seine Worte herausgab; vgl. Sara Japhet / R. B. Salters, The Commentary ofR. Samuel Ben Meir Rashbam on Qoheleth, Jerusalem/ Leiden 1985, S. 92f. Vgl. die gründliche Analyse von F. Ellermeier, Qohelet 1,1. Untersuchungen zum Buche Qohelet, Herzberg 1967, S. 93-103; ferner Galling, HAT, S. 84; Lauha, BK, S. 29f; Whybray, NCeB, S. 34f. Nach Ellermeier sprechen fur redaktionelle Herkunft der beiden Rahmenverse 1,2 und 12,8 die nur hier benutzte paronomastische Wendung D>tnn t a n ; die allgemeine Setzung des von Kohelet stets situationsbezogenen Urteils t a n t o n , vgl. dazu Ilse von Loewenclau, Kohelet und Sokrates - Versuch eines Vergleiches, ZAW 98 (1986), S. 333; und die Einfuhrung Kohelets in der dritten Person, vgl. dazu B. Isaksson, Studies in Language of Qoheleth, SSU 10, Uppsala 1987, S. 107 mit Anm. 4.

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Einfuhrung

steckt in den Rahmenversen die Absicht, durch die kumulative Verwendung des für Kohelet charakteristischen Begriffs t>in seiner Weisheitsschrift nachträglich ein Markenzeichen aufzuprägen. Von dieser Rahmennotiz unterscheidet sich deutlich die in 1,3 der Dichtung 1,4-11 vorangestellte, von Kohelets Sprach- und Denkstil typisch geprägte Frage, die nachweislich eine Leitfiinktion ausübt, obgleich sie nicht das ganze Buch, sondern speziell die Komposition 1,3-3,15 sowie den zweiten längeren Prosatext 5,9-6,9 bestimmt.6 Auch formal lassen sich Rahmenvers und rhetorische Frage schwerlich verbinden, insofern 1,2 einen feierlichen Stufenparallelismus in kunstvollem Rhythmus vorträgt,7 während 1,3 ganz prosaisch in das Thema der Grundschrift einfuhrt. Da sich die rhetorische Frage stilistisch eindeutig der Hand Kohelets zuweisen läßt, scheint der ursprüngliche Einsatz seiner Darlegung mit 1,3 ermittelt. Dagegen wenden manche Ausleger ein, daß Kohelet sein Buch(!) nicht mit einer rhetorischen Frage habe beginnen lassen können und demzufolge 1,3 zusammen mit 1,2 ein aus dem Büchlein gezogenes Extrakt des Herausgebers darstelle.8 Da aber auch 1,4 als ursprünglicher Buchanfang nicht in Betracht kommt, müsse angenommen werden, daß tatsächlich die Selbstvorstellung Kohelets in 1,12 das Buch eröffnete, bevor der Herausgeber den Abschnitt 1,4-11 als sogenannten Prolog vorgeschaltet habe.® Freilich hat sich diese Umstellungshypothese in der Forschung nicht durchsetzen können, da sie nicht

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Die Gewinnfrage begegnet außer in 1,3 und 3,9 nur noch in 5,10; 5,15; 6,8 sowie 6,11. Der Befund zeigt, daß sie thematisch gebunden und auf die Abschnitte 1,3-3,15 und 5,9-6,9 begrenzt ist. Vgl. dazu R. E. Johnson, The Rhetorical Question as a Literary Device in Ecclesiastes, The Southern Baptist Theological Seminary 1986 (Diss), S. 238: "Ecclesiastes 5:9-6:9 presents the most intricate formulation of the 'What profit' inclusio." Zur Verwendung der Gewinnfrage in 6,11 vgl. unten S. 8f. Vgl. Lohfink, NEB, S. 20; dazu J. L. Kugel, The Idea of Biblical Poetry. Parallelism and Its History, New Haven/ London 1981, S. 38. Demnach könne die rhetorische Frage durchaus im Wortlaut von Kohelet stammen, ihre Zusammenstellung mit 1,2 müsse aber vom Redaktor herrühren; vgl. O. Loretz, Qohelet und der Alte Orient, Freiburg 1964, S. 137f; Ellermeier, Qohelet, S. 101; Galling, HAT, S. 84; Whybray, NCeB, S. 35f. Bereits der Midrasch Kohelet Rabba meinte, daß das Buch früher mit 1,12 begonnen habe; vgl. A. Wünsche (Hg ), Der Midrasch Kohelet, Bibliotheca Rabbinica Bd. 1, Lfg. 1 und 3, Leipzig 1880 (ND Hildesheim 1967), S. 19; ferner S. Schiffer, Das Buch Kohelet. Nach der Auffassung der Weisen in Talmud und Midrasch und der jüdischen Erklärer des Mittelalters, Frankfurt/ Leipzig 1884, S. 36. Zur Begründung vgl. Loretz, Qohelet, S. 143f.

Kapitel I. Das Buch Kohelet

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zu erklären vermag, warum der Herausgeber den angeblich früheren Bucheingang nicht beibehalten wollte, sondern eine neue Anordnung der Stücke versuchte. Zudem war festzustellen, daß sich die Königsfiktion, die mit der Selbstvorstellung als König über Israel zu Jerusalem in 1,12 eröffnet, eben nicht über das ganze Buch erstreckt, sondern nur bis zum Ende des zweiten Kapitels durchgeführt ist. Textstücke im hinteren Teil des Buches Kohelet scheinen die Selbstvorstellung gar nicht zu kennen, teilweise können sie kaum aus der Perspektive des Königs formuliert sein.10 Offensichtlich erklärt sich die Selbstvorstellung nicht als Incipit des Koheletbuches, sondern präzise als Einfuhrung in die dargebotene Königstravestie, die lediglich einen geselligliterarischen Rollenwechsel bezweckt und kein schriftstellerisches Pseudonym einfuhren möchte.11 Schließlich mußte bereits die Voraussetzung der Umstellungshypothese, nämlich daß es eine ältere und zwar von Kohelet erstellte Buchfassung gegeben habe, Zweifel erwecken, insofern sich im Buch Kohelet insgesamt keine Spuren finden lassen, die auf einen ursprünglichen Schluß hindeuten. Offenkundig ist die Buchform erst durch einen von Kohelet unterschiedenen Herausgeber geschaffen, der im Interesse einer Publikation das Textkorpus mit Rahmen und Epilog ausstattete.

1. Spuren redaktioneller Arbeit im Buch Kohelet Nach Abzug der Rahmenstücke ergibt sich folgendes literarisches Erscheinungsbild des Büchleins: Den Grundstock bildet die an den Anfang gestellte, als kompositionelle Einheit konzipierte Darlegung in 1,3 - 3,15, die wir als 10

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Vgl. z. B. Koh 4,13-16; 5,7f; 9,13-16; dazu N. Lohfink, me lek, sallît und môM bei Kohelet und die Abfassungszeit des Buchs, Bib 62 (1981), S. 539f. Als traditionelles Spmchgut, das den Umgang mit dem König aus Sicht des Untertanen reflektiert, lassen sich die Stellen 8,2-4(5) sowie 10,4; 10,16f identifizieren. Vgl. H.-P. Müller, Theonome Skepsis und Lebensfreude. - Zu Koh 1,12 - 3,15, BZ NF 30 (1986), S. 2. Zur literarischen Funktion vgl. R. Lux, "Ich, Kohelet, bin König ...". Die Fiktion als Schlüssel zur Wirklichkeit, EvTh 50 (1990), S. 331-342. Daß die ersten Leser des Buches den fiktiven Charakter der Selbstvorstellung Kohelets als König über Israel zu Jerusalem erkannten, beweist schließlich der erste Epilogist, der ihn in seinem Nachwort selbstverständlich als Weisen und nicht als Herrscher bezeichnet; vgl. Lux, "Ich, Kohelet bin König ...", S. 336f; dazu D. G. Meade, Pseudonymity and Canon, WUNT 39, Tübingen 1986, S. 60.

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Spuren redaktioneller Arbeit im Buch Kohelet

Grundschrift oder besser als Traktat bezeichnen. 12 Danach folgen kürzere und längere Abschnitte, die teils thematisch gruppiert, teils als gedanklich zusammenhängende Erörterungen anzusprechen sind.13 Eine durchgängige literarische Disposition ist freilich nicht zu ermitteln, es sei denn, daß man den einen oder anderen Text gewaltsam in eine Ordnung zwingt. 14 Hingegen zeigen stilistische Eigentümlichkeiten und charakteristische weisheitliche Topoi, daß die Stücke sämtlich der Denkweise eines Verfassers entstammen und in typischer Manier von Kohelet selbst (oder von einem Späteren?)1* formuliert sind. Dieser Befund verlangt ein redaktionsgeschichtliches Erklärungsmodell, nämlich daß das Koheletbuch aus mehreren Stücken zusammengesetzt ist, die dem Herausgeber vielleicht in gewisser Reihenfolge

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Die Bezeichnung Grundschrift oder Traktat unterstreicht die in sich abgeschlossene Komposition von 1,3-3,15. Sie möchte nicht im Sinne der älteren Literarkritiker mißverstanden werden, daß es sich bei ihr um eine später von verschiedenen Redaktoren sukzessiv erweiterte Urschrift handele. Vgl. dazu Siegfried, HK, S. 5f, der die Kapitel 1-3 seiner Grundschrift Q1 zuordnet; und neuerdings J. Coppens, La structure de l'Ecclésiaste, in: La Sagesse de l'Ancien Testament, BEThL 51, Leuven/ Louvain 1979, S. 288-292, bes. die Übersicht S. 290, dessen livret fondamental neben 1,1218; 2,1-26; 3,9-15 noch weitere Texte aus dem zweiten Buchteil enthält. Vgl. J. A Loader, Polar Structures in the Book of Kohelet, BZ AW 152, Berlin/ New York 1979, S. 8f und 111-114 sowie die unten in Kap. II ausgeführten Kompositionsanalysen. Von den vergeblichen Versuchen, einen planvollen Aufbau nachzuweisen, zeichnet die Forschungsgeschichte ein eindrucksvolles Bild. Einen Überblick bieten Crenshaw, OTL, S. 34-49, und D. Michel, Qohelet, EdF 258, Darmstadt 1988, S. 21-45. Wichtige Beiträge zur Struktur des Koheletbuchs liefern E. Podechard, La composition du livre de l'Ecclésiaste, RB 21 (1921), S. 161-191; H. L. Ginsberg, The Structure and Contents of the Book of Koheleth, in: Wisdom in Israel and in the Ancient Near East (FS H. H. Rowley), VT.S 3, Leiden 1955, S. 138-149; A. G. Wright, The Riddle of the Sphinx: Structure of the Book of Qoheleth, CBQ 30 (1968), S. 313-334; W. Zimmerli, Das Buch Kohelet - Traktat oder Sentenzensammlung?, VT 24 (1974), S. 221-230; F. Rousseau, Structure de Qohélet 14-11 et plan du livre, VT 31 (1981), S. 200-217; A. Schoors, La structure littéraire de Qohéleth, OLoP 13 (1982), S. 91-116; J. S. M. Muilder, Qoheleth's Division and also Its Main Point, in: Von Kanaan bis Kerala (FS J. P. M. van der Ploeg), AOAT 211, Kevelaer/ Neukirchen 1982, S. 149159; und zuletzt F. J. Backhaus, "Denn Zeit und Zufall trifft sie alle". Studien zur Komposition und zum Gottesbild im Buch Qohelet, BBB 83, Frankfurt am Main 1993. Vgl. dazu M. V. Fox, Qohelet and his Contradictions, JSOT.S 71, Sheffield 1989, S. 311, der in dem Verfasser des Epilogs (12,9-14!) und des Mottos (1,2; 12,8) nicht nur den Herausgeber, sondern auch den Autor des Buchs erkennt. Als Übermittler erzähle er von der Lehre des Weisen Kohelet. "The body of the book is formally a long quotation of Qohelet's words."

Kapitel I. Das Buch Kohelet

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vorlagen.16 Demgemäß stellt sich der Exegese die verwickelte Aufgabe, zwischen ursprünglichen und nachträglichen Verbindungen der Einzelstücke zu unterscheiden.17 Kompliziert wird die Untersuchung dadurch, daß grundsätzlich mit der Möglichkeit zu rechnen ist, daß Kohelet selbst seine Texte im nachhinein arrangiert hat. Es stellt sich somit die Alternative: Stammt das Buch von Kohelet oder von einem Redaktor.18 Leider ist das methodologische Problem, wie zwischen Kompositionstechnik des Verfassers und redaktioneller Tätigkeit eines Späteren sachgerecht differenziert werden kann, noch nicht grundsätzlich fur die Schriften der späten Weisheitsliteratur entwickelt, die weniger durch Überarbeitung und Ergänzung als durch Sammlung und Komposition entstanden sind und im Grunde auf einen Verfasser zurückgehen.19 Jedoch können wir uns vorläufig an dem Leitsatz orientieren, daß sich ein Verfasser bei der Auswahl und Zusammenstellung seiner Texte stärker von thematischen Überlegungen leiten lassen kann, während sich die kompositionellen Möglichkeiten eines Redaktors nach den vorgefundenen, bereits fixierten Texten richten und durch diese begrenzt werden. Wir beginnen unsere Untersuchung mit den Versen 6,1 lf; 7,23f und 8,16f, die ihrer Kürze wegen eine Sonderstellung einnehmen und kaum als selbständige Brückentexte anzusprechen sind. Da sie eher konstatieren als argumentieren und dabei auf typische Aussagen Kohelets unter Verwendung charakteristischer Formeln zurückgreifen, lassen sie sich als Überleitungen deuten.

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Bereits J. G. Herder mochte das Koheletbuch nicht als Dialog zwischen Forscher und Lehrer erklären, sondern vermutete eine Zusammensetzung aus mehreren einzelnen Stücken; vgl. Briefe das Studium der Theologie betreffend (1780), Sämtliche Werke, Bd. 10, Berlin 1967, S. 137. Vgl. weiter J. E. C. Schmidt, Salomo's Prediger, oder Koheleth's Lehren, Gießen 1794, S. 82: "Unser Buch, so wie es vor uns liegt, scheint aus Auffsäzen, - in verschiedenen Seelenstimmungen und zu verschiednen Zeiten niedergeschrieben, - zu bestehen; - und scheint noch kein, völlig fiir's Publicum ausgearbeitetetes Werk ..." Im folgenden stellt Schmidt neun Beobachtungen zusammen, die seine Auffassung untermauern; vgl. S. 82-90. Vgl. dazu auch R. N. Whybray, Ecclesiastes, OTGuides, Sheffield 1989, S. 45f. Vgl. das vorläufige Urteil von Zimmerli, Traktat, S. 230: "Daß die Gesamtsammlung des Korpus i 3 - xii 7 aus des Kohelet eigener Hand stammt, ist nicht mit Sicherheit zu bejahen, aber wohl auch nicht zwingend auszuschließen." Vgl. etwa Koh, Sir, Sap.

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Spuren redaktioneller Arbeit im Buch Kohelet

In der Forschung ist die Sonderstellung von 6,1 lf häufig bemerkt worden;20 denn die Verse setzen sich von ihrem unmittelbaren Kontext ab, besitzen keine spezifische Einleitung und bieten eine ungewöhnliche Konzentration rhetorischer Fragen. Ihre kompositioneile Funktion als Überleitung liegt auf der Hand. Einerseits zitiert V. 11 ein letztes Mal die Gewinnfrage und stellt dadurch Rückbezüge zum Traktat 1,3-3,15 und zur unmittelbar vorausgehenden Komposition 5,9-6,9 her.21 Andererseits dient V. 12a als Leitfrage fur die nachfolgende Spruchgruppe und V. 12b als Vorankündigung des in 7,14 wiederkehrenden Erkenntnisproblems. Daß V. 12b den Bogen über 7,14; 7,24; 8,7 bis 8,17 spannt und auf diese Weise eine sachliche Inclusio herstellt, erhärtet die Vermutung, als habe hier eine spätere Hand die Ordnungskriterien für die weitere Komposition eingeführt. Dafür spricht ferner, daß die Gewinnfrage in V. 11 und der negative 7oô-Spruch22 in 8,15 einander wie Frage und Antwort korrespondieren und dadurch eine redaktionelle Klammer bilden,23 obwohl die Frage nach dem bleibenden Gewinn24 in 7,1-8,14 gar nicht erörtert wird! Darüber hinaus dürfte schon die Formulierung von V. 12a die redaktionelle Prägung verraten; denn die rhetorische Frage veraeint kategorisch, daß dem Menschen ein Wissen um das für ihn Gute möglich sei. Kohelet selbst hätte aber kaum ein solches Wort vorangestellt, weil es seiner Erörterung der 7o¿>-Sprüche in 7,Iff fundamental widerspricht und zugleich seine Grundüberzeugung von der Freude als dem für den Menschen einzig mögliche Gut als illusorisch erscheinen lassen muß.25 Offenbar handelt es sich hier in 6,12a

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Vgl. z. B. R. Gordis, Koheleth - The Man and His World, TSJTSA 19, 3. Aufl. New York 1968, S. 262; Hertzberg, ΚΑΤ, S. 144; Lauha, BK, S. 118; Crenshaw, OTL, S. 130; Whybray, NCeB, S. 109. Vgl. Johnson, Question, S. 239f. Mit den Worten t a n D ' T O Π Π Π Ο ' Ό Ι wird hier im übrigen auf 5,6a zurückgegriffen! Vgl. dazu unten S. 38. Vgl. bes. G. S. Ogden, Qoheleth's Use of the "Nothing is Better"-Form, JBL 98 (1979), S. 349; Johnson, Question, S. 240: "Even the question in 6:11, although not a part of a bracketing structure, may be concluded by the 11V) y>N formula in 8:15." Vgl. dazu unten S. 186ff. Die Spannung hat bereits E. Wölfel, Luther und die Skepsis, FGLP Reihe 10/12, München 1958, S. 67 mit Anm. 80, wahrgenommen und seinerseits 7,1-9.1 lf als spätere Redaktion ausgeschieden. Umgekehrt hat D. Michel, Untersuchungen zur Eigenart des Buches Qohelet, BZAW 183, Berlin/ New York 1989, S. 163f, das Problem im Rahmen seiner Zitationstheorie zu lösen versucht und die Frage in 6,12a als gegnerische und von Kohelet hier zitierte Meinung bestimmt: "Diese Frage muß also die Position seiner Gegner charakterisieren; hinter ihr steht offenbar die Meinung:

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um eine sachliche Übertreibung der Position Kohelets, wie sie ähnlich in 8,17 zu beobachten ist. In beiden Fällen bezweckt der Redaktor eine Übersteigerung des von Kohelet in den Kapiteln 7 und 8 bekundeten Zweifels an einer universalen Erkenntnis des Menschen. Die Verse 7,23f geben sich ebenfalls als eine Überleitung zu erkennen. Einerseits hat man versucht, sie aufgrund des deiktischen DVtO als Zusammenfassung der vorausgehenden Reflexion zu deuten.26 In dieser Funktion wäre allerdings die Feststellung Kohelets, daß seine Weisheitssuche fruchtlos gebheben sei, fehl am Platze; denn sie widerspräche seiner in 7,18 festgehaltenen und durch 7,19-22 wohl begründeten Einsicht, daß in jedem Fall die dem Menschen angemessene Verhaltensweise darin besteht, besonnen zu handeln und seinen Gott zu furchten. Andererseits ist vorgeschlagen worden, die Verse aufgrund des Stichworts ΗΗΏ mit dem folgenden Abschnitt 7,25-29 zu verbinden. 27 Doch besitzt diese Reflexion in 7,25 bereits eine eigene Einführung. Deshalb hat die Forschung zurecht eine gewisse Sonderstellung der Verse 7,23f diagnostiziert28 und sie als eine Art Zwischenbemerkung betrachtet, mit der Kohelet nochmals an den fruchtlosen Vorgang der Weisheitssuche erinnere.29 Berücksichtigt man den weiteren Kontext, bilden 7,23f und 8,16f zweifellos eine Inclusio; denn die Verse spannen den Bogen vom Vorsatz Ich will weise werden in 7,23 bis zur Feststellung Selbst wenn der Weise etwas zu

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Was in der begrenzten Frist dieses Lebens, das der Mensch wie ein Schatten verbringt, für ihn gut ist, weiß niemand, deshalb kann der Mensch, so ist doch wohl die Folgerung, die sich aus der in 8b-10 greifbaren eschatologischen Hoffnung ergibt, seine Erfüllung nicht in diesem schattenhaften Dasein erwarten, sondern muß seine Vollendung von dem zukünftigen Leben nach dem Tode erhoffen." Vgl. Gordis, Koheleth, S. 280-282; Hertzberg, ΚΑΤ, S. 156; Michel, Eigenart, S. 261; Murphy, WBC, S. 69, 71f. Gleichwohl ist das ΓΚ nicht zwingend anaphorisch zu deuten, vgl. Β. K. Waltke / M. O'Connor, An Introduction to Biblical Hebrew Syntax, Winona Lake, Indiana 1990, 17.4.2e; ferner Galling, HAT, S. 109. Vgl. jedoch den ausdrücklichen Hinweis von Murphy, WBC, S. 69, daß das für 7,2529 konstitutive Wortpaar NiJ>D und VÜpl in 7,23f gerade nicht vorkommt; gegen M. V. Fox / B. Porten, Unsought discoveries: Qoheleth 7:23-8,la, Hebrew Studies 19 (1978), S. 26. Vgl. ζ. Β. Loretz, Orient, S. 285 Anm. 294: "Eine Verbindung mit dem Vorausgehenden und Nachfolgenden (...) legt sich nicht nahe." Vgl. Zimmerli, ATD, S. 207; Lauha, BK, S. 137; und im Anschluß daran Ch. Klein, Kohelet und die Weisheit Israels. Eine formgeschichtliche Studie, BWANT 132, Stuttgart/Berlin/Köln 1993, S. 120. Hinter ihrer Deutung steckt freilich ein subjektives Empfinden.

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erkennen behauptet, vermag er doch nichts herauszufinden in 8,17.30 Daher sind die Verse 7,23f als Verbindungsstück zu betrachten, die mit 8,16f eine redaktionelle Klammer bilden und den dazwischen piazierten Texten das Thema der Unergründbarkeit von Gottes Tun überordnen. Obwohl sie als Fragment von Kohelet stammen dürften,31 betrachten wir die Annahme, daß sie ihre jetzige Position im Buch Kohelet dem Herausgeber verdanken, aufgrund ihrer isolierten Stellung im Kontext und ihrer übergeordneten kompositionellen Funktion für berechtigt. Neben 6,1 lf und 7,23f lassen sich auch die Verse 8,16f als beabsichtigte Überleitung interpretieren.32 Dabei zeigen sie eine stark kumulative Formelsprache, die sich fur V. 16a aus 1,13; 1,17; 2,12; 3,10; fur V. 17a aus 1,8; 3,11; 7,14; 11,5 und fur V. 17b aus 7,23f speist. Für eine Ad-hoc-Bildung spricht darüber hinaus, daß die in 8,16 benutzte Formel was auf Erden geschieht nur noch im unmittelbar voranstehenden Abschnitt in 8,14 begegnet.33 Nachgerade erwiesen ist, daß beide Verse eine ausgesprochen kompositionelle Funktion besitzen und mit ihrer Feststellung, daß kein Mensch das Werk Gottes zu erforschen vermag, den mit 6,1 lf eröffneten Buchteil abschließen.34 Darüberhinaus ist deutlich eine gedankliche Verbindungslinie zu 3,11 zu erkennen. Dabei wird besonders hervorgehoben, daß selbst wenn sich der Mensch Tag und Nacht mühte, er gar nichts vom Werk Gottes erkennen kann. Nicht zuletzt die absolute Verneinung in V. 17a, die das in Verbindung mit der im untergeordneten Satz folgenden Negation Nt> darstellt,35 gibt der Aus-

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Auch sachlich entsprechen sich 7,23t und 8,16f präzise, insofern ΓΤ>η\ϋΤΙΏ in 7,24 metonymisch für das Geschehen unter der Sonne bzw. das gesamte Tun Gottes in 8,17 steht. Denn das Suffix in UNMD·» ist nicht auf die Weisheit zu beziehen, sondern auf das Sein als Werk Gottes, so daß die rhetorische Frage, die durch die Imperfektform einer emphatischen Verneinung gleichkommt, die Möglichkeit einer Erkenntnis definitiv abweist; vgl. dazu Johnson, Question, S. 195; Fox, Contradictions, S. 240. Vgl. dazu Loretz, Qohelet, S. 286f. Vgl. Lauha, BK, S. 160; Whybray, NCeB, S. 138: "Verses 16-17 may have been placed here by an editor who wished thereby to give a more systematic presentation of Qoheleth's thought. " Dies M t besonders auf, weil Kohelet gewöhnlich VtoVJn ΓΙΠΓΙ setzt, die Wendung hier aber durch ^""IKiT^y substituiert ist. Zur kompositioneilen Funktion vgl. oben S. 8 mit Anm. 23. tO mit meist ferngestellter Negation bedeutet steigernd gar nicht-, vgl. HAL 452b; GK § 152b. Daß hier t o als Verstärkung zur Verneinung gehört, beweist das im folgenden Satz in abgewandelter Form beigestellte Erkenntnisobjekt, das ohne formuliert ist.

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sage einen hyperbolischen Klang.36 Schließlich bringt V. 17b eine weitere Steigerung, indem er über den Weisen urteilt, daß selbst wenn er sich Erkenntnis zu verschaffen meint, er in Unwissenheit verharrt. Die in V. 16f angelegte sachliche Übertreibung erinnert zweifellos an den redaktionellen Rahmen 1,2 und 12,8, der durch die Kumulation des Themaworts t>in in gleicher Weise Kohelets Lehre überzeichnet. Dabei wird das Themawort "21Π in eindeutig negativem Sinn gebraucht und seine Mehrdeutigkeit auf die Bedeutung vergeblich reduziert.37 Fassen wir unsere Beobachtungen zusammen, so lassen sich alle drei Stellen 6,1 lf; 7,23f; 8,16f als redaktionelle Übergänge verstehen, die im Interesse einer übergreifenden Komposition geschaffen worden sind. Sprachlich knüpfen sie an Formulierungen Kohelets an, die größtenteils aus dem Buch entnommen sind. Dabei zeigen jedoch die kontextuelle Stellung und ihr sachlicher Akzent, daß sie in jedem Fall das Verständnis Kohelets als eines uneingeschränkten Skeptikers gegenüber der Weisheit in nachdrücklicher Weise hervorheben. Diese letzte Beobachtung untermauert den Schluß, daß alle drei Verbindungsstücke redaktioneller Art sind und im Ergebnis die vom Redaktor in den Rahmenversen 1,2 und 12,8 vertretene Deutung der Lehre Kohelets unterstützen. Im Fortgang der Untersuchung wenden wir uns nun den vorfindlichen Nahtstellen im Buch Kohelet zu und fragen, ob wir hier ebenfalls eine redaktionelle und um den Zusammenhalt der Stücke bemühte Hand erkennen können. Einen ersten Hinweis finden wir in 3,16. Hier dient "Tiyi offenbar als Verbindungspartikel, die einen syntaktischen Anschluß zur Grundschrift herstellen möchte. 38 Da die typischen Einleitungen zu den Reflexionen in der

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Vgl. dazu und bislang wenig beachtet Fox, Contradictions, S. 255. Zur Sache vgl. R. Bartelmus, Haben oder Sein - Anmerkungen zur Anthropologie des Buches Kohelet, BN 53 (1990), S. 46 Anni. 21. Zur Partikel vgl. Waltke / O'Connor, Syntax, 39.3. Ii; und Whybray, NCeB, S. 77: "The word is thus a connecting particle, probably editorial, intended to create a continuity between two of Qoheleth's otherwise separate observations". Vgl. ferner Sir 24,32 und 39,12, die beide mit ε τ ; zum nächsten Buchteil überleiten; dazu H. Stadelmann, Ben Sira als Schriftgelehrter, WUNT 2/6, Tübingen 1980, S. 35 Anm. 2.

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Regel asyndetisch mit Τ Ρ Ν Ί einsetzen,39 darf die Partikel als eine bewußt geschaffene Verbindung interpretiert werden.40 Weiterhin stehen die Hebel-Formeln in 4,16b und 6,9b unter dem Verdacht, als Schlußmarken eines größeren Zusammenhangs gesetzt zu sein.41 Die Tatsache, daß die weisheitliche Beispielgeschichte 4,13-16a-Spruch ja bereits eine bedingt negative

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Vgl. 1,14; 3,10; 4,15; 5,12; 6,1; 7,15; 8,9; 9,11; 10,5. Dagegen möchte man vermuten, daß die kopulative Satzverbindung in 4,1.4.7 den gesamten Abschnitt 3,16-4,12 zusammenzuhalten bezweckt. Schließlich erklärt sich das >JVN"ïï in 2,13 und 8,17 als Anknüpfung und Fortführung des vorausgehenden Infinitivs JT)N"Û. Vgl. auch Eilermeier, Qohelet, S. 287, der die Partikel zwar als Adverb deutet und das Waw unübersetzt lassen will, aber auch die Möglichkeit erwägt, ob nicht ~nyi eine rein formelle Anknüpfung seitens des Redaktors darstellt. Zu Schlußmarken in Koh vgl. die Analyse von J. de Waard, The Structure of Qohelet, in: Proceedings of the Eight World Congress of Jewish Studies. Devision A. 1981, Jerusalem 1982, S. 57-64. Nach Klein, Kohelet, S. 145, bringt schon 4,16aß Kohelets eigene Wertung, dagegen sei die Hebel-Formel in 4,16b als kümmerliche aber wirkungsvolle Parallele zu den ff»ä$ä/-Nachträgen in l,10f; 2,24b-26; und 3,10-15 zu deuten. Vgl. aber auch die Beobachtung von Hertzberg, ΚΑΤ, S. 103, daß die Schlußzeile V. 16b ohne metrische Entsprechung steht. Vgl. dazu V. Zapletal, Das Buch Kohelet kritisch und metrisch untersucht, Freiburg 1911, S. 168, der den Halbvers als Zufugung eines Glossators beurteilt. Vgl. unten S. 72ff. So die übliche Auslegung, vgl. Hertzberg, ΚΑΤ, S. 135; Michel, Eigenart, S. 158; und vorsichtig Fox, Contradictions, S. 223: "Furthermore, a negative judgement beginning 'this too is' is more meaningfully directed at the preferred term of comparison."

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Wertung des zweiten Elements enthält und somit die folgende Windhauchaussage nicht nur eine Doppelung des Negativurteils darstellt, sondern geradewegs die Aussage des 7o¿-Spruchs aus dem Lot bringt. Daher ist es wahrscheinlich, daß beide //e¿>e/-Formeln in 4,16b und 6,9b redaktionelle Schlußmarken darstellen und damit der Absicht des Redaktors entsprechen, dem Buch Kohelet insgesamt eine Deutung im Sinne der Rahmenverse 1,2 und 12,8 zu unterlegen. Schwer zu deuten ist der Halbvers in 7,25b, falls man ihn nicht kurzerhand für redundant erklären möchte.47 Während nämlich 7,25a mit ü p l und fQVjn die Hauptstichworte für die folgende Reflexion in V. 26-29 liefert, hängt V. 25b gewissermaßen in der Luft; denn der Halbvers kündigt zwar an, daß im folgenden noch Frevel und Dummheit, Torheit und Verblendung untersucht werden sollen,48 erschöpft sich aber in dieser Ankündigungsfunktion. Lediglich ein ausgesprochen lockerer Kontextbezug ist festzustellen, der die Ankündigung über das Stichwort yv¿~l mit 8,10 und über die Stichwortgruppe t>OD, m t O O , m t ^ i n mit 10,3.6.13 verbindet. Der lockere Kontextbezug und die Wiederaufnahme der zuvor verwendeten Infinitivkonstruktion durch n y î ^ l weisen darauf hin, daß es sich bei 7,25b um einen redaktionellen Zusatz handeln kann, der Ausblick auf die weiteren Ausführungen im hinteren

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Vgl. Siegfried, HK, S. 61. Glossenartigen Charakter registrieren Lauha, BK, S. 114; Zimmerli, ATD, S. 208. Der Halbvers ist sprachlich schwierig. Grammatisch läßt sich die Reihe entweder als schlichte Aufzählung der vier Objekte oder jeweils das zweite als beigestellte Nominalapposition interpretieren; vgl. dazu GK § 131c; Waltke / O'Connor, Syntax, 12.3c. Weniger wahrscheinlich ist der Versuch von Gordis, Koheleth, S. 28 lf, zwei doppelte Akkusative anzusetzen; vgl. dazu kritisch A. Schoors, The Preacher Sought to Find Pleasing Words. A Study of the Language of Qoheleth, Orientalia Lovaniensia Analecta 41, Leuven 1992, S. 167. Zur Auslegung vgl. Ν. Lohfink, War Kohelet ein Frauenfeind?, in: La Sagesse de l'Ancien Testament, BEThL 51, Leuven/ Louvain 1979, S. 274 Anm. 53, der hier eine gegen die Behauptung der traditionellen Weisheit gerichtete Aussage finden will, daß Bildung zur moralischen Perfektion führe. Kohelet prüfe, "ob moralische Schlechtigkeit mit mangelnder Bildung zusammenhängt, und Unwissen wiederum mit Verblendung". Die hier vorausgesetzte Differenzierung der Wortbedeutungen ist jedoch weder im Koheletbuch belegt noch lexikalisch nachzuweisen. Schon die alten Übersetzungen haben diese nicht wahrgenommen, sondern die Wörter (außer yiih) als Synonyma verstanden. Die Anreihung der Nomina legte sich die Septuaginta wie folgt zurecht, indem sie die ersten beiden unverbundenenen Nomina als Genetiwerbindung deutete (gegen die hebräische Grammatik mit y\£h als regens und als rectum!) und die folgenden beiden Nomina durch Zufugung von καν koordinierte.

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Teil des Koheletbuches geben möchte. Dabei ist offensichtlich die Absicht verfolgt, daß die in der Überleitung 7,23f geäußerte Skepsis gegenüber der Erkenntnis nicht nur fur die unmittelbar folgende Reflexion in 7,26-29 Geltung besitze, sondern auch durch die folgenden Texte bestätigt werde. Eine weitere Nahtstelle ist wohl zwischen 8,9 und 8,10 zu erkennen. Allerdings ist ihr in der Forschung bislang wenig Beachtung geschenkt worden.49 Die unterschiedlichen Abgrenzungen stellen das Dilemma vor Augen. Einerseits gehört V. 9 inhaltlich zum vorigen Abschnitt und ist über die Wurzel Ό^Ό mit V. 4 und 8 verbunden, so daß der Vers als Zusammenfassung und Abschluß der mit 8,1 einsetzenden Reflexion verstanden wird.50 Demgegenüber ist andererseits hervorgehoben worden, daß V. 9 als charakteristische Einleitungsformel eine neue Reflexion eröffne und daher mit V. 10-15 zu verbinden sei.51 Eine genaue Analyse des Verses ergibt, daß hier in der Tat eine Einfuhrung zu einer Reflexion vorliegt. In typischer Weise folgt ihr mit V. 9b eine kurze Angabe des Themas:52 (Es gibt) eine Zeit, da der Mensch über einen anderen Menschen herrscht, ihm zum Schaden. Dieses Thema wird jedoch im folgenden gar nicht aufgenommen. Vielmehr setzt V. 10 mit einer Beispielerzählung neu ein und eröffnet die in V. 11-15 vorliegende Reflexion über das Ausbleiben der göttlichen Vergeltung. Da zwischen V. 9 und V. ΙΟΙ 5 kein sachlicher Zusammenhang festzustellen ist, vermuten wir, daß 8,9 einmal eine eigenständige Reflexion über das Herrschen einführte, diese aber in der Vorlage des Redaktors nicht enthalten oder nicht ausgeführt gewesen ist. Der Redaktor hat die Lücke ergänzt und durch p l l eine den Aufzeichnungen Kohelets entnommene Beispielerzählung redaktionell angeschlossen. Dabei dürfte das für die Reflexion 8,10-15 bestimmende Leitwort Π VI in V. 1 lf die Anfügung motiviert haben. Wenngleich die gegebene Erklärung hypo49 50

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Vgl. jedoch den Hinweis von S. de Jong, A Book on Labour, JSOT 54 (1992), S. 111. Vgl. ζ. Β. Gordis, Koheleth, S. 291f; Hertzberg, ΚΑΤ, S. 167; Loader, Structures, S. 69f; Lauha, BK, S. 150f; Fox, Contradictions, S. 245; Crenshaw, OTL, S. 153. Vgl. auch Michel, Eigenart, S. 98, der hier das TPhO mit betrachten übersetzt und dadurch auch sprachlich das Fazit des Gedankengangs eingeleitet findet. Vgl. ζ. B. Eilermeier, Qoheleth, S. 54f; 84f; Galling, HAT, S. 111; Zimmerli, ATD, S. 214. Der Versuch, die D>yvh auf die Machthaber zu deuten und dadurch einen Anschluß an die Königssprüche zu erreichen, hat jedenfalls keine Stütze im hebräischen Text. Vgl. 2,18 mit kurzer Themenangabe in 2,18b; 4,4 mit 4,4aß(b); 5,12 mit 5,12b; 9,1 mit 9,1b.

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thetischer Art ist, wird man jedenfalls nicht über die Sonderstellung des Verses hinweg sehen dürfen: V. 9 bildet eine redaktionelle Brücke und verbindet 8,1-8 nachträglich mit 8,10-15. 9,1 bietet die einzige Stelle im Buch Kohelet, an der ein Ό die folgende Reflexion einleitet. Da die fur Kohelet typischen Einleitungsverse in der Regel einen Neueinsatz in der Gedankenfìihrung markieren,53 stellt sich die Frage nach der Bedeutung des Zunächst scheint sich ein emphatisches Ver54 ständnis anzubieten. Doch leuchtet nicht ohne weiteres ein, warum Kohelet ausgerechnet hier den Neueinsatz durch eine Asseverativpartikel hervorhebt; denn in der Regel verwendet er emphatisches Ό argumentativ und zwar, wenn er innerhalb eine Reflexion ein Zitat, eine Feststellung oder eine Wertung einfuhrt. Außerdem fallt die wiederholte Verwendung der Deixis PlVtO TIN auf, die 9,1 deutlich als eine Nahtstelle im Buch Kohelet ausweist.55 Ihre Doppelung erregte mitunter den Verdacht, daß das erste PlVtO TIN Ό textkritisch zu streichen sei und der Einleitungssatz ursprünglich mit TIN "»TITÜ ">1*2 eingesetzt habe.56 Im Gegensatz zu einer solchen radikalen Lösung weist die redaktionsgeschichtliche Fragestellung in eine andere Richtung und gibt zu bedenken, ob es sich hier nicht um eine nachträgliche und im Rückgriff auf 8,9 geschaffene Überleitung handelt. Offenbar ist die Partikel doch kausal gefärbt und bezweckt eine deutliche Anknüpfung nach vorne, auch wenn sich keine feste logische Verbindung behaupten läßt.57 In dieser Beziehung eignet sie sich zur redaktionellen Verknüpfung und verfolgt das Interesse, den gesamten Abschnitt 9,1-12 nachträglich als Begründung bzw. Explikation der in 8,16f ausgeführten Unerkennbarkeit des Werkes Gottes an seine jetzige Stelle zu

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Vgl. ζ. B. 3,16; 4,4; 5,12; 6,1; 7,15; 7,25; 8,10; 9,11; 9,13; 10,5. Vgl. dazu Michel, Eigenart, S. 200-212; Schoors, Preacher, S. 103-110. Vgl. Κ. Ehlich, Verwendungen der Deixis beim sprachlichen Handeln, Teil 2, Forum linguisticum 24, Frankfurt am Main 1979, S. 874 und 875 (zu Koh 7,23!). Backhaus, "Zeit und Zufall", S. 263 Anm. 1, möchte das erste PirtO DK anaphorisch und das zweite n v t o TIN kataphorisch auffassen. Damit erhalte 9,laa eine Art "Scharnierfunktion". Vgl. 1,13. Zur Streichung vgl. BHK z. St.; Galling, HAT, 1. Aufl., S. 80; und im Anschluß daran K. Koch, Gibt es ein Vergeltungsdogma im Alten Testament?, ZThK 52 (1955), S. 33 (wiederabgedr. in: Spuren des hebräischen Denkens. Beiträge zur alttestamentlichen Theologie, Gesammelte Aufsätze Bd. 1, Neukirchen-Vluyn 1991, S. 95). Zutreffend Fox, Contradictions, S. 256: "The opening ki is aloose causal particle that explains why the above is said rather than why it is true."

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setzen. Somit ist wahrscheinlich, daß das Ό in 9,1 statt eines wirkungsvollen Neueinsatzes eine lose Verknüpfung von 8,16f mit 9, Iff beabsichtigt und in Verbindung mit der Deixis als eine redaktionelle Überleitung verfaßt worden ist. In 9,13 bereitet Probleme, daß zwei Akkusative vorhanden sind und folglich sowohl das deiktische D V D } als auch die D Ö O n als Objekte des Betrachtens in Frage kommen. 5 " Dabei fuhrt die Beobachtung, daß in der zweiten Vershälfte das Ν TI konkret nur auf die Weisheit bezogen sein kann, 5 ' also auch in der ersten Vershälfte als Untersuchungsobjekt zu gelten hat, folgerichtig zu der Vermutung: Die Reflexion 9,13-18 samt der in sie verzahnten Sprichwortgruppe 10,Iff 6 0 ist durch redaktionelles PUT)} 61 hier eingeschoben worden.

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Die Forschung hat die Schwierigkeit zu beseitigen versucht, indem sie den zweiten Akkusativ als Prädikativ deutete, vgl. Delitzsch, BC, S. 357, oder als Apposition erklärte, vgl. Gordis, Koheleth, S. 310; Crenshaw, OTL, S. 165; Whybray, NCeB, S. 147. So übersetzt beispielsweise Michel, Qohelet, S. 160: "Auch dies betrachtete ich (als Beispiel von) Weisheit unter der Sonne ..." Allerdings ist grammatisch gesehen die auseinandergezogene Stellung beider Akkusative ziemlich ungewöhnlich, so daß es auch an Versuchen nicht gefehlt hat, das Π£ΰΙΊ zusammen mit inhaltlichen Erwägungen zu tilgen; vgl. BHS z. St. Vgl. auch LXX und Vg. Die einzige richtige Auslegung ist die, daß Kohelet Weisheit unter der Sonne betrachtete und zwar Weisheit von außerordentlicher Größe, wie sie in der folgenden Beispielgeschichte entgegentritt; vgl. Delitzsch, BC, S. 358. Denn die Reflexion schildert ja ein Beispiel, worin sich die Weisheit tatsächlich als großartig hätte erweisen können, aber eben nicht zum Zuge gekommen ist. Die Beispielgeschichte will also keineswegs die Wertlosigkeit der Weisheit generell herausstellen, so daß alle Versuche, ihre positive Wertung durch 9,13b abzumildern oder zu verkehren, zurückzuweisen sind. Vgl. Loader, Structures, S. 59, der PÒ TD nicht auf die Weisheit der Parabel, sondern auf die Weisheit der Reflexion Kohelets beziehen möchte; oder Lauha, BK, S. 177, der darin eine ironische Bemerkung erkennt, die den Inhalt des folgenden Beispiels vorwegnehmend kritisiere: "wahrhaftig großartig ist dieser Fall in seinem Unsinn!" Zwischen den Versen 9,16 und 9,18, die jeweils einen traditionellen 7oè-Spruch mit Kurzkommentar Kohelets bieten, ist V. 17 formal eingebettet und wirft mit der Gegenüberstellung von Weisen und Toren einen Blick auf den folgenden Spruchzyklus voraus. Vgl. G. S. Ogden, The "Better"-Proverb (Töb-Spruch), Rhetorical Criticism, and Qoheleth, JBL 96 (1977), S. 493 und 497 mit Verweis auf die thematisch einfuhrende Funktion des Verses; dazu I. J. J. Spangenberg, Quotations in Ecclesiastes: An appraisal, Old Testament Essays 4 (1991), S. 29, der auf den kunstvollen Aufbau der Verse aufmerksam macht: "it consists of two prose sences ( w 16 and 18) both of which commence with a quotation as well as two wisdom sayings ( w 17 and 1). If the two quotations ( w 16a and 18a) follow directly upon one another, they appear to form a 'better'-saying." Vgl. dazu auch die Überschriften in Prov 24,23; 25,1.

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Dabei fungiert 9,13 als eine Art Überschrift, indem sie die Aufmerksamkeit auf ein Neues lenkt.62 Als Abschluß der Spruchgruppe 10, Iff kommt 10,14 in Betracht.63 Für seine redaktionelle Bildung spräche, daß für 10,14a auf 5,6; 6,11 und für 10,14b auf 6,12; 8,7 zurückgegriffen wird. Danach würde Vers 10,14 die in 10,1-13 vorliegende Spruchgruppe über Stärke und Schwäche der Weisheit durch die Feststellung beschließen, daß selbst wenn der Tor endlos redet, kein Mensch etwas über die Zukunft auszusagen vermag.64 Somit hat sich uns die Annahme bestätigt, daß die behandelten Verse Spuren redaktioneller Tätigkeit aufweisen. Für eine nachträgliche Kompositionsarbeit lassen sich darüber hinaus Anordnung und Verknüpfung einzelner Texte anfuhren, deren kontextuelle Stellung im Rahmen einer Gesamtkomposition bislang dunkel blieb. So ist ζ. B. die in 4,13-16a ausgeführte Beispielgeschichte lediglich durch die Form des Tob-Spruchs, vgl. 4,9, sowie über die Stichwörter OVj, vgl. 4,8.9, und ^¡TpN, vgl. 4,8, mit der vorigen Reflexion verbunden. Daher dürfte ihre jetzige Stellung auf kompositionelle Überlegungen zurückzuführen sein.65 Mit 5,7f ist an den vorausgehenden Schultext 4,17-5,6 ein Spruch über die administrative Gewalt angefugt. Obwohl das Wort inhaltlich isoliert steht,66

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Vgl. A. Schmitt, Zwischen Anfechtung, Kritik und Lebensbewältigung. Zur theologischen Thematik des Buches Kohelet, TThZ 88 (1979), S. 118 Anm. 26. Die Probleme, die 10,14 der Exegese bereitet, lassen sich am Votum von Ginsberg, Structure, S. 144 Anm. 1, illustrieren. Dort konstatiert er, daß es schon eines Taschenspielertricks bedürfe, um 10,14b in den jetzigen Kontext einzupassen. Die ursprüngliche Fortsetzung von 10,12-14a könne nur 10,3b darstellen. Demzufolge rekonstruiert er den Text 9,17-10,3a. 4-14a.3b.l5-19 und betrachtet 10,14b als thematische Einfühlung zu 10,20; 11,1-6. Vgl. ferner Galling, HAT, S. 116f; Lauha, BK, S. 190£ Beide schlagen vor, V. 14a durch V. 15a txt em zu ergänzen und V. 15b hinter V. 16a umzustellen, während V. 14b als Glosse zu streichen sei. Anders urteilen die Vertreter der Zitationstheorie, die V. 12-13 als ein aus der traditionellen Weisheit stammendes Zitat betrachten, das nach Art des Hauses Kohelet kommentiert werde; vgl. Lohfink, NEB, S. 77; Michel, Eigenart, S. 266. Zur Funktion von 10,14b vgl. auch Klein, Kohelet, S. 78. Vgl. Eilermeier, Qohelet, S. 123 mit Anm. 47; W. Zimmerli, Das Buch Kohelet Traktat oder Sentenzensammlung?, VT 24 (1974), S. 227 mit Anm. 2; ders., ATD, S. 180; Murphy, WBC, S. 42. Vgl. ferner Schoors, Structure, S. 104, der 4,13-16 als einen Anhang zu 4,1-12 betrachtet (La vie en société). Bedenkenswert sind jedoch die exegetischen Überlegungen von J. L. Kugel, Qohelet and Money, CBQ 51 (1989), S. 33-38, der in 5,5 einen Spruch über das Pfändungsinstitut ermittelt, während er in 5,7 PÏ2J nach einer mittelhebr. und aram. belegten

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setzt es durch den Vetitiv in V. 7 formal die Reihe der Mahnsprüche fort, vgl. 4,17-5,6, und liefert mit γηΤΡ in V. 8 das zur folgenden Komposition verbindende Stichwort, vgl. 5,15. Demzufolge dient der Spruch 5,7f als redaktionelle Brücke zwischen den Textblöcken 4,17-5,6 und 5,9-6,9.67 Die Stellung des aus der Beispielerzählung 9,13ff und der Spruchgruppe 10,Iff zusammengestellten Schultexts 9,13-10,13 ist ebenfalls dunkel. Denn das Thema der Weisheit ist hier gegenüber dem voranstehenden Abschnitt 9,112 neu eingeführt. Umgekehrt zeigt sich, daß der Dreh- und Angelpunkt von 9,1 lf, nämlich daß Zeit und Zufall als unberechenbare Größen das Geschick des Menschen bestimmen, im Schultext 9,13-10,13 keine Rolle spielt,®8 stattdessen für die erst in 11,1-6 folgende Spruchkomposition konstitutive Funktion besitzt.49 Diese Beobachtung weckt die Vermutung, daß der ganze Abschnitt 9,13-10,20 mittels ΠΓ03 als Nachtrag redaktionell eingeschoben ist. Offenbar hat sich der Herausgeber bemüht, den Schultext 9,13-10,13 und die in 10,15-20 zusammengestellten Einzelsprüche Kohelets noch in seiner Zusammenstellung der Lehren unterzubringen, bevor er die Komposition 11,112,7 mit dem eindrucksvollen Poem über das Alter ans Ende des Büchleins setzte.

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Wurzelbedeutung take payment, collect als Wechsler, Schuldeintreiber deutet und übersetzt: "If you see the oppression of the poor and the perversion of justice and right in the place of judgement [sic!], do not be astonished at the matter; for one payment-taker upon another is at watch, and other payment-takers upon them." Falls sich Kugeis Auslegung bestätigen sollte, wäre freilich eine thematische Beziehung zwischen 5,5 und 5,7 entdeckt. Trotzdem hat sich die oben diskutierte Frage nicht erledigt, sondern erzwingt eine weitere Erklärung: Warum wird die Reihe der Mahnsprüche bereits in 5,6 durch die Mahnung zur Gottesfurcht kompositorisch beschlossen, wenn 5,7 ursprünglich mit 5,5 verbunden gewesen sein sollte? Das doppelte O ist durchaus kein Indiz dafür, daß 5,6b später redaktionell zugefugt worden ist. Vielmehr bezieht sich das zweite auf den gesamten Abschnitt und leitet einen Satz ein, der abschließend die Reihe der Mahnungen motiviert. Zu dieser Funktion des Ό vgl. J. L. Crenshaw, Prohibitions in Proverbs and Qoheleth, in: Priests, Prophets and Scribes (FS J. Blenkinsopp), JSOT.S 149, Sheffield 1992, S. 120. Zudem ist festzuhalten, daß 5,7f sachlich auf 3,16 und 4,1 zurückweist. Vgl. bereits H. Graetz, Kohélet oder der salomonische Prediger, Leipzig 1871, S. 114, mit seiner Vermutung, daß zwischen V. 12 und 13 einige Verse ausgefallen seien; denn die Gedankenreihe von der Herrschaft des Zufalls habe eigentlich keinen Abschluß gefunden und die Einleitung PIUD) weise auf eine frühere Rede vom Nutzen der Weisheit zurück. Der deutlich thematische Bezug zwischen 9,11 f und 11,1 -6 wird kaum wahrgenommen, vgl. jedoch Lohfink, NEB, S. 80.

Kapitel I. Das Buch Kohelet

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Bevor wir aus der Fülle der Einzelbeobachtungen ein redaktionsgeschichtliches Gesamtbild zu zeichnen versuchen, machen wir die Probe und fragen nach den der Redaktion vorgegebenen kohärenten Textstücke. Wie wir unten in Kap. II noch ausführlich erörtern werden, begegnen im hinteren Teil des Koheletbuches drei größere Kompositionen, die je fur sich eine sachliche Einheit bilden, argumentative Züge besitzen und offenbar auf Kohelet selbst zurückgehen: 5,9-6,9; 9,1-12; 11,1-12,7. Als wichtigstes Ergebnis wird sich herausstellen, daß Kohelet mit 5,17-19; 9,7-10; 11,7-10* seine theologischen Kernaussagen jeweils ins Zentrum seiner Kompositionen stellt. Neben den längeren Prosastücken finden sich in Koh die Spruchgruppen 4,17-5,6; 7,1-22 sowie 9,13-10,13, die als ursprüngliche Einheiten zu betrachten sind. Diese Abschnitte wurden offensichtlich als Schultexte konzipiert, letzterer dürfte fur den Unterricht verschiedene Sprüche zum Thema Stärke und Schwäche der Weisheit zusammengestellt haben.70 Dagegen ist es zweifelhaft, ob auch die das soziale Leben aus der Perspektive der Ungerechtigkeit bedenkenden Texte 3,16-4,3; 4,4-12; 4,13-16 eine kompositorische Einheit darstellen.71 Schließlich erweisen sich 7,25-29; 8,1-8; 8,10-15 als kohärente Einzeltexte, die durch 7,23f und 8,16f als redaktionelle Klammern zusammengehalten werden. Daß es sich hier um eine vom Redaktor vorgenommene nachträgliche Zusammenstellung von Einzeltexten handelt, erklärt schließlich die Merkwürdigkeit, daß im Korpus allein in 7,27 Kohelet als Sprecher in der dritten Person eingeführt und dadurch das Folgende explizit als Meinung des Lehrers gekennzeichnet wird.72 Für die Buchrolle ergibt sich somit eine eindrucksvolle gleichartige Gliederung in die vier Teile 1,3-3,15; 3,16-6,12; 7,1-8,17; 9,1-12,7 (vgl. Tabelle

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Vgl. dazu G. S. Ogden, Qoheleth IX 17 - X 20. Variations on the Theme of Wisdom's Strength and Vulnerability, VT 30 (1980), S. 27-37. Die von Ogden vorgenommene Abgrenzung ist durch den Hinweis zu korrigieren, daß 9,13-16 als einleitendes Beispiel der Spruchgruppe 9,17ff vorausgeht; vgl. A. Lange, Weisheit und Torheit bei Kohelet und in seiner Umwelt, EHS T 433, Frankfürt a. M./ Bern/ New York/ Paris 1991, S. 169f. Leitbegriffe in 9,13-16 sind ΟΟΠ und t n x Vgl. bereits Seb. Schmidt, Commentarius in librum Salomonis regis hebr. Koheleth, graec. et lat. Ecclesiastes dictum, Argentor. [Straßburg] 1691, der in seiner Einteilung des Buches Kohelet den Abschnitt 3,15(!)-4,16 mit Monstratio sani iudicii de variis in vita humana casibus überschrieb. Vgl. dazu Lohfink, NEB, S. 10, der in seiner systematisch orientierten Aufbauskizze die fraglichen Texte unter das Stichwort Gesellschaftskritik I subsumiert. Zum Problem der Einfügung des JÙDpn "IQΝ vgl. Whybray, NceB, S. 126.

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Spuren redaktioneller Arbeit im Buch Kohelet

A, S. 287). Der Redaktor fugte an den Traktat einen zweiten Buchteil an und ordnete verschiedene Texte zusammen, die um die Vergeblichkeit menschlicher Arbeit und Anstrengung kreisen und ebenfalls der Leitfrage Was ist der Gewinn? unterstellt werden können.73 6,1 lf leitet zum dritten Buchteil über, der sich mit traditioneller Bildung auseinandersetzt. Der Abschnitt beginnt in 7,Iff mit einem Schultext und bringt in der redaktionellen Klammer von 7,23f und 8,16f weitere Stücke, die er unter das Leitthema Wer kann das Tun Gottes herausfinden? gestellt wissen will.74 Den vierten und letzten Buchteil bestimmen zwei größere Kompositionen in 9,1-12 und 11,1-12,7, die davon handeln, daß der Mensch Zeit und Tod ausgeliefert ist. Dazwischen stellte der Redaktor den Schultext 9,13-10,13 und hängte noch vereinzelte Sprüche an. Typisch fur den Abschnitt ist, daß darin die Aussage Der Mensch weiß es nicht! immer wiederkehrt und eine weitere Verbundenheit schafft.75 Der vierte Buchteil klingt aus in einem Poem, das Alter und Tod des Menschen besingt. Mit dem Topos vom Staub, wozu der Mensch zurückkehrt, verweist 12,7 zum Anfang des zweiten Buchteils in 3,16-21 zurück. Den Gesamtrahmen bilden letztlich 1,2 und 12,8, die das Korpus redaktionell umgeben. Statt der immer wieder vergeblich gesuchten Gesamtkomposition hat sich uns eine redaktionelle Gliederung ergeben, welche die Buchrolle in vier Abschnitte einteilt und dabei die wechselnde Abfolge der Lehrtexte lose bestimmt.74 Mithin ist es unmöglich, das Buch Kohelet als ein literarisches Gesamtkunstwerk zu betrachten. Vielmehr setzt es sich aus verschiedenen Stücken zusammen, die ursprünglich einmal selbständige Darlegungen bildeten und auf ihre Verwendung in der Schule hindeuten. Ihre Entstehung ist eng mit der Lehrtätigkeit des Weisen verbunden. Schließlich erklärt sich die Herkunft der

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Darauf verweisen auch die im Kontext der Gewinnfrage benutzten Hebel- Aussagen, die in der Grundschrift 1 Omal (mit 1,17) vorkommen und im zweiten Buchteil 8mal (mit 5,15) wiederkehren, während sie im dritten und vierten Buchteil fast völlig fehlen. Vgl. A. G. Wright, The Riddle of the Sphinx: Structure of the Book of Qoheleth, CBQ 30(1968), S. 325. Vgl. 9,1.5.11.12; 10,14.15; 11,2.5.6. Nach der Zusammenstellung hat das Buch Kohelet eine weitere Bearbeitung erfahren, die an zentralen Stellen theologische Korrekturen einträgt. Zu dieser Redaktion rechnen wir 3,17; 6,10; 9,3b; 11,9b. Da die Zusätze eine sachliche und teilweise sprachliche Nähe zu 12,12-14 zu erkennen geben, lassen sie sich der Hand des zweiten Epilogisten zuweisen. Dies gilt auch für 6,10, der ähnlich wie 12,13b stilisiert ist; vgl. dazu Delitzsch, BC, S. 215.

Kapitel I. Das Buch Kohelet

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Fragmente 5,7f; 6,1 lf; 7,23f; 8,9; 8,16f und der Einzelsprüche 10,15ff am besten aus dem Schulbetrieb. Die offenbare gedankliche Einheit des Buchs sowie seine Brüche und lose Anordnung der Texte bestätigen das redaktionsgeschichtliche Gesamtbild: Das Buch Kohelet ist ein Sammelwerk, das auf ihm vorgegebenen Einzeltexten unterschiedlichen Umfangs beruht.

2. Ist der erste Epilogist der Herausgeber? Hat unsere vorhergehende Analyse erwiesen, daß die Edition von 1,2-12,8 nicht auf Kohelet selbst zurückgeht, stellt sich die Frage, ob wir den verantwortlichen Redaktor mit dem ersten Epilogisten identifizieren dürfen.77 Daß der Text 12,9-11 nicht von Kohelet stammt, ist bereits gegen Ende des 18. Jahrhunderts entdeckt und in der weiteren Forschung beachtet worden.78 Mit dem Nachwort glaubte man, eine biographische Notiz aus zweiter Hand zu besitzen, die einer seiner Schüler verfaßt habe. Insofern bestimmte seine Auswertung im Grunde genommen die Frage, welche Informationen über Person und Werk Kohelets daraus erhoben werden können. Seltener galt das Interesse dem Nachwort selbst als Text des ersten Epilogisten. Demgegenüber stellt sich uns die Aufgabe, das mit 12,9-11 verbundene Interesse des ersten Epilogisten zu ermitteln und sein Verhältnis zu den im Korpus 1,3-12,7 versammelten Texten zu bestimmen. Wir setzen dazu mit einer Untersuchung von Form und Funktion dieses ersten Epilogs ein und suchen sodann nach Hinweisen, die eine redaktionelle Tätigkeit des ersten Epilogisten erkennen las-

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Zu der in der neueren Forschung weitgehend anerkannten und hier vorausgesetzten Unterteilung des Nachwortes in einen ersten in 12,9-11 und einen zweiten in 12,12-14 vorliegenden Epilog vgl. z. B. Podechard, EtB, S. 160f; Galling, HAT, S. 124f; Lauha, BK, S. 217-220, 220-223; Zimmerli, ATD, S. 244f, 246f; Lohfink, NEB, S. 85f; Crenshaw, OTL, S. 189f; Whybray, NceB, S. 169; Ogden, Readings, S. 207f. Zum Verhältnis der beiden Epiloge zueinander vgl. jetzt K. Koenen, Zu den Epilogen des Buches Qohelet, BN 72 (1994), S. 24-27. Nach Auskunft von Steuernagel, Lehrbuch, S. 716, hat erstmals Joh. Ch. Döderlein die Echtheit des Epilogs bestritten; vgl. Salomons Prediger und Hoheslied, neu übersetzt mit kurzen erläuternden Anmerkungen, Jena 1784, S. 161 (vgl. bereits Scholia in libros Veteris Testamenti poéticos, 1779, S. 187). Vgl. weiter Schmidt, Koheleth's Lehren, S. 203f; Bertholdt, Historisch-kritische Einleitung, S. 2250f; Knobel, Commentar, S. 362f.

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Ist der erste Epilogist der Herausgeber?

sen. Dagegen können wir die in letzter Zeit mehrfach erörterte Frage nach der Bedeutung des gesamten Epilogs für die Geschichte der Kanonisierung der hebräischen Bibel hier nicht berücksichtigen.79 Seine nächste Parallele besitzt Koh 12,9-11 im ersten Nachwort des Sirachbuches in Sir 50,27f, das gewöhnlich als persönliche Unterschrift des Siraziden betrachtet wird. Aber nicht nur die gegenüber Sir 24,30-34 und 33,16-18 auffallige Einfuhrung Ben Siras in dritter Person mitsamt seiner ausführlichen Namensnennung, sondern auch die unerwartete Vorstellung des Siraziden als Schriftausleger*0 und die Prov 1,3 entsprechende Bezeichnung seiner Weisheitsschrift als

"ΙΌΊΧ381 sprechen dafür, daß der Nachtrag ebenfalls der

Hand eines Schreibers oder Herausgebers zuzuweisen ist. Mithin sind wir berechtigt, die beiden Nachworte Koh 12,9-11 und Sir 50,27f als biblische Kolophone zu deuten.82 Formal entsprechen sie sich in ihrem dreigliedrigen Aufbau:" Das dem (ursprünglichen?) Sirachbuch angefügte Kolophon charakterisiert in V. 27a das Werk als weisheitliche Lehre und nennt den Namen

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Zur Diskussion vgl. G. H. Wilson, "The Words of the Wise": The Intent and Significance of Qohelet 12:9-14, JBL 103 (1984), S. 175-192; G. T. Sheppard, The Epilogue to Qoheleth as Theological Commentary, CBQ 39 (1977), S. 182-189 (= ders., Wisdom as a Hermeneutical Construct: A Study in the Sapientializing of the Old Testament, BZAW 151 Berlin/New York 1980, S. 121-129); Ch. Dohmen / M. Oeming, Biblischer Kanon, warum und wozu? Eine Kanontheologie, QD 137, Freiburg i. B. 1992, S. 30-54; dazu F. J. Backhaus, Der Weisheit letzter Schluß! Qoh. 12,9-14 im Kontext von Traditionsgeschichte und beginnender Kanonisierung, BN 72 (1994), S. 28-59. Vgl. J. Marböck, Sir 38,24-39,11: Der schriftgelehrte Weise, in: La Sagesse de l'Ancien Testament, BETL 51, Leuven/Louvian 1979, S. 313, der auf das Hapaxlegomenon ΎιΠΟ in Sir 50,27 hinweist. In Qumran wird es als terminus technicus für prophetische Deutung und Verkündigung von Schriftworten verwendet. Verständig machende Zucht. Zu Prov 1,2-6 als Vorspruch der gesamten Sprüchesammlung vgl. A. Meinhold, Die Sprüche. Teil 1: Sprüche Kapitel 1-15, ZBK 16/1, Zürich 1991, S. 47-49. Vgl. die grundlegende Studie von H. M. I. Gevaryahu, Biblical Colophons: A Source for the "Biography" of Authors, Texts and Books, in: Congress Volume Edinburgh 1974, VT.S 28, Leiden/ New York/ Köln 1975, S. 42-59, bes. S. 44: "The scriptural colophon is a note of the copyist-scribe (who was not the author of the text) which furnishes, besides technical information on the origin, type and scope of the composition, biographical data of the author, his name, place, period, and also information on persons having some connection with the given composition. Occasionally the 'colophonist' evaluates the composition and indicates the use of it in line with the custom of his times." Vgl. dazu P. W. Skehan / A. A. Di Leila, The Wisdom of Ben Sira, AncB 39, New York 1987, S. 559.

Kapitel I. Das Buch Kohelet

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seines Verfassers, V. 27b lobt die Verständigkeit des Siraziden und V. 28 empfiehlt sein Buch mit einer abschließenden Preisung.84 (27a) Verständig machende Zucht und Sprüche in rechter Form85 von Simon Ben Jeschua Ben Eleaser Ben Sira,u (27b) dessen Herz vor Schriftauslegung und der Einsicht hervorquellen

übersprudelte

ließ.

(28) "Gepriesen sei, wer hierüber

nachdenkt/

und wer es sich zu Herzen nimmt, werde klug. " Der strukturelle Vergleich mit dem uns in Koh 12,9-11 überlieferten Kolophon ergibt einen ähnlichen Aufbau: V. 9 nennt zunächst den Namen des Verfassers und beschreibt Kohelet ad maiorem gloriam als Weisen, V. 10 würdigt das Werk und V. 11 empfiehlt es durch einen abschließenden Wahrspruch. (9) Nachtrag,·87 Kohelet war ein Weiser, der die Leute ununterbrochen Erkenntnis lehrte. Er hörte, dichtete88 und ordnete89 eine Menge Sprüche.

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Zur Textrekonstruktion vgl. Skehan / Di Leila, AncB, S. 556f. Der in der hebräischen Uberlieferung folgende Halbvers 29b könnte ursprünglich die Überschrift zu 51,1 -12 gebildet haben; vgl. das Stichwort >>Π in 51,2 sowie die Handschrift B, die den Psalm mit 50,29b in neuer Zeile beginnt; dazu S. Schechter / Ch. Taylor, The Wisdom of Ben Sira, Cambridge 1899. Wenige griechische Handschriften bieten eine eigene Überschrift zu Sir 51,1-12, vgl. J. Ziegler, Sapientia Iesu Filii Sirach, Septuaginta Vetus Testamentum Graecum, Vol. XII/2, Göttingen 1965, S. 362. Unserer Auffassung nach ist V. 29b erst sekundär zugewachsen und in der griechischen Überlieferung zu einem vollen Spruch ergänzt worden. Der Fall ist aber nicht vollständig aufzuklären, da die disparate Überlieferung den Umlauf verschiedener Textfassungen wahrscheinlich macht. Der zu tOiü "1ΌΊΏ parallele Ausdruck CP3D1N ^VJl)0 meint in etwa Sprüche in rechter (metrischer?) Form, vgl. HAL 76b. Die griechische Textüberlieferung ergänzt dahinter έχάραξεν έν τω β ι β λ ί ω τούτω. Zur Überlieferungsproblematik der Namensform informiert O. Kaiser, Grundriß der Einleitung in die kanonischen und deuterokanonischen Schriften des Alten Testaments Bd. 3: Die poetischen und weisheitlichen Werke, Gütersloh 1994, S. 99. Beachte das disjunktive Zaqeph gado! der Masoreten. Zur Bedeutung von ΊΤΤ» vgl. Hertzberg, ΚΑΤ, S. 216 Anm. zu 9a); Ogden, Readings, S. 208; D. Michel, Probleme der Koheletauslegung heute, BiKi 45 (1990), S. 7 Anm. 1; vgl. ferner die Formel n n "UV in I Reg 11,41; 14,19; 14,29; u. ö. Zur Übersetzung vgl. Lauha, BK, S. 217; und dazu Schoors, Preacher, S. 115, 138f, der sie sprachlich akzeptiert. Vgl. Sir 44,5.

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Ist der erste Epilogist der Herausgeber? (10) Kohelet suchte kostbare Worte90 zu finden, und hier31 sind diese beständigen

Worte91 zuverlässig3

(11) "Worte von Weisen sind wie

Treibstecken/

aufgeschrieben.

und wie Pflöcke eingeschlagen von94 den Leitern der Versammlungen. " GEGEBEN SIND SIE VON DEM EINEN H I R T E N . 9 5

Obwohl uns der erste Epüogist den Weisen unter dem Eigennamen Kohelet vorstellt, ist nicht sicher, ob der Verfasser der Lehren einen solchen Personennamen wirklich getragen hat. Falls man die Selbstbezeichnung Kohelets in 1,12 als ursprünglich beurteilt, ist der Verdacht begründet, daß sie der erste Epilogist aus der Selbstvorstellungsformel der Königsfiktion übernommen und

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Vgl. Sir 47,9. Die LXX übersetzt lpt1 mit έ ξ ι χ ν ι ά ζ ε ι ν κόσμιον die Ordnung ausspähen. Zu dem verwandten Verb p n vgl. HAL 1597b und G. R. Driver, Hebrew Notes, VT 1 (1951), S. 242f. Vgl. dazu den Ausdruck >Í2N kostbare Edelsteine, Jes 54,12; Sir 45,11 ; 50,9; 1 QM V,6.9.14;Xn,12f. DaindersapientiellenLiteraturinHi28,18 sowie Prov3,15 und 8,11 die Wertschätzung der Weisheit im Vergleich zu den Perlen und Edelsteinen belegt ist, kann die hier benutzte Wendung >*m als Analogiebildung zu •χειΠ Ό2Κ betrachtet werden. Dagegen ist der ansprechende Versuch von Ch. Dohmen, Der Weisheit letzter Schluß? Anmerkungen zur Übersetzung und Bedeutung von Koh 12,9-14, BN 63 (1992), S. 15, der den Gesamtausdruck ^On >111 als Gattungsbezeichnung auffassen möchte und im Sinne des ägyptischen terminus technicus als Lebenslehren deutet, sprachlich unsicher. Zu dieser Übersetzung vgl. Lohfink, NEB, S. 86, der den Subjektswechsel in der Satzkonstruktion deutlich hervorhebt. Zur Begründung vgl. unten S. 28f. Zum Bedeutungsmoment der Dauer von T1QN vgl. Prov 11,18 und H. Wildberger, Art. 1ΏΚ, THAT I, Sp. 201f. Nach Dohmen, Weisheit, S. 15, ist der Ausdruck mit dem Überlieferungsprozeß in Zusammenhang zu bringen und bezeichnet die zuverlässig weitergegebenen Worte. Nach der Deutung von M. Fishbane, Biblical Interpretation in Ancient Israel, New York 1985 (Reprinted Oxford 1989), S. 31f, ist hier mit geordnet zu übersetzen; vgl. dazu unten S. 29. Nach dem Vorschlag der BHS ist mit LXX ein offenbar vorausgesetztes ^ y i t t zu lesen. Das assimilierte ")XD könnte durch das folgende in ny"IQ verdrängt worden sein. Dagegen vermuten wir ein ursprüngliches '^Vlü, dessen kausatives 2 durch Haplographie ausgefallen ist. Zur Angabe des Urhebers beim Passiv mittels V vgl. GK § 121f. Bei diesem Halbvers handelt es sich um eine Glosse, die durch das als Königsprädikation verbreitete Hirtenbild auf den weisen König anspielt und hierbei Salomo als Verfasser verschiedener Weisheitsschriften im Blick hat. Offenbar hat der Glossator die D>>DOn >2Tt, auf die sich die Verbform 1JTU zurückbezieht, bereits als eine Gattungsbezeichnung verstanden; vgl. dazu J. M. Robinson, ΛΟΓΟΙ ΣΟΦΩΝ. Zur Gattung der Spruchquelle, in: Zeit und Geschichte (FS Bultmann), Tübingen 1964, S. 92-95 mit Anm. 60. Zur weiteren Begründung vgl. unten S. 34.

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als Eigennamen verwendet hat. Wie allgemein anerkannt, gehört das Wort T Û n p zu den Abstrakta mit femininer Endung, die maskulin konstruiert werden.96 In Analogie zu den Funktionsbezeichnungen und späteren Personennamen ΓΓ)£)Ό Schreibet91 und C P ' Q n n TTDQ Gazellenfänger* ist die Bedeutung von Tòtip mit Versammlungsleiter, Versammlungsredner anzusetzen.99 Offenbar hat auch der erste Epilogist diese Bedeutung mit dem Personenamen verbunden, da er mit 12,11a einen Spruch ans Ende setzte, der mit den TI1ÛOK ">t>yi ausdrücklich auf die Leiter von Versammlungen Bezug nimmt. Trotzdem wird man aus der Erklärung des Namens keine weiteren Rückschlüsse ziehen können. Daß Kohelet das Amt eines Versammlungsleiters ausgeübt habe, ist jedenfalls nicht zu beweisen. Auch der erste Epilogist weiß davon nichts zu berichten. Stattdessen führt er den Verfasser der Lehrstücke als einen unter dem Eigennamen Kohelet bekannten Weisen ein. Dabei verrät schon das einleitende ΓΡΓ) V!) einen gewissen zeitlichen Abstand zwischen beiden. 100 In diesem Zusammenhang ist der Tatsache besondere Bedeutung beizumessen, daß der erste Epilogist ihn unter die Weisen zählt; denn Kohelet selbst dürfte sich wegen seiner weisheitskritischen Einstellung kaum als ein solcher verstanden haben. Da ΟΖ)Π keinen Beruf oder Stand bezeichnet, sondern einen ehrenvollen Titel darstellt,101 verbindet sich damit zweifellos ein apologetisches Interesse, wird doch den Weisen als Lehrer und Verfasser von Weisheitsschriften besondere Achtung zuteil. Unsere Beobachtungen erhärten den Verdacht, daß sich in der Bezeichnung Kohelets als eines Weisen nicht die

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Vgl. König, Lehrgebäude II/2, § 25Id; GK § 122r; Waltke / O'Connor, Syntax, 6.6b. Insofern ist die zuletzt von E. Ullendorff, The Meaning of J Ù n p , VT 12 (1962), S. 215, vertretene Meinung, daß man die Inkongruenz als Übersetzungsfehler aus dem Aramäischen erklären müsse, nicht gerechtfertigt. 97 Vgl. Esr 2,55; Neh 7,57. 98 Vgl. Esr 2,57; Neh 7,59. 99 Vgl. HAL 1010a. Zu den älteren Erklärungsversuchen vgl. bereits die Erörterung von Bertholdt, Historisch-kritische Einleitung, S. 2202-2212; Knobel, Commentar, S. 1-8. In neuerer Zeit hat Whitley, Kohelet, S. 4-6, die Diskussion dadurch wieder belebt, daß er den Namen aus dem Syrischen ableitet und mit Skeptiker übersetzt; vgl. dazu kritisch Kaiser, Grundriß III, S. 84. 100 Vgl. dazu Gevaryahu, Colophons, S. 47. 101 Den stichhaltigen Nachweis fuhrt R. N. Whybray, Intellectual Tradition in the Old Testament, BZ AW 135, Berlin/New York 1974, S. 33-49. Darüber hinaus urteilt Fox in seinem Exkurs IV Hakam as "Sage", Contradictions, S. 330-332, daß die D>non auf der spätesten Stufe der biblischen Literatur eine mögliche Bezeichnung für die Verfasser von Weisheitsschriften darstellen.

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Ist der erste Epilogist der Herausgeber?

Auffassung der Tradition spiegelt, sondern das Bemühen des ersten Epilogisten, die Aufzeichnungen Kohelets als bedeutungsvoll zu würdigen. Mithin bietet V. 9a keine biographische Notiz, sondern eine Verteidigung des Verfassers und seiner Schrift. Diesem Zweck dient auch die Ergänzung in V. 9ba, daß sich Kohelet ununterbrochen bemühte, dem Volk Wissen zu vermitteln. Ludger Schwienhorst-Schönberger hat dazu klargestellt, daß hier keine soziologische Aussage vorliegt, als habe Kohelet nach Art eines Volkslehrers das gemeine Volk unterrichtet. Vielmehr wird er hier nach dem Ideal des Weisen von Sir 37,2226 gezeichnet, der nicht für sich selbst weise ist, sondern für das Volk.102 Erst aus dieser Perspektive läßt sich die apologetische Absicht des ersten Epilogisten insgesamt erfassen: Sein hauptsächliches Interesse gilt der Vorstellung Kohelets als eines solchen Weisen, dessen Lehren fur viele nützlich sind. Dagegen tritt die fur Kohelet zentrale Forderung des carpe diem als einer Empfehlung dessen, der fur sich selbst weise ist,103 zumal für den ersten Epilogisten in den Hintergrund. Liegen wir mit unserer Auslegung richtig, erübrigen sich indes alle Vermutungen, die sich an Kohelet als Lehrer des einfachen Volkes knüpfen.104 Unsere Vorsicht gegenüber einer vorschnellen Historisierung des ersten Epilogs bestätigt sich auch im Blick auf V. 9b. Sensibilisiert durch seine Ausdrucksweise finden wir hier eine Beschreibung, die sich eng am literarischen Bild des Weisen orientiert und sich bis in die Terminologie hinein mit anderen Zeugnissen der Weisheitsliteratur berührt:105 Der Weise ist Sammler, 102 Vgl. L. Schwienhorst-Schönberger, "Nicht im Menschen gründet das Glück" (Koh 2,24). Kohelet im Spannungsfeld jüdischer Weisheit und hellenistischer Philosophie, Herders Biblische Studien 2, Freiburg/ Basel/ Wien/ Barcelona/ Rom/ New York 1994, S. 8f. Zum Bild des idealen Weisen vgl. noch Sir 24,33f; 33,18f; 39,1-11; und dazu J. G. Gammie, The Sage in Sirach, in: The Sage in Israel and the Ancient Near East, Winona Lake 1990, S. 365, 368-370. 103 Vgl. Sir 37,24. 104 Zu Kohelet als Lehrer Israels am Tempel vgl. A. Lemaire, The Sage in School and Temple, in: The Sage in Israel and the Ancient Near East, Winona Lake 1990, S. 176180. Zu Kohelet als Redner nach Art der griechischen Wanderphilosophen, die auf dem Marktplatz eine Menschenmenge versammelten und gegen eine gewisse Bezahlung ihre Lehren vortrugen; vgl. E. Bickerman, Four Strange Books of the Bible, New York 1967, S. 143-145; ders., The Jews in the Greek Age, Cambridge, Massachusetts 1988, S. 167; Lohfink, NEB, S. 12. 105 Vgl. Loretz, Qohelet, S. 138-143. Vgl. weiter den Abschnitt Sir 44,4f, der das Lob der Väter einleitet und sie idealtypisch als Weise beschreibt.

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Dichter und Verfasser von Sprüchen, er hört sich um, erforscht die Überlieferung, deutet Rätsel, dichtet Lieder und stellt thematische Spruchgruppen zusammen.106 Das umrissene Wortfeld untermauert den Schluß, daß der erste Epilogist im Fachjargon der Schule eine idealtypische Beschreibung Kohelets liefert, die keine biographische Auskunft gibt.107 Durch die auffallige Verwendung von Formen im Picel wird das Ergebnis insofern bestätigt, als diese die in V. 9b beschriebenen schriftstellerischen Tätigkeiten nicht als ein individuelles, sondern als ein professionelles Tun kennzeichnen.108 Mithin müssen wir den Versuchen mit Vorsicht begegnen, die hier eine genaue Darlegung der Lehrmethode Kohelets109 oder seiner spezifischen Arbeitsweise110 finden wollen. Ziehen wir ein erstes Fazit, so erfahren wir aus V. 9 eigentlich nichts über das Wirken Kohelets, dagegen viel über die Hochschätzung, die ihm der erste Epilogist als Schreiber und offenbar Kopist seiner Lehrstücke entgegenbringt. Durch die Wiederholung des Namens TÖT\p ist der Neueinsatz in V. 10 deutlich markiert. Zugleich fällt auf, daß in V. 10 nicht von den O ^ v y ö , sondern von den Ο Ή Π die Rede ist. Die in 1,2 über das Büchlein gesetzte ältere Überschrift TÖr\p Ή TT, die wir oben dem ersten Epilogisten zugewiesen haben, 111 erlaubt uns den Schluß, daß wir es in V. 10 mit einer Aussage über die im Korpus versammelten Worte oder Lehrreden Kohelets zu tun haben. Dabei erweckt besondere Aufmerksamkeit, daß nicht nur beide Vershälften in einer gewissen Spannung zueinander stehen, sondern auch die 106 Vgl. I Reg 5,12; Prov l,5f; 22,17; 24,23; Sir 8,8; 18,28f; 39,1-11; 44,4f. Terminologische Anklängefindensich zu und Ί ρ η in Hi 32,11 ; zu ipTl in Sir 47,9; vgl. dazu das Glossar bei I. Lévi, The Hebrew Text of the Book of Ecclesiasticus, SSS 3, Leiden 1904, S. 85 (to arrange); Fishbane, Interpretation, S. 32 (to edit, arrange). Zu D^Vto vgl. Loretz, Qohelet, S. 185; und Bickerman, Jews, S. 168: "The wise Kohelet, for instance, was busy with meshalim (12:9). This bewildering terminology is derived from the wise men of olden times ..." 107 Vgl. bereits Loretz, Qohelet, S. 143; weiter Isaksson, Studies, S. 104; Dohmen / Oeming, Kanon, S. 42; Meade, Pseudonymity, S. 60: "What is given is an (admittedly ideal) picture of the anonymous handling of tradition, not far different from what has been inferred." 108 Vgl. Waltke / O'Connor, Syntax, 24.5c. Da im Pi. von Hause aus ein kausativer Bedeutungsaspekt eignet, dürfte das "Tiy in 12,9ba zugesetzt sein, um die Unterweisung als eine dauerhafte und dadurch für den Weisen charakteristische Tätigkeit hervorzuheben. Vgl. weiter Isaksson, Studies, S. 103-105, der fur die in V. 9b verwendeten Perfekt- und ffWperfektforrnen eine deskriptive Funktion ermittelt. 109 Vgl. Braun, Kohelet, S. 143. 110 Vgl. Backhaus, Weisheit, S. 35. 111 Vgl. oben S 3.

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Ist der erste Epilogist der Herausgeber?

Ausdrücke ^ΟΠ n n

und DQN n n

in Bedeutung und Referenz diver-

gieren. 112 Die Spannung zwischen den Vershälften tritt bereits in der Syntax auf und hat in der Textüberlieferung zu Schwankungen gefuhrt. Obwohl die Kommentatoren zuweilen die passivische Lesart textkritisch bestritten haben,113 ist an ihr zweifellos festzuhalten. Sie ist nicht nur durch MT und LXX gut bezeugt und bietet zusammen mit dem Subjektswechsel die lectio difflcilior, sondern trägt auch die Pointe der Aussage. Insofern der erste Epilogist die Reihe der Verben im Picel, die ausschließlich Tätigkeiten der Weisen beschreiben,114 durch das Part. Pass, bewußt unterbricht, gibt er einen deutlichen Wink, daß die Fertigstellung des Büchleins nicht von Kohelet besorgt worden ist. Offenbar verbirgt er sich selbst hinter der passivischen Ausdrucksweise und vermerkt dadurch seine Redaktionsarbeit an der Veröffentlichung der Lehrreden. Desweiteren rechtfertigt sich unsere Auslegung durch die beobachtete Spannung zwischen den ^ΟΠ "Π17 und den TIX3N ΉΤΤ. Aus dem Blickwinkel des Redaktors bezeichnen die kostbaren Schatz der von Kohelet erkundeten Weisheiten

115

Worte den geistigen

und umfassen die Gesamt-

heit seiner Lehren, von denen vermutlich nicht alle schriftlich festgehalten

112 Zu weit treibt Β. A. Ehrlich, Randglossen zur Hebräischen Bibel, Bd. 7, Leipzig 1914 (ND Hildesheim 1968), S. 105-107, seine Kritik, wenn er beide Ausdrücke einander entgegenstellt und paraphrasiert: " Koheleth ging darauf aus, interessante Beobachtungen zu machen, aber was mit Recht niedergeschrieben werden sollte, das sind nur wichtige Sachen." Vgl. neuerdings auch Kathleen Α. Farmer, Who Knows What Is God?, ITC, Grand Rapids/Edinburgh 1991, S. 195. 113 Anstelle des als ungeschickt empfundenen Part. pass, punktierte die Forschung den Inf. abs., vgl. Hitzig, KEH, S. 217; Whitley, Koheleth, S. 102; vermutete einen piene geschriebenen Inf. es., vgl. Hertzberg, ΚΑΤ, S. 216; oder setzte mit wenigen hebräischen Handschriften ein Perf. cons., vgl. Crenshaw, OTL, S. 191. Hierbei unterstützen α', σ', Syr und Vg die angesprochenen textkritischen Varianten. Für die Lesung des Inf abs. kann zusätzlich darauf verwiesen werden, daß im späten Bibelhebräisch ein finîtes Verb durch den Inf. abs. statt des ungebräuchlich gewordenen Imperf. cons. fortgesetzt werden kann; vgl. Koh 8,9; 9,11; König, Lehrgebäude II/2, § 218; A. Rubinstein, A Finite Verb Continued by an Infinitive Absolute in Biblical Hebrew, VT 2 (1952), S. 362-367; W. C. Delsman, Zur Sprache des Buches Koheleth, in: Von Kanaan bis Kerala (FS J. P. M. van der Ploeg), AO AT 211, Kevelaer/ Neukirchen 1982, S. 362. Jedoch sprechen äußere und innere Kriterien der Textkritik fur das Beibehalten der passivischen Lesart, während sich die Textvarianten problemlos als stilistische Glättung erklären lassen. 114 ΊY±> lehren, hinhören, Ί ρ η dichten, p H ordnen, (V. 9); Vipl suchen (V. 10). 115 Die zentralen Verben VJpn und NM» in V. 10a geben im Hintergrund der Formulierung die Reflexion 7,25-29 samt der dort eingeflochtenen Zitationsformel zu erkennen, vgl. dazu Ogden, Readings, S. 209.

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worden und in die Überlieferung eingegangen sind. Daß der erste Epilogist mittels der Parallelstellung der kostbaren und der beständigen Worte eine Auswahl oder Zensur andeuten wollte, als ob er nur die von ihm fur wahr gehaltenen Lehrreden niedergeschrieben habe, ist aufgrund seiner für Kohelet empfundenen Verehrung ausgeschlossen. Vielmehr müssen wir die Wortverbindung DON Ή27 auf den Überlieferungsprozeß beziehen.116 In ihrer Gegenüberstellung zu den ^ΰΠ Ή 1 7 finden wir zum Ausdruck gebracht, daß die aus dem geistigen Schatz Kohelets überkommenen Lehren vom ersten Epilogisten wortgetreu niedergeschrieben worden sind. In diesem Zusammenhang erweckt der mit dem Part. Pass, verbundene adverbiale Akkusativ117 7ψ'·> besonderes Interesse, da er uns über den Vorgang der Verschriftung Auskunft geben könnte. Freilich fällt es schwer, seine Bedeutung genau zu bestimmen.118 Die neutrale passivische Ausdrucksweise empfiehlt jedoch, den adverbialen Akkusativ weniger personal im Sinne von redlich, rechtschaffen, sondern stärker sachlich im Sinne von gerade, richtig zu fassen. Möchte man sich mit dieser Auskunft begnügen und allgemein mit richtig übersetzen, ergibt sich daraus das Verständnis, daß der erste Epilogist als Herausgeber des Büchleins mittels Ίψ'"> dessen Richtigkeit im Sinne einer unveränderten Wiedergabe des Textes feststellen wollte.119 Berücksichtigt man dagegen, daß der erste Epilog eine Art Kolophon darstellt und darin Informationen über Entstehung und Umfang der Schrift sachlich am Platze sind, ließe sich für *1\¿)'•> auch eine spezifisch technische Bedeutung ansetzen. Aufgrund eines Vergleichs mit babylonischen und assyrischen Kolophonen hat dazu Michael

116 Vgl. Prov 22,21 und dazu A. Meinhold, Die Sprüche. Teil 2: Sprüche Kapitel 16-31, ZBK 16/2, Zürich 1991, S. 380. 117 Zur grammatischen Erscheinung vgl. Meyer, Grammatik, § 106,2f; Waltke / O'Connor, Syntax, 37.3b. 118 Die alten Übersetzungen vermögen wenig zur Klärung beizutragen, zumal sie den Vers grammatisch unterschiedlich auffassen. Die Septuaguinta liest καν γ ε γ ρ α μ μ έ ν ο ν ε ύ θ ύ τ η τ ο ς , deutet also die Worte der hebräischen Vorlage als Genitivverbindung und fugt sie in die Reihe der vom substantivierten Infinitiv τ ο ΰ ε ύ ρ ε ν ν abhängigen Akkusativobjekte ein, so daß wegen der syntaktischen Gleichbehandlung fur die Genitive ε ύ θ ύ τ η τ ο ς und α λ η θ ε ί α ς ähnliche Bedeutungen anzunehmen sind. Aquila versteht "IV^ adverbiell und übersetzt es mit ό ρ θ ώ ς , der Syrer liest entsprechend srr '; vgl. dazu The Old Testament in Syriac According to the Peschiti a Version, ed. by the Peschitta Institute Leiden, Part IL/5: Proverbs - Wisdom of Solomon - Ecclesiastes - Song of Songs, Leiden 1979, S. 20. 119 Vgl. Loretz, Qohelet, S. 140 mit Anm. 32.

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Ist der erste Epilogist der Herausgeber?

Fishbane den Vorschlag unterbreitet, den adverbiellen Akkusativ auf die Komposition und zwar auf die richtige Reihenfolge der Worte Kohelets zu beziehen, in der sie der Herausgeber zusammengestellt und aufgezeichnet hat.120 Obwohl die spezifische Bedeutung geordnet, arrangiert im Hebräischen nicht sicherzustellen ist,121 ergänzt sie adäquat das ebenfalls im technischen Sinn gebrauchte Partizip 11TD,122 so daß beide zusammen auf eine planvolle Schlußredaktion der Buchrolle hinweisen. Mithin erkennen wir in V. 10 eine editorische Notiz, die auf den ersten Epilogisten als Abschreiber der Lehren Kohelets A/ndeutet und vermutlich eine redaktionelle Tätigkeit bei der Zusammenstellung des Büchleins andeutet. Form und Inhalt des abschließenden Verses I I a berechtigen uns, ihn als ein der Tradition entnommenes Zitat zu behandeln, das die Wirkung der Worte von Weisen beschreibt.123 Obwohl wir uns in erster Linie fur die Gründe interessieren, die zu seiner Auswahl als eines die Lehren Kohelets zusammenfassenden und empfehlenden Spruchs führten, müssen wir uns zunächst mit seiner Auslegung befassen. Allerdings schwanken in der Forschung nicht nur die Urteile über die poetische Form des Spruchs, sondern auch über seine Metaphern. Zudem wecken die durch die Versionen dokumentierten Unterschiede in der Versaufteilung den Verdacht, daß der Text früh verdorben ist.124 Was die Erklärung des Spruchs anbelangt, lassen sich vereinfacht dargestellt zwei Lösungswege unterscheiden: Der erste nimmt seinen Ausgang bei der Form und beschreibt den Vers als einen synonymen Parallelismus in chiastischer Stellung, dessen äußere und innere Glieder einander als Sach- und

120 Vgl. Fishbane, Biblical Interpretation, S. 29-32 und besonders S. 32 Anm. 34: "More speculative is the case of asrä, in the Akkadian colophon cited above. It calls to mind kâtûb yöser in Eccles. 9:10 [sic! 12,10; Vf.] and, from the present comparative perspective, suggests that the Hebrew verse may indicate that 'Ecclesiastes sought to find choice sayings', which were 'well arranged1 or 'properly written'." Vgl. weiter Dohmen, Weisheit, S. 15. 121 Zur Bedeutung ließe sich das im Akkadischen von der Wurzel jsr abgeleitete Adjektiv isaru "normal, in Ordnung, recht" heranziehen, vgl. AHw 392b; dazu asäru(m) I "ordnend überwachen, betreuen", AHw 79a, und die in dort unter 2b) angegebenen Beispiele. Zum sprachgeschichtlichen Zusammenhang vgl. bes. die Untersuchung von H. Niehr, Zur Etymologie und Bedeutung von Srl, UF 17 (1986), S. 231-235; ferner W. Mayer, Art. ThWAT III, Sp. 1059-1061. 122 Vgl. dazu Ez 2,10 und Esr 5,7; 6,2. 123 Vgl. ζ. B. Galling, HAT, S. 124; Hertzberg, ΚΑΤ, S. 218; Lauha, BK, S. 218; Whybray, NCeB, S. 171. 124 Vgl. LXX und dazu die Ausführungen von Lauha, BK, S. 219f.

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Bildhälfte entsprechen. Da der Parallelismus eine synonyme Deutung der CPftDn Ή Π und der THÛON ^ y i erfordert, muß man freilich den zweiten Ausdruck unpersönlich als Leitsprüche der Sammlungen erklären.125 Indes vermag die vorgeschlagene Deutung einer philologischen Prüfung nicht standzuhalten, weil t>yi mit folgendem Genitiv in allen Belegstellen personale Bedeutung besitzt.126 Ebenso bezeichnet das hapax legomenon DDOK im nachbiblischen Sprachgebrauch stets eine Versammlung von Personen.127 Bei diesen sprachlichen Bedenken setzt der zweite Lösungsweg ein und übersetzt die Wortverbindung zutreffend mit Leiter der Versammlungen. Das Problem hegt jetzt bei der Synonymie von den Worten der Weisen und den Leitern der Versammlungen. Um an der Bedeutungsgleichheit beider Ausdrücke trotzdem festhalten zu können, wird vor JTIQON ^ y i eine Ellipse von Ή Π angenommen.128 Demgegenüber schlagen wir vor, den Vers nicht als einen synonymen, sondern als einen synthetischen Parallelismus zu bestimmen. Dabei stehen die TI1ÛON zu den CP^Dn parallel129 und werden als die Verantwortlichen benannt, die in einer Versammlung (von Schülern?) die Lehren der Weisen wie Pflöcke eintreiben. Die folgende Erklärung der verwendeten Metaphern stützt unsere Auslegung.

125 Vgl. Hitzig, KEH, S. 218f; Delitzsch, BC, S. 416-418; Hertzberg, ΚΑΤ, S. 218f; Lohfink, NEB, S. 86; Crenshaw, OTL, S. 191; Murphy, WBC, S. 124. Zur Diskussion vgl. Whitley, Koheleth, S. 103f. 126 Vgl. Koh 5,10; 5,12; 10,11; 10,20; weiter Brockelmann, Syntax, § 74 b; J. Kühlewein, Art. t?>a, THAT I, Sp. 330; J. C. de Moor, Art. ThWAT I, Sp. 707f. Vgl. bereits A. Knobel, Commentar über das Buch Koheleth, Leipzig 1836, S. 367; dagegen König, Lehrgebäude II/2, § 306g. 127 Vgl. Jastrow 89a, gatherings of scholars, councils·, Bab. Talmud Sanh 12a, '^yil JVi£rïON, Sanhédrin. Dagegen fehlen Belege, die das Verb oder Nomen der Wurzel ^ON in Verbindung mit literarischen Sammlungen bezeugen; vgl. G. R. Driver, Problems and Solutions, VT 4 (1954), S. 234. 128 Vgl. Tyler, Ecclesiastes, S. 154; Galling, HAT, 2. Aufl., S. 124; Fox, Contradictions, S. 324; femer den Versuch von Kugel, Poetry, S . l l : "The words of the wise are like goads/ and like nails firmly plantes are those used in assemblies//". Gegen diese Lösung richten sich die sprachlichen Zweifel von Delitzsch, BC, S. 417; Gordis, Koheleth, S. 353; Lauha, BK, S. 219. 129 Raschbam erklärt, daß die Weisen mit den Leitern der Versammlungen gleichzusetzen sind, weil die Leute zusammenkommen, um ihre Worte zu hören; vgl. Japhet / Salters, Commentary, S. 214f. Vgl. dazu Sir 33,19 t r i p W l » !

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Ist der erste Epilogist der Herausgeber? In der ersten Vershälfte besitzen wir mit Ί Π und p T T aufgrund der glei-

chen Wurzelkonsonanten ein sinnträchtiges Wortspiel,130 das die Worte der Weisen mit den Treibstecken der Landwirte zusammenrückt. Dabei bezeichnet der Treibstecken einen mit einer Eisenspitze besetzten Stab, der in der Hand des Bauern die Zugtiere beim Pflügen leitet.131 Demgegenüber handelt es sich beim Pflock nicht um ein synonymes, sondern um ein zweites und in seiner Funktion deutlich vom Treibstecken unterschiedenes Bild.152 Während der Ochsenstachel dazu dient, durch Piksen und Stubsen zu lenken, gewinnt das Bild vom Pflock seine metaphorische Kraft aus der Funktion, etwas zu befestigen. 133 Im weisheitlichen Zusammenhang findet sich dieser Vergleich bereits im Prolog(!) der Sammlung Prov 22,17-24,22. In der nach der Lehre des Amenemope berichtigten Lesart von 22,18 heißt es von den Worten der Weisen: (18) Denn angenehm ist es, wenn du sie in deinem Bauch bewahrst,/ und sie feststehen wie ein Pflock134 auf deinen Lippen. Im Unterschied zu seiner Parallele in Amenemope versinnbildlicht der Pflock in Prov 22,18 das Bewahren der Sprüche auf den Lippen. Dort soll der

130 Zum Stilmittel der Paronomasie und seiner Bedeutung vgl. G. Boström, Paronomasi i den äldre hebreiska Maschallitteraturen, LUÂ N. F. 1/23 Nr. 8, Lund 1928; und dazu das Referat von Jutta Krispenz, Spruchkompositionen im Buch Proverbia, EHS T 349, Frankfurt/ Bern/ New York/ Paris 1989, S. 35-38. 131 Vgl. G. Schumacher, Der arabische Pflug, ZDPV 12 (1889), S. 157-166; G. Dalman, Arbeit und Sitte in Palästina Π/l, BFChTh 2. Reihe 27, Göttingen 1932, S. 117f. Vgl. femer ΊΥ&Υϊ in Jdc 3,31; Sir 38,25; und zu seiner Ableitung von der Wurzel 11CÖ die Bemerkung von A. Kapelrud, Art i r ù , ThWAT IV, Sp. 582. 132 Vgl. Galling, HAT, S. 124. Dabei läßt das Verb V03 an eingeschlagene Pfosten zum Festmachen eines Zeltes denken, vgl. Dan 11,45 und Jastrow 900b. Dagegen hat die in HAL 606b vertretene Deutung von m o wn als Nagel an der Spitze des Ochsensteckens wenig fur sich, weil sie die mit dem Bild verbundene Funktion des Befestigens nicht zum Ausdruck bringt. 133 Vgl. Jes 41,7; Jer 10,4 (//UV); I Chr 22,3; II Chr 3,9; Gesenius 465b; Jastrow, Dictionary, 809a. Zum orthographischen Wechsel zwischen Ό und \L> vgl. Schoors, Preacher, S. 19. 134 Lies nach Vorschlag des Apparats der BHS IJVp); vgl. dazu die Lehre des Amenemope 3,13f Laß es im Kasten deines Leibes ruhen, dann bildet es einen Pflock in deinem Herzen, (zit. nach H. Brunner, Altägyptische Weisheit. Lehren fur das Leben, Bibliothek der Alten Welt, Lizenzausgabe fur die WBG, Darmstadt 1988, Nr. 14, Z. 51f, S. 239).

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Schüler zur rechten Zeit über sie verfugen können.135 Besitzen wir mit dieser textkritisch nicht ganz sicheren Lesart einen ersten Hinweis, daß das Bild vom Pflock auf die Befestigung der Sprüche zu beziehen ist, bestätigt sich seine Deutung in Koh 12,1 la durch die Wahl des Wortes JlYlöVJO. Denn ähnlich wie das sinnträchtige Wortspiel in der ersten Hälfte des Spruchs klingt die Wurzel Ί>3\ϋ lautmalerisch an das Verb "l)D\y an, das in Verbindung mit Worten die Bedeutung im Gedächtnis behalten, bewahren134 besitzt. Berücksichtigt man weiter, daß zwischen JITIX3\L»D und dem folgenden Part. Pass. Û^VIOÎ eine Inkongruenz im Genus besteht, geben sich im Hintergrund die D ^ X ^ n Η Π als das eigentliche Subjekt zu erkennen. Mithin sind es die Worte der Weisen, die wie Pflöcke einzuschlagen und dadurch zu bewahren sind. Daß man sich ihre Vermittlung und Befestigung am besten durch Versammlungsleiter vorstellen kann, rechtfertigt auch sachlich unsere textkritische Entscheidung. Schließlich können wir neben diesen Beobachtungen auch die masoretischen Akzente und die Überlänge des zweiten Kolons fur unser Verständnis anfuhren, daß es sich bei dem Spruch in V. I I a um einen synthetischen Parallelismus handelt. Unabhängig davon, ob man unserer Auslegung im einzelnen zustimmt, zeigt die Auswahl des Spruchs als einer abschließenden Empfehlung des Büchleins, daß sich der erste Epilogist bewußt gewesen ist, wie ärgerlich die Worte Kohelets in mancher Ohren klingen mußten. Mit dem Bild vom Treibstecken, der mit seinem scharfen Eisendom aufstachelt und verletzt, ist eine Charakterisierung seiner Lehren geradezu beabsichtigt. Zweifellos dient es der Verteidigung des ungewöhnlichen Inhalts der Schrift. Doch wird man sofort einschränken müssen, daß hier nur ein bestimmter Teil der Lehren in den Blick genommen ist. Denn der Vergleich mit dem Treibstachel läßt sich nicht mit dem Aufruf des carpe diem verbinden, aber um so mehr mit den gegen die traditionelle Weisheit gerichteten und ihre Gültigkeit einschränkenden HebelUrteile.137 Bestätigt sich daher unsere Vermutung, daß der erste Epilogist gerade an diesem Teil der Aufzeichnungen Kohelets interessiert gewesen ist, sind wir nicht nur berechtigt, ihm die Rahmenverse 1,2 und 12,8 zuzuschrei135 Zur Sache vgl. D. Römheld, Wege der Weisheit, BZAW 184, Berlin/ New York 1989, S. 20f. 136 Vgl. Gen 37,11; Ex 12,24; Dtn 12,28; 17,19; 29,8; Ps 119,17.25.101; dazu Mal 2,7. Zur Sache vgl. Koenen, Zu den Epilogen, S. 25f. 137 Vgl. Ogden, Readings, S. 210.

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Ist der erste Epilogist der Herausgeber?

ben, sondern dürfen ihn mit dem Herausgeber identifizieren. Denn sein einseitiges und durch V. 1 la offenbartes Verständnis der Schrift entspricht den Ordnungskriterien, von denen sich der Herausgeber bei der Redaktion des Büchleins hat leiten lassen. Das Ergebnis wird durch die zweite Hälfte des Spruchs zusätzlich untermauert. Wollen die Worte der Weisen nicht nur antreiben, sondern auch wie ein Pflock befestigt sein,138 müssen sie immer wieder dem Gedächtnis eingeprägt werden. Dadurch wird der Pflock gleichsam zum Leitbild für den Aufbau des Büchleins: Mittels der Einstreuung redaktioneller Übergänge und der Zusammenstellung der Lehrstücke, in denen die Kernsätze Kohelets ständig wiederkehren, befestigt der erste Epilogist und Redaktor diese im Gedächtnis seiner Leser. Zum Schluß werfen wir noch einen kurzen Blick auf die Erweiterungen des Nachwortes. Daß wir oben V. I I b vom ersten Epilog abgetrennt und als Glosse beurteilt haben, läßt sich vor allem sprachlich begründen. Erstens sprengt V. 1 lb die Form des Parallelismus, zweitens klingt der asyndetische Anschluß des Verbs hait,139 drittens harmonisiert der Verbalsatz nicht mit dem aus Nominalsätzen zusammengesetzen Spruch und viertens wirkt das Hirtenbild überladen; denn der Treibstachel ist nicht mit dem Hirten zusammenzubringen, sondern gehört in die Hand des Ackerbauern.140 Aber nicht nur diese sprachlichen Auffälligkeiten erweisen V. 1 lb als Glosse, sondern auch seine zum ersten Epilog gegenläufige Intention. Während Kohelet fur den ersten Epilogisten uneingeschränkt die Autorität darstellt, auf die er seine Empfehlung der Lehren gründet, fuhrt der Glossator mit dem königlichen Hirten eine weitere und letzte Instanz ein. Für die Einordnung der Worte Kohelets in die weisheitliche Überlieferung hat ihm die Empfehlung des ersten Epilogisten offenbar nicht genügt. Verbirgt sich hinter dem Hirtenbild der 138 Vgl. Whybray, NCeB, S. 172: "The teaching of the wise or learned such as that of Qohelet may be said both to spur its recipients to action and to constitute a reliable basis for life." 139 Gegen den Versuch von Fox, Contradictions, S 324f, V. l i b als Relativsatz aufzufassen, vgl. Dohmen, Weisheit, S. 16. 140 Vgl. dazu Hertzberg, ΚΑΤ, S. 219. Zur Beurteilung von V. 1 lb als Glosse vgl. weiter Gordis, Koheleth, S. 354; Lauha, BK, S. 219f; Whybray, NCeB, S. 172. Als exponierter Vertreter der Zitationstheorie versucht Michel, Qohelet, S. 168, das Problem auf seine Weise zu lösen, indem er V. 1 la als Zitat, V. 1 lb dagegen als Skopos (sie!) des ersten Nachtrags behandelt: "Auch Qohelets Worte sind ihm von Gott eingegeben. Die Notwendigkeit eines solchen Votums spricht fur sich selber: Offenbar gab es Leute, die anderer Meinung waren."

Kapitel I. Das Buch Kohelet

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König Salomo, tritt das Anliegen der Glosse deutlich hervor: Durch den Hinweis auf den einen Geber soll das Büchlein in den Rang salomonischer Weisheitsschriften erhoben werden.141 Abgesehen von dem in der Königsprädikation des gesamten Alten Orients und Alten Testaments verhafteten Bild des Hirten142 rechtfertigt sich unsere Identifizierung mit dem König Salomo nicht nur durch seine in hellenistischer Zeit gewachsene Bedeutung als Lehrer Israels, sondern auch durch die in 1,1 festgestellte Ergänzung der älteren Überschrift um die Worte Sohn Davids, König zu Jerusalem. Denn diese dient in gleicher Weise dem Anliegen, das Büchlein mit Salomo als Verfasser in Verbindung zu bringen. Lassen sich daher beide Glossen l , l a ß b und 12,1 lb derselben Hand zuschreiben, ergeben sie zusammen einen weiteren Rahmen, den ein späterer Herausgeber um die Schrift legte und sie dadurch als salomonisch kennzeichnete. Trifft unsere Analyse zu, ist davon auszugehen, daß der zweite Epilogist die Buchrolle bereits als eine salomonische Schrift in die Hände bekam. Vor diesem Hintergrund ist sein Bemühen verständlich, durch das zweite Nachwort in 12,12-14 und seine in 3,17; 6,10; 9,3b; 11,9b vorgenommenen Korrekturen die Interpretation der Lehren Kohelets auf die Einlinigkeit traditioneller Gesetzesfrömmigkeit festzulegen.143

3. Aufzeichnungen aus der Schule Kohelets Trifft unsere Auslegung des ersten Epilogs zu, so hat sie unsere Erklärung der redaktionellen Entstehung des Buchs bestätigt. Damit stehen wir vor der Frage, in welcher Form die von Kohelet aufgezeichneten Texte dem Herausgeber vorlagen. Wie wir noch weiter unten zeigen werden,144 unterscheidet sich der Traktat in 1,3-3,15 von den im übrigen Buch zusammengestellten

141 Vgl. I Reg 5,12 und zur Sache den Exkurs Nr. 3 Qohelet und Salomo von Hengel, Judentum und Hellenismus, S. 237-240, der fur die Zeit ab 300 v. Chr. eine gewisse Häufung von "Salomoschriften" feststellt. 142 Vgl. Dohmen/Oeming, Kanon, S. 41, mit Verweis auf G. Wallis, Art. nyi, ThWAT VII, Sp. 566-576, und die dort angegebene Literatur. 143 Zur Zusammenfassung der Lehren Kohelets durch den zweiten Epilogisten vgl. zuletzt O. Kaiser, Die Botschaft des Buches Kohelet, EThL 71 (1995), S. 62-66. 144 Vgl. unten Kap. III.

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Aufzeichnungen aus der Schule Kohelets

Texten durch seine planvolle Komposition. Die an den Traktat angehängten Texte in 3,16-12,7 lassen dagegen nicht nur die Arbeit einer redaktionellen Hand erkennen, sondern enthalten weitere Hinweise, die für eine schulische Provenienz der Aufzeichnungen sprechen. Als erstes lassen sich dafür die zur Lehrerzählung erweiterten Beispielgeschichten in 4,13-16 bzw. 9,13-1614S und der Schultopos in 10,6Í144 anfuhren. Dazu gehört auch das Schulbeispiel in 7,21f,147 das Kohelets Rat einer mit der Gottesfurcht verbundenen Anwendung von Weisheit im Verhalten anderen gegenüber illustriert. Desweiteren benutzt Kohelet größere Meschalim, die der weisheitlichen Tradition entstammen und in die Argumentation eingearbeitet sind. Zu nennen sind hier neben 1,4-8* und 3,1-8* das israelitische Trinklied, das für 9,7-10 die Vorlage gebildet haben dürfte,148 und die Allegorie des Alters in 12,3-5, die Kohelet in sein Schlußgedicht aufgenommen hat.149 Auf den unmittelbaren Gebrauch im Unterricht weisen Zusammenstellungen von Sprüchen, die sich inhaltlich reiben oder einander widerstreiten und dadurch deutliche Impulse für eine Schuldiskussion geben.150 Gleichfalls dient der 7oò-Spruch in der Kohelet eigenen Verwendung der weisheitliche Erörterung: Teils durch unübliche Voranstellung des weniger wünschenswerten Elements,151 teils durch Abweichung von traditionellen Wertungen152 fordert Kohelet seine Schüler zu eigenem Nachdenken heraus.

145 Zu 4,13-16 vgl. Galling, HAT, S. 100; Zimmerli, ATD, S. 180; H. Gese, Die Krisis der Weisheit bei Koheleth (1963), in: Vom Sinai zum Zion, BevTh 64, 2. Aufl. München 1984, S. 176. Zu 9,13-16 vgl. K. Galling, Kohelet-Studien, ZAW 50 (1932), S. 286; Gordis, Koheleth, S. 309f, Lauha, BK, S. 175; Isaksson, Studies, S. 99f Femer lassen sich auch 5,12f; 6, lf und 8, lOf als Beispielerzählungen ansprechen. Zum Genre vgl. noch Prov 6,6-11; 23,31-35; 24,30-34; Hi 5,3-7 und dazu H.-J. Hermisson, Studien zur israelitischen Spruchweisheit, WMANT 28, NeukirchenVluyn 1968, S. 183-186; Klein, Kohelet, S. 141-150. 146 Vgl. Prov 30,21-23; Sir 1 l,5f und dazu Zimmerli, ATD, S. 229. 147 Vgl. Prov 30,10 und dazu Zimmerli, ATD, S. 206. 148 Vgl. unten S. 138ff. 149 Vgl. unten S. 176ff. 150 Vgl. 4,5f; 7,lab; 9,16-18; 10,4-7; 10,8-11; und dazu Gordis, Koheleth, S. 107f; ferner Galling, Kohelet-Studien, S. 283f. 151 Zur Inversion vgl. 4,3; 6,3; dazu die gründliche Analyse von Ogden, "Better"-Proverb, S. 489-505. Läßt sich damit die ungewöhnliche Wortfolge in 6,3 erklären, muß die gegenüber MT umgekehrte und konventionelle Lesung durch 4 Q Qoh" zweifellos als stilistische Glättung betrachtet werden. 152 Vgl. z. B. 4,13; 4,17; 5,4; 6,3; 7,1b; 9,4b?. Zu 4,13 vgl. Ogden, "Better"-Proverb, S. 499: "Here we see the operation of the qualifying elements which make possible the separation of wisdom, kingship, and age and the more positive evaluation of youth

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Während im Traktat 1,3-3,15 der 7oò-Spruch ganz fehlt, beweist seine auffallend häufige Verwendung im übrigen Buch e contrario, daß hier eine intensivere Auseinandersetzung mit dem überlieferten Spruchgut stattfindet. Da die 7oÄ-Sprüche ihrerseits eine ausgesprochen didaktische Funktion besitzen, verdienen sie im vorliegenden Zusammenhang eine ausführlichere Besprechung. Verschafft man sich einen Überblick über die biblischen Belege der TôbSprüche, stellt man zu seiner Überraschung fest, daß die meisten nicht in der späten Weisheit, sondern in den älteren Sammlungen des Proverbienbuchs begegnen.153 Die Kürze der Sprüche bezeugt ihre Herkunft aus der Volksweisheit. Mit ihrem appellativen Charakter rufen sie dazu auf, seine Entscheidung in bestimmten Situationen zu überdenken und sich zum eigenen Vorteil für das wahrhaft Bessere und damit für das scheinbar Mindere zu entscheiden.154 Auch manche der 7o6-Sprüche in Koh könnten inhaltlich in die ältere Spruchweisheit passen,155 unterscheiden sich aber davon in einem wesentlichen Punkt. Während die 7o£-Sprüche im Proverbienbuch stets eine konkrete Situation betreffen und niemals eine Begründung für ihre Wertungen liefern, ergänzt Kohelet eine ganze Reihe seiner übernommenen Joò-Spriiche durch Explikativsätze, welche die enthaltenen Wertungen begründen oder aber relativieren und korrigieren.154 Die Tatsache, daß die Nachsätze den Vergleichspunkt der 7o6-Sprüche spezifizieren und dadurch eine Überprüfung der

and poverty in the sage." 153 Vgl. für die Sammlung Prov 10-22 etwa 12,9; 15,16.17; 16,8.16.19.32; 17,1; 19,1.22; 21,9.19; 22,1; für die Sammlung Prov 25-29 etwa 25,7.24; 27,5.10b; 28,6. Vgl. fur die spätere Weisheit Prov 3,14; 8,10; und dann Sir 16,3; 30,14.17; 40,28; 41,15; 42,14 und Sir(LXX) 19,24; 20,18.25.31. In Hi fehlt der 7ö6-Spruch. 154 Vgl. C. Westermann, Wurzeln der Weisheit. Die ältesten Sprüche Israels und anderer Völker, Göttingen 1990, S. 84-88. 155 Vgl. z. B. 4,6; 4,9; 5,4; 6,9; 7,5; und dazu Westermann, Wurzeln, S. 115; ferner Loader, Structures, S. 22. 156 Vgl. ζ. Β. 4,3 (Ί\ί>Ν); 4,9 ( i m ) , 4,13 (IVJN); 4,17b (O); 5,4 (vorausgehend "IU)NZ>), 6,3 (O); 7,2 0VÜN2); 7,5 (O); 9,4b (O); 9,16 und 9,18 0); vgl. dazu Ps 37,16 (O); Sap 4,1 (ότι). Zur Sache vgl. Loewenclau, Kohelet, S. 331. Die Auslegung wird stets fragen müssen, ob der beigestellte Satz (nur) expliziert oder im Sinne Kohelets wertet. Dient der Satz der theologischen oder moralischen Erklärung, kann er wie sein analoges Formelement in der ägyptischen Weisheit als Weisheitsglosse bezeichnet werden; vgl. Irene Shirun-Grumach, Bemerkungen zu Rhythmus, Form und Inhalt in der Weisheit, in: Studien zu altägyptischen Lebenslehren, OBO 28, Freiburg/ Göttingen 1979, S. 340f.

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vorgenommenen Bewertung ermöglichen, spricht für ihre Einbeziehung in den Unterricht. Mittels der Explikativsätze will Kohelet seine Schüler offensichtlich zu einem eigenen Abwägen und Beurteilen veranlassen. Die damit verbundene Differenzierung des Urteils gegenüber der Tradition157 findet nun auch im Wandel der weisheitlichen Redeformen ihren Niederschlag: Gattungsgeschichtlich werden die kurzen Sprüche verschiedentlich erweitert und wie in 4,13-16 zu kleinen Lehrstücken ausgestaltet. Mithin erhärtet die Verwendung des traditionellen Tôb- Spruchs in der beschriebenen Form seinen schulischen Sitz im Leben. Besondere Beachtung verdient schließlich die Tatsache, daß Kohelet die gewöhnliche Spruchform abwandelt und in Form des negativen 7o¿-Spruchs eine eigene Ausdrucksweise schafft. Mit seinem Es gibt nichts Besseres als daß... !158 empfiehlt er seinen Schülern ausschließlich die Freude und prägt ihnen durch die negative Formulierung ein, daß es angesichts der Vergänglichkeit und Fragwürdigkeit des Erfolgs aller menschlichen Mühen nur den einen positiven Wert und keinen anderen gibt.159 Ähnlich wie die 7o6-Sprüche lassen auch die in Koh enthaltenen Mahnworte 160 erkennen, daß sie im weisheitlichen Schulbetrieb als Lehrmaterial verwendet wurden. Bei einer ganzen Reihe von ihnen ist deutlich, daß Kohelet sie der älteren Weisheitstradition entlehnt hat.161 Auffällig dabei ist, daß er bei seiner Auswahl eine gewisse Vorliebe für die sogenannten Königssprüche hegt, die vormals zum besonnenen Verhalten dem König gegenüber anleiten

157 Vgl. dazu P. Höffken, Elemente kommunikativer Didaktik in frühjüdischer und rabbinischer Literatur, Religionspädagogik in der Blauen Eule 1, Essen 1986, S. 105115. 158 Vgl. 2,26; 3,12; 3,22; 8,15; dazu G. S. Ogden, Qoheleth's Use of the "Nothing is Better"-Form, JBL 98 (1979), S. 339-350. Die Form besitzt in der alttestamentlichen Weisheitsliteratur keine Parallelen. Vgl. aber I Sam 27,1. 159 Mit Recht hat Ogden, Readings, S. 2If, festgestellt, daß einer, der so die Freude anpreist, kein Pessimist gewesen sein kann. Vgl. dazu schon Levy, Qoheleth, S. 119. 160 Insgesamt handelt es sich um 27 Mahnsprüche, vgl. 4,17; 5,1.3.5.6.7; 7,9.10.13.14. 16.17.21; 8,2.3; 9,7.8.9.10; 10,4.20; 11,1.2.6.9.10; 12,1. 161 Als traditionelle Zitate lassen sich 8,2-4; 10,4; 10,20; 11,1 und wahrscheinlich auch 11,2 und 11,6 identifizieren. Zu 8,2-4 vgl. Prov 16,10; Sir 8,1; Ach 100-102; dazu Michel, Eigenart, S. 94-96. Zu 10,4 vgl. Prov 16,14; zu 10,20 vgl. Ach 96-99; zu 11,1 vgl. Anch-Scheschonki 19,10 und unten S. 164f; zu 11,2 und 11,6 vgl. unten S. 165f und 169f. Ob auch die Mahnungen 7,9f aus der Schulweisheit stammen, ist fraglich; vgl. einerseits Eilermeier, Qohelet, S. 108; andererseits Michel, Eigenart, S. 133-137, der 7,8-10 als Kommentar Kohelets zu den in 7,l-6a zitierten fremden Meinungen betrachtet.

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wollten. Daß sie noch in Kohelets eigener Zeit dazu dienten, junge Aristokraten in Jerusalem speziell auf königliche Dienste bei den Ptolemäer vorzubereiten,162 darf dagegen bezweifelt werden. Denn die Residenz der Ptolemäer lag fern genug in Ägypten und wies eine soziale Struktur auf, die den alexandrinischen Hof nach außen abschottete.163 So werden denn auch die Königssprüche in das Bildungsgut eingegangen und als Anschauungsmaterial im weisheitlichen Unterricht eingesetzt worden sein: Etwa in 8,1-8 nimmt Kohelet das im Königsspruch 8,2-4 empfohlene vorsichtige Verhalten gegenüber der königlichen Willkür als ein Lehrstück, daß sich der Mensch angesichts der Unerkennbarkeit der Zukunft genauso besonnen im Umgang mit der Wirklichkeit übe und die willkürliche Macht des Schicksals gleichfalls nicht unnötig herausfordere.164 Betrachtet wir weiter die von Kohelet selbst gebildeten Mahnsprüche, und zwar zunächst die Vetitive, finden wir sie in Spruchgruppen verbunden und nicht selten mit 7oZ>-Sprüchen kombiniert.165 Ihre didaktische Funktion gewinnen sie jeweils durch einen angefügten O-Satz oder eine HQ^-Frage, die nicht nur ihrer Begründung dienen, sondern auch Wertungen vornehmen und Konsequenzen aufzeigen. Dadurch verschiebt sich der Akzent von einem auf eine bestimmte Handlung oder Unterlassung abzielenden Interesse auf die im Mahnwort enthaltene Wahrheit: Das von Hause aus der Mahnung eigene praktische Interesse tritt hinter die theoretische Erörterung zurück und verweist somit auf die im Hintergrund stehende Schuldiskussion.166 Schließlich kennt Kohelet auch die Imperativischen Mahnsprüche, die statt einer Abmahnung oder Warnung eine positive Empfehlung aussprechen. Von besonderer

162 Vgl. M. Hengel, Judentum und Hellenismus, WMUNT 10, 3. Aufl. Tübingen 1988, S. 59f, der zu Bedenken gibt, daß die Königssprüche, selbst wenn es sich dabei um Topoi der Weisheitstradition handeln sollte, nicht in den leeren Raum gesprochen sein müssen, sondern junge Adlige instruieren können, wie sie sich gegenüber den ptolemäischen Herrschern zu verhalten haben. Vgl. weiter Lohfink, melek, S. 535 Anm. 3, und zu 10,4 seine Bemerkung auf S. 541 : "Kohelet rechnet also für seine Schüler mit einer möglichen Zukunft am Hof." 163 Vgl. H.-J. Gehrke, Geschichte des Hellenismus, OGG la, München 1990, S. 169; ferner Ch. Habicht, Die herrschende Gesellschaft in den hellenistischen Monarchien, VSWG45 (1958), S. 1-16. 164 Zur Auslegung vgl. Zimmerli, ATD, S. 214. 165 Vgl. 5,1.3a.5.7; 7,9.10.16.17.21. Vgl. Whybray, Ecclesiastes, OTGuides, S. 33f. 166 Vgl. auch W. Richter, Recht und Ethos. Versuch einer Ortung des weisheitlichen Mahnspruches, StANT 15, München 1966, S. 190.

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Bedeutung ist dabei, daß Kohelet bei der Formulierung seines eigenen Anliegens hauptsächlich die Imperativische Form wählt. So begegnen neben den Stellen, die zur Lebensfreude aufrufen,167 auch positive Mahnungen zum rechten Umgang mit Gott, nämlich ihn zu furchten, sein Tun zu beachten und seiner als des Schöpfers zu gedenken.168 Während die bisher berücksichtigten Gattungen ein gegenüber der traditionellen Weisheit verbreitertes Diskussionsfeld zu erkennen geben und sich ungezwungen aus einer Unterrichtssituation erklären lassen, gibt es weitere Formelemente, die auf ihre schulische Herkunft verweisen. Von ihnen seien die Einleitungsformeln der Reflexionen als erstes behandelt. Sie bestehen in der Regel aus einem auf die eigene Beobachtung verweisenden "»ΤΡΙΟ, der Nennung ihres Objekts und/oder einer typischen Formel wie ζ. B. VyQVyn TlTOl.169 Stellt man die in Frage kommenden Belege zusammen, stößt man allerdings auf ein Grundproblem der Koheletexegese: Trotz stereotyper Formeln sperrt sich die Sprache des Weisen gegen eine Systematisierung.170 Deshalb ist es nicht möglich, die verschiedenen Einleitungssätze auf eine feste Grundform zurückzufuhren. Entscheidend ist vielmehr, daß sie durch ihre gemeinsame Funktion, eine weisheitliche Erörterung zu eröffnen, verbunden sind. In der Regel nimmt diese ihren Ausgangspunkt von einer Beobachtung, einem Fallbeispiel oder einem Zitat.171 Im Unterschied zur Königstravestie, die

167 Vgl. 9,7-10 und 11,9f. 168 Vgl. 5,6; 7,13f und 12,1. 169 Vgl. 3,10; 3,16; 4,1 (Impf, consce ); 4,4; 4,7 (Impf, consec); 4,15; 5,12; 6,1; 7,15; 8,9; (9,1); 9,11 (Inf. abs.); 9,13; 10,5. Dagegen bleiben die Stellen 1,14; 2,13; 8,17 hier unberücksichtigt, da sie keine Reflexion, sondern eine Erkenntnis einleiten; vgl. Eilermeier, Qohelet, S. 84f. Ferner begegnet in 2,24; 3,22; 5,17 ein >ΓΡΝ~Ι, das als Ausdruck einer persönlichen Lebenserfahrung des Weisen verstanden werden kann; vgl. H. Delkurt, Grundprobleme alttestamentlicher Weisheit, VF 36 (1991), S. 68f. Einen besonderen Hinweis verdienen die Einleitungsformeln zu den Reflexionen der Hodajot, die anstelle von >Π>ΝΤ ein m y P setzen; vgl. 1 QH 1,21; 111,20; IV,30; VI,6; IX, 14; XI,7; XI, 17; XII, 11; und dazu G. Morawe, Aufbau und Abgrenzung der Loblieder von Qumrân. Studien zur gattungsgeschichtlichen Einordnung der Hodajôth, ThA 16, Berlin 1960, S. 78-81. 170 Vgl. Whybray, Ecclesiastes, OTGuides, S. 38. Dagegen möchte de Waard, Structure, S. 57f, mittels einer rein formalen Analyse den Nachweis zu fuhren, daß die beiden Einleitungssätze 3,16 und 9,11 aufgrund ihrer syntaktischen Bildung größere Textzusammenhänge eröffneten 171 Textsignale sind Vi\ das in 4,7; 7,15 ; 10,5 ein Fallbeispiel einleitet, und >3 bzw. "IVtiM, die in der Funktion eines Doppelpunkts die Einleitungsformeln in 4,4; 9,1; 9,11 beschließen; vgl. dazu A. Schoors, The Particle O , in: Remembering all the Way... A

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des Königs Wollen, Tun und Denken als Ich-Erzählung stilisiert und daher formgeschichtlich als autobiographische Erzählung bezeichnet werden kann,172 findet sich das Ich im übrigen Buch fast nur noch in den Einleitungsformeln. Innerhalb der Reflexionen begegnet die Ich-Rede lediglich zur Kennzeichnung einer Aussage als einer Überlegung oder Beurteilung.173 Mithin sind solche Reflexionen statt als autobiographische Erzählung eher als didaktische Lehrdichtung anzusprechen; denn hier spielt das Ich als solches keine konstitutive Rolle, sondern dient der Hervorhebung des denkenden und damit für die Aussage die Verantwortung übernehmenden Subjekts.174 Das Ich, das hier redet, ist nicht fiktiv, sondern steht fur eine wirkliche Person, die ihre eigenen Erfahrungen reflektiert und daher die Autorität des Lehrers für ihre Prüfung der überkommenen Werte in Anspruch nimmt.175 Mithin spiegeln auch diese Eigentümlichkeiten der Reflexionen ihren Ursprung in der Situation lebendiger Unterweisung. Schon in ihr dürfte Kohelet seine Lehrreden statt mit einer der herkömmlichen Lehreröffiiungsformeln174 mit einer erfahrungsbezogenen Spruchformel wie Ich sah unter der Sonne...: eingeführt haben. Die Formelhaftigkeit seiner Sprache bei gleichzeitiger Variabilität im Ausdruck erklärt sich am angemessensten, wenn man sie als das Ergebnis häufiger Verwendung in der lebendigen Rede versteht. Damit soll freilich nicht behauptet werden, daß die in Koh enthaltenen Reflexionseinleitungen in jedem Fall aus dem Schulvortrag stammen und gerade so und nicht anders in seinem Unterricht

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Collection of Old Testament Studies, OTS 21, Leiden 1981, S. 257-259; Michel, Eigenart, S. 200-212 und 217. Zur Gattungsbestimmung vgl. z. B. J. L. Crenshaw, Wisdom, in: Old Testament Form Criticism, ed. by J. H. Hayes, TUMSR 2, San Antonio 1974, S. 256-258; und jetzt Klein, Kohelet, S. 128-136. Vgl. ζ. B. 3,18; 4,2; 6,3; 7,23; 8,12b.l4b; 9,16. Zur Unterscheidung zweier Verwendungsformen des Ichs in Koh vgl. P. Höffken, Das EGO des Weisen. Subjektivierungsprozesse in der Weisheitsliteratur, ThZ41 (1985), S. 125f. Zur Gattung vgl. Prov 7,6-23; Sir 44,1-15; und Crenshaw, Wisdom, S. 259-262. Daß vieles, was Kohelet im Ich-Stil erzählt, Schulweisheit ist, bemerkte bereits W. Zimmert, Die Weisheit des Predigers Salomo, Berlin 1936, S. 26 Anm. 1. Vgl. ferner R Braun, Kohelet und die fhihhellenistische Popularphilosophie, BZAW 130, Berlin/ New York 1973, S. 166, der die Ich-Rede als Element des Lehrstils betrachtet, wie er auch aus der Schulweisheit des Alten Testaments und der Diatribenliteratur bekannt sei. Vgl. Höffken, EGO, S. 125. Vgl. H. W. Wolff, Dodekapropheton 1. Hosea, BK XIV/1, 3. Aufl. NeukirchenVluyn 1976, S. 122f; G. von Rad, Weisheit in Israel, Neukirchen-Vluyn 1970 (Taschenbuchausgabe Gütersloh 1992) , S. 32f; und dazu Hi 8,8; 15,17; 27,13.

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benutzt worden sind. Mit dem bisher Gesagten ist lediglich festgestellt, daß die Einleitungsformeln ihren primären Sitz im Leben in der mündlichen Unterweisung besessen haben. Eine weitere, in enger Verbindung mit den Einleitungsformeln begegnende Ausdrucksweise sind die Jes-Sätze, die in der Weisheit wegen ihrer akzentuierten Existenzaussage zumal zur Hervorhebung paradoxer Erscheinungen in der Welt benutzt werden und zu einer eigenen Spruchform geworden sind.177 Dazu hat Diethelm Michel neuerdings überzeugend dargelegt, daß Kohelet in den Jei-Aussagen nicht die Regelfälle, sondern die Grenzfalle interessieren: "Qohelet denkt gerne von den Grenzfallen her."178 Obwohl diese Charakterisierung grundsätzlich zutrifft,179 sollte sie trotzdem nicht verallgemeinert werden, weil jedenfalls an zwei Stellen der umgekehrte Fall zu beobachten ist: In 2,13 und 8,6 fuhrt VJ-» den von Kohelet in Frage gestellten Regelfall ein. Nochmals anders müssen 1,10 und 2,21 beurteilt werden; denn hier ist Kohelet weniger am Grenzfall interessiert als daran, mittels einer Jei-Aussage einen Einwand in die Argumentation einzufügen. An beiden Stellen läßt sich der JesSatz als verkürzter Bedingungssatz interpretieren, der die Gegenrede mit wenn es auch vorkommt einleitet.180 Schließlich wird man die Jes-Aussage in 9,4 bereits als einen Topos weisheitlicher Argumentation betrachten dürfen.181 Noch deutlicher tritt die didaktische Funktion des Jes-Satzes bei Ben Sira hervor, wenn er ein Thema mit Jes-Reihen illustriert182 oder mit das Besondere dem Allgemeinen gegenüberstellt.183 Der lebendigen Rede können auch die häufigen rhetorischen Fragen bei Kohelet entstammen,184 sofern sie nicht lediglich ein literarisches Stilmittel

177 Vgl. dazu Hermisson, Spruchweisheit, S. 148; Michel, Eigenart, S. 184f. 178 Michel, Eigenart, S. 199, und besonders seine gründliche Analyse S. 184-199. Warum Michel ausgerechnet die Stelle 2,13 nicht behandelt, ist merkwürdig. Denn in 2,13 argumentiert Kohelet vom Regelfall her, daß es einen Vorzug der Weisheit vor der Torheit gibt. Wenn Michel die Stelle übergangen hat, weil er sie als Fremdzitat betrachtet, hätte er dies vermerken müssen. 179 Vgl. dazu 4,8; 5,12; 6,1; 6,11?; 7,15 (2mal); 8,14 (3mal); 10,5. 180 Vgl. GK § 159dd und Murphy, WBC, S. 6 und 24. 181 Vgl. Hi 11,18; 14,7; Prov 19,18; ferner Rut 1,12; Thren 3,29; Esr 10,2. 182 Vgl. Sir 6,8-10; 10,30; 11,1 lf; 20,5f; 20,21-23; 37,19-23; 44,8f. 183 Der Vordersatz beginnt mit der Nachsatz bringt das VJ\ dem unmittelbar ein adversatives f N voransteht; vgl. Sir 36,23; 36,26; 37,1; 37,7. 184 Insgesamt finden sich 28 rhetorische Fragen 1,3; 2,2bß.l2ba.l5aß.l9aa.22.25; 3,9.21.22b; 4,8ba; 5,10b.l5b; 6,6b.8a.8b.llb.l2a.l2b; 7,13b.24bß; 8,laa.laß.7b;

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darstellen und dabei eine kompositionelle Funktion ausüben.115 In den mündlichen Bereich zurück verweisen eine Reihe von Kohelet argumentativ eingesetzter Fragen. Sie besitzen in den Reflexionen deutlich eine affirmative Funktion und pointieren ausschließlich seine eigene Meinung.184 Ihre Verwendung empfahl sich Kohelet offensichtlich aus zweierlei Gründen: Einerseits eignen sie sich zur Zurückweisung möglicher oder tatsächlicher Einwände, da sie in der Regel eine Verneinung implizieren. Andererseits dienen sie der Konsensbildung, indem sie eine Übereinkunft zwischen Kohelet als dem Lehrer und den Hörern als seiner Schüler herzustellen suchen. Hier tritt deutlich der Charakter der rhetorischen als didaktischer Fragen hervor, geht es ihnen doch darum, Kohelets Gedanken die erwünschte Zustimmung zu verschaffen.187 Man wird daher nicht in jedem Fall die rhetorischen Fragen auch schon als polemische Abweisung einer gegnerischen Position durch Kohelet interpretieren können.188 Mit all diesen Beobachtungen läßt sich der Schluß rechtfertigen, daß die zumal in 3,16-12,7 vereinigten Texte und Textgruppen primär und vermutlich ebenso als Ergebnis einer vorauslaufenden Diskussion wie zu Unterrichtszwecken verschilftet worden sind. Mithin stehen wir vor der Aufgabe, die Eigenart dieser "Schule" genauer zu bestimmen. In die rege Diskussion über die Frage nach der Existenz der Schule im Alten Israel überhaupt brauchen wir hier nicht einzugreifen,189 weil für das hellenistische Judentum die Einrichtung

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10,14bß; in traditionellen Zitaten 4, IIb; 7,10a; 8,4b. Dagegen sind 5,5b; 7,16b; 7,17b nicht als rhetorische Fragen, sondern als negative Absichtssätze anzusprechen; vgl. Eilermeier, Qohelet, S. 61, mit Hinweis auf Brockelmann, Syntax, § 173; GK § 150e. Als Einfuhrung oder Vorankündigung thematischer Zusammenhänge füngieren etwa 1,3; 3,9; 5,10; 6,1 lf; 7,24. Vgl. ζ. B. 2,2b; 2,15aß; 2,19aa; 2,22; 3,21; 4,8ba; 5,15b; 6,6b; dazu Ogden, "Nothing is Better"-Form, S. 342f: "Such questions are rhetorical in that they do not seek information, but rather participate in the author's presentation of his viewpoint." Vgl. bes. Kroeber, SQAW, S. 38; Loader, Structures, S. 26. Zur Sache vgl. Κ. Berger, Die impliziten Gegner. Zur Methodik des Erschließens von Gegnern in neutestamentlichen Texten, in: Kirche (FS G. Bornkamm), Tübingen 1980, S. 376. Zur Schule im Alten Israel vgl. Hermisson, Spruchweisheit, bes. S. 113-135; J. P. J. Olivier, Schools and Wisdom Literature, JNSL 4 (1975), S. 49-60; B. Lang, Schule und Unterricht im alten Israel, in: La Sagesse de l'Ancien Testament, ed. by M. Gilbert, BEThL 51, Leuven/ Louvain 1979, S. 186-201; A. Lemaire, Les Écoles et la Formation de la Bible dans l'Ancien Israël, OBO 39, Freiburg, Schweiz/ Göttingen 1980; dazu dieRez. von P. Höflken in: BiOr 41 (1984), Sp. 449-453. Kritisch äußern sich J. L. Crenshaw, Education in Israel, JBL 104 (1985), S. 601-615; G. Wanke, Der

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berufsspezifischer Schreiberschulen schwerlich zu bestreiten ist. Denn der zunehmende Bedarf an qualifizierten Schreibkräften, wie ihn die Einführung der Tora als Grundlage der jüdischen Eigengerichtsbarkeit in der fortgeschrittenen Perserzeit erforderlich machte190 und der sich im ökonomischen Bereich durch die Einbeziehung des jüdischen Tempelstaats in den ptolemäischen Herrschafts- und Wirtschaftsraum noch einmal steigerte,191 ließ sich nicht mehr durch eine lediglich familiengebundene Ausbildung abdecken, sondern machte professionelle Schreiberschulen erforderlich. Trotzdem dürfte sich die Zulassung zu solchen Schulen weithin auf aristokratische Kreise beschränkt haben, zumal die Berufsschreiber auch Pflichten eines Notars erfüllten und dadurch eine vertrauensvolle und einträgliche Tätigkeit ausübten, die sie schnell in einflußreiche Positionen des wirtschaftlichen Lebens gelangen ließ. Auch die Einrichtung am Jerusalemer Tempel dürfte einen solchen Schultyp repräsentieren. Die Schüler stammten aus priesterlich-levitischen Familien, die Schule selbst war räumlich wie institutionell mit dem Tempel verbunden und diente der Ausbildung des unterschiedlichen Personalbedarfs des Tempels. Da dieser selbst nicht nur das religiöse Zentrum der Juden, sondern auch ihre wichtigste finanzielle Institution darstellte,192 mußte er eine aus geschulten Schreibern und Dolmetschern bestehende Verwaltung besitzen. Die der Tempelschule not-

Lehrer im alten Israel, in: Schreiber, Magister, Lehrer, Schriftenreihe des Bayerischen Schulmuseums Ichenhausen 8, Bad Heilbrunn/Obb. 1989, S. 51-59. Vgl. ferner D. W. Jamieson-Drake, Scribes and Schools in Monarchic Judah, JSOT.S 109, Sheffield 1991, der aufgrund soziologischer Überlegungen zu dem Ergebnis kommt, daß professionelle Schreiberschulen, wenn überhaupt, dann im 8.-7. Jhd. und nur in Jerusalem denkbar sind. 190 Der Vollzug der Reform Esras um das Jahr 398 v. Chr. setzte zweifellos voraus, daß Abschriften der Tora in ausreichender Menge angefertigt wurden; vgl. Kaiser, Grundriß I, S. 29f. Zur Diskussion um das Gesetz Esras vgl. F. Crüsemann, Der Pentateuch als Tora, EvTh49 (1989), S. 251-255; R. G. Kratz, Translatio imperii, WMANT 63, Neukirchen-Vluyn 1991, S. 233-241, bes. S. 235. 191 Vgl. Bickerman, Greek Age, S. 164. Zur ökonomischen Situation im ptolemäischen Herrschaftsbereich vgl. Rostovtzeff, Gesellschafts- und Wirtschaftsgeschichte I, S. 274-278; Hengel, Judentum und Hellenismus, S. 67-92; P. Schäfer, Geschichte der Juden in der Antike, Neukirchen-Vluyn 1983, S. 31-34. 192 Davon zeugen jedenfalls die verschiedenen Versuche der Seleukiden, sich Zugriff auf die Gelder des Jerusalemer Tempels zu verschaffen; vgl. die sogenannte HeliodorafFäre in Π Macc 3,4-40; den Raub von Tempelschätzen durch den Hohenpriester Menelaos in II Macc 4,27-35; die Plünderung durch Antiochus IV. in II Macc 5,11-21; Josephus, Ant. XII 5,1. Vgl. weiter H. G. Kippenberg, Religion und Klassenbildung im antiken Judäa, Göttingen 1978, S. 87f; Schäfer, Geschichte, S. 50-57.

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wendig eigenen religiösen Bildungsaufgaben wurden von den Ο Ή ΰ Ό ausgeübt, die sich dort inzwischen als Berufsgruppe etabliert und die Pflege und Weitergabe der väterlichen Überlieferungen übernommen hatten. 193 Ob auch der ! ¿ r n > 3 n Γ Ρ 2 des Ben Sira 1 9 4 als Tempelschule zu denken ist, läßt sich nicht mit Sicherheit behaupten. Jedoch berechtigen sein Titel ΊΟΊΌ, sein priesterliches Interesse sowie die in seinem Buch enthaltenen und für die Weisheit untypischen Hymnen zu der Annahme, daß sein Lehrhaus zum Umkreis des zweiten Tempels gehörte. 195 Seine autobiographischen Notizen in Sir 24,30-34 und 33,16-19 lassen darüber hinaus vermuten, daß er seine Schule auch bildungssuchenden Laien geöffnet hat. l 9 < Daher wird man den ν)Ί7Χ3ΓΙ Γ Ρ Ι des Ben Sira als Vorläufer der etwa hundert Jahre später nachweisbaren Elementarschulen betrachten dürfen. 197 Mithin fragt es sich, inwieweit die Schule Kohelets in Analogie zu der B e n Siras gesehen werden darf. Gegen eine solche Entsprechung wird formal das

193 Vgl. E. Schürer, The History of the Jewish People in the Age of Jesus Christ (175 B.C. - A.D. 135). A New English Version, rev. and ed. by G. Vermes and F. Millar, Vol. Π, Edingburgh 1979, S. 424; R. Albertz, Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit, ATD ErgR. 8/2, Göttingen 1992, S. 599. 194 Vgl. Sir 51,23. Gegen den Beleg richten sich die Zweifel von P. W. Skehan, The Acrostic Poem in Sirach 51:13-30, HTR 64 (1971), S. 397f. Er vermutet ein ursprüngliches und durch den rabbinischen Schulterminus später in der Handschrift Β ersetztes ΊΌΊΏ JT>2. Dafür ließe sich auch 51,29 anfuhren, insofern die Handschrift Β hier ebenfalls mit PUHL)1» einen rabbinischen Fachausdruck zur Bezeichnung palästinischer Schulen benutzt; vgl. dazu J. Z. Lauterbach, The Name of the Rabbinical Schools and Assembles in Babylon, in: Exploring the Talmud I: Education, New York 1976, S. 213-217. Zur Existenz der Lehrhäuser vgl. Η. M. I. Gevaryahu, Privathäuser als Versammlungsstätten von Meistern und Jüngern, ASTI 12, Leiden 1983, S. 5-12. 195 Vgl. D. Michaelis, Das Buch Jesus Sirach als typischer Ausdruck für das Gottesverhältnis des nachalttestamentlichen Menschen, ThLZ 83 (1958), Sp. 605. Zur Einordnung Ben Siras als priesterlicher Schriftgelehrter vgl. die gründliche Untersuchung von H. Stadelmann, Ben Sira als Schriftgelehrter, WUNT 2. Reihe 6, Tübingen 1980. 196 Weitere Hinweise auf einen Schulbetrieb finden sich in Sir 6,35f; 33,16-18. Vgl. auch das in Sir 37,22-26 gezeichnete Ideal des Weisen, der nicht nur für sich selber weise ist, sondern auch das Volk Erkenntnis lehrt. Zur Sache vgl. Hengel, Judentum und Hellenismus, S. 145f; Stadelmann, Ben Sira, S. 293-309; H. V. Kieweier, Ben Sira zwischen Judentum und Hellenismus. Eine Auseinandersetzung mit Th. Middendorp, BEATAJ 30, Frankfurt a. M./ Berlin/ Bern/ New York/ Paris 1992, S. 64-68. 197 Zur Entwicklung der jüdischen Schule vgl. H. L. Ginzberg, The Jewish Primary School, in: Exploring the Talmud I: Education, New York 1976, S. 291-295; und den Exkurs Nr. 1 von Hengel, Judentum und Hellenismus, S. 143-152.

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Fehlen der traditionellen Schüleranrede mit Ol 1 9 8 und inhaltlich seine Außenseiterstellung199 hervorgehoben, die ihn als schroffen Gegner der traditionellen Weisheit und distanziert dem jüdischen Glauben gegenüberstehenden Skeptiker erweise.200 Was den ersten Gesichtspunkt betrifft, so warnten unsere formgeschichtlichen Überlegungen in der Tat davor, die Lehren Kohelets als eine Form des Elementarunterrichts zu betrachten. Die universale Weite, mit der Kohelet die Möglichkeit des Gelingens menschlichen Lebens in Blick nimmt und dabei die traditionellen Grundsätze abwägt, übersteigt jedenfalls das Ziel einer elementaren religiös-sittlichen Unterweisung. Als einzigen Hinweis auf seinen Schülerkreis finden wir die in 11,9 expressis verbis angesprochene Gruppe der • n i n i , d. h. junge Männer. Unter der Voraussetzung, daß Kohelets Umgang mit ihnen offensichtlich Aufinerksamkeitsruf, Schüleranrede und pädagogische Ermahnung als solche überflüssig machte, dürfen wir in ihnen seine Schüler erkennen und sie näherhin als Heranwachsende oder in Analogie zu der griechischen Altersbezeichnung als Epheben bezeichnen.201 Daß seine Schüler bereits ein gewisses Bildungsniveau in den Unterricht mitbrachten, läßt sich aus seiner argumentativen Verwendung des Traditionsguts in 3,16-12,7 nachweisen. Wenngleich bei Ben Sira das pädagogische Element deutlich hervortritt, sollte man es gegenüber Kohelet trotzdem nicht zu stark betonen; denn auch das Sirachbuch enthält neben typischer Erziehungsweisheit Argumentationen, Gedichte und themengebundene Spruchkompositionen.202 Mithin dürften sich beide an die gleiche Altersgruppe aus den besitzenden judäischen

198 Vgl. z.B. Sir 2,1; 3,17; 4,1.20; 6,18.23.32; 10,28; 11,10; 14,11; u. ö. Zum Fehlen der traditionellen Schüleranrede bei Koh vgl. auch Loretz, Qohelet, S. 182f. 199 Vgl. z. B. G. von Rad, Theologie des Alten Testaments, Bd. 1: Die Theologie der geschichtlichen Überlieferungen Israels, 9. Aufl. München 1987, S. 456f; ders., Weisheit, S. 303f; Hengel, Judentum und Hellenismus, S. 146. 200 Vgl. dazu F. Crüsemann, Die unveränderbare Welt, in: Der Gott der kleinen Leute, Bd. 1, hg. von W. SchottrofF und W. Stegemann, München 1979, S. 90, der eine absolute Distanz Kohelets zu allen grundlegenden Jahwetraditionen konstatiert und folgert: "Sie muß auch eine zu den sie tragenden Gruppen sein, also zu den Familien, in denen Genealogien tradiert werden, zu Priestern und Leviten, die am Tempel dienen, zu denen, die das Leben weiter nach den alten Gesetzen Israels regeln wollen, zu denen, die von Jahwe eine grundlegende Veränderung der Welt erwarten." 201 Zur Frage des Addressatenkreises vgl. auch Gordis, Koheleth, S. 76f, 85f; Lohfink, NEB, S. 12; Whybray, Ecclesiastes, OTGuides, S. 20. 202 Vgl. J. Gammie, The Sage in Sirach, in: The Sage in Israel and the Ancient Near East, ed. by J. Gammie and L. Perdue, Winona Lake 1990, S. 358.

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Familien wenden. Schon die Tatsache, daß sich beide des Hebräischen203 statt des damals in Jerusalem längst üblichen Aramäischen204 bedienten, spricht dafür, daß sie bei ihren Schülern bereits eine entsprechend an die biblische Überlieferung gebundene Grundausbildung voraussetzten. Gleichwohl ist das Hebräische beider Autoren nicht einfach mit dem klassischen biblischen Hebräisch identisch, sondern unterscheidet sich von ihm ebenso durch eine wachsende Zahl lexikalischer und grammatischer Aramaismen wie durch seine syntaktische Entwicklung. Dabei schwankt die Bestimmung der Sprache Kohelets zwischen einem spätbiblischen oder frühen mittleren Hebräisch.205 Da die Versuche, die Eigentümlichkeiten seiner Sprache durch phönizischen Einfluß oder als Folge eines nördlichen Dialekt des Hebräischen zu erklären,206 nicht überzeugt haben, stellt sich die Frage, ob der starke Einfluß des Aramäischen auf Wortwahl und Satzbau nicht dadurch zu erklären ist, daß in diesen Schulen die hebräische Schriftsprache von Menschen verwendet wurde, die in ihrem Alltag aramäisch redeten.207 Nicht minder gewichtig sind die Zweifel gegenüber der These, es handele sich bei Kohelet wegen seiner Sondermeinungen um einen nicht zum Lehrer der Jugend berufenen Außenseiter. Obwohl sich das Problem seiner geistigen 203 Vgl. dazu bereits A. Schlatter, Geschichte Israels von Alexander dem Großen bis Hadrian, 3. Aufl. Stuttgart 1925 (ND Darmstadt 1972), S. 100. Zum Hebräischen als religiöser Bildungssprache vgl. Jub 12,27 und Bickerman, Greek Age, S. 165; weiter Ε. Α. Knauf, War "Biblisch-Hebräisch" eine Sprache?, ZAH 3 (1990), S. 11-23; Ph. R. Davies, In Search of'Ancient Israel', JSOT.S 148, Sheffield 1992, S . 102-105. 204 Zum Aramäischen als Umgangssprache in nachexilischer Zeit vgl. J. Naveh / J. C. Greenfield, Hebrew and Aramaic in the Persian Period, in: The Cambridge History of Judaism, Vol. I, Cambridge 1984, S. 115-130. Zum Vordringen der griechischen Sprache vgl. Hengel, Judentum und Hellenismus, S. 108-112. 205 Seit Delitzsch, BC, S. 197-208, wird immer wieder auf die späte Sprachstufe verwiesen. Vgl. vor allem Gordis, Koheleth, S. 59-62; Whitley, Koheleth, S. 119-122; dazu die Rez. von N. Lohfink in: BZ N. F. 25 (1981), S. 114f; und zuletzt die gründliche Studie von Schoors, Preacher, S.221-224 (Interim Conclusion). Im Vorwort kündigt der Vf. einen zweiten Teil zum Vokabular Kohelets an. 206 Vgl. einerseits M. J. Dahood, Canaanite-Phoenician Influence in Qoheleth, Bib 33 (1952), S. 30-52, 191-221; und andererseits Isaksson, Language, S. 190-197; J. R. Davila, Qoheleth and Northern Hebrew, in: Sopher Mahir (FS S. Segert), MAARAV 5-6, WmonaLake, Indiana 1990, S. 79-87; und dazu kritisch F. Bianchi, The Language of Qohelet: A Bibliographical Survey, ZAW 105 (1993), S. 216-223, der allerdings die Arbeit von Davila übersehen hat. 207 Auf Unterschiede zwischen der künstlichen Schulsprache der Chronik und der gegenüber Kohelet weithin traditioneller wirkenden Sprache des Siraziden sei hier lediglich hingewiesen.

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Einordnung letztlich erst im Zusammenhang mit der Gesamtinterpretation seines Buches erörtern läßt, kann hier bereits soviel gesagt werden, daß man Kohelet wegen seiner Skepsis noch lange nicht als Einzelgänger abstempeln darf. Denn er steht mit seinen Vorbehalten gegenüber dem Optimismus der traditionellen Weisheit keineswegs allein, sondern in einem Zusammenhang, der sich spätestens bei den Verfassern der Hiobdichtung greifen läßt.208 Auch die vielfach behauptete distanzierte Haltung Kohelets gegenüber dem Kult verdient ihre kritische Nachprüfung. Selbst wenn man Koh 4,17-5,6 lediglich als Beispieltext für das typische Verhalten der Toren im Kultus209 bewerten und damit dem hier verarbeiteten Traditionsgut seinen Skopus nehmen wollte, ist es offensichtlich, daß Kohelet hier kaum die Grenzen der herkömmlichen Weisheit und selbst deuteronomistischer Theologie überschreitet.210 Ein Weiser, der zustimmend die Tora zitiert, kann ihr wohl nicht allzu fern gestanden haben.211 Schließlich mag auch das oft als Beweis fur Kohelets Distanz zum Glauben seiner Väter zitierte Gott ist im Himmel und du bist auf der Erde

kaum diesen Zweck erfüllen. Denn es motiviert als Begründungssatz eine demütige Haltung im Gebet vor Gott, die seiner Majestät Rechnung trägt und damit ganz auf der Linie von Ps 11,4; 33,13f; 102,20 (vgl. Sir 39,20) und

208 Vgl. dazu B. L. Mack, Logos und Sophia. Untersuchungen zur Weisheitstheologie im hellenistischen Judentum, StUNT 10, Göttingen 1973, S. 21-29; Katharine J. Dell, The Book of Job as Sceptical Literature, BZAW 197, Berlin/ New York 1991, S. 7388, 159-212; und jetzt bes. M. Witte, Vom Leiden zur Lehre. Der dritte Redegang (Hi 21-27) und die Redaktionsgeschichte des Hiobbuches, BZAW 230, Berlin/ New York 1994, S. 194-204, mit Hinweis auf die von der verborgenen Weisheit Gottes handelnden Einschübe in Hi 12,7-13,2 und Hi 28,1-14.20-28 sowie auf Hen 42 und 11 QPs' 18. Abgesehen von den Bilderreden stammen diese Texte sämtlich aus dem 3. Jh. v. Chr. 209 Vgl. Michel, Eigenart, S. 253-258; ferner Loader, Structures, S. 73-76, der die Mahnungen unter das Thema Talk and silence stellt. 210 Zur Kritik am Opfer der Toren in Koh 4,17 vgl. I Sam 15,22f; Mal 1,10; Prov 15,8; 21,27; Sir 7,9; 34,21f. Zur Vorsicht beim Gebet in Koh 5,1 vgl. Sir 7,10.14. Zur Kritik am vorschnellen Geloben in Koh 5,3f vgl. Dtn 23,22-24; Prov 20,25; Sir 18,22f; 23,11; 27,14; und dazu Num 30,3; ferner Epiktet, Enchiridion 33,5. Zur Deklaration unabsichtlicher Verfehlung vor dem Priester vgl. die Bestimmung in Num 15,27f. Zur Sache insgesamt vgl. den Exkurs zu Weisheit und Kultus bei von Rad, Weisheit, S. 240-244; und schließlich Kroeber, SQAW, S. 60, der den Abschnitt durchgehend als deuteronomisch beurteilt. 211 Vgl. Dtn 23,22-24. Anders dagegen Michel, Eigenart, S. 256f.

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115,16 liegt.212 Dagegen ist nicht von der Hand zu weisen, daß sich Kohelet als Kind seiner Zeit und seines Landes mit dem frühen Hellenismus auseinandergesetzt und ähnlich wie Ben Sira um eine jüdische Antwort auf die besonders in den Urbanen Schichten verbreitete hellenistische Lebenseinstellung bemüht hat. Mit seiner Frage nach dem fur den Menschen möglichen Glück angesichts göttlicher Schicksalszuweisung hat er zweifellos ein Thema aufgegriffen, das aufgrund einer tiefen Daseinsverunsicherung des Menschen im hellenistischen Zeitalter virulent geworden war213 und daher auch die Fragestellung der drei großen Philosophenschulen bestimmte.214 Dabei zeigt sich das Festhalten am Glauben seiner Väter daran, daß er Gott trotz seines grundsätzlich unerkennbaren Handelns am Menschen nicht als Fatum begreift und nicht einmal den Grundsatz der göttlichen Gerechtigkeit, sondern nur dessen absolute Gültigkeit bestreitet. Mithin bleibt es seine theologische Leistung, daß er die schicksalshafte Determination in die Verborgenheit der Weisheit Grottes zurückgenommen und dadurch Raum fur menschliches Planen und Tun in den von Gott bestimmten Zeiten geschaffen und gleichzeitig die Möglichkeit menschlicher Einsicht in die Zukunft um der Souveränität Gottes willen verneint hat. Selbst Ben Sira hat den Gedanken der Pronoia lediglich dazu benutzt, um plausibel zu machen, daß Gott für jegliches Verhalten des Menschen die nötigen Mittel zu seiner Beurteilung bereithält.215

212 Vgl. dazu auch die Bezeichnung Gott des Himmels, deren biblische Belege ausschließlich der persischen und der hellenistischen Zeit entstammen; z. B. Esr 1,2 (II Chr 36,23); Neh 1,4.5; 2,4.20; aramäisch Esr 5,11.12; 6,9.10; 7,12.21.23(2x); Dan 2,18.19.37.44. Zu den Belegen und zum vorausgesetzten Gottesbild vgl. Ch. Levin, Der Jahwist, FRLANT 157, Göttingen 1993, S. 423f mit Anm. 8-10. Zur Sache vgl. jetzt auch C. Houtman, Der Himmel im Alten Testament, OTS 30, Leiden/ New York/ Köln 1993, S. 335-337 und 363. 213 Vgl. dazu Gehrke, Hellenismus, S. 72. 214 Vgl. M. Hossenfelder, Die Philosophie der Antike 3: Stoa, Epikureismus und Skepsis, Geschichte der Philosophie III, München 1985, S. 11-43, bes. 23-25. Zu Hossenfeids These eines im Kern identischen hellenistischen Glückskonzepts vgl. jedoch kritisch die Rez. von M. Forschner, Neues zur Philosophie des Hellenismus, PhR 69 (1988), S. 98-105. Seitens der Koheletforschung behandelt Schwienhorst-Schönberger, "Nicht im Menschen", S. 274-332, jetzt ausfuhrlich das Thema. Dabei erörtert er Kohelets Lehre im Horizont der hellenistischen Frage nach der Eudämonie und bestimmt seine Theologie des Glücks als originelle Explikation biblischer Schöpfungstheologie, vgl. S. 294-297. 215 Vgl. O. Kaiser, Anknüpfung und Widerspruch, in: Pluralismus und Identität, hg. von J. Mehlhausen, Gütersloh 1995, S. 61f.

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Folgerungen für die Koheletexegese

Da die scheinbar dem Verständnis Kohelets als eines Lehrers entgegenstehenden Gründe entkräftet sind, können wir weiterhin von der Annahme ausgehen, daß er in einem um sich versammelten Kreis älterer Schüler weisheitliche Überlieferung erörtert und der eigenen Einsicht gemäß umgebildet hat. Damit aber erweist er sich nochmals als ein genuiner Weiser.

4. Folgerungen für die Koheletexegese Fragen wir, was die gewonnenen Erkenntnisse für die Koheletexegese bedeuten, so muß unsere Antwort zunächst der Eigenart der Texte gelten. Sie scheinen aus dem Unterricht zu kommen und für den Schulgebrauch aufgeschrieben worden zu sein. Als solche dürfte man sie in der Schule gesammelt und archiviert haben. Erst durch Prolog und Epilog und durch die Rahmenverse 1,2 und 12,8, die auf ihre Weise die Funktion eines Aufmerksamkeitsrufs übernommen haben,216 sind die Texte zu einer eigentlichen Lehre geworden, die in der Schule bewahrt und schließlich aufgrund ihres Ansehens und der sich daraus ergebenden Zuweisung an Salomo217 sowie ihrer durch den zweiten Epilogisten vorgenommenen Korrekturen in die heiligen Schriften des Judentums aufgenommen worden ist. Wie wir oben gezeigt haben, spiegelt der überwiegende Teil der Texte in 3,16-12,7 ihren Ursprung in der Schuldiskussion noch relativ ungebrochen. Anders verhält es sich in der von uns als Traktat bezeichneten Grundschrift 1,3-3,15. Denn bei ihr handelt es sich ausweislich des Fehlens sekundärer redaktioneller Eingriffe um eine von Kohelet selbst entworfene Komposition. Aus dem gleichen Grund lassen sich auch die themengebundenen Kompositionen in 5,9-6,9; 9,1-12; 11,1-12,7; und die aus der Spruchüberlieferung zusammengestellten und glossierten Schultexte 4,17-5,6; 7,1-22; 9,13-10,13 auf Kohelet selbst zurückführen. Dagegen ist Kapitel 8 offensichtlich als eine aus der Hinterlassenschaft des Weisen durch den ersten Epilogisten zusammengestellte sekundäre Komposition zu betrachten. Ihm dürften auch die in 3,16-

216 Zum Aufmerksamkeitsruf als Element der Formgeschichte vgl. D. Römheld, Die Weisheitslehre im Alten Orient, BN Beiheft 4, München 1989, S. 131f. 217 Vgl. oben S. 35.

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12.7 enthaltenen Texte ihre jetzige Ordnung und ihre Rahmung durch 1,2 und 12.8 verdanken. Die Einsicht in die Genese der in 3,16-12,7 verarbeiteten Texte macht aus dem einsamen Weisen ein in seiner Schule unterrichtenden Lehrer, den man stärker als bisher geschehen auf dem Hintergrund der sich jetzt schrittweise der Weisheit und der Prophetie bemächtigenden Torafrömmigkeit betrachten muß. Eine Beantwortung der Frage, wie man Kohelet und seine Schule genauer in die jüdische Religionsgemeinschaft seiner Zeit einordnen kann, wird dabei zum vordringlichen Problem. Jedenfalls ist das Buch nach seiner literarischen und geistigen Eigenart zuerst und zuletzt das Zeugnis einer durchaus noch offenen innerjüdischen Auseinandersetzung mit der hellenistischen Lebensweise, die besonders in die Urbanen Schichten des jüdischen Gemeinwesens ausstrahlte und sich als so progressiv erweisen und dadurch die Katastrophe der jüdischen Religionsverfolgung auslösen sollte. 2 " Im einzelnen ergeben sich daraus die folgenden Gesichtspunkte für die Auslegung des Buches Kohelet: 1) Sind die in 3,16-12,7 enthaltenen Kompositionen und Reflexionen nicht allein als literarisches Testament Kohelets zu verstehen, sondern zugleich als das Schulgespräch fortsetzende Lehren, besitzen sie darin ihre Bedeutung für das Verständnis des Traktats in 1,3-3,15. Warum Kohelet etwa in der Königsfiktion und dort in seiner Argumentation 2,13fF der Weisheit einen relativen Nutzen einräumen kann, ist vor dem Hintergrund einer in 9,13-10,13 vergegenwärtigten Schuldebatte über Stärke und Schwäche der Weisheit sofort einsichtig. Oder warum sein Gedicht von den schicksalhaft bestimmten Zeiten keineswegs die Entbehrlichkeit des menschlichen Tuns lehrt, ergibt sich ohne weiteres aus der Spruchkomposition 11,1-6; vgl. 7,18; 9,10. Sie ermuntert den Menschen dazu, trotz ungewisser Zeiten zu handeln und jedenfalls nichts zu unterlassen, was zum guten Gelingen beiträgt.219 Es hat demnach den Anschein, daß Kohelet in der Grundschrift den Versuch unternommen hat, das

218 Vgl. dazu E. Bickeimann, Der Gott der Makkabäer, Berlin 1937, S. 117-139; Hengel, Judentum und Hellenismus, S. 515-532; Schäfer, Geschichte, S. 58-62. 219 Es ist nicht die Risikofreude, die Kohelet den Menschen ans Herz legt. Gerade weil sich die von Gott qualitativ determinierten Zeiten nicht berechnen lassen, ist es seine Maxime, besonnen zu handeln anstatt das Risiko zu suchen und dadurch sein Schicksal herauszufordern. Vgl. auch 7,18 und dazu O. Kaiser, Determination und Freiheit beim Kohelet/ Prediger Salomo und in der Frühen Stoa, NStTh 31 (1989), S. 259.

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Folgerungen für die Koheletexegese

Resümee aus seinen Reflexionen zu ziehen, von denen uns (mindestens) ein Teil in 3,16-12,7 überliefert ist. Dabei kommt 3,10-15 als Schlüsseltext der Grundschrift die Bedeutung der Summe des Ganzen zu.220 Daß es der Herausgeber gleichwohl für nötig empfunden hat, nicht nur den Traktat, sondern auch die in 3,16-12,7 angefügten Texte vor der Vergessenheit zu bewahren, spricht fur seine Überzeugung, daß dieser nicht ohne jene in vollem Sinne verstanden werden kann.221 Mithin muß der Traktat im Lichte des Einzeltexts, aber auch umgekehrt die Einzeltexte im Lichte des Traktats gesehen werden. 2) Bei dieser Verhältnisbestimmimg der Teile stellt sich das Problem der Ermittlung von Zitaten im Buch Kohelet neu. Denn nunmehr können nicht alle inhaltlich mit dem Traktat inkongruenten Äußerungen eo ipso als Anführung fremder Meinungen bewertet werden.222 Darüber hinaus hat Kohelet in 3,1612,7 keineswegs nur dann zitiert, wenn er eine fremde Meinung widerlegen wollte. Seine Verwendung traditioneller Sprüche ist ganz unterschiedlicher Art223 und bestätigt nochmals die Beratung seiner Reflexionen in der Schuldiskussion: Ob er sie nun als Ausgangspunkt einer Erörterung nahm,224 sie argumentativ einsetzte225 oder als Bestätigung ans Ende stellte,226 ob er Spruchgruppen glossierte oder auch en bloc zitierte,227 so bezeugt das nicht allein seine gründliche Kenntnis und Auseinandersetzung mit weisheitlicher Tradition, sondern zugleich seine Gewandheit in der Schuldiskussion. Unsere weitere Untersuchung wird zeigen, daß es sich bei einer ganzen Reihe von

220 Zur zentralen Stellung von 3,9-15 in Kohelets Theologie vgl. Michel, Eigenart, S. 57f; Bartelmus, Haben oder Sein, S. 58. Seine Sonderstellung gibt der Text schon dadurch zu erkennen, daß mit 'JiyP zwei positive Ergebnisse eingeführt werden. 221 Man stelle sich einmal vor, uns wäre das carpe diem nur in seiner knappen Fassung von 2,24-26 überliefert, so erkennt man, wie unentbehrlich die folgenden Texte für das Verständnis Kohelets sind. 222 Zu diesem von den Vertretern der Zitationstheorie zuletzt stark strapazierten Kriterium vgl. Michel, Qohelet, S. 32f; Eigenart, S. 78fund 133f. Zur Kritik vgl. A. Lange, Weisheit und Torheit bei Kohelet und in seiner Umwelt, EHS T 433, Frankfurt a. M./ Bern/New York/Paris 1991, S. 180f. 223 Vgl. dazu bereits Gordis, Koheleth, S. 95-108. Zur Identifizierung von Zitaten vgl. M. V. Fox, The Identification of Quotations in Biblical Literature, ZAW 92 (1980), S. 416-431 ; und R. Ν. Whybray, The Identification and Use of Quotations in Ecclesiastes, in: Congress Volume, VT.S 32, Leiden 1981, S. 435-451. 224 Vgl. z.B. 4,13; 7,26a; 9,laß. 225 Vgl. ζ. Β. 2,14a; 3,20b; 7,28b; 9,4b. 226 Vgl. ζ. Β. 4,5f; 4,1 If; 6,9; 12,7a. 227 Vgl. ζ. Β. 4,17-5,6; 7,1-22; 10,1-4; 10,8-11; 11,1-6.

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Kapitel I. Das Buch Kohelet

Zitaten nicht um eine Kohelet fremde oder von ihm abgelehnte Meinung handelt. Daher wird man wesentlich stärker ihre didaktische Funktion berücksichtigen,

bei ihrer Ermittlung aber auch über die Grenzen der bibli-

schen Spruchweisheit hinaus die in der frühhellenistischen Epoche 228

ne weisheitliche Koine des östlichen Mittelmeerraums

einbeziehen

gewachsemüssen.

3) Als eine besondere stilistische Eigenart werden in letzter Zeit häufiger die angeblich im hinteren Teil des Büchleins eingearbeiteten Selbstzitate betrachtet.229 So wie sie seine literarische Eigenart kennzeichnen, sollen sie Kohelet auch dazu dienen, seine eigene und zuvor argumentativ dargelegte Meinung mittels eines kurzen Rückverweises wieder einzuführen. Doch schon der Begriff Selbstzitat erweist sich als problematisch,230 da sich Kohelet an keiner einzigen Stelle wörtlich zitiert, sondern seine Gedanken in einer solchen Variationbreite formuliert hat, daß sie sich nicht nur auf einen, sondern auf zwei oder gar drei Texte beziehen lassen. Berücksichtigt man weiter, daß sich die angeblichen Selbstzitate auf die zentralen Gedanken Kohelets beschränken und somit seiner typischen Sprachwelt angehören, braucht man keine direkte Bezüge anzunehmen. Vielmehr erklären sich die sprachlichen Anklänge ungezwungen durch die hohe Dichte des für Kohelet signifikanten Vokabulars231 und seine Vorliebe für formelhafte Wendungen.232 Schließlich zeigen die im

228 Vgl. Kaiser, Grundriß III, S. 53; und zu den Beziehungen zwischen jüdischer und demotischer Weisheit die Untersuchung von M. Lichtheim, Late Egyptian Wisdom Literature in the International Context. A Study of Demotic Instructions, OBO 52, Freiburg, Schweiz/ Göttingen 1983, S. 116-158. 229 Vgl. die Hinweise von Lohfink, NEB, S. 53, 61, 77; Michel, Qohelet, S. 30f; Eigenart, S. 112, 246f; Backhaus, "Zeit und Zufall", S. 63-65. Vgl. ferner die Ausführungen von Loretz, Qohelet, S. 166 Anm. 149, der diese Stileigentümlichkeit als werkinterne imitatio sui bezeichnet (Wiederaufnahme von Gedanken und Formulierungen innerhalb ein und desselben Textes). 230 So ist uns völlig unerfindlich, wie man etwa 7,13b als Selbstzitat von 1,15a oder 9, Iba als Selbstzitat von 3,8a verstehen soll; vgl. dazu Backhaus, "Zeit und Zufall", S.227, 265. 231 Besonders Lieblingswörter Kohelets! Vgl. die Übersicht bei Loretz, Qohelet, S. 166179; ferner Delsman, Sprache, S. 342f. 232 Zur Orientierung eine Liste der häufigsten Formeln und Varianten: 1) bei all seiner Mühe, mit der er sich müht, vgl. 1,3; 2,11.18.19.20.22; 5,17; 9,9; dazu 2,24; 3,13 .22; 4,9; 5,14.18; 8,15. 2) alles, was unter der Sonne geschieht, vgl. 1,13 .14; 2,17; 4,3; 8,9.17; 9,3.6; dazu 8,14.16. 3) Windhauch und Haschen nach Wind; vgl. 1,14; 2,11.17.21.26; 4,4.8.16; 6,2.9; dazu 2,1.15.19.23; 3,19; 4,7; 5,9; 7,6; 8,10.14; 9,2 (vgl. BHSz. St.); 11,8. 4) essen, trinken und genießen, vgl. 2,24; 3,13; 5,17; 8,15. 5) während seiner befristeten Lebenszeit, vgl. 2,3; 5,17.19; 6,12; 8,15; 9,9; dazu 7,15;

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Folgerungen fur die Koheletexegese

paränetischen Zusammenhang formulierten Verse 9,7-10 und 11,7-10*, die sich eng mit den übrigen Aufrufen zur Freude berühren und trotzdem nicht als Selbstzitate betrachtet werden können, daß sich die Wandelbarkeit des Ausdruck eher aus dem lebendigen Fluß der Rede ergibt. Mithin lassen sich die angeblichen Selbstzitate Kohelets als sprachliche Umsetzungen seiner theologischen Grundeinsichten erklären. 4) Während das Koheletbuch als solches erst durch sekundäre Zusammenstellung des Redaktors geschaffen und veröffentlicht worden ist, gehörten die Reflexionen und Schultexte zuvor in den Schülerkreis und waren für den Eigengebrauch bestimmt. Abgesehen von dem Traktat zeigen sie eine so deutliche Verwurzelung in der Schuldiskussion, daß sie kaum für die Veröffentlichung vorgesehen und über die Schule Kohelets hinaus bekannt gewesen sein dürften.233 Da wiederum die Welt- und Lebensdeutungen der hellenistischen Philosophie die weisheitlichen Zirkel des jüdischen Gemeinwesens nicht unberührt lassen konnten, ist im Bereich der Schule mit einer intensiven Auseinandersetzung zu rechnen, die zu einer gewissen Revision weisheitlicher Bildungstradition führte. Dabei lassen die Texte erkennen, daß in sie auch Stilelemente der frühhellenistischen Diatribe eingeflossen sind.234 So bedient sich Kohelet tatsächlicher oder fiktiver Einwände, um die Schüler von seinen Ansichten zu überzeugen. Ob diese Einwände und die gegen sie gerichtete Polemik allerdings geeignet sind, über das Gespräch in der Schule hinaus eine Gruppe von externen Gegnern Kohelets und ihre Lehre zu erschließen, ist die Frage. Diethelm Michel hat sie bejaht und eine Auseinandersetzung Kohelets mit Positionen einer frühapokalyptischen Strömung festgestellt.235 Da aber die Opponenten an keiner einzigen Stelle selbst zu Wort kommen, handelt es sich

11,8.9; 12,1. 6) das, was geschah, vgl. 1,9; 3,15; 6,10; 7,24; das, was danach geschieht, vgl. 3,22; 6,12; 8,7; 10,14; 11,2. 233 Für die Koheletexegese stellt sich somit die Frage, ob sie ihre Probleme auch künftig im Umkreis des literarischen Oeuvres erörtern möchte oder aber stärker in den Zusammenhang weisheitlicher Bildungseinrichtungen zu rücken bereit ist. Vgl. dazu den wissenschaftlichen Streit, der in der Piatonforschung schon länger zwischen den Literarhistorikern und der Tübinger Schule schwelt. 234 Vgl. dazu neuerdings Schwienhorst-Schönberger, "Nicht im Menschen", S. 246-250. Zur Sache vgl. den informativen Artikel von W. Capelle, Art. Diatribe. Α. Nichtchristlich, RAC 3, Stuttgart 1957, Sp. 990-997. 235 Vgl. Michel, Qohelet, S. 73f; Eigenart, S. 269-273; und seine Analysen auf S. 116125 (zu 3,19-22); S.138-165 (zu 6,1-12); S. 126-137 (zu 7,1-10); S. 166-183 (9,110). Vgl. dazu kritisch Backhaus, "Zeit und Zufall", S. 398-411.

Kapitel I. Das Buch Kohelet

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zumindest um ein heikles Verfahren.236 Mithin ist im Einzelfall zu prüfen, ob es eine solche weitere Front Kohelets gegen eine durch apokalyptische und asketische Vorstellungen geprägte Gruppe gegeben hat, die mit einer Vergeltung nach dem Tod rechnete. 5) Ist das Buch redaktionell entstanden, besitzen wir möglicherweise nur einen Ausschnitt der Lehren Kohelets, sei es, daß er selbst nur einen Teil seines Unterrichtsmaterials verschriftete, oder sei es, daß der Herausgeber fur seine Buchrolle lediglich einen Auszug herstellte. Obwohl sich der Redaktor nach unserer Auslegung des Epilogs dazu nicht erklärt, wird man umgekehrt mit Folgerungen vorsichtig sein müssen, die das vorhandene Textmaterial absolut setzen. Daß etwa nur die Spruchgruppe 4,17-5,6 eine Toraauslegung bietet, kann für sich genommen noch keine kritische Distanz zu Tempel und Kult beweisen.

236 Zur Methodenreflexion vgl. Berger, Die impliziten Gegner, S. 373-400, bes. 375f.

Kapitel II Kompositionsanalysen Nachdem wir im vorausgehenden Kapitel gezeigt haben, daß die Buchrolle Kohelet erst postum unter Benutzung von Unterrichtsskizzen und Schultexten komponiert worden ist, sind wir berechtigt, die in 3,16-12,7 zusammengestellten Texte aus ihrer redaktionellen Verbindung zu lösen und als ursprüngliche Aufzeichnungen des Weisen auszulegen. Unser Interesse gilt hierbei den längeren Abschnitten 5,9-6,9; 7,1-22; 9,1-12; 11,1-12,7, die je eine in sich geschlossene thematische Einheit darstellen und sich als solche auf Kohelet selbst zurückfuhren lassen. Zu ihrem sachgemäßen Verständnis reicht die bereits geleistete Analyse ihrer Formelemente jedoch nicht aus, da sich auf diese Weise die theologische Dimension der Texte nicht erschließt. Daher müssen wir in den folgenden Kompositionsanalysen die Argumentationsgänge herausarbeiten, die den jeweils versammelten Texte ihre Einheit geben, und gleichzeitig auf ihre selbstverständlichen Denkvoraussetzungen achten.

1. Die Unverfügbarkeit des Glücks (5,9-6,9) 1.1. Übersetzung (9) "Wer das Geld liebt, wird des Geldes nie satt,/ und wer den Reichtum liebt, nie des Ertrags. " -Auch dies ist Windhauch! (10) "Mehrt sich das Gut,/ mehren sich, die davon essen. " - Und was ist der Gewinn für seinen Besitzer, außer daß er genießen kann,1 was sich seinen Augen bietet?

1

Zur Bedeutung von Γ>ΗΊ genießen vgl. Ps 34,13; Hi 7,7; 9,25; Koh 2,1.24; 3,13 .22; 5,17; 6,6; 9,9; ferner 8,16; dazu Gesenius 735b; D. Vetter, Art. ΓΙΝΊ, THAT II, Sp. 693. Zur Auslegung vgl. unten S. 62 mit Anm. 37.

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Kapitel II. Kompositionsanalysen (11) "Süß ist des Arbeiters Schlaf, ob er wenig oder viel zu essen hat. " - Aber der Überfluß des Reichen,1 der raubt ihm die Ruhe des Schlafs. (12) Es gibt ein schlimmes Leid, ich sah es unter der Sonne: Reichtum, von1 seinem Besitzer gehütet, zu seinem Schaden. (13) Und ging dieser Reichtum durch einen schlechten Handel

verloren,

und zeugte er einen Sohn, bleibt doch gar nichts in seiner Hand. (14) Wie4 einer aus dem Bauch seiner Mutter hervorkam, nackt macht er sich wieder davon, genauso wie er kam. Und gar nichts von dem, was durch seine Hand ging, trägt er als seiner Arbeit Lohns davon. (15) Auch dies6 ist ein schlimmes Leid. Geradeso wie7 er kam, macht er sich davon. Und was ist sein Gewinn, daß er sich in den Wind müht?* (16) Zudem: Alle seine Tage ißt er im Dunkeln und hat viel Ärger, Leid9 und Verdruß.

2 3

4 5

6 7

8 9

Die Doppeldeutigkeit der Aussage könnte von Kohelet selbst beabsichtigt sein; vgl. dazu Crenshaw, OTL, S. 121f; J. A. Loader, Polar Structures in the Book of Kohelet, BZAW 152, Berlin/ New York 1979, S. 83. Zur Auslegung vgl. unten S. 63. Zum Gebrauch des t? zur Angabe des Urhebers beim Passiv vgl. Brockelmann, Syntax, § 107e; Mayer, Grammatik III, § 109,3a); dazu Crenshaw, OTL, S. 122; A. Schoors, The Preacher Sought to Find Pleasing Words. A Study of the Language of Qoheleth, OLA 41, Leuven 1992, S. 199. Zur Bedeutung von "IVJíO gleichwie vgl. 11,5 und Schoors, Preacher, S. 144. be pretii vgl. R. Gordis, Koheleth - The Man and His World, TSJTSA 19, 3. Aufl. New York 1968, S. 243; E. Jenni, Die hebräischen Präpositionen. Bd. 1 : Die Präposition Beth, Stuttgart/Berlin/Köln 1992, S. 153, Rubrik 18, Nr. 1823; und Schoors, Preacher, S. 194. Dagegen denkt Ch. F. Whitley, Koheleth. His Language and Thought, BZAW 148, Berlin/ New York 1979, S. 52f, an eine partitive Bedeutung des b' und verweist auf phönizischen und ugaritischen Sprachgebrauch; vgl. dazu M. J. Dahood, Canaanite-Phoenician Influence in Qoheleth, Bib 33 (1952), S. 191f. Seiner Argumentation wird man jedoch kaum folgen können, weil das Ugaritische keine dem hebräischen "]K> entsprechende Präposition kennt und deshalb die partitive Bedeutung durch die Präposition b' abdeckt. Demgegenüber verwendet das Hebräische in der Regel ein zum Ausdruck des partitiven Verhältnisses; vgl. Waltke / O'Connor, Syntax, 11.2.Ile. Lies mit 4 QQoh* asyndetisch Dt Di. MT erklärt sich durch Dittographie. Lies mit BHS Vgl. dazu W. C. Delsman, Zur Sprache des Buches Koheleth, in: Von Kanaan bis Kerala (FS J. P. M. van der Ploeg), AOAT 211, Kevelaer/ Neukirchen 1982, S. 357. Plausibel klingt die Erklärung von Whitley, Kohelet, S. 53, daß sich ursprüngliches unter Einfluß des Aramäischen zu gewandelt habe; vgl. dazu Dan 2,8.12 und den Targum zu Koh 5,15. Vgl. Hi 9,29; Prov 21,6. Lies mit BHS ^Π). MT dürfte wiederum durch Dittographie entstanden sein.

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Die Unverfügbarkeit des Glücks (5,9-6,9)

(17) Siehe, was ich eingesehen habe:10 Es gibt ein echtes Glück,11 nämlich zu essen und zu trinken und zu genießen als Ausgleich für all seine Arbeit, mit der sich der Mensch unter der Sonne müht während seiner befristeten Lebenstage, die Gott ihm zugemessen hat. Denn dies ist sein Teil. (18) Besonders der Fall, daß Gott dem Menschen Reichtum und Schätze gibt und daß er ihm zugleich gestattet, davon zu essen und seinen Besitzteil zu gebrauchen und sich als Ausgleich für seine Arbeit zu freuen, ist eine Gabe Gottes. (19) Fürwahr: Nicht länger denke12 er an die Tage seines Lebens, wenn Gott (ihm) durch die Freude seines Herzens antwortet (6,1) Es gibt etwas Schlimmes, das ich unter der Sonne sah, und schwer lastet es auf dem Menschen: (2) Der Fall, daß Gott einem Reichtum, Schätze und Pracht gibt und seiner Seele an nichts mangelt, was er sich wünscht, aber Gott ihm nicht gestattet, davon zu genießen, vielmehr1A ein Fremder sie genießt. - Dies ist Windhauch und ein schlimmes Leid gar. (3) Wenn einer hundert (Kinder) zeugte und viele Jahre lebte, so daß die Tage seiner Jahre eine Menge ergäben, aber** seine Seele am Guten nicht satt würde und er dabei noch nicht zu Grabe getragen wäre.16 - Ich würde sagen: Besser als ihm erginge es der Fehlgeburt. (4) Denn aus Windhauch kommt sie und ins Dunkel geht sie und im Dunkeln bleibt ihr Name verhüllt.

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13 14 15 16

Vgl. den Trenner Rebiac. Die von den Masoreten vorgeschlagene Textunterteilung belegt auch die Peschitta, die hinter ΌΝ ein Kohelet einfugt; dazu A. S. Kamenetzky, Die P'sita zu Koheleth, ZAW 24 (1904), S. 218. Der Ausdruck dient der Steigerung; vgl. ähnlich Sach 9,17; Ps 133,1. N. Lohfink, Qoheleth 5:17-19- Revelation by Joy, CBQ 52 (1990), S. 625, übersetzt frei mit "the supreme good". Zur Verneinung des Jussivs mit t ö vgl. König, Lehrgebäude II/2, § 191g; dazu G. Bergsträsser, Hebräische Grammatik. Mit Benutzung der von E. Kautzsch bearbeiteten 28. Auflage von Wilhelm Gesenius1 hebräischer Grammatik, II. Teil: Verbum, Leipzig 1929 (Repr. Nachdruck), § 101: "Für die jüngere Dichtung (auch Dan.) wird dies als wirklicher Sprachgebrauch anzuerkennen sein; ihr war der Sinn für die Modusverschiedenheiten ebenso teilweise verloren gegangen wie der für die Tempusunterschiede." Zur Auslegung vgl. unten S. 8Iff. Vgl. König, Lehrgebäude II/2, § 372cd; GK § 163a. Das Waw fuhrt den Gegensatz des begleitenden Umstands ein; vgl. GK § 142d; Loader, Structures, S. 85. Wörtlich: und auch ein Grab hätte er nicht. Zur Auslegung vgl. unten S. 69f.

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Kapitel II. Kompositionsanalysen

(5) Zudem: Die Sonne hat sie nicht gesehen und 17 nicht gekannt. Ruhe hat sie mehr als er. (6) Und wenn einer sogar zweimal tausend Jahre lebte, aber nicht genießen könnte. - Gehen nicht alle an einen einzigen Ort? (7) "Alle Arbeit des Menschen ist für seinen Mund/ aber seine Seele bekommt trotzdem nicht genug. " (8) Was hat der Weise für einen Vorzug vor dem Toren, ls

er

versteht, unter den Lebenden zu wandeln? (9a) "Besser mit den Augen genießen/ als vom Verlangen umgetrieben. ""

1.2. Aufbau und Argumentation In der neueren Kommentaren wird der Text 5,9-6,9 häufig als größere Einheit ausgewiesen 20 und so der Eindruck erweckt, als habe die Forschung in der Frage von Umfang und Abgrenzung einen gewissen Konsens erzielt. Wer freilich eine Begründung für die Kohärenz der Texteinheit sucht, wird enttäuscht; denn viele Ausleger begnügen sich mit dem Hinweis, daß das Stück durch den Gedanken von der Nichtigkeit des Reichtums lose zusammengehalten werde. Da aber in der Reflexion 6,1-6 das Thema des Reichtums auflallend hinter die Problematik der Möglichkeit seines Genusses zurücktritt,

17 18 19 20

Lies VT t ö n y n . Zur Begründung vgl. unten S. 71 Anm. 76. Lies n y t n » ; vgl. dazu F. C. Burkitt, Is Ecclesiastes a Translation?, JTS 23 (1922), S. 25. Zur Begründung vgl. unten S. 73f. Zur Beurteilung von V. 9b als sekundärer Abschluß der Komposition durch den Redaktor vgl. oben S. 12. Vgl. z. B. Hertzberg, ΚΑΤ, S. 126-135 {Drei Stücke von der Nichtigkeit des Reichtums), Lauha, BK, S. 106-117 (Die Nichtigkeit des Reichtums), Zimmerli, ATD, S. 187-195 {Sprüche über den Besitz und die Möglichkeit, ihn zu genießen), Crenshaw, OTL, S. 119-130 {The Disappointments of Wealth). Vgl. dazu H. Gese, Die Krisis der Weisheit bei Koheleth, in: Vom Sinai zum Zion. Alttestamentliche Beiträge zur biblischen Theologie, BevTh 64, 2. Aufl. München 1984, S. 171 Anm. 9: "5,9- 6,9 stellt eine größere Komposition über Besitz und Streben nach Besitz, Besitzgier (ncepeeS) dar. Nach einer einleitenden Aufzählung von drei traditionellen Maximen über den Besitz wird Fall I in 5,12-16 und Fall II in 6,1-6 behandelt. Dazwischen ist die Darstellung von der Heilspräsenz (...) eingeschoben, deren erster Teil 5,17 dem Fall I, deren zweiter Teil 5,18f dem Fall II entspricht. In 6,7-9 wird die Summe gezogen: Der Mensch soll ohne Gier nach Besitz {neepaes) leben."

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Die Unverfügbarkeit des Glücks (5,9-6,9)

stellt sich mithin die Frage, ob Kohelet in 5,9-6,9 lediglich Sprüche und Reflexionen sachlich gruppiert oder ob er den Text als in sich geschlossene Komposition entworfen hat. Die Überprüfung ergibt, daß die kleine Spruchgruppe 5,9-11 die Motive und Stichwörter fur den folgenden Prosatext liefert.21 Daß Kohelet in den eröffnenden Versen auf traditionelle Sprüche zurückgreift, ist mehrfach gesehen worden.22 Aber erst ihre Auswahl durch Kohelet läßt die Spruchreihe in ihrer Eigenart hervortreten. Auf den ersten Blick scheint eine schlichte Stichwortverbindung vorzuliegen,23 jedoch zeigt sich beim zweiten Hinsehen eine verwandte innere Struktur, welche die Spruchreihe konstituiert: "Die Habgier, die fremden Nutznießer und die Völle des Schlemmers schieben sich als glücksfeindliche Elemente zwischen Besitzer und Besitz."24 Im Horizont der herkömmlichen Spruchweisheit formulieren die Sprüche noch keine grundsätzliche Kritik am Reichtum, unterstreichen aber in ihrem jetzigen Zusammenhang die Möglichkeit, daß Reichtum und Wohlergehen auseinanderfallen, und spiegeln daher einen durch die Beschleunigung des Wirtschaftslebens eingetretenen Bedeutungswandel, wie er sich in der griechisch-hellenistischen Welt bereits vollzogen hatte:25 Reichtum, vormals Ausdruck eines durch Lebensgüter gesegneten glücklichen Lebens, bezeichnet mehr und mehr das materielle, von Person und Stand abgelöste (Geld-)Vermögen. Obwohl die Sprüche 5,9-11 in ihrer Zusammenstellung die Maßlosigkeit im Streben nach Reichtum als eine fur die hellenistische Zeit typische Erscheinung illustrieren,26 hat es Kohelet nicht bei ihrer Auswahl belassen, sondern 21 22 23 24 25 26

Vgl. bes. Lohfink, NEB, S. 43. Vgl. z. B. Gordis, Koheleth, S. 104; Galling, HAT, S. 120; F. Eilermeier, Qohelet 1,1. Untersuchungen zum Buche Qohelet, Herzberg 1967, S. 113f. Es handelt sich um die Stichwörter ViVJ - t O N und t O N - yn\ü; vgl. Lohfink, NEB, S. 43. B. Lang, Ist der Mensch hilflos? Zum Buch Kohelet, ThMed 53, Zürich 1979, S. 26. Vgl. F. Hauck / W. Kasch, Art. π λ ο ύ τ ο ς κτλ., Α. Der außerbiblische Sprachgebrauch, ThWNT VI, S. 317-321. Vgl. M. Hengel, Judentum und Hellenismus, WMUNT 10, 3. Aufl. Tübingen 1988, S. 98. Zum sozialgeschichtlichen Hintergrund vgl. bes. E. J. Bickerman, Four Strange Books of the Bible, New York 1967, S. 158-167; H.-P. Müller, Neige der althebräischen "Weisheit". Zum Denken Qohäläts, ZAW 90 (1978), S. 256-259; weiter F. Crüsemann, Die unveränderbare Welt. Überlegungen zur "Krisis der Weisheit" beim Prediger (Kohelet), in: Der Gott der kleinen Leute. Sozialgeschichtliche Auslegungen, Bd. 1, hg. von W. Schottroff und W. Stegemann, München 1979, S. 87f; S. de Jong, Qohelet and the Ambitious Spirit of the Ptolemaic Period, JSOT 61 (1994), S. 89-95.

Kapitel II. Kompositionsanalysen

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die Sprüche glossiert und damit als Einleitung der folgenden Erörterung ausgestaltet. Voraussetzung und Ausgangspunkt des Ganzen ist die im ersten Spruch in 5,9 vorausgeschickte Feststellung, daß der Mensch in seiner Habgier unersättlich ist. Im jetzigen Zusammenhang möchte der durch syntaktische Bildung27 und Wortwahl28 als traditionell erkannte Spruch die Habgier nicht wie in Sir 31,52S als moralische Verfehlung anprangern, sondern als unheilvollen Wesenszug des Menschen charakterisieren.30 Dieses Verständnis legt sich vom Ende der Komposition insofern nahe, als der Spruch 6,7 sachlich an 5,9 anknüpft und die Gier nunmehr als ein anthropologisches Phänomen beschreibt." Daher beziehen wir den Kommentar Kohelets in 5,9b Auch dies ist Windhauch! statt auf die Wertlosigkeit des Reichtums auf den circulus vitiosus der Gewinnsucht.32 Der zweite Spruch in 5,10 dürfte in seiner ersten Hälfte ebenfalls der Tradition entnommen sein.33 Er schildert das weltweit bekannte und auch in der Spruchweisheit beobachtete Phänomen, daß Reichtum viele Freunde anzieht. Allerdings werden die Freunde des Reichen in Prov 14,20; 19,4.6f nicht verurteilt. Vielmehr ist den Nutznießern sogar ein positiver Aspekt fur den Reichen abzugewinnen, insofern er sich durch seinen Reichtum einen weiten Kreis von Menschen verpflichtet, während der Arme von seinen Freunden verlassen wird.34 Im vorliegenden Zusammenhang wird dagegen der negative

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Zur άπό κοινού-Konstruktion vgl. Ch. Klein, Kohelet und die Weisheit Israels. Eine formgeschichtliche Studie, BWANT 132, Stuttgart/ Berlin/ Köln 1993, S. 71. Zum hebräischen Kurzvers vgl. W. von Soden, Rhythmische Gestaltung und intendierte Aussage im Alten Testament und in babylonischen Dichtungen, Ζ AH 3 (1990), S. 195-201, bes. 200. Vgl. dazu °iOD Geld bei Koh nur noch im Zitat 7,12 (anders 12,6); "pön Reichtum bei Koh nur hier, vgl. Ps 37,16; ΓΙΝΌΤΙ Ertrag bei Koh nur hier, jedoch häufig in der Spruchweisheit, vgl. Prov 10,16; 14,4; 15,6 (vgl. BHS z. St.); 16,8; 18,20. Zu Sprüchen mit 3DN lieben vgl. noch Prov 12,1; 13,24; 17,19; 21,17; und mit V1W satt werden Prov 12,11; 28,19. Wer dem Gold nachjagt, bleibt nicht ungestraft,/ und wer den Gewinn liebt, versündigt sich dadurch. Vgl. dazu auch Sir 26,29; 27, lf. Zur Auslegung vgl. Zimmerli, ATD, S. 188f. Vgl. auch 1,8. Vgl. bes. Loader, Structures, S. 83; M. V. Fox, Qohelet and his Contradictions, JSOT.S 71, Sheffield 1989, S. 214. Formale Ähnlichkeit besitzt der Spruch Prov 29,16. Zur Sache vgl. C. A. Keller, Zum sogenannten Vergeltungsglauben im Proverbienbuch, in. Beiträge zur Alttestamentlichen Theologie (FS W. Zimmerli), Göttingen 1977, S. 229f.

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Die Unverfügbarkeit des Glücks (5,9-6,9)

Aspekt hervorgehoben, daß der Habgierige die Vielzahl der Freunde als Bedrohung seines Besitzes empfindet und statt Vermehrung seiner Güter ihr Schwinden befurchtet. Dabei schließt sich die rhetorische Frage in V. 10b folgerichtig an und gibt sich deutlich als Kommentar Kohelets zu erkennen.35 Anders als in 1,3; 3,9; 5,15 fragt sie aber nicht nach dem bleibenden Gewinn für den Menschen, sondern nach dem tatsächlichen Erfolg,36 den Reichtum seinem Besitzer einträgt. Kohelets in der Frage enthaltene Empfehlung, die vorhandenen Güter zu genießen,37 widerspricht daher nicht seiner GrundÜberzeugung, daß es angesichts der Vergänglichkeit des Reichtums keinen bleibenden Gewinn geben kann. Schließlich bestätigt der Γόό-Spruch 6,9 vom Ende der Komposition her, daß die Empfehlung nicht ironisch gemeint ist;38 denn er greift die Thematik mit einer analogen Wendung auf und stellt der Unersättlichkeit des Verlangens das Genießen dessen gegenüber, was der Mensch vor Augen hat. Gleichwohl wird man nicht übersehen dürfen, daß mit der rhetorischen Frage in V. 10 bereits die für Kohelet typische Frage nach dem bleibenden Gewinn vorbereitet wird, auf die seine Argumentation in der folgenden Reflexion 5,12-16 hinausläuft. Somit ergibt sich fur V. 10 eine doppelte Funktion innerhalb der gesamten Komposition. Einerseits verweist der Spruch durch seine rhetorische Frage auf die in der Reflexion 5,12-16 verhandelte Problematik nachteiliger Folgen des Reichtums für seinen Besit-

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Für Kohelet ist die rhetorische Frage und der mit DK >3 eingeleitete Exzeptionssatz typisch. Dabei entspricht die Fragepartikel HQ einem f N ; vgl. Fox, Contradictions, S. 214 mit Verweis auf König, Lehrgebäude II/2, § 352ß-6. "p-)YÖ ist lexikalischer Aramaismus und bedeutet Gewinn, Erfolg vgl. 2,21; 4,4; vgl. 11,6; dazu Delsman, Sprache, S. 346. Vgl. dazu 2,22-26. Die positive Deutung der Wendung Vyy ΓΡΝΊ ergibt sich einerseits aus der Syntax, insofern der mit ON O eingeführte Exzeptionssatz nach negativen Sätzen resp. rhetorischen Fragen eine positive Einschränkung zufügt; vgl. GK § 163 cd; Fox, Contradictions, S. 214. Andererseits legt sie sich durch den Vergleich mit den analogen Wendungen in 6,9; 11,9 nahe, die eindeutig positiv konnotiert und im Sinne eines Genießens mit den Augen zu deuten sind. Zur Sache vgl. F. Eilermeier, Die Entmachtung der Weisheit im Denken Qohelets. Zu Text und Auslegung von Qoh 6,7-9, ZThK 60 (1963), S. 15f; D. C. Fredericks, Chiasm and Parallel Structure in Qoheleth 5:9-6:9, JBL 108 (1989), S. 22; unentschieden dagegen F. J. Backhaus, "Denn Zeit und ZuM trifft sie alle", BBB 83, Frankfurt a. M. 1993, S. 188 Anm. 67. Vgl. ζ. Β. Hertzberg, ΚΑΤ, S. 126; Lauha, BK, S. 110; und Zimmerli, ATD, S. 188, mit seiner Übersetzung: Und was hat (dann) sein Besitzer davon außer dem Nachsehen!

Kapitel II. Kompositionsanalysen

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zer, 39 andererseits nimmt er durch das im zweiten Teil der Frage enthaltene Motiv vom Genuß des Augenblicks das in 6,9 gezogene Fazit vorweg. Die Schwierigkeiten, die der Spruch in V. 11 durch die auffallende Inkongruenz seiner beiden Vershälften den Auslegern bereitet,40 lassen sich ebenfalls lösen, wenn wir ihn als eine von Kohelet für seine Zwecke umgestaltete Sentenz betrachten.41 In seiner ersten Hälfte paßt der Spruch gut zu dem in der Spruchweisheit verhandelten Thema des Faulen und des Fleißigen, obwohl sich fur V. I I a kaum direkte Parallelen beibringen lassen. 42 Für die Auswahl im jetzigen Zusammenhang dürfte seine Feststellung entscheidend gewesen sein, daß dem Arbeiter jedes Essen schmeckt und er sich daher mit der vorhandenen Speise bescheidet. Ihm stellt Kohelet den im Überfluß lebenden Reichen gegenüber und gestaltet dadurch den Vers zu einem Gegensatzspruch aus: Während der fleißige Arbeiter erquicklich schläft, kommt der Reiche nicht zur Ruhe.43 Für das Verständnis spielt weniger eine Rolle, ob die Schlaflosigkeit auf die Sorge um den Reichtum 44 oder auf die durch ihn ermöglichte Maßlosigkeit beim Essen 45 zurückzuführen ist. In jedem Fall geht es Kohelet

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Vgl. auch das Stichwort O^^Q, das in 5,12 wiederaufgenommen wird. Zum Gebrauch des Plurals vgl. GK § 124i, § 145h; Schoors, Preacher, S. 72f. Die in der Spruchweisheit üblichen Gegensatzsprüche beziehen sich entweder auf das Gegenüber des Faulen und Fleißigen oder des Armen und Reichen; vgl. dazu H. Delkurt, Ethische Einsichten in der alttestamentlichen Spruchweisheit, BThSt 21, Neukirchen-Vluyn 1993, S. 69-83, 84-140. Da der Reiche genauso hart arbeitet wie derfleißigeArbeiter, fugt sich ihr Gegensatz schlecht in das Raster der traditionellen Weisheit ein; vgl. dazu Fox, Contradictions, S. 214f. Vgl. ebenso Zimmerli, ATD, S. 189; Whybray, NCeB, S. 100: "Qoheleth may have taken a brief popular saying about the rewards of physical labour and enlarged upon it to strengthen his general point about the deceptiveness of wealth." Vgl. vielleicht Prov 12,11; 28,19. Der am Versende nachklappende Infinitiv pvü't? stellt die Verbindung zur ersten Hälfte her. Für eine Bildung von V. 1 lb durch Kohelet sprechen zudem das Anakoluth und die für ihn typische Konstruktion y>N + Suffix + Partizip; vgl. dazu 1,7; 4,17; 6,2 und Schoors, Preacher, S. 151. Vgl. Sir 31,1 ; und G. Bickell, Der Prediger über den Wert des Daseins. Wiederherstellung des bisher zerstückelten Textes, Uebersetzung und Erklärung, Innsbruck 1884, S. 63; V. Zapletal, Das Buch Kohelet kritisch und und metrisch untersucht, übersetzt und erklärt, 2. Aufl. Freiburg 1911, S. 158; O. Loretz, Qohelet und der alte Orient. Untersuchungen zu Stil und theologischer Thematik des Buches Qohelet, Freiburg 1964, S. 239 Anm. 96, 266f; Fox, Contradictions, S. 215. Zur Bedeutung von V3V Fülle, Überfluß vgl. Prov 3,10; dazu G. Gerleman, Art. yiW, THAT II, Sp. 820f. Vgl. Hi 20,20; Prov 25,16; Sir 31,20f; und Gordis, Koheleth, S. 252; Lohfink, NEB, S. 43. yi\y meint hier im negativen Sinn satt sein, genug haben. Vgl. weiter aus einer

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darum, die negativen Folgen des Reichtums hervorzuheben. Damit ist das Thema der zweiten Reflexion in 6,1-6 angeschlagen und durch das Motiv der Ruhelosigkeit ebenso der Vergleich des unersättlichen Reichen mit der Fehlgeburt vorbereitet. Insofern besitzt auch V. 11 die Funktion einer Ankündigung. Über die Stichwörter tDN (6,2), V2\y (6,3) und n>3>3 (6,5) ist der Spruch mit der zweiten Reflexion in 6,1-6 verbunden. Gleichzeitig findet das Gegenüber des mit seinem Lohn zufriedenen Arbeiters und des durch seinen Überfluß umgetriebenen Reichen seine abschließende Beurteilung durch den 7o6-Spruch in 6,9. Denn es ist grundsätzlich besser, sich dessen zu freuen, was vor Augen liegt, als sich im Verlangen zu verzehren. So zeigt sich im Rückblick, daß 5,9-11 von Kohelet als thematische Einführung in die bis 6,9 reichende Komposition entworfen ist. Die Reflexion 5,12-16 eröffnet ein charakteristischer Einleitungssatz, der mit einem Jes-Satz kombiniert einen von Kohelet beobachteten Grenzfall einfuhrt. Dieser wird in V. 12b als eine Art Überschrift der Argumentation vorangestellt: Reichtum, von seinem Besitzer gehütet, zu seinem Schaden.44 Kohelet konkretisiert ihn in V. 13 mittels einer Beispielerzählung: Da hat sich einer redlich um seinen Besitz gekümmert, doch plötzlich hat er ihn durch ein schlechtes Geschäft verloren. Trotz seiner überzeitlichen Gültigkeit dürfte das Beispiel speziell frühhellenistische Verhältnisse im Auge haben. Aufgrund der für das ptolemäische Reich typischen Prägung von Kupfermünzen und der damit verbundenen relativ umfangreichen Emission kleiner Geldwerte setzte sich das Münzgeld allmählich als neues Zahlungsmittel fur breitere Schichten der Bevölkerung durch.47 Demzufolge entwickelte sich auch in der Provinz Juda ein reger Geschäfts- und Handelsverkehr, in dem sich rasche Gewinne erzielen ließen. Doch das Geschäftsrisiko dürfte bei größeren Transaktionen

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sumerischen Spruchsammlung: "Wer schwer ißt, wird deswegen nicht schlafen." (W. Ph. Römer, Weisheitstexte und Texte mit Bezug auf den Schulbetrieb in sumerischer Sprache, in: TUAT ΠΙ/1, Gütersloh 1990, S. 33, Ζ. 106). Der Halbvers verweist mit dem Stichwort D>'3V1 auf V. 10 zurück. Der Zusammenhang mit V. 10 wird in der Auslegung von Lauha, BK, S. 111, besonders hervorgehoben: "Mit viel Mühe und Ärger hat der Reiche sein Vermögen vor Schmarotzern geschützt, aber ein plötzlicher Zusammenbruch führte in eine totale Lebenskatastrophe." Zur Geldwirtschaft in der hellenistischen Welt vgl. Edith Schönert-Geiss, Das Geld im Hellenismus, Klio 60 (1978), S. 131-136; M. Rostovtzeff, Gesellschafts- und Wirtschaftsgeschichte der Hellenistischen Welt, Darmstadt 1955 (ND 1984), Bd. I, S. 311-316; Bd. II, S. 1036-1044.

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beträchtlich gewesen sein, zumal die Ptolemäer in ihrem Wirtschaftsraum ein eigenes Währungssystem eingeführt hatten und dadurch das ptolemäische Geld nur im eigenen Land zirkulieren konnte. Vor diesem wirtschaftsgeschichtlichen Hintergrund rechtfertigt sich das Verständnis von V~l P^V als eines geschäftlichen Zusammenbruchs oder eines Spekulationsverlustes, der den Ruin des Geschäftsmanns zur Folge hatte. Da die beschriebenen Verhältnisse besonders den Heranwachsenden wohlhabender Familien wirtschaftliche Chancen boten, warnt Kohelet seine jugendlichen Hörer vor einer Überschätzung des Reichtums. Neuerdings hat sich Norbert Lohfink um eine weitergehende Konkretisierung bemüht und die Vermutung geäußert, daß in der Reflexion 5,12ff insgesamt mit einem geschlossenen Wortfeld zu rechnen sei, "das in den Bereich des Handels, der Buchhaltung und der Banken gehört".48 Demgemäß möchte er in der Beispielerzählung auch fur TP2 die durch 1 QS VI,20 und einen aramäischen Wirtschaftstext belegte Sonderbedeutung auf dem Konto annehmen49 und wie folgt übersetzen: (13) Durch ein schlechtes Geschäft (eine Fehlspekulation, einen Bankzusammenbruch) ging dieser Reichtum verloren. Aber (inzwischen) hat er (der Besitzer) einen Sohn gezeugt, und er hat überhaupt nichts mehr auf seinem Konto'® Lohfinks Deutung kann allerdings nicht rundherum überzeugen, zumal in ihr die Nennung des Sohnes beziehungslos bleibt. Fragt man nach dem Motiv, warum hier von der Zeugung eines Sohnes berichtet wird, drängt sich ein anderes Verständnis auf. Bezeichnet VP1 nicht das Bankkonto, sondern die Verfügungsgewalt des Vaters über das für seinen Sohn aufgesparte und verwaltete Vermögen, so legt sich das Verständnis des Vaters als eines Treuhänders seines Sohnes nahe. Sein mißlungenes Geschäft hat daher nicht nur seinen Besitz vernichtet, sondern gleichzeitig auch sein Lebensglück zerstört. Der folgende Tempuswechsel zwischen V. 13 und V. 14fF, der den Übergang von der Schilderung des Grenzfalls zur weisheitlichen Argumentation deutlich 48 49 50

Kohelet und die Banken: zur Übersetzung von Kohelet V 12-16, VT 39 (1989), S. 488-495, bes. S. 489. Vgl. B. J. Capper, "In der Hand des Anania ..." Erwägungen zu 1 QS VI,20 und der urchristlichen Gütergemeinschaft, RQ 12 (1986), S. 225-230. Lohfink, Banken, S. 492f.

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Die Unverfügbarkeit des Glücks (5,9-6,9)

macht, warnt davor, mit Lohfink das Wortfeld der Finanzwirtschaft über die Beispielerzählung hinaus auf die gesamte Reflexion auszudehnen;51 denn V. 14 fuhrt den weisheitlichen Topos ein, daß der Mensch von seinen Schätzen nichts im Tode mitnehmen kann.52 Er dient Kohelet dazu, das Einzelschicksal des Reichen mit dem allgemeinen Todesgeschick in Beziehung zu setzen.53 Wie der Reiche zu Lebzeiten alles verlor, wird er wie jeder Mensch bei seinem Tode nichts in Händen halten. Obwohl es scheint, als sei die Reflexion schon mit V. 14 an ihr Ende gelangt und wiederhole in V. 15 lediglich die vorausgehende Aussage, zeigt die genaue Analyse, daß mit dem Themawort Í7X5V bereits in V. 14 ein neuer Gedanke in die Argumentation eingeführt ist und durch V. 15 aufgegriffen wird. So verweist der weisheitliche Topos in V. 14 auf den Verlust des Besitzes im Tode und bereitet dadurch die rhetorische Frage in V. 15 vor, die ihrerseits die Ergebnislosigkeit aller menschlicher Anstrengung herausstellt. Damit tritt der Sonderfall des Reichen hinter dem allgemeinen Todesgeschick des Menschen zurück und dementsprechend mündet die Reflexion in die für Kohelet fundamentale Frage nach dem p~ITP. Dabei bleibt in der Schwebe, ob V. 16 zu dem geschilderten Spezialfall zurücklenkt54 oder analog zu 2,22f die allgemeine Situation des Menschen in seiner Erwerbstätigkeit ins Auge faßt.55 Aufgrund der Kontrastfunktion, die V. 16 fur V. 17-19 ausübt, dürfte letztere Deutung den Vorzug verdienen. Mithin stellt V. 16 den Abschluß der Reflexion 5,12-16 dar, indem er durch das Stichwort Γ)!?ΊΠ eine Inclusio mit V. 12 bildet. Gleichzeitig bereitet er die folgenden Verse sachlich vor und ist durch das Stichwort tON mit V. 17 verbunden. Schließlich bleibt anzumerken, daß

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Lohfink, Banken, S. 491f, supponiert folgende Spezialbedeutungen: in V. 14 ~pn hif. (Geld auf ein Konto) einzahlen und (Geld von einem Konto) abheben, in V. 12 V^ynt? TiXDVJ für seinen Besitzer (auf einem Konto) angelegt. Zum weisheitlichen Topos vgl. Ps 49,18; Hi 1,21; Jer 17,11; I Tim 6,7; Men 66; PseudPhok 109f Zu epigraphischen Belegen vgl.W. Peek, Griechische Grabgedichte, SQAW 7, Berlin 1960, S. 182f, Nr. 311 (3. Jh. n. Chr., Rom), S. 264f, Nr. 452 (2/3 Jh. n. Chr., Thrakien). Auf das Anakoluth in V. 14a hat Eilermeier, Qohelet, S. 288-290, aufmerksam gemacht. Schon durch den Bruch in der Konstruktion wird der entscheidende Punkt des Vergleichs ausgesprochen: nackt d. h. besitzlos ist der Mensch bei Geburt und Tod. Zur hermeneutischen Funktion der Vergleiche bei Kohelet vgl. Klein, Kohelet, S. 115-118. Vgl. Zapletal, Kohelet, S. 159; Lohfink, NEB, S. 45; Michel, Eigenart, S. 189. Vgl. Loader, Structures, S. 84; Whybray, NCeB, S. 102f.

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der Mensch in V. 17 nicht ausdrücklich als Empfänger des Glücks genannt ist, sondern dieser Bezug lediglich durch das Suffix der 3. sg. m. hergestellt wird. So bestätigt sich noch einmal die Richtigkeit unserer Auslegung, daß die Argumentation bereits mit V. 15f zu der Betrachtung des allgemeinen Schicksals des Menschen übergegangen ist und in V. 17 ihre organische Fortsetzung findet. Angesichts ihrer Bedeutung für die Theologie Kohelets werden wir die Verse 17-19 weiter unten ausführlicher erörtern. Im vorliegenden Zusammenhang beschränken wir uns auf den Nachweis, daß V. 17-19 nicht als Abschluß der vorausgehenden Reflexion entworfen ist, sondern der genauen Vorbereitung der Reflexion in 6,1-6 dient. Daß 6,2 zu 5,18 bis in die Satzstruktur hinein eine sprachliche Parallele darstellt, ist nicht zu übersehen. Bo Isaksson hat allerdings mit Recht auf die feinen Unterschiede sprachlicher Art hingewiesen und besonders auf den Wechsel des Tempus aufmerksam gemacht.56 So schildert Kohelet in 5,18 den Fall, daß Gott dem Menschen Reichtum und Schätze gibt und ihm deren Genuß ermöglicht, und unterstreicht durch das Perfekt seine Allgemeingültigkeit. Dabei stellt das einleitende 0"ΤΚΠ t o ΟΛ57 heraus, daß Gott dem Menschen den Genuß der Früchte seiner Arbeit in der Regel nicht verwehrt. Demgegenüber verweist das einleitende W H in 6,2 auf einen Einzelfall, nämlich daß Gott einem Menschen Reichtum und Schätze gibt, ihm aber nicht gestattet, sich daran zu laben. Mithin handelt es sich in 6,2 um die Ausnahme von der Regel, wie die Imperfektformen und das einleitende Vy^ in 6,1 bestätigen, das hier in der Tat einen Grenzfall einfuhrt. Theologisch wird man daher den bedauerlichen Einzelfall in 6,2 gegenüber 5,18 nicht überbetonen dürfen, sondern darin ein didaktisches Lehrbeispiel erkennen müssen, das die Unverfügbarkeit des Glücks vor Augen stellt. Daraus ergibt sich, daß die folgende Argumentation ohne den Hintergrund des theologischen Kernstücks 5,17-19 nicht verstanden werden kann.

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Vgl. B. Isaksson, Studies in Language of Qoheleth. With Special Emphasis on the Verbal System, Acta Universitatis Upsaliensis. SSU 10, Uppsala 1987, S. 120-122. Zur Korrespondenz der beiden Verse vgl. auch Ellermeier, Qohelet, S. 292-295; Fredericks, Chiasm, S. 27f. Zur hervorhebenden Funktion des DJ vgl. C. J. Labuschagne, The Emphasizing Particle gam and its Connotations, in: Studia biblica et semitica (FS Th. Ch. Vriezen), Wageningen 1966, S 199; Schoors, Preacher, S. 132.

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Die Unverfügbarkeit des Glücks (5,9-6,9)

Unser Versuch, den weiteren Argumentationsgang nachzuzeichnen, setzt eine formale Aufbauanalyse der in 6,1-6 folgenden Reflexion voraus. Dabei ergibt sich, daß der hebräische Grundtext und noch deutlicher die griechische Übersetzung eine dreistufige Klimax enthalten: V. 2: Fall 1: Beispiel V. 3: Fall 2: Eventualis (DK + Impf. bzw. ε ά ν + Ind. Fut.) V. 6: Fall 3: Irrealis + Perf. bzw. ei + Aor.)58 Alle drei Verse bieten im Vordersatz ein Anakoluth.59 Dabei wird jeweils zuerst eine positive Bedingung berichtet, ihr folgt durch adversatives Waw eingeleitet eine negative Bedingung, die zu jener einen äußersten Kontrast bildet.60 Im selbständigen Nachsatz schließt sich jeweils eine Beurteilung durch Kohelet an. Wenden wir uns zunächst Fall 1 zu, so schildert Kohelet hier einen Menschen, dem Gott ungeheuren Reichtum gegeben hat. Dabei scheint er mit der im Wortlaut II Chr 1,12 entsprechenden Wendung "TIIDI CPOZm "IVJy auf den Reichtum Salomos und damit auf die grenzenlosen Möglichkeiten eines Königs anzuspielen.61 Doch wenn es ihm Gott nicht gestattet, vermag selbst ein solcher Mensch seine Güter nicht zu genießen und muß obendrein sehen, wie ein Fremder aus ihnen Nutzen zieht. Der aus der Spruchliteratur bekannte Topos, daß anstelle des Reichen ein anderer seinen Besitz genießt,62 pointiert die Aussage und verweist nochmals auf den Charakter von V. 2 als eines weisheitlichen Lehrbeispiels.63 Im zweiten Fall greift er einen gerade noch

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Vgl. Meyer, Grammatik, III, § 122,4d; Delsman, Sprache, S. 357. In den Übersetzungen wird der Irrealis leider nicht immer beachtet; vgl. ζ. B. Backhaus, "Zeit und Zufall", S. 198f. Zur grammatischen Analyse von 6,2 vgl. Ellermeier, Qohelet, S. 292-295. Vgl. Loader, Structures, S. 85. Offenbar ist die Idee der Königsfiktion bereits in 6,2 angelegt und 1,12-2,26 eine spätere Ausarbeitung derselben, so daß wir die Komposition 5,9-6,9 ihr gegenüber als älteres Schulmaterial beurteilen. Vgl. dazu Hi 31,8 (TIN); Prov 5,10; Sir 14,4 (H); 49,5; ferner KTU 1.14 Kol. II,49f Im.nkr.mddth. Zur Bedeutung von ein anderer vgl. B. Lang, Art. "Di, ThWAT VI, Sp. 456; ferner Paul Humbert, Les adjectifs zâr et nôkrîzt la femme étrangère des Proverbes bibliques, in: Opuscules d'un Hébraïsant, Neuchatel 1958, S. 117. Es ist daher nicht geraten, mit Galling, HAT, 1. Aufl., S. 70, V. 2aß zu streichen. In der 2. Aufl , S. 103, denkt Galling daran, daß der Reiche nach seinem Tod(!) sein Vermögen einem Nichtjuden, nämlich einem Beamten der Ptolemäer in Jerusalem überlassen muß.

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möglichen Grenzfall auf, daß einer hundert Söhne hat und viele Jahre lebt. In der Tat bedeutete es fur den Orientalen nicht nur zur Zeit Kohelets das höchste Glück, zahlreiche Söhne zu besitzen und nach einem erfüllten Leben alt und satt an Tagen zu seinen Vätern versammelt zu werden.64 Dem Menschen in Fall 2 bleibt allerdings trotz der gegebenen Voraussetzungen für ein erfülltes Leben das Glück versagt, weil er keine Befriedigung aus seinen Gütern zu ziehen vermag. Schließlich treibt Kohelet in V. 6a seine Argumentation auf die Spitze, indem er als dritten Fall einen Menschen annimmt, der zweimal tausend Jahre lebte und trotz dieser gewaltigen Lebensspanne nichts Gutes erfahren hat. Bevor wir uns mit dem Sinn von V. 6b und dem Zielpunkt der ganzen Reflexion beschäftigen, lenken wir nochmals zu dem bisher übergangenen Problem der Deutung von V. 3 zurück: und auch ein Grab hätte er nicht. Der Halbvers hat den Auslegern stets äußerste Schwierigkeiten bereitet.65 Aufgrund unseres Verständnisses einer in der Argumentation vorliegenden dreistufigen Klimax müssen wir zunächst die Deutung abweisen, daß der Halbvers den Fall 2 nachträglich steigere: auch wenn niemals ein Grab auf ihn warten würde, d.h. wenn er ewig leben würde.66 Denn sie stellt nicht nur einen der Klimax zuwiderlaufenden Vorgriff auf den irrealen Fall in V. 6a dar, sondern steht auch in direktem Widerspruch zu der abschließenden Beurteilung Kohelets in V. 6b, daß am Ende auf alle der Tod wartet. Eine weitere Deutung findet in V. 3aß die Aussage, daß der kinderreiche und mit einem langen Leben beglückte Mensch letztlich nicht einmal ein ehrliches Begräbnis erhalten habe.67 Abgesehen davon, daß angesichts seiner zahlreichen Kinder ein solches Geschick wenig wahrscheinlich ist und man mit einem besonderen

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Vgl. Gen 25,8; 35,29; Hi 5,26; 42,17; Prov 19,23; I Chr 29,28; II Chr 24,15; dazu L. Wächter, Der Tod im Alten Testament, AzTh II/8, Berlin 1967, S. 64-69. Neben verschiedenen Erklärungen erwägen Hitzig, KEH, S. 167, die Streichung des Halb verses; dagegen G. Kuhn, Erklärung des Buches Koheleth, BZAW 43, Gießen 1926, S. 30; Zimmerli, ATD, S. 192 Anm. 3; Scott, AncB, S. 23If; Whitley, Koheleth, S. 57, seine Umstellung hinter V. 4 bzw. V. 5. Vgl. Ps 16,10. Zur Deutung vgl. L. Levy, Das Buch Qoheleth. Ein Beitrag zur Geschichte des Sadduzäismus, Leipzig 1912, S. 100; Lohfink, NEB, S. 47; und Michel, Eigenart, S. 144-147, der an eine Entrückung bzw. Wegnahme zu Gott denkt. Gegen ein solches Verständnis vgl. bereits die Kritik von Hitzig, KEH, S. 166f; Gordis, Koheleth, S. 258. Vgl. z. B. Delitzsch, BC, S. 302f; Allgeier, HSAT, S. 36f; Galling, HAT, S. 103f; Hertzberg, ΚΑΤ, S. 133.

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Die Unverfügbarkeit des Glücks (5,9-6,9)

Unglücksfall rechnen müßte,68 ist auch diese Deutung mit der weiteren Argumentation nicht in Einklang zu bringen. Einerseits entfällt der durch die Entgegenstellung von V. 3 aß offenbar intendierte Gegensatz zu der Fehlgeburt, wenn beide ein Eselsbegräbnis besitzen. Andererseits verliert das Beispiel insofern seine Beweiskraft fur die Argumentation,69 als der unbestattete Kinderreiche einen so seltsamen und an sich schon so beklagenswerten Ausnahmefall darstellt, daß er eines ausfuhrlich begründeten Vergleichs mit der Fehlgeburt nicht bedarf. Drittens und letztens erhält die Frage des Begräbnisses in dieser Deutung ein zu großes Gewicht und verdeckt dadurch den gemeinsamen Skopos der drei Beispiele, in denen es offenbar um den Widerspruch geht, daß die äußeren Voraussetzungen noch lange nicht den tatsächlichen Genuß des Lebens garantieren. Schließlich ist neuerdings vorgeschlagen worden, den Halbvers inhaltlich auf die Fehlgeburt zu beziehen und das Suffix der 3. sg. m. vorausweisend zu deuten.70 Doch bleibt dunkel, welchen Sinn im Kontext diese Vorwegnahme ergeben soll. Versuchen wir die Bedeutung des Halbverses im vorliegenden Zusammenhang zu bestimmen, müssen wir einerseits die Vitalität des Fallbeispiels und andererseits die Funktion von V. 3aß als einer Brücke zu dem Vergleich mit der Fehlgeburt im Auge behalten. In der Tat sind die Verse 3aß und 3b antithetisch aufeinander bezogen. Dabei begründen die Verse 4f, worin der Vorteil der Fehlgeburt liegt, nämlich daß sie die Mühsal des Lebens nicht kennengelernt hat und deshalb gegenüber dem Fallbeispiel mehr Ruhe besitzt. Demgemäß ist in V. 3aß nicht gemeint, daß der kinderreiche Mann gestorben, aber nicht bestattet worden ist und daher wie die Fehlgeburt nicht in vollem Umfang an der Ruhe der Unterwelt partizipiert,71 sondern daß sein Leben trotz

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Vgl. z. B. Lauha, BK, S. 115; ferner Delitzsch, BC, S. 222, der darin eine historische Anspielung erkennt: "In der That scheinen in 6,3 Erinnerungen an Artaxerxes II. Mnemon (gest. um 360), welcher 94 J. alt wurde, und nach Justin Χ,Ι hundertundfunfzehn Söhne hatte, und an Artaxerxes III. Ochus, seinen Nachfolger, zusammenzufließen, welcher letztere von dem allesvermögenden Eunuchen Bagoas vergiftet wurde; seinen Leichnam warf er nach Aelian Var.Hist. VI,8 den Katzen vor und aus seinen Knochen ließ er Säbelgriffe drechseln." So bereits Hitzig, KEH, S. 167; Kuhn, Erklärung, S. 30. Vgl. Crenshaw, OTL, S. 126f; ferner Murphy, WBC, S. 48. Zum Schicksal der Fehlgeburt vgl. O. Eißfeldt, Schwerterschlagene bei Hesekiel, in: Kleine Schriften III, Tübingen 1966, S. 7f; und zu der griechischen Vorstellung, daß die vor der Zeit Gestorbenen ruhelos umherschweifen, vgl. E. Rohde, Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen, 2. Aufl. Freiburg i. Β./ Leipzig/

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seiner Lebenskraft bislang glücklos verlief und er immer noch nicht zur Ruhe gelangt ist.72 Mithin muß V. 3aß grammatisch als ein Modalsatz verstanden werden,73 der zu der negativen Bedingung in Fall 2 den Begleitumstand ergänzt, daß der Reiche noch immer der Erfüllung seiner Wünsche hinterher jagt und dabei noch keine Ruhe im Grab gefunden hat.74 Daß sich dadurch die lange Lebenszeit von einem Segen in einen Fluch wandelt, motiviert die Preisung der Fehlgeburt;7* denn sie ist nicht ins Leben getreten und kennt nicht seine Qual.76 Trifft unsere Deutung zu, dann bringt der durch V. 3aß eingeführte Vergleich mit der Fehlgeburt die Wertung Kohelets: Wenn einer sein Leben lang sein Glück zu machen sucht, es aber nicht erreicht, und sich dabei selbst der Tod nicht einstellen will, ist er schlimmer dran als die Fehlgeburt. Schließlich treibt Kohelet mit dem irrealen Fall 3 die Argumentation auf die Spitze, indem er einen Menschen vorstellt, der ungeheuer lange lebte und doch kein Glück erfahren hat. Wird in Fall 1 expressis verbis gesagt, daß Gott den Genuß des Reichtums verwehrt, ist der Schluß gerechtfertigt, daß er auch das Schicksal von Fall 2 und 3 lenkt. So nützt denn dem Menschen sein ganzer Reichtum und dazu sein langes Leben nichts, sofern ihm Gott nicht die Freude seines Herzens gewährt. Damit ist das Ziel der Argumentation erreicht: Menschliches Dasein ist letztlich nichts anderes als ein kurzer oder langer Weg in den Tod. Ob der Mensch auf ihm glücklich sei, liegt nicht in seiner Verfügungsgewalt, sondern in der Gottes. Gegenüber einem Menschen, dem

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Tübingen 1898 (ND Darmstadt 1980), Bd. II, S. 83 mit Anhang 3 auf S. 411-413. Schon Hitzig, KEH, S. 167, war der richtigen Auslegung auf der Spur. "Denn nicht der Reiche, welcher gestorben ist und ein Grab erlangt hat, steht in der Vergleichung, sondern der Lebende, der noch weit davon entfernt ist, sich begraben zu lassen." Die Beifügung mit Waw, die Wortfolge Subjekt - Verbum finitum und die häufig bei Umstandssätzen begegnende Verneinung bestätigen das Ergebnis; vgl. GK § 156f; Brockelmann, Syntax, § 139b; Meyer, Grammatik, III, § 91,2a, § 112,4. Vor allem die Griechen haben die Ruhe im Grab betont; vgl. Aischylos, Frag. 255; Sophokles, Trach. 1173; Oedipus Col. 955, 1225f; Euripides, Troades, 606f, 634f. Vgl. Koh 4,2f; Hi 3,11-26; 10,18f; Jer 20,14-18. Licht bzw. die Sonne sehen ist ein stehender Ausdruck für leben, vgl. Ps 36,10; 49,20; 58,9; Hi 3,16; 33,28; Koh 6,5; 7,11; 11,7. Daraus ergibt sich das Problem, daß beim folgenden VP t ö ein Objekt fehlt; vgl. dazu BHS z. St. und Crenshaw, OTL, S. 127; Whybray, NCeB, S. 106. Berücksichtigt man außerdem, daß für den Vergleich mit der Fehlgeburt wesentlich ist, daß sie den mit dem Leben verbundenen Ärger und Verdruß nicht kennengelernt hat, läßt sich eine Textverderbnis durch Haplographie vermuten. Aufgrund des vorausgehenden ΠΚΊ wurde ursprüngliches y"P t ö n y n zu y p N!?T zusammengezogen. Zur Sache vgl. Koh 4,3 und Jer 20,17; Hi 3,10.

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Die Unverfügbarkeit des Glücks (5,9-6,9)

das Leben nur Mühsal beschert, ist in der Tat ein Toter glücklich zu preisen.77 Deshalb schließt Kohelet in V. 6b mit einer rhetorischen Frage als der Form der stärksten Vergewisserung, daß der Weg aller Menschen im Tode endet.78 In der Unterwelt aber, in die sie im Augenblick des Todes hinabfahren,79 gibt es weder Tun noch Berechnung, weder Erkenntnis noch Weisheit; vgl. 9,10. Auch wenn Kohelet mit den Beispielen der Reflexion 6,1-6 eingeprägt hat, daß kein Mensch ohne Gottes Zutun glücklich zu sein vermag, ist er nicht der Ansicht, daß das Tun und Lassen des Menschen bedeutungslos ist. Andernfalls hätte er darauf verzichtet, in 6,7-9 die Komposition mit einer praktischen Lebensmaxime zu beschließen. Daher wird man die Verse nicht als verstreute Sprüche beurteilen dürfen,80 sondern als Text interpretieren müssen, der auf die Spruchgruppe 5,9-11 zurückgreift und das Fazit aus der Komposition zieht. In Anknüpfung an 5,9 und im Stil der Spruchweisheit formuliert Kohelet in 6,7 seine Einsicht in das Wesen des Menschen:81 Es ist seine Unersättlichkeit, die ihn daran hindert, das einzig mögliche Glück wahrzunehmen und anzunehmen, was sich dem Genuß des jeweiligen Augenblicks bietet.82 Seiner Rolle als Lehrer entsprechend stellt Kohelet daher folgerichtig die Frage in V. 8, welchen Vorteil der Weise gegenüber dem Toren besitzt. In der Tat könnte Kohelet hier in V. 8 einen relativen Nutzen der Weisheit im Auge haben, doch der überlieferte Text in der zweiten Hälfte des Verses stellt fur die Auslegung ein fast unlösbares Problem dar. Wer mit MT auskommen möchte, rechnet erstens 77 78

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Vgl. Koh 4,2f; 7,1; 9,4; Sir 30,17; Tob 3,6.11; dazu Theognis 425ff; Sophokles, Oedipus Col. 1225ff. Vgl. Hi 21,23-26; Koh 2,15f; 3,19f; 9,2f. Zum Tod als dem großen Gleichmacher vgl. Wächter, Tod, S. 123f; A. Schmitt, Zwischen Anfechtung, Kritik und Lebensbewältigung. Zur theologischen Thematik des Buches Kohelet, TThZ 88 (1979), S. 126. Der Ausdruck 7ΠΝ D l p ö in Bezug auf die Unterwelt begegnet nur bei Koh; vgl. jedoch PseudPhok 113; femer Peek, Grabgedichte, S. 158f, Nr. 262; S. 164f, Nr. 274 (nördlich von Jerusalem, 2,/3. Jh. n. Chr.). Vgl. Whybray, NCeB, S. 107-109 (A Loose Group of Sayings). Aufgrund der für Kohelet zentralen Wörter und D I N sowie des Leitbegriffs Vi)£)3 und der thematischen Nähe zur vorausgehenden Reflexion ist der Spruch als eine Bildung Kohelets zu beurteilen. Will man jedoch mit den meisten Exegeten in V. 7 einen traditionellen Spruch erkennen, wird man nicht anders als der Auslegung von Gordis, Koheleth, S. 260, folgen können: "This proverb serves Koheleth as a text for his own conclusion." Gegen die Deutung des Spruchs auf die Unersättlichkeit der Unterwelt vgl. die Kritik von Michel, Eigenart, S. 148f; R. E. Murphy, On Translating Ecclesiastes, CBQ 53 (1991), S. 577f. Vgl. O. Kaiser, Der Mensch unter dem Schicksal, in: Ders., Der Mensch unter dem Schicksal, BZAW 161, Berlin/New York 1985, S. 85.

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mit einer Ellipse des IJlV. Ist aber von einem Vorzug des Armen (bzw. des armen Weisen?) die Rede und doch nicht genannt, vor wem er einen Vorzug hätte, muß man zweitens aus V. 8a ein vor dem Toren sinngemäß ergänzen. Daraus ergibt sich die dritte Schwierigkeit, daß grammatisch vor dem Partizip y"TV in Verbindung mit determiniertem Oy1? eigentlich der Artikel stehen müßte.® Schließlich bleibt unerklärbar, warum Kohelet in seiner abschließenden Bewertung des Reichtums und der Möglichkeiten seines Genusses plötzlich auf den Armen zu sprechen kommt.84 Den verschiedenen Auslegungsversuchen hat Friedrich Eilermeier eine eingehende Studie gewidmet. In ihr ist er zu dem Ergebnis gelangt, "daß man nicht mit dem masoretischen Text auskommt".8® Wir können uns deshalb darauf beschränken, sogleich unsere eigene Textrekonstruktion vorzutragen. Bei ihr gehen wir von der Einsicht aus, daß Kohelet in seiner Lehre praktische Ratschläge erteilt und eben auch einen Vorzug des Weisen vor dem Toren anerkannt hat.86 So sieht er in 2,13f einen Vorteil des Weisen in seinem besonnenen Lebenswandel und in 7,1 lf in seiner Umsicht, die ihn gegen einen vorzeitigen Tod wappnet. Demgemäß vermuten wir in V. 8b ebenfalls eine Aussage, die dem Weisen einen relativen Vorteil zugesteht, und konjizieren anstelle ^yt? Π>3 die Präposition H y t a » . 8 7 Danach hätten wir mit >"Tyt»l)3 einen weiteren Beleg fur ungewöhnliche präpositionale Bildungen, wie sie fur das Buch Kohelet charakteristisch sind.88 Diese Emendation besitzt inhaltlich in V. 8bß eine starke Stütze; denn in der Tat besteht ein Vorzug des Weisen in seinem Wissen vor den Lebenden zu wandeln,89 Dabei ist von untergeordneter Bedeutung, ob mit der Wendung gemeint ist, daß sich der Weise besonnen

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Vgl. GK § 126u. Zum Problem vgl. Gordis, Koheleth, S. 251; Michel, Eigenart, S. 153. Die genannten Exegeten möchten im Fehlen des Artikels aramäischen Einfluß erkennen. Vgl. ferner Schoors, Preacher, S. 165f. kommt bei Kohelet sonst nicht vor. Zur Bezeichnung des Armen verwendet er gewöhnlich pCttD, vgl. 4,13; 9,15f. Die Entmachtung der Weisheit im Denken Qohelets. Zu Text und Auslegung von Qoh 6,7-9, ZThK 60 (1963), S. 12, vgl. weiter S. 2-10. Vgl. dazu Loretz, Qohelet, S. 238f; Zimmerli, ATD, S. 130f; Kaiser, Sinnkrise, S 99; Whybray, Ecclesiastes, OTGuides, S. 66-68. Vgl. Jos 22,19; II Sam 22,32 (Ps 18,32); 1 QS XI, 17; ferner HV^n mit finitem Verb Hi 34,32 und dazu HAL 130a. Vgl. 2,16 ( - Q D t o ) ; 3,11 (>ta>D); 5,15 (JinytO); 7,14 (TIQV^), 8,17 ("IViN Zu "DJ angesichts, vor, gegenüber vgl. F. Garcia-Lopez, Art. IM, ThWAT V, Sp. 189. Zur Auslegung vgl. Siegfried, HK, S. 56.

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verhält oder daß er weiß, wie er sich am Leben erhält. Beide Auslegungen widersprechen einander nicht. Sie ergänzen sich vielmehr, weil sich der Weise durch sein umsichtiges Verhalten vor einem frühzeitigen Tod schützt.90 In jedem Fall bestätigt die Wendung die für den Weisen typische Lebensweise.91 So verstanden bildet der 7o6-Spruch in V. 9 die logische Fortsetzung von V. 8b, indem er den relativen Vorteil des Weisen gegenüber dem Toren in der Selbstbescheidung mit dem Glück des Augenblicks erkennt. Stellen wir diesen 7o¿>-Spruch in seinen Kontext, so dürfen wir ihn als eine Aufforderung an den Reichen verstehen,92 das einzige dem Menschen mögliche Glück nicht durch seine Raffgier zu versäumen. Damit ist hinreichend bewiesen, daß der Abschnitt 5,9-6,9 eine größere von Kohelet selbst entworfene und sorgfaltig ausgeführte Ringkomposition darstellt (vgl. Tabelle B, S. 253). Da sie in sich geschlossen und aus sich selbst verständlich ist, erweist sie sich als primär selbständige Darlegung. Rückblickend erkennen wir, daß die Spruchgruppe 5,9-11 zu Beginn der Lehrrede, als die wir die Komposition zu bezeichnen wagen, das Thema anschlägt, das in 6,7-9 seine Lösung findet.

1.3. Die Freude als Narkotikum oder als Antwort Gottes? Es verbleibt uns die Aufgabe, die bisher ausgesparten Verse 5,17-19 auszulegen. Ihre Bedeutung ergibt sich nicht nur aus ihrer zentralen, das Vorhergehende mit dem Nachfolgenden verbindenden Stellung innerhalb der Komposition, sondern auch aus der Fülle der für Kohelet typischen Lieblingswörter und Formeln. Nicht zuletzt zeigt der Abschnitt neben 3,10-15 und 4,17-5,6 mit vier Belegen die stärkste Konzentration des Wortes • T l t ' N . Zunächst fallt auf, daß das carpe diem in V. 17-19 nicht einschränkend mit einem 1ΊΟ y>NSatz wie in 2,24; 3,12; 3,22 und 8,15 eingeleitet, sondern als ein echtes Glück bezeichnet wird. Eine Erklärung dafür bietet der in V. 18 eingeführte Fall, daß Gott dem mit Reichtum und Schätzen beglückten Menschen zudem gestattet, sie zu genießen; denn ein solcher Mensch hat in der Tat ein besonderes Glück

90 91 92

Vgl. Prov 5,23 mit Sir 37,31. Vgl. Ellermeier, Entmachtung, S. 14. Vgl. dazu auch Bickerman, Books, S. 165.

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erfahren. Dabei bezeichnet Kohelet den Genuß der Güter als Gabe Gottes und des Menschen zugemessener Anteil am Ertrag seiner Arbeit. Vergleichen wir hierzu die übrigen carpe cfte/w-Stellen bei Kohelet, begegnet pt>n neben 5,17 noch in 3,22 und 9,993 und erweist sich als zentraler theologischer Begriff, der eine genauere Erörterung verlangt.94 Das Nomen leitet sich von der Wurzel p^D II teilen, zuteilen ab.95 In seiner Hauptbedeutung Anteil an etwas bezeichnet es den Anteil an der Kriegsbeute,96 den Anteil am Ackerland*7 oder in Parallele zu Π1?!")} den Erbbesitz.98 Der weitere Beiiind ist komplex. Im dtr Zusammenhang begegnet pt?D häufig in Aussagen, daß die Leviten kein Besitzrecht am Boden haben.99 Ihr pt>Π ist Jahwe und das bedeutet materiell, daß ihnen gewisse Anteile an den Opfern zustehen.100 Noch Ben Sira verteidigt die hier festgelegten priesterlichen Privilegien.101 In späterer Zeit und vermutlich in protochasidischen Kreisen wird die Levitenprärogative Anteil an Jahwe spiritualisiert und bezeichnet jetzt die im Vertrauen des Beters ausgesprochene Hoffnung einer den Tod überdauernden Jahwegemeinschaft.101 Eine andere Entwicklung nimmt "ÇbΓ) im weis 93

Vielleicht auch in 8,15 txt em; vgl. dazu den Hinweis von H. L. Ginsberg, Studies in Qoheleth, TSJTSA 17, New York 1950, S. 4, der das schwierige in 8,15 als ein verstümmeltes lp!?n betrachtet. Für das Verb mt» begleiten bietet allerdings Sir 41,12 einen sicheren Beleg. 94 Zu der folgenden Begriffsuntersuchung vgl. auch J. Marböck, Weisheit im Wandel. Untersuchungen zur Weisheitstheologie bei Ben Sira, BBB 37, Bonn 1971, S. 142f; Fox, Contradictions, S. 57-59. 95 Vgl. HAL 309b; H. H. Schmid, Art. φ Π, THAT I, Sp. 576. Das Nomen ist im Alten Testament 66mal und davon 3 mal aramäisch belegt und gehört damit zu den weniger häufig verwendeten Worten. Dazu kommen 11 Belege bei Sir. 96 Vgl. Gen 14,24; Num 31,36; I Sam 30,24. 97 Vgl. ζ. B. Hos 5,7; Am 7,4; Mi 2,4f; dazu das Femininum n p ^ n , das ein dem Einzelnen durch Los zugewiesenes Feldstück bezeichnen kann und schließlich zu der Bedeutung Grundstück verflacht; vgl. HAL 31 la; Η. Η. Schmid, Art. pt>Π, THAT I, Sp. 577. 98 Vgl. ζ. Β. Gen 31,14; Num 18,20; Dtn 10,9; Jos 19,9; und zur Erbteilung Jer 37,12. Im übertragenen Sinn kann damit auch die Zugehörigkeit zu einer Familie, Sippe oder Volk ausgedrückt werden, vgl. Jos 22,25.27; II Sam 20,1; I Reg 12,16 (II Chr 10,16); ferner Neh 2,20. 99 Vgl. Num 18,20; Dtn 10,9; 12,12; 14,27.29; 18,1; Jos 14,4; 18,7. 100 Vgl. Lev 6,10; Dtn 18,8. 101 Vgl. Sir 7,29-31; 45,20-22. 102 Vgl. Ps 16,5; 73,26; 142,6; ferner Thr 3,24. Zur Sache vgl. G. von Rad, Theologie des Alten Testaments, Bd. 1 : Die Theologie der geschichtlichen Überlieferungen Israels, 9. Aufl. München 1987, S. 416-418; U. Kellermann, Überwindung des Todesgeschicks in der alttestamentlichen Frömmigkeit vor und neben dem Auferstehungs-

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heitlichen Sprachgebrauch. Von der Bedeutung Anteil geben her entwickelt sich das N o m e n zu einem Schicksalsbegriff und bezeichnet den von Gott bestimmten Anteil am Leben. 103 Dabei hat bereits Hans-Jürgen Blieffert darauf hingewiesen, daß pOΠ grundlegend vom hellenistischen Schicksalsbegriff und seinem in ewiger Notwendigkeit vollzogenen Lauf der Dinge unterschieden werden muß. 104 Denn pt>n bleibt mit der Vorstellung verbunden, daß Gott selbst dem Menschen sein Schicksal j e und j e zuteilt. 10 * Fragen wir nach der Bedeutung von pt>n bei Kohelet, fallt uns eine Antwort im Blick auf die Belege in 2,21 und 5,18 nicht schwer. Denn an beiden Stellen ist die Bedeutung ökonomischer Art und bezeichnet den erwirtschafteten Besitz einschließlich seiner Verfügungsgewalt darüber. 106 Deutlicher im kaufmännischen Bereich wird man die Bedeutung von deln.

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107

Hier bezeichnet es das Kapital,

Vermögen,

Π in 11,2 ansie-

das es zur Minderung des

glauben, ZThK 73 (1976), S. 276f; Michel, Eigenart, S. 122-124; zur weiteren Bedeutungsentwicklung W. H. Kuhn, Enderwartung und gegenwärtiges Heil, StUNT 4, Göttingen 1966, S. 72-75. In der Bedeutung Anteil an der zukünftigen Welt begegnet das Nomen schließlich in der rabbinischen Literatur, vgl. ζ. B. Sanh 10,1; Av 3,11; ferner P. W. van der Horst, Ancient Jewish Epitaphs, Contributions to Biblical Exegesis and Theology 2, Kämpen 1991, S. 120, mit Hinweis auf Inschriften aus Bet She'arim. Vgl. / / n t r o Hi 20,29; 27,13 ; 31,2; weiter Sir 3 3,1 ; 41,4 (hier Todesgeschick); ferner lb~WX Jes 17,14; 57,6. Zum Gebrauch des Verbs vgl. Hi 21,27; Sir 7,15; 15,9; 39,25; 40,1; 44,2. Weltordnung und Gottesglauben im Buch Kohelet, Rostock 1938, S. 21. Vgl. weiter die differenzierten Ausführungen von Hengel, Judentum und Hellenismus, S. 230f; ferner zum Schicksalsbegriff der Stoa O. Kaiser, Determination und Freiheit beim Kohelet/ Prediger Salomo und in der Frühen Stoa, NStTh 31 (1989), S. 263-268. Schließlich sei daraufhingewiesen, daß das Verb pt> Π bei Ben Sira einen weiteren Bedeutungswandel erfahren hat und im Sinne eines ordnenden Zuteilens das Schaffen Gottes bezeichnen kann. Als Äquvalent entspricht ihm das schöpfungsheologische Verb N U , vgl. Sir 31,13.27; 38,1. Zur Sache vgl. Marböck, Wandel, S. 142; M. Tsevat, Art. p ^ n II, ThWAT II, Sp. 1019. Die Wendung pt>Π3 XXÖ\) ist bereits in einem aramäischen Rechtsdokument belegt, in dem die Verfügungsgewalt über einen zugewiesenen Erbteil bestimmt wird; vgl. E. G. Kraeling (Hg ), The Brooklyn Museum Aramaic Papyri, New Haven 1953, S. 169 (Papyrus 4, Ζ. 19, 30. Oktober 434 ν. Chr.); vgl. ferner A. Cowley (Hg ), Aramaic Papyri of the Fifth Century Β. C., Oxford 1923, S. 103-106 (Papyrus 28, Z.6-17), S. 200f (Papyrus 82); GenApokr 22,24. Vgl. dazu M. J. Dahood, Canaanite-Phoenician Influence in Qoheleth, Bib 33 (1952), 5. 220f, der eine ganze Reihe merkantiler Begriffe im Buch Kohelet auflistet und darin eine Nähe zu der handeltreibenden Kultur Phöniziens und ihrer Kolonien erkennt. Das uns in Sir 42,1-8 erhaltene hebräische Vokabular der Kaufmannssprache bietet leider keinen Beleg für pt>n.

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Risikos in verschiedene Geschäfte zu investieren gilt.108 Von der wirtschaftlichen Bedeutung unterscheiden sich dagegen die Belege 3,22; 5,17 und 9,9, welche die Lebensfreude als den p b Π des Menschen ausweisen. Dabei zeigt der Vergleich mit den übrigen carpe ¿Ae/w-Stellen, daß Kohelet p ^ D alternativ für • T l t ' N n *PÖ in 2,24 und O T Ò N J1J1XD in 3,12 verwendet. Die Beobachtung wird durch 5,18 bestätigt: So wie Gott einerseits das Leben schenkt, vgl. 5,17; 8,15; 9,9, schenkt er andererseits die Freude und ist dadurch zumindest der ideelle Geber des pt?Π, vgl. 5,18.109 Mithin haben wir es hier mit dem oben für die Weisheitsliteratur festgestellten SchicksalsbegrifF zu tun: Auch in Koh bezeichnet pt>n das Geschick als den von Gott zugemessenen Teil und erweist sich als diesseitiger Schicksalsbegriff· So konstatiert Kohelet einerseits in 9,6, daß die Toten gegenüber dem in 9,4 erwähnten Kreis der Lebenden ihren Anteil an der Welt für immer verloren haben, wie er andererseits in 9,9 die Liebe zu einer Frau als den glücklichen Anteil des Leben betrachtet. An beiden Stellen wird p!?Π durch ein be locale näher bestimmt und dadurch auf den Ort des Menschen in der Welt bezogen, an dem er lebend und handelnd seinen Teil von Gott empfangt.110 Nicht minder wichtig ist die Beobachtung, daß an allen drei carpe c//e/n-Stellen \ÍDΓ» durch das Suffix der 3. bzw. 2. sg. m. determiniert ist und dadurch als der Anteil des Menschen ausgewiesen wird. Ist aber dieser Anteil zugleich Gabe Gottes, dann muß es sich bei pt>n um einen Relationsbegriff handeln, der ein Verhältnis zwischen Gott und Mensch zum Ausdruck bringt. Ist es möglich, dieses Verhältnis noch genauer zu fassen? Betrachten wir dazu den näheren Kontext der carpe diem-Stellen, so ist pt>n in 3,22; 5,17 und 9,9 durch die in ihrer Funktion anaphorische Deixis ΝΊΠ auf die Freude bzw. die Trias Essen, Trinken und Genießen als den positiven Anteil des Menschen bezogen. Dabei fallt auf, daß zu der Empfehlung des carpe diem stets eine präpositionale Näherbestimmung tritt, die aus 1 und in der Regel aus 108 Vgl. Levy, Qoheleth, S. 128; Lohfink, NEB, S. 79. 109 Zum Gebrauch von ")J1J mit Gott als Subjekt vgl. H.-P. Müller, Wie sprach Qohälät von Gott?, VT 18 (1968), S. 508-512; Isaksson, Studies, S. 118-123, 185f. 110 Zu diesem Aspekt vgl. H. H. Schmid, Wesen und Geschichte der Weisheit, BZAW 101, Berlin 1966, S. 187f; von Rad, Weisheit, S. 298. Daß es sich dabei lediglich um eine mögliche Konnotation des Begriffs handelt, hat allerdings R. Lux, Der "Lebenskompromiß" - ein Wesenszug im Denken Kohelets?, in: Alttestamentlicher Glaube und Biblische Theologie (FS H. D. Preuß), Stuttgart/ Berlin/ Köln/ Mainz 1992, S. 269 Anm. 21, zurecht angemerkt.

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zusammengesetzt ist und gegenüber der Freude die Mühe in Erinnerung ruft. Für das Verständnis der Theologie Kohelets ist nicht zuletzt die richtige Deutung der Präposition be entscheidend. In dieser Frage hat die Forschung allerdings noch keinen Konsens erzielt. Im angelsächsischen Raum wird bevorzugt die Auffassung vertreten, daß die vom Menschen geleistete Arbeit die Quelle seines Glücks darstellt.111 Danach hätte Kohelet dem Menschen die Freude an seinem mühevollen Tagewerk empfohlen und auf diese Art ein Evangelium der Arbeit gepredigt.112 Obwohl das Verb IDDVJ häufig mit 2 konstruiert wird, um den Anlaß der Freude zu benennen,113 ist die Deutung schon deshalb abzulehnen, weil sie eine positive Wertung des voraussetzt und damit dem Tenor bei Kohelet grundsätzlich widerspricht. Denn der "7X3V bietet stets Anlaß zu Sorge und Gram, auch wenn er wie in 2,18f nicht die Mühsal des Menschen, sondern seinen materiellen Besitz bezeichnet. Darüber hinaus verwendet Kohelet in 5,17 die figura etymologica"4 und betont dadurch die den Menschen beanspruchende und belastende Mühe, die als Quelle der Freude schlechterdings nicht in Betracht kommt. Die mit obiger Auffassung eng verbundene Deutung der Präposition als be Instrumentalis scheidet ebenfalls aus, weil die Arbeit bzw. der Besitz nicht als Mittel taugt, um sich Freude zu verschaffen. Selbst in 2,10 ist der vom König betriebene Luxus durch die Präposition lediglich als mittelbare Ursache ausgewiesen und seine Vergnügungen daher nichts anderes als der Ausfluß seiner Verschwendungssucht.115 Schließlich vertreten viele Ausleger ein modales Verständnis des be und verstehen demgemäß die mühevolle Arbeit

111 Vgl. Barton, ICC, S. 50; Loader, Structures, S. 106; vorsichtig Whybray, NCeB, S. 63. 112 Zur Kritik vgl. B. Lang, Ist der Mensch hilflos?, ThQ 159 (1979), S. 114 Anm. 7. 113 Vgl. z. B. Koh 4,16; 11,9; dazu HAL 1244a; E. Ruprecht, Art. n»VJ, THAT II, Sp. 830f; ferner Jenni, Präposition Beth, S. 106ff, Rubrik 163. 114 Zur Bedeutung vgl. auch Lohfink, NEB, S. 20. 115 Vgl. Delitzsch, BC, S. 248; Crenshaw, OTL, S. 82, mit Hinweis auf Prov 5,18 und II Chr 20,27. Darin bezeichnet ΠΟϋ mit 1» die Quelle der Freude. Im übrigen ist mit Martin A. Klopfenstein, Kohelet und die Freude am Dasein, ThZ 47 (1991), S. 102, daraufhinzuweisen, daß man den Text 2,1-11 gänzlich von der Beurteilung der carpe A'e/n-Stellen fernhalten muß. Dadurch bestätigt sich wiederum unser Ansatz, die in 3,16-12,7 enthaltenen Texte nicht vorschnell von der Grundschrift 1,3-3,15 her zu interpretieren.

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als Begleitumstand der Freude.116 Sonach wäre ein Genuß des Lebens nur bei bzw. trotz aller Mühe möglich. Wenn aber der Mensch stets von Mühsal und Sorge begleitet ist,117 kann er sich dann im eigentlichen Sinn des Wortes freuen? Das aufgeworfene Problem hat man insofern zu lösen versucht, als man Kohelet den Gedanken unterstellte, daß Gott die Lebensfreude lediglich als eine Art Narkotikum anbiete, um den Menschen von der Last seiner Mühsal abzulenken und wenigstens fur die kurzen Momente des Glücks seine Lage vergessen zu lassen.11® Dieses pessimistische Urteil über die Lebensfreude wird allerdings ihrer Bedeutung in der Theologie Kohelets nicht gerecht; denn Kohelet rückt die Empfehlung der Freude stets ins Zentrum seiner Lehren. Dabei begegnen in Verbindung mit ihr bezeichnenderweise keine sie entwertenden Hebel-Aussagen119 Und wie wir noch zeigen werden, hat Kohelet kein resignatives und süß-saures carpe diem empfohlen, sondern die Freude in voller Überzeugung als fur den Menschen einzig mögliches Glück betrachtet.120 Von dieser Einsicht aus erweist sich die Erklärung der entsprechenden Wendungen in 2,24; 3,12; 3,22; 5,17; 9,9 durch ein be pretii als einzig richtig.121 Denn sie ermöglicht, das durch den RelationsbegrifF pt?D bezeichne-

116 Vgl. z. B. Lauha, BK, S. 40, 106, 153; Zimmerli, ATD, S. 159f, 191, 215; ferner Jenni, Präposition Beth, S. 344ff, Rubrik 44, Nr. 441 konkrete Aktivität mit mPräformativ: Koh 3,22, Nr. 442 konkrete Aktivität ohne m-Präformativ: Koh 2,24; 8,15; 1,3; 3,13; 5,17. 117 Vgl. 8,15; dazu aber oben S. 75 Anm. 93. 118 Vgl. Lang, Mensch, S. 115; Müller, Qohälät, 517f; ders., Theonome Skepsis und Lebensfreude, BZ NF 30 (1986), S. 17f; ebenso Hengel, Judentum und Hellenismus, S. 233: "Im Grunde ist auch dies ein Versuch des Vergessens (5,19), eine 'Flucht vor der Todesangst'." 119 Vgl. Ilse von Loewenclau, Kohelet und Sokrates - Versuch eines Vergleiches, ZAW 98 (1986), S. 338 mit Anm. 42; Klopfenstein, Freude, S. 105 mit Anm. 23; und L. Schwienhorst-Schönberger, "Nicht im Menschen gründet das Glück" (Koh 2,24), Herders Biblische Studien 2, Freiburg/ Basel/ Wien/ Barcelona/ Rom/ New York 1994, S. 285. 120 Vgl. Gordis, Koheleth, S.123f, 131f; Klopfenstein, Freude, S. 104; ferner Schwienhorst-Schönberger, "Nicht im Menschen", S. 148f. 121 Vgl. Gordis, Koheleth, S. 419 (Supplementary Notes); B. Lang, Rez. von J. A. Loader, Polar Structures in the Book of Qohelet, in. Bib 62 (1981), S. 430; Schoors, Preacher, S. 194: "As a matter of fact, in Qoheleth's 'enjoy'-formulas t>Xjyi can always be interpreted in the sense of a beth pretii (2,22.24; 3,13.22; 8,15)." Vgl. ferner Jenni, Präposition Beth, S. 150ff, Rubrik 18, Nr. 1856 Lohn (für Leistung): Koh 3,22ab; 3,9; 4,9; 9,9.

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te Verhältnis zwischen Gott und Mensch näher zu beschreiben: Die vom Menschen aufgewendete Mühe und das von Gott zugemessene Glück verhalten sich wie Wert und Gegenwert. Dabei redet Kohelet nicht einer Aufrechnung und Abrechnung von investierter Mühe und erzielter Freude das Wort. Für ihn steht fest, daß der Mensch die Lebensfreude als Lohn für seine Mühen empfangt, und zugleich, daß Gott sie nicht anders als in freier Entscheidung zuteilt. Mithin verbirgt sich hinter dem Schicksalsbegriff pt>n die dem Menschen zugekehrte Seite Gottes; denn angesichts der unberechenbaren Zukunft begreift Kohelet das Glück keineswegs als etwas Selbstverständliches, sondern als die positive Antwort Gottes, die er dem Menschen als Ausgleich fur seine Mühen gewährt.122 Schließlich rechtfertigt sich das vertretene Verständnis nicht nur theologisch, sondern auch sprachlich, da ein be pretii nicht selten einen nominalen Ausdruck näher bestimmt, bei dem ein Verb des Gebens oder Nehmens hinzuzudenken ist.123 Fassen wir im Rückblick das Ergebnis der Begriffsuntersuchung zusammen, so ergibt sich fur ρ ^ Π neben seiner in 2,21; 5,18 und 11,2 belegten wirtschaftlichen Bedeutung, daß er an den übrigen Stellen in der für Kohelet spezifischen Weise als positiver Schicksalsbegriff verwendet wird. Er bezeichnet den als Ausgleich fur die Mühen des menschlichen Daseins von Gott zugemessenen positiven Anteil im Leben. Daher ist es verfehlt, ybΠ als zeitlich vorläufigen Gewinn zu deuten und ihn als eine Art Ersatz dem durch injï> bezeichneten bleibenden Gewinn gegenüberzustellen.124 Denn der pin - » korrespondierende Schicksalsbegriff ist m p > 3 als das Todesgeschick, welches jeden Versuch des Menschen zunichte macht, einen selbsterwirtschafteten bleibenden Gewinn zu erzielen. Ebenfalls ist die Deutung zurückzuweisen, daß der von Gott gewährte pt>Π eben nur ein Teil sei, das Ganze aber dem Menschen versagt bleibe.125 Trifft es auch zu, daß die Freude mit der Begrenzung der Lebenszeit zugleich der Vergänglichkeit unterworfen ist, stellt 122 Vgl. dazu von Rad, Weisheit, S. 298. 123 Vgl. Jenni, Präposition Beth, S. 155. 124 Gegen E. Wölfel, Luther und die Skepsis, FGLP Reihe 10/12, München 1958, S. 7476; und Schmid, Wesen, S. 187, der die Frage nach dem p1?Π mit der nach dem "pUV gleichsetzt. Die in HAL 310b angegebenen Bedeutung Gewinn ist daher unzutreffend und durch den sprachlichen Befund nicht gedeckt. 125 Vgl. W. Zimmerli, Ort und Grenze der Weisheit im Rahmen der alttestamentlichen Theologie, in: Gottes Offenbarung. Gesammelte Aufsätze zum Alten Testament, ThB 19, 1963, S. 314f; ders., ATD, S. 134.

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sie doch fur Kohelet das einzig mögliche Glück und damit den Anteil des Menschen dar, den er überhaupt in seinem Leben zu erlangen vermag. Erkennt Kohelet in der Möglichkeit zum carpe diem die Zuwendung Gottes, besitzen die Verse 5,17f uneingeschränkt positiven Sinn. Und es stellt sich die Frage, wie sich 5,19 dazu verhält. Sein theologisches Gewicht ist in der Forschimg längst festgestellt worden. Man hat ihn sogar als den archimedischen Punkt bezeichnet, "in dem die Hebel zur Lösung der vermeintlichen Widersprüche des eigenartigen Buches anzusetzen sind."126 Für die Auslegung stellt sich dabei die Alternative: Ist V.19 antitheitisch auf die vorausgehenden Verse bezogen oder ergänzt er sie?127 Für die erste Möglichkeit hat Hans-Peter Müller plädiert und die Auffassung vertreten, daß Kohelet in V. 17f Essen, Trinken und Genießen als bonum bezeichne, dem er in V. 19 das malum gegenüberstelle. Dabei rücke V. 19 das Geben Gottes durch die Kennzeichnung seiner Absicht vollends ins Zwielicht und führe so an den Tiefpunkt von Kohelets Gottesanschauung.128 (19) Er [der Mensch, Vf.] denkt nicht viel an die Tage seines Lebens, denn Gott gibt ihm zu schaffen mit der Freude seines Herzens. Mit vielen Auslegern stützt Müller seine Deutung auf die Lesung IDjyO 129 und leitet die Form von der Wurzel r o y III sich plagen, mühen ab.130 Danach erklärt er die Herzensfreude als eine Art Anästhetikum, mit dem Gott den Menschen über seine schlimme Lage zu täuschen sucht. "Der heläq des Menschen ist letztlich nur das Selbstvergessen."131 Gegen seine Deutung lassen sich aber eine Reihe von Einwänden vorbringen. Erstens ist sein Verständnis von yhΠ unserer oben begründeten Auflassung als eines positiven Schicksalsbegriffs diametral entgegengesetzt. Zweitens weist es dem Menschen beim carpe diem eine rein rezeptive Rolle zu und widerspricht damit 9,10 und

126 Levy, Qoheleth, S. 99. 127 Auf das Verständnis von Gordis, Koheleth, S. 256, dem neuerdings auch Ogden, Readings, S. 87, folgt, sei hier lediglich hingewiesen. Er findet in 5,17-19 eine alternierende Struktur, nach der V. 17 durch V. 19a und V. 18 durch V. 19b seine Begründung erhalte. 128 Vgl. Müller, Qohälät, S. 517Í 129 Vgl. B H S z . St. 130 Zu diesem Verständnis vgl. z. B. Lauha, BK, S. 113; Whybray, NCeB, S. 103; R. E. Murphy, On Translating Ecclesiastes, CBQ 53 (1991), 578f. 131 Müller, Qohälät, S. 518.

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ll,9f. 132 So verstanden unterschiede sich die Herzensfreude in nichts vom Weinrausch, der ebenfalls des Menschen Mühsal vergessen macht.133 Drittens bildet 6,2 die eigentliche Antithese zu 5,18 und läßt darum eine antithetische Deutung von 5,19 zumindest fragwürdig erscheinen. Viertens erheben sich nicht zuletzt Bedenken gegen die Ableitung von der Wurzel DDV III. Denn in 1,13 und 3,10 ist die Bedeutung des Verbs sich plagen, mühen offenkundig durch die figura etymologica begründet. Sein direkter Bezug auf das vorgängige und nach 1,13 ausdrücklich als schlimme Plage qualifizierte Nomen p3V spricht entschieden gegen eine Verbindung von Püy III mit der Herzensfreude in 5,19; denn diese bezeichnet im alttestamentlichen Sprachgebrauch die überschwängliche Freude und speziell die Festfreude, wie sie bei einer Siegesfeier oder einem Hochzeitsfest empfunden wird.134 Aufgrund dieser Einwände ist die zweite Möglichkeit in Betracht zu ziehen, daß V. 19 eine sinnvolle Ergänzung zu V. 17f darstellt. Vor allem eine Reihe älterer Kommentatoren hat sie vertreten und dabei das Verb von der Wurzel iliV I antworten abgeleitet.135 Ihre Deutung erfahrt eine zusätzliche Stütze durch den alttestamentlichen Sprachgebrauch. So ergibt die Untersuchung des Verbs Djy I mit Gott als Subjekt, daß es in den Psalmen nicht mit erhören, sondern mit Antwort geben zu übersetzen ist und eine aktive Reaktion Gottes bezeichnet.136 Dabei erfolgt die Antwort Gottes nicht immer verbaliter, sondern kann ebenso durch sein Handeln konkret erfahren werden.137 Übertragen

132 Vgl. dazu auch R. K. Johnston, "Confessions of a Workaholic", CBQ 38 (1976), S. 21. 133 Zu dieser Wirkung des Weins vgl. Prov 31,7; Ps 104,15; Sir 31,27; III Esr 3,19f; Ach 189; Paplns 32,12; dazu Meinhold, Sprüche, Teil 2, ZBK, S. 518f. 134 Vgl. Jes 30,29; Cant 3,11; ferner Jer 15,16 (anders Ez 36,5 Schadenfreude), dazu E. Ruprecht, Art. Π ΰ ϋ , THAT II, Sp. 829f; H. W. Wolff, Anthropologie des Alten Testaments, 4. Aufl. München 1987, S. 75f. Vgl. ferner Lang, Mensch, S. 114f, der 5,17-19 als Aufruf zum Lebensgenuß im Fest interpretiert. 135 Vgl. ζ. B. Hitzig, KEH, S. 165; Delitzsch, BC, S. 301; Levy, Qoheleth, S. 98f; Blieffert, Weltanschauung, S. 31; Gordis, Koheleth, S. 256. Zur Bedeutung von rtiV I vgl. noch J. Stendebach, Art. D3V I, ThWAT V, Sp. 233-247; L. Delekat, Zum hebräischen Wörterbuch, VT 14 (1964), S. 37-42, bes. S. 40: "Die Wendung zum Andern ist hier ursprünglich nie feindlich, abwehrend, negierend gemeint. Die Grundbedeutung ist vielmehr 'jemand seine Aufmerksamkeit zuwenden'." 136 Vgl. die eingehende Studie von R. Kessler, Der antwortende Gott, WuD 21 (1991), S. 43-57, hier S. 46. 137 Vgl. Kessler, Gott, S.53f; dazu J. C. Labuschagne, Art. m y I, THAT II, Sp. 337. Vgl. ferner 1 QHIV, 18 Denn du, Gott, antwortest ihnen, indem du sie richtest.

Kapitel II. Kompositionsanalysen

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wir das Ergebnis auf 5,19, läßt sich die Herzensfreude als positive Antwort Gottes interpretieren und als eine Form der Gottesmitteilung verstehen.138 Für diese Ableitung von PÜVI hat sich neuerdings Norbert Lohfink nochmals stark gemacht. (19) Er [der Mensch, Vf.] denkt nicht viel über die Tage seines Lebens nach, im Gegenteil, Gott offenbart sich (ihm) durch die Freude seines Herzens.139

Allerdings vermag auch Lohfink den Vers nicht organisch aus seinem Zusammenhang zu erklären. Vielmehr vermutet er eine zweite Aussageabsicht, die sich nicht logisch aus dem Vorhergehenden und Nachfolgenden ergibt.140 Der Vers stehe in einem Zusammenhang mit 1,13 und 3,10 und erkläre, warum die Freude eine göttliche Gabe ist. Denn sie erfülle ihren Zweck darin, daß der Mensch nicht länger an seinen Tod denken müsse.141 Da aber das Bedenken des Todes bei Kohelet geradezu der Absicht der Gottesfurcht entspräche, kommt Lohfink zu dem kühnen Ergebnis: Durch die Freude tritt der Mensch in neuer Weise mit Gott in Verbindung, welche die Haltung der Gottesfurcht überflüssig macht.142 Abgesehen von der fragwürdigen Deutung der Gottesfurcht steht 5,19 wiederum gänzlich isoliert von seinem engeren Kontext da. Darüber hinaus erweckt der vermutete Zusammenhang mit 3,10-15 den Anschein willkürlicher Konstruktion.143 Daher drängt sich grundsätzlich die Frage auf, ob die Deutung von 5,19 des Rückgriffs auf die Grundschrift 1,3-3,15

138 Zum b' instrumentale vgl. Jenni, Präposition Beth, S. 146, Rubrik 178 positives Handeln Gottes, Nr. 1786 Freude: Ps 21,7; Koh 5,19. 139 Zur Übersetzung vgl. N. Lohfink, Qoheleth 5:17-19 - Revelation by Joy, CBQ 52 (1990), S. 634 Anm. 45. 140 Vgl. Lohfink, Revelation, S. 632. 141 Neuerdings hat Schwienhorst-Schönberger, "Nicht im Menschen", S. 148f, diesen Gedanken weiterentwickelt: "In der Erfahrung von Glück leuchtet Ewigkeit auf. In ihr transzendiert der Mensch 'die Tage seines Lebens' (5,19a)." Abgesehen davon, daß die hier ins Glück hineingelesene Dimension der Ewigkeit gegenüber den stets vergänglich konnotierten Aussagen Kohelets zweifelhaft erscheinen muB, halten wir auch den von Schwienhorst-Schönberger hier angezeigten Übergang von SchöpfUngstheologie zu Offenbarungstheologie angesichts des Stellenwerts, den die Verborgenheit Gottes in der Theologie Kohelets einnimmt, für zu hoch gegriffen. 142 Vgl. Lohfink, Revelation, S. 634: "In the context of the whole book, this must mean that by the joy of our heart we touch something which is even more than the 'fear of god' and therefore tenders this attitude superfluous." 143 Zur Kritik vgl. Murphy, Translating, S. 578f.

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Die Unverfügbarkeit des Glücks (5,9-6,9)

bedarf. Wir entscheiden sie im Sinne unserer Auffassung, daß die Komposition 5,9-6,9 eine eigenständige Lehrrede Kohelets darstellt, und versuchen im folgenden, den Vers in ihrem Zusammenhang auszulegen. Auf ein erstes Problem stoßen wir in V. 19a insofern, als aus dem Kontext nicht eindeutig hervorgeht, ob sich das Bedenken der Lebenstage auf die Kürze der Lebensfrist oder auf die Last des Lebensmühe bezieht. Da vor den Lebenstagen in V. 19a weder ein 1QOÖ steht, das einen Bezug auf die in V. 17 erwähnte Lebensfrist nahelegen würde, noch ein "^D, das an die in V. 16 beschriebene Lebensqual denken ließe, ist der Schluß unumgänglich, daß Kohelet den Bezug bewußt offengelassen hat.144 In jedem Fall denkt er an bedrückende Gedanken, die den Menschen befangen machen und dadurch am Genuß des Augenblicks hindern. Daß quälende Sorgen die Freude beeinträchtigen, ist als allgemein menschliches Phänomen nicht erst durch die moderne Psychologie und Medizin erwiesen, sondern bereits in der Weisheit thematisiert.145 So heißt es in Sir 30,21f: (21) Gib dich nicht dem Hader deiner Seele hin/ noch schade dit446 durch dein Grübeln.147 (22) Die Herzensfreude,

sie148 ist Leben für

jedermann/

und Frohsinn des Menschen verlängert sein Leben.149

Es überrascht nicht, daß wir in unserer Auslegung bereits mehrfach auf den Text Sir 30,14-31,11 gestoßen sind, der sich thematisch am nächsten mit den Ausführungen Kohelets berührt.150 Die Sachparallele zu Sir 30,21f rechtfertigt den Schluß, daß auch in Koh 5,19 eine Aufforderung vorliegt; denn die Form im Grundstamm gibt nicht zu erkennen, ob es sich um einen Indikativ 144 Die Formulierung ist ein schönes Beispiel dafür, wie Kohelet die Dichte des Textes verstärkt. 145 Vgl. P. W. Skehan / A. A. Di Leila, The Wisdom of Ben Sira, AncB 39, New York 1987, S 382, mit zahlreichen Beispielen aus der Literatur. 146 Lies mit LXX, Syr f e t o r i . 147 Lies "psyn. Zur Textrekonstruktion vgl. Skehan / Di Leila, Ben Sira, AncB, S. 380. 148 Lies NT). Da hier das pronomeη personale separatum im Nominalsatz als Kopula füngiert, ist es besser unübersetzt zu lassen. 149 Wörtlich seinen Lebensatem. IN steht hier für das Körperteil, durch das der Mensch atmet; vgl. G. Sauer, Jesus Sirach, JSHRZ III/5, Gütersloh 1981, S. 579 Anm. zu 22b). 150 Vgl. Koh 5,9 mit Sir 31,5; Koh 5,11 mit Sir 30,25f; Koh 6,2 mit Sir 30,19b; Koh 6,3ff mit Sir 30,17.

85

Kapitel II. Kompositionsanalysen oder einen Jussiv handelt.151 Freilich begegnet das Verb

in der Spruch-

weisheit häufig im Modus des Imperativs und gibt dadurch seine typische Verwendung in der Unterweisung zu erkennen.152 Darüber hinaus dient es Ben Sira der Empfehlung des memento mori.153 Mithin fugt sich V. 19 als weisheitlicher Rat organisch in den Kontext ein, indem er das carpe diem motiviert und dem Menschen empfiehlt, sein Glück nicht dadurch zu versäumen, daß er in Gedanken den Widrigkeiten seines Lebens nachhängt. Wir übersetzen daher: (19) Fürwahr:1** Nicht länger denke er an die Tage seines Lebens, wenn Gott (ihm) durch155 die Freude seines Herzens

antwortet}*

In der Übersetzung mag zunächst die temporale Auffassung des Ό in der Bedeutung wann, wenn ungewöhnlich erscheinen. Sie rechtfertigt sich jedoch insofern, als sich der vorgängige Inf. abs. Π Π Π als adverbiale Zeitbestimmung interpretieren läßt und somit das Ό beide Vershälften in ein temporales und zugleich logisches Veihältnis157 setzt. Theologisch erweist sich sonach die Freude als eine unverfugbare und von Gott zeitlich gewährte Gabe. Sie nicht

151 Zur Bildung des Jussivs vgl. GK, § 48g; Meyer, Grammatik II, § 68,2b). Zum Gebrauch vgl. GK § 109cd; Waltke / O'Connor, Syntax, 34.2.1. Belegt ist der Jussiv vonlDt in Koh 11,8. 152 Vgl. W. Schottroff, "Gedenken" im Alten Orient und im Alten Testament, WMANT 15, Neukirchen-Vluyn 1964, S. 136ff. 153 Vgl. Sir 7,36; 8,7; 9,12; 14,12; 41,3. dazu D. Michaelis, Das Buch Jesus Sirach als typischer Ausdruck fiir das Gottesverhältnis des nachalttestamentlichen Menschen, ThLZ 83 (1958), Sp. 607. AuchKohelet kennt ein memento mori, vgl. Koh 7,2; 11,8; ferner 9,10. 154 Zum emphatischen Gebrauch des O vgl. Lauha, BK, S. 106f; Schoors, Preacher, S. 104f. 155 Statt eines b' Instrumentalis ist zu erwägen, ob man hier nicht eine der Präposition p entsprechende Bedeutung gemäß anzusetzen hat; vgl. dazu HAL 100b unter Nr. 8 und WeishKairGen 9,15; 11,18: Wenn der Mensch Gutes wählt und nicht Böses, wird Gott ihm antworten gemäß [3, Vf.] dem Wunsch seines Herzens. (Zit. nach K. Berger, Die Weisheitsschrift aus der Kairoer Geniza. Erstedition, Kommentar und Übersetzung, TANZ 1, Tübingen 1989, S. 32f). 156 Zum Problem des Hif. vgl. bereits Delitzsch, BC, S. 301, der es in der Bedeutung des Grundstamms nimmt. Dabei bleibt die Frage, ob das Verb Püy I überhaupt im Hif. belegt ist. Bei den drei alttestamentlichen Belegen lassen sich die Formen in Hi 20,3; 32,17 als Qal ansprechen, während in Prov 29,19 ein Substantiv vorliegt; vgl. HAL 807a. Möglicherweise ist an unserer Stelle mit einer Dittographie des Ό zu rechnen. 157 Vgl. König, Lehrgebäude II/2, § 387hi, und zur konditionalen Färbung des O, § 390b. Vgl. ferner HAL 449a unter Nr. 10.

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Ein Schultext par excellence (7,1-22)

zu versäumen, ist der Mensch aufgerufen. Die sachliche Richtigkeit der Deutung bestätigt sich nicht zuletzt im Blick auf den die Komposition in 6,9 abschließenden Tóè-Spruch, fur den 5,19 indirekt die theologische Begründung liefert. Sofern Gott die Möglichkeit zum carpe diem bietet, ist es für den Menschen in der Tat besser, daß er den Augenblick genieße als daß er sich durch sein zielloses Verlangen forttreiben lasse und dadurch sein Glück verfehle. Und sie bestätigt sich nochmals im Blick auf 9,7.158 Denn hier begründet Kohelet seine Aufforderung zur Lebensfreude mit der Feststellung, daß der Mensch, der sein Glück ergreift, bereits Gottes Wohlgefallen gefunden hat.159

2. Ein Schultext par excellence (7,1-22) 2.1. Übersetzung (1) "Besser ein guter Name als wohlriechendes160 Salböl. " - Und der Tag des Todes (ist besser) als der Tag der Geburt. (2) "Besser ins Trauerhaus gehen als ins Festhaus161 gehen. " - Denn dies162 ist das Ende aller Menschen. Wer lebt, soll es sich zu Herzen nehmen! (3) Besser Kummer als Lachen, denn durch ein trauriges Gesicht erheitert sich das Herz. (4) Das Herz der Weisen ist im Trauerhaus und das Herz der Toren im Haus der Freude.

158 Auf die sachliche Beziehung zwischen 5,19 und 9,7 verweisen Levy, Qoheleth, S. 99; Lauha, BK, S. 169. 159 Zur Auslegung vgl. Gordis, Koheleth, S. 305f. 160 Das Wort ist von II Wohlgeruch abzuleiten, vgl. HAL 356a. Zum Ausdruck wohlriechendes Salböl vgl. II Reg 20,13 (Jes 39,2); Ps 133,2. 161 Zum Ausdruck Festhaus vgl. Jer 16,8. 4 QQoh' liest unter Einfluß von 7,4 statt des

nri\!to offensichtlich ein nnö[\U], 162 Die Deixis hat offensichtlich kein Beziehungswort in V. 2. Sachlich kann aber nichts anderes als der Tod gemeint sein, vgl. Whybray, NCeB, S. 113.

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Kapitel II. Kompositionsanalysen (5) "Besser auf die Schelte des Weisen hören als einer, der auf den Lob-

gesang der Toren hört. " (6) - Denn wie das Knistern der Dornen unter dem Kessel, so ist das Lachen des Toren. Auch dies ist (7) [.

164

65

7 , denn Bedrückung? 166

verdirbt sein festes

flüchtig}0

macht den Weisen töricht und

Herz.

(8) "BesserJ67 das Ende einer Sache als ihr Anfang. " "Besser Langmut als Hochmut. " (9) - Laß dich nicht aufregen, so daß du dich ärgerst, denn der Arger sitzt fest in der Niere der Toren. (10) - Sprich nicht: Warum sind die früheren Tage besser gewesen als diese? Denn deine Frage danach zeugt nicht von Weisheit. (11) "Gut ist Weisheit ebenso wie168 Geld. " - Und ein Vorzug für die, welche die Sonne schauen. (12) Denn: "Im Schatten der Weisheit (ist es ebenso wie) im Schatten des Geldes. " - Aber der Vorteil des Wissens (ist folgender):

Die

Weisheit hält ihren Besitzer am Leben. (13) Betrachte das Tun Gottes: "Wer vermag geradezubiegen,

was er

krümmte? (14) Am Glückstag sei guter Dinge und am Unglückstag be-

163 Das Hebel-Urteil bezieht sich auf das Lachen der Toren, das zwar heftig aber nur von kurzer Dauer ist; vgl. Hertzberg, ΚΑΤ, S. 147, und unten S. 93. 164 In 4 QQoh* findet sich hier eine Lücke in etwa der Länge von 15-20 Buchstabenstellen. Zur Diskussion vgl. unten S. 94. 165 Durchaus bedenkenswert ist der Vorschlag von Ehrlich, Randglossen VII, S. 82, statt des schwer verständlichen pVJyn ein verlesenes pn\Un anzusetzen. Die Emendation ist in der Forschung nicht beachtet worden. Jedoch paßt das Lachen einerseits gut zum Verb töricht machen, andererseits schließt es sich logisch an das Vorhergehende an. Vgl. ferner Ps 73,8, wo ebenfalls statt des korrupten pVDV ein VDpV oder pTIV zu lesen ist; vgl. BHS z. St. 166 Das Wort ist abzuleiten von Hebräisch oder "prito Kraft, Stärke, vgl. LXX, α' und Θ'; dazu G. R. Driver, Problems and Solutions, VT 4 (1954), S. 225-245; Whitley, Kohelet, S. 62f; Michel, Eigenart, S. 127. Dagegen äußert sich Schoors, Preacher, S. 159, zurückhaltend und verweist darauf, daß mittelhebräisches ρΠΏ eigentlich vorsichtig, besonnen, geduldig bedeutet; vgl. Jastrow 860b. 167 Zur Inkongruenz durch erstarrte Formen vgl. noch Koh 10,1 und W. C. Delsman, Die Inkongruenz im Buch Qoheleth, in: Studies in Hebrew and Aramaic Syntax (FS J. Hoflijzer), Studies in Semitic Languages and Linguistics 17, Leiden 1991, S. 36. 168 Vgl. bereits Hitzig, KEC, S. 173; weiter Kroeber, SQAW, S. 118; Michel, Eigenart, S. 103; Schoors, Preacher, S. 202.

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Ein Schultext par excellence (7,1-22)

trachte169: Gewiß macht Gott diesen genauso wie jenen. - Darum

(verhalte

dich so),11" weil der Mensch gar nichts von der Zukunft herausfinden kann. (15) Beides171 habe ich beobachtet in meinen flüchtigen Tagen: Es kommt vor, daß ein Gerechter durch seine Gerechtigkeit umkommt und daß ein Frevler durch seine Bosheit lange lebt. (16) - Sei nicht allzu gerecht und nicht übertrieben weise! Warum willst du dich selbst zugrunde (17) - Frevle nicht viel und sei kein Tor! Warum willst du vor

173

richten?m deiner Zeit

sterben? (18) "Gut ist es, wenn du das eine anpackst und auch von dem anderen deine Hand nicht ruhen läßt. " - Denn wer Gott fürchtet, dem gelingt beides}1* (19) "Die Weisheit macht den Weisen stärker als zehn Herrscher,

die

in der Stadt sind. " (20) - Aber: "Kein Mensch auf Erden ist so gerecht, daß er Gutes tut und dabei nicht sündigt."I7S (21) Auch auf alles Gerede, das man so redet, achte nicht, daß du nicht hörst, wie dein Sklave über dich flucht! (22) Denn auch du weißt, daß du gewiß viele Male176 über andere fluchtest.

169 Da die Septuaginta zweimal iö ε liest, erwägt Hertzberg, ΚΑΤ, S. 140 Anm. zu 14a), das zweite ΠΝ1 als Verlesung eines DVT zu deuten. Dadurch ergebe sich eine geschlossene Form des Verses: Am Glückstag sei guter Dinge/ und am Unglückstag bedenke das Unglück. Jedoch zerstört die vorgeschlagene Änderung die Pointe des Verses. Zur Auslegung vgl. unten S. 137. 170 Zur Übersetzung vgl. Lauha, BK, S. 122; und zur Begründung unten S. 11 lf. 171 Vgl. Galling, HAT, S. 107; Whybray, NCeB, S. 120. 172 Hitpo. von OQVJ, vgl. GK § 54c; HAL 1448b. Aufgrund des synonymen Parallelismus von V. 16b und 17b ist von einem objektiven Bedeutungsaspekt auszugehen und •QVJ mit sich zugrunde richten zu übersetzen; vgl. dazu F. Stolz, Art. OÖV), THAT II, Sp. 973. 173 Vgl. Koh 10,11; Gordis, Koheleth, S. 277; Schoors, Preacher, S. 124. 174 Zur Auslegung vgl. unten S. 125. 175 Vgl. I Reg 8,46 (II Chr 6,36); ferner 1 QH IV,30; VII,28; IX,14f; IV Esr 7,46; 8,35. Zur Sache vgl. auch Ps 19,13; 130,3; 143,2; Prov 20,9. 176 Die antizipierte adverbiale Bestimmung ist hier in den untergeordneten Satz zurückgestellt. Zur grammatischen Erscheinung vgl. König, Lehrgebäude II/2, § 340pq. Vgl. ebenfalls in betonter Stellung Ps 106,43.

Kapitel II. Kompositionsanalysen

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2.2. Zur Einheit des Textes In der redaktionsgeschichtlichen Untersuchung der Genese des Buches Kohelet wurden 6,1 lf und 7,23f als redaktionelle Stücke ermittelt und dadurch die Grenzen von 7,1-22 bestimmt.177 Gleichwohl stellt der Abschnitt in sich formal keine Einheit dar. Im allgemeinen gliedert man das Stück in die von Kohelet gestaltete Spruchkomposition V. 1-14, die sich in V. 15-18 anschließende Reflexion und in V. 19-22 beigegebene Erläuterungen.178 Uns interessiert, ob über die formalen Abschnitte hinaus ein thematischer Zusammenhang oder gar ein Argumentationsgang festzustellen ist, der V. 1-22 zumindest als sachliche Einheit erweist.179 Dazu ist vorderhand eine Analyse der Spruchgruppe V. 114 erforderlich, um Sinn und Zweck dieses so eigenartig mit der traditionellen Weisheit verwobenen Stücks zu klären. Über die Zusammengehörigkeit der Verse besteht in der Forschung kaum ein Dissens.180 Was jedoch die Absicht der Spruchgruppe betrifft, darüber gehen die Meinungen auseinander. Mithin erweist sich V. 1-14 geradezu als ein Testfall fur die Kommentatoren, an dem sich ihr jeweiliges Verständnis des gesamten Buches bewähren muß.181 Ein grundlegendes Problem für das Verständnis der Spruchkomposition hegt darin, wie sich Tradition und Interpretation bzw. Zitat und Kommentar in ihr verhalten. Dabei ist in der Forschung heftig umstritten, welche Verse aus

177 Vgl. oben Kap. 1.1. Spuren redaktioneller Arbeit im Buch Kohelet. Demzufolge müssen wir den Text von seiner Interpretation durch die sekundäre Rahmung gänzlich fernhalten. 178 Vgl. Lux, Lebenskompromiß, S. 270 Anm. 25; ferner Fox, Contradictions, S. 225f und 233, der jedoch V. 19 aus dem Zusammenhang herausnimmt und hinter V. 12 stellt. 179 Vgl. dazu bereits J. G. Vaihinger, Plan Koheleths, ThStKr21 (1848), S. 460: "Dieses Unheil zu vermeiden, muß man der wahren Weisheit nachstreben, und an der Hand derselben den Weg zu einem dauernden Glücke suchen 7,1-22." Vgl. weiter G. Bickell, Der Prediger über den Wert des Daseins, Innsbruck 1884, S. 87, der 7,1-22 abgesehen von zwei Textumstellungen als thematische Einheit nimmt und unter die Überschrift stellt Empfehlung der Weisheit als Selbstbescheidung. 180 Vgl. z. B. Delitzsch, BC, S. 309 {Sprüche von Besserem, vermeintlich Besserem, guten Dingen, guten und bösen Tagen)·, Gordis, Koheleth, S. 174 (Thoughts on the Good Life)·, Lauha, BK, S. 122 (Ein didaktisches Intermezzo: Was ist gut?); Whybray, NCeB, S. 112 (The Limitations of Human Life). Vgl. ebenso Ν. D. Osborn, A Guide for Balanced Living. An Exegetical Study of Ecclesiastes 7:1-14, BiTr 21 (1970), S. 185-196. 181 Vgl. Murphy, WBC, S. 61 und 66.

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V. 1-14 der traditionellen Weisheit zuzuweisen sind.182 Mag als äußerer Grund dafür gelten, daß wir von der Weisheitsliteratur zur Zeit Kohelets nur ein Bruchteil und hauptsächlich durch ihn selbst kennen, ist als innerer Grund mit Gerhard von Rad festzuhalten: "Eine saubere Trennung seines 'geistigen Eigentums' von dem Übernommenen ist von ihm [Kohelet, Vf.] gar nicht beabsichtigt."183 Die Erkenntnis berechtigt uns zu der weitergehenden Folgerung, daß Kohelet offenbar über einen reichen Fundus traditionellen Spruchguts verfugt und selbst Sprüche im Stil der herkömmlichen Weisheit verfaßt hat.184 Mithin ist nicht immer sicher zu entscheiden, ob Kohelet zitiert oder selbst formuliert. Trotzdem wird man sich der Aufgabe nicht entledigen dürfen, aus V. 1-14 die Spruchzitate zu ermitteln; denn erst aufgrund ihrer Zusammenstellung und Kommentierung ist die spezifische Aussageabsicht Kohelets zu erheben. Dazu gliedern wir die Spruchgruppe in die allgemein anerkannten Sprucheinheiten V. 1, 2-4, 5-7, 8-10 und l l f . Die Verse 13f, die aufgrund ihres theologischen Gehalts ein Resümee Kohelets darstellen, werden wir später behandeln. Bei einer vorläufigen Durchsicht zeigt sich, daß der Zusammenhalt der Spruchkomposition durch zahlreiche Stichwortverbindungen gegeben ist. An erster Stelle ist mit zehn Belegen das Stichwort 21V) zu nennen.185 Es folgen onn bzw. nKDn,186 lt>,187 ^OD,188 und mV8' ferner Oys,190 pnvy,191 und

182 Vgl ζ. B. Ellenneier, Qohelet, S. 73f (V. 2.3.4.8.9.10 im Rahmen der Schulweisheit); Scott, AncB, S. 234 (V. la.2a.3a.5.8a.8b.ll sieben Sprüche mit Kommentar); und Lohfink, NEB, S. 51 (V. la.5f.8fund llf*). Dagegen möchte Michel, Eigenart, S. 133-137, wie vor ihm bereits Levy, Qoheleth, S. 105, en bloc V. 1-6 als Zitat und V. 7-10 als Kommentar Kohelets verstehen. Zum Problem vgl. die Rez. von R. E. Murphy in: JBL 108 (1989), S. 712. 183 Von Rad, Weisheit, S. 299. Bereits Kamenetzky, Koheleth-Rätsel, S. 68, hat im Zusammenhang mit seiner Hypothese, daß es sich beim vorliegenden Koheletbuch um den Kommentar einer ursprünglichen Spruchsammlung handelt, das Problem klar erkannt: "Im allgemeinen ist die Ausscheidung [der ursprünglichen Sammlung, Vf.] ziemlich schwer, weil der Kommentator die ursprüngliche Sammlung nicht einfach abschrieb, sondern in seinem Werke organisch verarbeitete und stilisierte, sie ist übrigens auch nicht überall vom gleichen Werte fur das Verständnis des Buches." 184 Vgl. 12,9. 185 V. 1.2.3.5.8(2mal).10.11.14(2mal); vgl. dazu V. 18. 186 V. 4.5.7.10.11.12(2mal); vgl. dazu V. 16.19(2mal). 187 V. 2.3.4(2mal).7. 188 V. 4.5.6.9. 189 V. l(2mal). 10.14(2mal). 190 V. 3.9.

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n n m Ebenfalls ist sofort zu erkennen, daß die einzelnen Sprucheinheiten unterschiedliche Struktur besitzen.1®3 Besonders fallt auf, daß V. 1 lf zwar über das Stichwort 1ΊΟ verbunden ist, aber keinen komparativen 7oò-Spruch enthält. Dagegen ist für die übrigen Sprucheinheiten eine bisher kaum beachtete Gemeinsamkeit festzustellen. Denn sie enthalten jeweils zwei vergleichende 7o¿>-Sprüche, nämlich in Form eines doppelten 7o6-Spruchs in V. 1 und 8 sowie als mit Begründung versehene Einzelsprüche in V. 2-4 und wahrscheinlich auch V. 5-7194. Dabei ist der erste in der Regel der Tradition entnommen, während der zweite vermutlich von Kohelet selbst gebildet und in den entsprechenden Zusammenhang gestellt worden ist. Mithin stehen wir vor der Aufgabe, nach dem speziellen Verhältnis beider 7o6-Sprüche in den jeweiligen Sprucheinheiten zu fragen. Der doppelte 7o¿-Spruch in V. 1 fungiert als eine Art Überschrift fur die Spruchkomposition und bildet dank des Stichworts DV eine Inclusio mit V. 14. Dabei herrscht unter den Auslegern seltene Einmütigkeit in der Beurteilung, daß V. la einen der Tradition entnommenen Spruch zitiert, den Kohelet in V. lb durch einen zweiten aus eigener Feder ergänzt.195 Der traditionelle 7o6-Spruch in V. la, der nach Prägnanz und Wortlaut eine der schönsten Bildungen der hebräischen Weisheitsliteratur darstellt,196 bewertet den guten Ruf eines Menschen höher als seinen durch Verwendung kostbaren Salböls signalisierten Reichtum.197 Kohelet stellt ihm einen zweiten und von seinem Inhalt her verblüffenden 7oò-Spruch zur Seite und behauptet darin den Vorrang des Todestags vor dem Geburtstag. Als Korrektiv zum ersten 7o¿-Spruch verweist Kohelet auf den Todestag als den Zeitpunkt des definitiven Urteils

191 192 193 194 195

V. 3.6. V. 8(2mal).9. Vgl. Ellermeier, Qohelet, S. 106. Zum Spezialproblem, daß in V. 7 ein 7oè-Spruch ausgefallen ist, vgl. unten S. 94. Vgl. z. B. Gordis, Koheleth, S. 266; Scott, AncB, S. 235; Lauha, BK, S. 124; Zimmerli, ATD, S. 198 (dazu ders., Traktat, S. 223f und 224 Anm. 1); Lohfink, NEB, S. 51; Crenshaw, OTL, S. 133f; Murphy, WBC, S. 63; und K.-J. Illman, Old Testament Formulas about Death, Publications of the Research Institute of the Âbo Akademi Foundations 48, Âbo 1979, S. 176. 196 Chiastische Wortstellung, Alliteration und Paronomasie ergeben eine kunstvolle Form. Dabei bildet nicht nur OVJ und sondern auch ηΐΌ I und 21Ό II einen Gleichklang; vgl. dazu oben S. 86 Anm. 160. 197 Vgl. Prov22,l;Sir41,12f.

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über den guten Namen.1,8 Aus der Zusammenstellung der Sprüche ist zweierlei ersichtlich: Kohelet stellt seine Betrachtung in den Horizont des Todes. Und er rückt die Weisheit in die durch Geburt und Tod bestimmten Grenzen des menschlichen Dasein. Darin besitzt der gute Name eines Menschen aber nur vorläufigen Wert. Die folgende Sprucheinheit V. 2-4 bildet dazu die Fortsetzung. Sie wird eingeleitet durch den traditionellen 7oò-Spruch in V. 2a und seiner Mahnung, die Schritte ins Trauerhaus und nicht ins Festhaus zu lenken. Dabei dürfte es sich bei der vorgenommenen Wertung vordergründig um eine Frage der Sittlichkeit handeln. Denn es gehört sich überhaupt, bei einem Todesfall im Trauerhaus mit den Hinterbliebenen zu klagen anstatt woanders ausgelassen zu feiern. Seine eigentliche Begründung erhält die Wertung aber erst durch den Kommentar in V. 2b. Für Kohelet ist entscheidend, daß das Trauerhaus in der sieben Tage währenden Trauerzeit199 einen Ort der Einkehr darstellt, wo der Lebende den Tod vor Augen hat. Hintergründig zielt Kohelet also auf das memento mori, durch das der Mensch zur Einsicht in seine Endlichkeit gelangt. In diesen Zusammenhang ist auch der zweite Γόό-Spruch in V. 3 gestellt. Da er für sich genommen unverständlich ist, dürfte er von Kohelet eigens fur die Sprucheinheit formuliert worden sein.200 In Weiterfiihrung von V. 2 erklärt er den Vorzug des memento mori. Durch den Kummer, den das Bedenken des Todes bereitet und sich im betrübten Gesicht (als Außenseite) spiegelt, gelangt der Mensch wieder zu einem heiteren Herz (als Innenseite).201 Ist dadurch die positive Wirkung des memento mori erwiesen, stellt Kohelet in V. 4 die Gesinnung des Weisen antithetisch der des Toren gegenüber und zieht ein abschließendes Fazit. Wessen Herz im Trauerhaus ist, der besitzt Einsicht in die Endlichkeit des Menschen und Vorläufigkeit seines Tuns, so daß er besonnen handelt und darin einen relativen Vorzug vor dem Toren hat.

198 Vgl. Sir 11,28 und 1,13 LXX; dazu Crenshaw, OTL, S. 134; Murphy, WBC, S. 63; Klein, Kohelet, S. 88; O. Kaiser, Anknüpfung und Widerspruch, in: Pluralismus und Identität, hg. von J. Mehlhausen, Gütersloh 1995, S. 60. 199 Vgl. Gen 50,10; Sir 22,12. 200 Ohne den Zusammenhang mit der Trauer ergibt die positive Wertung des Kummers keinen Sinn und tritt geradezu in einen Gegensatz zu Prov 15,13; Sir 13,26. Zur Zuweisung des Spruchs an Kohelet vgl. auch Backhaus, "Zeit und Zufall", S. 224f. 201 Vgl. dazu Prov 27,19.

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Der folgende Abschnitt V. 5-7 nimmt die Gegenüberstellung des Weisen und des Toren auf und ist über das Stichwort p n \ y mit V. 3 verbunden. Wiederum ist wahrscheinlich, daß das Thema der Einheit durch einen volksspruchartigen 7oA-Spruch in V. 5 vorgegeben ist,202 zumal seine Wertung ganz im Rahmen herkömmlicher Weisheit bleibt: Die Schelte des Weisen ist nützlicher als das Loblied der Toren. Die Frage, ob der in V. 6 folgende O-Satz aufgrund seiner Paronomasien203 noch zum traditionellen Spruch zu rechnen ist oder bereits von Kohelet stammt, ist kaum zu klären. Doch sprechen die Inkongruenz zwischen dem Lied der Toren in V. 5 und dem Lachen des Toren in V. 6 wie auch die Aufnahme des Stichworts p n \ ü aus V. 3 eher für eine Weiterfuhrung Kohelets. Jedenfalls begründet V. 6 die Abwertung des Torengesangs, indem er das Knistern des schnell auflodernden und wirkungslos verbrennenden Dorngestrüpps mit dem schallenden Gelächter des Toren vergleicht. Ein typisches //eèe/-Urteil, das sich zweifellos als Kommentar Kohelets zu erkennen gibt, rundet die Aussage ab. Ob es sich auf das Lachen des Toren oder gar auf die Schelte des Weisen bezieht, ist umstritten. Immerhin lassen sich für die erste Möglichkeit sowohl die Verwendung der Deixis ΓΚ anfuhren, die in anaphorischer und kataphorischer Funktion das Näherliegende bezeichnet,204 als auch die t>2D eigene Bedeutungsnuance der Flüchtigkeit, die ausgezeichnet ins Bild des jäh verbrennenden Dorngesträuchs paßt.205 So verstanden ist das Hebel-Urteil kein grundsätzlich gegen die Weisheit gerichteter, sondern ein ihr beipflichtender Kommentar.206

202 Hinweise auf traditionelle Herkunft sind die typische Gegenüberstellung von Weiser und Tor sowie das Wort m y > Schelle, das sonst noch in Prov 13,1.8; 17,10 begegnet. Für die Beurteilung als traditionellen Spruch vgl. Lauha, BK, S. 125f; ferner Scott, AncB, S. 235; Osbom, Guide, S. 190. Eine Sondermeinung vertritt Whybray, NCeB, S. 114f, der V. 5 und 6a als zwei unabhängige Sprichwörter betrachtet, die Kohelet kombiniert und durch V. 6b kommentiert habe. 203 Vgl. in V. 5fTU) und T O sowie in V. 6 T O I und T O II ( von *ΠΤΌ, HAL 710b). 204 Vgl. Meyer, Grammatik II, § 31,1; Waltke / O'Connor, Syntax, 17.3. 205 Vgl. Delitzsch, BC, S. 312; Klein, Kohelet, S. 116; ferner S. Sekine, Qohelet als Nihilist, in: AJBI 17, Tokyo 1991, S. 35, mit Hinweis auf Koh 2,2. 206 Michel, Eigenart, S. 134f, möchte in der Hebel-Formel einen Einspruch Kohelets erkennen, der sich generell gegen die in V. l-6a zitierten Meinungen richtet. Dabei kann er sich auf die kompositionelle Funktion der Formel berufen, die etwa in der Königsfiktion die Untereinheiten beschließt. Dagegen beweist 5,9, daß Kohelet die Hebel-Formel auch zur Beurteilung eines Einzelspruchs verwenden konnte. Offenbar dürfen wir darin ihre primäre und in der Verwendung als Schlußmarke ihre sekundäre Funktion erkennen.

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Den folgenden Übergang von V. 6 zu 7 empfinden viele Ausleger als hart. Da keine logische Verbindung zwischen beiden Versen auszumachen ist, hat bereits Franz Delitzsch vermutet: "v. 7 ist die zweite Hälfte zu der verlorengegangenen ersten Hälfte eines Vierzeilers, der wie man zu erwarten hat, mit 1ΊΌ begann."207 Seine Hypothese ist durch den Fund des Qumranfragments 4 QQoh" in gewisser Weise bestätigt worden.208 Denn Kolumne III von Fragment 1 beginnt in V. 7 mit einer der Länge von 15-20 Buchstaben entsprechenden Textlücke. In der neuesten Edition der Fragmente bemerkt der Herausgeber dazu, daß in Kol. III Ζ. 1 ursprünglich einige Wörter standen, die vermutlich getilgt worden sind.209 Da der Schreiber der Qumranrolle seine Fehler offenbar mit der Feder korrigiert hat, wie die in Kol. II Z. 2 durch aberratio oculi entstandene Auslassung und ihre nachträgliche Verbesserung beweisen,210 ist es wahrscheinlich, daß ein Späterer die überschüssigen Wörter aufgrund seiner Kollation mit einer Musterhandschrift durch Abschaben nachträglich löschte.211 Gleichwohl ist auf dem Foto des Fragments in Kol. III Ζ. 1 als dritter oder vierter Buchstabe noch deutlich ein Ό zu erkennen. Dabei könnte es sich um ein fur die 7oé-Sprüche typisches min comparationis handeln. Da die Textlücke in Kol. III Ζ. 1 genau den Umfang besitzt, daß sich ohne weiteres ein 7o¿-Spruch ähnlicher Länge wie in V. 8a oder 8b einfügen läßt, ist die Annahme eines ursprünglichen und sich in die Spruchkomposition einfugenden Γόό-Spruchs nicht von der Hand zu weisen. Schließlich wird sie dadurch erhärtet, daß das im Begründungssatz unvermittelt stehende pVJV

207 Delitzsch, BC, S. 313. Vgl. ferner Bickell, Prediger, S. 89, der den 7oè-Spruch 6,9a(!) genau an diese Stelle versetzt. 208 Zum Qumranfragment vgl. J. Muilenburg, A Qoheleth Scroll from Qumran, BASOR 135 (1954), S. 20-28; dazu das Referat von Kroeber, SQAW, S. 67-69. Zur neuesten Veröffentlichung vgl. E. Ulrich, Ezra and Qoheleth Manuscripts from Qumran (4QEzra, 4QQoh''b), in: Priests, Prophets and Scribes: Essays on the Formation and Heritage of Second Temple Judaism in Honour of Joseph Blenkinsopp, JSOT.S 149, Sheffield 1992, S. 142-147; und demnächst DJD XII (vgl. dazu ders., The Biblical Scrolls from Qumran Cave 4: A Progress Report of Their Publication, RdQ 31 (1989), S. 218 und 228). 209 Vgl. Ulrich, Manuscripts, S. 147; vgl. dazu auch Kroeber, SQAW, S. 68. 210 Die Auslassung "IQVÚ I W i m "[tri wurde über der Z. 1 der Kol. II nachgetragen und das i»\y in Z. 2 durchgestrichen. 211 Eine Radierung liegt auch in Kol. II Z. 19 vor (In 7,5 ist vor "VVJ eine Lücke von 2 cm erkennbar). Wahrscheinlich dürfte auch in Kol. II Z. 7 eine varia lectio zu 6,8b getilgt worden sein. Die Spitzen zweier Lameds sind noch sichtbar; vgl. Ulrich, Manuscripts, S. 145f.

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offenbar einen vorausgehenden Spruch zu seinem Verständnis voraussetzt. Da sich der Text nicht mehr rekonstruieren läßt, muß die Möglichkeit offen bleiben, daß der "»D-Satz in V. 7 nicht das Hebel-Urteil in V. 6b erklärt, sondern einmal die Wertung eines später verlorengegangenen 7oò-Spruchs begründet hat. Verhält es sich so, bedenkt V. 7 offenbar die Gefahr, daß der Weise durch Bedrückung oder Bestechung zum Toren werden kann und dadurch seine Gesinnung verdirbt. Im Umkehrschluß ist zu folgern, daß der Weise, der sich an die Maxime des in V. 7a ausgefallenen 7'ôô-Spruchs hält, dieser Gefahr begegnet. Mithin dürfte auch V. 7 nicht gegen die Weisheit polemisieren, sondern ihren Wert einschränken. Die Sprucheinheit V. 8-10 eröffnet ein aus zwei 7oó-Sprüchen zusammengesetztes Doppelsprichwort. Nach Form und Inhalt können die Einzelsprüche ohne weiteres der Spruchweisheit entstammen.212 Dabei liegt auf der Hand, daß die eigentliche Aussage wiederum in ihrer Verbindung zu suchen ist. Der erste 7oò-Spruch bietet die allgemeine Regel, daß der Ausgang einer Sache besser als ihr Anfang ist.213 Offenkundig hat Kohelet darin einen ähnlichen Gedanken wie in V. 1 wiedergefunden, der sich ihm als Ausgangspunkt fur die folgende Sprucheinheit anbot. So erinnert der erste Toè-Spruch an die Einsicht des Weisen, daß sich das wahre Wesen einer Angelegenheit erst am Ende offenbart.214 Der zweite ergänzt den ersten, indem er die Langmut als das der Regel angemessene Verhalten preist. Eine gewisse Spannung ist sofort zu erkennen, wenn man das Doppelsprichwort aus der Perspektive Kohelets betrachtet. Denn angesichts der Determination der Zeiten und der Unerkennbarkeit der Zukunft können sich zwischen Anfang und Ende einer Angelegenheit unvorhersehbare Hindernisse schieben. Will der Weise trotzdem sein Leben meistern, hat er sich in besonderer Weise in Langmut zu üben. Der erwiesene Interpretationszusammenhang fuhrt zu dem Schluß, daß Kohelet die Verbindung beider Toò-Spriiche selbst besorgt und den zweiten möglicherweise als Ergänzung entworfen hat.215 Der so komplettierte Spruch wird um zwei Abmahnungen in V. 9f erweitert, deren erste V. 8b und deren zweite V. 8a begründen. Warnt Kohelet in V. 9 vor Hochmut, der einen Menschen 212 Vgl. V. 8a mit I Reg 20,11 und V. 8b mit Prov 24,20. Vgl. weiter Hitzig, KEH, S. 172; Gordis, Koheleth, S. 271f; Lohfink, NEB, S. 52; Crenshaw, OTL, S. 137. 213 Vgl. dazu auch Prov 14,12; 16,9; 23,31 f; 29,21. 214 Vgl. Klein, Kohelet, S. 91; femer Sir 7,36; 28,6. 215 Vgl. aber Prov 16,32.

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ärgerlich und dadurch zum Toren macht, verwirft er in V. 10 das törichte Jammern über das Heute. Denn der Weise ist sich bewußt, daß auch die Gegenwart erst von der Zukunft her angemessen beurteilt werden kann. Bewährt sich auch in diesem Fall die Langmut, besitzt der Weise in der Tat eine relativen Vorteil vor dem Toren und ist klug genug, sich durch die Widrigkeiten des Lebens nicht zu vorschnellen Handlungen verleiten zu lassen. Aufgrund der bisher gewonnenen Erkenntnis, daß sich Kohelet in 7, Iff traditionelles Spruchgut vornimmt, es ergänzt und in seinem Sinne interpretiert, läßt sich auch die folgende Sprucheinheit in V. 1 lf problemlos analysieren. Diesmal behandelt Kohelet den Wahrspruch in V. 1 la, daß Weisheit und Besitz gleichwertig sind. In der Tradition dürfte er einmal durch die in V. 12a folgende Sentenz begründet worden sein, daß Weisheit nicht anders als Reichtum Schutz gewährt. Kohelet hat den Spruch zweifach ergänzt und dadurch feinsinnig kommentiert. Gemäß seiner Einsicht in die Grenzen menschlichen Daseins beschränkt er zunächst durch V. I I b den Wert von Weisheit und Besitz auf den Kreis der Lebenden und erinnert wie schon in V. 1.2.8 an die Endlichkeit des Menschen.216 Sodann kommentiert er durch V. 12b den traditionellen Spruch in herkömmlicher Weise.217 Da nur den Lebenden Weisheit und Besitz etwas nützen, liegt die Pointe des Spruchgebildes darin, daß nicht der Besitz, wohl aber die Weisheit imstande ist, ihrem Besitzer eben dieses Leben zu erhalten.218 Also bestätigt auch die Sprucheinheit V. 1 lf der Weisheit einen praktischen Nutzen. Im Rückblick der Untersuchung ist zu erkennen: In der Spruchkomposition 7, Iff anerkennt Kohelet mit der Tradition einen Vorzug des Weisen. Zugleich erinnert er gegenüber der Tradition, daß der Mensch durch den Tod begrenzt und daher der Weisheit nur ein relativer Wert in den Grenzen des praktischen Lebens zukommt. Mithin hat Kohelet hier keineswegs die Bildungsweisheit ad absurdum gefuhrt, sondern sie aus der Perspektive des Todesgeschicks neu beurteilt und auf ihren Nutzwert für die Lebensführung beschränkt. Es ist

216 Der Wortlaut von V. 1 lb ist typisch für Kohelet. Zu "ITP vgl. 6,8 und zu VtoVjn ΠΝ1 als poetische Umschreibung für leben vgl. 6,5 und 11,7. 217 Für einen Kommentar Kohelets sprechen Inhalt und Wortlaut. Beachte auch den Bezug von ΓΡΠ auf VinWD ΠΝΊ in V. 1 lb. Zum Problem vgl. einerseits Kroeber, SQAW, S. 145; Lohfink, NEB, S. 53; und andererseits Michel, Eigenart, S. 103-111 218 Vgl. ζ. B. Prov 10,2; 11,4; 13,14; 16,17; 22,5.

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daher zurecht festgestellt worden, daß Kohelet der optimistischen Einschätzung der Weisheit nicht vorbehaltlos zugestimmt hat.219 Nach der ausfuhrlichen Diskussion traditionellen Spruchguts trägt Kohelet jetzt in V. 13f seine eigene Überzeugung vor. In seiner Tätigkeit als Weisheitslehrer verweist er in Form der positiven Aufforderung auf das Tun Gottes.220 Die Verse bieten gleich drei theologische Kernaussagen: die Unmöglichkeit, das Tun Gottes zu ändern (V. 13); die Festsetzung der Zeiten, die hier mit der Empfehlung des carpe diem verbunden ist (V. 14a); und die Verborgenheit der Zukunft (V. 14bß). Auf ihre Interpretation werden wir noch weiter unten zu sprechen kommen. Unter der Fragestellung der Einheit des Textes befassen wir uns vorab mit dem Problem, wie sich die folgenden Verse 15-18 zu der Sprachkomposition in V. 1-14 verhalten. In der Forschung betrachtet man V. 15-18 weitgehend als eine selbständige Reflexion. Zuletzt hat Rüdiger Lux nochmals auf ihren sorgfältigen Aufbau hingewiesen.221 Trotzdem unterliegt die Einheitlichkeit des Stücks Zweifel. Denn von einer Reflexion Kohelets kann im strengen formgeschichtlichen Sinn nicht gesprochen werden. Ahnlich wie in 10,5-7 fehlen der Beobachtung in 7,15 sowohl eine gedankliche Weiterfìihrung als auch eine Beurteilung, in der das Ich des Lehrers zu Wort kommt. Stattdessen folgen unmittelbar zwei Mahnungen, die sich als Kommentar, aber nicht als gedankliche Fortfuhrung verstehen lassen.222 Schließlich gibt die positive Weisung in V. 18 keinen logischen Bezug auf die Beobachtung in V. 15 zu erkennen, so daß man sogar vermutet hat, bei V. 15 handele es sich um ein isoliertes kurzes pensée,223 Die Argumente wiegen schwer genug, als daß man sie beiseite schieben könnte. Wenn aber V. 15-18 keine selbständige Reflexion darstellt, welche Form besitzt der Abschnitt? Analog der analysierten Spruchgruppen in 7,Iff bietet sich an, die Verse 15-17 aufgrund ihres Wortfelds und Sachbezugs zusammenzunehmen und als Sprucheinheit zu interpretieren. So verstanden zitiert Kohelet diesmal kein traditionelles Wort, sondern fuhrt eine eigene Beobachtung ein, die er ähnlich wie in der Einheit V. 8-10 durch zwei Abmahnungen kom-

219 Vgl. Schmid, Wesen, S. 188f, 199f; und bes. Zimmerli, Weisheit, S. 21f mit Anm. 1. 220 In V. 13f verwendet Kohelet die einzigen Imperativformen des gesamten Abschnitts. 221 Vgl. Lux, Lebenskompromiß, S. 270-272; vgl. bereits Loader, Structures, S. 46f und 13. 222 Vgl. dazu Whybray, NCeB, S. 119f; Backhaus, "Zeit und Zufall", S. 232. 223 Vgl. Whybray, NCeB, S. 120.

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mentìert. Das Ergebnis bestätigt sich durch den bislang kaum berücksichtigten Kontextbezug, daß V. 15-17 ebenfalls in einem Gedankengang mit der Erörterung eines relativen Vorzugs der Weisheit steht.224 Dabei greift das Stück auf V. 1 lf zurück und knüpft an die Feststellung an, daß die Weisheit ihren Besitzer am Leben erhält. Hatte Kohelet in V. 12b noch selbst diesen relativen Vorzug des Weisen hervorgehoben, setzt er ihm in V. 15b den Grenzfall entgegen, daß ein Gerechter durch seine Gerechtigkeit umkommt, dagegen ein Frevler sich durch seine Bosheit ein langes Leben verschafft. Das der traditionellen Anschauung widersprechende und mithin paradoxe Phänomen kommentiert Kohelet durch ein kunstvoll gestaltetes doppeltes Mahnwort.22S In der ersten Mahnung warnt er vor übertriebener Gerechtigkeit (oder Selbstgerechtigkeit?)226 und interpretiert den in V. 15 geschilderten Grenzfall derart, daß sich der Gerechte offenbar durch seinen Übereifer selbst zugrunde gerichtet hat.227 Die zweite Mahnung bietet dazu das notwendige Korrektiv.228 Denn im Rückblick auf den Grenzfall erhebt sich sofort die Frage, ob hingegen Bosheit ein langes Leben ermögliche. Diesen Trugschluß weist Kohelet durch V. 17 zurück und warnt davor, sich nicht wie ein Tor zu verhalten, der in seiner Unwissenheit viele Mal böse handelt. Dabei wurde die Mahnung oft mißverstanden, als warne sie lediglich vor übertriebener Bosheit und damit vor dem Extrem. Jedoch stellt Kohelet in V. 17 ausweislich seines Wortlauts ganz grundsätzlich und im Einklang mit herkömmlicher Weisheit fest, daß Torheit vorzeitigen Tod zur Folge hat.229 Mithin ist der Typ des hemmungslosen Frevlers schwerlich aus V. 17 abzuleiten. Vielmehr warnen beide Mahnungen vor solcher Art des Fehlverhaltens, durch das sich einer selbst zu Fall bringt. Der relative Vorteil der Weisheit ist durch den Grenzfall also nicht widerlegt. Wer auf sein Tun achtet, wird sich in der Regel nicht selbst zerstören. Im 224 Vgl. Lux, Lebenskompromiß, S. 271. 225 Die Mahnungen in V. 16a und 17a bilden einen antithetischen, die Folgesätze in V. 16b und 17b einen synonymen Parallelismus; vgl. Loader, Structures, S. 47. 226 Vgl. G. R. Castellino, Qohelet and his Wisdom, CBQ 30 (1968), S. 24; R. N. Whybray, Qoheleth the Immoralist? (Qoh 7:16-17), in: Israelite Wisdom (FS S. Terrien), New York 1978, S. 195-197. 227 Vgl. dazu auch den in 5,12 geschilderten Grenzfall Ist hier an die Übervorsicht des Reichen zu denken, der dadurch seinen Besitz verlor? 228 Vgl. Whybray, NCeB, S. 121: "Here Qoheleth is concerned to guard against the possibility of being misunderstood." 229 Vgl. ζ. Β. Prov 13,14; 15,24; 21,16; 23,14; ferner 10,2; 11,19; 12,28; und Murphy, WBC, S. 70.

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Ergebnis ergibt die Spruchgruppe V. 15-17 einen logischen und in sich geschlossenen Sinn. Trotzdem verbinden die Ausleger die positive Weisung in V. 18 ganz selbstverständlich mit den beiden vorausgehenden Mahnungen und es ist m. a. W. noch nie der Versuch unternommen worden, den Vers zum Folgenden zu stellen. Zweifellos ist es die doppelte Deixis ΓΚ ... Dt, die solchen Rückbezug den Exegeten geradezu abzunötigen scheint. Und so ringen sie mit dem Problem, daß Kohelet zwar maßvolle Gerechtigkeit gutheißen könnte, aber kaum verhaltene Bosheit empfohlen hätte.230 Allerdings ist die Frage durchaus noch nicht entschieden, ob sich V. 18 überhaupt auf die Mahnungen bezieht. Denn die doppelte Deixis ΓΚ ... kann in reziprokem Gebrauch einfach das eine dem anderen gegenüberstellen und so als Indefmitum verwendet sein.231 Demnach handelt es sich bei V. 18 möglicherweise um eine allgemeine Maxime, die angesichts ungewisser Zukunft nahelegt, nicht nur eine Sache, sondern auch die andere zu betreiben.232 Dabei läßt sich das OtOTIN in V. 18b ohne weiteres auf die unbestimmte doppelte Deixis in V. 18a zurückbeziehen,233 so daß hier in geschlossener Form ein gleichwertender Toft-Spruch mit Ό "Begründung vorläge. Grundsätzlich stellt sich also die Alternative, ob der 7o¿>-Spruch in V. 18 tatsächlich als Ergebnis von V. 15-17 konzipiert ist oder ob er nicht eine neue und wiederum mit 1ΊΟ beginnende (!) Sprucheinheit einleitet. Und in der Tat

230 Die älteren Kommentatoren entdecken in V. 18 zumeist eine Empfehlung des goldenen Mittelwegs; vgl. ζ. B. Hitzig, KEH, S. 175f; Delitzsch, BC, S. 320f; Levy, Qoheleth, S. 108; Blieffert, Weltanschauung, S. 55f; Gordis, Koheleth, S. 275; Lauha, BK, S. 134. Dagegen setzt sich in neuerer Zeit die Interpretation durch, daß sich V. 18 lediglich gegen das Übermaß an Gerechtigkeit bzw. Bosheit wende und entsprechend vor Einseitigkeit warne; vgl. ζ. B. Loader, Structures, S. 48; Whybray, NCeB, S. 121; Murphy, WCB, S. 72f; Lux, Lebenskompromiß, S. 274f. Zur Kritik vgl. Κ. Ehlich, Verwendungen der Deixis beim sprachlichen Handeln. Linguistisch-philologische Untersuchung zum hebräischen deiktischen System. Teil 2, Forum linguisticum 24, Frankfurt a. M. 1979, S. 850: "Beides nicht übermäßig zu sein, wäre also die Empfehlung Qohäläts - eine absurde Empfehlung für einen Weisheitslehrer, dessen ganzes Handlungssystem auf der Ausschließlichkeit beider Handlungsweisen aufbaut. . ." 231 Vgl. König, Lehrgebäude Π/2, § 48; Brockelmann, Syntax, § 24b; Meyer, Grammatik II, § 31,4d; und dazu Koh 11,6; Sir 39,34; 42,25. Zum Problem vgl. bes. Ehlich, Deixis, Teil 2, S. 848-850. 232 Vgl. ζ. B. Kathleen Α. Farmer, Who Knows What Is God?, ITC, Grand Rapids/ Edinburgh 1991, S. 178. 233 Vgl. auch Fox, Contradictions, S. 236.

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lassen sich fur die zweite Möglichkeit eine Reihe weiterer Gründe beibringen. Erstens ist die fur V. 15-17 konstitutive Gegenüberstellung des Gerechten und Frevlers bzw. des Weisen und des Toren in V. 18 weder angesprochen noch überhaupt von Belang. Zweitens bereitet die Beziehung von V. 18 auf die voranstehenden Mahnungen nicht nur sachliche, sondern auch sprachliche Probleme. Denn die verbalen Ausdrücke in V. 18a lassen eher an ein tatkräftiges Handeln als an die Befolgung weisheitlicher Warnungen denken. ΪΠΝ heißt eigentlich ergreifen, anpacken234 und Π''"TIN ΓΎΟΠ seine Hand ruhen lassen235, was in der Negation soviel bedeutet wie, daß man es am entschiedenen Einsatz nicht fehlen lassen soll. Löst man drittens V. 18 aus der Verbindung mit V. 16f, erscheint er geradezu als sprichwortartiger Appell zum aktiven und verantwortlichen Handeln, der teilweise wörtlich der Empfehlung in 11,6 entspricht. So verstanden ergibt viertens das schwierige NiT in V. 18b einen guten Sinn. Denn im Hebräischen bedeutet das Verb in seiner Grundbedeutung hinausgehen236 und kann, falls bei der Tätigkeit ein positives Ergebnis herauskommt, auch die Bedeutung gelingen237 annehmen. Demzufolge stellt der Spruch in Aussicht, daß in der Furcht Gottes die eine wie die andere Angelegenheit glückt.238 Dabei scheint in V. 18 die Weisheit geradezu durch die Furcht Gottes substituiert, insofern sie über Erfolg oder Mißerfolg des Handelns entscheidet. Fünftens und letztens ist der Neueinsatz mit l l ü als Beginn einer Sprucheinheit fur den Abschnitt 7,Iff schlechthin charakteristisch. Mithin spricht alles dafür, daß Kohelet in V. 18a eine sprichwörtliche Weisheitsregel zitiert und in V. 18b mit der Furcht Gottes kombiniert.23' Hiermit ist über den Kontextbezug noch nicht entschieden. Indem Kohelet nämlich die weisheitliche Regel in V. 18 direkt hinter die Spruchgruppe V. 1517 piaziert hat, wollte er sie offenbar als eine positive Weisung fur den Über-

234 Vgl. HAL 31a; Gesenius, 18. Aufl., 35b; bes. in Verbindung mit 1 vgl. HAL 100b unter Nr. 11. Vgl. auch H. H. Schmid, Art. tflN, THAT I, Sp. 107f. 235 Vgl. HAL 642b und Koh 11,6. 236 Vgl. E. Jenni, Art. THAT I, Sp. 75f. 237 Vgl. Prov 25,4; Sir 16,14; femer biblisch-aramäisch die Safel-Bildung vollenden. Zur Sache vgl. noch Ps 1,3b und Tob 4,6. 238 Vgl. Murphy, Translating, S. 577: "The general meaning would be, that the Godfearer comes off well, but any translation remains dubious." 239 Vgl. E. Pfeiffer, Die Gottesfurcht im Buche Kohelet, in: Gottes Wort und Gottes Land (FS H. W. Hertzberg), Göttingen 1965, S. 144; ferner Galling, HAT, S. 108; J. Becker, Gottesfurcht im Alten Testament, AnBib 25, Rom 1965, S. 252 Anm. 165.

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gerechten verstanden wissen. In ihrem Appell, das eine wie das andere zu tun, warnt sie in der Tat vor Einseitigkeit.240 Gerade der Übergerechte soll es mit seiner Gerechtigkeit nicht auf die Spitze treiben, sondern ausgewogen handeln, dann wird auch seine Sache in der Furcht Gottes gelingen. Daß sich Kohelet von V. 16 her das Thema der Übergerechtigkeit fur die folgende Sprucheinheit hat vorgeben lassen, scheint sich von seiner Fortsetzung in V. 19-22 her zu bestätigen. Denn die Tatsache, daß nach V. 18 auch das weise Handeln auf die Furcht Gottes angewiesen ist, erläutert Kohelet mittels zweier kombinierter Sprüche.241 Deutlich entstammt der erste in V. 19 der Tradition und illustriert die Stärke der Weisheit, die fìir den Weisen eine nützliche Lebenshilfe darstellt.242 Der zweite und durch ein adversatives Ό 243 angeschlossene Spruch schränkt dagegen das Vermögen der Weisheit ein, indem er in Erinnerung ruft, daß selbst ein Mensch, der sich gerecht verhält und darin weise handelt,244 nicht fehlerlos bleibt. Wie oft bemerkt hat Kohelet in V. 20 seine Einsicht unter Verwendung von II Chr 6,36 (I Reg 8,46) formuliert,245 jedoch unterscheidet sie sich davon, daß V. 20 nicht generell von der Fehlbarkeit des Menschen spricht, sondern den Übergerechten im Blick hat.244 Seiner Selbstüberschätzung hält Kohelet entgegen, daß gerade auch der Mensch, der sich gerecht verhält und zumal Gutes tut, letztlich Fehler macht. Vor solcher Einsicht wird sich der Weise in Demut üben und darin der Haltung der Gottesfurcht entsprechen.247 Mithin erläutern die beiden zusammengestellten Sprü-

240 Vgl. auch 11,2. 241 Gordis, Koheleth, S. 278, beurteilt 7,19f als zwei entgegengestellte Spruchzitate; Lohfink, NEB, S. 56, und Michel, Eigenart, S. 238f, bestimmen ihr Verhältnis als Zitat und Kommentar Kohelets. 242 Direkte Parallelen lassen sich nicht beibringen, vgl. aber Prov 21,22; 24,5. 243 Zur adversativen Färbung der Partikel vgl. König, Lehrgebäude II/2, § 372cd. 244 In 7,20 steht pHM synonym für CDPl; vgl. H. H. Schmid, Gerechtigkeit als Weltordnung, Β HT 40, Tübingen 1968, S. 165 Anm. 406: "Hier [7,16, Vf.] ist der ursprüngliche Sinn sowohl von als auch von 0 3 Π als 'sich ordnungsgemäß verhalten' abgelegt; die Begriffe werden als allgemeine Verhaltensbegriffe verwendet." 245 Vgl. dazu oben S. 88 Anm. 175. 246 Vgl. ζ. B. Levy, Qoheleth, S. 109; Gordis, Koheleth, S. 278f; O. Kaiser, Schicksal, Leid und Gott. Ein Gespräch mit dem Kohelet, Prediger Salomo, in: Altes Testament und christliche Verkündigung (FS A. H. J. Gunneweg), Stuttgart 1987, S. 42f. Zurückhaltend äußert sich Whybray, NCeB, S. 122. 247 Für den Zusammenhang von Demut und Gottesfurcht in der späten Weisheit vgl. Prov 22,4 und D. Römheld, Wege der Weisheit. Die Lehren Amenemopes und Proverbien 22,17-24,22, BZAW 184, Berlin/New York 1989, S. 187f.

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che, daß die Fehlbarkeit des Menschen den Nutzwert der Weisheit eingeschränkt und somit ihre Anwendung der Gottesfurcht bedarf. Erst wenn sich der Weise seiner moralischen Schwäche bewußt ist, kann er sich anderen gegenüber wirklich gerecht verhalten. Wie sich dies praktisch auswirkt, lehrt abschließend das Schulbeispiel in V. 21 f. Nach allem tritt deutlich hervor, daß der gesamte Abschnitt 7,1-22 aus einer Folge von Spruchgruppen besteht, die in ihrer Zusammenstellung die Frage erörtern, welchen Wert die Weisheit besitzt. Dabei verweist eine Reihe der 7o¿>-Sprüche und Mahnungen auf die Nützlichkeit der Weisheit im praktischen Leben.248 Eine stringente Argumentation ist in 7,1-22 nicht festzustellen und doch besitzt die Spruchkomposition einen Spannungsbogen, wenn Kohelet von seiner Einsicht in das Todesgeschick her überkommenes Spruchgut kommentiert, sodann seine theologische Überzeugung von der Determination der Zeiten einführt und schließlich die Anwendung der Weisheit mit der Furcht Gottes kombiniert. So und nicht anders erklärt sich die Zusammenstellung der Sprucheinheiten als das Ergebnis einer im Hintergrund erkennbaren Schuldiskussion. Man wird daher nicht allzu systematisch an den Text herangehen dürfen, sondern ihm den Charakter einer kleineren von Kohelet gestalteten Spruchsammlung belassen müssen.249 Dieses Verständnis bestätigt sich im Grunde bereits durch die in ihr verwendeten Gattungen. Gegenüber dem Prosatext in 5,9-6,9 zählen wir in 7,1-22 als typische Gattungen der Spruchweisheit 9 7o6-Sprüche,2S0 5 Mahnworte,251 2 Kunstsprüche,252 2 Vergleichssprüche,253 2 positive Aufforderungen254 und eine rhetorische Frage.255 Isoliert steht die Beobachtung in V. 15, die hier keine selbstständige Reflexion, son-

248 Vgl. bereits F. Köstlin, Kohelet-Studien, ThSW 3 (1882), S. 124f; Blieffert, Weltanschaung, S. 58f; Zimmerli, Weisheit, S. 21 mit Anm. 1; und zum relativen Nutzen der Weisheit oben S. 73 Anm. 86. Vgl. dazu Fox, Contradictions, S. 120: "He [Kohelet, Vf.] never draws a distinction between wisdom of his type and that claimed or practiced by the other sages." 249 Vgl. dazuKroeber, SQAW, S. 146; Ellermeier, Qohelet, S. 110. 250 V. Ia.lb.2.3.5.8a.8b.ll.l8. 251 V. 9.10.16.17.21f. 252 V. 4.19. 253 V. 6.12a. 254 V. 13a. 14a. 255 V. 13b. Dem Sinn entsprechend sind V. 16b und 17b dagegen als negative Absichtssätze zu behandeln; vgl. dazu Ehrlich, Randglossen VII, S. 84, und oben S. 42 Anm. 184.

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dem einen Problemfall in die Diskussion einfuhrt. Ihr Einleitungssatz hat die Auslegung stets auf eine falsche Spur gelockt.254 Mithin ist der Schluß gerechtfertigt, daß es sich in 7,1-22 um einen Schultext par excellence handelt.257

2.3. Der Mensch unter dem Schicksal Die Verse 7,13f, die in der Forschung als eine wunderbare Epitome von Kohelets Denken bezeichnet worden sind,2*8 geben Einblick in seine Vorstellung des Schicksals und lassen sich aufgrund des Aufrufs in V. 14a zu den carpe ¿Aem-Stellen des Büchleins rechnen.259 Ihre Stellung im Kontext verdanken sie der vorausgehenden Sprucheinheit. Hatte Kohelet dort und gleichsam für die übrigen Spruchgruppen der Weisheit einen relativen Vorteil schlechthin zugestanden, fuhrt er in V. 13f die Grenzen ihres Leistungsvermögens vor.260 Denn auch im praktischen Leben steht der Mensch unter dem Schicksal und somit unter Gott.261 Zwar vermag sich der Weise vor frühzeitigem Tod zu schützen und Vorkehrungen fur das Gelingen seines Tuns zu treffen, aber den Wechselfallen des Lebens ist auch er hilflos ausgeliefert.

256 Vgl. z. B. Delitzsch, BC, S. 318: "Auf das Schlußstück 7,1-14 ... folgen nun wieder Ichstücke d. h. Belehrungen in Form mitgetheilter Erfahrungsthatsachen, worin wieder das Ich des Verf. in den Vordergrund tritt." 257 Entsprechend wird man auch 9,17-10,14 (9,17-10,20?) mitsamt der als Einleitung vorangestellten Beispielerzählung 9,13-16 als Schultext beurteilen müssen. Der Text besitzt ebenfalls keine durchgängige Argumentation, läßt sich aber trotzdem als thematische Einheit verstehen; vgl. vorläufig Eilermeier, Qohelet, S. 115-121; G. S. Ogden, Qoheleth IX 17-X 20. Variations on the Theme of Wisdom's Strenght and Vulnerability, VT 30 (1980), S. 27-37; Michel, Eigenart, S. 264-267. Vgl. ferner seine Beurteilung durch H. L. Ginsberg, The Structure and Contents of the Book of Koheleth, in: Wisdom in Israel and in the Ancient Near East (FS H. H. Rowley), VT.S 3, Leiden 1955, S. 142 Anm. 3: "a block of associative digressions". 258 Vgl. Gordis, Koheleth, S. 274; zit. bei Crenshaw, OTL, 139; ferner Levy, Qoheleth, S. 107. 259 Dabei wird die Stelle bei der Behandlung des carpe ífiem-Themas in Koh häufig übergangen; vgl. z. B. R. N. Whybray, Qoheleth, Preacher of Joy, JSOT 23 (1982), S. 87-98. Doch hat bereits Siegfried, HK, S . l l , den Zusammenhang mit dem carpe diem bemerkt und 7,14 zusammen mit den einschlägigen Stellen 3,22; 5,17-19; 8,15; 11,7-10* seinem Glossator Q2 zugeschrieben. 260 Vgl. z. B. Michel, Eigenart, S. 111. Gegen Hertzberg, ΚΑΤ, S. 150-152; Lauha, BK, S. 129f; die in V. 13f eine Fortfuhrung von V. 8-10 zu erkennen meinen. 261 Zur Sache vgl. O. Kaiser, Der Mensch unter dem Schicksal, in seinem gleichnamigen Aufsatzband, BZAW 161, Berlin/ New York 1985, S. 63-90, bes. 76 und 84.

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Folgerichtig verweist Kohelet in V. 13 mittels des Imperativs rifcO, der sich als Aufforderung des Lehrers an seine Schüler zu erkennen gibt,261 auf das Tun Gottes. Die alten Versionen haben fur îïvyyô den Plural gelesen263 und dadurch V. 13 offenbar als Weisung Kohelets verstanden, der Schöpfungswerke Gottes zu gedenken.264 Freilich ist MT im Recht, zumal Kohelet nach 3,11; 8,17; 11,5 stets im Singular vom Tun Gottes spricht. Da Nominalbildungen mit Me/w-Präformativ sowohl die Handlung als auch deren Ergebnis bezeichnen können,265 scheint sich die Alternative zwischen der Bedeutung Werk und Tun Gottes zu stellen. Wie die oben gegebene Übersetzung zeigt, haben wir uns fur letztere Möglichkeit entschieden. Denn unserer Ansicht nach hat Kohelet weder eine von Anbeginn festgelegte Schöpfungsordnung266 noch die Determination alles Geschehens gelehrt. Zudem rechtfertigt sich unsere Übersetzung dadurch, daß Kohelet häufig und zumal in 7,14 verbal von Gottes Wirken spricht und in 3,11 durch die Umschreibung 0">Γ0ΝΠ nVJy-|\L>N DVyyttD entsprechend erläutert. Liegt der Akzent also eindeutig auf Gottes Handeln, wird man sofort einschränkend hinzubemerken müssen, daß D\yyft nicht abstrakt ein göttliches Walten267 bezeichnet. Denn Gottes Tun, dessen Unbegreiflichkeit Kohelet zu betonen nicht müde wird, tritt ihm als Gesamtheit seines Wirkens und daher nicht anders als in der vorfindlichen Wirklichkeit entgegen, so daß hier H\yyX5 geradezu die Faktizität von Gottes Handeln in einer sich verfinsternden Welt betont. Der sprachliche Befund bestätigt es: Das Tun Gottes und das Geschehen, das unter der Sonne geschieht können wechselseitig verwendet werden.268 Ist das zugestanden, benennt V. 13b einen weiteren bedeutsamen Aspekt zur Kennzeichnung von Gottes Handeln. Die

262 Vgl. Prov 6,6; Sir 6,36; 7,22; 37,27. Zur Stelle vgl. F. Nötscher, Schicksal und Freiheit, Bib 40 (1959), S. 461: "Achte auf Gottes Tun!" 263 Vgl. BHS ζ St. Zum textkritischen Problem vgl. bes. Schoors, Preacher, S. 23f. 264 Vgl. den Anfang von Ben Siras Schöpfungshymnus in Sir 42,15. Zu seiner Interpretation und Unterscheidung von Kohelet vgl. Hengel, Judentum und Hellenismus, S. 261-264. Vgl. ferner Ps 8,4; 19,2; Sir 33,15. 265 Vgl. Meyer, Grammatik II, § 40,4. Zu n w y » vgl. HAL 583. 266 Zur Auslegung von 3,11 vgl. unten S. 229ff. Zur Sache vgl. jetzt auch Backhaus, "Zeit und Zufall, S. 121f und 386f. 267 Vgl. dazu G. von Rad, Das Werk Jahwes, in: Studia biblica et semitica (FS Th. Ch. Vriezen), Wageningen 1966, S. 295-297; ferner A. Stiglmair, Weisheit und Jahweglauben im Buch Kohelet, TThZ 83 (1974), S. 364-368. Zur Kritik vgl. Fox, Contraditions, S. 152fmit Anm. 1. 268 Vgl. 8,17.

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Antwort auf die rhetorische Frage, wer das von Gott Gekrümmte geradezubiegen vermag, kann nämlich nur lauten: Kein Mensch! Infolgedessen ist die Unabänderlichkeit der göttlichen Setzungen vom Menschen her definitiv. Des öfteren ist behauptet worden, daß Kohelet sich hier selbst zitiere und dadurch auf das Doppelsprichwort in 1,15 verwiese:269 (15) "Krummes kann nicht gerade werden / und Mangel kann nicht gezählt werden. " Die erste Hälfte des Spruchs, die hier zur Diskussion steht, stammt nach gebräuchlicher Auffassung aus der Schulunterweisung und zielt auf die Unbelehrbarkeit mancher Schüler.270 Im vorhegenden Kontext ergibt dieses negative Urteil über den Toren allerdings keinen Sinn. Hinzu kommt, daß der Gebrauch seltener und später Wörter271 sowie die Wendung tOVNt· 2 7 2 an die Sprache Kohelets erinnern.273 Aufgrund dessen ist die Vermutung, daß Kohelet das Spruchzitat in 1,15 verfremdet und radikalisiert habe,274 nicht ganz von der Hand zu weisen. Soviel ist klar: Seine spezifische Deutung erfährt es nicht anders als vom Kontext und der erhobenen Aussageabsicht Kohelets her. Im Gegensatz dazu ist die rhetorische Frage in 7,13 aus sich selbst verständlich. In ihrer affirmativen Funktion bestätigt sie uneingeschränkt die Macht Gottes. Dir gegenüber muß sich der Mensch eingestehen, daß er vollends von Gottes Schicksalszuweisung abhängig ist und grundsätzlich keine Gewalt über das Geschehen hat.275 Die Tatsache, daß die rhetorische Frage in

269 Vgl. Lohfink,NEB, S. 12 und 53; Michel, Eigenart, S. I l l ; Whybray, NCeB, S. 50f; Backhaus, "Zeit und Zufall", S. 227. 270 Vgl. Zimmerli, ATD, S. 148f; Michel, Eigenart, S. 11; und zuletzt Klein, Kohelet, S. 90 mit Anm. 30. Crenshaw, OTL, S. 74, verweist dazu auf die ägyptische Lehre des Ani, die in optimistischer Einschätzung der Weisheit vergleichsweise dem Handwerker das Vermögen zuspricht, den krummen Ast gerade zu biegen. Vgl. die Lehre des Ani 10,13 (H. Brunner, Altägyptische Weisheit. Lehren für das Leben, Bibliothek der Alten Welt, Lizenzausgabe fur die WBG, Darmstadt 1988, Nr. 10, Z. 408ff, S. 214; vgl. dagegen Nr. 11, Z. 10, S. 216). 271 i p n begegnet nur bei Koh, vgl. noch 7,13 (12,9); γηΌΠ nur hier, dagegen in Prov meist "ΤΙΌΓΙΟ, vgl. Prov 6,11; 11,24. Beim Part. Pu. von J11V handelt es sich um ein grammatikalisches hapax legomenon, vgl. Delsman, Sprache, S. 344. 272 Vgl. 1,8; 6,10; 8,17. 273 Auf die sprachliche Seite machen Crenshaw, OTL, S. 74; Whybray, NCeB, S. 50; aufmerksam. 274 Vgl. dazu Michel, Eigenart, S . l l . 275 Vgl. dazu Stiglmair, Weisheit, S. 365.

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7,13 primär die Unabänderlichkeit des göttlichen Wirkens herausstellt und somit eine Aussage über Gott trifft, unterscheidet sie vom Spruchzitat in 1,15a. Berücksichtigt man weiter, daß Kohelet seinen Gottesbegriff in der durch den hellenistischen Zeitgeist erzwungenen Auseinandersetzung mit der alttestamentlich-jüdischen Tradition gewinnt, lassen sich Einwirkungen griechischer Vorstellungen nicht leugnen. Da nicht zuletzt Einflüsse stoischen Denkens auf das ideelle Klima jener Epoche auch in Palästina wahrscheinlich und bei Ben Sira nachweisbar sind,276 bietet der große Hymnus des Kleanthes aus Assos ( t 232 v. Chr.) die nächste Parallele zu 7,13. Dort heißt es von Zeus, dem Allgewaltigen:277 Kein Werk hier auf der Erde geschieht je ohne Dich, Daimon,/ Keins am göttlichen Himmelsgewölbe, keines im Meere,/ Nur was die Schlechten vollführen in ihrer eignen Verblendung,/ Aber das Krumme sogar, du weißt es geradezurichten,/ Hast du doch alles in eins gefüget, Edles und Schlechtes,/ Daß ein einziger Sinn, ein ewiger, allen gemein ist. Der unterschiedliche Wortlaut der Motivparallele zeigt, daß der Stoiker nicht anders als der jüdische Weise mit dem Bildwort des Krummen einen Topos aufgegriffen hat,278 um seiner Überzeugung von der Allgewalt Gottes Ausdruck zu verleihen. Wie andersartig die Gottesvorstellung Kohelets ist, sticht dagegen sofort ins Auge. Gegenüber der stoischen Idee des Kausalnexus kennt Kohelet keine zweckgebundene und vom ν ο ΰ ς durchwaltete Organisa-

276 Vgl. Hengel, Judentum und Hellenismus, S. 265-270; J. Marböck, Weisheit im Wandel. Untersuchungen zur Weisheitstheologie bei Ben Sira, BBB 37, Bonn 1971, S. 143-145. Speziell zur Frage eines stoischen Einflusses auf Kohelet vgl. J. G. Gammie, Stoicism and Anti-Stoicism in Qoheleth, HAR 9 (1985), S. 169-187. Zur Sache vgl. O. Kaiser, Determination und Freiheit beim Kohelet/ Prediger Salomo und in der Frühen Stoa, NStTh 31 (1989), S. 251-270. 277 Vgl. loh. von Arnim, SVF I, fr. 537, S. 122, Ζ. 11-17 (übertr. nach W. Kranz, Die griechische Philosophie. Zugleich eine Einführung in die Philosophie überhaupt, Sammlung Dieterich 88, 5. Aufl. Bremen 1962, S. 302). 278 Vgl. Jes 42,16 und Hesiod, Erga, Ζ. 7 (Hesiod, Theogonie. Werke und Tage. Griechisch und deutsch, hg. von A. von Schmiding, Sammlung Tusculum, München 1991, S. 82f); dazu H. Ranston, Ecclesiastes and the Early Greek Wisdom Literature, London 1925, S. 74. Von den bei Loretz, Orient, S. 198, angeführten Parallelen aus der biblischen Weisheitsliteratur ist jedoch nur Hi 9,20 für Koh 7,13 beweiskräftig.

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tion des Kosmos. Er vermag zwar die überall wirkende Macht und Kraft seines Gottes zu konstatieren, doch bleibt sie verborgen und so dem Menschen vollends unbegreiflich: Wenn Gott etwas gekrümmt hat, ist es nicht zu ändern.279 Mehr wird man in die Aussage von 7,13 nicht hineinlegen dürfen. Denn aus Kohelets Hervorhebung göttlicher Autonomie und damit verbunden der Unabänderlichkeit seiner Fügungen läßt sich noch lange nicht der Gedanke des Determinismus ableiten.280 Vollends verkehrt wäre es, wollte man Gottes Tun selbst deterministisch interpretieren und von 1,15 her behaupten, daß er von vorneherein und für immer die Welt gekrümmt und fehlerhaft geschaffen habe.281 Kommen wir nochmals auf das Problem der Selbstzitation zurück, ist festzuhalten, daß mit sprachlichen Bezügen nicht notwendig ein sachlicher Zusammenhang gegeben ist. Vielleicht ist sogar mit dem mit dem umgekehrten Fall zu rechnen, daß 7,13 auf die sprachliche Abwandlung des Spruchzitats in 1,15 eingewirkt hat. Das Krumme in der Welt, das Kohelet in seinen Reflexionen immerzu beschäftigt hat, ist freilich nicht zu leugnen. Gerade die von Kohelet beobachteten paradoxen Phänomene fassen es in den Blick. In diesem Zusammenhang ist nicht wenig interessant, daß im demotischen Weisheitsbuch des Papyrus Insinger (um 300 v. Chr.) die dort geschilderten Paradoxien in der Regel mit dem Hinweis abschließen, daß Gott das Schicksal gewirkt hat:282 Mancher lebt bescheiden, um zu sparen, und wird doch arm. Mancher versteht es nicht (zu sparen), und das Schicksal gibt ihm Reichtum. Geschick und Glück, die kommen - Gott ist es, der sie sendet.

279 Vgl. auch 3,14. 280 Zur Sache vgl. Nötscher, Schicksal, S. 460f; Kroeber, SQAW, S. 56. 281 Vgl. z. B. Siegfried, HK, S. 30; und Lauha, BK, S. 46: "Die verkehrte und verkrüppelte Welt wird so bleiben, wie sie ist." 282 Paplns 7,13-19 (zit. nach Brunner, Altägyptische Weisheit, Nr. 17, Ζ 145ff, S. 310). Vgl. weiter Paplns 9,16-20; 13,20-14,2; 19,1-5; 20,12-17 u. ö. Zur Sache vgl. bes. M. Lichtheim, Observations on Papyrus Insinger, in: Studien zu altägyptischen Lebenslehren, hg. von E. Hornung und O. Keel, OBO 28, Freiburg, Schweiz/ Göttingen 1979, S. 297-300 und 301-303. Vgl. schließlich die Lehre des Anch-Scheschonki 26,2-5 (Brunner, Altägyptische Weisheit, Nr. 15, Z. 442ff, S. 290).

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Daher legt sich der Schluß nahe und wird durch 7,14 bestätigt, daß mit dem Gekrümmten offenbar das schlimme Geschick gemeint ist, das den Menschen zur Unglückszeit trifft und er nicht abwenden kann. Für das Verständnis von V. 14a ist bedeutsam, daß sich hier gleich zwei zentrale Gedanken der Theologie Kohelets ankündigen: Das carpe diem und die Lehre von den schicksalhaft fallenden Zeiten. Denkbar knapp gehalten ist der Aufruf zum Lebensgenuß,283 der sich der Zeitthematik ein- und unterordnet. Dabei erlaubt uns die vorzügliche Sachparallele in Sir 14,14,284 den Vers als eine Aufforderung Kohelets zu interpretieren, daß der Mensch den Glückstag keinesfalls ungenutzt verstreichen lassen soll. Denn ohne des Menschen Aufmerken, Tun und Planen gibt es auch dieses vergängliche Glück nicht.285 Dies zu betonen, ist insofern erforderlich, als Kohelet hier kein resignatives und willenloses Sich-Fügen in das Tun Gottes lehrt, sondern fur eine aktive Partizipation am Leben eintritt, wie auch immer es durch Gott bestimmt sei.286 Im folgenden stellt Kohelet Glücks- und Unglückstag gegenüber. Obwohl er hier nicht den qualitativen Zeitbegriff TlV gebraucht, verweist die scharfe Antithetik beider Zeitbestimmungen auf das Lehrstück in 3,1-8(9) zurück.287 In ihm spiegelt sich die traditionelle Vorstellung wieder, daß Gott günstige und ungünstige Zeiten festsetzt, die Tun und Planen des Menschen bestimmen und über seinen Erfolg entscheiden. Während aber die ältere Weisheit der Überzeugung war, daß der Weise den rechten Zeitpunkt erkennen und dadurch praktischen Nutzen fur seine Angelegenheiten ziehen kann, tritt das Lehrstück

283 Zur Wendung XIOl ΓΡΠ vgl. ähnlich in 2,1; 3,13; 5,17; ferner Ps 25,13; Hi 21,13 (Delitzsch, BC, S. 317). 284 Versage dir nicht das Glück des (heutigen) Tages / und am dir bestimmten Teil der Lust geh'nicht vorbei! Zur Textrekonstruktion vgl. H. P. Rüger, Text und Textform im hebräischen Sirach, BZAW 112, Berlin 1970, S. 19f. 285 Vgl. Kaiser, Determination, S. 259. 286 Vgl. noch 7,18; 9,7-10; 11,1-6; 11,7f; und Johnston, Confessions, S. 21; R. Bartelmus, Haben oder Sein - Anmerkungen zur Anthropologie des Buches Kohelet, BN 53 (1990), S. 62f. Zur Stelle vgl. auch von Rad, Weisheit, S. 298; Osborn, Guide, S. 193. 287 Vgl. dazu K. Galling, Das Rätsel der Zeit im Urteil Kohelets (Koh 3,1-15), ZTHK 58 (1961), S. 14: "Die Antithesen, bei denen man moralische Wertungen (...) außer Betracht lassen muß, wollen u. E. dies herausstellen: eines ist immer nur (im Moment) möglich, entweder das eine oder das andere."

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bei Kohelet in einen neuen Verstehenshorizont.288 Erstens fuhrt der seiner Weltsicht eigene Universalismus289 zu einer Ausweitung der Vorstellung. Alle Lebensbereiche sind gleichermaßen von der Determination der Zeiten bestimmt. In solchen Dimensionen begreift Kohelet das menschliche Treiben insgesamt den göttlichen Setzungen der Zeiten und damit grundsätzlich ihrem schicksalhaften Wandel unterworfen. Man muß sich in diese Vorstellung hineinversetzen, um den ungeheuren Machtzuwachs des Schicksalsgedankens zu begreifen.290 Hier und nicht in einer Entfernung Kohelets vom Glauben seiner Väter liegen die Wurzeln seines Gottesbildes. Denn die benutzten SchicksalsbegrifFe J1V, V ^ , m p ö und im positiven Sinne pt>Π besitzen ihr ideelles Subjekt in Gott, wodurch Kohelet den Schicksalsgedanken in die Vorstellung von der absoluten majestas Gottes zurückstellt. Zweitens kommt hinzu, daß fur Kohelet das Wirken Gottes letztlich unerklärlich bleibt und so der Mensch auch keinerlei Einsicht in die Schicksalszuweisung mittels der determinierten Zeiten zu erlangen vermag.291 Was auch immer der Mensch zu tun im Begriff ist, so kann er sich nie sicher sein, ob er die rechte Zeit getroffen hat. Das Lehrstück bietet zweifellos deterministische Vorstellungen. Doch hat Kohelet an keiner einzigen Stelle behauptet, daß Gott nicht nur die Zeiten bestimmt, sondern schon vorlängst die Geschicke des Menschen individuell determiniert hat:292 Der Gedanke der Prädestination ist ihm so fremd wie

288 Vgl. bes. von Rad, Weisheit, S. 337-339; S. de Vries, Observations on Quantitative and Qualitative Time in Wisdom and Apocalyptic, in: Israelite Wisdom (FS S. Terrien), New York 1978, S. 270-272; Kaiser, Determination, S. 255-258; und noch immer Galling, Rätsel, S. 1-15. 289 Vgl. Blieffert, Weltanschauung, S. 90f; Hengel, Judentum und Hellenismus, S. 216f. Vgl. auch Kohelets Vorliebe für das Wort t o ( i l ) , das im ganzen Buch 90 Belege zählt; dazu Loewenclau, Kohelet, S. 334 mit Anm. 25; und bes. Y. Amir, Doch ein griechischer Einfluß auf das Buch Kohelet?, in: Studien zum Antiken Judentum, BEATAJ 2, Frankfurt a. M./ Bern/ New York 1985, S. 36-40. 290 Vgl. hierzu Hengel, Judentum und Hellenismus, S. 230, der es als wahrscheinlich betrachtet, daß Kohelet auch mit griechischem und ägyptischem Schicksalsglauben in Berührung kam. Nach Jerusalem dürfte dieser durch ptolemäische Beamte, Kaufleute und Soldaten vermittelt worden sein. Zum ägyptischen Schicksalsglauben vgl. S. Morenz, Untersuchungen zur Rolle des Schicksals in der ägyptischen Religion, ASAW.PH 52/1, Berlin 1960, S. 7-36. 291 Vgl. 3,11; 7,14; 8,6-8; 9,1 lf; 10,14b; 11,5f. 292 Zur Disskussion stehen 6,10 und 9,7. Vgl. dazu einerseits unsere Zuweisung von 6,10 zur Redaktion des zweiten Epilogisten, andererseits unsere Auslegung von 9,7 unten S. 141f. Vgl. dagegen fur Qumran ζ. Β. 1 QS III, 15f; 1 QH I,19f; XV,15; CD II,7f.

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später Ben Sira.293 Drittens setzt das Lehrstück voraus, daß Gott durch die determinierten Zeiten und ihren Wandel wirkt, der Mensch aber sein Walten nicht ändern und nicht einmal beeinflussen kann. Wenn aber der Mensch hilflos den fallenden Zeiten unterworfen und stets davon abhängig ist, ob sein intentionales Handeln und die von Gott qualifiziert determinierte Zeit zusammenstimmen,294 ist eine gewisse Distanz zwischen Gott und Mensch nicht zu leugnen. Kommen wir noch einmal auf 7,14 zurück, können wir jetzt den Rat Kohelets besser verstehen, wie sich der Mensch zur Unglückszeit verhalten soll. Da nämlich der Mensch sein Unglück nicht ungeschehen machen kann, soll er sich nicht vergeblich bemühen und es dadurch nur noch verschlimmern. In der Anleitung zur Vermeidung größeren Schadens wird man zunächst ein Stück Lebensklugheit erkennen können,295 sodann aber nicht übersehen dürfen, daß Kohelet hier die Einsicht der späten Weisheit aufiiimmt, daß Gott Gutes und Böses, Leben und Tod geschaffen hat.296 Zumal in den schlechten Tagen soll man wissen, daß Gott nicht nur die Unglückszeit, sondern ebenso die Glückszeit bestimmt. Offenbar will Kohelet den Menschen nicht in Resignation stürzen, sondern andeuten, daß die Zeiten in ihrem Wandel Gottes Macht unterworfen sind297 und daher auch das Unglück nicht über seine festgesetzte Zeit fortdauert.298 Die positive Seite des Rats wird man also nicht ganz unterschlagen dürfen, auch wenn Gottes verborgene Schicksalslenkung vom Menschen aus betrachtet durchaus bedrohliche Züge annimmt.299 Schließlich und am wichtigsten ist dies, daß Kohelet in V. 14 die der Allmacht Gottes gegen-

293 Vgl. dazu demnächst Ursula Wiecke-Reuter, Determination und Freiheit bei Ben Sira und in der älteren Stoa (BZAW). 294 Vgl. Kaiser, Determination, S. 257, und ders., Von der Gerechtigkeit Gottes nach dem Alten Testament, in: Der Mensch unter dem Schicksal, BZAW 161, Berlin/ New York 1985, S. 177. 295 Zu diesem Aspekt vgl. Nötscher, Schicksal, S. 460f. 296 Vgl. bes. Hi 1,12; 2,10; Sir 11,14; ferner Am 3,5f; Thren 3,28f; Sir 16,llf; 16,16 (zum Text vgl. Skehan / Di Leila, Ben Sira, AncB, S. 270). 297 Vgl. Sir 18,25f. 298 Vgl. ebenso Scott, AncB, S. 235; ferner die in Ps 90,15 ausgesprochene Hoffnung des Beters. 299 Vgl. zutreffend O. Kaiser, Der Gott des Alten Testament, Teil 1: Grundlegung, Göttingen 1993, S. 282: "Denn seine Anweisung [Kohelets, Vf.] zum Verhalten im Unglück ist nicht so weit von der des Hiobbuches entfernt, wenn die Luft um ihn herum auch dünner und kühler geworden ..." Negativer gewichten Zimmerli, ATD, S. 204; Lauha, BK, S. 130.

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über einzig angemessene Haltung beschreibt. Sie ergibt sich theologisch konsequent aus seiner Vorstellung der schicksalhaft fallenden Zeiten. Weiß der Mensch um die sein Schicksal vollends beherrschenden und von Gott gewirkten Zeiten, vermag diese aber weder zu ändern noch überhaupt zu ergründen, so kann er in seinem Verhalten Gott nur entsprechen, indem er sich dessen Willen fugt und sein Geschick annimmt. Konfrontiert mit der ungeheuren göttlichen Macht, welche die Welt durch das Spiel der fallenden Zeiten durchwaltet,300 erkennt Kohelet, daß der Mensch dem Gott nicht anders als in Demut vor seiner majestas gegenübertreten kann. So bleibt Kohelet trotz seines determinierten Zeitverständnisses dem alttestamentlichen Gottesglauben verbunden.301 Demgemäß läßt sich die in V. 14 geforderte Haltung mit der Gottesfurcht identifizieren, wie sie in 3,14; 5,6; vgl. 7,18; gefordert ist.302 Was die Deutung des Schlußsatzes in 7,14bß betrifft, ist weniger sein Inhalt als seine logische Anknüpfung fraglich. Die Probleme sind nicht zuletzt sprachlicher Natur, wir wollen sie anhand der Bedeutung von ΤΠΓ1Ν und der Konjunktion Vi) D11Tt>V diskutieren. Der Vers gehört zu den typischen Aussagen Kohelets, die ein (Vorher-)Wissen über die Zukunft leugnen.303 Der Mensch kann weder Ablauf noch Erfolg seines Tuns vorausberechnen, ja selbst die Stunde seines Todes ist ganz und gar seiner Kenntnis entzogen; vgl. 9,1 lf. Fraglich ist in V. 14bß, ob sich das Nichtwissen auf die nächste Zukunft oder auf die Zeit nach des Menschen Tod bezieht.304 Denn einerseits kann 300 Wir plädieren daher mit Isaksson, Studies, S. 89, fur ein präsentisches Verständnis von n\yy in 7,14. Vgl. jetzt auch Schoors, Preacher, S. 175. 301 Vgl. dazu W. Zimmerli, Grundriß der alttestamentlichen Theologie, ThW 3, 4. Aufl. Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1982, S. 141. 302 Auf den Zusammenhang zwischen 7,14 und der Furcht Gottes verweisen immerhin Zimmerli, ATD, S. 204; Lohfink, NEB, S. 33, 54; Backhaus, "Zeit und Zufall", S. 363. Vgl. weiter Gese, Krisis, S. 178f; gegen dessen zu positives Verständnis sich die verhaltene Kritik von Hengel, Judentum und Hellenismus, S. 223 Anm. 102, richtet. Vgl. schließlich den Beleg der Gottesfurcht in den ebenfalls im 3. Jh. v. Chr. entstandenen Elihureden in Hi 37,23f. 303 Vgl. 3,22; 6,12; 8,7; 9,12; 10,14; 11,2; 11,6. 304 Eine weitere Deutung stützt sich auf den Vorschlag von Burkitt, Ecclesiastes, S. 24, und in seiner Folge auf Driver, Problems, S. 230; Whitley, Koheleth, S. 66; Murphy, Translating, S. 573f. Demnach soll sich das Suffix in ΤΠΙΊΝ auf Gott beziehen und nach einem syrischen Idiom entsprechend zu übersetzen sein: Kein Mensch kann irgendetwasfinden,was er zum Vorwurf gegen Gott machen könnte. Jedoch äußerte bereits Burkitt Zweifel, ob eine solche Wendung hebräisch ist. (Gemäß seiner Hypothese eines aramäischen Orginals vermutet er eine verunglückte Übertragung durch den Übersetzer). Wir weisen seinen Vorschlag mit Lauha, BK, S. 129, zurück. Zum

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ΤΗΓΙΝ als Präposition verstanden werden, dessen Suffix 3 sg. m. sich auf 0*ΤΝΠ zurückbezieht und demzufolge nach ihm bzw. nach seinem Tod bedeutet; vgl. 2,18. 305 Andererseits kommt in Betracht, ΊΉΙΊΝ als ein Adverb mit erstarrter Endung zu deuten, das etwas Zukünftiges ganz allgemein bezeichnet. 306 Stellt man neben 7,14 die übrigen Belege, 307 ist zu erkennen, daß Ï>*TIN()D) in 3,22; 6,12; 10,14 und ebenfalls im Kontext der Unerkennbarkeit des Zukünftigen als adverbiale Näherbestimmung zu der Wendung ΠΧ3 ΓΡΓΡ(\ΰ) hinzutritt, die bei Koh der typischen Umschreibung unbestimmter Zukunft dient.308 Vergleicht man dazu die entsprechende Formulierung in 8,7, in der Kohelet diese Formel ohne ihre Näherbestimmung durch ΊΉΓΙΝ verwendet, ergibt sich, daß das Adverb an keiner der angegebenen Stellen notwendig eine hinter dem Tod liegende Zukunft bezeichnet. Mithin ist die Deutung von ΊΉΓΙΝ jeweils auf den Kontext verwiesen. Berücksichtigt man in 7,14 den Zusammenhang mit dem Lehrstück der determinierten Zeiten, ergibt der Bezug auf die Zeit nach dem Tod aber schlechthin keinen Sinn. Denn der springende Punkt bei den schicksalhaft fallenden Zeiten ist ja gerade, daß durch ihren Wandel die nächste Zukunft verborgen bleibt und dadurch der Mensch in seinem Handeln stets verunsichert wird. Ebenfalls ist durch das

Problem vgl. aber auch Schoors, Preacher, S. 118f. 305 Vgl. ζ. B. Galling, HAT, S. 106; Ogden, Readings, S. 112; Schwienhorst-Schönberger, "Nicht im Menschen", S. 167. 306 Vgl. Gordis, Koheleth, S. 238; zur Erstarrung der Suffixbedeutung auch GK § 135r; ferner Levy, Qoheleth, S. 117 mit Verweis auf Jer 51,46 darnach. Nicht wenig interessant ist der Vergleich mit dem Abstraktnomen ΙΓΗΠΝ, das in seiner Grundbedeutung ebenso ein einfaches zeitliches Danach ausdrückt, während es sich bei Ende, Ausgang bereits um eine abgeleitete Bedeutung handelt; vgl. H. Seebaß, Art. ΤΤΗΓΙΝ, ThWAT I, Sp. 224 (gegen HAL 35b); ferner V. Hamp, Zukunft und Jenseits im Buche Sirach, in: Alttestamentliche Studien (FS F. Nötscher), BBB 1, Bonn 1950, S. 87 (wiederabgedr. in: Weisheit und Gottesfurcht, hg. von G. Schmuttermayr, St. Otilien 1990, S. 252). In adverbialer Verwendung mit Suffix bezeichnet es ein unbestimmtes Nachher und ist am besten mit zuletzt, schließlich wiederzugeben; vgl. Dtn 8,16; Prov 5,4.11; 23,32; 29,21. 307 Mit Suffix 3. sg. m. vgl. 3,22; 6,12; 7,14; 9,3; 10,14. Zu der Stelle 9,3 sei vermerkt, daß hier VTIN unbestritten als Adverb fungiert und sein Suffix entweder als erstarrte Endung oder neutrisch verstanden wird; vgl. einerseits Gordis, Koheleth, S. 301; andererseits Lauha, BK, S. 164. 308 Vgl. 6,12; 8,7; 10,14; 11,2. Zur grammatischen Konstruktion vgl. Brockelmann, Syntax, § 155a. Instruktiv ist ferner der Vergleich mit der entsprechenden aramäischen Wendung in Dan 2,29.45, zu der Π31 η η κ in der Bedeutung nach dem Heute, in naher Zukunft erläuternd hinzutritt.

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carpe drem-Thema der Bezug auf die nächste Zukunft gefordert. Denn Kohelets Rat, das Heute nicht zu versäumen, erhält darin seine stärkste Motivation, daß der Mensch das Morgen eben nicht wissen kann.109 Hingegen besitzt die hinter dem Tod liegende Zeit für das menschliche Streben nach Glück keinerlei Relevanz. Damit sind wir bereits bei der Frage des logischen Anschlusses von V. 14bß angelangt, der durch die seltene Konjunktion V) TTQT^y hergestellt wird. Sie gehört in eine Reihe von komplexen Konjunktionen, wie sie für Kohelet typisch sind und eine späte Entwicklung des biblischen Hebräisch wiederspiegeln.310 Obwohl kein Aramaismus vorliegt, rechnet man ausweislich Dan 2,30; 4,14; vgl. TgHi 40,8; mit aramäischer Beeinflussung311 und gibt ihr finalen Sinn.312 In dieser Deutung würde Kohelet in V. 14bß den göttlichen Zweck enthüllen, demzufolge der himmlische Herrscher den Wechsel der qualifizierten Zeiten so eingerichtet habe, daß kein Mensch etwas von der Zukunft begreifen könne. Sofort stellt sich die Frage, ob Kohelet etwa Gott für die Unwissenheit des Menschen verantwortlich machen wollte. Denn aus den einschlägigen Stellen erfahren wir nur, daß das Erkenntisbemühen vom Menschen her scheitert, der die Zusammenhänge der Welt nicht durchschaut und daher Gottes Walten in ihr nicht zu verifizieren vermag.313 Wenn sich Kohelet also gegen den verfehlten Anspruch der Weisheit wendet, als könne sie Einblick in die göttliche Lenkung der Geschicke gewinnen, ist dadurch keineswegs bewiesen, daß er das intellektuelle Unvermögen des Menschen in Gottes Willen verankert hat.314 Vielmehr ist anzunehmen, daß er sich auch hier jedweder Spekulation über die verborgene Weisheit Gottes enthielt. Das finale Verständnis der Konjunktion ist jedoch nicht das einzig mögliche. Leitet man sie von der hebräischen Sprache her, findet ihre kausale

309 Vgl. auch Fox, S. 199 mit Referat von E. Podechard, L'Ecclésiaste, EtB, Paris 1912, S. 317-319; ferner Osborn, Guide, S. 193. 310 Zur Diskussion vgl. grundlegend Schoors, Preacher, S. 144-149. 311 Vgl. Whitley, Koheleth, S. 66; dazu Ginsberg, Studies, S. 28; Gordis, Koheleth, S. 275. Vgl. ferner G. Bergsträßer, Das hebräische Präfix VI), ZAW 29 (1909), S. 50f. 312 Vgl. Gesenius 155b; Delsman, Sprache, S. 364. Dagegen präferiert HAL 204a ein konsekutives Verständnis. 313 Vgl. z. B. 1,8; 3,11; 8,7; 11,5f. Zum Erkenntnisproblem Kohelets vgl. vorläufig Schubert, Schöpfiingstheologie, S. 107-116. 314 Vgl. Osbom, Guide, S. 193.

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Deutung in der Präposition m i T ^ y wegen315 eine Stütze. Dazu besitzt das Hebräische mit I l T ^ V in der Bedeutung darum weil316 eine vergleichbare Wendung. Als Begründungssatz verstanden ergibt V. 14bß freilich guten Sinn, sofern er auf Kohelets in V. 14a gegebenen Rat bezogen wird.317 Und dies ist in der Tat wahrscheinlich, weil der Hinweis auf die Unerkennbarkeit der nächsten Zukunft die stärkste Motivation für das carpe diem ist.318 Dabei ist nicht wenig interessant, daß Bo Isaksson die Konjunktion V) m i T t ? y in die Nähe der gesprochenen Sprache rückt.319 Sonach hätte Kohelet im Stile mündlichen Vortrags seine Begründung des carpe diem mittels der Konjunktion nachgetragen und dadurch seine Aufforderung unterstrichen, angesichts der wechselhaften Zeiten unverzüglich das sich bietende Glück zu ergreifen und nicht ungenutzt verstreichen zu lassen. Fassen wir unsere Ausführungen zusammen, sehen wir die theologische Leistung Kohelets darin, daß er den Gedanken der festgesetzten Zeiten und seinen Rat des carpe diem zu einer spannungsvollen Einheit verbunden hat. Danach ist der Mensch durchaus nicht als Spielball der Willkür Gottes ausgesetzt und hat sich resignativ und gleichsam besinnungslos in das Unvermeidliche zu fugen. Wenn auch der Vorrang des göttlichen Handelns vor dem menschlichen Tun bei Kohelet gewahrt bleibt, ist der Mensch doch insofern in die verantwortliche Freiheit entlassen, als er sein Glück zur gegebenen Zeit versäumen und sein Unglück zur gegebenen Zeit heraufbeschwören kann. Um so eindringlicher kann Kohelet daher fordern, daß man in weiser Einsicht sein Glück voll ergreife. Zur schlechten Zeit aber soll man Gottes Walten anerkennen und bedenken, daß Gutes wie Böses aus Gottes Hand kommt.320 Die praktischen Konsequenzen Kohelets sind also weder fatalistisch noch pessimistisch, sondern Aufforderung zum carpe diem und zur Furcht Gottes.

315 Vgl. Gesenius 155b; HAL 204a; G. Gerleman, Art. 131, THAT I, Sp.438. Vgl. dagegen in der Bedeutung betreffs Koh 3,18; 8,2; Ps 110,4. 316 Dtn 22,24(2mal); II Sam 13,22; I Chr 13,10; vgl. dagegen Dtn 23,5. 317 Vgl. Hertzberg, ΚΑΤ, S. 152; Lauha, BK, S. 129; dazu Schoors, Preacher, S. 147. 318 Vgl. oben S. 113. 319 Vgl. Isaksson, Studies, S. 195. 320 Vgl. Bickerman, Books, S. 153: "Ecclesiastes could have been written only by a devout Jew who had discovered that there was no Providence, and that he was alone in a world foreign to him."

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3. Ein Geschick trifft sie alle (9,1-12) 3.1. Übersetzung (l)m

Ich nahm mir vor, all dies zu erforschen:*11

"Die Gerechten und die Weisen und ihre Taten stehen in Gottes Hand. " - Sei's Liebe, sei's Haß, der Mensch erkennt es nicht. - Alles, was hinter ihnen liegt,323 (2) ist Windhauch}1* Denn sie alle trifft ein Geschick: den Gerechten und den Frevlet*1*/ den Reinen und den Unreinen/ den, der opfert, und den, der nicht opfert,/ wie den Guten, so (trifft es) den Sünder,/ wie316 den, der schwört, so den, der das Schwören

meidet./

(3) Dies ist schlimm bei allem, was unter der Sonne geschieht: Denn ein

321 Zum ursprünglichen Einsatz der Reflexion vgl. oben S. 15, wo wir nrtJD'JlN Ό als redaktionelle Anknüpfung beurteilt haben. Im Zuge der Redaktion ist vermutlich das Waw vor Tilt» eingefugt worden, das hier kaum ursprünglich sein kann; vgl. dazu auch A. Schoors, Koheleth. A Perspective of Life after Death?, EThL 61 (1985), S. 296 Anm. 5. 322 Statt des schwierigen ist vielleicht ein "HTÛ anzusetzen; vgl. 1,13; 7,25 (vgl. BHS z. St.); ferner 2,3. Manche Ausleger möchten nach LXX und Syr, Syh PirtOTlN ΠΝΊ als ursprünglichen Text rekonstruieren; vgl. Whitley, Koheleth, S. 78; Michel, Eigenart, S. 166f. Jedoch bietet MT die lectio difftcilior. Die Variante der LXX erklärt sich entweder durch eine korrupte Vorlage oder als Verbesserung des schwer verständlichen hebräischen Texts; vgl. bereits Delitzsch, BC, S. 346; weiter Gordis, Koheleth, S. 299; Crenshaw, OTL, S. 159; Schoors, Preacher, S. 27f. 323 Wörtlich: vor ihnen. Da sich die Aussage aber nach hebräischer Zeitauffassung auf die Vergangenheit beziehen muß, ist die obige Übersetzung sachlich geboten. Zur Diskussion des Problems vgl. unten S. 123f. 324 Nach LXX gehört das erste Wort von V. 2 noch zu V. 1 und ist in MT von t o n zu t o n verschrieben; vgl. BHS z. St. und unten S. 123 Anm. 372. Zur Verwechslung von 2 und 3 vgl. Friedrich Delitzsch, Die Lese- und Schreibfehler im Alten Testament, Berlin/ Leipzig 1920, S. 110; Ε. Τον, Textual Criticism of the Hebrew Bible, Minneapolis/ Assen, Maastricht 1992, S. 248. Neben LXX wird die Lesart von σ' und Syr bezeugt und durch den folgenden Neueinsatz mit der Konjunktion "iVJiO bestätigt, die hier kausale Bedeutung trägt; vgl. Schoors, Preacher, S. 144f. Eine Textänderung in Ί\ϋΝ2 ist unnötig; vgl. HAL 434a. 325 Streiche mit BHS das folgende TIVÙ. Zur Doppelschreibung vgl. Zimmerli, ATD, S. 218 Anm. 3. 326 Vgl. BHS z. St.

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Ein Geschick trifft sie alle (9,1-12)

Geschick trifft sie alle!

ALLERDINGS IST DAS H E R Z DER MENSCHEN VOLL BOSHEIT UND

TORHEITEN WOHNEN IN IHREN HERZEN, SOLANGE SIE LEBEN, UND DANACH (GEHT'S) ZU DEN TOTEN.327

(4) Fürwahr*1*: Wer auch immer zum Kreis der Lebenden gehört319, hat Hoffnung. Denn: "Selbst330 ein lebender Hund ist besser dran als ein toter Löwe. " (5) Denn die Lebenden wissen, daß sie sterben müssen, aber die Toten wissen gar nichts. Noch nicht einmal einen Lohn behalten sie, weil ihr Andenken vergessen ist. (6) Sowohl ihr Lieben als auch ihr Hassen als auch ihr Eifern, bereits ist es331 entschwunden, undfür immer besitzen sie keinen Anteil an allem, was unter der Sonne geschieht. (7) Auf iß dein Brot mit Freuden/ und trink' fröhlich deinen Wein!/ - denn Gott hat an deinem Tun bereits Gefallen gefunden. (8) Allzeit seien deine Kleider weiß/ und an Öl soll's deinem Haupt nicht mangeln!/ (9) Genieße das Leben mit einer Frau, die du lieb hast!/ - alle Tage deines flüchtigen Leben, die Gott dir unter der Sonne schenkt.331 Denn dies ist dein Anteil am Leben undfür deine Mühe, mit der du dich

327 Der Halbvers ist ein späterer und von 8,11b her angeregter Zusatz des zweiten Epilogisten; zur Begründung vgl. unten S. 127. Zutreffend vermerkt Schoors, Perspective, S. 298, daß V. 3bß entgegen der üblichen Abgrenzung noch zur Glosse hinzuzurechnen ist und den nötigen Anschluß zum Folgenden wiederherstellt. Die hier zeitlich motivierte Gegenüberstellung von Lebenden und Toten vervollständigt den Satz und greift zugleich der Argumentation voraus. 328 Zur emphatischen Deutung des O vgl. Gordis, Koheleth, S. 304; Michel, Eigenart, S. 204; Schoors, Preacher, S. 108. 329 Lies mit Qere ~Qrv>; vgl. die Versionen LXX, σ', Syr, Tg, dazu Schoors, Preacher, S. 36f mit Anm. 96. Das Ketib erklärt sich durch Buchstabenvertauschung; vgl. auch 1,4; 3,11; 8,10. 330 Hier dürfte ein Lamedemphaticum vorliegen; vgl. GK 143a; Brockelmann, Syntax, § 31a; Meyer, Grammatik III, § 92,4c; ferner den Hinweis von Whitley, Koheleth, S. 80, daß dem Lamed emphaticum der Artikel in der zweiten Hälfte des 7oi-Spruchs korrespondiert. 331 Zum Singular vgl. Delsman, Inkongruenz, S. 33. Gemeint ist, daß das Andenken an das frühere Lieben, Hassen und Eifern der Toten nunmehr ausgelöscht ist; vgl. Ps 9,7; Hi 18,17 (hier des Frevlers). 332 Die folgenden Wörter alle deine flüchtigen Tage sind als Doppelung zu streichen; vgl. BHS z. St. und Budde, HSAT(K), S. 438. Gegen Gordis, Koheleth, S. 306; Fox, Contradictions, S. 259; Schwienhorst-Schönberger, "Nicht im Menschen", S. 201 mit Anm. 22, vermögen wir der Wiederholung keine poetische Wirkung abzugewinnen.

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Kapitel II. Kompositionsanalysen unter der Sonne mühst. (10) Alles, was dir zu tun unter die Hand kommt, das tu' mit deiner ganzen Kraft!333 Denn es gibt weder Tun noch Planen, weder Wissen noch Weisheit in der Unterwelt, zu der du unterwegs bist. (11) Da wandte ich mich um und beobachtete unter der Sonne334: Die Schnellsteri33S (erlangen) nicht immer den Siegeslauf/ und die Tapfersten nicht immer den

Kriegserfolg!/

Aber auch die Weisen (erlangen) nicht immer das Brot/ Und auch die Klugen nicht immer das Geld/ Und auch die Besonnenen nicht immer die Gunst! - Denn Zeit und ZufalP36 trifft sie alle! (12) Fürwahr: Sogar der Mensch kennt nicht einmal seine Zeit: Wie Fische ins Wurfiietz337 gegangen und wie Vögel im Klappnetz gefangen,

genauso

33

wie sie werden die Menschen zur schlimmen Zeit geschnappt, * wenn339 diese plötzlich über sie kommt.

3.2. Aufbau und Argumentation Wie schwer sich die Forschung mit der Frage der Abgrenzung und Einheit des Abschnitts tut, erweist ein Blick in die Kommentare. Bis zu der These, daß in

333 Möglich ist auch, den Halbvers nach V. 7a.8.9aa als Bikolon zu betrachten und mit den masoretischen Akzenten zu übersetzen: Was auch immer deine Hand findet,/ vermagst du es mit deiner ganzen Kraft zu tun, dann tu's! 334 Der Inf. abs. ersetzt das finite Verb; vgl. 4,2; 8,9 und GK § 113z; Brockelmann, Syntax, § 46c; A. Rubinstein, A Finite Verb Continued by an Infinitive Absolute in Biblical Hebrew, VT 2 (1952), S. 363f. 335 Zur superlativischen Übersetzung vgl. Ellermeier, Qoheleth, S. 245. Da man sich einen Wettstreit nur fur den Läufer und den Kämpfer vorstellen kann, belassen wir es in den folgenden drei Beispielen beim Positiv. 336 Der Ausdruck yi£n Πy ist sachlich als Hendiadyoin zu interpretieren. Denn tritt nicht als ein zweiter Schicksalsbegriffs hinzu, sondern fungiert als Apposition. Vgl. Galling, Kohelet-Studien, S. 289 (ebenso HAT, 1. Aufl., S. 82); Fox, Contradictions, S. 260; Whybray, NCeB, S. 146. Ablehnend Schoors, Preacher, S. 217. 337 Streiche mit BHK ny"l. Das Wort ist aus V. 12b eingedrungen und ein unnötiger Zusatz, dessen das Bild des Netzes nicht bedarf. Vgl. Siegfried, HK, S. 68; Galling, HAT, S. 114; Lauha, BK, S. 172. 338 Pu. Part. vgl. GK § 52s; Whitley, Koheleth, S. 81. 339 Vgl. Brockelmann, Syntax, § 163b.

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9,7 der Beginn eines ethischen Buchschlusses vorliege,3,10 sind alle möglichen Lösungen vertreten worden.141 Wir wollen die Abgrenzungsproblematik nicht im einzelnen diskutieren. Zu den Versuchen, den ursprünglichen Einsatz des Textes in 8,16f zu finden, ist unsere redaktionsgeschichtliche Untersuchung zu vergleichen, in der wir 8,16f als ein sekundäres Verbindungsstück bestimmt haben.342 Weiter beurteilten wir 9,13-10,14 als einen in den Zusammenhang eingeschobenen Schultext, der mit der Beispielerzählung in 9,13-16 eine Reihe von Spruchgruppen eröflhet und das Thema der Schwäche der Weisheit behandelt. Dementsprechend sind die Grenzen des Abschnitts mit 9,1-12 redaktionsgeschichtlich bestimmt und es stellt sich die Frage nach seiner Einheitlichkeit. Formal setzt sich der Text aus den Reflexionen 9,1-6 und 9,1 lf zusammen, dazwischen tritt mit 9,7-10 ein eindringlicher Aufruf zur Freude. Daß beide Reflexionen nicht unabhängig voneinander entworfen sind, legt bereits die Einleitungsformel in 9,11 nahe. Wie in 4,1 und 4,7 eröffnet sie keine neue und selbständige Einheit, sondern fuhrt das Thema der vorausgehenden Reflexion unter anderem Blickwinkel fort.343 Die Beziehung zwischen den Reflexionen 9,1-6 und 9,1 lf bestätigt sich durch weitere Beobachtungen. Formal bildet jeweils ein funfgliedriger Reihenspnich den argumentativen Ausgangspunkt beider Reflexionen. Durch Verwendung von Schicksalsbegriffen wie einerseits mpX5 in V. 2f und andererseits (V5Q1) TIV in V. l l f 4 4 ist der thematische Zusammenhang der Schicksalslenkung gegeben und jeweils in universalen Horizont gestellt. Dabei bilden das Nomen mpX3 in V. 2 und das Verb m p in V. 11 eine Inclusio. Darüber hinaus liegt mit den Wendungen •"ΤΝΠ y*TÏ> p N in V. 1 und D"TND yp-Kt? in V. 12 offensichtlich eine weitere sachliche Inclusio vor.345 Schließlich lenkt Kohelet mit der Formulierung schlimme Zeit in V. 12 zurück zu dem in V. 2f ausgeführten und alle Men340 Vgl. die Erwägungen von Lohfink, NEB, S. 68. 341 Zu 8,10-9,3 vgl. Gordis, Koheleth, S. 292-294; zu 8,16-9,6 vgl. Fox, Contradictions, S. 253-258; zu 8,16-9,10 vgl. Galling, HAT, S. 112-114; zu 9,1-9 vgl. Backhaus, "Zeit und Zufall", S. 263-270; zu 9,1-10 vgl. Hertzberg, ΚΑΤ, S. 176-180; Crenshaw, OTL, S. 158-163; Whybray, NCeB, 139-145; zu 9,1-12 vgl. Murphy, WBC, S. 8895; zu 9,1-16 vgl. G. S. Ogden, Qoheleth IX 1-16, VT 32 (1982), S. 158-169. 342 Vgl. oben S. lOf. 343 Zur Funktion der Einleitungsformel in 4,1; 4,7 und 9,11 vgl. Michel, Eigenart, S. 251; ferner Zimmerli, ATD, S. 170. 344 Ein weiterer Schicksalsbegriff begegnet mit p ^ n in V. 6 und 9; vgl. dazu unsere Ausführungen oben S. 75ff. 345 Vgl. Ogden, Qoheleth IX 1-16, S. 165; Murphy, WBC, S. 89.

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sehen unterschiedslos treffenden Todesgeschick, das er in V. 3 ebenfalls als eine schlimme Sache bezeichnet. Im Gegensatz zu dem im vorigen Kapitel besprochenen Schultext 7,1-22 handelt es sich bei 9,1-12 wiederum um einen stärker argumentativen und vorwiegend in Prosa gehaltenen Text.344 Dabei ist von erheblicher Bedeutung, daß der Einleitungssatz in V. l a a nach MT eben keine Beobachtung einfuhrt, sondern die Absicht Kohelets ankündigt, einen im folgenden näher bezeichneten Sachverhalt genau zu prüfen.347 Dazu hat Diethelm Michel in der Auslegung einen neuen Weg beschritten und die Möglichkeit erörtert, daß es sich bei V. 1 aß um ein durch eingeleitetes Zitat einer fremden Meinung handelt und in V. lb die Replik Kohelets folgt.348 Seiner Deutung des Zitats, daß es die Erwartung einer Vergeltung der guten Taten nach dem Tod zum Ausdruck bringe, ist dagegen in der Forschung die Zustimmung versagt worden.349 Denn erstens vermag Michel mit Sap 3,1350 nur eine einzige Parallele anzuführen, die nicht nur terminologisch von Koh 9,1 aß abweicht, sondern auch sachlich einen anderen Kontext voraussetzt.351 Da die Weisheit Salomos wahrscheinlich erst in der Mitte des 1. Jh. v. Chr. und zumal in der griechischen Diaspora in Ägypten entstanden ist,352 bleibt zudem eine erhebliche zeitliche Entfernimg zwischen Kohelet und dem alexandrinischen Lehrer zu überbrücken. Michel hat das Problem gesehen und vermutet, daß Kohelet

346 Vgl. bes. Gordis, Koheleth, S. 302f, der für den Abschnitt 9,4-12 einen formalen Spannungsbogen herausarbeitet. 347 Vgl. Ogden, QohelethlX 1-16, S. 160. 348 Vgl. Michel, Eigenart, S. 166-183, bes. 180f. 349 Zur Kritik vgl. ausfuhrlich Murphy, WBC, S. 94f; ferner A. Lange, Weisheit und Torheit bei Kohelet und in seiner Umwelt, EHS Reihe XXII/433, Frankfurt a. M./ Bern/New York/Paris 1991, S. 183f. 350 Der Gerechten Seelen aber sind in Gottes Hand/ und keine Qual vermag sie zu berühren. 351 Im Gegensatz zu Koh 9,1 aß spricht hier der Verfasser der Weisheitsschrift von den ψυχαί δικαίων und bezieht sich auf die verstorbenen Gerechten. Seine Absicht ist es, ihren Tod den Gottlosen gegenüber als Illusion zu erweisen; vgl. R. J. Taylor, The Eschatological Meaning of Wisdom I-V, EThL 42 (1966), S. 129; D. Georgi, Weisheit Salomos, JSHRZ III/4, Gütersloh 1980, S. 410, Anm. 2a). 352 Vgl. Steuernagel, Lehrbuch, S. 797; N. Walter, Jewish-Greek Literature of the Greek Period, in: The Cambridge History of Judaism II: The Hellenistic Age, Cambridge 1989, S. 394; Preuß, Einfuhrung, S. 147-151; und O. Kaiser, Grundriß der Einleitung in die kanonischen und deuterokanonischen Schriften des Alten Testaments, Bd. 3 : Die poetischen und weisheitlichen Werke, Gütersloh 1994, S. 114-116.

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bereits Vorläufer der in Sap vertretenen Ansichten gekannt habe.353 Seine hypothetische Lösung ist aber durch nichts zu beweisen. Zweitens beruft sich Michel auf Stichwörter wie In-Gottes-Hand-Sein, Hoffnung, Liebe, wissen und Anteil, die auch in Sap 3 begegnen und als typische Zentralbegriffe solcher Art von Auferstehungshoflhung zu verstehen seien.354 Überprüft man die fraglichen Belege, lassen sich jedoch zwischen der Terminologie der Weisheit Salomos und Koh 9,1-10 keine Berührungen sachlicher Art feststellen.355 Darüber hinaus sind die Begriffe zu allgemein, als daß sie die Beweislast zu tragen vermögen. Mithin ist seine Auffassung, daß Kohelet gegen die Erwartung einer offenbar nach der Auferstehung auf dieser Erde erfolgenden Vergeltung polemisiere,356 vorläufig als erledigt zu betrachten. Dagegen ist zu zeigen, daß der Ansatz von Michel, V. laß als Zitat einer fremden Meinung zu bestimmen, eine überzeugende Lösung für die Auslegung der problematischen Textstelle bietet.357 Als ein sprachlicher Hinweis ist bereits das hapax legomenon in V. laß zu werten, da Kohelet anstelle des ausgefallenen Aramaismus ~Tp.y358 ein gewöhnliches HV^VQ verwendet hätte. Desweiteren ist auch der Ausdruck • T l t w n "PI für Kohelet untypisch359 und in seiner Bedeutung umstritten. In der Regel wird er so verstanden, daß sich alle Menschen ausnahmslos in der Gewalt Gottes befinden. Im weisheitlichen Kontext wäre an Sprüche über die Allmacht zu denken, wonach Gott das ganze Tun und Planen der Menschen bestimmt und selbst den Willen des

353 354 355 356

Vgl. Michel, Eigenart, S. 180. Vgl. Michel, Eigenart, S. 181. Den genauen Nachweis liefert Backhaus, "Zeit und Zufall", S. 406-408. Es bleibt anzumerken, daß Michel, Eigenart, S. 181 Anm. 43, die Spannungen zwischen der von ihm vermuteten Auferstehungshoñhung der Gegner Kohelets und der Vorstellung der Weisheit Salomos selbst wahrgenommen hat. Zur Kritik vgl. Backhaus, "Zeit und Zufall", S. 409f. 357 In diesem Sinne vgl. bereits Levy, Qoheleth, S. 116f: "Die Ansicht, daß die Frommen sich Gottes besonderer Huld erfreuen, in seiner schützenden Hand sind (vgl. besonders Ps 31,16), hat Qoh beschäftigt, er hat über die Frage nachgedacht und ist zu einem klaren Urteil gekommen." 358 Vgl. M. Wagner, Die lexikalischen und grammatischen Aramaismen im alttestamentlichen Hebräisch, BZAW 96, New York/ Berlin 1966, S. 90, Nr. 208; Delsman, Sprache, S. 346. 359 2,24 ist hier nicht zu vergleichen, da Τ lediglich der Verstärkung von dient. Die Verbindung "Pö ist zur Präposition verblaßt und verweist nachdrücklich auf Gott als den Geber der Freude; vgl. 2,24 mit 3,13; 5,18.

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Königs leitet.360 Demgegenüber muß sofort auffallen, daß V. laß nur von den Gerechten und Weisen spricht und ausdrücklich ihre Werke erwähnt. Offensichtlich will der Halbvers den Gerechten und Weisen aufgrund ihres Tuns eine gewisse Sonderstellung bei Gott zusprechen. Sofern hier prädestinatianische Gedanken anklingen, kann V. laß aber unmöglich von Kohelet stammen. Dagegen lassen sich verschiedene Texte aus Qumran beibringen, die der Überzeugung der Gemeindeglieder Ausdruck geben, daß Gott ihre Wege festgesetzt hat und die Vollkommenheit ihres Wandels ganz in seiner Hand liegt.361 Daher rechnen wir mit der Möglichkeit, daß Kohelet mit V. laß die Meinung einer frommen Gruppierung seiner Zeit aufgreift, die sich als prädestiniert betrachtet: Gott lenkt die Geschicke der Gerechten, so daß sie seinem Willen durch ihre Taten entsprechen. Obwohl die einschlägigen Qumrantexte erst ein Jahrhundert später entstanden sind, so daß unsere Auslegung ebenfalls auf Rückschlüssen gründet, lassen sich die Vorläufer der Essener historisch in der Bewegung der Chasidim greifen.362 Als Kennzeichen dieser Frommen darf ihre rigorose Gesetzesstrenge betrachtet werden. Ob und inwiefern die Chasidim den Wurzelboden essenischer Theologie bereitet haben, kann hier nicht erörtert werden. Wenn wir trotzdem weitere Texte aus Qumran zur Stützung unserer Interpretation heranziehen, tun wir es mit der gebotenen Vorsicht. In unserem Zusammenhang ist interessant, daß die Qumranessener nicht nur die Prädestination vertreten, sondern ebenso an der Willensfreiheit des Einzelnen festgehalten haben.363 Dabei richtet sich ihr Wählen ganz nach Gottes Wohlgefallen, das in Qumran einen doppelten Aspekt besitzt:364 Einerseits bezeichnet der göttliche "piD seinen unergründlichen Willen, dessen Forderungen die Mitglieder der Gemeinde zu entsprechen haben, und andererseits sein

360 So bereits A. Knobel, Commentar über das Buch Koheleth, Leipzig 1836, S. 288. Vgl. Prov 21,1; und weiter 16,3.9; 19,21; 21,31; Sir 10,4f. 361 Vgl. 1 QS m,15f; XI,2; XI,10f; 1 QHXV,13f; ferner 1 QS X,16f; 1 QH IV,31f; XI,7. Zur Vorstellung der Prädestination in Qumran vgl. E. H. Merrill, Qumran and Predestination, STDJ 8, Leiden 1975. 362 Vgl. dazu Hengel, Judentum und Hellenismus, S. 319-330, bes. 322 mit Anm. 446. Als Gegenbewegung zu den hellenistischen Assimilationstendenzen der priesterlichen Oberschicht und des Laienadels dürften auch die Chasidim eine längere Vorgeschichte besessen haben, die bis in das 3. Jh. v. Chr. hinaufreicht. 363 Zum Problem vgl. B. W. Dembrowski, The Idea of God in I Q Serek, RdQ 28 (1971), S. 522; F. Nötscher, Schicksalsglaube in Qumrân und Umwelt, BZ N F. 3 (1959), S. 217-224. 364 Vgl. dazu Nötscher, Schicksalsglaube, S. 222; Merrill, Predestination, S. 17f.

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Wohlwollen, durch das er ihr Tun begleitet; vgl. dazu Koh 9,7. Zur Erfüllung der göttlichen Forderungen bedarf es allerdings der Unterweisung durch den maskîl,365 Entsprechend der Sektenregel unterrichtet er die Mitglieder, daß sie lieben sollen, was Gott erwählt, und hassen sollen, was er verworfen hat.364 Oder umgekehrt: Was Gott liebt und haßt, wird zur Norm ihres Handelns.347 Vor diesem Hintergrund gewinnt der Kommentar Kohelets in V. Iba seinen konkreten Bezug. Kohelet wendet ein, daß der Mensch Gottes Liebe und Haß nicht vorauswissen und demzufolge nicht sicher sein kann, ob sein Tun göttliches Wohlgefallen findet. Was er beklagt, ist also der Mangel an Einsicht in den göttlichen Plan, weil der Mensch handeln muß und doch nicht Gottes Absicht zu ergründen vermag. Deswegen ist es wahrscheinlich, daß sich Liebe und Haß in V. 1 auf Gott und seinen verborgenen Willen beziehen,34® dessen Erwählen und Verwerfen der menschlichen Erkenntnis grundsätzlich entzogen ist. Dem widerspricht es nicht, wenn in V. 6 Lieben, Hassen und Eifem(!)369 vom Menschen ausgesagt ist. Offenbar denkt Kohelet hier an die Verstorbenen, die sich zu ihren Lebzeiten bemüht haben, Gottes Willen in ihrem Tun zu entsprechen. Obwohl sie nach traditioneller Anschauung ein dauerhaftes Andenken auf Erden erwarten dürften,370 bestreitet Kohelet den Toten und zumal den verstorbenen Frommen jedwedes Nachleben und sei es in Form des Nachruhms. Mithin lassen sich Lieben und Hassen in V. 1 wie auch in V. 6 ganz im weisheitlichen Sprachgebrauch als Zustimmen und Ablehnen interpretieren und können geradezu als Merismus verstanden werden, nämlich das Gute zu lieben und das Böse zu hassen.371 Demgegenüber bietet die Deutung

365 Vgl. dazu Carol A. Newsom, The Sage in the Literature of Qumran: The Functions of the Maskîl, in: The Sage in Israel and the Ancient Near East, Winonna Lake 1990, S. 373-382, bes. 374-378. 366 Vgl. ζ. Β. 1 QS I,3f; IX,15ff; ferner IX,21. 367 Vgl. 1 QS I,9f; CD 11,15; 1 QH XIV,lOf; XVII,24; femer XV,18f. Vgl. dazu auch Sach 8,17. 368 Ob Michel, Eigenart, S. 173, diese Deutung zurecht als Minderheitsvotum kennzeichnet, ist zweifelhaft. Vgl. ζ. B. Levy, Qoheleth, S. 116f; Gordis, Kohelet, S. 299; Kroeber, SQAW, S. 54f; Galling, HAT, S. 113; Crenshaw, OTL, S. 159f; Ogden, Readings, S. 145; Murphy, WBC, S. 89. 369 Vgl. dazu 1 QS IX,23; 1 QH 11,15. 370 Zur traditionellen Anschauung vgl. Prov 10,7; Sir 41,11 mit Ps 34,17; Hi 18,17. 371 Vgl. dazu M. Küchler, Frühjüdische Weisheitstraditionen, OBO 26, Göttingen 1979, S. 477.

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auf die inneren und dem menschlichen Bewußtsein unzugänglichen Affekte eine unnötige Psychologisierung. Haben wir damit eine in sich schlüssige Deutung von V. 1 aß als Zitat und V. I b a als Kommentar Kohelets gewonnen, bereitet schließlich der kurze Halbvers lbß erhebliche Schwierigkeiten. Eine befriedigende Erklärung ist der Forschung bislang nicht gelungen. Abgesehen von der partiell vertretenen Textänderung des zweiten t o n in ^1Π 372 lassen sich zudem die Zweifel nicht unterdrücken, ob der Text hier ganz in Ordnung ist.373 Jedenfalls erlaubt die textkritische Entscheidung, V. lbß analog zu 5,12bß als ein die thematische Einleitung abschließendes Ae¿>e/-Urteil zu verstehen.374 Für die Auslegung steckt das Problem in der Deutung der Präposition Oi"P39t> mit Suffix 3. pl. m., das sich zweifelsfrei auf die Gerechten und Weisen zurückbezieht. Dabei ist von vornherein die Möglichkeit auszuscheiden, daß sich die Aussage auf eine zukünftige Zeit erstreckt,375 da eine solche Deutung sowohl dem hebräischen Sprachgebrauch376 als auch dem alttestamentlichen Zeitverständnis377 widerspricht, wonach die Zukunft hinter jemandem, während die Vergangenheit vor jemandem liegt. Zudem belegt 11,8 mit t ? i n NlVTtO die entsprechende /ieòe/-Wendung fur das Zukünftige. Gestattet der Sprachgebrauch folglich nur den Bezug auf das Vergangene, ergibt sich jedoch kein befriedigender Anschluß zum Folgenden. Als Variante der temporalen Deutung ist der Versuch zu betrachten, mit dem Targum378 V. lbß prädestinatianisch zu verstehen und darin den Gedanken zu finden, daß Gott den Gerechten und Wei-

372 Zur Textänderung vgl. oben S. 115 Anm 324; dazu Siegfried, HK, S. 66; Lauha, BK, S. 164; Zimmerli, ATD, S. 218; Fox, Contradictions, S. 257; Whybray, NCeB, S. 140f. 373 Vgl. ζ. Β. Budde, HSAT(K), S. 437. 374 Der Versuch, das DiTO£Ù als weiteres Akkusativobjekt zu VP zu deuten, scheitert an der fehlenden nota accusativi; vgl. Meyer, Grammatik III, § 105,2a; und 3,11; 7,15; 10,19; 11,5. 375 Vgl. ζ. B. Delitzsch, BC, S. 347; Ogden, Qoheleth IX 1-16, S. 160. 376 Zum temporalen Gebrauch von bei Koh vgl. 1,10.16; 2,7.9; 4,16 (jeweils als Bezeichnung der vorangehenden Zeit). Zur Sache vgl. Ehrlich, Randglossen VII, S. 92; Hertzberg, ΚΑΤ, S. 176f; Michel, Eigenart, S. 168f. 377 Vgl. H. D. Preuß, Theologie des Alten Testaments, Bd. 1: JHWHs erwählendes und verpflichtendes Handeln, Stuttgart/Berlin/Köln 1991, S. 251f. 378 Vgl. É. Levine, The Aramaic Version of Qohelet, New York 1978, S. 42; L. D. Merino, Targum de Qohelet, BHB 13, Madrid 1987, S. 217 und 253.

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Ein Geschick trifft sie alle (9,1-12)

sen bereits vor ihrer Zeit alles schicksalhaft bestimmt habe.379 Doch wegen der Kürze der Aussage bleibt auch dieses Verständnis unsicher und zumal der Übergang zu V. 2 dunkel. Aus sachlichen Gründen ist es zurückzuweisen, weil Kohelet an keiner einzigen Stelle eine Prädestination vertritt, sondern nach unserer Auslegung von V. 1 einer solchen Vorstellung vielmehr entgegentntt. Anstelle der zeitlichen Deutung der Präposition ist daher eine räumliche diskutiert worden, wonach OD1? das bezeichnet, was vor jemandes Augen liegt und mithin zu seiner Verfügung steht.380 Danach hätte Kohelet hier die Tätigkeiten der Gerechten und Weisen als vergeblich beurteilt, so sie sich ganz in Gottes Gewalt befinden und daher nicht über das verfugen, was vor ihnen liegt und zu ihrer Wahl steht.381 Das kann allerdings nicht Kohelets Meinung wiedergeben, da er dem Menschen keineswegs seine selbständige Entscheidungsgewalt abgesprochen hat. Wie sonst lassen sich die zahlreichen Mahnungen des Weisen oder auch seine Empfehlung der Tora verstehen; vgl. 4,17-5,6. Darüber hinaus wirkt die räumliche Deutung der Präposition ziemlich gezwungen. Das Ergebnis ist also negativ. Trotzdem scheint uns auf dem Umweg einer Aufbauanalyse die Lösung des Problems möglich. Bisher ist nämlich nicht berücksichtigt worden, daß V. 1 in seiner Kürze lediglich Ankündigungsfunktion für die folgende Argumentation besitzt. Demgemäß lassen sich V. I b a und lbß als zwei selbständige Kommentare zu der zitierten Meinung verstehen. Erstens erschüttert Kohelet durch V. I b a die Selbstsicherheit der Frommen, die sich unter Gottes Schutz wähnen. Zweitens wendet er sich mit V. lbß gegen deren Selbstüberschätzung, als könnten sie sich durch ihre Taten unvergänglichen Lohn erwerben. Beide Bemerkungen entfaltet Kohelet in einer zweistufigen Argumentation, wobei er V. Iba durch V. 2-3 und V. lbß durch V. 4-6 begründet. Mithin ergibt sich das folgende parallele Aufbaumuster:

379 Vgl. Kuhn, Erkläning, S. 44; Blieffert, Weltanschauung, S. 29; Hertzberg, ΚΑΤ, S. 177; Loader, Structures, S. 102. 380 Zur Bedeutung vgl. Gesenius 648b; HAL 889a. Zur Auslegung vgl. Lauha, BK, S. 166; Lange, Weisheit und Torheit, S. 165 Anm. 37; ferner Gordis, Koheleth, S. 300; Michel, Eigenart, S. 182. 381 Vgl. Lauha, BK, S. 166.

Kapitel II. Kompositionsanalysen

V. laß

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Zitat

a

V. I b a

Kurzkommentar

b

V. lbß

Kurzkommentar

a' b'

V. 2-3* V. 4-6

Begründung zu V. I b a Begründung zu V. lbß

Ist dies richtig gesehen, gewinnt V. lbß seine Deutung von V. 4-6 her. Dort schildert Kohelet das Los der Toten, die alle menschlichen Aktivitäten hinter sich lassen müssen und selbstvergessen im Schattenreich verharren. Was auch immer sie ins Werk gesetzt haben, ist der Vergessenheit preisgegeben. Vor diesem Hintergrund entschlüsselt sich uns das Hebel-Urteil in V. lbß. Deuten wir ΟΓΡίΰ!? temporal und beziehen es ausweislich des Sprachgebrauchs auf die vergangene Zeit, ergibt sich als entsprechende Aussage: Alles, was zurückliegt, ist vergänglich; denn keiner vermag aus seinen Taten einen Vorteil zu ziehen, wenn er fur immer vom Leben abgeschnitten ist. Mithin vermögen auch die Gerechten und Weisen keinen bleibenden Gewinn zu erlangen.382 Unsere Deutung wird schließlich durch V. 6 untermauert, insofern wir Lieben, Hassen und Eifern nicht auf das menschliche Tun allgemein, sondern auf die religiöse Leidenschaft der Frommen bezogen haben. Daß sie keinen Lohn erhalten, deutet Kohelet bereits in seiner Hebel-Aussage an. Alles, was die Gerechten und Weisen (Bezug durch das Suffix 3. pl. m.) hinter sich haben und als ihren Verdienst betrachten könnten, hat letztlich keinen Bestand. Fassen wir die verschiedenen Überlegungen zusammen, erhalten wir eine logische Interpretation: Kohelet zitiert in V. laß die Meinung einer gesetzestreuen Gruppe, die sich überzeugt gibt, daß die Frommen in besonderer Weise unter Gottes Führung stehen. Wenn aber Gottes Erwählen und Verwerfen der menschlichen Einsicht verborgen ist, so lautet Kohelets Einwand in V. I b a , können auch die Gerechten und Weisen nicht sicher sein, ob ihr Tun auf Gottes Zustimmung oder Ablehnung stößt. In typischer Weise spricht er hier als Skeptiker, der den Frommen sein Wer weiß das denn? entgegenhält. Darüber hinaus erklärt er alles, wofür sie sich anstrengen, für vergänglich und 382 Für den Zusammenhang mit der für Kohelet bedeutsamen Frage nach dem bleibenden Gewinn plädiert Ogden, Readings, S. 145.

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Ein Geschick trifft sie alle (9,1-12)

ohne Bestand. Vollkommener Wandel und Gesetzestreue lassen sich nicht aufrechnen, wenn plötzlich der Tod über sie kommt. Und fallen der Frommen Werke schließlich in Vergessenheit, so unterliegt der Selbsttäuschung, wer sich durch sie einen bleibenden Gewinn erwerben zu können meint. Damit haben wir eine schlüssige Deutung von V. Iba gewonnen, die durch die Fortsetzung der Argumentation bestätigt wird. Angesichts des Todesgeschicks, das die Gerechten und Weisen nicht anders als alle Sterblichen trifft, erscheint alles menschliche Tun vergeblich.383 Kohelet illustriert dies mittels eines Reihenspruchs in V. 2, der in fünf antithetischen Paaren einen Katalog gegensätzlicher Verhaltensweisen bietet. Durch die thematische Rahmung in V. 2aoc und V. 3aß (beide Halbverse benennen des Menschen unausweichliches Todesgeschick) hat Kohelet seine Aussageabsicht kunstvoll hervorgehoben.384 Auf ethisches und religiöses Verhalten nimmt Gott bei seiner Schicksalslenkung keine Rücksicht. Ganz egal, ob einer gut oder schlecht handelt, machtlos ist er dem Tod preisgegeben.385 Bestimmt die Inclusio somit die grundsätzliche Aussage, ist der Reihenspruch als solcher nicht minder von Bedeutung. Denn zunächst erwecken die ersten beiden antithetischen Paare (Frommer und Gottloser bzw. Reiner und Unreiner) den Eindruck, daß in der Folge positive und negative Verhaltensweisen in einer Art Leviten-Tora oder "Katechismus" der Frommen386 aufgeführt werden. Dagegen erlauben die folgenden Antithesen des Katalogs keine eindeutige Wertung, wenn man sich der kritischen Zurückhaltung Kohelets gegenüber Opfer und Gelübde in 4,17-5,6 oder der Unterscheidung des Guten und des Sünders erinnert, die nach Gottes freier Wahl in 2,26 und 7,26 nicht wesentlich von ihrem Tun, sondern von seinem Wohlgefallen abzuhängen scheint. Damit hat Kohelet gewiß kein indifferentes Verhalten im kultischen Bereich

383 Zur Bezeichnung des Todesgeschicks verwendet Kohelet stets das Wort m p ß ; vgl. 2,14.15; 3,19; 9,2.3. Vgl. dazu den Hinweis von Gese, Krisis, S. 172, daß m p t t im älteren Hebräisch gerade nicht das bedeutet, "was einem aufgrund seines Verhaltens und Handelns widerfahrt, sondern das, was damit in keiner Beziehung steht oder doch zu stehen scheint". 384 Vgl. ζ. Β. A. Schmitt, Zwischen Anfechtung, Kritik und Lebensbewältigung, TThZ 88 (1979), S. 126. 385 Vgl. Hertzberg, ΚΑΤ, S. 177; Lauha, BK, S. 166; Schoors, Perspective, S. 298; Michel, Eigenart, S. 175; Murphy, WBC, S. 91. 386 Vgl. Galling, HAT, 1. Aufl., S. 82; dazu Hertzberg, ΚΑΤ, S. 177.

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lehren wollen.387 Die drei Gegensatzpaare zeigen vielmehr, daß der Mensch nicht immer wissen kann, ob er auch wirklich gerecht handelt und Gottes Wohlgefallen erlangt.388 Ist der Höchste in seinem Wirken verborgen, so kann sich keiner und sei es auch durch seine religiöse Praxis der göttlichen Zustimmung versichern. Wie die Weisheit besitzt also auch der Kult nur relativen Wert, dessen Zweck sich in einer vorsichtigen Annäherung und ehrfurchtigen Hingabe an Gott erfüllt. Inwiefern sich in der Antithesenreihe die gegensätzliche Praxis religiöser Gruppen zur Zeit Kohelets spiegelt,389 bleibt allerdings fraglich. Für das antike Judentum ist die Ablehnung des Opfers und die Scheu vor dem Schwur jedenfalls bei den Essenern bezeugt.390 Daß der Tod den Gerechten und den Frevler unterschiedslos trifft, ist aber auch fur Kohelet eine bittere Einsicht, die er in V. 3a nur festzustellen und als schlimme Sache zu kennzeichnen vermag.391 Demgegenüber ist die direkte Fortsetzung in V. 3b unsinnig, indem sie als Begründung für dasselbe Todesgeschick die Bosheit der Menschen und ihre Torheiten nachzuschieben bemüht ist. Offenbar hat sich hier Kohelet den Unwillen eines Späteren zugezogen, der nicht bereit gewesen ist, sich mit der Unerklärbarkeit des Todesgeschicks abzufinden. Für eine sekundäre Einfügung spricht erstens, daß V. 3b der Aussageabsicht von V. 2 eindeutig entgegenläuft. Während Kohelet nämlich herausstellt, daß für das Verhängnis des Todes menschliches Verhalten völlig bedeutungslos ist, erklärt V. 3b hingegen, daß die Menschen selbst durch ihre moralische Verderbtheit ihren Tod verschuldet haben.39* Zweitens unterstellt V. 3bß den Menschen, daß sie alle in gleicher Weise von Torheiten umfangen sind, und beseitigt dadurch die niederdrückende Erkenntnis, daß der Tod nicht nur allen ein Ende setzt, sondern auch die Unterschiede zwischen dem Ge-

387 Gegen Blieffert, Weltanschauung, S. 45f; Wölfel, Luther, S. 70-74; Lauha, BK, S. 15f, 166f. 388 Vgl. dazu auch 7,19-22. 389 Vgl. Kleinert, Stellung, S. 519f; Galling, HAT, 1. Aufl., S. 82; Lohfink, NEB, S. 65. 390 Zur Verweigerung des Opfers (offenbar aus kalendarischen Gründen!) vgl. CD VI,1113; XI,20f; 1 QS IX,4f; dazu Josephus, Ant. XVIII, 1,5; ferner die prophetische Kritik am Opferkult in Jes 1,11-16; Jer 6,20; Hos 4,8; 6,6; Am 4,4f; 5,21-24. Zur Ablehnung des Schwurs vgl. CD VI,15; XVI,13-16; dazu Josephus, Bell. 11,8,6; Ant. XV,10,4; ferner Sir 23,9-11; Sach 5,4(?). 391 Vgl. auch 2,15; 3,19; ferner 6,6. 392 Vgl. Lauha, BK, S. 167; Schoors, Perspective, S. 298; ferner Ellermeier, Qohelet, S. 128; Galling, HAT, S. 113.

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Ein Geschick trifft sie alle (9,1-12)

rechten und Frevler und selbst zwischen Mensch und Tier restlos nivelliert.393 Drittens verweist die unterschiedliche Verwendung von V~) im selben Vers, einerseits als negatives Urteil in der fur Kohelet typischen Bedeutung schlimm394 und andererseits als moralische Wertung im Sinne von böse, sittlich schlecht,39S auf die Arbeit zweier verschiedener Hände. Viertens bietet sich die Kopula D i l hier in adversativer Färbung vorzüglich zur Einfuhrung einer Glosse an. Schließlich ist plausibel zu machen, wie es zu der sekundären Einfügung kommen konnte. Denn bei dem Glossator dürfte es sich um einen orthodoxen Schreiber handeln, der die Schriftrolle kopiert und sich an dieser Stelle mit Kohelets Feststellung nicht einverstanden erklärt hat. In der benachbarten Kolumne fand er mit 8,1 l b offensichtlich einen Gedanken, aus dem er die Bosheit als menschlichen Wesenszug herauslas und sie zur Begründung des gemeinsamen Todesgeschicks hier einfugte; vgl. Gen 6,3 mit 6,5. Da wir den Glossator aufgrund seines theologischen Interesses mit dem zweiten Epilogisten identifizieren, ist zugleich festgestellt, daß ihm bereits die abgeschlossene Buchrolle vorgelegen hat.396 In der folgenden Argumentation V. 4-6 legt Kohelet klar, daß die wesentliche Trennungslinie nicht zwischen den im kultischen Bereich geschiedenen Gruppen, sondern zwischen den Lebenden und Toten verläuft. Obwohl die Lebenden nicht in die Zukunft blicken und schon gar nicht vorherwissen können, wann ihre Zeit gekommen ist,397 besitzen sie doch gegenüber den Toten den Vorzug, daß sie noch hoffen können. Leider bleibt es bei dieser Andeutung in V. 4, so daß wir nicht wissen, welche Art Zuversicht Kohelet meint. Ist es Zufall, daß Kohelet hier mit 11ΠΌ2 ein Wort aufgreift, dessen Wurzel sich weitgehend in kultischen Gebets- und Liedgattungen und selbst in genuin weisheitlichen Passagen in religiöser Bedeutung findet?39® Da sich Kohelet in 9,lfFmit der Auffassung einer gesetzestreuen Gruppe auseinander-

393 Zum Tod als dem großen Gleichmacher vgl. Wächter, Tod, S. 123f; Schmitt, Anfechtung, S. 126; Preuß, Einführung, S. 125. 394 Vgl. 1,13; 2,17; 4,3(?); 4,8; 5,13; 6,2; 8,9; 9,12; 10,13(7). In Verbindung mit DVJV im Sinne von etwas Verwerfliches tun vgl. dagegen 4,17; 8,11 f. 395 Vgl. Gesenius 764a unter Nr. 1; HAL 1166a unter Nr. 4. Zur Sache vgl. Schoors, Perspective, S. 298f. 396 Zur Redaktion des zweiten Epilogisten vgl. unsere Anmerkung oben S. 20 Anm. 76. 397 Vgl. 9,12. 398 Vgl. dazu E. Gerstenberger, Art. ΠΌ1, THAT I, Sp. 302; ferner A. Weiser, Art. π ι σ τ ε ύ ω κτλ. Β. Der at tiche Begriff, ThWNT VI, S. 191f.

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setzt und im Reihenspruch bereits kultische Terminologie verwendet hat, ist nicht ausgeschlossen, daß er hier als Vorzug der Lebenden ihre Zuversicht in Gott als vertrauenvolles Entgegensehen der ungewissen Zukunft herausstellt.39® Im Hintergrund stünde die verbreitete Vorstellung, daß die Toten für immer von ihrem Schöpfer geschieden und drunten in der Unterwelt nicht einmal mehr zum Gotteslob fähig sind.400 Möglich ist aber auch, daß Kohelet hier auf einen Topos zurückgreift, der das menschliche Hoffen als Spezifikum der Lebenden und wesentliches Unterscheidungsmerkmal von den Toten betrachtet.401 Eindrucksvoll unterstreicht dies das folgende Sprichwort in V. 4b, das den Hund als den im Orient verachtetsten Vierbeiner dem Löwen als erhabenen König unter den Tieren gegenüberstellt. Reziprok zu der darin enthaltenen Rangordnung der Tierwelt erhebt der 7oò-Spruch den Hund über den Löwen, indem er diesen den Lebenden, dagegen jenen den Toten zurechnet. Ist die Umkehrung erst entdeckt, so wirkt das ausdrucksstarke Bild nach und verstärkt den Schluß: ja selbst der geringste unter den Lebenden ist den Toten vorzuziehen.402 Und diese Einsicht ist keineswegs sarkastisch, sondern wurzelt in antiker Tradition, berichtet doch schon der namhafte Dichter der Odyssee in seiner Nekyia, wie die Totenseele des Achill zu klagen anhebt:403 Über mein Sterben tröste mich nicht, erlauchter Odysseus./ Wollte ich doch lieber als Knecht bei Lebenden fronen,/

399 Vgl. dazu Lohfink, NEB, S. 65f. Zu den Hoffiiungsaussagen der Frommen vgl. H. D. Preuß, Theologie des Alten Testaments Bd. 2: Israels Weg mit JHWH, Stuttgart/ Berlin/ Köln 1992, S. 280-283. Verben mit Nennung eines konkreten Hoflhungsobjekt sind darin selten. 400 Vgl. Jes 38,18; Ps 6,6; 30,10; 88,12f; 115,17; Sir 17,27f; Bar 2,17f. Zur Sache vgl. E. Jüngel, Tod, Gütersloh 1979, S. 98-101; H.-P. Stähli, Tod und Leben im Alten Testament, ThGl 76 (1986), S. 175-178. 401 Vgl. Hi 11,18; 14,7-11; 14,19 mit Sir 38,21; ferner Euripides, Troades, 634f, 683; Theokrit 4,41; und dazu Braun, Kohelet, S. 104. Wahrscheinlich hat Wächter, Tod, S. 117 Anm. 112, richtig gesehen, daß V. 4a fur sich allein genommen werden muß und vielleicht wie der folgende Satz ein von Kohelet aufgegriffenes Sprichwort darstellt. Abgesehen davon ist seiner Feststellung unbedingt zuzustimmen, daß man den Halbvers keinesfalls mit V. 5a verbinden darf. Sonst zieht man verkehrte Schlüsse und deutet den Tod als des Menschen Hoffnung; vgl. dazu unten S. 130. 402 Zur Auslegung vgl. Klein, Kohelet, S. 83f; ferner R. Bartelmus, Die Tierwelt in der Bibel, BN 37 (1987), S. 30. 403 Vgl. Homer, Odyssee, XI,488-491 (zit. nach Th. von Scheffer, Homer. Odyssee, Sammlung Dieterich 14, Leipzig 1938, S. 193).

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Selbst bei einem Armen, der ohne Äcker und Güter,/ Als hier das Gewimmel verblichener Toten beherrschen./ Daß es zum Leben keine Alternative gibt, ist fur Kohelet eine fundamentale Einsicht. Und so erklärt er weiter in V. 5, daß der Vorteil der Lebenden im Wissen um ihre Sterblichkeit liegt. Obwohl der Vers sprachlich keine Probleme bietet, überrascht doch, wie umstritten er in seiner Deutung ist und theologisch geradezu gegensätzlich bewertet wird. Von den Auslegern, die Kohelet als Pessimisten betrachten, wird die Aussage meist ironisch verstanden und sogar als Galgenhumor bezeichnet.404 Als Interpretationsmodell dient dazu die Zwar-Aber-Aussage, wonach V. 4 den Vorzug der Lebenden herausstelle, während ihn V. 5 mit bitterer Ironie als erbärmlich zurückweise. Denn erkennen die Menschen, daß sie den Weg alles Sterblichen gehen müssen, was sollten sie dann noch hoffen können? Spricht aus V. 5 die Verzweiflung der Lebenden im Wissen um ihren sicheren Tod, rücken die Verstorbenen unversehens in ein günstigeres Licht; denn sie sind der Seelenqual entnommen und wissen gar nichts mehr. Obwohl diese Deutung plausibel klingt, ist sie in verschiedener Hinsicht nicht schlüssig und wird dem subtilen Denker im Grunde nicht gerecht. Zunächst duldet es keinen Zweifel, daß Kohelet in V. 5f den Zustand der Toten restlos negativ und als düsteren Kontrast zu den Lebenden schildert.405 Im Ganzen seines Denkens vermag der Tod schlechthin keinen Wert zu repräsentieren.404 Und wenn er in 4,2f angesichts eines erbarmungslosen Zustands407 die Toten glücklicher als die Lebenden preist, ist dies als äußerste Grenzaussage zu betrachten; vgl. auch 6,3-5. Berücksichtigt man weiter Kohelets grundsätzlichen Vorbehalt gegenüber der Möglichkeit, daß der Mensch die Zukunft vorausberechnen und dadurch seiner Arbeit den gewünschten Erfolg 404 So Lauha, BK, S. 168; vgl. weiter Galling, HAT, 1. Aufl., S. 82; Hertzberg, ΚΑΤ, S. 178; Crenshaw, OTL, S. 161; Murphy, WBC, S. 91; aber auch Zimmerli, ATD, S. 221.

405 Vgl. Wächter, Tod, S. 117. 406 Vgl. 2,15f; 3,19f; 5,14f; 8,8; 9,12. 407 Wahrscheinlich denkt Kohelet bei den nach 4,1 rettungslos der Gewalt ihrer Unterdrücker ausgelieferten Menschen zumal an Sklaven, versklavte Kriegsgefangene und Einwohner ganzer Städte; vgl. Kaiser, Tod, S. 64; und ders., Die Botschaft des Buches Kohelet, EThL 71 (1995), S. 58 mit Anm. 54 und seinem Hinweis auf die Schilderung des Geschicks ptolemäischer Bergwerksklaven bei Diodor 111,12,2-13,3; dazu Rostovtzeff, Gesellschafts- und Wirtschaftsgeschichte I, S. 250f; II, S. 477-479.

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sichern könne, so ist in der Tat das einzig Zukünftige, was der Mensch sicher wissen kann, sein Tod. Diese Einsicht in die Begrenzung menschlichen Daseins ist bei Kohelet jedoch nicht grundsätzlich negativ konnotiert. Vielmehr lehrt er in seiner als Schultext verstandenen Spruchkomposition 7,1-22, daß im Bedenken des Todes ein praktischer Nutzen und für den Weisen ein relativer Vorteil gegenüber dem Toren liegt.40® Schließlich darf nicht übersehen werden, daß V. 5f den poetisch kraftvollen Aufruf zur Freude in V. 7-10 vorbereitet.409 In der Tat, die Lebenden besitzen noch Anteil an der Welt und Zuversicht, daß auch sie in den flüchtigen Lebenstagen ihren von Gott zugewiesenen Anteil genießen dürfen; vgl. V. 6 mit V. 9. Jedoch die Toten verharren besinnungslos drunten in der Unterwelt und all ihre menschlichen Regungen sind völlig erloschen; vgl. V. 6 mit V. 10. Ist aber der vorbereitende Charakter von V. 5f erkannt, erweist sich die Annahme einer Zwar-Aber-Aussage in V. 4f als fragwürdig, zumal in V. 4 von Zuversicht, dagegen in V. 5 von Wissen die Rede ist, so daß sich beide Aussagen nicht ohne weiteres sachlich verbinden lassen. Mithin ist festzustellen, daß der Mensch im Wissen um sein Sterbenmüssen das irdische Leben als einzigartiges Gut zu begreifen und seinen positiven Wert zu erkennen vermag. Deshalb ist der Schluß gerechtfertigt, daß wir es in V. 5 nicht mit einer ironischen Spitze zu tun haben, sondern mit der tieferen Überzeugung Kohelets, daß die Lebenden in der Erkenntnis ihrer Endlichkeit einen wirklichen Vorteil gegenüber den Toten besitzen.410 Hat Kohelet in V. 4-5a trotz des melancholischen Untertons das Leben an sich positiv beurteilt, zeichnet er im Kontrast dazu das Schicksal der Toten in durchweg düsteren Zügen; vgl. V. 5b-6. Ihr Zustand ist der selbstvergessener Passivität und tritt zum Leben in schärfsten Gegensatz. Nirgends im Alten Testament wird der Tod so deutlich als Verlöschen des menschlichen Bewußtseins begriffen.411 Dazu bestreitet Kohelet den Verstorbenen jeglichen Lohn für ihre Mühen. Dabei ist richtig gesehen, daß das hebräische Wort für Lohn als lautlicher Anklang gewählt worden ist und dementsprechend ~D\y und "Dt

408 Vgl. auch Ps 90,12 und dazu H.-M. Wahl, Psalm 90,12: Text, Tradition und Interpretation, ZAW 106 (1994), S. 121f. 409 Vgl. Backhaus, "Zeit und Zufall", S. 266. 410 Vgl. Gordis, Koheleth, S. 305 (ebenso Fox, Contradictions, S. 258); Lohfink, NEB, S. 64; Whybray, NCeB, S. 142f; und vorbehaltlich Schubert, Schöpfiingstheologie, S. 170. 411 Vgl. noch Hi 14,19-21.

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eine Paronomasie bilden.412 Durch das begründende Ό in V. 5b und das Suffix 3. pl. m. von das sich auf ΟΠ^> im Vordersatz bezieht, ist deutlich, daß Kohelet den Lohn als Nachruhm auf Erden und somit als diesseitigen verstanden wissen will.413 Der Befund, daß ~D\y neben seiner wirtschaftlichen Verwendung in der Bedeutung Arbeitslohn, Entgelt414 auch im religiösen Bereich begegnet und dort speziell den göttlichen Lohn bezeichnet, 4 " macht es zumal im Hinblick auf die Erwartung der Gerechten wahrscheinlich, daß Kohelet hier eine traditionelle Vorstellung berührt: Unaufhörliches Andenken galt den Frommen als ihr erworbener und von Gott gegebener Lohn auf Erden.416 Selbst diese Form des ideellen Weiterlebens in der Erinnerung der Nachkommen weist Kohelet als fromme Selbsttäuschung zurück und kann sich dazu auf die Erfahrung berufen.417 Wie hart mag die Aussage in den Ohren seiner Zeitgenossen geklungen haben! Jedenfalls hat der spätere Ben Sira seine Auffassung nicht geteilt, sondern einen diesseitigen Lohn der Gerechten anerkannt und ihnen im Lobpreis der Väter zudem ein literarisches Denkmal gesetzt; vgl. Sir 44,1-15. Ob allerdings die Frommen, mit deren Meinung sich Kohelet in V. 1-6 auseinandersetzt, statt des Nachruhms eine Vergeltung im Jenseits als ihren Lohn erwartet haben,418 ist anhand unserer Textstelle weder zu bestreiten noch überhaupt zu beweisen. Resümee kann schließlich nur sein, daß Kohelet das movens der Frommen, daß sie unter Gottes Schutz stehen und durch völligen Gehorsam ihr Geschick beeinflussen und sich ewigen Lohn erwerben können, kritisch prüft und angesichts der verborgenen Schicksalslenkung als verfehlt zurückweist. Das Ergeb412 Vgl. bereits Hitzig, KEH, S. 190; Siegfried, HK, S. 67; Levy, Qohelet, S. 118; Budde, HSAT(K), S. 437. Zur Sache vgl. Whybray, NCeB, S. 143. 413 Vgl. Delitzsch, BC, S. 351. 414 Vgl. Koh4,9. 415 Vgl. Gen 15,1; Jer 31,16f(//ΓΤίρΓΙ); Ps 127,3; II Chr 15,7; Sir 51,30 (vgl. 11 QPs'); dazu HAL 1240b und O. Kaiser, Traditionsgeschichtliche Untersuchung von Genesis 15, ZAW 70 (1958), S. 115f. 416 Vgl. Jes 56,5; Prov 10,7; Sir 37,26; 39,9-11; 41,11-13; 44,13f. Am Rande sei hier auf den mesopotamischen Brauch der Totenpflege hingewiesen, der als Pflichten des Sohnes neben der Darbringung von Speise und Spenden von Wasser als drittes Element die Namenserinnerung kennt; vgl. dazu Th. Podella, Grundzüge alttestamentlicher Jenseitsvorstellungen, BN 43 (1988), S. 83. 417 Vgl. 1,11; 2,16; 8,10; dazu Galling, HAT, S. 111. 418 Vgl. ζ. Β. PsSal 9,5; 13,11; IV Esr 8,33. Dagegen hat M. Witte, Vom Leiden zur Lehre, BZAW 230, Berlin/ New York 1994, S. 218, fur die Gerechtigkeitsredaktion des Hiobbuches ein solches Verständnis zurückgewiesen.

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nis reizt zu der Frage, wie das Verhältnis der folgenden Reflexion in V. 1 lf zu der soeben besprochenen in V. 1-6 zu bestimmen ist. Bereits oben haben wir angedeutet, daß beide Reflexionen unter das Thema der Unverfügbarkeit menschlichen Schicksals gestellt sind. Als Leitbegriffe dienen in V. 1-6 das Todesgeschick m p ö , in V. 1 lf der Zeitpunkt Tiy, der ausweislich seiner Verbindung mit VÌÙ ebenfalls als Schicksalsbegriff verstanden ist. Hinzu kommt, daß beide Reflexionen auch argumentativ aufeinander bezogen scheinen. So illustriert V. 11 wie schon V. 2f, daß Gottes Gunst unerforschlich ist und darüber seine Schicksalszuweisung in den Augen der Menschen als Willkür erscheinen muß.419 Desweiteren nimmt V. 12 den Faden von V. 5f auf und erläutert, daß die Menschen zwar wissen, daß sie sterben müssen, aber das Schlimme daran ist, daß sie nicht vorhersehen können, wann die Zeit gekommen ist und ihre letzte Stunde geschlagen hat. Wenden wir uns der Auslegung von 9,1 lf im einzelnen zu, bemerken wir sofort, daß Kohelet typischerweise mit einer Beobachtung einsetzt. Obwohl er sie nicht als yes-Reihe gestaltet hat, liegt auf der Hand, daß er hier nicht den Regelfall, sondern den Grenzfall schildert und daher in die Übersetzung ein nicht immer einzuschieben ist.420 Gleichzeitig zeigt der Reihenspruch, daß Kohelet keine unmittelbare Beobachtung berichtet, sondern sie auf ein Reflexionsniveau gehoben hat und als Ergebnis einer längeren Erfahrung verstanden wissen will.421 Im Hintergrund seiner Formulierung kann man weisheitliches Überlieferungsgut deutlich erkennen.422 Im Rückgriff auf die Tradition ist es Kohelet gelungen, aus seinen Beobachtungen ein schlagkräftiges Argument zu bilden. Mit seinen Beispielen, daß weder den trainierten Läufern noch den ausgebildeten Kämpfer der Sieg garantiert ist und selbst die denkenden Weisen trotz ihrer ausgezeichneten Fähigkeiten nicht immer Erfolg haben, liegt es auf der Hand, daß der Durchschnittsmensch erst recht den Wechselfällen des Lebens ausgeliefert ist. Nach dem früher Gesagten steht außer Frage, daß hier

419 Vgl. dazu O. Kaiser, Gottesgewißheit und Weltbewußtsein, in: Der Mensch unter dem Schicksal, BZAW 161, Berlin/ New York 1985, S. 125f. 420 Vgl. Eilermeier, Qohelet, S. 245f. Zur Sache vgl. auch Zimmerli, ATD, S. 223; Fox, Contradictions, S. 260. 421 Vgl. dazu H. Delkurt, Grundprobleme alttestamentlicher Weisheit, VuF 36 (1991), S. 68f, in seiner Auseinandersetzung mit der von Michel, Eigenart, S. 26, vertretenen Deutung von ΠΝ1 als prüfend betrachten. 422 Vgl. Jer 9,22f; Am 2,14-16; Prov 21,30f; ferner Ps 33,16f.

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das Lehrstück von den schicksalhaft fallenden Zeiten in 3,1-8(9) wiederum den sachlichen Bezugsrahmen bildet. Denn es sind die günstigen und ungünstigen Zeiten, die auf der Rennbahn und im Waffengang über Sieg und Niederlage entscheiden, wie sie auch den Erfolg und Mißerfolg eines jeden Tuns bestimmen. Damit nimmt Kohelet den Menschen und zumal den Weisen ihre falsche Sicherheit, als könnten sie selbst über ihr Leben im ganzen wie in seinen Teilen verfugen.423 Ist gleichzeitig Gott als der vorgestellt, der den qualifizierten Lauf der Zeiten festsetzt,424 jedoch den Menschen die Einsicht in sie entzieht, sind sie in gleicher Weise seiner Schicksalslenkung preisgegeben. Dagegen liegt der Gedanke einer individuellen Determination oder gar Prädestination, wie bereits oben bemerkt,425 außerhalb des Gesichtskreises Kohelets. Gegenüber dem in 3,1-8(9) vorliegenden Lehrgedicht und seiner wertneutralen Darstellung der determinierten Zeiten fallt allerdings auf, daß DV in 9,1 lf nicht den richtigen Zeitpunkt als offene Möglichkeit bezeichnet, sondern als stets neue Gefahr und Fallstrick des Menschen verstanden wird.424 Mithin ist der Ausdruck Zeit und Zufall sachlich negativ qualifiziert und seine unheilvolle Bedeutung sprachlich durch die Zufligung von als einem möglichen Syn427 onym zu m p t t sichergestellt. Dabei bezeichnet V3D das Mißgeschick und kann im gegebenen Kontext geradezu als Schicksalsschlag verstanden werden, der die menschlichen Erwartungen zunichte macht.428 Daß der Gedankengang geradewegs auf den Tod zuläuft und die Vorstellung der fallenden Zeiten in ihrer ganzen Bedrohlichkeit vor Augen fuhrt, beweisen die in V. 12 angeführten und dem Bereich der Jagd entnommenen Tiervergleiche. Darin erscheint

423 Vgl. bes. Schmitt, Anfechtung, S. 120f: "Mit Nachdruck deutet Kohelet auf die Imponderabilien menschlicher Existenz und attakiert damit gleichzeitig eine falsche Sicherheit, die in der Weisheitsspekulation wirksam war." Vgl. weiter Kaiser, Mensch, S. 87f; Michael V. Fox, Wisdom in Qoheleth, in: In Search of Wisdom. Essays in Memory of J. G. Gammie, Louisville, Kentucky 1993, S. 124f (Wisdom Is Overwhelmed by Fickle Fortune). 424 Auf diese der Argumentation zugrundeliegende theologische Prämisse hat Ogden, Readings, S. 156, zurecht hingewiesen. 425 Vgl. S. 109 und 124. 426 Vgl. de Vries, Observations, S. 271. 427 Vgl. S. Amsler, Art. m p , THAT II, Sp. 683. 428 Im biblischen Hebräisch nur noch in I Reg 5,18 belegt. Zur negativen Konnotation vgl. P. Maiberger, Art. yi£>, ThWAT VI, Sp. 506; ferner Jastrow 1135b. Vgl. weiter Gordis, Koheleth, S. 307f; Lauha, BK, S. 173; Ogden, Readings, S. 156; und vorsichtig Fox, Contradictions, S. 260f.

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der Tod als heimtückischer Jäger, der ausgerüstet mit Wurf- und Klappnetz seiner Beute auflauert. Obwohl ganz allgemein das Fangnetz bezeichnet und eine speziellere Bedeutung nicht zu belegen ist, spricht vieles dafür, daß es sich bei ihm nicht um das übliche Schleppnetz, sondern um ein zum Fischfang taugliches Wurfhetz handelt.429 Dieses kreisförmige und an seinem Rand beschwerte Netz wirft man auf die Wasseroberfläche, wo es untersinkt und die darunter befindlichen Fische einfaßt. Durch eine spezielle Zugvorrichtung wird es sodann nach unten zusammengezogen und schließlich geschlossen aus dem Wasser gehoben.430 Ahnlich heimtückisch funktioniert das Klappnetz des Vogelstellers. Sobald die wilden Vögel angelockt sind und sich zwischen den Netzhälften niederlassen, zieht der Vogelfänger an einer Schnur, so daß die beiden Netze hochschnellen und über den Vögeln zusammenschlagen.431 Beide Fangwerkzeuge in der Hand des unberechenbaren Jägers verdeutlichen die Plötzlichkeit und Ausweglosigkeit des Todesgeschicks. Und im Zusammenhang mit V. 11 ist die Folgerung erlaubt, daß selbst den Menschen ihre Schnelligkeit, Stärke und Weisheit nichts nützen, wenn sie wie die Tiere unversehens in die Fänge des Todes geraten. Obwohl Kohelets Schilderung des Todes durch die beiden Tiervergleiche ausgesprochen drastisch klingt, wird man sogleich hinzufugen müssen, daß er das Netz als Bild für das unentrinnbare Todesgeschick gemeinorientalischer Tradition entlehnt hat.432 Für das Alte Testament433 sei als treffliches Beispiel aus der Lehrrede Prov 7,1-27 zitiert, die den jungen Mann vor der Verfuhrung durch die fremde Frau warnt:434

429 Vgl. K. Galling, Biblisches Reallexikon, HAT 1/1, 2. Aufl. Tübingen 1977, S. 84. 430 Zur genauen Beschreibung vgl. G. Dalman, Arbeit und Sitte in Palästina VI, BFCTh 2. Reihe 41, Gütersloh 1939, S. 346-348. Eben solche Wurfhetze wurden am Trasimenischen See noch bis 1966 im Fischereigewerbe eingesetzt; Museo della Pesca del Lago Trasimeno, San Feliciano, Provincia di Perugia. 431 Vgl. Dalman, Arbeit und Sitte VI, S. 323f und 338f; O. Keel, Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament, 4. Aufl. Zürich/ Einsiedeln/ Köln/ Neukirchen 1984, S. 78-81. 432 Vgl. Wächter, Tod, S. 35-44; Lohfink, NEB, S. 71; ferner M. Krieg, Todesbilder im Alten Testament, AThANT 73, Zürich 1988, S. 597-599, dessen Beschreibung der Jagdmetapher als einer kultspezifischen Todesvorstellung nicht überzeugt. 433 Zum Todesbild des Netzes vgl. z. B. Am 3,5; Hab 1,15; Ps 9,16; 35,7f; 69,23; 140,6; Hi 18,7-10; Prov 22,5; Sir 9,13; ferner Ps 91,3; 124,7. 434 Vgl. auch Koh 7,26.

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(21) Sie machte sich ihn mit vielen Worten geneigt,/ durch die Glätte ihrer Lippen verführte sie ihn./ (22) Da läuft er hinter ihr her, ganz plötzlich,43*/ wie ein Ochse zum Schlachten geht,/ 436

(23aßb) wie ein Vogel ins Klappnetz eilt,/ aber er merkt es nicht, daß es um sein Leben geht. Gemeinsam mit der Stelle bei Kohelet ist nicht nur die Plötzlichkeit, mit der sich der junge Mann der fremden Frau zuwendet und dadurch in sein Verderben rennt, sondern auch seine Unwissenheit, daß er dem Tod bereits in die Falle gegangen ist. Im vorliegenden Zusammenhang sind jedoch die Unterschiede von weit größerer Bedeutung, insofern sie Kohelets Aussage deutlicher zutage treten lassen. Erstens ist in der Lehrrede wie auch sonst im Proverbienbuch nur vom vorzeitigen Tod die Rede, den zu vermeiden die Weisheit lehrt.437 Dagegen thematisiert Kohelet das unausweichliche und allem Leben ein Ende setzende Geschick und rückt dadurch den natürlichen Tod als unbewältigtes Problem entschieden in den Horizont der Weisheit. Zweitens zeigen die passiven Verbformen in Koh 9,12 gegenüber den aktiven in Prov 7,22P, daß sich der Mensch nicht selbstverantwortlich in den Tod verstrickt, sondern plötzlich feststellen muß, daß er bereits von des Todes Schlingen umfangen ist. Mithin betrachtet Kohelet den Tod als Widetfahmis, das alle menschlichen Vorhaben mit einem Schlag zunichte macht. Von dort begreift der Mensch, daß er den Wechselfallen des Lebens in gleicher Weise ausgeliefert ist und sein Geschick weder vorherwissen noch sich dessen zu erwehren vermag. Im Tod gewinnt der Schicksalsgedanken darum seine letzte Schärfe,438 so daß der in der Welt verborgene Gott in der Tat als eine Art Fatum in Erscheinung tritt.439 Jedoch wird man diesen Zug im Gottesbild Kohelets nicht 435 MT bietet hier wie in Koh 9,12 DNT1Q. Aufgrund des sachlichen Zusammenhangs erübrigen sich Textändeningen; vgl. BHS z. St. Zu DNJ1Û vgl. noch Jes 47,11; Hi 5,3; 9,23; Prov 6,15; 24,22. 436 Bei V. 22b.23aa handelt es sich wahrscheinlich um eine nachträgliche Erweiterung, die zwischen beide Tiervergleiche gestellt worden ist; vgl. Meinhold, Sprüche, Teil 1, ZBK, S. 130. 437 Vgl. Ps 55,24; Prov 7,26f; 9,18; 14,12 (16,25); mit Prov 10,2; 11,4; 13,14; 16,17; 22,5. 438 Zur Sache vgl. Galling, Kohelet-Studien, S. 289. 439 Vgl. Hertzberg, ΚΑΤ, S. 226.

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isolieren und daraus folgern dürfen, daß ihm die lebenswarmen Seiten vollends fehlen. Erinnert man sich der Feststellung in 7,13f, daß Gott neben der schlimmen Zeit ebenso das Glück geschaffen hat, und zwar in der Absicht, daß es der Mensch auskosten soll, ergibt sich daraus ein notwendiges Korrektiv. Außerdem spricht gegen den Fatumgedanken, daß der Mensch den Höchsten zum Zorn reizen kann und dadurch sein Schicksal selbst herausfordert; vgl. 5,5; 7,16f. Daß und wie sich der Mensch angesichts des drohenden Todesgeschicks verhalten kann und soll, lehrt schließlich der im folgenden zu besprechende Text 9,7-10.

3.3. Ein israelitisches Trinklied Zwischen den beiden Reflexionen über Schicksal und Tod hat Kohelet in 9,710 einen weiteren Aufruf zur Lebensfreude eingeschoben, der sich nach Form und Inhalt von den bisherigen carpe cfte/n-Stellen eindrucksvoll unterscheidet.440 Seine Eigenart ist in zweierlei Hinsicht zu bestimmen. Einerseits kennzeichnet den Text ein Neben- und Ineinander von Poesie und Prosa, so daß man von einem Übergang zwischen freien Rhythmen und poetischen Versen gesprochen hat.441 Andererseits verweisen die darin verarbeiteten Motive zurück auf das Gilgamesch-Epos442 und weitere Vergleichstexte aus dem Alten Orient.443 Obwohl die Gemeinsamkeiten mit dem älteren Überlieferungsgut beträchtlich sind, gilt der Forschung heute als sicher, daß keine literarischen 440 Vgl. Whybray, NCeB, S. 143f. 441 Vgl. Gordis, Koheleth, S. 302f; dazu Lauha, BK, S. 9f. 442 Vgl. Tafel X, Kol. III Ζ 3-13; dazu J. de Savignac, La Sagesse du Qôhéléth et l'épopée de Gilgamesh, VT 28 (1978), S. 318-323. Nach Auskunft von Hertzberg, ΚΑΤ, S. 179, hat erstmals H. Grimme, Babel und Koheleth-Jojakhin, OLZ 8 (1905), Sp. 432-438, auf die Parallele hingewiesen. Seitdem wird sie von den Kommentatoren häufig zitiert; vgl. ζ. B. Gordis, Koheleth, S. 303; Loretz, Qohelet, S. 117; Galling, HAT, S. 113f; Lauha, BK, 169f; Crenshaw, OTL, S. 162; Murphy, WBC, S. 93. 443 Galling, HAT, S. 114, verweist ferner auf die ägyptischen Harfherlieder; vgl. H. Greßmann (Hg.), Altorientalische Texte zum Alten Testament, 2. Aufl. Berlin/ Leipzig 1926, S. 29; A. Hermann, Altägyptische Liebesdichtung, Wiesbaden 1959, S. 158: "Darum: Feiere den schönen Tag, Gottvater! Bring Balsam und Öl zusammen an deine Nase. Kränze von Lotos und Liebesfnichte an deinen Leib, indem deine 'Schwester', die du liebst, neben dir sitzt." (Grab des Neferhotep, Theben, Ende des 14 Jh. v. Chr.). Zu weiteren Motivparallelen vgl. noch F. Dornseiff, Das Buch Prediger, ZDPM 89 (1935), S. 244-246.

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Abhängigkeiten vorliegen.444 Beiden Befunden wird die Auslegung Rechnung tragen müssen und sich die Frage stellen, wie sich die sprachliche Eigenart der Verse erklärt. Im Rückblick auf die bereits untersuchten Kompositionen 5,96,9 und 7,1-22 ist zunächst festzuhalten, daß Kohelet den von uns als Lehrrede bezeichneten und stärker argumentativen Text 5,9-6,9 vornehmlich in Prosa formuliert hat, während er im Schultext 7,1-22 traditionelles Spruchgut zitiert und selbst in seinen Erläuterungen auf poetische Formen zurückgegriffen hat. Deswegen ist die Vermutung nicht von der Hand zu weisen, daß in 9,7-10 ebenfalls traditionelles Überlieferungsgut eingeflossen ist. Neuerdings hat Oswald Loretz in dieser Frage einen wesentlichen Fortschritt erzielt und mithilfe der Kolometrie nachgewiesen, daß in V. 7-10 das Fragment eines älteren israelitischen Trinklieds enthalten ist, "in dem Wein, Weib und Gesang gepriesen werden."445 Sein Ergebnis wird dadurch bestätigt, daß hier gegenüber den von Kohelet formulierten carpe t&e/w-Stellen eine spezielle Einleitungsformel fehlt und die Empfehlung durch die im Liedfragment verwendeten Imperative in überraschender Weise verstärkt wird. Da wir der kolometrischen Untersuchung des Textes durch Loretz im wesentlichen beipflichten, bieten wir nachfolgend die rekonstruierte Fassung des Liedfragments in Übersetzung (Auslassungen sind durch eckige Klammern gekennzeichnet): (7) Auf iß dein Brot mit Freuden/ und trink' fröhlich deinen Wein!/

14 14

(8) [ ] Deine Kleider seien weiß/ und an Öl soll's deinem Haupt nicht mangeln!/ (9) Genieße das Leben mit einer Frau/ [ ]

14 16 12

44«

444 Gegen H. L. Ginsberg, The Quintessence of Koheleth, in: Biblical and Other Studies, ed. by Α. Altmann, Studies and Texts I, Cambridge, Mass. 1963, S. 58f. Zur Sache vgl. Hertzberg, ΚΑΤ, S. 60-63; Galling, HAT, S. 113; O Loretz, Altorientalische und kanaanäische Topoi im Buche Kohelet, UF 12 (1980), Neukirchen-Vluyn 1981, S. 270f; Whybray, Ecclesiastes, OTGuides, S. 55-57. 445 O Loretz, "Frau" und griechisch-jüdische Philosophie im Buch Qohelet (Qoh 7,238,1 und 9,6-10), UF 23 (1991), Neukirchen-Vluyn 1992, S. 255-260 (Zitat S. 256); vgl. bereits ders., Topoi, S. 267-271. 446 Die zweite Hälfte des Bikolon ist ausgelassen und wird durch die folgende Kommentierung ersetzt; vgl. Loretz, "Frau", S. 257.

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Loretz vermutet weiter, daß das Lied ursprünglich zu Trinkgelage und Liebesgenuß mit der Dirne ermuntert habe, jedoch bereits seit längerer Zeit den pädagogischen Bedürfnissen der israelitisch-jüdischen Weisheitslehrer adaptiert worden sei. Dabei zeigten die Zusätze n y t O l in V. 8 und ~Ί\ϋΝ Π1ΠΝ in V. 9, daß die Aufforderung in der Überlieferung der Weisheitsschule zeitlich verallgemeinert und auf die Ehefrau bezogen worden ist.447 Mit dieser glaubhaften Hypothese verbindet sich bei Loretz freilich eine ganz eigenwillige Sicht des Buches Kohelet, insofern er mittels der Unterscheidung von Poesie und Prosa eine dreifache jüdische Auseinandersetzung mit der griechischen Philosophie zu entdecken meint:448 Erstens findet er eine in Prosa formulierte und mit dem Namen Kohelet zu verbindende Argumentation. Zweitens ermittelt er eine stärker der weisheitlichen Tradition verpflichtete und sich der Poesie als Ausdrucksmittel bedienende Redaktion. Drittens rechnet er mit Glossatoren, die den als Ergebnis dieser Redaktion entstandenen Text weiter ausbauen. Für den vorliegenden Abschnitt 9,7-10 ergibt sich aus seiner Sicht, daß die Argumentation von V. 6 ursprünglich mit V. 10 fortgesetzt und das Lied V. 7-9* erst nach Kohelet(!) von einer konservativ orientierten Redaktion eingefügt worden sei, um die düsteren Gedanken Kohelets etwas aufzuhellen. Anschließend habe es eine Erweiterung durch mehrere Hände erfahren.449 Zur kritischen Prüfung seiner Textauffassung setzen wir bei V. 9 ein. Wie oben festgestellt fehlt in V. 9a das zweite Kolon des ursprünglichen Lieds. An seiner Stelle wird es in Prosa fortgeführt, wie die Verwendung der Relativpartikel und die Überlänge des Halbverses erkennen lassen. Dabei legt sich die Vermutung nahe, daß die Dichtung ganz bewußt nur in einem begrenzten Umfang zitiert worden ist. Sie bestätigt sich durch die Beobachtung, daß das Liedfragment in seiner Aufforderung zum Essen, Trinken und Genießen eine ähnliche Trias spiegelt, wie sie für die Formulierung des carpe diem bei Kohelet ausgesprochen typisch ist; vgl. 2,24; 3,13; 5,17; 8,15. Sodann fallt auf, daß die Fortsetzung in V. 9a nicht nur charakteristisches Formelgut Kohelets verwendet,480 sondern mit der Erinnerung an die Flüchtigkeit des menschlichen Daseins einen Kerngedanken in den Aufruf zur Freude einträgt. Sie dient der 447 Vgl. Loretz, "Frau", S. 257f. 448 Zu den grundsätzlichen Erwägungen vgl. O. Loretz, Anfänge jüdischer Philosophie nach Qohelet 1,1-11 und 3,1-15, UF 23 (1991), Neukirchen-Vluyn 1992, S. 223-244. 449 Vgl. Loretz, "Frau", S. 256f. 450 Vgl. dazu die Übersicht oben auf S. 53 Anm. 232.

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Mahnung, daß der Mensch in seiner kurzen Lebensfrist das einzig mögliche Glück nicht versäumen soll; vgl. 1 l , 9 f .45! Schließlich sticht ins Auge, daß V. 9b mit pt»n einen zentralen theologischen Begriff in Kohelets spezifischer Verwendungsweise aufgreift.452 Dabei gibt die an den positiven Schicksalsbegriff angefügte Zeitbestimmung • » Γ Ί Ι zu erkennen, daß hier in beabsichtigter Anknüpfung an V. 6 nachdrücklich auf das Diesseits verwiesen und die Liebe zu einer Frau ausdrücklich als der von Gott gewährte Anteil an dieser Welt verstanden wird. Die Dichte des fur Kohelet typischen Vokabulars sowie der theologische Duktus beseitigen jeden Zweifel, daß es sich bei V. 9 nicht um das Werk von Glossatoren handelt, sondern um den theologischen Kommentar Kohelets, der das Liedfragment aufgrund seiner Entsprechung zu der Trias Essen, Trinken, Genießen im vorliegenden Umfang aufgenommen und seiner Aussageabsicht ein- und untergeordnet hat. Mithin haben wir einen sicheren Ausgangspunkt zur Beurteilung des Textes und der Kohelet eigenen Arbeitsweise im Umgang mit Traditionsgut gewonnen. Zugleich ergibt sich aus dem redaktionsgeschichtlichen Befund, daß Kohelets Aufforderung zum glücklichen Leben mit der geliebten Frau nicht zu der Warnung in 7,26-29453 im Widerspruch steht. Denn dort beurteilt Kohelet die Frauen nicht generell negativ, sondern bezieht seine Wertung mittels eines restriktiven Relativsatzes auf den traditionellen Topos der fremden Frau, für die nach weisheitlicher Überlieferung das Fangnetz als Bild ihrer Verfuhrungskunst verwendet wird.454 In ähnlicher Weise hat es in 9,9 den Anschein, daß Kohelet in seiner Fortfuhrung des Lieds die Frau wiederum durch einen Attributsatz näher bestimmt und sie hier einschränkend als geliebte Frau und wahrscheinlich als Ehefrau

451 Wie in 11,10 kennzeichnet ^ Ι Π auch in 9,9 die Vergänglichkeit; vgl. Bartelmus, Haben oder Sein, S. 62; dazu Michel, Eigenart, S. 40-43. 452 Zur ausführlichen Besprechung von ρ^Π vgl. oben S. 75ff. 453 Zu neueren Versuchen einer Auslegung dieses enigmatischen Textes vgl. K. Baltzer, Women and War in Qohelet 7:23-8: la, HThR 80 (1987), S. 127-132; Michel, Eigenart, S. 225-238; Th. Krüger, "Frau Weisheit" in Koh 7,26?, Bib 73 (1992), S. 394403; Loretz, "Frau", S. 247-254; sowie die von H.-F. Richter auf dem SBL-Kongress 1993 in Münster vorgetragenen Überlegungen zu Kohelets Urteil über die Frauen (Zu Koh 7,26.28 und 9,9 in ihrem Kontext). 454 Vgl. die oben zitierte Stelle Prov 7,22f; dazu Prov 23,27; Sir 9,3. Zum Topos der fremden Frau vgl. jetzt Christi Maier, Die "fremde Frau" in Proverbien 1-9. Eine exegetische und sozialgeschichtliche Studie, OBO 144, Freiburg, Schweiz/ Göttingen 1995.

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verstanden wissen will.455 Auf dem Hintergrund der von Loretz vermuteten ursprünglichen Intention des Trinklieds als Ermunterung zur freien geschlechtlichen Liebe entspricht Kohelets Auslegung den weisheitlichen Moralvorstellungen seiner Zeit.456 Daß er das Leben mit der geliebten Frau als von Gott (dem Mann!) gewährte Gabe begreift, spiegelt sich ebenso in der traditionellen Weisheit, wovon Prov 18,22 ein anschauliches Beispiel gibt:457 (22) Wer eine Frau gefunden, hat Glück gefunden/ und das Wohlgefallen Jahwes erlangt.*** Behalten wir die traditionelle Wertung im Auge, daß die Weisen einerseits vor derfremden Frau als einer bedrohlichen Falle warnen und andererseits das Zusammenleben mit der geliebten Frau als Geschenk Gottes betrachten, besitzen wir eine Handhabe zur Beurteilung der zwischen das erste und zweite Bikolon des Trinklieds eingeschobenen O-Glosse. Hier in V. 7b bezieht sich das von Gott zuvor gebilligte Tun ganz konkret auf das Genießen einer festlichen Tafel,459 wie es in V. 7a empfohlen wird und in den Festbanketten der Jerusalemer Oberschicht in den Tagen Ben Siras seinen Nachhall findet.440 Mithin liefert der Zusatz in V. 7b eine theologische Begründung dafür, daß man solch beherzter Aufforderung folgen und die Gelegenheit zu festlicher Fröhlichkeit nicht verstreichen lassen soll. Denn Gott gefallt es, wenn der Mensch die Gunst der Stunde nutzt und die Freude des Augenblicks ergreift,

455 Der Relativsatz ersetzt möglicherweise die Determination des Nomens durch den Artikel. Dabei dürfte die Relativpartikel als Determinativ dienen und ein ideelles Genitiwerhältnis umschreiben; vgl. Meyer, Grammatik III, § 115,5. Beide Befunde in 7,26 und 9,9 sowie ihr traditioneller Hintergrund erlauben kein generelles Urteil über Kohelets Verhältnis zu den Frauen. 456 Vgl. ζ Β. Prov 5,18-23 und dazu Meinhold, Sprüche, Teil 1, ZBK, S. 105f. 457 Vgl. noch Sir 26,3 (pïΠ); 36,29 sowie das Lob der tüchtigen Frau in Prov 31,10-31. 458 Zu dieser Wendung vgl. auch Prov 8,35; 12,2; Sir 4,12. 459 Abgesehen von der kontextuellen Deutung machen die beiden Suffixe der 2. sg. m. in V. 7a eine solche Beziehung wahrscheinlich. Zur Sache vgl. bereits Hitzig, KEH, S. 191; weiter Galling, HAT, S. 113; Fox, Contradictions, S. 259; Whybray, NCeB, S. 144. 460 Festliche Gelage hat es in Israel bereits in vorhellenistischer Zeit gegeben; vgl. nur Jes 5,22; 28,1 und nicht zuletzt 22,13. Für die hellenistischen Bankettsitten in Jerusalem bietet Sir 32,1-13 ein erstes Zeugnis; vgl. Marböck, Weisheit im Wandel, S. 162-164; ferner die Bemerkung von Skehan / Di Leila, Ben Sira, AncB, S. 207, daß in dieser Zeit offenbar auch ein Toter in Jerusalem durch ein festliches Bankett geehrt werden konnte.

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hat er doch selbst eine Zeit fur das Lachen und eine Zeit fur das Weinen bestimmt; vgl. 3,4; 7,14. Im Grunde sind Sinn und Absicht der Glosse deutlich. Dennoch bereitet das im Alten Testament nur bei Koh belegte temporale Adverb ΊΧ3 461 Schwierigkeiten, dessen Bedeutung die Lexika mit bereits, längst462 angeben. Seine zeitliche Unbestimmtheit dürfte mit zu einer Überinterpretation der Stelle beigetragen haben. Nicht selten ist der Vers so verstanden worden, daß es Gott von alters her so eingerichtet habe, daß der Mensch fröhlich sein soll.'1*3 Darüber hinaus wollte man in V. 7b einen Hinweis auf Gott als den fernen Urheber der Welt finden, der die Lebensfreude als relativen Gewinn von alters her pauschal legitimiert habe.464 Jedoch konnte Antoon Schoors jetzt zeigen, daß für das späthebräische Wort HID die Ansetzung einer Bedeutung vor langer Zeit völlig zweifelhaft ist und durch das Mittelhebräische der tannaitischen Periode nicht bestätigt wird.445 Bleibt man bei der unbestimmten Bedeutung schon,466 kennzeichnet das Adverb lediglich, daß Gottes Zustimmung der Freude zeitlich vorausliegt. Darin aber entspricht die inhaltliche Aussage von 9,7 genau dem in 5,19 greifbaren theologischen Anliegen, daß man nicht ins Grübeln verfallen, sondern fröhlich sein soll, wann immer sich Gott zuwendet und das Glück des Augenblicks ermöglicht.467 Dabei unterstreicht die sich in 6,1-6 anschließende Reflexion nochmals ausdrücklich, daß der Genuß der Lebensgüter in jedem Fall von Gottes Wohlwollen abhängig ist; vgl. 2,24-26. Mithin besteht keinerlei Anlaß, die Glosse V. 7b der Hand des zweiten Epilogisten oder eines sonstigen Bearbeiters zu-

461 Vgl. 1,10; 2,12.16; 3,15; 4,2; 6,10; 9,6.7. 462 Vgl. Gesenius 334a; Hai 438b; und Jastrow 609b "OD II: a long time since, long ago, already, once. Vgl. dazu Isaksson, Studies, S. 140: "Besides determining the time level, ifbw· also gives the action a nuance of perfectivity." 463 Vgl. ζ. Β. Hertzberg, ΚΑΤ, S. 178; Lohfink, NEB, S. 67; Schwienhorst-Schönberger, "Nicht im Menschen", S. 201; und Michel, Eigenart, S. 178f, der V. 7b als polemische Spitze gegen andere Aussagen über Gottes Wohlgefallen verstanden wissen will. 464 Vgl. Müller, Qohälät, S. 517. 465 Vgl. Schoors, Preacher, S. 116f; und schon Siegfried, HK, S. 67. Darüber hinaus begründet Schoors, daß der aramäische Ursprung des Wortes nicht gesichert ist, obwohl es in der Regel als Aramaismus verzeichnet wird; vgl. Wagner, Aramaismen, S. 64, Nr. 126; Delsman, Sprache, S. 346. 466 Es ist nicht uninteressant, daß der Syrer das Wörtchen nicht übersetzt und offenbar für das Verständnis als überflüssig erachtet hat. Vgl. jedoch Kamenetzky, P'sita, S. 227, der eine Haplographie in der hebräischen Vorlage erwägt. 467 Auf die sachliche Beziehung zwischen 5,19 und 9,7 verweisen Levy, Qoheleth, S. 118; Lauha, BK, S. 169.

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zuweisen. Sie stammt von keinem anderen als von Kohelet selbst, der das Lied glossiert und seiner Argumentation angepaßt hat.448 Die Erkenntnis, daß Kohelet in das zur Fröhlichkeit ermunternde Trinklied V. 7-9* diesen theologischen Kommentar eingeflochten hat, besitzt freilich für das Gesamtverständnis des Büchleins fundamentale Bedeutung. Selbst Ausleger, die für Kohelet eine pessimistische Grundeinstellung ansetzen, müssen zugeben, daß an dieser Stelle sein Gottesbild persönliche Züge gewinnt.449 Wie Kohelet überzeugt ist, daß die bösen Zeiten willkürlich den Menschen überfallen, ist er auch überzeugt, daß Gott die guten Zeiten bestimmt und dadurch die Möglichkeit eines glücklichen Lebens bereitstellt. Nutzt der Mensch also die ihm gewährte Stunde, darf er sich in Einklang mit Gott wissen. Mithin handelt er nicht nur weise, sondern fromm, wenn er sein zugewiesenes Glück entgegennimmt und damit den göttlichen Willen erfüllt.470 Das fortführende Bikolon des Trinklieds in V. 8 versetzt deutlich in festliche Stimmung, wofür das weiße Gewand als Festtagskleid471 und die Verwendung von vermutlich kosmetischen Ölen sprechen, wie sie im Altertum zu solchen Anlässen verwendet wurden. Auffällig ist die in der kolometrischen Untersuchung als Glosse identifizierte Näherbestimmung zu jeder Zeit an die Spitze des Aufrufs gestellt. Auch sie ist Kohelet selbst zuzuweisen, und zwar weniger aufgrund seines charakteristischen Schlüsselbegriffs TIV472 als aufgrund ihrer theologischen Absicht. Denn der Zusatz ist offenbar nicht wörtlich zu verstehen, als ob Kohelet zu täglichen Festivitäten aufrufen wollte. Der jetzige Kontext erzwingt vielmehr die Deutung, daß der Mensch zu jeder Zeit

468 Vgl. Delitzsch, BC, S. 353: "Der Ged. ist ganz im Geiste des B. Koheleth, denn Frucht der Arbeit und Genuß dieser Frucht der Arbeit ist, wie 2,24; 3,13 u. ö. gesagt wird, eine Gabe von oben, und übrigens ließ sich dies dem Angeredeten sagen, da 7' voraussetzt, daß er über herzstärkendes Brot und herzerfreuenden Wein verfugt." 469 Vgl. bereits Budde, HSAT(K), S. 437: "Kein Pessimismus ist konsequent." und "Die einzige Erwähnung Gottes in freundlichem Sinn im ganzen Buche." Vgl. weiter Hertzberg, ΚΑΤ, S. 231; Hengel, Judentum und Hellenismus, S. 223; ferner Lang, Mensch, S. 117; Müller, Neige, S. 251. Doch fehlt es auch nicht an Versuchen, die Aussage abzuschwächen; vgl. z. B. Lauha, BK, S. 169. 470 Vgl. P. Kleinert, Zur religions- und kulturgeschichtlichen Stellung des Buches Koheleth, ThStK, S. 522; weiter Ogden, Readings, S. 152; Klopfenstein, Freude, S. 104. 471 Vgl. Gen 41,42; Prov 31,22; Est 8,15 und das nach Ex 28,5.29; 39,27 ebenfalls aus Byssus gefertigte kostbare Priestergewand; vgl. dazu HAL 1534a. 472 Die Wendung P y t m ist der Weisheit auch sonst geläufig; vgl. Ps 34,2; 62,9; 106,3; 119,20; Hi 27,10; Prov 5,19; 6,14; 8,30. Nur in Prov 17,17 begegnet sie in betonter Anfangsstellung.

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bereit sein soll, das von Gott zuvor gebilligte und geschenkte Glück zu genießen und es nicht zu verpassen. Bedenkt man, daß die glückliche Stunde als solche zu den von Gott determinierten Zeiten gehört, wird deutlich, daß Kohelet mit dieser Textergänzung seine Schüler dazu auffordern wollte, die Gabe der Freude anzunehmen, wann immer sie Gott ihnen gewährt. Rückblickend hat sich uns die Beurteilung der dem Lied ein- und zugefugten Kommentare durch Loretz im ganzen nicht bestätigt. Vielmehr haben sich uns sämtliche es ergänzende Glossen als der Sprache und Diktion Kohelets entsprechend erwiesen. Deshalb können wir festhalten, daß Kohelet das ursprüngliche Trinklied der Tradition entlehnt und zu einer eindrucksvollen und in seinem Sinne begründeten Aufforderung zum carpe diem ausgestaltet hat. Dabei tritt seine Absicht ebenso in seinem Kommentar in V. 7b wie in den Ergänzungen des Liedfragments in V. 9* und 10 hervor.473 Durch diese Bearbeitung ist aus dem israelitischen Trinklied eine kleine Lehrrede geworden. Ihren Abschluß bildet der sich in seiner ersten Hälfte rhythmisch an die bikolare Struktur des Trinkliedes anlehnende Vers 10. Durch Kohelets eindringlichen Aufruf zum Tätigsein finden wir unser Gesamtverständnis bestätigt, daß er weder zur Resignation aufgefordert noch einen Quietismus gelehrt hat. Zugleich zeigt der Rat, daß der Mensch trotz seines in den beiden Reflexionen 9,1-6 und 9,1 lf erklärten Ausgeliefertseins an Zeit und Geschick dennoch im Rahmen seiner Möglichkeiten durch persönlichen Einsatz sein Leben gestalten muß und zu gestalten vermag. Zu dieser Deutung berechtigt uns die V. 10a zugrundeliegende Wendung Tue, was deine Hand findet!, die sich nicht auf das Zufallige der Situation bezieht, sondern auf die Fähigkeit und Möglichkeit einer Person, etwas zu tun, was in ihrer Macht steht.474 Und sie bestätigt sich durch den Verweis in V. 10b, daß der Mensch in der Unterwelt eben dieses Vermögens beraubt und sein Tun und Planen wirkungslos geworden ist. Dabei umschreiben die beiden Begriffe HVUVQ und "plVLin die nicht zuletzt auf

473 Soviel sei festgestellt, auch wenn wir damit nach Loretz, Anfänge, S. 240, weiterhin dem Phantom eines Kohelet-Textes nachjagen und uns vermutlich unter den Unitariern der Ausleger eingereiht finden müssen. 474 Vgl. I Sam 10,7; dazu Lev 12,8; Jdc 9,33; I Sam 25,8; Jes 10,14 und die ausfuhrliche Besprechung der Wendung bei L. Schmidt, Menschlicher Erfolg und Jahwes Initiative, WMANT 38, Neukirchen-Vluyn 1970, S. 74-77.

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materielle Existenzsicherung ausgerichtete menschliche Aktivität,475 zu deren Gelingen JiyT und η θ 3 Π als die intellektuellen Fähigkeiten beitragen. Obwohl Kohelet in 9,1 l f ausführt, daß alles menschliche Bemühen wegen der unkalkulierbaren Zeitumstände vom Scheitern bedroht ist, besitzt sein Aufruf zum Handeln hier wie in 7,18 und 11,1-6 eindeutig positiven Klang und erweist sich als ein grundlegender Gedanke seiner Lehre.476 Die sachliche Affinität zu der Spruchgruppe 11,1-6 rechtfertigt es jedoch nicht, V. 10 von seinem vorausgehenden Kontext abzulösen und als Rahmenvers zu isolieren.477 Dagegen spricht nicht zuletzt V. 10b selbst mit seiner abschließenden Erinnerung an die Todesverfallenheit des Menschen. So stehen V. 7-9 und V. 10 in einer engen und für die Auslegung bedeutsamen Verbindung. Es ist der fundamentale Zusammenhang zwischen carpe diem und memento mori, wie er dem Topos eigen478 und in der jüdischen Weisheit beispielsweise durch Sir 14,1 l f belegt ist:479 (11) Mein Sohn, wenn du etwas hast, diene480 dir selbst/ und wenn du etwas hast, tue dir Gutes/

475 Die merkantile Bedeutung von wie sie das Ugaritische und Biblisch-Aramäische belegen, ist noch deutlich zu erkennen; vgl. K. Seybold, Art. UVJn, ThWAT III, Sp. 244f; und die von Dahood, Influence, S. 221, zusammengestellte Liste kaufmännischer Termini im Buch Kohelet. 476 Vgl. dazu P. Kleinen, Sind im Buche Kohelet außerhebräische Einflüsse anzuerkennen?, ThStKr 56 (1883), S. 773. "Unter den markigsten Betonungen der Aktivitätspflicht im Alten Testament wird man die des Koheleth nicht missen mögen." 477 Gegen Backhaus, "Zeit und Zufall", S. 268f mit Anm. 16 und S. 272f. Zur Abgrenzung vgl bereits zutreffend Hitzig, KEH, S. 191; weiter Hertzberg, ΚΑΤ, S. 179f; Whybray, NCeB, S. 139f. 478 Vgl. ζ. B. Gilgamesch-Epos, Tafel X, Kol. III Z. 3-13; Zwei Harfnerlieder aus dem Grab des Gottvaters Neferhotep, Ende des 14. Jh. v. Chr. (J. Assmann, Ägyptische Hymnen und Gebete, in: TUAT II/6, Gütersloh 1991, S. 906-908); Inschrift aus dem Grab des Petosiris, 3. Jh. v. Chr. (H. Stemberg-el Hotabi, F. Kämmerzell und B. Ockinga, Ägyptische Totentexte und Votivinschriften, in: TUAT II/4, Gütersloh 1988, S. 531, Z. 3f); Grabstele der Taiemhotep, 1. Jh. v. Chr. (TUAT II/4, S. 543f, Ζ. 16f); femer Paplns 18,6 (Brunner, Altägyptische Weisheit, Nr. 17, Z. 394, S. 325). 479 Vgl. auch Sir 14,16; Koh 11,7-12,la und dazu Klein, Kohelet, S. 151f. Unverständlich bleibt uns allerdings seine Feststellung auf S. 113: "Kohelet jedoch hat mit der Verbindung von 'Carpe diem!' und 'Memento mori!' die Grenze der alttestamentlichen Gottesaussagen erreicht, wenn nicht schon überschritten. Die Aufforderung, im Genuß der Lebensfreude des eigenen Todes zu gedenken, tut Kohelet gegen den von ihm erkannten Willen Gottes." 480 Imp. sg. m. Zur Schreibung ΓΙΉΥ) vgl. E. Qimron, The Hebrew of the Dead Sea Scrolls, HSS 29, Atlanta, Gorgia 1986, S. 39f.

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und steht es in deiner Macht,m dann sättige dich!491/ (12) Bedenke, in der Unterwelt gibt's keine Lustm/ und der Tod zögert nicht/ und die Frist4*4 bis zur Unterwelt kündet dir keiner! Die Erinnerung an die Unterwelt, in der sämtliche Betätigung des Menschen zum Erliegen kommt und alle seine Emotionen erloschen sind, dient der eindringlichen Motivation, daß er seine Zeit wirklich nützt und nach Gottes Willen sein Glück auskostet. Es liegt in der Konsequenz dessen, daß Kohelet durch seine Schilderung der Unterweltsexistenz das irdische Dasein trotz seiner Flüchtigkeit und Beschwerlichkeit in ein positives Licht rückt. Daher wagen wir mit der gebotenen Vorsicht die Feststellung, daß der Weise das vergängliche und zumal unwiederbringliche Leben selbst auch als ein Geschenk begriffen hat, wenn er jeweils im Zusammenhang des carpe diem Gott als dessen Geber explizit benennt.485

Exkurs: Die Scheol im Buch Kohelet Abschließend sei die Frage gestellt, ob und inwiefern die Vorstellung der Unterwelt im Denken Kohelets ihre Bedeutung besitzt.'™6 Daß das Wort ^ÌKVJ nur an einer einzigen Stelle und zwar hier in 9,10 vorkommt, ist des öfteren vermerkt worden. Und man wird hinzufügen müssen, daß es nicht zufällig im Kontext des Liedfragments verwendet und offensichtlich durch dessen poetische Sprache angeregt worden ist. Der Befund hat in der Forschung den Anstoß zu unterschiedlichen, jedoch perspektivisch sich entsprechenden Erwägungen gegeben, nämlich daß Kohelet die Unterwelt absichtlich ignoriert habe,4*7 daß er sie entmythisiert und zur Bezeichnung für das endgültige Aufhören des Menschenlebens

481 482 483 484 485 486

Zu dieser Wendung vgl. Skehan / Di Leila, Ben Sira, AncB, S. 181 (zu Sir 5,1). Vgl. HAL 224b und z. B. 1 QS X,15; 1 QH X,26; 1 QM 11,5. Vgl. K o h 2 , 8 . Vgl. HAL 332b und Mi 7,11 ; Zeph 2,2. Vgl. 5,17; 8,15; 9,9; ferner 12,7. Zur Vorstellung der Unterwelt im alten Israel vgl. bereits E. Spieß, Entwicklungsgeschichte der Vorstellungen vom Zustande nach dem Tode auf Grund vergleichender Religionsforschung dargestellt, Jena 1877 (ND Graz 1975), S. 422-433. 487 Vgl. H. N. Bream, Life without Resurrection: Two Perspectives from Qoheleth, in: A Light unto My Path. Old Testament Studies (FS J. M. Myers), GTS 4, Philadelphia 1974, S. 54: "Apparently Qoheleth has no interest in Sheol, and since he was a keen observer and certainly knew o f the colorful traditions concerning it (see, for example 1 Sam 28; Is 14,9-20; Ezek 31,32), he seems to have ignored it intentionally."

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benutzt habe,4" und schließlich daß er das ganze gespenstische Schattenreich überhaupt gestrichen habe.'™' Als Beweisgrund scheint Kohelets radikale Sicht des Todes im vorhinein zu genügen. Bei wiederholter Durchsicht der einschlägigen Stellen ist allerdings festzustellen, daß neben dem einzigen Beleg fur die einige Synonyme im Buch Kohelet verwendet sind, die hier mitberücksichtigt werden müssen. An erster Stelle ist die in 3,20 und 6,6 benutzte und zur Bezeichnung der Unterwelt im Alten Testament singuläre Wendung ein einziger Ort zu nennen, die den gemeinsamen Versammlungsort der Toten meint.4®0 Dabei widerraten die lokale Präposition "t>K und das Verb ~ftr\ in seiner speziellen Bedeutung dahingehen einer Auflösung der konkreten Ortsvorstellung. Zweitens steht die Erde in 3,21 für die Unterwelt, wie das Verb I T 4 ' 1 und das Ortsadverb DOOt?492 sicherstellen. Drittens ist die Finsternis in 6,4 als ein poetisches Wort für die Scheol zu deuten,493 wohin die Fehlgeburt, ohne jemals die Sonne erblickt zu haben, geradewegs gelangt. Auch sonst im Alten Testament kann bloßes "fVin bereits die Unterwelt bezeichnen.4'4 In 5,16 und 11,8 wird man zudem von einer Vorschattung des Totenreichs sprechen dürfen, da Kohelet hier offenbar bewußt mit der Doppeldeutigkeit des Wortes spielt. Als ein weiteres Synonym kommt viertens das Wort Staub in 3,20 in Betracht, das in Verbindung mit dem oben genannten Versammlungsplatz der Verstorbenen steht und den Ort bezeichnet, wohin die Kreatur im Tode zurückkehrt.495 Jedoch ist in diesem Fall kaum sicher zu entscheiden, ob Kohelet nicht doch die Hinfälligkeit des Menschen entsprechend Gen 3,19; Ps 90,3; 103,14; Hi 10,9; vgl. Koh 12,7; kennzeichnen wollte und am Ende die Toten dem Staube gleichgesetzt hat.494 Schließlich läßt sich die Metapher der Grube497 in 12,6 als Andeutung der Scheol verstehen, da der folgende Vers unverhüllt von der Rückkehr des Menschen zum Staube spricht. Dabei will beachtet sein, daß zwischen dem Grab und der Unterwelt eine participation mystique besteht.49"

488 Vgl. Blieffert, Weltanschauung, S. 68, ferner S. 64. 489 Vgl. Kaiser, Tod, S. 68; dazu Kaiser, Sinnkrise, S. 98 mit Anm. 28, in der er den dort auf S. 68 übersehenen Beleg für Scheol nachträgt. 490 Vgl. dazu auch Hi 30,23. 491 Zu TV als terminus technicus für den Abstieg der Toten in die Unterwelt vgl. Gen 37,35; Ps 22,30; 28,1; 30,4.10; 55,16; 88,5; 115,17; 143,7; Hi 7,9; 33,24; Prov 1,12; 5,5; 7,27 u. ö. Vgl. dazu G. Wehmeier, Art. r ù y , THAT II, Sp. 288; ferner L. Wächter, Art. triNVJ, ThWAT VII, Sp. 904. 492 Vgl. Prov 15,24 und BHS z. St. 493 Vgl. H. Ringgren, Art. IVJn, ThWAT III, Sp. 273f. 494 Vgl. Ps 88,13; Hi 17,13; 18,18. Zum Ausdruck Land der Finsternis vgl. Hi 10,21. 495 Zu Ίον als Ausdruck für die Unterwelt vgl. Jes 26,19; Ps 22,30; 30,10; Hi 17,16; Dan 12,2; undN. H. Riddeibos, "13V als Staub des Totenortes, OTS 5 (1948), S. 174-178; L. Wächter, Art. t>iMVJ, ThWAT VII, Sp. 906. Zu 11V) in Verbindung mit der Scheol vgl. ferner Ps 9,18. 496 Vgl. H. W. Wolff, Anthropologie des Alten Testaments, 4. durchges. Aufl. München 1984, S. 172; Zimmerli, ATD, S. 222f; L. Wächter, Tod im Alten Testament, ZdZ 39 (1986), S. 41f; und Schubert, Schöpfungstheologie, S. 166: "Der Mensch ist ein erdgebundenes und erdverbundenes Wesen". 497 Vgl. HAL 112a und dort die Belege zu der bezeichnenden Wendung die in die Grube hinabfahren. 498 Vgl. z. B. Jes 14,9-17 mit 14,18-21.

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Setzt man die aufgewiesenen Synonyme499 mit den sonstigen spärlichen Angaben im Buch Kohelet über das Dasein der Toten ins Verhältnis, ergibt sich ein stimmiges Bild: Die Scheol ist als Versammlungsort der Toten vorgestellt, in den sie unterschiedslos eingehen; vgl. 2,15f; 3,19f; 6,6; und dort in Selbstvergessenheit verharren; vgl. 9,5f; 9,10. Dabei bedeutet die Schattenexistenz in der Unterwelt eine absolute Minderung menschlicher Vitalität, so daß sie geradezu mit der Vorstellung vom Tod als eines bewußtlosen Schlafs in eins fallt.500 Im Gegensatz zu der in den Klagepsalmen stets präsenten Macht der Unterwelt ist hier die Scheol als ein abgeschlossener und endgültig vom Lebensraum unter der Sonne geschiedener Bereich verstanden. Mithin bestand für Kohelet keinerlei Veranlassung, an der Vorstellung der Unterwelt zu rütteln, weil er den Tod entsprechend als definitive Trennung vom Diesseits betrachtet hat. Vielmehr wird ihm die Scheol zum Sinnbild dafür, daß der Tod keinen Ausgleich für die gerechten Taten und das erlittene Unrecht bringt und dort drunten im Schattenreich alle Unterschiede aufgehoben sind.501 Bedenken wir schließlich, daß auch die frühen Apokalyptiker die Wirklichkeit der Scheol nicht bezweifelt, sondern gerade dort durch ihre Umdeutung als Straf- und Aufbewahrungsort der Verstorbenen die Voraussetzungen der Auferstehungshoffnung geschaffen haben,502 kommen wir zu dem Ergebnis: Kohelet hat nicht anders als seine Zeitgenossen die Vorstellung der Unterwelt geteilt. Zugleich hat er sie angemessen expliziert, indem er die Scheol nicht nur als Ort der Welt- und Gottabgeschiedenheit der Toten, sondern auch als Ort des völligen Erlöschens menschlicher Regungen begriffen hat.503 Gemessen an der Bedeutung für die Theologie Kohelets tritt die Vorstellung des Schattenreichs jedoch hinter den Gedanken des heimtückischen Todesgeschicks zurück, das die Menschen plötzlich und unvorbereitet trifft, so daß sie, ob sie wollen oder nicht, ins Totenreich hinabfahren müssen. Deshalb kann der Weise das irdische Leben geradezu als ein Unterwegs zur Unterwelt qualifizieren; vgl. 9,10.

499 In 5,14 konnten wir keinen Hinweis auf die Unterwelt finden. Hier ist der Erdboden als mütterlicher Schoß gemeint, wohin der Mensch im Tode zurückkehrt; vgl. dazu Ps 139,13; Hi 1,21; Sir 40,1; und H.-P. Müller, Weisheitliche Deutungen der Sterblichkeit, in: Mensch - Umwelt - Eigenwelt, Stuttgart/ Berlin/ Köln 1992, S. 77-80. 500 Vgl. Hi 3,13; 14,12 und dazu Kaiser, Tod, S. 28. Vgl. ferner Piaton, Apologia 40cd. 501 Vgl. auch Hi 4,14-18*. Mit G. Fohrer, Das Buch Hiob, ΚΑΤ 16, 2. Aufl. Gütersloh 1989, S. 111, betrachten wir V. 16 als sachliche Übersteigerung, die nachträglich eingeschoben und stilistisch durch die Wiederholung von ÌN in den Zusammenhang eingebunden ist. 502 Zur Umdeutung der Scheol als Gerichtsort vgl. Jub 7,29; 22,22. Zur Vorstellung des Aufenthaltsorts der Totengeister vgl. bes. Hen 22; dazu die Fragmente 4 QEnd für 22,13-24 und 4 QEnc für 22,3-7 bei K. Beyer, Die aramäischen Texte vom Toten Meer, Göttingen 1984, S. 241. Der Verfasser des angelologischen Buchs lokalisiert darin die Scheol im Westen und unterscheidet vier Kammern, in denen die Totengeister ( m n n ) bis zu einem festgesetzten Zeitpunkt getrennt aufbewahrt werden. Der Wandel in der Unterweltsvorstellung zeigt sich erstens in einer Differenzierung unter den Toten, zweitens im Verständnis eines zwischenzeitlichen Aufenthalts in der Unterwelt und drittens in einer Aufwertung des Schattendaseins für die Gerechten, die in einer hellen Kammer mit einer Wasserquelle wohnen. Ihr Aufenthalt wird quasi als Vorstadium des Heils begriffen. Zur Sache vgl. Marie Theres Wächter, Weltordnung und Gericht, FzB 45, Würzburg 1982, S. 178-200. 503 Vgl. P. Hoffmann, Die Toten in Christus, NTA Neue Folge 2, Münster 1966, S. 74; Schoors, Perspective, S. 302f.

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Kapitel II. Kompositionsanalysen 4. Wenn dunkle Wolken wiederkehren

(11,1-12,7)

4.1. Übersetzung (1) "Schicke dein Brot über die 504

denn nach

Wasserfläche,/

vielen Tagen wirst du es wiederfmden. "

(2) "Verteile (dein) Kapital auf sieben oder gar acht,/ denn du weißt nicht, welches Unglück auf Erden geschehen wird. " (3) - Wenn sich die Wolken füllen,/ ergießen sie Regen auf die Erde. - Und wenn ein Baum nach Süden oder nach Norden fällt, wohin der Baum auch fällt, dort bleibt er (liegen)****. (4) "Wer immerzu den Wind beobachtet, sät nicht/ und wer immerzu den Wolken nachschaut, erntet nicht!" (5) - Wie du nicht weißt, auf welchem Weg der Odem506 z«507 die Gebeine im Bauch der Schwangeren gelangt, genauso weißt du nicht um das Tun Gottes, der alles wirkt. (6) "Am Morgen säe deine Saat/ und bis zum Abend laß' deine Hand nicht ruhn. "

504 Wörtlich: in einer Menge an Tagen. Zur obigen Übersetzung vgl. Schoors, Preacher, S. 195. 505 Punktiere mit BHS . Das Verb ist von Din II werden, bleiben abzuleiten und als Aramaismus ausgewiesen; vgl. HAL 232a und Wagner, Aramaismen, S. 45 Nr. 72; Delsman, Sprache, S. 346. Zur ausführlichen Besprechung der Stelle und alternativer Vorschläge vgl. Schoors, Preacher, S. 42f, 99f; ferner Whitley, Koheleth, S. 93 mit Anm. 8. 506 Kohelet spielt hier mit der Doppeldeutigkeit des Wortes ΓΤΓ), das als Stichwort V. 4 und 5 verbindet. Zum deutschen Wort Odem vgl. J. Grimm / W. Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 17, Leipzig 1889, Sp. 1147f. 507 Lies D'OVVI; vgl. BHS z. St. und bereits H. Graetz, Kohélet JÛDp oder der salomonische Prediger, Leipzig 1871, S. 130; Ehrlich, Randglossen VII, S. 102; Levy, Qoheleth, S. 129; Gordis, Koheleth, S. 332; Galling, HAT, S. 119; Loader, Structures, S. S. 68; Crenshaw, OTL, S. 180f; Fox, Contradictions, S. 276; Whybray, NCeB, S. 160. Wer trotzdem mit MT auskommen möchte, sollte gemäß der Satzstruktur HDD ... "IVJND und der fehlenden Kopula vor O^O^yD nicht mit zwei verschiedenen Beispielen in V. 5aa und 5aß rechnen, sondern einen einpoligen Vergleich mit Ellipse von "[Π annehmen: Wie du nicht weißt, auf welchem Weg der Odem gleich den Gebeinen in den Bauch der Schwangeren gelangt, genauso ... Zu ρ ... "IVJíO als rhetorische Formel vgl. noch M. Fishbane, Biblical Interpretation in Ancient Israel, New York 1985 (Reprinted Oxford 1989), S. 352 mit Anm. 97.

150

Wenn dunkle Wolken wiederkehren (11,1-12,7)

- Denn du weißt nicht, was508 gelingt, ob das eine oder das andere oder ob beides zusammen glückt. (7) Und: "Süß ist das Licht und glücklich sind die Augen, welche die Sonne sehen dürfen.,609 (8) - Denn*1" selbst wenn der Mensch viele Jahre lebt, freue er sich ihrer allei*11 und bedenke?11, daß die Tage der Finsternis viele sein werden. Alles, was kommt, ist Windhauch. (9) Freue dich Junger Mann, deiner Jugend/ undfröhlich sei dein Herr113 in deiner So folge den Wegen deines

Jugendzeit!/

Herzens/

und wohin dich deine Augen locken!/*1* WISSE ABER, DAß DICH GOTT UM ALL DIESES WILLEN INS GERICHT BRINGEN WIRD

515

(10) Entferne Kummer aus deinem Herzen/ und halte Krankheit dir vom Leib. Denn Jugend und Morgenröte sind flüchtig!

508 Nach Delitzsch, BC, S. 242, ist Dt >N hier Interrogativpronomen und vertritt gewöhnliches Dö. Vgl. die ausfuhrliche Begründung bei Schoors, Preacher, S. 57f. 509 Zur Übersetzung vgl. Ellenneier, Qoheleth, S. 304. 510 Zur kausalen Bedeutung vgl. Lohfink, NEB, S. 81; Crenshaw, OTL, S. 183; Ogden, Readings, S. 194. 511 Zum unterschiedlichen Genus zwischen Beziehungswort und Pronominalsuffix vgl. Delsman, Inkongruenz, S. 30. 512 Zur Konstruktion vgl. Schottroff, "Gedenken", S. 140 Anm. 1. 513 MT bietet das Hif. Impf. f X W von 1ΊΟ. Obwohl diese Lesart die lectio dijficilior darstellt, ist ein durch dittographiertes "pt> entstandenes Textverderbnis wahrscheinlich; vgl. Ehrlich, Randglossen, S. 102; Budde, HSAT(K), S. 440. Für das konjizierte Qal Impf, von 2Ü1 sprechen sowohl der Parallelismus als auch die gängige und durch Jdc 19,6.9; I Reg 21,7 belegte Wendung sich's wohl sein lassen, vgl. dazu ferner Rut 3,7; Koh 7,3. 514 Daß dieser Vers als ungehörig empfunden worden ist, beweist die griechische Textüberlieferung. So bieten etwa der Codex Vaticartus und der Sinaiticus ein abschwächendes μή in der zweiten Vershälfte: Und du sollst auf den Wegen deines Herzens wandeln und nicht im Schauendeiner Augen. Vgl. dazu auch Num 15,39; Sir 5,2. 515 Hierbei handelt es sich um eine orthodoxe Glosse, die den freimütigen Aufruf durch ihre Warnung vor dem Gericht Gottes einschränkt. Der Zusatz, der auffällig den poetischen Zusammenhang der beiden komplementären Bikola in V. 9aß und 10a unterbricht, läßt sich aufgrund einer entsprechenden Absicht und ähnlichen Formulierung in 12,14 zweifelsfrei der Hand des zweiten Epilogisten zuweisen.

Kapitel II. Kompositionsanalysen

151

(12,1) Und: Gedenke deines Schöpfer^16 in deiner Jugendzeit, bevor die Tage des Übels kommen und die Jahre eintreffen, von denen du sagst: SieS17 gefallen mir nicht! (2) Bevor sich die Sonne verfinstert,/das

Licht, der Mond und die Sterne,/

und die Wolken gleich nach dem Regen

wiederkehren.

(3) Zu der Zeit, da die Wächter des Hauses zittern/ und die starken Männer sich krümmen/ und die Müllerinnen ihre Arbeit einstellen, weil sie wenige geworden./ Wenn dunkel werden, die durch die Fenster schauen,/ (4) und die Türen zur Gasse geschlossen sind,/ während der Lärm der Mühle leiser wird/ und übergeht518 ins Gezwitscher der Vögel/ und alle Töne519 (nur noch) gedämpft erklingen. ( 5 ) DAZU FÜRCHTET MAN DIE ANHÖHE UND DIE SCHRECKNISSE AUF DEM W E G . 5 2 0

516 Die unerwartete Nennung des Schöpfers hat Zweifel an der Textüberlieferung aufkommen lassen. Zumeist wird die Konjektur als Bild für die Gattin oder als Hinweis auf das Grab vorgeschlagen; vgl. einerseits Bickell, Prediger, S. 109; Budde, HSAT(K), S. 441; Levy, Qoheleth, S. 131; Crenshaw, OTL, S. 184f; und andererseits Galling, HAT, 1. Aufl., S. 89; Scott, AncB, S. 254f. Gegen die erste Möglichkeit spricht freilich, daß das Verb 13 t als Aufforderung zur Liebe ziemlich unangemessen ist, und gegen die zweite, daß "ΪΠ als Bild fur das Grab bzw. die Unterwelt nie mit Suffix begegnet; vgl. dazu Müller, Qohälät, S. 513 Anm. 1. Aufgrund der sicheren Bezeugung von MT und der sachlichen Beziehung zwischen V. 1 und 7 ist darum eine Textänderung von vorneherein abzulehnen. Ebenso wenig überzeugen die Versuche, V. la als einen orthodoxen Zusatz zu betrachten; vgl. ζ. B. Ellermeier, S. 127f; Lauha, BK, S. 209f; Whitley, Koheleth, S. 95f. Denn die grammatische Konstruktion erfordert einen Anschluß nach vorne, so daß man 11,10b ebenfalls derfrommenGlosse zuzuweisen gezwungen wäre. Dafür gibt es aber keinen stichhaltigen Grund; vgl. Gordis, Koheleth, S. 337. Zur sinnträchtigen Ausdeutung der Stelle vgl. noch S. Schiffer, Das Buch Kohelet. Nach der Auffassung der Weisen in Talmud und Midrasch und der jüdischen Erklärer des Mittelalters, Frankfurt/ Leipzig 1884, S. 49; A. Wünsche (Hg ), Der Midrasch Kohelet, Bibliotheca Rabbinica Bd. 1, Lfg. 1 und 3, Leipzig 1880 (ND Hildesheim 1967), S. 152. 517 Zur Inkongruenz vgl. 11,8. 518 Das Subjekt dazu ist tnp in V. 4aß, so daß sich die Annahme eines indefiniten Gebrauchs der 3. sg. m. erübrigt; gegen König, Lehrgebäude II/2, § 324dß. Die beiden folgenden Aussagen in V. 4b beschreiben die Veränderung der Stimme im Alter. Vgl. dazu das Gezwitscher der Totengeister in der Scheol, das in Jes 29,4 durch die Verben 103 und ΠΠ\!) ausgedrückt wird. 519 Wörtlich alle Töchter des Lieds. Zur Deutung des Ausdrucks vgl. GK § 128v; Meyer, Grammatik III, § 97,4. 520 Der Halbvers dürfte kaum in den ursprünglichen Zusammenhang gehören. Erstens unterbricht das die durch Waw verbundene Reihe von Perfekt- und Imperfektfor-

152

Wenn dunkle Wolken wiederkehren (11,1-12,7) Wenn (schließlich) der Mandelbaum erblüht511/ und die Heuschrecke sich schleppt/ und die Kaper bricht512/: So geht der Mensch ein in sein ewiges Haus/ und die Klagenden ziehen auf der Gasse umher. zerreißf33/

(6) Bevor die silberne Schnur und die goldene Schale

zerbricht/

und der Krug am Brunnen524

zerschellt/

und das Schöpfrad in der Grube

zerbrichf525./

(7) Und der Staub zur Erde zurückfällt, wie er gewesen, und der Odem zu Gott zurückkehrt, der ihn gegeben.

4.2. Zur Einheit des Textes Der Abschnitt 11,1-12,7, der aufgrund seines Themas nicht zufallig an das Ende des Korpus gestellt ist, fuhrt nochmals die Schwierigkeiten einer sachgerechten Textabgrenzung vor Augen und bestätigt unsere Ansicht, daß man

521

522

523 524 525

men und stört dadurch die ganze von V) DV2 abhängige Konstruktion. Zweitens hängt der Anschluß von V. Saa durch das unbestimmte Subjekt in der Luft. Drittens fugt sich sein wörtlicher Sinn schwerlich in die Bildrede ein. Offensichtlich hat hier ein Späterer die allegorische Beschreibung der Altersgebrechen ergänzt und auf die Ängstlichkeit hingewiesen, die sich mit der Sinnestrübung im Alter einstellt; vgl. dazu Tyler, Ecclesiastes, S. 113; Galling, HAT, S. 122. Zur isolierten Stellung des Halbverses vgl. auch Hagia Witzenrath, Süß ist das Licht... Eine literaturwissenschaftliche Untersuchung zu Koh 11,7-12,7, ATSAT 11, St. Otilien 1979, S. 18. Lies mit BHS Wahrscheinlich handelt es sich in MT um einen einfachen Schreibfehler oder um eine orthographische Variante; vgl. H. Bauer / P. Leander, Historische Grammatik der hebräischen Sprache des Alten Testamentes, Halle 1918-1922 (ND Hildesheim 1962), S. 437; Schoors, Preacher, S. 4If, 96f. Eine Ableitung von der Wurzel ergibt keinen Sinn. Zum Problem vgl. Whitley, Koheleth, S. 97f. Die Verbform ist entweder als intransitives Hif. von Tl£) zu deuten oder nach LXX und σ' als Hof. zu vokalisieren. Gesenius 662b schlägt mit Verweis auf Delitzsch die Bedeutung versagen vor. Gedacht ist an die Wirkung der Kapernfhicht als Appetitanreger. Zur Deutung vgl. unten S. 178 mit Anm. 638. Lies nach LXX, a\ Syr und Vg hier pj) }> ; vgl. Koh 4,12 und Galling, HAT, S. 120; Whitley, Koheleth, S. 100. Das Bild läßt an eine durch einen Brunnenschacht erschlossene Wasserquelle denken; vgl. dazu Delitzsch, BC, S. 409; Barton, ICC, S. 196. Vokalisiere ein Nif. Impf, von Zur ausfuhrlichen Begründung vgl. Schoors, Preacher, S. 95.

Kapitel II. Kompositionsanalysen

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ohne ein redaktionsgeschichtliches Gesamtverständnis des Buches Kohelet nicht auskommt. Denn die auf Kohelet zurückgehenden Texte sind erheblich komplexer angelegt, als daß sich ihre Grenzen und Neueinsätze nach der Sentenzentheorie sicher bestimmen lassen.526 Verschafft man sich einen ersten Überblick in der Kommentarliteratur, tritt in der Frage der Textabgrenzung der neuralgische Punkt offen zutage. Während eine Reihe von Exegeten den Abschnitt 11,1-8 als Einheit betrachten,527 findet eine nicht minder beachtliche Zahl in 11,7 den Neueinsatz des als Finale oder Schlußgedicht bezeichneten Maschais.528 Die Forschung steckt also in dem Dilemma, ob sie V. 7f als Abschluß der vorausgehenden Spruchkomposition oder als Einfuhrung des Schlußgedichts beurteilen soll. Weder der einen noch der anderen Seite wird man freilich uneingeschränkt zustimmen können. Vielmehr hat es den Anschein, daß Kohelet die Verse 7f und 9f als Brückentexte formuliert hat, um fur das folgende kunstvolle Lehrgedicht einen bewußten Anschluß zu schaffen. Daß der Text 11,1-12,7(8) eine wenn auch nicht formal geschlossene, so doch argumentative Einheit darstellt, ist schon von älteren Kommentatoren empfunden worden.529 Für seinen Zusammenhang lassen sich eine Reihe von Beobachtungen anfuhren.530 In formaler Hinsicht ist erstens festzustellen, daß Sprüche mit begründender Ό-Glosse als auch Imperativische Mahnungen nicht nur auf die Spruchkomposition 11,1-6 beschränkt sind, sondern bis einschließlich 12,1 Verwendung finden. Zweitens spielen meteorologische Erscheinungen in der Spruchgruppe von 11,1-6 ebenso eine Rolle wie in der Bildsprache des Maschais 12,1-7. Ein partiell ländliches Milieu spiegelt sich

526 Vgl. dazu N. Lohfink in seiner Rez. von Hagia Witzenrath, Süß ist das Licht ... (ATSAT), in: BZ 27 (1983), S. 122; und unsere Einleitung zu Kap. II oben S. 56. 527 Vgl. z. B. Delitzsch, BC, S. 377; Galling, HAT, 1. Aufl., S. 87f; Hertzberg, ΚΑΤ, S. 203f; Loretz, Qohelet, S. 188f; Zimmerli, ATD, S. 234f; Michel, Eigenart, S. 210, 267f. 528 Vgl. ζ. B. Galling, HAT, 2. Aufl., S. 120f; Gordis, Koheleth, S. 333f; Scott, AncB, S. 253f; Loader, Structures, S. 107; Fox, Contradictions, S. 277; Ogden, Readings, S. 193f. 529 Vgl. Hitzig, KEH, S. 203 (Cap. XI, 1-XII,8. Wie sich zuverhalten sey einer ungewissen Zukunft gegenüber, in Aussicht auf das kommende Alter und den Tody, Barton, ICC, S. 49, 179 (11,1-12,8. - Qoheleth's final advice), Allgeier, HSAT, S. 49 (11,112,7: Praktische Folgerungen); ferner Levy, Qoheleth, S. 128 (Sei tätig undfröhlich, bevor das Alter kommt! Schilderung des Alters und des Todes. Kap. 11,3[\]-12,8). 530 Vgl. dazu ausfuhrlich D. C. Fredericks, Life's Storms and Structural Unity in Qoheleth 11.1-12.8, JSOT 52 (1991), S. 112f.

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Wenn dunkle Wolken wiederkehren (11,1-12,7)

in den Sprüchen vom Säen und Ernten in 11,4 und 11,6 wie auch im Bild der auf bäuerliche Hausarbeit bezogenen Handmühle531 in 12,4. Hierher gehört ferner das in 12,6 erwähnte Schöpfrad,532 das in hellenistischer Zeit als technische Neuerung in die bäuerliche Arbeitswelt eingeführt worden ist. Schließlich nennt 11,7 das Licht der Sonne, während 12,2 von ihrer Verdunklung in den Wintermonaten spricht. Drittens begründet der Maschal in 12,1-7 auf seine Weise den Aufruf zum Handeln in 11,1-6, wenn er am Ende das sichere Wissen um Alter und Tod der zu Anfang erörterten Unwägbarkeit der Zukunñ gegenüberstellt und dadurch den Menschen zur Tatkraft ermuntert, solange er noch jugendliche Körperkraft verspürt und sich seines Lebens zu freuen vermag. Im ganzen bestätigen die Beobachtungen das Bild, daß Kohelet hier in 11,1-12,7 wie auch in den oben untersuchten Kompositionen größere literarische Zusammenhänge geschaffen hat. Wenden wir uns nun der formalen Seite des Abschnitts 11,1-12,7 zu, können wir ohne weiteres zugeben, daß der Text keine homogene Einheit darstellt. Vielmehr ähnelt die in 11,1-6 vorliegende Spruchkomposition in besonderer Weise dem oben analysierten Schultext 7,1-22. Dabei lassen die in 11,1-6 gruppierten Sprüche ebenso einen weniger strengen als assoziativen Zusammenhang erkennen und sind augenfällig durch Stichwortverbindung verknüpft. 03 Im Gegensatz dazu handelt es sich bei 12,1-7 um einen einheitlichen, wenn auch kompliziert aufgebauten Maschal. Dazwischen und mithin im Zentrum der Komposition stehen mit 11,7f und 11,9f* schließlich zwei ähnlich strukturierte und sachlich konvergente Aufforderungen zur Lebensfreude. Sie zählen zu den einschlägigen carpe d/e/w-Stellen, die das gesamte Büchlein durchziehen. Da sie eine Schlüsselstellung für die Textstruktur besitzen, müssen wir mit ihrer Untersuchung einsetzen. Als erstes exegetisches Problem stellt sich die Frage der Anknüpfung von 11,7f. Dabei ist deutlich zu erkennen, daß V. 7 ähnlich wie die in V. 1-6 verbundenen Sprüche über das Stichwort 1ΊΌ an V. 6 angeschlossen ist.

531 Vgl. dazu G. Dalman, Arbeit und Sitte in Palästina III/l, BFCTh 2. Reihe 29, Gütersloh 1933, S. 219-225. 532 Vgl. Hengel, Judentum und Hellenismus, S. 91. 533 Vgl. yiNrrtJy (V. 2 und 3), VITI t ò (V. 2 und 5), D>2V (V. 3 und 4), (V. 4 und 6), y r v -[PN (V. 5 und 6), l l ü (V. 6 und 7). Ferner verweist Lohfink, NEB, S. 80, auf das Verb h ù » in V. 3 und schließlich auf das von derselben hebräischen Wurzel abgeleitete Nomen in der Bedeutung Schwangere in V. 5.

Kapitel II. Kompositionsanalysen

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Aufgrund dieser Bindung an die vorausgehende Spruchkomposition liegt es im Bereich des Wahrscheinlichen, daß Kohelet auch in V. 7 traditionelles Gut zitiert®4 und durch die folgende Ό-Glosse in V. 8 erläutert hat. Jedenfalls erfüllt V. 7 alle formalen Voraussetzungen eines Sprichworts.535 Da die Synästhesie die positive Wertung des süßen Geschmacks mit der optischen Erscheinung des Sonnenlichts verbindet,536 das hier als Metapher für das Leben verwendet ist,537 scheint das Sprichwort nicht auf das menschliche Dasein überhaupt, sondern auf seine lebenswarmen Seiten abzuzielen. Annäherungsweise wird man den Sinn des Spruchs so bestimmen müssen, daß er die durch das Leben bereitgehaltenen Glücksmöglichkeiten als ein köstliches Gut erweist und dadurch eine positive Grundeinstellung gegenüber dem Leben vertritt.53® Die Tatsache, daß das Sprichwort durch ein Waw eingeführt wird, das von Hause aus verbindende Funktion besitzt,539 gibt Grund genug für die Folgerung, daß Kohelet den Anschluß von V. 7 an die Spruchkomposition beabsichtigt hat. Gegen diese naheliegende und syntaktisch einfache Erklärung540 wird allerdings eingewendet, daß das Waw nicht zwingend als copulativum zu deuten sei, sondern in V. 7 auch als emphaticum verstanden werden könne und demgemäß eine neue Texteinheit eröffne.541 In der Regel wird dieses Verständnis durch den Hinweis untermauert, daß Kohelet auch in 3,16; 4,4; 7,26; 8,10; 12,1 mit Waw ein neues Thema einführe.542 Aus den

534 Sprüche, die mit p i n » gebildet sind, finden sich z. B. in Prov 16,24; 24,13; Cant 2,3; Koh 5,11. Zu Motivparallelen vgl. Gordis, Koheleth, S. 334. 535 Nach der Analyse von Klein, Kohelet, S. 82: "Es ist ein kurzer, formal und inhaltlich vom Kontext unabhängiger Satz, der sich zudem durch Metaphorik, Alliteration (.. .) und Enjambement (...) auszeichnet." 536 Vgl. dazu Witzenrath, Licht, S. 21; B. Kedar-Kopfstein, Synästhesien im biblischen Althebräisch in Übersetzung und Auslegung, ZAH 1 (1988), S. 53f. 537 Zu der Parallelaussage die Sonne sehen, die als eine poetische Umschreibung für das Leben auch sonst im Alten Testament belegt ist, vgl. oben S. 71 Anm. 76. 538 Vgl. bes. Scott, AncB, S. 254. Daß Licht und Sonne Sinnbilder des Lebensglücks sind, vermerkt Lauha, BK, S. 208, unter Verweis auf Jes 30,26; Mal 3,20; Hi 18,5. 539 Zu den Gnindfunktionen des Waw vgl. Waltke / O'Connor, Syntax, 39.2.1. 540 So bereits Delitzsch, BC, S. 384. 541 Vgl. Galling, HAT, S. 120; Lauha, BK, S. 206; Witzenrath, Licht, S. 10; vorsichtiger G. Ogden, Qoheleth XI 7-XII 8: Qoheleth's Summons to Enjoyment and Reflection, VT 34 (1984), S. 27f. Für das Waw emphaticum wird auf HAL 248b unter Nr. 20 verwiesen. Vgl. allerdings die Ausführungen zu den modifiziert-kopulativen und nicht-kopulativen Satzverbindungen von König, Lehrgebäude II/2, § 371-372. 542 Dieses Argument scheint auf Gordis, Koheleth, S. 334, zurückzugehen und ist seitdem in der Diskussion; vgl. z. B. Crenshaw, OTL, S. 183; Whybray, NCeB, S. 161;

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Wenn dunkle Wolken wiederkehren (11,1-12,7)

Belegen wird man 7,26 von vorneherein ausscheiden müssen, da der Vers sicherlich nicht von seiner Einleitung in 7,25 zu trennen ist. Sodann haben wir oben in unserer redaktionsgeschichtlichen Untersuchung 3,16 und 8,10 als Nahtstellen im Buch Kohelet ermittelt und das Waw in Verbindung mit einer Partikel als redaktionellen Anschluß interpretiert; vgl. ähnlich 12,9 und 12,12! Schließlich scheint auch in 4,4 ein sachlicher Bezug zur vorausgehenden Reflexion gegeben, so daß die Kopula hier eine relative lose und vermutlich ebenso beabsichtigte Verknüpfung herstellt.543 Insgesamt haben sich uns die Belegstellen als nicht beweiskräftig erwiesen, so daß wir weiterhin davon ausgehen können, daß V. 7 durch die Konjunktion mit der Spruchgruppe verbunden und als deren Abschluß und Überleitung konzipiert ist. Den positiven Beweis wird jedoch die inhaltliche Interpretation der in 11,1-6 zusammengestellten Sprüche noch erbringen müssen. Die Frage, ob das Sprichwort in V. 7 tatsächlich der Tradition entnommen oder von Kohelet formuliert worden ist, können wir offen lassen. Jedenfalls erweist sich der Spruch im jetzigen Kontext als erklärungsbedürftig. Zu seiner Erläuterung dient die sich logisch anschließende Ό-Glosse in V. 8. Da sie die Diktion Kohelets deutlich zu erkennen gibt, handelt es sich zweifelsfrei um einen Kommentar aus seiner Feder. Darüber hinaus kennzeichnet die Verwendung des kollektiven 0"TN, das im vorliegenden Text nur noch in 12,5 begegnet, den Begründungssatz in V. 8 als grundsätzliche Äußerung und zugleich als eine der Kernaussagen im ganzen Buch.544 Seiner Textstruktur entsprechend gliedert sich der Vers in drei Aussagen, und zwar in einen jussiven

Murphy, WBC, S. 112; ferner Backhaus, Zeit, S. 298 Anm. 92. 543 Im übrigen wird das Waw in 4,4 in der Kommentarliteratur kaum als problematisch empfunden und teilweise in der Übersetzung weggelassen; vgl. ζ. B. Gordis, Koheleth, S. 160, Scott, AncB, S. 224; Murphy, WBC, S. 29, vgl. S. 111. Die angeführten Ausleger verzichten auch in 11,7 auf eine Wiedergabe der Konjunktion. 544 Zur Verwendung des Wortes DIN, das in Koh 49 Belege zählt, ist folgendes festzustellen: Indeterminiertes DIN entspricht in der Regel einem einfachen vgl. 2,18; 2,21(2mal); 2,26; 7,20; 7,28; 8,8; 9,15. Determiniert begegnet es im Zusammenhang der Frage nach dem bleibenden Gewinn; vgl. 1,3; 2,22; 3,10; 6,11; des Aufrufs zur Freude; vgl. 2,24; 3,22; 5,18; 8,15; und der Feststellung, daß der Mensch nichts zu erkennen vermag; vgl. 3,11; 7,14; 8,6f; 8,17; 9,1; 9,12; 10,14. In besonderer Konzentration findet es sich an zentralen Stellen im Buch Kohelet; vgl. ζ. B. 3mal in 2,22-26 (Fazit der Königsfiktion); 3mal in 3,10-15 (Resümee des Traktats); 4mal in 3,18-21 (Reflexion über das Todesgeschick); 2mal in 9,1 lf (Reflexion über Zeit und Zufall).

Kapitel II. Kompositionsanalysen

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Aufruf zur Freude in V. 8a, in eine jussive Mahnung in V. 8baß, und in ein sie beschließendes Urteil in V. 8bß2. Sprachlich sind Aufruf und Mahnung aufeinander abgestimmt. So korrespondieren den vielen Jahren, die der Mensch lebt und derer er sich freuen soll, die vielen Tage der Finsternis. Da der Aufruf zur Freude auf das gesamte Leben bezogen ist, wird man bei den Tagen der Finsternis an die endlose Schattenexistenz in der Unterwelt denken müssen.545 Mithin finden wir hier denselben Zusammenhang von carpe diem und memento mori wie bereits oben in 9,7-10: Wer sich in Erinnerung ruft, daß er künftig in die Unterwelt hinabsteigen muß und dort in ein empfindungsloses Nichts versinkt, erkennt die Dringlichkeit, seinen Anteil zu genießen, solange er noch am Leben ist. Eingedenk der trostlosen Schattenexistenz in der Scheol nimmt Kohelet hier gleichfalls die Zukunft als ein Unterwegs zur Unterwelt in den Bück und vermag sie daher nur mit dem Hebel-Urteil in V. 8bß2 zu belegen.544 Die Interpretation wird schließlich durch die V. 7f beherrschende Metaphorik von Licht und Finsternis untermauert, in der sich der Gegensatz von Leben und Tod spiegelt. Als Schlüssel zum Verständnis der Textstruktur erweist sich die Beobachtung, daß alle drei Aussagen von 11,8 durch die Verse 11,9-12,1* aufgenommen und mit einer allerdings feinen Akzentverschiebung entfaltet werden. Wir veranschaulichen das durch die folgende Aufbauskizze.547

545 Vgl. Gordis, Koheleth, S. 334f; weiter Zimmerli, ATD, S. 237; Lohfink, NEB, S. 81; Crenshaw, OTL, S. 183; Whybray, NCeB, S. 161; und unseren Exkurs zur Scheol oben S. 146ff. 546 Der unmittelbare Kontext spricht dafür, daß sich die Hebel- Aussage auf die Zeit der Finsternis zurückbezieht und die Zukunñ intentional als Vorschattung der Unterwelt qualifiziert. Ob sie ausschließlich auf die Zeit nach dem Tod zu deuten ist, wofür sich Tyler, Ecclesiastes, S. 150; Fox, Contradictions, S. 43; aussprechen, ist fragwürdig; vgl. jedoch Semonides, fr. 3: "denn uns bleibt nachher viele Zeit um tot zu sein,/ doch leben wir nur wenig Jahre und schlecht." (zit. nach H. Fränkel, Dichtung und Philosophie des frühen Griechentums, 4. Aufl. München 1993, S. 231). Ganz anders versucht Allgeier, HSAT, S. 50, die Stelle im Zusammenhang mit 6,4 auf den Menschen zu deuten: "Denn wenn viele Jahre der Mensch lebt, so freue er sich ob allen. Und denke daran, daß die Jahre der Finsternis zahlreich sind, entsprechend dem, daß er in Nichtigkeit gekommen ist." Vgl. ferner die Alternativübersetzung bei Lohfink, NEB, S. 80. 547 Vgl. ähnlich Lohfink, NEB, S. 81f; Ogden, Readings, S. 193f; Backhaus, "Zeit und Zufall", S. 315f.

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Wenn dunkle Wolken wiederkehren (11,1-12,7)

11,7

Wert des Lebens

(Licht)

Aufruf zur Freude (rwVP) Gedenken des Todes ("D^)

(Finsternis)

a

11,8a

b c

ll,8baß, ll,8bß 2

a' c'

11,9-10a*

Aufruf zur Freude (nX3\y)

11,10b 12,1

Flüchtigkeit ( t n n ) (Morgenröte) Gedenken des Schöpfers (~Dt)

b'

Nichtigkeit ( t a n )

Gegenüber 11,8a fallt auf, daß das carpe diem Imperativisch formuliert und in poetischen Versen ausgestaltet ist. Die gleichmäßige Länge der beiden Bikola in 1 l,9aßy und 10a (12 / 1 1 und 11/13) sowie der von ihnen gebildete komplementäre Parallelismus lassen vermuten, daß Kohelet hier ähnlich wie in 9,7-10 weisheitliche Tradition benutzt hat. Dazu könnte auch der ebenfalls als Bikolon gestaltete Eingangsvers 1 l,9aa gehört haben. Ursprünglich dürfte er eine Kolalänge von 1 1 / 7 + x54® gegenüber 15 / 20 in MT besessen haben und von Kohelet später um die Zusätze " l i n i und " J D m D l "»fa'» erweitert worden sein. Dafür sprechen die auffällige Überlänge des Bikolons, das Thema der Jugend und das Stichwort " y j i n i m das jetzt die Brücke zu 12,1 bildet. Ist dies richtig gesehen, hat Kohelet das carpe diem eigenhändig an eine spezielle Gruppe adressiert, in der wir seine Schüler erkennen dürfen.549 Wie immer man die Vorgeschichte des Textes beurteilen mag, ist von wesentlicher Bedeutung, daß Kohelet seine Aufforderung gegenüber 11,8 durch die Imperative eindringlicher gestaltet und ihre Adressaten auf die Jugend einschränkt.550 Dadurch bereitet er zugleich seine in 12,3-5 dargebotene Altersallegorie vor.551

548 In der zweiten Hälfte des Bikolon könnte " y n m r a >tt> eine ursprünglich kürzere Zeitbestimmung verdrängt haben. Wir rekonstruieren hypothetisch mit einer Kolalänge von 11/11: Freue dich deiner Kindheit/ undfröhlich sei dein Herz [von Jugend an]! Zu " W » vgl. Hi 33,25. 549 Vgl. dazu oben S. 46. 550 Mit " l i m bzw. r f r l J l l wird der ausgewachsene junge Mann und das erwachsene Mädchen bezeichnet; vgl. Wolff, Anthropologie, S. 179. 551 Diesen Zusammenhang hat bereits Hitzig, KEH, S. 204, klar gesehen: "Von der Erwägung nemlich ausgehend, wie wenig Freude den Menschen das höhere Alter biete, beschränkt er die Aufforderung des 8. V. auf den Jüngling V. 9-12,1., und motivirt sie mit einer ausfuhrlichen Schilderung des freudelosen Greisenalters."

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Daß der Gegensatz zwischen Jugend und Alter bereits anvisiert ist, bestätigt auch die Mahnung in 11,10a. Denn nach Sir 30,24s*2 altert vorzeitig, wer sich durch Kummer bedrückt. Schließlich ist nicht zu übersehen, daß das Stichwort ny~l, das wir in 11,10a als Krankheit interpretiert haben, nur noch in 12,1 in der Wendung n y i n ">)D> wiederkehrt und dort im Sachzusammenhang geradezu das Altersleiden bezeichnen kann. Mithin ermuntert Kohelet die Jugend zu einem tieferen Genuß des Lebens, indem er ihr die freudlose Zeit des gebrechlichen Alters vor Augen fuhrt. Obwohl die negative Seite des Alters in Israel nicht unbekannt gewesen ist,553 so überwiegt doch in der sapientiellen Literatur der Aspekt, daß die Alten ob ihrer Weisheit hochgeschätzt werden.554 Demgegenüber mag Kohelets Lobpreis der Jugend ungewöhnlich erscheinen, so daß man hier verstärkt einen Einfluß des Griechentums vermuten darf.555 Die in 11,9-10a* vorgetragene Aufforderung an die Jugend wird durch die Hebel-Aussage in V. 10b begründet. Beachtet man wieder die gegenüber V. 8bß2 veränderte Nuancierung, wird man in ihrer Interpretation nicht fehlgehen. Ist dort sub specie fmalis die Zukunft als nichtig abgetan, so wird hier die Jugendblüte als flüchtig und rasch vergängliche Zeit qualifiziert. Das in V. 10b der Jugend zur Seite gestellte Bildwort, das der Aussage einen kraftvolleren Ausdruck verleiht und zugleich auf die bildliche Schilderung des Alters in 12,2ff vorverweist, ist freilich schwer zu deuten. Philologisch wird es entweder von I ~in\y schwarz werden abgeleitet und auf das dunkle Haar der Jugend oder von dem Primärnomen I ini¿) Morgenröte her auf die frühe Jugendzeit bezogen.556 Aufgrund des Gedankens der Flüchtigkeit entscheiden wir uns für

552 Eifersucht und Neid verkürzen die Tage/und Kummer macht vorzeitig alt. Vgl. dazu auch Skehan / Di Leila, Ben Sira, AncB, S. 382, mit Verweis auf Antisthenes. 553 Zu den Altersleiden vgl. die treffliche Schilderung des achtzigjährigen Barsillai in II Sam 19,35-38; weiter Gen 27,21; 48,10; I Sam 3,2; I Reg 1,1-4; 14,4; Sach 8,4. Zur Angst vor Vereinsamung im Alter vgl. das Klagelied Ps 71. 554 Vgl. Hi 32,6f;Prov 16,31; 20,29. 555 Zur Gegenüberstellung freudiger Jugend und mißlichen Alters vgl. Semonides, fr. 1; Mimnermos, fr. 1, 5, und bes. fr. 2: "Wir aber, so wie die Blätter emportreibt des üppigen Frühlings/ Blütenstunde, wenn rasch alles im Sonnenlicht wächst,/ ihnen gleich auf ein kurzes Weilchen an Blumen der Jugend/ freuen wir uns, und nicht kennen wir Schlecht oder Gut/ nach dem Willen der Götter. Doch neben uns stehen die schwarzen/ Keren; die eine hält mißliches Alter bereit/ und die andre den Tod..." (zit. nach Fränkel, Dichtung, S. 241). 556 So HAL 1362b. Dabei handelt es sich bei XinnvJ um eine für Koh typische und im Aramäischen weitverbreitete Abstraktbildung auf -ût, die hier aufgrund des Homoioteleuton mit JTrït?·» gewählt sein dürfte.

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letztere Bedeutung, zumal sich das dunkle Haar bis ins mittlere Alter erhalten kann. Zudem bezéichnet 1ITW eigentlich das Morgenlicht, das den Tag bereits einige Zeit vor dem Sonnenaufgang ankündigt und in Palästina aufgrund seiner Lichtverhältnisse und der schnell anwachsenden Hitze im Sommer zu intensiver landwirtschaftlicher Arbeit genutzt wird.557 Als früheste Tages- und Arbeitszeit möchte das Bild gut fur das Jugendalter und eben auch zu den in V. 1-6 enthaltenen Mahnungen zur Tatkraft passen. Schließlich ist die Metapher des Lichts für die Lebenszeit bereits in V. 7 eingeführt, so daß sich das Bildwort auch in dieser Hinsicht in den Zusammenhang einfügt. Mithin erklärt sich die Hebel-Aussage in V. 10b als eindringliche Begründung des in V. 9-10a* ausgeführten carpe diem und erweist sich sprachlich und inhaltlich ganz im Stil Kohelets ausgeführt, so daß keinerlei Veranlassung besteht, sie einem Glossator und schon gar nicht dem zweiten Epilogisten anzurechnen.558 Wer der Aufbauanalyse von 11,7-12,1 gefolgt ist, wird sich jetzt die Frage stellen, warum Kohelet die Reihenfolge von Mahnwort und Hebel-Urteil gegenüber V. 8b umgekehrt hat.5® Der Grund dafür liegt in der Anbindung des Maschais, dessen gesamte grammatische Konstruktion von 12,1 syntaktisch abhängt. Der Vers ist offensichtlich als Einführungssatz des folgenden Schlußgedichts konzipiert und gibt gleichzeitig seinen Zusammenhang mit dem vorigen Abschnitt 1 l,9f wiederum durch ein Waw copulativum und durch die Wiederaufnahme der Zeitbestimmung " p m i m zu erkennen. Aber auch inhaltlich müssen die Mahnungen in 11,8baß, und 12,1 differenziert beurteilt werden, insofern letztere vordergründig nicht als memento mori verstanden werden kann. Die Auslegung wird vor allem dadurch erschwert, daß das Partizip iOhl als technische Bezeichnung des Schöpfers außer in Koh gerade in der weisheitlichen Literatur und zumal im Hiobbuch fehlt.5*0 Dennoch ist die Rede vom Schöpfer der Weisheit nicht gänzlich fremd. So begegnet das von

557 Vgl. Th. Hartmann, Art. VtoVJ, THAT II, Sp. 991; und ausfuhrlich G. Dalman, Arbeit und Sitte in Palästina 1/2, BFChTh 2. Reihe 17, Gütersloh 1928, S. 601. 558 Der zweite Epilogist ist am Thema Í71D nicht interessiert. Seine Glossen beschränken sich ausschließlich auf Textstellen, die eine gerechte Vergeltung durch Gott nicht erkennen lassen, aber nach seiner Überzeugung eine solche hätten fordern müssen; vgl. 3,17; 6,10; 8,8b; 9,3b; 11,9b. 559 Das Problem hatte Galling noch in der 1. Aufl. dazu bewogen, Vers 11,10b hinter 12,la umzustellen; vgl. HAT, 1. Aufl., S. 88. 560 Vgl. aber Sir 3,16 nach der Handschrift A.

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der Wurzel DVÜV gebildete Partizip in der Bedeutung Schöpferin Hiob und Proverbien jeweils 3mal, im Sirachbuch insgesamt Qmal.562 Eine einheitliche Verwendung kennzeichnet die Rede vom Schöpfer in Prov 14,31; 17,5; 22,2, insofern hier ein gerechtes Verhalten gegenüber den Armen eingefordert und zur Begründung auf den Schöpfer verwiesen wird, der den Reichen wie den Armen geschaffen und beiden die gleiche Würde verliehen hat.563 Vielfaltiger ist der Gebrauch bei Ben Sira. So mahnt Sir 7,30, den Schöpfer zu lieben, und erinnert damit an die Abgaben für das Gotteshaus. Von der Versündigung gegen den Schöpfer sprechen Sir 10,12 und 38,15 und fuhren deren negative Folgen vor Augen, während Sir 33,13 das Geschick aus des Schöpfers Hand zugeteilt weiß und in Sir 42,15-43,33 Gottes Erhabenheit in der Schöpfung gepriesen wird. Unser Interesse findet vor allem der Beleg, der Ben Siras große Belehrung über das rechte Verhalten beim festlichen Bankett in Sir 32,1-13 beschließt. Denn ab V. 7ff wendet sich der Weise speziell an die Jüngeren und unterrichtet sie, daß sie sich im Kreis der Älteren nicht überheben und nicht zu lange beim Gastmahl verweilen sollen. Zur rechten Zeit mögen sie heimkehren und es sich zuhause gut gehen lassen. Diesen Anweisungen folgt zum Schluß der feierliche Appell: (13) Undfür all dies preise deinen Schöpfer, der über dich von seinen Gaben ausgegossen hat. Der Sachzusammenhang mit dem carpe diem liegt auf der Hand und der Bezug zu Koh 12,1 nicht ganz fern, da die einschlägigen Stellen, in denen Kohelet zur Lebensfreude auffordert, stets einen Hinweis auf Gott oder auf den als Ausgleich für die Mühen geschenkten pt>n enthalten.564 Trotzdem wird man den Befund nicht ohne weiteres auf Koh 12,1 übertragen dürfen, da

561 Ein technischer Gebrauch des Partizips für Schöpfer ist bei nominaler Rektion in Verbindung mit personalen Suffixen anzusetzen; vgl. J. Vollmer, Art. n\üV, THAT II, Sp. 368. 562 Vgl. Hi 4,17; 31,15; 35,10; Prov 14,31; 17,5; 22,2; Sir 7,30; 10,12; 32,13; 33,13; 38,15; 43,5.11; 46,13; 47,8. 563 Vgl. ähnlich Hi 31,15 und Sir 29,17 (LXX). Zur Sache vgl. Delkurt, Einsichten, S. 110-114. 564 Vgl. 2,24-26; 3,12f; 3,22; 5,17-19; 7,14; 8,15; 9,7-9. Dazu die ganz auf die Lebensfreude gestimmte Auslegung von Gordis, Koheleth, S. 340, der dem Verb "Dt in 12,1 einen feierlichen und religiösen Unterton beilegt und die Mahnung wie folgt umschreibt: "Remember what God wishes of you, the enjoyment of life!"

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die Vergänglichkeit der Jugend bereits durch 11,10b in den Blick gerückt ist545 und dadurch die Mahnung, seines Schöpfers zu gedenken, einen ungleich schärferen Ton bekommt.546 Gemäß der Grundüberzeugung der Weisheit, daß Gott die Reichen wie die Armen zusammen erschaffen hat, dürfte Kohelet hier in Erinnerung rufen, daß er ebenso die Jungen wie die Alten erschaffen und beide Lebensalter in gleicher Würde festgesetzt hat; vgl. 3,2; 3,11. Dabei ist der Beschränkung der Mahnung auf die Jugendzeit keine grundsätzliche Bedeutung beizumessen. Sie erklärt sich einerseits durch den angesprochenen Adressatenkreis und andererseits durch Kohelets Absicht, den Jungen die Kürze der Lebensspanne einzuschärfen und sie zu unbeschwerter Freude in ihrer Jugend aufzurufen, solange sie Gott beschieden hat. Mithin liegt die Mahnung ganz auf der Linie von 7,14 und wiederspricht ihr nicht. Wie Gott die Zeiten des Glücks und des Unglücks bestimmt, so hat er auch die Zeiten der Jugend und des Alters verfugt. Beides kommt von Gott, und das soll der Mensch bedenken, auch wenn er grundsätzlich keinen Einblick in den göttlichen Plan zu gewinnen vermag; vgl. 11,5. Denn wie der Schöpfer durch seinen Odem zum Leben erweckt, so nimmt er es wieder zu seiner Zeit. Wer aber das Greisenalter erreicht, spürt es am eigenen Leib, daß seine Frist abgelaufen ist und Gott binnen kurzer Zeit seinen Lebensgeist zurückziehen wird. Daher ist es gerechtfertigt, die Erinnerung an den Schöpfer in 12,1a mit dem memento morì in 11,8b zu parallelisieren. Bestätigt wird die Auslegung nicht zuletzt dadurch, daß 12,1a mit 12,7b eine Klammer bildet.567 Denn ist es Gott, der die Lebenszeit aller Kreatur bestimmt und am Ende seinen Odem zu sich nimmt, so bekräftigt der Aufruf in 12,1a, daß man am Anfang die Kürze des Lebens bedenke und sein Glück nicht versäume, ehe es denn zu spät ist. Ob unser Verständnis von 11,7-12,1 als eines zentralen und zugleich die Spruchkomposition 11,1-6 und den Maschal 12,1-7 sachlich verbindenden Abschnitts gerechtfertigt ist, wird sich im folgenden durch die Untersuchung beider Stücke erweisen müssen.

565 Vgl. auch 9,9. 566 Vgl. dazu Loader, Structures, S. 110, der den Abschnitt in Form einer musikalischen Abfolge beschreibt: Allegro vivace - lento (11,7-10), Attacca: Perdendosi (12,1-5), Grave (12,6-8). 567 Vgl. M. Gilbert, La Description de la Vieillesse en Qohelet XII1-7 est-elle allégorique, in: Congress Volume Vienna 1980, VT.S 32, Leiden 1981, S. 100; Murphy, WBC, S. 117f.

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4.3. Der Aufruf zur Tatkraft Um das den Sprüchen in 11,1-6 zugrundeliegende und sie verbindende Thema zu ermitteln, ist von entscheidender Bedeutung, den Skopus der Spruchkomposition exakt zu bestimmen. Obwohl die über diesen Abschnitt gesetzte Überschrift bereits die Richtung anzeigt, in der wir die grundsätzliche Aussage suchen, ist dadurch keineswegs eine sachliche Vorentscheidung getroffen, sondern lediglich das Untersuchungsergebnis angedeutet. Daß wir zunächst mit der Einzelanalyse der Sprüche und Spruchpaare einsetzen müssen, ist so unumgänglich wie selbstverständlich. Für die Verse lf, die nahezu einmütig als Spruchpaar verstanden werden, ist in der Forschung eine lange und kontroverse Auslegungsgeschichte dokumentiert.568 Besonders der Sinn des ersten Spruchs ist nach wie vor umstritten. Dabei lassen sich die diskutierten Deutungen in drei Gruppen einteilen. Erstens wird vor allem von älteren Kommentatoren das Verständnis vertreten, daß es sich hierbei um eine moralische Aufforderung zur Wohltätigkeit handele.5*9 Ebenfalls eine längere Auslegungstradition besitzt zweitens die Deutung auf den Seehandel,570 über den zur Zeit Kohelets ein beträchtlicher Teil des Warenaustauschs abgewickelt wurde. Dabei ist fur die frühptolemäische Zeit belegt, daß neben den in der Antike üblichen Seehandelswege entlang der Küste und über kürzere Distanzen im Handelsaustausch mit Arabien auch längere Schiffsreisen durch den wiederhergestellten ptolemäischen Suezkanal unternommen wurden.571 Die dritte und in neuerer Zeit verfochtene Auslegung

568 Vgl. Loader, Structures, S. 66f; Ellermeier, Qoheleth, S. 253-259. 569 Diese Auslegung von Hieronymus, Raschbam, Luther, Grotius ist von W. Staerk, Zur Exegese von Koh 10,20 und 11,1, ZAW 59 (1942/43), S. 216f, wiederaufgenommen und durch Verweis auf arabisches Spruchgut untermauert worden. Vgl. neuerdings Fox, Contradictions, S. 274; und unten S. 164. 570 Vgl. bereits Io. Jacob Rambach, Notae uberiores in Ecclesiastes Salomonis, ex recensione Io. Henrici Michaelis, in: Ιο. H. Michaelis, Uberiores adnotationes philologico-exegeticae in Hagiographos Vet. Testamentum libros, Vol. II, Halle 1720, S. 1012; Delitzsch, BC, S. 379; Budde, HSAT(K), S. 440; Gordis, Koheleth, S. 330; und neuerdings wiederum Zimmerli, ATD, S. 236; Lohfink, NEB, S. 79; Klein, Kohelet, S. 110. Eine Sondermeinung vertritt Levy, Qoheleth, S. 127, der hier den Ratschlag findet, seinen Besitz wegen der unsicheren politischen Lage besser über das Wasser ins Ausland zu bringen. 571 Vgl. Rostovtzeff, Gesellschafts- und Wirtschaftsgeschichte I, S. 303f. Zu den durch die Herbststürme drohenden Gefahren der Schiffahrt vgl. bereits die ausführliche Schilderung von Hesiod, Erga, Ζ. 617-693 (Α. von Schirnding (Hg ), Hesiod. Theo-

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findet in V. 1 den Fall geschildert, daß eine geradezu sinnlose Tat dennoch mit einer positiven Überraschung endet. Sie stützt sich auf die grammatische Analyse, daß es sich entgegen der traditionellen Form einer weisheitlichen Mahnung (Imperativspruch mit Begründung)572 nicht um einen echten Rat, sondern um einen Konzessivsatz handeln soll und das folgende Ό adversativ zu fassen sei.573 Gegen ein solches Verständnis erheben sich jedoch sofort Zweifel; denn es ist nicht aus der Analyse des Einzelspruchs gewonnen, sondern dem Gesamtverständnis verpflichtet, daß die Ungesichertheit des menschlichen Handelns als Thema der Spruchgruppe vorgeordnet sei.574 Die Kontroverse wird man jetzt durch Miriam Lichtheim als entschieden betrachten müssen,575 die nachdrücklich auf die Parallele in der Spruchsammlung des Anch-Schçschonki hingewiesen und dadurch Koh 11,1 als traditionellen Spruch bestätigt hat:576 Tu eine gute Tat und wirf sie in die Flut; wenn das Wasser austrocknet, wirst du sie wiederfinden.577

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gonie. Werke und Tage. Griechisch und deutsch, Sammlung Tusculum, München/ Zürich 1991, S. 131-137). Vgl. Westermann, Wurzeln, S. 101-106. Zu den Begründungssätzen bemerkt Westermann, daß sie in aller Regel pragmatisch sind und bisweilen auf Gottes Wirken oder den einträglichen Nutzen hinweisen. Vgl. Galling, HAT, S. 119; Hertzberg, ΚΑΤ, S. 201; Lauha, BK, S. 201; Loader, Structures, S. 67; ferner Backhaus, "Zeit und Zufall", S. 271 mit Anm. 20; Murphy, WBC, S. 106f. Zur grammatischen Analyse vgl. ausführlich Ellermeier, Qohelet, S. 252-269, der den >D-Satz als Folge der konzessiven Satzreihe deutet: "Zwar magst du dein Brot auf der Wasserfläche loslassen, trotzdem kannst du es nach nach einer ganzen Reihe von Tagen wiederfinden." Zur Kritik vgl die Diskussion von Schoors, Preacher, S. 109f. Vgl. Ellermeier, Qohelet, S. 255; Lauha, BK, S. 201; Murphy, WBC, S. 107; und z. B. Hertzberg, ΚΑΤ, S. 202: "Ohne Zweifel ist damit ein echter Qoh-Gedanke erzielt worden, was bei den übrigen Erklärungen (...) nicht der Fall war." Vgl. Miriam Lichtheim, Late Egyptian Wisdom Literature in the International Context, OBO 52, Freiburg, Schweiz/ Göttingen 1983, S. 31 mit Anm 51. Vgl. auch die Mitteilung von B. Gemser, The instructions of Onchsheshonqy and Biblical wisdom literature, in: Congress Volume Oxford 1959; VT.S 7, Leiden 1960, S. 108. Damit ist der von Ellermeier, Qohelet, S. 258, gegen Staerk gerichtete Einwand als erledigt zu betrachten: "Wer davon sprechen will, wie Qohelet die 'alte Sentenz' verstanden hat, muß diese zunächst einmal v o r Qohelet nachweisen." Anch-Scheschonki 19,10 (zit. nach Brunner, Altägyptische Weisheit, Nr. 15, Z. 301, S. 283; vgl. dazu auch die Anm. auf S. 489).

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Für die demotische Lehre belegen eine Reihe weiterer aus der internationalen Weisheit übernommener Sprüche, daß sie besonders am Zusammenhang von Tat und Wirkung interessiert ist. Dabei hat Lichtheim beobachtet, daß die Spruchsammlung zu Anfang den Grundsatz do, ut des vertritt und gegen Ende zu einer höheren Sittlichkeit fortschreitet.578 Anch-Scheschonki 19,10 bietet einen solchen reflektierten Spruch, welcher der guten Tat schon an sich einen dauerhaften Wert beilegt, weil fur die nächste Zukunft nicht abzusehen ist, ob sie erwidert wird.579 Vor diesem Hintergrund läßt sich die oft verkannte Pointe des Spruchs in Koh 11,1 bestimmen. Er ermuntert zur Wohltätigkeit, auch und gerade dann, wenn der Erfolg einer guten Tat nicht im voraus berechnet werden kann, sondern erst nach einer langen Zeit eintreten wird. Sachlich bestätigt dieses Verständnis auch der Spruch Sir 29,12 (LXX), der diesmal im unmittelbaren Kontext von Mahnungen zur Freigebigkeit den folgenden Rat gibt: (12) Eine gute Tat verschließe in deinen Vorratskammern/ und sie wird dich aus aller Not retten. Somit ist fur das traditionelle Wort in Koh 11,1 die Deutung auf die Wohltätigkeit sichergestellt und der Bezug auf das gefahrliche Unternehmen des Seehandels als spekulativ zurückzuweisen. Eine andere Frage ist, wie Kohelet den ursprünglichen Spruch verstanden hat. Doch bevor wir sie aufgreifen, befassen wir uns mit der Auslegung von V. 2. Sofern die beiden Sprüche bereits in der Tradition als Spruchpaar bestanden haben, liegt es nahe, daß auch V. 2 ursprünglich zur Wohltätigkeit aufforderte. Zudem lassen sich drei Beobachtungen fur die Vermutung anfuhren, daß V. 2 nicht in seiner ursprünglichen Form belassen, sondern nachträglich erweitert worden ist. Erstens zeigt der Spruch gegenüber V. 1 eine deutliche Überlänge des Bikolons. Zweitens erschwert das zwischen ")T)3 und eingeschobene p*?n das Verständnis des Mahnworts und drittens wird durch das in der zweiten Spruchhälfte überschießende ^pNiT^y 580 augenfällig der Stichwort-

578 Vgl. Lichtheim, Wisdom, S. 42f. 579 Vgl. auch Anch-Scheschonki 14,9 (Brunner, Altägyptische Weisheit, Nr. 15, Z. 189, S. 277). 580 Bereits Zapletal, Buch, S. 222f; Galling, HAT, 1. Aufl, S. 86, haben gespürt, daß diese Formel hier nicht ursprünglich gestanden hat, und wollten sie als Dittographie streichen.

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anschluß zu V. 3 hergestellt. Nimmt man versuchsweise an, daß es sich jeweils um Erweiterungen Kohelets handelt, ergibt sich in der Tat ein sofort verständlicher Spruch, der mit einer Länge von 1 6 / 1 6 Konsonanten genau dem Bikolon in V. 1 entspricht. Ursprünglich könnte die mit der Zahlenfolge sieben und acht gestaltete Sentenz581 gelautet haben: (2*) Teile aus an sieben oder gar acht (Leute)/ denn du weißt nicht, welches Unglück geschehen wird! Unsere Hypothese eines in V. 2 noch greifbaren traditionellen Wortes wird durch den vorliegenden Begründungssatz erhärtet, dessen Hinweis auf die Unerkennbarkeit der Zukunft einen typischen, aber insofern nicht primären Gedanken Kohelets bietet, als er bereits in der Spruchweisheit belegt ist; vgl. Prov27,l; Sir 8,18; 9,11; sowie Ptahhotep 345; Amenemope 19,13.582 Gerade dieser Begründungssatz dürfte freilich Kohelets Interesse geweckt haben, so daß er das Spruchpaar aufgriff und seiner Sammlung einverleibte. Mithin müssen beide Verse als Zitate verstanden werden.583 Nach unserer Analyse von V. 2 hat Kohelet das Wort ybΓ) wahrscheinlich parallel zu DD!? in V. 1 eingefügt und mit die Stichwortverbindung zu V. 3 geschaffen. Welche Absicht steckt hinter der Auflängung des Spruchs? Es scheint so, daß Kohelet am Ursprungssinn des Sprichworts nicht eigentlich interessiert gewesen ist. Für ihn dürfte nicht die Mahnung zur Freigebigkeit im Vordergrund gestanden haben, sondern das kluge Verhalten, angesichts der dunklen Zukunft fur den möglichen Unglücksfall Vorsorge zu treffen. Durch die Einfügung des wirtschaftlichen Begriffs für Besitz, der hier im Sinne von Vermögen, Kapital verstanden sein will, hat Kohelet offenbar den in V. 2 gegebenen Rat auf den Handels- und Geschäftsverkehr übertragen und dadurch eine seiner Zeitsituation angemessene Maxime geschaffen: Stecke dein Geld nicht in ein einziges Geschäft, sondern investiere in verschiedene Unternehmen,

581 Vgl. dazu W. M. W. Roth, The Numerical Sequence X/X+l in the Old Testament, VT 12 (1962), S. 308. 582 Vgl. Brunner, Altägyptische Weisheit, Nr. 2; Z. 285ff, S. 121; Nr. 14, Z. 373, S. 250. Zur Sache vgl. Fox, Contradictions, S. 104f. 583 Zu diesem Ergebnis vgl. I. J. J. Spangenberg, Quotiations in Ecclesiastes: An appraisal, Old Testament Essays 4 (1991), S. 3 lf, der Koh 1 l , l f ähnlich beurteilt wie das in Prov 26,4f überlieferte Antilogion.

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weil dich sonst ein einziger Unglücksfall das ganze Vermögen kostet.5®4 Mithin ist die kontroverse Debatte um das Spruchpaar V. lf konsequent als ein Problem von Tradition und Interpretation zu behandeln. Beide ursprünglich zur Wohltätigkeit auffordernde Mahnworte dienen im jetzigen Kontext der Unterweisung, wie man sich angesichts der unkalkulierbaren Zukunft klug verhalte. Der erste Spruch ermuntert dazu, entschlossen zu handeln und sich davon nicht durch ungewissen Erfolg abhalten zu lassen. Denn eine für gut befundene und sinnvolle (!) Tat kann sich auch noch nach langer Zeit auszahlen. Dagegen mahnt der zweite Spruch, trotzdem besonnen zu handeln und auch die verschiedenen Umstände zu berücksichtigen, zumal über kurz oder lang ein unvorhersehbares Unglück eintreten kann. So verstanden ergeben beide Sprüche in ihrer gegenseitigen Ergänzung einen guten Sinn und weisen unmittelbar in die oben fur Kohelet ermittelte Schulsituation585 zurück, in der die aristokratische Jugend nicht nur weisheitlich geschult, sondern auch durch praktische Lebensregeln erzogen wurde. Die vertretene Auslegung bestätigt sich voll und ganz durch den folgenden Spruch, der ganz im Stil der Spruchweisheit einen Naturvergleich586 als Beweisgrund anfuhrt. Dabei läßt sich das Bild von den regenschweren Wolken iii V. 3a insofern auf den Spruch in V. 1 zurückbeziehen, als es den Zusammenhang von Ursache und Wirkung naturgesetzlich unterstreicht.587 So wie sich Wolken anfüllen und schließlich, wenn die Zeit gekommen ist, Regen über das Land ausschütten, wird auch rechtschaffenes Tun irgendwann Erfolg haben. Auf der anderen Seite läßt das Bild vom umfallenden Baum in V. 3b an einen Sturm denken, der den entwurzelten Stamm in die eine oder andere Richtung umwirft.588 Da der Nachsatz besonders hervorhebt, daß der Baum unabänderlich in der gestürzten Richtung liegen bleibt und, wie zu vermuten ist, dort auch seinen Schaden angerichtet hat, drängt sich die Bezugnahme auf das zweite Mahnwort des Spruchpaars förmlich auf. Denn das Bild eignet sich vortrefflich, um Unwägbarkeit und Unabänderlichkeit eines wie in V. 2 an-

584 585 586 587 588

Vgl. bereits Bickell, Prediger, S. 99. Vgl. oben Kap. 1.3. Aufzeichnungen aus der Schule Kohelets. Vgl. dazu Ps 90,5f; Prov 25,23; 26,1; Sir 35,26. Vgl. Delitzsch, BC, S. 380f. Die Rede vom Norden und Süden ist als Merismus zu deuten und bezeichnet irgendeinen zufälligen Ort; vgl. Fox, Contradictions, S. 275.

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gesprochenen Unglücks zu veranschaulichen. Mithin dient V. 3 der Verdeutlichung des Spruchpaars und bildet in gewisser Weise seine Abrundung. Wiederum mit einem Spruchzitat589 setzt Kohelet seine Unterweisung in V. 4 fort. Der Vers dürfte aus der Volksweisheit übernommen sein und eine alte Bauernregel wiedergeben, die deutlich auf die klimatischen Bedingungen des Ackerbaus in Palästina abhebt.590 Denn die Feldbestellung ist dort insbesondere vom Eintritt des Herbstregens abhängig. Und ist er früh im Oktober gefallen und bleibt der Winterregen länger aus, kann eine Aussaat zur falschen Zeit schon das Mißlingen der Ernte bedeuten. Daher ist es keine Frage, daß der palästinische Bauer zur Saat- und Erntezeit die Witterung genau beobachten muß. Insofern warnt der Spruch in V. 4 lediglich vor einer allzu ängstlichen Ausschau nach dem Wetter, die rasch dazu fuhren kann, daß man die günstige Zeit zur Aussaat versäumt oder die Einbringung der Ernte zum eigenen Schaden verzögert.591 Daß sich Kohelet mit V. 4 speziell gegen abergläubische Tagewählerei wende,592 braucht nach dem Gesagten nicht vorausgesetzt und kann letztlich nicht bewiesen werden. Jedenfalls besitzt das Spruchzitat auch hier exemplarische Bedeutung und führt zu der Einsicht, daß man nicht zaudern, sondern entschlossen zur Tat zu schreiten soll. Im Hintergrund spürt man die für Kohelet fundamentale Überzeugung, daß der Mensch handeln muß, obwohl er das göttliche Walten insgesamt nicht erkennen kann.593 So erklärt sich der offenbar von Kohelet selbst gestaltete und beigefugte Vergleichssatz

589 Vgl. Lauha, BK, S. 201; Michel, Eigenart, S. 209f. 590 Vgl. Hertzberg, ΚΑΤ, S. 45f, zur Entstehung des Buches in Palästina, wahrscheinlich in Jerusalem. Zum Ackerbau in Palästina vgl. A. S. Kapelrud, Art. Ackerbau, BHHI, Sp. 22-24; G. Dalman, Arbeit und Sitte in Palästina II, BFChTh 2. Reihe 27, Göttingen 1932, S. 174-179. 591 Eine Reihe von Volkssprichwörtern, die vor zögerlicher Aussaat warnen, hat Dalman, Arbeit und Sitte II, S. 165f, zusammengetragen. In der alttestamentlichen Weisheit wird besonders Untätigkeit zur Saat- und Erntezeit gerügt und als dessen Konsequenz die Verarmung des Faulen aufgezeigt; vgl. ζ. B. Prov 10,5; 12,11 (28,19); 20,4; und 6,6f; 24,30-34. 592 Vgl. Allgeier, HSAT, S. 50. Zur Tagewählerei vgl. Aus einem Kalender für günstige und ungunstige Tage, Papyrus Kairo Nr. 86637, 1281 v. Chr. (F. Kammerzell / H. Sternberg, Ägyptische Prophetien und Orakel, in: TUAT II/l, Gütersloh 1986, S. 132-135); Hesiod, Erga, Ζ. 764-827 (Sammlung Tusculum, S. 143-147). Dagegen bietet Hesiod, Erga, Ζ. 382-616, einen ausfuhrlichen Kalender der bäuerlichen Arbeiten (Sammlung Tusculum, S. 113-131)! 593 Daß der Mensch zumindest partiell Einsicht in die Wirklichkeit gewinnen kann, ist dadurch nicht in Abrede gestellt. Zur Sache vgl. Fox, Contradictions, S. 100-112.

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in V. 5, der ähnlich der späteren rabbinischen Auslegungsregel "1)3ΠΊ ^ p ausgeführt ist. Indes wird in der exegetischen Diskussion zu wenig berücksichtigt, daß die Verborgenheit des göttlichen Tuns durch einen ausgesprochen positiven Vergleich illustriert wird. Denn die Entstehung des Lebens wie des Embryos im Mutterbauch darf in der alttestamentlichen Tradition als Schulbeispiel für das unbegreifliche und wundervolle Wirken Gottes gelten.594 Durch die zweite Hälfte von V. 5 wird deutlich, daß Kohelet mittels des Schlusses a minore ad majus auf die Undurchschaubarkeit zielt, die das Werk Gottes insgesamt kennzeichnet. Und ebenso nachdrücklich ist hervorzuheben, daß der Vergleich nicht der Verunsicherung des Menschen dient und schon gar nicht das verborgene Handeln Gottes als bedrohlich herauszustellen bezweckt. Der Gedanke ist vielmehr der, daß Gottes Wirken für den menschlichen Geist viel zu hoch ist, als daß er es fassen und dadurch seine Zukunft meistern könne. Mithin wird hier Gottes Majestät indirekt und ganz im Sinne weisheitlicher Schultradition gepriesen,595 so daß man gut beraten ist, die Aussage für sich gelten zu lassen und nicht mit den Stellen bei Kohelet zu harmonisieren, die in der verborgenen Schicksalslenkung den Grund für das Scheitern aller menschlicher Lebensmeisterung erkennen. Dem Verweis auf das göttliche Walten in der Wirklichkeit läßt Kohelet schließlich einen weiteren Spruch aus der bäuerlichen Arbeitswelt folgen, der zumindest in seiner ersten Hälfte ebenfalls der Tradition entstammen dürfte. Das Spruchzitat mahnt, mit der Aussaat früh am Morgen zu beginnen. Mit ihr ist jedoch das Tagwerk noch lange nicht verrichtet, sondern die beschwerliche Arbeit des Saatpflügens erst noch zu tun, durch die der Samen in die Erde gebracht wird. Dabei werden die Furchen besonders eng gezogen, so daß sie durch die aufgeworfene Erde einander zudecken. Dabei bestimmt sich die Menge des Saatguts nach der Größe des Ackers und der Dauer des Saatpflügens, damit das für die Tagesarbeit vorgesehene Saatstück bis zum Abend bearbeitet werden kann.59* Erst mit Einbruch der Dunkelheit sind alle für das Gedeihen der Saat erforderlichen Arbeiten erledigt.597 Daß der Ackerbauer bei der Bestellung des Felds also von morgens bis abends in Anspruch genommen

594 595 596 597

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Ps 139,13-16; Hi 10,10f; II Macc 7,22f. Ps 139,6; Hi 11,7-9; Sir 3,20-23; bes. 43,27-33. Dalman, Arbeit und Sitte II, S 181-183. Dalman, Arbeit und Sitte 1/2, S. 597.

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ist, liegt auf der Hand und bestätigt die Deutung, daß der Spruch in V. 6a zu unablässiger Tätigkeit auffordern will.598 Die Übersetzung der Zeitbestimmung mit bis zum Abend ist demzufolge die einzig richtige.599 Dagegen ist in der Forschimg versucht worden, die beiden Zeitangaben in V. 6a auf zwei verschiedene Zeitpunkte zu deuten. Der Skopus wird dann so bestimmt, daß es auf den richtigen Zeitpunkt des Handelns ankomme, der Mensch aber nicht wissen könne, welches die rechte Zeit sei, damit das eine oder das andere gelinge.600 Da man zur Bezeichnung der verschiedenen Zeitpunkte auch im zweiten Fall die Präposition 2 erwarten dürfte,601 erheben sich berechtigte Zweifel gegen die Deutung. Hinzu kommt, daß in der ganzen Spruchkomposition 11,1-6 an keiner einzigen Stelle auf den Topos der rechten Zeit Bezug genommen ist. Schließlich wird man gemäß unseren Ausführungen über das Saatpflügen die Möglichkeit ausschließen können, daß hier an zwei verschiedene Zeitpunkte der Aussaat, eine am Morgen und eine am Abend, zu denken sei.602 Daher besteht keine Veranlassung, den Ό-Satz adversativ zu fassen. Vielmehr begründet er die Mahnung, unverdrossen die zur Aussaat erforderlichen Feldarbeiten durchzuführen; denn nur so kann der Bauer hoffen, daß er letztlich Ernte einbringen wird. Berücksichtigt man, daß sich die Saatzeit in Palästina über den Zeitraum zwischen Herbst- und Winterregen erstreckt und mit den zeitlich versetzten Aussaaten verschiedene Wetterkonstellationen ausgenutzt werden, könnte der allgemein gehaltene Begründungssatz in der

598 Vgl. Delitzsch, BC, S. 383; Levy, Qoheleth, S. 129; Wölfel, Luther, S. 82; Hertzberg, ΚΑΤ, S. 203; Loretz, Qohelet, S. 124; Whybray, NCeB, S. 160; ferner Lauha, BK, S. 203. Zur unaufhörlichen Feldarbeit mahnen auch Anch-Scheschonki 9,10 und 9,13 (Brunner, Altägyptische Weisheit, Nr. 15, Z. 79 und 82, S. 271). 599 Unterstützt wird die Deutung durch die Wendung IT 1 mrrt»N, die wie in 7,18 eine kontinuierliche Tätigkeit bezeichnet; vgl. Ogden, Readings, S. 189. Dagegen plädiert Ellermeier, Qoheleth, S. 265f, fur die Wiedergabe mit gegen Abend, vgl. dazu Fox, Contradictions, S. 276, mit Bemühung von Brockelmann, Syntax, § 107b. 600 Vgl. Ellermeier, Qohelet, S. 265-268; Galling, HAT, 2. Aufl. S. 120; Crenshaw, OTL, S. 181; Fox, Contradictions, S. 275f. 601 Vgl. ζ. B. Lev 6,13. Soviel ist allerdings klar, daß sich die anstehende Frage nicht an der Präposition 5 entscheiden läßt, die sowohl den Endpunkt einer Zeitspanne als auch einen bestimmten Zeitpunkt bezeichnen kann; vgl. C. Brockelmann, Grundriss der vergleichenden Grammatik der semitischen Sprachen, Bd. II: Syntax, Berlin 1913 (ND Hildesheim 1961), § 242b; Waltke / O'Connor, Syntax, 11.2.10c. 602 Gegen Crenshaw, OTL, S. 181; Murphy, WBC, S. 109f.

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Tat das Gelingen der Früh- oder der Spätsaat reflektieren.603 Allerdings ist auch dieser Spruch im vorliegenden Kontext wiederum lehrhaft verwendet und dient exemplarisch der Aufforderung, sein Tagewerk in Angriff zunehmen, obwohl man nicht sicher weiß, ob das eine oder das andere Tun zum Erfolg fuhrt.404 Darin stimmt der Vers mit unseren sonstigen Beobachtungen überein, daß Kohelet als Weisheitslehrer trotz und gerade wegen der ungewissen Zukunft für ein besonnenes Handeln eintritt. Als Zwischenergebnis können wir nunmehr festhalten, daß sämtliche in 11,1-6 verarbeiteten Zitate nachdrücklich zur Tatkraft aufrufen und durch die Erläuterungen Kohelets positiv verstärkt bzw. begründet werden. Daß wir mit dieser Deutung der Spruchgruppe nicht falsch hegen, bestätigt nochmals V. 6. Denn im Begründungssatz in V. 6b geht es nicht um das Scheitern schlechthin, sondern um die Sicherung der Möglichkeit, daß wenigstens ein Tun vom Erfolg gekrönt ist. Schließlich wird der Glücksfall hervorgehoben, daß selbst beide Unternehmungen gelingen.605 Dadurch bildet der Vers gleichsam eine Brücke zu dem Sprichwort in V. 7, das die glückliche Seite des Lebens preist. Im Hintergrund erkennen wir den oben für die carpe i/Zew-Stellen ermittelten Zusammenhang, daß Gott dem Menschen die Lebensfreude als Ausgleich für seine Mühen gewährt.604 Darum soll der Mensch nicht säumen, sondern seine Arbeit anpacken und, wenn ihr Erfolg beschieden ist, sich seines Lebens freuen.407 Mithin ist der Beweis geführt, daß V. 7 sachlich an den Aufruf zur Tatkraft in V. 1-6 anknüpft und durch seinen Ausblick auf die Sonnenseite des Lebens ebenso die Spruchkomposition beschließt wie zum carpe diem in V. 8 überleitet.

603 So die Vermutung von Dalman, Arbeit und Sitte II, S. 177. Gegen Hertzberg, ΚΑΤ, S. 203, wird man diese Deutung nicht wörtlich aus V. 6a herauslesen müssen. Jedenfalls bringt sie die Unsicherheit des Gelingens aufgrund der unterschiedlichen Witterungsbedingungen am besten zum Ausdruck. 604 Bei aller Anstrengung des Bauern gilt auch hier, was Rainer Maria Rilke in den Vers faßt: "Selbst wenn sich der Bauer sorgt und handelt,/ wo die Saat in Sommer sich verwandelt,/ reicht er niemals hin. Die Erde schenkt." Vgl. Duineser Elegien. Die Sonette an Orpheus. Mit Erläuterungen von Katharina Kippenberg, Manesse Bibliothek der Weltliteratur, 7. Aufl. Zürich 1984, S. 188. 605 Zum positiven Ausklang des Spruchs vgl. Ogden, Qoheleth XI1-6, S. 277. 606 Vgl. Delitzsch, BC, S. 384; Scott, AncB, S. 254. 607 Zu dieser Deutung vgl. auch Allgeier, HSAT, S. 50; Zimmerli, S. 275; und sogar Michel, Eigenart, S. 268, der in 11,5-6 die Quintessenz der Ethik Qohelets erkennt: "Angesichts dessen, daß du nicht weißt, was die Zukunfì bringt, sollst du das tun, was zu tun ist. Dann verschaffst du dir die Möglichkeit der Freude ( w . 7-8)."

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4.4. Der Weg des Menschen in sein ewiges Haus Wie zu der Jugend die Tatkraft gehört, zu der die in 11,1-6 zusammengestellten Mahnungen ermuntern, so schildert Kohelet in 12,1-7 kontrastiv das Alter mit seinen Gebrechen und motiviert dadurch abschließend seinen Aufruf, daß die Jugend ihre Zeit nütze und sich des Lebens freue. Über diese Funktion gewinnt der Maschal eine eigene Aussagekraft, in der immer deutlicher der Tod als das unausweichliche Ende des Menschen vorscheint. Der Text ist zweifellos als Ganzes kunstvoll gestaltet und in seinen Bildern ebenso reizvoll wie in seiner Auslegung schwierig. Was seinen Aufbau betrifft, erweist er sich als so komplex, daß sich bereits beim ersten Lesen eine Reihe von Problemen ergeben: Erstens ist grundsätzlich festzustellen, daß das Korpus in V. 2-6 nicht einheitlich als metaphorische oder alternativ als allegorische Rede verstanden werden kann.608 Zweitens wirkt V. 5b aufgrund seines wörtlichen Sinns und seiner Schilderung des Begräbnisses an dieser Stelle deplaziert und hat darüber in der Forschung verschiedene Umstellungshypothesen provoziert.609 Drittens klappt V. 6 nach, da sein von V. 1 abhängiger konjunktionaler Anschluß "TON "TV nach dem Intermezzo in V. 3-5 in gewisser Weise in der Luft hängt.610 Viertens ist überhaupt die Frage, ob das Gedicht als Ganzes das hinfällige Alter611 oder den unausweichlich nahenden Tod612 thematisiert. Die folgende Auslegung wird versuchen, die angesprochenen und offensichtlich dem Text inhärenten Schwierigkeiten befriedigend zu erklären. Dazu ist es

608 Zum Problem vgl. ausfuhrlich den Exkurs Aging and Death in Qohelet 12 von Fox, Contradictions, S. 280-298; dazu Klein, Kohelet, S. 150-157. 609 Zur Umstellung von V. 6 vor V. 5b vgl. Levy, Qoheleth, S. 137; Kroeber, SQAW, S. 111, 121; von V. 6 vor V. 3 vgl. Galling, HAT, S. 122; Lauha, BK, S. 207; von V. 5bß hinter V. 7 vgl. Budde, HSAT(K), S. 440f. 610 Dies hat besonders deutlich Lauha, BK, S. 207, gesehen. 611 So vor allem die älteren Kommentatoren; vgl. Graetz, Kohelét, S. 134-138; Hitzig, KEH, S. 209-215; Delitzsch, BC, S. 388-411; Barton, ICC, S. 187-191; Levy, Qoheleth, S. 132-138. In neuerer Zeit vgl. Kroeber, SQAW, S. 155f; Hertzberg, ΚΑΤ, S. 210-214; Galling, HAT, S. 121f; Lauha, BK, S. 206f; Zimmerli, ATD, S. 241f; Lohfink, NEB, S. 84f; Crenshaw, OTL, S. 182; Whybray, NCeB, S. 163f; Murphy, WBC, S. 115f. 612 Vgl. M. Leahy, The Meaning of Ecclesiastes 12:1-5, IThQ 19 (1952), S. 297-300; Witzenrath, Licht, S. 26-28, 44-50; Ogden, Readings, S. 197-206; Fox, Contradictions, S. 286-289; Fredericks, Storms, S. 107-111.

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erforderlich, seine syntaktische Struktur und den komplizierten Aufbau des Maschais genau zu beachten. Bereits oben haben wir festgestellt, daß die Mahnung in 12,1 als Kopfzeile des Maschais fungiert und durch ihre Sachaussage in das Thema einfuhrt. Da innerhalb des Verses die Tage des Übels augenfällig den Tagen der Jugend gegenübergestellt sind, wird man bei jenen an die Zeit des Alters mit seinen unerfreulichen Leiden denken müssen. Hinzu kommt, daß sich der emotionale Ausruf Sie gefallen mir nicht! allein auf die Gebrechlichkeit des Menschen im Greisenalter, aber keinesfalls auf die empfindungslose Schattenexistenz in der Scheol beziehen läßt; vgl. 9,10. 6U Schließlich will beachtet sein, daß Kohelet in 11,10 nicht die Vergänglichkeit des Menschen überhaupt, sondern speziell die Flüchtigkeit seiner Jugend thematisiert, der in der Reihe der Lebensalter zunächst das Erwachsensein und dann das Alter folgen.614 Dementsprechend nimmt 12,1 das der Jugend gegensätzliche Lebensalter in den Blick, zumal hier im Unterschied zu 11,8 nicht bildlich von den Tagen der Finsternis, sondern buchstäblich von den schlimmen zukünftigen Tagen die Rede ist. Durch die bewußte Wiederholung des temporalen ")\¿)N IV, durch das V. lb mit V. 2 parallel gestellt wird, signalisiert Kohelet, daß er der Sachaussage in V. lb die entsprechende Bildaussage in V. 2 folgen läßt. In der Regel findet man in V. 2 eine Beschreibung des trüben Winters als der dunkelsten Zeit des Jahres und deutet sie als Metapher auf die Beschwerlichkeit des Greisenalters.615 Daß V. 2 dagegen ein schweres Unwetter meine und V. 3-5 seine Folgen schildere,616 ist keinesfalls plausibel, da V. 2 isoliert betrachtet keine

613 Vgl. Barton, ICC, S. 185f; Zimmerli, ATD, S. 241; Fox, Contradictions, S. 300. 614 Nach Wolff, Anthropologie, S. 179, werden im Alten Testament allgemein drei Lebensphasen unterschieden: Kindheit, Jugend, reifes Alter. Jer 51,22 kennt freilich vier Lebensabschnitte, indem er das Erwachsensein nochmals in jüngere (verheiratete) Erwachsene und alte Leute unterscheidet. Dasselbe Verständnis legt sich auch fur Jer 6,11 nahe, insofern V. 1 lb neben Mann und Frau für das Erwachsenenalter den Greis und den Hochbetagten parallel nennt und beide zusammen die Gruppe der Alten repräsentieren. Gegen Wolff ist hier eine weitere Differenzierung in fünf Altersstufen nicht festzustellen. 615 Vgl. z. B. Hitzig, KEH, S. 209; Tyler, Ecclesiastes, S. 112; Levy, Qoheleth, S. 132; Hertzberg, ΚΑΤ, S. 210; Zimmerli, ATD, 241; Lauha, BK, S. 210; Crenshaw, OTL, S. 185. Eine weiterführende Interpretation liefert Loretz, Qohelet, S. 191f, der V. 3-5 ebenfalls auf die Winterzeit beziehen will und dort einen dieser stürmischen Tage beschrieben findet. 616 Vgl. Leahy, Meaning, S. 297-300; Fredericks, Storms, S. 103, 108f. Gegen diese Deutung hat sich bereits Joh. F. K. Gurlitt, Zur Erklärung des Buches Koheleth,

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Aussage über einen Sturm macht, noch eine solche Interpretation nahelegt; denn H\Lh in V. 2b verweist eindeutig auf einen kontinuierlichen Vorgang und nicht auf ein außergewöhnliches Ereignis.617 Vielmehr bietet der Vers eine genaue Beschreibung der Lichtverhältnisse und meterologischer Phänomene des mediterranen Winters. Nach den klassischen Beobachtungen von Gustaf Dalman ist der winterliche Himmel in Palästina oft wolkenverhangen und trübe, bis der nächste Regen folgt. Gleichzeitig ist das Wetter unbeständig, da Sonnen- und Regentage häufig wechseln. Zudem machen Nässe und Wetterumschwünge den Winter zu einer Jahreszeit, unter der die krankheitsanfalligen Alten besonders zu leiden haben.618 Daher eignet sich der Winter vorzüglich als Metapher fur das beschwerliche Alter. Die nächste mit "WN *TV angeschlossene Aussage begegnet aufíalligerweise erst in V. 6. Während ältere Kommentare noch eine allegorische Ausdeutung des Verses vertreten haben,619 werden solche Versuche jetzt generell abgelehnt; denn bereits die formale Parallele zu V. 2 zeigt an, daß auch hier eine Metapher vorliegt. In der Erklärung der Bilder fallen die Unterschiede kaum ins Gewicht. Ungezwungen lassen sich V. 6a und 6b als parallele Aussagen deuten, die das Ende des Lebens bildlich mittels des Zerbrechens eines unersetzlich wertvollen Gegenstands veranschaulichen.620 V. 6a beschreibt eine an der Decke befestigte Lampe, deren silberne Kordel zerreißt, so daß ihr vergoldetes Ölgefäß621 am Boden zerspringt und ihr Licht fur immer erlischt. Im Hintergrund der in dieser Weise einmaligen Metapher steht der geläufige Vergleich des Erlöschens der Lampe mit dem Tod eines Menschens und zumal

ThStK 38 (1865), S. 331-341, ausgesprochen. 617 Vgl. Gordis, Koheleth, S. 338. 618 Vgl. Dalman, Arbeit und Sitte 1/1, S. 172-194 und 218f. 619 So deutet z. B. Delitzsch, BC, S. 404-409, den Silberstrick auf das Rückenmark, die Öllampe auf das Haupt, den Schöpfeimer auf das Herz und das Schöpfrad schließlich auf die Atmung: "Wenn dieses Rad seine mühsamen letzten Schwingungen macht, so entsteht das Todesröcheln oder Sterbegerassel. Es ist ein eigentümliches, dem der es einmal gehört hat unvergeßliches Schnarren, unter welchem das Rad zu Ende schwingt." Vgl. ähnlich Allgeier, HSAT, S. 52; Levy, Qoheleth, S. 137f. Dagegen hat wiederum Gurlitt, Erklärung, S. 341f, eingewendet, daß man die Bilder in V. 6 nicht durch allegorische Ausdeutung pressen dürfe, und damit ihren metaphorischen Charakter klar erkannt. Vgl. ebenso Bickell, Prediger, S. 111. 620 Vgl. z. B. Delitzsch, BC, S. 405f; Barton, ICC, S. 191, Gordis, Koheleth, S. 347; Galling, HAT, S. 123; Zimmerli, ATD, S. 242f; Lohfink, NEB, S. 85; Murphy, WBC, S. 120. 621 Vgl. dazu Sach 4,2.

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dem Ende des Frevlers. 02 In V. 6b hat man sich einen Brunnen zu denken, dessen Schöpfrad hinabstürzt und zusammen mit dem Krug im Brunnenschacht zerschellt. Wiederum konnte Kohelet bei seinen Lesern das verschüttete Wasser als Metapher für den Tod voraussetzen.623 Mithin vergegenwärtigen beide Metaphern eindrucksvoll die Endgültigkeit des den Menschen erwartenden Todes.624 Unsere Auslegung findet ihre Bestätigung, wenn wir bemerken, daß in V. 6 und 7 Bild- und Sachaussage ebenso wie in V. lb und 2 zusammengestellt sind. So löst V. 7 die Metapher unter Verwendung der traditionellen Vorstellung auf, daß der Leib des Menschen im Tod zum Staub der Erde, sein Odem aber zu Gott zurückkehrt.625 Obwohl die Sachaussage in V. 7 nicht erneut durch temporales IWN "TV eingeführt wird, gibt sie sich durch den Jussiv 1\LH als Teil der gesamten Konstruktion zu erkennen.626 Daher ist V. 7 entgegen verbreiteter Meinung keinesfalls vom Maschal abzulösen. Vielmehr läuft das mit dem Aufruf, seines Schöpfers zu gedenken, einsetzende Gedicht auf die Einsicht in die Endlichkeit des Menschen hinaus und rückt damit Gott als Geber des Lebens in den Blick. Die Korrespondenz von V. la und 7b miteinander widerspricht der Annahme, daß es sich bei V. 7 um eine orthodoxe Glosse handelt.627 Zudem stimmt seine Aussage mit der zentralen Feststellung überein, daß der Mensch sein flüchtiges und befristetes Leben von niemand anderem als von Gott empfangt; vgl. 5,17; 8,15; 9,9. Auch der vermeintliche Widerspruch zwischen 12,7 und 3,21 rechtfertigt die Behandlung von V. 7b als Glosse keineswegs; denn Kohelet bestreitet in 3,21 nicht, daß Mensch und Tier durch den Atem Gottes leben und beider Odem im Tod zu Gott zurückkehrt. In 3,16-21* leugnet er lediglich, daß allein der Geist des Menschen nach oben zu Gott aufsteigt und er daher einen Vorzug vor allen anderen Kreaturen besitzt. So erweist sich der Text 12,lf und 12,6f als ein zweistrophiger Maschal:

622 623 624 625 626

Vgl. Hi 18,6; 21,17; Prov 13,9; 20,20; 24,20; ferner Jer 25,10. Vgl. II Sam 14,14; Hi 14,11. Vgl. Domseiff, Prediger, S. 247; Whybray, NCeB, S. 167; Ogden, Readings, S. 206. Vgl. Ps 104,29f; 146,4; Hi 34,14f; ferner Tob 3,6; Bar 2,17; VitAd 27. Vgl. Delitzsch, BC, S. 409; Barton, ICC, S. 196, mit Verweis auf GK § 109k, vgl. § 107k. Kritisch dazu Schoors, Preacher, S. 89. 627 Vgl. ζ. Β. Budde, HSAT(K), S. 442; Galling, HAT, S. 123; Lauha, BK, S. 214f (V. 7b); Michel, Eigenart, S. 117 und S. 268 Anm. 31. Zur Kritik vgl. Backhaus, "Zeit und Zufall", S. 300-302.

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12,1a

Kopfzeile ("D*)

a b

12,1b 12,2

Sachaussage (tö IVH i y ) Bildaussage ( t ö Ί\ϋΝ IV)

(Alter)

c

12,3-5

Allegorie (Vii OV1)

(Weg ins Grab)

b' a'

12.6 12.7

Bildaussage ( t ö 1 W *TV) Sachaussage

(Sterben)

Dieser zweistrophige Maschal begründet den Aufruf zur Lebensfreude in 11,9f mit eindrücklichen Bildern, indem er durch sie das unausweichliche Alter in 12,2 und das ihm folgende Sterben in 12,6 drastisch vor Augen fährt. Dabei wird der Sinn der Metaphern in V. 2 und 6 jeweils durch die entsprechende Sachaussage in V. lb und 7 sichergestellt. Es duldet daher keinen Zweifel, daß V. 2 und 6 lediglich metaphorische Qualität besitzen. Ihre allegorische Ausdeutung wäre offensichtlich widersinnig. Wir haben die Verse 3-5 bisher unberücksichtigt gelassen, ohne daß sich dadurch eine Lücke im Gedankengang ergab. Ihr parenthetischer Charakter ist denn auch in der Forschung weitgehend anerkannt.628 Demgemäß ist unsere Annahme gerechtfertigt, daß es sich bei V. 3-5 um eine von Kohelet selbst vorgenommene Einschaltung handelt, die das in V. 2 angeschlagene Thema des Alters ausgestaltet. Schon die masoretische Akzentgebung zeigt den Einschnitt an, indem sie das einleitende O "PI durch einen Rebfa absetzt. Die Zeitangabe ist ausschließlich dazu bestimmt, die Einschaltung in den Maschal einzubinden. Sie gehört daher als nachträgliche Verbindungspartikel nicht zum ursprünglichen Textbestand des Zitats von V. 3-5. Trotzdem erweist sich die Syntax bis hin zu V. 5aß von ihr als abhängig.'29 Der Abschnitt wird durch eine beeindruckende Kette von fPaw-Perfekten und ab V. 4b durch mit Waw

628 Vgl. Dornseiff, Buch, S. 247; Lauha, BK, S. 206; Crenshaw, OTL, S. 182; Ogden, Readings, S. 201; Whybray, NCeB, S. 167; Fox, Contradictions, S. 287; Murphy, WBC, S. 115; Backhaus, "Zeit und Zufall", S. 305. 629 Dies gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, daß V. 5aa als Glosse ausgeschieden wird; vgl. unsere Begründung oben auf S. 151 Anm. 520.

Kapitel II. Kompositionsanalysen

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eingeführten Imperfekten konstituiert, die mit dem Vorausgehenden in V. 4aß durch einen Inf. es. verbunden sind.430 Betrachten wir zunächst die Reihe der Perfekta in V. 3-4aa, so finden wir in ihnen gemäß ihrer resultativen Bedeutung631 den Zustand eines alten Hauses beschrieben. Während in diesem Fall jede wörtliche Deutung mit dem Kontext unvereinbar ist, läßt sich die allegorische Deutung auf das Greisenalter problemlos durchführen. So bezeichnen nach allgemeiner Ansicht die zittrigen Wächter des Hauses die Arme, die krummen Männer die Beine und die wenigen Müllerinnen die verbliebenen Zähne. Diejenigen, die trübe durch die Fenster blicken, sind die schwachen Augen und die geschlossenen Türflügel die tauben Ohren,632 Dagegen scheitert eine wörtliche Interpretation schon daran, daß es keine adäquate Erklärung dafür gibt, daß die Müllerinnen ihre Arbeit einstellen, weil nur noch wenige im Haus verkehren, oder es den Frauen dunkel wird, weil sie aus den Fenstern schauen. Mithin darf die allegorische Erklärung zumindest für V. 3-4a als sicher gelten.633 Besonders kunstvoll ist in V. 4aß der Übergang von der resultativen Perfektreihe zu der finalen Imperfektreihe gestaltet. Der mit der temporalen Präposition 1 angeschlossene Inf. es. in V. 4aß bezeichnet das Schließen der Türen und das Leiserwerden der Mühle als einen gleichzeitigen Vorgang. Die vordergründig banale Zusammenstellung verrät bei ihrer allegorischen Deutung die Kenntnis des Verfassers, daß mit der Abnahme des Gehörs eine Veränderung der Stimme in ihrer Tonlage einhergeht. Demgemäß beschreibt V. 4b in Nachempfindung des Geräusches einer langsam gedrehten Handmühle die Stimme des Greises, wie sie sich zu einem hohen Wispern erhebt, um dann jäh in dumpfe Laute umzuschlagen.634 Mit dem Ende von V. 4 ist das

630 Vgl. die Analyse von Isaksson, Studies, S. 101-103; Ogden, Readings, S. 201. Auf den syntaktisch selbständigen O-Satz in V. 5b werden wir weiter unten zu sprechen kommen. 631 Vgl. auch Meyer, Grammatik III, § 101,If; Waltke / O'Connor, Syntax, 20.2k, 30.5.3c. 632 Vgl. dazu das Rätsel aus einer sumerischen Rätselsammlung: "Ein geöffnetes Haus, ein verschlossenes Haus, er sah es und trotzdem blieb es verschlossen. Die Lösung davon ist: ein Tau(ber)." (W. Ph. Römer, Weisheitstexte und Texte mit Bezug auf den Schulbetrieb in sumerischer Sprache, in: TUAT III/l, Gütersloh 1990, S.45). 633 Vgl. Whybray, S. 167; Klein, Kohelet, S. 155. 634 Zu dieser Deutung vgl. Gurlitt, Erklärung, S. 33 5f; N. Rhodokanakis, Zur Allegorie des Alters, Qoheleth, Kap. XII., ZDMG 68 (1914), S. 374; Hertzberg, ΚΑΤ, S. 212; und oben S. 151 Anm. 518.

178

Wenn dunkle Wolken wiederkehren (11,1-12,7)

Bild des Hauses endgültig verlassen. Und es ist auch nicht einzusehen, warum es der Verfasser bis zum Schluß der Allegorie hätte fortfuhren müssen. Vielmehr benutzt er im folgenden einzelne Bilder, die der Bedeutung des Imperfekts entsprechend den fortschreitenden Alterungsprozeß und den mit ihm verbundenen körperlichen Verfall ausdrücken. So wird denn auch das Erblühen des Mandelbaums gewöhnlich auf das Ergrauen des alten Menschen und sein schließlich weißes Haar bezogen.635 Die sich fortschleppende Heuschrecke deutet man in der Regel auf den beschwerlichen Gang des Greises.636 Ganz unsicher ist die allegorische Deutung des letzten Bildes. Wahrscheinlich hat man an das Versagen der appetitanregenden Wirkung der Kaper637 beim alten Menschen zu denken, doch kann auch die teilweise in Anlehnung an mittelalterlich-jüdische Auslegung vertretene Deutung auf das Nachlassen der Sexualkraft638 nicht ganz ausgeschlossen werden. Obwohl die Auslegung der einzelnen Bilder strittig ist, kann kein Zweifel daran bestehen, daß sich jene allegorisch auf die Hinfälligkeit des Greises beziehen lassen. Mithin darf die Einschaltung von V. 3-5 insgesamt als eine Allegorie auf das Alter betrachtet werden. Sie ist nicht nur in der biblischen Literatur einzigartig, sondern darf aufgrund ihrer Bildkraft als eine der eindrücklichsten Darstellungen des Greisenalters gelten.639 Daß es sich bei V. 3-5 um eine offenbar weisheitlicher Tradition entnommene Dichtung handelt, scheint sich formgeschichtlich zu bestätigen.640 So ver-

635 636 637 638 639

Vgl. z. B. Delitzsch, BC, S. 398f; Barton, ICC, S. 189f; Kroeber, SQAW, S. 156. Zur Heuschrecke vgl. Dalman, Arbeit und Sitte 1/2, S. 393-395. Zur Frucht der Kaper vgl. Dalman, Arbeit und Sitte 1/2, S. 540f. Vgl. ζ. B. Hitzig, KEH, S. 213; Graetz, Kohélet, S. 137; Gordis, Koheleth, S. 346. Für die bildende Kunst wäre hier der Renaissancemaler Giorgione (1477-1510) zu nennen, der in seinem in der Gallerie dell'Accademia in Venedig aufgehängten Gemälde La Vecia eine Greisin darstellt, die in ihrer auf sich gerichteten Hand einen Zettel mit den Worten hält: Col Tempo. Vgl. dazu Giovanna Scirè Nepi, Die Accademia in Venedig. Meisterwerke venezianischer Kunst, übers, von Annemarie Seling, München 1991, S. 138 mit Abb. auf S. 139: "Höchst umstritten ist die ikonographische Bedeutung des Werkes, das offenbar als Allegorie gemeint ist. Darauf verweist das Motto auf dem Schriftband COL TEMPO ('mit der Zeit')." 640 In diese Richtung gehen auch die Überlegungen von John F. A. Sawyer, The Ruined House in Ecclesiastes 12: A Reconstruction of the Original Parable, JBL 94 (1975), S. 519-531. Sawyers Ergebnis unterscheidet sich jedoch grundsätzlich von unserer Auflassung, insofern er die allegorische Deutung lediglich als alte Auslegungstradition akzeptiert und dahinter einen ursprünglichen "vor-allegorischen" Text entdeckt, dessen Gattung er als Parabel bestimmt. Zur Kritik vgl. Fox, Contradictions, S. 283f.

Kapitel II. Kompositionsanalysen

179

mutete Gerhard von Rad, daß die Altersallegorie ursprünglich in der Form einer Rätselrede vorgelegen habe.641 Seine Meinung ließe sich durch das oben zitierte sumerische Rätsel auf die Taubheit642 belegen, doch ist nicht ausgeschlossen, daß es sich von vorneherein um ein allegorisches Gedicht handelte, das seinen Sinn durch die Auflösung in V. 5b am Ende selbst zu erkennen gab: Der Weg des Alten endet in seinem Grab. Entsprechend hat der Verfasser die Deutung durch ein deiktisches Ό eingeleitet und durch den für das Grab benutzten poetischen Ausdruck Haus der Ewigkeit43 die Hausallegorie nochmals anklingen lassen.644 Wir setzen daher voraus, daß die Allegorie zusammen mit ihrer Aufschlüsselung in V. 5b vorlag, bevor sie Kohelet in seinen Maschal einfügte. Einen anderen Beweis fur den Zitatcharakter der Verse als den, daß sie den unmittelbaren Zusammenhang zwischen V. lf und V. 6f unterbrechen, kann man angesichts unserer Unkenntnis der Kohelet überlieferten Literatur nicht verlangen. Dagegen lassen sich sehr wohl Parallelen zum Thema der Beschwerlichkeit des Alters in der biblischen sowie der ägyptischen und altorientalischen Literatur nachweisen.645 Bereits oben haben wir auf die Rede des achtzigjährigen Barsillai in II Sam 19,35-38 hingewiesen, in der er Davids Einladung nach Jerusalem höflich ablehnte, weil er die am Hof gebotenen Freuden aus Altersgründen nicht mehr genießen könne. Aus der ägyptisches Weisheit ist uns eine entsprechende Rede des greisen Ptahhotep (aus der Zeit der fünften Dynastie des Alten Reiches) überliefert, in der er vom König angesichts seines hohen Alters einen seiner Schüler als Nachfolger erbittet.

641 Vgl. von Rad, Weisheit, S. 67; und ebenso Crenshaw, Wisdom, S. 246: "Two allegories have been preserved in wisdom literature, namely Prov 5:15-23 and Qoh 12:1-6. Each of these texts may originally have been a riddle; nevertheless, the present form is that of an admonition with an allogorical key.". Zur Gattung des Rätsels vgl. Crenshaw, Wisdom, S. 239-245; ferner H.-P. Müller, Der Begriff "Rätsel" im Alten Testament, VT 20 (1970), S. 465-489. 642 Vgl. oben S. 177 Anm. 632. 643 Vgl. Tob 3,6. Zur ägyptischen Provenienz des Ausdrucks vgl. P. Humbert, Recherches sur les sources Egyptiennes de la littérature sapientiale d'Israël, MUN 7, Neuchâtel 1929, S. 123; und dazu kritisch Loretz, Qohelet, S. 88 mit Anm. 238. 644 Vgl. ferner das Wort Gasse, das bereits in V. 4 begegnet und mit gleicher präpositionaler Verbindung in V. 5b aufgegriffen wird. 645 Vgl. dazu jetzt J. Scharbert, Die Altersbeschwerden in der ägyptischen, babylonischen und biblischen Weisheit, in: Lingua Restituía Orientalis (FS J. Assfalg), hg. von Regine Schulz und M. Görg, ÄAT 20, Wiesbaden 1990, S. 289-298.

180

Wenn dunkle Wolken wiederkehren (11,1-12,7)

Besonders eindrucksvoll ist darin die eingehende und uns heute etwas übertrieben erscheinende Schilderung seiner verschiedenen Altersleiden.646 Als sachlich nächstliegende Parallele, auf die in der Koheletforschung erstmals Michael Fox hingewiesen hat,647 erweist sich jedoch ein sumerischer Text aus der Zeit um 1700 v. Chr. Er erzählt von einem Greis, der vor dem König ausführlich seine Altersgebrechen schildert und für sich eine junge Frau erbittet, die seine Leiden mildem soll. Die besondere Bedeutung dieses Textes liegt darin, daß sich in seiner Darstellung des Alters wörtliche und bildliche Rede mischen. So antwortet der alte Mann dem König:64® (27) Ich war ein junger Mann, doch jetzt hat mich mein Glück verlassen, meine Kraft und mein Schutzgott, (28) meine jugendliche

Stärke hat meine Lenden verlassen wie einen

lahmen Esel. (29) Mein schwarzer Berg hat weißen Gips

gebildet.

(30) Meine Mutter führte einen Mann aus dem Wald herein, der mir Gefangenschaft

brachte.

(31) Mein Mungo, der gerne etwas kräftig Riechendes aß, reckt seinen Hals nicht mehr nach Bier und Butter. (32) Meine Zähne, die immer etwas Festes kauten, können nichts Festes mehr kauen. (33) Mein Urin flöß einst in einem kräftigen Strahl, doch jetzt

meidest

du (?) meinen Wind. (34) Mein Kind, das ich mit Butter und Milch ernährte, kann ich nicht mehr versorgen, (35) und meine kleine Sklavin mußte ich verkaufen, denn ein böser Dämon machte mich krank.

646 Vgl. die Lehre des Ptahhotep Z. 1-34 (Brunner, Altägyptische Weisheit, Nr. 2, Z. 128, S. 109f). Zur Textrekonstruktion vgl. G. Burkard, Ptahhotep und das Alter, ZÄS 115 (1988), S. 19-30; und seine Bearbeitung und Übersetzung in: TUAT III/2, Gütersloh 1991, S. 195-221. Zu weiteren Zeugnissen vgl. Die Erzählung des Sinuhe (Elke Blumenthal, Die Erzählung des Sinuhe, in. TUAT III/5, Gütersloh 1995, § 23, Ζ. 5-9, S. 899); Paplns 17,11-14 (Brunner, Altägyptische Weisheit, Nr. 17, Z. 376379, S. 324). 647 Vgl. M. Fox, Aging and Death in Qohelet 12, JSOT 42 (1988), S. 68f (Contradictions, S. 295f); dazu Scharbert, Altersbeschwerden, S. 292f. 648 Übersetzt aus dem Englischen nach der Übertragung und Bearbeitung von B. Alster, Studies in Sumerian Proverbs, Mesopotamia 3, Copenhagen 1975, S. 93.

Kapitel II. Kompositionsanalysen

181

In den in Z. 29-31 verwendeten Bilder ist der schwarze Berg offenbar auf das jetzt im Alter weiß wie Gips gewordene Haar zu deuten, das aus dem Wald geholte Holz auf die zum Gehen benötigten Krücken und der Mungo auf das Versagen der Riech- und Geschmacksorgane,649 Mithin stützt der Text eine allegorische Deutung zumal der in Koh 12,5 verwendeten Bilder. Gleichzeitig belegt er, daß bildhaft allegorische Darstellungen der Altersbeschwerden in der altorientalischen Weisheitsliteratur nicht ungewöhnlich waren. Zudem bestätigt er den Verdacht, daß derartige Allegorien nicht an die Form einer Rätselrede gebunden sind. Blicken wir zurück, lassen sich sämtliche oben angesprochenen Schwierigkeiten im Verständnis des Maschais soweit auflösen: Erstens ist die allegorische Rede unserer redaktionsgeschichtlichen Analyse entsprechend auf das Traditionsstück in V. 3-5* beschränkt, während Kohelet mit seinen eigenen Worten in V. 2 und 6 Alter und Tod in metaphorischen Bildern umschreibt. Zweitens konnten wir zeigen, daß die Auflösung der Allegorie in V. 5b zu dem zitierten Text gehört. Während damit alle Umstellungsversuche des Halbverses als erledigt zu betrachten sind, bestätigen sie durch die wahrgenommene Spannung, daß sich die jetzige Stellung von V. 5b der nachträglichen Einfügung von V. 3-5 in den Maschal durch Kohelet verdankt. Demgemäß ist drittens das Nachklappen von V. 6 durch die Aufnahme des Zitats bedingt. Dabei leitet V. 5b organisch vom Alter zu dem in V. 6 angeschlagenen Thema des Todes über. Durch das Gesagte ist viertens die Frage nach dem Thema des Maschais bereits beantwortet; denn der Streit darüber, ob hier vom Alter oder vom Tod die Rede sei, ist widersinnig, geht es doch Kohelet darum, den unabwendbaren Zusammenhang beider vor Augen zu fuhren. Obwohl sich der ganze Maschal im Rahmen von 11,7-12,7 der Aufforderung zum carpe diem unterordnet, entwickelt er ebenso seine eigene Dramatik. Gewiß vermittelt er mit seiner Schilderung des Alters und seiner Leiden die Einsicht in die Unabwendbarkeit des Todes und damit in die Endlichkeit des Lebens. Dennoch wäre er mißverstanden, würde man verkennen, daß sein memento mori die stärkste Form der Begründung ist, um die Jugend zur Befolgung des carpe diem anzuhalten; vgl. 11,9.

649 Vgl. dazu Scharbert, Altersbeschwerden, S. 293.

182

Wenn dunkle Wolken wiederkehren (11,1-12,7)

Damit sind wir am Schluß unserer Kompositionsanalysen angelangt. Es hat sich bestätigt, daß entgegen verbreiteter Meinung im hinteren Teil des Buches 3,16-12,7 größere Abschnitte in Gestalt von 5,9-6,9; 7,1-22; 9,1-12; 11,1-12,7 vorliegen, die eine in sich geschlossene thematische und argumentative Einheit darstellen. Zu ihrer Auslegung haben wir absichtlich nicht auf die in 1,3-3,15 vorliegende Grundschrift zurückgegriffen und dadurch bewiesen, daß die in 3,16-12,7 versammelten Texte aus sich selbst verständlich sind und nicht als ein Appendix zu jener betrachtet werden dürfen. Durch das ihnen gemeinsame Thema des carpe diem sind sie sachlich stärker miteinander verbunden, so daß sie sich gegenüber der Grundschrift als ältere Aufzeichnungen Kohelets betrachten lassen. Daraus ergibt sich, daß die redaktionellen Rahmenverse in 1,2 und 12,8 von einem verkürzten Verständnis Kohelets durch den ersten Epilogisten zeugen. Sie sind einseitig am Thema der Königsfiktion 1,12-2,26 orientiert. Weiterhin haben wir nachgewiesen, daß Kohelet nicht nur Sprichwörter und Kunstsprüche der weisheitlichen Überlieferung entlehnt, sondern auch auf größere Gedichte wie das Trinklied in 9,7-10* oder die Altersallegorie in 12,35 zurückgegriffen hat. Die Art und Weise, wie Kohelet weisheitliche Tradition zitiert, adaptiert und kommentiert, rechtfertigt den Schluß, daß die hier vereinigten Texte Kohelets als ein Spiegel der von ihm geführten Lehrgespräche gelesen werden können.

Kapitel III Der Traktat des Kohelet Die ausführlichste thematische Einheit liegt uns in den ersten drei Kapiteln des Buches Kohelet vor. Da sie eine planvolle Disposition aufweist, haben wir sie als Grundschrift oder besser als Traktat bezeichnet.1 Diese Einsicht ist nicht neu. Schon in den ersten Anfangen der historisch-kritischen und um den sensus literalis bemühten Erforschung des Alten Testaments finden wir bei Sebastian Schmid in seinem 1691 veröffentlichen Kommentar den Text 1,23,14 mit Tractatio de summo bono überschrieben.2 Darüber hinaus hat Schmid ein feines exegetisches Gespür bewiesen, indem er die Verse 3,12-14 vom Korpus des Traktats absetzte, ihre Aussage sachlich als summum bonum verum bestimmte und sie dadurch offenbar als Abschluß und Ergebnis des Traktats verstanden hat. Nachdem in der neueren Forschung die Frage nach übergreifenden Zusammenhängen im Buch Kohelet durch die Sentenzentheorie fur längere Zeit in den Hintergrund gedrängt worden ist, gewinnt sie in der gegenwärtigen Debatte zunehmend an Bedeutung. Für das Verständnis von Koh 1-3 als kompositioneller Einheit liegen jetzt verschiedene Entwürfe vor.3 Da sie sich in der Frage der Textabgrenzung und -gliederung im einzelnen

1 2

3

Vgl. oben S. 6 mit Anm. 12. Vgl. Seb. Schmidt, Commentarius in librum Salomonis regis hebr. Koheleth, graec. et lat. Ecclesiastes dictum, Argentorate [Straßburg] 1691; zit. nach Io. J. Rambach, Notae uberiores in Ecclesiastes Salomonis, ex recensione Io. Henrici Michaelis, in: Io. H. Michaelis, Uberiores adnotationes philologico-exegeticae in Hagiographos Vet. Testamentum libros, Vol. II, Halle 1720, S. 831f. Für 1,12-3,15 vgl. Lohfink, NEB, S. 23; H.-P. Müller, Theonome Skepsis und Lebensfreude. - Zu Koh 1,12 - 3,15, BZ NF 30 (1986), S. 1-19; ferner A. Lange, Weisheit und Torheit bei Kohelet und in seiner Umwelt, EHS T 433, Frankfurt a. M./ Bern/New York/ Paris 1991, S. 99-101; fur 1,3-3,15 vgl. D. Michel, Untersuchungen zur Eigenart des Buches Qohelet, BZAW 183, Berlin/ New York 1989, S. 1-83, bes. S. 80-83; A. Fischer, Beobachtungen zur Komposition von Kohelet 1,3-3,15, ZAW 103 (1991), S. 71-86; für 1,3-3,22 vgl. F. J. Backhaus, "Denn Zeit und Zufall trifft sie alle". Studien zur Komposition und zum Gottesbild im Buch Qohelet, BBB 83, Frankfurt a. M. 1993, S. 87-155, bes. S. 149-155; L. Schwienhorst-Schönberger, "Nicht im Menschen gründet das Glück" (Koh 2,24). Kohelet im Spannungsfeld jüdischer Weisheit und hellenistischer Philosophie, Herders Biblische Studien 2, Freiburg/ Basel/ Wien/ Barcelona/ Rom New York 1994, S. 112-114 und 122-125.

184

Einfuhrung

unterscheiden und ein Konsens noch nicht in Sicht ist, begründen wir in Kürze unsere Auffassung des Textes 1,3-3,15 als einer von Kohelet konzipierten Ringkomposition .* Wir beginnen mit einer Übersicht über die Texteinheiten, aus denen sich der Traktat zusammensetzt. Zunächst ist der in 1,4-11 vorliegende Maschal über den Lauf der Natur zu nennen. Sodann folgt in 1,12-2,26 die sogenannte Königsfiktion, die gattungskritisch näher als weisheitliche Lehrerzählung zu bestimmen ist.5 Als drittes Stück begegnet in 3,1-8 ein weiterer Maschal, den man als ein weisheitliches Gedicht über die rechte Zeit bezeichnen kann. Er wird in 3,9 durch die programmatische Frage nach dem Gewinn beschlossen, die den Traktat bereits in 1,3 eröffnete. Schließlich hat Kohelet mit 3,10-15 eine Schlußreflexion ans Ende seiner Komposition gestellt. Die Abgrenzung dieser Texte dürfte in der neueren Diskussion soweit akzeptiert sein, daß wir einen sicheren Ausgangspunkt für die Beantwortung der Frage gewonnen haben: Warum darf 1,3-3,15 als eine in der Abfolge ihrer Texte überlegte und in sich geschlossene Komposition betrachtet werden? Der Schlüssel dazu steckt in der Schlußreflexion 3,10-15, deren zentrale Bedeutung fur die Theologie Kohelets erkannt ist und darum einen der meist diskutierten Texte des Buches darstellt. Für die anstehende Frage genügt hier eine Analyse ihrer Struktur. Sie gliedert sich unbestritten in die drei Teile 3,1 Of; 3,12f; 3,14f, deren erster asyndetisch mit "»TPÍO einsetzt und deren zweiter und dritter die Reflexion asyndetisch mit T i y T fortsetzen. 6 Der Text wird in V. 10 durch einen der fur Kohelet typischen Einleitungssätze eröffnet, wie wir sie oben besprochen haben.7 Er bündelt die Betrachtung auf das von Gott gegebene Geschäft, mit dem sich die Menschen auf Erden plagen; vgl. 1,13. Bei der folgenden Aussage in V. 11 handelt es sich zweifellos um einen theologischen Kommentar zu dem in 3,1-8* zitierten Gedicht über die qualifizierte Zeit, in dem Kohelet seinen erkenntniskritischen Vorbehalt zuspitzt, daß der Mensch handeln muß, aber keine Einsicht in Gottes gewaltige Zeitenuhr zu

4 5

6 7

Vgl. dazu ausfuhrlich Fischer, Beobachtungen, S. 71-86. Für 1,12-2,23 hat dies neuerdings Ch. Klein, Kohelet und die Weisheit Israels. Eine formgeschichtliche Studie, BWANT 132, Stuttgart/ Berlin/ Köln 1993, S. 134f, ausfuhrlich begründet. Vgl. bereits J. G. Vaihinger, Plan Koheleths, ThStKr 21 (1848), S. 451. Vgl. oben S. 40ff.

Kapitel III. Der Traktat des Kohelet

185

gewinnen vermag.8 Demgegenüber ist in V. 12f jeglicher Bezug auf das Rätsel der Zeit zu vermissen. Stattdessen geben sich die Verse als eine zitatähnliche Wiederholung des aus der Königsfiktion gezogenen Fazits zu erkennen, wie die sprachlichen Bezüge zu 2,24 hinreichend beweisen. Vor dem Hintergrund der oben in Kap. II analysierten Texte, in denen wir das carpe diem als zentrales Anliegen der Lehren Kohelets ermitteln konnten, lassen sich die Verse sachlich als Aufruf zur Lebensfreude bewerten. Mit V. 14f wechselt abermals das Thema. Die Verse erinnern unweigerlich an den in 1,4-11 beschriebenen gleichartigen Lauf des Weltgeschehens.9 Seine Unveränderbarkeit unterstreicht Kohelet in V. 14 durch die aus der ägyptischen Weisheit bekannte und entsprechend umgestaltete Schutzformel Dem kann man nichts hinzufügen und davon kann man nichts wegnehmen.10 Daß Kohelet auf das an den Anfang des Traktats gestellte Lehrgedicht 1,4-11 Bezug nimmt, bestätigt sich dadurch, daß V. 15a zitatähnlich auf l,9f zurückgreift und der in seiner Auslegung umstrittene V. 15b den Kreislaufgedanken vorauszusetzen scheint. Für die Komposition ergibt sich aus der Offenlegung der Bezüge, daß die Schlußreflexion in chiastischer Abfolge auf die im Korpus des Traktats zusammengestellten Dichtungen 1,4-11; 1,12-2,26; 3,1-8 zurückkommt und ihre Themen theologisch reflektiert. Insofern darf die Darlegung in 1,3-3,15 mit Fug und Recht als eine in sich geschlossene Ringkomposition verstanden werden (vgl. Tabelle C, S. 254). Nicht zuletzt wird das erzielte Ergebnis durch die Beobachtung untermauert, daß Kohelets ausschließlich in 3,12f und 3,14f seine Feststellung durch ein TIVP einfuhrt. Dies rechtfertigt den Schluß, daß er sich hier ganz bewußt auf frühere Erkenntnisse bezieht, die uns für 3,12f und 3,14f in den Untersuchungsergebnisse 2,24-26 und 1,9-11 vorliegen. Schließlich vermag unsere Auffassung am besten die Stellung der das Korpus in 1,3 eröffnenden und es in 3,9 beschließenden Frage nach dem Gewinn zu erklären. Indem sie eine sachliche Inclusio herstellt und den Hauptteil des 8 9 10

Zur Auslegung vgl. O. Kaiser, Determination und Freiheit beim Kohelet/ Prediger Salomo und in der Frühen Stoa, NStTh 31 (1989), S. 255-258 und unten S. 229ff. Vgl. Barton, ICC, S. 102; Hertzberg, ΚΑΤ, S. 108; Lauha, BK, S. 70f; Lohfink, NEB, S. 32; Whybray, NCeB, S. 75; Murphy, WBC, S. 32. Vgl. Dtn 4,2; 13,1; Sir 18,6; 42,21; ferner Jer 26,2; Prov 30,6; PsSal 5,4. Zur Sache vgl. W. Herrmann, Zu Kohelet 3,14, WZ(L).GS 3 (1953/54), S. 293-295; Eleonore Reuter, "Nimm nichts davon weg und füge nichts hinzu!", BN 47 (1989), S. 107-114; M. Weinfeld, Deuteronomy and the Deuteronomic School, Oxford 1972 (Reprinted Winona Lake 1992), S. 261-265.

186

Die Frage nach dem Gewinn (1,3)

Traktats umgrenzt, leitet sie augenfällig zur Schlußbetrachtung über. Durch die ermittelten Beziehungen soll freilich Zusammenhang und Eigenaussage der Schlußreflexion in 3,10-15 nicht bestritten, sondern vielmehr herausgestellt werden, daß Kohelet hier die Summe des Ganzen zieht.11

I. Die Frage nach dem Gewinn (1,3) Die programmatische Bedeutung der rhetorischen Frage in 1,3 ist in der Koheletforschung grundsätzlich anerkannt. Jedoch wird man dem komplizierten Befund der durchaus unterschiedlichen im Buch Kohelet versammelten Texte nur gerecht, wenn man einschränkend hinzufügt, daß sie wohl fur die beiden größeren Darlegungen in 1,3-3,15 und 5,9-6,9, jedoch nicht in gleichem Maße fur die übrigen Teile des Büchleins thematische Funktion besitzt. Da die Inclusio in 1,3 und 3,9 fur den Traktat beweist, daß er im Horizont dieser Frage gelesen werden will, befassen wir uns hier mit ihrer Auslegung. Als schwierig erweist sich zunächst das Verständnis des Schlüsselwortes "ρΊΤΡ, dessen Bedeutung viel diskutiert, aber noch nicht gänzlich aufgeklärt ist.12 Als Abstraktbildung leitet sich das Nomen von der in allen semitischen

11

Neuerdings hat sich Backhaus, "Zeit und Zufall", S. 155-158, mit unserer bereits in ZAW 103 (1991), S. 72-86, vorgetragenen Ansicht auseinandergesetzt. In seiner gegen das Verständnis von 1,3-3,15 als Ringkomposition gerichteten Kritik bestätigt Backhaus zunächst sämtliche von uns aufgewiesenen Textbeziehungen, bestreitet jedoch ihre textkonstitutive Funktion. Darüber hinaus macht Backhaus geltend, daß sich die sachlichen Entsprechungen nicht zwingend durch ein chiastisches Strukturmodell, sondern auch durch die von ihm favorisierte Wiederaufnahmetechnik erklären lassen. Ob wir nun den Text 3,10-15 mittels einer Technik der Wiederaufnahme deuten oder nicht, ändert freilich nichts an der Tatsache, daß 3,12f eindeutig auf das Fazit in 2,24 und damit auf die Königsfiktion insgesamt zurückgreift, noch daß 3,15 den Sachverhalt von 1,9 und damit das Thema von 1,4-11 theologisch reflektiert. Die Bezüge sind so evident, daß man sie nicht als zufällig betrachten kann, sondern als beabsichtigt verstehen muß. Durch sie ist jedoch die chiastische Abfolge der in 3, ΙΟΙ 5 wiederaufgenommenen Themen gegeben. Schließlich wird von Backhaus nicht berücksichtigt, daß Kohelet durch die Einfuhrung mit ^PVT in 3,12 und 3,14 selbst den Hinweis gibt, daß er im folgenden auf frühere Erkenntnisse zurückgreifen wird. Durch die von Backhaus vorgetragenen Argumente können wir daher unsere Position nicht als widerlegt betrachten.

12

Zur Diskussion vgl. W. E. Staples, "Profit" in Ecclesiastes, JNES 4 (1945), S. 87-96; J. G. Williams, What Does it Profit A Man?: The Wisdom of Koheleth, Judaism 20

Kapitel III. Der Traktat des Kohelet

Sprachen belegten Wurzel jtr I her, die in ihrer Grundbedeutung überschüssig

187

übermäßig,

sein eine ökonomische Färbung zu erkennen gibt.13 Entspre-

chend wird das Nomen "ρΊΤΡ in seiner in den Lexika verzeichneten Bedeutung Gewinn als Begriff der kaufmännischen Sprache betrachtet14 und seine Verwendung im Buch Kohelet durch den sozialgeschichtlichen Hintergrund der Intensivierung des wirtschaftlichen Lebens im ptolemäischen Palästina plausibilisiert.15 Im Alten Testament ist 1Ί1ΓΡ ausschließlich in Koh belegt; vgl. 1,3; 2,11; 2,13(2x); 3,9; 5,8; 5,15; 7,12; 10,10 und 1 0 , 1 1 I n s o f e r n erhebt sich die Frage, ob die ökonomische Bedeutung des wahrscheinlich aus dem Aramäi-

13

14

15

16

(1971), S. 179-193; R Braun, Kohelet und die frühhellenistische Popularphilosophie, BZAW 130, Berlin/ New York 1973, S. 47f; M. V. Fox, Qohelet and his Contradictions, JSOT.S 71, Sheffield 1989, S. 60-62; Michel, Eigenart, S. 105-111; Ogden, Readings, S. 22-26. Vgl. dazu R. E. Johnson, The Rhetorical Question as a Literary Device in Ecclesiastes, The Southern Baptist Theological Seminary 1986, S. 283-289 (Appendix F: Semantic Fields of Hebrew Words for "Profit"). Vgl. T. Kronholm, Art. U l \ ThWAT m, Sp. 1079-1090. Zur Nominalbildung vgl. H. Bauer / P. Leander, Historische Grammatik der hebräischen Sprache des Alten Testamentes, Halle 1918-1922 (ND Hildesheim 1962), § 61n0; E. König, Historischkritisches Lehrgebäude der hebräischen Sprache II/l, Leipzig 1895, § 77,2. Zur Bedeutung vgl. Gesenius 329a; HAL 432a. Zu ρΊΠ' als merkantiler Begriff vgl. M. J. Dahood, Canaanite-Phoenician Influence in Qoheleth, Bib 33 (1952), S. 46 und 220f. Zu dessen Herleitung aus dem Nordwestsemitischen vgl. kritisch Braun, Kohelet, S. 47; und Kroeber, SQAW, S. 41f. Obwohl O. Loretz, Altorientalische und kanaanäische Topoi im Buche Kohelet, UF 12 (1980), S. 275, mittels ugaritischer Belege aus Wirtschaftstexten fur das hebräisches "piVUn ein Verständnis als terminus technicus der Kaufmannsprache wahrscheinlich gemacht hat, wird man mit einer Verallgemeinerung des Ergebnisses vorsichtig sein müssen. Denn die Belege können wegen der lexikalischen Eigenständigkeit des Ugaritischen nicht als Argument fur oder gegen die Herkunft eines Wortes aus dem Aramäischen verwendet werden; vgl. W. C. Delsman, Zur Sprache des Buches Koheleth, in: Von Kanaan bis Kerala (FS J. P. M. van der Ploeg), AOAT 211, Kevelaer/ Neukirchen 1982, S. 348 Anm. 2. Zur Bedeutung von yriJV bzw. flPV im Jüdisch-Aramäischen und Mittelhebräischen vgl. noch Jastrow 572a, 605b; Dalman, Aramäisch-Neuhebräisches Wörterbuch, 190b; und die Belege in WeishKaiiGen 1,3.4.5; 2,11; 7,15. Schließlich sind uns in Sir 42,1-8 eine ganze Reihe hebräischer Begriffe der Kaufmannsprache überliefert, doch leider fehlt hier ein Beleg fur ynriV Vgl. Lohfink, NEB, S. 20f; R. Bartelmus, Haben oder Sein - Anmerkungen zur Anthropologie des Buches Kohelet, BN 53 (1990), S. 54 mit Anm. 45; ferner J. L. Kugel, Qohelet and Money, CBQ 51 (1989), S. 46f, der allerdings das Buch Kohelet wegen des fehlenden jüdischen Nationalbewußtseins in die persische Periode hinaufdatieren möchte. Zum sozialgeschichtlichen Hintergrund des Buches Kohelet vgl. ferner die oben S. 60 Anm. 26 angegebene Literatur. Zu vergleichen sind ferner das nur in weisheitlichen Texten belegte "ITV1Q in Koh 3,19; Prov 14,23; 21,5; sowie das von 1JV I gebildete Part. Qal, das in seiner nominalen Bedeutung in Koh 6,8; 6,11 ; 7,11 ; verwendet ist.

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Die Frage nach dem Gewinn (1,3)

sehen übernommenen Wortes auch im weisheitlichen Kontext des Buches Kohelet eine Rolle spielt. Werfen wir einen kurzen Blick auf die Belege von p~OT> in Koh, finden wir nur an einer einzigen Stelle eine deutliche Spur seiner wirtschaftlichen Prägung,17 nämlich im Spruch vom Schlangenbeschwörer in 10,11, der in seiner kunstvollen Beschaffenheit (Assonanzen!) traditioneller Weisheit entstammen und als Sprichwort umgelaufen sein dürfte. Da der Schlangenbeschwörer in Sir 12,13 parallel zum Tierbändiger genannt wird, gehörte er offensichtlich zu der Berufsgruppe der Schausteller, die in hellenistischer Zeit ihr Geld auf den Straßen, Plätzen und Märkten verdienten.18 Der Spruch in Koh 10,11 scheint den Fall zu reflektieren, daß der Schlangenbeschwörer keinen finanziellen Gewinn aus seiner Kunst zu ziehen vermag, wenn die Schlange vor19 der Beschwörung beißt.20 Liegt der Schaden des Schlangenbeschwörers im Ausfall seiner Bezahlung, besitzen wir mit 10,11 in der Tat einen Beleg für die ökonomische Bedeutung von yriTP. Doch hilft uns das nicht viel weiter; denn der Sinn des Spruchs verschiebt sich, sobald er im Kontext der in 10,8-11 zusammengestellten Sprüche gelesen wird. So ist V. 11 über das Stichwort "pUP mit einem weiteren Sprichwort in

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Für die Weisheit vgl. noch UTlö in Prov 14,23; 21,5. Da in beiden Gegensatzsprüchen ΊΊΌΓΐη als Oppositum in Erscheinung tritt, ist eine wirtschaftliche Färbung beider Worte im Sinn einer Gewinn-Verlust-Rechnung noch zu erkennen. Vgl. H. Blümner, Fahrendes Volk im Altertum, SBAW.PPH 6, München 1918, S. 21-23; M. Rostovtzeff, Gesellschafts- und Wirtschaftsgeschichte der hellenistischen Welt, Darmstadt 1955-1956 (ND 1984), Bd. 2, S. 864 mit Anm. 43 in Bd. 3, S. 1378Í Nl^a ist wie in Hi 15,32; Koh 7,17 im Sinne von bevor temporal zu fassen; vgl. König, Lehrgebäude Π/2, § 401w; A. Schoors, The Preacher Sought to Find Pleasing Words. A Study of the Language of Qoheleth, OLA 41, Leuven 1992, S. 124. Die Verwendung des Imperfekts in der Protasis dient zum Ausdruck einer realen Bedingung; vgl. B. Isaksson, Studies in Language of Qoheleth. With Special Emphasis on the Verbal System, SSU 10, Uppsala 1987, S. 130f mit Anm. 5. Da die wenigen alttestamentlichen Stellen zur Schlangenbeschwörung nichts von der Art und Weise der Beschwörungspraxis in Palästina erkennen lassen, ist der im SpruchfixierteFall nicht weiter zu erhellen; vgl. dazu R. Gordis, Koheleth - The Man and His World, TSJTSA 19, 3. Aufl. New York 1968,, S. 323: "This may mean either that the charm is used to make the snake bite or to ward off the biting (...). In either event, once the snake has bitten, the charmer's art is useless." Aus dem Text ist jedenfalls nicht zu beweisen, daß der Schlangenbeschwörer selbst gebissen worden sei und gar vor Ausübung seiner Kunst den Tod gefunden habe. Trotzdem wird dieser abwegige Fall in der Auslegung angenommen und als Betriebsunfall der Weisheit tituliert; vgl. Galling, HAT, S. 117; Lauha, BK, S. 189; Zimmerli, ATD, S. 231.

Kapitel III. Der Traktat des Kohelet

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V. 10 rückverbunden, das ebenso im Milieu der Arbeitswelt anzusiedeln wie in der Volksweisheit zu verorten ist. Die ursprüngliche Form des Sprichworts, Protasis in V. lOaa, und Apodosis in V. 10aß, dürfte einmal gelautet haben: Wenn die Axt stumpf ist,/ braucht man doppelte Kraft}1 Sie scheint später zur Einpassung in die Spruchkomposition V. 8-11 erweitert worden zu sein, die Kohelet selbst ins Werk setzte.22 In der jetzigen Form resümiert der Nachsatz in V. 10b, daß der Kluge einen Vorteil in seiner Weisheit besitzt; denn er hätte die Axt geschliffen " Gleichzeitig scheint V. 10b auch fur die vorausgehenden Sprüche in V. 8f seine Bedeutung zu besitzen und erweckt den Eindruck, daß der Kluge auch bei den in V. 8f beschriebenen Tätigkeiten möglichen Schaden zu vermeiden vermag.24 Demgegenüber erweist sich das Sprichwort vom Schlangenbeschwörer als Pointe der Spruchkomposition. Dieser verfugte zwar über Weisheit, konnte seine Kunstfertigkeit aber nicht zur Anwendung bringen; denn die Schlange hatte zur Unzeit gebissen. Mithin bestätigt die Auslegung der Spruchkomposition in 10,8-11, daß Kohelet "pTTP hier in weisheitlicher Erörterung gebraucht, um den Vorteil praktischen Wissens auszuloten. Auf diese Weise finden wir p U V bzw. ~inv noch in 2,13; 6,8; 7,12 zur Bezeichnimg eines relativen Vorteils der Weisheit verwendet.25

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Unsere Vermutung, daß V. 10aa,ß ursprünglich einen selbständigen Spruch bildete, gründet sich erstens auf die geschlossene Sinneinheit, zweitens auf die einfache Form von Vorder- und Nachsatz, drittens auf die gleiche Länge der Kola sowie die invertierte Wortstellung im Nachsatz, also auf die poetische Form, und viertens auf das Konkurrenzverhältnis, in das der ursprüngliche und der ergänzte Nachsatz treten; vgl. dazu Hertzberg, ΚΑΤ, S. 191. Unabhängig von unserer Analyse ist Klein, Kohelet, S. 92, zu demselben Ergebnis gelangt. Der Schlußsatz in V. lObß gibt mit den beiden Armaismen und dem Themawort Weisheit typischen Sprachgebrauch Kohelets zu erkennen. Er scheint geradezu durch den Zustandssatz in V. 10aa2 vorbereitet zu sein, insofern er einen Wink gibt, was Weisheit leisten könnte. Zur Beurteilung von V. 10aa2 als Glosse vgl. auch Lauha, BK, S. 188. Sprachlich erweist sich der Nachsatz V. 10b als eine crux interpretum. Da "piJl* auch sonst in Konstruktusverbindungen begegnet, deuten wir mit Fox, Contradictions, S. 268, ΤΜ)3Π als determiniertes Nomen und beurteilen es als Aramaismus in der Bedeutung geschickt; vgl. HAL 478a. Zur Auslegung der Spruchgruppe vgl. Delitzsch, BC, S. 366f; Galling, HAT, S. 117. Vgl. dazu unsere Ausführung oben S. 73. Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt Michel, Eigenart, S. 105-111, der in ynxi> ein spezielles Themawort traditioneller Weisheit erkennt. Jedoch dürfte er mit seiner Feststellung falsch liegen, daß sämtliche Stellen im Buch Kohelet, die ynJV positiv verwenden, als Zitate fremder Meinungen zu beurteilen sind. Sie gründet in einer zu forschen Erhebung von Zitaten, deren sachliches Kriterium uns methodisch fragwürdig ist: "was mit der dort dargelegten

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Die Frage nach dem Gewinn (1,3)

Als Zwischenergebnis können wir festhalten, da β Kohelet neben der sprachgeschichtlich aus der Handelssprache entwickelten Bedeutung Gewinn einen weisheitlich-konventioneller Gebrauch kennt, worin ")Y13T> im Zuge eines weisheitlichen Abwägungsprozesses den Vorteil, Vorzug einer Sache benennt.26 Von dieser Verwendung müssen wir grundsätzlich diejenigen Belege unterscheiden, in denen γηΤΡ ausschließlich negativ konnotiert ist.17 Dadurch reduziert sich unser Untersuchungsmaterial notgedrungen auf die Stellen 1,3; 2,11; 3,9; 5,15 M Als Ausgangspunkt dient uns die rhetorische Frage in 1,3.29 Ihr grundsätzlicher Charakter ist nicht nur an der typischen Formel unter der Sonne abzulesen, durch die sie ihr Thema in einen universalen Horizont stellt, sondern auch an dem Umstand, daß sie ihre Frage als ein anthropologisches Problem verhandelt. Dabei zeigt der Vergleich mit 3,9, daß hier der Mensch als ein in seiner Arbeit und Sorge rastlos tätiges Wesen verstanden ist.30 Daß dieses Menschenbild als ein Reflex auf die gesteigerten wirtschaftlichen Aktivitäten im ptolemäischen Juda gesehen werden kann, bestätigt nochmals Kohelets Zeitstellung im frühen Hellenismus. Hinzu kommt, daß der in 1,3 fragliche Gewinn fur den Menschen durch die präpositionale Wendung in all seiner

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Grundposition [1,3-3,15, Vf.] nicht übereinstimmt, ist als Anführung fremder Meinungen anzusehen, die Qohelet zitiert, um sich mit ihnen auseinanderzusetzen." Vgl. D. Michel, Qohelet, EdF 258, Darmstadt 1988, S. 32f; dazu Eigenart, S. 79f und 133f. Zur Kritik vgl. Lange, Weisheit, S. 180f. Zu dieser Gruppe zählen 2,13(2mal); 5,8; 6,8; 7,11.12; 10,10.11. Aufgrund dieses Befunds hat die Forschung zu Recht zwei Venvendungsweisen von p-|JV im Buch Kohelet unterschieden; vgl. bereits scharfsichtig A. Knobel, Commentar über das Buch Koheleth, Leipzig 1836, § 3 Lösung der Widersprüche, S. 32: "Oder wenn Koheleth an manchen Stellen (Kap. 1,3.2,11.5,15 etc.) leugnet, dass die menschliche Mühe einen Gewinn ( I n n ' ) bringe, an andern aber (Kap. 10,10.7,11) ihn der Weisheit beilegt, so hat man dort unter ynjV bleibendes dauerndes Gut zu verstehen, hier aber ganz einfach Vorteil." Zu den unterschiedlichen Analysen vgl. Staples, "Profit", S. 87-89 (relativ: 2,13; 5,8; 7,llf; 10,10f; absolut: 1,3; 2,11; 3,9; 3,19; 5,15; 6,8; 6,11); Braun, Kohelet, S. 47 mit Anm. 32f (konventionell-weisheitlich: 2,13; 5,8; 7,12; 10,10; skeptisch-abstrahierend: 1,3; 2,11; 3,9; 5,15; 10,11); Fox, Contradictions, S. 61f (Advantage (comparative): 2,13; 3,19; 5,8; 6,8; 6,11; 7,1 If; 10,10; Adequate gain: 1,3; 2,11; 3,9; 5,15; 10,11). Vgl. ferner 3,19 (ITVIQ); 6,11 ("ITP). Zur Abtrennung der rhetorischen Frage von 1,4-11 und ihrer Stellung vgl. N. Lohfink, Die Wiederkehr des immer Gleichen, AF 53 (1985), S. 126f; Klein, Kohelet, S. 123. Vgl. dazu Lohfink, NEB, S. 20, der den Akzent noch etwas anders setzt und den Menschen als ein Wesen kennzeichnet, "das auf Besitz aus ist: homo faber".

Kapitel III. Der Traktat des Kohelet

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Mühe, mit der er sich müht näher bestimmt wird. Wegen der ökonomischen Färbung des Begriffs Gewinn bietet sich an, die Präposition 2 wiederum als ein be pretii aufzufassen.31 Für die Bedeutung von "p*1TP folgt daraus, daß offenbar an einen selbsterwirtschafteten Gewinn zu denken ist, um den sich der Mensch in seinem Leben müht. Daß dieser Gewinn nicht materieller Art ist, wird man sofort hinzufügen müssen. Denn in dem in 2,3-11 ausgeführten Experiment mit der Freude hat sich der König in der Tat alle möglichen Güter erwirtschaftet, aber nach der Beurteilung von 2,11 konnte er durch sie keinen •ρΊΤΡ erlangen. Obwohl dieser Besitz dem König zum Quell seiner Vergnügungen geworden ist,32 betrachtet 2,10 die daraus erwachsene Freude nicht als Ertrag seines Tuns, sondern als seinen Anteil. Diese feine Differenzierung bleibt schlechterdings unverständlich, wenn nicht berücksichtigt wird, daß hier die für Kohelet ermittelte Bedeutung von pt>Π als eines positiven Schicksalsbegriffs33 vorausgesetzt und vom Schülerkreis des Weisheitslehrer so und nicht anders verstanden worden ist. Mithin pointiert die Aussage in 2,10, daß dem König zu seiner Prunksucht auch noch der Genuß seiner Güter vergönnt gewesen und dadurch sein Experiment ganz und gar gelungen ist. Trotzdem hat er erkennen müssen, daß alle seine Werke vergänglich sind und darum kein wirklicher Gewinn aus seinen Vergnügungen zu erzielen war; vgl. 2,11. Denn selbst der König kommt über die Vergänglichkeit seiner Existenz und die Vergeblichkeit seines Tuns nicht hinaus und verzweifelt darüber, daß er einmal seinen ganzen Besitz auf Erden zurücklassen muß; vgl. 2,18f. So schält sich gegen Ende der Königsfiktion heraus, daß kein menschliches Tun und sei es auch das eines zweiten Salomos über den Tod hinaus einen Wert besitzt.34 Und wenn sich einer noch so plagt, bleibt doch alle seine Mühe vergeblich;

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Vgl. Staples, "Profit", S. 87f; Murphy, WBC, S. 6; und weiter Schoors, Preacher, S. 193f; der die von M. J. Dahood, The Phoenician Background of Qoheleth, Bib 47 (1966), S. 265 vertetene These zurückweist, daß die Präposition α in 1,3; 5,14; 8,8; 9,1; 10,16; 11,6 der Bedeutung von ")» entspricht. Vgl. ferner Ps 30,10 und dazu E. Jenni, Die hebräischen Präpositionen. Bd. 1 : Die Präposition Beth, Stuttgart/ Berlin/ Köln 1992, S. 155, Rubrik 18, Nr. 1855. Es ist kein Zufall, daß Kohelet in 2,10 nicht die Präposition 1, sondern verwendet und dadurch die erworbenen Güter ausdrücklich nicht als den Gegenstand der Freude, sondern lediglich als Quelle seiner Vergnügungen bezeichnet. Vgl. ausführlich oben S. 79ff. Vgl. O. Kaiser, Die Botschaft des Buches Kohelet, EthL 71 (1995), S. 61.

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Die Frage nach dem Gewinn (1,3)

vgl. 2,22f. Denn der Tod macht jeglichen Gewinn zunichte und der Mensch kehrt nackt zurück, wie er in die Welt kam; vgl. 5,15. In der Zusammenschau der Belege tritt deutlich zutage, daß die rhetorische Frage nichts Geringeres als den Ertrag des ganzen Lebens negiert, weil der Tod alles menschliche Streben letztlich als zweck- und ergebnislos erweist. In diesem Horizont müssen wir die Bedeutung des Themawortes erheben: ΊΊΊΧΡ bezeichnet den bleibenden Gewinn, den sich der Mensch als einen gerechten Ausgleich fur sämtliche Mühen seines Lebens zu erwirtschaften hofft. 35 Einen solchen bleibenden Gewinn kann es aber nicht geben, weil der Mensch ein endliches Wesen ist und er über sein Leben nicht verfugt. Durch die Frage nach dem Wert des Lebens schlechthin gibt Kohelet die Perspektive seiner weisheitlichen Betrachtung zu erkennen. In neuer, kritischer Weise reflektiert er das Leben sub specie fmalis und nimmt dadurch einen Standpunkt ein, der für die Lehre dieses Weisen signifikant ist.36 Vom Tod her gelangt er zu der Erkenntnis, daß ein guter Ruf, Besitz und Nachkommen, ja selbst Weisheit nur relative und vergängliche Güter sind. Die Funktion von 1,3 ist also nicht die einer wirklichen Frage und sie dürfte auch von seinen Schülern nicht als eine offene verstanden worden sein.37 Vielmehr dient sie der Offenlegung des Standpunkts, von dem aus Kohelet die Welt, die Menschheit, die Zeit und mithin das gesamte Feld weisheitlicher Betrachtung einer gründlichen Untersuchung unterzieht. Im folgenden wird zu prüfen sein, ob sich unser Verständnis von 1,3 als rhetorische Frage und Themawort des Traktats bewährt.

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Vgl. dazu Fox, Contradictions, S. 61f; Ogden, Readings, S. 25. Allerdings liegt Ogden mit seiner Folgerung falsch, daß Kohelet durch die Frageform letztlich die Möglichkeit offen gelassen habe, daß es einen Gewinn nach dem Tod geben könne. Vgl. 2,15f; 2,18f; 3,19-21; 4,2f; 5,15; 6,6; 7,1; 7,8; 7,1 lf; 8,8; 9,2f; 9,4-6; 9,llf; 12,1-7. Vgl. Johnson, Question, S. 126-135; Lauha, BK, S. 32; Whybray, NCeB, S. 36; Fox, Contradictions, S. 170; Murphy, WBC, S. 7. Für eine offene Frage votieren dagegen E. M. Good, The Unfilled Sea: Style and Meaning in Ecclesiastes 1:2-11, in: Israelite Wisdom (FS Samuel Temen), New York 1978, S. 63f; P.-J. Holzer, Der Mensch und das Weltgeschehen nach Koh 1,4-11, Regensburg 1981 (Diss.), S. 164, 195; Michel, Eigenart, S. 4.

Kapitel III. Der Traktat des Kohelet

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2. Rahmenstück 1: Der Kreislauf der Natur (1,4-11) Schon immer hat dieses großartige Poem, das den Eingang des Traktats bildet, zu beeindrucken vermocht und ist darum gerne als der Prolog des gesamten Büchleins bezeichnet worden. Doch überrascht, wie schwer sich die Forschung mit seiner inhaltlichen Interpretation tut. Daß die Meinungen geradezu diametral auseinanderlaufen, beweisen zwei Stimmen aus der neueren Diskussion, die wir hier exemplarisch zitieren. So betrachtet James Crenshaw in seinem 1987 publizierten Kommentar den Prolog als Begründung der pessimistischen Weltanschauung Kohelets, daß alles menschliche Streben ganz und gar sinnlos sei: "It emphasizes the ceaseless activity of the natural world (1:47), a constant movement that has no discernible purpose or result. But the prologue also hints that human actions (1:8-11) always fail to reach their goal."38 Wenig später veröffentlicht Roger Whybray einen Aufsatz mit dem Titel Ecclesiastes 1.5-7 and the Wonders of Nature, in dem er den Nachweis fuhrt, daß die Schilderung der Naturvorgänge in 1,5-7 bislang grundsätzlich falsch interpretiert worden sei. Der Text stelle nicht die Ergebnislosigkeit, sondern die Naturnotwendigkeit heraus, mit der sich die beschriebenen Phänomene unabänderlich wiederholen: "Not a word is said about their futility: on the contrary, the reader is implicitly invited to regard their activity with wonder and admiration."39 Dies zwingt uns zu der Frage: Wie kann es zu derart verschiedenen Deutungen des Gedichts kommen? Die Antwort dürfen wir nicht in erster Linie bei den Exegeten, sondern müssen sie im Text selbst suchen; denn offensichtlich vereinigt er zwei unterschiedliche Aussageabsichten. Zur Erklärung des Befunds können wir auf die Vermutung von Oswald Loretz zurückgreifen, daß es sich bei 1,4-8 ursprünglich um eine naturkundliche Lehrdichtung gehandelt hat, die keinen direkten Bezug zum Menschen und seinen Lebensfragen beinhaltete.40 Die Tatsache, daß Kohelet sonst nirgends die Natur selbst zum

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Vgl. OTL, S. 61-68, und das Zitat S. 62. Vgl. JSOT 41 (1988), S. 105-112, und das Zitat S. 105. Im Anschluß an O. Loretz, Qohelet und der Alte Orient. Untersuchungen zu Stil und theologischer Thematik des Buches Qohelet, Freiburg 1964, S. 254; vgl. G. von Rad, Weisheit in Israel, Neukirchen-Vluyn 1970 (Taschenbuchausgabe Gütersloh 1992), S. 162 Zurückhaltender äußert sich Zimmerli, ATD, S. 141; Ogden, Readings, S. 30:

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Rahmenstück I: Der Kreislauf der Natur (1,4-11)

Thema macht, scheint darüber hinaus ihre Entlehnung aus weisheitlicher Tradition nahezulegen.41 Allerdings hat sich uns gezeigt, daß das Gedicht nicht in seiner ursprünglichen, sondern in einer von Kohelet überarbeiteten Form vorliegt. Dafür spricht erstens, daß sich im Text Poesie und Prosa mischen. Eine ähnliche Erscheinung ließ sich oben bei der Untersuchung des in 9,7-10 vorliegenden Trinklieds beobachten und durch die Arbeitsweise Kohelets erklären, seine Kommentare nicht nur am Ende anzufügen, vgl. 9,9f, sondern auch zwischen die Zeilen einzuschieben, vgl. 9,7b.42 Zweitens zeigt das Lied in seiner vermuteten ursprünglichen Gestalt43 nicht nur syntaktisch, sondern auch inhaltlich eine geschlossene Form. So umschreiben die vier Bereiche Erde, Himmel, Luft und Wasser44 sowie die vier Himmelsrichtungen45 die Welt als ein Ganzes. Drittens handelt es sich bei der Feststellung von 1,7a, daß alle Flüsse ins Meer fließen, das Meer aber nicht voll wird, um ein Mirabilium der Weisheit, das die Menschen unwillkürlich in Staunen versetzt.44 In der Absicht, diese Naturerscheinung als ein letztes und unbegreifliches Wunder herauszustellen, dürfte V. 7a einmal den Höhepunkt des Gedichts markiert haben; vgl. dazu Prov 30,18f; 30,29-31.47 Dies bestätigt die in V. 7b folgende

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"We have no way of determining whether the poem is his own creation or whether he is drawing upon another source, but we can ask about its function." Wir werden im folgenden zu zeigen versuchen, daß es nicht unmöglich ist, das Poem in 1,4-8* als ein der Tradition israelitisch-jüdischer Weisheit entnommenes Stück zu identifizieren. Zur Gattung des Naturmaschais im Alten Testament vgl. vorläufig H. Richter, Die Naturweisheit des Alten Testaments und im Buche Hiob, ZAW 70 (1958), S. 1-20, der neben den Gottesreden auf das Lied Hi 28* und ferner a u f P s 104*; Cant 2, l i n a ; und schließlich Koh 1,5-7 verweist. Zur Analyse vgl. ausführlich oben S. 139ff. Zu unserer Rekonstruktion vgl. weiter unten S. 195f. Ein Zusammenhang mit der griechischen Lehre von den vier Elemente Feuer, Erde, Luft und Wasser wird man nicht vermuten können. Dagegen ist nicht ausgeschlossen, daß das Gedicht später unter dem Einfluß griechischer Naturphilosophie mit jener in Verbindung gebracht wurde. Zur Lehre der vier Elemente des Empedokles vgl. Β 6, 17, 21, 22, 27 (H. Diels, Die Fragmente der Vorsokratiker I, 4. Aufl. Berlin 1922; S. 226ff). V. 5a schildert den Auf- und Untergang der Sonne (Osten und Westen), V. 6a das Kreisen des Windes (Norden und Süden); vgl. dazu Gordis, Koheleth, S. 206; Lohfink, Wiederkehr, S. 136; Crenshaw, OTL, S. 64; Ogden, Readings, S. 31. Als anschauliches Beispiel für dieses paradoxe Naturphänomen darf das Tote Meer gelten, das vom Jordan und anderen Flüssen gespeist wird, aber keinen Abfluß besitzt. Vgl. weiter Lucretius, De rerum natura 6,608-615 (Lukrez, Von der Natur. Übersetzt von H. Diels, Bibliothek der Antike (dtv), München 1991, S. 319). Zur Funktion des Zahlenspruchs vgl. Klein, Kohelet, S. 125.

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Kapitel III. Der Traktat des Kohelet

umständliche Erklärung, die aufgrund ihrer gegenläufigen Intention in eine gewisse Spannung zu V. 7a tritt.48 Aufgrund der Scheidung von Poesie und Prosa, der Kolometrie und der unterschiedlichen Aussageabsicht von Zitat und Kommentar scheint uns eine hypothetische Rekonstruktion des ursprünglichen Gedichts möglich.49 Wir erinnern aber nochmals an das Votum Gerhard von Rads, daß Kohelet eine saubere Trennung seines geistigen Eigentums von dem Übernommenen gar nicht beabsichtigt hat,50 und belassen dadurch der Rekonstruktion ihren vorläufigen Charakter. Nach unserer Analyse lassen sich für die Vorlage Kohelets sechs parallele Aussagen ermitteln: (4) Geschlechter gehen und Geschlechter kommen,/ doch die Erde bleibt immer bestehn./ (5) Die Sonne geht auf und die Sonne geht unter/ und atemlos jagt sie nach ihrem Ort./

[

]

(6) [....]S1 Nach Norden und [....] nach Süden/ pausenlos drehend weht der Wind./

[

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(8) Alle Dinge sind rastlos tätig,/ doch kein Mensch kann es in Worte fassen,/ kein Auge wird satt vom Sehen/ und kein Ohr wird voll beim Hören.

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(7) Alle Bäche fließen [ ]S2,/ doch das Meer wird nicht voll./

[

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Zu der dadurch ausgelösten Kontroverse in der Deutung von V. 7b vgl. Ellermeier, Qohelet 1,1. Untersuchungen zum Buche Qohelet, Herzberg 1967, S. 193-199; Hertzberg, ΚΑΤ, S. 71f; Whybray, NCeB, S. 42f. Vgl. auch die ausfuhrliche Untersuchung von O. Loretz, Anfange jüdischer Philosophie nach Qohelet 1,1-11 und 3,1-15, UF 23 (1991), Neukirchen-Vluyn 1992, S. 226-232. Auf sein von unserer Analyse deutlich abweichendes Ergebnis können wir hier nur hinweisen. Vgl. oben S. 90. Die Herausnahme der beiden Partizipien mutet dem Exegeten viel zu, scheint uns aber aufgrund der Überlänge des Kolons geboten. Von V. 6bß her erweisen sich beide Partizipien zudem als Vorbereitung des dort ausgeführten Kreislaufgedankens. Die Richtungsangabe D^rrtN ist ein fur das Verständnis unnötiger Zusatz; vgl. dazu auch Loretz, Anfange, S. 231.

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Rahmenstück I . Der Kreislauf der Natur (1,4-11)

Danach bilden die ersten vier Bikola des ursprünglichen Liedes (V. 4. 5aba.6aba.7a) eine Aussagereihe, die verschiedene Naturerscheinungen schildert, während die folgenden zwei Bikola (V. 8) analog der Natur die menschlichen Sinne beschreiben, die das Geschehen nicht zu fassen vermögen. Strukturell entsprechen sich in der Aussagereihe die äußeren Gliedern V. 4 und 7a*, die mittels zweier adversativer Aussagen53 die Unveränderlichkeit der Natur trotz ihres ständigen Wechsels betonen. Demgegenüber beschreiben die inneren Glieder V. 5* und 6* die Natur in ihren Abläufen als einen endlosen und regelmäßigen Prozeß. Das Ziel der Aussagereihe ist mit dem in V. 7a geschilderten paradoxen Phänomen erreicht. Es fuhrt die Natur als ein wunderbares Schauspiel von ewiger Dauer vor Augen. Gleichzeitig dient es als Beweis fur die Unbegreiflichkeit der Werke Gottes. Demgemäß zieht V. 8 den Schluß, daß die Ordnung der Natur in ihrem ewigen Fluß zu großartig ist, als daß der Mensch sie mit seinen Sinnen fassen könne.54 Mithin haben wir für das ursprüngliche Gedicht eine schlüssige Interpretation gewonnen, die ganz auf dem Boden israelitisch-jüdischer Weisheit steht.55 Indessen ist nicht von der Hand zu weisen, daß das ursprüngliche Gedicht durch das Bild der über den Horizont laufenden und wieder zurückkehrenden Sonne ein Verständnis der geschilderten Naturvorgänge als eines Kreislaufes buchstäblich anzog. Demgemäß lassen sich sämtliche in das Gedicht eingeflochtenen Kommentare als Deutung der Phänomene im Sinne eines Naturkreislaufes betrachten. Sie zeugen von einer rationalen Tendenz in der Erfassung der Wirklichkeit, wie sie sich später bei Ben Sira manifestiert.54 Dabei 53

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V. 4b und 7aß sind als Adversativsätze zu beurteilen. Gegen Eilermeier, Qohelet, S. 186-199, der fiir alle vier Beobachtungen die gleiche logische Struktur behauptet, ist einzuwenden, daß V. 4 und 7a näher zusammenrücken, insofern sie mit vorangestelltem Nomen beginnen und ihr Subjekt im Satz wechseln, während V. 5 und 6 ihr Subjekt beibehalten. Zu dieser Deutung vgl. Loretz, Qohelet, S. 254. Vgl. Ps 139,14; Hi 9,5-10; 28,20-28; 36,22-33; 37,14-23; Prov 30,18f; Sir 18,1-7; 42,15-43,33. Zur Sache vgl. Hengel, Judentum und Hellenismus, S. 282-284; ferner J. Haspecker, Religiöse Naturbetrachtung im Alten Testament, BuL 5 (1964), S. 116130. Vgl. Sir 16,24-17,14; 39,12-35; dazu J. Marböck, Weisheit im Wandel. Untersuchungen zur Weisheitstheologie bei Ben Sira, BBB 37, Bonn 1971, S. 134-141. Vgl. aber auch das Mahngedicht in Hen 2,1-5,3, das eine feste und unveränderliche Ordnung der Naturabläufe voraussetzt; dazu M. Küchler, Frühjüdische Weisheitstraditionen. Zum Fortgang weisheitlichen Denkens im Bereich des fnihjüdischen Jahweglaubens, OBO 26, Göttingen 1979, S. 510-512. Zur ältesten Textüberlieferung durch 4Q En*·'

Kapitel III. Der Traktat des Kohelet

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läßt V. 7b vermuten, daß griechische Versuche einer rationalen Erklärung von Naturerscheinungen57 auch in Jerusalem bekannt geworden sind. In der Zeit eines Eratosthenes,5® in der sich Alexandria zu einem Zentrum der Wissenschaften (Mathematik, Geographie, Astronomie) entwickelte, ist ein solcher Vorgang nicht unwahrscheinlich. Abgesehen davon belegt das Henochbuch wenn auch in mythischer Einkleidung, daß die frühe Apokalyptik bereits eine genaue Kenntnis astronomischer und meteorologischer Vorgänge besaß.59 Unsere These nach allem ist: Mit 1,4-8* lag Kohelet eine weisheitliche Dichtung über die Natur vor, die er überarbeitete und zu einer kleinen Lehrrede ausgestaltete. Durch seine Ergänzungen hat er, wie wir sogleich zeigen werden, die Naturvorgänge als einen beständigen Kreislauf interpretiert und dadurch seiner Aussageabsicht ein- und untergeordnet. Zur Verdeutlichung unserer Auffassung lassen wir eine vollständige Übersetzung des Maschais folgen, in der wir die Kommentierung und Erweiterung Kohelets durch Kursivdruck hervorheben: (4) Geschlechter60 gehen und Geschlechter kommen,/ doch die Erde bleibt immer bestehn./ (5) Die Sonne geht auf61 und die Sonne geht unter/

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vgl. K. Beyer, Die aramäischen Texte vom Toten Meer, Göttingen 1984, S. 233f. Vgl. Aristoteles, Meteorologie, übers, von H. Strohm, Aristoteles. Werke in deutscher Übersetzung Bd. 12/1, Berlin 1970. In dieser Lehrschrift erklärt Aristoteles unter reichlicher Benutzung vorsokratischen Materials die sublunaren Vorgänge im Rahmen eines ewigen Naturkreislaufs. Zu einzelnen Phänomenen vgl. 345b-346b (Umlauf der Himmelsköiper), 360a-361b (Umlauf der Winde), 346b-347a, 349b-350b (Hydrologie, Umlauf der Flüsse). Vgl. dazu jetzt J. Blomqvist, Alexandrian Science: The Case of Eratosthenes, in: Ethnicity in Hellenistic Egypt, Studies in Hellenistic Civilization III, Aarhus 1992, S. 53-73. Vgl. Hen 34-36 und 72-82; dazu O. Neugebauer, Appendix A: The 'Astronomical' Chapters of the Ethiopie Book of Enoch (72 to 82), in: M. Black, The Book of Enoch or I Enoch, SVTP, Leiden 1985, S. 386-419. Zur Sache vgl. noch Hengel, Judentum und Hellenismus, S. 377. Wir folgen der klassischen Auslegung und deuten ΎΠ nach Sir 14,18 als menschliches Geschlecht. Dagegen möchte G. S. Ogden, The Interpretation of "lVT in Ecclesiastes, JSOT 34 (1986), S. 9f Ϊ Π auf die Umläufe der Natur beziehen. Zur Grundbedeutung des Kreises, aus der das abgeleitete Verb die beiden Bedeutungen sich im Kreis bewegen und zu einer Gemeinschaft gehören entwickelte, vgl. P. N. Freedman / J. Lundbom, Art. Ϊ Π , ThWAT II, Sp 181f. Vgl. BHS. Die Versuche von Lohfink, Wiederkehr, S. 134f; Isaksson, Studies, S. 93f; mit MT auszukommen, haben uns nicht überzeugt. V. 5aa wäre die einzige Stelle im

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Rahmenstück I: Der Kreislauf der Natur (1,4-11) und atemlos jagt62 sie nach ihrem Ort,/ von dort sie wieder aufgeht. (6) Es weht nach Norden und dreht nach Süden/ pausenlos drehend63 weht der Wind, und zu64 seinen Kreisen kehrt der Wind wieder zurück. (7) Alle Bäche fließen ins MeerJ doch das Meer wird nicht voll,/ zu dem Ort, wo die Flüsse entspringen, dorthin kehren sie zurück, um wieder zu entspringen. (8) Alle Dinge 65 sind rastlos tätig,/ doch kein Mensch kann es in Worte fassen/ kein Auge wird satt vom Sehen/ und kein Ohr wird voll beim Hören. (9) Das, was geschah, ist das, was geschehen wird, und das, was getan wurde, ist das, was getan wird: Gar nichts66 Neues gibt's unter der Sonne! (10) Wenn es auch vorkommt,61 daß einer spricht: Schau her, das ist neu! Auch das gab es schon in den Zeiten, die vor uns gewesen sind'.a (11) Nur gibt es keine Erinnerung an die Früheren und auch an

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ganzen Gedicht, die statt eines Partizips eine Form des Imperfekts verwendete; vgl. auch Schoors, Preacher, S. 186. Zur Übersetzung vgl. Lohfink, Wiederkehr, S. 13 5f. Wörtlich bedeutet 1NV) schnappen, lechzen nach', vgl. HAL 1280b. Punktiere das zweite H O als Inf. abs. Zu seiner Funktion als Ausdruck eines andauernden Geschehens vgl. GK § 113r. Die Präposition vertritt hier wie öfter im spätbiblischen Hebräisch vgl. Brokkelmann, Syntax, § 108c; Waltke / O'Connor, Syntax, 11.2.13b; dazu Schoors, Preacher, S. 201. Vgl. Lohfink, NEB, S. 22; Whybray, Wonders, S. 107f. Bereits Raschbam bezog die Aussage nicht auf die Worte, sondern auf die Ereignisse in der Welt; vgl. Sara Japhet / R. B. Salters, The Commentary of R. Samuel Ben Meir Rashbam on Qoheleth, Jerusalem/ Leiden 1985, S. 94f. Vgl. dagegen ζ. B. Hitzig, KEH, S. 131; Scott, AncB, S. 211; Lauha, BK, S. 35f; Zimmerli, ATD, S. 144; Michel, Eigenart, S. 6. Vgl. II Sam 12,3; Dan 1,4. ρ Κ in Verbindung mit t o bezeichnet eine absolute Verneinung; vgl. HAL 452b; GK § 152p. Anders deutet Klein, Kohelet, S. 126, das im Sinne einer Intensivierung des VJ"tn: "Es gibt nichts wirklich Neues unter der Sonne." Vgl. Murphy, WBC, S. 6; und unsere Ausführungen zu oben S. 42f. Zur Inkongruenz des Verbs vgl. W. C. Delsman, Die Inkongruenz im Buch Qoheleth, in: Studies in Hebrew and Aramaic Syntax (FS J. Hoftijzer), Studies in Semitic Languages and Linguistics 17, Leiden 1991, S. 27f; Ch. F. Whitley, Koheleth. His Language and Thought, BZAW 148, Berlin/ New York 1978, S . l l . Das vorangehen-

Kapitel III. Der Traktat des Kohelet

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die Späteren, die noch kommen, auch an sie wird es keine Erinnerung geben bei denen, die danach kommen. Betrachten wir zunächst die Ergänzungen, die Kohelet in seine Vorlage eingetragen hat. Daß V. 5bß in seinem Kontext ungewöhnlich sperrig wirkt, wird man zugeben müssen.69 Wegen der Verwendung des Personalpronomens und des rückverweisenden DV), das in der Poesie fehlen kann,70 ist die Beurteilung des Halbverses als prosaischer Zusatz gerechtfertigt. Grammatikalisch handelt es sich um einen asyndetischen Relativsatz,71 der sich auf den Ort der Sonne bezieht, wohin sie lechzend oder schnaubend eilt. Da die zugrundeliegende mythologische Vorstellung den Zeitgenossen ebenso wie Kohelet bekannt gewesen und das Lechzen der Sonne offenbar mit ihrem nächtlichen (unterirdischen?) Rücklauf verbunden worden ist,72 duldet es keinen Zweifel, daß schon in V. 5ba mit dem Ziel ihres Lechzens selbstverständlich der Ort ihres Aufgangs gemeint war. Daher erweist sich der Zusatz in V. 5bß fur das Verständnis des ursprünglichen Gedichts als überflüssig, nicht aber fur seine von Kohelet beabsichtigte Umdeutung. Denn V. 5bß bringt zum Ausdruck, daß die Sonne von neuem emporsteigt und so in ewigem Lauf immer wieder zu ihrem Ausgangspunkt zurückkehrt. Exakt die gleiche Intention zeigt V. 6bß, den Kohelet als Erklärung der Windbewegung nachgetragen hat. Während die ursprüngliche Aussage in V. 6aba lediglich von seinem ständigen Umschlagen in die entgegengesetzte Richtung spricht, betont demgegenüber der Zusatz in V. 6bß, daß der Wind wieder zu seinen Kreisbewegungen zurückkehrt, um von neuem loszubrausen.73 Durch die Rückkehr zum Ausgangspunkt deutet der Halbvers den Wechsel des Windes als ein ewiges Kreislaufgeschehen. Wollte man dieses V. 6bß eigene Aussageziel nicht zugeben, erwiese er sich ebenso als ein fur das Verständnis des wechselhaften Windes

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de CPKÒy ist offenbar als ein Kollektivbegriff verstanden worden. Zum Verständnis der angesprochenen Zeitstufe vgl. unten S. 233 Anm. 35. Mitunter ist in der Forschung seine Ausscheidung als spätere Glosse erwogen worden; vgl. BHS (in der Bearbeitung durch F. Horst). Vgl. Brockelmann, Syntax, § 148. Vgl. Isaksson, Studies, S. 156, der noch auf 1,13; 1,18(7); 5,12; 6,11; 10,5; 11,6 verweist. Vgl. auchDelsman, Sprache, S. 359f; Schoors, Preacher, S. 209f. Vgl. Lohfink, Wiederkehr, S. 135f. Vgl. Hitzig, KEH, S. 130; Delitzsch, BC, S. 230; Galling, HAT, S. 86; Murphy, WBC, S. 8.

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Rahmenstück I: Der Kreislauf der Natur (1,4-11)

entbehrlicher Zusatz. Schließlich bestätigen sich unsere Beobachtungen durch die ausfuhrlichste Ergänzung des Gedichts in V. 7b. Bereits die sprachlichen Rückgriffe auf V. 5 ( D l p O ^ N , D\ü), V. 6 (Xl\y) und V. 7a ( D ^ m , ΐ ? Π ) zeigen, daß die Formulierung von V. 7b aus der Bearbeitung des Gedichts erwachsen ist. Dabei lassen die Umständlichkeit des Ausdrucks, das Fehlen poetischer Formen sowie die Relativpartikel VU seine Abfassung in Prosa erkennen. Der sprachlich schwierige Vers ist unterschiedlich auszulegen. Unter dem übergeordneten Gesichtspunkt, daß der Maschal die Sinn- und Zwecklosigkeit allen Geschehens ausdrücken soll,74 wird die Deutung favorisiert, daß sich DlpXy^N auf den Zielort beziehe und demzufolge V. 7b das unaufhörliche und ergebnislose Ergießen der Flüsse ins Meer bezeichne. Dabei wird unterstellt, daß D^IVL) in V. 7bß als Formverb verwendet sei. Ein solches Verständnis ist aber nicht nur sprachlich unwahrscheinlich, weil 21V) mit t> + Inf. es. zwar die Wiederholung eines Vorgangs, nicht aber einen kontinuierlichen Prozeß bezeichnet,75 sondern auch vom Kontext her ausgeschlossen. Denn in V. 6 ist 21VD eindeutig als Vollverb gebraucht und trägt dort den zentralen Gedanken, daß der Wind zu seinem Ausgangspunkt zurückkehrt. Demgemäß wird man 2ÌV) ebenso wie in V. 6 als Vollverb betrachten und DIpXrtN ebenso wie in V. 5 als Ausgangsort verstehen müssen.76 Mithin beschreibt V. 7b die Rückkehr der Flüsse zum Quellort und betont dadurch, daß sich auch das Wasser in einem Kreislauf befindet. Ob Kohelet an den Rückfluß des Wassers durch unterirdische Kanäle77 gedacht oder seinen Weg über die Verdunstung und Regenbildung nachvollzogen hat, bleibt unsicher. Berücksichtigt man aber, daß schon die Elihureden durch Hi 36,27f ein Wissen über die Bildung der Wolken und Entstehung des Regens bezeugen,78 ist letzteres wahrscheinlich.

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Vgl. ζ. Β. E. Wölfel, Luther und die Skepsis, FGLP Reihe 10/12, München 1958, S. 32-35; Lauha, BK, S. 32-35; Crenshaw, OTL, S. 61-65; Michel, Eigenart, S. 5f; Murphy, WBC, S. 7f. Vgl. HAL 1328b unter Nr. 5; dazu Whybray, Wonders, S. 107f. Zur ausfuhrlichen Begründung vgl. bereits Ellenneier, Qohelet, S. 195-199. Nach dem Targum wird die Rückkehr des Wassers zu den Quellen durch unterirdische Kanäle vorgestellt, die durch das Urmeer gespeist werden; vgl. dazu Levy, Qoheleth, S. 69. Für die Antike vgl. Aristoteles, Meteorologie, 347a, 350b, 359a (mit Erklärung der Salzhaltigkeit des Toten Meers); Aristophanes, Die Wolken, 1278-1281; Lucretius, de rerum natura, 5,269-272; 6,631-638.

Kapitel III. Der Traktat des Kohelet

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Die bisherige Untersuchung hat ergeben, daß alle drei in das poetische Gedicht eingeschobenen prosaischen Erweiterungen (V. 5bß.6bß.7b) eine eigene Intention verfolgen, indem sie die Natur als ein großes Kreislaufgeschehen deuten. Unsere Vermutung, daß Kohelet selbst das ursprüngliche Gedicht bearbeitet hat, bestätigt sich insofern, als alle drei Ergänzungen direkt auf V. 9 als ihr Aussageziel hinauslaufen. Hier zieht Kohelet aus dem ewigen Lauf der Natur den Schluß, daß sich alles Geschehen stets in gleicher Weise wiederholt. Dabei ist von grundlegender Bedeutung für das Verständnis, daß Kohelet dieser Aussage in V. 9aa eine zweite in V. 9aß parallel stellt, die das Tun des Menschen nicht anders als in steter Wiederholung begriffen deutet. Es wäre verfehlt, wollte man darin den griechischen Gedanken der ewigen Wiederkehr des Gleichen oder eine kosmische Determination der individuellen Geschicke erkennen.79 Stattdessen fuhrt Kohelet vor Augen, daß der Mensch trotz seiner Anstrengungen nicht über die Menschheitsgeschichte hinauskommt. Daher vermag er fur sich keinen bleibenden Gewinn als Ausgleich für seine Mühen zu schaffen.80 Bereits Raschbam hat in seiner Auslegung erkannt, daß Kohelet hier auf seine Ausgangsfrage zurückkommt und sie als eine rhetorische bestätigt.81 Denn ist alles schon einmal dagewesen, kann der Mensch nicht für sich in Anspruch nehmen, daß er etwas Neues geschaffen und dadurch einen bleibenden Gewinn erzielt hat. Nicht anders als die Natur ist auch sein Tun dem ewigen Gesetz von Werden und Vergehen unterworfen und keiner vermag etwas hinzuzufügen noch etwas davon wegzunehmen; vgl. 3,14. So kann man sagen, daß Kohelet mit V. 9 zur Ausführung seines Themas gelangt ist. Von dort erweist sich rückblickend das gesamte Gedicht als in den Dienst dieser Aussage gestellt.82 Darüber hinaus hat Kohelet sein erzieltes

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Dies hat O. Kaiser, Schicksal, Leid und Gott. Ein Gespräch mit dem Kohelet, Prediger Salomo, in: Altes Testament und christliche Verkündigung (FS A. H. J. Gunneweg), Stuttgart 1987, S. 37f, zutreffend festgestellt; vgl. dazu auch Fox, Contradictions, S. 172f. Vgl. Lauha, BK, S. 32; Fox, Contradictions, S. 169: "What the description of nature configured, we now learn, is that nothing new ever happens, and this fact validates the opening statement that toil is never adequately compensated." Vgl. Japhet / Salters, Commentary, S. 94-97. Zusätzlich wird der Rückbezug auf die rhetorische Frage in V. 3 durch die Wiederaufnahme der Formel VtoVJn Xinjl bestätigt; vgl. Fox, Contradictions, S. 169; Ogden, Readings, S. 33; Murphy, WBC, S. 8. Vgl. A. G. Wright, The Riddle of the Sphinx: Structure of the Book of Qoheleth, CBQ 30 (1968), S. 333: "The question in 1,3, 'What does a man gain by all the toil at which he toils under the sun,1 provides the context, in which 1,4-11 is to be read.

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Rahmenstück I: Der Kreislauf der Natur (1,4-11)

Ergebnis, daß es gar nichts Neues unter der Sonne gibt, durch die folgenden Verse untermauert. Den möglichen Einwand, daß doch augenscheinlich immer wieder etwas Neues auf Erden passiert, entkräftet er in V. lOf durch das Argument, daß die Menschheit eben nur über ein geringes Erinnerungsvermögen verfugt. Mithin beschließt das zu didaktischen Zwecken83 angefügte Stück die in V. 4-11 vorliegende Lehrdichtung. Als Ergebnis sei zweierlei hervorgehoben: Erstens haben wir die Vermutung bestätigt gefunden, daß Kohelet in V. 4-11 ein ursprüngliches Lied zitiert und umgestaltet hat. Dabei ist es uns durch eine unter poetischen und inhaltlichen Gesichtspunkten durchgeführte Analyse gelungen, die Vorlage annähernd zu rekonstruieren und davon die Bearbeitung durch Kohelet abzuheben. Die eingangs gestellte Frage, warum die Deutungen von V. 4-11 in der Forschung diametral auseinanderlaufen, läßt sich nunmehr durch den redaktionsgeschichtlichen Befund beantworten, daß das Lehrgedicht zwei Aussageabsichten, nämlich die des Zitats und die des Kommentars, in sich vereint. Zweitens ist festzustellen, daß an keiner einzigen Stelle die Natur- und Menschheitsgeschichte als sinn- und zwecklos bezeichnet wird.84 Wie durch ein Teleskop betrachtet, so wird die Welt als ewiger Kreislauf befunden und festgestellt, daß der Mensch darin nichts Bleibendes zu schaffen vermag. Dagegen wird das Thema des Traktats erst in der folgenden Königsfiktion als die den Menschen bis zur Verzweiflung treibende Lebensfrage verhandelt. Insofern müssen wir alle Versuche, die dem Lehrgedicht in 1,4-11 durch ein einseitig an der Königsfiktion in 1,12-2,26 orientiertes Verständnis seine eigene Aussage beschneiden, zurückweisen.

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There follows a poetic section in 3-8 with a subsequent prose comment in 9-11." Diese Funktion wird nicht zuletzt durch das in V. 10b angehängte Suffix der 1. pl. com. bestätigt, das die Hörer bzw. Leser in die Argumentation miteinbezieht; vgl. dazu Braun, Kohelet, S. 65. Dies beweist das FeWen jeglicher i/e6e/-Wendung in V. 4-11.

Kapitel III. Der Traktat des Kohelet

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3. Die Königsflktion (1,12-2,26) Das Kernstück des von Kohelet entworfenen Traktats 1,3-3,15 bildet die große Lehrerzählung in 1,12-2,26. In ihr schlüpft der Weise in die Rolle des Königs von Israel, der alle seine Vorgänger an Genuß, Weisheit und Besitz übertrifft. Diese Eigenart hat stets das besondere Interesse der Ausleger geweckt.8* Mit Blick auf das Problem der Textabgrenzung stellte man sich denn auch die Frage, wie weit die literarische Fiktion aufrechterhalten wird. Dabei hat man in 2,12b einen direkten Hinweis auf den Abschluß der Königsfiktion finden wollen.86 Ob der Halbvers die Beweislast zu tragen vermag, ist allerdings zu bezweifeln. Denn nicht nur seine Syntax, sondern auch seine Stellung im Kontext ist umstritten. Darüber hinaus muß seine Textüberlieferung als problematisch bezeichnet werden, obwohl es nicht an neueren Versuchen gefehlt hat, sich den masoretischen Text zurechtzulegen.87 Unsere kurze Diskussion des Verses beginnen wir mit der allgemeinen Feststellung, daß die Form der Frage Was ist der Mensch? in der israelitischjüdischen Weisheit nicht unbekannt gewesen ist. Dort wird sie in der Regel dazu benutzt, um die Bedeutungslosigkeit des Menschen im Verhältnis zu der Größe seines Schöpfers herauszustellen.88 Da schon die Frage an sich die Niedrigkeit des Menschen gegenüber Gott zum Ausdruck bringt, ist sie stets rhetorisch gemeint. Übertragen wir den Befund auf V. 12ba, so wird hier ganz ähnlich der Mensch ins Verhältnis zu der Größe des Königs gesetzt. Gefragt wird nach der Bedeutung des Menschen, der in der Rangordnung hinter89 dem

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Vgl. zuletzt R. Lux, "Ich, Kohelet, bin König ...". Die Fiktion als Schlüssel zur Wirklichkeit, EvTh 50 (1990), S. 331-342. Vgl. ausführlich Michel, Eigenart, S. 22-24. Einige Ausleger haben außerdem die Umstellung von 2,12b hinter 2,11 erwogen; vgl. ζ. B. Galling, HAT, 1. Auf., S. 56, gegenüber der 2. Aufl., S. 91; Kroeber, SQAW, S. 115; Scott, AncB, S. 216; Braun, Kohelet, S. 82. Beachtung verdient hier der Vorschlag von Fox, Contradictions, S. 182f, der den Konsonantenbestand von MT unverändert läßt, jedoch ΉΙΊΝ mit Suff. 1. sg. vokalisiert und " p Q n als Part. sg. mase, interpretiert: "For what will the man be like who will succeed over what [others] will have earned earlier?" Vgl. Ps 8,5; 144,3; Hi 7,17; Sir 18,8; ferner Hi 4,17; 15,14; 25,4; dazu 1 QH VII,32; X,3; XIII, 14. Vgl. auch E.-J. Waschke, "Was ist der Mensch, daß du seiner gedenkst?", ThLZ 116 (1991), Sp. 801-812, bes. 805-807. Zur Bezeichnung eines Rangunterschieds dient n i l N in II Sam 23,9-11; I Chr 11,12; Neh 11,8; Sir 47,1.

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Das Lebensexperiment des Königs (1,12-2,26)

König kommt. Daß diese Frage ebenfalls eine negative Antwort impliziert, duldet keinen Zweifel; denn natürlich kommt kein zweiter dem König gleich, der an Größe alle seine Vorgänger in Jerusalem übertraf; vgl. 1,16. Daher wird man 2, 12ba als eine rhetorische Frage betrachten müssen.90 Ist dieses Verständnis vorausgesetzt, lassen sich sowohl ihre Funktion als auch ihre Stellung befriedigend erklären. Mittels der Einfuhrung durch ein emphatisches Ό betont die rhetorische Frage, daß der weiseste König wie kein zweiter für das Vorhaben gerüstet ist, Weisheit und Torheit genauestens zu untersuchen. Das in 2,12-17 ausgeführte Experiment ist also unanfechtbar und sein Ergebnis allgemeingültig.91 Mithin ist der Einschub zwischen V. 12a und 13 nicht nur gerechtfertigt, sondern für den Beweisgang der Königsfiktion ebenso unentbehrlich wie der Zwischensatz in V. 3ba ! Da wir den rhetorischen Charakter der Frage in V. 12b α nachgewiesen haben, scheidet freilich die Möglichkeit aus, das folgende Sätzchen in V. 12b β originär als Antwort auf die Frage zu erklären.92 Berücksichtigt man weiter, daß die vermeintliche Antwort in V. 12b β bruchstückhaft ist und ohne eine entsprechende Ergänzung unverständlich bleibt,93 wird man sie am besten als eine epexegetische Glosse beurteilen, die in den Text eingedrungen ist. Vielleicht handelt es sich um eine Anspielung auf Rehabeam, der sich durch die Geschichte als unzulänglicher Nachfolger Salomos erwiesen hat.94 Klammert man V. 12b β als Glosse aus, erweist sich der übrige Vers in der Tat als eine präzise Einleitung zu dem in V. 12-17 beschriebenen Experiment:

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Vgl. Johnson, Question, S. 138-142; Ogden, Readings, S. 43; und vorsichtig J. A. Loader, Polar Structures in the Book of Kohelet, BZAW 152, Berlin/ New York 1979, S. 26. Vgl. dagegen Ellenneier, Qohelet, S. 60, der 2,12ba und 7,10a als echte Fragen behandelt. Vgl. Delitzsch, BC, S. 250. Zu dieser Deutung vgl. z. B. Ogden, Readings, S. 43; Murphy, WBC, S. 20; Backhaus, "Zeit und Zufall", S. lOlf. Viele Ausleger ergänzen in V. 12ba(!) ein n V j y oder rechnen unter Verweis auf GK § 167a mit einer Aposiopese; vgl. einerseits Whitley, Kohelet, S. 24; Loader, Structures, S. 37; Crenshaw, OTL, S. 83; und andererseits Hertzberg, ΚΑΤ, S. 80; Lauha, BK, S. 42; Murphy, WBC, S. 20. Vgl. dazu Whybray, NCeB, S. 57.

Kapitel III. Der Traktat des Kohelet

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(12) Und ich wandte mich der Beobachtung von Weisheit, Torheit und Unverstand zu. Denn was ist (schon) der Mensch, der hinter dem Königkommt? (ER TUT DOCH NUR),®* WAS JENER SCHON GETAN HAT. 9 6 (13) Und SO beobachtete

ich:...

Ist die Funktion von V. 12b* ebenso wie die von V. 3ba fur die Beweisführung der Lehrerzählung erkannt, nämlich die Einzigartigkeit und Allgemeingültigkeit des jeweils folgenden Experiments zu sichern, läßt sich der Halbvers keinesfalls als betonte Ausleitung der Königstravestie verstehen. Im übrigen würde eine solche Begrenzung des Fiktiven auf 1,12-2,11 der Lehrerzählung insgesamt nicht gerecht. Denn es ist keine Frage, daß der Text zwischen dem Erfahrungsbericht des Königs und der Belehrung des Weisen oszilliert, zumal bereits der Anfang seinen fiktiven Charakter zu erkennen gibt: Einen König namens Kohelet hat es in Jerusalem nämlich nie gegeben.97 Mithin dürfen wir weiter davon ausgehen, daß der Umfang des Textes mit 1,12-2,26 sachgerecht bestimmt ist. Das Ergebnis bestätigt sich durch den kunstvollen Aufbau der Königsfiktion.98 Grundlegend hierfür ist die Beobachtung, daß auf die Selbstvorstellung des Königs in 1,12 mit 1,13-15; 1,16-18; 2,lf drei Abschnitte folgen, denen jeweils die gleiche Struktur zugrundeliegt: "Dreimal Bericht über ein Tun, das begonnen wurde, doch jedesmal sofort Hinweis auf das Ergebnis und Schlußpunkt durch ein Sprichwort."99 Dabei erfüllen die drei Abschnitte jeweils eine Ankündigungsfunktion für die folgenden Argumentationsgänge in 2,3-11; 2,12-17; 2,18-21: In 1,13-15 berichtet der König von seinem Vorhaben, mittels Weisheit100 alles Tun auf Erden zu erforschen. Dieses Tun charak-

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Zur Ergänzung vgl. Michel, Eigenart, S. 23. Lies nach der Vermutung von F. Horst im Apparat der BHS Ν1Π n\yy. Die Konjektur ist einer unpersönlichen Deutung des Verbs vorzuziehen; denn der Bezugspunkt ist hier konkret die Vorleistung Salomos und nicht das, was andere schon geschaffen haben. 97 Vgl. Lux, "Ich, Kohelet, bin König...", S. 337. 98 Vgl. dazu ausführlich Fischer, Beobachtungen, S. 78-83. 99 Lohfink, NEB, S. 37. 100 Zum b' Instrumentalis vgl. 7,26 und unsere eingehende Diskussion des Problems in Fischer, Beobachtungen, S. 74f. Dagegen hält Schoors, Preacher, S. 198f, sprachlich beide Fälle fur möglich, nämlich daß die Präposition entweder der Einfuhrung eines Objektakkusativs dient oder instrumental zu deuten ist. Mithin entscheidet sich die Frage an der inhaltlichen Interpretation.

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Das Lebensexperiment des Königs (1,12-2,26)

terisiert 1,13b als ein von Gott den Menschen gegebenes schlimmes Geschäft. Da 1,13b und 2,26 zusammen eine Inclusio bilden101 und dort der aus der Handelssprache entlehnte Terminus yoy102 die Tätigkeit des Sammeins und Anhäufens bezeichnet, ist hier offenbar ebenso an das unermüdliche Abrakkern der Menschen zu denken, wie es fur die hellenistische Zeit typisch gewesen ist. Was dieses Geschäft so schlimm macht, ist die Aussicht, daß sich der Mensch Tag und Nacht plagt,103 um dann doch eines Tages alle seine erworbenen Güter einem anderen überlassen zu müssen; vgl. 2,21.104 So bestimmt sich vom Ende der Königsfiktion her der yoy als rastloses Streben nach Besitz, um den sich der Mensch müht und dann doch nichts davon hat.10* Mithin beschäftigt sich das in 1,13 angekündigte Vorhaben mit der Frage, was denn menschliches Schaffen auf Erden bewirken könne.106 Und der König resümiert als sein Untersuchungsergebnis in 1,14: Er habe alle Werke der Menschen betrachtet und herausgefunden, daß sie vergänglich und alle Anstrengungen umsonst gewesen sind.107 Als Thema des zweiten Abschnitts in 1,16-18 ist zu erkennen, daß sich der König zu prüfen vorgenommen hat, was Weisheit gegenüber der Torheit zu leisten vermag. Dazu hat er sich erstaunliches Wissen erworben, doch in 1,17 feststellen müssen: Trotz der in die Weisheit gesetzten Erwartungen hat sie sich als nutzlos herausgestellt. Im dritten Abschnitt in 2,lf hat es

101 Die beiden Verse verbinden sich über die Stichwörter foy, ITU, O TÖN; vgl. dazu Lux, "Ich Kohelet, bin König ...", S. 342. 102 Vgl. 5,13; und die Liste wirtschaftlicher Begriffe bei Dahood, Influence, S. 221. Das Wort ist im Alten Testament nur bei Koh belegt und als Aramaismus zu betrachten; vgl. dazu Wagner, Aramaismen, S. 92, Nr. 222; Delsman, Sprache, S. 346. 103 Mit der Geschäftigkeit des Menschen verbindet sich das Motiv der Schlaflosigkeit in 2,23; 8,16; ferner 5,2. 104 Es ist bemerkenswert, daß Kohelet hier die Hebel-Formel variiert und das Streben nach Besitz als ein Π Π nyn qualifiziert. Vgl. dazu auch 4,8b β ; 6,2b. 105 Obwohl die Beziehung zwischen 1,13b und 2,26 offensichtlich ist, möchten viele Ausleger dennoch auf 3,10 vorgreifen und von dort das schlimme Geschäft in 1,13b mit dem vergeblichen Erkenntnisbemühen oder gar der Suche nach einem umfassenden Sinnzusammenhang identifizieren; vgl. ζ. B. Hertzberg, ΚΑΤ, S. 83; Galling, HAT, S. 88; Lauha, BK, S. 45; Murphy, WBC, S. 13; Backhaus, "Zeit und Zufall", S. 93f. Aber auch 3,10 vermag eine solche Deutung nicht zu stützen; denn piy bezeichnet hier nicht das Erkenntnisstreben, sondern bezieht sich auf die unterschiedlichen menschlichen Tätigkeiten zurück, wie sie das Gedicht über die qualifizierte Zeit in 3,1-8 zuvor beschrieb; vgl. Whybray, NCeB, S. 72. 106 Vgl. Hitzig, KEH, S. 133; Loader, Structures, S. 39; Lohfink, NEB, S. 24f. 107 Gegen Müller, Skepsis, S. 4, braucht man 1,14 keine argumentative Unschärfe unterstellen.

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Kohelet-Salomo dann mit der Freude versucht und sein Glück in allerlei Vergnügungen finden wollen. Doch auch die Freude erwies sich am Ende als ein törichtes Unterfangen. Drei Wege hat sich der König also vorgenommen, um die Möglichkeiten des Glücks auszuloten: den Weg der Geschäftigkeit, der Weisheit und der ausgelassenen Freude. Doch alle drei, so berichtet der König vorab, haben nicht zum erwünschten Erfolg geführt. In den folgenden Argumentationsgängen 2,3-11; 2,12-17; 2,18-21 werden die drei Wege abgeschritten. In chiastischer Abfolge wird zunächst der Versuch mit der Freude in 2,3-11, sodann mit der Weisheit in 2,12-17 und schließlich mit dem Besitz in 2,18-21 einer sorgfaltigen Untersuchung unterzogen. Die Textgrenzen der Reflexionen sind einerseits durch die anaphorischen Anschlüsse von 2,12 an 2,11 sowie von 2,18 an 2,17 und andererseits durch die abschließenden zweigliedrigen //e6e/-Formeln in 2,11; 2,17; 2,21 deutlich markiert. Zunächst berichtet Kohelet-Salomo in 2,3-11 von seinem Experiment mit der Freude. Großartiges hat er sich zu seinem Vergnügen geschaffen: Paläste, Weinberge und Gärten mit auserlesenen Fruchtbäumen, dazu künstliche Teiche, wie man sie in hellenistischer Zeit anzulegen pflegte.108 Dann kaufte er sich Sklaven und Sklavinnen, Rinder und Schafe, Gold, Silber und Grundbesitz, dazu Sänger, Sängerinnen und einen Harem.109 Und obwohl er alle seine Güter auszukosten vermochte, gelangte er zur Einsicht, daß alles vergänglich ist und er sich sein Glück nicht selbst zu schaffen vermag. So bleibt nichts, was er als Gewinn seines Lebens vorweisen könnte.110 Mit dem Experiment der Weisheit in 2,12-17 verlief es nicht anders. Zwar hat der König selbst beobachtet, daß der Weise in der Tat einen Vorteil gegenüber dem Toren besitzt; denn durch kluges Handeln vermag er sein Leben besser zu meistern. Aber auch diesen Vorteil egalisiert der Tod, stirbt doch der 108 Vgl. E. J. Bickerman, Four Strange Books of the Bible, New York 1967, S. 141; Hengel, Judentum und Hellenismus, S. 90f. Dagegen sind die von A. Verheij, Paradise Retried: on Qohelet 2.4-6, JSOT 50 (1991), S. 113-115, angeführten lexikalischen Bezüge zu Gen If kein hinreichender Grund dafür, daß Kohelet bei seiner Schilderung der königlichen Parkanlagen speziell die Einrichtung des im Schöpfüngsbericht beschriebenen Paradiesgartens im Blick hatte. 109 Zur Deutung von miVDl Π1Υ) in 2,8 vgl. Loretz, Qohelet, S. 155; F. Ellermeier, Der Harem Qohelet/Salomos - ein vorläufiges Warnsignal zu Qoh 2,8, in: Sibyllen Musikanten - Haremsfrauen. Aufsätze, TOA 2, Herzberg 1970, S. 22-27; E. Bons, siddä w=siddöt: Überlegungen zum Verständnis eines Hapaxlegomenons, BN 36 (1987), S. 12-16. 110 Vgl. dazu oben S. 191.

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weiseste König nicht anders als der Tor. Einen bleibenden Gewinn vermag also auch die Weisheit nicht zu erzielen. Und wollte man mit der Tradition dagegenhalten, daß doch der zu Lebzeiten erworbene Ruhm des Weisen den Tod überdauere, so lehrt die Erfahrung, daß das Andenken des Weisen verschwindet und er in Kürze genauso vergessen ist wie der Tor.111 Erwiesen sich Freude und Weisheit als relative Güter und vermochten die Anstrengungen des Lebens nicht aufzuwiegen, so fragt sich der König in 2,1821 verzweifelt, ob nicht wenigstens sein erwirtschafteter Besitz fur alle Zeiten einen Gewinn darstelle. Dabei betrachtet die Tradition von alters her den Erben als Garanten dafür, daß er das hinterlassene Vermögen und dadurch den Namen des Verstorbenen erhalte. Doch Kohelet-Salomo hat feststellen müssen, daß er nicht einmal weiß, ob sein Erbe weise oder töricht sein wird und zur Verwaltung seines hinterlassenen Besitzes taugt. Und selbst dann, wenn es seinem Erben nicht an Klugheit und Erfahrung fehlen sollte, ist der Bestand seines Vermögens trotzdem nicht garantiert. Denn der König hat den Grenzfall beobachtet, daß sich einer durch harte Arbeit viele Güter erwarb, diese aber noch zu seinen Lebzeiten an einen anderen verlor, der sich deswegen nicht angestrengt hat.112 Mithin versuchte der König auf drei verschiedenen Wegen, einen bleibenden Gewinn als Ausgleich fur seine Mühen zu erlangen. Aber seine drei Versuche erwiesen sich angesichts des Todes und der Vergänglichkeit aller Güter als vergeblich. Weder durch Freude noch durch Weisheit noch durch materiellen Besitz vermochte er seinem Leben einen beständigen Wert zu verschaffen.

Exkurs: Die drei Lebensweisen in der Nikomachischen Ethik Wir haben oben davon gesprochen, daß die Frage nach dem Gelingen des Lebens im Zeitalter des Hellenismus die Grundfrage der Philosophie überhaupt gewesen ist .113 Auf ihre Erörterung wirkte sich das Verschwinden der Polis und eine damit verbundene tiefe Daseinsverunsicherung nachhaltig aus. Im griechischen Sprachraum hat sie schon in klassischer Zeit eine ausfuhrliche Behandlung erfahren. In besonderer Weise ist Aristoteles

111 Vgl. 1,11; 8,10; 9,5 und oben S. 132. 112 Zur Deutung des Falls vgl. Lohfink, NEB, S. 29f; Whybray, NCeB, S. 61f. 113 Vgl. oben S. 49 mit Anm. 214.

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in seinen ethischen Schriften der Frage nach dem guten Leben114 nachgegangen. So stellt er an den Anfang seiner Nikomachischen Ethik das Problem, welches das höchste von allen Gütern ist, das man durch Handeln erreichen kann. Dabei ist sein hermeneutisches Verfahren insofern von fundamentaler Bedeutung, als er das höchste menschliche Gut nicht als Ideal setzt, sondern nach der Meinung der Leute mit dem Glück verbindet, das sie auf verschiedene Weise erstreben. Was allen Glücksvorstellungen gemeinsam ist, wird als eine lebenspraktische Frage verhandelt.115 Die Antwort gewinnt Aristoteles aus der Betrachtung der bekannten Lebensformen. Es sind dies erstens das nach Genuß strebende Leben, zweitens das auf die praktische Tätigkeit ausgerichtete und drittens das der Erkenntnis und Philosophie verpflichtete Leben.1" Davon unterscheidet er noch eine weitere Lebensform, nämlich die des Geldmenschen, dessen Reichtum aber nur einen Nutzwert darstellt und nicht das gesuchte oberste Ziel sein kann, so daß dieser βίος fur die Frage nach einer glückvollen Lebensführung unberücksichtigt bleibt.117 Hatte Aristoteles den Vergleich der drei Lebensformen, des genießerischen, des praktischen und des philosophischen Lebens, bereits in seinen früheren ethischen Schriften, dem Protreptikos und der Eudemischen Ethik, besprochen, so setzt er sie in der Nikomachischen Ethik offenbar als traditionell voraus.11* Bei der Dreiteilung der Lebensformen handelt es sich also um einen Topos, der in Piatons Staat vorgebildet119 und bereits in der älteren griechischen Dichtung nachzuweisen ist.120 In der Nikomachischen Ethik verdichten sich schließlich die drei βίοι zu Aspekten des menschlichen Strebens nach Glück. Was die Erkundung der Nikomachischen Ethik für uns interessant macht, ist die Tatsache, daß Kohelet seine Erörterung der drei königlichen Vorhaben ebenfalls unter die Leitfrage stellt, was die Menschen in ihrer kurzen Lebenszeit als Glück erachten; vgl. 2,3b.121 Wir vermuten, daß hier die in hellenistischen Kreisen virulente Frage nach einem glücklichen Leben in Kohelets Erörterung eingeflossen ist. In der Rolle des Königs reflektiert er exemplarisch die äußersten Möglichkeiten des Menschen, sich sein Glück selbst zu verschaffen. Dabei entsprechen die drei königlichen Wege, durch Genuß, Weisheit und Besitz ein glückvolles Leben zu erreichen, den traditionellen Lebensformen, wie sie Aristo-

114 Vgl. EN 1095a 19-20: το δ' εύ ζην καί τό εύ π ρ ά τ τ ε ι ν ταύτσν ύπολαμβάνουσν τω ε ύ δ α ι μ ο ν ε ΐ ν . 115 Zur Sache vgl. J. Ritter, Das bürgerliche Leben. Zur aristotelischen Theorie des Glücks (1956), in: Metaphysik und Politik. Studien zu Aristoteles und Hegel, stw 199, Frankfurt am Main 1977, S. 58-68. Vgl. ferner EE 1216b 27-34 und dazu I. Düring, Aristoteles. Darstellung und Interpretation seines Denkens, Heidelberg 1966, S. 446. 116 Vgl. EN 1095b-1096a; EE 1215a-1215b und M. Pohlenz, Der hellenistische Mensch, Göttingen 1947, S. 365-369. 117 Vgl. EN 1096a 8-14; EE 1215a 26-37. 118 In der Nikomachischen Ethik werden die drei Lebensformen nicht mehr aus den drei Grundkräften ή δ ο ν ή , άρετή und φ ρ ό ν η σ ι ς entwickelt. 119 Vgl. Platon, Politela 580d - 583e (Piaton. Werke in acht Bänden. Griechisch und Deutsch, hg. von G. Eigler, Darmstadt 1990 (Sonderausgabe), Bd. 4, S. 752-763). 120 U. von Wilamowitz-Moellendorff, Sappho und Simonides. Untersuchungen über griechische Lyriker, Berlin 1913, S. 188-191, verweist auf Bakchylides 10,38-53; Solon, fr. 13,51; und den Zeushymnus des Kleanthes; vgl. dazu SVF I, fr. 537, S. 122, Z. 23-25. 121 Vgl. Hertzberg, ΚΑΤ, S. 87.

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teles ausgeführt hat.1" Der Vergleich mit der Nikomachischen Ethik verdeutlicht, daß es sich bei der Königsfiktion um eine weisheitliche Lehrerzählung handelt, die mittels des literarischen Rollenwechsels die Möglichkeiten einer glückvollen Lebensführung des Menschen grundsätzlich erörtert. Ihre Eigenart bestimmt sich durch die Frage nach dem bleibenden Gewinn, die den Traktat in 1,3 eröffnet, in 3,9 beschließt und der Gedankenfuhrung der Königsfiktion ebenfalls übergeordnet ist. Dadurch rückt Kohelet den Tod als die Determinante in den Blick, die alle Glücksmöglichkeiten des Menschen begrenzt und jeglichen als Ausgleich für die Lebensmühe erwirtschafteten Gewinn zunichte macht. Obwohl der Weise das Todesgeschick an keiner Stelle direkt mit Gott in Verbindung bringt, verweist die Vergänglichkeit des menschlichen Daseins auf den, der das Leben und die Glücksmöglichkeiten grundsätzlich bestimmt. Was auch immer der Mensch durch sein eigenes Handeln hervorbringt, so vermag er doch nicht glücklich zu werden, wenn es Gott nicht gefällt; vgl. 5,9-6,9. Im Exkurs haben wir dargelegt, daß Kohelet in grundsätzlicher Weise die menschlichen Möglichkeiten einer glücklichen Lebensführung verhandelt. In der Rolle des weisesten und reichsten Königs ging Kohelet-Salomo bis an die Grenzen dessen, was ein Mensch zu leisten vermag, um einen Gewinn aus dem Leben zu erzielen. Um den Ausgang des königlichen Experiments näher zu bestimmen, untersuchen wir abschließend das in 2,22-26 vorliegende Resümee der weisheitlichen Lehrerzählung. (22) Fürwahr :m Was bleibt12* dem Menschen von all seiner Mühe und dem Streben seines Herzens, mit dem er sich müht unter der Sonne? (23) Denn: "Alle seine Tage hindurch125 sind Schmerzen und Ärger sein Geschäft, selbst des Nachts findet sein Herz keine Ruhe. "Auch dies ist Windhauch! (24) Es gibt kein (anderes) Glück bei dem Menschen, als126 daß er ißt und trinkt und sich's gut gehen läßt127 als AusMi Ob Kohelet die drei βίοι als Topos gekannt oder sie im Spiegel der hellenistischen Zeit als typische Lebensweisen beobachtet hat, vermögen wir nicht zu sagen. Eine gesonderte Untersuchung hierzu wäre wünschenswert und könnte das in der Koheletforschung verhandelte Problem des hellenistischen Einflusses vorantreiben. 123 Zum emphatischen Ό vgl. Michel, Eigenart, S. 207. 124 Π1Π II werden, bleiben vgl. Gesenius 177a; HAL 232a; dazu Jastrow 338a. Offenkundig handelt es sich um eine aramaisierende Form des biblisch-hebräischen Verbs ΓΡΠ; vgl. Gordis, Koheleth, S. 224f; Wagner, Aramaismen, S. 45, Nr. 72; Delsman, Sprache, S. 346; Schoors, Preacher, S. 99f. 125 Gegen die masoretischen Akzente ist I W t O als Akkusativ der Zeit aufzufassen; vgl. bereits Ehrlich, Randglossen VII, S. 63. Zum acc. temporis vgl. GK §118k; Waltke / O'Connor, Syntax, 10.2.2c. 126 Der Aufruf zum a»pe cÄewi, wie er in 3,12f; 3,22; 5,17-19; 7,13f; 8,15; 9,7-10; 11,7f ausgeführt ist und sich als Grundgedanken der Theologie Kohelets erwiesen hat, legt den Schluß nahe, daß in 2,24 vor tOhPVU ein assimiliertes "p durch Haplograhie

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gleich für128 seine Arbeit. Auch dies habe ich eingesehen, daß es allein von129 Gott kommt. (25) Denn: "Wer kann essen und wer sich sorgen130 ohne ihnm?" (26) Denn einem Menschen, der ihm gefällt, gibt132 er Weisheit, Einsicht und Freude, dem Sünder aber gibt er das Geschäft zu sammeln und anzuhäufen, um es dem zu geben, der Gott gefällt. Auch dies ist Windhauch und Haschen nach Wind.

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ausgefallen ist; vgl. BHS. Dabei kann sich die textkritische Entscheidung nicht nur partiell auf die Textüberlieferung, sondern auch auf den ähnlichen Wortlaut in 3,22 stützen. Der Evidenz der vorgeschlagenen Korrektur sind denn auch die meisten Ausleger gefolgt; vgl. ζ. B. Hitzig, KEH, S. 144; Graetz, Kohélet, S. 66; Delitzsch, BC, S. 256; Barton, ICC, S. 97; Allgeier, HSAT, S. 29; Gordis, Koheleth, S. 225f; Kroeber, SQAW, S. 82; Hertzberg, ΚΑΤ, S. 81; Scott, AncB, S. 218; Galling, HAT, S. 92; Lauha, BK, S. 62; Zimmerli, ATD, S. 159 Anm. 1; Whybray, NCeB, S. 63; Crenshaw, OTL, S. 89; Fox, Contradictions, S. 185; Murphy, WBC, S. 24. Dagegen hat sich neben Loader, Structures, S. 38; Lohfink, NEB, S. 30; neuerdings Th. Krüger, Qoh 2,24-26 und die Frage nach dem "Guten" im Qohelet-Buch, BN 72 (1994), S. 70-84, nachdrücklich für die Beibehaltung von MT ausgesprochen. So möchte Krüger, S. 77f, die inhaltliche Spannung zwischen 2,24-26 und den übrigen carpe d/em-Stellen dadurch erklären, daß die Abschnitte 2,24-26 und 3,12f zwei verschiedene Modelle eines "gelingenden Lebens" vertreten, nämlich das Glück als selbstgestecktes Ziel und als unverfugbare Gabe Gottes. Zur idiomatischen Wendung l l O ΠΝΊΠ vgl. 2,1; 3,13; 5,17; 6,6; ferner 9,9 und K. Ehlich, Verwendungen der Deixis beim sprachlichen Handeln, Teil 2, Forum linguisticum 24, Frankfurt a. M. 1979, S. 861. Zum Verständnis der Präposition als b' pretti vgl. die Diskussion oben S. 79f. "P dient der Verstärkung des min causativum. Hebräisch Vhn II ist von der gleichen semitischen Wurzel wie akkad. häsu(m) I sich sorgen abzuleiten; vgl. F. Eilermeier, Das Verbum \UiPl in Koh 2,25, ZAW 75 (1963), S. 197-217; überprüft von W. von Soden, Akkadisch häsu(m) I "sich sorgen" und hebräisch hus, UF 1 (1969), Leiden 1970, S. 197 (= Bibel und Alter Orient. Altorientalische Beiträge zum Alten Testament, BZAW 162, Berlin/ New York 1985, S. 127f). Dagegen möchte Whitley, Koheleth, S. 29, mit Bezug auf mischnisches Vjin die Bedeutung bedenken ansetzen; vgl. Jastrow 441a. Lies mit wenigen hebräischen Handschriften, LXX und Syr das Suff. 3. sg. m.; vgl. Delitzsch, BC, S. 256f; Barton, ICC, S. 97; Scott, AncB, S. 218; Kroeber, SQAW, S. 82; Hertzberg, ΚΑΤ, S. 81; Zimmerli, ATD, S. 164; Fox, Contradictions, S. 188. Obwohl J. de Waard, The Translator and Textual Criticism (with Particular Reference to Eccl 2,25), Bib 60 (1979), S. 514-521, zu dem Ergebnis kommt, daß MT die lectio difftcilior darstelle, kann man in dieser Frage auch anders urteilen; vgl. Müller, Skepsis, S. 11 Anm 50. Jedenfalls wird man V. 25 als eine Aussage über Gott betrachten müssen, da das Subjekt in V. 26 zunächst nur durch das Suffix 3. sg. m. eingeführt wird und demzufolge eine Anbindung an V. 25 erzwingt. Gegenüber der Deutung von V. 25 als fiktives Gotteszitat ist die wahrscheinlichere Lösung, daß MT durch Buchstabenverwechslung von 1 und > entstanden ist; vgl. Friedrich Delitzsch, Die Lese- und Schreibfehler im Alten Testament, Berlin/ Leipzig 1920, S. 46. Zur präsentischen Bedeutung vgl. Isaksson, Studies, S. 78f.

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Das Lebensexperiment des Königs (1,12-2,26)

Die hier vertretene Abgrenzung von V. 22-26 und sein Verständnis als Fazit der Königsfiktion ist aus verschiedenen Gründen gerechtfertigt. Erstens ist der Übergang von der Erzählung des Königs zur grundsätzlichen Erwägung des Lehrers dadurch angedeutet, daß Kohelet-Salomo in V. 22 nicht von sich, sondern direkt vom Menschen spricht.133 Zweitens gibt der Wortlaut von V. 22 hinreichend deutlich zu erkennen, daß hier trotz des fehlenden Schlüsselworts ÌVITP die Grundfrage des Traktats von 1,3 aufgegriffen wird.134 Obwohl man die rhetorische Frage von 2,22 als Affirmation des negativen Untersuchungsergebnisses verstehen könnte, spricht die Fortführung der weisheitlichen Lehrerzählung bis 2,26 dafür, sie als Einfuhrung einer abschließenden Beurteilung des königlichen Experiments zu betrachten. Drittens hängen die Verse 24b-26 in der Luft, wenn sie nicht im Horizont der in V. 22 aufgenommenen Frage nach dem bleibenden Gewinn gelesen werden, und laufen Gefahr, als Nachträge des Maschais oder als orthodoxe Glosse verkannt zu werden.135 Nehmen wir die rhetorische Frage in V. 22 als Ausgangspunkt des Fazits, signalisiert Kohelet durch sie, daß alles Streben des Menschen vom Tod her betrachtet vergeblich ist. Denn unter dem Strich bleibt nichts als Kummer und Ärger übrig. Zur Begründung dient Kohelet das in V. 23 folgende Spruchzitat. Es illustriert die Jagd eines Händlers nach Gewinn, dessen Leben ganz von der Sorge um seine Geschäfte beherrscht ist.134 Die gegebene Deutung bestätigt sich durch die sprachlich und sachlich ähnliche Begründung in 5,16, die das Leben des glücklosen Kaufmanns in 5,12f bilanziert. Im vorliegenden Zusammenhang dient der Typ des Geschäftsmanns als Beispiel für das erfolglose Bemühen des Menschen, aus eigener Kraft sein Glück zu machen und dadurch dem Leben einen Wert abzuringen. So verstanden bietet V. 24a insofern die Fortfuhrung, als Kohelet erklärt, daß es in der Tat ein Glück gibt, nämlich daß der Mensch sich seines Lebens freue. Aber über dieses Glück vermag er selbst

133 Zur Verwendung von DIN in Koh vgl. oben S. 156 Anm. 544. 134 Vgl. ζ. B. Ogden, Readings, S. 47; Michel, Eigenart, S. 33; Murphy, WBC, S. 26; Klein, Kohelet, S. 132. In sprachliche Hinsicht vgl. Schoors, Preacher, S. 185, in seiner Auseinandersetzung mit Isaksson, Studies, S. 123-125. 135 Vgl. einerseits Klein, Kohelet, S. 136; andererseits Lauha, BK, S. 58. 136 Ein Zitat vermuten Galling, HAT, S. 92; Lauha, BK, S. 56; Michel, Eigenart, S. 34; Kaiser, Schicksal, Leid und Gott, S. 40 Anm. 45. Um eine sozialgeschichtliche Konkretisierung des Spruchs bemühen sich Lohfink, NEB, S. 30, der einen Zusammenhang mit der Schuldknechtschaft annimmt, und Müller, Skepsis, S. 10, der vor dem Hintergrund von 2,18-21 an Erblasserprobleme des Reichen denkt.

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nicht zu verfugen; denn es kommt ausschließlich von Gott, vgl. V. 24b.137 Fast beiläufig wird letzterer Gedanke eingeführt. Da er nicht argumentativ aus der Königsfiktion entwickelt worden ist, setzt er die Lehre Kohelets schon als bekannt voraus. Seine Schüler dürften den Vers zumal vor dem Hintergrund der großen Lehirede in 5,9-6,9 nicht anders gehört und gelesen haben, als daß des Menschen Glück nicht von seiner eigenen Leistung, sondern von Gottes positiver Schicksalszuweisung bestimmt ist. Es ist nicht der selbsterwirtschaftete Gewinn, sondern des Menschen Anteil, der den einzig möglichen Ertrag des Lebens ausmacht; vgl. 2,1 Of. Denn über allem Tun, und sei es auch des größten Königs, waltet Gott. Seine Überzeugung bekräftigt Kohelet durch die in y . 25 folgende rhetorische Frage, die alles Treiben des Menschen, sein Essen und sein Sorgen, Gott unterstellt und dadurch die Erkenntnis der göttlichen Determination allen Geschehens zum Ausdruck bringt. Als Aussage der Niedrigkeit richtet sich V. 25 korrektiv gegen das ausgeführte königliche Experiment. Zugleich steckt Kohelet die Grenzen fur das menschliche Tun und Planen ab und formuliert im weisheitlichen Horizont eine implizite Kritik am Leistungs- und Erfolgsdenken der hellenistischen Zeit. Offenbar zielt seine Kritik gegen Leute, die sich ohne Gott ein glückliches Dasein durch ihre luxuriöse Lebensführung verschaffen zu können meinen.13' Einer solchen kritischen Einstellung gegenüber der auf die eigene Leistung und Erfolg fixierten Arbeit, wie sie im Buch Kohelet besonders deutlich in 9,1 lf formuliert ist, begegnen wir nicht nur vereinzelt in der Spruchliteratur in Prov 10,22 und 21,30f, sondern auch in Ps 127,lf und bei Ben Sira.139 Als Beispiel sei Sir 11,11-14 zitiert: (11) Es kommt vor, daß sich einer müht, plagt und hastet,/ doch bleibt er dementsprechend zurück./ (12) Es kommt vor, daß einer ermattet und im Lauf zusammenbricht,/ arm an Kraft140 und reich an Schwäche141.

137 Das ΌΝ T P i O in V. 24b kennzeichnet Kohelets eigene Überzeugung. 138 Vgl. Hengel, Judentum und Hellenismus, S. 102 Anm. 399. 139 Zur Sache vgl. H. Irsigler, "Umsonst ist es, daß ihr früh aufsteht..." Psalm 127 und die Kritik der Arbeit in Israels Weisheitsliteratur, BN 37 (1987), S. 48-72, bes. 68f mit Hinweis auf Parallelen in der demotischen Lehre des Paplns. 140 Lies DD, vgl. LXX und P. W. Skehan / A. A. Di Leila, The Wisdom of Ben Sira, AnchB 39, New York 1987, S. 237. 141 Vgl. HAL 70b.

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Das Lebensexperiment des Königs (1,12-2,26)

Aber das Auge Jahwes schaut nach ihm zum Guten,/ und er schüttelt von ihm den schmutzigen Staub. (13) Er richtet sein Haupt auf und erhöht ihn,/ so daß viele über ihn staunen. (14) Gutes und Böses, Leben und Tod,/ Armut und Reichtum, von Jahwe kommt es. Der Abschnitt setzt ein mit der Beschreibung zweier paradoxer Phänomene. Sie veranschaulichen, daß die eigene Leistung nicht immer Erfolg garantiert, vgl. V. 11, und umgekehrt, daß der Schwache dennoch ans Ziel gelangt, wenn nur Gott sich seiner freundlich annimmt, vgl. V. 12f. Bereits die Form der jesSätze gibt zu erkennen, daß Ben Sira hier den Tun-Ergehens-Zusammenhang nicht grundsätzlich außer Kraft setzt. Seine Absicht ist eine andere. Anhand beider Fälle zeigt der Sirazide, daß zu allem Mühen noch Gottes Tun hinzukommt, dessen verborgener Wille nicht an menschliche Vorleistungen gebunden ist. Vor diesem Hintergrund entschlüsselt sich uns die Deutung von Koh 2,26. Wie die meisten Ausleger richtig bemerkt haben, ist hier nicht das traditionelle Gegensatzpaar des objektiv Guten und des Sünders verwendet, deren Tun sich im Sinne der deuteronomistischen Entscheidungsethik zu ihrem Nutzen oder Schaden auswirkt. Stattdessen meint D>nt>Nn OQt* lìO 142 denjenigen, an dem Gott Gefallen findet, während im Gegensatz dazu ΝΟΊΓΊ denjenigen bezeichnet, der sein Mißfallen erregt.143 Vergleicht man weiter die Wendung gut vor Gott in 2,26 mit der deuteronomistischen Formel vom Tun des Guten in den Augen Jahwes, tritt als wesentlicher Unterschied hervor, daß bei Koh das Verb iïvyy nicht verwendet ist.144 Machen wir uns diese Beobachtung zunutze, so gibt seine Formulierung gegenüber der deuteronomistischen Formel zu erkennen, daß Gott seine Gunst nicht grundsätzlich am moralischen oder kultischen Handeln des Menschen orientiert. Wem auch immer sich Gott

142 Zur Formulierung gut sein vor jdm. vgl. noch Est 5,14; Neh 2,5f. 143 Zur Sache vgl. Siegfried, HK, S. 38; Allgeier, HSAT, S. 29; Blieffert, Weltanschauung, S. 40f; Ginsberg, Structure, S. 139; Loader, Structures, S. 42; Fox, Contradictions, S. 128; und bes. Müller, Skepsis, S. 1 lf mit Anm. 52. Dagegen ist der Versuch von Levy, Qoheleth, S 78f, und Gordis, Koheleth, S. 277f, die den ΝΌΊΓ) gar mit dem Toren gleichsetzen möchten, als fragwürdig zu beurteilen; vgl. dazu kritisch Fox, Contradictions, S. 188f. 144 Zur Analyse vgl Lange, Weisheit, S. 109f.

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zuneigt, ist objektiv der Beurteilung seitens der Menschen entzogen und in Gottes unergründliche Weisheit zurückgestellt. Es ist keine Frage, daß sich Kohelet hier vom Deuteronomismus als der traditionellen Anschauung absetzt. Jedoch wird der Bogen überspannt, wollte man ihm die Meinung unterstellen, daß Gott Glück und Leid völlig willkürlich verteile.145 Denn V. 26 spricht pointiert vom Wohlgefälligen und vom Sünder}46 Gottes Gaben bleiben je und je auf den Menschen bezogen, aber so, daß er vor Gott nicht auf seine Taten bauen und dadurch seinen Willen beeinflussen kann. Denn Kohelet weiß wohl, daß der Mensch Gott zu gefallen vermag, wenn er sein zugedachtes Glück ergreift, vgl. 5,19; 9,7, dagegen aber Gottes Zorn erregt, wenn er sein Schicksal herausfordert, und dann nicht ungestraft bleibt, vgl. 5,5; 7,17. Und so ist es kein Zufall, daß das Geschäft, Schätze zu sammeln und sie dann in die Hände eines Gerechten zu geben, traditionell das Los des Frevlers bezeichnet.147 Berücksichtigt man weiter, daß V. 26 nicht isoliert steht, sondern durch Ό als Begründung an V. 24 angeschlossen ist, vermögen wir V. 26 gar als Motivation des carpe diem zu begreifen. Denn einerseits bekräftigt V. 26, daß alles von Gott kommt und er völlig frei in der Zuteilung der Geschicke ist; vgl. 7,13f. Wenn Gott aber seinen pt>n zuteilt, so liegt es andererseits am Menschen, ob er seine Zeit nutzt und dadurch Gott gefallt, oder ob er sein Glück aus eigener Kraft zu machen sucht und dadurch Gottes Zorn heraufbeschwört. Ein solcher müht sich allerdings vergeblich und sammelt seine Schätze umsonst. Der ΝΌΊΠ bezeichnet also einen, der sich um Gott nicht kümmert und meint, er könne sein Schicksal selbst beeinflussen und ändern. Die Schwierigkeit, die der Vers den Kommentatoren stets bereitet hat, gründet in Kohelets Versuch, die göttliche Freiheit in der Bestimmung der

145 Vgl. ζ. Β. P. Kleinert, Zur religions- und kulturgeschichtlichen Stellung des Buches Koheleth, ThStKr82 (1909), S. 507; Blieffert, Weltanschauung, S. 40; H.-P. Müller, Neige der althebräischen "Weisheit". Zum Denken Qohäläts, ZAW 90 (1978), S. 247; und anders akzentuiert Michel, Eigenart, S. 38-40. 146 Vgl. schon den kritischen Einspruch von Delitzsch, BC, S. 258: "Uebrigens hat was hier gesagt wird zwar einen deterministischen Anflug und V33t?, zumal wenn man es auch zu N ü i n hinzudenkt, lautet so als ob dem Guten und Bösen ihr objektiver Werth und Unterschied abgesprochen werden sollte, aber die Meinung des Verf. ist das nicht, der unvernünftige Ged., daß gut oder bös sei was Gottes willkürliche Satzung und Beurtheilung dazu stempeln, ist ihm völlig fremd." 147 Vgl. Hi 27,16f; dazu Prov 13,22; 28,8.

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Geschicke mit dem Handeln des Menschen zusammenzudenken.148 Insofern betreibt Kohelet hier auch nicht eine Auflösung des Tun-Ergehen-Zusammenhangs. Vielmehr geht es ihm, wie die in seiner Lehre erörterten Grenzfalle beweisen,149 um einen Vorbehalt, der Gottes Handeln am Menschen seinem undurchschaubaren Willen unterordnet und dadurch menschlicher Berechnung entzieht. Das aus den untersuchten Texten erhobene Gottesbild des Weisen untermauert unsere Deutung, insofern Kohelet Gott als Schicksalslenker unbedingt anerkennt und den Menschen zu einem vorsichtigen und besonnenen Umgang mit seiner majestas mahnt.150 Mithin finden wir hier die Bestätigung unserer These, daß Kohelet um das Festhalten an der Religion seiner Väter bemüht gewesen ist. Man wird also V. 26 so stehen lassen und als Ausdruck seines unkonventionellen Denkens anerkennen müssen. Insofern erweist sich Kohelet in der Tat als Lehrer in einer Umbruchsituation, "die ihn dazu herausfordert, Tradition und Situation, überlieferte Worte der Weisen und eigene Beobachtungen miteinander zu vergleichen und daraus die Folgerungen zu ziehen."151 Aufgrund unserer Auslegung ist die Frage, wie die abschließende HebelFormel in V. 26b β zu beziehen ist, leicht zu entscheiden. Denn mit V. 26 ist zugleich das Urteil über das königliche Experiment gesprochen, durch erworbene Weisheit und gesammelte Reichtümer sein Leben selbst zur Erfüllung zu bringen.152 Insofern der König mit seinem Vorhaben gescheitert ist, belegt Kohelet es grundsätzlich mit dem Hebel-Urteil und näherhin das Geschäft des Sammeins und Anhäufens, wie es in V. 26ba beschrieben ist.153 Wiederum ist es die kritische Einstellung gegenüber dem Leistungs- und Erfolgsdenken, die den Weisen zur Absage an das ftir die hellenistische Zeit typische Gewinnstreben herausfordert: Der Mensch, der sein Glück ohne Gott zu machen

148 149 150 151 152 153

Vgl. dazu den Hinweis von Galling, HAT, S. 92f. Vgl. 7,15; 8,14. Zur Sache vgl. oben S. llOf. Kaiser, Botschaft, S. 50. Vgl. dazu die überzeugende Darstellung von Bartelmus, Haben oder Sein, S. 55-57. Vgl. Hertzberg, ΚΑΤ, S. 95; Galling, HAT, S. 93; Zimmerli, ATD, S. 161; Crenshaw, OTL, S. 91; Whybray, NceB, S. 65; Lux, "Ich, Kohelet, bin König...", S. 342; und neuerdings die Untersuchung der Hebel-Formeln in 1,3-3,15 durch SchwienhorstSchönberger, "Nicht im Menschen", S. 283-287, der auf S. 285 zu dem Schluß gelangt: "Die Windhauchaussage betrifft nur den Menschen in seinem Streben nach Gewinn, nicht jedoch Gott."

Kapitel III. Der Traktat des Kohelet

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sucht, verliert sich vollends an sein Tun. Vor diesem Hintergrund ist verständlich, daß der zweite längere Prosatext zum Thema in 5,9-6,9 mit folgender Empfehlung schließt: Besser mit den Augen genießen/ als vom Verlangen umgetrieben. Unsere Ausführung stimmt nicht nur mit der Erklärung der übrigen carpe cfte/n-Stellen überein, sondern bestätigt sich auch dadurch, daß die Hebel-Formeln in 1,12-2,26 stets auf den von Kohelet-Salomo betriebenen menschlichen Aufwand bezogen sind.154 Daher sind alle Versuche, V. 26bß als negative Beurteilung der von Gott bereitgestellten Möglichkeit des carpe diemlts oder gar seiner freien Zuteilung der Geschicke156 zu interpretieren, von vorneherein zurückzuweisen.

4. Rahmenstück II: Das Rätsel der Zeit (3,1-9) Das Lehrgedicht über die qualifizierten Zeiten ist unbestritten der populärste Text aus dem Buch Kohelet. Seine Bekanntheit verdankt er nicht zuletzt den in 14 Gegensatzpaaren beschriebenen elementaren Tätigkeiten des Lebens, die den Menschen jeweils vor die Wahl des rechten Zeitpunkts stellen und dadurch die Zeitgebundenheit seines Tuns erleben lassen. Über das Schlüsselwort T1V157 verbindet sich der Text mit dem verbreiteten Topos traditioneller Weisheit, daß es fur jedes Vorhaben eine günstige Stunde gebe.158 In der Überzeugung, daß man sie wissen könne, haben die Weisen Israels denn auch das Erkennen der rechten Zeit zum Ziel ihrer Belehrung erhoben.159 Unter

154 Vgl. 1,14; (1,17); 2,1; 2,11; 2,15; 2,17; 2,19; 2,23. Eine Ausnahme bildet 2,21, weil sich das//«¿»«/-Urteil hier auf das geschilderte paradoxe Phänomen bezieht; vgl. noch 8,14. Allerdings bleibt zu fragen, ob durch 2,21 nicht auch der Í7X3V negativ qualifiziert wird. 155 Vgl. dazu Hitzig, HK, S. 144; Klein, Kohelet, S. 136. 156 Vgl. dazu Blieffert, Weltanschauung, S. 42; Lohfink, NEB, S. 31; Michel, Eigenart, S. 45; Murphy, WBC, S. 26. 157 Zur Bedeutung vgl. Delitzsch, BC, S. 259. Zur etymologischen Ableitung von IV 1 bestimmen (* cid-t > * citt > cët) vgl. E. Jenni, Art. DV, THAT II, Sp. 370f. 158 Zum Topos vgl. H. H. Schmid, Wesen und Geschichte der Weisheit. Eine Untersuchung zur altorientalischen und israelitischen Weisheitsliteratur, BZAW 101, Berlin 1966, S. 33f und 190f; von Rad, Weisheit, S. 182-188; Michel, Eigenart, S. 53f. 159 Vgl. z. B. Jes 28,23-29; Jer 8,7; Ez 16,8; Am 5,13; Prov 15,23; 25,11; und weiter Sir 1,23; 4,20; 4,23; 20,1; 20,6f; 20,19f. Die traditionelle Auffassung spiegelt auch das

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Rahmenstück II: Das Rätsel der Zeit (3,1-9)

dieser fur die ältere Weisheit gültigen Voraussetzung gibt der von Kohelet gestaltete Text jedoch das Spezifische seiner Aussage nicht preis.160 Darum ist es geboten, mittels einer genauen Aufbauanalyse festzustellen, welche Zielsetzung der Dichtung insgesamt zugrunde liegt. Was die Textabgrenzung betrifft, ist sein Neueinsatz in 3,1 unbestritten. Gegenüber der Königsfiktion ist die Ich-Rede verlassen, die Prosa in Poesie übergegangen sowie Form und Rhythmus der Dichtung kunstvoll gestaltet.161 Dem in V. 2-8 vorliegenden Korpus hat Kohelet mit V. 1 eine Kopfzeile vorangesetzt, die das Thema der Zeit einfuhrt und nach Wortwahl und Ausdruck seine Handschrift verrät.162 Die als Überschrift formulierte These, daß es für jedes Geschäft des Menschen einen jeweils geeigneten Zeitpunkt gibt, wird durch die folgende Aussagenreihe illustriert. Streng genommen ist die poetische Einheit mit V. 8 abgeschlossen. Es stellt sich aber die Frage, ob nicht V. 9 trotz seiner Prosa zu dem Lehrstück sachlich hinzugehört. Vor dem Hintergrund unserer oben durchgeführten Kompositionsanalyse des Traktats 1,3-3,15 müssen wir sie bejahen.163 Insofern wir nämlich die typische Frage nach dem bleibenden

Zitat in Koh 8,5; vgl. dazu Zimmerli, ATD, S. 213; Michel, Eigenart, S. 96. 160 Vgl. auch Michel, Eigenart, S. 54. 161 Als Stilmittel sind Anapher, Antithese und die Siebenzahl der in zweimal sieben Gegensatzpaaren gestalteten Spruchreihe verwendet. Rhythmisch beherrscht das Gedicht fast durchgängig der Kurzvers; vgl. W. von Soden, Rhythmische Gestaltung und intendierte Aussage im Alten Testament und in babylonischen Dichtungen, ZAH 3 (1990), S. 199. Die auffalligen Abweichungen von seiner durchnittlichen Länge in den Versen 2bß, 5a und 5bß haben manche Ausleger dazu angeregt, sie als erklärende Glossen zu behandeln; vgl. Lauha, BK, S. 61f; Klein, Kohelet, S. 136; Loretz, Anfänge, S. 236. Begreift man V. 2-8 jedoch als eine in der Tradition gewachsene Spruchreihe, ist diese Annahme nicht unbedingt zwingend; vgl. dazu unten S. 221. 162 Zu t n o als Schlüsselbegriff für Kohelet vgl. Ilse von Loewenclau, Kohelet und Sokrates - Versuch eines Vergleiches, ZAW 98 (1986), S. 334; und Y. Amir, Doch ein griechischer Einfluß auf das Buch Kohelet?, in: Studien zum Antiken Judentum, BEATAJ 2, Frankfurt a. M./ Bern/ New York 1985, S. 36-40. Vgl. weiter >pn in 5,3; 8,6; 12,1 und die Formel CPöVJn ΓΓΙΓ) in 1,13; 2,3. Schließlich beweist das als Entsprechung zu PV gewählte aramäische Lehnwort die späte Sprachstufe Kohelets; vgl. dazu Delsman, Sprache, S. 346; Schoors, Preacher, S. 60. Zur Sache vgl. R N. Whybray, "A Time to be Born and a Time to Die". Some Observations on Ecclesiastes 3:2-8, in: Near Eastern Studies (FS Prince Takahito Mikasa), Bulletin of the Middle Eastern Culture Center in Japan 5, Wiesbaden 1991, S. 471. 163 Obwohl die Einleitungsformel der Schlußreflexion in 3,10 zweifellos einen Neueinsatz markiert, ist anzumerken, daß 3,11 trotzdem das Gedicht über die qualifizierte Zeit thematisch fortführt.

Kapitel III. Der Traktat des Kohelet

219

Gewinn in 1,3 und 3,9 als Inklusio erkannt und als dem Traktat vorgegebenes Thema erklärt haben, bringt V. 9 das Lehrstück in V. 1-8 zu einem überlegten Abschluß: Hängt der Erfolg der geschilderten Tätigkeiten vom Zufall der rechten Zeit ab, dann kommt allen Bemühungen des Tätigen nur eine relative Bedeutung zu. Einen wirklichen Erfolg vermögen sie nicht zu garantieren. Mithin bilden die Verse 1 und 9 einen von Kohelet gestalteten äußeren Rahmen des Lehrgedichts.164 Seine inhaltliche Interpretation ist allerdings erst möglich, wenn wir den Sinn des in V. 2-8 eingeschalteten Poems erkundet haben. In der Koheletforschung ist viel Mühe auf die Frage nach seiner inneren Struktur verwendet worden. Die weitestgehende und wohl beeindruckendste Analyse dazu hat James Loader vorgelegt.165 Er interpretiert V. 2-8 poetologisch als ein Sonett, das in seiner ersten Hälfte aus zweimal vier Gegensatzpaaren (V. 2-5) und in seiner zweiten aus zweimal drei (V. 6-8) bestehe. Die einzelnen Gegensatzpaare erklärt er nach dem Schema, daß jeweils Erwünschtes und Unerwünschtes einander gegenübergestellt werden. Legt man das Schema über das gesamte Gedicht, ergibt sich fur ihn aus dem Wechselspiel der Reihenfolge von erwünschten und unerwünschten Handlungen eine kunstvolle chiastische Struktur.166 Gegen den von Loader unterstellten genialischen Bauplan des Poems mehren sich jedoch in neuester Zeit die kritischen Stimmen. Die Einwände lassen sich in drei Punkte zusammenfassen: Erstens ist der durch das Verständnis von V. 2-8 als Sonett angenommene Einschnitt zwischen V. 5 und 6 sachlich nicht gegeben.167 Zweitens erweist sich das strukturelle Schema der Einteilung in erwünschte und unerwünschte Handlungen

164 Vgl. die schöne Darstellung von R. Lux, Die Weisen Israels, Leipzig 1992, der V. 1 als These und V. 9 als Lehrfrage kennzeichnet, während er das Korpus V. 2-8 mit Durchführung überschreibt. 165 Qohelet 3,2-8. A "Sonnet" in the Old Testament, ZAW 81 (1969), S. 240-242. Vgl. dazu A. G. Wright, "For Everything There Is A Season". The Structure and Meaning of the Fourteen Opposites (Ecclesiastes 3,2-8), in: De la Tôrah au Messie (FS H. Cazelles), Paris 1981, S. 321-328; und Schwienhorst-Schönberger, "Nicht im Menschen", S. 88-93, der das chiastische Aufbauschema Ubernimmt und weiterfuhrt. 166 V. 2 eröffnet die Gegensatzpaare mit der Folge erwünscht - unerwünscht, V. 3 kehrt sie um. V. 4 setzt die Folge unerwünscht - erwünscht fort, V. 5 kehrt sie um. Nach der Zäsur setzt V. 6 die Folge erwünscht - unerwünscht fort, V. 7 kehrt sie um. Schließlich bildet V. 8 durch die Folge erwünscht - unerwünscht und unerwünscht erwünscht selbst einen Chiasmus. 167 Vgl. Backhaus, "Zeit und Zufall", S. 114 Anm. 94.

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Rahmenstück II: Das Rätsel der Zeit (3,1-9)

insgesamt als problematisch. Bereits das Gegensatzpaar von Pflanzen und Entwurzeln in V. 2 sperrt sich gegen das vorausgesetzte Schema. Versteht man unter dem Pflanzen die Bestellung eines Feldes oder das Anlegen eines Weinbergs,168 wird der Bauer das Ausreißen der Pflanzen keineswegs als negativen Vorgang betrachten, wenn es sich ζ. B. um einjährige Kornfrüchte handelt oder wenn die Anlage überaltert und unfruchtbar geworden ist. Bei dem Gegensatzpaar von Freude und Trauer in V. 4 ist eine Bewertung nach dem vorgeschlagenen Schema ebenfalls nicht angezeigt. Zwar wünscht sich kein Mensch den Tod eines Angehörigen. Ist er aber gestorben, so erweist sich die rituelle Klage keineswegs als ein unheilvolles, sondern als ein zu ihrer Zeit notwendiges Tun; vgl. Sir 38,16-23. Noch weniger leuchtet eine solche Bewertung für das Schweigen und Reden in V. 7 ein, weil die Tradition beides zu seiner Zeit als positiv beurteilt; vgl. Prov 15,24 mit Sir 20,7.169 Mithin lassen sich die Zweifel nicht unterdrücken, ob das Gedicht überhaupt eine Bewertung der oppositiven Tätigkeiten intendiert, zumal die vorangestellte Überschrift in V. 1 ganz neutral den fur ein Tim angemessenen Zeitpunkt in den Blick rückt.170 Ist das vorausgesetzte Schema als eine von außen an das Gedicht herangetragene Ordnung erkannt, stellt sich drittens die Frage, ob der Aussagenreihe in V. 2-8 überhaupt ein planvoller Aufbau zugrunde liegt.171 Zwar lassen sich einzelne Gegensatzpaare sachlich zusammenordnen, aber eine durchgängige Verbindung ist nicht auszumachen. Zu verschiedenartig sind die angegebenen Beispiele. So handelt es sich beim Pflanzen und Entwurzeln in V. 2b und beim Einreißen und Aufbauen in V. 3b um ein berufsbezogenes Tun, das die Entscheidung des Landwirts bzw. des Baumeisters erfordert. Dagegen ist das Feiern und Trauern in V. 4 an verschiedene Sitten und Bräuche gebunden. Bei V. 5 könnte man an sexuelle Liebe und Enthaltung denken, deren Zeit der Beachtung kultischer Reinheitsvorschriften unterliegt.172

168 Zu dieser in neuerer Zeit verbreiteten Deutung vgl. Whybray, NCeB, S. 70. Möglich ist aber auch, das Entwurzeln auf die bäuerliche Arbeit des Jätens zu beziehen; vgl. Galling, Rätsel, S. 6; und HAL 827b. 169 Vgl. dazu Michel, Eigenart, S. 55; Backhaus, "Zeit und Zufall", S. 143f; Klein, Kohelet, S. 137. 170 Vgl. Ogden, Readings, S. 53; Whybray, Time, S. 478f; Klein, Kohelet, S. 137. Vgl. noch das von 3,11 her entwickelte Argument bei Michel, Eigenart, S. 60 mit Anm. 151. 171 Vgl. Gordis, Koheleth, S. 229; Hertzberg, ΚΑΤ, S. 104; und bes. Whybray, Time, S. 476f.

Kapitel III. Der Traktat des Kohelet

221

Schließlich weisen die in V. 6 aufgeführten Tätigkeiten des Suchens und Verlierens, des Aufliebens und Wegwerfens in den Bereich der Hauswirtschaft und das Zerreißen und Flicken in V. 7a speziell auf die Arbeit der Hausfrau in Palästina.173 Da die einzelnen Tätigkeiten unterschiedlichen Lebensbereichen angehören und unterschiedliche Qualität besitzen, erhärtet sich der Verdacht, daß es sich bei V. 2-8 nicht um eine Eigenkomposition, sondern um eine langsam gewachsene und eher zufallige Spruchreihe handelt, die Kohelet ähnlich wie in 1,4-8* der Tradition entnommen und zu einem Lehrgedicht ausgestaltet hat.174 Denn jeder der einzelnen Verse könnte so oder ähnlich auch in Prov stehen.175 Für die These eines in V. 2-8 vorliegenden Zitats sprechen nicht nur die kleineren formalen Unterschiede in V. 2b, 4b, und 5, sondern auch die hier verwendeten und bei Koh sonst nicht belegten Verben.176 Hinzu kommt, daß es der Forschung bislang nicht gelungen ist, das gesamte Stück einer bestimmten Gattung zuzuordnen.177 Begreift man dagegen V. 2-8 als eine über längere Zeit gewachsene Reihe von Einzelsprüchen, lassen sie sich im Sinne des traditionellen Topos von der rechten Zeit deuten. Das Leben und zumal alles Tun des Menschen ist vom Wechsel der Zeiten bestimmt. Ob sein Geschäft

172 Zu dieser Vermutung vgl. jetzt Schwienhorst-Schönberger, "Nicht im Menschen", S. 95f. Doch ist auch diese Deutung von V. 5 unsicher und eine befriedigende Erklärung noch nicht gefunden. Mit Galling, Rätsel, S. 10-12, könnte man bei V. 5a auch an die Rechensteine des Kaufmanns denken. V. Sb ließe sich dann auf Zeiten beziehen, die der Handeltreibende zu Hause oder auf Geschäftsreise verbringt. 173 Vgl. dazu Prov 31,21fund Galling, HAT, S. 95; Lauha, BK, S. 66f; Crenshaw, OTL, S. 95. Dagegen denkt Lohfink, NEB, S. 32, beim Zerreißen des Gewands an den Beginn der Totenklage, während er das Zusammennähen als Zeichen für das Ende der Trauerzeit deutet. 174 Für die These einer Übernahme von 3,2-8 aus weisheitlicher Tradition vgl. Wright, Riddle, S. 327; von Rad, Weisheit, S. 338; Ogden, Readings, S. 52; Whybray, Time, S. 473-477; und zuletzt J. Blenkinsopp, Ecclesiastes 3.1-15: Another Interpretation, JSOT 66 (1995), S. 55-64, der beim Verfasser des übernommenen Gedichts an einen stoischem Denken verpflichteten jüdischen Weisen denken möchte. 175 Vgl. C. Westermann, Wurzeln der Weisheit. Die ältesten Sprüche Israels und anderer Völker, Göttingen 1990, S. 150. 176 Vgl. in V. 2: hpV, in V. 3: ΠΠ, ΜΣΠ, >pa (vgl. noch das Zitat 10,8); in V. 4, ΓΟη, pn\y, TOO (vgl. noch das Zitat 12,5), I p l ; in V. 5: l^VJ, p i n (vgl. noch das Zitat 4,5); in V. 6: T^V); in V. 7: y i p , IQTI, ΠΜ)Π. Zur Sache vgl. Ogden, Readings, S. 52. 177 Zur Diskussion vgl. J. L. Crenshaw, The Eternal Gospel (Eccl. 3:11), in: Essays in Old Testament Ethics (FS J. P. Hyatt), New York 1974, S. 27f, 34; Whybray, NCeB, S. 66-69; Klein, Kohelet, S. 137f.

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Rahmenstück II: Das Rätsel der Zeit (3,1-9)

gelingt, hängt grundsätzlich von der Wahl des rechten Zeitpunkts ab. Dabei unterstreichen die Antithesen, daß die Situation jeweils eine Entscheidung fordert, weil immer nur das eine oder das andere der gegensätzlichen Handlungsweisen möglich ist.17* Dieses Interpretationsmuster greift bei sämtlichen in V. 2-8 aufgeführten Tätigkeiten, abgesehen von zwei bedeutsamen Ausnahmen: Jeweils der Eingangs- und Schlußhalbvers des Gedichts schildert Vorgänge, die der Entscheidung des Menschen grundsätzlich entzogen sind.179 Mithin bilden die Verse 2a und 8b einen inneren Rahmen, durch den das Lehrstück über die qualifizierten Zeiten sein besonderes Aussageprofil gewinnt. Bei Geburt und Tod in V. 2a sowie Krieg und Frieden in V. 8b handelt es sich nämlich um Zeiten, die für den Menschen eindeutig den Charakter schicksalhafter Fügung besitzen. Durch die Klammer von V. 2a und 8b werden aber auch die übrigen in V. 2b-8a aufgeführten Zeiten der Macht des Schicksals unterstellt. Ganz gleich, wie sich der Mensch entscheidet, ist sein Geschäft stets dem Risiko ausgesetzt, daß er für sein Vorhaben die rechte Zeit verfehlt. Daß Kohelet hier selbst am Werk gewesen ist und mit der Klammer V. 2a und 8b der Tradition seine eigene Deutung beigelegt hat, beweist der inhaltliche Vergleich mit 8,6-8. Ausgangspunkt beider Stücke ist die Feststellung, daß es für jedes Vorhaben eine bestimmte Zeit gibt; vgl. 3,1 mit 8,6. Doch entgegen der in 8,5 zitierten Tradition180 stellt Kohelet in 8,6f heraus, daß der Mensch die rechte Zeit nicht wissen kann. Wir beobachten eine Sinnverschiebung des traditionellen Topos von der rechten Zeit: An die Stelle der als Chance begriffenen Wahl des rechten Zeitpunkts tritt das von der qualifizierten Zeit bestimmte und menschlicher Kalkulation entzogene Risiko.181 Um seines Lebens willen ist der Mensch zu handeln gezwungen, aber es gibt für

178 Diese Funktion der Antithesen hat Galling, Rätsel, S. 6, besonders herausgestellt; vgl. dazu Lauha, BK, S. 64; Michel, Eigenart, S. 55f. 179 Vgl. Galling, Rätsel, S. 6; Zimmerli, ATD, S. 166; Kaiser, Schicksal, Leid und Gott, S. 39 mit Anm. 40; Michel, Eigenart, S. 55f; Whybray, Time, S. 475f; Backhaus, "Zeit und Zufall", S. 114f. Anders dagegen urteilt Blenkinsopp, Another Interpretation, S. 56-60, der nmt> W in V. 2a als Zeitpunkt deutet, seinem Leben ein Ende zu setzen, und darin den stoischen Gedanken der Selbsttötung als moralisch erlaubter Handlung wiederfindet. 180 Zum Nachweis vgl. Michel, Eigenart, S. 96-99. 181 Vgl. dazu S. de Vries, Observations on Quantitative and Qualitative Time in Wisdom and Apocalyptic, in: Israelite Wisdom (FS S. Terrien), New York 1978, S. 271.

Kapitel III. Der Traktat des Kohelet

223

ihn keine Sicherheit, daß er fìir sein Tun die günstige Zeit erkennt. Wie hilflos er dem Dunkel der Zeiten ausgeliefert ist, signalisiert der innere Rahmen des Zeitgedichts mit seinen Hinweisen auf die vom Schicksal festgesetzten Zeiten von Geburt und Tod in 3,2a sowie von Krieg und Frieden in 3,8b. Daß er über sie grundsätzlich keine Gewalt besitzt, bestätigt in ähnlicher Weise 8,8. Hier wird die Ohnmacht des Menschen gegenüber dem Wind, gegenüber dem Zeitpunkt des Todes und gegenüber dem Ende des Krieges parallel gestellt. Nicht er verfugt über die Zeit, sondern die Zeit verfugt über ihn.182 Da Kohelet das gleiche Thema nochmals in 9,1 lf aufgreift,183 handelt es sich um einen Grundgedanken seiner Lehre, der zweifellos im Zusammenhang mit dem Schicksalsglauben des Hellenismus zu sehen ist.184 Mithin sind wir berechtigt, V. 2a und 8b als eine von Kohelet um die in V. 2b-8a zitierte Spruchreihe gelegte Klammer zu verstehen.185 Bestand die ursprüngliche Absicht der in der Tradition zusammengewachsenen Sprüche in der Aufforderung, daß der Mensch die rechte Zeit ergreife, rücken die beschriebenen Tätigkeiten jetzt in die Klammer der vom Schicksal bestimmten Zeiten. Durch den inneren Rahmen des Gedichts findet sich der Mensch in einem Netz determinierter Zeiten wieder, über die er offenbar nicht in vollem Umfang verfugt. Doch warnen uns die im Buch Kohelet vorfindlichen Mahnungen zum tatkräftigen Handeln186 vor einer Überinterpretation. Denn einer passiven und resignierten Ergebenheit in die schicksalhaft fallenden Zeiten hat Kohelet jedenfalls nicht das Wort geredet. Zwar vermögen die Rahmenverse 2a und 8b die Spiel- und Handlungsräume des Menschen einzugrenzen, aber nicht seine Freiheit aufzuheben.187 Im Netz vorgegebener Zeiten kann er sich fur das eine oder das andere entscheiden: Die Zeiten sind determiniert, aber nicht des Menschen Tun!188 Genau diese Differenz bildet den Dreh- und Angelpunkt des Gedichts. Durch die Vorstellung der gewaltigen Zeitenuhr, die

182 Vgl. Kaiser, Schicksal, Leid und Gott, S. 39; Lux, Die Weisen Israels, S. 126. 183 Vgl. auch 7,13f. 184 Zur Sache vgl. H.-J. Gehrke, Geschichte des Hellenismus, OGG la, München 1990, S. 72; 75f. 185 Dagegen betrachtet Whybray, Time, S. 480, nur V. 1 und 2a als Kohelets eigenen Beitrag. 186 Vgl. z. B. 7,18; 9,10; 11,1-6. 187 Vgl. Galling, HAT, S. 94; Lux, Die Weisen Israels, S. 126; Schwienhorst-Schönberger, "Nicht im Menschen", S 99f. 188 Vgl. dazu Isaksson, Studies, S. 178f; Krüger, Qoh 2,24-26, S. 77.

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Rahmenstück II: Das Rätsel der Zeit (3,1-9)

sich zwischen Gott und Mensch schiebt, gelingt es Kohelet, göttliche Schicksalslenkung und menschliche Freiheit zusammenzudenken. Obwohl der Mensch so handeln muß, als ob der Erfolg allein in seinen Händen läge, entscheidet über den Ausgang, ob sein Tun mit der von Gott189 qualifizierten Zeit übereinstimmt. Mithin entsprechen Rahmen und Intention des Zeitgedichts voll und ganz der Lehre Kohelets, dem Wissen um Gott als dem verborgenen Lenker der Welt und dem Aufruf zu tatkräftigem Handeln im praktischen Bereich des Lebens. Durch die abschließende rhetorische Frage in 3,9, die zusammen mit der Kopfzeile 3,1 einen äußeren Rahmen bildet, stellt Kohelet das Zeitgedicht (nachträglich?) in den Zusammenhang des Traktats. Dabei liegt es nicht in seiner Absicht, jegliches Tun des Menschen als von vornherein zum Scheitern verurteilt abzustempeln. Ob seine Geschäfte günstig verlaufen oder nicht, hängt freilich an vorgegebenen Zeitfaktoren, die der Mensch nicht beeinflussen noch ändern kann. Berücksichtigt man weiter, daß Kohelet entgegen traditioneller Schulmeinung überzeugt gewesen ist, der Mensch könne nicht einmal den richtigen Zeitpunkt fur seine Geschäfte herausfinden und dadurch ihren Erfolg kalkulieren, bleibt alles menschliche Tun stets mit dem Risiko der Zeit behaftet. Unter dieser Voraussetzung rückt der äußere Rahmen das Zeitgedicht unter die Frage, ob denn der Tätige überhaupt einen Gewinn erzielen könne, der seine Anstrengungen wettmache. Dadurch hebt Kohelet das Poem auf das Reflexionsniveau des Traktats und bestätigt abschließend: Trotz aller investierten Mühen bleibt der Mensch in die Schranken seiner Welt gewiesen (1,4-11). Sein Leben vermag er nur in den Grenzen seiner von Gott bestimmten Lebensfrist (1,12-2,26) und im Rahmen der von Gott verfugten Zeiten (3,1-8) zu gestalten. Darüber hinaus kann er sich keinen dauerhaften Gewinn verschaffen. Mithin stellt die im Traktat verhandelte Lebensfrage den Menschen an seinen Platz in der von Gott durchwalteten Welt zurück. Fassen wir das Ergebnis unserer Analyse zusammen, so ermittelten wir eine in 3,2b-8a vorliegende und bereits in weisheitlicher Tradition vereinigte Reihe von Hinzeisprüchen über die rechte Zeit. In der Absicht, die Grenzen der menschlichen Spiel- und Handlungsräume aufzuweisen und auf Gott als den verborgenen Lenker der Geschicke hinzuweisen, legte Kohelet mit 3,2a und

189 Vgl. 3,11.

Kapitel III. Der Traktat des Kohelet

225

3,8b einen inneren Rahmen um die zitierte Spruchreihe. Schließlich versah er das Gedicht mit einer Kopfzeile in 3,1 und beschloß es durch die rhetorische Frage in 3,9. Beide Verse ergaben einen äußeren Rahmen, durch den Kohelet das Gedicht in den Traktat eingebunden hat. Daher kann man mit Fug und Recht von einer ringförmig geschlossenen Struktur des Gedichts sprechen.190

190 Vgl. Crenshaw, OTL, S. 93.

Kapitel IV Skepsis oder Furcht Gottes? Zur Beantwortung unserer alternativ gestellten Grundfrage, ob das Buch Kohelet als Werk eines skeptischen Philosophen oder eines frommen Juden zu betrachten ist, wählen wir als Ausgangspunkt die Reflexion 3,10-15. Aufgrund der oben nachgewiesenen Komposition darf sie als Zusammenfassung des Traktats und mithin als Summe des Ganzen verstanden werden. Daß sich die Rede von Gott in diesen wenigen Versen mit sechs Belegen von • T i t ' N konzentriert, bestätigt ihre herausragende Bedeutung. Wir lassen zunächst eine Übersetzung folgen: (10) Ich sah die Geschäftigkeitdie

Gott den Menschen auferlegt hat,

daß sie sich damit abmühen: (11) Alles macht1 er trefflich3 zu seiner Zeit. Auch4 die Mühe5 hat er ihnen ins Herz gegeben. Nur daß6 der

1

2 3

4

5

Zu p y vgl. Delitzsch, BC, S. 262; ferner Hertzberg, ΚΑΤ, S. 96, der es als Kollektiv deutet und pluralisch mit Geschäfte übersetzt. In beiden Fällen ist ein Rückbezug auf das Zeitgedicht und die dort aufgeführten menschlichen Tätigkeiten vorauszusetzen; vgl. Whybray, NceB, S. 72. Zur temporalen Auffassung der Verben in V. 11 vgl. B. Isaksson, Studies in Language of Qoheleth. With Special Emphasis on the Verbal System, SSU 10, Uppsala 1987, S. 8 Of. Vgl. Gesenius 309b; HAL 405a; Jastrow 585b; und dazu M. V. Fox, Qohelet and his Contradictions, JSOT.S 71, Sheffield 1989, S. 193; Isaksson, Studies, S. 79 mit Anm. 23; D. Michel, Untersuchungen zur Eigenart des Buches Qohelet, BZAW 183, Berlin/ New York 1989, S. 61. DJ kennzeichnet hier eine Hinzufugung; vgl. Zimmerli, ATD, S. 167; Crenshaw, OTL, S. 97. Zur beiordnenden Funktion der Partikel vgl. C. J. Labuschagne, The Emphasizing Particle gam and its Connotations, in: Studia biblica et semitica (FS Th. Ch. Vriezen), Wageningen 1966, S. 196; F. Ellermeier, Qohelet 1,1. Untersuchungen zum Buche Qohelet, Herzberg 1967, S. 242-246. Dagegen wäre bei adversativer Bedeutung ein Dil zu erwarten; vgl. Gesenius 143b; König, Lehrgebäude II/2, § 373m; ferner B. A. Ehrlich, Randglossen zur Hebräischen Bibel, Bd.7, Leipzig 1914 (ND Hildesheim 1968), S. 65, der eine Haplographie vermutet und in Dil ändert. Lies statt des obskuren OÌ?y ein durch Metathese entstandenes t>X3V; vgl. D. B. MacDonald, Eccl. iii,ll, JBL 18 (1899), S. 212f; A. S. Kamenetzky, Die P'sita zu Koheleth, ZAW 24 (1904), S. 238; J. Günther, Der Zusammenhang in Koh 3,11-15, ZAW 51 (1933), S. 79f; H. L. Ginsberg, The Structure and Contents of the Book of Koheleth, in: Wisdom in Israel and in the Ancient Near East (FS H. H. Rowley),

Kapitel IV. Skepsis oder Furcht Gottes?

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Mensch das Werk, das Gott tut, von Anfang bis Ende nicht herausfinden kann. (12) Ich habe erkannt: Es gibt kein (anderes) Glück bei ihnen\ außer daß man sich freut und es sich's gut gehen läßä in seinem Leben. (13) Und besonders der Fall,9 daß der Mensch ißt und trinkt und als Ausgleich für all seine Arbeit das Glück genießt, ist eine Gabe Gottes. (14) Ich habe erkannt: Alles, was Gott tut, gilt für immer. "Dem kann man nichts hinzufügen und davon kann man nichts wegnehmen. " Und Gott hat es so eingerichtet, daß10 sie sich vor ihm11

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VT.S 3, Leiden 1955, S. 140. In neuerer Zeit befürworten die Konjektur Fox, Contradictions, S. 191; ders., Wisdom in Qoheleth, in: In Search of Wisdom. Essays in Memory of J. G. Gammie, Louisville, Kentucky 1993, S. 123 Anm. 19; und O. Loretz, Anfänge jüdischer Philosophie nach Qohelet 1,1-11 und 3,1-15, UF 23 (1991), Neukirchen-Vluyn 1992, S. 237f. Zur Begründung vgl. unten S. 233ff. Vgl. GK § 152y; HAL 128a. Zur Diskussion vgl. Ch. F. Whitley, Koheleth. His Language and Thought, BZAW 148, Berlin/ New York 1979, S 33; Whybray, NceB, S. 73; A. Schoors, The Preacher Sought to Find Pleasing Words. A Study of the Language of Qoheleth, OLA 41, Leuven 1992, S. 147f. MT wird durch LXX, Syr und Vg bestätigt. Das Pluralsuffix bezieht sich wie bei D i t a in V. 11 auf die 07ΝΠ >33 in V. 10 zurück; vgl. H.-P. Müller, Theonome Skepsis und Lebensfreude. - Zu Koh 1,12 - 3,15, BZ NF 30 (1986), S. 15 mit Anm. 65; Michel, Eigenart, S. 66 Anm. 166; vgl. aber auch Murphy, WBC, S. 30; Schoors, Preacher, S. 197. Unter Verweis auf 2,24 möchte Whitley, Koheleth, S. 33f, mit zwei hebräischen Handschriften und dem Tg ein O t K l lesen. Vgl. HAL 844b unter Nr. 15; J. Vollmer, Art. DUy, THAT II, Sp. 362. Der sachliche Zusammenhang mit den carpe nt»y); Hab 1,2; Ps 44,2; 74,2; 77,6 (//D^Q^ÌV); 77,12; 78,2; 143,5; ferner 33,15; 68,34; Thren 1,7; 2,17; Prov 8,22f (//O^iy, VJN1); und dazu Sir (LXX) 1,2; 24,9. Zur Sache vgl. K. Koch, Qädäm. Heilsgeschichte als mythische Urzeit im Alten (und Neuen) Testament, in: Spuren des hebräischen Denkens. Beiträge zur alttestamentlichen Theologie. Gesammelte Aufsätze Bd. 1, Neukirchen-Vluyn 1990, S. 254-274. Vgl. Ps 104,27; 145,15; Hi 38,32; Sir 39,21.33f; dazu Lev 26,4f; Dtn ll,14f; 28,12; Jer 5,24; 33,20; Ez 34,26. Vgl. aber Crenshaw, OTL, S. 97; Fox, Contradictions, S. 193; Schwienhorst-Schönberger, "Nicht im Menschen", S. 105. Richtiges findet sich bereits bei L. Levy, Das

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Die Summe der Lehre Kohelets

heit erlangte, geben die Schöpfungshymnen des Ben Sira zu erkennen.29 Zum Beispiel gipfelt das in Sir 39 vorliegende Weisheitslied in dem eindrücklichen und mit Koh 3,11 vergleichbaren Satz: (33) Die Werke Gottes sind alle gut,/ jedem Zweck genügen sie zu seiner Zeit. Allerdings rückt dieser Satz unter der veränderten geistesgeschichtlichen Situation in einen neuen Verstehenshorizont. Wie Gerhard von Rad dazu trefflich bemerkt, ist sein Anliegen jetzt ein ausgesprochen seelsorgerliches.30 Die zunehmenden Welt- und Lebensdeutungen hellenistischer Philosophie konnten auch die weisheitlichen Zirkel des jüdischen Gemeinwesens nicht unberührt lassen. Sie dürften das Gefühl befördert haben, daß sich der Mensch kaum noch in der Welt zurechtfinden könne und selbst der Fromme sich als Spielball des Schicksals erleben müsse. Demgegenüber beteuert Ben Sira, daß die Schickungen Gottes zu ihrer Zeit gut und richtig sind.31 Ist es dem Menschen auch unmöglich, in seiner als ambivalent erfahrenen Welt das Walten Gottes zu begreifen, kann er doch von den gesetzten Zeiten her zur Einsicht gelangen, daß der Höchste alles zweckmäßig geordnet und vollkommen eingerichtet hat. Bringen wir das rationale Moment bei Ben Sira und sein Vertrauen in die Weisheit in Abzug, können wir bei Kohelet eine ähnliche Problematik voraussetzen. Gleichwohl beschränkt sich sein Bekenntnis zu Gottes planvollem Handeln in 3,1 la auf die Feststellung, daß Gottes Weisheit in allen seinen Werken verborgen bleibt. Für Kohelet ist und bleibt es eine schlimme Hypothek, daß der Mensch den Zusammenhang von Gottes Wirken nicht überblickt und daher in der konkreten Situation mit seinen Entscheidungen überfordert ist. So bestätigt sich auch vom engeren Kontext her, daß der

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Buch Qoheleth. Ein Beitrag zur Geschichte des Sadduzäismus, Leipzig 1912, S. 82. Wir verweisen auf seine forschungsgeschichtlich interessante Deutung, daß Kohelet mit V. 1 la das Thema des jüdischen Optimismus eingeführt habe, um gegen dessen Weltanschauung anschließend zu polemisieren. Vgl. Sir 39,12-35 (bes. 39,16.30.33f) und 42,15-43,33 (bes. 42,22t). Zur Sache vgl. M. Hengel, Judentum und Hellenismus, WMUNT 10, 3. Aufl. Tübingen 1988, S. 260-264; O. Kaiser, Anknüpfung und Widerspruch, in: Pluralismus und Identität, hg. von J. Mehlhausen, Gütersloh 1995, S. 61f. Vgl. G. von Rad, Weisheit in Israel, Neukirchen-Vluyn 1970 (Taschenbuchausgabe Gütersloh 1992), S. 340, 322f. Vgl. dazu Koh 7,13f.

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Kapitel IV. Skepsis oder Furcht Gottes?

Satz in 3,1 l a nicht vor dem Hintergrund des priesterschriftlichen Schöpfungsberichts, sondern des weisheitlichen Topos von der Angemessenheit und Rechtzeitigkeit göttlichen Handelns in der Gegenwart auszulegen ist.32 Eines der exegetischen Spezialprobleme, das noch nicht befriedigend gelöst werden konnte, betrifft die Deutung von Ot>V in 3,11. Obwohl die masoretische Lesart sicher bezeugt ist, gelang es der Forschung bis heute nicht, die Zweifel gegen die Richtigkeit der Textüberlieferung ganz auszuräumen. Und in der Tat lassen sich schwerwiegende Gründe gegen die Lesart 0*?y vorbringen. Dabei ist es weniger die Defektivschreibung D^V, die einen Textfehler wahrscheinlich macht, als vielmehr der Befund, daß dieses Wort im Alten Testament nirgends als selbständiges Substantiv verwendet ist. Der biblische Sprachgebrauch von Otny zeigt ein geradezu einheitliches und seiner Verwendung in 3,11 widersprechendes Bild: Dt?1V begegnet entweder in präpositionaler Verbindung oder entsprechend als adverbieller Akkusativ bzw. als Genitiv in einer Constructus-Verbindung. Dabei ist das durch den Artikel determinierte D*?iy im Alten Testament überhaupt selten und findet sich nur in Schlußformeln wie

Otnyn i y i Otriyntt.33 Schließlich

lassen sich alle bibli-

schen Belege ausnahmslos auf die Grundbedeutung fernste Zeit zurückfuhren.34 Abgesehen von 3,11 fugen sich auch sämtliche Stellen im Buch Kohelet diesem Sprachgebrauch ein.35 Demgegenüber ist für die außerbiblische apoka-

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Demgemäß ist das Suffix 3 sg. m. von ITIVI nicht auf Gott, sondern auf t o n zu beziehen. Allerdings fällt das Suffix als solches kaum noch ins Gewicht; vgl. Delitzsch, BC, S. 262: "Wie PIQ> gehört ITIVI als Prädicatsbegriff zum Verbum: Alles hat er schön, hat er zur bestimmten Zeit (eintretend) gemacht." Vgl. Ps 41,14; 106,48; Neh 9,5; I Chr 16,36; ferner Jer 28,8; Joel 2,2; Ps 28,9; 133,3; I Chr 17,14. Dagegen ist der Beleg in Dan 12,7 als göttliches Epitheton zu erklären; vgl. dazu R. A. Anderson, Signs and Wonders. A Commentary on the Book of Daniel, ITC, Grand Rapids/Edinburgh 1983, S. 151. Vgl. die Zusammenfassung der Begriffsuntersuchung von E. Jenni, Das Wort 'öläm im Alten Testament, ZAW 64 (1952), S. 246f, und zu den außerbiblischen Belegen mit den aramäischen Dialekten S. 221. Vgl. 1,4; 1,10; 2,16; 3,14; 9,6; und dazu Crenshaw, Gospel, S. 40. Zum Ausdruck I t ò i y ITO in 12,5 vgl. Jenni, Wort, ZAW 65 (1953), S.28f. Dagegen bestreiten wir, daß sich der Gebrauch von D^IV in 1,10 unter griechischem Einfluß gewandelt und die Bedeutung von α ι ώ ν Zeitraum, Zeitalter, Zeit angenommen habe; vgl. Jenni, Wort, S. 23f; vorsichtiger ders., Art. Dtny, THAT II, Sp. 241f. Denn auch in 1,10 bezeichnet die Präposition ^ den Zeitpunkt bis zu und der Plural O'Q^iy ist ausweislich des singularischen ΓΡΓ) im Relativsatz als Intensivplural zu verstehen; vgl. dazu GK § 124e; Ellermeier, Einzelfrage Nr. 9, S. 320. Der Gedankengang ist folgender: Wenn einer behaupten wollte, daß etwas Neues geschieht, ist dieses vermeintlich

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Die Summe der Lehre Kohelets

lyptische Literatur und zunächst auf sie beschränkt eine Bedeutungsverschiebung nachzuweisen.3® D ^ i y wird jetzt grammatisch als selbständiges Substantiv behandelt und entwickelt sich zu der Bedeutung Welt, Weltzeit. Genuin apokalyptischer Gebrauch liegt vor, wenn D^IV durch ein Demonstrativpronomen (ΓΚ) oder ein Partizip ( M l ) determiniert ist und dadurch einen qualitativen Unterschied zwischen gegenwärtiger und eschatologisch-zukünftiger Weltzeit näher bezeichnet. 37 Eine solche Verwendung ist aber fur das weisheitliche Buch Kohelet definitiv auszuschließen. Neben diesem gewichtigen sprachlichen Einwand können wir ein weiteres sachliches Argument gegen den masoretischen Text anfuhren. Es ergibt sich aus dem Zusammenhang mit der Redewendung in jmds. Herz geben. Diese in Koh singulare Wendung findet sich im Alten Testament noch an zehn weiteren Stellen.3® Sämtliche Belege setzen Gott als handelndes Subjekt voraus, sei es, daß er bestimmten Menschen Weisheit 39 vermittelt, oder sei es, daß er sie mit

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Neue schon einmal in einer bis zu einem fernen Zeitpunkt ausgedehnten Zeitspanne geschehen. Dieser zunächst als zukünftig gedachte Zeitpunkt wird durch den Relativsatz wiederum für die gegenwärtige Generation (!) als vergangen qualifiziert; vgl. das Suff. 1. pl. von IMO!?*!. Damit bezeichnet V. lOba eine Art Vorvergangenheit, die dem Erinnerungsvermögen der gegenwärtigen Generation nicht mehr zugänglich ist. Mithin lautet die Übersetzung von 1,10: Kommt es auch vor, daß einer behauptet: Dies ist neu! Schon einmal geschah es bis zu der Zeit, die vor uns gewesen ist. Es verdient einen Hinweis, daß für Dt?iy selbst in den apokalyptischen Teilen des Danielbuches kein anderer als der biblische Sprachgebrauch festzustellen ist. Dies gilt besonders für den schwierigen Vers Dan 12,2, in dem Otny zweimal in ConstructusVerbindungen begegnet und darin jeweils adjektivisch zu übersetzen ist; vgl. Jenni, Wort, ZAW 64 (1952), S. 241f. Versetzen wir den Atnach unter das erste Otny, ergibt sich für Dan 12,2 folgendes Verständnis: Viele von den Schlafenden im Land des Staubs werden erwachen, diese werden für immer leben; jene aber (die nicht erwachen) verbleiben zur Schmach für immer. Vgl. BHS und zur Auslegung B. Alfrink, L'idée de réssurrection d'après Daniel 12,1-2, Bibl 40 (1959), S. 355-371. Vgl. W. Harnisch, Verhängnis und Verheißung der Geschichte, FRLANT 97, Göttingen 1967, S. 93-100. Zur Beurteilung des Befunds vgl. den Beitrag von J. Licht, Time and Eschatology in Apokalyptic Literature and in Qumran, JJS 16 (1965), S. 177182.

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Vgl. Ex 31,6; 35,34; 36,2; I Reg 10,24 (II Chr 9,23); Jer 32,20; Ps 4,8; Esr 7,27; Neh 2,12; 7,5; femer 1 QH 11,18. In seiner Untersuchung der einschlägigen Belege plädiert G. von Rad, Die Nehemia-Denkschrift, ZAW 76 (1964), S. 183-185, für eine ägyptische Beeinflussung dieser Wendung und rückt sie dadurch in den Horizont eines religiösen Verhältnisses zwischen Gott und Mensch; vgl. dazu S. Morenz, Gott und Mensch im Alten Ägypten, Lizenzausgabe für die WBG, Darmstadt 1984, S. 99-114. Nach I Reg 10,24 (Π Chr 9,23) legt Gott dem König Salomo Weisheit ins Herz, nach Ex 31,6; 35,34; 36,2 belehrt er die Kunsthandwerker über die Arbeiten für das Zelt

Kapitel IV. Skepsis oder Furcht Gottes?

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einer Aufgabe40 betraut. Da es sich bei Otny nur um ein Erkenntnisobjekt handeln kann, läßt sich V. 1 Iba nicht anders deuten, als daß Gott den Menschen ein Wissen um die fernste Zeit eingepflanzt hat. Diese Auslegung ist aber widersinnig, weil durch V. l l b ß wiederum den Menschen ein solches Wissen um das Werk Gottes in seiner zeitlichen Ausdehnung abgesprochen wird.41 Demgegenüber fugt sich der von uns übernommene Konjekturvorschlag t'KIV42 problemlos in die Redewendung ein, ist doch das Herz nicht nur Verstandes-, sondern auch Willenszentrum des Menschen43 und der in der Beurteilung durch die spätere Weisheit eine von Gott gegebene Aufgabe, die das Dasein des Menschen grundlegend bestimmt und ihm zur Mühe und Qual wird.44 Wir gewinnen dadurch eine sinnvolle Ergänzung zum Vordersatz in V. 1 la: Gott bestimmt nicht nur die qualifizierten Zeiten, sondern gibt dem Menschen auch den Antrieb ins Herz, daß er sich im Netz der determinierten Zeiten abmühe. Mit diesem sachlichen Einwand haben wir bereits ein drittes Problem der masoretischen Lesart berührt, nämlich das des Wortsinns von D^V 45 Denn die meisten Exegeten, die an der Lesart festhielten, haben die Spannung zwischen dem damit unterstellten Erkenntnisgewinn in V. 1 Iba und seiner Bestreitung in V. 1 lbß erkannt und in ihrer Interpretation abzuschwächen versucht. Einige Stimmen mögen den Sachverhalt illustrieren: So deutet Franz Delitzsch D^V als ein desiderium aetemitatis, ein über das Zeitliche hinausgehendes, auf die

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der Begegnung. Nach Esr 7,27 gibt Gott dem König Artaxerxes ins Herz, den Tempelbau in Jerusalem zu veranlassen, nach Neh 2,12; 7,5 betraut er Nehemia mit dieser Aufgabe. Zu diesem fundamentalen Widerspruch vgl. bereits Galling, Rätsel, S. 4; Ellermeier, Einzelfrage Nr. 9, S. 311: "Die hier angeblich von Gott ins Herz gelegte Ewigkeit mußte also gewissermaßen schnell wieder herausgenommen werden - denn mit der Ewigkeit im Herzen gäbe es weder für Qohelet noch sonst einen Menschen einen Kummer, von dem V. 1 lbß spricht." Vgl. die oben S. 226 in Anm. 5 genannte Literatur. Vgl. H. W. Wölfl", Anthropologie des Alten Testaments, 4. durchges. Aufl. München 1984, S. 84. Vgl. Gen 3,17b; Ps 73,5; 90,10; 127,1; Hi 5,6f; Koh 1,13; 3,9; Sir 7,15; 40,1; dazu Jer 20,18; Hi 3,10. Zur Sache vgl. V. Hirth, Die Arbeit als ursprüngliche und bleibende Aufgabe des Menschen. Beobachtungen am Alten Testament, BZ N. F. 33 (1989), S. 213f. Zur Diskussion vgl. Ellermeier, Einzelfrage Nr. 9, S. 311-317; Whitley, Koheleth, S. 31-33; Crenshaw, Gospel, S. 39-43; Isaksson, Studies, S. 176-189; Loretz, Anfänge, S. 237f.

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Ewigkeit gerichtetes Streben, das den Menschen eingegründet sei.44 Walther Zimmerli findet durch Ot?V das Fragenmüssen nach dem Gesetz des Zeitablaufes und nach der Ordnung der Zeiten bezeichnet,47 während nach Hartmut Gese Gott dem Menschen das Streben gegeben hat, die Zeitenfolge zu erkennen ,4* Graham Ogden interpretiert O^V als a consciousness of the eternal49 und Diethelm Michel denkt an das Streben nach Erkenntnis über den jeweiligen Augenblick hinaus,50 Wir können die Reihe der Beispiele hier abbrechen. Denn allen diesen Deutungen ist gemeinsam, daß sie das ins Herz gelegte Wissen um den D^V durch eine Ahnung oder ein Streben nach Erkenntnis ersetzen. Indem sie unterstellen, daß Gott ein solches Fragenmüssen nach dem Weltganzen über die Menschen verhängt habe, entpuppen sie sich als eine philosophische Spekulation, die durch den Wortsinn nicht abgedeckt wird.51 Man wird also den Gedanken des Restriktivsatzes nicht schon in den Vordersatz eintragen dürfen. Überhaupt können wir uns des Eindrucks nicht erwehren, daß sich hier die Konjektur Í7QV als leidige Mühe, über die Stunde hinauszufragen, durch die Hintertür der Interpretation Eingang in die Auslegung verschafft hat. Unsere kritische Betrachtung fuhrt zu dem Ergebnis, daß man beim Festhalten am masoretischen Text zu weitausgreifenden Interpretationen gezwungen ist. Daher empfiehlt es sich, einen Textfehler anzunehmen und anstelle von Ot>V ein für Kohelet typisches zu lesen.52 Denn die ungewöhnliche Defektivschreibung begünstigt unsere Vermutung, daß der Text durch eine

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BC, S. 264. ATD, S. 168. Die Krisis der Weisheit bei Koheleth, in: Vom Sinai zum Zion. Alttestamentliche Beiträge zur biblischen Theologie, BevTh 64, 2. Aufl. München 1984, S. 178. Readings, S. 55. Eigenart, S. 63. Vgl. dazu Whybray, NceB, S. 73 : "But it makes little sense in Hebrew to say that God put (or, more probably, puts) either eternity or the world into man's mind, since the Hebrew language hardly allows such an expression to be understood as an ellipsis for 'the notion of eternity' (or of the world)." Für MT wird zwar oft angeführt, daß Dt>V hier Oppositionsbegriff zu n v sei; vgl. zuletzt Schwienhorst-Schönberger, "Nicht im Menschen", S. 107. Doch kaum mit Recht; denn bei ÌI1V3 handelt es sich um einen zum Verb gehörigen Prädikatsbegriff, der dem Objektakkusativ Ot?yrrriN nicht gleichwertig gegenübersteht. Im übrigen können wir für die Konjektur anführen, daß sie das Verbaladjektiv aus V. 9 aufgreift. Dadurch erweist sich V. 11 nicht nur über DV, sondern auch über die Wurzel t>)oy als mit dem Zeitgedicht in V. 1-9 rückverbunden.

Kapitel IV. Skepsis oder Furcht Gottes?

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schlichte Metathesis von und O entstanden ist. Überhaupt sind Buchstabenumstellungen im Alten Testament zahlreich belegt53 und im Buch Kohelet für 8,10 und 9,4 wahrscheinlich zu machen.54 Darüber hinaus liefert der Midrasch Kohelet Rabba zu 2,24 und 8,15 den Beweis, daß "l^tty expressis verbis als DDÍ7V interpretiert und im Sinne von diese Welt verstanden werden konnte.55 Ob es sich nun bei der masoretischen Lesart von 3,11 um eine schlichte Verschreibung oder um eine Textänderung handelt, so setzt sie die oben aufgewiesene Bedeutungsentwicklung von Dt>iy in jedem Fall voraus. Immerhin lassen sich diese Beispiele für die Wahrscheinlichkeit unserer Hypothese anführen. Entscheidend für die Konjektur t>>3y spricht jedoch, daß sie nicht nur mit der Redewendung in jmds. Herz geben zusammenstimmt, sondern auch einen Sinn erzielt, der V. 11 als Zielgedanken des voranstehenden Zeitgedichts schlechthin ausweist. Denn im Gedicht über die schicksalhaft fallenden Zeiten war von Gott selbst nicht die Rede, und doch haben wir die Festsetzung der Zeiten als im Willen Gottes begründet vorausgesetzt. V. 1 la bestätigt unsere Auslegung und deutet die Bedrohung durch den Schicksalswalter als ein zweckmäßiges Handeln Gottes zu seiner Zeit. Außerdem haben wir davon gesprochen, daß der Mensch als tätiges Wesen gezwungen ist, sich im Wechselspiel der Zeiten zu behaupten. Dafür liefert V. l i b a die Begründung. Denn Gott hat es so eingerichtet, daß sich der Mensch in seinem Leben abmühen soll. Aus beidem, jener göttlichen Setzung der Zeiten und dieser den Menschen zugewiesenen Arbeit, ergibt sich die für das Verständnis des Gedichts entscheidende Spannung: Es macht die ganze Not des Menschen aus, daß er zu handeln gezwungen ist und dabei die günstige Zeit nicht weiß, über deren Qualifikation Gott längst entschieden hat. Bei seinem Tun ist ihm also der Erfolg keinesfalls sicher, sondern bleibt dem Risiko des Scheiterns ausgesetzt. Gerade dadurch erweist er sich Gott ausgeliefert und in seinen eigenen Möglichkeiten begrenzt.

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Vgl. Friedrich Delitzsch, Die Lese- und Schreibfehler im Alten Testament, Berlin/ Leipzig 1920, S. 89-91; H. Junker, Konsonantenumstellungen als Fehlerquelle und textkritisches Hilfsmittel im MT, in: Werden und Wesen des Alten Testaments, BZAW 66, Berlin 1936, S. 162-174.. Als Beispiel fur Umstellungen mit Lamed sei hier lt>n und t n n zitiert, vgl. Jes 38,11; Hi 10,20; und umgekehrt Ps 49,2. In 8,10 ist fur O m p ein D ' l l p zu lesen, vgl. Ps 49,12; in 9,4 für i n i ' ein " a n \ vgl. I Sam 20,30. Vgl. H. Freedman / M. Simon (Hg ), Midrash Rabbah. Ecclesiastes, transi, by Α. Cohen, 2. Aufl. London 1951, S. 71f, 224.

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Die Summe der Lehre Kohelets

Durch die streng auf das Zeitgedicht bezogene Auslegung hat sich uns die sogenannte Skepsis Kohelets in V. 1 lbß als eine praktische Frage erwiesen.56 Denn angesichts des verborgenen Plans in der Verteilung der Zeiten scheitert jede Kybernetik: Gottes Handeln ist dem Zugriff und der Steuerung durch den Menschen entzogen.57 Daß diese Einschränkung menschlicher Erkenntnis und zumal seine Kurzsichtigkeit, den Lauf der Welt zu überschauen, seine Lebensgestaltung mit vielen Unsicherheitsfaktoren belastet, liegt auf der Hand. Dennoch besitzt der Mensch immer noch die Möglichkeit, sich für oder gegen eine Fülle von Zeitvorgaben zu entscheiden, so daß Lebensklugheit und Nützlichkeitsmoral zwar eingeschränkt, aber nicht grundsätzlich verneint werden.58 Berücksichtigt man nämlich, daß sich die Zweifel Kohelets in V. 1 lbß streng genommen gegen ein Erkennenkönnen des göttlichen Waltens in seiner Gesamtheit richtet, wird dadurch die Möglichkeit einer partiellen Einsicht des Menschen in die Wirklichkeit noch lange nicht bestritten. Vergleichen wir dazu die Stellen im Buch Kohelet, die ein Nichtwissen oder Nichterkennenkönnen des Menschen aussagen, bestätigen sie, daß das intellektuelle Bemühen eben dort scheitert, wo der Mensch über sein tägliches Geschäft hinaus nach Einsicht in den göttlichen Plan verlangt, um dadurch sein Leben zu sichern und seine Zukunft selbst zu gestalten. So bleiben dem Menschen das Vergangene,59 das Zukünftige60 und die Stunde des Todes61 verborgen. Ebensowenig vermag er das Tun Gottes,62 den Weg des Odems63 und selbst das

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Zur Untersuchung der Skepsis bei Kohelet vgl. Loretz, Qohelet, 271-275; M. A. Klopfenstein, Die Skepsis des Qohelet, ThZ 28 (1972), S. 97-109; R. E. Murphy, Kohelet, der Skeptiker, Conc(D) 12 (1976), S. 567-570; J. L. Crenshaw, The Birth of Skepticism in Ancient Israel, in: The Divine Helmsman (FS Lou H. Silberman), New York 1980, S. 1-19, bes. 1 If; D. Michel, Ein skeptischer Philosoph: Prediger Salomo (Qohelet), Universität im Rathaus 7, Mainz 1987, S. 1-31, bes. 24-26. Zu den griechischen Skeptikern vgl. die Darstellung von Schwienhorst-Schönberger, "Nicht im Menschen", S. 263-269, und die unten S. 240 Anm. 71 angegebene Literatur. Vgl. Klopfenstein, Skepsis, S. 104. A. Schmitt, Zwischen Anfechtung, Kritik und Lebensbewältigung. Zur theologischen Thematik des Buches Kohelet, TThZ 88 (1979), S. 130. Vgl. R. Lux, Die Weisen Israels, Leipzig 1992, S. 126f. Zur Sache vgl. 2,13f; 7,1-22; 9,17f; 10,8-11; 11,1-6; und dazu Fox, Wisdom, S. 117-123. Vgl. 8,7; ferner 1,10. Vgl. 7,14; 10,14; 11,2.6; ferner 1,11; 2,19; 3,22. Vgl. 9,12. Vgl. 3,11; 8,17; 11,5b. Vgl. 3,21; 11,5a.

Kapitel IV. Skepsis oder Furcht Gottes?

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göttliche Wählen und Verwerfen64 zu ergründen. Stellen wir auch diese Aussagen in den lebenspraktischen Horizont, entdecken wir hinter der skeptischen Haltung Kohelets ein beharrliches Zurückweisen all der menschlichen Anstrengungen, die Gottes Freiheit und Souveränität mit dem eigenen Tun und Planen verrechnen zu können meinen.65 Daher wird der Weise diese unerfindliche Differenz zwischen Zukunftsplanung und geschichtlicher Verwirklichung in sein Tun und Planen einbeziehen und den Nutzwert der Weisheit auf die praktische Lebensführung zurückschrauben.66 Kohelet hat dies in seinen Lehren getan. Unterstellt man, daß es dem Menschen im hellenistischen Zeitalter um eine fraglose Sicherheit seines Glückssstrebens ging, konnte und durfte Kohelet dem nicht genügen. Denn sonst hätte er sich über die Realität menschlichen Daseins und seiner letzten Ungesichertheit hinweggesetzt. Umgekehrt wird man aber auch nicht den Schluß ziehen können, daß er menschliches Wollen und Planen insgesamt als sinnlos und wirkungslos betrachtet und ein passives Sich-Ergeben empfohlen habe. Obwohl Kohelet das in der Gesamtheit der Wirklichkeit verborgene Handeln Gottes schärfer und radikaler als die sapientielle Literatur formuliert, lassen sich schon im Proverbienbuch eine ganze Reihe von Sprüchen nachweisen, die ebenfalls den Anspruch des Menschen zurückweisen, als könne er die Absicht Gottes ergründen und dadurch seinem Tun den Erfolg sichern.67 Für die spätere Weisheit hat neuerdings Markus Witte gezeigt, daß in der von ihm ermittelten und als Majestätsbearbeitung bezeichneten Redaktion des Hiobbuches der Gedanke der verborgenen Weisheit Gottes fundamentale Bedeutung gewonnen hat; vgl. Hi 12,7-13,2; 26,1-14; 28,1-14.20-28; femer 9,5-14.68 Mithin besitzen wir mit dieser ins 3. Jhd. v. Chr. datierten Redak-

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Vgl. 9,1b. Vgl. W. Zimmerli, Ort und Grenze der Weisheit im Rahmen der alttestamentlichen Theologie, in: Gottes Offenbarung Gesammelte Aufsätze zum Alten Testament, ThB 19, München 1963, S. 314f; L. G. Perdue, Cosmology and Social Order in the Wisdom Tradition, in: J. G. Gammie / L. G. Perdue (Hg.), The Sage in Israel and the Ancient Near East, Winona Lake 1990, S. 462. Vgl. Wolff, Anthropologie, S. 223f. Vgl. Prov 3,7; 16,9; 19,21; 20,24; 21,30f; 27,1; 30,2-4; und dazu H. Gese, Lehre und Wirklichkeit in der alten Weisheit, Tübingen 1958, S. 38-41; von Rad, Weisheit, S. 131-143. Vgl. M. Witte, Vom Leiden zur Lehre. Der dritte Redegang (Hiob 21-27) und die Redaktionsgeschichte des Hiobbuches, BZAW 230, Berlin/ New York 1994, S. 205215, bes. 214f.

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tionsschicht etliche Vergleichstexte, die nicht nur Kohelets Reflexionen als Beitrag zur weisheitlichen Diskussion seiner Zeit verstehen lassen,69 sondern auch unsere Auffassung bestätigen, daß Kohelet kein skeptischer Einzelgänger, sondern ein typischer wenn auch exponierter Lehrer einer jüdischen Weisheitsschule gewesen ist.70 Wir gehen sogar so weit und behaupten, daß Kohelets Rede von der Unbegreiflichkeit göttlichen Handelns und der dadurch menschlicher Einsicht insgesamt verschlossenen Wirklichkeit nicht in eine Skepsis mündet, die eine grundsätzliche Kritik der Möglichkeit menschlicher Erkenntnis betreibt,71 sondern umgekehrt und ausschließlich dem Anliegen dient, daß man die Majestät Gottes unbedingt anerkennen und sich nicht in unnützen Spekulationen versuchen soll.72 Es ist daher problematisch, wenn nicht gar verfehlt, Kohelet als einen erkenntnistheoretischen Skeptiker zu bezeichnen.73 Setzen wir unsere Erörterung der Reflexion 3,10-15 als Zusammenfassung des Traktats fort, lassen sich die beiden folgenden Abschnitte V. 12f und V. 14f als Konsequenzen für die praktische Lebensführung ansprechen, die sich

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Vgl. O. Loretz, Qohelet und der Alte Orient. Untersuchungen zu Stil und theologischer Thematik des Buches Qohelet, Freiburg 1964, S. 286f; dazu Katharine J. Dell, The Book of Job as Sceptical Literature, BZAW 197, Berlin/ New York 1991, S. 7582. Vgl. dazu unsere Diskussion oben S. 47ff. Im Unterschied zu Kohelet bestritten die griechischen Skeptiker von Pyrrhon und den Akademikern bis Arkesilaos und seinen Nachfolgern überhaupt die Möglichkeit gesicherter Erkenntnis und bildeten dadurch eine Erkenntnistheorie im modernen Sinne aus. Daß bei Kohelet besonders die in der pyrrhonischen Skepsis beheimatete Abwertung der Sinneswahrnehmungen keinerlei Rolle spielt, mag nicht weiter überraschen. Zum antiken Skeptizismus vgl. jetzt die ausfuhrliche und differenzierte Darstellung von W. Görler, Älterer Pyrrhonismus. Jüngere Akademie. Antiochos aus Askalon, in: Die Philosophie der Antike, Bd. 4: Die Hellenistische Philosophie, hg. von H. Flasher, Grundriß der Geschichte der Philosophie, begr. von F. Ueberweg, Basel 1994, S. 719-989 (Lit.!); ferner die klassische Darstellung von A. Goedeckemeyer, Die Geschichte des griechischen Skeptizismus, Leipzig 1905. Vgl. dazu R. K. Johnston, "Confessions of a Workaholic". A Reappraisal of Qoheleth, CBQ 38 (1976), S. 26: "Qoheleth is skeptical in his intent, but affirmative in his intentionality." Vgl. die Ausführungen von D. Michel, Qohelet, EdF 258, Darmstadt 1988, S. 32f, 88f; dazu Eigenart, S. 7, 44f, 64f, 117f. Allerdings müssen wir hinzubemerken, daß Michel von seinem Gesamtverständnis her Kohelet nicht als Empiriker, sondern als Denker einstuft und seine Auffassung eines erkenntnistheoretischen Skeptizismus im wesentlichen auf die /feèe/-Formeln stützt, die er als solche den zitierten fremden Meinungen entgegengehaltene skeptische Urteile interpretiert.

Kapitel IV. Skepsis oder Furcht Gottes?

241

Kohelet aus der Einsicht in die Verborgenheit Gottes ergaben. Dabei ist das carpe diem in V. 12f als praktischer Rat Kohelets unmittelbar einsichtig. Wenn der Mensch den Lauf der Zeiten auch nicht ergründen kann, bleibt ihm dies, den begrenzten Augenblick als Stunde des Glücks zu nutzen, wenn sich dazu die Gelegenheit bietet; denn Gott wirkt alles angemessen zu seiner Zeit. Da wir in unseren Kompositionsanalysen bei der Auslegung der einschlägigen Stellen 5,17-19; 7,13f; 9,7-10; 11,7-12,1 erschöpfend über das carpe diem gehandelt haben, dürfen wir uns kurz fassen und mit der Feststellung begnügen: Angesichts der unberechenbaren Zukunft ist der Genuß des Augenblicks das einzig mögliche und vollkommene Glück, das Gott dem Menschen als Ausgleich für seine Mühen gewährt. Hier offenbart sich Gott in seiner dem Menschen zugekehrten Seite. In den beiden abschließenden Versen beschreibt Kohelet das Tun Gottes als ein prinzipielles Geschehen und erklärt es im Hintergrund des oben festgestellten zweckmäßigen Handelns Gottes als solches für vollkommen. Dabei unterstreicht er mittels der aus ägyptischer und altorientalischer Literatur bekannten,74 im Alten Testament ebenfalls gebräuchlichen und hier auf das Werk Gottes als Schöpfungstext bezogenen Kanonformel,75 daß der Mensch an ihm nichts zu ändern vermag. Schließlich untermauert 3,15a diesen Gedanken durch seinen Rückgriff auf die schöpfungstheologische Reflexion in 1,4-11,76 Hatte Kohelet in 1,1 Of herausgestellt, daß der Mensch in seiner konstitutionellen Kurzsichtigkeit weder die Vergangenheit noch die Zukunft in ihrem gleichförmigen Ablauf zu durchschauen vermag, so betont er jetzt in 3,15, daß Gott selbst hinter der strukturellen Gleichförmigkeit allen Geschehens steht. Mit Kurt Galling deuten wir den in seiner Auslegung umstrittenen Vers 15b in der folgenden Weise, daß Gott das Vergangene ausfindig mache und bereithalte, 74

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Vgl. einerseits die Lehre des Ptahhotep, 608f; die Lehre des Cheti, X,3; dazu Morenz, Gott, S. 24f; andererseits das akkadische Erra-Epos, V,42f, dazu Loretz, Qohelet, S. 66-69. Zur Kanonformel vgl. Dtn 4,2; 13,1; Koh 3,14; Sir 18,6; 42,21 ; ferner Jer 26,2; Prov 30,6; PsSal 5,4. Zu ihrer Anwendung auf das Werk Gottes vgl. W. Herrmann, Zu Kohelet 3,14, WZ(L).GS 3 (1953/54), S. 293-295; Müller, Skepsis, S. 16 mit Anm. 68; Eleonore Reuter, "Nimm nichts davon weg und fuge nichts hinzu!", BN 47 (1989), S. 113; Ch. Dohmen / M. Oeming, Biblischer Kanon, warum und wozu? Eine Kanontheologie, QD 137, Freiburg i. B. 1992, S. 86-88. Vgl. Barton, ICC, S. 102; Hertzberg, ΚΑΤ, S. 108; Lauha, BK, S. 70; Crenshaw, OTL, S. 100; Murphy, WBC, S. 30, 35; J. Blenkinsopp, Ecclesiastes 3.1-15: Another Interpretation, JSOT 66 (1995), S. 63.

242

Die Summe der Lehre Kohelets

bis es wieder Gegenwart wird und sich so alles Geschehen strukturell wiederholt.77 Der Mensch kann also nicht behaupten, etwas Neues geschaffen und dadurch einen bleibenden Gewinn erzielt zu haben. Gottes ewiges Wirken entzieht sich ihm in seiner Unbegreiflichkeit und wird ihm so zum Ausdruck seiner Erhabenheit.78 Angemessen begegnet ihm dieser erhabene Gott nach 3,14b allein in der Gottesfurcht. Auf sie zielt die Errichtung der Welt in ihrer verborgenen Weisheit ab. Da im Kontext weder von den ethischen Pflichten noch explizit von der göttlichen Weisung die Rede ist, meinte man immer wieder feststellen zu können, hier läge die ursprüngliche numinose Bedeutung des Begriffs vor, die nichts anderes als das Erschaudern des Menschen vor der völlig unbegreiflichen göttlichen Macht beinhalte.7® Sachlich bestimmte man die Furcht Gottes näherhin als ein erwartungsloses Sich-Ergeben in seine Übermacht und passives Erleiden des bestimmten Geschicks.80 So eindrucksvoll diese Deutung ist und so weit sie sich in der Koheletauslegung nachgerade verbreitet hat, isoliert sie doch den Begriff der Gottesfurcht von seiner weisheitlichen Entwicklung und widerspricht damit zugleich unserer nach 7,14 gegebenen Deutung als der Demut gegenüber der Majestät Gottes.81 Wenn Kohelet jetzt in 3,10-15 die Begrenzung der Weisheit als göttliche Absicht erkennt und zugleich das dem

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Wir folgen hier der Interpretation von Galling, Rätsel, S. 14. Zur Diskussion des schwierigen Verses vgl. G. R. Driver, Problems and Solutions, VT 4 (1954), S. 226f; R. B. Salters, A Note on the Exegesis of Ecclesiastes 3,15b, ZAW 88 (1976), S. 419-422; Michel, Eigenart, 74-78. Für diesen Zusammenhang vgl. auch Sir 18,6; 42,21 f. Vgl. J. Hempel, Gott und Mensch im Alten Testament, BWANT 38, Stuttgart 1926, S. 4; J. Fichtner, Die altorientalische Weisheit in ihrer israelitisch-jüdischen Ausprägung, BZAW 62, Gießen 1933, S. 52; H.-J. Blieffert, Weltanschauung und Gottesglaube im Buch Kohelet, Rostock 1938, S. 56f; E. Pfeiffer, Die Gottesfurcht im Buche Kohelet, in: Gottes Wort und Gottes Land (FS H. W. Hertzberg), Göttingen 1965, S. 138Ç 157; A. Stiglmair, Weisheit und Jahweglauben im Buch Kohelet, TThZ 83 (1974), S.367f; Crenshaw, OTL, S. 100: "Qohelet's concept differs greatly, for in a few instances the fear of God cames very close to terror before an unpredictable despot." Zur religionsphänomenologischen Bestimmung der Gottesfurcht als mysterium tremendum vgl. die klassische Untersuchung von R. Otto, Das Heilige. Über das Irrationale in der Idee des Göttlichen und sein Verhältnis zum Rationalen, Sonderausgabe München 1979, S. 14-22. Vgl. S. Plath, Furcht Gottes, AzTh II/2, Stuttgart 1962, S. 81f; B. Lang, Ist der Mensch hilflos? Zum Buch Kohelet, ThMed 53, Zürich 1979, S. 45; H.-P. Müller, Der unheimliche Gast. Zum Denken Kohelets, ZThK 84 (1987), S. 456. Vgl. oben S. 11 Of und zu 7,18 mit seiner Erläuterung durch 7,19f oben S. 101 f.

Kapitel IV. Skepsis oder Furcht Gottes?

243

Menschen je und dann zugemessene Glück als Zuwendung Gottes begreift, dürfte er mit der Furcht Gottes kaum ein durch den Lenker des Schicksals auferlegtes Erschaudern und Entsetzen verbunden haben. Seine Darlegung der Vollkommenheit und Verborgenheit göttlichen Wirkens dient vielmehr dem Zweck, den Menschen zur richtigen Einstellung gegenüber Gott zu bewegen: Er soll erkennen, daß es ebenso klug wie zweckmäßig ist, sich Gottes unabänderlichen Schickungen nicht vergeblich zu widersetzen, sondern sie in ihrer Unabänderlichkeit hinzunehmen.82 Unsere Auffassung gewinnt dadurch an Plausibilität, weil wir sie in der Entwicklung des weisheitlichen Begriffs der Gottesfurcht verorten können. Dabei folgen wir Ludger Schwienhorst-Schönberger in der Unterscheidung zweier Entwicklungslinien.83 Die eine läuft auf eine Verbindung der Furcht Gottes mit der Beobachtung der Gebote hinaus,84 während die andere in ihr eine religiös-sittliche Haltung erblickt, die Gott als Schöpfer und Schicksalswalter uneingeschränkt anerkennt und die rechte und notwendige Einstellung ihm gegenüber sucht.8* Den gleichen Zweck verfolgt eine ganze Reihe von Sprüchen, die in den älteren Sammlungen des Proverbienbuchs enthalten und möglicherweise partiell durch einen späteren Bearbeiter eingefugt worden sind.86 Auch sie wissen um Gott als den ausschließlichen Lenker des individuellen Schicksals und um die Grenzen menschlicher Weisheit. In dem Maße, in dem die Einsicht in die Gottlosigkeit menschlicher Unternehmungen ins Blickfeld trat, rückte auch die Furcht Gottes als angemessenes und respektvolles Verhalten stärker und stärker in den Vordergrund.87 Dabei wurde die Furcht Gottes einerseits zum Inbegriff der Weisheit als dem sicheren Weg zum Le-

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Zur Sache vgl. F. Nötscher, Schicksal und Freiheit, Bib 40 (1959), S. 460-462; Loretz, Qohelet, S. 287-289. Vgl. "Nicht im Menschen", S. 320-324. Vgl. ζ. B. Ps 103,17f; 112,1; 119,63; 128,1; Sir l,26f; 19,20; 32,18f; und die Interpretation der Gottesfurcht durch den zweiten Epilogisten in Koh 12,13. Vgl. ζ. B. Prov 10,27; 14,26f; 15,16; 16,6; 19,23; 22,4; und dazu Plath, Furcht Gottes, S. 64-68; J. Becker, Gottesfurcht im Alten Testament, AnBib 25, Rom 1965, S. 210-241. Vgl. Prov 16,9; 16,33; 19,21; 20,24; 21,31. Zur Sache vgl. D. Römheld, Wege der Weisheit. Die Lehren Amenemopes und Proverbien 22,17-24,22, BZAW 184, Berlin/ New York 1989, S. 185-190. Ob sich seine Ansicht, daß es sich um nachträglich in die älteren Sammlungen eingefügte Sprüche handelt, in der ausstehenden redaktionsgeschichtlichen Forschung bewährt, bleibt abzuwarten. Vgl. z. B. Prov 16,5f; 21,30f; 22,4.

244

Die Majestät Gottes als hermeneutischer Schlüssel

ben,88 andererseits aber zur Antwort des Menschen auf die verborgene Weisheit Gottes.89 Angesichts der im Koheletbuch durchgängig beobachteten Einschränkung der Weisheit können wir die Furcht Gottes in 3,14 in den Zusammenhang ihrer Empfehlung als Antwort auf die verborgene Weisheit Gottes einordnen und sie demgemäß als die seiner absoluten Macht geschuldete und einzig mögliche praktische Verhaltensweise des Menschen beurteilen.90 Zusammen mit den Belegen der Gottesfurcht in 5,6 und 7,18 wird deutlich, daß es sich bei ihr um eine Haltung handelt, die darauf bedacht ist, Gottes Zorn nicht herauszufordern und ebenso besonnen wie verantwortlich zu handeln. Mithin lassen sich seine Skepsis gegenüber dem Anspruch gewisser weisheitlicher Zirkel und seine Mahnung zur Gottesfurcht nicht in einen Gegensatz bringen, sondern bedingen einander.91 Seine skeptische Begrenzung der Weisheit und rückhaltlose Achtung vor der Unbegreiflichkeit Gottes sind die direkte Voraussetzung fur die von ihm angeratene, vorsichtige und sich in Gottes Schickungen fugende Lebenshaltung. Fassen wir zusammen, so haben wir in V. 11 mit der Verborgenheit Gottes, in V. 12f mit der Güte Gottes und in V. 14f mit der Allmacht Gottes die drei Pfeiler ermittelt, die Kohelets Gottesbild bestimmen. Ihnen korrespondieren vom Menschen her die skeptische Begrenzung der Weisheit, das carpe diem und die Furcht Gottes. Alle Züge dieses Gottesbildes laufen zusammen in der Majestät Gottes: Sein verborgenes Wirken übersteigt menschlichen Geist, seine Zuteilung des Glücks geschieht aus freien Stücken und sein unveränderliches, unergründliches und doch vollkommenes Werk erweist definitiv seine Allmacht. Mithin hat sich unser Ansatz, die Schlußreflexion des Traktats als Summe des Ganzen auszulegen, bewährt.

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Zur Vorordnung der Gottesfurcht vgl. Ps 111,10; Prov 1,7; 9,10; 15,33; und dazu von Rad, Weisheit, S. 92f. Vgl. Hi 28,28 und dazu Becker, Gottesfurcht, S. 246f; B. L. Mack, Logos und Sophia, StUNT 10, Göttingen 1973, S. 49-60, dort auch Parallelen aus der akkadischen Dichtung; J. van Oorschot, Hiob 28: Die verborgene Weisheit und die Furcht Gottes als einer generalisierten ΠΏ3Π, in: The Book of Job, ed. by W. A. M. Beuken, BEThL 114, Leuven 1994, S. 183-199. Eine Versöhnung der beiden angegebenen Positionen vollzieht schließlich der Dichter der Elihureden in Hi 37,23f. Vgl. Becker, Gottesfurcht, S. 251. Vgl. dazu Fox, Contradictions, S. 195; Perdue, Cosmology, S. 463; Witte, Leiden, S. 214.

Kapitel IV. Skepsis oder Furcht Gottes?

245

2. Die Majestät Gottes als hermeneutischer Schlüssel Ehe wir uns einer Zusammenschau der von Kohelet verhandelten Themen zuwenden und das Fazit aus seinen Lehren ziehen, rekapitulieren wir nochmals die kompositioneilen und formgeschichtlichen Ergebnisse. Die in unserer Arbeit eingangs durchgeführte und grundlegende Untersuchung des Gesamtaufbaus erbrachte den Befund, daß wir es beim Buch Kohelet im ganzen nicht mit einer primären, sondern mit einer sekundären Komposition zu tun haben. Vor allem die Überleitungen der Teilkompositionen und die zwischen den Einzeltexten beobachteten Nahtstellen ließen deutlich genug die gestaltende Hand eines Redaktors erkennen und bestätigten den Verdacht, daß im Unterschied zu dem Traktat die folgenden Texte nicht von Kohelet selbst, sondern von ihrem Herausgeber geordnet worden sind. Dabei gaben uns die bestimmenden Ordnungskriterien, die Betonung der Nichtigkeitsurteile und zumal die dem Büchlein sein Motto gebenden Rahmenverse die entscheidenden Hinweise, daß der Redaktor mit dem ersten Epilogisten zu identifizieren ist. In seinem als Kolophon erklärten Nachtrag hat er nicht nur Kohelet als einen Weisen und Lehrer gewürdigt, sondern zugleich seine eigene Redaktionstätigkeit angedeutet. Daß er durch sie dem späteren Mißverständnis Kohelets als eines Skeptikers Vorschub geleistet hat, forderte den zweiten Epilogisten heraus, seinerseits das Buch auf die knappe Formel der Furcht Gottes zu bringen. Vor allem die im Korpus verwendeten Formeln und Gattungen verwiesen uns auf eine Schulsituation, die wir für den größeren Teil der hinter die Grundschrift gestellten Texte als ihren primären Sitz im Leben ermitteln konnten. Näherhin bestimmten wir Kohelet als Lehrer und im Anschluß an 11,9 seine Schüler als Heranwachsende, die wir in Analogie zu der griechischen Altersbezeichnung als Epheben bezeichneten. Dabei gelangten wir zu der Überzeugung, daß seine in der Tat ungewöhnlichen Lehren wohl mehr die Orginalität des Lehrers in einer Umbruchsituation kennzeichnen, als daß sie sich für die Begründung einer Außenseiterstellung Kohelets vereinnahmen lassen. Im Hauptteil unserer Arbeit widmeten wir uns der Analyse der Teilkompositionen, die einen durchdachten Aufbau und Gedankengang erkennen lassen und auf Kohelet selbst zurückzuführen sind. Bei ihnen handelt es sich teils um zu Unterrichtszwecken verschriftete Schultexte, teils um nachträgliche und zusammenfassende Aufzeichnungen einer vorauslaufenden Schuldiskus-

246

Die Majestät Gottes als hermeneutischer Schlüssel

sion. Das ihnen gemeinsame Thema des carpe diem läßt sie stärker zusammenrücken, so daß wir sie gegenüber dem Traktat als ältere Aufzeichnungen Kohelets beurteilten. In der anschließenden Untersuchung des Traktats untermauerten wir unseren früheren Nachweis, daß uns mit dieser umfangreichsten Darlegung eine kunstvolle und offenbar von dem Weisen selbst zur Veröffentlichung bestimmte Ringkomposition überliefert ist. Ihr Zentrum bildet die von ihm als Königsfiktion ausgeführte Lehrerzählung, in der er grundsätzlich zum Streben des Menschen nach Glück und Erfolg Stellung bezieht. Dabei haben wir die Möglichkeit aufgewiesen, daß sich in den drei Königswegen des Genusses, der Weisheit und des Besitzes die drei klassischen β ί ο ι der griechischen Philosophie spiegeln und Kohelet dementsprechend das gesamte Feld menschlicher Betätigung abgeschritten hat. Gerahmt wird die KönigsSktion von zwei aus der Tradition übernommenen und von ihm bearbeiteten Dichtungen, die einerseits den strukturell gleichen und unveränderbaren Weltenlauf und andererseits die Zeit- und Schicksalsgebundenheit des Menschen illustrieren. Blicken wir auf den Traktat und zumal auf die ihm beigegebenen und in 3,16-12,7 zusammengestellten Lehren zurück, müssen wir als erstes festhalten, daß es sich bei ihnen um einen Niederschlag der weisheitlichen Diskussion seiner Zeit handelt und sie daher sachgerecht nur im Kontext der spätbiblischen Weisheitsliteratur gelesen werden können. Wenn Kohelet in diesen Lehren zahlreiche Ratschläge, Ermahnungen, Komparativsprüche und Schulbeispiele bietet, so begrenzt er doch gleichzeitig ihren Nutzwert gegenüber einem überhöhten Anspruch dogmatisierter Weisheit und gewinnt sie dadurch als ein relatives Gut für die praktische Lebensführung und mithin für die Erziehung und Bildung Heranwachsender zurück. Vor allem in dem untersuchten Schultext 7,1-22 gelangt Kohelet sub specie fmalis zu einer vorsichtigen Einschätzung, indem er zwar am Vorrang der Weisheit festhält, zugleich aber ihr Leistungsvermögen einschränkt. Nicht weniger bemerkenswert sind die an die Beispielerzählung 9,13-16 angeschlossenen Sprüche 9,17-10,14, die anschaulich zeigen, wie die Weisheit aufgrund ungünstiger Umstände nicht immer zum Zuge kommt. Gegen den übersteigerten Anspruch gewisser weisheitlicher Kreise richtet sich auch die für Kohelet typische und argumentative Verwendung von Grenzfallen, in denen sich das Geschick des Gerechten und des Frevlers vertauschen; vgl. 7,15; 8,14. Man hat darin einen Bruch mit dem

Kapitel IV. Skepsis oder Furcht Gottes?

247

traditionellen Vergeltungsglauben gesehen und seine Lehren als Krise oder Scheitern der Weisheit beschrieben.92 Berücksichtigt man aber, daß die mit VP eingeführten Sätze normalerweise einen Ausnahmefall schildern, wird dadurch der sogenannte Tun-Ergehen-Zusammenhang keinesfalls außer Kraft gesetzt, sondern nur seine absolute Gültigkeit in Frage gestellt. Wie hätte Kohelet sonst in 5,5 und 7,16f vor dem Zorn Gottes als Folge ruchlosen Tuns warnen können?93 Statt dessen deuten wir die Schilderung der Grenzfalle als Vorbehalt gegenüber einer deuteronomistisch verwurzelten Entscheidungsethik, die menschliches Tun mit seinem Ergehen verrechnen zu können meint. Kohelets kritische Einstellung gegenüber dem Leistungs- und Erfolgsdenken seiner Zeit spiegeln besonders die als weisheitliche Lehrerzählung verstandene Königsfiktion in 1,12-2,26 und das Lehrstück über die Unverfügbarkeit des Glücks in 5,9-6,9. Auch wenn der Mensch noch so weise und noch so erfolgreich ist, vermag er weder über sein Leben zu verfugen noch über die Grenzen seines Daseins hinaus etwas Bleibendes zu schaffen. Bei der damit verhandelten Frage nach dem Gewinn aller Mühe tritt der Tod unbarmherzig in den Gesichtskreis, der alle Möglichkeiten zerstört und seinem Besitzer den unter Umständen hart erarbeiteten Gewinn aus den Händen nimmt. Wer vermag es Kohelet verdenken, daß er angesichts dieses Raffers unter alle eigennützige Arbeit des Menschen sein Hebel-Urteil setzte, das schließlich nicht nur die Vergeblichkeit seiner Mühe, sondern auch die Flüchtigkeit seines Daseins unterstreicht. So ist fur ihn anstelle des bis dahin die Weisheit beschäftigenden vorzeitigen Todes der natürliche Tod zum Problem geworden und zugleich wie bei Ben Sira als dem Menschen gesetzte Grenze akzeptiert; vgl. Sir 41,3f. In ähnlicher Weise wird die weisheitliche Mahnung, sich um den rechten Zeitpunkt zu kümmern, zu der Einsicht in den schicksalhaften Charakter der qualifiziert gedachten Zeit überhaupt. Sie setzt dem Tun und Planen seine

92

93

Vgl. ζ. Β. H. Gese, Die Krisis der Weisheit bei Koheleth, in: Vom Sinai zum Zion, BevTh 64, 2. Aufl. München 1984, S. 173f; G. J. Botterweck, An die Resignierten Kritische Reflexionen Kohelets, in: Zielgruppen. Brennpunkte kirchlichen Lebens (FS K. Delahaye), Frankfort a. M. 1977, S. 66f; F. Crüsemann, Die unveränderbare Welt. Überlegungen zur "Krisis der Weisheit" beim Prediger (Kohelet), in: Der Gott der kleinen Leute. Sozialgeschichtliche Auslegungen, Bd. 1, hg. von W. Schottroff und W. Stegemann, München 1979, S. 83-88, der den Zusammenbruch des Tun-ErgehenZusammenhangs als Konsequenz eines vom segmentaren Staat zur Geld- und Münzwirtschafl vollzogenen gesellschaftlichen Umbruchs beschreibt. Vgl. Hertzberg, ΚΑΤ, S. 226; Lohfink, NEB, S. 41; Kaiser, Botschaft, S. 66.

248

Die Majestät Gottes als hermeneutischer Schlüssel

Grenzen und verunsichert den Menschen in seinem Dasein zutiefst; vgl. 7,13f; 8,6-8; 9,1 lf. Offenbar spiegelt sich in dieser Zeitvorstellung die gewaltige Wirkung des hellenistischen Schicksalsglaubens wider, der sich auch der jüdische Weise nicht entziehen konnte. So treten die Handlungsanweisungen Kohelets näherhin in das Spannungsfeld zwischen optimistischer Weisheit und hellenistischem Zeitgeist: Einerseits soll der Mensch mit vollem Einsatz seinen Geschäften nachgehen und es nicht an praktischer Klugheit fehlen lassen; vgl. 6,9; 7,18; 9,10; 11,4-6. Andererseits soll er ebenso vorsichtig wie besonnen handeln; vgl. 4,17-5,6; 7,1-12; nicht das Risiko suchen, sondern auch den Eventualfall einberechnen; vgl. 7,14; 11,1-3. Schließlich und vor allem soll er es nicht versäumen, sein Glück zu genießen, wann immer es sich bietet; vgl. 2,24; 3,22; 5,17f; 8,15; 9,7-9; 11,9. Es handelt sich also bei den Lehren nicht um Philosophie, sondern um Einweisungen in das konkrete Leben. Sie zeichnen sich dadurch aus, daß sie in der weisheitlichen Tradition verwurzelt und zugleich an eine theologische Grundposition gebunden sind, die wir mit der praktischen Anerkennung der Majestät Gottes angemessen beschrieben haben. Dabei gründet seine skeptische Begrenzung der Weisheit in der gewonnenen Überzeugung, daß Gottes umfassendes Welthandeln dem Menschen schlechthin verborgen ist.94 Zugleich erweist sich Gott in seiner Allmacht über alles Geschehen erhaben, so daß sich ihm gegenüber die Furcht Gottes als einzig mögliche Haltung empfiehlt.95 Der damit verbundene fundamentale Abstand zwischen Gott und Mensch wird schließlich durch das carpe diem als Erweis seiner Güte ertragen. Obwohl Kohelet mit seiner Betonung der majestas dei in der spätbiblischen Weisheit nicht isoliert dasteht, sind seine Lehren ihr gegenüber insofern einzigartig, als sie nicht nur die Furcht Gottes anmahnen, sondern auch das carpe diem und damit Gott als den Geber allen Glücks in die Mitte rücken. Ihre theologische Bedeutung und zugleich ihre Problematik können wir am ehesten ermessen, wenn wir sie einem modernen Entwurf gegenüberstellen. Der jüdische Philosoph Hans Jonas hat sich 1984 in seinem Festvortrag zur Verleihung des Dr. Leopold-Lukas-Preises Der Gottesbegriff nach Auschwitz eingehend mit der Gottesfrage beschäftigt und dazu ausgeführt: "Göttliche 94 95

Vgl. Koh 1,4-8; 3,11; 8,7f; 8,16f; 9,1 lf; 11,5 mit Hi 9,5-10; 26,14; Sir43,27f. Vgl. Koh 3,14; 5,6; 7,18 mit Hi 28,28; 37,23f.

Kapitel IV. Skepsis oder Furcht Gottes?

249

Allmacht kann mit göttlicher Güte nur zusammenbestehen um den Preis gänzlicher göttlicher Unerforschlichkeit, d. h. Rätselhaftigkeit. Angesichts der Existenz des Bösen oder auch nur des Übels in der Welt müßten wir Verständlichkeit in Gott der Verbindung der beiden andern Attribute opfern. Nur von einem gänzlich unverstehbaren Gott kann gesagt werden, daß er zugleich absolut gut und absolut mächtig ist und doch die Welt duldet, wie sie ist. Allgemeiner gesagt, die drei Attribute in Frage - absolute Güte, absolute Macht und Verstehbarkeit - stehen in einem solchen Verhältnis, daß jede Verbindung von zweien von ihnen das dritte ausschließt. Die Frage ist dann: Welche von ihnen sind wahrhaft integral für unsern Begriff von Gott und daher unveräußerlich, und welches dritte muß als weniger kräftig dem überlegenen Anspruch der andern weichen?"9* Angesichts der organisierten Ausrottung der Juden in den Vernichtungslagern des Dritten Reichs hat Jonas das Attribut der Allmacht Gottes preisgegeben, um an seiner Güte und Verstehbarkeit festhalten zu können. In einem Akt der Selbstentäußerung habe Gott seiner Macht entsagt und dadurch Raum für die Existenz und Autonomie der Welt geschaffen, um schließlich von der Odysee der Zeit seine Gottheit zurückzuempfangen, beladen mit der Zufallsernte unvorhersehbarer zeitlicher Erfahrung, verklärt oder auch entstellt.97 Der Hinweis auf die unterschiedliche Zeitstellung beider mag an dieser Stelle genügen, wenn wir feststellen, daß sich Kohelet anders als dieser moderne jüdische Entwurf entschieden hat. Als Lehrer in einer Umbruchsituation hat er die Verstehbarkeit Gottes zugunsten seiner Allmacht in die verborgene Weisheit zurückgestellt und dadurch in Kauf genommen, daß er dem Menschen als deus absconditus begegnet. Indem er alles Glück des Menschen als Gabe Gottes zu erkennen und damit den Glauben an die Güte Gottes in einer sich verfinsternden Welt zu retten suchte, hat er den Frommen seiner Zeit zweifellos viel abverlangt. Darüber hinaus hat er sich nicht etwa auf den Gedanken der göttlichen Vorsehung zurückgezogen, sondern die Ambivalenz

96

97

H. Jonas, Der Gottesbegriff nach Auschwitz. Eine jüdische Stimme, in: Reflexionen finsterer Zeit, hg. von O. Hofius, Tübingen 1984, S. 79f. Zur Sache vgl. auch W. Homolka, Gott nach Auschwitz. Die Gottesfrage in der jüdischen Theologie, in: Als die Synagogen brannten. 1938 "Reichskristallnacht" 1988, Tagung der Theologischen Arbeitsgemeinschaft für interkonfessionellen Dialog (TAD) vom 3.4. bis 6.4.1986, hg. von O. Ziegelmeier, München 1986 (Selbstverlag der TAD), S. 70-77. Vgl. Jonas, Gottesbegriff, S. 68.

250

Die Majestät Gottes als hermeneutischer Schlüssel

der Welt ausgehalten und der verborgenen Weisheit Gottes anheimgestellt.98 Eine Theologie des Leidens hat er uns dagegen nicht hinterlassen. Blicken wir zurück, so bleibt die Möglichkeit, daß Kohelet hinter dem Vorhang des Allerheiligsten die brennenden Augen Gottes gespürt hat, die sich leidend und sorgend den Menschen und ihrer Welt zuwenden, unerörtert.

98

Vgl. E. Bickerman, Four Strange Books of the Bible, New York 1967, S. 153: "Ecdesiastes could have been written only by a devout Jew who had discovered that there was no Providence, and that he was alone in a world foreign to him."

Anhang

252

Anhang: Tabelle A

Tabelle A: Zum Gesamtaufbau des Buches Kohelet

Buchteile

ursprüngliche Kompositionen

Einzeltexte

Überleitungen des Herausgebers 1,2

1,3-3,15 II (3,16-4,16a?)

3,16-4,3 4,4-12 4,13-16a 4,16b

4,17-5,6

— 5,7f

5,9-6,9a

—>

I

6,9b

III

6,1 lf 7,1-22

I

7,23f

7,25-29 8,1-8

8.9-? 8.10-15 8,16f IV

9,1-12 9,13-10,13

I

10,14

10,15 10,16f 10,18 10.19 10.20 11,1-12,7 12,8

Anhang: Tabelle Β

Tabelle Β: Komposition der Lehrrede 5,9-6,9

5,9-11

Prolog: Drei weisheitliche Sprüche V. 9 Unersättlichkeit V. 10 Reichtum V. 11 Ruhe

5,12-16

Reflexion 1 : Verlust des Besitzes V. 12 Einleitung V. 13f Beispielerzählung V. 15f Verallgemeinerung

5,17-19

Zentrum V. 17f carpe diem V. 19 Begründung

6,1-6

Reflexion 2: Unverfügbarkeit des Genusses V. V. V. V.

6,7-9

1 2 3-5 6

Einleitung Fallbeispiel mit Hebel-Urteil Eventualis mit Preisung der Fehlgeburt Irrealis mit Hinweis auf die Unterwelt

Epilog: Drei Sprüche Kohelets V. 7 V. 8 V. 9

Unersättlichkeit des Menschen Vorteil des Weisen Selbstbescheidung

253

254

Anhang: Tabelle C

Tabelle C: Komposition des Traktats 1,3-3,15

1,3

Gewinnfrage

1,4-11

Gedicht über den Kreislauf der Natur 1,4-8 1,9-11

1,12-2,26

Lehrerzählung der Königsfiktion 1,12 — 1,13-15 — 1,16-18 2,1 f

Selbstvorstellung Weg des Geschäfts Weg des Wissens Weg des Genusses

2,3-11 — 2,12-17 2,18-21

Experiment mit der Freude Experiment mit der Weisheit Experiment mit dem Besitz

[

2,22-26 3,1-8

bearbeitetes Gedicht Kommentar

Fazit der Lehrerzählung

Gedicht über das Rätsel der Zeit 3,1 3,2-8

Überschrift bearbeitete Spruchreihe

3,9

Gewinnfrage

3,10-15

Schlußreflexion 3.10 3.11 3,12f 3,14f

Einleitung Verborgenheit Gottes Güte Gottes Allmacht Gottes

Skepsis carpe diem -»Gottesfurcht

Literaturverzeichnis Die in der Arbeit benutzten Abkürzungen sind aus Siegfried M. Schwertner, Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete, 2. überarb. und erw. Aufl. Berlin/ New York 1992 entnommen. In Ergänzung verwenden wir WBC fur Word Biblical Commentary, ed. by David A. Hubbard and Glenn W. Barker, Dallas, Texas 1989ff. Kommentare zu Kohelet zitierten wir mit Verfassernamen und Nennung der wissenschaftlichen Reihe.

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Register 1. Bibelstellen Gen Gen Gen Gen Gen Gen Gen Gen Gen Gen Gen Gen Gen Gen Gen Gen

1,31 3,17 3,19 6,3 6,5 14,24 15,1 25,8 27,21 31,14 35,29 37,11 37,35 41,42 48,10 50,10

230 235 147 128 128 75 132 69 159 75 69 33 147 143 159 92

Ex 12,24 Ex 28,5 Ex 28,29 Ex 31,6 Ex 35,34 Ex 36,2 Ex 39,27

33 143 143 234 234 234 143

Lev Lev Lev Lev

75 170 144 231

6,10 6,13 12,8 26,4f

Num Num Num Num Num

15,27f 15,39 18,20 30,3 31,36

48 150 75 48 75

Dtn 4,2 Dtn 8,16 Dtn 10,9 Dtn 1 l,14f Dtn 12,12 Dtn 12,28

185,241 112 75 231 75 33

Dtn 13,1 Dtn 14,27 Dtn 14,29 Dtn 17,19 Dtn 18,1 Dtn 18,8 Dtn 22,24 Dtn 23,5 Dtn 23,22-24 Dtn 28,12 Dtn 29,8 Jos 14,4 Jos 18,7 Jos 19,9 Jos 22,19 Jos 22,25 Jos 22,27 Jdc Jdc Jdc Jdc I I I I I I I

3,31 9,33 19,6 19,9

Sam 3,2 Sam 10,7 Sam 15,22f Sam 20,30 Sam 25,8 Sam 27,1 Sam 30,24

II II II II II II II

Sam Sam Sam Sam Sam Sam Sam

12,3 13,22 14,14 19,35-38 20,1 22,32 23,9-11

I Reg 1,1-4 I Reg 5,12

185,241 75 75 33 75 75 114 114 48 231 33 75 75 75 73 75 75 32 144 150 150 159 144 48 237 144 38 75 198 114 175 159,179 75 73 203 159 27, 35

276 I Reg I Reg I Reg IReg I Reg IReg IReg I Reg IReg IReg

Anhang. Register

5,18 8,46 10,24 11,41 12,16 14,4 14,19 14,29 20,11 21,7

134 88, 101 234 23 75 159 23 23 95 150

II Reg 20,13

86

Jes 1,11-16 Jes 5,22 Jes 10,14 Jes 14,9-17 Jes 14,18-21 Jes 17,14 Jes 22,13 Jes 26,19 Jes 28,1 Jes 28,23-29 Jes 29,4 Jes 30,26 Jes 30,29 Jes 38,11 Jes 38,18 Jes 39,2 Jes 41,7 Jes 42,16 Jes 45,21 Jes 46,10 Jes 47,11 Jes 51,9 Jes 54,12 Jes 56,5 Jes 57,6

127 141 144 147 147 76 141 147 141 217 151 155 82 237 129 86 32 106 231 231 136 231 24 132 76

Jer Jer Jer Jer Jer Jer Jer Jer Jer Jer Jer

231 173 127 217 133 32 82 86 66 71 71

5,24 6,11 6,20 8,7 9,22f 10,4 15,16 16,8 17,11 20,14-18 20,17

Jer 20,18 Jer 25,10 Jer 26,2 Jer 28,8 Jer 31,16f Jer 32,20 Jer 33,20 Jer 37,12 Jer 51,22 Jer 51,46 Ez Ez Ez Ez

2,10 16,8 34,26 36,5

229,235 175 185,241 233 132 234 231 75 173 112 30 217 231 82

Hos 4,8 Hos 5,7 Hos 6,6

127 75 127

Joel 2,2

233

Am 2,14-16 Am 3,5 Am 3,5f Am 4,4f Am 5,13 Am 5,21-24 Am 7,4

133 135 110 127 217 127 75

Mi 2,4f Mi 7,11

75 146

Hab 1,2

231

Hab 1,15

135

Zeph 2,2

146

Sach 4,2 Sach 5,4 Sach 8,4 Sach 8,17 Sach 9,17 Mal 1,10 Mal 2,7 Mal 3,20

174 127 159 122 58 48 33 155

Ps 1,3 Ps 4,8

100 234

Anhang: Register

Ps 6,6 Ps 8,4 Ps 8,5 Ps 9,7 Ps 9,16 Ps 9,18 Ps 11,4 Ps 16,5 Ps 16,10 Ps 18,32 Ps 19,2 Ps 19,13 Ps 21,7 Ps 22,30 Ps 25,13 Ps 28,1 Ps 28,9 Ps 30,4 Ps 30,10 Ps 31,16 Ps 33,13f Ps 33,15 Ps 33,16f Ps 34,2 Ps 34,13 Ps 34,17 Ps 35,7f Ps 36,10 Ps 37,16 Ps 41,14 Ps 44,2 Ps 49,2 Ps 49,12 Ps 49,18 Ps 49,20 Ps 55,16 Ps 55,24 Ps 58,9 Ps 62,9 Ps 68,34 Ps 69,23 Ps 71 Ps 73,5 Ps 73,8 Ps 73,26 Ps 74,2 Ps 77,6 Ps 77,12 Ps 78,2 Ps 88,5

129 104 203 116 135 147 48 75 69 73 104 88 83 147 108 147 233 147 129,147,191 120 48 231 133 143 56 122 : 135 71 37,61 233 231 237 237 66 71 147 136 71 143 231 135 159 229, 235 87 75 231 231 231 231 147

Ps 88,12f Ps 88,13 Ps 90,3 Ps 90,5f Ps 90,10 Ps 90,12 Ps 90,15 Ps 91,3 Ps 102,20 Ps 103,14 Ps 103,17f Ps 104,15 Ps 104,27 Ps 104,29f Ps 106,3 Ps 106,43 Ps 106,48 Ps 110,4 Ps 111,10 Ps 112,1 Ps 115,16 Ps 115,17 Ps 119,17 Ps 119,20 Ps 119,25 Ps 119,63 Ps 119,101 Ps 124,7 Ps 127,1 Ps 127, lf Ps 127,3 Ps 128,1 Ps 130,3 Ps 133,1 Ps 133,2 Ps 133,3 Ps 139,6 Ps 139,13 Ps 139,13-16 Ps 139,14 Ps 140,6 Ps 142,6 Ps 143,2 Ps 143,5 Ps 143,7 Ps 144,3 Ps 145,15 Ps 146,4 Hi 1,12

277 129 147 147 167 229, 235 131 110 135 48 147 243 82 231 175 143 88 233 114 244 243 49 129, 147 33 143 33 243 33 135 235 213 132 243 88 58 86 233 169 148 169 196 135 75 88 231 147 203 231 175 110

278 Hi 1,21 Hi 2,10 Hi 3,10 Hi 3,11-26 Hi 3,13 Hi 3,16 Hi 4,14-18 Hi 4,17 Hi 5,3 Hi 5,3-7 Hi 5,6f Hi 5,26 Hi 7,If Hi 7,7 Hi 7,9 Hi 7,17 Hi 8,8 Hi 9,5-10 Hi 9,5-14 Hi 9,20 Hi 9,23 Hi 9,25 Hi 9,29 Hi 10,9 Hi lO.lOf Hi 10,18f Hi 10,20 Hi 10,21 Hi 11,7-9 Hi 11,18 Hi 12,7-13,2 Hi 14,7 Hi 14,7-11 Hi 14,11 Hi 14,12 Hi 14,19 Hi 14,19-21 Hi 15,14 Hi 15,17 Hi 15,32 Hi 17,13 Hi 17,16 Hi 18,5 Hi 18,6 Hi 18,7-10 Hi 18,17 Hi 18,18 Hi 20,3 Hi 20,20 Hi 20,29

Anhang: Register

66, 148 110 71,229,235 71 148 71 148 161,203 136 36 229,235 69 229 56 147 203 41 196, 248 239 106 136 56 57 147 169 71 237 147 169 42, 129 48, 239 42 129 175 148 129 131 203 41 188 147 147 155 175 135 116, 122 147 85 63 76

Hi 21,13 Hi 21,17 Hi 21,23-26 Hi 21,27 Hi 25,4 Hi 26,1-14 Hi 26,14 Hi 27,10 Hi 27,13 Hi 27,16f Hi 28,1-14 Hi 28,18 Hi 28,20-28 Hi 28,28 Hi 30,23 Hi 31,2 Hi 31,8 Hi 31,15 Hi 32,6f Hi 32,11 Hi 32,17 Hi 33,24 Hi 33,25 Hi 33,28 Hi 34,14f Hi 34,32 Hi 35,10 Hi 36,22-33 Hi 36,27f Hi 37,14-23 Hi 37,23f Hi 38,32 Hi 42,17 Prov 1,3 Prov l,5f Prov 1,7 Prov 1,12 Prov 3,7 Prov 3,10 Prov 3,14 Prov 3,15 Prov 5,4 Prov 5,5 Prov 5,10 Prov 5,11 Prov 5,18 Prov 5,18-23 Prov 5,19 Prov 5,23

108 175 72 76 203 239 248 143 41,76 215 48, 239 24 48, 196, 239 244, 248 148 76 68 161 159 27 85 147 158 71 175 73 161 196 200 196 111,244,248 231 69 22 27 244 147 239 63 37 24 112 147 68 112 78 141 143 74

279

Anhang: Register Prov 6,6 Prov 6,6f Prov 6,6-11 Prov 6,11 Prov 6,14 Prov 6,15 Prov 7,6-23 Prov 7,22f Prov 7,26f Prov 7,27 Prov 8,10 Prov 8,11 Prov 8,22f Prov 8,22-31 Prov 8,30 Prov 8,35 Prov 9,10 Prov 9,18 Prov 10,1 Prov 10,2 Prov 10,5 Prov 10,7 Prov 10,16 Prov 10,22 Prov 10,27 Prov 11,4 Prov 11,18 Prov 11,19 Prov 11,24 Prov 12,1 Prov 12,2 Prov 12,9 Prov 12,11 Prov 12,28 Prov 13,1 Prov 13,8 Prov 13,9 Prov 13,14 Prov 13,22 Prov 13,24 Prov 14,4 Prov 14,12 Prov 14,20 Prov 14,23 Prov 14,26f Prov 14,31 Prov 15,6 Prov 15,8 Prov 15,13 Prov 15,16

104 168 36 105 143 136 41 135,136,140 136 147 37 24 231 231 143 141 244 136 3 96, 98, 136 168 122, 132 61 213 243 96, 136 24 98 105 61 141 37 61,63, 168 98 93 93 175 96, 98, 136 215 61 61 95, 136 61 187, 188 243 161 61 48 92 37,243

Prov 15,17 Prov 15,23 Prov 15,24 Prov 15,33 Prov 16,3 Prov 16,5f Prov 16,6 Prov 16,8 Prov 16,9 Prov 16,10 Prov 16,14 Prov 16,16 Prov 16,17 Prov 16,19 Prov 16,24 Prov 16,25 Prov 16,31 Prov 16,32 Prov 16,33 Prov 17,1 Prov 17,5 Prov 17,10 Prov 17,17 Prov 17,19 Prov 18,20 Prov 18,22 Prov 19,1 Prov 19,4 Prov 19,6f Prov 19,18 Prov 19,21 Prov 19,22 Prov 19,23 Prov 20,4 Prov 20,9 Prov 20,20 Prov 20,24 Prov 20,25 Prov 20,29 Prov 21,1 Prov 21,5 Prov 21,6 Prov 21,9 Prov 21,16 Prov 21,17 Prov 21,19 Prov 21,22 Prov 21,23 Prov 21,27 Prov 21,30f

98,

95, 121,

121,

133, 213,

37 217 147, 220 244 121 243 243 37, 61 239, 243 .38 38 37 96, 136 37 155 136 159 37, 95 243 37 161 93 143 61 61 141 37 61 61 42 239, 243 37 69, 243 168 88 175 239, 243 48 159 121 187, 189 57 37 98 61 37 101 121 48 239, 243

280 Prov 21,31 Prov 22,1 Prov 22,2 Prov 22,4 Prov 22,5 Prov 22,17 Prov 22,18 Prov 22,21 Prov 23,14 Prov 23,27 Prov 23,3 lf Prov 23,31-35 Prov 23,32 Prov 24,5 Prov 24,13 Prov 24,20 Prov 24,22 Prov 24,23 Prov 24,30-34 Prov 25,1 Prov 25,4 Prov 25,7 Prov 25,11 Prov 25,16 Prov 25,23 Prov 25,24 Prov 26,1 Prov 26,4f Prov 27,1 Prov 27,5 Prov 27,10 Prov 27,19 Prov 28,6 Prov 28,8 Prov 28,19 Prov 29,16 Prov 29,19 Prov 29,21 Prov 30,2-4 Prov 30,6 Prov 30,10 Prov 30,18f Prov 30,21-23 Prov 30,29-31 Prov 31,7 Prov 31,10-31 Prov 31,21f Prov 31,22 Rut 1,12

Anhang: Register

243 37,91 161 101,243 96, 135, 136 3, 27 32 29 98 140 95 36 112 101 155 95, 175 136 16, 27 36, 168 16 100 37 217 63 167 37 167 166 166,239 37 37 92 37 215 61, 63, 168 61 85 95, 112 239 185,241 36 194,196 36 194 82 141 221 143 42

Rut 3,7

150

Cant 2,3 Cant 2,11-13 Cant 3,11

155 194 82

Koh 1,1 Koh 1,2 Koh 1,3

3, 35 3,4, 11,27,33, 50, 182 4, 42, 53, 62, 79, 156, 184-187, 190-192, 201, 212 Koh 1,4 4, 116, 196,233 Koh 1,4-8 . . . . 36, 193, 197, 221, 248 Koh 1,5 196, 197, 199, 200 Koh 1,5-7 193, 194 Koh 1,6 196, 199, 200 Koh 1,7 63, 195, 197, 200 Koh 1,7a 194-196 Koh 1,8 10,61,105,113,196 Koh 1,9 54, 201 Koh l,9f 185 Koh 1,10 42, 123, 142, 233, 238 Koh l,10f 12,202,241 Koh 1,11 132,208,238 Koh 1,12 4, 5, 24, 205 Koh 1,12-2,11 205 Koh 1,12-2,26 68, 182, 184, 202-205, 217, 247 Koh 1,13 10, 15, 53, 82, 83, 115, 128, 184, 199, 206, 218,228,229,235 Koh 1,13-15 205 Koh 1,14 11,40,53,206,217 Koh 1,15 105,107 Koh 1,15a 53, 106 Koh 1,16 123,204 Koh 1,16-18 205,206 Koh 1,17 10, 206,217 Koh 1,18 199 Koh 2,1 53,56, 108,211,217 Koh 2,lf 205,206 Koh 2,2 42, 43, 93 Koh 2,3 115,218 Koh 2,3b 204, 205, 209 Koh 2,3-11 191,205,207 Koh 2,7 123 Koh 2,8 146, 207 Koh 2,9 123 Koh 2,10 78, 191 Koh 2,11 53, 187, 190, 191, 203,207,217

Anhang: Register Koh 2,12 10, 42, 142 Koh 2,12b 203-205 Koh 2,12-17 204,205,207 Koh 2,13 . . . 11, 40, 42, 187, 189, 204 Koh 2,13f 51,73,238 Koh 2,14 126 Koh 2,14a 52 Koh 2,15 . . . 42, 43, 53, 126, 127, 217 Koh 2,15f 72, 130, 148, 192 Koh 2,16 73, 132, 142,233 Koh 2,17 53, 128,207,217 Koh 2,18 14, 53, 156,207 Koh 2,18f 78, 191, 192 Koh 2,18-21 205,207,208,212 Koh 2,19 42,43,53,217,238 Koh 2,20 53 Koh 2,21 . . . . 42, 53, 62, 76, 156, 206, 207,217 Koh 2,22 42,43, 53, 156,212 Koh 2,22f 66, 192 Koh 2,22-26 62, 156, 210, 212 Koh 2,23 206,212,217 Koh 2,24 . . 40, 53, 56, 74, 77, 79, 120, 139, 156, 185,210,212, 213,215,227,248 Koh 2,24-26 . . 52, 142, 161, 185, 211 Koh 2,24b-26 12,212 Koh 2,25 42,213 Koh 2,26 38, 53, 126, 156, 206, 212,214-217 Koh 3,1 218-220,222-224 Koh 3,1-8 . . . . 36, 108, 134, 184, 206, 229, 231 Koh 3,2 162, 218, 220 Koh 3,2a 222, 223 Koh 3,2-8 218-221 Koh 3,3 220 Koh 3,4 142, 220 Koh 3,5 218-221 Koh 3,6 219,221 Koh 3,7 220,221 Koh 3,8a 53 Koh 3,8b 222, 223 Koh 3,9 . . . 4, 42, 43, 62, 79, 184-187, 190,218,219,224,235 Koh 3,10 . 10, 11, 40, 82, 83, 156, 184, 206, 218, 227-229 Koh 3,10-15 . 12, 52, 74, 83, 156, 184, 186,226,228,229,240 Koh 3,11 . . 1 0 , 7 3 , 1 0 4 , 1 0 9 , 1 1 3 , 1 1 6 ,

281

123, 156, 162, 184, 218, 220, 224, 227-233, 235, 237, 238, 244, 248 Koh 3,12 38, 74, 77, 79 Koh 3,12f . . . 161, 184, 185, 210, 228, 240,241,244 Koh 3,13 53, 56, 79, 108, 120, 139,211,227 Koh 3,14 107,111,185,201,233, 241,242,248 Koh 3,14f 184, 185,228,244 Koh 3,15 54, 142, 185,241 Koh 3,16 . . . . 11, 15, 18,40, 155, 156 Koh 3,16-21 20,175 Koh 3,16-4,3 19 Koh 3,17 20, 35, 160 Koh 3,18 41, 114 Koh 3,18-21 158 Koh 3,19 126,127,187,190 Koh 3,19f 72, 130, 148 Koh 3,19-21 192 Koh 3,20 147 Koh 3,20b 52 Koh 3,21 42,43, 147, 175,238 Koh 3,22 . . . 38, 40, 42, 53, 54, 56, 74, 75, 77, 79, 103, 111, 112, 156,161,210,211,238,248 Koh 4,1 11, 18,40, 118, 130 Koh 4,2 41, 117, 142 Koh 4,2f 71, 72, 130, 192 Koh 4,3 36, 37, 53, 71, 128 Koh 4 , 4 . . 1 1 , 1 4 , 4 0 , 5 3 , 6 2 , 1 5 5 , 1 5 6 Koh 4,5 221 Koh 4,5f 36, 52 Koh 4,6 37 Koh 4,7 40, 118 Koh 4,8 17, 42, 43, 53, 128, 206 Koh 4,9 17,37,53,79,132 Koh 4,11 43 Koh 4,1 l f 52 Koh 4,12 152 Koh 4,13 36,37,52,73 Koh 4,13-16 . . . . 5, 12, 17, 19, 36, 38 Koh 4,15 11,40 Koh 4,16 53, 78, 123 Koh 4,16b 12, 13 Koh 4,17 36-38,48,63,128 Koh 4,17-5,6 . . . 12, 17, 19, 48, 50, 52, 55, 74, 124, 126, 248 Koh 5,1 38,39,48 Koh 5,2 206

282

Anhang: Register

Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh

5,3 38,39,218 5,3f 48 5,4 36, 37 5,5 . 18, 38, 39, 42, 137, 215, 247 5,6 . . 8, 16, 38, 40, 111, 244, 248 5,7 18, 38, 39 5,7f 5, 17, 18, 21 5,8 187, 190 5,9 84, 93 5,9-11 60,61,63,64,72 5,10 4,31,42,43 5,11 84, 155 5,12 . . . 11, 14, 31, 40, 42, 62, 98, 123, 199 Koh 5,12f 36,212 Koh 5,12-16 64-66 Koh 5,13 128,206 Koh 5,14 53, 130, 148, 191 Koh 5,15 . . . 4, 18, 42, 43, 62, 73, 187, 190, 192 Koh 5,16 84, 147,212 Koh 5,17 . . . 40, 53, 56, 75, 77-79, 84, 108,139,146,175,211,227 Koh 5,17f 81,248 Koh 5,17-19 . 19, 67, 74, 82, 103, 161, 210, 241 Koh 5,18 53, 67, 76, 77, 82, 120, 156,227 Koh 5,19 81-84,86, 142,215 Koh 6,1 11, 15,40,42,67 Koh 6,lf 36 Koh 6,1-6 68-71,142 Koh 6,2 53, 63, 67, 68, 82, 84, 128, 206

Koh Koh Koh Koh Koh

6,3 36,37,41,69,70,84 6,3-5 130 6,4 147, 157 6,5 71,96 6,6 . . . . 42, 43, 56, 127, 147, 148, 192, 211 Koh 6,7-9 12,72 Koh 6,8 . . 4, 42, 73, 96, 187, 189, 190 Koh 6,9 37, 52, 53, 62, 86, 248 Koh 6,9b 12, 13 Koh 6,10 . . . 20, 35, 54, 105, 109, 111, 142, 160 Koh 6,11 4, 17, 42, 156, 187, 190, 199 Koh 6,1 lf 7,8, 11,20,21,43 Koh 6,12 8, 17,42, 53, 54, 112 Koh 7,1 36,72,91, 192

Koh 7,1-22 . . 19, 50, 52, 89, 102, 103, 131,154,182,238,246 Koh 7,2 37, 85 Koh 7,2-4 91,92 Koh 7,3 150 Koh 7,5 37 Koh 7,5-7 91,93 Koh 7,7 94, 95 Koh 7,8 91, 192 Koh 7,8-10 95 Koh 7,9 38, 39 Koh 7,9f 38 Koh 7,10 38,39,43,204 Koh 7,11 71, 187, 190 Koh 7,1 lf 73,91,96,98, 192 Koh 7,12 61, 187, 189, 190 Koh 7,13 38,42,53, 104-107 Koh 7,13f 40, 97, 103, 137, 210, 215,223,232,241,248 Koh 7,14 . . 8, 10, 38, 73, 91, 103, 104, 108-112,114,142,156, 161, 162, 238, 242, 248 Koh 7,15 . . . 11, 15, 40, 42, 53, 97, 98, 102, 123, 216, 246 Koh 7,15-17 97-100 Koh 7,16 38,39,43 Koh 7,16f 137,247 Koh 7,17 . . . . 38, 39, 43, 98, 188, 215 Koh 7,18 . . . 9,51,99-101,108,111, 145, 170, 223, 244, 248 Koh 7,19 101 Koh 7,19-22 9, 101, 127 Koh 7,20 101, 156,227 Koh 7,21 38,39 Koh 7,2lf 36, 102 Koh 7,23 15,41 Koh 7,23f 7, 9-11, 19-21 Koh 7,24 8, 10, 42, 43, 54 Koh 7,25 9, 13, 15, 115, 156 Koh 7,25-29 9, 19, 28 Koh 7,26 52, 126, 135, 141, 155, 156,205 Koh 7,26-29 13, 14, 140 Koh 7,27 19 Koh 7,28 156 Koh 7,28b 52 Koh 8,1 42 Koh 8,1-8 19,39 Koh 8,2 38, 114 Koh 8,2-4 5, 38, 39

283

Anhang: Register Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh

Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh

Koh Koh Koh

8,3 38 8,4 14, 43 8,5 218,222 8,6 42, 156,218,222 8,6-8 109,222,248 8,7 . . . 8, 17, 42, 54, 111-113, 238 8,8 . . 14, 130, 156, 160, 191, 192 8,9 . . . . 11, 14, 15, 21, 28, 40, 53, 117, 128 8,10 14, 15, 116, 132, 155, 156,208,237 8,10-15 14, 19 8,1 Of 36 8,11 116, 128 8,12 41 8 , 1 4 . . . 10,41,53,216,217,246 8,15 . . . 8, 38, 53, 74, 75, 79, 103, 139, 146, 156, 161, 175,210,248 8,16 53, 56,206 8,16f 7,9-11, 15, 19-21, 118,248 8,17 . . 8-11, 40, 53, 73, 104, 105, 156, 238 9,1 . . 14-16, 20, 40, 52, 118, 119, 122-125, 156, 191 9,1a 120, 121, 123, 125 9,1b 53,239 9,2 126, 127 9,2f 72, 118, 133, 192 9,3 53, 112, 119, 126, 127 9,3b 20, 35, 127, 160 9,4 42, 72, 77, 128, 131, 237 9,4b 36, 37, 52, 129 9,4-6 125,128,192 9,5 20,130-132,208 9,5f 130, 131, 133, 148 9,6 . . . 53, 77,' 122, 125, 131, 139, 140, 142, 233 9,7 38, 86, 109, 118, 122, 142,215 9,7b 141, 142, 144 9,7-10 . . 19, 36, 40, 54, 108, 118, 131, 137-139, 157, 158, 182,194,210,241 9,8 38, 139, 143 9,9 . . . 38, 53, 56, 75, 77, 79, 131, 139-141, 144, 146, 162, 175,211 9,10 38, 51, 72, 81, 85, 131, 139, 144-146, 148, 173,

223,248 11, 1 5 , 2 0 , 2 8 , 4 0 , 118, 133,135 9,1 l f . . . 109, 111, 118, 133, 134, 145, 156, 192, 213, 223, 248 9,12 20, 111, 118, 128, 130, 133, 134, 136, 156, 238 9,13 15-17,40 9,13-16 5,19,36,103,246 9,13-10,13 . . . 18-20, 50, 51, 118 9,15 156 9,15f 73 9,16 16,37,41 9,16-18 36 9,17 16 9,17f 238 9,18 16, 37 10,1 87 10,1-4 52 10,3 13 10,3b 17 10,4 5, 38, 39 10,5 11, 15,40,42, 199 10,5-7 97 10,6 13, 36 10,8 221 10,8-11 . . . 3 6 , 5 2 , 1 8 8 , 1 8 9 , 2 3 8 10,10 187, 189, 190 10,11 31, 88, 187, 188, 190 10,13 13, 128 10,14 . . . 1 7 , 2 0 , 4 3 , 54, 111, 112, 156, 238 10,14b 17, 109 10,15 20 10,15-20 18, 21 10,16 5, 191 10,19 123 10,20 31, 38 11,1 38, 164-167 11,1-3 248 11,2 . . . . 20, 38, 54, 76, 101, 111, 112, 165-167, 238 11,3 166-168 11,4 154, 168 11,5 . . . 10, 20, 57, 104, 123, 162, 169,238,248 11,5f 109, 113 11,6 . . . . 20, 38, 62, 99, 100, 111, 154,170,171,191,199,238 11,7 . . . 70, 96, 153-156, 160, 171

Koh 9,11 Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh Koh

284

Anhang: Register

Koh 1 l,7f . . . 108, 153, 154, 157, 210 K o h l 1,7-10 18,54,103 Koh 11,7-12,1 145,241 Koh 11,8 54, 85, 123, 147, 155-160,162,173 Koh 11,9 38, 46, 54, 62, 78, 158, 181,245,248 Koh 11,9b 20, 35, 160 Koh ll,9f 40, 82, 140, 153, 154, 159, 160, 176 Koh 11,10 38, 140, 159-162, 173 Koh 12,1 . . . 38, 40, 54, 151, 153, 155, 158-162,172-176,218 Koh 12,2 154, 173-176, 181 Koh 12,3-5 . . . 36, 158, 172, 173, 176, 178,181,182 Koh 12,4 154, 176, 177 Koh 12,5 156, 172, 176, 179, 181, 221,233 Koh 12,6 61, 147, 154, 172, 174-176,181 Koh 12,7 146, 147, 162, 172, 175, 176 Koh 12,7a 52 Koh 12,8 3, 11, 20, 33, 50, 182 Koh 12,9 26, 27, 90, 105 Koh 12,9-11 21-23 Koh 12,10 27,28 Koh 12,11 3,25,30, 33, 34 Koh 12,11b 34, 35 Koh 12,12 156 Koh 12,12-14 20, 21, 35 Koh 12,13 243 Koh 12,14 150

Dan 2,30 Dan 2,37 Dan 2,44 Dan 2,45 Dan 4,14 Dan 11,45 Dan 12,2 Dan 12,7

Thren Thren Thren Thren Thren

I Chr I Chr I Chr I Chr I Chr I Chr

1,7 2,17 3,24 3,28f 3,29

231 231 75 110 42

Est 5,14 Est 8,15

214 143

Dan Dan Dan Dan Dan Dan

198 57 57 49 49 112

1,4 2,8 2,12 2,18 2,19 2,29

Esr Esr Esr Esr Esr Esr Esr Esr Esr Esr Esr Esr Esr Esr

1,2 2,55 2,57 5,7 5,11 5,12 6,2 6,9 6,10 7,12 7,21 7,23 7,27 10,2

Neh 1,4 Neh 1,5 Neh 2,4 Neh 2,5f Neh2,20 Neh 7,5 Neh 7,57 Neh 7,59 Neh 9,5 Neh 11,8 11,12 13,10 16,36 17,14 22,3 29,28

II Chr II Chr II Chr II Chr II Chr II Chr II Chr II Chr

1,12 3,9 6,36 9,23 10,16 15,7 20,27 24,15

Anhang: Register

II Chr 36,23 Tob 3,6 Tob 3,11 Tob 4,6 II Macc II Macc II Macc II Macc

3,4-40 4,27-35 5,11-21 7,22f

Sap 3,1 Sap 4,1 Sir 1,2 Sir 1,13 Sir 1,23 Sir l,26f Sir 2,1 Sir 3,16 Sir 3,17 Sir 3,20-23 Sir 4,1 Sir 4,12 Sir 4,20 Sir 4,23 Sir 5,2 Sir 6,8-10 Sir 6,18 Sir 6,23 Sir 6,32 Sir 6,3 5f Sir 6,36 Sir 7,If Sir 7,9 Sir 7,10 Sir 7,14 Sir 7,15 Sir 7,22 Sir 7,29-31 Sir 7,30 Sir 7,36 Sir 8,1 Sir 8,7 Sir 8,8 Sir 8,18 Sir 9,11 Sir 9,12 Sir 9,13 Sir 10,4f

49 72, 175, 179 72 100 44 44 44 169 119 37 231 92 217 243 46 160 46 169 46 141 46,217 217 150 42 46 46 46 45 104 61 48 48 48 76,229,235 104 75 161 85, 95 38 85 27 166 166 85 135 121

Sir 10,12 Sir 10,28 Sir 10,30 Sir 11,5f Sir 11,10 Sir 11,11 Sir 11,1 If Sir 1 l,12f Sir 11,14 Sir 11,28 Sir 12,13 Sir 13,26 Sir 14,4 Sir 14,11 Sir 14,1 If Sir 14,12 Sir 14,14 Sir 14,16 Sir 14,18 Sir 15,9 Sir 16,3 Sir 16,1 If Sir 16,14 Sir 16,16 Sir 16,24-17,14 Sir 17,27f Sir 18,1-7 Sir 18,6 Sir 18,8 Sir 18,22f Sir 18,25f Sir 18,28f Sir 19,20 Sir 19,24 Sir 20,1 Sir 20,5f Sir 20,6f Sir 20,7 Sir 20,18 Sir 20,19f Sir 20,21-23 Sir 20,25 Sir 20,31 Sir 22,12 Sir 23,11 Sir 23,9-11 Sir 24,9 Sir 24,30-34 Sir 24,32 Sir 24,33f

285 161 46 42 36 46 214 42 214 110 92 188 92 68 46 145 85 108 145 197 76 37 110 100 110 196 129 196 185,241,242 203 48 110 27 243 37 217 42 217 220 37 217 42 37 37 92 48 127 231 22,45 11 26

286 Sir 26,3 Sir 26,29 Sir 27,14 Sir 28,6 Sir 29,12 Sir 29,17 Sir 30,14 Sir 30,14-31,11 Sir 30,17 Sir 30,19 Sir 30,2 lf Sir 30,24 Sir 30,25f Sir 31,1 Sir 31,5 Sir 31,13 Sir 31,20f Sir 31,27 Sir 32,1-13 Sir 32,13 Sir 32,18f Sir 33,1 Sir 33,13 Sir 33,15 Sir 33,16-18 Sir 33,18f Sir 33,19 Sir 34,2lf Sir 35,26 Sir 36,23 Sir 36,26 Sir 36,29 Sir 37,1 Sir 37,7 Sir 37,19-23 Sir 37,22-26 Sir 37,24 Sir 37,26 Sir 37,27 Sir 37,31 Sir 38,1 Sir 38,15 Sir 38,16-23 Sir 38,21 Sir 38,25 Sir 39,1-11 Sir 39,9-11 Sir 39,12 Sir 39,12-35 Sir 39,20

Anhang: Register

141 61 48 95 165 161 37 84 37,72,84 84 84 159 84 63 61, 84 76 63 76,82 141,161 161 243 76 161 104 22,45 26 31 48 167 42 42 141 42 42 42 26, 45 26 132 104 74 76 161 220 129 32 26,27 132 11 196,232 48

Sir 39,21 Sir 39,25 Sir 39,33 Sir 39,33f Sir 39,34 Sir 40,1 Sir 40,28 Sir 41,3 Sir 41,3f Sir 41,4 Sir 41,11 Sir 41,11-13 Sir 41,12 Sir 41,12f Sir 41,15 Sir 42,1-8 Sir 42,14 Sir 42,15 Sir 42,15-43,33 Sir 42,21 Sir 42,25 Sir 43,5 Sir 43,11 Sir 43,27-33 Sir 43,27f Sir 44,1-15 Sir 44,2 Sir 44,4f Sir 44,5 Sir 44,8f Sir 44,13f Sir 45,11 Sir 45,20-22 Sir 46,13 Sir 47,1 Sir 47,8 Sir 47,9 Sir 49,5 Sir 50,27 Sir 50,27f Sir 50,29b Sir 50,9 Sir 51,2 Sir 51,23 Sir 51,29 Sir 51,30 Bar 2,17 Bar 2,17f

231 76 232 231 99 76, 148,229,235 37 85 247 76 122 132 75 91 37 76, 187 37 104 161, 196,232 185,241,242 99 161 161 169 248 41,132 76 26, 27 23 42 132 24 75 161 203 161 24, 27 68 22 22 23 24 23 45 45 132 175 129

287

Anhang: Register 2. Apokryphen, Pseudepigraphen und Qumran III Esr 3,19f Jub 12,27 Jub 22,22 Jub 7,29

82 47 148 148

PsSal 5,4 PsSal 9,5 PsSal 13,11

185,241 132 132

Hen 2,1-5,3 Hen 22 Hen 34-36 Hen 42 Hen 72-82

196 148 197 48 197

IV Esr 7,46 IV Esr 8,33 IV Esr 8,35

88 132 88

VitAd 27

175

1 QS I,3f 1 QS I,9f 1 QS III, 15f 1 QS VI,20 1 QS IX,4f 1 QS IX, 15ff 1 QS IX,21 1 QS IX.23 1 QSX.15 1 QS X,16f 1 QS XI,2 1 QS XI,10f 1 QS XI, 17

122 122 109, 121 65 127 122 122 122 146 121 121 121 73

1 QH 1,21 1 QH 11,15 1 QH 11,18 1 QH 111,20 1 QH IV, 18 1 QH IV,30 1 QH IV,3 If 1 QH VI,6 1 QH VII,28 1 QH VII,32 1 QH IX, 14 1 QH IX,14f 1 QH X,3 1 QH X,26 1 QH XI,7 1 QH XI, 17 1 QH XII, 11 1 QH XIII, 14 1 QH XIV, 1 Of 1 QH XV,13f 1 QH XV,15 1 QH XV, 18f 1 QH XVII,24 1 QM 11,5 1 QM V,6 1 QM V,9 1 QM V,14 1 QM XII, 12f

146 24 24 24 24

4 QQoh* 6,8 4 QQoh" 7,2 4 QQoh' 7,5 4 QQoh* 7,7

94 86 94 87, 94

GenApokr 22,24 CD II, 7f CD 11,15 CD VI,11-13 CD VI,15 CD XI,20f CD XVI,13-16

109 122 127 127 127 127

1 QH I,19f

109

WeishKairGen WeishKairGen WeishKairGen WeishKairGen WeishKairGen WeishKairGen WeishKairGen

40 122 234 40 82 40, 88 121 40 88 203 40 88 203 146 40, 121 40 40 203 122 121 109 122 122

1,3 1,4 1,5 2,11 7,15 9,15 11,18

76 187 187 187 187 187 85 85

288

Anhang: Register

3. Jüdisch-hellenistische und griechische Literatur Aischylos, Frag. 255

71

Aristophanes, Wolken, 1278-1281 . 200 Arist., Eth. Eud. 1215a 26-37 . . . . Arist., Eth. Eud. 1215a-1215b . . . . Arist., Eth. Eud. 1216b 27-34 . . . . Arist., Eth. Nie. 1095a 19-20 Arist., Eth. Nie. 1095b-1096a Arist., Eth. Nie. 1096a 8-14 Arist., Meteor. 345b-346b Arist., Meteor. 346b-347a . . . 197, Arist., Meteor. 349b-350b . . . 197, Arist., Meteor. 359b Arist., Meteor. 360a-361b

209 209 209 209 209 209 197 200 200 200 197

Bakchylides 10,38-53 .

209

Diodor III,12,2-13,3

130

Homer, Od. XI,488-491

129

Josephus, Josephus, Josephus, Josephus,

Ant. XII,5,1 Ant. XV, 10,4 Ant. XVIII,1,5 Bell. 11,8,6

44 127 127 127

Kleanthes, SVF I, fr. 537

106

Lucretius, de rer. nat. 6,608-615 . . 194 Lucretius, de rer. nat. 5,269-272 . . 200 Lucretius, derer, nat. 6,631-638 . . 200 Mimnermos, fr. 1, 2, 5

159

Piaton, Apologia 40cd Platon, Politela 580d - 583e

148 209

PseudPhok 109f PseudPhok 113

66 72

Semonides, fr. 1 Semonides, fr. 3

159 157

Solon, fr. 13,51

209

Empedokles Β 6, 17, 21, 22, 27 . . . 194 Epiktet, Enchiridion 33,5 Euripides, Troad. 606f Euripides, Troad. 634f Euripides, Troad. 683 Hesiod, Hesiod, Hesiod, Hesiod,

Erga, 7 Erga 382-616 Erga 617-693 Erga 764-827

48 71 71, 129 129 106 168 163 168

Sophokles, Oed. Col. 1225ff . . . 71, 72 Sophokles, Trach. 1173 71 Theokrit 4,41

129

4. Desmotische, ägyptische und altonentahsche Literatur Achikar 96-99 Achikar 100-102 Achikar 189 Amenemope 3,13f Amenemope 19,13

38 38 82 32 166

Ani 10,13

105

Cheti, Χ,3

241

Gilgamesch X, Kol. 111,3-13 . 137,145 Der Greis und das junge Mädchen . 180

Anch-Scheschonki 14,9 Anch-Scheschonki 19,10 Anch-Scheschonki 19,13 Anch-Scheschonki 26,2-5

165 38, 164, 165, 170 170 107

KTU 1.14, Kol. II,49f Paplns 7,13-19 Paplns 9,16-20

68 107 107

Anhang: Register Paplns Paplns Paplns Paplns Paplns Paplns

13,20-14,2 17,11-14 . 18,6 19,1-5 20,12-17 . 32,12

107 180 145 107 107 82

Ptahhotep 1-34 Ptahhotep 345 Ptahhotep 608f Sinuhe

JÜRGEN BECKER

Annäherungen Zur urchristlichen Theologiegeschichte und zum Umgang mit ihren Quellen Ausgewählte Aufsätze zum 60. Geburtstag mit einer Bibliographie des Verfassers — herausgegeben von Ulrich Meli Groß-Oktav. X X , 496 Seiten. 1994. Ganzleinen ISBN 3-11-014551-0 (Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft, Band 76) Beiträge zur Theologie und Ethik von Jesus, Paulus und Johannes sowie zur Bedeutung der Bibel in der lutherischen Reformation Aus dem

Inhalt:

Jesus und das Gesetz — Paulusexegese — Johannesexegese — Forschungsberichte zum Johannesevangelium — Zur Schöpfungsund Sühnetheologie im Neuen Testament — Zur Liebesethik — Das Problem der Homosexualität — Die Entstehung des Urchristentums — Zum Schriftgebrauch der Bekenntnisschriften — Luther als Bibelausleger Der Autor ist Ordinarius für Neutestamentliche Wissenschaft und Judaistik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Walter de Gruyter

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