Aschdod und Jerusalem: Eine archäologische und exegetische Untersuchung zu den Beziehungen von südpalästinischer Küstenebene und judäischem Bergland 9783161623325, 9783161625312, 3161623320

Felix Hagemeyer untersucht in dieser Studie am Beispiel von Aschdod und Jerusalem sowie anhand archäologischer Funde, ex

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Aschdod und Jerusalem: Eine archäologische und exegetische Untersuchung zu den Beziehungen von südpalästinischer Küstenebene und judäischem Bergland
 9783161623325, 9783161625312, 3161623320

Table of contents :
Cover
Titel
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Kapitel 1: Aschdod und Jerusalem – eine Einführung
1.1 Ausgangspunkt und Ziel der Untersuchung
1.2 Zum Aufbau der Untersuchung und der verwendeten Chronologie
1.3 Zur archäologischen und landeskundlichen Erforschung der Region Aschdod seit dem 19. Jahrhundert
Kapitel 2: Die Beziehungen Aschdods zu Jerusalem im Spiegel archäologischer Funde und Befunde
2.1 Vorbemerkungen
2.2 Zur Situation in der Mittelbronzezeit IIC
2.2.1 Die Gründungsphase der Siedlung auf dem Tell von Esdud/Aschdod
2.2.2 Zur Situation im Umland von Esdud/Aschdod
2.2.3 Zu den Entwicklungen in der inneren Küstenebene und in der Schefela
2.2.4 Zur Situation Jerusalems und seines Umlands
2.2.5 Zur (Re-)Konstruktion der aschdodisch-judäischen Beziehungen in der Mittelbronzezeit II
2.3 Zur Situation in der Spätbronzezeit I–II
2.3.1 Zur Entwicklung der Siedlung auf dem Tell von Esdud/Aschdod
2.3.2 Zur Situation im Umland von Esdud/Aschdod
2.3.3 Exkurs: Nachrichten über Esdud/Aschdod in den Texten aus Ugarit
2.3.4 Zu den Entwicklungen in der inneren Küstenebene und in der Schefela
2.3.5 Zur Situation Jerusalems und seines Umlands
2.3.6 Exkurs: Zu den Beziehungen von Esdud/Aschdod, Tell e?-?afi/Gat und Jerusalem im Spiegel der Amarna-Korrespondenz
2.3.7 Zur historischen Auswertung und (Re-)Konstruktion der aschdodischjudäischen Beziehungen in der Spätbronzezeit
2.4 Zur Situation in der Eisenzeit I
2.4.1 Zur Entwicklung der Siedlung auf dem Tell von Esdud/Aschdod
2.4.2 Zur Situation im Umland von Esdud/Aschdod
2.4.3 Zu den Entwicklungen in der inneren Küstenebene und in der Schefela
2.4.4 Zur Situation Jerusalems und seines Umlands
2.4.4.1 Zum Siedlungscharakter Jerusalems
2.4.4.2 Das Hinterland Jerusalems
2.4.5 Zur historischen Auswertung und (Re-)Konstruktion der aschdodischjudäischen Beziehungen in der Eisenzeit I
2.5 Zur Situation in der Eisenzeit IIA
2.5.1 Zur Entwicklung der Siedlung auf dem Tell von Esdud/Aschdod
2.5.2 Zur Situation im Umland von Esdud/Aschdod
2.5.3 Zu den Entwicklungen in der inneren Küstenebene und in der Schefela
2.5.4 Zur Situation Jerusalems und seines Umlands
2.5.4.1 Zum Siedlungscharakter Jerusalems
2.5.4.2 Das Hinterland Jerusalems
2.5.5 Zur historischen Auswertung und (Re-)Konstruktion der aschdodischjudäischen Beziehungen in der Eisenzeit IIA
2.6 Zur Situation in der Eisenzeit IIB
2.6.1 Zur Entwicklung der Siedlung auf dem Tell von Esdud/Aschdod
2.6.2 Exkurs: Neuassyrische Nachrichten über Esdud/Aschdod aus der Zeit des Tiglat-Pileser III. (745–727 v.Chr.)
2.6.3 Exkurs: Zur Frage der Zerstörung von Esdud/Aschdod im Jahr 711 v.Chr
2.6.4 Zur Situation im Umland von Esdud/Aschdod
2.6.5 Zu den Entwicklungen in der inneren Küstenebene und in der Schefela
2.6.6 Zur Situation Jerusalems und seines Umlands
2.6.6.1 Zum Siedlungscharakter Jerusalems
2.6.6.2 Das Hinterland Jerusalems
2.6.7 Zur historischen Auswertung und (Re-)Konstruktion der aschdodischjudäischen Beziehungen in der Eisenzeit IIB
2.7 Zur Situation in der Eisenzeit IIC
2.7.1 Zur Entwicklung der Siedlung auf dem Tell von Esdud/Aschdod
2.7.2 Exkurs: Neuassyrische Nachrichten über Esdud/Aschdod aus dem 7. Jahrhundert v.Chr
2.7.3 Exkurs: Zu Herodots Bericht über die Eroberung von Esdud/Aschdod durch Psammetich I
2.7.4 Zur Situation im Umland von Esdud/Aschdod
2.7.5 Zu den Entwicklungen in der inneren Küstenebene und in der Schefela
2.7.6 Zur Situation Jerusalems und seines Umlands
2.7.6.1 Zum Siedlungscharakter Jerusalems
2.7.6.2 Das Hinterland Jerusalems
2.7.7 Zur historischen Auswertung und (Re-)Konstruktion der aschdodischjudäischen Beziehungen in der Eisenzeit IIC
2.8 Zur Situation in der Eisenzeit III/Achämenidenzeit und der frühen hellenistischen Epoche
2.8.1 Zur Entwicklung der Siedlung auf dem Tell von Esdud/Aschdod
2.8.2 Zur Situation im Umland von Esdud/Aschdod
2.8.3 Zu den Entwicklungen in der inneren Küstenebene und in der Schefela
2.8.4 Zur Situation Jerusalems und seines Umlands
2.8.4.1 Zum Siedlungscharakter Jerusalems
2.8.4.2 Das Hinterland Jerusalems
2.8.5 Zur historischen Auswertung und (Re-)Konstruktion der aschdodischjudäischen Beziehungen in der Achämenidenzeit und der frühen hellenistischen Epoche
2.9 Resümee: Zur Entwicklung der Beziehungen Aschdods zu Jerusalem im Spiegel archäologischer Funde und Befunde
Kapitel 3: Die judäischen Aschdod-Diskurse im Spiegel der Literatur des Alten Testaments
3.1 Vorbemerkungen
3.2 Aschdod und die Küstenebene in der Landnahmeerzählung der Bücher Josua und Richter
3.2.1 Aschdod als Siedlungsstätte der Enakiter (Jos 11,21–22)
3.2.1.1 Zur Textbeobachtung
3.2.1.2 Zur Textdatierung, Textintention und historischen Auswertung
3.2.2 Der Auftrag zur Eroberung Aschdods und der Küste (Jos 13,2–6)
3.2.2.1 Zur Textbeobachtung
3.2.2.2 Zur Textdatierung, Textintention und historischen Auswertung
3.2.3 Der Erbbesitz des Stammes Juda am Mittelmeer (Jos 15,45–47)
3.2.3.1 Zur Textbeobachtung
3.2.3.2 Zur Textdatierung, Textintention und historischen Auswertung
3.2.4 Die Nichteroberung von Azotus durch den Stamm Juda (Ri 1,18–19 G)
3.2.4.1 Zur Textbeobachtung
3.2.4.2 Zur Textdatierung, Textintention und historischen Auswertung
3.3 Aschdod und die Küstenebene im Spiegel der Ladeerzählung(en) der Samuelbücher
3.3.1 Hinführung und Textabgrenzung
3.3.2 Zur Textbeobachtung
3.3.2.1 1 Sam 5,1–12
3.3.2.2 1 Sam 6,1–18
3.3.3 Zur Textdatierung, Textintention und historischen Auswertung
3.3.3.1 Der Aufenthalt der Lade im Dagon-Tempel von Aschdod (1 Sam 5,2–5.7bß)
3.3.3.2 Die Reise der Lade von Aschdod am Mittelmeer in das judäische Bergland (1 Sam 5,1.6–7ba.8–12; 6,1–4.6–11a.12–16)
3.4 Der Aufstand des Jaman von Aschdod als Warnung für Jerusalem? Die anti-assyrische Politik Aschdods im Spiegel von Jesaja 20
3.4.1 Zur Textbeobachtung
3.4.2 Zur Textdatierung, Textintention und historischen Auswertung
3.4.3 Exkurs: Neuassyrische Nachrichten über den Feldzug des Sargon II. gegen Jaman von Aschdod
3.4.4 Exkurs: Zum Verhältnis von Jes 20* zu den Einheiten Jes 30,1–5* und Jes 31,1–3* des Assur-Zyklus
3.5 „Nimm diesen Becher Zorneswein!“ Aschdod und die Küste in Jeremia 25,15–26
3.5.1 Zur Textbeobachtung
3.5.2 Zur Textdatierung, Textintention und historischen Auswertung
3.5.3 Exkurs: Zu Prisma ES 7834
3.6 Aschdod und Samaria? Aschdod und die Küste im Buch Amos
3.6.1 Die südwestpalästinische Küste und das Gerichtshandeln Jahwes (Am 1,6–8)
3.6.1.1 Zur Textbeobachtung
3.6.1.2 Zur Textdatierung, Textintention und historischen Auswertung
3.6.2 Aschdod und Ägypten als Zeugen gegen Samaria (Am 3,9–11)
3.6.2.1 Zur Textbeobachtung
3.6.2.2 Zur Textdatierung, Textintention und historischen Auswertung
3.7 „Wehe den Bewohnern der Küstengegend!“ Aschdod und das Fremdvölkerorakel von Zefanja 2,4–7
3.7.1 Zur Textbeobachtung
3.7.2 Zur Textdatierung, Textintention und historischen Auswertung
3.8 „Aber in Aschdod wird ein Mamzer wohnen.“ Ein Szenario der Melange von Bergland und Küste in Sacharja 9,5–7
3.8.1 Zur Textbeobachtung
3.8.2 Zur Textdatierung, Textintention und historischen Auswertung
3.9 Aschdod und die Küstenebene im Buch Nehemia
3.9.1 Jerusalems Bedrohung durch Aschdod beim Wiederaufbau der Stadtmauer (Neh 4,1–3)
3.9.1.1 Zur Textbeobachtung
3.9.1.2 Zur Textdatierung, Textintention und historischen Auswertung
3.9.2 „Und die Hälfte ihrer Kinder sprach aschdodisch.“ Aschdods Einfluss auf Jerusalem in der späten Achämenidenzeit (Neh 13,23–27)
3.9.2.1 Zur Textbeobachtung
3.9.2.2 Zur Textdatierung, Textintention und historischen Auswertung
3.10 Der Feldzug des Usija gegen Aschdod nach 2 Chronik 26,6–8
3.10.1 Zur Textbeobachtung
3.10.2 Zur Textdatierung, Textintention und historischen Auswertung
3.11 Resümee I: Zur diachronen Entstehung der Aschdod-Textbelege im alttestamentlichen Kanon
3.12 Resümee II: Zur (Re-)Konstruktion der Aschdod-Diskurse im Alten Testament
Kapitel 4: Zusammenfassung und Ergebnis
Kapitel 5: Schlussreflexion und Ausblick
Appendizes
Appendix I: Stratigrafische Übersicht über die Fundplätze der Region Aschdod
Appendix II: Katalog epigrafischer Funde aus der Region Aschdod
Appendix III: Übersetzungen der exegetisierten Texte des Alten Testaments
Literaturverzeichnis
Textausgaben, Wörterbücher und Hilfsmittel
Sekundärliteratur
Register
Stellenregister
Personen- und Figurenregister
Ortsregister
Sachregister

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Orientalische Religionen in der Antike Ägypten, Israel, Alter Orient

Oriental Religions in Antiquity Egypt, Israel, Ancient Near East

(ORA) Herausgegeben von / Edited by Angelika Berlejung (Leipzig) Nils P. Heeßel (Marburg) Joachim Friedrich Quack (Heidelberg) Beirat / Advisory Board Uri Gabbay (Jerusalem) Michael Blömer (Aarhus) Christopher Rollston (Washington, D.C.) Rita Lucarelli (Berkeley)

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Felix Hagemeyer

Aschdod und Jerusalem Eine archäologische und exegetische Untersuchung zu den Beziehungen von südpalästinischer Küstenebene und judäischem Bergland

Mohr Siebeck

Felix Hagemeyer, geboren 1987; Studium der Ev. Theologie; Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Geschichte und Religionsgeschichte Israels und seiner Umwelt der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig; 2022 Promotion; Masterstudium der Archäologie der Alten Welt. orcid.org/0000-0001-9711-1556

Zugleich Dissertation, Universität Leipzig, 2022. ISBN 978-3-16-162332-5/ eISBN 978-3-16-162531-2 DOI 10.1628/978-3-16-162531-2 ISSN 1869-0513 / eISSN 2568-7492 (Orientalische Religionen in der Antike) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über https://dnb.de abrufbar. © 2023 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden. Printed in Germany.

Für Dan und meine Eltern

Vorwort Mein Interesse an der Küstenebene Israels/Palästinas wurde im Sommer 2015 geweckt, als ich in den letzten Monaten meines Studiums der Evangelischen Theologie bei der Ausgrabung in Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam, dem eisenzeitlichen Hafen von Aschdod, als Volontär mitarbeitete. Dort entdeckte ich meine Leidenschaft für die Archäologie der Levante beziehungsweise die Biblische Archäologie und entwickelte die Idee, die Beziehungen der Küstenebene zu Jerusalem und Juda in der Antike zu erforschen. Die vorliegende Studie ist das Ergebnis eines interdisziplinären Promotionsvorhabens, welches die vielschichtigen Verknüpfungen zweier sehr unterschiedlicher Kulturlandschaften nicht nur archäologisch rekonstruiert, sondern darüber hinaus die Spuren des komplexen Verhältnisses von Aschdod und Jerusalem in der Hebräischen Bibel untersucht. Dabei war es mir ein besonderes Anliegen, Archäologie und historisch-kritische Exegese in einen fruchtbaren Dialog treten zu lassen, um die soziohistorischen und religionsgeschichtlichen Entwicklungen im südlichen Palästina präzise nachzeichnen zu können. Die Arbeit wurde im Sommersemester 2022 von der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig als Promotionsleistung angenommen und zu Beginn des Wintersemesters 2022/23 erfolgreich verteidigt. Meiner Betreuerin, Prof. Dr. Angelika Berlejung, bin ich ganz besonders dankbar für ihre Unterstützung beim Verfassen der Dissertation und für meine Anstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Geschichte und Religionsgeschichte Israels und seiner Umwelt. Nicht nur ermöglichte sie mir die Teilnahme an mehreren Ausgrabungen in Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam, sondern ließ mir auch den Freiraum für eigene Drittmittelprojekte und ein promotionsbegleitendes Studium der Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie. Sehr herzlich möchte ich mich auch bei Prof. Dr. Dr. h.c. Manfred Oeming für die Unterstützung meines Projekts und die Übernahme des Zweitgutachtens bedanken. Zudem eröffnete er mir im Jahr 2018 die Möglichkeit, bei seiner Ausgrabung in Tell Zakarīye/Aseka mitzuarbeiten. Darüber hinaus konnte ich meine Thesen in der Alttestamentlichen Sozietät der Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg vorstellen. Prof. Dr. Alexander Fantalkin bin ich für die freundliche Aufnahme in das Team des Ashdod-Yam Archaeological Project in der Zeit von 2015–2019 zu Dank verpflichtet. Mit Prof. Dr. Gunnar Lehmann konnte ich wichtige inhaltliche Fragen diskutieren. Weiterhin möchte ich dem Vorstand des Deutschen Vereins zur Erforschung Palästinas (DPV e.V.) und insbesondere dem Vorstandsvorsitzenden, Prof. Dr. Jens Kamlah, für die Gewährung eines Lehrkursstipendiums (2015) sowie von Forschungsgeldern für fotogrammetrische Messungen in Aschdod-Yam (2019) herzlich danken.

VIII

Vorwort

Besonders zu danken ist auch meinen Kolleginnen und Kollegen am Institut für Alttestamentliche Wissenschaft. Johannes Seidel, Laura Gonnermann, Tilmann Gaitzsch, Anja Marschall, Juliane Stein und Jan-Hendryk Münchow haben mit mir manche spannende Frage diskutiert und mir wichtige Hinweise gegeben, aber auch die umfangreiche Aufgabe des Korrekturlesens übernommen. Weiterhin möchte ich allen Personen danksagen, die mir die kostenfreie Reproduktion von Abbildungen gestattet haben. Prof. Dr. Angelika Berlejung, Prof. Dr. Nils P. Heeßel und Prof. Dr. Joachim F. Quack sei herzlich für die Aufnahme meiner Arbeit in die Reihe „Orientalische Religionen in der Antike (ORA)“ und für konstruktive Hinweise gedankt. Elena Müller danke ich für die Aufnahme der Studie in das Programm des Mohr Siebeck Verlags und dem Verlagsteam, namentlich Betina Burkhart, Corinna Käb und Rebekka Zech für die professionelle Betreuung bei der Erstellung der Druckvorlage. Schließlich möchte ich noch meinen Eltern, Kerstin und Peter Hagemeyer, und meiner Frau Daniela für die Begleitung und vielfältige Unterstützung in all den Jahren danken, in denen ich gedanklich und leibhaftig auf den Tells in den Gebieten von Aschdod und Jerusalem geweilt habe.

Felix Hagemeyer Leipzig, im Dezember 2022

Inhaltsverzeichnis Vorwort ................................................................................................................... VII Abkürzungsverzeichnis ...........................................................................................XIV Abbildungsverzeichnis ............................................................................................XVI Tabellenverzeichnis .............................................................................................. XVII

Kapitel 1: Aschdod und Jerusalem – eine Einführung ................................. 1 1.1 Ausgangspunkt und Ziel der Untersuchung ........................................................... 1 1.2 Zum Aufbau der Untersuchung und der verwendeten Chronologie ....................... 4 1.3 Zur archäologischen und landeskundlichen Erforschung der Region Aschdod seit dem 19. Jahrhundert ....................................................................................... 5

Kapitel 2: Die Beziehungen Aschdods zu Jerusalem im Spiegel archäologischer Funde und Befunde ................................................................ 9 2.1 Vorbemerkungen................................................................................................... 9 2.2 Zur Situation in der Mittelbronzezeit IIC .............................................................12 2.2.1 Die Gründungsphase der Siedlung auf dem Tell von Esdūd/Aschdod ..........12 2.2.2 Zur Situation im Umland von Esdūd/Aschdod ............................................15 2.2.3 Zu den Entwicklungen in der inneren Küstenebene und in der Schefela ......16 2.2.4 Zur Situation Jerusalems und seines Umlands .............................................18 2.2.5 Zur (Re-)Konstruktion der aschdodisch-judäischen Beziehungen in der Mittelbronzezeit II.............................................................................20 2.3 Zur Situation in der Spätbronzezeit I–II ...............................................................21 2.3.1 Zur Entwicklung der Siedlung auf dem Tell von Esdūd/Aschdod ................21 2.3.2 Zur Situation im Umland von Esdūd/Aschdod ............................................26 2.3.3 Exkurs: Nachrichten über Esdūd/Aschdod in den Texten aus Ugarit ...........29 2.3.4 Zu den Entwicklungen in der inneren Küstenebene und in der Schefela ......32 2.3.5 Zur Situation Jerusalems und seines Umlands .............................................35 2.3.6 Exkurs: Zu den Beziehungen von Esdūd/Aschdod, Tell eṣ-Ṣāfī/Gat und Jerusalem im Spiegel der Amarna-Korrespondenz ...............................37 2.3.7 Zur historischen Auswertung und (Re-)Konstruktion der aschdodischjudäischen Beziehungen in der Spätbronzezeit ............................................41

X

Inhaltsverzeichnis

2.4 Zur Situation in der Eisenzeit I.............................................................................43 2.4.1 Zur Entwicklung der Siedlung auf dem Tell von Esdūd/Aschdod ................43 2.4.2 Zur Situation im Umland von Esdūd/Aschdod ............................................47 2.4.3 Zu den Entwicklungen in der inneren Küstenebene und in der Schefela ......48 2.4.4 Zur Situation Jerusalems und seines Umlands .............................................52 2.4.4.1 Zum Siedlungscharakter Jerusalems ................................................52 2.4.4.2 Das Hinterland Jerusalems ...............................................................54 2.4.5 Zur historischen Auswertung und (Re-)Konstruktion der aschdodischjudäischen Beziehungen in der Eisenzeit I...................................................55 2.5 Zur Situation in der Eisenzeit IIA.........................................................................57 2.5.1 Zur Entwicklung der Siedlung auf dem Tell von Esdūd/Aschdod ................57 2.5.2 Zur Situation im Umland von Esdūd/Aschdod ............................................62 2.5.3 Zu den Entwicklungen in der inneren Küstenebene und in der Schefela ......63 2.5.4 Zur Situation Jerusalems und seines Umlands .............................................66 2.5.4.1 Zum Siedlungscharakter Jerusalems ................................................66 2.5.4.2 Das Hinterland Jerusalems ...............................................................68 2.5.5 Zur historischen Auswertung und (Re-)Konstruktion der aschdodischjudäischen Beziehungen in der Eisenzeit IIA ..............................................69 2.6 Zur Situation in der Eisenzeit IIB .........................................................................74 2.6.1 Zur Entwicklung der Siedlung auf dem Tell von Esdūd/Aschdod ................74 2.6.2 Exkurs: Neuassyrische Nachrichten über Esdūd/Aschdod aus der Zeit des Tiglat-Pileser III. (745–727 v.Chr.) ...............................................78 2.6.3 Exkurs: Zur Frage der Zerstörung von Esdūd/Aschdod im Jahr 711 v.Chr. ...................................................................................................81 2.6.4 Zur Situation im Umland von Esdūd/Aschdod ............................................84 2.6.5 Zu den Entwicklungen in der inneren Küstenebene und in der Schefela ......86 2.6.6 Zur Situation Jerusalems und seines Umlands .............................................89 2.6.6.1 Zum Siedlungscharakter Jerusalems ................................................89 2.6.6.2 Das Hinterland Jerusalems ...............................................................93 2.6.7 Zur historischen Auswertung und (Re-)Konstruktion der aschdodischjudäischen Beziehungen in der Eisenzeit IIB ...............................................95 2.7 Zur Situation in der Eisenzeit IIC .........................................................................99 2.7.1 Zur Entwicklung der Siedlung auf dem Tell von Esdūd/Aschdod ................99 2.7.2 Exkurs: Neuassyrische Nachrichten über Esdūd/Aschdod aus dem 7. Jahrhundert v.Chr. .................................................................................104 2.7.3 Exkurs: Zu Herodots Bericht über die Eroberung von Esdūd/Aschdod durch Psammetich I. ..................................................................................109 2.7.4 Zur Situation im Umland von Esdūd/Aschdod ..........................................110 2.7.5 Zu den Entwicklungen in der inneren Küstenebene und in der Schefela ....113 2.7.6 Zur Situation Jerusalems und seines Umlands ...........................................117 2.7.6.1 Zum Siedlungscharakter Jerusalems ..............................................117 2.7.6.2 Das Hinterland Jerusalems .............................................................120 2.7.7 Zur historischen Auswertung und (Re-)Konstruktion der aschdodischjudäischen Beziehungen in der Eisenzeit IIC .............................................122

Inhaltsverzeichnis

XI

2.8 Zur Situation in der Eisenzeit III/Achämenidenzeit und der frühen hellenistischen Epoche .......................................................................................128 2.8.1 Zur Entwicklung der Siedlung auf dem Tell von Esdūd/Aschdod ..............128 2.8.2 Zur Situation im Umland von Esdūd/Aschdod ..........................................132 2.8.3 Zu den Entwicklungen in der inneren Küstenebene und in der Schefela ....134 2.8.4 Zur Situation Jerusalems und seines Umlands ...........................................135 2.8.4.1 Zum Siedlungscharakter Jerusalems ..............................................135 2.8.4.2 Das Hinterland Jerusalems .............................................................139 2.8.5 Zur historischen Auswertung und (Re-)Konstruktion der aschdodischjudäischen Beziehungen in der Achämenidenzeit und der frühen hellenistischen Epoche ..............................................................................140 2.9 Resümee: Zur Entwicklung der Beziehungen Aschdods zu Jerusalem im Spiegel archäologischer Funde und Befunde .................................................143

Kapitel 3: Die judäischen Aschdod-Diskurse im Spiegel der Literatur des Alten Testaments .......................................................................151 3.1 Vorbemerkungen................................................................................................151 3.2 Aschdod und die Küstenebene in der Landnahmeerzählung der Bücher Josua und Richter ...............................................................................................152 3.2.1 Aschdod als Siedlungsstätte der Enakiter (Jos 11,21–22) ..........................152 3.2.1.1 Zur Textbeobachtung .....................................................................152 3.2.1.2 Zur Textdatierung, Textintention und historischen Auswertung .....153 3.2.2 Der Auftrag zur Eroberung Aschdods und der Küste (Jos 13,2–6).............156 3.2.2.1 Zur Textbeobachtung .....................................................................156 3.2.2.2 Zur Textdatierung, Textintention und historischen Auswertung .....159 3.2.3 Der Erbbesitz des Stammes Juda am Mittelmeer (Jos 15,45–47) ...............161 3.2.3.1 Zur Textbeobachtung .....................................................................161 3.2.3.2 Zur Textdatierung, Textintention und historischen Auswertung .....163 3.2.4 Die Nichteroberung von Azotus durch den Stamm Juda (Ri 1,18–19 G) ....166 3.2.4.1 Zur Textbeobachtung .....................................................................166 3.2.4.2 Zur Textdatierung, Textintention und historischen Auswertung .....169 3.3 Aschdod und die Küstenebene im Spiegel der Ladeerzählung(en) der Samuelbücher ..............................................................................................172 3.3.1 Hinführung und Textabgrenzung ...............................................................172 3.3.2 Zur Textbeobachtung ................................................................................176 3.3.2.1 1 Sam 5,1–12 .................................................................................176 3.3.2.2 1 Sam 6,1–18 .................................................................................182 3.3.3 Zur Textdatierung, Textintention und historischen Auswertung ................186 3.3.3.1 Der Aufenthalt der Lade im Dagon-Tempel von Aschdod (1 Sam 5,2–5.7bβ) .....................................................................................186 3.3.3.2 Die Reise der Lade von Aschdod am Mittelmeer in das judäische Bergland (1 Sam 5,1.6–7bα.8–12; 6,1–4.6–11a.12–16)..............188

XII

Inhaltsverzeichnis

3.4 Der Aufstand des Jamān von Aschdod als Warnung für Jerusalem? Die anti-assyrische Politik Aschdods im Spiegel von Jesaja 20 ..........................191 3.4.1 Zur Textbeobachtung ................................................................................191 3.4.2 Zur Textdatierung, Textintention und historischen Auswertung ................198 3.4.3 Exkurs: Neuassyrische Nachrichten über den Feldzug des Sargon II. gegen Jamān von Aschdod ........................................................................202 3.4.4 Exkurs: Zum Verhältnis von Jes 20* zu den Einheiten Jes 30,1–5* und Jes 31,1–3* des Assur-Zyklus ............................................................208 3.5 „Nimm diesen Becher Zorneswein!“ Aschdod und die Küste in Jeremia 25,15–26 ...............................................................................................211 3.5.1 Zur Textbeobachtung ................................................................................211 3.5.2 Zur Textdatierung, Textintention und historischen Auswertung ................215 3.5.3 Exkurs: Zu Prisma EŞ 7834.......................................................................218 3.6 Aschdod und Samaria? Aschdod und die Küste im Buch Amos .........................220 3.6.1 Die südwestpalästinische Küste und das Gerichtshandeln Jahwes (Am 1,6–8) ................................................................................................220 3.6.1.1 Zur Textbeobachtung .....................................................................220 3.6.1.2 Zur Textdatierung, Textintention und historischen Auswertung .....223 3.6.2 Aschdod und Ägypten als Zeugen gegen Samaria (Am 3,9–11) ................225 3.6.2.1 Zur Textbeobachtung .....................................................................225 3.6.2.2 Zur Textdatierung, Textintention und historischen Auswertung .....229 3.7 „Wehe den Bewohnern der Küstengegend!“ Aschdod und das Fremdvölkerorakel von Zefanja 2,4–7................................................................231 3.7.1 Zur Textbeobachtung ................................................................................231 3.7.2 Zur Textdatierung, Textintention und historischen Auswertung ................236 3.8 „Aber in Aschdod wird ein Mamzer wohnen.“ Ein Szenario der Melange von Bergland und Küste in Sacharja 9,5–7 .........................................................239 3.8.1 Zur Textbeobachtung ................................................................................239 3.8.2 Zur Textdatierung, Textintention und historischen Auswertung ................244 3.9 Aschdod und die Küstenebene im Buch Nehemia ..............................................248 3.9.1 Jerusalems Bedrohung durch Aschdod beim Wiederaufbau der Stadtmauer (Neh 4,1–3).............................................................................248 3.9.1.1 Zur Textbeobachtung .....................................................................248 3.9.1.2 Zur Textdatierung, Textintention und historischen Auswertung .....250 3.9.2 „Und die Hälfte ihrer Kinder sprach aschdodisch.“ Aschdods Einfluss auf Jerusalem in der späten Achämenidenzeit (Neh 13,23–27) ........................252 3.9.2.1 Zur Textbeobachtung .....................................................................252 3.9.2.2 Zur Textdatierung, Textintention und historischen Auswertung .....255 3.10 Der Feldzug des Usija gegen Aschdod nach 2 Chronik 26,6–8 .........................261 3.10.1 Zur Textbeobachtung ......................................................................261 3.10.2 Zur Textdatierung, Textintention und historischen Auswertung ......264 3.11 Resümee I: Zur diachronen Entstehung der Aschdod-Textbelege im alttestamentlichen Kanon .................................................................................268 3.12 Resümee II: Zur (Re-)Konstruktion der Aschdod-Diskurse im Alten Testament ...............................................................................................270

Inhaltsverzeichnis

XIII

Kapitel 4: Zusammenfassung und Ergebnis ................................................279 Kapitel 5: Schlussreflexion und Ausblick ....................................................287 Appendizes...........................................................................................................293 Appendix I: Stratigrafische Übersicht über die Fundplätze der Region Aschdod......293 Appendix II: Katalog epigrafischer Funde aus der Region Aschdod ........................297 Appendix III: Übersetzungen der exegetisierten Texte des Alten Testaments ..........305

Literaturverzeichnis ...........................................................................................319 Textausgaben, Wörterbücher und Hilfsmittel ...........................................................319 Sekundärliteratur .....................................................................................................320

Register .................................................................................................................377 Stellenregister ..........................................................................................................377 Personen- und Figurenregister .................................................................................386 Ortsregister ..............................................................................................................388 Sachregister .............................................................................................................392

Abkürzungsverzeichnis Die verwendeten Abkürzungen richten sich nach COLLINS, B.J./BULLER, B./KUTSKO, J.F. (Hg.) (22014), The SBL Handbook of Style. For Biblical Studies and Related Disciplines, Atlanta sowie nach dem Abkürzungsverzeichnis des Reallexikons der Assyriologie und Vorderasiatischen Archäologie (RlA), https://rla.badw.de/fileadmin/user_upload/Files/RLA/03_Abkverz_Ende_Nov2018.pdf. Darüber hinaus werden folgende Abkürzungen verwendet: ABG ATDEr ATS AUIAMS AWE AYB BE BThSt CAENL CThMBW DEI ELO ESI FTS Gesenius18 HA HA-ESI HBSt HeSeD HGANT IAA Reports IEKAT JAJSup JHS JSJSup KAANT KAHAL LAOS LPTB NSGBA OLB PLOS

Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte Das Alte Testament Deutsch, Ergänzungsreihe Arbeiten zu Text und Sprache im Alten Testament Ariel University, Institute of Archaeology, Monograph Series Ancient West & East The Anchor Yale Bible Biblische Enzyklopädie Biblisch-Theologische Studien Contributions to the Archaeology of Egypt, Nubia and the Levant Calwer Theologische Monographien, Reihe A: Bibelwissenschaft Deutsches Evangelisches Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes Elementa Linguarum Orientis Excavations and Surveys in Israel Freiburger theologische Studien GESENIUS, W./DONNER, H. (Hg.) (182013), Hebräisches und Aramäisches Handwörterbuch über das Alte Testament, Berlin/Heidelberg Hadashot Arkheologiyot Hadashot Arkheologiyot. Excavations and Surveys in Israel Herders biblische Studien Hebraica et Semitica Didactica BERLEJUNG, A./FREVEL, C. (Hg.) (42015), Handbuch theologischer Grundbegriffe zum Alten und Neuen Testament, Darmstadt Israel Antiquities Authority Reports Internationaler Exegetischer Kommentar zum Alten Testament Journal of Ancient Judaism, Supplements Journal of Hebrew Scriptures Journal for the Study of Judaism, Supplement Series Kleine Arbeiten zum Alten und Neuen Testament DIETRICH, W./ARNET, S. (Hg.) (2013), Konzise und aktualisierte Ausgabe des Hebräischen und Aramäischen Lexikons zum Alten Testament, Leiden/Boston Leipziger Altorientalische Studien Linzer philosophisch-theologische Beiträge The Nelson Glueck School of Biblical Archaeology Orte und Landschaften der Bibel Public Library of Science

Abkürzungsverzeichnis PNAS RIAB RINAP 5/1

SAHL Skyllis VWGTh WUB TAO TFS UTB

XV

Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America Research on Israel and Aram in Biblical Times NOVOTNY, J./JEFFERS, J. (2018), The Royal Inscriptions of Ashurbanipal (668– 631 BC), Aššur-etel-ilāni (630–627 BC), and Sîn-šarra-iškun (626–612 BC), Kings of Assyria, Bd. 1, University Park Studies in the Archaeology and History of the Levant Skyllis. Zeitschrift für maritime und limnische Archäologie und Kulturgeschichte Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie Welt und Umwelt der Bibel PORTEN, B./YARDENI, A. (2014–2016), Textbook of Aramaic Ostraca from Idumea, Bd. 1–2, Winona Lake DALLEY, S./POSTGATE, J.N. (1984), The Tablets from Fort Shalmaneser (CTN 3), Oxford Uni-Taschenbücher

Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Karte des südlichen Israel/Palästina (© Gunnar Lehmann). Abb. 2: Späte Philisterkeramik (Aschdod Ware/Late Philistine Decorated Ware) aus Tell eṣ-Ṣāfī/Gat (© Aren M. Maeir). Abb. 3: Plan des Tells von Esdūd/Aschdod mit Lage der Grabungsareale (© David Ben-Shlomo). Abb. 4a: Der sogenannte „Musikantenständer“ aus Esdūd/Aschdod (© David Ben-Shlomo). Abb. 4b: Umzeichnung und Details des „Musikantenständers“ (© David Ben-Shlomo). Abb. 5: Anthropomorphe Figurinenköpfchen aus Tel Moẓa/Moza (© David Ben-Shlomo). Abb. 6: Plan Jerusalems mit dem Verlauf der Eisen-IIB–C-zeitlichen Stadtmauer und Lage der wichtigsten Grabungsareale (© Noa Evron, Itamar Ben-Ezra und Nitsan Shalom). Abb. 7: Palästina in der Achämenidenzeit (© Manfred Oeming; Zeichnung: Benjamin Sitzmann).

Tabellenverzeichnis Tab. 1: Entwicklung des Siedlungswachstums (in Hektar) von Jerusalem und Esdūd/Aschdod. Tab. 2: Archäologisch nachweisbare Interaktionen zwischen Aschdod und Jerusalem. Tab. 3: Übersicht über die zwischen Aschdod und Juda gehandelten Waren und Güter sowie archäologisch nachweisbare Migrationsbewegungen. Tab. 4: Übersicht über Indikatoren für kulturelle Verflechtungen zwischen Küste und Bergland sowie die sozialen Trägergruppen. Tab. 5: Entwicklung des Siedlungswachstums (in Hektar) von Tel Miqnē/Ekron, Tell eṣ-Ṣāfī/Gat, Esdūd/Aschdod und Jerusalem im Vergleich. Tab. 6: Übersicht über die diachrone Entstehung der Aschdod-Texte im alttestamentlichen Kanon. Tab. 7: Übersicht über die in den Grundschichten der Aschdod-Texte des AT bezüglich der Küstenstadt geführten Diskurse sowie die jeweiligen Textintentionen. Tab. 8: Übersicht über die späteren Zusätze zu den Aschdod-Texten des AT sowie deren jeweilige Textintentionen.

Kapitel 1

Aschdod und Jerusalem – eine Einführung 1.1 Ausgangspunkt und Ziel der Untersuchung 1.1 Ausgangspunkt und Ziel der Untersuchung

Das zerklüftete judäische Bergland mit seinen ruralen Weilern und die weite südpalästinische Küstenebene mit ihren größeren Küsten- und Hafenstädten stellten in der Bronze- und Eisenzeit ganz unterschiedliche Kulturlandschaften dar, die verstärkt durch ökonomische, soziale, kulturelle und religiöse Gegensätze geprägt waren. In der alttestamentlichen Literatur wird dies besonders prägnant im Kontext der Ladeerzählung von 1 Sam 5,1–6,18 eingefangen, wenn den als ärmliche Ackerbauern und rechtgläubige Jahwe-Verehrer charakterisierten Berglandbewohnern die wohlhabenden und in urbaner Umgebung lebenden, jedoch paganen Aschdoditer und andere Küstenbewohner gegenübergestellt werden.1

Abb. 1: Karte des südlichen Israel/Palästina (© Gunnar Lehmann).

1

Zur Exegese und historischen Auswertung von 1 Sam 5,1–6,18 vgl. Kapitel 3.3.

2

Kapitel 1: Einführung

Neben biblischen Texten illustrieren aber auch zahlreiche archäologische Funde und Befunde die Unterschiede zwischen beiden Regionen. So kam etwa am Beginn der frühen Eisenzeit an der Küste hochwertige Philisterkeramik I respektive lokal produzierte Keramik des Typs Späthelladisch IIIC oder Mykene IIIC:1b-Keramik2 auf, welche sich durch elaboriertes Dekor und neben regionalen auch durch zahlreiche allochthone (ägäische, zyprische und ägyptische) Einflüsse auszeichnet. Die eisenzeitliche Keramik aus dem Gebiet von Jerusalem prägten wiederum ein überwiegend lokaler Charakter und nur kleine Mengen an Importen.3 Ungeachtet dessen waren die Könige und Eliten Judas auf die Häfen an der südlichen Levanteküste und damit vor allem auf Esdūd/Aschdod,4 die Jerusalem am nächsten gelegene Siedlung mit einem direkten Zugang zum Mittelmeer (über Tel Mōr/Tell Ḫēdar und später Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam), angewiesen. Schließlich ließen sich nur mithilfe des Seefernhandels Luxusgüter wie Duftstoffe und Salböle aus dem ägäischen Raum oder auch hochwertige Baumaterialien wie Zedernholz aus dem Libanon nach Juda einführen.5 Der sich aus Aschdods günstiger geografischer Lage für die dortige Bevölkerung ergebende Wohlstand rief einerseits in Jerusalem – zumindest im Spiegel alttestamentlicher Literatur wie Zef 2,4–7 – Neid und Missgunst hervor.6 Andererseits implizieren sowohl archäologische Funde und Befunde als auch biblische Texte wie Neh 13,23–27, dass zahlreiche soziale Beziehungen zwischen Personen aus Aschdod und Juda bestanden und zumindest in gewissen Zeitepochen offenbar größere Gruppen von Judäerinnen und Judäern an der südpalästinischen Küste lebten und arbeiteten.7 In Summe deutet das bisher Ausgeführte auf komplexe Interaktionsprozesse, Wechselwirkungen und Beziehungen zwischen Aschdod und Jerusalem hin, deren Untersuchung und Konkretion sich die hier vorgelegte Arbeit zur Aufgabe gemacht hat.8 Aus-

2 Über diese monochrome Ware informieren A. MAZAR (2007) 571–582 und P.A. MOUNTJOY (2018) 1095–1241. Vgl. ferner T. DOTHAN/A. ZUKERMAN (2015) 71–96 sowie F. HAGEMEYER (2023c). 3 Vgl. D. BEN-SHLOMO (2018c) 39–43. Dazu auch D. BEN-SHLOMO (2019a) für eine monografische Untersuchung zur Typologie der eisenzeitlichen Keramik Jerusalems und den handwerklich-technologischen Aspekten. 4 Die Bezeichnung Esdūd/Aschdod wird im Folgenden verwendet, wenn sich eine Aussage explizit auf die Siedlung auf dem gleichnamigen Tell bezieht. 5 Für eine detaillierte Analyse der ökonomischen Beziehungen zwischen Aschdod und Jerusalem im Verlauf der Bronze- und Eisenzeit vgl. die Kapitel 2.2.5, 2.3.7, 2.4.5, 2.5.5, 2.6.7, 2.7.7 und 2.8.5. 6 Zur Exegese und historischen Auswertung von Zef 2,4–7 siehe Kapitel 3.7. 7 Bezüglich der spezifischen Fundgattungen, welche als Belege für (Binnen-)Migrationsprozesse aus dem judäischen Bergland an die südpalästinische Küste gewertet werden können, vgl. die ausführlichen methodologischen Erläuterungen in Kapitel 2.1. Für die Exegese und historische Auswertung von Neh 13,23–27 siehe Kapitel 3.9.2. 8 Nach wie vor stellt ein umfassender synthetischer Vergleich der ökonomischen, sozialen, religiösen und kulturellen Differenzen zwischen der Küsten- und der Berglandschaft Israels/Palästinas von der Bronzezeit bis einschließlich des 3. Jahrhunderts v.Chr. ein Desiderat der Forschung dar. Zumindest für den Zeitraum der frühen Eisenzeit hat jedoch H.M. Niemann (H.M. NIEMANN [2002] 70–91 und H.M. NIEMANN [2013] 243–264) erste Studien vorgelegt. Vgl. jetzt auch die Aufsätze zu diversen Einzelaspekten in F. HAGEMEYER (2022a) sowie zum Ganzen F. HAGEMEYER (2022b) 1–4 mit Abb. 1.

1.1 Ausgangspunkt und Ziel der Untersuchung

3

gehend von dem durch A. Alt9 begründeten territorialgeschichtlichen Ansatz soll dabei ein Zeitraum von der ausgehenden Mittelbronzezeit IIC (spätes 17. Jahrhundert v.Chr.), ab welcher der Siedlungsplatz von Esdūd/Aschdod erstmals nachweislich bewohnt war (siehe Kapitel 2.2.1), bis einschließlich der frühen hellenistischen Epoche (ca. 333/32– 200 v.Chr.) in den Blick genommen werden. Im Zuge dessen ist erstens der Siedlungscharakter von Jerusalem und Aschdod sowie von bedeutenderen Fundplätzen im geografischen Korridor zwischen Küste und Bergland (Abb. 1) durch die Analyse archäologischer Überreste zu untersuchen.10 Auf Basis der Ergebnisse kann zweitens nach der Ausgestaltung der ökonomischen, kulturellen und sozialen Beziehungen und Verflechtungen zwischen beiden Orten gefragt werden, deren diachrone Entwicklung über den gesamten Untersuchungszeitraum nachzuzeichnen ist. Drittens will die Arbeit eruieren, wie genau man Aschdod und die südwestpalästinische Küste in den Texten des Alten Testaments beziehungsweise der Hebräischen Bibel rezipierte und wahrnahm. Die sich partiell widersprechenden, negativen und positiven Aschdod-Bilder sind schließlich viertens bezüglich ihrer Bedeutung für die intellektuelle Auseinandersetzung der biblischen Schreiber mit für Juda und seine Bewohner relevanten Fragestellungen aus den Bereichen von Politik, Gesellschaft und Theologie beziehungsweise Religion auszuwerten. Zum Verhältnis von Südlevante und Mittelmeerraum in späteren Zeitepochen informieren die multiperspektivischen Beiträge in J. KAMLAH/A. LICHTENBERGER (2021). 9 Den territorialgeschichtlichen Ansatz, durch welchen die regionale Gebietsforschung in Israel/Palästina wissenschaftlich fundiert wurde, hat A. Alt erstmals im Jahr 1925 in seinem Aufsatz Die Landnahme der Israeliten in Palästina (= A. ALT [21959a] 89–125) entfaltet. Wichtige Impulse lieferten auch die von ihm zwischen 1921 und 1939 im Rahmen seiner Tätigkeit als Direktor des Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes (DEIAHL) unternommenen archäologischen Oberflächenuntersuchungen beziehungsweise Surveys. Neuere territorialgeschichtlich interessierte Arbeiten aus dem Bereich der deutschsprachigen Palästina-Wissenschaft oder Palästina-Archäologie/Biblischen Archäologie haben J. Kamlah mit einer archäologischen Oberflächenuntersuchung der Umgebung des nordjordanischen Ḫirbet ez-Zeraqōn (J. KAMLAH [2000]), S. Höhn mit einer Studie über das Bīr es-SebaꜤ/Beerscheba-Tal in der Eisenzeit II (S. HÖHN [2016]) sowie U. Hofeditz mit einer siedlungsarchäologischen Arbeit zu den Ortslagen im judäischen Bergland und dem nördlichen Negev von der späten Eisenzeit bis zum Beginn der hellenistischen Epoche (U. HOFEDITZ [2020]) vorgelegt. Weiterhin ist auf E. Gaß und seine auf Ostjordanien zentrierte monografische Abhandlung über Moab und die Moabiter im 1. Jahrtausend v.Chr. (E. GAß [2009]) zu verweisen, welche sowohl archäologische als auch bibelexegetische Zugänge und die Analyse extrabiblischer Textquellen vereint. 10 Mit Blick auf die weltweite archäologische Feldforschung stellt Jerusalem eine der Städte dar, welche man bis heute am intensivsten untersucht hat. Seit den ersten wissenschaftlichen Ausgrabungen, die 1838 und 1853 E. Robinson durchführte, sind zahlreiche Funde und Befunde freigelegt worden, die eine chronologische Spanne vom Epipaläolithikum (ca. 16000–9300/8500 v.Chr.) bis in die Gegenwart repräsentieren. Für Abhandlungen über die archäologische Exploration Jerusalems seit dem 19. Jahrhundert vgl. unter der aktuellen Literatur (in Auswahl) K. BIEBERSTEIN (2017) 8–18; D. BEN-SHLOMO (2019a) 17–34 und R. REICH (2021) 21–64 sowie jeweils die dort angegebenen weiteren Referenzen. Für einen ersten Zugang zu den bedeutendsten Ausgrabungen seit 1968 und deren Ergebnisse sei hier auf die bisher drei Bände der Reihe Ancient Jerusalem Revealed (Y. YADIN [1976]; H. GEVA [2000b] sowie H. GEVA [2019]) verwiesen. Bezüglich der geografisch-landeskundlichen und archäologischen Untersuchung der Region von Aschdod vgl. den forschungsgeschichtlichen Überblick in Kapitel 1.3.

4

Kapitel 1: Einführung

1.2 Zum Aufbau der Untersuchung und der verwendeten Chronologie 1.2 Aufbau der Untersuchung und Chronologie

Ausgehend von der skizzierten Zielsetzung verfolgt die vorliegende Untersuchung einen sowohl archäologisch-historischen als auch bibelexegetischen Schwerpunkt. Dabei wird die Analyse relevanter extrabiblischer Textquellen einbezogen. In Kapitel 2 steht die (Re-)Konstruktion der Siedlungsarchäologie Aschdods und Jerusalems sowie des jeweiligen Hinterlands im Vordergrund. Im Zuge dessen werden relevante Fundplätze in der inneren Küstenebene und der Schefela berücksichtigt. Die Analyse gliedert sich in sieben Unterabschnitte (Kapitel 2.2–2.8), welche die Epochen von der Mittelbronzezeit IIC, über die Spätbronzezeit I–II, Eisenzeit I, IIA, IIB und IIC bis einschließlich der Eisenzeit III/Achämenidenzeit und der frühen hellenistischen Epoche (ca. 333/32– 200 v.Chr.) umfassen. Den Schwerpunkt bildet die separat für jeden der Zeitabschnitte vorzunehmende Auswertung ökonomischer, kultureller und sozialer Kontakte und Beziehungen anhand definierter Interaktionsebenen und -kriterien.11 Der Ertrag, den die archäologische Analyse für die Frage des Verhältnisses von Küste und Bergland erbracht hat, wird in einem Resümee (Kapitel 2.9) skizziert und ausgewertet. Kapitel 3 präsentiert die historisch-kritische Exegese aller Aschdod-Textbelege im Alten Testament, geordnet nach der kanonischen Reihenfolge der einzelnen Bücher in der Hebräischen Bibel. In jedem Unterabschnitt (Kapitel 3.2–3.10) sind die einzelnen Texte zuerst synchron zu untersuchen und anschließend deren literargeschichtliche Entstehung zu (re-)konstruieren. Das Hauptaugenmerk gilt der historischen Analyse, durch welche die verschiedenen Aussageintentionen der Verfasser in Bezug auf die Küste sowie die aus judäischer Sicht mit Aschdod verbundenen Diskurse herausgearbeitet werden. Zwei Resümees dienen der Systematisierung und Ergebnissicherung im Hinblick auf die diachrone Entstehung der einzelnen Texteinheiten im innerkanonischen Werdegang (Kapitel 3.11) sowie die mit Aschdod literarisch verbundenen zeitgeschichtlichen Fragestellungen in Juda (Kapitel 3.12). Eine zusammenfassende Präsentation der Ergebnisse (Kapitel 4), eine Schlussreflexion mit Ausblick (Kapitel 5) zur Bedeutung des Topos „Aschdod“ für eine alttestamentliche „Theologie der Alterität“ sowie drei Appendizes mit einer stratigrafischen Übersicht über die untersuchten Siedlungsplätze in der Region Aschdod (Appendix 1), einem Katalog der diskutierten epigrafischen Funde aus dem Untersuchungsgebiet (Appendix 2) sowie den Übersetzungen der exegetisierten Bibeltexte (Appendix 3) beschließen die Untersuchung. Folgende Anmerkungen sind zu beachten: Detaillierte Erläuterungen zur Methodik und dem konkreten Vorgehen sind dem archäologischen sowie dem exegetischen Hauptteil unmittelbar vorangestellt. Die in dieser Untersuchung verwendete historische Periodisierung nach Metallzeiten entspricht den fachlichen Standards der Palästina-Archäologie/Biblischen Archäologie wie auch der anderen archäologischen Wissenschaften. Die genaue zeitliche Abgrenzung der einzelnen Epochen wird jeweils zu Beginn der entsprechenden Unterabschnitte des archäologischen Hauptteils angegeben und 11 Siehe Kapitel 2.2.5, 2.3.7, 2.4.5, 2.5.5, 2.6.7, 2.7.7 und 2.8.5. Zur Definition der Interaktionsebenen und -kriterien sowie ihrer Verwendung in dieser Untersuchung vgl. die methodischen Vorbemerkungen in Kapitel 2.1.

1.3 Zur archäologischen und landeskundlichen Erforschung Aschdods

5

folgt insbesondere hinsichtlich der chronologischen Differenzierung von Spätbronzezeit, Eisenzeit I, IIA und IIB der Low Chronology nach I. Finkelstein.12

1.3 Zur archäologischen und landeskundlichen Erforschung der Region Aschdod seit dem 19. Jahrhundert 1.3 Zur archäologischen und landeskundlichen Erforschung Aschdods

Die neuzeitliche Erforschung der Region von Aschdod setzte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein, während der Epoche der osmanischen Herrschaft über Palästina. V. Guérin13 bereiste 1863 die fragliche Gegend und beschrieb den Kulturschutthügel von Esdūd/Aschdod (Kartenreferenz: 1679.6293 NIG14), in dessen unmittelbarer Umgebung zu jener Zeit ein kleines arabischen Dorf existierte. Sodann untersuchten C.R. Conder und H.H. Kitchener15 im Rahmen des Survey of Western Palestine (1871–1877) das Gebiet. C.S. Clermont-Ganneau16 wiederum erforschte in den Jahren 1873 und 1874 sowohl den Tell von Esdūd als auch den 5 km nordwestlich und unmittelbar an der Mittelmeerküste gelegenen Ruinenschutthügel von Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam. Die Identifikation des erstgenannten archäologischen Fundplatzes mit dem in der Bibel erwähnten Ort Aschdod war dabei seit den Tagen der ersten Forschungsreisenden unumstritten. Schließlich hatte sich der arabische Name Esdūd als Bezeichnung für den modernen Weiler am Fuße des Kulturschutthügels bis in das 19. und 20. Jahrhundert erhalten. Diesbezüglich notierte etwa schon C.S. Clermont-Ganneau im zweiten Band seiner 1896 in London publizierten Abhandlung Archaeological Research in Palestine during the Years 1873–1874:

12

Zum Konzept der Low Chronology und ihren Voraussetzungen informieren (in Auswahl) I. FINund I. FINKELSTEIN/E. PIASETZKY (2015) 891–907. Vgl. E. BOARETTO u.a. (2018) 1–11. Eine aktuelle Analyse der für die spätbronzezeitlich-eisenzeitliche Übergangsphase relevanten Radiokohlenstoffdatierungen bietet I. FINKELSTEIN (2020) 82–93 (dort auch weitere Referenzen zu Gegenpositionen). In der gegenwärtigen wissenschaftlichen Diskussion ist für das Gebiet der Levante vor allem noch kein Konsens hinsichtlich der genauen chronologischen Eingrenzung der Eisenzeit I und der Eisenzeit IIA und der Zuweisung des 10. Jahrhunderts v.Chr. zur Eisenzeit I (Low Chronology [I. Finkelstein u.a.]) oder zur Eisenzeit IIA (Modified Conventional Chrononology [A. Mazar u.a.]) erzielt worden. Für einen Forschungsüberblick vgl. C. FREVEL (22018) 166–168 und A. BERLEJUNG (62019a) 50–52. D. VIEWEGER (2019b) 81–98 (mit umfangreicher Literatur) bietet eine Synopse der beiden chronologischen Modelle unter Einbeziehung des Diskussionsstands um die Ausgrabungen in Ḫirbet Qēyafa. 13 V. GUÉRIN (1869) 70–78. Die nachfolgenden Ausführungen über die Forschungsgeschichte bis zum Ende des 19. Jahrhunderts folgen im Wesentlichen der Darstellung bei M. DOTHAN/D.N. FREEDMAN (1967) 7 mit Anmerkungen 7–9. 14 Alle Koordinatenangaben sind nach dem New Israel Grid (NIG)/Israeli Transverse Mercator (ITM) angegeben. Für weitere geodätische und kartografische Informationen vgl. die offizielle Webpräsenz des Mapping Center of Israel (MAPI), https://www.mapi.gov.il/en/Pages/default.aspx (letztmals abgerufen am: 18.03.2022). 15 C.R. CONDER/H.H. KITCHENER (1882) 405–407.409–410.421–422. Vgl. auch C. WARREN/ C.R. CONDER (1884) 441–442. 16 C.S. CLERMONT-GANNEAU (1896) 186–187. KELSTEIN/E. PIASETZKY (2010a) 374–385 ebenso Y. ASSCHER u.a. (2015) 77–97 und

6

Kapitel 1: Einführung

In the immediate neighbourhood of the village of Esdûd, and to the west, is a high hill, covered with gardens enclosed within hedges of cactus, which makes it difficult to get about. I noticed here a considerable quantity of potsherds, some fragments of marble, some wells and so on, indicating the existence of a town which must have been the Ashdod proper of the Bible.17

Während des 1. Weltkriegs wurde die Küstengegend um Esdūd/Aschdod erstmals systematisch mittels moderner Luftbildfotografie durch die Königlich Bayerische Fliegerabteilung 304b dokumentiert, welche ab 1917 als Teil des deutschen Levante-Korps in Palästina operierte.18 Die im Bayerischen Hauptstaatsarchiv (BayHStA, Abteilung IV: Bayerisches Kriegsarchiv) in der sogenannten „Bildsammlung Palästina“19 verwahrten Bilder stellen eine wichtige Quelle dar, da aufgrund von Baumaßnahmen ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts viele der antiken Überreste in der Region heute kaum mehr ergraben werden können. Ungeachtet der frühen luftfotografischen Dokumentation setzte die archäologische Erforschung des Gebiets verzögert durch die Weltwirtschaftskrise der 1920er Jahre und den 2. Weltkrieg erst in den späten 1950er Jahren ein. Zunächst führte zwischen 1959– 1960 M. Dothan20 systematische Ausgrabungen am kleinen Fundplatz von Tel Mōr/Tell Ḫēdar (Kartenreferenz: 1676.6368 NIG) für die Israelische Altertumsbehörde (IDAM [Israel Department of Antiquities and Museums], heute: IAA [Israel Antiquities Authority]) durch. Ebenda konnten letztlich 12 Strata und eine Besiedlung von der Mittelbronzezeit IIC bis in die hellenistische Epoche (mit zwischenzeitlichen Wüstungsphasen) nachgewiesen werden. Noch im Jahr 1960 untersuchte wiederum M. Broshi21 mittels einer kleinen Sondage die im Gebiet der modernen Stadt Aschdod gelegene antike Ortslage von Nabī Yūnis/Miṣpē Yona (Kartenreferenz: 1666.6358 NIG), wobei sich nur äußerst spärliche architektonische Überreste freilegen ließen.

17 C.S. CLERMONT-GANNEAU (1896) 186. Anders als C.S. Clermont-Ganneau scheinen hingegen C.R. Conder und H.H. Kitchener die archäologische Bedeutung des Kulturschutthügels von Esdūd kaum wahrgenommen zu haben. Vgl. dazu den Kommentar bei C.R. CONDER/H.H. KITCHENER (1882) 409: „Esdūd – This village marks the site of the ancient Ashdod, but no ruins of any great antiquity were observed.“ 18 Für einen ersten Zugang zum Einsatz der Königlich Bayerischen Fliegerabteilung 304b in Palästina während des 1. Weltkriegs sowie dessen militärhistorische Bedeutung sei hier auf G.M. SCHULZ (2013) 89–93 verwiesen. Für einen zeitgenössischen Bericht vgl. auch O. VON WALDENFELS (1925) 120–123. 19 Die „Bildsammlung Palästina“ steht seit einigen Jahren vollständig digitalisiert zur Verfügung und ist unter https://www.gda.bayern.de/findmitteldb/Findbuch/86481 abrufbar (letztmals geprüft am: 18.03.2022). Die Gegend von Aschdod ist durch Luftbilder dokumentiert, welche in der Teilsammlung „Nebi Junis an der Mündung des Nahr Sukrer (25 km südlich Jaffa) und östliche Umgebung“ (Signatur: BayHStA, Bildsammlung Palästina 357–361 h) zu finden sind. 20 M. DOTHAN (1973) 1–17 und M. DOTHAN (1993b) 1073–1074. Die Grabungsergebnisse sind final erst im Jahr 2007 durch T.J. Barako (T.J. BARAKO [2007a]) publiziert worden. 21 M. BROSHI (1972) 26. Zu dem in das 5. Jahrhundert v.Chr. zu datierenden Ostrakon aus Nabī Yūnis/Miṣpē Yona siehe Kapitel 2.8.2 und Appendix II.15. Kleine durch D. Yegorov beaufsichtigte Rettungsgrabungen vor Ort hat man erst wieder im Jahr 2012 aufgenommen. Dazu D. YEGOROV (2013), http://www.hadashot-esi.org.il/report_detail_eng.aspx?id=2291&mag_id=120 (letztmals abgerufen am: 18.03.2022).

1.3 Zur archäologischen und landeskundlichen Erforschung Aschdods

7

Zwischen 1962 und 1972 haben M. Dothan, D.N. Freedman und J.L. Swauger22 im Rahmen des von der Israelischen Altertumsbehörde (IDAM, heute: IAA), dem Pittsburgh Theological Seminary (beteiligt bis 1964) sowie dem Carnegie Museum of Natural History Pittsburgh getragenen Ashdod Excavation Project den Kulturschutthügel von Esdūd/Aschdod archäologisch erforscht. Im Zuge des Langzeitprojekts gelang es, 23 Strata zu identifizieren, welche eine fast kontinuierliche Besiedlung vom späten 17. Jahrhundert v.Chr. (Mittelbronzezeit IIC) bis zum Übergang von der byzantinischen zur umayyadischen Herrschaft in Palästina (im 7. Jahrhundert n. Chr.) repräsentieren.23 In Tel Poran/Tell el-Farāni (Kartenreferenz: 1635.6240 NIG), annähernd mittig zwischen Aschdod und Aschkelon, hat R. Gophna24 im Jahr 1972 Überreste lokalisiert, die möglicherweise schon aus der Frühbronzezeit III stammen, jedoch noch in der Mittelbronzezeit II genutzt worden sind. Bei neuen archäologischen Untersuchungen in den Jahren 2017 und 2018 ließen sich in kleinerem Umfang weitere in die Mittelbronzezeit II zu datierende Funde und Befunde nachweisen.25 In Aschdod ad-Halom (Kartenreferenz: 1675.6299 NIG), nur 200 m nordwestlich des Tells von Esdūd/Aschdod, konnten E. Kogan-Zehavi und P. Nashoni26 zwischen 2003 und 2004 acht Siedlungsschichten im Vorfeld von Baumaßnahmen untersuchen, die im Zeitraum von der Eisenzeit II bis zur byzantinischen Epoche entstanden. Mit Blick auf Funde und Befunde ist insbesondere ein größeres öffentliches Gebäude von Bedeutung, welches man in der ausgehenden Eisenzeit IIB/beginnenden Eisenzeit IIC errichtet hat (dazu Kapitel 2.7.4). Noch andauernde archäologische Untersuchungen werden im Rahmen des AshdodYam Archaeological Project schließlich noch in Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam (Kartenreferenz: 1640.6320 NIG) durchgeführt. Auf dem dortigen Kulturschutthügel hat man zwischen 2013 und 2019 unter Leitung von A. Fantalkin und A. Berlejung27 Architektur und Fundgut aus der Eisenzeit IIB–C und der hellenistischen Epoche sowie jenseits des Tells die Überreste eines byzantinischen Kirchengebäudes ergraben. Die archäologische Forschungstätigkeit konzentriert sich seit 2020 vorrangig auf die weitere Untersuchung dieses Sakralbaus, wobei das Projekt nunmehr allein durch die Universität Tel Aviv getragen wird. Unabhängig davon sind kleinere Abschnitte der in die Eisenzeit II zu datierenden Stadtbefestigungen von Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam bereits zwischen 1965

22

Für die zwischen 1967 und 2005 in den sechs Bänden Ashdod I–VI publizierten Grabungsergebnisse vgl. M. DOTHAN/D.N. FREEDMAN (1967); M. DOTHAN (1971); M. DOTHAN/Y. PORATH (1982); M. DOTHAN/Y. PORATH (1993) und M. DOTHAN/D. BEN-SHLOMO (2005). 23 Für eine Übersicht über die in diese Untersuchung einbezogenen archäologischen Kulturschichten sowie deren charakteristische Merkmale siehe Appendix I. Bezüglich der jüngeren Siedlungsschichten (Strata III–I) vgl. hingegen M. DOTHAN (1993a) 102 und D. BEN-SHLOMO (2005a) 9 Tab. 1.1. 24 R. GOPHNA (1977) 87–90.293* und R. GOPHNA (1992) 267–273. 25 Dazu informieren I. TAXEL/N.-S. PARAN/I. WIESSBEIN (2020), https://www.hadashot-esi.org.il/ report_detail_eng.aspx?id=25738&mag_id=128 (letztmals abgerufen am: 18.03.2022). 26 E. KOGAN-ZEHAVI (2008) 1573–1575. Vgl. ebenso E. KOGAN-ZEHAVI (2006), https://www. hadashot-esi.org.il/report_detail_eng.aspx?id=340&mag_id=111 (letztmals geprüft am: 18.03.2022). 27 Die Grabungsergebnisse sind bisher nicht final publiziert worden. Für Vorberichte vgl. A. FANTALKIN (2014) 45–57; A. BERLEJUNG/A. FANTALKIN (2017a) 285–308; A. BERLEJUNG/A. FANTALKIN (2017b) 66–68 sowie A. FANTALKIN (2018) 162–185.

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Kapitel 1: Einführung

und 1968 durch J. Kaplan28 mithilfe einiger Suchschnitte freigelegt worden. Darüber hinaus war es Y. Nadelman und P. Nashoni29 in den Jahren 1993 und 1994 nur 1 km südwestlich des Eisen-II-zeitlichen Fundplatzes gelungen, die spätbronzezeitliche Siedlung von Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam (Süd) zu lokalisieren.30

28 Über die Ergebnisse der Altgrabung informieren J. KAPLAN (1969) 137–149 und J. KAPLAN (1993) 102–103. 29 Y. NADELMAN (2013) 133–141 und P. NAHSHONI (2013) 59–122. Siehe ebenso P. NAHSHONI (2001) 107–108*. 30 Darüber hinaus hat man zwischen 1997–1999 an der Nordspitze des Ruinenschutthügels von Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam noch die mittelalterliche Küstenfestung Castellum Beroardi vollumfänglich freigelegt (D. NACHLIELI u.a. [2000] 101*–103*.126–128; D. NACHLIELI [2008] 1575–1576). Vgl. dazu auch S.K. RAPHAEL (2014).

Kapitel 2

Die Beziehungen Aschdods zu Jerusalem im Spiegel archäologischer Funde und Befunde 2.1 Vorbemerkungen 2.1 Vorbemerkungen

Zur (Re-)Konstruktion der Beziehungen zwischen Aschdod und Jerusalem tragen nicht nur biblische und extrabiblische Texte entscheidend bei (Kapitel 3), sondern ebenso archäologische Funde und Befunde.1 Die Analyse der materiellen Überreste ermöglicht es erstens, historisch-kulturwissenschaftliche Aussagen über die Ausgestaltung von Handelsbeziehungen und ökonomischen Verflechtungen zu treffen. Zweitens lassen sich mithilfe der Methoden der archäologischen Wissenschaft vielfältige Phänomene des kulturellen Austauschs und Transfers sichtbar machen. Darüber hinaus können auf Basis des relevanten Fundguts in der Regel auch diejenigen sozialen Gruppen (wie etwa Angehörige der Oberschicht, Händler, Handwerker etc.) bestimmt werden, welche als Träger des jeweiligen Austauschprozesses („soziale Stratigrafie“) fungierten. Im weiteren Analysegang werden potenzielle Kontakte und Verflechtungen zwischen Aschdod und Jerusalem anhand von im Folgenden zu definierenden archäologischen Kriterien untersucht, die sich vier grundlegenden Interaktionsebenen zuordnen lassen: I. II. III. IV.

Handel/ökonomische Beziehungen Kultureller Austausch/kulturelle Verflechtungen Administrative Beziehungen/diplomatisch-politische Interaktionen Bevölkerungsaustausch/Migration.

Im Hinblick auf den Nachweis ökonomischer Beziehungen zwischen Bergland und Küste (Interaktionsebene I) fungieren spezifische Gewichte (wie etwa judäische Kalksteingewichte [„Judean Inscribed Limestone Weights“]) als zentraler Indikator, insbesondere wenn sich diese außerhalb ihres eigentlichen Kernverbreitungsgebiets nachweisen lassen. Des Weiteren stellen spezifische Handelsgüter wichtige Charakteristika für ökonomische Interaktionen dar. Von großer Bedeutung sind dahingehend Überreste von Agrarrohstoffen und Nahrungsmitteln, die, wie in Jerusalem ergrabene Knochen von Speisefischen aus dem Mittelmeer, teils schon allein aufgrund der Fundgattung als Importe anzusprechen sind. Bei wieder anderen Agrarprodukten, etwa an der Küste iden1

Für aktuelle Darstellungen über die archäologische Untersuchung Jerusalems seit dem 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart vgl. die Literaturhinweise in Kapitel 1.1 unter Anmerkung 10. Über die geografisch-landeskundliche sowie archäologische Erforschung der Region von Aschdod informiert der forschungsgeschichtliche Überblick in Kapitel 1.3.

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

tifiziertes Getreide aus Juda, müssen zusätzlich archäobotanische Analysen berücksichtigt werden, um ihre Provenienz zweifelsfrei bestimmen zu können. Weiterhin aufschlussreich ist die Untersuchung des keramischen Fundguts, wobei vor allem der Handel mit hochwertiger dekorierter Keramik (etwa Trink- und Tafelgeschirr) vorauszusetzen ist, nicht aber mit einfacher Haushaltsware, die man in der Regel lokal produzierte. Von besonderer Relevanz sind jedenfalls diejenigen Keramikobjekte, deren Produktionsgebiete im Ergebnis archäologisch-naturwissenschaftlicher Analysen (Petrografie und Neutronenaktivierungsanalyse [NAA]) genau zu bestimmen sind und die somit eindeutig als Importe erkannt werden können. Auf Basis der jeweils gehandelten Güter und Waren lässt sich auch eruieren, welche sozialen Gruppen neben Händlern an ökonomischen Austauschprozessen partizipierten. So deuten etwa vereinzelte Funde von hochwertiger Küstenkeramik im Bergland lediglich auf die Interaktionen von Kaufleuten mit einer kleinen Zahl an Personen aus der judäischen Oberschicht hin. Auf eine Nachfrage durch größere Bevölkerungsschichten dürften wiederum aus Jerusalem stammende Belege von mehreren tausend Knochen von Speisefischen aus dem Mittelmeer hinweisen.2 Kulturelle Austauschprozesse sowie kulturelle Verflechtungen zwischen Aschdod und Jerusalem (Interaktionsebene II) lassen sich mit Blick auf die materielle Kultur vorrangig anhand der Imitation keramischer Leitformen oder zumindest von Dekorationstechniken aufzeigen. Diesbezüglich sei etwa auf die Nachahmung von hochwertiger Philisterkeramik in Juda verwiesen, deren Produktion im Bergland anhand des geochemisch-petrografischen Profils des Tons nachweisbar ist (dazu Kapitel 2.4.5). Darüber hinaus sind insbesondere Hybridisierungs- und Verflechtungsprozesse im Bereich der individuellen Religions- und Frömmigkeitspraxis von Interesse, welche durch die Analyse der Bildsymbolik von lokal produzierten Artefakten (wie vor allem Figurinen und Kultständer) auf allochthone Elemente hin nachgewiesen werden können.3 Als bedeutende Mediatoren für kulturelle Verflechtungen haben Handwerker beziehungsweise Kunsthandwerker zu gelten, die etwa Fertigungstechniken oder Dekorationsweisen aus der jeweils anderen Region aufgriffen und mit lokalen Elementen kombinierten. Administrative Beziehungen und ausgeprägtere diplomatisch-politische Interaktionen (Interaktionsebene III) sind als institutionalisierte Kontakte anzusprechen. Im Vergleich mit den Interaktionsebenen I und II implizieren sie kooperative oder auch konfrontative Wechselwirkungen zwischen Jerusalem und Aschdod, die größere Bevölkerungsgruppen tangierten. Auf konfrontative Phasen deutet der vermehrte Beleg fortifizierter Siedlungen im Grenzgebiet zwischen Juda und Aschdod hin. Zudem stellen auch Zerstörungshorizonte wichtige Indikatoren dar, insbesondere wenn diese sich mit 2 Geprüft wurde ebenso, ob Leder- und Textilfunde sowie Korb- und Flechtwaren als Indikatoren für Handelsbeziehungen zwischen Bergland und Küste in die weitere Untersuchung einbezogen werden können. Aufgrund der klimatischen Bedingungen haben sich jedoch an den hier untersuchten Fundplätzen in der Region Aschdod, der Schefela und den Bergen Judas keine diesbezüglich relevanten Überreste aus dem fraglichen Zeitraum erhalten. Für einen ersten Zugang zu textilarchäologischen Funden aus der Judäischen Wüste vom Präkeramischen Neolithikum (PPN) bis zum Mittelalter vgl. O. SHAMIR/N. SUKENIK (2020) 339–357 (dort auch zahlreiche Referenzen). 3 Als mit Blick auf kulturelle Interaktions- und Verflechtungsprozesse kaum ergiebig hat sich für die vorliegende Untersuchung die Auswertung von Grabinventaren und Bestattungspraktiken erwiesen, sodass diese nachfolgend nur punktuell berücksichtigt werden.

2.1 Vorbemerkungen

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textlichen Überlieferungen verbinden und so sicher historischen Ereignissen zuordnen lassen. Phasen der Kooperation korrelieren hingegen mit intensivierten und durch die jeweiligen Zentralautoritäten gelenkten Handelsbeziehungen, die wiederum durch das gesteigerte Auftreten von spezifischen Ostraka, Siegeln und Siegelabdrücken (wie lmlkSiegelabdrücke an der Küste etc., siehe dazu Kapitel 2.7.7) im archäologischen Befund identifizierbar sind. Schließlich sprechen nachweisbare Migrationsprozesse (Interaktionsebene IV) für ein besonders hohes Maß an Austausch und Mobilität zwischen Küste und Bergland. Solche Bevölkerungstransfers können sich einerseits aus einer Kooperation der Fürsten beziehungsweise Eliten von Aschdod und Juda (s.o. zu Interaktionsebene III) ergeben haben, etwa um eine besonders hohe Nachfrage nach Arbeitskräften in einem Gebiet zu befriedigen. Andererseits wäre aber auch die freiwillige Migration von Bergland- oder Küstenbewohnern oder die Forcierung von Wanderungsbewegungen durch den Organisationsdruck einer Großmacht (wie Assur beziehungsweise Babylonien) denkbar. Wichtige archäologische Kriterien und Indizien für Migrationsbewegungen stellen für die Küste oder das Bergland typische Haushaltskeramik und Figurinen (etwa judäische Säulen- beziehungsweise Pfeilerfigurinen [„Judean Pillar Figurines“]) dar, welche man an Fundplätzen in der jeweils anderen Region ergraben hat (Kapitel 2.7.7). Ebenso bedeutsam sind diesbezüglich epigrafische Funde mit spezifischer Schrift und distinkten Personennamen, etwa der Beleg Jahwe-haltiger Anthroponyme an der Küste (Kapitel 2.8.5). Weiterhin spräche auch die öffentliche Ausübung von kultischen Aktivitäten durch Judäer in Siedlungen westlich des Berglands für eine gesteigerte Mobilität zwischen beiden Regionen. Letzteres ließe sich beispielsweise durch die Identifikation von Hörneraltären in Südwestpalästina aufzeigen, die mit der Religion des Berglands zu assoziieren sind (dazu Kapitel 2.7.7).4 Im Zuge der archäologisch-historischen (Re-)Konstruktion der Beziehungen und Interaktionen zwischen Aschdod und Jerusalem ist in der nachfolgenden Untersuchung der Siedlungscharakter von Jerusalem und Esdūd/Aschdod unter Berücksichtigung kleinerer Fundplätze im jeweiligen Küsten- und Berghinterland vergleichend für den Zeitraum von der Mittelbronzezeit IIC bis zur Eisenzeit III/Achämenidenzeit5 und der frühen hellenistischen Epoche (ca. 333/32–200 v.Chr.) zu analysieren.6 Darüber hinaus wird für jede Epoche die Beschaffenheit der Siedlungen in der inneren Küstenebene (Tell eṣ-Ṣāfī/Gat, Tel Miqnē/Ekron) und in der Schefela beziehungsweise dem SorekTal (ʿĒn-Šems/Bet-Schemesch, Tell el-Bāṭāšī/Timna) und dem Elah-Tal (Tel Zakarīye/ Aseka, Ḫirbet Qēyafa) eruiert, wobei vor allem die Funktion dieses Gebiets zwischen Küste und Bergland als geografischer Korridor für die aschdodisch-judäischen Aus4

Neben dem archäologische Fundgut können auch biblische Texte wie 1 Sam 5,1–6,18*; Sach 9,5– 7 und Neh 13,23–27* als wichtige Zeugnisse für (Binnen-)Migrationsprozesse zwischen Aschdod und Juda/Jerusalem bestimmt werden. Vgl. dazu die exegetische Diskussion in Kapitel 3.3, 3.8 und 3.9.2. 5 Zu der hier verwendeten Chronologie und Periodisierung nach Metallzeiten vgl. Kapitel 1.2. 6 Abhängig von der Relevanz im jeweiligen Zeitraum sind für das Hinterland des Ruinenschutthügels von Esdūd/Aschdod in der Regel die Fundplätze von Tell Ḫēdar/Tel Mōr, Tel Poran/Tell elFarāni, Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam beziehungsweise Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam (Süd) sowie Aschdod ad-Halom und Nabī Yūnis/Miṣpē Yona zu diskutieren. Hinsichtlich des Umlands von Jerusalem sollen Tell en-Naṣbe/Mizpa, Tel Moẓa/Moza sowie Ḫirbet Ṣāliḥ/Rāmat Rāḥēl betrachtet werden.

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

tauschprozesse im Vordergrund steht. Schließlich ist in einem finalen Resümee die Entwicklung der ökonomischen, kulturellen und sozialen Beziehungen und Verflechtungen zwischen beiden Orten im Laufe der Zeit zu skizzieren und auf Basis der soeben definierten Interaktionsebenen und -kriterien auszuwerten.

Abb. 2: Späte Philisterkeramik (Aschdod Ware/Late Philistine Decorated Ware) aus Tell eṣ-Ṣāfī/Gat (© Aren M. Maeir).

2.2 Zur Situation in der Mittelbronzezeit IIC 2.2 Zur Situation in der Mittelbronzezeit IIC

2.2.1 Die Gründungsphase der Siedlung auf dem Tell von Esdūd/Aschdod Die älteste auf dem Kulturschutthügel von Esdūd/Aschdod archäologisch nachweisbare Siedlung hat man in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts v.Chr. gegründet.7 Für die gesamte Mittelbronzezeit IIC (ca. 1630–1550 v.Chr.)8 lassen sich drei Siedlungsphasen 7

In der Gegend von Esdūd/Aschdod existierten bereits vor der Mittelbronzezeit IIC vereinzelte Siedlungsplätze. Zu den fraglichen Funden und Befunden vgl. O. BAR-YOSEF (1970a) 52–64 sowie O. BAR-YOSEF (1970b) 5–27. 8 Im Sinne einer besseren Vergleichbarkeit wird hier die chronologische Abgrenzung der Mittelbronzezeit II nach den Angaben der New Encyclopedia of Archaeological Excavations in the Holy Land, Bd. V (Supplementary Volume) verwendet. Neuere Radiokarbondatierungen legen allerdings

2.2 Zur Situation in der Mittelbronzezeit IIC

13

(Stratum XXIII–XXI) nachweisen, jedoch sind die entsprechenden architektonischen Überreste nur in einem sehr kleinen Bereich der Oberstadt (Areal G) ergraben worden. Die Unterstadt war in dieser Epoche hingegen nicht bebaut. Das am Fundplatz nachgewiesene keramische Inventar ist vor allem durch lokale Typen der ausgehenden Mittelbronzezeit II geprägt. Diesbezüglich sei vor allem auf das Vorkommen von Ware mit weißem Überzug und braunem Dekor (sogenannte Chocolate-on-White Ware) verwiesen, welche für die Phase des allmählichen Übergangs zur Spätbronzezeit besonders charakteristisch ist.9 In den fraglichen Zeitraum zu datierende Importkeramik aus dem weiteren Mittelmeerraum ist hingegen kaum bezeugt. Letzteres verdeutlicht die Publikation von lediglich drei Scherben an zyprischer Ware mit rotem Überzug und schwarzen Verzierungen (Black-on-Red Ware) durch die Ausgräber der mittelbronzezeitlichen Schichten, M. Dothan und Y. Porath.10 Für die durch Stratum XXIII repräsentierte Gründungsphase von Esdūd/Aschdod ist vor allem eine auf Kurkar-Grundgestein errichtete Toranlage (6,5 x 8,2 m) aus Lehmziegeln mit vier Pfeilern von Bedeutung.11 Mit dieser war ein Wall aus gestampftem Lehm und einer Lehmziegelmauer im Zentrum assoziiert.12 Neben den Fortifikationen ist ansonsten keine weitere relevante Architektur aus dem späten 17. Jahrhundert v.Chr. belegt. Nur wenig aussagekräftig präsentiert sich der archäologische Befund für die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts v.Chr. Schließlich lassen sich die äußerst fragmentarischen Lehmziegelstrukturen aus den Strata XXII und XXI13 kaum mehr genauer hinsichtlich ihrer ursprünglichen Funktion bestimmen. Nicht gesichert ist zudem, ob Esdūd/Aschdod im 16. Jahrhundert v.Chr. noch immer befestigt war.14 Überhaupt scheint es angesichts der skizzierten spärlichen Funde und Befunde aus der Mittelbronzezeit IIC fraglich, ob die Siedlung in ihrer formativen Phase tatsächlich schon eine maximale Ausdehnung von 5–8 ha erreicht haben kann, wie dies in der bisherigen Forschung15 meist angenommen wurde.

eine Abgrenzung der Mittelbronzezeit IIB–C von ca. 1700 v.Chr. bis 1530 v.Chr. nahe. Vgl. dazu den Überblick bei D. ILAN/R. BONFIL/E. MARCUS (2019) 5–7 (mit Literatur). Über die historischen Entwicklungen während der Mittelbronzezeit IIC in der Levante insgesamt informiert D. VIEWEGER (2019a) 187–190 (dort auch weitere Literatur). Zu Typologie und Oberflächengestaltung der Keramik des 17. und 16. Jahrhunderts v.Chr. siehe R. BONFIL (2019) 77–136. 9 M. DOTHAN/Y. PORATH (1993) Abb. 1:23. 10 Es handelt sich um eine Wandscherbe und zwei Randscherben einer Schüssel. Vgl. M. DOTHAN/ Y. PORATH (1993) Abb. 3:12; Taf. 29:7. Scherbe G3105 wird im Grabungsbericht lediglich erwähnt, ist allerdings nicht abgebildet worden. 11 Über Stratigrafie, architektonische Überreste und Funde informieren M. DOTHAN/Y. PORATH (1993) 18–21; Plan 1 und Abb. 1. 12 M. DOTHAN/Y. PORATH (1993) 19. Vgl. auch R. GREENBERG (2019) 250. 13 Zu Stratigrafie, architektonischen Überresten und Kleinfunden vgl. M. DOTHAN/Y. PORATH (1993) 22–26; Plan 2–3 und Abb. 2–3. 14 Nach M. DOTHAN/Y. PORATH (1993) 23 sind Torhaus und Wallanlage am Ende der durch Stratum XXIII repräsentierten Siedlungsphase destruiert worden. Vgl. zum Ganzen auch A.A. BURKE (2008) 236–237 und R. GREENBERG (2019) 250. 15 Dazu A.A. BURKE (2008) 237; D. BEN-SHLOMO (2009a) 970 und R. GREENBERG (2019) 250.

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

Unabhängig von der Frage nach der genauen Größe lässt sich auf Basis der archäologischen Überreste bei gleichzeitigem Fehlen von relevanten Textquellen nur wenig bezüglich Aschdods historischer Entwicklung in der fraglichen Periode (re-)konstruieren. So ist vor allem auch unklar, durch wen genau es eigentlich gegründet wurde. Kontemporär entstanden an der Levanteküste (wie in etwa in Tell Ǧemme und Tel Haror/Tell Abū Hurēra), in der Schefela (dazu Kapitel 2.2.3) und auch im judäischen Bergland (Kapitel 2.2.4) einige weitere befestigte Siedlungsplätze.16 Dieser Prozess vollzog sich ohne Zweifel vor dem Hintergrund der sozioökonomischen und politischen Rahmenbedingungen während der Herrschaft der asiatischen Hyksos (altägypt. ḥqȝw ḫȝswt, „Herrscher der Fremdländer“) über Ägypten und Palästina als Regenten der 15./16. Dynastie.17 Dass aber auch die Errichtung der ältesten Siedlung von Esdūd/Aschdod tatsächlich auf eine direkte und unmittelbare Intervention der Hyksos zurückzuführen ist, wie dies noch M. Dothan und Y. Porath18 vertreten haben, erscheint ausweislich der wenigen, ihrem Charakter nach gänzlich lokalen Funde nahezu ausgeschlossen.19 Es wäre gut vorstellbar, dass die Gründung der kleinen Siedlung durch die lokal ansässige Bevölkerung erfolgte, wahrscheinlich auf Initiative eines Fürsten, welcher über einen größeren und bedeutenderen Zentralort in der näheren Umgebung wie ʿAsqalān/Aschkelon oder Tel Miqnē/Ekron herrschte. Nach L.E. Stager habe allerdings das in der Mittelbronzezeit gut befestigte und stark prosperierende ʿAsqalān/Aschkelon kaum eine Kontrolle über sein Hinterland ausgeübt und so gut wie keine Satelliten16 Zu den Neugründungen von befestigten Siedlungen an der Küste in der Mittelbronzezeit II vgl. die Synopse bei R. GREENBERG (2019) 225–226 mit weiterer Literatur in den Anmerkungen. 17 Neue Untersuchungen im Rahmen des von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) getragenen Projekts „The Enigma of the Hyksos“ unter Leitung von Prof. Dr. Dr. h.c. Manfred Bietak zeigen, dass die Hyksos schon längere Zeit in Ägypten angesiedelt waren, bevor sie das Land am Nil beherrschen konnten. Dabei ist bereits um 2000 v.Chr. mit einer ersten Migrationswelle aus Vorderasien in das östliche Nildelta zu rechnen, während eine zweite Welle im 19. Jahrhundert v.Chr. einsetzte. Zunächst lebten die Einwanderer in Gemeinschaft mit den Ägyptern und waren als Soldaten, Händler, Seeleute und Spezialisten tätig. Im Gefolge des Macht- und Kontrollverlusts der angestammten ägyptischen Herrscher am Ende des Mittleren Reichs stiegen die Hyksos zu den neuen Herren über das Nildelta auf und regierten von ca. 1646/36–1538/28 v.Chr., womöglich begann ihre Herrschaft aber auch schon im späten 18. Jahrhundert v.Chr. (vgl. zur Chronologie der Hyksos die Diskussion bei T. SCHNEIDER [2018] 277–285). Hatte man in der älteren Forschung eine ursprüngliche Herkunft der Migranten aus der Südlevante vorausgesetzt, lässt sich anhand aktueller Untersuchungen der Architektur von Palästen und Tempeln, die man in Tell el-Dabʿa/Avaris, der Residenzstadt der Hyksos, ergraben hat sowie auf Basis naturwissenschaftlicher Analysen von menschlichen Überresten erkennen, dass die Hyksos zumindest teilweise aus dem Libanon und wohl auch aus Nordsyrien und Mesopotamien einwanderten. Vgl. zum Ganzen die multiperspektivischen Beiträge in M. BIETAK/S. PRELL (2019) sowie die aktuelle Webpräsenz des Projekts „The Enigma of the Hyksos“, https://thehyksosenigma. oeaw.ac.at/ (letztmals abgerufen am: 21.03.2022). Eine Darstellung in monografischer Form zum Phänomen der Hyksosherrschaft bietet jetzt A.-L. MOURAD (2021). C. STANTIS u.a. (2020) 1–14 präsentieren umfangreiche Strontiumisotopenanalysen, auf Basis derer sie versuchen, die ursprünglichen Herkunftsgebiete der Hyksos zu rekonstruieren. 18 So: M. DOTHAN/Y. PORATH (1993) 9. 19 Vgl. M. DOTHAN/Y. PORATH (1993) 20–21; Abb. 1. Unter den Kleinfunden könnte lediglich ein dunkelgrün-schwarzer Jaspis-Skaraboid auf ägyptische Einflüsse hindeuten. Zu diesem Einzelfund siehe B. BRANDL (1993) 129–130 Kat.-Nr. 1.

2.2 Zur Situation in der Mittelbronzezeit IIC

15

siedlungen in seinem Umland unterhalten. Stattdessen sei Aschkelons Ökonomie und Politik vollständig auf das Mittelmeer ausgerichtet gewesen.20 Wenn dem tatsächlich so gewesen ist, dann wäre die Gründung von Esdūd/Aschdod am ehesten auf einen Herrn von Tel Miqnē/Ekron zurückzuführen (dazu auch Kapitel 2.2.3). 2.2.2 Zur Situation im Umland von Esdūd/Aschdod Mit Tel Mōr/Tell Ḫēdar und Tel Poran/Tell el-Farāni sind für das aschdodische Hinterland bisher zwei Siedlungen der (ausgehenden) Mittelbronzezeit II näher erforscht. Der Fundplatz von Tel Mōr/Tell Ḫēdar ist erstmals ca. 50–100 Jahre nach Aschdod bebaut worden, noch in der Mittelbronzezeit IIC oder bereits in der früheren Spätbronzezeit I.21 Aufgrund der nur 1 km von der (heutigen) Küstenlinie entfernten Lage diente die Siedlung in späteren Epochen als Anker- und Umschlagplatz für den maritimen Fernhandel, wobei man mit Esdūd/Aschdod durch den Naḥal Lachisch direkt verbunden war. Die sehr kleine und unbefestigte Niederlassung der Gründungsphase (Stratum XII)22 hat aber mit großer Wahrscheinlichkeit noch nicht die Funktion eines Hafens erfüllt. Zwar implizieren fünf Importgefäße mit offenen Formen (überwiegend Monochrome Ware und Bichrome Ware) aus einem geschlossenen Fundzusammenhang (Grube 166) ökonomische Kontakte mit Zypern,23 doch fehlt jeder Nachweis von Installationen, die mit einer Anlegestelle zu assoziieren sind. Solche Hafenanlagen wären dabei im küstennahen Umland zu vermuten, scheinen jedoch durch die Ausgräber nicht systematisch gesucht worden zu sein.24 Unabhängig davon kann die Gründung von Tel Mōr/Tell Ḫēdar (trotz des Fehlens entsprechender schriftlicher Quellen) am ehesten auf die Einwohner Aschdods zurückgeführt werden. Dies legt erstens die geringe Entfernung von nur 6 km Luftlinie zum Tell von Esdūd/Aschdod nahe. Zweitens lassen sich starke Übereinstim-

20 So zuletzt wieder L.E. STAGER (2018) 19–23 (hier besonders: 19), nach dem ʿAsqalān/Aschkelon lediglich in einem Radius von bis zu 10 km eine Kontrolle über das Hinterland ausgeübt habe. Ganz ähnlich auch G.A. PIERCE/D.M. MASTER (2015) 112. Anders hingegen A.A. BURKE (2008) 125–139 (hier: 127–135), der für die Mittelbronzezeit II eine Herrschaft der Herren von Aschkelon über Esdūd/Aschdod, Tell eṣ-Ṣāfī/Gat und Tel Miqnē/Ekron für plausibel hält. 21 Für eine Datierung in die Mittelbronzezeit IIC optieren M. DOTHAN (1973) 9; M. DOTHAN/ Y. PORATH (1993) 9 und T.J. BARAKO (2007a) 239. Anders hingegen noch M. DOTHAN (1972a) 52 mit einer chronologischen Verortung in die beginnende Spätbronzezeit. M.A.S. MARTIN (2011) 189 weist auf die Funde von zwei zyprischen Schüsseln Base Ring I Ware (T.J. BARAKO [2007a] 239; Abb. 5.3:3.5) und einer Wandscherbe White Slip I/II Ware (T.J. BARAKO [2007a] 239; Abb. 5.5:3) hin, die seines Erachtens für eine Datierung von Stratum XII in die Spätbronzezeit I oder zumindest für ein Ende der Siedlungsphase in dieser Epoche sprechen. 22 Zur Stratigrafie und den architektonischen Überresten siehe T.J. BARAKO (2007a) 12; Plan 2.1. 23 T.J. BARAKO (2007a) Abb. 5.1:1.3; 5.3:3.5; 13.1. Über die in der Levante insgesamt nachgewiesenen Mittelbronze-II-zeitlichen Keramikimporte aus Zypern informiert M. ARTZY (2019a) 145–150. 24 Darüber hinaus hat man auf dem kleinen Tell selbst keinerlei relevante Architektur im Horizont von Stratum XII identifiziert. Vgl. dazu T.J. BARAKO (2007a) 11.239; Plan 2.1–3. Die in Tel Mōr/Tell Ḫēdar (Stratum XII–X) ergrabene mittel- und spätbronzezeitliche Keramik ist in Palästina relativ weit verbreitet und kann mit Funden aus Esdūd/Aschdod (Stratum XIII–XVIII), Tell ed-Duwēr/Lachisch (Stratum VII), Tell el-Ǧazarī/Geser (Stratum XIX–XVII), ꜤĒn-Šems/Bet-Schemesch (Stratum V) sowie Tell el-Bāṭāšī/Timna (Stratum XI–VIII) korreliert werden. Vgl. dazu T.J. BARAKO (2007a) 44–45.

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

mungen zwischen dem bronzezeitlichen keramischen Fundgut von Tel Mōr (Stratum XII–X) und Esdūd/Aschdod (Stratum XXIII–XVIII) erkennen.25 Für das annähernd mittig zwischen Esdūd/Aschdod und ʿAsqalān/Aschkelon gelegene Tel Poran/Tell el-Farāni ist eine Wallanlage in Lehmbauweise nachgewiesen.26 R. Gophna spricht die Fortifikation als frühbronzezeitliches Bauwerk an, welches in der Mittelbronzezeit ertüchtigt und mit einem Erdwall verstärkt worden sei.27 D. Ussishkin datiert die fragliche Konstruktion hingegen vollständig in die Mittelbronzezeit.28 Darüber hinaus hat man in den Jahren 2017 und 2018 am Fuße des kleinen Tells in die Mittelbronzezeit II zu datierende Überreste vor allem von Brotbacköfen und Herdstellen ergraben.29 Für die Ausgräber deuten die freigelegten Funde und Befunde auf die Nutzung des fraglichen Bereichs als temporäres Wohnlager extra muros hin.30 Das im Rahmen von Oberflächenuntersuchungen vor Ort aufgelesene keramische Fundgut ist überwiegend küsteninländisch orientiert und weist keine signifikanten Übereinstimmungen mit der materiellen Kultur von ʿAsqalān/Aschkelon auf.31 Damit scheint Tel Poran am ehesten nach Esdūd/Aschdod hin orientiert gewesen zu sein und könnte als befestigte Siedlung die Via maris beziehungsweise den Abschnitt dieser wichtigen Handelsstraßenverbindung zwischen Aschkelon und Aschdod (D.A. Dorseys Straße I 132) geschützt haben. 2.2.3 Zu den Entwicklungen in der inneren Küstenebene und in der Schefela Das Gebiet zwischen Küste und Bergland ist während des 17.–16. Jahrhunderts v.Chr. durch Tel Miqnē/Ekron (Stratum XI) dominiert worden. Dies impliziert schon allein die beachtliche Größe von ca. 50 ha, welche Ekron in der fraglichen Periode erreicht hat.33 Darüber hinaus bezeugt der in Feld III und Feld X (Unterstadt) freigelegte massive Erdwall mit einer variierenden Stärke von bis zu 18 m nicht nur die umfängliche Befestigung der Siedlung, sondern auch deren übergeordnete Bedeutung während der Mittelbronzezeit II.34 Neben den Fortifikationen ließen sich (bisher) nur sehr wenige architektonische Überreste und geringe Mengen an keramischem Fundgut nachweisen, die im

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So: T.J. BARAKO (2007a) 45.239. Dazu auch M. DOTHAN/Y. PORATH (1993) 9. Bezüglich der Datierung mittels in situ gefundener Keramik vgl. R. GOPHNA (1977) 87–90.293* und R. GOPHNA (1992) 270. 27 Hier nach R. GOPHNA (1992) 267–273. 28 D. USSISHKIN (2018) 71–76 (hier besonders: 72–74). 29 I. TAXEL/N.-S. PARAN/I. WIESSBEIN (2020), https://www.hadashot-esi.org.il/report_detail_eng. aspx?id=25738 &mag_id=128 (letztmals abgerufen am: 18.03.2022). 30 Ebd. 31 So mit Y. HUSTER (2015) 20 und G.A. PIERCE/D.M. MASTER (2015) 112. 32 Vgl. D.A. DORSEY (1991) 59–61. 33 Vgl. S. GITIN/Y. GARFINKEL/T. DOTHAN (2016) 7 Anmerkung 1. A.A. BURKE (2008) 256 schätzt die Größe des mittelbronzezeitlichen Tel Miqnē/Ekron auf ca. 22 ha (ohne die Fläche für die Befestigungsanlagen). Nach A.M. MAEIR/J. UZIEL (2007) 29.36 mit Tab. 1 sei mit einer Fläche von ca. 20 ha zu rechen. 34 Hier mit T. DOTHAN/S. GITIN (2008) 1953 und S. GITIN/T. DOTHAN (2013) 556–557. 26

2.2 Zur Situation in der Mittelbronzezeit IIC

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Wesentlichen aus dem unteren Feld IV stammen. Vier hier freigelegte Körperbestattungen von Kindern deuten auf Wohnbebauung in diesem Gebiet hin.35 In Tell eṣ-Ṣāfī hat im fraglichen Zeitraum eine kleinere befestigte Ansiedlung von ca. 8 ha existiert.36 Wie die Ausgrabungen im Bereich des Areal F (Stratum F1537) zeigen, haben die Bewohner von Gat die frühbronzezeitlichen Befestigungen in der Mittelbronzezeit ertüchtigt. Die Stadtmauer aus Feldstein hatte eine durchschnittliche Stärke von 2,7 m und verfügte über ein vorgelagertes Glacis, das man aus Sand und zerkleinertem Kurkar-Gestein aufgeschüttet hatte.38 Darüber hinaus ist die weitere Beschaffenheit dieser frühen Siedlung noch weitestgehend unbekannt, sodass weitere Ausgrabungen in den nächsten Jahren abgewartet werden müssen. Unabhängig davon spricht A.M. Maeir39 das mittelbronzezeitliche Tell eṣ-Ṣāfī/Gat als Unterzentrum an, welches aufgrund der im Vergleich mit Ekron deutlich geringeren Siedlungsgröße und bescheideneren Fortifikationen den Herren auf dem Tel Miqnē verpflichtet war. Weniger wahrscheinlich sei, dass es von ʿAsqalān/Aschkelon aus beherrscht wurde. Bezüglich der Schefela hatte schon D. Mackenzie bei seinen Ausgrabungen im östlichen Sorek-Tal während der Jahre von 1911–1912 mittelbronzezeitliche Befestigungen in ʿĒn-Šems/Bet-Schemesch entdeckt. Die von ihm als Süd-Tor („South Gate“) bezeichnete Toranlage und eine damit assoziierte Stadtmauer aus Feldsteinen mit einem Oberbau aus Lehmziegeln ist im Jahr 2005 durch S. Bunimovitz und Z. Lederman40 erneut ergraben worden (Areal R2D2, Areal Z). Im Zuge dessen konnte die Datierung der Strukturen in die Mittelbronzezeit II bestätigt werden.41 Die letztgenannten Ausgräber halten es einerseits für denkbar, dass die nur 2,5–2,8 ha große Siedlung von ʿĒn-Šems/BetSchemesch von Tel Miqnē/Ekron abhängig gewesen ist. Andererseits könnte der kleine Weiler aufgrund seiner isolierten geografischen Lage über einen Status relativer politischer Autonomie verfügt haben.42 Im westlichen Teil des Sorek-Tals lässt sich in Tell el-Bāṭāšī/Timna (Stratum XII– XI) eine 2,25–4 ha große Ansiedlung dörflichen Charakters greifen. Wie in ʿĒn-Šems/ Bet-Schemesch hat man auch auf dem Tell el-Bāṭāšī Überreste von mittelbronze-

35 Vgl. dazu S. GITIN/Y. GARFINKEL/T. DOTHAN (2016) 7–8 und A. ZUKERMAN (2016) 83–86 für die Analyse der mittelbronzezeitlichen Keramik aus Stratum XI (unteres Feld IV). Über mittelbronzezeitliche Kinderbestattungen im Gebiet der südlichen Levante informiert allgemein B.A. NAKHAI (2018) 100–128. 36 A.M. MAEIR/J. UZIEL (2007) 31.36 mit Tab. 1; J.R. CHADWICK u.a. (2020) 345.374. 37 Zu Architektur, Stratigrafie und Funden siehe J.R. CHADWICK u.a. (2020) 345–376; Abb. 6.1–32. 38 Vgl. dazu J.R. CHADWICK u.a. (2017) 288–291; Abb. 4–6; E.L. WELCH u.a. (2019) 153.156.161.163; Abb. 8:3–4 und auch A.M. MAEIR (2020b) 12. 39 So: A.M. MAEIR (2012a) 16; A.M. MAEIR (2020b) 12. Siehe auch J.R. CHADWICK u.a. (2017) 291. 40 S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2013) 6–24; Abb. 3–4; S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2016a) 108–117. 41 Hier S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2013) 18–19.20–21 sowie S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2016a) 113–114.116–117 folgend. 42 Vgl. S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2013) 22–23. Vgl. auch D.W. MANOR (2013) 131.

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

zeitlichen Fortifikationen in Erd- und Lehmbauweise freigelegt.43 Nach A. Mazar44 sei das mittelbronzezeitliche Timna entweder politisch selbstständig gewesen, oder wäre durch Tell el-Ǧazarī/Geser beziehungsweise Ekron kontrolliert worden. Ein ganz ähnlicher Befund, welcher die Existenz einer kleinen, befestigten Siedlung bezeugt, präsentiert sich ausweislich der bisherigen archäologischen Untersuchungen im Rahmen der Lautenschläger Expedition auch für Tell Zakarīye/Aseka im Elah-Tal.45 2.2.4 Zur Situation Jerusalems und seines Umlands Die bisherigen archäologischen Untersuchungen in Jerusalem deuten für die Mittelbronzezeit II auf eine eher kleine Siedlung mit einer Größe von 4–5 ha bei vielleicht 500– 1.000 Einwohnern hin.46 Im unmittelbaren Umland, insbesondere in der landwirtschaftlich gut nutzbaren Refaim-Ebene, lässt sich für die fragliche Epoche eine nachgeordnete, rurale Siedlungsstruktur mit kleinen Weilern nachweisen.47 Archäologische Überreste aus der Zeit des mittelbronzezeitlichen Jerusalem sind überwiegend auf dem Südosthügel belegt. Wie neueste Radiokohlenstoffdatierungen zeigen, stammen die in der Davidstadt (Silwan) (Stratum 18, 17B und 17A48) ergrabenen Funde und Befunde aus einem Zeitraum vom 20. bis zum 15. Jahrhundert v.Chr., wobei die Daten auf eine zwischenzeitliche Wüstungsphase im 17. Jahrhundert v.Chr. hindeuten.49 Die Erwähnung Jerusalems als ȝwš mḫȝm in den ägyptischen Ächtungstexten impliziert wiederum eine gewisse Bedeutung zumindest während des 19. Jahrhunderts v.Chr.50 In jedem Fall ist der Siedlungsplatz bereits in der Mittelbronzezeit befes43

Dazu A. MAZAR (1997) 39–41.251–252; A. MAZAR (2013) 438–439; A. MAZAR/N. PANITZ-CO(2019) 88. Zu den architektonischen Überresten aus Areal B siehe A. MAZAR (1997) 34–41; Plan P/S 9; Abb. 6; Foto 20–26. Überreste der Wallanlage und eines vorgelagerten Grabens wurden ebenso in Areal A ergraben. Vgl. diesbezüglich die Ausführungen bei A. MAZAR (1997) 21–23 mit Foto 7. 44 A. MAZAR (2013) 438. Vgl. auch A. MAZAR (2006b) 324. 45 Vgl. zum Ganzen vorläufig O. LIPSCHITS/Y. GADOT/M. OEMING (2017) 16–18. In Ḫirbet Qēyafa könnte während der Mittelbronzezeit eine kleine dörfliche Siedlung existiert haben, worauf nach Y. GARFINKEL/S. GANOR/M.G. HASEL (2014) 14 Funde von einigen hundert Keramikscherben hindeuten. Architektonische Überreste aus der fraglichen Epoche sind bisher nicht bekannt. 46 Für die Berechnung beziehungsweise Schätzung der Bevölkerungszahl und bewohnten Fläche des mittelbronzezeitlichen Jerusalem vgl. M.L. STEINER (2001) 21–22; A. DE GROOT (2012) 148 und H. GEVA (2014) 135–137. 47 Über die im Hinterland von Jerusalem etwa in Naḥal Refaʾim oder el-Māliḥa/Manaḥat ergrabenen mittelbronzezeitlichen Klein- und Kleinstsiedlungen, Gehöfte sowie landwirtschaftlichen Installationen informieren Z. GREENHUT/A. DE GROOT (2009a) 216–217; M. KÖSZEGHY (2015) 24–25.30– 36.39–40 und R. GREENBERG (2019) 238–243 (jeweils mit weiterer Literatur). 48 Zu Stratigrafie und Architektur siehe A. DE GROOT/H. BERNICK-GREENBERG (2012a) 106–123; Plan 49–52; Foto 123–148. 49 Dazu die ausführliche Diskussion der Radiokohlenstoffdatierung bei J. REGEV u.a. (2021) 853– 883; Abb. 1–8 unter Berücksichtigung der weiteren Implikationen für die regionale Chronologie der Mittelbronzezeit. 50 Hier mit O. KEEL (2007) 51–52; M. WEIPPERT (2010) 41 mit Anmerkung 76; M. KÖSZEGHY (2015) 41–42 und K. BIEBERSTEIN (2017) 25 mit Anmerkung 74 gegen N. NAʾAMAN (1992a) 278–279 und D. USSISHKIN (2016) 148. Für die Position, Jerusalems werde in den Ächtungstexten erwähnt, vgl. auch A.M. MAEIR (2017b) *65. HEN

2.2 Zur Situation in der Mittelbronzezeit IIC

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tigt gewesen.51 Diesbezüglich war es im Jahr 1961 K.M. Kenyon52 bei Grabungen in der Davidstadt (Silwan) gelungen, zyklopisches Mauerwerk (Mauer NB [K.M. Kenyon] = Mauer 3 [M.L. Steiner]) nachzuweisen. Nur etwa 100 m südlich hat Y. Shiloh53 in den 1980er Jahren ein weiteres Segment dieser Befestigungen (Areal E, Mauer 285) lokalisiert. Seine mittelbronzezeitliche Datierung der fraglichen Überreste konnte im Rahmen der Endpublikation der Grabungsergebnisse durch A. De Groot und H. Bernick-Greenberg54 bestätigt werden. Bei der Gihon-Quelle, Jerusalems Hauptwasserader nicht nur in dieser Epoche, haben R. Reich und E. Shukron55 mehrere Installationen (wie Tunnel, Kanäle, Wasserbecken) sowie Befestigungen freigelegt und deren Entstehung partiell der Mittelbronzezeit II zugewiesen. Wie J. Regev und andere56 mittels Radiokarbondatierung zeigen konnten, ließ man aber zumindest ein als Quellenturm („Spring Tower“) angesprochenes Defensivbauwerk möglicherweise erst im späten 9. Jahrhundert v.Chr. errichten,57 oder es wurde in diesem Zeitraum umfangreichen Reparatur- beziehungsweise Umbauarbeiten unterzogen.58

51 Dazu R. REICH/E. SHUKRON (2010) 141–153; R. REICH (2011) 284–287; A.M. MAEIR (2017b) *65–*67.*70–*71 (dort auch weitere Literatur) und auch R. GREENBERG (2019) 225.236–238. Für die Gegenposition siehe aber D. USSISHKIN (2016) 135–151. 52 Vgl. K.M. KENYON (1974) 81–84 und M.L. STEINER (2001) 10–12. Anders: D. USSISHKIN (2016) 135–139 und Y. GADOT/J. UZIEL (2017) 124–131; Abb. 2–6 mit einer Verortung von Mauer NB/ Mauer 3 in die Eisenzeit IIB. K. BIEBERSTEIN (2017) 27 verweist auf die Entdeckung von Teilen der mittelbronzezeitlichen Befestigungsmauer durch M.B. Parker in den Jahren 1909–1911, der diese aber nicht als solche erkannt habe. 53 Y. SHILOH (1984) 12 mit Abb. 14. 54 Vgl. A. DE GROOT (2012) 144.147–149 (hier besonders: 147–148); A. DE GROOT/H. BERNICKGREENBERG (2012a) 106–107; Plan 57. Für eine mittelbronzezeitliche Datierung optieren auch Y. GADOT/J. UZIEL (2017) 134–135. Anders aber D. USSISHKIN (2016) 139–141. Die Grabungen von E. Mazar im Gebiet der Davidstadt (Silwan) in den Jahren 2005–2008 förderten keinerlei architektonische Funde aus der Mittelbronzezeit zu tage, jedoch eine gewisse Menge an Keramikfragmenten aus dieser Epoche. Vgl. dazu E. MAZAR (2019a) 45. 55 R. REICH/E. SHUKRON (2004) 211–223; R. REICH/E. SHUKRON (2011a) 17–30; R. REICH (2018) 114–119 und R. REICH/E. SHUKRON/O. LERNAU (2019) 38–44. Vgl. für die Endpublikation der Grabungsergebnisse jetzt R. REICH/E. SHUKRON (2021a) 267–364 mit Abb. 13.1–152. 56 J. REGEV u.a. (2017) 1171–1193 (hier besonders: 1187–1191); Abb. 1–9. Vgl. auch Y. GADOT/ J. UZIEL (2017) 133.135–136; Abb. 10–11, welche darüber hinaus Kanal 2 im späten 9. und frühen 8. Jahrhundert v.Chr. verorten. Eine Datierung des Quellenturms in die Eisenzeit IIB hat auch D. USSISHKIN (2016) 145 vertreten. Nach R. REICH (2018) 114–119 sei aber aus den folgenden Gründen an einer mittelbronzezeitlichen Datierung des fraglichen Bauwerks festzuhalten: 1. Die untersuchten organischen Reste könnten in der Eisenzeit durch Hochwasser unter die nordöstliche Ecke des Turmes gelangt sein. 2. Die für die Radiokarbondatierung entnommenen Proben stammen möglicherweise aus einem Bereich, den man in der Eisenzeit ertüchtigte beziehungsweise reparierte. 3. Die Bautechnik („cyclopean construction“) gleiche anderen mittelbronzezeitlichen Fortifikationen, wie man sie beispielsweise in Tell el-Ǧazarī/Geser, Tell Balāṭa/Sichem und Hebron nachgewiesen hat. 57 Zum Quellenturm vgl. die ausführliche Diskussion bei R. REICH/E. SHUKRON (2004) 212–213; Abb. 2–5; R. REICH/E. SHUKRON (2010) 141–153 und R. REICH/E. SHUKRON (2011a) 17–30. 58 J. REGEV u.a. (2017) 1187–1191.

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

In der Gesamtschau präsentieren sich die bisher identifizierten archäologischen Überreste des mittelbronzezeitlichen Jerusalem als eher spärlich. Ob aber angesichts der wenigen Funde und Befunde aus dieser Epoche das Hauptsiedlungsgebiet auf dem Tempelberg (Ḥaram eš-Šarīf) lokalisiert gewesen ist und nicht in der Davidstadt (Silwan), wie E.A. Knauf und andere59 vorgeschlagen haben, kann zumindest archäologisch nicht belegt werden. Gegen eine solche Lokalisierung scheint jedenfalls die äußerst geringe Menge an mittelbronzezeitlicher Keramik zu sprechen, welche man im Rahmen des Temple Mount Sifting Projects identifiziert hat.60 2.2.5 Zur (Re-)Konstruktion der aschdodisch-judäischen Beziehungen in der Mittelbronzezeit II Im Hinblick auf den sowohl für Aschdod (Kapitel 2.2.1) als auch für Jerusalem (Kapitel 2.2.4) (re-)konstruierten Charakter von kleineren Siedlungen mit allenfalls lokaler Bedeutung sind größere, direkte Interaktionsprozesse während der Mittelbronzezeit II nur wenig wahrscheinlich. Diesbezüglich lassen sich mit Blick auf das Keramikrepertoire aus Esdūd/Aschdod keine relevanten Einflüsse aus dem Bergland erkennen. Handelsbeziehungen mit dem Inland dürfte die Küstensiedlung in dieser Zeit kaum weiter als bis nach Tel Miqnē/Ekron gepflegt haben. Dass es während der fraglichen Periode in Südpalästina überhaupt nur zu spärlichen Austauschprozessen zwischen Inland und Küste gekommen ist, belegt auch die Zusammensetzung der materiellen Kultur in der Schefela. Dahingehend weisen N. Panitz-Cohen und A. Mazar61 auf die Übereinstimmungen der Mittelbronze-II-zeitlichen Keramik von Tell el-Bāṭāšī/Timna mit Ware aus ʿĒn-Šems/Bet-Schemesch, Tell el-Ǧazarī/Geser und Tell ed-Duwēr/Lachisch hin, betonen zugleich aber die kaum vorhandenen Gemeinsamkeiten mit dem keramischen Fundgut aus Esdūd/Aschdod (Stratum XXII–XXI) und anderen Küstenorten. Ein lokal orientiertes Setting präsentiert sich auch für Jerusalem anhand der mittelbronzezeitlichen Funde, wie man sie in der Davidstadt (Silwan) (Stratum 18–17) ergraben hat. Ein wichtiger Indikator für kaum ausgeprägte Kontakte zur Küste ist das fast vollständige Fehlen von Importware aus dem zyprisch-griechischen Raum. Im Hinblick darauf sei auf die Publikation nur eines einzigen Fundes (!) mit zyprischer Herkunft aus der Grabung von Y. Shiloh verwiesen, bei dem es sich um einen Gefäßhenkel mit weißhellgrauem Überzug (White Painted IV Ware)62 handelt. Weiterhin repräsentativ ist die Identifikation von nur fünf Knochen an Speisefisch aus dem Mittelmeer,63 welche wahrscheinlich Intrusionen aus den jüngeren eisenzeitlichen Strata darstellen und die somit nicht als Belege für Handelsbeziehungen zwischen Bergland und Küste in der fraglichen Periode zu bewerten wären.64 59 E.A. KNAUF (2000) 75–90 (hier: 67.87); I. FINKELSTEIN/I. KOCH/O. LIPSCHITS (2011) 7–13 (hier: 10–11). Vgl. auch I. FINKELSTEIN (2016) 4. Kritisch dazu aber H. GEVA/A. DE GROOT (2017) 32–49. 60 Hier H. GEVA/A. DE GROOT (2017) 35–37 und A.M. MAEIR (2017b) *66 folgend. 61 N. PANITZ-COHEN/A. MAZAR (2006) 123. 62 E. EISENBERG (2012) Abb. 7.8:16. 63 H. LERNAU/O. LERNAU (1992) 139 Tab. 5. 64 Für die Annahme, es handele sich um Intrusionen aus eisenzeitlichen Siedlungsschichten, spricht die nur kleine Zahl an Funden. Zudem ließen sich bei den aktuellen Grabungen in der Davidstadt

2.3 Zur Situation in der Spätbronzezeit I–II

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Im Lichte der Funde und Befunde lassen sich somit für die Mittelbronzezeit II allenfalls sehr sporadische ökonomische Beziehungen (Interaktionsebene I) zwischen den judäischen Bergen und der südwestpalästinischen Küste greifen, während etwa kulturelle Verflechtungen (Interaktionsebene II) oder administrative Beziehungen/ diplomatisch-politische Interaktionen (Interaktionsebene III) nicht nachzuweisen sind. Etwaige Handelskontakte zwischen Aschdod und Jerusalem müssen in der fraglichen Periode dabei über Tel Miqnē/Ekron vermittelt worden sein. Schließlich dürfte Ekron aufgrund seiner Größe und Bedeutung im 17. und 16. Jahrhundert v.Chr. (Kapitel 2.3.4) am ehesten die Funktion des zentralen Handelsplatzes in der Region erfüllt haben.

2.3 Zur Situation in der Spätbronzezeit I–II 2.3 Zur Situation in der Spätbronzezeit I–II

2.3.1 Zur Entwicklung der Siedlung auf dem Tell von Esdūd/Aschdod Ähnlich wie die mittelbronzezeitlichen Siedlungsschichten (Kapitel 2.2.1) sind die in die Spätbronzezeit I (ca. 1550–1400 v.Chr.) zu datierenden archäologischen Strata am Fundplatz von Esdūd/Aschdod bisher in nur äußerst geringem Umfang ergraben worden. Entsprechende Überreste konnten ausschließlich in der Oberstadt (Areal G [Stratum XX–XVII]65 und Areal B [Stratum XVIII–XVII]66) lokalisiert werden. Nimmt man die Zusammensetzung des keramischen Fundguts als Indikator, welches überwiegend aus lokaler Ware wie Kochtöpfen, Schüsseln und Krügen besteht,67 dürfte in den fraglichen Bereichen wahrscheinlich Wohnbebauung existiert haben. Im Hinblick auf mögliche Fortifikationen sprechen die Ausgräber zwei in Areal G (Stratum XVII) freigelegte Mauerzüge in paralleler Anordnung (Mauer 4222; Mauer 4251) als Bestandteile einer Befestigung an.68 Allerdings sind die relevanten Strukturen nur in einem sehr kleinen Bereich identifiziert worden, sodass diese Deutung als nicht gesichert gelten kann. In der Gesamtschau präsentiert sich die Ansiedlung der Spätbronzezeit I auf dem Tell von Esdūd/Aschdod als von untergeordneter Bedeutung, was nicht zuletzt durch die geringe Menge an publizierten Keramikimporten bestätigt wird.69

(Silwan) unter Leitung von Y. Gadot und J. Uziel (bisher) überhaupt keine in die Mittel- oder Spätbronzezeit zu datierenden Knochen von Speisefischen aus dem Mittelmeer ergraben (Y. Gadot, persönlicher Kommentar [Juli 2021]; J. Uziel, persönlicher Kommentar [Juli 2021]). Zu den archäozoologischen Funden aus der Eisenzeit siehe Kapitel 2.5.5, 2.6.7 und 2.7.7. 65 M. DOTHAN/Y. PORATH (1993) 27–36; Plan 4–5. 66 Zu Stratigrafie, Architektur und Funden vgl. M. DOTHAN (1971) 78–83; Plan 6–7. 67 M. DOTHAN (1971) Abb. 31:1–21; 32–34; 35:1–14; M. DOTHAN/Y. PORATH (1993) Abb. 4–5; 6:1–16; 7:1–16; 8. 68 So: M. DOTHAN/Y. PORATH (1993) 35. 69 Die wenigen Importe umfassen mehrheitlich zyprische Ware. Vgl. M. DOTHAN (1971) Abb. 31:13–14; 34:11–12; M. DOTHAN/Y. PORATH (1993) Abb. 6:13–14; 8:22; Taf. 31:15; 32:6. Einige mykenische Importe wurden in Areal B (Stratum XVII) ergraben. Dazu M. DOTHAN (1971) Abb. 35:1–2.4–7.10; Taf. XXXI:4–6.8–9. Über die in der Südlevante nachgewiesenen spätbronzezeitlichen Keramikimporte aus Zypern informiert allgemein M. ARTZY (2019b) 339–382.

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

Abb. 3: Plan des Tells von Esdūd/Aschdod mit Lage der Grabungsareale (© David Ben-Shlomo).

In der Spätbronzezeit II (ca. 1400–1150 v.Chr.), genauer während des 13. und 12. Jahrhunderts v.Chr., erreichte Aschdod eine Größe von bis zu 8 ha, blieb aber unbefestigt.70 Funde und Befunde aus diesem Zeitraum hat man in mehreren Bereichen der Oberstadt (Areale A, B, G und H) nachgewiesen, nicht aber in der Unterstadt (Abb. 3). Aus Areal A (Stratum XIV)71 ist lediglich eine ca. 85 cm starke Asche- und Schuttschicht ohne Architektur belegt, die mit keramischem Fundgut der Spätbronzezeit II durchsetzt war.72 Ein eher wenig aussagekräftiges Bild präsentiert sich für Areal H, wo man die archäologischen Schichten der Spätbronzezeit II kaum ergraben hat.73

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D. USSISHKIN (1990) 76.88 Anmerkung 2; I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2001) 235; H.M. NIEMANN (2002) 75–76 und H.M. NIEMANN (2013) 250 Tab. 1. 71 Vgl. M. DOTHAN (1971) 25–26; Plan 1; Taf. I:2. 72 Hier mit M. DOTHAN (1971) 25 sowie M. DOTHAN (1979) 126. 73 Zu Stratigrafie, den architektonischen Überresten und Funden informieren R. HACHLILI (1971b) 155–158; Plan 20; Abb. 82:2–9; 83; A. MAZAR/D. BEN-SHLOMO (2005) 11–20; Plan 2.1–4; Abb. 2:1– 10; D. BEN-SHLOMO (2005b) 65–81; Abb. 3.2–9. Vgl. auch D. BEN-SHLOMO (2003) 85–87; Abb. 1. Hinsichtlich der lokalen Schicht H6 konnte in der bisherigen Forschung kein Konsens erzielt werden, ob diese dem spätbronzezeitlichen Stratum XIV (I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ [2001] 234–235; I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ [2004] 122–124) oder dem Eisen-I-zeitlichen Stratum XIII zuzurechnen ist (D. BEN-SHLOMO [2005a] 3.7.9; Tab. 1.1; A. MAZAR/D. BEN-SHLOMO [2005] 13–20). Für eine spätbronzezeitliche Datierung spräche zumindest die Zusammensetzung des keramischen Fundguts, da 76% der insgesamt 529 ausgewerteten Scherben voreisenzeitlich einzuordnen sind. Nur 18% der Scherben sind als in die frühe Eisenzeit zu datierende Mykene IIIC:1b-Keramik zu beschreiben,

2.3 Zur Situation in der Spätbronzezeit I–II

23

In Areal B (Stratum XVI–XIV)74 hingegen ließ sich ein größeres rechteckiges Hofhaus mit mehreren Bauphasen identifizieren. Obwohl M. Dothan und D.N. Freedman75 das Bauwerk als öffentliches Gebäude angesprochen haben, deuten sowohl die ebenda identifizierten Installationen (Brotbacköfen und Silos) als auch charakteristische Funde wie ein Mahlstein76 und vier Spinnwirtel77 eher auf die Nutzung als Privathaus hin.78 Dass in Aschdod während der Spätbronzezeit II Fürsten mit wenigstens lokaler Bedeutung residierten,79 implizieren möglicherweise nicht nur die zwei Amarna-Briefe EA 294 und EA 296 (siehe dazu Kapitel 2.3.6), sondern auch ein in Areal G freigelegtes Gebäude mit mehreren Bauphasen (Stratum XVI–XIV).80 Weitere solcher aufgrund ihrer Größe und Architektur als „Herrenhäuser“ angesprochene Bauwerke sind im spätbronzezeitlichen Palästina etwa noch in Tell el-Bāṭāšī/Timna (dazu Kapitel 2.3.4), ʿĒnŠems/Bet-Schemesch (Kapitel 2.3.4) sowie Tell Bēt Mirsim nachgewiesen.81 Obwohl M. Dothan und Y. Porath82 das fragliche Haus in Esdūd/Aschdod als befestigten Palast („fortified palace“) und Residenz eines ägyptischen Gouverneurs („egyptian governor’s residence“) gedeutet haben, hat es sich wohl eher um den Wohnsitz eines lokalen Herren gehandelt. Dafür sprechen das (fast) vollständige Fehlen von ägyptischen beziehungsweise ägyptisierenden Kleinfunden, insbesondere auch von größeren Mengen an ägyptischer Keramik. Darüber hinaus zeigt die Architektur des Hauses keinerlei ägyptische

wobei es sich wahrscheinlich um Intrusionen aus der jüngeren lokalen Schicht H5 handelt. Siehe dazu D. BEN-SHLOMO (2005b) 78; Abb. 3.4. 74 Für Stratigrafie, Architektur und Funde vgl. M. DOTHAN/D.N. FREEDMAN (1967) 74–83; Plan 4– 5; Abb. 17–25; M. DOTHAN (1971) 83–84; Abb. 34:7; 35:15–18; 36:1. 75 M. DOTHAN/D.N. FREEDMAN (1967) 76 und M. DOTHAN (1969) 18. 76 Registrierungsnummer: B267/61. 77 M. DOTHAN/D.N. FREEDMAN (1967) Abb. 18:4–7. 78 Für die Position, es handele sich bei dem Gebäude um ein Privathaus, vgl. P.M.M. DAVIAU (1993) 314 und E. NOORT (1994) 142. Vgl. auch den Kommentar bei D. BEN-SHLOMO (2013a) 69: „Such houses […] represent a long tradition of extended family residences“. 79 Zur Bedeutung der ägyptischen Oberherrschaft über Palästina in der Spätbronzezeit und deren Einfluss auf die demografischen und sozioökonomischen Gegebenheiten siehe N. PANITZ-COHEN (2014) 541–560; C. FREVEL (22018) 45–48 und R. GREENBERG (2019) 272–353 (mit weiterer Literatur). Vgl. zur Entwicklung insgesamt auch D. VIEWEGER (2019a) 191–248. 80 M. DOTHAN/Y. PORATH (1993) 38–41.43–49; Plan 6–7 informieren ausführlich über Stratigrafie, architektonische Überreste und Fundgut. Für die Ausgräber erwies sich die genaue stratigrafische Differenzierung der einzelnen Bauphasen des Gebäudes als problematisch: „Sometimes it was difficult to differentiate between walls built in Stratum XV and walls repaired in Stratum XIV […]“ (M. DOTHAN/Y. PORATH [1993] 47). Vgl. dazu auch den Kommentar bei I. FINKELSTEIN/L. SINGERAVITZ (2001) 234: „All in all, the only safe statement regarding the Late Bronze remains in Area G would be that we are dealing with a large Late Bronze II building featuring several phases“. 81 Vgl. D. VIEWEGER (2019a) 224 Anmerkung 328 für Referenzen zu den einzelnen Ortslagen. Zum fraglichen Gebäudetyp siehe auch E.D. OREN (1984) 37–56; E.D. OREN (1992) 105–121 und Z. KAFAFI (2002) 20–30. E.F. MORRIS (2005) 343–611 mit Abb. 28–45 informiert umfassend über die militärische Grenzsicherung Ägyptens in Syro-Palästina während der Zeit der 19. Dynastie. 82 M. DOTHAN (1993a) 96; M. DOTHAN (1993c) 54; M. DOTHAN/Y. PORATH (1993) 10– 11.39.41.48. K.A. KITCHEN (1993) 110 denkt eher an eine militärische beziehungsweise administrative Niederlassung von kleinerem Umfang, die man nur temporär genutzt hat.

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

Einflüsse und überhaupt wird für die relevante Epoche in den ägyptischen Quellen kein in Aschdod residierender Beamter aus dem Land am Nil erwähnt.83 Mit Blick auf die ökonomischen Beziehungen während der Spätbronzezeit II ist Aschdod in mehreren ugaritischen Texten als ein wichtiger Produktionsort für purpurgefärbte Textilien bezeugt (vgl. dazu die ausführliche Diskussion der relevanten Texte in Kapitel 2.3.3). Auf dem Tell selbst ließen sich zwar keine relevanten Überreste von Installationen ergraben, die mit dem Purpurfärbereihandwerk assoziiert waren, doch sind die entsprechenden Produktionsorte aufgrund des Bedarfs an Purpurschnecken ohnehin im Umland zu lokalisieren, unmittelbar an der Küste (siehe dazu das folgende Kapitel). Darüber hinaus pflegte Aschdod ausweislich des keramischen Inventars kommerzielle Beziehungen insbesondere mit Kreta, Zypern und Siedlungen der mykenischen Kultur auf dem griechischen Festland. Dahingehend repräsentativ ist etwa ein minoisches Steigbügelgefäß,84 welches man ausweislich seines geochemischen und mineralogisch-petrografischen Profils im westlichen Kreta hergestellt hat.85 Aus dem östlichen Zypern wiederum stammen beispielsweise drei mittels Neutronenaktivierungsanalyse (NAA) untersuchte Gefäße mit weißem Überzug.86 Zudem haben die Ausgräber einige Funde von mykenischer Keramik publiziert, unter denen die bemalte Wandscherbe eines Kraters (SH IIIB) besonders hervorzuheben ist, welche einen Wagenlenker zeigt.87 83

Zur Beobachtung vgl. auch D. BEN-SHLOMO (2013a) 69. Lediglich das Fragment eines Türpfostens aus Kurkar-Stein (K.A. KITCHEN [1993] 109–110; Abb. 37; Taf. 47:1) mit einer unvollständigen hieroglyphischen Inschrift lässt einen gewissen politischen Einfluss Ägyptens in Aschdod während der Spätbronzezeit erkennen. Das Objekt wurde ex situ in einem Fundkontext der späten Eisenzeit I (Stratum XII–XI) identifiziert (vgl. M. DOTHAN/Y. PORATH [1993] 80–81). Nach K.A. KITCHEN (1993) 109 verweise die Inschrift auf einen „Wedelträger zur rechten Seite des Königs“. Ein solcher höfischer Titel bezieht sich nach W. HELCK (1958) 281–284; R. GUNDLACH (2006) 37 und C. RAEDLER (2006) 52.55 ab der Zeit des Neuen Reiches bis zum 7. Jahrhundert v.Chr. auf Würdenträger verschiedenster Funktionen (besonders Wesire, aber auch Vizekönige und Prinzen). Dazu auch die monografische Spezialstudie von I. POMORSKA (1987). Potenzielle Identifikationen des auf dem Türpfostenfragment aus Aschdod Erwähnten diskutieren M. DOTHAN/Y. PORATH (1993) 10–11. Kritisch gegenüber einer historischen Auswertung argumentiert hingegen K.A. KITCHEN (1993) 110. Für weitere Angaben zum Fundobjekt, Umschrift, Übersetzung und Bibliografie siehe Appendix II.1. Zu einem kleinen ramessidischen Statuenfragment (24 x 17,7 cm; h: 14,5 cm) aus weißem Kalkstein, welches man einige Kilometer nördlich des Tells von Esdūd/Aschdod aufgelesen hat, vgl. A.R. SCHULMAN (1993) 111–114 und G. TUCCI (2016) 96–97. Für weitere Angaben, Umschrift, Übersetzung und Bibliografie siehe Appendix II.2. 84 D. BEN-SHLOMO (2005b) Abb. 3.1:10. 85 So mit D. BEN-SHLOMO/E. NODAROU/J.B. RUTTER (2011) 329–353 (hier: 115). Weitere solcher kretischen Gefäße sind auch in Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam (Süd) ergraben worden und dürften mit dem dortigen Weingut zu verbinden sein. Siehe dazu Kapitel 2.3.2. 86 Vgl. I. PERLMAN/F. ASARO/J.D. FRIERMAN (1971) 218–219. Weitere Funde an zyprischer Keramik (Ware mit weißem Überzug und sogenannte Base-Ring II Ware) stammen aus den Arealen B (M. DOTHAN/D.N. FREEDMAN [1967] Abb. 21:2–5.8; 23:9.11–14) sowie G (M. DOTHAN/Y. PORATH [1993] Abb. 10:14; 12:2–3.14) und K (D. BEN-SHLOMO [2005b] Abb. 3.1:19). 87 D. BEN-SHLOMO (2005b) Abb. 3.1:2. Für die im lokalen Stratum H6 ergrabene Mykene IIIC:1Keramik siehe D. BEN-SHLOMO (2005b) 65–70; Abb. 3.2–3 und für die mykenische Importkeramik aus den spätbronzezeitlichen Strata in den Arealen B und G hingegen M. DOTHAN/D.N. FREEDMAN

2.3 Zur Situation in der Spätbronzezeit I–II

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Unter politischen Gesichtspunkten waren die Herren von Aschdod zumindest im 13. und 12. Jahrhundert v.Chr. möglicherweise direkt der ägyptischen Verwaltung in Palästina verpflichtet, wofür die Existenz einer ägyptischen Garnison in Tel Mōr/ Tell Ḫēdar (Kapitel 2.3.2), nahe bei Esdūd/Aschdod, sprechen könnte. Vielleicht stand man zusätzlich auch noch in einem Abhängigkeitsverhältnis zu den in dieser Epoche mächtigen Fürsten von Tell eṣ-Ṣāfī/Gat (dazu Kapitel 2.3.4 und 2.3.7). Für das Ende der spätbronzezeitlichen Siedlung sowie den Übergang zur Eisenzeit I ergibt sich ein differenzierter Befund mit einer partiellen Destruktion in der Zeit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts v.Chr. Während in Areal H keine Zerstörungsspuren greifbar sind,88 hat man in den aneinander angrenzenden Arealen A und B eine umfangreiche Brandschicht ergraben.89 Das Areal G dominierende Residenzgebäude wurde zwar teilweise devastiert, doch einige Bereiche des Hauses nutzte man in der Eisenzeit IA (Stratum XIII, siehe dazu auch Kapitel 2.4.1) weiter.90 Die Ausgräber um M. Dothan91 haben die nachgewiesenen Destruktionen mit militärischen Konflikten im Zuge der Migration von Seevölkerverbänden beziehungsweise Philistern nach Südpalästina assoziiert. Doch mit Blick auf den differenzierten archäologischen Befund, wie er für das ausgehende 12. Jahrhundert v.Chr. nicht nur für Esdūd/Aschdod bezeugt ist, sondern auch für ʿAsqalān/Aschkelon,92 Tel Miqnē/Ekron (Kapitel 2.3.4) und Tell eṣṢāfī/Gat (Kapitel 2.3.4), kann nicht von einem Szenario der rein militärischen Kolonisation der Südlevante durch „kriegerische Philister“ ausgegangen werden. Tatsächlich muss in der Transitionsphase zur Eisenzeit I mit deutlich komplexeren Migrationsphänomenen gerechnet werden, wobei es nur partiell zu gewaltsamen Auseinandersetzungen gekommen ist.93 Überhaupt stellt sich die Frage, ob die vorhandenen Zerstörungsschichten nicht zumindest teilweise durch lokale Konflikte entstanden sind, welche sich

(1967) Abb. 21:6–7.9–17; 24; M. DOTHAN (1971) Abb. 36:6 und M. DOTHAN/Y. PORATH (1993) Abb. 12:13.19. 88 M. DOTHAN (1971) 155 und D. BEN-SHLOMO (2005a) 3.13. 89 Siehe M. DOTHAN/D.N. FREEDMAN (1967) 81 und M. DOTHAN (1971) 25. 90 Hier M. DOTHAN/Y. PORATH (1993) 42.47 folgend. Vgl. zum Gesamtbefund auch den Kommentar bei J.M. MILLEK (2017) 122: „[…] [T]here is little evidence to say that Ashdod underwent a complete destruction at the end of the Late Bronze Age nor does it appear to have been violently destroyed by an invading army“. 91 Vgl. etwa M. DOTHAN (1979) 125–134; M. DOTHAN (1989) 65–85 und M. DOTHAN (1993a) 96. 92 Bei den Ausgrabungen in ʿAsqalān/Aschkelon im Rahmen der Leon Levy Expedition ließen sich überhaupt keine Zerstörungsspuren für die Zeit des Übergangs von der Spätbronze- zur Eisenzeit nachweisen (vgl. dazu L.E. STAGER u.a. [2008] 256–258.304.306). Zwischen 1920–1922 waren kleinere Bereiche des Tells durch J. Garstang und W.J. Phythian-Adams archäologisch untersucht worden. Dabei konnte Phythian-Adams zwischen den spätbronzezeitlichen und eisenzeitlichen Strata eine Zerstörungsschicht lokalisieren, was allerdings durch das Team der Leon Levy Expedition nicht verifiziert werden konnte. Siehe dazu J.D. SCHLOEN (2008) 156 (mit Referenzen). 93 Vgl. dazu und zum Folgenden F. HAGEMEYER (2023c) (im Druck). I. KOCH (2020) 7–31 bietet eine vor allem auf den Texten der Samuelbücher basierende historische Auswertung der biblischen Darstellung der Philister. Zu den in der aktuellen Forschung bezüglich der Seevölker stark diskutierten Identitätskonzepten beziehungsweise -konstruktionen siehe A.M. MAEIR (2020a) 161–170 (dort auch weitere Referenzen).

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

aufgrund des fortschreitenden Zerfalls der ägyptischen Oberherrschaft über Palästina entluden.94 2.3.2 Zur Situation im Umland von Esdūd/Aschdod Im Umland von Aschdod lassen sich für die Spätbronzezeit relevante Siedlungen an den Fundplätzen von Tel Mōr/Tell Ḫēdar und Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam (Süd) greifen. Die Beschaffenheit des Siedlungscharakters von Tel Poran/Tell el-Farāni ist für diese Epoche hingegen (weitestgehend) unbekannt. Analog zur Situation für Esdūd/Aschdod lässt sich archäologisch über Tel Mōr/ Tell Ḫēdar (Stratum XI–X)95 in der Spätbronzezeit I nur wenig sagen. Schließlich haben sich aufgrund von Erosionsprozessen keine nennenswerten Überreste erhalten.96 Mit Blick auf die älteste Siedlungsschicht (Stratum XI) hat M. Dothan Funde von etwas Keramik97 und einem Dammhirschgeweih (Dama mesopotamica)98 als Überreste einer Kulthöhe (hebr. bāmāh, Locus 118) gedeutet.99 Aufgrund des vollständigen Fehlens von relevanter Architektur dürfte diesem Platz aber allenfalls eine sehr begrenzte Bedeutung zugekommen sein.100 Erst im Horizont der nachfolgenden archäologischen Schicht (Stratum IX101) ist ein größeres, rechteckiges Gebäude in Lehmziegelbauweise (Gebäude A) am Nordrand des Tells errichtet worden, welches aufgrund der Keramikfunde in die Spätbronzezeit II (14. Jahrhundert v.Chr.) zu datieren ist.102 Hinsichtlich der großen Zahl an darin nachgewiesenen Vorratskrügen handelte es sich möglicherweise um ein Lagerhaus,103 was als Indiz für die Funktion von Tel Mōr/Tell Ḫēdar als (kleinerer) Hafen von Aschdod gewertet werden kann. Nach einer Destruktion von Stratum IX hat man am Beginn des 13. Jahrhunderts v.Chr.104 mehrere kleine Nebengebäude und ein neues annähernd 22 x 22 m großes

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Vgl. F. HAGEMEYER (2023c) (im Druck). Siehe zur Diskussion der in der Levante für die ausgehende Spätbronzezeit nachgewiesenen Zerstörungshorizonte auch die Ausführungen bei J.M. MILLEK (2017) 113–140 und J.M. MILLEK (2021) 59–98 sowie jeweils die dort angegebene Literatur. 95 Über Stratigrafie, Architektur und Fundgut informiert T.J. BARAKO (2007a) 15.239; Plan 2.1; Abb. 2.3; 13.2. 96 Vgl. T.J. BARAKO (2007a) 15 und ebenso M.A.S. MARTIN (2011) 189. 97 Es handelt sich um sechs Miniaturgefäße (T.J. BARAKO [2007a] Abb. 3.5:3–8), zwei Kelche (T.J. BARAKO [2007a] Abb. 3.12:6.9), eine Öllampe (T.J. BARAKO [2007a] Abb. 3.30:1) sowie einen schmalen ovoiden Krug (T.J. BARAKO [2007a] Abb. 4.10:1). 98 T.J. BARAKO (2007a) Abb. 11.2. 99 So: M. DOTHAN (1959) 271; M. DOTHAN (1993b) 1073. Vgl. zum Ganzen auch R. GREENBERG (2019) 281.284. 100 So auch schon T.J. BARAKO (2007a) 239. 101 Zu Stratigrafie, Funden und Befunden vgl. T.J. BARAKO (2007a) 15–19; Abb. 2.4–12; 13.3; Plan 2.1. 102 Vgl. T.J. BARAKO (2007a) 240 mit Abb. 13.3. 103 Hier M. DOTHAN (1972a) 52; M. DOTHAN (1993b) 1073 und T.J. BARAKO (2007a) 17.241 folgend. 104 M. DOTHAN (1993b) 1073 verbindet diese Destruktion mit einer Operation des Sethos I. (1290– 1279 v.Chr.) gegen die Šȝśw. Vorsichtiger argumentiert hingegen T.J. BARAKO (2007a) 241.

2.3 Zur Situation in der Spätbronzezeit I–II

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Zentralgebäude (Gebäude B, Stratum VIII–VII105) errichtet. Letzteres lässt klare ägyptische Einflüsse wie beispielsweise die Verwendung der ägyptischen Königselle als Längenmaß106 erkennen. Nach einer kürzeren Wüstungsphase ist für das frühe 12. Jahrhundert v.Chr.107 ein ägyptischer Festungsturm (ein sogenannter Migdol108 [Stratum VI–V, Gebäude F 109]) nachweisbar, den man schließlich im Verlauf der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts v.Chr. aufgegeben hat.110 Mit Blick auf die in den Texten aus Ugarit mehrfach belegten purpurgefärbten Textilien aus Aschdod (dazu das folgende Kapitel) könnte Tel Mōr/Tell Ḫēdar möglicherweise als einer der Herstellungsorte gedient haben. Darauf scheinen zumindest Funde von Gehäusen der Purpurschnecke (Herkuleskeule, bolinus brandaris) in den spätbronzezeitlichen Siedlungsschichten hinzudeuten, bei denen es sich allerdings um Streufunde handelt.111 Weitere Produktionsstätten sind in den küstennahen Gehöften und Kleinsiedlungen in der näheren Umgebung zu lokalisieren.112 Ungeachtet dessen kann es aufgrund des architektonischen Befunds und der potenziellen Erwähnung in

105 T.J. BARAKO (2007a) 20–26.241–242; Plan 2.4; Abb. 2.13–14.18–22; 13.4 diskutiert Stratigrafie, Architektur und Fundgut. Zur ägyptischen Keramik siehe auch M.A.S. MARTIN (2011) 191– 193. 106 Über weitere ägyptische Merkmale informiert T.J. BARAKO (2007a) 22–24.241 (mit Referenzen) ausführlich. Siehe ebenso M.A.S. MARTIN (2011) 189 und D. VIEWEGER (2019a) 225. 107 Nach M. DOTHAN (1993b) 1073 gehe die der Wüstungsphase vorangehende Destruktion entweder auf den Merenptah-Feldzug von 1195 v.Chr. oder auf das Eindringen israelitischer Stämme im Zuge der Landnahme zurück. Zur Exegese und historischen Auswertung jener biblischen Texte, welche Aschdod und sein Umland im Zuge der Landnahmeerzählung thematisieren (Jos 11,21–22; 13,2–6; 15,45–47 und Ri 1,18–19 G), siehe Kapitel 3.2. 108 So: M. DOTHAN (1993b) 1024; T.J. BARAKO (2007a) 27–28.244 und T.J. BARAKO (2007b) 511– 512. 109 Zu Stratigrafie, den architektonischen Überresten und Funden informiert T.J. BARAKO (2007a) 26–32.243–244; Plan 2.5; Abb. 2:23–30; 13:5 und zum Ganzen auch R. GREENBERG (2019) 307. M. DOTHAN (1981) 152 und T.J. BARAKO (2007a) 245–246; Tab. 13.2 korrelieren das Fundgut von Tel Mōr/Tell Ḫēdar (Stratum V) (keine Funde von monochromer Philisterkeramik I) mit dem von Esdūd/Aschdod (Stratum XIII) (zahlreiche Funde von Philisterkeramik I). Damit setzen beide eine Koexistenz des ägyptischen Stützpunkts von Tel Mōr und der frühen philistäischen Siedlung auf dem Tell von Esdūd/Aschdod voraus. Anders hingegen: E.H. CLINE/A. YASUR-LANDAU (2009) 4–5; Tab. 2, nach denen Tel Mōr/Tell Ḫēdar (Stratum VI–V) gleichzeitig mit Esdūd/Aschdod (Stratum XVI–XV) existiert habe. Nach einer Siedlungslücke sei Tel Mōr/Tell Ḫēdar erst wieder vom 12. bis in das frühe 11. Jahrhundert v.Chr. (= Stratum IV) zeitgleich mit Esdūd/Aschdod (Stratum XII) besiedelt gewesen. Somit habe ihres Erachtens die philistäische Besiedlung Aschdods erst nach dem Ende der ägyptischen Kontrolle in der Region eingesetzt (vgl. ebd.). 110 Vgl. T.J. BARAKO (2007a) 32.244. M.A.S. MARTIN (2011) 195 optiert für ein Ende zwischen 1170–1130 v.Chr. 111 Zu den Funden vgl. D.S. REESE (2007) 233–238 (hier besonders: 233; Tab. 12.1). 112 Auf Basis von Oberflächenuntersuchungen sind für die Spätbronzezeit II in einem Radius von 6,5 km um den Kulturschutthügel von Esdūd/Aschdod mindestens acht Siedlungen mit einer Größe von bis zu 1 ha sowie eine weitere Siedlung mit einer Größe von 1–3 ha nachweisbar, welche mit verschiedensten ökonomischen Aktivitäten zu verbinden sind. Vgl. dazu M. JASMIN (2006) 166; Abb. 3.

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

einer topografischen Liste des Ramses II. (ca. 1279–1213 v.Chr.) aus ʿAmāra (West)113 als sicher gelten, dass Tel Mōr/Tell Ḫēdar im 13. und 12. Jahrhundert v.Chr. als ägyptischer Stützpunkt mit administrativen und militärischen Aufgaben fungierte.114 Dessen Errichtung ist dabei vor dem Hintergrund einer verstärkten Militärpräsenz Ägyptens in der zentral- und südpalästinischen Küstenebene während der Herrschaft der 19. Dynastie zu sehen.115 Letztlich dürfte von Tel Mōr aus vor allem auch die Vasallentreue der Herren von Aschdod gesichert worden sein, die das strategisch bedeutende Küstengebiet zwischen Yafā/Jafo und ʿAsqalān/Aschkelon kontrollierten. Bei Ausgrabungen der Israelischen Altertumsbehörde (IAA) in den Jahren 1994 und 1995116 wurde in Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam (Süd), nur 1 km südwestlich des Tells von Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam, ein bis dahin unbekannter Fundplatz entdeckt.117 Ebenda hat man neben anderen Installationen vor allem sieben mit Muschelkalk verputze Becken aus Kurkar-Stein (Areal A) freigelegt,118 die zum Keltern von Wein dienten. Zudem ließ sich ein großer Gebäudekomplex (30 x 35 m) aus Lehmziegeln (Areal B)119 ergraben, der über mindestens 13 kleinere Räume und neun Innenhöfe beziehungsweise offene Plätze verfügte. Während das keramische Fundgut zu 84% als lokal bestimmbar ist,120 belegen die nachgewiesenen Importe vor allem Kontakte mit Kreta, Zypern, Siedlungen auf dem griechischen Festland und Ägypten.121 In der Gesamtschau kann Mīnet 113 Vgl. T.J. BARAKO (2007a) 4–5 und T.J. BARAKO (2013) 43. Zum fraglichen Toponym siehe auch K.A. KITCHEN (1996) 75 und K.A. KITCHEN (1999) 127. Zum Gesamtbestand der bildlichen Szenen und Inschriften auf den Säulen und Wänden des Tempels von ʿAmāra (West) vgl. P. SPENCER (2016). 114 T.J. BARAKO (2007a) 22–23.241; M.A.S. MARTIN/T.J. BARAKO (2007) 252–253. Vgl. auch M. DOTHAN (1981) 151–153 und M. DOTHAN (1993b) 1073. E.H. CLINE/Y. LANDAU (2009) 2–4 folgern angesichts des Anteils von nur 7% ägyptischer und ägyptisierender Keramik am gesamten keramischen Fundgut aus Stratum VIII–VII, dass der Stützpunkt neben Frauen und Kindern mehrheitlich lokale und nur wenige ägyptische Soldaten beherbergte. Vgl. auch M.A.S. MARTIN (2011) 194. 115 Verstärkte ägyptische Militärpräsenz ist beispielweise in Ġazze/Gaza, Qubūr al-Walāyida/Qubur el-Walayda, Tell el-Ḥöṣn/Bet-Schean und auch an anderen Orten nachweisbar. Vgl. für Referenzen C. FREVEL (22018) 48; D. VIEWEGER (2019a) 225–226 und R. GREENBERG (2019) 302.304–307. I. KOCH (2019) 262–282 (hier besonders: 267–275) verweist vor allem auf den Ausbau der ägyptisch dominierten Häfen von Tell el-ʿAğūl und Yafā/Jafo sowie allgemein auf die verstärkten Kolonisierungsbemühungen der Ägypter in Palästina ab dem 13. Jahrhundert v.Chr. Darüber hinaus sei es in dieser Epoche zu einem wachsenden kulturellen und sozialen Austausch zwischen den ägyptischen Stützpunkten und der Bevölkerung in deren Umland gekommen. Siehe jetzt auch I. KOCH (2021) zu den politischen, sozialen und ökonomischen Aspekten der ägyptischen Herrschaft über Palästina in der Spätbronzezeit. 116 Dazu P. NAHSHONI (2001) 107–108 und P. NAHSHONI (2013) 59–122. Vgl. ebenso Y. NADELMAN (1996) 131 sowie Y. NADELMAN (2013) 133–141. 117 Zur Lage der spätbronzezeitlichen Siedlung vgl. Y. NADELMAN (2013) Abb. 1 und P. NAHSHONI (2013) Abb. 1. 118 Vgl. P. NAHSHONI (2013) 60–64; Plan 1–4; Abb. 2–5. 119 Über Architektur und Funde informiert P. NAHSHONI (2013) 64–71; Plan 5; Abb. 6–11. 120 P. NAHSHONI (2013) Abb. 12. 121 Siehe P. NAHSHONI (2013) 86–99; Abb. 27–34. Für die petrografische Analyse eines minoischen Steigbügelgefäßes (P. NAHSHONI [2013] Abb. 29:3) aus Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam (Süd) vgl. hingegen D. BEN-SHLOMO/E. NODAROU/J.B. RUTTER (2011) 341–344.

2.3 Zur Situation in der Spätbronzezeit I–II

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Esdūd/Aschdod-Yam (Süd) als kurzlebiger Komplex aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts v.Chr. gedeutet werden, welcher zur Produktion von Wein in größerem Maßstab diente. Seine Gründung ist am ehesten auf den lokalen Herren Esdūd/Aschdod zurückzuführen.122 Die Lage an der Küste, zahlreiche Importgefäße sowie Funde von Steinen, die man zum Beschweren von entladenen Schiffen benutzte,123 implizieren die Verschiffung und Vermarktung des Weins durch einen angeschlossenen Ankerplatz. Annähernd zeitgleich existierten Zentren zur Weinherstellung etwa auch in Tell Rās elʿĒn/Afek124 und Qubūr al-Walāyida/Qubur el-Walayda. Letzteres hat (wie auch Tell Ǧemme) wahrscheinlich als ägyptisches Tempelgut zur Versorgung des Amun-Heiligtums von Ġazze/Gaza gedient.125 Daran ansetzend und mit Blick auf die in der Region Aschdod nachgewiesene ägyptische Präsenz in Tel Mōr/Tell Ḫēdar dürfte auch ein Teil der Weinproduktion von Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam (Süd) vermutlich als Tribut an Ägypten abgeführt worden sein.126 Allerdings lässt sich wegen des Mangels an schriftlichen Quellen die konkrete Ausgestaltung der ökonomischen Beziehungen mit dem Land am Nil nicht genauer (re-)konstruieren. 2.3.3 Exkurs: Nachrichten über Esdūd/Aschdod in den Texten aus Ugarit Im Korpus der Texte aus Ugarit lassen sich Erwähnungen von Aschdod (ug. addd; akkad. URUáš-da-di) oder Aschdoditern (ug. adddy) in insgesamt sechs Dokumenten127 nachweisen.128 Diese administrativ-ökonomischen Texte bezeugen einerseits umfang122

Hier P. NAHSHONI (2013) 117–119 folgend. Vgl. P. NAHSHONI (2013) 117–118. 124 Über die Installationen zur Weinherstellung aus Tell Rās el-ʿĒn/Afek informieren etwa R. FRANKEL u.a. (2009) 76.112 und M. KISLEV/Y. MAHLER-SLASKY (2009) 510–512. 125 In Qubūr al-Walāyida/Qubur el-Walayda hat man mehrere landwirtschaftliche Installationen (wie unter anderem Weinpressen) bei den Grabungen im Auftrag der Universitäten Beerscheba, Rostock und Leipzig unter Leitung von Gunnar Lehmann, Hermann Michael Niemann und Angelika Berlejung identifizieren können. Vgl. dazu vorläufig G. LEHMANN u.a. (2010) 142–148; Abb. 5–9; J. STEIN (2014) 89–95 und zum Ganzen auch I. FINKELSTEIN/Y. GADOT (2015) 230–231. 126 Zur Bedeutung der Anlegestelle beziehungsweise des kleinen Hafens von Mīnet Esdūd/AschdodYam (Süd) für die ägyptische Zentralautorität in Israel/Palästina vgl. jetzt auch I. KOCH (2021) 36, welcher auf die vor Ort ergrabene ägyptische Importkeramik verweist. 127 KTU 4.96; KTU 4.352; KTU 4.635; KTU 4.709; KTU 4.721 und PRU 6.156. Dazu die Neuedition der keilalphabetischen Texte mit erweiterter Bibliografie bei M. DIETRICH/O. LORETZ/J. SANMARTÍN (32013) 293–294 (KTU 4.96).399 (KTU 4.352).505–506 (KTU 4.635).531 (KTU 4.709).535 (KTU 4.721). Für PRU 6.156 siehe wiederum J.N. POSTGATE (2013) 405. 128 Zur Orts- und Gentilbezeichnung sowie der Identifikation mit Aschdod beziehungsweise mit Personen aus Aschdod siehe M.C. ASTOUR (1975) 255–258; D. PARDEE (1989–1990) 482 und G. DEL OLMO LETE/J. SANMARTÍN (32015) 24 Lemmata ảddd und ảdddy. Vgl. auch A.F. RAINEY (1963b) 314; M. DOTHAN/D.N. FREEDMAN (1967) 8; J. HUENERGARD (1987) 225 Anmerkung 73.231 Anmerkung 94 und ebenso die Ausführungen bei J. VIDAL (2006) 269–279. Wenig begründet erscheint die These von N. Naʾaman (vgl. N. NAʾAMAN [1997] 610–615), nach der es sich bei addd um die spätbronzezeitliche Bezeichnung für das zyprische Enkomi gehandelt habe, welches seines Erachtens im 13. Jahrhundert v.Chr. aber überwiegend westsemitisch geprägt gewesen sei. Nach der weiteren Argumentationskette wären es zyprisch-westsemitische Siedler gewesen, die den Namen addd im Gefolge von Migrationsprozessen am Beginn der Eisenzeit I sodann auf die Siedlung von Esdūd/Aschdod 123

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

reichere Handelsbeziehungen zwischen beiden Regionen,129 andererseits die Anwesenheit von einzelnen Aschdoditern in Ugarit. Aufgrund des listenartigen Charakters der fraglichen Quellen dürften diese dabei mit W.H. van Soldt130 näherungsweise in den Zeitraum zwischen ca. 1230–1180 v.Chr. zu datieren sein, sodass sie eine wichtige Ergänzung der archäologischen Funde und Befunde aus der Spätbronzezeit II darstellen. Im Hinblick auf aschdodische Waren belegen drei der fraglichen Dokumente (KTU 4.709; KTU 4.721 und PRU 6.156) vor allem Wolle und Textilien als Fernhandelsgüter.131 Dahingehend sind Gewänder aus Aschdod in den Listen PRU 6.156, Zeile 3 (akkad. TUG2) sowie KTU 4.721, Zeile 3 (ug. lbšm) erwähnt. Mit KTU 4.709 wiederum liegt ein Text vor, der nicht nur eine Lieferung Wolle (ug. šʿrt) aus der südpalästinischen Küstenstadt nach Ugarit dokumentiert, sondern welcher auch die Existenz aschdodischer Gewichte in der Spätbronzezeit II bezeugt: KTU 4.709, Zeile 1–6132 1. šbʿ . kkr . šʿrt 2. b . kkr . addd 3. w . b kkr .ugrt 4. ḫmš . kkrm 5. alp . tmn . mat kbd 6. d . mnḥt 1. 2. 3. 4. 5. 6.

7 Talente Wolle gemäß dem Talent von Aschdod und gemäß dem Talent von Ugarit 5 Talente 1.800 [Schekel] als Geschenk

Aufgrund der Erwähnung des Talents von Aschdod (ug. kkr . addd)133 und dem somit nachgewiesenen Einsatz eigenständiger aschdodischer Maß- und Gewichtseinheiten im Spätbronze-II-zeitlichen Seefernhandel, stellt KTU 4.709 letztlich einen der wichtigsten

übertrugen. In der Spätbronzezeit wäre Aschdod hingegen noch als Tianna bezeichnet worden. Vgl. zum Ganzen aber die Gegenargumente bei D. BEN-SHLOMO (2005a) 2–3 und I. SHAI (2009) 16. 129 Über die Handelsbeziehungen Aschdods mit Ugarit informieren M.C. ASTOUR (1970) 123–126 und J. VIDAL (2006) 272–276. Zu Ugarits Seefernhandel, seiner Ökonomie und den Wirtschaftsbeziehungen allgemein vgl. unter der neueren Literatur (in Auswahl) J. SANMARTÍN (1995) 131–158; A. CAUBET (2000) 35–52; C. MOUNTFORT MONROE (2009) 151–189 sowie V. MATOÏAN/J.-P. VITA (2014) 310–339. 130 Hier W.H. VAN SOLDT (1991) 47.139 und W.H. VAN SOLDT (2014–2016) 280–283 folgend, nach dem die ugaritischen Texte mit rein administrativem Charakter aufgrund ihres begrenzten zeitlichen Nutzens nur wenige Jahre in den Archiven aufbewahrt worden wären und daher in einen Zeitraum von höchstens 50 Jahren vor der Zerstörung Ugarits (um 1194–1186 v.Chr.) zu datieren sind. 131 Dazu auch N. NAʾAMAN (1997) 610 und J. VIDAL (2006) 272–273. Vgl. ebenso M. DOTHAN (1971) 19–20. 132 Umschrift zitiert nach: M. DIETRICH/O. LORETZ/J. SANMARTÍN (32013) 531. Eigene Übersetzung. 133 Bezüglich des aschdodischen Talents vgl. auch M. LIVERANI (1972) 193–199; A. BEN-DAVID (1979) 29–35; M. HELTZER (1978) 8–9 und K.M. MCGEOUGH/M.S. SMITH (2011) 24–25.

2.3 Zur Situation in der Spätbronzezeit I–II

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textlichen Zeugen für Aschdods ökonomische Bedeutung in der fraglichen Periode dar.134 In den drei Listen KTU 4.96; KTU 4.352 und KTU 4.635 finden sich Notizen über die zumindest temporäre Anwesenheit von Personen aus Aschdod in Ugarit. Dahingehend dokumentiert KTU 4.352, ein Register über Transaktionen von großen Mengen Öl (ug. šmn),135 auch den Handel mit einem aschdodischen Kaufmann (KTU 4.352, Zeile 9). Jedoch hat sich aufgrund von Textausfall weder der Name des Händlers erhalten, noch die erworbene Menge an Ölkrügen. In KTU 4.96, Zeile 3 kann die Erwähnung eines Aschdoditers namens Ariyānu (ug. aryn . adddy)136 nachgewiesen werden, welcher sich zum Zeitpunkt der Entstehung des Texts auf einem königlich-ugaritischen Landgut aufhielt. Wegen der näheren Bezeichnung jenes Ariyānu als bdl (KTU 4.96, Zeile 1) müsste dieser entweder als Händler137 oder vielleicht auch als Erntehelfer und damit Hilfsarbeiter tätig gewesen sein.138 Dass sich neben Kaufleuten wenigstens auch einzelne unfreie Arbeitskräfte aus Aschdod in Ugarit aufhielten, impliziert schließlich KTU 4.635. Dieses Personenverzeichnis mit 60 erhaltenen Einträgen umfasst auch ca. 20 Namen beziehungsweise vor allem Namensreste, welche sich aufgrund des Zusatzes adddy auf Aschdoditer beziehen. Zumindest bei dem in KTU 4.635, Zeile 8 erwähnten Ab[… .]adddy verweist die Kennzeichnung mit bd . skn („zu Händen des sākinu-Offiziellen“) auf dessen rechtliche Abhängigkeit vom ugaritischen sākinu-Beamten.139 Bezüglich der anderen in der Liste aufgezählten Personen aus Aschdod halten es C.H. Gor-

134

Aus der Gleichsetzung von 7 Talenten nach dem Standard von Aschdod mit 5 Talenten und 1.800 Schekeln aus Ugarit in KTU 4.709 folgt, dass ein aschdodisches Talent 20% leichter gewesen sein muss als die korrespondierende Maßeinheit aus Ugarit. Vgl. C. MOUNTFORT MONROE (2009) 55, welcher hier voraussetzt, dass 3.000 Schekel einem ugaritischen Talent entsprachen. 135 Während M.C. ASTOUR (1970) 125–126 (vgl. auch N. NAʾAMAN [1997] 610) KTU 4.352 als Handelsverzeichnis eines einzelnen königlich-ugaritischen Landguts identifiziert, handele es sich nach E. LINDER (1981) 34 hingegen um ein Register von Schiffsladungen, welches durch einen königlichen Hafenmeister geführt worden sei. Wie diesbezüglich schon K.M. MCGEOUGH/M.S. SMITH (2011) 240 richtig beobachtet haben, werden in der fraglichen Quelle aber weder ein Hafenmeister noch Schiffe erwähnt. M. DIETRICH (2007) 79 wiederum betont die im Text genannten großen Gütermengen, welche für ihn vor allem auf Ugarits Bedeutung als „Zwischenstation“ für den mediterranen Ölhandel der Spätbronzezeit hinweisen. 136 Vgl. zu diesem Personennamen mit wahrscheinlich hurritischer Etymologie F. GRÖNDAHL (1967) 220; M. DIETRICH/O. LORETZ/J. SANMARTÍN (1973) 83 und auch G. DEL OLMO LETE/ J. SANMARTÍN (32015) 108 Lemma ary(n). Nach A.F. RAINEY (1996) 4 sei der Name entweder hurritischen oder semitischen Ursprungs. Vgl. zum Ganzen auch die Ausführungen bei W.G.E. WATSON (1995) 219. 137 So: A.F. RAINEY (1963a) 43 mit Anmerkung 3; A.F. RAINEY (1963b) 314; M.C. ASTOUR (1970) 125 mit Anmerkung 5. Vgl. auch M. DOTHAN (1971) 19 und J. TROPPER (2008) 23. 138 Für diese Deutung optieren J. TROPPER/J.-P. VITA (2004) 124 Anmerkung 63; W.G.E. WATSON (2009) 26–27 (dort auch umfangeichen Referenzen); G. DEL OLMO LETE/J. SANMARTÍN (32015) 214 Lemma bdl. 139 Zum sākinu-Offiziellen und seiner Stellung in Ugarit siehe A. ALT (21959b) 186–197 sowie W.H. VAN SOLDT (2001) 579–599; W.H. VAN SOLDT (2002) 805–828 sowie W.H. VAN SOLDT (2006) 675–697 (jeweils mit weiterer Literatur).

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

don140 und C. Virolleaud141 für denkbar, es habe sich um Mitglieder einer Gilde gehandelt, möglicherweise sogar um einen Verband von professionellen Söldnern. J. Vidal142 wiederum denkt an Agenten einer aschdodischen Handelsniederlassung für Textilien. Allerdings erwähnt KTU 4.635 weder eine solche Institution, noch werden irgendwelche näheren Angaben bezüglich der Professionen oder des rechtlichen Status der fraglichen Personen gemacht.143 Daher lässt sich der konkrete Hintergrund ihres Aufenthalts an der nordsyrischen Küste nicht mehr sicher (re-)konstruieren. Nicht unplausibel erscheint allerdings die Überlegung von M.C. Astour,144 nach welcher das fragliche Dokument vielleicht ein Verzeichnis von (temporären[?]) Bewohnern der ugaritischen Hafenstadt von Minet el-Beida/Maʾḫadu darstellen könnte. Jedenfalls wäre die Anwesenheit von Händlern, Seeleuten oder Hafenarbeitern aus Aschdod in Ugarits größtem Umschlagplatz und Fernhandelsknoten durchaus gut vorstellbar. 2.3.4 Zu den Entwicklungen in der inneren Küstenebene und in der Schefela Hatte in der Mittelbronzezeit II noch Ekron den geografischen Korridor zwischen dem judäischen Bergland und Aschdod mit seiner Küste dominiert, so schrumpfte die Siedlung auf dem Tel Miqnē in der Spätbronzezeit auf eine Größe von nur noch ca. 10 ha. Die Bebauung konzentrierte sich nun vorrangig auf die nordöstliche Ecke des Tells,145 wo im Bereich des Ostabhangs (Feld INE [Ostabhang]) drei archäologische Schichten (Stratum X–VIII) mit eher spärlichen Überresten aus der Zeit des 15. bis frühen 12. Jahrhunderts v.Chr. ergraben worden sind.146 Auf vielleicht größere industrielle Aktivitäten im Horizont von Stratum VIIIB (in älteren Publikationen: Stratum IX), insbesondere Steinbearbeitung und Metallurgie, deuten vor allem Funde von Schlacke und Kupfer hin, aber auch von Abfällen, die bei der Herstellung von Flintwerkzeugen entstanden sind.147 Die genannte Siedlungsschicht wurde schließlich durch eine Feuersbrunst devastiert, jedoch schloss sich daran eine bescheidene Nachbesiedlung (Stratum VIIIA) an. Letztere ist aufgrund des Keramikbefunds148 als spätbronzezeitlich-eisenzeitliche Transitionsphase anzusprechen. Der nachfolgende Übergang zum frühesten eisenzeitlichen Stratum (Stratum VII) mit monochromer Philisterkeramik I gestaltete sich friedlich. Diese Datenlage scheint letztlich dafür zu sprechen, dass die Destruktion 140

C.H. GORDON (1965) 280.353 Nr. 98. C. VIROLLEAUD (1965) 27. 142 Vgl. J. VIDAL (2006) 275–276. 143 Überhaupt fällt bezüglich KTU 4.635 auf, dass nur bei zwei der mehr als 60 erhaltenen Einträge auch die Profession der entsprechenden Person erfasst wurde. Dahingehend ist in KTU 4.635, Zeile 7 ein Weber (ug. mḫṣ) erwähnt, ein Wächter (ug. mdrġl) hingegen in KTU 4.635, Zeile 18. Beide Männer sind jedoch nicht als Aschdoditer gekennzeichnet. 144 So: M.C. ASTOUR (1970) 117–118.125–126. Vgl. auch N. NAʾAMAN (1997) 609. 145 Vgl. T. DOTHAN/S. GITIN (1993) 1052; T. DOTHAN/S. GITIN (2008) 1953; A.E. KILLEBREW (2013) 31. 146 Für eine ausführliche Diskussion von Stratigrafie und Architektur vgl. S. GITIN/M.W. MEEHL/ T. DOTHAN (2006) 28–29 und A.E. KILLEBREW (2013) 80–85; Abb. 2–3. 147 Hier mit T. DOTHAN/S. GITIN (1993) 1052–1053 sowie A.E. KILLEBREW (2013) 81.83. 148 Das keramische Fundgut ist bisher nicht final publiziert worden. Vgl. vorläufig die Ausführungen bei A.E. KILLEBREW (2013) 83. 141

2.3 Zur Situation in der Spätbronzezeit I–II

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von Stratum VIIIB wohl eher mit regionalen Unruhen und/oder Auseinandersetzungen mit der ägyptischen Zentralautorität zu verbinden sind, nicht aber mit potenziellen Migrationsprozessen aus dem Mittelmeerraum.149 Kontemporär mit dem Niedergang Ekrons konnte Tell eṣ-Ṣāfī/Gat eine Vormachtstellung im Gebiet zwischen Küste und Bergland ausbilden. Für die Zeit des 14. Jahrhunderts v.Chr. ist seine politische und ökonomische Bedeutung vor allem anhand der Amarna-Korrespondenz zu (re-)konstruieren (siehe dazu Kapitel 2.3.6). Unter archäologischen Gesichtspunkten wiederum lässt sich eine bedeutendere Ansiedlung (zumindest bisher) erst ab dem späten 13. und frühen 12. Jahrhundert v.Chr. belegen.150 Dahingehend deuten die (in den Arealen A, E, F und P) ergrabenen spätbronzezeitlichen Überreste auf eine weniger dicht bebaute Streusiedlung hin, welche sich auf einer Fläche von annähernd 27 ha151 ausgedehnt haben könnte. Die Fortifikationen der Früh- und Mittelbronzezeit (Areale F und P) wurden ertüchtigt, sodass Gat während der gesamten Spätbronzezeit befestigt war.152 Von größerem Interesse ist ein in Areal E (Stratum 4b) freigelegtes Gebäude (Gebäude 66323) mit zwei Bauphasen, welches A.M. Maeir und andere153 als „Herrenhaus“ („Patrician House“) ansprechen und in das 13. Jahrhundert v.Chr. datieren. Die Architektur und beachtliche Größe von mehr als 240 m2, Funde von importierter späthelladischer (SH III) und zyprischer Keramik (Ware mit weißem Überzug und Base-Ring Ware) wie auch von Stempelsiegeln und Figurinen legen nahe, dass es sich um den Wohnsitz einer Oberschichtsfamilie gehandelt hat.154 Möglicherweise residierte hier sogar der lokale Fürst mit seinen Angehörigen.155 Dass unabhängig davon die Herren vom Tell eṣ-Ṣāfī über einen herausgehobenen Status im von Ägypten domi-

149 Zum Befund und den potenziellen historischen Implikationen vgl. A.E. KILLEBREW (2013) 85; J.M. MILLEK (2017) 125 und F. HAGEMEYER (2023c) (im Druck). 150 Vgl. I. SHAI u.a. (2017) 292; Y. GADOT/S. KLEIMAN/O. LIPSCHITS (2018) 208 und auch A.M. MAEIR u.a. (2019) 3 sowie I. SHAI/J. UZIEL/A.M. MAEIR (2020b) 499. 151 Dazu die detaillierten Ausführungen bei A.M. MAEIR/J. UZIEL (2007) 32.36; I. SHAI u.a. (2017) 293 sowie A.M. MAEIR u.a. (2019) 1.3.10 und I. SHAI/J. UZIEL/A.M. MAEIR (2020b) 500. 152 Siehe I. SHAI u.a. (2017) 293–294 mit Abb. 2. Vgl. auch E.L. WELCH u.a. (2019) 161 und A.M. MAEIR u.a. (2019) 5.8–9.13, nach denen man die frühbronzezeitliche Mauer aus Areal P in der Spätbronzezeit möglicherweise als Hauswand und nicht als Fortifikationssegment genutzt habe. Siehe diesbezüglich auch A.M. MAEIR (2020b) 16. 153 A.M. MAEIR u.a. (2019) 4–5 mit Abb. 13; A.M. MAEIR (2020b) 16 und I. SHAI/J. UZIEL/ A.M. MAEIR (2020b) 499. Vgl. zur Diskussion von Stratigrafie und Architektur auch I. SHAI/J. UZIEL/ A.M. MAEIR (2012) 224–229 mit Abb. 10.2–5 und Taf. 10.4; I. SHAI u.a. (2017) 293 mit Abb. 1 und ebenso I. SHAI/J. UZIEL/A.M. MAEIR (2020a) 381–385; Abb. 7.1–6. 154 Dazu I. SHAI/J. UZIEL/A.M. MAEIR (2012) 229; I. SHAI u.a. (2017) 292 und auch A.M. MAEIR u.a. (2019) 4. A.M. MAEIR (2012a) 17 und A.M. MAEIR u.a. (2019) 5 halten aufgrund des Fundguts (wie Stempelsiegelamulette etc.), welches teilweise unterhalb der Fußböden deponiert worden war, auch eine Nutzung als öffentliches Gebäude mit kultischer Funktion für denkbar. Zu den Stempelsiegelamuletten siehe O. KEEL/S. MÜNGER (2012) 455–461 und S. MÜNGER (2017) 72–76. 155 Für Areal F lassen sich sowohl metallurgische Aktivitäten nachweisen als auch ein damit assoziiertes kleines Heiligtum (Raum 106450). Letzteres war mit einem weißgekalkten Fußboden und einer kleinen Eckbank im Nordwesten ausgestattet, in deren Nähe man eine Mazzebe aufgestellt hatte. Vgl. dazu I. SHAI u.a. (2017) 294 und ebenso A.M. MAEIR u.a. (2019) 6.

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

nierten Palästina verfügten, belegen für A.M. Maeir156 Funde von zwei hieratischen Ostraka und zahlreiche ägyptische Stempelsiegelamulette.157 Bezüglich des Übergangs zur frühen Eisenzeit präsentiert sich für die Siedlung ein differenziertes Bild: Während es in Areal A keinerlei Hinweise auf Destruktionen gibt, konnten für Areal E und Areal P Zerstörungen zweifelsfrei nachgewiesen werden. Als nuanciert erweist sich der Befund aus Areal F, wo man in einigen Bereichen Trümmer und Schutt ergraben hat, in anderen hingegen nicht. Die Ausgräber setzten bei ihrer vorläufigen Interpretation jedenfalls ein Szenario voraus, in welchem Tell eṣ-Ṣāfī zumindest partiell durch Philisterverbände devastiert worden ist.158 In der Schefela, genauer im Elah-Tal, konnte sich vom 13. Jahrhundert v.Chr. bis zur zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts v.Chr. Tell Zakarīye/Aseka zu einem Unterzentrum mit einer Größe von immerhin 6 ha entwickeln.159 Politisch und ökonomisch dürfte es zu dem nur wenige Kilometer westlich gelegenen Tell eṣ-Ṣāfī/Gat hin orientiert gewesen sein. Aufgrund der in vielen Bereichen des Kulturschutthügels ergrabenen ägyptischen beziehungsweise ägyptisierenden Kleinfunde nehmen die Ausgräber160 an, Aseka sei unmittelbar in das System der von Ägypten kontrollierten Landgüter in Palästina eingebunden gewesen. Zur Verarbeitung und Lagerung von landwirtschaftlichen Produkten in größerem Umfang könnte zumindest ein Gebäude (Gebäude T2/F627) aus dem späten 13./frühen 12. Jahrhundert v.Chr. gedient haben, in welchem man Überreste von mehr als 200 Gefäßen mit Rückständen von pflanzlichen Ölen gefunden hat.161 Weiter nördlich, im Sorek-Tal, stellte vom 15.–13. Jahrhundert ʿĒn-Šems/Bet-Schemesch (Stratum IV) eine kleine unbefestigte Siedlung (Größe: ca. 2,5–3 ha) dar, die am Ende der Spätbronzezeit devastiert worden ist.162 Bei den Ausgrabungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts unter Leitung von E. Grant und G.E. Wright163 hat man ein 11,8 x 14,4 m großes Gebäude aus dem 15. Jahrhundert v.Chr. identifiziert und als „Herrenhaus“ („Patrician House“) gedeutet. Darüber hinaus ließ sich bei den erneuten Ausgrabungen 156

A.M. MAEIR (2012a) 17 und A.M. MAEIR u.a. (2019) 14, welche zugleich auf das Fehlen von ägyptischer und ägyptisierender Keramik hinweisen. 157 Dazu S.J. WIMMER (2012) 485–489 mit Abb. 20.1; S.J. WIMMER (2017) 298–299; Abb. 1–2. 158 A.M. MAEIR u.a. (2019) 1 und A.M. MAEIR (2020b) 17 heben dahingehend vor allem die Destruktion der Wohnquartiere von Angehörigen der Oberschicht in den Arealen E und F hervor. Vgl. zum Ganzen auch F. HAGEMEYER (2023c) (im Druck). 159 Vgl. S. KLEIMAN u.a. (2019) 37–61 (hier besonders: 39.40.45.55–56) und Y. GADOT/S. KLEIMAN/O. LIPSCHITS (2018) 211. Eine in allen bisher ergrabenen Arealen nachweisbare Zerstörungsschicht deutet auf eine umfangreiche Destruktion von Tell Zakarīye/Aseka im letzten Drittel des 12. Jahrhunderts v.Chr. hin (Y. GADOT/S. KLEIMAN/O. LIPSCHITS [2018] 217; S. KLEIMAN u.a. [2019] 42.57). 160 So mit Y. GADOT/S. KLEIMAN/O. LIPSCHITS (2018) 215–216; S. KLEIMAN u.a. (2019) 55–57. 161 S. KLEIMAN u.a. (2019) 45; Abb. 3.4. 162 Vgl. zum Ganzen S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (1993) 250; S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2016b) 11–14; S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2016c) 46–47 und auch R. GREENBERG (2019) 323– 324. 163 E. GRANT/G.E. WRIGHT (1938) 36–37; Abb. 3. Nach N. NAʾAMAN (2011a) 285 habe in ꜤĒnŠems/Bet-Schemesch die für das 14. Jahrhundert v.Chr. in den Amarna-Briefen EA 273 und EA 274 belegte Lokalherrscherin fNIN.UR.MAHmeš residiert. Vgl. dazu auch S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2016b) 13 und S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2016c) 47.

2.3 Zur Situation in der Spätbronzezeit I–II

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seit 1990 ein Hofhaus mit mindestens acht bis zehn Räumen freilegen, welches S. Bunimovitz und Z. Lederman164 als „Palast“ („Palace“) aus dem 14. Jahrhundert v.Chr. ansprechen. Trotz der Kleinheit der Siedlung implizieren die beiden besprochenen Gebäude, dass ʿĒn-Šems/Bet-Schemesch während der Spätbronzezeit unter ökonomischen Gesichtspunkten prosperierte. Vielleicht verfügte der Ort mit Blick auf seine räumliche Abgeschiedenheit und die Entfernung von Tell eṣ-Ṣāfī/Gat sowie Tell el-Ǧazarī/Geser über einen semi-autonomen Status innerhalb der ägyptisch dominierten Levante.165 Auf dem Tell el-Bāṭāšī sind insgesamt fünf spätbronzezeitliche Schichten (Stratum X–VI) nachweisbar,166 wobei die jeweiligen Überreste auf die Existenz von mehreren unbefestigten Siedlungen hindeuten. Ein annähernd quadratisches Gebäude mit Knickachszugang aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts v.Chr. (Gebäude 475, Stratum VIII) haben A. Mazar und N. Panitz-Cohen167 als „Herrenhaus“ („Patrician House“) oder Wohnsitz einer Oberschichtsfamilie angesprochen. An gleicher Stelle wurde im ausgehenden 15. oder frühen 14. Jahrhundert v.Chr. (Stratum VII) ein kleineres Bauwerk (Gebäude 315) errichtet.168 Möglicherweise waren die Herren von Tell elBāṭāšī/Timna Klienten der Fürsten von Tell el-Ǧazarī/Geser.169 Daneben kann aber auch eine Beherrschung des Sorek-Tals und seiner Siedlungsplätze durch Tell eṣ-Ṣāfī/Gat nicht ausgeschlossen werden. 2.3.5 Zur Situation Jerusalems und seines Umlands Durch die in den Amarna-Briefen EA 285–290 überlieferten Notizen stehen für Jerusalem (ú-ru-sa-lim) einige Informationen aus der Zeit des 14. Jahrhunderts v.Chr. zur Verfügung. Einerseits habe nach Aussage der Texte vor Ort ein lokaler Fürst namens ʿAbdiḪeba regiert, andererseits war in der Siedlung eine ägyptische Garnison stationiert, welche aber offenbar mehrfach abgezogen oder zumindest verkleinert wurde (EA 286,25– 31; EA 287,47–52; EA 289,30–40).170 Gänzlich konträr zu der recht guten textlichen Bezeugung sind archäologische Überreste aus der Spätbronzezeit – trotz umfangreicher Grabungstätigkeit – bisher nur in äußerst geringem Umfang belegt. Die ältere Forschung 164

S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2016b) 13. Vgl. auch R. GREENBERG (2019) 323. Für diese Position vgl. S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2016c) 47. Siehe auch R. GREENBERG (2019) 326. 166 Dazu zuletzt A. MAZAR/N. PANITZ-COHEN (2019) 86–121 (hier besonders: 91). 167 Über Stratigrafie, Architektur und Funde informieren A. MAZAR (1997) 52–58.252–253; Abb. 15–16; Foto 40–51 und N. PANITZ-COHEN (2006a) 176–183; Abb. 15; Taf. 21–37; Foto 76–79; Tab. 51–52. Vgl. auch A. MAZAR/N. PANITZ-COHEN (2019) 94–96; Abb. 5.6–8; R. GREENBERG (2019) 322 und D. VIEWEGER (2019a) 224. Zu Befunden und Funden aus Stratum X–IX vgl. die Ausführungen bei A. MAZAR/N. PANITZ-COHEN (2019) 91–93; Abb. 5.4–5. 168 Vgl. A. MAZAR (1997) 58–66; Abb. 17–19; Foto 52–67. Vgl. ebenso N. PANITZ-COHEN (2006a) 183–190; Abb. 16–17; Taf. 38–50; Foto 80–84; Tab. 53–54 und A. MAZAR/N. PANITZ-COHEN (2019) 97–102; Abb. 5.9–15. Nach einer kurzen Wüstungsphase fand im späten 13. und 12. Jahrhundert v.Chr. (Stratum VI) noch eine bescheidene Nachbesiedlung statt. Diesbezüglich informieren A. MAZAR (1997) 72–76; Abb. 20; Foto 78–80 sowie A. MAZAR/N. PANITZ-COHEN (2019) 103–104. Vgl. zudem A. MAZAR/G.L. KELM (1993) 153 und R. GREENBERG (2019) 322. 169 So: A. MAZAR/G.L. KELM (1993) 153. Siehe auch A. MAZAR/N. PANITZ-COHEN (2019) 113. 170 Vgl. zu den Amarna-Briefen mit Bezug zu Jerusalem auch den Exkurs in Kapitel 2.3.6. 165

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

hat vor allem die sogenannte Stepped Stone Structure („Jebusiter Rampe“) am Osthang der Davidstadt (Silwan) (Areal A I–III; XXIII [K.M. Kenyon171]; Areal G [Y. Shiloh172]) als spätbronzezeitliches Bauwerk gedeutet. Neuere Ansätze weisen hingegen die beiden Hauptbestandteile dieser Plattformkonstruktion, nämlich Stützmauern (oder erdverfüllte Terrassen) und eine getreppte Rampe („getreppter Steinmantel“), meist unterschiedlichen Entstehungsperioden zu. Dabei wird der Bau der stützenden Substruktion chronologisch meist in die Epoche des Übergangs von der Spätbronzezeit II zur Eisenzeit I verortet, die Errichtung der aufgesetzten Rampe wird wiederum in die Eisenzeit I oder Eisenzeit II datiert.173 Ist die Stepped Stone Structure aber nicht als spätbronzezeitliches Bauwerk anzusprechen, so verbleiben nur sehr wenige relevante Überreste: Für das 14. Jahrhundert v.Chr. sind lediglich einige Gräber belegt, wozu eine Grabstätte mit Doppelkammer im Bereich von Dominus Flevit sowie die Grabhöle von Naḥalat Aḥīm mit reichen Beigaben zählen.174 Dieser Befund deutet zumindest auf die temporäre (?) Anwesenheit von vereinzelten Oberschichtsfamilien in Jerusalem während der Spätbronzezeit II hin. Stratifizierte und sicher datierbare Architektur ist überhaupt erst für die Zeit des 13.–12. Jahrhunderts v.Chr. nachweisbar, allerdings nur in sehr geringem Umfang. Einige wenige und nur fragmentarisch erhaltene Fußböden und Mäuerchen hat man vor allem in der Davidstadt (Silwan) (Stratum 16) lokalisieren können.175 Darüber hinaus wurde im 171

K.M. KENYON (1974) 94–97.100–103; Taf. 31–34. Y. SHILOH (1984) 16.27.54–58. Für einen Forschungsüberblick über die Grabungen im Gebiet der Davidstadt (Silwan) seit 1923 siehe hingegen E. MAZAR (2015b) 174–184 und für weitere Literatur auch O. KEEL (2007) 122–125. 173 Siehe dazu auch die Diskussion in Kapitel 2.4.4 sowie M.L. STEINER (2001) 51–52; M.L. STEINER (2003) 351–361 (hier besonders: 351–359); A. MAZAR (2006a) 257–265; J. UZIEL/Y. BARUCH/N. SZANTON (2019) 172 und jetzt auch G.J. WIGHTMAN (2022) 51–75 (hier besonders: 54–60). D. VIEWEGER (2019b) 143–147 bietet einen aktuellen Forschungsüberblick. Nach O. KEEL (2007) 123–125 hingegen seien Stützmauern und getreppte Rampe zeitgleich, frühestens am Übergang von der Spätbronzezeit IIB zur Eisenzeit IA und spätestens am Anfang des 10. Jahrhunderts v.Chr., errichtet worden, „wahrscheinlich im Lauf der EZ I“ (O. KEEL [2007] 125). Ganz ähnlich argumentiert auch J.M. CAHILL (2003) 33–54 mit einer chronologischen Verortung des gesamten Bauwerks in die ausgehende Spätbronzezeit IIB oder die beginnende Eisenzeit I. Anders aber O. SERGI (2017) 2–5, welcher aufgrund von in situ Keramikfunden eine Datierung der Stützkonstruktion in die späte Eisenzeit I/frühe Eisenzeit IIA (spätes 11./frühes 10. Jahrhundert v.Chr.) für plausibel hält. Der Bau der Rampe wäre seines Erachtens schließlich erst im 9. Jahrhundert v.Chr. abgeschlossen worden. Für die Position, man habe die fragliche Struktur im 11. oder 10. Jahrhundert v.Chr. errichtet und im späteren 10. beziehungsweise 9. Jahrhundert v.Chr. erneuert sowie mit Häusern bebaut, siehe wiederum A. MAZAR (2020) 139–146. 174 Dazu J.M. CAHILL (2003) 27 mit Anmerkung 58; O. KEEL (2007) 104; A.M. MAEIR (2011) 180 und K. BIEBERSTEIN (2017) 40 jeweils mit weiterer Literatur. 175 Der nur wenig kohärente Gesamtbefund für die Davidstadt (Silwan) wird anschaulich durch die Tatsache illustriert, dass Y. Shiloh bei seinen Arbeiten in Areal E (West) lediglich ein einziges Fußbodensegment (Fußboden 1640) aus der Spätbronzezeit ergraben konnte (A. DE GROOT/H. BERNICKGREENBERG [2012a] 36; Foto 33). Kaum ergiebig im Hinblick auf Architektur und Keramik aus der fraglichen Epoche erwiesen sich jene Ausgrabungen, die E. Mazar zwischen 2005–2008 in der Davidstadt (Silwan) durchgeführt hat. Vgl. diesbezüglich E. MAZAR (2015a) 72–74; Foto 1.87–1.88 und E. MAZAR (2019a) 46. Nach G. BARKAY (1996) 23–46 habe in der Spätbronzezeit auf dem Gebiet der 172

2.3 Zur Situation in der Spätbronzezeit I–II

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Gebiet der Gihon-Quelle zumindest Keramik aus der Spätbronzezeit II ergraben, die neben etwas Importware aus Zypern (Base Ring II Ware und White Slip II Ware) besonders durch lokal hergestellte Kochtöpfe und Schüsseln charakterisiert ist.176 Dass die Siedlung in der Spätbronzezeit insgesamt an Bedeutung verlor, illustriert nicht zuletzt auch die Befundlage für das Jerusalemer Umland, wo die Dichte der Weiler und Gehöfte im Vergleich mit der Mittelbronzezeit deutlich geringer ausfällt.177 Ob Jerusalem in der fraglichen Periode lediglich eine Domäne des ägyptischen Königs im Bergland darstellte (M.L. Steiner178), oder ob das spätbronzezeitliche Siedlungszentrum bisher noch nicht ergraben worden ist, da es sich jenseits der Davidstadt (Silwan) befunden habe (I. Finkelstein, I. Koch und O. Lipschits179), kann auf Basis der wenigen vorhandenen archäologischen Daten nicht fundiert bewertet werden. Die bisherigen Erkenntnisse lassen lediglich die Aussage zu, dass es sich in der Zeit des 14.– 12. Jahrhunderts v.Chr. um einen kleinen und unbefestigten Weiler mit vielleicht einigen hundert Einwohnern sowie einem (zumindest in den Amarna-Briefen belegten) lokalen Herrn gehandelt hat.180 2.3.6 Exkurs: Zu den Beziehungen von Esdūd/Aschdod, Tell eṣ-Ṣāfī/Gat und Jerusalem im Spiegel der Amarna-Korrespondenz Wie die archäologische Analyse gezeigt hat, konnte sich die Siedlung von Esdūd/Aschdod (nach sehr bescheidenen Anfängen) überhaupt erst in der Spätbronzezeit II (ca. 1400/1375–1200/1130 v.Chr.) zu einem küstennahen Zentrum von moderater Größe entwickeln (Kapitel 2.3.1). Möglicherweise stammen aus dieser Epoche auch die ältesten schriftlichen Quellen, welche sich zumindest indirekt mit Aschdod in Verbin-

heutigen École biblique et archéologique française ein ägyptischer Tempel oder Schrein existiert. Vgl. dazu aber die Gegenargumente bei S. WIMMER (1998) 87–123. Siehe ebenso A.M. MAEIR (2011) 180– 181 und K. BIEBERSTEIN (2017) 40–41 (mit weiterer Literatur). 176 J. UZIEL/Y. BARUCH/N. SZANTON (2019) Abb. 9.2. 177 Die ruralen Ansiedlungen waren zudem deutlich kleiner, was mit M. KÖSZEGHY (2015) 48 etwa die gegenüber der Mittelbronzezeit stark verminderte Menge an spätbronzezeitlichen Funden aus el Māliḥa/Manaḥat illustriert. Zu den Siedlungen in Jerusalems Umland vgl. auch Z. GREENHUT/A. DE GROOT (2009a) 217 sowie zum Ganzen ebenso die grundsätzlichen Überlegungen bei I. FINKELSTEIN (1993) 116–123. 178 M.L. STEINER (2001) 39–41 und M.L. STEINER (2003) 351. Anders aber: J.M. CAHILL (2003) 33, nach welcher sich der Siedlungscharakter des spätbronzezeitlichen Jerusalem nicht wesentlich von vorangegangen Perioden unterschieden habe („did not differ significantly“). Für zwei Keilschrifttafeln, welche in sekundären Kontexten im Gebiet des Ofel gefunden wurden, vgl. E. MAZAR u.a. (2010) 4– 21 und E. MAZAR u.a. (2014) 129–139. 179 I. FINKELSTEIN/I. KOCH/O. LIPSCHITS (2011) 7–13 und I. FINKELSTEIN (2016) 4 mit einer Verortung des Siedlungskerns auf dem Tempelberg (Ḥaram eš-Šarīf). Siehe auch E.A. KNAUF (2000) 75– 90 (hier besonders: 67.87). Anders aber: H. GEVA/A. DE GROOT (2017) 32–49. 180 So auch A.E. KILLEBREW (2003) 339; A.M. MAEIR (2011) 181; K. BIEBERSTEIN (2017) 41 und R. GREENBERG (2019) 329 sowie H.M. NIEMANN (2022) 62. Hier gegen H. GEVA/A. DE GROOT (2017) 32–49 und J. UZIEL/Y. BARUCH/N. SZANTON (2019) 178–181, welche für eine Befestigung Jerusalems in der Spätbronzezeit optieren.

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

dung bringen lassen.181 Bei den fraglichen Texten handelt es sich um die zwei Briefe EA 294 und EA 296 aus der annähernd in die Mitte des 14. Jahrhunderts v.Chr. zu datierenden Amarna-Korrespondenz.182 Zwar wird Aschdod nicht direkt in den Dokumenten erwähnt, jedoch könnten beide Tafeln ausweislich des geochemischen und mineralogisch-petrografischen Profils des Tons aus dem aschdodischen Küstengebiet stammen, wie Untersuchungen von Y. Goren, I. Finkelstein und N. Naʾaman183 zeigen konnten. In neueren Studien sind jedoch auch andere Lokalisierungsvorschläge diskutiert worden: So verortet etwa I. Koch184 die in EA 294 und EA 296 erwähnten Fürsten in Yavne-Yam und nicht in Esdūd/Aschdod. Nach petrografischen Analysen von S. Kleiman und A. Cohen-Weinberger185 wiederum seien beide Briefe in der nordwestlichen Schefela verfasst worden, wahrscheinlich in Tell el-Bāṭāšī/Timna oder seiner Umgebung, jedoch ließ sich auf Basis der naturwissenschaftlichen Daten auch eine Herkunft aus Tel Miqnē/Ekron oder Tell el-Ǧazarī/Geser nicht gänzlich ausschließen. Bezüglich des Inhalts der beiden Schreiben ist mit EA 294186 ein Text überliefert, in welchem sich ein lokaler Fürst mit einem Hilfeersuchen an den König von Ägypten wendet. Durch die Beschädigung des Schriftträgers ist allerdings die korrekte Lesung

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Die spärlichen Funde und Befunde aus der Mittelbronzezeit (Kapitel 2.2.1) und Spätbronzezeit I (Kapitel 2.3.1) bezeugen die eher geringe Bedeutung von Esdūd/Aschdod (Stratum XXIII–XVII) vor Beginn der Spätbronzezeit II, sodass die Nichterwähnung in älteren Quellen wie den Texten aus Mari, Emar oder auch den ägyptischen Ächtungstexten kaum verwunderlich ist. Nach M. DOTHAN (1992) 51–54.147* sei Aschdod insbesondere in mittel- und spätbronzezeitlichen ägyptischen Quellen nicht erwähnt worden, da es sich zu keiner Zeit gegen die Suprematie Ägyptens aufgelehnt habe. Vgl. dazu auch M. DOTHAN/Y. PORATH (1993) 10. Es kann allerdings nicht als gesichert gelten, dass in den Ächtungstexten nur solche Orte erwähnt wurden, die sich tatsächlich gegen die ägyptische Oberherrschaft auflehnten (J.F. Quack, persönlicher Kommentar [November 2022]). 182 Eine Neuedition der gesamten Amarna-Korrespondenz samt englischen Übersetzungen der einzelnen Texte findet sich bei A.F. RAINEY (2015). D. VIEWEGER (2019a) 201–208 und I. KOCH (2019) 262–282 bieten einen allgemeinen Überblick über die Amarna-Zeit und diskutieren die Auswirkungen der ägyptischen Herrschaft auf Palästina in der fraglichen Periode. Hinsichtlich der Amarna-Briefe mit Bezug zur Südlevante vgl. auch N.P. LEMCHE (2016) 133–146 (mit weiterer Literatur). E. PFOH (2019) 247–261 informiert bezüglich der Ausgestaltung der Vasallitätsbeziehungen zwischen den südlevantinischen Lokalfürsten und den ägyptischen Königen sowie den daraus resultierenden Implikationen für die Sozialpolitik. 183 Zu den Ergebnissen der petrografischen Analyse vgl. Y. GOREN/I. FINKELSTEIN/N. NAʾAMAN (2004) 292–294. Für die Existenz eines eigenständigen Stadtstaates in der Region von Aschdod während der Spätbronzezeit optieren unter anderem N. NAʾAMAN (1986) 466; NAʾAMAN (1997) 615; M. JASMIN (2006) 170.172 sowie I. FINKELSTEIN (2014) 267. W.L. MORAN (1992) 335–336 verortet den Absender von EA 294 in Tell el-Ǧazarī/Geser. M. WEIPPERT (2010) 137 und J.-P. VITA (2015) 78–79 ziehen neben Gezer auch eine benachbarte Siedlung (wie etwa Esdūd/Aschdod) in Erwägung. Nach A.F. RAINEY (2015) 1599–1600 wiederum handele es sich bei EA 294 um einen Brief aus Tell ed-Duwēr/Lachisch. 184 I. KOCH (2021) 35 mit Anmerkung 13–14. 185 S. KLEIMAN/A. COHEN-WEINBERGER (2020) 150–162, die darüber hinaus Tell el-Bāṭāšī/Timna mit dem in EA 284, EA 298 und EA 306 erwähnten Ort Tianna identifizieren. 186 Text und Übersetzung: A.F RAINEY (2015) 1134–1137. Eine erweiterte Bibliografie und Übersetzung findet sich ebenso bei M. WEIPPERT (2010) 137–138.

2.3 Zur Situation in der Spätbronzezeit I–II

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des fürstlichen Namens umstritten, wobei etwa M. Weippert187 die Variante Ṣidqi-Ili favorisiert, A.F. Rainey188 hingegen die Lesung Zimredda. Unabhängig davon lässt sich aus dem Brief entnehmen, dass dem lokalen Herrn Schutz- und Wachaufgaben in der Küstenebene durch die ägyptischen Autoritäten übertragen worden waren. Offenbar hatte daher Ṣidqi-Ili (oder Zimredda) Gefolgsleute zur Bewachung des ägyptischen Getreidespeichers oder Vorratshauses (é-ti \ šu-nu-ti, EA 294, Zeile 22189) nach Yafā/Jafo (uru.ia-pu, EA 294, Zeile 20) entsandt. Nach dem weiteren Text habe sich dieser Männer jedoch ein Konkurrent namens Piya190 bemächtigt (EA 294, Zeile 23–24), wogegen der ägyptische König nun intervenieren solle. Bei jenem Piya dürfte es sich wohl um einen Häuptling eines ʿApiru-Verbandes handeln, der vielleicht nördlich des Tells von Esdūd/Aschdod etwa bei Yavne-Yam (?) beheimatet gewesen ist.191 Bei Brief EA 296192 handelt es sich um die Loyalitätsbekundung eines gewissen Yaʿṭiri193 gegenüber dem König von Ägypten. Anlass des Schreibens waren offenbar Vorwürfe, der Absender habe Schutz- und Wachaufgaben bei Ġazze/Gaza (uru.az-za-ti, EA 296, Zeile 32) und Yafā/Jafo (uru.ia-pu, EA 296, Zeile 33) sowie die Unterstützung der regulären ägyptischen Truppen (érin.meš,194 EA 296, Zeile 34) in seinem Territorium vernachlässigt. Ist also bisher auf Basis der naturwissenschaftlichen Analyse des Tons die genaue Herkunft der beiden fraglichen Dokumente nicht sicher zu klären (s.o.), würde ihr Inhalt aufgrund der jeweils thematisierten Wachaufgaben im Gebiet zwischen Ġazze/Gaza und Yafā/Jafo eher für eine Verortung der beiden Briefabsender in der Küstenebene und nicht in der Schefela sprechen.

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M. WEIPPERT (2010) 137 mit Anmerkung 376. Nach N. NAʾAMAN (1979) 681 Anmerkung 38 und Y. GOREN/I. FINKELSTEIN/N. NAʾAMAN (2004) 239 Anmerkung 3 sei der fragliche Name Ṣi-x-x-ni zu lesen. 188 A.F. RAINEY (2015) 1134.1599–1600. Vgl. ebenso A.F. RAINEY (2012) 168–169. Für die Lesung Ad[d]a-[d]anu siehe aber A.J. KNUDTZON (1915) 885; W.L. MORAN (1992) 335–337 und W.L. MORAN (2003) 284. 189 Die ägyptische Glosse šu-nu-ti ist auf šnw.t („Kornspeicher, Scheune“) zurückzuführen. Dazu schon A. ALT (21959c) 224 Anmerkung 2. Vgl. auch M. WEIPPERT (2010) 138 Anmerkung 379. 190 Hier der Lesung von A.F. RAINEY (2015) 1134.1136 folgend. Zu den weiteren Namensvarianten Peyu und Bīya vgl. aber W.F. ALBRIGHT (31975) 104; N. NAʾAMAN (1997) 613 Anmerkung 17.615; R.S. HESS (1993) 123 sowie M. WEIPPERT (2010) 135 Anmerkung 361. 191 So mit Y. GOREN/I. FINKELSTEIN/N. NAʾAMAN (2004) 293. W.F. ALBRIGHT (31975) 104 und R.S. HESS (1993) 123 hingegen sprechen Piya als ägyptischen Beamten an. Dazu auch W. HELCK (21971) 255 und ebenso die Argumentation gegen eine ägyptische Herkunft der fraglichen Person bei M. WEIPPERT (2010) 135 Anmerkung 361. 192 Text und Übersetzung: A.F RAINEY (2015) 1142–1145. Eine erweiterte Bibliografie und Übersetzung bietet ebenso M. WEIPPERT (2010) 137. Zur Verortung des Absenders von EA 296 in Esdūd/Aschdod vgl. M. DOTHAN (1992) 52–53; M. DOTHAN/Y. PORATH (1993) 10 Anmerkung 10; N. NAʾAMAN (1997) 615 sowie Y. GOREN/I. FINKELSTEIN/N. NAʾAMAN (2004) 292–293. Anders hingegen: I. KOCH (2021) 35 mit Anmerkung 13–14. Wieder anders: S. KLEIMAN/A. COHEN-WEINBERGER (2020) 150–162 (s. dazu die Ausführungen im Fließtext). 193 So gelesen mit A.F. RAINEY (2015) 1142.1601. Ganz ähnliche Varianten präferieren auch W.L. MORAN (1992) 338–339; Y. GOREN/I. FINKELSTEIN/N. NAʾAMAN (2004) 292–293 und M. WEIPPERT (2010) 137. Zum Namen selbst siehe R.S. HESS (1993) 79–80. 194 AHw III 1072 Lemma ṣābu(m); CAD Ṣ 50 Lemma ṣābu.

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

Als deutlich unproblematischer erweist sich die Auswertung der Amarna-Korrespondenz in Bezug auf Tell eṣ-Ṣāfī/Gat und Jerusalem. Dabei lassen sich mit Tell eṣ-Ṣāfī/Gat bis zu elf Amarna-Briefe (EA 63; EA 65; EA 278–284; EA 355; EA 366) assoziieren,195 sechs Dokumente (EA 285–290) hingegen eindeutig mit Jerusalem (ú-ru-sa-lim).196 Für die Frage der Beziehungen des Berglands zur Küstenebene sind hier vor allem jene Tafeln von Interesse, welche über einen Konflikt des Šuwardata von Gat mit ʿAbdi-Ḫeba von Jerusalem berichten. Nach den Quellen versuchten beide offenbar die längerfristige Kontrolle über die Ortschaft Qilti (uru.qí-il5-ti) zu erlangen, das wahrscheinlich mit dem biblischen Keïla (Jos 15,44; 1 Sam 23,1–8.10–13 u.ö.) und daher mit Ḫirbet/Tell Qīlā (südöstlich von ʿĒn-Šems/Bet-Schemesch) zu identifizieren ist.197 Auch wenn die genauen zeitlichen Abläufe aus den überlieferten Nachrichten nicht vollumfänglich erschlossen werden können, scheint Qilti am Anfang der Auseinandersetzungen durch Šuwardata beherrscht worden zu sein. Zumindest lässt dieser in EA 279, Zeile 9–13 dem ägyptischen König über Unruhen in der fraglichen Ortschaft berichten.198 Nach EA 280, Zeile 9–15 befriedeten schließlich gatitische Kämpfer das Gebiet von Qilti, wobei ʿAbdi-Ḫeba als Urheber der niedergeschlagenen Erhebungen benannt wird (EA 280, Zeile 16–24). Aus der Perspektive Jerusalems ist wiederum EA 290 verfasst. In diesem Schreiben informiert ʿAbdi-Ḫeba den Regenten von Ägypten über eine Bedrohung des judäischen Berglands durch eine militärische Allianz des Šuwardata von Gat mit Qilti und Tell elǦazarī/Geser (EA 290, Zeile 5–28). Ungeachtet dessen hatte zwischen Gat und Jerusalem offenbar zu einem früheren Zeitpunkt ein Bündnis bestanden (EA 366, Zeile 17– 21), das angesichts von Angriffen durch als ʿApiru bezeichnete Gegner zustande gekommen war, später aber zerbrach – vermutlich aufgrund der Streitigkeiten um Qilti.199 In der Gesamtschau ergänzen die besprochenen Briefe aus der Amarna-Korrespondenz das Szenario, welches sich für Bergland und Küstenebene auf Basis der archäologischen Daten aus der Spätbronzezeit II (re-)konstruieren lässt. Mit Blick auf Jerusalem bezeugen die schriftlichen Quellen dabei das Setting einer rein bergländischen Orientierung, wie es sich in ganz ähnlicher Weise auch aus der Analyse des ergrabenen Fundguts ergibt (Kapitel 2.3.5). Mit EA 280 und EA 290 liegen dahingehend zwei Quellen vor, nach denen jegliche Expansionsversuche aus dem Bergland in die Schefela zur Mitte des 14. Jahrhunderts v.Chr. scheiterten. Hinsichtlich der siedlungsarchäologisch 195 Dazu die ausführliche Diskussion der Texte bei A.F. RAINEY (2012b) 133–139. Vgl. auch N. NAʾAMAN (2011a) 282.289–292. 196 Über Jerusalem und seine Bedeutung im Spiegel der Amarna-Korrespondenz informieren (in Auswahl) H. ZIMMERN (1890) 133–147; S.I. FEIGIN (1944) 441–458; Y. GOREN/I. FINKELSTEIN/ N. NAʾAMAN (2004) 265–269 sowie N. NAʾAMAN (2011b) 31–48 (jeweils mit weiterer Literatur). Vgl. auch den knappen Überblick bei K. BIEBERSTEIN (2017) 38. 197 So: N. NAʾAMAN (2011b) 42; A.F. RAINEY (2012) 133–134 und I. FINKELSTEIN (2014) 268. Vgl. jetzt auch I. KOCH (2021) 37–38. 198 Dazu und zum Folgenden die ausführlichen Darstellungen bei N. NAʾAMAN (2010b) 92–97; N. NAʾAMAN (2011a) 289–292 und A.F. RAINEY (2012) 133–137. 199 Siehe auch N. NAʾAMAN (2011a) 292. Nach der (Re-)Konstruktion von A.F. RAINEY (2012b) 137 habe der Abschluss eines Bündnisses zwischen Jerusalem und Tell eṣ-Ṣāfī/Gat hingegen am Ende der Auseinandersetzungen um Qilti gestanden.

2.3 Zur Situation in der Spätbronzezeit I–II

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(bisher) erst ab dem 13. und 12. Jahrhundert v.Chr. greifbaren Bedeutung Gats (Kapitel 2.3.4) impliziert die Amarna-Korrespondenz, dass es den Herren vom Tell eṣ-Ṣāfī offenbar schon um 1350 v.Chr. gelang, bis in das judäische Bergland vorzudringen und dort wenigstens zeitweise Gebiete in Besitz zu nehmen (EA 290). Sollten schließlich die in EA 294 und EA 296 erwähnten Fürsten tatsächlich in Aschdod residiert haben, dann würden es beide Texte (wie auch die anderen hier besprochenen Briefe) nahelegen, dass die Küstensiedlung nicht in die territorialen Streitigkeiten zwischen Šuwardata und ʿAbdi-Ḫeba involviert gewesen ist. Ein solches Szenario würde jedenfalls gut mit der für die Spätbronzezeit II nachweisbaren Ausrichtung Aschdods auf das Mittelmeer sowie die unmittelbare Küste korrelieren (dazu Kapitel 2.3.1 und 2.3.3). 2.3.7 Zur historischen Auswertung und (Re-)Konstruktion der aschdodisch-judäischen Beziehungen in der Spätbronzezeit Für die Spätbronzezeit und vor allem für das 13. und 12. Jahrhundert v.Chr. lassen sich deutlich divergierende Entwicklungen für Jerusalem und Aschdod beobachten: Jerusalem entfaltete in der fraglichen Epoche angesichts seines Charakters als kleiner Weiler (Kapitel 2.3.5) kaum einen regionalen Einfluss oder ein größeres ökonomische Potenzial. Der Herrschaftsbereich seiner Fürsten dürfte nicht über das judäische Bergland oder wohl eher nur Teile desselben hinausgereicht haben und ist im Westen – mindestens im Bereich des Übergangs zur Schefela – durch Tell eṣ-Ṣāfī/Gat und Tell el-Ǧazarī/Geser begrenzt worden.200 Die Region von Aschdod hingegen partizipierte zumindest in der Spätbronzezeit II ausweislich der in ugaritischen Quellen belegten Textilproduktion (Kapitel 2.3.3), der archäologisch bezeugten Weinherstellung sowie des in der Region ergrabenen keramischen Fundguts (Kapitel 2.3.1–2) umfänglich am internationalen Seefernhandel mit der Ägäis, Zypern, Ugarit und Ägypten. Die Siedlung von Esdūd/Aschdod entwickelte sich dabei zu einem prosperierenden Zentrum von moderater Größe. Über die Schefela hinausreichende Beziehungen zum Inland lassen sich anhand der materiellen Kultur Aschdods nur in geringem Umfang nachweisen, was aber angesichts seiner maritimen Orientierung nicht verwundern kann. Dass aber wenigstens sporadisch direkte Handelskontakte mit dem Bergland (Interaktionsebene I) bestanden, belegt die petrografische Analyse des in die Spätbronzezeit zu datierenden keramischen Fundguts von Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam (Süd). Im Ergebnis der Untersuchungen von A. Cohen-Weinberger201 ließ sich unter neun untersuchten Proben wenigstens ein

200 Mit I. FINKELSTEIN (1996) 226 dürfte Jerusalems Einfluss bis nach Tell Qīlā/Keïla im Südwesten gereicht haben. Vgl. dazu auch H.M. NIEMANN (2022) 62–63 (mit weiterer Literatur). Zur Frage der Ausdehnung des Jerusalemer Herrschaftsgebiets im Spiegel der Amarna-Briefe sowie den historischen Implikationen für die (Re-)konstruktion der Entwicklung des judäischen Berglands in der Spätbronzezeit siehe Z. KALLAI/H. TADMOR (1969) 138–147 (hier: 143–145); Y. GOREN/I. FINKELSTEIN/ N. NAʾAMAN (2004) 265 sowie N. NAʾAMAN (2011b) 45–48. Vgl. ebenso I. FINKELSTEIN (1993) 119– 131 und I. FINKELSTEIN (2014) 265–267. 201 A. COHEN-WEINBERGER (2013) 123–126. Darüber hinaus konnte in dieser Studie gezeigt werden, dass eines der untersuchten Vorratsgefäße (P. NAHSHONI [2013] Abb. 20:6) in der Schefela hergestellt worden ist.

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

dekorierter Amphoriskos202 identifizieren, welcher aufgrund seines geochemischen und mineralogischen Profils aus der Region von Juda stammt. Derartige Gefäße hat man üblicherweise zur Lagerung von Salböl oder Duftstoffen benutzt, sodass die Oberschichtsfamilien des Berglands solche hochwertigen Güter offenbar über Aschdod und sein Gebiet bezogen. Diesbezüglich zeigen die in der Grabhöle von Naḥalat Aḥīm gefundenen reichen Grabbeigaben (Kapitel 2.3.5), dass eine kleine Elite tatsächlich Luxusgüter und Importe – selbst unter den für Jerusalem und sein Umland (re-)konstruierten ärmlichen Bedingungen – konsumieren konnte. Unabhängig davon deuten auch vereinzelte Funde von zyprischer Importkeramik im Bereich der Gihon-Quelle203 auf kleinere Handelsströme von der südpalästinischen Küstenebene nach Jerusalem hin. Im Austausch für hochwertige Ware hat das judäische Hügelland neben Agrarrohstoffen wie etwa Weizen und Oliven vielleicht auch Schafswolle für die Textil- und Färbereiindustrie nach Aschdod verkauft. Im Hinblick auf den letztgenannten Sachverhalt müssen aussagekräftige archäologische Funde aber erst noch abgewartet werden, um diese These bestätigen zu können. Ungeachtet dessen lassen sich für die Spätbronzezeit jenseits der vor allem mit (einzelnen) Angehörigen der Oberschicht zu verbindenden Handelsbeziehungen (Interaktionsebene I) keine anderen Verflechtungs- oder Interaktionsprozesse (im Sinne der Interaktionsebenen II–IV) zwischen Aschdod und Jerusalem nachweisen. Mit Blick auf die Situation in der inneren Küstenebene und in der Schefela (Kapitel 2.3.4) ist der aufgezeigte kleinteilige Austausch zwischen Küste und Bergland am wahrscheinlichsten über den Zwischenhandelsplatz von Tell eṣ-Ṣāfī/Gat und die nachgeordneten Siedlungen im Sorek- und Elah-Tal vermittelt worden.204 Überhaupt hat Gat aufgrund seiner Größe und Bedeutung wenigstens in der zweiten Hälfte der Spätbronzezeit einen großen Teil des Gebiets zwischen Küste und Bergland beherrscht. Darüber hinaus ist für diesen Zeitraum nicht auszuschließen, dass auch die Herren von Esdūd/Aschdod und Jerusalem – vielleicht auch nur vorübergehend – in einem Klientelverhältnis zu den auf dem Tell eṣ-Ṣāfī residierenden Fürsten gestanden haben.

202 P. NAHSHONI (2013) Abb. 22:2. Für ein ähnliches Gefäß, welches man in einem Fundkontext aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts v.Chr. auf dem Tell von Esdūd/Aschdod (Stratum XV) gefunden hat, vgl. M. DOTHAN/D.N. FREEDMAN (1967) Abb. 20:4. Die Herkunft dieses Amphoriskos wurde bisher nicht mittels Petrografie oder Neutronenaktivierungsanalyse (NAA) untersucht. 203 Siehe dazu Kapitel 2.3.5. 204 Die petrografische Analyse der Keramikfunde vom Tell el-Bāṭāšī lässt eine Zunahme der mithilfe von Löss produzierten Keramik von durchschnittlich 10% in den älteren spätbronzezeitlichen Strata X–VII auf 43% in der jüngsten spätbronzezeitlichen Kulturschicht (Stratum VI) erkennen. Vgl. A. COHEN-WEINBERGER (2006) 17–24; Tab. 7 (hier besonders: 23). Die fraglichen Lössvorkommen sind entweder im nördlichen Negev, der inneren Küstenebene oder sogar unmittelbar an der südwestpalästinischen Küste zu lokalisieren. Falls die untersuchten Objekte tatsächlich an der Küste und nicht in der Negevwüste produziert worden sind, dann könnte dies auf gesteigerte ökonomische Beziehungen des Sorek-Tals mit der Küste im späten 13. und 12. Jahrhundert v.Chr. hinweisen. Im Zuge einer neuen naturwissenschaftlichen Untersuchung des keramischen Inventars (J. YELLIN [2018] 747–758 [hier besonders: 755–756]) ließ sich das beschriebene Ergebnis allerdings nicht reproduzieren.

2.4 Zur Situation in der Eisenzeit I

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2.4 Zur Situation in der Eisenzeit I 2.4 Zur Situation in der Eisenzeit I

2.4.1 Zur Entwicklung der Siedlung auf dem Tell von Esdūd/Aschdod Der Übergang von der Spätbronzezeit II zur Eisenzeit I (ca. 1150–925 v.Chr.) brachte für die Levante (und darüber hinaus den gesamten mediterranen Raum) zahlreiche demografische, politische, soziale und ökonomische Umbrüche mit sich.205 Die vielfachen und sehr weitreichenden Veränderungen wurden unter anderem durch Klimawandel, den zunehmende Machtverlust Ägyptens, einen Zerfall des Hethiterreichs sowie den Kollaps der mykenischen Palastkultur ausgelöst.206 In Palästina ging die ägyptische Dominanz allmählich zurück und viele (aber nicht alle) der dortigen Siedlungen erlebten einen kontinuierlichen Niedergang hinsichtlich ihres ökonomischen Leistungsvermögens und ihrer Bevölkerungsentwicklung. Während in Teilen Nordpalästinas die spätbronzezeitlichen Stadtstaatenkulturen (vor allem in Tell el-Mutesellim/Megiddo, Tell elḤöṣn/Bet-Schean und Ḫirbet el-Burǧ/Dor) bis in die Eisenzeit II hinein fortbestehen konnten, wurden in Südpalästina einige Zentralorte (wie unter anderem Esdūd/Aschdod) zumindest partiell zerstört.207 Trotz der skizzierten Entwicklungen brachte die Eisenzeit I für die Siedlung von Esdūd/Aschdod (Stratum XIII–XI) keine grundsätzliche Regression mit sich. Wie bereits in der Spätbronzezeit war während des 12. bis 10. Jahrhunderts v.Chr. allein die nicht befestigte Oberstadt (siehe den weiteren Fließtext) bewohnt. Die bebaute Fläche von ca. 7–8 ha blieb im Vergleich mit der vorangehenden Epoche bis zum späten 10. Jahrhundert v.Chr. unverändert.208 Wie auch in anderen Orten der Küstenebene lässt sich für Esdūd/Aschdod anhand der Architektur (etwa im Aufkommen von Korridorhäusern) und der keramischen Leitformen die allmähliche Herausbildung einer neuen materiellen Kultur greifen. Diese sogenannte „Philisterkultur“209 wird zuvorderst durch die vielfach auf dem Tell ergrabene monochrome Philisterkeramik I (Stratum XIIIB–A) und bi205 Für die nachfolgende Analyse wird die chronologische Differenzierung zwischen der Eisenzeit I (ca. 1150–925 v.Chr.) und der Eisenzeit IIA (ca. 925–830/800 v.Chr.) nach der Low Chronology (I. Finkelstein u.a.) vorausgesetzt. Vgl. dazu die weiteren Ausführungen und Literaturangaben in Kapitel 1.1 unter Anmerkung 12. 206 Vgl. dazu und zum Folgenden die Diskussion bei F. HAGEMEYER (2023c) (im Druck). Siehe ebenso M.H. WIENER (2017) 43–74; A. BERLEJUNG (62019a) 89–90.93–96 und D. VIEWEGER (2019b) 11–24. Für einen ersten Zugang zur Archäologie der Südlevante in der Eisenzeit I sei auch auf A. GILBOA (2014) 624–648 verwiesen. 207 Dazu auch Kapitel 2.3.1 und 2.3.4. 208 So mit L.E. STAGER (1995) 336; I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2001) 239; H.M. NIEMANN (2002) 75–76 und H.M. NIEMANN (2013) 250 mit Tab. 1. 209 Für die Entstehung der vielschichtigen materiellen Kultur in Palästinas Küstenebene („Philisterkultur“) während der frühen Eisenzeit war eine größere Zahl an Faktoren wie etwa Migrations- und Transkulturationsprozesse bestimmend, welche hier nicht im Einzelnen diskutiert werden können. Vgl. dazu unter der Fülle an neuerer Literatur (in Auswahl) A.M. MAEIR/L.A. HITCHCOCK (2017) 149–162; A.M. MAEIR (2020a) 161–170 sowie P.W. STOCKHAMMER (2018) 375–384 und jetzt auch F. HAGEMEYER (2023c) (im Druck). Neue Evidenz für einen Bevölkerungstransfer aus Südeuropa nach Israel/Palästina während des fraglichen Zeitraums bieten DNA-Daten aus ʿAsqalān/Aschkelon (M. FELDMAN u.a. [2019] 1–10).

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

chrome Philisterkeramik II (Stratum XIIIA–XI) repräsentiert, die als lokale Produktionen anzusprechen sind. Die fragliche Ware ist dabei in verstärktem Maße durch zyprische und ägäische Einflüsse geprägt, weist aber auch palästinische und ägyptische Elemente auf.210 Im Hinblick auf die (Re-)Konstruktion der Eisen-I-zeitlichen Siedlungsstruktur hat man architektonische Überreste in den Arealen A, G und H ergraben.211 Nur wenig aussagekräftig präsentiert sich der Befund für Areal A, wo M. Dothan lediglich einige Mäuerchen und nur wenige Fußböden aus der späteren Eisenzeit I (Stratum XII–XI212) sowie etwas bichrome Philisterkeramik II identifizieren konnte.213 Im Bereich von Areal G lässt sich die partielle Weiternutzung voreisenzeitlicher Strukturen nachweisen. Dahingehend sind im späten 12. oder im 11. Jahrhundert v.Chr. einzelne Mauern des spätbronzezeitlichen Residenzbaus von Stratum XV–XIV (Kapitel 2.3.1) in einen neuen Gebäudekomplex mit mehreren kleinen Räumen und Höfen (Stratum XIIIB–A214) integriert worden.215 Dessen Grundriss wurde nach dem Vorbild ägäischer Korridorhäuser aus dem Späthelladikum (SH III) gestaltet,216 sodass für das früheisenzeitliche Aschdod auch jenseits der Keramik nicht-levantinische Kulturelemente greifbar sind. Wertvolle Kleinfunde wie unter anderem ein goldener Schwertknauf217 oder ein bronzener Uräus218 lassen es nicht unplausibel erscheinen, dass im fraglichen Bauwerk Personen aus der Oberschicht residierten – vielleicht sogar ein loka210

Zur Bedeutung, Beschaffenheit und Distribution der lokal in Israel/Palästina produzierten monochromen Philisterkeramik I (= Späthelladische IIIC-Keramik beziehungsweise Mykene IIIC:1b-Keramik) vgl. A. MAZAR (2007) 571–582 und P.A. MOUNTJOY (2018) 1095–1241. Über die Entwicklung der Eisen-I-zeitlichen Keramik in der südpalästinischen Küstenebene insgesamt informieren T. DOTHAN/A. ZUKERMAN (2015) 71–96. 211 Darüber hinaus sind mit früheisenzeitlicher Keramik und anderen Kleinfunden verfüllte Gruben im Bereich des Areals C sowie in Schnitt C1 nachgewiesen worden. Über die Funde informieren M. DOTHAN/D.N. FREEDMAN (1967) 108–111; Abb. 27–35 (Areal C) sowie G. BACHI (1971) 181– 184; Abb. 101; 102:1–10 (Schnitt C1). 212 Wie I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2001) 238 zeigen konnten, ist von einer einzigen Siedlungsschicht (mit Unterphasen) und nicht von zwei separaten Strata XII und XI auszugehen. Für Stratigrafie, architektonische Überreste und Funde vgl. M. DOTHAN/Y. PORATH (1993) 70–89; Plan 10–12; Abb. 26–42; Taf. 40:16–19; 42–49; T. FORTUNA/B.L. WALLACE/Z. YEIVIN (1971) 136; Plan 14–15. 213 Für die frühe Eisenzeit I (Stratum XIIIB–A) ließ sich in Areal A überhaupt keine kohärente Architektur identifizieren. Vgl. dazu M. DOTHAN (1971) 25–26 mit Plan 1–2. Über Funde und Befunde aus der späten Eisenzeit I (Stratum XII–XI) informiert M. DOTHAN (1971) 27–31; Plan 2; Abb. 1:14– 16; 2; 3:1–11. Vgl. zum Ganzen auch I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2001) 235.237. 214 Vgl. M. DOTHAN/Y. PORATH (1993) 53–65; Plan 8–9; Abb. 13–24; Taf. 35–39 bezüglich Stratigrafie, architektonischer Überreste und Funde. 215 Hier mit M. DOTHAN/Y. PORATH (1993) 42.55. Vgl. ebenso I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2001) 237; A. YASUR-LANDAU (2010) 271 und P.M. MOUNTJOY (2018) 1155. Für die jüngere Bauphase (Stratum XIIIA) lassen sich einige Umbauten und das Anheben der Fußböden beobachten. Zudem ist nun erstmals bichrome Philisterkeramik II nachweisbar (M. DOTHAN/Y. PORATH [1993] 61– 62; P.A. MOUNTJOY [2018] 1155). 216 A. YASUR-LANDAU (2010) 271–275.307.343 mit Verweis auf ähnliche Gebäude in Milet (W.-D. NIEMEIER [1998] 35) und Mykene (G. HIESEL [1990] 115–119.121–123). 217 M. DOTHAN/Y. PORATH (1993) Taf. 9. 218 M. DOTHAN/Y. PORATH (1993) Abb. 17:11.

2.4 Zur Situation in der Eisenzeit I

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ler Herr mit seiner Familie.219 Darüber hinaus hat man in einem der Räume (Raum 4106) 27 intakte und kopfüber aufgereihte Gefäße in situ entdeckt, bei denen es sich fast ausschließlich um glockenförmige Schüsseln (Philisterkeramik I) handelt. Vielleicht war in diesem Teil des Hauses eine Küche untergebracht, welche für die Ausrichtung größerer Gastmähler geeignet war,220 oder der Gesamtkomplex beherbergte zumindest zeitweise auch eine Töpferwerkstatt beziehungsweise das Lager eines Töpfers.221 Für die in Areal G nachgewiesene nächstjüngere Siedlungsschicht der Eisenzeit I (Stratum XII–XI) sind neben einem Hofhaus weitere Strukturen belegt, welche die Ausgräber als Kasemattenmauer (Mauer 4103 und Mauer 4164) angesprochen haben.222 Wie jedoch L. Singer-Avitz und I. Finkelstein223 mit ihrer Neubewertung des architektonischen Befunds zeigen konnten, hat es sich nicht um Fortifikationen, sondern um massivere Mauern von Wohnhäusern gehandelt. Da auch in den Arealen A (s.o.) und H (s.u.) keine Befestigungen nachweisbar sind, deutet vieles darauf hin, dass die Siedlung in der Eisenzeit I tatsächlich unbefestigt war. Im Zuge der archäologischen Untersuchungen in Areal H sind die Schichten der frühen Eisenzeit I (Stratum XIII224) kaum ergraben worden. Für die Mitte der Epoche (Stratum XII225) ist hier ein Wohnquartier mit mehreren Häusern nachzuweisen. Eines der Gebäude (Gebäude 5337) war mit einer größeren Halle, deren Dach durch zwei Säulen getragen wurde, und mehreren Nebenräumen ausgestattet. Ein zwischen beiden Säulen freistehender Herd sowie ein Becken sprechen für eine zyprisch-ägäische Beeinflussung des Bauwerks.226 Die in einem Nebenraum (Raum 5312) niedergelegten Kleinfunde, darunter mehrere Elfenbeinarbeiten227 sowie zwei kreisrunde Artefakte aus Gold mit gepunztem Dekor,228 zeugen vom Wohlstand der Bewohner.229 In der späten Eisenzeit I 219

Vgl. A. YASUR-LANDAU (2010) 271–275.307.343. So: D. BEN-SHLOMO (2013a) 69. 221 Vgl. für diese Position M. DOTHAN (1988) 295–297; M. DOTHAN/Y. PORATH (1993) 54; T. DOTHAN/A. ZUKERMAN (2004) 5 und auch P.A. MOUNTJOY (2018) 1155. 222 Siehe DOTHAN (1979) 128 und M. DOTHAN/Y. PORATH (1993) 70–71. Vorsichtiger bezüglich dieser Deutung hingegen D. BEN-SHLOMO (2013a) 69. 223 Vgl. dazu die ausführliche Argumentation bei I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2001) 238 sowie I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2004) 125. 224 Siehe Kapitel 2.3.1 und insbesondere die Ausführungen unter Anmerkung 73. 225 Zu Stratigrafie, Architektur und Funden siehe A. MAZAR/D. BEN-SHLOMO (2005) 20–30; Plan 2.5–7; Abb. 2.11–25; D. BEN-SHLOMO (2005b) 81–132; Abb. 3.10–41. Vgl. auch R. HACHLILI (1971b) 158–159; Plan 20; 22; Abb. 84. 226 Hier mit D. BEN-SHLOMO (2003) 89 und A. MAZAR/D. BEN-SHLOMO (2005) 26.30 (dort auch weitere Referenzen). 227 D. BEN-SHLOMO (2005b) 127; Abb. 3.38:6–7. 228 Die Artefakte aus Goldfolie könnten entweder als Beschläge für Waffen oder zur Verzierung von Kleidungsstücken gedient haben. Vgl. für eine umfassende Diskussion und Referenzen zu Fundparallelen D. BEN-SHLOMO (2005b) 127–130; Abb. 3.39:1.3–6. 229 Mit Blick auf die Funde sprechen A. Mazar und D. Ben-Shlomo (A. MAZAR/D. BEN-SHLOMO [2005] 29; D. BEN-SHLOMO [2005b] 132 und D. BEN-SHLOMO [2013] 68–70) den Raum als Schatzkammer beziehungsweise Gemach einer Person aus der Oberschicht an. Anders hingegen: T. DOTHAN (2003) 201, die dem Raum eine kultische Funktion zuweist, was ihres Erachtens besonders eine an der nordöstlichen Wand installierte Lehmziegelbank impliziere. 220

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

(Stratum XI) hat das Wohnquartier einen gewissen Niedergang erlebt, da sich die Gebäude nun durch eine vereinfachte Architektur gegenüber den älteren Vorgängerbauten an gleicher Stelle auszeichnen.230 Mit Blick auf die politische Orientierung Aschdods während der Eisenzeit I ist auf den Mangel an diesbezüglich relevanten schriftlichen Quellen zu verweisen.231 Ungeachtet dessen dürfte man sich in der Zeit vom späten 12. bis zum 11. Jahrhundert v.Chr. vermutlich zum ungleich größeren Tel Miqnē/Ekron (siehe Kapitel 2.4.3) hin orientiert haben, oder war den Herren von ʿAsqalān/Aschkelon232 verpflichtet. Im 10. Jahrhundert waren die aschdodischen Fürsten vielleicht dem aufstrebenden und einflussreichen Tell eṣ-Ṣāfī/Gat (Kapitel 2.4.3) untergeordnet. Denkbar wäre aber auch ein autonomer Status. Obwohl die reichen Kleinfunde (aus den Arealen G und H) sowie der Nachweis von neun Gewichten nach mesopotamischen233 und ägyptischen234 Standards (in Areal G) auf umfangreichere ökonomische Kontakte und überregionale Handelsbeziehungen hindeuten, lassen sich diese nur bedingt (re-)konstruieren. Einerseits fehlen ganz im Gegensatz zur Spätbronzezeit (vgl. Kapitel 2.3.3) aussagekräftige Texte bezüglich wirtschaftlicher Beziehungen. Andererseits ist bisher unbekannt, wo genau und ob überhaupt im früheisenzeitlichen Hinterland von Esdūd/Aschdod ein eigener Hafen von gewisser Bedeutung existierte (siehe dazu das folgende Kapitel). Darüber hinaus lassen sich mit Blick auf das keramische Fundgut kaum direkte Importe nachweisen, zumal die Philisterkeramik trotz ihrer allochthonen Einflüsse eine lokale Ware darstellt. Damit deutet ausweislich der vorhandenen archäologischen Daten vieles darauf hin, dass Aschdods Ökonomie in der Eisenzeit I stärker auf Palästina ausgerichtet war und man 230

So mit D. BEN-SHLOMO (2013) 69. Über Stratigrafie, Architektur und Funde informieren A. MABEN-SHLOMO (2005) 30–37; Plan 2.8–9; Abb. 2.26–32 und D. BEN-SHLOMO (2005b) 132– 167; Abb. 3.42–67. Vgl. auch R. HACHLILI (1971b) 159–162; Plan 21; 22; Abb. 85–87. 231 Für den gesamten Zeitraum der Eisenzeit I wird Esdūd/Aschdod lediglich in pMoskau 128 erwähnt, dem heute am besten erhaltenen Exemplar des Onomastikon des Amenope (A.H. GARDINER [1947]). Aschdod (äg. ʾIsdd) findet sich darin als 263. Eintrag (vgl. A.H. GARDINER [1947] 191*) in einer größeren Sammlung von Orts- und Stammesbezeichnungen mit Bezug zu Syro-Palästina (Einträge 250–270), gerahmt von ʿAsqalān/Aschkelon (äg. ʾIsḳnrn) und Ġazze/Gaza (äg. Gdt). Hatte noch A.H. GARDINER (1947) 25 die Quelle in die Zeit der ausgehenden 20. Dynastie datiert, frühestens aber in die Epoche des Ramses IX. (1126–1108 v.Chr.), dürfte jedoch nach R.A. CAMINOS (1977) 3–4 und J.E. BENNETT (2015) 5 erst mit einer Entstehung während der Herrschaft der 21. Dynastie zu rechnen sein. Bezüglich des Abfassungszwecks heben M.W. KÜSTER (2006) 142 und K. LISZKA (2010) 316– 317 den didaktischen Charakter des Onomastikons hervor, das wahrscheinlich für Übungen in ägyptischen Schreiberschulen Verwendung fand. Gegen A. ALT (21959d) 241–242 deutet jedenfalls weder in der Quelle selbst noch mit Blick auf den archäologischen Befund der Früheisenzeit etwas darauf hin, dass sich die Nennung von Esdūd/Aschdod auf einen zur Abfassungszeit des Textes ebenda existierenden Stützpunkt Ägyptens bezieht. 232 Zu den in ʿAsqalān/Aschkelon nachgewiesenen Überresten der Eisenzeit I vgl. L.E. STAGER/ D.M. MASTER/A.J. AJA (2020) für die vollständig publizierten Grabungsergebnisse. Siehe auch L.E. STAGER u.a. (2008) 257–274.306–307; Abb. 15.10–46.80–82 sowie L.E. STAGER (2008) 1580– 1584. 233 A. ERAN (1993) 126 Kat.-Nr. 8.11.13–16. 234 A. ERAN (1993) 126 Kat.-Nr. 12.17–18. ZAR/D.

2.4 Zur Situation in der Eisenzeit I

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offenbar eher indirekt am Seefernhandel partizipierte. Potenzielle Importe und Exporte sind wahrscheinlich über ʿAsqalān/Aschkelon bezogen sowie ausgeführt worden, was die archäologischen Daten aus den ebenda ergrabenen Eisen-I-zeitlichen Siedlungsschichten (Stratum 20–17) zu bestätigen scheinen.235 Dahingehend deutet L.E. Stager236 Aschkelon im Lichte der Funde und Befunde aus dem 12. und 11. Jahrhundert v.Chr. (wie etwa Importgefäße von der libanesischen Küste oder ägyptische Stempelsiegel) als „philistäische Metropole“ („Philistine metropolis“) mit einer Größe von 50–60 ha, welche in der fraglichen Periode vor allem die Funktion eines Hafens und überregionalen Handelsknotens für die anderen Siedlungen in der südpalästinischen Küstenebene erfüllt habe. Das Ende der Eisen-I-zeitlichen Siedlung von Esdūd/Aschdod kann anhand der belegten Destruktionen in die erste Hälfte des 10. Jahrhunderts v.Chr. datiert werden.237 A. Mazar und D. Ben-Shlomo238 bestimmen als Ursache für die Devastierungen nicht menschliche Gewalteinwirkung, sondern eine Naturkatastrophe, genauer ein Erdbeben. Angesichts des Fehlens einer relevanten Brand- oder Ascheschicht kann diese These durchaus überzeugen. 2.4.2 Zur Situation im Umland von Esdūd/Aschdod Für die Eisenzeit I lassen sich im Hinterland von Esdūd/Aschdod größere Veränderungen im Vergleich mit der Spätbronzezeit greifen. Ausweislich von Oberflächenuntersuchungen der Israelischen Altertumsbehörde (IAA) kann diesbezüglich ein grundsätzlicher Rückgang der Zahl der kleinen Weiler und Gehöfte beobachtet werden.239 Der somit im Umland für den Zeitraum vom späten 12. bis 10. Jahrhundert v.Chr. belegte demografische Rückgang resultierte vielleicht aus einer Bevölkerungskonzentration in der Hauptsiedlung auf dem Tell von Esdūd/Aschdod. Dafür könnte jedenfalls die Entstehung eines neuen Wohnquartiers von größerem Umfang im gleichen Zeitraum sprechen, wie man es im Bereich des Areal H ergraben hat (siehe Kapitel 2.4.1). Während für die fragliche Periode über den Fundplatz von Tel Poran/Tell el-Farāni kaum etwas bekannt ist, lässt sich für Tel Mōr/Tell Ḫēdar eine längere Wüstungsphase nachweisen. Erst im 10. Jahrhundert v.Chr., in der späten Eisenzeit I, entstand ebenda

235

Für Referenzen vgl. die Angaben in Kapitel 2.4.1 unter Anmerkung 232. Siehe L.E. STAGER (2020) 3–14 (hier besonders: 11–14). Dazu auch die Ausführungen bei D.M. MASTER (2009) 111–122 und G.A. PIERCE/D.M. MASTER (2015) 115. Die mehr als 150 in den Eisen-I-zeitlichen Strata ergrabenen Webgewichte aus ungebranntem Ton sowie größere Konzentrationen von Textilfasern deuten darüber hinaus auf eine umfänglichere Textilindustrie hin (vgl. L.E. STAGER [2020] 11–12). 237 Hier mit M. DOTHAN (1971) 31.34; M.-T. FORTUNA/B.L. WALLACE/Z. YEIVIN (1971) 136; M. DOTHAN/Y. PORATH (1993) 92 und A. MAZAR/D. BEN-SHLOMO (2005) 37. Vgl. auch I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2001) 239. 238 A. MAZAR/D. BEN-SHLOMO (2005) 37. Vgl. ebenso P.A. MOUNTJOY (2018) 1157. 239 Siehe A. BERMAN/L. BARDA/H. STARK (2005) und I. KOCH (2017) 186. Zum Phänomen des Rückgangs von Klein- und Kleinstsiedlungen während der Eisenzeit I in der Südlevante insgesamt vgl. hingegen I. FINKELSTEIN (1996) 225–242; A. FAUST (2013) 203–219 (hier: 204.206–208) und auch S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2017) 29 (jeweils mit weiterer Literatur). 236

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

ein bescheidener Weiler mit ruraler Prägung (Stratum IV–III).240 Mīnet Esdūd/AschdodYam (Süd) wiederum blieb ab dem beginnenden 12. Jahrhundert v.Chr. gänzlich unbesiedelt. Da man bisher auch sonst keinen Eisen-I-zeitlichen Ankerplatz in der Region von Aschdod ergraben hat, dürfte der nächstgelegene Hafen wohl in ʿAsqalān/Aschkelon lokalisiert gewesen sein (siehe dazu auch Kapitel 2.4.1). 2.4.3 Zu den Entwicklungen in der inneren Küstenebene und in der Schefela Nach dem Bedeutungsverlust in der Spätbronzezeit erlebte Tel Miqnē/Ekron ab dem späten 12. Jahrhundert v.Chr. eine neue Blütephase, wobei die Siedlung eine Größe von 20 ha erreichte und einen urbanen Charakter entwickelte.241 In die Eisenzeit I zu datierende Fortifikationen konnten in mehreren Bereichen ergraben werden (Feld I, III und X).242 Im Verlauf der Epoche etablierte sich Ekron sodann zu einem wichtigen Zentrum für die Produktion von Keramik, was zahlreiche Überreste von Brennöfen (Feld I NE, Stratum VII–VI) belegen.243 Vom Wohlstand der Bewohner beziehungsweise der Eliten zeugt ein Wohnquartier, welches man im Gebiet des unteren Felds IV (Stratum VI– IV)244 freigelegt hat. Ebenda ließ sich ein großes Haus (Gebäude 350 [Stratum V–IV]245) mit monumentalem Eingangsbereich, Säulenhalle und mehreren Nebenräumen identifizieren, dessen Erbauer sich an ostmediterranen Megara orientierten.246 Der im Westen durch drei Nebengebäude flankierte Gesamtkomplex ist entweder als Tempel,247 Pa-

240

Dazu T.J. BARAKO (2007a) 32–33.244–246; Plan 2.6; Abb. 2.31–32. Vgl. A.M. MAEIR/J. UZIEL (2007) 29.36; J. UZIEL/A.M. MAEIR (2012) 176; H.M. NIEMANN (2013) 250 Tab. 1 und zum Ganzen auch S. GITIN/Y. GARFINKEL/T. DOTHAN (2016) 37–39. I. KOCH (2017) 185.193 verbindet den Aufschwung der Siedlung auf dem Tel Miqnē während der frühen Eisenzeit I unmittelbar mit dem Ende der ägyptischen Herrschaft über Palästina in der ausgehenden Spätbronzezeit sowie dem damit verbundenen Bedeutungsverlust der Eliten von Tell eṣ-Ṣāfī/Gat, Tell elǦazarī/Geser, Tell ed-Duwēr/Lachisch und ꜤĒn-Šems/Bet-Schemesch. 242 So mit T. DOTHAN/S. GITIN (1993) 1053–1054 T. DOTHAN/S. GITIN (2008) 1954 und D. BENSHLOMO (2013b) 365. 243 Dazu T. DOTHAN/S. GITIN (2008) 1954; D. BEN-SHLOMO (2013b) 364 und S. GITIN/Y. GARFINKEL/T. DOTHAN (2016) 37 Anmerkung 76 für Referenzen. Für eine Keramikproduktion von größerer Bedeutung mit einem hohen künstlerischen und technologischen Potenzial dürfte auch die im Horizont der Strata VIIA und VIB ergrabene Menge an lokal produzierter Philisterkeramik I sprechen. Letztere erreicht in einigen Grabungsbereichen einen Anteil von bis zu 50% am nachgewiesenen keramischen Fundgut. Im Vergleich dazu beträgt der Anteil der fraglichen Ware in den zeitgleich anzusetzenden Siedlungsschichten auf dem Kulturschutthügel von Esdūd/Aschdod nur ca. 10% (vgl. T. DOTHAN/ S. GITIN [1993] 1053 und D. BEN-SHLOMO [2013b] 365). 244 Über die im Bereich des unteren Feldes IV ergrabenen Eisen-I-zeitlichen Siedlungsgeschichten (Stratum VII–IV) informieren L.B. MAZOW (2014a) 135–144; Abb. 2–7 und S. GITIN/Y. GARFINKEL/T. DOTHAN (2016) 8–39; Foto 2.3–66. Zur Keramik vgl. hingegen L.B. MAZOW (2014a) 144–156; Abb. 8–13 sowie A. ZUKERMAN/S. GITIN (2016) 101–126; Abb. 4. 245 Vgl. die ausführliche Diskussion bei S. GITIN/Y. GARFINKEL/T. DOTHAN (2016) 21–36; Blockplan 5–9. 246 Hier T. DOTHAN/S. GITIN (2008) 1955 folgend. Vgl. auch S. GITIN/Y. GARFINKEL/T. DOTHAN (2016) 21.38. 247 So etwa D. BEN-SHLOMO (2013b) 365. 241

2.4 Zur Situation in der Eisenzeit I

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last248 oder als öffentliches Gebäude mit diversifiziertem Funktionsspektrum (administrativ, kultisch und herrschaftlich-repräsentativ) angesprochen worden.249 Auf wenigstens sporadische Kultaktivitäten deuten dabei einige Kleinfunde wie beispielsweise ein filigranes Bronzemesser mit einem Heft aus Elfenbein (Stratum V) und ein Granatapfelgefäß (Stratum IV) hin.250 Nach der Deutung von T. Dothan und S. Gitin251 wurde Ekron schließlich am Ende der Eisenzeit I durch kriegerische Aktivitäten destruiert. In der späten Eisenzeit I oder erst ab der Transitionsphase von der Eisenzeit I zur Eisenzeit IIA verfügte auch Tell eṣ-Ṣāfī/Gat über Befestigungen252 sowie ausweislich der Größe von 20–30 ha über einen städtischen Charakter.253 In der Oberstadt sind Überreste eisenzeitlicher Wohnbebauung in den Arealen A, E und F nachweisbar, während in Areal P ein öffentliches Gebäude (wahrscheinlich ein Lagerhaus für landwirtschaftliche Produkte) ergraben werden konnte.254 In der Unterstadt, im Bereich des Areal D West, haben die Ausgräber ein Langhaus (Stratum D4) freigelegt und als Tempel aus der späten Eisenzeit I/frühen Eisenzeit IIA angesprochen.255 Unter den im Gebäude bisher entdeckten Kleinfunden sind insbesondere 17 Votivgefäße und das Gehäuse einer großen Tonnen- oder Fassschnecke (Tonna galea) von Bedeutung. Solche Tonnidae wurden vor allem in der spätbronzezeitlichen Ägäis als Votivgaben dargebracht.256 Dass Gat wenigstens ab der späten Eisenzeit I vielleicht sogar den bedeutendsten Handelsplatz in Palästina darstellte, belegt das auf dem Kulturschutthügel ergrabene Fundgut, welches auf umfangreiche ökonomische Vernetzungs- und Austauschprozesse hindeutet. Diesbezüglich repräsentativ sind neben phönizischer, zyprischer und griechischer

248

T. DOTHAN/S. GITIN (1993) 1054. Vgl. den Kommentar bei S. GITIN/Y. GARFINKEL/T. DOTHAN (2016) 21: „[…] [Building 350] was a public structure with administrative and royal functions […]. […] [T]his was a multi-functional building used for both cultic and domestic activities.“ Dazu auch S. GITIN/Y. GARFINKEL/T. DOTHAN (2016) 35.38. 250 So nach T. DOTHAN/S. GITIN (1993) 1055–1056 sowie D. BEN-SHLOMO (2013b) 365. 251 Vgl. T. DOTHAN/S. GITIN (1993) 1056 und D. BEN-SHLOMO (2013b) 365. 252 Befestigungen aus der (späten) Eisenzeit I sind bisher in Areal D Ost (A. DAGAN/ M. ENIUKHINA/A.M. MAEIR [2018] 29 mit Abb. 1; A.M. MAEIR [2020b] 20) und Areal F (E. WELCH u.a. [2019] 161–162 mit Abb. 8.8) nachweisbar. Zumindest scheint der in Areal F ergrabene Bereich durchgehend von der Mittelbronzezeit II bis zur Eisenzeit IIA befestigt gewesen zu sein (vgl. ebd.). 253 Vgl. A.M. MAEIR/J. UZIEL (2007) 33–34.36; J. UZIEL/A.M. MAEIR (2012) 176 und H.M. NIEMANN (2013) 250 Tab. 1 sowie A.M. MAEIR (2020b) 21. Somit stellt die späte Eisenzeit I beziehungsweise der Übergang von der Eisenzeit I zur Eisenzeit IIA den einzigen Zeitraum dar, in welchem Tell eṣ-Ṣāfī/Gat und Tel Miqnē/Ekron über eine ähnliche Größe verfügten. Siehe diesbezüglich auch A.M. MAEIR/J. UZIEL (2007) 36; A.M. MAEIR (2012a) 19 sowie A.M. MAEIR (2013) 444. 254 Dazu A.M. MAEIR (2012a) 19 und A.M. MAEIR (2013) 444. 255 A. DAGAN/M. ENIUKHINA/A.M. MAEIR (2018) 28–31; Abb. 2–4. Vgl. auch D. BEN-SHLOMO (2019b) 6. Zu den Tempelanlagen der (späteren) Eisenzeit I von Tell el-Qasīle (Stratum XII–X) und Naḥal Paṭṭiš/Wādī Zumēlī (Stratum II) informieren D. VIEWEGER (2012) 461–475; Abb. 1–10 und jetzt auch F. HAGEMEYER (2023c) (im Druck) (dort auch weitere Literatur). 256 So mit A. DAGAN/M. ENIUKHINA/A.M. MAEIR (2018) 31. Aus Areal Y, nur 300 m östlich des Areal D, ist eine Werkstatt belegt, welche man unter anderem zum Brennen von Lehmziegeln benutzte. 249

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

Importkeramik beispielsweise auch ägyptische Siegel, Siegelabdrücke und FayenceAmulette sowie Kupferobjekte aus der ʿArabā.257 Sind im Bereich der inneren Küstenebene mit Gat und Ekron zumindest für die ausgehende Eisenzeit I gleich zwei urbane Siedlungen mit regionaler Ausstrahlung nachzuweisen, präsentiert sich für die Schefela ein gänzlich anderes Bild. Wie G. Lehmann und H.M. Niemann258 zeigen konnten, war diese Region im fraglichen Zeitraum durch einzelne Weiler und Dörfer mit einer bebauten Fläche von insgesamt maximal 17 ha bei vielleicht 2.500–3.000 Einwohnern geprägt. Das Gebiet wurde durch voneinander unabhängige Stammesverbände beherrscht, welche in vielen Fällen bis zur Eisenzeit IIA zumindest eine gewisse politische und soziokulturelle Autonomie gegenüber Küste und Bergland bewahren konnten.259 Im Sorek-Tal lässt sich am Fundplatz von Tell el-Bāṭāšī/Timna (Stratum V)260 eine kleine mit Mauern und (mindestens) einem Wachturm befestigte Siedlung nachweisen. Vielleicht wurden die Fortifikationen zusätzlich noch durch eine weitere Struktur verstärkt, welche A. Mazar und N. Panitz-Cohen261 als Zitadelle (mit Fragezeichen) deuten. Der hohe Anteil von bichromer Philisterkeramik (bis zu 34%) sowie der durch Knochenfunde belegte Konsum von Schweinefleisch werden meist als Indizien für eine Orientierung des Tell el-Bāṭāšī nach Tel Miqnē/Ekron hin gewertet, von wo aus Timna beherrscht worden sein soll.262 Zumindest lässt die aus der Größe und dem urbanen Charakter abzuleitende Bedeutung Ekrons eine solche Abhängigkeit nicht unplausibel erscheinen. In ʿĒn-Šems/Bet-Schemesch (Stratum III [E. Grant/G.E. Wright]/Levels 7–4 [S. Bunimovitz/Z. Lederman]) wiederum existierte zur gleichen Zeit eine nicht ummauerte und durch Viehzucht sowie Ackerbau geprägte Siedlung.263 S. Bunimovitz und Z. Lederman264 heben den lokalen Charakter von Architektur, Keramik und anderen Kleinfunden sowie das Fehlen von zyprisch-ägäischen Einflüssen in der materiellen 257 Siehe jetzt A.M. MAEIR (2022) 7–21 (hier besonders: 8–10) für die Diskussion repräsentativer Importobjekte aus der Eisenzeit I–IIA vom Tell eṣ-Ṣāfī. 258 G. LEHMANN/H.M. NIEMANN (2014) 77–94 (hier: 84–85) und H.M. NIEMANN (2022) 70. 259 Vgl. G. LEHMANN/H.M. NIEMANN (2014) 78–85; I. KOCH (2017) 186–189 und auch A. FAUST (2020) 116 (mit Literatur). Anders noch I. FINKELSTEIN (1996) 232, nach dem die Schefela in der Eisenzeit I fast vollständig unbewohnt gewesen sei. 260 Eisen-I-zeitliche Überreste sind in den Arealen B, C, D E und J ergraben worden. Über Architektur und Stratigrafie informiert A. MAZAR (1997) 27–28.76–81.93–94.98–105.177–180.254; Plan P/S 19–20; 34; 37; 78–79; Abb. 23; 26; 40; Foto 81–86; 93–101; 173–176. Zur Keramik der Eisenzeit I siehe N. PANITZ-COHEN (2006b) 134–138. 261 A. MAZAR (1997) 254; A. MAZAR (2006b) 328 und N. PANITZ-COHEN (2006b) 135. Vgl. ebenso A. MAZAR/G.L. KELM (1993) 153. 262 So: A. MAZAR (2006b) 328; S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2016c) 48 und S. BUNIMOVITZ/ Z. LEDERMAN (2017) 31. 263 Vgl. S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2008) 1645. S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2016c) 159– 224; Abb. 6.1–69 diskutieren Stratigrafie, Architektur und Funde ausführlich. 264 Dazu und zum Folgenden S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2011) 37–51; S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2016c) 159–245 (hier besonders: 224–233) und S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2017) 29– 31 (mit weiterer Literatur), welche die von ihnen (re-)konstruierten Widerstandsbemühungen gegen den Einfluss der Siedlungen in der Küstenebene als Hauptursache für die Destruktion von ꜤĒnŠems/Bet-Schemesch am Ende der Eisenzeit I bestimmen.

2.4 Zur Situation in der Eisenzeit I

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Kultur hervor. Weiterhin spricht ihres Erachtens das weitestgehende Nichtvorhandensein von Schweineknochen und Philisterkeramik265 für eine bewusste Abgrenzung der lokalen Bevölkerung („Canaanite resistance“) von den vielfältigen Einflüssen „philistäisch“ geprägter Siedlungen in der Küstenebene. Mit Blick auf die agrarische Ausrichtung des Weilers könnte aber auch ein Mangel an ökonomischen Ressourcen dafür verantwortlich gewesen sein, dass die Bewohner von ʿĒn-Šems/Bet-Schemesch die hochwertig dekorierte und entsprechend kostspielige Philisterkeramik nicht beziehungsweise kaum gebrauchten. Im Elah-Tal war der Tell Zakarīye über die gesamte Eisenzeit I hinweg unbebaut.266 Doch nur einige Kilometer westlich hat man mit Ḫirbet Qēyafa eine zwar kurzlebige, aber dennoch in der Forschung viel diskutierte Siedlung aus der Früheisenzeit identifiziert. Nach der Interpretation der Ausgräber um Y. Garfinkel handelt es sich um eine „typisch judäische Stadtanlage“ („a typical Judean urban plan“) aus der Zeit um 1000 v.Chr. (Stratum IV) mit zwei Vierkammertoren, einer Kasemattenmauer, Vierraumhäusern sowie einem als Palast gedeuteten Zentralgebäude.267 Bezüglich der weiteren Argumentationskette268 wird die Gründung der Siedlung letztlich als Beleg für die Existenz eines größeren Territorialkönigreichs im judäischen Bergland gewertet, das zu Beginn der Eisenzeit IIA (Modified Conventional Chronology269) unter Führung des David von Juda in die Schefela hinein habe expandieren können.270 Dieser Erklärungsansatz ist hinsichtlich der Chronologie kritisiert worden, wobei im Hinblick auf das keramische Fundgut (L. Singer-Avitz271) und Radiokohlenstoffdatierungen (I. Finkelstein und E. Piasetzky272) wahrscheinlicher mit einer Entstehung in der späten Eisenzeit I (Low Chronology), zwischen 1019–921 kal v.Chr., zu rechnen ist. Darüber hinaus sind 265 Nach S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2016c) 206–211; Abb. 6.58–63 konnte in den Eisen-Izeitlichen Siedlungsschichten so gut wie keine monochrome Philisterkeramik I nachgewiesen werden. Bichrome Philisterkeramik II erreicht in den entsprechenden Strata lediglich einen Anteil von 2,6– 5,3% am Gesamtumfang des keramischen Fundguts. 266 Hier mit O. LIPSCHTS/Y. GADOT/M. OEMING (2017) 13. Vgl. auch Y. GADOT/S. KLEIMAN/ O. LIPSCHITS (2018) 216–217 passim und A. FAUST (2020) 116. 267 So unter anderem Y. GARFINKEL (2017a) 115–131 und Y. GARFINKEL (2017b) 5–59. Über Stratigrafie und Architektur der früheisenzeitlichen Siedlung (Stratum IV) informieren Y. GARFINKEL/I. KREIMERMAN/P. ZILBERG (2016) 48–72; Abb. 17–39. Zur Keramik vgl. H.-G. KANG/Y. GARFINKEL (2018) und zur Radiokohlenstoffdatierung siehe Y. GARFINKEL/K. STREIT (2014) 367–374 und Y. GARFINKEL u.a. (2015) 881–890. 268 Als Beleg für die Kontrolle Ḫirbet Qēyafas durch einen im judäischen Bergland residierenden Herrn werden unter anderem 700 vor Brand mit Fingerabdruck gekennzeichnete Krughenkel angeführt. Für Y. GARFINKEL (2017a) 128 und Y. GARFINKEL (2017b) 43–44 deuten diese Objekte nicht nur auf die operative Tätigkeit einer judäischen Administration in der Schefela hin, sondern die fraglichen Artefakte werden auch als direkte Vorläufer der deutlich jüngeren lmlk-Henkel bestimmt. Für weitere Argumente, welche eine judäische Herrschaft über die Siedlung beweisen sollen, vgl. ebd. 269 Dazu die Ausführungen zur Chronologie in Kapitel 1.1 unter Anmerkung 12. 270 Vgl. Y. GARFINKEL/I. KREIMERMAN/P. ZILBERG (2016) 199–236; Y. GARFINKEL (2017a) 115– 131 (hier besonders: 125–128) sowie Y. GARFINKEL (2017b) 5–59 (hier: 42–49). 271 L. SINGER-AVITZ (2010) 79–83 und L. SINGER-AVITZ (2012a) 177–185. 272 I. FINKELSTEIN/E. PIASETZKY (2010b) 84–88 sowie I FINKELSTEIN/E. PIASETZKY (2015) 891– 907.

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

die zumindest partiell biblizistische Interpretation alttestamentlicher Texte durch die Ausgräber, die Grabungsmethoden sowie die Analyse des archäologischen Befunds immer wieder beanstandet worden.273 Mit Blick auf Gegenentwürfe wird Ḫirbet Qēyafa etwa als israelitische Grenzfestung im Südwesten (I. Finkelstein und A. Fantalkin274) oder als von Bergland und Küste unabhängige „micro-polity“ beziehungsweise autonomer „Dorfstaat“ (H.M. Niemann275) angesprochen. Für A.M. Maeir276 wiederum lässt die materielle Kultur des Ortes zwar klare Beziehungen zum früheisenzeitlichen Jerusalem erkennen, weshalb eine Gründung durch Berglandbewohner denkbar wäre. Die relativ schnelle Zerstörung von Ḫirbet Qēyafa nach nur wenigen Jahrzehnten belegt seines Erachtens aber kaum eine größere Westexpansion Judas im 10. Jahrhundert v.Chr., sondern vor allem die unangefochtene Dominanz von Tell eṣ-Ṣāfī/Gat über die Schefela.277 Ungeachtet der kontrovers geführten Forschungsdebatte lassen sich anhand von Keramik und anderen Kleinfunden eindeutige Beziehungen der fraglichen Siedlung zur Küste hin belegen, was in Kapitel 2.4.5 noch auszuführen ist. 2.4.4 Zur Situation Jerusalems und seines Umlands 2.4.4.1 Zum Siedlungscharakter Jerusalems Das früheisenzeitliche Jerusalem stellte ausweislich der archäologischen Funde und Befunde eine unbefestigte Ansammlung kleinerer Gehöfte auf annähernd 3–4 ha Siedlungsfläche dar,278 oder, wie es I. Finkelstein279 formuliert, ein „typisches Bergdorf ohne Monumentalarchitektur und Befestigungen.“ Erst im Verlauf des 10. Jahrhunderts hat 273 Unter der Fülle an kritischen Positionen wird hier in Auswahl auf I. FINKELSTEIN/A. FANTALKIN (2012) 38–62; H.M. NIEMANN (2017) 245–262 und C. FREVEL (22018) 140–142 (mit Literatur) sowie die im weiteren Fließtext diskutierte Literatur verwiesen. 274 I. FINKELSTEIN/A. FANTALKIN (2012) 38–63 und I. FINKELSTEIN/A. FANTALKIN (2017) 53–60, nach denen Schischak I./Shoshenq I. (946/45–924 v.Chr.) am Beginn der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts v.Chr. Ḫirbet Qēyafa destruiert habe. 275 H.M. NIEMANN (2017) 245–262 (hier besonders: 256–257). Vgl. auch H.M. NIEMANN (2022) 70, der für die Zerstörung der Siedlung im 10. Jahrhundert v.Chr. das aufstrebende Gat verantwortlich macht. Nach N. NAʾAMAN (2010a) 497–526 und N. NAʾAMAN (2017a) sei Ḫirbet Qēyafa als befestigte philisto-kanaanäische Siedlung anzusprechen. Vgl. zum Ganzen ebenso A. FAUST (2020) 122–124. 276 A.M. MAEIR (2017a) 133–154 (hier: 141–142.144); A.M. MAEIR (2017c) 61–71 (hier: 66–67) sowie A.M. MAEIR (2022) 13–14. Vgl. auch A.M. MAEIR (2012a) 22–25. 277 Dazu A.M. MAEIR (2017c) 66–67 und A.M. MAEIR (2020b) 28. Nach A.M. MAEIR (2022) 14 stand Jerusalem in diesem Zeitraum wahrscheinlich in einer vasallischen Beziehung zu den Herren von Tell eṣ-Ṣāfī/Gat. 278 Siehe C. FREVEL (22018) 209 und E.A. KNAUF/H.M. NIEMANN (2021) 200 Tab. 7 zu den Siedlungsgrößen im 12. und 11. Jahrhundert v.Chr. 279 I. FINKELSTEIN (2011a) 191: „a typical highlands village with no monumental architecture and fortifications.“ Vgl. auch I. FINKELSTEIN (2003) 88–92 und ebenso den Kommentar bei K. BIEBERSTEIN (2017) 49: „[…] Jerusalem under David was not yet a city in the full sense of the word, but only the residence of a regional ruler with an area of barely more than 1 ha with hardly more than 200 inhabitants.“ Nach M. KÖSZEGHY (2015) 62–63 hat es sich um „eine kleine Festung, möglicherweise mit einigen Häusern um sie herum […]“ gehandelt. Anders aber: A. DE GROOT (2012) 152–154. Vgl. zum Ganzen auch die Ausführungen bei J. UZIEL/I. SHAI (2007) 161–170.

2.4 Zur Situation in der Eisenzeit I

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sich dieser Weiler allmählich zu einem kleinen administrativen Zentrum entwickelt.280 Fast alle bisher bekannten Eisen-I-zeitlichen Überreste stammen aus dem Bereich der Davidstadt (Silwan) (Stratum 15–14; 12–10. Jahrhundert v.Chr.), wo mit der frühesten Baustufe der Stepped Stone Structure281 erstmals wieder seit der Mittelbronzezeit eine größere architektonische Einheit nachweisbar ist. Ansonsten hat man auf dem Südosthügel bisher nur wenig mehr mit sicherer Datierung in die fragliche Epoche freigelegt.282 Diesbezüglich repräsentativ ist etwa die Grabung von Y. Shiloh in Areal E, wo sich nur zwei kleinere Gebäudestrukturen identifizieren ließen.283 Die archäologischen Untersuchungen von D. Ben-Ami und Y. Tchekhanovets im Bereich des Givʿati-Parkplatzes haben wiederum gezeigt, dass die Davidstadt (Silwan) respektive der Südosthügel (zumindest an der Nordwestseite) mit großer Wahrscheinlichkeit weder in der Eisenzeit I noch in der Eisenzeit IIA befestigt war.284 Im Gegensatz zu diesen eher spärlichen Befunden hat E. Mazar285 oberhalb der Stepped Stone Structure architektonische Reste entdeckt, welche sie als Palast beziehungsweise Feste des David von Juda (vgl. 2 Sam 5,11) deutet. Ihres Erachtens handele es sich bei der so interpretierten Struktur konkret um eine aus- beziehungsweise umgebaute „kananäisch-jebusitische Palast-Festung“ („Canaanite-Jebusite Palace-Fortress“). Tatsächlich besteht die vermeintliche „Palast-Festung“ aber aus mehreren Bauwerken, welche in einem Zeitraum von der Eisenzeit IIA bis in die Hasmonäer- und frühe Römerzeit errichtet worden sind.286 Bei E. Mazars287 erst kürzlich publizierten Ausgrabungen im Gebiet des Ofel wiederum sind unter anderem eine Kasemattenmauer, ein Torhaus und Magazinbauten identifiziert worden, welche die Ausgräberin mit der über280

Hier mit M.L. STEINER (2001) 41.113 und O. KEEL (2007) 147. Letztgenannter macht die administrative Funktion Jerusalems im 10. Jahrhundert v.Chr. anhand des in der Davidstadt (Silwan), Areale D1, E1, H und P, ergrabenen keramischen Fundguts fest (vgl. ebd.). Nach G.J. WIGHTMAN (2022) 68– 69 hat Jerusalem in der Eisenzeit I hingegen die Funktion einer wichtigen Festungs- und Garnisonsstadt („important fort and garrison town“) erfüllt. 281 Dazu ausführlich Kapitel 2.3.5. 282 Für M. KÖSZEGHY (2015) 62 und D. VIEWEGER (2019b) 145–147 (hier besonders: 146) resultiert das weitestgehende Fehlen von Architektur, die sicher in die relevante Epoche zu datieren ist, wahrscheinlich aus dem Abriss älterer Lehmziegelstrukturen ab dem 8. Jahrhundert v.Chr. und deren Überbauung durch massive Steingebäude in hellenistischer, römischer und byzantinischer Zeit. 283 Vgl. A. DE GROOT/H. BERNICK-GREENBERG (2012a) 34–35.101–106; Plan 13–14; 48; Foto 30– 32; 114–122 und A. DE GROOT (2012) 150–154; Abb. 6. Zu den von E. Mazar bei ihren Grabungen in der Davidstadt (Silwan) oberhalb von Areal G ergraben Funden und Befunden des 12.–11. Jahrhunderts v.Chr. (Stratum 15) und 10. Jahrhunderts v.Chr. (Stratum 14) vgl. E. MAZAR (2015a) 64–74; Foto 1.77– 88. Siehe auch E. MAZAR (2015b) 184–188. 284 D. BEN-AMI (2014) 3–19 (hier besonders: 5.14–17) und D. BEN-AMI/Y. TCHEKHANOVETS (2019) 265. Vgl. auch C. FREVEL (22018) 160. 285 E. MAZAR (2009) 43–65; E. MAZAR (2015a) 64–72; Foto 1.77–78 und E. MAZAR (2019a) 47– 48. Siehe auch A. MAZAR (2010) 32–45. 286 Hier mit I. FINKELSTEIN u.a. (2007) 142–164; I. FINKELSTEIN (2011b) 1–11; D. USSISHKIN (2015) 143 sowie C. FREVEL (22018) 146 und D. VIEWEGER (2019b) 145–146. Vgl. ebenso Y. GADOT/ J. UZIEL (2017) 136–137. 287 Zu den Grabungsergebnissen informieren E. MAZAR (2015c) 459–474; Plan III.1.1–2; Abb. III.1.1–5; Foto III.1.1–6 und E. MAZAR (2019b) 57–62. Für als „davididisch“ interpretierte Befestigungsstrukturen siehe E. MAZAR (2018a) 315–324; Plan III.1.1–2; Foto III.1.1–5; Abb. III.1.1–2.

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

haupt nur im Alten Testament überlieferten Bautätigkeit des Salomo von Juda im 10. Jahrhundert v.Chr. verbindet.288 D. Ussishkin und andere289 nehmen hingegen eine spätere Entstehung der Bauwerke an – wahrscheinlich erst in der Eisenzeit IIB (8. Jahrhundert v.Chr.). In jedem Fall bedarf es einer weiteren kritischen Überprüfung der fraglichen Funde und Befunde sowie auch Nachgrabungen im Gebiet des Ofel, bevor die weitreichenden historischen Schlüsse E. Mazars abschließend bewertet werden können. Dies gilt gerade auch im Hinblick auf ihre Korrelationen der archäologischen Überreste mit biblischen Texten.290 2.4.4.2 Das Hinterland Jerusalems Im Umland Jerusalems ist für die Eisenzeit I eine größere Konzentration von Weilern und Gehöften allein für das Gebiet des Benjamin-Plateaus nachweisbar, wobei sich dort anhand von Oberflächenuntersuchungen ca. 25 Klein- und Kleinstsiedlungen (darunter mehrere früheisenzeitliche Neugründungen) greifen lassen.291 Nach O. Sergi292 spricht dieser Befund dafür, dass die Herren von Jerusalem ihre Expansionsversuche in der fraglichen Periode auf dieses Gebiet im Norden ausrichteten. Allerdings dürfte eine tatsächliche territoriale Kontrolle angesichts des bescheidenen Charakters der in Jerusalem freigelegten Eisen-I-Zeitlichen Überreste nur in sehr begrenztem Umfang realisiert worden sein. Ungeachtet dessen war das westliche Hinterland offenbar nur von untergeordnetem Interesse. Schließlich ist ebenda mit Gīlō293 (bisher) lediglich eine einzige bedeutendere Siedlungsneugründung für die Eisenzeit I (11. Jahrhundert v.Chr.) bezeugt. 288

Vgl. vor allem 1 Kön 6–7; 9,15.17–19 und 2 Chr 3–4. D. USSISHKIN (2015) 141–142. Für eine Datierung zumindest von Teilen der ergrabenen Überreste in die Zeit vor dem späten 8. Jahrhundert v.Chr. plädieren auch Y. GADOT/J. UZIEL (2017) 136– 137. Anders hingegen: A. MAZAR (2020) 147 mit einer chronologischen Verortung in die Eisenzeit IIA, zugleich aber auf den ungenügenden Publikationsstand bezüglich der Keramik hinweisend. 290 Für eine erste kritische Annäherung siehe D. VIEWEGER (2019b) 147–150.195–205. Nach K. BIEBERSTEIN (2017) 48–49 handele es sich bei den alttestamentlichen Beschreibungen der Bautätigkeiten Davids und vor allem Salomos um Rückprojektionen aus der Zeit des Ahas (741 [Koregent]/736–725 v.Chr.) beziehungsweise des Hiskija von Juda (725–697 v.Chr.). Nach N. NAʾAMAN (2012) 23–33 habe man sich beim Abfassen der Königebücher in der exilischen oder nachexilischen Zeit an älteren mündlichen Traditionen (und wohl auch frühen schriftlichen Quellen) orientiert, die einzelne Könige mit spezifischen Gebäuden und Mauern in der Davidstadt (Silwan) und auf dem Tempelberg (Ḥaram eš-Šarīf) verbanden. Diese älteren Überlieferungen seien sodann in glorifizierender Absicht überarbeitet und stark erweitert worden. Vgl. zum Ganzen auch die Ausführungen bei C. FREVEL (22018) 142–147.153–162 und J. KAMLAH (2008) 40–50 (mit weiterer Literatur). E. BLUM (2012b) 291–316 bietet eine ausführliche exegetische Diskussion des Tempelbauberichts von 1 Kön 6,1–22. 291 Dazu O. SERGI (2017) 1–23 (hier: 8–12). Vgl. auch M. KÖSZEGHY (2015) 78–91 für eine Übersicht über die Siedlungen im Umland Jerusalems während der Eisenzeit I und II. Zu den bewohnten Ortslagen des 10. Jahrhunderts v.Chr. siehe ebenso G. LEHMANN (2003) 117–162 und zum BenjaminPlateau Y. MAGEN/I. FINKELSTEIN (1993). 292 O. SERGI (2017) 8–12. Anders aber: I. FINKELSTEIN (2018) 193–194, nach dem eine umfassende Expansion der Herren von Jerusalem in das Gebiet des Benjamin-Plateaus erst für das 9. Jahrhundert v.Chr. (Eisenzeit IIA) anzunehmen sei. 293 Über Stratigrafie, Architektur und Funde informieren A. MAZAR (1981) 1–36 und A. MAZAR (1990) 77–101. Nach A. MAZAR (1981) 31–32 sei die Siedlung mit der in der Hebräischen Bibel 289

2.4 Zur Situation in der Eisenzeit I

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2.4.5 Zur historischen Auswertung und (Re-)Konstruktion der aschdodisch-judäischen Beziehungen in der Eisenzeit I Wie bereits in der Spätbronzezeit bestanden in der Eisenzeit I hinsichtlich Siedlungsgröße, ökonomischer Bedeutung sowie sozio-kultureller Ausrichtung der jeweiligen Bewohner signifikante Unterschiede zwischen Esdūd/Aschdod und Jerusalem. Die früheisenzeitliche Siedlung von Esdūd/Aschdod präsentiert sich dahingehend als ein recht wohlhabender Ort mittlerer Größe mit repräsentativer Architektur und einer sowohl durch lokale als auch zyprisch-ägäische Elemente geprägten Oberschicht. Obwohl ein eigener Hafen in dieser Zeit möglicherweise nicht existiert hat, konnte die Region zumindest indirekt am Fernhandel partizipieren – wohl vermittelt über die anderen Küstenzentren. Im Gegensatz dazu stellte Jerusalem vom 12.–11. Jahrhundert v.Chr. einen dörflichen Weiler von rein lokaler Bedeutung dar. Erst im 10. Jahrhundert v.Chr. scheint sich dieser zu einem kleinen administrativen Zentrum fortentwickelt zu haben. Doch ausweislich des siedlungsdemografischen Befunds aus dem Hinterland (Kapitel 2.4.4.2) haben die Herren von Jerusalem selbst in der späten Eisenzeit I kaum nach Westen ausgreifen können. Dies ist insofern nicht verwunderlich, da zuerst die einflussreichen Fürsten von Tel Miqnē/Ekron und schließlich die Herrscher von Tell eṣ-Ṣāfī/Gat (Kapitel 2.4.3) eine judäische Expansion Richtung Schefela verhindert haben. A.M Maeir294 hält es in diesem Zusammenhang sogar für gut vorstellbar, dass die Herren von Jerusalem vielleicht sogar bis zum späten 9. Jahrhundert v.Chr. (Eisenzeit IIA) vasallisch an Gat gebunden waren. Wenn dem tatsächlich so gewesen ist, müsste die im 10. Jahrhundert v.Chr. allmählich einsetzende Konsolidierung der Macht durch einen einzigen Clan im Bergland mindestens durch die Regenten von Tell eṣ-Ṣāfī/Gat geduldet oder sogar protegiert worden sein. Hinsichtlich der auf archäologischen Funden basierenden (Re-)Konstruktion von Kultur- und Handelskontakten zwischen Küste und Bergland ist für den relevanten Zeitraum vor allem die hochwertige Philisterkeramik II von großer Bedeutung. Diesbezüglich sind vereinzelte Eisen-I-zeitliche Streufunde der fraglichen Ware aus den judäischen Bergen (Bētīn/Bet-El, Ḫirbet Sēlūn/Schilo und Tell en-Naṣbe/Mizpa), dem Negev (Bīr es-Sebaʿ/Beerscheba und Tel Maśōś/Ḫirbet el-Mšāš) sowie der Schefela (Tell ʿĒṭun, Tell el-Bāṭāšī/Timna, ʿĒn-Šems/Bet-Schemesch und Tell Bēt Mirsim) bekannt.295 Allerdings hat man für die meisten dieser Objekte bisher nicht mittelts naturwissenschaftlicher Analysen klären können, ob es sich tatsächlich um aus den Küstensiedlungen importierte Güter (Interaktionsebene I) oder um lokale Imitationen (Interaktionsbelegten Ortschaft Baal-Perazim zu identifizieren. In Tel Moẓa/Moza (Stratum VII, 1. Hälfte des 10. Jahrhunderts v.Chr.) ist eine sehr bescheidene Wiederbesiedlung erst für die ausgehende Eisenzeit I nachzuweisen. Dahingehend hat man bei Rettungsgrabungen der Israelischen Altertumsbehörde (IAA) in den Jahren 1993, 2002 und 2003 kleinere landwirtschaftliche Installationen (Areal B) ergraben. Vgl. Z. GREENHUT/A. DE GROOT (2009a) 217–218. Zu den Tempelanlagen und weiteren Strukturen aus der Eisenzeit IIA siehe Kapitel 2.5.4.2. 294 A.M. MAEIR (2022) 14. Zum Status von Tell eṣ-Ṣāfī/Gat in der späten Eisenzeit I vgl. A.M. MAEIR (2020b) 20–21. 295 Für Referenzen sieh T. DOTHAN (1982) 43–44.54.86–87; D. BEN-SHLOMO (2018a) 270 und D. BEN-SHLOMO (2022) 24 mit Anmerkung 2–6.

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

ebene II) handelt. Für die Schefela ließen sich zweifelsfreie Importe aber zumindest in Tell ʿĒṭun296 und in Ḫirbet Qēyafa nachweisen. Aus der letztgenannten Siedlung stammt dabei sogenannte Middle Philistine Decorated Ware,297 welche ebenda bis zu 2% des keramischen Fundguts ausmacht.298 Die ergrabenen Gefäße mit roten, schwarzen und/oder weißem Banddekor sind als kostbare Pyxiden (zur Lagerung von Ölen, Wein, Arzneien etc.)299 und wertvolle Trinkgefäße (wie vor allem Kelche) zu bestimmen.300 Aus dem Bergland wiederum, konkret aus dem nur 12 km nördlich von Jerusalem gelegenen Tell en-Naṣbe/Mizpa, sind insgesamt mindestens 60 Scherben bichrome Philisterkeramik II (vorrangig Fragmente von Schüsseln, Krateren und Krügen)301 bekannt, die man wenigstens partiell mittels naturwissenschaftlicher Methoden untersucht hat. Im Ergebnis der Analysen konnten bisher mindestens sechs Gefäßfragmente isoliert werden, die wahrscheinlich ursprünglich aus der Gegend von Esdūd/Aschdod oder zumindest aus der südlichen Küstenebene stammten und die somit als Handelsgut nach Mizpa gelangten (Interaktionsebene I). Bei einem Großteil der anderen Scherben scheint es sich hingegen um lokale Nachahmungen der hochwertigen Philisterkeramik zu handeln, womit bereits für die frühe Eisenzeit ein direkter Kulturtransfer von der Küste nach Juda (Interaktionsebene II) identifiziert ist, der von judäischen Handwerkern beziehungsweise Töpfern getragen wurde. Solche kulturellen Verflechtungen lassen sich über die Funde von Tell en-Naṣbe hinaus auch für Jerusalem beobachten. Ebenda hat man in den Eisen-I-zeitlichen Siedlungsschichten zwar (bisher) keine Kopien von Philisterkeramik I–II ergraben, allerdings vereinzelte Figurinen, die südwestpalästinische Einflüsse zeigen. Neben zwei Löwenkopfrhyta aus dem Gebiet des Ofel302 ist diesbezüglich mit M.D. Press und D. Ben-Shlomo303 vor allem ein früheisenzeitliches Figuri-

296

Dazu I. PERLMAN/F. ASARO/J.D. FRIERMAN (1971) 217–218, die fünf bichromen Gefäßen eine aschdodische Provenienz zugewiesen haben. Zum sogenannten „Philistergrab“ von Tell ꜤĒṭun informieren G. EDELSTEIN/S. AURANT (1992) 23–41 sowie A. FAUST (2015) 195–230. 297 Zu der in Ḫirbet Qēyafa gefundenen Middle Philistine Decorated Ware siehe H.-G. KANG/ Y. GARFINKEL (2009) 151–160 und H.-G. KANG/Y. GARFINKEL (2018) 57–65. Vgl. jetzt auch D. BENSHLOMO (2022) 29. 298 H.-G. KANG/Y. GARFINKEL (2018) 65. Für die petrografische Analyse vgl. D. BEN-SHLOMO (2009b) 161–173 (hier besonders: 165) sowie D. BEN-SHLOMO (2018b) 101–112 (hier: 105). 299 H.-G. KANG/Y. GARFINKEL (2018) 58–59; Taf. 11b:1–5; Foto 43. 300 H.-G. KANG/Y. GARFINKEL (2018) 58; Taf. 11a:7–15. Nach Y. GARFINKEL (2017a) 125 belegen auch die in Ḫirbet Qēyafa ergrabenen Krüglein beziehungsweise Kännchen aus Zypern sowie unter anderem Alabastergefäße, Skarabäen und Objektamulette aus Ägypten einen regen Austausch mit Esdūd/Aschdod und/oder ʿAsqalān/Aschkelon. Im Austausch hätten die Bewohner von Qēyafa wiederum Bau- und Brennholz an die Küstenorte verkauft (vgl. ebd.). 301 Vgl. C.C. MCCOWN (1947) 180; J.C. WAMPLER (1947) Taf. 80; 86–87. Siehe jetzt auch D. BENSHLOMO (2022) 24–27; Abb. 1–3. 302 Dazu D. BEN-SHLOMO (2015a) 456; D. BEN-SHLOMO (2015b) 567 und M. KARLIN/E. MAZAR (2015a) 559–562. Für Referenzen zu Parallelfunden vgl. T. DOTHAN (1982) 229–234; E. STERN (2006) 387–388 und ebenso E. MAZAR/M. KARLIN (2015) 539–540. 303 M.D. PRESS (2012) 201; D. BEN-SHLOMO (2018a) 273 und jetzt D. BEN-SHLOMO (2022) 30. Anders aber: D. GILBERT-PERETZ (1996) 39, die auf einzelne formale Unterschiede zwischen den Aschdoda-Figurinen und dem Idol aus der Davidstadt (Silwan) hinweist.

2.5 Zur Situation in der Eisenzeit IIA

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nenfragment304 aus der Davidstadt (Silwan) (Stratum 15) hervorzuheben, das als ein Aschdoda-Idol305 beziehungsweise als Nachahmung eines solchen anzusprechen ist. Ansonsten sind solche Artefakte hauptsächlich in der Schefela und vor allem in Küstensiedlungen wie besonders Esdūd/Aschdod belegt. Da es sich bei den drei angeführten Objekten um Einzelstücke handelt, dürften diese weder als Indizien für größere Wanderungsbewegungen von Küstenbewohnern in das Bergland (Interaktionsebene IV) anzusehen sein, noch deutet insbesondere der Einzelbeleg eines (nachgeahmten) AschdodaIdols daraufhin, dass größere Bevölkerungsschichten im Bergland Elemente der an der Küste praktizierten Kulte (hier etwa die Adoration eines spezifischen weiblichen Gottheitentypus) übernahmen. Doch wenigstens scheinen Einzelpersonen in Juda während der Eisenzeit I gewisse Einflüsse von der Mittelmeerküste in ihre private Frömmigkeitspraxis integriert zu haben (Interaktionsebene II). In umgekehrter Richtung, auf dem Tell von Esdūd/Aschdod und in seiner Umgebung, ließen sich bisher keine Keramik oder andere Kleinfunde aus dem späten 12.–10. Jahrhundert v.Chr. identifizieren, welche eindeutig aus den judäischen Bergen stammen (oder zumindest von dort beeinflusst worden sind).306 Dies kann allerdings angesichts der subsistenzwirtschaftlichen Ausrichtung des Berglands in der fraglichen Epoche und dem daraus resultierenden Mangel an Ressourcen zur Herstellung von hochwertigen Exportgütern kaum verwundern. Dass man aber landwirtschaftliche Produkte wie Weizen und Vieh aus Juda wohl vor allem nach Gat und Ekron verkauft hat, ist sehr wahrscheinlich, allerdings fehlen bisher dahingehend aussagekräftige archäobotanische und archäozoologische Untersuchungen.

2.5 Zur Situation in der Eisenzeit IIA 2.5 Zur Situation in der Eisenzeit IIA

2.5.1 Zur Entwicklung der Siedlung auf dem Tell von Esdūd/Aschdod Nach einer potenziellen Wüstungsphase im späten 10. Jahrhundert v.Chr.307 trat Esdūd/Aschdod (Stratum X) im weiteren Verlauf der Eisenzeit IIA (ca. 925–830/ 304

D. GILBERT-PERETZ (1996) 39 Type E1: Figurine D1/13251; Abb. 18:11 und Taf. 9:8–9. Idole des Aschdoda-Typus zeichnen sich durch ein kalathosartiges Köpfchen mit applizierten Augen, Nase und Ohren sowie einen verlängerten Hals aus. Der Torso ist mit einem stuhlartigen Möbelstück verschmolzen. Charakteristisch ist das schwarz-rote Dekor auf weißem Überzug. Vgl. zu diesen Figurinen die ausführliche Diskussion bei D. BEN-SHLOMO (2010) 45–51; C.J. BERGOFFEN (2018) 283–293; R. SCHMITT (2020) 140–141 und F. HAGEMEYER (2023c) (im Druck). Weitere Referenzen bietet auch D. BEN-SHLOMO (2019b) 13–14. Über die weiteren im früheisenzeitlichen Küstengebiet vorkommende Figurinentypen mit ägäischen Einflüssen (wie Psi-Typus-Figurinen etc.) informieren D. BEN-SHLOMO/M.D. PRESS (2009) 39–74. 306 Zum weitestgehenden Fehlen Eisen-I-zeitlicher Keramik mit Herkunft aus dem Bergland an der Küste vgl. D. BEN-SHLOMO (2019a) 357 und D. BEN-SHLOMO (2022) 30. 307 Nach I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2001) 241–242 und I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2004) 125–127 (dort auch weitere Referenzen) deute das vollständige Fehlen von keramischem Fundgut auf dem Tell von Esdūd/Aschdod (Stratum X), wie es in Tell el-Qasīle (Stratum X) ergraben werden konnte, auf eine Siedlungslücke im 10. Jahrhundert v.Chr. hin. Für die Gegenposition vgl. hingegen D. BEN-SHLOMO (2003) 92–93 und D. BEN-SHLOMO (2005b) 185, der auf partielle Übereinstimmung305

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

800 v.Chr.) in eine Phase des Wachstums ein. Zumindest lassen sich Siedlungsspuren aus dieser Epoche nun erstmals sowohl in der Oberstadt (Areale A, G sowie H und K) als auch in der Unterstadt (Areale D und M) nachweisen. Spätestens in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts v.Chr. (Eisenzeit IIB) hatte die Siedlung schließlich ihre Maximalausdehnung von etwa 35 ha erreicht, wobei allein die Unterstadt über eine bebaute Fläche von 22 ha verfügte (dazu ausführlich Kapitel 2.6.1).308 War Aschdods Eisen-I-zeitliche materielle Kultur noch in besonderer Weise durch die typische monochrome und bichrome Philisterkeramik geprägt, so lässt sich diese im Siedlungshorizont des späten 10. und 9. Jahrhundert v.Chr. kaum noch nachweisen. Vielmehr ist für die Eisenzeit IIA phönizisch beeinflusste Aschdod Ware beziehungsweise Late Philistine Decorated Ware (im Folgenden: Aschdod Ware/LPDW309) mit rotem Überzug, Politur und schwarz-weißem Liniendekor charakteristisch, die auch in anderen Küstenorten nachweisbar ist.310 Daneben zeichnet sich das sonstige keramische Fundgut aus Esdūd/Aschdod (Stratum X) durch eine lokale Prägung aus und kann mit Ware aus Tell el-Bāṭāšī/Timna (Stratum IV), Tell ed-Duwēr/Lachisch (Strata V–IV), Tell el-Ǧazarī/Geser (Strata VIII–VII) und ʿĒn-Šems/Bet-Schemesch (Stratum II [E. Grant/G.E. Wright]/Level 3 [S. Bunimovitz/Z. Lederman]) korreliert werden.311 Bezüglich der (Re-)Konstruktion der Siedlungsstrukturen in der Oberstadt sind in Areal A312 Überreste eines Wohnhauses freigelegt worden, bei dessen Errichtung man ältere Mauerreste eines Vorgängerbaus (aus Stratum XI) einbezog.313 Daneben hat man weitere Wohnbebauung noch in Areal G314 ergraben. Von dort stammt zudem eine massive Ziegelmauer ohne Steinfundamente (Mauer 4014) mit einer Stärke von 4,5 m,

en zwischen den keramischen Inventaren von Esdūd/Aschdod (Stratum X) und Tell el-Qasīle (Stratum X) hinweist. 308 Zur besiedelten Fläche siehe C. FREVEL (2018) 115.269 und D. VIEWEGER (2019b) 120. Vgl. auch H.M. NIEMANN (2013) 250. 309 Über Typologie, Chronologie und weitere Produktionszentren der sogenannten Aschdod Ware/ LPDW informieren A.M. MAEIR u.a. (2004) 1–36 und A.M. MAEIR/I. SHAI (2015) 59–66 (mit zahlreichen Fundreferenzen) ausführlich. Für die Entwicklung der Keramik an der Südküste Palästinas während Eisenzeit IIA–B insgesamt vgl. S. GITIN (2015a) 257–280; Taf. 2.5.1–10. 310 Handels- und Kulturkontakte mit Phönizien im 9. Jahrhundert v.Chr. repräsentiert auch ein Krughenkel mit Stempelsiegelabdruck (D. BEN-SHLOMO [2005b] 234–235; Abb. 3.110:9), welcher ein protoäolisches Kapitell beziehungsweise eine Palmette und darunter vielleicht eine Sonnenscheibe sowie einen Skarabäus (oder Käfer) zeigt. Für einen weiteren potenziell phönizischen Siegelabdruck mit der Darstellung eines bewaffneten Mannes siehe wiederum M. DOTHAN/D.N. FREEDMAN (1967) 132; Abb. 36:19. 311 Hier D. BEN-SHLOMO (2005b) 185 folgend. 312 Hinsichtlich Stratigrafie, Architektur und Funden vgl. M. DOTHAN (1971) 31–34; Plan 3; Abb. 4; 5:1–2; 6:11–19. 313 So: M. DOTHAN/D.N. FREEDMAN (1967) 130. Bezüglich einer Datierung der fraglichen Überreste aus Areal A in das späte 10.–9. Jahrhundert v.Chr. siehe I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2001) 239.242; I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2004) 125–127 und Z. HERZOG/L. SINGER-AVITZ (2011) 170. Für eine frühere chronologische Einordnung plädieren hingegen M. DOTHAN (1971) 34 und D. BEN-SHLOMO (2003) 91–95. 314 Über das Fundgut informieren M.-T. FORTUNA/B.L. WALLACE/Z. YEIVIN (1971) 136–139; Plan 14–15; Abb. 73–75; 76:1–2 sowie M. DOTHAN/Y. PORATH (1993) 92–98; Plan 13; Abb. 44–48.

2.5 Zur Situation in der Eisenzeit IIA

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welche die Ausgräber315 als Abschnitt einer Stadtbefestigung angesprochen haben. Die jüngste Keramik, welche auf mit der Mauer assoziierten Fußböden gefundenen wurde, ist allerdings erst in das 8. Jahrhundert v.Chr. (Eisenzeit IIB) zu datieren.316 Da auch aus den anderen ergrabenen Bereichen des Tells keine Fortifikationen aus dem 9. Jahrhundert v.Chr. bekannt sind, spricht vieles dafür, dass Aschdod in der Eisenzeit IIA noch immer unbefestigt war (siehe dazu auch die weiteren Ausführungen zu Areal M im Fließtext). Ein diffiziler Befund präsentiert sich in den Arealen H und K,317 wo sich die Siedlungsschichten aus der relevanten Epoche nur unzureichend ergraben ließen und Erosion die architektonischen Überreste stark zerstört hat.318 Grundsätzlich handelte es sich bei dem fraglichen Gebiet (wie bereits in der Eisenzeit I [dazu Kapitel 2.4.1]) wahrscheinlich um ein Quartier mit Privathäusern. Von der Durchführung kultischer Aktivitäten zeugen ein Schreinmodell319 sowie ein Kultständer mit aufgesetzter Schale320 aus einem offenen Bereich. Dieser sogenannte „Musikantenständer“ (Abb. 4a–b), weist lokale sowie ägäische, phönizische und vielleicht sogar ägyptische Einflüsse auf. Während das obere Register eine Tierprozession mit drei Vierbeinern zeigt, sind im unteren Register fünf Personen dargestellt.321 Es handelt sich um vier vollplastisch modellierte Musikanten (einen Leier-, einen Aulos-, einen Tambourin-, und einen Zimbelspieler) sowie eine fünfte im Halbrelief ausgeführte Person, die nach der Deutung von I. Ziffer und R. Kletter vielleicht Bes (in seiner Funktion als Schutzgottheit der Musikanten und Tänzer) repräsentiert.322 Unabhängig von dieser Interpretation könnten beide Funde möglicherweise zum Inventar eines kleinen Schreins gehört haben. Jedoch ist für die relevante Epoche in Areal H bisher keine eindeutig mit kultischen Aktivitäten assoziierte Architektur nachgewiesen worden.

315 Vgl. M.-T. FORTUNA/B.L. WALLACE/Z. YEIVIN (1971) 137; M. DOTHAN/Y. PORATH (1982) 52– 53 und M. DOTHAN/Y. PORATH (1993) 92. Siehe ebenso D. BEN-SHLOMO (2013a) 70. 316 Hier mit I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2001) 240–241 gegen M. DOTHAN/Y. PORATH (1993) 15, nach denen man die Befestigung im späten 11. oder frühen 10. Jahrhundert v.Chr. errichtete. Vgl. auch M. DOTHAN (1993a) 98. 317 Zu Stratigrafie, Architektur und Funden siehe R. HACHLILI (1971b) 162–163; Plan 21–22; Abb. 88:1–5; A. MAZAR/D. BEN-SHLOMO (2005) 39–44; Abb. 2.34–44; Plan 2.10 sowie D. BENSHLOMO (2005b) 170–188; Abb. 3.69–81. 318 Dazu der Kommentar bei A. MAZAR/D. BEN-SHLOMO (2005) 39: „Stratum X is the least clarified in Area H due to its damage by erosion […]. In Area K, […] [Stratum X] was the earliest to be reached, though also in very few squares.“ Siehe ebenso I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2001) 239 und D. BEN-SHLOMO (2013a) 70. 319 D. BEN-SHLOMO (2005b) 180; Abb. 3.75. 320 IAA Inventarnummer: 1968–1182. Vgl. zum Objekt die Ausführungen bei M. DOTHAN (1970) 310–311 und D. BEN-SHLOMO (2005b) 180–184; Abb. 3.76–77. 321 Nach M. DOTHAN (1970) 310–311 und D. BEN-SHLOMO (2005b) 184, welche die im unteren Register dargestellten Personen als Tempelmusikanten deuten, handelt es sich entweder um ein Kultgerät zur Darbringung von Votivgaben beziehungsweise Libationsopfern oder aber um ein Schreinmodell. 322 I. ZIFFER/R. KLETTER (2007) 25 Anmerkung 196 und I. ZIFFER (2010) 81. Zum Ganzen auch die Ausführungen bei S. PAZ (2007) 68–71.

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

Abb. 4a: Der sogenannte „Musikantenständer“ aus Esdūd/Aschdod (© David Ben-Shlomo).

2.5 Zur Situation in der Eisenzeit IIA

Abb. 4b: Umzeichnung und Details des „Musikantenständers“ (© David Ben-Shlomo).

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

Ausweislich des archäologischen Befunds stellte während der Eisenzeit IIA vor allem hochwertige Keramik ein wichtiges aschdodisches Wirtschafts- und Handelsgut dar. Trotz des Mangels an relevanten Textquellen und des weitestgehenden Fehlens von Direktimporten unterhielt Aschdod im Spiegel des nachweislichen Einflusses auf das keramische Fundgut umfangreiche Wirtschaftsbeziehungen und kulturelle Kontakte mit Phönizien (zu den Beziehungen mit Juda siehe Kapitel 2.5.5). Mit Blick auf ein mögliches Oberzentrum, dem die Herren von Esdūd/Aschdod in dieser Epoche verpflichtet waren, muss zuvorderst an das prosperierende Tell eṣ-Ṣāfī gedacht werden. Schließlich stellte letzteres bis zur Zerstörung durch Hasaël von Damaskus (dazu Kapitel 2.5.3) die wahrscheinlich größte Eisen-IIA-zeitliche Siedlung in der Levante dar. Im Zuge der aramäischen Kampagne gegen Gat zwischen 840–830 v.Chr. ist vielleicht auch die Siedlung von Esdūd/Aschdod erobert worden.323 Dafür könnte zumindest die auf dem Tell archäologisch gut nachweisbare Teildestruktion aus der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts v.Chr. sprechen.324 2.5.2 Zur Situation im Umland von Esdūd/Aschdod Mit dem allmählichen Wachstum von Esdūd/Aschdod (Stratum X) im Verlauf der Eisenzeit IIA korreliert der teils erstmalige Nachweis von wenigstens geringfügigen Aktivitäten an mehreren Siedlungsplätzen im Hinterland.325 So sind in Aschdod ad-Halom (Stratum 8), 200 m nordwestlich des Kulturschutthügels von Esdūd/Aschdod, spärliche archäologische Überreste aus der fraglichen Periode belegt. Deren konkrete Deutung muss aufgrund ihres fragmentarischen Charakters allerdings offenbleiben.326 Weitere Siedlungsspuren stammen aus Nabī Yūnis/Miṣpē Yona (Stratum III), 1,5 km südlich des Hafens der modernen Stadt Aschdod, wo man aber lediglich zwei Mauerfragmente eines 323

So auch I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2001) 242. Anders hingegen M. DOTHAN (1971) 34.124; M. DOTHAN/Y. PORATH (1982) 25.53–54.56 und M. DOTHAN/Y. PORATH (1993) 13, nach denen die Destruktion von Esdūd/Aschdod (Stratum X) entweder auf einen Feldzug Davids von Juda oder wahrscheinlicher auf eine ägyptische Intervention zurückgehe. B.U. SCHIPPER (1999) 29–31.34 hält eine Zerstörung durch Schischak I./Shoshenq I. (946/45–924 v.Chr.), David von Juda oder durch einen Unfall mit Feuer beziehungsweise eine Naturkatastrophe für denkbar. Für einen aktuellen Forschungsüberblick zum Feldzug des Schischak I./Shoshenq I. in die Südlevante während des späten 10. Jahrhunderts v.Chr. siehe E. GAß (2015b) 115–159 und C. FREVEL (22018) 195–200. 324 In der Gesamtschau präsentiert sich bezüglich der Destruktionen ein differenzierter Befund: In der Oberstadt konnte im Westen des Areals A (Locus 47) eine umfängliche Brandschicht ergraben werden (M. DOTHAN [1971] 33.34), während man in Areal G nur Teilzerstörungen nachweisen konnte (siehe M. DOTHAN/Y. PORATH [1993] 13). Unklar ist, ob es in den Arealen H und K zu kriegerischen Devastierungen kam (vgl. D. BEN-SHLOMO [2005b] 39–43). In der Unterstadt wiederum scheint Areal M extensiv durch Feuer verheert worden zu sein (M. DOTHAN/Y. PORATH [1982] 25.53–54). In Areal D (lokale Phase 4) ließen sich hingegen nur einzelne Trümmer freilegen (siehe M. DOTHAN/D.N. FREEDMAN [1967] 130). 325 Im Rahmen von Oberflächenuntersuchungen sind in einem Radius von 10 km um den Tell von Esdūd/Aschdod zwei Siedlungen (Tel Poran/Tell el-Farāni und Nitzanim [Strand]) mit einer geschätzten Einwohnerzahl von 100 Personen nachgewiesen worden (A. SHAVIT [2008] 147), welche man allerdings bisher nicht umfänglich ergraben hat. 326 Dazu E. KOGAN-ZEHAVI (2006), http://www.hadashot-esi.org.il/report_detail_eng.aspx?id=340 &mag_id=111 (letztmals abgerufen am: 21.03.2022).

2.5 Zur Situation in der Eisenzeit IIA

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größeren Gebäudes freigelegt hat.327 Ähnlich spärlich präsentiert sich der Befund für Tel Mōr/Tell Ḫēdar (Stratum II)328 mit nur zwei parallel von Südwest nach Nordost verlaufenden Mauern. Nach M. Dothan,329 der hier auf 2 Chr 26,6–8 (siehe zur exegetischen Diskussion Kapitel 3.10) verweist, habe es sich dabei um eine durch Usija von Juda (787–736 v.Chr., Eisenzeit IIB) errichtete Kasemattenmauer gehandelt. T.J. Barako330 hingegen optiert im Rahmen der Endpublikation für eine Datierung der Überreste in die Eisenzeit IIA (mit Fragezeichen). Überhaupt wäre eine echte Kasemattenmauer nicht unmittelbar im Zentrum der kleinen Siedlung errichtet worden, sondern kreisförmig um diese herum.331 Unabhängig davon spricht im Lichte der wenigen Funde und Befunde kaum etwas dafür, dass Tel Mōr/Tell Ḫēdar (Stratum II) im 9. Jahrhundert v.Chr. als Hafen für die Region Aschdod fungierte. Da zudem Eisen-IIA-zeitliche Funde und Befunde bisher weder aus Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam belegt sind, noch an anderer Stelle ein Hafen nachgewiesen wurde, scheint Esdūd/Aschdod in der fraglichen Epoche (wie bereits in der Eisenzeit I, Kapitel 2.4.2) über keine größere Anlegestelle verfügt zu haben. 2.5.3 Zu den Entwicklungen in der inneren Küstenebene und in der Schefela Während der frühen Eisenzeit IIA gelang es Tell eṣ-Ṣāfī/Gat seine Vormachtstellung in der Küstenebene, der Schefela und wohl auch im judäischen Bergland (siehe Kapitel 2.5.5), die es bereits in der ausgehenden Eisenzeit I (dazu Kapitel 2.4.3) erlangt hatte, weiter auszubauen. Spätestens im 9. Jahrhundert v.Chr. stellte die Siedlung mit einer Fläche von 40–50 ha sodann die größte befestigte332 Stadt in der Levante dar.333 Das reiche Fundgut mit einer Vielzahl an Importgütern bezeugt für die fragliche Epoche die herausgehobene Bedeutung von Tell eṣ-Ṣāfī als Handelsdrehscheibe mit Fernkontakten nach Phönizien, Zypern, dem griechischen Festland und Ägypten. Zudem bildete Gat einen bedeutenden ökonomischen Knotenpunkt für den Kupferexport aus der ʿArabā.334 In der Oberstadt sind in Areal A Wohnhäuser aus der Eisenzeit I/frühen Eisenzeit IIA (Stratum A4), ein als Tempel gedeutetes Gebäude sowie ein damit assoziierter Bereich für metallurgische Aktivitäten ergraben worden. In der späteren Eisenzeit IIA (Stratum A3) war das Gebiet dichter besiedelt und durch eine Mischnutzung aus Handwerk 327 Vgl. D. YEGOROV (2013), http://www.hadashot-esi.org.il/Report_Detail_Eng.aspx?id=2291 (letztmals abgerufen am: 21.03.2022). 328 Für Stratigrafie, Architektur und Funde siehe T.J. BARAKO (2007a) 33–34.46.246; Plan 2.6. 329 M. DOTHAN (1959) 272. Vgl. auch M. DOTHAN (1993b) 1074. 330 T.J. BARAKO (2007a) 34. 331 Ebd. 332 Für die Eisenzeit IIA konnten Fortifikationen sowohl in der Oberstadt (Areal F) als auch in der Unterstadt (Areale D und K) identifiziert werden. Vgl. dazu E.L. WELCH (2018) 46–47; E.L. WELCH u.a. (2019) 161.163 sowie A.M. MAEIR (2020b) 21.25.27. 333 So mit A.M. MAEIR/J. UZIEL (2007) 34; A.M. MAEIR (2012a) 26 und J. UZIEL/A.M. MAEIR (2018) 5. Anders hingegen A. SHAVIT (2008) 143, nach dem die besiedelte Fläche nur 14 ha betragen habe. Vgl. auch D. USSISHKIN (2015) 130. 334 Siehe dazu A.M. MAEIR (2022) 10 (mit Referenzen). Über die Involvierung Gats in den Kupferhandel mit der ʿArabā informieren wiederum E. BEN-YOSEF/O. SERGI (2018) 468–470 und A.M. MAEIR (2020b) 28–29 (dort auch ältere Literatur).

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

und Wohnen geprägt.335 Bezüglich der Unterstadt haben die Ausgräber im Westen des Areal D eine annähernd 60 m2 große Werkstatt zum Schmelzen, Legieren und Schmieden von Bronze und Eisen aus der mittleren und späten Eisenzeit IIA (Stratum D3) freilegen können.336 Im Osten des Grabungsgebiets wurde eine architektonische Struktur als Tempelhaus (Tempel 149807) identifiziert, die man mit einem monolithischen Steinaltar mit zwei Hörnern337 ausgestattet hatte.338 Zahlreiche Kleinfunde wie unter anderem etwa 200 Astragale339 deuten auf umfangreiche kultische Aktivitäten hin. In den Arealen A, K und M nachgewiesene Installationen sprechen für eine offenbar größer angelegte Produktion von Olivenöl während der Eisenzeit IIA und möglicherweise auch schon in der späten Eisenzeit I.340 Gats bedeutende machtpolitische und ökonomische Stellung führte in der Mitte des 9. Jahrhunderts v.Chr. zu vermehrten Konflikten mit den Aramäern, die zwischen 840– 830 v.Chr. in der Belagerung und Destruktion der Siedlung auf dem Tell eṣ-Ṣāfī durch Hasaël von Damaskus (ca. 845–800 v.Chr.) gipfelten.341 Neben der Notiz von 2 Kön 12,18 belegen vor allem umfangreiche Zerstörungsspuren auf dem Tell und ein um diesen herum angelegter Trockengraben mit vorgelagertem Erdwall („dry siege moat“) die aramäische Intervention.342

335 A. ZUKERMAN/A.M. MAEIR (2012) 191–206; Abb. 9.1; Taf. 9.4–5 und I. SHAI/A.M. MAEIR (2012) 313–363; Abb. 14.1–35. Bezüglich der Eisen-IIA-zeitlichen Funde und Befunde aus Areal E (Stratum E2) siehe I. SHAI/J. UZIEL/A.M. MAEIR (2012) 232; Taf. 10.7. 336 Dazu A. ELIYAHU-BEHAR/V. WORKMAN/A. DAGAN (2019) 254–256 und V. WORKMAN u.a. (2020) 208–236. Kleinere und wahrscheinlich etwas ältere Anlagen zur Metallverarbeitung ließen sich auch in Areal A ergraben (vgl. A. ELIYAHU-BEHAR u.a. [2012] 225–267). 337 A. DAGAN/M. ENIUKHINA/A.M. MAEIR (2018) Abb. 4. 338 Über Architektur und Funde informieren A. DAGAN/M. ENIUKHINA/A.M. MAEIR (2018) 31–33; Abb. 4–10. Siehe auch A.M. MAEIR (2020b) 24. 339 A. DAGAN/M. ENIUKHINA/A.M. MAEIR (2018) Abb. 7. 340 Vgl. E.L. WELCH (2018) 45–47; Abb. 2; A.M. MAEIR/E.L. WELCH/M. ENIUKHINA (2021) 131– 140; Abb. 2–12 und A.M. MAEIR (2022) 10. 341 Ein zentrales Motiv des Hasaël von Damaskus, einen Feldzug nach Südpalästina zu initiieren, dürfte in der Erlangung der Kontrolle über die Kupferproduktion in der südlichen ʿArabā und im Wādī Fēnān gelegen haben. Daneben spielte offenbar die angestrebte Beherrschung von Handelsrouten an der Mittelmeerküste eine wichtige Rolle. Vgl. zum Ganzen C. FREVEL (2019) 358–363. Nach E. BEN-YOSEF/O. SERGI (2018) 461–480 (hier besonders: 468–471) sei es nach der Zerstörung von Gat zu einem abrupten Ende der Kupferproduktion in der ʿArabā gekommen, da zeitgleich die Nachfrage nach Kupfererzen in der Levante massiv zurückging. Daten aus Ḫirbet en-Naḥāš deuten allerdings darauf hin, dass zumindest die Kupferproduktion im Fēnān-Gebiet noch bis in das frühe 8. Jahrhundert v.Chr. fortgeführt worden sein könnte (vgl. J.M. TEBES [2022] 136). Über das Wādī Fēnān und die dortige Kupferherstellung informiert jetzt auch F. HAGEMEYER (2023a). 342 Da der Graben erwiesenermaßen die Siedlung nicht vollständig umschloss, verweist D. VIEWEGER (2019b) 120 auf die Möglichkeit, dass das Belagerungsbauwerk ursprünglich durch einen heute nicht mehr nachzuweisenden Erdgraben oder eine hölzerne Palisade komplettiert wurde. Gegen die Deutung als aramäisches Belagerungsbauwerk spricht sich vor allem D. USSISHKIN (2015) 133–134 (mit weiteren Referenzen) aus, leider ohne alternativen Erklärungsansatz. Im Bereich des Grabens selbst hat man zwischen 1998 und 2009 mehrere Schnitte (Areal C1–6) angelegt. Die relevanten Funde und Befunde diskutieren S. GUR-ARIEH/A.M. MAEIR (2020) 117–188; Abb. 3.1–33 ausführlich. Vgl.

2.5 Zur Situation in der Eisenzeit IIA

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Im Gegensatz zu Gat stellte Tel Miqnē/Ekron (Stratum III) nach seiner Destruktion in der ausgehenden Eisenzeit I (Kapitel 2.4.3) im Zeitraum vom späten 10. bis in das frühe 8. Jahrhundert v.Chr. eine kleine Siedlung von nur 4 ha dar, verfügte jedoch über Befestigungen.343 Die eher geringen archäologischen Überreste ließen sich lediglich im Gebiet der nordöstlichen Oberstadt (Feld I) ergraben.344 Höchstwahrscheinlich lag Tel Miqnē/Ekron im Einflussbereich der Herren von Tell eṣ-Ṣāfī. Östlich der inneren Küstenebene erlebte die Schefela ein starkes demografisches Wachstum und verfügte in der Eisenzeit IIA über eine mit zahlreichen Klein- und Kleinstsiedlungen bebaute Gesamtfläche von 60 ha bei 9.000–18.000 Einwohnern.345 Im Elah-Tal346 war Tell Zakarīye/Aseka nun wieder bewohnt, wobei die bisherigen Ergebnisse der Lautenschläger Expedition auf eine bescheidene Siedlung hindeuten.347 Mit dem Einsetzen eines größeren demografischen Wachstums kann nach O. Lipschits, Y. Gadot und M. Oeming348 überhaupt erst für das ausgehende 9. Jahrhundert v.Chr. gerechnet werden, nachdem Tell eṣ-Ṣāfī/Gat destruiert worden war. Während im Sorek-Tal Tell el-Bāṭāšī/Timna offenbar weitestgehend nicht bebaut war,349 lässt sich am Fundplatz von ʿĒn-Šems/Bet-Schemesch (Stratum IIA–B [E. Grant/G.E. Wright]/Level 3 [S. Bunimovitz/Z. Lederman]) eine ummauerte Ansiedlung greifen. S. Bunimovitz und Z. Lederman350 haben diesbezüglich in die Eisenzeit IIA zu datierende Wohnbereiche (Areale A, B und E), ein mit Säulen ausgestattetes Gebäude („Pillared Building“, Areal B) sowie ein großes subterranes Wasserreservoir (Areal C) nachgewiesen. In Areal E konnte ein offener Platz mit zahlreichen Keramikfunden identifiziert werden, welcher von den Ausgräbern als Bereich für Handelsaktivitäten („commercial area“) angesprochen wurde.351 Bereits bei den archäologischen Erkundungen zwischen 1928–1931 hatte man ein größeres Silo, ein Lagerhaus und eine als „Residenzgebäude“ gedeutete Struktur entdeckt, bei der es sich aber wohl eher um zum Ganzen auch die Ausführungen bei A.M. MAEIR (2012a) 43–49; Abb. 1.25–27; A.M. MAEIR (2012b) 241–244 und A.M. MAEIR (2017a) 144–147; Abb. 6–7. 343 Vgl. A.M. MAEIR/J. UZIEL (2007) 31 und H.M. NIEMANN (2013) 253. 344 So mit T. DOTHAN/S. GITIN (1993) 1056 sowie T. DOTHAN/S. GITIN (2008) 1955. 345 G. LEHMANN/H.M. NIEMANN (2014) 84–85 (mit Referenzen). Vgl. zur demografischen Entwicklung auch A. FAUST (2013) 210–211; A. FAUST (2020) 117–122 jetzt auch H.M. NIEMANN (2022) 70. I. KOCH (2017) 191–193 diskutiert potenzielle Faktoren, die das Bevölkerungswachstum in der Schefela während der Eisenzeit IIA ausgelöst beziehungsweise begünstigt haben könnten. 346 Zu Ḫirbet Qēyafa vgl. Kapitel 2.4.3. 347 Hinsichtlich Stratigrafie, Architektur und Funden siehe vorläufig O. LIPSCHITS/Y. GADOT/ M. OEMING (2017) 13–14. 348 O. LIPSCHITS/Y. GADOT/M. OEMING (2017) 7.14–15. A. FAUST (2020) 115–136 (hier besonders: 128–130) optiert für eine umfassende judäische Expansion in die Schefela schon ab der frühen Eisenzeit IIA. 349 Hier A. MAZAR (1997) 255–256; A. MAZAR/N. PANITZ-COHEN (2001) 273–276 (hier: 275–276) und S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2016c) 49 folgend. 350 Für eine detaillierte Analyse von Stratigrafie, Architektur und Funden siehe S. BUNIMOVITZ/ Z. LEDERMAN (2008) 1645–1648 sowie S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2016c) 283–370; Abb. 9.1– 96. Für eine Datierung der ergrabenen Befestigungen in die frühe Eisenzeit IIA siehe auch G. LEHMANN/H.M. NIEMANN (2014) 78. 351 S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2008) 1646.

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

ein größeres Doppellagerhaus gehandelt hat.352 Mit Blick auf den (re-)konstruierten Siedlungscharakter, insbesondere die mit Handel und Administration zu verknüpfenden Funde und Befunde, scheint ʿĒn-Šems/Bet-Schemesch somit wenigstens im ausgehenden 9. Jahrhundert v.Chr. einen wichtigen Zwischenhandelsplatz für das Bergland und wahrscheinlich auch einen judäischen Grenzort dargestellt zu haben (dazu weitere Ausführungen in Kapitel 2.5.5). 2.5.4 Zur Situation Jerusalems und seines Umlands 2.5.4.1 Zum Siedlungscharakter Jerusalems Das späte 10. und 9. Jahrhundert v.Chr. stellte für Jerusalem eine wichtige Transitionsphase dar, in der es sich allmählich von einer kleinen und nicht ummauerten Streusiedlung („dispersed settlement“, K. Bieberstein353) auf dem Südosthügel hin zu einer größeren Wohnstadt mit einigen Monumentalgebäuden und einer Größe von 5–8 ha entwickelte.354 Zeitgleich erlangten seine lokalen Herren eine wenigstens begrenzte Kontrolle über die unmittelbare Umgebung (siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 2.5.4.2), sodass sie nun zu Fürsten über einen kleinen Stadtstaat mit etwas Hinterland aufstiegen. Diese positive Entwicklung wurde dabei maßgeblich durch den Einfluss Israels beziehungsweise der Omriden begünstigt.355 Im Hinblick auf in Jerusalem belegte Monumentalarchitektur hat man in der Eisenzeit IIA weitere Arbeiten an der Stepped Stone Structure durchgeführt, wobei insbesondere der Bau des getreppten Steinmantels in diese Epoche zu datieren ist.356 Möglicherweise wurde nun auch ein größeres Gebäude auf der Plattformstruktur errichtet, wovon ein protoäolisches Volutenkapitell aus der Davidstadt (Silwan) zeugen könnte, welches K.M. Kenyon in einer Zerstörungsschuttschicht (nördlich der Grabungen von Y. Shiloh in Areal G) gefunden hat. Das Kapitell ist von seiner Ausführung her chronologisch im 9. Jahrhundert v.Chr. zu verorten und weist Parallelen mit Vergleichsfunden aus Sama-

352 Hier mit S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2008) 1647–1648. Eine Neuauswertung der in den Jahren 1928–1931 ergrabenen Architektur und Funde bieten hingegen S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2016c) 371–377; Abb. 9.97–99 (dort auch Referenzen zu älterer Literatur). 353 K. BIEBERSTEIN (2017) 55–57. 354 Zum Siedlungswachstum auf bis zu 8 ha im 9. Jahrhundert v.Chr. siehe C. FREVEL (22018) 269 und E.A. KNAUF/H.M. NIEMANN (2021) 120 Tab. 7. Möglicherweise war ab der ausgehenden Eisenzeit IIA auch der Südwesthügel bereits bewohnt. Zumindest hat A. Reʾem in einem kleinen Bereich unter der ehemaligen osmanischen Kaserne („Kishle“) Überreste einer schwer zu deutenden architektonischen Struktur, Fragmente von Fußböden sowie in den natürlichen Felsen gehauene Installationen ergraben und in das späte 9. beziehungsweise frühe 8. Jahrhundert v.Chr. datiert. Vgl. A. REʾEM (2018) 7.76–80; Foto 2.139–146.͗ 355 Zum omridischen Einfluss auf Juda im 9. Jahrhundert v.Chr. informieren I. FINKELSTEIN (2003) 94–100 und O. SERGI (2013) 226–246 (hier besonders: 232–238). Vgl. auch O. KEEL (2007) 357 und H.M. NIEMANN (2022) 71–72.79. 356 So: I. FINKELSTEIN (2018) 190–192. Vgl. für weitere Literatur K. BIEBERSTEIN (2017) 53 mit zahlreichen Referenzen unter Anmerkung 149–154.

2.5 Zur Situation in der Eisenzeit IIA

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ria und Tell el-Mutesellim/Megiddo (jeweils 9. Jahrhundert v.Chr.)357 sowie Rāmat Rāḥēl/Ḥirbet Ṣāliḥ und Armon ha-Natziv (jeweils 7. Jahrhundert v.Chr.) auf.358 Weitere Fragmente von Volutenkapitellen sind in den letzten Jahren auch von D. Ben-Ami und Y. Tchekhanovets359 im Bereich des Givʿati-Parkplatzes (im Nordwesten der Davidstadt [Silwan]) sowie von E. Mazar360 im Gebiet des Ofel nachgewiesen worden. Da diese dekorativen Ornamente wahrscheinlich für die Gestaltung der Eingangsbereiche von öffentlichen Repräsentationsbauten Verwendung fanden,361 stellen die Funde einen wichtigen Indikator für die zunehmende Verbreitung solcher aus Quadermauerwerk errichteter Bauwerke in Jerusalem im Verlauf der Eisenzeit II dar. Bei der Gihon-Quelle sind für das späte 9. Jahrhundert v.Chr. umfangreichere Aktivitäten nachzuweisen. Wie in Kapitel 2.4.4.1 diskutiert, wurde in dieser Zeit der sogenannte Quellen-Turm („Spring Tower“) entweder ertüchtigt oder sogar erst errichtet. Des Weiteren haben J. Uziel, E. Shukron und N. Szanton362 eine kleine Gebäudestruktur (Gebäude 2482) aus dem späten 9. oder frühen 8. Jahrhundert v.Chr. an der Nordseite des zur Quelle führenden befestigten Korridors („Fortified Passage“) freigelegt. Bei Grabungen von R. Reich und E. Shukron363 ließ sich zumindest indirekt die Existenz eines Platzes für administrative und ökonomische Aktivitäten nachweisen, welcher sich unmittelbar bei der Gihon-Quelle oder in deren Nähe befunden haben muss. Dafür scheinen annähernd 200 teils phönizisch beeinflusste Siegel und Bullen zu sprechen, welche in eine Schuttschicht eingebettet waren, die man zur Verfüllung einer in den Felsen gehauenen Installation (des sogenannten „Rock-Cut Pools“) genutzt hatte. Die in der fraglichen Füllschicht ergrabene Keramik wird dabei des Öfteren als Indiz für die Deponierung der Siegel und Bullen noch im ausgehenden 9. Jahrhundert v.Chr. gewertet.364 Unabhängig davon könnten wenigstens einige der Strukturen, welche E. Mazar vor wenigen Jahren in der Davidstadt (Silwan) (oberhalb des Areals G) und im Gebiet 357 M.L. STEINER (2001) 50; Abb. 5.9–10 und I. FINKELSTEIN (2003) 92. Ein weiteres (fragmentarisches) protoäolisches Volutenkapitell hat man bereits 1927 im Bereich der Davidstadt (Silwan) (Westhang) aufgefunden (dazu O. KEEL [2007] 357; Abb. 254 [dort auch weitere Literatur]). 358 Vgl. O. LIPSCHITS/K. RAS (2016) 535–542; Abb. 35 (Rāmat Rāḥēl/Ḥirbet Ṣāliḥ) und Y. BILLIG/L. FREUD/E. BOCHER (2022) 14–15.23; Abb. 9–10 (Armon ha-Natziv). 359 D. BEN-AMI/Y. TCHEKHANOVETS (2015) 67–71 und D. BEN-AMI/Y. TCHEKHANOVETS (2019) 265. 360 Vgl. M. KARLIN/E. MAZAR (2015b) 549–552; Abb. III.4.1. 361 Hier mit D. BEN-AMI/Y. TCHEKHANOVETS (2015) 71. 362 J. UZIEL/N. SZANTON (2015) 233–250 (hier besonders: 234–239 mit Abb. 3–5) und J. UZIEL/ N. SZANTON (2017) 431–433. Vgl. ebenso Y. GADOT/J. UZIEL (2017) 131; Abb. 2; 7. 363 R. REICH/E. SHUKRON/O. LERNAU (2007) 153–169 (hier: 156–157.161–163) sowie R. REICH/ E. SHUKRON/O. LERNAU (2019) 34–38. O. KEEL (2012) 317–323 beobachtet völlig zurecht, dass die Siegel einen wichtigen Beleg für omridischen Einfluss auf Juda während des 9. Jahrhunderts v.Chr. darstellen. 364 So: A. DE GROOT/A. FADIDA (2011) 158–166. Für diese Datierung optieren auch Y. GADOT/ J. UZIEL (2017) 131–132. Anders: I. FINKELSTEIN (2013) 279–284, eine chronologische Verortung in das späte 8. Jahrhundert v.Chr. (Eisenzeit IIB) favorisierend. Wieder anders: C. FREVEL (22018) 267, nach welchem die fraglichen Funde in der Mitte des 8. Jahrhunderts v.Chr. niedergelegt worden seien. Vgl. zum Ganzen auch L. SINGER-AVITZ (2012b) 10–14, die das verfüllte keramische Fundgut in das 9. und 8. Jahrhundert v.Chr. datiert.

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

des Ofel lokalisiert hat, Überreste administrativer Gebäude aus der Eisenzeit IIA repräsentieren.365 Mit Blick auf Wohnquartiere sind nur sehr spärliche Befunde für den fraglichen Zeitraum belegt: Im Gebiet der Davidstadt (Silwan) (Stratum 13, 9. bis frühes 8. Jahrhundert v.Chr.) konnte Y. Shiloh in Areal E West lediglich einen Fußboden aus hartem Kalk mit aufgelagerter Ascheschschicht identifizieren.366 In Areal E Nord wiederum wurde nur ein einzelner Raum (Gebäude 2076) freigelegt.367 Äußerst bescheiden nehmen sich ebenso die Funde und Befunde aus den Arealen B und D aus.368 Umstritten ist zudem die Datierung der ersten Baustufe eines Gebäudes aus Areal G („Burnt Room House“) auf Basis der mit den ältesten Fußböden assoziierten Keramik. Nach J.M. Cahill369 stamme diese aus der frühen Eisenzeit IIA, I. Finkelstein370 hingegen optiert für das 7. Jahrhundert v.Chr. (Eisenzeit IIC). Im Nordwesten der Davidstadt (Silwan), an den östlichen Ausläufern des Tyropoion-Tals, existierten im 9. Jahrhundert v.Chr. ausweislich der Ausgrabungen auf dem Givʿati-Parkplatz vorrangig einfache Wohnstätten mit teilweise nur einreihigen Feldsteinmauern.371 Eine Stadtmauer oder andere Befestigungsanlagen konnten hingegen (bisher) nicht ergraben werden, sodass Jerusalem offenbar noch immer weitestgehend unbefestigt war – sieht man von den lokal begrenzten Fortifikationen bei der Gihon-Quelle (s.o.) ab.372 2.5.4.2 Das Hinterland Jerusalems Analog zur Situation in Jerusalem selbst lässt sich für das 9. Jahrhundert v.Chr. zumindest in dessen nördlichem Umland373 die sukzessive Formierung einer Zentralautorität beobachten. So scheinen nun Teilbereiche des fruchtbaren Benjamin-Plateaus von Jerusalem aus militärisch gesichert worden zu sein, wofür vor allem der Ausbau von Tell enNaṣbe/Mizpa zu einer Grenzfestung spricht.374 Ungeachtet dessen existierten zeitgleich im weiteren Bergland nach wie vor Stammesgemeinschaften, die unabhängig von den 365

Hier mit I. FINKELSTEIN (2011a) 193 und Y. GADOT/J. UZIEL (2017) 136–137. Zum Ganzen jetzt auch die kritische Evaluierung der Grabung E. Mazars bei I. FINKELSTEIN (2022) 191–204; Abb. 1–4. 366 A. DE GROOT/H. BERNICK-GREENBERG (2012a) 33–34; Plan 12. 367 Vgl. A. DE GROOT/H. BERNICK-GREENBERG (2012a) 100–101; Plan 48; Foto 114 und A. DE GROOT (2012) 154; Abb. 6. 368 Für Referenzen siehe K. BIEBERSTEIN (2017) 51 Anmerkung 146.54 Anmerkung 156–157. 369 J.M. CAHILL (2003) 56–66 (hier besonders: 57–58.66). 370 I. FINKELSTEIN (2011a) 192–193. 371 Dazu D. BEN-AMI (2014) 5 und auch den Kommentar bei D. BEN-AMI/Y. TCHEKHANOVETS (2019) 265: „The architectural remains ascribed to the Iron Age IIA attest to the simple nature of the settlement in this part of the city during the 9th century BCE […]“. 372 D. BEN-AMI (2014) 3–19 (hier: 5.14–17) und D. BEN-AMI/Y. TCHEKHANOVETS (2019) 265. Siehe auch C. FREVEL (22018) 160 und D. USSISHKIN (2015) 142. 373 Eine Übersicht der während der Eisenzeit II im Umland Jerusalems landwirtschaftlich genutzten Gehöfte, Klein- und Kleinstsiedlungen bietet M. KÖSZEGHY (2015) 66–76.78–91. 374 So: O. SERGI (2017) 8–16 mit Verweis auf 1 Kön 15,17–22 und den dort überlieferten israelitisch-judäischen Grenzkonflikt zwischen Asa von Juda (908–868 v.Chr.) und Bascha von Israel (906– 883 v.Chr.). Dazu auch H.M. NIEMANN (2022) 66 mit Anmerkung 47 für weitere Referenzen. Nach I. FINKELSTEIN (2018) 190–195 (hier besonders: 194) sei hingegen erst für die zweite Hälfte des 9. Jahrhunderts v.Chr. mit der Beherrschung des Benjamin-Plateaus durch Juda/Jerusalem zu rechnen.

2.5 Zur Situation in der Eisenzeit IIA

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Jerusalemer Fürsten waren. Letzteres bestätigt nicht zuletzt die Errichtung eines Tempelbaus (Tempel 4601) im nur wenige Kilometer westlich von Jerusalem gelegenen Tel Moẓa/Moza.375 S. Kisilevitz und O. Lipschits376 sprechen das Eisen-IIA-zeitliche Gebäude als Antentempel an. Dieser gleiche einerseits nordsyrischen Typen, wie sie aus Tell Taʿyīnāt oder ʿAin Dāra bekannt sind, andererseits weise das Bauwerk ihres Erachtens Übereinstimmungen mit dem archäologisch nicht nachgewiesenen Salomonischem Tempel auf.377 Neben einem rechteckigen Langhaus mit Portikus verfügte die Anlage von Moza in dieser Bauphase über einen offenen Hof mit Podium, eine als Altar gedeutete Installation aus unbehauenen Feldsteinen sowie eine Abfallgrube.378 Die für ein solches Bauprojekt notwendigen Ressourcen konnten offenbar direkt vor Ort mittels umfangreicher landwirtschaftlicher Aktivitäten akkumuliert werden, was mehrere Silos und ein mit zahlreichen landwirtschaftlich genutzten Installationen ausgestattetes Gebäude („Installation Building“) belegen.379 Im Hinblick auf das agrarökonomische Potenzial und die Erbauung eines Tempels um 900 v.Chr. repräsentiert Tel Moẓa für die Ausgräber ein von Jerusalem mindestens teilautonomes Zentrum mit administrativer Funktion, welches durch den Zusammenschluss lokaler Familien beziehungsweise Dörfer zu einer sogenannten „Moẓa Polity“380 entstanden sei (zur Funktion des Tempels und dem kultischen Inventar vgl. das folgende Kapitel). 2.5.5 Zur historischen Auswertung und (Re-)Konstruktion der aschdodisch-judäischen Beziehungen in der Eisenzeit IIA Die Eisenzeit IIA kann sowohl für Aschdod (Kapitel 2.5.1) als auch Jerusalem (Kapitel 2.5.4) als wichtige Transitionsphase bestimmt werden. Aschdod entwickelte sich im Lauf der Epoche von einer Siedlung mit moderater Größe zu einer urbanen Küstenmetropole, wobei dieser Prozess erst gänzlich am Beginn des 8. Jahrhunderts v.Chr. (Kapitel 2.6.1) abgeschlossen war. Jerusalem wiederum bildete sich unter dem Einfluss der Omriden allmählich zu einer größeren Wohnsiedlung mit Monumentalarchitektur heraus. Seine Fürsten erreichten nun den Status von Stadtkönigen, deren Einfluss aber kaum über Teile des unmittelbaren Umlands hinausreichte (Kapitel 2.5.4.2). Konnte Tell eṣ-Ṣāfī/Gat als größte Siedlung in der Levante das Gebiet zwischen Küste und den Bergen Judas sowie darüber hinaus wahrscheinlich auch Jerusalem bis zur Mitte des

375 So zuletzt S. KISILEVITZ/O. LIPSCHITS (2020) 303, nach denen bisher nicht geklärt werden konnte, ob man den Komplex auch noch in der Eisenzeit IIB–C als Tempel nutzte. 376 S. KISILEVITZ (2015) 156; S. KISILEVITZ (2016a) 1 und S. KISILEVITZ/O. LIPSCHITS (2020) 300. Vgl. auch N. NAʾAMAN (2017b) 4. 377 Für eine vergleichende Diskussion des Jerusalemer Tempels und des Heiligtums von Tel Moẓa/Moza siehe jetzt H.M. NIEMANN (2022) 64. 378 S. KISILEVITZ (2015) 150–156 mit Abb. 1–4 sowie S. KISILEVITZ/O. LIPSCHITS (2020) 300–303 mit Abb. 4–5. 379 Vgl. Z. GREENHUT (2009) 45–47; Plan 2.6; 2.11; Abb. 2.41–42. Über das keramische Fundgut der Eisenzeit IIA informieren wiederum Z. GREENHUT/A. DE GROOT (2009b) 73–79; Abb. 3.7–8. 380 S. KISILEVITZ/O. LIPSCHITS (2020) 306–307.

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

9. Jahrhunderts dominieren,381 ermöglichte Gats Zerstörung zwischen 840–830 v.Chr. sodann eine (sehr) bescheidene judäische Westexpansion. Erst jetzt, in der ausgehenden Eisenzeit IIA, konnten die Herren von Jerusalem die Kontrolle über die östliche Schefela erlangen und wahrscheinlich auch Tell ed-Duwēr/Lachisch (Stratum IV) massiv befestigen.382 Für das Sorek-Tal wiederum sprechen S. Bunimovitz und Z. Lederman383 ʿĒn-Šems/Bet-Schemesch (Stratum IIA–B [E. Grant/G.E. Wright]/Level 3 [S. Bunimovitz/Z. Lederman]) als vom judäischen Bergland aus dominierten Grenzort an.384 Ungeachtet dessen sind direkte administrative Beziehungen und diplomatisch-politische Interaktionen zwischen Aschdod und Jerusalem (Interaktionsebene III) erst für die nachfolgende Eisenzeit IIB eindeutig nachzuweisen (dazu Kapitel 2.6.7). Im Hinblick auf den wirtschaftlichen Austausch (Interaktionsebene I) lässt sich Eisen-IIA-zeitliche Berglandkeramik nun westlich der judäischen Kernterritorien identifizieren. Zwar ist solche Ware für die fragliche Epoche nicht unmittelbar an der Küste (wie etwa in Esdūd/Aschdod) zu greifen, aber wenigstens vereinzelt im Gebiet von Tell eṣ-Ṣāfī/Gat und Tel Miqnē/Ekron.385 In umgekehrter Richtung können sowohl der Export von hochwertiger Aschdod Ware/LPDW nach Juda als auch deren Imitation ebenda nachgewiesen werden. Diesbezüglich sind vor allem elf Krug- beziehungsweise Kannenfragmente aus dem von J. Uziel, E. Shukron und N. Szanton in Jerusalem ergrabenen Gebäude 2482 (dazu Kapitel 2.4.4.1) relevant.386 Drei der Gefäße sind als aus der Gegend von Tel Moẓa/Moza stammende lokale Kopien anzusprechen, je vier Gefäße

381 Vgl. A.M. MAEIR (2017a) 139–142 (hier besonders: 141); A.M. MAEIR (2020b) 27–28 und A.M. MAEIR (2022) 14. Vgl. zur politischen Stellung und Bedeutung von Tell eṣ-Ṣāfī/Gat in der Eisenzeit IIA auch G. LEHMANN/H.M. NIEMANN (2014) 85–88 und I. KOCH (2017) 191. 382 Hier mit G. LEHMANN/H.M. NIEMANN (2014) 89 und H.M. NIEMANN (2022) 72, nach denen Tell ed-Duwēr/Lachisch (Stratum IV) im letzten Drittel des 9. Jahrhunderts v.Chr. unter Hasaël von Damaskus durch Jehu von Israel (845–818 v.Chr.) und/oder Joasch von Juda (840–801 v.Chr.) errichtet worden sei. Ganz ähnlich argumentiert O. SERGI (2013) 227–230.232.239–240, eine Erbauung unter Joasch von Juda favorisierend. Anders hingegen: N. NAʾAMAN (2013) 247–267 (hier: 252–255.263– 264), nach dem eine judäische Expansion in die Schefela, den Negev und das Beerscheba-Becken bereits unter Joschafat (868–847 v.Chr.) beziehungsweise Joram (852 [Koregent]/847–845 v.Chr.) anzusetzen sei, die friedliche Beziehungen mit Gat unterhalten hätten. Vgl. auch D. USSISHKIN (2015) 129– 149 (hier besonders: 138). Zur judäischen West- und Südexpansion während der Eisenzeit IIA vgl. auch die Diskussion bei C. FREVEL (22018) 240–243. 383 S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2016c) 50 und auch S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2017) 32– 34.370–381 (hier besonders: 377–379). Die Zerstörung von ꜤĒn-Šems/Bet-Schemesch (Stratum IIA– B/Level 3) um 790 v.Chr. sei nach S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2017) 381–382 am wahrscheinlichsten auf einen israelitisch-judäischen Konflikt zwischen König Joasch (802–787 v.Chr.) und König Amazja (802/01–773 v.Chr.) zurückzuführen. Vgl. ebenso A. FAUST (2020) 119. 384 Sollte die am Fundplatz nachgewiesene Siedlung schon zur Mitte des 9. Jahrhunderts v.Chr. und nicht erst in der ausgehenden Eisenzeit IIA durch Juda massiv ausgebaut worden sein, dann wäre dies nur mithilfe einer massiven Unterstützung Israels/der Omriden möglich gewesen. Für diesbezügliche Referenzen siehe Kapitel 2.5.4.1, Anmerkung 360. 385 Dazu D. BEN-SHLOMO (2018a) 272 und D. BEN-SHLOMO (2019a) 358. 386 A. COHEN-WEINBERGER/N. SZANTON/J. UZIEL (2017) 3–5; Tab. 1; Abb. 3. Für Referenzen zu Streufunden an Aschdod Ware/LPDW aus Tel Maśōś/Ḫirbet el-Mšāš, Bīr es-SebaꜤ/Beerscheba und Tell ʿArād/Arad vgl. D. BEN-SHLOMO (2022) 29–30 mit Anmerkung 38–41.

2.5 Zur Situation in der Eisenzeit IIA

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hingegen als Handelsgüter aus der Schefela und von der Küste.387 Neben Keramik sind zudem schon im 9. Jahrhundert v.Chr. größere Mengen Speisefisch aus dem Mittelmeer nach Jerusalem verkauft worden. Repräsentativ dafür sind entsprechende Funde von mehreren tausend Fischknochen aus den Grabungen von R. Reich und E. Shukron388 bei der Gihon-Quelle. Solche Salzwasserfische müsste das Bergland überwiegend aus der Gegend von Aschdod bezogen haben, schließlich waren die dortigen Fanggründe aufgrund der geringen Entfernung am schnellsten von Juda aus mit Handelskarawanen zu erreichen. Darüber hinaus sollte auch der bei der Gihon-Quelle zumindest in kleinen Mengen nachgewiesene Nilbarsch (Lates niloticus)389 über Aschdod oder andere Küstensiedlungen eingeführt worden sein, da man diesen per Schiff aus Ägypten exportierte.390 Jerusalem wiederum dürfte für das Fischereigewerbe in der Region Aschdod wahrscheinlich die Funktion eines wichtigen Zwischenhandelsplatzes für das zur Konservierung von Fischen benötigte Salz aus den Abbaugebieten am Toten Meer wahrgenommen haben. Ungeachtet dessen bezeugen die in größerer Zahl gefundenen archäologischen Überreste von Speisefischen aus dem Mittelmeer, dass in der Eisenzeit IIA nun erstmals größere Bevölkerungsschichten und nicht nur einzelne Angehörige der Oberschicht am Austausch von Waren und Gütern zwischen Aschdod und Jerusalem partizipierten. Bezüglich kultureller Verflechtungen (Interaktionsebene II) sei etwa auf einen Krug391 aus dem Eisen-IIA-zeitlichen Tempel von Gat (Areal D3, Kapitel 2.5.3) verwiesen, welcher das Epigraf ʾabtm trägt, das die Ausgräber als „judäische Inschrift“ („judahite inscription“) deuten.392 Zumindest belegt das geochemische und mineralogischpetrografische Profil des verwendeten Tons eindeutig die Herkunft des Gefäßes aus dem Umland von Jerusalem (Ton der Moza-Formation),393 weshalb es sich wahrscheinlich um die Votivgabe eines Berglandbewohners gehandelt hat. Somit scheint das Heiligtum von Tell eṣ-Ṣāfī nicht nur durch die lokale Bevölkerung genutzt worden zu sein, sondern offenbar auch durch Reisende und vielleicht auch durch Wallfahrer aus den judäischen Bergen und der Schefela. Dass diese Personen wohl mehrheitlich fahrende Kaufleute und Händler gewesen sein könnten, impliziert zumindest die bereits skizzierte Bedeutung von Tell eṣ-Ṣāfī als überregionale Handelsdrehscheibe (dazu Kapitel 2.5.3). 387 Dazu A. COHEN-WEINBERGER/N. SZANTON/J. UZIEL (2017) 7–15 mit Abb. 6–14. Bei der Untersuchung von 29 weiteren Fragmenten von Aschdod Ware/LPDW aus verschiedenen Grabungskontexten der Eisenzeit IIA–C in Jerusalem hat D. Ben-Shlomo 46% der analysierten Funde als lokale Nachahmungen identifiziert (D. BEN-SHLOMO [2019a] 357–358). Zu zehn weiteren Fragmenten dieser Ware aus dem Gebiet des Ofel und der Davidstadt (Silwan) mit Herkunft aus der westlichen Schefela oder von der südpalästinischen Küstenebene siehe wiederum D. BEN-SHLOMO (2022) 29; Abb. 4. 388 Vgl. R. REICH/E. SHUKRON/O. LERNAU (2007) 157–160; Tab. 1; Abb. 9; R. REICH/E. SHUKRON/ O. LERNAU (2019) 35–36 und jetzt auch A. SPICIARICH u.a. (2022) 8; Tab. 4. 389 Zu den Funden siehe R. REICH/E. SHUKRON/O. LERNAU (2007) 160; R. REICH/E. SHUKRON/ O. LERNAU (2019) 35. 390 So mit O. LERNAU (2015) 529. 391 A.M. MAEIR/E. ESHEL (2014) 86–87; Abb. 7. 392 So: A.M. MAEIR (2017a) 143; A.M. MAEIR (2020b) 34 sowie A.M. MAEIR (2022) 13. Vgl. auch A. DAGAN/M. ENIUKHINA/A.M. MAEIR (2018) 33 mit Abb. 11 und D. BEN-SHLOMO (2019a) 358. 393 Vgl. D. BEN-SHLOMO (2022) 30.

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

Im Bergland wiederum kann der Tempel von Tel Moẓa/Moza (Kapitel 2.5.4.2) nicht nur als Lokalheiligtum der in der Umgebung sesshaften Bevölkerung, sondern auch als Straßen- oder Reiseheiligtum angesprochen werden. Schließlich bezeugt das ebenda ergrabene kultische Inventar zahlreiche allochthone Einflüsse von der Küste. Dahingehend hervorzuheben sind etwa Fragmente eines zylindrischen Kultständers aus lokalem Ton mit Flachreliefdekor, das zwei Sphingen oder Löwen zeigt.394 S. Kisilevitz395 verweist bezüglich vergleichbarer Artefakte unter anderem auf den „Musikantenständer“ aus Esdūd/Aschdod (Stratum XI, späte Eisenzeit I)396 und ähnliche Objekte aus der Küstenebene (insbesondere aus Tell eṣ-Ṣāfī/Gat, Tell el-Qasīle und Yavne). Des Weiteren hat man im Heiligtum von Moza zwei anthropomorphe Figurinenköpfchen397 mit applizierten Augen, Ohren und Nase nachgewiesen, von denen ein Exemplar mit Bart als Darstellung eines Mannes zu identifizieren ist (Abb. 5). Beide lokal hergestellten Objekte weisen aufgrund ihrer Gestaltungsmerkmale, vornehmlich durch den an ägäische póloi erinnernden Kopfputz, starke Ähnlichkeiten mit früheisenzeitlichen Figurinen aus der Küstenebene auf.398 Als ein wichtiger Vergleichsfund ist dahingehend ein Köpfchen aus Esdūd/Aschdod (Stratum XI, späte Eisenzeit I)399 zu nennen. Die für Tel Moẓa/Moza bezeugte Anfertigung von männlichen Figurinen mit pólos-artigem Kopfschmuck belegt aber nicht nur eine bloße Imitation der Bildsymbolik von Figurinen aus der Küstenregion im Bergland, sondern sogar einen komplexen Transkulturationsprozess zwischen beiden Regionen.400 Schließlich sind póloi im früheisenzeitlichen Figurineninventar Westpalästinas in der Regel nur für weibliche Figurinen bezeugt.401 Fragt man, wie genau die allochthonen Einflüsse nach Tel Moẓa/Moza gelangten, so ist zuvorderst an fahrende Kunsthandwerker und/oder Händler zu denken, welche selbst aus der Küstenebene stammten, oder sich zumindest dort zweitweise aufhielten. Dass dem Aufsuchen des Tempels durch Reisende tatsächlich eine gewisse Bedeutung zukam, könnte möglicherweise die Figurine eines Reiters auf einem Pferd oder Esel illustrieren, die man im Tempelareal ergraben hat.402 Letztere war vielleicht als Votivgabe dargebracht worden, um Schutz und Segen für eine Handelsfahrt zu erbitten. Für Kauf394

S. KISILEVITZ (2015) 159–160 mit Abb. 8 sowie S. KISILEVITZ/O. LIPSCHITS (2020) 301. Vgl. S. KISILEVITZ (2016b) 65–69 für Referenzen, die ebenso auf Vergleichsfunde aus dem nördlichen Israel/Palästina (vor allem aus Tell eṣ-Ṣārim/Tel Rəḥob, Tell el-Qedaḥ/Hazor und Tell Taʿannek/Taanach) hinweist. 396 Zum „Musikantenständer“ siehe Kapitel 2.5.1. 397 S. KISILEVITZ (2015) 156–158 und Abb. 5A–B; S. KISILEVITZ (2016a) 1–3; Abb.1. Möglicherweise stammen auch Einzelfunde an Figurinen aus der Eisenzeit I–IIA, die man in der Davidstadt (Silwan) ergraben hat, von der Küste, oder sind zumindest kulturell von dort beeinflusst worden. Für Referenzen siehe D. BEN-SHLOMO (2019a) 358 und D. BEN-SHLOMO (2022) 30–32 mit Abb. 5. 398 So: S. KISILEVITZ (2015) 156.158. S. KISILEVITZ (2016a) 2–3.4 weist zudem auf die nordsyrische, israelitische, transjordanische und zyprische Beeinflussung beider Objekte hin. 399 D. BEN-SHLOMO (2005b) 161; Abb. 3.62:1. Vgl. auch S. KISILEVITZ (2015) 158 Anmerkung 17 und N. NAʾAMAN (2017b) 10. 400 Zu Transkulturationsprozessen im palästinischen Küstengebiet während der frühen Eisenzeit siehe F. HAGEMEYER (2023c) (im Druck) und A.M. MAEIR/L.A. HITCHCOCK (2017) 149–162 (dort jeweils auch weitere Literatur). Vgl. ebenso L.A. HITCHCOCK (2011) 267–280. 401 Hier mit D. BEN-SHLOMO (2018a) 275 und D. BEN-SHLOMO (2019a) 359. 402 S. KISILEVITZ (2015) 158–159; Abb. 6. 395

2.5 Zur Situation in der Eisenzeit IIA

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leute dürfte Moza jedenfalls aufgrund der nachgewiesenen größeren Silostrukturen (Kapitel 2.5.4.2) als Ort des Getreidehandels besonders attraktiv gewesen sein und zudem als wichtiger Rastplatz vor den Toren Jerusalems fungiert haben. In der Gesamtschau legen es die Funde und Befunde aus den Tempeln von Tel Moẓa/Moza und Tell eṣṢāfī/Gat nahe, dass Eisen-IIA-zeitliche (Reise-)Heiligtümer, die sich an wichtigen Verkehrs- und Handelsknotenpunkten befanden, bedeutende Orte des religiös-kulturellen und sozialen Austauschs zwischen Bergland, Schefela und Küste darstellten, der von besonders mobilen Personengruppen (wie Kaufleuten und fahrenden Kunsthandwerkern) getragen wurde.

Abb. 5: Anthropomorphe Figurinenköpfchen aus Tel Moẓa/Moza (© David Ben-Shlomo).

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

2.6 Zur Situation in der Eisenzeit IIB 2.6 Zur Situation in der Eisenzeit IIB

2.6.1 Zur Entwicklung der Siedlung auf dem Tell von Esdūd/Aschdod In der Eisenzeit IIB (ca. 830/800–700 v.Chr.) erreichte die Siedlung von Esdūd/Aschdod (Stratum IX403–VII404) eine bisher ungekannte ökonomische und politische Stärke, welche bis zur assyrischen Eroberung um 711 v.Chr. (s.u.) währen sollte. Ausweislich einer bebauten Fläche von annähernd 35 ha stellte Aschdod im Vergleich mit Tel Miqnē/ Ekron, Tell eṣ-Ṣāfī/Gat sowie den anderen Ortschaften in der inneren Küstenebene und in der Schefela (dazu Kapitel 2.6.5) nun die größte Siedlung dar.405 Von einem urbanen Charakter und dem Wohlstand der Bewohner zeugen die in der Oberstadt (Areale A, G, H und K) sowie in der Unterstadt (Areale D und M) ergrabenen architektonischen Überreste. Darüber hinaus lassen sich nun erstmals wieder seit der Mittelbronzezeit (Kapitel 2.2.1) gesichert Fortifikationen nachweisen (vgl. den weiteren Fließtext). Das Eisen-IIB-zeitliche keramische Fundgut zeichnet sich nicht mehr durch distinkte Philisterkeramik aus, sondern ist durch deutlich weniger reich dekorierte Ware geprägt. Das lokale Töpfergut kann dabei mit Funden aus Tell el-Qasīle (Stratum VII), Tel Miqnē/Ekron (Strata III–II) sowie Tell el-Bāṭāšī/Timna (Stratum III) und Tell edDuwēr/Lachisch (Strata IV–III) korreliert werden.406 Daneben lassen sich für das 8. Jahrhundert v.Chr. unter anderem anhand von sechs Vorratsgefäßen407 und einem po-

403

Nach I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2001) 242–244 und I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2004) 127 ist Stratum IX allenfalls als untergeordnete Phase im Siedlungshorizont der Eisenzeit IIB und nicht als separate Siedlungsschicht zu definieren. Siehe dazu auch den Kommentar bei Z. HERZOG/ L. SINGER-AVITZ (2011) 170: „Stratum IX should not be defined as a separate stratum. It was artificially created and some pottery has been attributed to it.“ Anders: D. BEN-SHLOMO (2003) 91.93, eine Deutung von Stratum IX als eigenständige Kulturschicht favorisierend. 404 Mit I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2001) 236.244–246; I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2004) 127–131; Y. THAREANI (2016) 85 mit Anmerkung 6.90–91 und A. FANTALKIN, persönlicher Kommentar (Juli 2019) lassen sich Stratum VIII und VII aufgrund des übereinstimmenden keramischen Befunds als ein Siedlungskontinuum beschreiben und in das 8. Jahrhundert v.Chr. datieren. Gegen: M. DOTHAN (1993a) 100; D. BEN-SHLOMO (2003) 95–100 und D. BEN-SHLOMO (2013a) 70–71, nach denen Stratum VII der Eisenzeit IIC (7. Jahrhundert v.Chr.) zuzuordnen ist und möglicherweise durch Psammetich I. zerstört wurde. 405 Dazu H.M. NIEMANN (2002) 76; H.M. NIEMANN (2013) 250 Tab. 1 und Y. THAREANI (2016) 83 Tab. 1. Vgl. ebenso C. FREVEL (22018) 269. Nach A. SHAVIT (2008) 148 wiederum habe die bewohnte Fläche ca. 28 ha bei einer Einwohnerzahl von ca. 5.600 Personen betragen. 406 So nach I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2001) 247–248 und I. FINKELSTEIN/L. SINGERAVITZ (2004) 128–130, welche auf das weitestgehende Fehlen von in das 7. Jahrhundert v.Chr. zu datierender Keramik hinweisen. Nach D. BEN-SHLOMO (2003) 97–99 und D. BEN-SHLOMO (2005b) 213 (mit weiteren Referenzen) repräsentiert das keramische Fundgut hingegen die Eisenzeit IIB–C beziehungsweise einen Zeitraum vom späten 9. Jahrhundert v.Chr. bis zum frühen/mittleren 7. Jahrhundert v.Chr. Vgl. zum Ganzen auch die Synopse bei E. GAß (2017) 211–212. Über die Entwicklung der Keramik im Gebiet der Küstenebene während der Eisenzeit IIB–C insgesamt informiert hingegen S. GITIN (2018) 99–138. 407 M. DOTHAN (1971) Abb. 38:2–3; 42:4 und M. DOTHAN/Y. PORATH (1982) Abb. 22:1–2; 27:1.

2.6 Zur Situation in der Eisenzeit IIB

75

lierten Krüglein mit rotem Überzug408 vermehrt Direktimporte aus Phönizien greifen.409 Einfuhren aus Zypern umfassen beispielsweise drei Amphorae,410 ein im spätgeometrischem Stil ausgeführten Skyphos411 sowie mehrere grobkeramische Mortaria412 mit flachem Standboden und breitem Steil- oder Kragenrand. Letztere verwendete man vor allem zum Zerkleinern und Mahlen von Getreide. Darüber hinaus zeugen Einzelfunde von lokal imitierten assyrischen Knickwandgefäßen,413 deren Anteil im nachfolgenden Siedlungshorizont der Eisenzeit IIC noch zunimmt (dazu Kapitel 2.7.1), von einer Beeinflussung der materiellen Kultur Aschdods durch assyrische Elemente ab der (späteren) Eisenzeit IIB. Im Hinblick auf die (Re-)Konstruktion des Siedlungscharakters der Oberstadt414 sind vor allem die in Areal G415 freigelegten Überreste der in das 8. Jahrhundert v.Chr. zu datierenden Stadtmauer (dazu auch Kapitel 2.5.1) von Interesse. Ansonsten ließen sich in diesem Gebiet wie auch in Areal A416 nur bescheidene Überreste ergraben, was aber im Hinblick auf die reichen Befunde aus der Unterstadt (s.u.) vielleicht auf die Grabungsmethodik zurückzuführen sein könnte. In den Arealen H und K417 wiederum haben die Ausgräber (analog zum Befund für die vorangehenden Epochen) Teilbereiche eines größeren Wohnquartiers freigelegt. Hervorzuheben ist ein mindestens zweiphasiges Gebäude (Gebäude 6176/6156) mit einem Hof beziehungsweise einer Halle sowie mindes408

M. DOTHAN (1971) Abb. 94:17. Zu den auf dem Tell von Esdūd/Aschdod für die Eisenzeit IIB–C nachgewiesenen phönizischen Keramikimporten siehe L. SINGER-AVITZ (2018) 194–195 mit weiteren Fundreferenzen. D. VIEWEGER (2019b) 122 hebt die während des 8. und 7. Jahrhunderts v.Chr. in der gesamten Küstenebene steigenden Mengen an Importkeramik aus Phönizien und Zypern hervor, welche man als Handelsware bis in das Bergland exportierte. Zu der in Israel/Palästina insgesamt ergrabenen phönizischen Importware der Eisenzeit I–II vgl. E. STERN (2015a) 435–482 (mit zahlreichen Fundbelegen). Über Keramikimporte aus Zypern informiert wiederum A. GILBOA (2015) 483–507. 410 M. DOTHAN (1971) Abb. 56:31 und D. BEN-SHLOMO (2005b) Abb. 3.94:10; 3.102:5. 411 D. BEN-SHLOMO (2005b) Abb. 3.102:6. 412 Siehe M. DOTHAN (1971) Abb. 45:15; 50:1; M. DOTHAN/Y. PORATH (1982) Abb. 19:14 und D. BEN-SHLOMO (2005b) Abb. 3.98:20. Eine zyprische Provenienz der Objekte kann aufgrund neuerer petrografischer Analysen als gesichert gelten. Vgl. dazu A. ZUKERMAN/D. BEN-SHLOMO (2011) 87– 105 (hier: 93–97 mit Tab. 2 und Abb. 3–7). 413 Für Imitationen von assyrischen Knickwandgefäßen siehe etwa D. BEN-SHLOMO (2005b) 222; Abb. 3.98:1–3. 414 Die nachfolgende Diskussion zu Befunden und Funden aus Areal A und G basiert auf der revidierten Stratigrafie nach I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2001) 231–259 (hier besonders: 244–248) und I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2004) 122–135 (hier: 127–131). Die Zuweisung der in den Arealen H und K ergrabenen lokalen Phasen zu Stratum VIII–VII folgt hingegen der neueren Endpublikation. Vgl. dazu die Übersicht bei D. BEN-SHLOMO (2005a) 9 Tab. 1.1. 415 M.-T. FORTUNA/B.L. WALLACE/Z. YEIVIN (1971) 139–140; Plan 16; Abb. 76:3–12; 77:1–14. 416 Über Stratigrafie, Architektur und Funde informiert M. DOTHAN (1971) 34–38; Plan 3; Abb. 5:3–19; 6:1–7.10. 417 Für eine ausführliche Diskussion des archäologischen Befunds siehe R. HACHLILI (1971b) 163– 164; Plan 21; 22 und D. BAHAT (1971) 168–171; Abb. 88:6–23; 89; 93:1–3.7–8.10–12.14–15.21– 23.26–27; 94:1–10.14.17–18; 95:1.3–4; 96:3.5.7.11; 97:7 sowie A. MAZAR/D. BEN-SHLOMO (2005) 44–54; Plan 2.12–13; Abb. 2.45–63 und D. BEN-SHLOMO (2005b) 200–226; Abb. 3.88–104. Vgl. zum Ganzen auch D. BEN-SHLOMO (2013a) 71. 409

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

tens vier angrenzenden Räumen, das man nördlich einer Straße erbaut hatte.418 D. BenShlomo419 spricht das Bauwerk aufgrund des Grundrisses und der darin niedergelegten Keramik als Wohnsitz einer wohlhabenden Familie an. Westlich des Gebäudes ist die Wandscherbe eines Kraters mit eingezogenem Rand420 ergraben worden, in welche man vor Brand den Personennamen dggrt (ldggrt: „dem dggrt [gehörend]“) eingearbeitet hatte. Das Anthroponym beziehungsweise die zugrundeliegende Sprache wurde in der bisherigen Forschung entweder als phönizisch421 oder anatolisch422 gedeutet, nach J. Naveh und R. Zadok423 handele es sich hingegen um einen lokalen beziehungsweise lokalphilistäischen Dialekt. Unabhängig von der umstrittenen Deutung beziehungsweise Einordnung des Namens, könnte dieser vielleicht den einstigen Besitzer des angrenzenden Hauses und/oder vielleicht einen vor Ort tätigen Händler bezeichnet haben. Von Aschdods Blütephase in der Eisenzeit IIB zeugen vor allem die Befunde aus der Unterstadt: Im Norden des Areals D424 hat man ein großes „Töpferquartier“ („large industrial potter’s quarter“, D. Ben-Shlomo425) mit einem Produktionsgelände aus drei Gebäuden sowie mindestens sieben Brennöfen nachgewiesen, das sich möglicherweise über die nördliche Grenze des Grabungsgebiets hinaus erstreckte.426 In diesem Zusammenhang ist auf das Fragment eines Vorratskrugs aus einem nicht stratifizierten Fundkontext zwischen den Arealen A und B mit der vor Brand eingeritzten aramäischen Inschrift pḥr („Töpfer“) zu verweisen, welche aus dem späten 8. Jahrhundert v.Chr. stammt.427 Im Süden des Areals D428 ließ sich ein Gebäude mit mehreren Räumen nachweisen. M. Dothan und D.N. Freedman429 haben das Haus als kleinen Tempel („small temple“) oder lokalen Kultplatz („local cult-place“) angesprochen, wofür ihres Erachtens eine als Altar gedeutete Installation (Installation 1022), ein als Räuchergerät interpretierter

418 Südlich der Straße ließen sich nur fragmentarische Überreste von Architektur freilegen, wobei die Stratigrafie durch Bebauung in späteren Epochen gestört wurde (vgl. A. MAZAR/D. BEN-SHLOMO [2005] 50.53–54). In einer jüngeren Bauphase sind hier einzelne Installationen errichtet worden, die man vielleicht für die Verarbeitung von Metallen nutzte. Dazu E. GAß (2017) 210 mit Anmerkung 68. 419 D. BEN-SHLOMO (2005a) 6. 420 Für weitere Angaben zum Objekt, Umschrift, Übersetzung und Bibliografie siehe Appendix II.3. 421 Für diese Deutung siehe B. DELAVAULT/A. LEMAIRE (1979) 26. M. DOTHAN (1972b) 11 denkt an eine indoeuropäische Etymologie. 422 So: E. LIPISŃKI (2006) 67–68 mit der Lesung dgprt. 423 J. NAVEH (1985) 16–17 und R. ZADOK (2009) 671. 424 Dazu G. BACHI/M. BEN-DOV (1971) 88–105; Plan 8–12; Abb. 37–51. 425 D. BEN-SHLOMO (2013a) 70. 426 Hier nach G. BACHI/M. BEN-DOV (1971) 93; Plan 12. 427 Erstpublikation: M. DOTHAN/D.N. FREEDMAN (1967) 84–85; Abb. 26:4; Taf. XV:8. Text und Kommentar: J. RENZ/W. RÖLLIG (1995) 122–123 Asd(8):1. Vgl. auch A. BERLEJUNG (2016) 14 Anmerkung 8 und A. BERLEJUNG (2021a) 584 Anmerkung 8. Für weitere Angaben zum Objekt sowie eine erweiterte Bibliografie siehe Appendix II.4. 428 Vgl. M. DOTHAN/D.N. FREEDMAN (1967) 132–139; Plan 7; Abb. 36:1–12; 37–39 sowie G. BACHI/M. BEN-DOV (1971) 88–105; Plan 8–12; Abb. 37–51. Dazu auch die Ausführungen bei E. STERN (2001) 112. 429 M. DOTHAN/D.N. FREEDMAN (1967) 133–134.139, gefolgt von L. BOUZAGLOU (2016) 134.

2.6 Zur Situation in der Eisenzeit IIB

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Ständer430 und zwei als Votivgefäße identifizierte Behälter431 sprechen. Wie allerdings schon H. Weippert und andere432 gezeigt haben, implizieren die Architektur und das sonstige keramische Inventar,433 dass es sich wahrscheinlicher um ein Wohnhaus gehandelt hat, in welchem man auch privatkultische Aktivitäten durchführte. Südlich des Gebäudes haben die Ausgräber Abschnitte einer Lehmziegelmauer mit einer Stärke von 2,8 m (Mauer 165) identifiziert und als Stadtmauer gedeutet.434 Die komplexe Stratifizierung im fraglichen Bereich erschwert jedoch eine genaue chronologische Einordnung des Bauwerks, sodass es sich vielleicht auch um eine Konstruktion aus persisch-hellenistischer Zeit handeln könnte.435 Unabhängig davon belegen das in Areal M freigelegte Sechskammertor (20,90 x 18,40 m) sowie daran angrenzende Abschnitte einer Stadtmauer die umfangreiche Befestigung Aschdods.436 Die auf einem Steinfundament errichtete Toranlage aus sonnengetrockneten Lehmziegeln hat man frühestens im späten 9. Jahrhundert v.Chr. erbaut, nutzte diese aber vor allem im 8. Jahrhundert v.Chr.437 Im Hinblick auf Aschdods Eisen-IIB-zeitliche Ökonomie kam – ausweislich der nachgewiesenen archäologischen Überreste – der Produktion von hochwertiger Keramik in industriellem Maßstab (Areal D) eine große Bedeutung zu. Des Weiteren bezeugen Funde beim Stadttor (Areal M), wie ein Paar Waagschalen aus Bronze,438 zwei Bronzegewichte439 und 27 Gewichte aus Stein,440 welche verschiedene ägyptische, phönizische und mesopotamische Gewichtsstandards repräsentieren, umfangreiche administrative und wirtschaftliche Aktivitäten. In Kombination mit den bereits skizzierten Keramikimporten insbesondere aus Phönizien und Zypern (s.o.) präsentiert sich Esdūd/Aschdod für die Eisenzeit IIB als eine international vernetzte Metropole mit zahlreichen Fernhandelskontakten.

430

Siehe M. DOTHAN/D.N. FREEDMAN (1967) Abb. 38:6. Vgl. M. DOTHAN/D.N. FREEDMAN (1967) Abb. 38:7–8. 432 H. WEIPPERT (1988) 623. Vgl. ebenso W. ZWICKEL (1993) 247 und D. ELKOWICZ (2012) 33– 34. R. SCHMITT (1999) 582–583 schließt auf rituelle Handlungen, welche seines Erachtens die Keramikproduktion an den in der Nähe befindlichen Brennöfen positiv beeinflussen sollten. Dazu auch R. SCHMITT (2014) 270–271 und R. SCHMITT (2020) 150. 433 Ergraben werden konnten mehrere Schalen, Krüge und Krüglein sowie ein Kochtopf und ein Vorratskrug. Vgl. D. ELKOWICZ (2012) 33 Anmerkungen 25–29 für Referenzen. 434 So: G. BACHI/M. BEN-DOV (1971) 88. Ganz ähnlich auch D. BEN-SHLOMO (2003) 95–96. 435 Siehe dahingehend die detaillierte Argumentation bei I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2001) 245 und I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2004) 127. 436 Für Architektur und Funde vgl. M. DOTHAN/Y. PORATH (1982) 19–41; Plan 6–15; Abb. 10–28. Zu Neubewertung der Stratigrafie siehe hingegen D. USSISHKIN (1990) 77–82 mit Abb. 4–7. 437 Für eine Datierung in das 9. und 8. Jahrhundert v.Chr. optiert D. VIEWEGER (2019b) 269 Anmerkung 548. Anders hingegen: I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2001) 243–244, welche aufgrund der jüngsten Keramik, die mit den Fundamenten assoziiert war, eine Datierung in das 8. Jahrhundert v.Chr. annehmen. 438 M. DOTHAN/Y. PORATH (1982) Abb. 12:3. 439 M. DOTHAN/Y. PORATH (1982) Abb. 12:1–2. 440 Zur Diskussion der einzelnen Gewichte siehe A. ERAN (1982) 91–95.97–98. R. KLETTER (1991) 121–163 sowie R. KLETTER (1998) informieren über die Gewichte es eisenzeitlichen Juda. Für die in der eisenzeitlichen Levante insgesamt verwendeten Gewichtssysteme vgl. E. LEVINE (2008). 431

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

Bezüglich der politischen Gegebenheiten waren die lokalen Herren wahrscheinlich bis in die zweite Hälfte des 8. Jahrhunderts v.Chr. hinein unabhängig. Dafür sprechen zumindest die Größe der Siedlung, ihr ökonomisches Potenzial sowie die massiven Fortifikationen und vielleicht auch die Errichtung eines Hafens in Mīnet Esdūd/AschdodYam (siehe Kapitel 2.6.4). Zudem scheint sich im fraglichen Zeitraum das von Aschdod beherrschte Territorium erstmals deutlich weiter in das Hinterland erstreckt zu haben, vielleicht sogar zeitweise bis nach Tell eṣ-Ṣāfī/Gat (dazu weitere Ausführungen in Kapitel 2.6.7). Ungeachtet dessen gerieten die Fürsten von Esdūd/Aschdod ausweislich der schriftlichen Quellen während der Regentschaft des Tiglat-Pileser III. (745–727 v.Chr.) in vasallische Abhängigkeit von Assyrien (vgl. für die Diskussion der Texte den Exkurs im folgenden Kapitel). Im ausgehenden 8. Jahrhundert v.Chr., auf dem Zenit von Aschdods Macht und Stärke, führten die anti-assyrischen Aktivitäten der lokalen Fürsten ʿAzzūr und Jamān sodann zu Spannungen mit Sargon II. (722–706 v.Chr.). Nach den schriftlichen Quellen (siehe Kapitel 3.4.3) war es insbesondere die Vorbereitung einer Revolte durch Jamān, die schließlich um das Jahr 711 v.Chr. eine Intervention assyrischer Truppen unter Führung des Ta/urtānu441 (Jes 20,1, vgl. dazu die exegetische Diskussion in Kapitel 3.4.1–2) auslöste. Diese leitete den Niedergang der Siedlung von Esdūd/Aschdod ein, welcher sich in der Eisenzeit IIC (Kapitel 2.7.1) fortsetzten sollte. 2.6.2 Exkurs: Neuassyrische Nachrichten über Esdūd/Aschdod aus der Zeit des Tiglat-Pileser III. (745–727 v.Chr.) Im Zuge der Westexpansion442 des Tiglat-Pileser III. (745–727 v.Chr.) wurde Esdūd/Aschdod (wie auch die anderen Kleinstaaten in Syro-Palästina) direkt vom Neuassyrischen Reich abhängig. Dies bezeugen die zwei Briefe SAA 19.8 und SAA 19.28 sowie möglicherweise ebenso die Rationenliste TFS 135. Bei diesen aus Nimrud/Kalḫu stammenden Quellen handelt es sich dabei um die ältesten neuassyrischen Dokumente, welche mit Esdūd/Aschdod zu verbinden sind. Mit SAA 19.8443 liegt ein Brief des assyrischen Kronprinzen Ululaiu (des späteren Salmanassar V. [727–722 v.Chr.]) an Tiglat-Pileser III. vor,444 in welchem unter ande441 Zum ta/urtānu, seiner Bedeutung und Funktion in mittel- und neuassyrischer Zeit vgl. die Ausführungen bei G. VAN BUYLAERE (2016) 207–209 (mit weiterer Literatur) sowie AHW III 1332 Lemma ta/urtānu. 442 Zur assyrischen Westexpansion und den damit verbundenen politischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Effekten auf die Südlevante vgl. unter der Vielzahl an Literatur (in Auswahl) die Studien von H. TADMOR (1975) 36–48; R. LAMPRICHS (1995); A. BERLEJUNG (2012) 21–60; A. BAGG (2013) 119–144; J.T. WALTON (2018) 175*–182* sowie die Aufsätze in S.Z. ASTER/A. FAUST (2018). O. LIPSCHITS (2018) 116–138 diskutiert die konkreten Implikationen der assyrischen Oberherrschaft auf das Königtum in Juda. 443 Text und Übersetzung: M. LUUKKO (2012) 10–1. Siehe auch S. TIMM (1989) 330–333 (Text, Kommentar und Übersetzung) und H.W.F. SAGGS (2001) 182–184 (Text, Kommentar, Übersetzung). 444 Für eine Datierung des Briefs in die Regentschaftszeit des Tiglat-Pileser III. vgl. K. KESSLER (1980) 203–206; K. RADNER (2006) 122–123 und M. LUUKKO (2012) 10–11. Siehe auch S.Z. ASTER (2018) 277–278. Anders und für eine Zuweisung in die Herrschaftsperiode des Sargon II. (722–706 v.Chr.) optieren R. MATTILA (2000) 55 Anmerkung 26 sowie G.W.V. CHAMAZA (2005) 94, jeweils mit unterschiedlichen Begründungen.

2.6 Zur Situation in der Eisenzeit IIB

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rem Gesandte (akkad. ṣīru [Sg.]/ṣīrāni [Pl.]445) aus Esdūd/Aschdod (kur.si-du-da-a-a,446 SAA 19.8, Zeile 12), Moab und anderen Regionen Erwähnung finden. Die Emissäre befanden sich nach Aussage des Texts auf dem Weg nach Nimrud/Kalḫu, wurden aber zwischenzeitlich im nordostsyrischen Kubanaši (SAA 19.8, Zeile 16)447 aufgehalten. Eine ihrer zentralen Aufgaben dürfte in der Überbringung von Tribut nach Nimrud/ Kalḫu bestanden haben. Der nur äußerst fragmentarisch überlieferte und im Auftrag des Beamten QurdiAššur-lamur448 verfasste Brief SAA 19.28449 bezeugt die Anrufung der assyrischen Autoritäten durch eine Person – wahrscheinlich einen Fürsten aus der Levante – aufgrund einer Rechtsstreitigkeit. Letzterer war ausweislich der Quelle offenbar durch einen adêVertrag (a-de-e,450 SAA 19.28, Zeile 4) an Tiglat-Pileser III. gebunden, weshalb er an den assyrischen Souverän als Schlichter appellierte. Die genaue Herkunft des levantinischen Adligen ist wegen der unsicheren Lesung des relevanten Toponyms in SAA 19.28, Zeile 2 unklar: Während H.W.F Saggs451 zur fraglichen Stelle die Variante […]-da-a präferiert und somit ohne Lokalisierungsvorschlag bleibt, bezieht M. Luuko452 die fragliche Ortsangabe auf Esdūd/Aschdod ([uru.as-du]-da-a-a). Nach S. Yamada453 wiederum handele es sich bei dem Regierungssitz des fraglichen Fürsten um Arwād ([uru.ar-ma]-da-a-a). Ungeachtet dessen ist wegen des starken Textausfalls weder die gegnerische Partei noch der Anlass des Rechtsstreits aus dem Dokument zu entnehmen. Dass es sich vielleicht um Auseinandersetzungen wegen territorialer Fragen gehandelt haben könnte, implizieren einzig die noch lesbaren Ortsnamen uru.qa-da˹ru˺-a, uru.li-i-du und [x x]x-di-du (SAA 19.28, Zeile 3–4), über deren genaue Lokalisierung in der altorientalischen Forschung allerdings bisher kein Konsens erzielt wurde.454 445

AHw III 1105 Lemma ṣīru(m) I; CAD Ṣ 213 Lemma ṣīru A. Hier H.W.F. SAGGS (1959) 179 (vgl. auch H.W.F. SAGGS [2001] 183) folgend, dürfte es sich bei KUR.si-du-da-a-a um eine Nebenform von KUR.as-du-da-a-a handeln. Siehe auch S. TIMM (1989) 333 Anmerkung 18; K. RADNER (2006) 122; A. BAGG (2007) 31–32 sowie M. LUUKKO (2012) 10 zur Stelle. Anders aber G.W.V. CHAMAZA (2005) 149, die Lesung KUR.ṣi-du- ˹na!˺ -a-a für Sidon/Ṣaidā präferierend. 447 Kubanaši ist ca. 15 km westlich von Guzāna/Tell Halaf zu lokalisieren. Dazu K. KESSLER (1980) 212–213.220 und A. DORNAUER (2016) 218. 448 Über Qurdi-Aššur-lamur informieren G. VAN BUYLAERE (2002) 1021–1022; S. YAMADA (2008) 296–311; M. LUUKKO (2012) XLVIII–XLIX und C.W. TYSON (2014) 150–151. 449 Text und Übersetzung: M. LUUKKO (2012) 35. Vgl. auch H.W.F. SAGGS (2001) 153–154 (Text, Kommentar, Übersetzung) und S.Z. ASTER (2018) 275–289 (Text, Übersetzung und Kommentar). Nach S. YAMADA (2008) 303 und M. LUUKO (2012) XXI ist der Brief in den Zeitraum zwischen 737– 734 v.Chr. zu datieren. 450 AHw I 14 Lemma adû I; CAD A 131–134 Lemma adû A. 451 H.W.F. SAGGS (2001) 153. 452 Siehe M. LUUKKO (2012) 35, dem hier S.Z. ASTER (2018) 278 folgt. 453 S. YAMADA (2008) 303.309. 454 H.W.F. SAGGS (2001) 154 und G. VAN BUYLAERE (2002) 1022 identifizieren URU.qa-da-ru-a mit dem arabischen Stamm der Qedar, URU.li-i-du wiederum als Bezeichnung für den aramäischen Clan der Litʾau. Wie S. YAMADA (2008) 303 allerdings richtigerweise beobachtet hat, wären für tribale Verbände die Determinative LÚ oder KUR (und nicht URU) zu erwarten. Seines Erachtens handele es 446

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

Vielleicht schon aus der Zeit Sargons II. (722–706 v.Chr.)455 oder noch aus der Herrschaftsepoche des Tiglat-Pileser III. (745–727 v.Chr.)456 stammt schließlich das Verzeichnis TFS 135.457 Diese Liste dokumentiert die Abgabe von Weinrationen an Personen, welche sich zum Abfassungszeitpunkt im Palast von Nimrud/Kalḫu aufhielten. Unter den Aufgezählten finden sich auch Bevollmächtigte und Gesandtschaften aus verschiedenen Teilen Syro-Palästinas, darunter etwa Juda (TFS 135, Zeile 9.11) und auch Aschdod (TFS 135, Zeile 6458). Die drei diskutierten Dokumente sind vor allem deshalb von größerer Bedeutung, da Esdūd/Aschdod an keiner Stelle in den Königsinschriften des Tiglat-Pileser III. genannt wird. Dies schließt auch die Nichterwähnung der südlevantinischen Küstenstadt in der Liste der westländischen Vasallen des assyrischen Königs (RINAP 1.47, Rückseite, Zeile 6′b–13′459) ein, deren Textbestand sich jedoch nur unvollständig erhalten hat. Auch wenn letztlich nicht gesichert ist, ob sich SAA 19.8 tatsächlich auf Aschdod bezieht und darüber hinaus die Datierung von TFS 135 fraglich bleibt, lässt sich zumindest anhand von SAA 19.28 die Subordination Aschdods unter assyrische Suprematie während der Herrschaft des Tiglat-Pileser III. sicher belegen.

sich bei den beiden fraglichen Ortslagen um ansonsten unbekannte Siedlungen auf dem syrischen Festland, die unter der Jurisdiktion von Arwād standen (vgl. ebd.). Nach S.Z. ASTER (2018) 281–286 hingegen sei mit URU.qa-da-ru-a das ca. 10 km östlich von Tel Mōr/Tell Ḫēdar gelegene Tel Qatra gemeint, während URU.li-i-du sich auf Lod/Lydda beziehe. Nach der weiteren Argumentation (vgl. S.Z. ASTER [2018] 278 mit Anmerkung 15) könne schließlich [x x]x-di-du mithilfe der Emendation zu [URU.ḫ]a-di-du mit Tel Ḥădīd/el-Hadita gleichgesetzt werden, was ebenda leider nicht ausreichend begründet wird. 455 So: K. DELLER (1985) 328–330 und M. WEIPPERT (2010) 349. 456 Für eine Zuweisung in die Zeit des Tiglat-Pileser III. siehe N. NAʾAMAN (2019) 13. S. DALLEY/J.N. POSTGATE (1984) 23.247, gefolgt von N. MORELLO (2013) 256, halten eine Entstehung entweder nach dem Ägyptenfeldzug des Tiglat-Pileser III. von 734 v.Chr. oder nach den Kampagnen des Sargon II. in Südpalästina in den Jahren 720 (gegen Ġazze/Gaza) und 711 v.Chr. (gegen Esdūd/Aschdod) für wahrscheinlich. 457 Text und Kommentar: S. DALLEY/J.N. POSTGATE (1984) 246–247 Text-Nr. 135. Vgl. auch K. DELLER (1985) 328–330 (Text, Kommentar, Übersetzung) sowie M. WEIPPERT (2010) 349–350 Text-Nr. 195 (Übersetzung und erweiterte Bibliografie). 458 Neben der Aufzählung einer Gesandtschaft aus Aschdod ([KUR.]˹as˺-du-da-a-a) in Zeile 6 des Verzeichnisses, könnte eine zweite Gruppe aschdodischer Emissäre vielleicht noch in Zeile 10 genannt sein. Das dort erwähnte ˹KUR˺.sa-du-d[a-a-a], „Sadod“, identifiziert M. WEIPPERT (2010) 350 Anmerkung 16 mit Verweis auf die ab dem späten 5. Jahrhundert v.Chr. nachweisbare aramäische Münzlegende ‫( אשדד‬ʿšdd) als Nebenform von KUR.as-du-da-a-a. Relevant ist diesbezüglich allerdings die Überlegung von A. BAGG (2007) 31–32, nach der es zumindest ungewöhnlich wäre, wenn ein assyrischer Schreiber in einem Dokument zwei verschiedene Schreibweisen für den gleichen Ort verwendet hätte. Nach K. DELLER (1985) 330 ist die genaue Lokalisierung von Sadod unklar. 459 Text, Übersetzung, Kommentar und erweiterte Bibliografie: H. TADMOR/S. YAMADA (2011) 115–125 (hier: 122–123). Vgl. auch M. WEIPPERT (2010) 288–291 Text-Nr. 140 (Übersetzung und Bibliografie).

2.6 Zur Situation in der Eisenzeit IIB

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2.6.3 Exkurs: Zur Frage der Zerstörung von Esdūd/Aschdod im Jahr 711 v.Chr. Im Gefolge des Feldzugs von 711 v.Chr. wurde das Königreich Aschdod besetzt und in eine assyrische Provinz umgewandelt, wobei die lokale Fürstendynastie parallel dazu offenbar weiterregieren konnte (zu den diesbezüglich aussagekräftigen Texten und ihrer historischen Auswertung siehe Kapitel 2.7.2). Da sich Sargon II. (722–706 v.Chr.) in seinen Annalen der Destruktion von Esdūd/Aschdod sowie von Mīnet Esdūd/AschdodYam und Tell eṣ-Ṣāfī/Gat rühmt (Kapitel 3.4.3), rekonstruierten M. Dothan und D.N. Freedman460 im Rahmen ihrer Ausgrabungen das Szenario einer vollständigen Devastierung Aschdods durch assyrische Truppen. Die Siedlung wäre ihres Erachtens jedoch nach relativ kurzer Zeit wiederaufgebaut worden und habe mindestens bis in das frühe 6. Jahrhundert v.Chr. existiert.461 In neueren Ansätzen gehen I. Finkelstein, L. Singer-Avitz und Y. Thareani462 ebenso von weitreichenden Zerstörungen durch die Assyrer aus, halten allerdings eine daraus resultierende vollständige Aufgabe der Besiedlung spätestens am Beginn des 7. Jahrhunderts v.Chr. (bis zur Eisenzeit III/Achämenidenzeit) für wahrscheinlich. Die lokale Bevölkerung sei jedenfalls noch im ausgehenden 8. Jahrhundert v.Chr. nach Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam umgesiedelt worden.463 Im Hinblick auf die skizzierten (Re-)Konstruktionen ist im Folgenden zu prüfen, ob sich eine umfassende Zerstörung der Siedlung tatsächlich archäologisch nachweisen lässt. Dahingehend hat man zumindest in der Oberstadt weder für Areal A noch für die Areale H und K464 Brandschichten oder andere Anzeichen von Destruktionen nachgewiesen. Relevante Befunde aus Areal G, so sie denn überhaupt existiert haben sollten, sind durch Überbauung in hellenistischer Zeit verloren gegangen.465 Bezüglich der Unterstadt ergibt sich ein differenziertes Bild: Für das in Areal M ergrabene Sechskammertor konnten die Ausgräber einerseits Funde von Asche und Trümmern in einer von sechs Kammern (!) (Kammer 7048 [Stratum VIII] = Kammer 7012 [Stratum VII]) nachweisen.466 Andererseits hat man die Toranlage in späterer Zeit als Steinbruch genutzt, 460

M. DOTHAN/D.N. FREEDMAN (1967) 132.139–141; M. DOTHAN (1971) 21; M. DOTHAN (1993a) 100, die für eine Zerstörung von Stratum VIII durch Sargon II. optieren. Vgl. auch D. BEN-SHLOMO (2013a) 67.70 und E. GAß (2017) 208–209. 461 Vgl. M. DOTHAN/D.N. FREEDMAN (1967) 132.139–141; M. DOTHAN (1971) 21; M. DOTHAN (1993a) 100. 462 I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2001) 236.246–253; I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2004) 127–131 sowie Y. THAREANI (2016) 85.88.90–91. 463 Dazu I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2001) 249–250. Deutlich vorsichtiger bezüglich der Aufgabe von Esdūd/Aschdod nach 711 v.Chr. und einer gleichzeitigen Verlagerung des Siedlungsschwerpunkts nach Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam argumentiert aber L. SINGER-AVITZ (2018) 194. Für Beobachtungen, die gegen eine Aufgabe der Siedlung von Esdūd/Aschdods nach 711v.Chr. sprechen, vgl. den weiteren Fließtext sowie D. BEN-SHLOMO (2003) 101–103; A. FANTALKIN (2014) 48–49 und E. GAß (2017) 208–216. 464 Dazu M. DOTHAN (1971) 34–35.37–38; D. BEN-SHLOMO (2003) 96 und A. MAZAR/D. BENSHLOMO (2005) 50. 465 M.-T. FORTUNA/B.L. WALLACE/Z. YEIVIN (1971) 140–141 (hier besonders: 141). 466 Vgl. M. DOTHAN/Y. PORATH (1982) 25.41. Darüber hinaus ließ sich lediglich eine sehr dünne Ascheschicht (vermischt mit Keramikbruch) in einem kleinen Bereich unmittelbar nördlich des Torhauses ergraben, welcher vielleicht als Lagerbereich gedient hatte (M. DOTHAN/Y. PORATH [1982] 33– 34). Nach M. DOTHAN (1993a) 99, hier auf 2 Chr 26,6 verweisend, habe Usija von Juda die Toranlage

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

wobei Teile der hier relevanten Kammer abgetragen beziehungsweise stark beschädigt wurden.467 Vor dem Hintergrund der aus der Steingewinnung resultierenden Störung der Stratigrafie lässt sich jedenfalls die Beschädigungen des Stadttors nicht eindeutig mit dem assyrischen Feldzug verbinden. Nach G. Bachi und M. Ben-Dov468 zeigen die im Töpferquartier von Areal D freigelegten Brennöfen und die als Stadtbefestigung gedeutete Mauer 165 Anzeichen von Devastierungen. Das Werkstattgelände hat man allerdings während der Eisenzeit IIB mindestens zweimal bebaut. Dabei ließ man in der jüngsten Bauphase neue Brennöfen (wie beispielsweise Brennofen 1098) und Abfallgruben (etwa Abfallgrube 1081) über jenen älteren Installationen errichten, welche nach Deutung der Ausgräber durch assyrische Truppen zerstört worden sein sollen.469 Daher könnte die vermeintliche Demolition der Brennöfen durch Soldaten auch im Zuge von planvollen Umbaumaßnahmen durch die Stadtbewohner erfolgt sein. Im Hinblick auf Mauer 165 ist deren problematische Datierung in die Eisenzeit IIB und eine mögliche Errichtung erst in persisch-hellenistischer Zeit bereits thematisiert worden (siehe dazu das vorangehende Kapitel), sodass die Existenz dieses Bauwerks während der Ereignisse von 711 v.Chr. grundsätzlich fraglich ist. Unabhängig davon haben die Ausgräber in Areal D zwei Massengräber (Grab 1113 und Grab 1114) mit 2.434 und 376 Körperbestattungen identifiziert,470 welche die bisherige Forschung immer wieder mit Massenexekutionen im Gefolge der assyrischen Intervention verbunden hat.471 Mit Blick auf die Bestattungsform handelt es sich (fast) ausnahmslos um Sekundärbestattungen, wobei die keramischen Grabbeigaben (überwiegend Alltagskeramik wie Schüsseln, Krüge und Krüglein sowie Kochtöpfe und Vorratsgefäße) in die Eisenzeit IIB zu datieren sind.472 Grundsätzlich bezeugen die neuassyrischen Quellen aber neben dem Feldzug gegen Aschdod gleich mehrere Ereignisse um das Jahr 711 v.Chr., bei denen es in der fraglichen Region zu gewaltsamen Aktionen, Hinrichtungen mit vielen Toten und der Anlage von Massengräbern gekommen sein

bereits vor 712/11 v.Chr. ein erstes Mal zerstören können. Vgl. dazu sowie zur Exegese und historischen Auswertung von 2 Chr 26,6–8 die Erläuterungen in Kapitel 3.10. E. GAß (2017) 211 hält eine Destruktion des Tores durch Nebukadnezar II. für möglich, was sich allerdings aus dem stratigrafischarchitektonischen Kontext nicht erschließt (siehe Kapitel 2.7.1). 467 Dazu der Kommentar bei M. DOTHAN/Y. PORATH (1982) 34: „The longitudinal wall W 7108 was partially destroyed by quarrying in later periods […]“. 468 G. BACHI/M. BEN-DOV (1971) 105–106. 469 Vgl. G. BACHI/M. BEN-DOV (1971) 105–106 und Plan 8. 470 Hier den Angaben bei N. HAAS (1971) 212–214 folgend. Vgl. jetzt auch R. WENNING (2021) 559. Ein drittes Grab (Grab 1121) mit 21 Primärbestattungen ist von G. BACHI/M. BEN-DOV (1971) 94 ebenso als Massengrab angesprochen worden. Mit N. HAAS (1971) 213 dürfte es sich aufgrund der im Vergleich zu Grab 1113 und Grab 1114 deutlich geringeren Zahl an Körperbestattungen eher um ein einfaches Grab („common grave“) gehandelt haben. 471 Vgl. unter der neueren Literatur in Auswahl D. BEN-SHLOMO (2013a) 70; S.C. MELVILLE (2016) 150 mit Anmerkung 34; Y. THAREANI (2016) 88; E. GAß (2016a) 25 Anmerkung 101 und J. ELAYI (2017) 59 sowie die dort angegebenen weiteren Referenzen. 472 So mit I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2001) 245. Zum Fundgut vgl. M. DOTHAN (1971) Abb. 39–49 (Loci 1113 und 1114) und die Anmerkungen bei G. BACHI/M. BEN-DOV (1971) 94.

2.6 Zur Situation in der Eisenzeit IIB

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könnte.473 Zu denken wäre etwa an den in den Inschriften erwähnten Sturz des aschdodischen Fürsten ʿAzzūr oder die daraufhin durch Sargon II. oktroyierte Herrschaft des pro-assyrischen Aḫimīt, welchen wiederum der anti-assyrisch eingestellte Jamān mittels eines Coup d'État verdrängt hat.474 Überhaupt sind die beiden Massengräber unterhalb der Fußböden der Eisen-IIB-zeitlichen Wohnhäuser von Areal D nachgewiesen worden, weshalb das Gebiet auch noch nach Abschluss der zahlreichen Zweitbestattungsvorgänge bewohnt und auf keinen Fall zerstört oder gar verlassen war.475 Über die bisherige Palästinaarchäologie hinaus spricht also vieles dafür, dass Esdūd/Aschdod im Zuge der assyrischen Intervention von 711 v.Chr. nicht zerstört wurde. Darauf deuten auch die Errichtung einer Siegesstele auf dem Tell (Kapitel 2.7.1) sowie die Erbauung eines wohl öffentlich genutzten Gebäudes mit mesopotamischen Einflüssen am Fundplatz von Aschdod ad-Halom (siehe Kapitel 2.7.4), nahe bei der Unterstadt, hin. Die aschdodische Bevölkerung dürfte angesichts der herannahenden Armee Sargons II. kampflos kapituliert haben, zumal Jamān ausweislich der Quellen noch vor Ankunft der feindlichen Truppen nach Ägypten floh.476 Die Notiz über die Zerstörung Aschdods in den assyrischen Königsinschriften ist somit als reine Propaganda zu identifizieren, um den eher untergeordneten Feldzug gegen das kleine Vasallenkönigreich von Aschdod aufzuwerten. Vor diesem Hintergrund lässt sich dann auch erklären, weshalb der offenbar gut über die Situation an der Küste informierte Schreiber von Jes 20,1 gerade keine Destruktion von Aschdod (sondern nur eine Eroberung) durch den Ta/urtānu erwähnt, obwohl dies zweifellos gut zu seiner vor einer anti-assyrischen Politik warnenden Botschaft an Hiskija von Juda gepasst hätte.477

473

Zu den Texten informiert Kapitel 3.4.3 ausführlich. Als problematisch für die historische (Re-)Konstruktion erweisen sich die unzureichenden anthropologischen Untersuchungen der mehr als 2.800 Bestatteten, welche in der Grabungsdokumentation lediglich auf drei Seiten präsentiert werden (N. HAAS [1971] 212–214). Nach Aussage der Daten hat man nur bei 16 Individuen Anzeichen für Hinrichtungen durch Enthauptungen nachgewiesen. I. EPHʿAL (2009) 32 mit Anmerkung 69 verweist darauf, dass die diesbezüglich relevanten Überreste gerade nicht in den beiden Massengräbern gefunden worden sind, dabei Grab 1151 mit Grab 1113 verwechselnd. Die sehr kleine Zahl der Enthaupteten könnte darauf hinweisen, dass die am Knochenmaterial nachgewiesenen Traumata und Frakturen vielleicht postmortal im Rahmen des Zweitbestattungsvorgangs oder sogar erst während des Ausgrabungsprozesses entstanden sind. Im Zuge von Nachforschungen im Jahr 2019 bei der Israelischen Altertumsbehörde (IAA) und der Hebräischen Universität Jerusalem durch A. Fantalkin (E-Mail vom 23. März 2019) und den Autor dieser Arbeit konnte der weitere Verbleib der menschlichen Überreste nicht geklärt werden, sodass anthropologische Untersuchungen nach aktuellen Standards nicht durchgeführt werden können. 474 Für die Analyse und historische Auswertung der neuassyrischen Quellen vgl. Kapitel 3.4.3. 475 So mit I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2001) 246.250 Anmerkung 18. Vgl. auch E. GAß (2017) 209. Wie lange man die Wohngebäude im 7. Jahrhundert v.Chr. noch weiternutzte, ist nicht mehr zu eruieren. Schließlich ließen sich die fraglichen Gebäudestrukturen in Stratum VI nicht mehr nachweisen, was nach G. BACHI/M. BEN-DOV (1971) 106 entweder auf Erosion oder eine kriegerische Zerstörung hindeuten könne. 476 Siehe dazu Kapitel 3.4.3. 477 Zur Exegese und historischen Auswertung von Jes 20,1–6 vgl. Kapitel 3.4.1–2.

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

2.6.4 Zur Situation im Umland von Esdūd/Aschdod Im Hinterland von Esdūd/Aschdod lässt sich für die Eisenzeit IIB eine deutlich dichtere Besiedlung im Vergleich mit der Eisenzeit IIA beobachten. In einem Radius von 10 km um den Tell sind nun mindestens 15 Klein- und Kleinstsiedlungen sowie Gehöfte greifbar, welche die Versorgung des stark angewachsenen Zentralorts (Kapitel 2.6.1) mit landwirtschaftlichen Gütern sicherten. Nach der Modellrechnung von A. Shavit478 habe die besiedelte Fläche im Umland dabei bis zu 16,5 ha bei einer Einwohnerzahl von ca. 3.300 Personen betragen. Wie Oberflächenuntersuchungen zeigen, könnten allein die beiden Siedlungen von Tel Poran/Tell el-Farāni und Tel Poran/Tell el-Farāni (West) zusammen über eine Fläche von 8 ha verfügt haben, allerdings hat man beide Ortslagen (bisher) nicht ausreichend systematisch ergraben.479 Während aus Tel Mōr/Tell Ḫēdar keine architektonischen Überreste aus dem 8. Jahrhundert v.Chr. bekannt sind,480 deuten die Funde und Befunde aus Aschdod ad-Halom (Stratum 8) auf Aktivitäten während der Eisenzeit IIB hin.481 Vielleicht haben die freigelegten Strukturen noch zur Unterstadt von Esdūd/Aschdod gehört.482 Eine genauere (Re-)Konstruktion ist allerdings im Hinblick auf die nur geringe Zahl an Funden und Befunden nicht möglich. Auf dem Tell von Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam, nur etwa 1 km nordöstlich des spätbronzezeitlichen Weinguts von Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam (Süd) (siehe Kapitel 2.3.2), lässt sich für die Eisenzeit IIB–C eine ummauerte Siedlung nachweisen. Bei Ausgrabungen auf dem südlichen Hügelabschnitt unter Leitung von J. Kaplan hat man in den 1960er Jahren erstmals die hufeisenförmige und zum Mittelmeer hin geöffnete Fortifikation untersucht.483 Im Ergebnis wurde die auf dem natürlichen Felsen errichtete Lehmziegelmauer (Stärke: 3,0–4,5 m), welche man an der Innen- und Außenseite jeweils durch ein Erdglacis verstärkt hatte, in die zweite Hälfte des 8. Jahrhunderts v.Chr. datiert.484 Nach J. Kaplan485 sei es Jamān gewesen, der Aschdod-Yam in Erwartung einer baldigen assyrischen Intervention massiv befestigte. I. Finkelstein und L. SingerAvitz486 rechnen hingegen mit einem umfassenden Ausbau erst nach 711 v.Chr. durch Sargon II. Im Zuge dessen habe man die Bevölkerung aus dem (vermeintlich) zerstörten 478

A. SHAVIT (2008) 148. Vgl. A. SHAVIT (2008) 148 und Y. HUSTER (2015) 34–35. 480 Siehe dazu die Ausführungen zur Datierung von Tel Mōr/Tell Ḫēdar (Stratum II) in Kapitel 2.5.2. 481 Vgl. E. KOGAN-ZEHAVI (2006), http://www.hadashot-esi.org.il/report_detail_eng.aspx?id=340 &mag_id=111 (letztmals abgerufen am 23.03.2022). 482 So: D. BEN-SHLOMO (2013a) 71. 483 Über die Ergebnisse der Altgrabung informieren J. KAPLAN (1969) 137–149; Abb. 1–8; Taf. 13 und J. KAPLAN (1993) 102–103. Nach J. KAPLAN (1969) 138.140 war der Tell ursprünglich vollständig umfriedet gewesen, die westliche Befestigung erodierte seines Erachtens jedoch im Laufe der Zeit durch die Veränderung der Küstenlinie. 484 J. KAPLAN (1969) 140–143; Abb. 3–5; J. KAPLAN (1993) 103. Das sowohl an der Oberfläche gesammelte als auch in verschiedenen Bereichen des Kulturschutthügels ergrabene keramische Fundgut ließ sich in das 8. und frühe 7. Jahrhundert v.Chr. datieren. Siehe dazu J. KAPLAN (1969) 144–147; Abb. 7–8 und J. KAPLAN (1993) 103. Vgl. ebenso A. FANTALKIN (2018) 171. 485 Dazu J. KAPLAN (1969) 147–149 und J. KAPLAN (1993) 102. 486 I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2001) 251–252 und I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2004) 131. Vgl. auch Y. THAREANI (2016) 91. 479

2.6 Zur Situation in der Eisenzeit IIB

85

Esdūd/Aschdod (Kapitel 2.6.3) und weitere Deportierte aus dem Neuassyrischen Reich hier angesiedelt. N. Naʾaman487 wiederum vermutet, die Assyrer hätten bereits um 720 v.Chr. (kurz nach dem Tod des Salmanassar V. [726–721 v.Chr.]) ein Emporium (bīt kāri)488 in Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam errichtet, wobei ebenda bereits zuvor eine lokale Anlegestelle existiert habe. Im Zuge der zwischen 2013 und 2019 unter der Leitung von A. Fantalkin und A. Berlejung489 wieder aufgenommenen Ausgrabungen ließen sich keinerlei assyrische Einflüsse im Hinblick auf die Konstruktionsweise der Stadtmauer oder die Beschaffenheit des für diese verwendeten Ziegelwerks nachweisen. Mithilfe der im Jahr 2019 unter Leitung von O. Chesnut (Schnittleiter) und den Autor dieser Arbeit (stellvertretender Schnittleiter) im Bereich der Fundamente ergrabenen Keramik konnte allerdings die von J. Kaplan vorgeschlagene Datierung des Bauwerks in die zweite Hälfte des 8. Jahrhunderts v.Chr. bestätigt werden.490 Ansonsten hat man bisher eher wenig Eisen-II-zeitliche Bebauung freigelegt. Diesbezüglich deuten die in Areal C identifizierten Mauerzüge, Installationen sowie das keramische Fundgut und andere Kleinfunde auf Wohnbebauung hin. Aus Areal D stammen weitere architektonische Überreste in Lehmziegelbauweise. Die Verwendung von Orthostaten und die auf den Fußböden gefundene Keramik, welche auch lokale Imitationen assyrischer Knickwandgefäße umfasst, zeugen von assyrischen Einflüssen.491 In der Gesamtschau erlauben die bisher gewonnen Daten keine eindeutige historische (Re-)Konstruktion. Nach wie vor ist vor allem ungeklärt, durch wen genau und unter welchen machtpolitischen Konstellationen Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam errichtet beziehungsweise befestigt wurde. Lediglich die These von J. Kaplan, nach der Jamān die massive Stadtmauer in Erwartung eines bevorstehenden assyrischen Angriffs erbauen ließ (s.o.), dürfte aufgrund der für ein solches Unterfangen benötigten Bauzeit und des notwendigen logistischen Aufwands auszuschließen sein. Fraglich bleibt weiterhin auch die genaue Funktion des Orts. Dabei wird überhaupt erst durch die zukünftige Gewinnung weiterer archäologischer Daten aus den Schichten der Eisenzeit IIB–C zu klären

487

N. NAʾAMAN (2001) 261–262, nach dem die Hauptursache für die anti-assyrische Politik der lokalen Herren um 711 v.Chr. in der Errichtung des bīt kāri und der seines Erachtens damit einhergehenden Einschränkung der ökonomischen Leistungsfähigkeit Aschdods zu suchen sei. 488 Seit altassyrischer Zeit dienten bīt kāri sowohl in den assyrischen Provinzen als auch in den Vasallenterritorien als Zentren für das Eintreiben von Steuern und Abgaben, zur Koordinierung von Handelsströmen sowie zur Ausübung von politischer Kontrolle und Überwachung. Siehe dazu die Synopsen bei A. BAGG (2011) 175–178 und K.L. YOUNGER (2015) 184–187 (jeweils mit weiterer Literatur). A. BERLEJUNG (2012) 41–48 analysiert die Bedeutung und Funktion der bīt kāri mit Fokus auf die westliche Peripherie des Neuassyrischen Reichs. 489 Vgl. A. FANTALKIN (2014) 53 und A. BERLEJUNG/A. FANTALKIN (2017b) 68. 490 Die Grabungen im Fundamentbereich sind durch einen Forschungskostenzuschuss des Deutschen Vereins zur Erforschung Palästinas e.V. (DPV e.V.) unterstützt worden. Dem Vorstand des DPV e.V. und insbesondere dem Vorstandvorsitzenden, Prof. Dr. Jens Kamlah, sei dafür herzlich gedankt. Die detaillierten Grabungsergebnisse werden an anderer Stelle publiziert. Über die im Jahr 2013 im Bereich der Befestigung durchgeführten Arbeiten und deren Ergebnisse informieren A. FANTALKIN (2014) 51–53 mit Abb. 19–23 und A. FANTALKIN (2018) 172–175 mit Abb. 7.3–5. 491 Dazu A. BERLEJUNG/A. FANTALKIN (2017b) 66–67 und A. FANTALKIN (2018) 175.

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

sein, ob es sich bei Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam tatsächlich um den ältesten künstlich angelegten Hafen in der Südlevante (A. Fantalkin492) gehandelt hat. 2.6.5 Zu den Entwicklungen in der inneren Küstenebene und in der Schefela Der Feldzug des Hasaël von Damaskus gegen Tell eṣ-Ṣāfī/Gat in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts v.Chr. (Kapitel 2.5.3) brachte umfassende demografische, soziale und ökonomische Umwälzungen mit sich, welche während der Eisenzeit IIB das Gebiet zwischen Küste und Bergland in besonderem Maße prägen sollten. Nach dem in der inneren Küstenebene die Siedlung auf dem Tell eṣ-Ṣāfī mehrere Jahrzehnte verlassen war, wurden deren Überreste am Ende der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts v.Chr. wahrscheinlich durch ein Erdbeben zerstört.493 Erst für die Zeit nach 750 v.Chr. lässt sich wieder eine Bebauung auf ca. 20–25 ha494 nachweisen, womit das neu erstandene Gat deutlich kleiner war als die Siedlung der Eisenzeit IIA (Kapitel 2.5.3). Die vor allem in Areal F (Stratum F8–F7495) ergrabenen Überreste aus der späteren Eisenzeit IIB, wie zwei Vierraumhäuser (Haus 75350 und Haus 105650), ein gestempelter lmlk-Krughenkel (Oberflächenfund) und vor allem das weitere keramische Inventar (mit Fragmenten von torpedoförmigen Vorratskrügen und auf der Töpferscheibe geglätteten Krateren mit rotem Überzug), zeugen von einer agrarisch geprägten Ortschaft mit zwei Siedlungsphasen, deren materielle Kultur sich jeweils am judäischen Bergland orientierte.496 Nach der Deutung der Ausgräber könnten es Usija von Juda (787 [Koregent]/773–736 v.Chr.) oder sein Nachfolger Ahas (741 [Koregent]/736–725 v.Chr.) gewesen sein, welche Tell eṣ-Ṣāfī/Gat (Stratum F8) erbauen ließen. 497 Nach A.M. Maeir ist jedoch eine Errichtung erst unter Hiskija (725–697 v.Chr.) am wahrscheinlichsten.498 Die zweite kurzlebige Siedlungsphase (Stratum F7) hat man mit großer Wahrscheinlichkeit noch während des Sanherib-Feldzugs gegen Juda um 701 v.Chr. destruiert.499 492

So: A. FANTALKIN (2014) 53–54 und A. FANTALKIN (2018) 177. Vgl. ebenso E. GAß (2017) 215. Befunde, welche auf Zerstörungen hindeuten, lassen sich vor allem in Areal F (Stratum F8A) gut nachweisen. Dazu J.R. CHADWICK/A.M. MAEIR (2018) 48–50; Abb. 1–4 sowie J.R. CHADWICK/ A.M. MAEIR (2020) 291–299.340; Abb. 5.3–10. A.M. MAEIR (2012a) 49–50 verweist auf Am 1,1 und Sach 14,5 und die jeweilige Erwähnung von Erdbeben. Vgl. auch A.M. MAEIR (2012b) 245–246. Für einen archäologisch orientierten Forschungsüberblick zu seismischen Aktivitäten in Palästina während der Eisenzeit IIB (unter Berücksichtigung potenziell relevanter biblischer Notizen) siehe P.G. VAN DER VEEN (2020) 61–64. 494 So: A.M. MAEIR/J. UZIEL (2007) 35.36 Tab. 1; J. UZIEL/A.M. MAEIR (2012) 177 und D. VIEWEGER (2019b) 270, die eine Größe von 20–25 ha voraussetzen. C. FREVEL (22018) 269 schätzt die Ausdehnung der Siedlung während des 8. Jahrhunderts v.Chr. hingegen auf 15–20 ha. 495 Über Architektur und Funde informieren J.R. CHADWICK/A.M. MAEIR (2020) 299–321; Abb. 5.11–31. 496 Vgl. zum Ganzen J.R. CHADWICK/A.M. MAEIR (2018) 50–53; Abb. 5–7 und J.R. CHADWICK/A.M. MAEIR (2020) 339–340. Zu den in Areal A (Stratum A2) ergrabenen architektonischen Überresten, darunter ein Vierraumhaus (Gebäude 21012), informieren A. ZUKERMAN/A.M. MAEIR (2012) 206–214; Abb. 9.6–7; Taf. 9.4. 497 Siehe A.M. MAEIR (2012a) 50–51 und J.R. CHADWICK/A.M. MAEIR (2018) 53–54. 498 A.M. MAEIR (2012a) 50–56 sowie A.M. MAEIR (2020b) 244–250. 499 Hier A.M. MAEIR (2012a) 53–54; J.R. CHADWICK/A.M. MAEIR (2018) 53–54 mit Abb. 8 und J.R. CHADWICK/A.M. MAEIR (2020) 339 folgend. 493

2.6 Zur Situation in der Eisenzeit IIB

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Tel Miqnē/Ekron (Stratum IIB–A) stellte im Vergleich mit Aschdod und Gat eine kleine Ortschaft mit einer Größe von 4 ha dar.500 Relevante archäologische Befunde der Eisenzeit IIB sind im Wesentlichen nur im Gebiet der nordöstlichen Oberstadt (Feld I) ergraben worden. Ebenda ließen sich eine Stadtmauer mit einem Turm aus Lehmziegeln sowie ein Wohnviertel mit einer Straße nachweisen, welches durch ein System aus Kanälen (Stratum IIB) entwässert wurde.501 Nach S. Gitin502 war die Siedlung in dieser Epoche politisch unabhängig. Die Königsinschriften Sanheribs legen jedoch nahe, dass zumindest im ausgehenden 8. Jahrhundert v.Chr. ein gewisser judäischer Einfluss vorherrschte (siehe Kapitel 2.6.7). Weitreichende Veränderungen brachte das 8. Jahrhundert v.Chr. für die Schefela mit sich, die nun vollständig unter den politischen Einfluss Jerusalems geriet.503 Die Region erlebte im Verlauf der Eisenzeit IIB ein Bevölkerungswachstum und war durch die Existenz von mehr als 250 Siedlungen gekennzeichnet.504 Zudem ist ausweislich der archäologischen Funde eine kulturelle Angleichung zwischen der Schefela und dem Bergland festzustellen,505 wobei etwa die Eliten in den judäischen Bergen Elemente der schefelitischen Sepulkralkultur übernahmen.506 Im Elah-Tal entwickelte sich Tell Zakarīye/Aseka nach der Deutung der Ausgräber bereits im späten 9. und frühen 8. Jahrhundert v.Chr. zu einem „wichtigen judäischen Grenzort“ („central Judean border city“507). Im Hinblick auf die bisher durch die Lautenschläger Expedition ergrabenen Überreste aus der Eisenzeit IIB–C scheint es sich allerdings nicht um eine große Stadt gehandelt zu haben, sondern eher um eine kleinere befestigte Siedlung oder ein Fort.508 Ungeachtet dessen halten O. Lipschits, Y. Gadot und M. Oeming509 aufgrund des Nachweises von mehreren lmlk-Siegelabdrücken eine Einbindung in die administrativen Strukturen des Berglandes für plausibel. Obwohl in der sogenannten Aseka-Inschrift (RINAP 3/2.1015510) eine vollständige Zerstörung der 500 So mit S. GITIN (2018) 133 gegen A.M. MAEIR/J. UZIEL (2007) 37, welche Ekrons Ausdehnung zur Mitte des 8. Jahrhunderts v.Chr. auf 39 ha schätzen. 501 Dazu T. DOTHAN/S. GITIN (2008) 1955 und D. BEN-SHLOMO (2013b) 366. 502 S. GITIN (2018) 133. 503 Vgl. dazu die Ausführungen im weiteren Fließtext. Nach dem im Alten Testament vorgestellten Szenario sei es Amazja von Juda (802/1–773 v.Chr.) gewesen, der die Schefela in Besitz nehmen konnte. Zumindest werden für seine Regierungszeit Bet-Schemesch (2 Kön 14,11) und Lachisch (2 Kön 14,19) als judäische Orte bezeichnet. 504 So: I. FINKELSTEIN (2015a) 195. 505 Vgl. G. LEHMANN/H.M. NIEMANN (2014) 89–90 und H.M. NIEMANN (2022) 71 (jeweils mit weiterer Literatur). Vgl. auch A. FANTALKIN/I. FINKELSTEIN (2006) 24. 506 A. FANTALKIN (2008) 17–36. O. SERGI (2013) 230 verweist auf die Übernahme von schefelitischen Keramiktraditionen durch die königlich-judäische Verwaltung im späten 9. und 8. Jahrhundert v.Chr. Vgl. dazu auch O. SERGI u.a. (2012) 64–92. 507 O. LIPSCHITS/Y. GADOT/M. OEMING (2017) 7. 508 Vgl. diesbezüglich O. LIPSCHITS/Y. GADOT/M. OEMING (2017) 14.20. 509 Siehe O. LIPSCHITS/Y. GADOT/M. OEMING (2017) 14.20 und A. WRATHALL/O. LIPSCHITS/ Y. GADOT (2021) 34. 510 Text: A.K. GRAYSON/J. NOVOTNY (2014) 350–352. Eine Übersetzung sowie eine erweiterte Bibliografie bieten E. FRAHM (1997) 229–232 und M. WEIPPERT (2010) 336–337 Text-Nr. 187. Für eine Datierung in die Herrschaftsperiode des Sanherib vgl. etwa N. NAʾAMAN (1974) 25–39 (hier

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

Siedlung durch Sanherib im Jahr 701 v.Chr. überliefert wird, ließ sich bisher nur in einigen Bereichen eine entsprechende Zerstörungsschicht nachweisen, sodass möglicherweise eher von einer partiellen Destruktion Asekas auszugehen ist.511 Im Sorek-Tal hat man während des 8. Jahrhunderts v.Chr. eine neue befestigte Siedlung auf dem Tell el-Bāṭāšī (Stratum III) erbaut. Diesbezüglich konnten bei den dortigen Ausgrabungen eine 3 m starke Lehmziegelmauer (Areale A, C, D und E) sowie ein massives Sechskammertor (Areal C) freigelegt werden.512 Ein größeres, in die Fortifikationen integriertes Bauwerk (Areal H) haben die Ausgräber als Verwaltungszentrum der Siedlung oder Palast („palace“) angesprochen.513 Nach der (Re-)Konstruktion von G.L. Kelm und A. Mazar514 könnte Tell el-Bāṭāšī/Timna bis in die Zeit des Ahas von Juda (741 [Koregent]/736–725 v.Chr.) durch die Herren von Ekron beherrscht worden sein. Spätestens am Vorabend der assyrischen Invasion von 701 v.Chr. habe allerdings Hiskija von Juda vor Ort umfangreichere Truppenverbände stationiert.515 Für eine Beherrschung durch Juda in hiskijanischer Zeit sprechen nach A. Mazar und N. PanitzCohen516 vor allem 33 lmlk-Krüge und Krughenkel mit lmlk-Siegelabdrücken aus Gebäude 737 (Areal D), welches ihres Erachtens als Lagerhaus oder judäische Kaserne diente. Ein gänzlich anderer archäologischer Befund präsentiert sich für ʿĒn-Šems/BetSchemesch (Stratum IIC [E. Grant/G.E. Wright]/Level II [S. Bunimovitz/Z. Lederman]), wo eine starke Änderung des Siedlungscharakters gegenüber der Eisenzeit IIA (siehe Kapitel 2.5.3) festzustellen ist. Die Ortschaft war im 8. Jahrhundert v.Chr. nicht mehr befestigt und ältere Fortifikationen hatte man partiell überbauen lassen.517 Zahlreiche Installationen zur Olivenölherstellung sowie Funde, die auf Textilproduktion hindeuten, implizieren eine auf Landwirtschaft und Handwerk ausgerichtete Wirtschaftsbesonders: 29–32); N. NAʾAMAN (1994) 235–236.245–247; K.L. YOUNGER (2002) 316–318 und mit Vorbehalt auch M. WEIPPERT (2010) 336. Anders und für eine Entstehung in der Zeit Sargons II. optieren H. TADMOR (1958) 80–83; G. GALIL (1995) 321–329; E. FRAHM (1997) 229–232 sowie M. COGAN (2008) 107. Ohne genaue chronologische Einordnung bleiben hingegen A. BAGG (2011) 248 Anmerkung 333 und A.K. GRAYSON/J. NOVOTNY (2014) 350. 511 Nach O. LIPSCHITS/Y. GADOT/M. OEMING (2017) 14–15 sind die Überreste einer assyrischen Belagerungsrampe in Areal E3 nachweisbar, deren archäologische Untersuchung noch andauert. 512 Für eine detaillierte Diskussion der Toranlage siehe A. MAZAR (1997) 111–126.256–257; Abb. 28–32; Foto 111–123. 513 Dazu A. MAZAR/G.L. KELM (1993) 155 und A. MAZAR (1997) 142–150; Abb. 35; Foto 133– 146. 514 A. MAZAR/G.L. KELM (1993) 155.157. Ganz ähnlich argumentieren auch A. MAZAR/N. PANITZCOHEN (2001) 279–281. 515 So: A. MAZAR/G.L. KELM (1993) 155. Vgl. ebenso A. MAZAR/N. PANITZ-COHEN (2001) 279– 280 mit Verweis auf 2 Chr 28,18. Nach N. NAʾAMAN (2003a) 84–85 gehe die Erbauung von Tell elBāṭāšī/Timna (Stratum III) auf die Initiative der bereits in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts v.Chr. wieder erstarkenden Herren von Ekron zurück. Anders: S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2017) 35, die Errichtung der fraglichen Siedlung auf Hiskija von Juda zurückführend. 516 Dazu A. MAZAR/N. PANITZ-COHEN (2001) 158. Für die Analyse der Architektur des Gebäudes vgl. wiederum A. MAZAR (1997) 189–193.260; Foto 189–195. 517 Vgl. S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (1993) 151; S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2008) 1648. Siehe ebenso S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2016c) 419–420.

2.6 Zur Situation in der Eisenzeit IIB

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struktur.518 Eine große Zahl an lmlk-Siegelabdrücken, von den fast alle in das frühe 8. Jahrhundert v.Chr. zu datieren sind,519 deuten auf die Einbindung in das staatlich administrierte Wirtschaftssystem des Berglands hin (zur historischen Auswertung siehe Kapitel 2.6.7). Die politische Abhängigkeit von Juda brachte es schließlich mit sich, dass Bet-Schemesch am Ende des 8. Jahrhunderts v.Chr. durch die Assyrer destruiert worden ist.520 2.6.6 Zur Situation Jerusalems und seines Umlands 2.6.6.1 Zum Siedlungscharakter Jerusalems Durch die Steigerung der verfügbaren landwirtschaftlichen Ressourcen im Gefolge der sukzessiven und schließlich vollständigen Inbesitznahme der Schefela (Kapitel 2.6.5) wurde in Juda ein bis in die Eisenzeit IIC hinein währender Prozess der Zentralisierung angestoßen.521 Den Herren von Jerusalem gelang es, ihre Machtposition gegenüber den Clans im Bergland zu konsolidieren und (spätestens) in der zweiten Hälfte der Eisenzeit IIB zu unangefochtenen Fürsten im kleinen Flächenstaat Juda aufzusteigen.522 Die Residenzstadt Jerusalem stellte dabei den mit Abstand bedeutendsten Zentralort in diesem Kleinkönigreich dar. Mit Blick auf die politische Großwetterlage geriet das Bergland in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts v.Chr. (wie die anderen Kleinstaaten auf der syro-palästinischen Landbrücke) in ein Abhängigkeitsverhältnis zum Neuassyrischen Reich.523 Ahas von Juda (741 [Koregent]/736–725 v.Chr.) leistete dem Tiglat-Pileser III. (745–727 v.Chr.) Tribut (2 Kön 16,8; RINAP 1.47, Rückseite, Zeile 11ʹ524). Nach Salmanassar V. (727– 518

Dahingehend informieren S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (1993) 155; S. BUNIMOVITZ/Z. LEDER(2008) 1648 und S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2016c) 464–465. Bezüglich der in ähnlicher Weise durch die judäische Zentralautorität gesteuerten Olivenölindustrie in Tell Bēt Mirsim siehe wiederum I. FINKELSTEIN/N. NAʾAMAN (2004) 61–64.74. 519 Vgl. O. LIPSCHITS (2019a) 102–107. 520 Vgl. S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (1993) 155 und S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2008) 1648. O. LIPSCHITS (2019a) 102–107 verweist auf das Fehlen von lmlk-Siegelabdrücken aus dem 7. Jahrhundert und frühen 6. Jahrhundert v.Chr. sowie weiteren Arten von für das judäische Bergland typischen Siegelabdrücken aus der Eisenzeit IIC, was seines Erachtens eine Destruktion der Siedlung um 701 v.Chr. plausibel erscheinen lasse. Anders und für die Fortexistenz von ʿĒn-Šems/Bet-Schemesch als Zentrum der Olivenölproduktion bis in das 7. Jahrhundert v.Chr. argumentieren im Lichte einer von 2016–2017 durchgeführten Rettungsgrabung östlich des Tells jetzt Y. Govrin und L. Singer-Avitz. Vgl. zum Ganzen Y. GOVRIN/L. SINGER-AVITZ (2022) 9–34 mit Abb. 1–11. 521 Für eine Übersicht über die durch archäologische Funde (re-)konstruierbaren Entwicklungen (wie die Vereinheitlichung des Maß- und Gewichtssystems), welche für eine verstärkte Zentralisierung Judas in der Eisenzeit IIB–C sprechen, siehe G. LEHMANN (2012) 291–292. Vgl. ebenso die ausführliche Diskussion bei C. FREVEL (22018) 267–270 (mit Referenzen). 522 Dazu G. LEHMANN/H.M. NIEMANN (2014) 88–90; C. FREVEL (22018) 267–270; A. BERLEJUNG (62019a) 110–117 und H.M. NIEMANN (2022) 66–67 (jeweils mit weiterer Literatur). 523 Zur assyrischen Westexpansion und ihren Auswirkungen auf Juda vgl. die in Kapitel 2.6.2 unter Anmerkung 447 angegebenen Referenzen. N. NAʾAMAN (2001) 260–280 biete eine Übersicht zu den assyrischen Bauprojekten in der Levante während des 8.–7. Jahrhunderts v.Chr. 524 Text, Übersetzung und Bibliografie: H. TADMOR/S. YAMADA (2011) 115–125 (hier: 123). Vgl. weiterhin auch M. WEIPPERT (2010) 288–291 Text-Nr. 140 (Übersetzung und Bibliografie). MAN

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

722 v.Chr.) konnte sich auch Sargon II. (722–705 v.Chr.) wahrscheinlich schon in seinen allerersten Regierungsjahren die Vasallentreue des Hiskija von Juda (725– 697 v.Chr.) sichern.525 Mit dem Übergang der Herrschaft auf Sanherib im Jahr 705 v.Chr. kam es sodann zu größeren anti-assyrischen Erhebungen, an denen sich Juda maßgeblich beteiligte. Im Zuge der Niederschlagung der Aufstände belagerten assyrische Truppen schließlich noch im Jahr 701 v.Chr. Jerusalem, zerstörten es aber nicht.526 Bezüglich der demografischen Entwicklung in der Eisenzeit IIB lässt sich für die Residenzstadt der judäischen Fürsten ein stärkeres Wachstum nachweisen. Im frühen 8. Jahrhundert v.Chr. dürfte die Siedlungsfläche dabei noch annähernd 12 ha betragen haben.527 Um 700 v.Chr., am Ende der Eisenzeit IIB, verfügte die Stadt schließlich über eine bewohnte Fläche von 50–60 ha. Die Bevölkerungszahl könnte in dieser Zeit nach minimalistischen Schätzungen ca. 8.000 Personen betragen haben, während maximalistische Ansätze von bis zu 26.000 Einwohnern ausgehen.528 In der bisherigen Forschung ist dabei vielfach diskutiert worden, ob das massive Anwachsen erst nach 722/20 v.Chr. (aufgrund des Zustroms von Geflüchteten aus Samaria) anzusetzen sei, oder, ob von einem früher beginnenden und kontinuierlichen Prozess ausgegangen werden muss.529 Diesbezüglich zeigen insbesondere die Ergebnisse der neueren Ausgrabungen von A. Reʾem530 unterhalb der ehemaligen osmanischen Kaserne („Kishle“), dass sich die Stadt schon in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts v.Chr. auch auf den Südwesthügel erstreckte. Im Lichte dieses Befunds dürfte vieles für eine längerfristige demografische Entwicklung sprechen, die möglicherweise nach 722/20 v.Chr. noch etwas verstärkt wurde. 525

Dies impliziert insbesondere die lakonische Notiz auf einer erstmals von H. Winckler (H. WINCKLER [1889] 168–173) publizierten Inschrift aus Nimrud/Kalḫu, in welcher sich Sargon II. der Unterwerfung Judas rühmt. Das Epigraf ist wahrscheinlich in die Jahre 717–716 v.Chr. zu datieren. Vgl. dazu E. FRAHM (1997) 231; K.L. YOUNGER (2003) 237–238; E. GAß (2016a) 33–34 und O. LIPSCHITS (2018) 117. 526 Für eine umfassende historische (Re-)Konstruktion der Ereignisse siehe (in Auswahl) G.W. AHLSTRÖM (1993) 694–696; W.R. GALLAGHER (1999) 91–142; A. BAGG (2011) 244–252. Vgl. auch M. COGAN (2014) 111–112. Zum Feldzug des Sanherib gegen Juda und zur Belagerung Jerusalems informieren darüber hinaus auch O. KEEL (2007) 437–470; E. GAß (2016a) 103–153 sowie C. FREVEL (22018) 294–300. 527 C. FREVEL (22018) 269 und E.A. KNAUF/H.M. NIEMANN (2021) 120 Tab. 7. 528 Dazu H. GEVA (2003b) 203–208 und H. GEVA (2014) 138–141 mit einem Überblick über die minimalistischen und maximalistischen Positionen bezüglich Bevölkerungszahl und Stadtfläche. Vgl. ebenso die Synopse bei C. FREVEL (22018) 280–281. Hier gegen Y. MOYAL/A. FAUST (2015) 283, nach denen die intra- und extramuralen Quartiere Jerusalems eine Gesamtfläche von 95 ha umfasst hätten. 529 O. KEEL (2007) 409–410 rechnet mit einer größeren Zahl an Faktoren, welche die positive demografische Entwicklung Jerusalems während des 8. Jahrhunderts v.Chr. beeinflusst haben, unter denen seines Erachtens jedoch der Zustrom von Geflüchteten aus Samaria mit Abstand am bedeutendsten gewesen sei. Für ein Anwachsen der Bevölkerung vor allem aufgrund eines Bevölkerungstransfer aus dem Norden optieren auch M. BROSHI (1974) 21–26 (hier besonders: 23–25); I. FINKELSTEIN (2008a) 499–515 (hier: 506–511) sowie K. BIEBERSTEIN (2017) 69–70. Anders und für ein graduelles Wachstum der Stadt über die gesamte Eisenzeit IIB hinweg argumentieren beispielsweise N. NAʾAMAN (2014) 1–14; J. UZIEL/N. SZANTON (2015) 247–248 und A. REʾEM (2019) 138–139. 530 A. REʾEM (2018) 249–251 sowie A. REʾEM (2019) 138–139.

2.6 Zur Situation in der Eisenzeit IIB

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Abb. 6: Plan Jerusalems mit dem Verlauf der Eisen-IIB–C-zeitlichen Stadtmauer und Lage der wichtigsten Grabungsareale (© Noa Evron, Itamar Ben-Ezra und Nitsan Shalom).

Korrespondierend mit dem Anwachsen Jerusalems lassen sich für die spätere Eisenzeit IIB auch neue Fortifikationen (Abb. 6) nachweisen. Teilstücke einer Stadtmauer sind auf dem Südosthügel unter anderem von K.M. Kenyon,531 Y. Shiloh532 sowie R. Reich und E. Shukron533 ergraben worden. Auf dem Südwesthügel hat hingegen N. Avigad Mauer 555 – die sogenannte „Breite Mauer“ („Broad Wall“) – freigelegt und als Befestigung aus hiskijanischer Zeit angesprochen.534 Einen weiteren Abschnitt 531 Vgl. M.L. STEINER (2001) 89–92; Abb. 6.39–45. Für eine Datierung der von K.M. Kenyon ergrabenen Mauer in das 7. Jahrhundert v.Chr. vgl. jetzt Y. GADOT (2022) 153–155. 532 A. DE GROOT/H. BERNICK-GREENBERG (2012a) 45–47; Foto 44–45 und A. DE GROOT (2012) 158–159. Bezüglich weiterer Referenzen zu bekannten Abschnitten der Eisen-II-zeitlichen Stadtmauer auf dem Südosthügel vgl. den Überblick bei K. BIEBERSTEIN (2017) 63–64. 533 Dazu jetzt R. REICH/E. SHUKRON (2021b) 665–670 mit Abb. 48.1 und Tab. 48.1. 534 Die Bezeichnung von Mauer 555 als „Broad Wall“ führte N. Avigad auf die Erwähnung einer „breiten Mauer“ in Neh 3,8 zurück (vgl. H. GEVA/R. REICH [2000] 37 und N. AVIGAD/H. GEVA [2000] 81). Für eine detaillierte architektonische Diskussion siehe N. AVIGAD/H. GEVA (2000) 45–58.81–82; Plan 2.1; Foto 2.6–32 und für die Datierung in die späte Eisenzeit IIB auch H. GEVA (2003a) 520–521.

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

dieser den Südwesthügel schützenden Umfriedung konnte wiederum A. Reʾem535 unterhalb der ehemaligen osmanischen Kaserne („Kishle“) (Stratum IX) lokalisieren. Umfängliche Wohnbebauung mit mehreren markanten Gebäuden der Eisenzeit IIB/ frühen Eisenzeit IIC hat Y. Shiloh in der Davidstadt (Silwan) (Stratum 12–11) identifiziert. Im Süden von Areal E ist dahingehend das aufgrund der Hanglage auf drei Ebenen errichtete Gebäude 1275 („Terrace House“, Stratum 12–11, Eisenzeit IIB–C) charakteristisch.536 Im Norden des Grabungsgebiets ließ sich ein 300 m2 großes Haus („Pavement Building“, Stratum 12–11, Eisenzeit IIB–C) belegen, welches man aufgrund des ansteigenden Baugrunds auf zwei Ebenen (getrennt durch eine Terrassenmauer) errichtet hatte.537 In der Gesamtschau sprechen die Befunde dafür, dass hier in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts v.Chr. ein dicht bebautes und urbanes Stadtviertel existierte, welches nach D. Ben-Shlomo538 vielleicht der städtischen Mittelschicht als Wohnquartier diente. Die Nordwestseite des Südosthügels scheint hingegen während der Eisenzeit IIB – zumindest ausweislich der Grabungen auf dem Givʿati-Parkplatz – nicht oder kaum besiedelt gewesen zu sein.539 Auf dem Südwesthügel wiederum sind im Gebiet des Jüdischen Viertels der Altstadt Reste von Wohnhäusern in mehreren Bereichen (vor allem in den Aralen A, W und X-2) bezeugt.540 Die fraglichen Gebäude sind in die Zeit von der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts bis in das frühe 6. Jahrhundert v.Chr. zu datieren, haben sich allerdings aufgrund von Überbauungen in späteren Perioden nur sehr fragmentarisch erhalten.541 Dass der Südwesthügel ab der Mitte der Eisenzeit IIB zweifelsohne dichter besiedelt war, zeigen auch Untersuchungen der Israelischen Altertumsbehörde (IAA) unterhalb der Hurva Synagoge und der Tiferet Israel Synagoge.542 535

A. REʾEM (2018) 68–76 (hier: 68–71); Foto 2.120–124 sowie A. REʾEM (2019) 137–139. Auf dem südlichen Abhang des Südwesthügels hat man mehrfach Versuche unternommen, Abschnitte der EisenIIB-zeitlichen Stadtfestigung freizulegen. Die entsprechende Datierung von Mauerfragmenten, welche in diesem Bereich unter anderem von B. Pixner (D. CHEN/S. MARGALIT/B. PIXNER [1994] 76–81) ergraben worden sind, konnte bisher allerdings nicht bestätigt werden. Zumindest lassen sich jetzt anhand der Ergebnisse von neuen Ausgrabungen des DEI Jerusalem unter Leitung von D. Vieweger zweifelsfrei Siedlungsaktivitäten für die Eisenzeit II auf dem Südabhang nachweisen. Vgl. dazu den Kommentar bei D. VIEWEGER/J. ZIMNI (2022) 119: „The massive amount of pottery sherds discovered dating to Iron Age II suggest some kind of activity […] during this period“. 536 A. DE GROOT/H. BERNICK-GREENBERG (2012a) 47–54; Plan 30; 32–33; Foto 46–52. Weitere Befunde aus der Eisenzeit IIB haben Y. Shiloh und sein Team in den Arealen B und D ergraben. Für eine Zusammenfassung der Ergebnisse und eine Literaturübersicht vgl. K. BIEBERSTEIN (2017) 62 mit Anmerkungen 177–178. 537 Dazu A. DE GROOT/H. BERNICK-GREENBERG (2012a) 83–93; Plan 46–47; Foto 90–103. 538 Vgl. D. BEN-SHLOMO (2019a) 27. Vorsichtiger hingegen A. DE GROOT (2012) 154, vor allem die hohe Bebauungsdichte des Viertels und den guten Erhaltungszustand der archäologischen Überreste hervorhebend. 539 D. BEN-AMI (2013) 3. Vgl. auch Y. SHALEV u.a. (2020) 159 mit Anmerkung 5. 540 Zu den Eisen-II-zeitlichen archäologischen Befunden auf dem Südwesthügel insgesamt vgl. M. KÖSZEGHY (2015) 60–62 und D. BEN-SHLOMO (2019a) 32–34; Abb. 2.17–18. Für die in den Arealen A, W und X-2 ergrabene und in das 8.–6. Jahrhundert v.Chr. zu datierende Keramik siehe A. DE GROOT/H. GEVA/I. YEZERSKI (2003) 1–49; Foto 1.1–12; Taf. 1.1–15. 541 Dazu H. GEVA (2003a) 505–510. Vgl. auch K. BIEBERSTEIN (2017) 62 Anmerkung 179 für weitere Literatur. 542 H. GEVA/O. GUTFELD/R. NENNER-SORIANO (2019) 291–292.299.

2.6 Zur Situation in der Eisenzeit IIB

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Bei der Gihon-Quelle wurde in der Eisenzeit IIB–C verschiedene Baumaßnahmen durchgeführt, unter denen Tunnel VIII (der sogenannte „Schiloa-Tunnel“ oder auch „Hiskija-Tunnel“) mit Abstand die bedeutendste Konstruktion darstellt.543 Es handelt sich um einen 533 m langen Schacht, durch welchen Wasser in die befestigte Stadt geleitet werden konnte.544 Die im Jahr 1880 im Tunnelinneren entdeckte Bauinschrift („Schiloa-Inschrift“ oder „Hiskijatunnel-Inschrift“545) beschreibt den Tunneldurchbruch, nennt allerdings keinen Bauherren. Mithilfe naturwissenschaftlicher und chronostratigrafischer Methoden konnte bisher nicht genau bestimmt werden, ob die Errichtung des Ingenieurbauwerks noch in der späten Eisenzeit IIB oder bereits in der Eisenzeit IIC erfolgte. Damit ist nicht auszuschließen, dass man Tunnel VIII noch unter Hiskija von Juda gebaut haben könnte, der zumindest im Alten Testament mit Wasserbauwerken assoziiert wird (2 Kön 20,20; Jes 22,9; 2 Chr 32,3–4). Das für den Bau von Tunnel VIII notwendige ingenieurtechnologische Potenzial (zum Minieren des natürlich gewachsenen Felsens durch geschulte Spezialisten) sowie die für ein solches Vorhaben notwendige Logistik, lassen allerdings eine Konstruktion während der langen Regentschaft des von Assyrien protegierten Manasse von Juda (696–642 v.Chr.) deutlich wahrscheinlicher erscheinen.546 2.6.6.2 Das Hinterland Jerusalems In der unmittelbaren Umgebung Jerusalems entstand im (späteren) 8. und vor allem im 7. Jahrhundert v.Chr. (dazu auch Kapitel 2.7.6.2) ein dichtes Netz an kleineren Siedlungen und Gehöften, die zur Versorgung des wachsenden Oberzentrums von Juda mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen dienten.547 Diese Entwicklung lässt sich etwa am 543 Bezüglich Tunnel VIII sei auf die ausführliche Diskussion des archäologischen Befunds und der Forschungsgeschichte bei R. REICH (2011) 184–205; K. BIEBERSTEIN (2017) 71–76 und D. VIEWEGER (2019b) 283–284 (mit jeweils weiteren Referenzen) verwiesen. Vgl. zum Ganzen auch R. REICH/ E. SHUKRON (2011b) 147–157 und R. REICH/E. SHUKRON/O. LERNAU (2019) 32–44. 544 Noch im späten 8. Jahrhundert v.Chr. wurde auf dem verfüllten Grund einer in den Felsen gehauenen Installation bei der Gihon-Quelle („Rock-Cut Pool“, siehe auch Kapitel 2.5.4) ein als Wohnhaus angesprochenes Gebäude errichtet (R. REICH/E. SHUKRON/O. LERNAU [2019] 32–34). Nach P.G. VAN DER VEEN (2020) 19–27 (hier besonders: 27) habe man die Installation hingegen erst im frühen 7. Jahrhundert v.Chr. zugeschüttet, was sich seines Erachtens aus der Datierung anepigrafischer Bullen ergebe, die man in der Füllschicht nachgewiesen hat. Zu dem von J. Uziel und N. Szanton bei der Quelle ergraben Gebäude 2473, dessen Bau beide aufgrund des keramischen Inventars in der späten Eisenzeit IIB ansetzen, vgl. J. UZIEL/N. SZANTON (2015) 239.243; Abb. 9–10. 545 Text und Kommentar: J. RENZ/W. RÖLLIG (1995) 178–189 Jer(8):3. Übersetzung und erweiterte Bibliografie: M. WEIPPERT (2010) 328–329 Text-Nr. 180. 546 So mit Y. GADOT (2022) 150–152.153 und E.A. KNAUF (2001) 281–287 (hier: 283–285) gegen O. KEEL (2007) 413 und K. BIEBERSTEIN (2017) 76, welche mit Verweis auf 2 Kön 20,20; Jes 22,9b sowie 2 Chr 32,3–4 und Sir 48,17 für einen Bau unter Hikija optieren. Vgl. zum Ganzen auch die vorsichtige Argumentation gegen eine Zuweisung an Hiskija bei M. WEIPPERT (2010) 328–329. Mit einer Errichtung von Tunnel VIII schon im frühen 8. Jahrhundert v.Chr. rechnen wiederum R. REICH/ E. SHUKRON (2011b) 147–157. Dazu aber die Gegenargumente bei I. FINKELSTEIN (2013) 279–284, selbst für eine Konstruktion in der späten Eisenzeit IIB argumentierend. 547 Vgl. zum Ganzen die Diskussion bei Y. MOYAL/A. FAUST (2015) 297–294; Abb. 2–3. Y. GADOT (2015) 13–16 mit Tab. 1 weist auf die Zahl von nur 11–13 landwirtschaftlich genutzten Siedlungen und

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

Ausbau von Tel Moẓa/Moza (Stratum V) ablesen, wo man allein bei den Grabungen der Israelischen Altertumsbehörde (IAA) in den Jahren 1993, 2002 und 2003 annähernd 40 Eisen-IIB-zeitliche Silos (Areale A548 und D549) zur Speicherung von Weizen und Gerste identifiziert hat. Ähnlich wie der (annähernd) zeitgleiche Bau von Installationen in Tell en-Naṣbe/Mizpa spiegeln auch die Anlagen von Tel Moẓa/Moza zentrale Planungs- und Steuerungsaktivitäten der staatlichen Autoritäten in Juda wider.550 Z. Greenhut und A. De Groot551 sprechen die Siedlung daher als ein administratives Unterzentrum an, welches in der Eisenzeit IIB eine zentrale Rolle als königlicher Getreidespeicher für die Versorgung Jerusalems mit Agrarprodukten gespielt habe. Wie lange und insbesondere auf welche Weise genau das in der Eisenzeit IIA errichtete Tempelhaus (Tempel 4601, siehe Kapitel 2.5.4.2) auch noch im 8. Jahrhundert v.Chr. als Ort für kultische Aktivitäten benutzt wurde, ist bei den andauernden Ausgrabungen unter Leitung von S. Kisilevitz und O. Lipschits552 noch zu klären. Neben Orten wie Moza, die vor allem für die Lagerung und Distribution von landwirtschaftlichen Erzeugnissen dienten, lässt sich für die Eisenzeit IIB auch die Errichtung von größeren landwirtschaftlichen Produktionszentren zur Generierung eines Surplus belegen. Diesbezüglich sei etwa Bēt Ṣafāfe in der Refaim-Ebene angeführt, wo ein staatlich verwaltetes Weingut mit mehreren Weinpressen und Produktions- beziehungsweise Lagerungskapazitäten von bis zu 20.000 l Wein ergraben worden ist.553 Mit Blick auf weitere Siedlungen im Hinterland ist schließlich noch Rāmat Rāḥēl/ Ḫirbet Ṣāliḥ von Interesse. Die älteste Baustufe (Stratum VB [Y. Aharoni]/Bauphase I [O. Lipschits, M. Oeming und Y. Gadot]) stammt vielleicht schon aus dem späten beziehungsweise ausgehenden 8. Jahrhundert v.Chr. (Hiskija von Juda) oder aber erst aus der frühen Eisenzeit IIC (Manasse von Juda).554 Zwar ließ sich aus der Gründungsphase (bisher) nur wenige stratifizierte Architektur ergraben, auffällig sind jedoch die zahlreiTumuli aus der Eisenzeit IIB hin, welche sich im Sorek-Tal und in der Refaim-Ebene nachweisen lassen. Dieser Befund spreche seines Erachtens für ein größeres Anwachsen der Siedlungsdichte und eine Zunahme der landwirtschaftlichen Aktivitäten erst ab dem 7. Jahrhundert v.Chr. (vgl. ebd.). Einen Katalog der eisenzeitlichen Klein- und Kleinstsiedlungen im Umland Jerusalems bietet M. KÖSZEGHY (2015) 67–76.78–91. 548 Z. GREENHUT (2009) 12–22; Plan 2.2; Tabelle 2.3; Abb. 2.3–2.17. 549 Z. GREENHUT (2009) 26–33; Plan 2.4; Tabelle 2.5; Abb. 2.23–2.35. 550 So mit Z. GREENHUT/A. DE GROOT (2009a) 223.225–226. 551 Vgl. insbesondere den Kommentar bei Z. GREENHUT/A. DE GROOT (2009a) 223: „[…] a royal granary specializing in grain storage, which supplied its products first and foremost to Jerusalem […].“ Siehe zum Ganzen auch die Ausführungen bei S. KISILEVITZ/O. LIPSCHITS (2020) 305–307. 552 Dazu S. KISILEVITZ/O. LIPSCHITS (2020) 303. Nach N. NAʾAMAN (2017b) 4 sei der Tempel im 8. Jahrhundert v.Chr. aufgegeben worden, wofür ebenda leider keine archäologischen Funde und Befunde angeführt werden, welche diese These erhärten könnten. 553 Vgl. M. KÖSZEGHY (2015) 68 sowie die dort unter Anmerkung 378–380 angegebene Literatur. 554 Y. GADOT/O. LIPSCHITS (2016) 717–719 (hier besonders: 719); O. LIPSCHITS/Y. GADOT/ M. OEMING (2020) 477. Anders noch etwa Y. YADIN (1973) 59–66 mit einer Datierung der ältesten Bauphase in die Zeit der Atalja von Juda (ca. 845–840 v.Chr. [?]), für welche seines Erachtens der älteste Palast von Rāmat Rāḥēl/Ḫirbet Ṣāliḥ errichtet worden sei. Für eine chronologische Verortung des frühesten Palasts in das 9. Jahrhundert v.Chr. siehe auch Y. SHILOH (1979) 10.21. Y. AHARONI (1993) 1263 optiert für den Zeitraum des 8.–7. Jahrhunderts v.Chr.

2.6 Zur Situation in der Eisenzeit IIB

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chen ex situ Funde von Bauornamenten, insbesondere 13 bereits von Y. Aharoni identifizierte und teils nur fragmentarisch erhaltene Volutenkapitelle.555 Diese architektonischen Überreste sowie zahlreiche frühe lmlk-Stempelsiegelabdrücke stellen für O. Lipschits, Y. Gadot und M. Oeming556 zentrale Indizien dar, um Rāmat Rāḥēl/Ḫirbet Ṣāliḥ (Stratum VB/Bauphase I) als Palastgebäude sowie königlich-administratives Zentrum557 von herausgehobener Stellung in Juda anzusprechen. Nach der weiteren Deutung der Ausgräber war das Funktionsspektrum des Orts dabei von Beginn an in die assyrischen Belange im Bergland eingebunden. So sollen in Rāmat Rāḥēl/Ḫirbet Ṣāliḥ unter anderem die landwirtschaftlichen Pflichtabgaben Judas gesammelt worden sein.558 2.6.7 Zur historischen Auswertung und (Re-)Konstruktion der aschdodisch-judäischen Beziehungen in der Eisenzeit IIB In der Eisenzeit IIB wuchs Jerusalem stark an und stieg zum unangefochtenen Oberzentrum und Fürstensitz des kleinen Bergstaats Juda auf. Die Destruktion von Tell eṣṢāfī/Gat in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts v.Chr. hatte das Kräfteverhältnis zugunsten des Berglands verändert, sodass die judäischen Fürsten ihren Machtbereich allmählich Richtung Küste ausdehnen und die Schefela spätestens in der Mitte des 8. Jahrhunderts v.Chr. vollständig in Besitz nehmen konnten. Dieser Prozess lässt sich anschaulich anhand der Entwicklung im Elah-Tal (re-)konstruieren: Während ʿĒn-Šems/ Bet-Schemesch in der Eisenzeit IIA noch als befestigter Grenzort fungierte (Kapitel 2.5.3), stellte es im späteren 8. Jahrhundert eine vorwiegend agrarisch geprägte Siedlung ohne Fortifikationen (Stratum IIC [E. Grant/G.E. Wright]/Level II [S. Bunimovitz/Z. Lederman]) im judäischen Hinterland dar.559 Der Einflussbereich Jerusalems erstreckte sich jetzt vollständig auf den Westen des Tals, wo nunmehr Tell el-Bāṭāšī/ Timna (Stratum III) stark fortifiziert wurde. Darüber hinaus gelang es Hiskija von Juda (725–697 v.Chr.) in der ausgehenden Eisenzeit IIB Einfluss in der inneren Küstenebene zu gewinnen. Dies zeigt sich vor allem anhand der Errichtung einer neuen Siedlung auf 555

Über diese Bauornamente informieren O. LIPSCHITS/K. RAS (2016) 535–552; Abb. 35 ausführ-

lich. 556

Y. GADOT/O. LIPSCHITS (2016) 717–719; O. LIPSCHITS/Y. GADOT/M. OEMING (2020) 476–477. Wie die von 2017 bis 2021 durch die Israelische Altertumsbehörde (IAA) durchgeführten Ausgrabungen im ca. 750 m nordöstlich von Rāmat Rāḥēl/Ḫirbet Ṣāliḥ gelegenen Mordot Arnona zeigen, existierte ebenda in der Zeit vom späten 8. bis in die erste Hälfte des 7. Jahrhunderts v.Chr. ein zweiphasiges Monumentalgebäude (Stratum 6c–6b). Letzteres fungierte ausweislich von mehr als 180 Funden an gestempelten Krughenkeln als administratives Zentrum in Ergänzung zu Rāmat Rāḥēl. Dazu N. SAPIR u.a. (2022) 32–53; Abb. 1–11 (hier besonders: 47–50). 558 So: O. LIPSCHITS u.a. (2011) 19 und O. LIPSCHITS (2019b) 28–29. Nach Y. MOYAL/A. FAUST (2015) 293–294 habe es sich bei Rāmat Rāḥēl um ein Krongut („royal estate“) gehandelt, dessen Funktionsspektrum auch die Beaufsichtigung und Verwaltung der landwirtschaftlichen Güter im Umland umfasst habe. N. NAʾAMAN (2001) 270–275 wiederum spricht die älteste Baustufe als Komplex an, welcher in den ersten Regierungsjahren Sargons II. in lokal-judäischer Manier für die assyrischen Offiziellen errichtet worden sei, denen die Überwachung und Kontrolle des Vasallenkönigreichs Juda oblag. Vgl. dazu auch Kapitel 2.7.6.2. 559 Dazu Kapitel 2.6.5. Vgl. auch S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2008) 1648; S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2016c) 51–53.465–466 sowie S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2017) 35–37. 557

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

dem Tell eṣ-Ṣāfī (Stratum F8–F7), welche von ihrer materiellen Kultur her zum Bergland und nicht zur Küste hin orientiert gewesen ist (Kapitel 2.6.5). Aufgrund des Mangels an relevanten Textquellen muss allerdings offen blieben, ob in Gat zu dieser Zeit ein lokaler Herr mit gewisser Autonomie residierte, der dem Kleinkönig in Jerusalem als Vasall ergeben war (indirekte judäische Herrschaft), oder ob es sich um einen unmittelbar durch die judäische Administration beherrschten Grenzort handelte (direkte Herrschaft Judas). Unabhängig davon scheint Hiskija wenigstens um 701 v.Chr. auch in Tel Miqnē/Ekron über politische Autorität verfügt zu haben. Zumindest unterstützte ihn ausweislich der assyrischen Königsinschriften ein Teil der dortigen Elite bei seinen Aufstandsbemühungen gegen Sanherib von Assyrien, indem man den pro-assyrischen Fürsten Padī von Ekron an Jerusalem auslieferte und sich daraufhin der anti-assyrischen Allianz zwischen Ägypten, Juda und anderen Kleinstaaten auf der syro-palästinischen Landbrücke anschloss (RINAP 3/1.4, Zeile 42–43).560 S. Mittmann561 hält es in diesem Zusammenhang für gut vorstellbar, dass die Herren von Ekron schon einige Jahre vor den Ereignissen von 701 v.Chr. in einem Abhängigkeitsverhältnis zu Jerusalem standen. Die nachweisliche Expansion Judas Richtung Mittelmeer führte jedenfalls unweigerlich dazu, dass man in Jerusalem die Fürsten von Aschdod und ihr politisches Agieren verstärkt in den Blick nehmen musste. Nicht zufällig stammt daher mit Jes 20,1 die älteste Erwähnung der Küstenstadt in der Hebräischen Bibel aus dem späten 8. Jahrhundert v.Chr. (zur Exegese und Datierung siehe Kapitel 3.4). Esdūd/Aschdod erreichte wahrscheinlich schon am Beginn der Eisenzeit IIB den Status einer großen, urbanen und gut befestigten Küstenmetropole. Seine Fürsten verfügten nunmehr über eine bisher ungekannte Machtfülle. Auf Basis ihrer ökonomischen Stärke betrieben sie in der fraglichen Epoche offenbar auch begrenzte Expansionsversuche in das weitere Hinterland – vielleicht sogar bis nach Gat. A.M. Maeir und J.R. Chadwick562 verbinden diesbezüglich die archäologisch gut nachweisbare Destruktion der Siedlung von Tell eṣ-Ṣāfī (Stratum F8) mit den Notizen über die Zerstörung Gats in den Königsinschriften Sargons II. (Kapitel 3.4.3). Nach der weiteren (Re-)Konstruktion von Maeir563 sei die Siedlung durch das assyrische Heer während des Feldzugs von 711 v.Chr. deshalb verheert worden, weil Jamān von Aschdod diese einige Zeit zuvor aus judäischer Hand erobert habe. Wenn dem tatsächlich so gewesen ist, dann spricht dies für umfängliche diplomatisch-politische Interaktionen zwischen Jerusalem und Aschdod (Interaktionsebene III) in der Form machtpolitischer Rivalitäten während der Regentschaft des 560

Text, Übersetzung, Kommentar und erweiterte Bibliografie: A.K. GRAYSON/J. NOVOTNY (2012) 55–69. Vgl. ebenso M. WEIPPERT (2010) 329–333 Text-Nr. 181 (Übersetzung und Bibliografie) und M. COGAN (2014) 111–123 (Übersetzung, Kommentar und Bibliografie). 561 S. MITTMANN (1990) 97–98. 562 J.R. CHADWICK/A.M. MAEIR (2020) 340. 563 So: A.M. MAEIR (2012a) 53.55 und A.M. MAEIR (2012b) 248, der alternativ einen Präventivschlag mit dem Ziel der Abschreckung des Hiskija gegen das potenziell auch noch um 711 v.Chr. durch Juda beherrschte Tell eṣ-Ṣāfī/Gat nicht ausschließt. Vgl. auch N. NAʾAMAN (2002) 210–212. Nach J.R. CHADWICK/A.M. MAEIR (2018) 54, die hier auf 2 Chr 28,18 verweisen, könnte Tell eṣ-Ṣāfī/Gat (Stratum F8) vielleicht auch in der Zeit des Ahas von Juda (741 [Koregent]/736–725 v.Chr.) durch „Philister“ („Philistines“) zerstört worden sein. Allerdings erwähnt 2 Chr 28,18 gerade keine Eroberung von Gat.

2.6 Zur Situation in der Eisenzeit IIB

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Hiskija – inklusive zeitweiliger bewaffneter Konflikte. Ansetzend bei einem solchen historischen Szenario wäre es gut vorstellbar, dass Jerusalem die anti-assyrischen Aufstandsbemühungen gegen Sargon II. in Aschdod auch gerade deshalb nicht unterstützte, weil man sich von einer Niederlage des Jamān Vorteile versprach. Zu denken wäre insbesondere an eine erhoffte Übertragung von aschdodischen Küstenterritorien durch Assyrien an Juda für die gehaltene Vasallentreue (dazu auch Kapitel 3.4.3). Mit Blick auf Handels- und Kulturkontakte (Interaktionsebenen I und II) während der Eisenzeit IIB lässt sich in der Küstenebene anhand von Keramikfunden nur eine geringe Zunahme von Direktimporten aus Juda gegenüber dem 9. Jahrhundert v.Chr. greifen.564 Dies trifft interessanterweise auch auf Tell eṣ-Ṣāfī (Stratum F8–F7) mit seiner bergländisch geprägten Keramik zu. Diesbezüglich aussagekräftig ist beispielsweise eine Analyse des geochemischen und mineralogisch-petrografischen Profils von 113 Eisen-IIB-zeitlichen Gefäßen aus Gat, von denen lediglich neun Objekte im Bergland produziert worden sind.565 Dieser Befund bezeugt vor allem eine umfängliche Herstellung von inländisch geprägter Keramik unmittelbar in den neuen judäischen Westgebieten. Für Esdūd/Aschdod sind zwar im Siedlungshorizont des 8. Jahrhunderts v.Chr. (bisher) keine relevanten Mengen an distinkter Berglandkeramik belegt, jedoch lassen sich einige unbeschriftete judäische Kalksteingewichte nachweisen, sogenannte „Judean Uninscribed Limestone Weights“. Repräsentativ sind drei (unbeschriftete) nṣf-Gewichte566 und ein Zwei-Schekel-Gewicht,567 die man im Bereich des Sechskammertors (Kapitel 2.6.1) entdeckt hat. Mit gewissen Unsicherheiten lassen sich hier weiterhin zwei Vier-Schekel-Gewichte568 sowie ein Vierzig-Schekel-Gewicht569 zuordnen. Nach R. Kletter570 können diese für die Eisenzeit IIB typischen Gewichte als direkte Vorläufer der besonders dann im 7. Jahrhundert v.Chr. auftretenden beschrifteten judäischen Kalksteingewichte („Judean Inscribend Limestone Weights“) bestimmt werden.571 Da Aschdod in dieser Epoche ausweislich der Funde und Befunde vorrangig auf internationale Handelsbeziehungen ausgerichtet war (Kapitel 2.6.1), haben sich die mit Juda nachgewiesenen ökonomischen Kontakte (Interaktionsebene I) möglicherweise vorrangig auf dessen westliches Randgebiet beschränkt. Dahingehend ist es angesichts der nunmehrigen Größe der Küstenmetropole sehr wahrscheinlich, dass man zur Versorgung der aschdodischen Bevölkerung überwiegend landwirtschaftliche Produkte wie Weizen, Oliven und Vieh aus der fruchtbaren Schefela bezog. Von der Bedeutung der letztgenannten Region für den Binnenhandel zeugt jedenfalls das keramische Inventar aus Tell el-Bāṭāšī/Timna (Stratum III), dessen Leitformen unter quantitativen Aspekten

564

Vgl. D. BEN-SHLOMO (2018a) 272 sowie D. BEN-SHLOMO (2019a) 358. Dazu D. BEN-SHLOMO (2022) 30. Siehe ebenso D. BEN-SHLOMO (2019a) 358. 566 Vgl. A. ERAN (1982) 97–99 Kat.-Nr. 5.35.48. 567 A. ERAN (1982) 98 Kat.-Nr. 34. Vgl. ebenso R. KLETTER (1998) 257 Appendix 4.5: Kat.-Nr. 9. 568 Siehe A. ERAN (1982) 98 Kat.-Nr. 37.45. Vgl. ebenso R. KLETTER (1998) 258 Appendix 4.7: Kat.-Nr. a.b. 569 A. ERAN (1982) 98 Kat.-Nr. 30 und R. KLETTER (1998) 267 Appendix 4.16: Kat.-Nr. a. 570 R. KLETTER (1998) 133–137. 571 Über die Datierung der beschrifteten Kalksteingewichte informieren R. KLETTER (1991) 124– 126; R. KLETTER (1998) 42–48 und E. LEVINE (2008) 59–69. Vgl. auch G. LEHMANN (2012) 301. 565

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

eine fast gleich starke Orientierung an Küste und Bergland aufweisen.572 Damit spricht vieles dafür, dass diese Siedlung einen wichtigen Ort für ökonomische und wohl auch kulturelle sowie soziale Austauschprozesse dargestellt hat. Nicht vollständig auszuschließen ist allerdings, dass der keramische Befund auch eine während des 8. Jahrhunderts v.Chr. vielleicht sogar mehrfach wechselnde politische Orientierung von Tell elBāṭāšī nach Westen oder Osten reflektieren kann. Im judäischen Bergland und im Negev lässt sich für die fragliche Epoche nur noch sehr vereinzelt Aschdod Ware/LPDW etwa in Bīr es-Sebaʿ/Beerscheba (Stratum II) nachweisen.573 Dies gilt auch für Jerusalem, wo diese hochwertige Keramik beispielsweise anhand von zwei Ständern574 vom Südwesthügel (Jüdisches Viertel der Altstadt) oder durch drei Gefäße (einen Krater, einen Krug und eine Kanne575) aus den Grabungen von B. Mazar und E. Mazar576 im Gebiet des Ofel belegt ist. Wie eine Untersuchung von zwölf Fragmenten an Aschdod Ware/LPDW aus verschiedenen Jerusalemer Fundkontexten nahelegt, hat man dieses Töpfergut nun in der Regel vollständig im Bergland produziert (kulturelle Verflechtung, Interaktionsebene II) und (so gut wie) nicht mehr unmittelbar an der Küste gekauft.577 Überhaupt zeigt sich ausweislich petrografischer Studien ein starker Rückgang von Küstenimporten im Eisen-IIB-zeitlichen Keramikinventar Jerusalems im Vergleich zur vorangehenden Eisenzeit IIA.578 Diese Entwicklung ist wahrscheinlich einerseits durch die (re-)konstruierten politischen Spannungen zwischen Aschdod und Juda begünstigt worden. Andererseits hat man im Bergland während des 8. Jahrhunderts v.Chr. offenbar einen Großteil des erzielten ökonomischen Surplus abgeschöpft und in die besonders für Jerusalem und sein Umland archäologisch gut bezeugte Bautätigkeit (Kapitel 2.6.6.1–2) investiert. Darüber hinaus mussten etwa auch der Ausbau von Tell el-Bāṭāšī/Timna (Stratum III) oder Tell eṣ-Ṣāfī/Gat (Stratum F8– F7) (Kapitel 2.6.5) durch Juda finanziert werden. Angesichts dessen ist es also nicht unplausibel, dass man in der Eisenzeit IIB verstärkt auf die kosteneffiziente Nachahmung von hochwertiger Küstenkeramik anstatt auf kostspieligen Direktimport setzte. 572 Diesbezüglich zeigen 29% der relevanten Funde eine klare Orientierung am Bergland. Weitere 25% sind als Küstenformen zu bestimmen, die eine starke Übereinstimmungen mit der Keramik aus Esdūd/Aschdod (Stratum VIII) aufweisen. Vgl. dazu A. MAZAR/N. PANITZ-COHEN (2001) 157– 158.279. Anders noch: A. MAZAR/G.L. KELM (1993) 155, eine überwiegende Orientierung des Fundguts vom Tell el-Bāṭāšī (Stratum III) an Küstenformen betonend. 573 Dazu D. BEN-SHLOMO (2022) 29–30 mit Referenzen. 574 D. BEN-SHLOMO (2018a) Abb. 5:1. 575 Siehe E. MAZAR/B. MAZAR (1989) Taf. 6:10; 8:2; 26:5. 576 Über die Grabungsergebnisse informieren E. MAZAR/B. MAZAR (1989). 577 D. BEN-SHLOMO (2019a) 237. Das grundsätzliche Versiegen des Zustroms von an der Küste hergestellter Aschdod Ware/LPDW mag auch damit zu erklären sein, dass die Produktion dieser Keramik in Südwestpalästina ihren Höhepunkt bereits in der Eisenzeit IIA erreichte. Vgl. A. COHEN-WEINBERGER/N. SZANTON/J. UZIEL (2017) 5. 578 Vgl. D. BEN-SHLOMO (2019a) 227–228 mit Abb. 7.38. Diese Entwicklung spiegelt sich letztlich auch im Ergebnis einer Studie von 103 anthropomorphen und teriomorphen Figurinen des 8.–7. Jahrhunderts v.Chr. wider, welche man an verschiedenen Orten in Jerusalem ergraben hat. Lediglich fünf der untersuchten Objekte (4,9% des Gesamtbestandes) konnten einer Herkunft aus der äußeren Schefela oder der inneren Küstenebene zugewiesen werden. Alle weiteren Objekte stammten hingegen unmittelbar aus dem Bergland. Dazu D. BEN-SHLOMO/E. DARBY (2014) 180–204.

2.7 Zur Situation in der Eisenzeit IIC

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Dass aber die judäischen Kerngebiete auch in diesem Zeitraum grundsätzlich Handel mit der Küste trieben (Interaktionsebene I), belegen zahlreiche Funde an Knochen von Fischspezies aus dem Mittelmeer, wie sie beispielweise B. Mazar und E. Mazar bei ihren archäologischen Untersuchungen im Ofel, südlich des Tempelbergs (Ḥaram ešŠarīf), nachweisen konnten.579

2.7 Zur Situation in der Eisenzeit IIC 2.7 Zur Situation in der Eisenzeit IIC

2.7.1 Zur Entwicklung der Siedlung auf dem Tell von Esdūd/Aschdod Die assyrische Intervention von 711 v.Chr. (Kapitel 2.6.1) läutete einen Niedergang Aschdods ein, welcher sich in der Eisenzeit IIC (ca. 730/700–520 v.Chr.) verstärkt fortsetzte. Im Verlauf des 7. Jahrhunderts v.Chr. schrumpfte das nunmehr unbefestigte Esdūd/Aschdod (Stratum VI) dabei auf eine Größe von nur noch 7 ha bei annähernd 1.500 Einwohnern.580 Diese Entwicklung kann im Wesentlichen auf noch unter Sargon II. initiierte Maßnahmen zurückgeführt werden: Aus den Königsinschriften geht hervor, dass der Herrscher von Assyrien mithilfe bevölkerungspolitischer Maßnahmen (Deportationen und Umsiedlungen) massiv in die demografische Struktur der Region eingreifen ließ. Zudem wurde Aschdod in eine assyrische Provinz umgewandelt. Allerdings ist mit Mitint schon für die Zeit des Sanherib wieder ein lokaler Herr in den Quellen belegt (siehe dazu das folgende Kapitel). Archäologisch lassen sich die veränderten politischen Rahmenbedingungen anhand der Errichtung einer neuassyrischen Siegesstele auf dem Tell von Esdūd/Aschdod greifen, von welcher sich jedoch nur drei sehr kleine Bruchstücke mit äußerst fragmentarischen Inschriftenresten (RINAP 2.104) erhalten haben.581 Des Weiteren erbaute man nahe bei der Unterstadt ein öffentliches Gebäude (Aschdod ad-Halom, Stratum 7A–B), welches wahrscheinlich mit der assyrischen Administration assoziiert war (siehe dazu Kapitel 2.7.4). Die beiden angeführten Baumaßnahmen stellen jedenfalls wichtige Indizien für eine Besiedlung von Esdūd/ 579

Für eine detaillierte archäozoologische Analyse der Knochenfunde siehe H. LERNAU/O. LERNAU (1989) 155–161 (hier besonders: 156–157). Vgl. auch O. BOROWSKI (1998) 172–176 (hier: 172). Weitere relevante Funde stammen aus den Grabungen in der Davidstadt (Silwan) (Areal D3). Vgl. dazu A. SPICIARICH u.a. (2022) 4; Tab. 2. 580 So: A. SHAVIT (2008) 148, gefolgt von E. GAß (2017) 213 mit Anmerkung 93. Vgl. auch D. BENSHLOMO (2013a) 71 und D. VIEWEGER (2019b) 272. C. FREVEL (22018) 269 hält für die Zeit des 7. Jahrhunderts v.Chr. eine Siedlungsgröße von bis zu 15 ha für möglich. 581 Während H. TADMOR (1971a) 192 die drei Bruchstücke als Bestandteile einer Stele auffasst, handelt es sich nach J. BÖRKER-KLÄHN (1982) 202 Kat.-Nr. 174 hingegen um Fragmente von Obelisken, wofür ihres Erachtens die für Stelen ungewöhnliche Beschriftung bis zur Denkmalkante spricht. W. HOROWITZ/T. OSHIMA/S.L. SANDERS (22018) 38 wiederum identifizieren im Ergebnis ihrer paläografischen Analyse der Inschriftenreste mindestens zwei verschiedene Schreiber, was ihres Erachtens auf die ursprüngliche Existenz von wenigstens zwei separaten Denkmälern hindeutet. Unabhängig davon lässt sich aufgrund des nur äußerst fragmentarisch erhaltenen Textbestands nicht mehr (re-)konstruieren, welche konkreten Informationen bezüglich der Ereignisse von 711 v.Chr. einst überliefert worden sind. Vgl. dazu auch die Ausführungen bei G. FRAME (2021) 410. Für Umschrift und Übersetzung der epigrafischen Überreste sowie eine Bibliografie siehe Appendix II.5.

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

Aschdod mindestens bis zum letzten Drittel des 7. Jahrhunderts v.Chr. dar, wenn auch im Vergleich mit der Eisenzeit IIB in reduzierter Form.582 Die auf dem Kulturschutthügel im Horizont von Stratum VI ergrabene Eisen-IICzeitliche Keramik ist einerseits durch das Auftreten von Leitformen geprägt, wie sie bereits in der Eisenzeit IIB in Verwendung waren.583 Andererseits lässt sich gegenüber dem keramischen Inventar aus dem 8. Jahrhundert v.Chr. ein größerer assyrischer Einfluss nachweisen, etwa anhand des vermehrten Vorkommens von flachen Knickwandschalen, die mesopotamische Vorbilder imitieren.584 Assyrische Elemente in der materiellen Kultur repräsentiert darüber hinaus auch ein Skaraboid, welcher eine von einem Nimbus oder Sternenkranz umgebene Frauenfigur mit pólos zeigt, die O. Keel585 als Ištar von Arbela anspricht.586 Eine verstärkte Einbindung der Region Aschdod in das phönizische Handelsnetzwerk lässt sich für den fraglichen Zeitraum anhand des vermehrten Auftretens von Ware mit geglätteter Oberfläche und rotem Überzug greifen. In Auswahl sei diesbezüglich auf fünf Vorratsgefäße ohne Hals mit einfacher Randausprägung („Holemouth Jars“)587 oder zwei geglättete Krüge mit roter Engobe verwiesen.588 Mit Blick auf die Eisen-IIC-zeitliche Südküste Palästinas insgesamt lässt sich Import-

582 Zum Ende der Eisen-IIC-zeitlichen Siedlung um 636/35 v.Chr. informiert der weitere Fließtext. Für eine Fortexistenz der Siedlung auf dem Tell von Esdūd/Aschdod während des 7. Jahrhunderts v.Chr. vgl. auch M. DOTHAN/Y. PORATH (1982) 57; M. DOTHAN (1993a) 100; D. BEN-SHLOMO (2013a) 71 und E. GAß (2017) 199–222 (hier besonders: 208–214). Gegen: I. FINKELSTEIN/L. SINGERAVITZ (2001) 249–253 und I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2004) 131, nach denen die Besiedlung kurz nach 712/11 v.Chr. aufgegeben worden sei. 583 Über die im Gebiet der Küstenebene nachgewiesene Keramik aus der Eisenzeit IIC informiert S. GITIN (2015b) 383–418; Taf. 3.5.1–15. Vgl. ebenso S. GITIN (2018) 99–138 mit Abb. 1–17 für eine Nachzeichnung der Entwicklungstendenzen der Küstenkeramik über die gesamte Eisenzeit II hinweg. 584 Vgl. D. BEN-SHLOMO (2005b) 232–233 für Referenzen. Dazu auch L. SINGER-AVITZ (2007) 184–185. E. STERN (2015b) 533–553; Taf. 4.4.1–9 bietet eine Übersicht über die Eisenzeit-IIC-zeitliche assyrische und assyrisch beeinflusste Keramik aus Israel/Palästina. 585 Siehe zu diesem Objekt und seiner Deutung die Ausführungen bei O. KEEL (1997) 672–673 Kat.Nr. Aschdod 29. Vgl. ebenso O. KEEL/C. UEHLINGER (62010) 332–335 § 171; Abb. 284–288 (hier besonders: 334; Abb. 288a). 586 Mesopotamische Einflüsse repräsentiert auch ein in einem Fundkontext der Eisenzeit IIB–C nachgewiesenes Rollsiegel (IAA-Inventarnummer: 1963–2501/1; Erstpublikation: A. SHAFFER [1971] 198–199) mit einer kurzen altbabylonischen Inschrift. Nach W. HOROWITZ/T. OSHIMA/S.L. SANDERS (22018) 37 sei das Objekt in der Mitte des 2. Jahrtausends v.Chr. beschriftet worden. D.N. FREEDMAN (1963) 135 spricht das Artefakt als Teil des Familienbesitzes eines Assyrers an, der sich im späten 8. oder 7. Jahrhundert v.Chr. in Aschdod aufgehalten habe. Nach M. Dothan (vgl. den Kommentar bei A. SHAFFER [1971] 198) stellt das Objekt hingegen eine Intrusion aus den mittel- oder spätbronzezeitlichen Siedlungsschichten dar. Für Umschrift und Übersetzung der Inschrift sowie eine Bibliografie siehe Appendix II.6. 587 M. DOTHAN/D.N. FREEDMAN (1967) Abb. 41:27; M. DOTHAN (1971) Abb. 57:8–9; 60:10 und D. BEN-SHLOMO (2005b) Abb. 3.108:5. 588 M. DOTHAN/D.N. FREEDMAN (1967) Abb. 41:17 sowie M. DOTHAN (1971) Abb. 56:7. Für weitere Referenzen zu phönizischen Importen aus Esdūd/Aschdod (Stratum VI) vgl. L. SINGER-AVITZ (2018) 195.

2.7 Zur Situation in der Eisenzeit IIC

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ware aus Phönizien beziehungsweise phönizisch beeinflusste Keramik ansonsten nur in ʿAsqalān/Aschkelon in noch größeren Mengen nachweisen.589 Die in Stratum VI ergrabenen Funde spiegeln aber auch den ab der Mitte des 7. Jahrhunderts v.Chr. wachsenden Einfluss des Psammetich I. (664–610 v.Chr.) in der Südlevante wider.590 Dahingehend von Bedeutung sind vor allem saitische Neujahrsflaschen.591 Solche linsenförmigen Gefäße wurden aus Fayence gefertigt, dienten zur Aufbewahrung von Parfümen, Essenzen sowie Ölen und trugen im Allgemeinen eine Segensformel.592 Die in Aschdod nachgewiesenen Exemplare repräsentieren dabei nach B.U. Schipper593 keine für den Export bestimmten Objekte, sondern innerägyptische Typen, was auf intensivere Beziehungen mit dem Land am Nil zur Mitte des 7. Jahrhunderts v.Chr. hindeutet.594 Kulturelle Kontakte mit Ägypten repräsentieren zudem einige Artefakte, welche dem Bereich der privaten Frömmigkeit entstammen. Hervorgehoben seien etwa mindestens sechs (teils fragmentarisch erhaltene) Udjat-Amulette595 oder ein Nefertem-Amulett aus grüner Fayence mit Anhängerbohrung.596

589

Hier mit D. VIEWEGER (2019b) 274. Vgl. auch S. GITIN (2015b) 385. Zu phönizischem Einfluss auf ʿAsqalān/Aschkelon in der Eisenzeit I siehe wiederum D.M. MASTER (2018) 133*–141*. Über Funktion und Bedeutung des phönizischen Handelsnetzwerks sowie über die ökonomischen und sozialen Wechselwirkungen mit den Territorien des Neuassyrische Reich insgesamt informieren (in Auswahl) H.G. NIEMEYER (2004) 245–256; M. SOMMER (2007) 97–111 und F.M. FALES (2017) 81–295 (hier besonders: 247–273) (dort jeweils weitere Literatur). K. RADNER (1999) 101–126 bietet eine Studie zur Bedeutung von Handelsagenten in neuassyrischer Zeit. 590 Für das letzte Drittel des 7. Jahrhunderts v.Chr. lässt sich ein gesteigertes Interesse Ägyptens an der Küstenebene und eine wachsende Einflussnahme ebenda nachweisen. Zur ägyptischen Hegemonie über die Südlevante während des fraglichen Zeitraums informieren O. LIPSCHITS (2005) 20–29.32–35; B.U. SCHIPPER (2010) 200–226 sowie B.U. SCHIPPER (2011) 268–290 ausführlich. Vgl. ebenso den Überblick bei F. PAYRAUDEAU (2020) 240–242.246–249. 591 Diesbezüglich repräsentativ ist beispielweise ein Einguss mit zwei applizierten Äffchenprotomen in gutem Erhaltungszustand (M. DOTHAN [1971] 37; Abb. 3:13; Taf. XI:7). Für weitere Gefäßfragmente vgl. D. BAHAT (1971) 170–171; Abb. 96:17; Taf. LXXXVII:6; M. DOTHAN (1971) 37; Abb. 3:14–15; Taf. XI:8 sowie D. BEN-SHLOMO (2005b) 246; Abb. 3.116:7. Für Umschrift und Übersetzung zweier in Esdūd/Aschdod auf Fragmenten von Neujahrsflaschen nachgewiesener Segenssprüche siehe Appendix II.7–8 (dort auch weitere Referenzen). 592 Vgl. A. LOHWASSER (2004) 151.155 und zu den Neujahrsflaschen allgemein auch G. HÖLBL (1979) 34–36 sowie G. HÖLBL (2005) 116 mit Anmerkung 46 (dort auch weitere Referenzen). 593 B.U. SCHIPPER (1999) 264 und B.U. SCHIPPER (2010) 205. Vgl. ebenso B.U. SCHIPPER (2011) 273. Anders: E. LIPIŃSKI (2006) 142, nach dem diese Objekte bereits während der Herrschaft des Jamān in der ausgehenden Eisenzeit IIB nach Esdūd/Aschdod gelangt seien. 594 Aus Ägypten hat man im 7. Jahrhundert v.Chr. zudem Objekte aus Alabaster eingeführt. Diesbezüglich sind für Esdūd/Aschdod das Fragment einer kleinen Schale (D. BEN-SHLOMO [2005b] 233; Abb. 3.110:5) und ein fragmentarisches Alabastron (?) (D. BEN-SHLOMO [2005b] 233; Abb. 3.110:6) repräsentativ. 595 Dazu M. DOTHAN (1971) Taf. LXIX:6 (= C. HERRMANN [1994] 675–676 Kat.-Nr. 1027); M. DOTHAN/Y. PORATH (1982) 33; Taf. XVII:15 (= C. HERRMANN [1994] 752 Kat.-Nr. 1193); C. HERRMANN (1994) 682–683 Kat.-Nr. 1039; C. HERRMANN (1994) 741 Kat-Nr. 1178; C. HERRMANN (2006) 196 Kat.-Nr. 348 und C. HERRMANN (2016) 229 Kat.-Nr. 572. 596 D. BEN-SHLOMO (2005b) 215; Abb. 3.97:7, der ebenda auf die typische Verwendung solcher Amulette während der Zeit der 26. Dynastie verweist. H. SCHLÖGL (1982) 378–380 und H. BONNET

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

Hinsichtlich der (Re-)Konstruktion des Siedlungscharakters von Aschdod (Stratum VI) ist Eisen-IIC-zeitliche Architektur sowohl aus der Oberstadt (Areale A, G, H und K) als auch aus der Unterstadt (Areale D und M) bekannt. Für die Oberstadt deuten die eher spärlichen Funde und Befunde aus Areal A597 auf Wohnbebauung hin, während in die fragliche Zeit zu datierende Überreste in Areal G598 weitestgehend durch Überbauung in hellenistischer Zeit verloren gegangen sind.599 Das in den Arealen H und K600 ergrabene Wohnviertel war im Vergleich mit der Eisenzeit IIB deutlich weniger dicht bebaut und offener gestaltet. Zwei Brennöfen (Brennofen 5062 und 5101) sowie Funde von einigen Knochenspateln, die möglicherweise mit Weberei zu assoziierenden sind, deuten auf handwerklich Aktivitäten hin.601 Darüber hinaus dürften in diesem Quartier in karbonisierter Form gefundene Samen des Olivenbaums mit einer agrarischen Nutzung des unmittelbaren Hinterlands zu verbinden sein.602 Im Bereich der Unterstadt hat man das in Areal M nachgewiesene Stadttor (Stratum IX–VII, siehe Kapitel 2.6.1) sowie die Fortifikationen des 8. Jahrhundert v.Chr. nicht mehr benutzt.603 Da auch an anderer Stelle keine Befestigungen aus der Eisenzeit IIC identifiziert werden konnten, war Esdūd/Aschdod nun offenbar nicht mehr fortifiziert. Einige wenige Überreste von Brennöfen und Funde von Eisen- und Kupferschlacke sprechen für die Anwesenheit einzelner Metallhandwerker und Töpfer.604 In Areal D605 existierte das in der Eisenzeit IIB florierende Handwerkerviertel (Kapitel 2.6.1) auch noch im 7. Jahrhundert v.Chr. Jedoch ließ sich neben mehreren Abfallgruben606 lediglich ein einzelner Brennofen (Brennofen 1098) ergraben; man führte also die lokale Keramikproduktion offenbar nur in verkleinertem Umfang fort. (32000) 508–510 informieren bezüglich Nefertem sowie zu dem mit dieser Gottheit assoziierten Kult seit dem Alten Reich. 597 Zu Stratigrafie, Architektur und Funden vgl. M. DOTHAN (1971) 34–38; Plan 3; Abb. 5:7–19; 6:1–7.10. 598 M.-T. FORTUNA/B.L. WALLACE/Z. YEIVIN (1971) 140; Plan 16; Abb. 77:1–13. 599 Hier M.-T. FORTUNA/B.L. WALLACE/Z. YEIVIN (1971) 140 folgend. 600 Bezüglich der architektonischen Überreste siehe R. HACHLILI (1971b) 164; D. BAHAT (1971) 168; Plan 21–22 sowie A. MAZAR/D. BEN-SHLOMO (2005) 54–57; Plan 2.14; Abb. 2.63–70. Über die Funde informieren D. BEN-SHLOMO (2005b) 226–235; Abb. 3.105–110. Vgl. auch D. BAHAT (1971) Abb. 93:4–7.9.13.18.24–25.28; 94:11–13.15.19; 95:2.5–7; 96:1.4. 601 Dazu A. MAZAR/D. BEN-SHLOMO (2005) 54. Für die Verbindung der Knochenspateln mit Weberei vgl. auch D. BEN-SHLOMO (2005b) 235, dem E. GAß (2017) 210 Anmerkung 73 folgt. 602 So mit D. BEN-SHLOMO (2005b) 235. 603 Für Stratigrafie, Architektur und Funde siehe M. DOTHAN/Y. PORATH (1982) 41–42.48; Abb. 29:4.7.8.9–14.18. 604 Vgl. M. DOTHAN/Y. PORATH (1982) 41, welche ebenda auch auf die Problematik der stratigrafischen Differenzierung zwischen Stratum VI und Stratum V in Areal M hinweisen. 605 Über Funde und Befunde informieren M. DOTHAN/D.N. FREEDMAN (1967) 139–144; Plan 8; Abb. 40–41; G. BACHI/M. BEN-DOV (1971) 105–111.113–115; Plan 8–9; Abb. 52–58; 59:1–2. Die Zuweisung der lokalen Phasen D2 und D1 zu Stratum VI folgt hier der revidierten Stratigrafie nach I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2001) 231–259 (hier besonders: 245). 606 So: M. DOTHAN/D.N. FREEDMAN (1967) 140, die eine Nutzung als Gargruben für die Zubereitung von Fleisch oder als Öfen zur Verbrennung von Abfällen aus handwerklichen Tätigkeiten („incinerators for waste from some industry“) für weniger wahrscheinlich halten. Vgl. zum Ganzen auch G. BACHI/M. BEN-DOV (1971) 105–106.

2.7 Zur Situation in der Eisenzeit IIC

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In der Gesamtschau lässt sich für das 7. Jahrhundert v.Chr. für alle archäologisch untersuchten Bereiche des Tells ein starker Niedergang konstatieren. Die einzelnen Stadtviertel von Esdūd/Aschdod scheinen nunmehr überwiegend für (handwerkliche) Erwerbsarbeit in kleinerem Maßstab genutzt worden zu sein. Dass repräsentative Gebäude und Monumentalarchitektur aus dem fraglichen Zeitraum überhaupt nicht bezeugt sind, deutet auf eine Verlagerung des administrativen und ökonomischen Schwerpunktzentrums hin. Als solches könnten dabei Aschdod ad-Halom und/oder Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam fungiert haben (siehe Kapitel 2.7.4). Zudem haben in verstärktem Maße Tel Miqnē/Ekron (dazu Kapitel 2.7.5) und insbesondere auch ʿAsqalān/Aschkelon vom zunehmenden Bedeutungsverlust Aschdods profitiert. Diesbezüglich lässt sich ab dem späten beziehungsweise ausgehenden 7. Jahrhundert v.Chr. eine gesteigerte ökonomische Bedeutung des letztgenannten Fundplatzes nachweisen, wovon etwa eine Weinkellerei mit vier Weinpressen (Grid 38, Stratum 14), die Überreste eines großen Marktplatzes (Grid 50, Stratum 7) sowie umfangreiche Funde an phönizischer und phönizisch beeinflusster Keramik sowie Ostgriechischer Importware zeugen.607 Im gleichen Zeitraum hat man Esdūd/Aschdod verlassen und die Siedlung war ab dem letzten Drittel des 7. Jahrhunderts v.Chr. weitestgehend unbewohnt. Dies impliziert erstens das Fehlen von Ostgriechischer Keramik (etwa Ionische Knickrandschalen etc.), wie sie für den fraglichen Zeitraum in Məṣad Ḥăšavyāhū und ʿAsqalān/Aschkelon nachweisbar ist.608 Zweitens berichtet Herodot (Hdt. II,157) über einen Feldzug des Psammetich I. (664– 610 v.Chr.) gegen Aschdod, welcher in die Mitte der 630er Jahre v.Chr. datiert werden kann (siehe dazu den Exkurs in Kapitel 2.7.3). Mit diesem Ereignis dürften drittens Destruktionen zu korrelieren sein, wie sie in Areal K609 und vielleicht auch in Areal M610 belegt sind, sodass eine Aufgabe der Siedlung im Gefolge dieser ägyptischen Militäroperation gut vorstellbar ist.611 Ein gänzlich negativer Befund ergibt sich schließlich für die Zeitspanne des frühen und mittleren 6. Jahrhunderts v.Chr., aus welcher vom 607

Für eine detaillierte Diskussion der Funde und Befunde vgl. die finale Grabungspublikation Ashkelon 3 (L.E. STAGER/D.M. MASTER/J.D. SCHLOEN [2011]). Siehe zum Ganzen auch D.M. MASTER (2003) 47–64 und L.E. STAGER (2008) 1584–1585. 608 Hier mit A. FANTALKIN (2001) 135–136 und A. FANTALKIN (2018) 172. Für die im Rahmen der Leon Levy Expedition in ͑Asqalān/Aschkelon ergrabene Ostgriechische Keramik vgl. J.C. WALDBAUM (2011) 151–328 Kat.-Nr. 17–560. Für Referenzobjekte aus Məṣad Ḥăšavyāhū siehe wiederum A. FANTALKIN (2001) 74–94; Abb. 29–34. 609 Vgl. A. MAZAR/D. BEN-SHLOMO (2005) 54.56 mit Abb. 2.64–67. 610 M. DOTHAN/Y. PORATH (1982) 57 rechnen mit einer finalen Destruktion des eisenzeitlichen Stadttors um 600 v.Chr., die sie mit einer in den Quellen nicht bezeugten Kampagne des Nebukadnezar II. (605–562 v.Chr.) gegen Aschdod verbinden. Vgl. dazu auch die Ausführungen in Kapitel 2.6.3 über die Nutzung der Toranlage als Steinbruch in späteren Epochen, was einer sicheren Datierung entgegensteht. 611 Für die Aufgabe der Siedlung auf dem Tell von Esdūd/Aschdod zu Beginn des letzten Drittels des 7. Jahrhunderts v.Chr. optieren A. SHAVIT (2008) 149; A. FANTALKIN (2014) 48–49; A. FANTALKIN (2018) 172 sowie G. Lehmann, persönlicher Kommentar (Juli 2018). Gegen: M. DOTHAN (1971) 22; M. DOTHAN/Y. PORATH (1982) 57 und M. DOTHAN (1993a) 93, nach denen mit einer vollständigen Destruktion erst um 604 v.Chr. zu rechnen sei. Ebenso gegen: I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2001) 246–253; I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2004) 131 und L. SINGER-AVITZ (2018) 193–194, die das Ende (fast aller) Siedlungsaktivitäten schon kurz nach 711 v.Chr. ansetzen.

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

Kulturschutthügel von Esdūd/Aschdod keinerlei architektonische Überreste bekannt sind. Eine erneute Besiedlung ist erst wieder für die Eisenzeit III (ca. 520–300 v.Chr.) greifbar (dazu Kapitel 2.8.1). 2.7.2 Exkurs: Neuassyrische Nachrichten über Esdūd/Aschdod aus dem 7. Jahrhundert v.Chr. Im Gegensatz zu der umfangreichen Thematisierung des Feldzugs gegen Jamān in den Texten aus der Zeit Sargons II. (Kapitel 3.4.3) finden sich nur wenige Notizen in neuassyrischen Quellen, welche zur (Re-)Konstruktion der Entwicklung von Aschdod im 7. Jahrhundert v.Chr. beitragen. Mit Blick auf die Herrschaft des Sanherib (705– 681 v.Chr.) ist vor allem die zweimalige Erwähnung des aschdodischen Königs Mitint (westsem. und hypochoristisch für „Geschenk des Gottes [x]“, akkad. mmi-ti-in-ti612) im Bericht über den assyrischen Feldzug von 701 v.Chr. von Bedeutung, der sich gegen die Koalition einiger von Ägypten unterstützter phönizisch-palästinischer Fürsten richtete.613 Der Verlauf der Militäroperation ist durch den Text des sogenannten RassamZylinders (RINAP 3/1.4614) und zahlreiche Parallelüberlieferungen615 gut bekannt. Ausweislich der Quellen gelang es Sanherib durch seinen Sieg über Lūlī von Sidon, Phönizien schon zu Beginn der Kampagne zügig zu befrieden (RINAP 3/1.4, Zeile 32–35), woraufhin sich ihm viele Fürsten wie etwa auch Mitint von Aschdod durch Proskynese und das Überbringen von Begrüßungsgeschenken unterwarfen: RINAP 3/1.4, Zeile 36–38616 36. ša mmi-nu-ḫi-im-mu URU.sam-si-mu-ru-na-a-a m tu-ba-aʾ-lu URU.ṣi-du-un-na-a-a m ab-di-li-iʾ-ti URU.a-ru-da-a-a mú-ru-mil-ki URU.gu-ub-la-a-a

612 Zum Namen siehe M. WEIPPERT (1997) 283 Lemma Mitinti 2 und E. FRAHM (2001) 797–798 Lemma Mitinti 2. Vgl. auch A. BERLEJUNG (2016) 16 Anmerkung 20 sowie A. BERLEJUNG (2021a) 586 Anmerkung 20. Gegen M. HUTTER (1982) 86 muss Mitint nicht zwangsläufig ein am assyrischen Hof umerzogener Sohn des vormaligen aschdodischen Fürsten ʿAzzūr gewesen sein. Vielleicht handelte es sich auch um einen Nachkommen des pro-assyrischen Aḫimīt, welchen Sargon II. noch vor dem Coup d'État des Jamān eingesetzt hatte. 613 Für eine umfassende historische (Re-)Konstruktion der Militärkampagne von 701 v.Chr. siehe (in Auswahl) G.W. AHLSTRÖM (1993) 694–696; W.R. GALLAGHER (1999) 91–142 und A. BAGG (2011) 244–252. Vgl. auch M. COGAN (2014) 111–112. Zu den Ereignissen in Palästina und zur Belagerung Jerusalems informieren darüber hinaus unter anderem auch O. KEEL (2007) 437–470; E. GAß (2016a) 103–153 sowie C. FREVEL (22018) 294–300. 614 Text, Übersetzung, Kommentar und erweiterte Bibliografie: A.K. GRAYSON/J. NOVOTNY (2012) 55–69. Vgl. auch M. WEIPPERT (2010) 329–333 Text-Nr. 181 (Übersetzung und Bibliografie) sowie M. COGAN (2014) 111–123 (Übersetzung, Kommentar und Bibliografie). Aufgrund der Nennung des Eponyms Mitūnu ist der Textzeuge in das Jahr 700 v.Chr. zu datieren. Siehe zur Datierung auch E. FRAHM (1997) 51 und A.K. GRAYSON/J. NOVOTNY (2012) 56. 615 Die hier relevanten Textpassagen über Mitint von Aschdod finden sich noch in den Texten RINAP 3/1.15–17.22–23 (A.K. GRAYSON/J. NOVOTNY [2012] 89–146.167–203) sowie RINAP 3/ 2.46.140 (A.K. GRAYSON/J. NOVOTNY [2014] 74–88.180–185). 616 Text zitiert nach A.K. GRAYSON/J. NOVOTNY (2012) 64. Eigene Übersetzung. Die Schreibungen der übersetzten Königsnamen folgen hier M. WEIPPERT (2010) 330–331 mit Anmerkung 32–38.

2.7 Zur Situation in der Eisenzeit IIC 37.

105

m

mi-ti-in-ti URU.as-du-da-a-a mbu-du-DINGIR KUR.É-am-ma-na-a-a mkam-mu-su-na-ad-bi KUR.ma-ʾa-ba-a-a mda-a-ram-mu KUR.ú-du-um-ma-a-a

38.

LUGAL.MEŠ-ni KUR MAR.TU.KI ka-li-šú-nu IGI.SÁ-e šad-lu-ti ta-mar-ta-šú-nu ka-bit-tu

a-di

4-šú a-na maḫ-ri-ia iš-šu-nim-ma iš-ši-qu GÌR.II-ia 36. 37. 38.

Menahem von Šamšimurūna, Tūbaʾlu von Sidon, Abdiliʾti von Arwād, Ūrmilku von Byblos, Mitint von Aschdod, Pədōʾil von Bīt-Ammon, Kamōšnadab von Moab, Ayarammu von Edom, – alle Könige des Westlands brachten zahleiche Gaben vor mich, viermal [so viele] angesehene Begrüßungsgeschenke [wie üblich] und küssten meine Füße.

Im weiteren Verlauf des Feldzugs kam Aschdod zumindest ausweislich der Texte keine bedeutendere Rolle zu. Jedoch zahlte sich die gegenüber Sanherib gehaltene Vasallentreue für Mitint und auch die Herren von Ġazze/Gaza und Tel Miqnē/Ekron aus, nachdem der assyrische König seinen letzten Kriegsgegner, Hiskija von Juda, geschlagen hatte.617 Letztgenannter musste auf assyrisches Geheiß hin Territorien an die drei Herrscher in der Küstenebene abtreten,618 welche man dafür zu höheren Tributleistungen an Assyrien verpflichtete: RINAP 3/1.4, Zeile 53–54619 53. URU.MEŠ-šú ša áš-lu-la ul-tu qé-reb KUR-šú ab-tuq-ma a-na mmi-ti-in-ti LUGAL URU.as-du-di ù mpa-di-i LUGAL URU.am-qar-ru-na mGISSU-EN LUGAL KUR.ḫa-zi-ti ad-din ú-ṣa-aḫ-ḫi-ir KUR-su 54. e-li GUN maḫ-ri-ti na-da-an šat-ti-šú-un man-da-at-ti kàd-re-e be-lu-ti-ia ú-rad-di-ma ú-kin ṣe-ru-uš-šú-un 53.

Seine (scil. Hisikijas [F.H.]) Städte, welche ich geplündert hatte, trennte ich von seinem Land ab und gab sie Mitint,

617 Dass auch ʿAsqalān/Aschkelon im Nachgang der Ereignisse von 701 v.Chr. judäische Territorien erhielt, ist lediglich in einer Inschrift auf zwei Stierkolossen aus dem Süd-West-Palast des Sanherib in Ninive (RINAP 3/2.46, Zeile 29; vgl. A.K. GRAYSON/J. NOVOTNY [2012] 74–88 [hier: 80]) bezeugt. Nach A. FANTALKIN (2018) 164–165 könnte diese Notiz aber auch auf die Unterstützung des neuassyrischen Feldzugs von 694 v.Chr. gegen die elamische Präsenz am Persischen Golf durch ʿAsqalān/Aschkelon anspielen, wofür dessen Fürst mit Gebieten in der Levante belohnt worden sei. Zur Datierung der fraglichen Inschrift in das Jahr 694/93 v.Chr. sieh E. FRAHM (1997) 118.123. 618 Dazu auch Kapitel 2.7.7. Sanherib dürfte mit der Übertragung judäischer Gebiete an seine Vasallen in der Küstenebene neben der Bestrafung des Hiskija von Juda insbesondere die Schaffung eines vergrößerten Cordon sanitaire gegenüber Ägypten angestrebt haben. Vgl. diesbezüglich A. ALT (21959e) 245–246; H. TADMOR (1966) 97; C. FREVEL (22018) 298 und D. VIEWEGER (2019b) 271. Siehe zum Ganzen auch A. BERLEJUNG (62019a) 116. 619 Text zitiert nach A.K. GRAYSON/J. NOVOTNY (2012) 65. Eigene Übersetzung.

106

Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie dem König von Aschdod, Padī, dem König von Ekron, und Ṣill-Bēl, dem König von Gaza, und verkleinerte so sein Land. Über den vormaligen Tribut hinaus, ihre jährliche Zahlung, fügte ich eine [zusätzliche] Abgabe als Geschenk an meine Herrschaft hinzu und erlegte sie ihnen dauerhaft auf.

54.

Weitere relevante Nachrichten über Esdūd/Aschdod finden sich erst wieder aus der Regentschaftsperiode des Asarhaddon (681–669 v.Chr.). In seiner Zeit regierte in der südpalästinischen Küstenstadt nunmehr ein lokaler Fürst namens Aḥimilk (westsem. für „Milki ist mein Bruder“, akkad. mpap[Aḫi]-mil-ki620), welcher im Bericht über die Erbauung des Arsenals beziehungsweise Zeughauses von Ninive (akkad. ekal māšarti) Erwähnung findet (Prismen Ninive A [RINAP 4.1621] und Ninive F [RINAP 4.5622]).623 Jener Aḥimilk ist in der fraglichen Königsinschrift für das Jahr 673 v.Chr.624 gemeinsam mit elf anderen phönizisch-palästinischen Fürsten (wie unter anderem auch Manasse von Juda) sowie zehn zyprischen Regenten aufgezählt,625 die alle Roh- und Baustoffe für die Errichtung des ekal māšarti aufbringen mussten (RINAP 4.1, Kolumne v, Zeile 54–Kolumne vi, Zeile 1).626 Für das Jahr 669 v.Chr., in welchem der Wechsel auf dem assyrischen Thron von Asarhaddon auf Assurbanipal (669–631 v.Chr.) erfolgte, ist sodann der hohe Beamte Šamaš-kāšid-ayābi (akkad. für „Šamaš ist der Bezwinger des Feindes“627) nicht nur als Eponym belegt, sondern zumindest in der Eponymenliste SAAS 2.A9628 auch als [gar].kur as-du-[di], Statthalter von Aschdod (SAAS 2.A9, Kolumne v, Zeile 6). In Bezug auf dessen konkretes Wirken in Südwestpalästina sind im Korpus der neuassyrischen Texte allerdings keine relevanten Informationen überliefert.

620

Zum Namen siehe K. RADNER (1998) 65 Lemma Aḫī-Milki 1. Dazu ebenso A. BERLEJUNG (2016) 16 Anmerkung 20 sowie A. BERLEJUNG (2021a) 586 Anmerkung 20. 621 Text, Übersetzung, Kommentar und erweiterte Bibliografie: E. LEICHTY (2011) 9–26. Vgl. auch M. COGAN (2014) 131–137 (Übersetzung, Kommentar und Bibliografie). 622 E. LEICHTY (2011) 44–46. 623 Darüber hinaus stammt möglicherweise ebenso die Liste SAA 7.24 (Text und Übersetzung: F.M. FALES/J.N. POSTGATE [1992] 32.34) über weibliches Palastpersonal aus der Zeit des Asarhaddon. Im ersten Teil dieses Dokuments aus Ninive werden 94 Hofdamen und deren 46 Dienerinnen aufgezählt (SAA 7.24, Vorderseite, Zeile 1–17), darunter zumindest eine Aschdoditerin (MÍ.as*-⸢du?⸣-[di]-te [x x x], SAA 7.24, Vorderseite, Zeile 14). Zur Datierung des Verzeichnisses in die Epoche des Asarhaddon siehe S. PARPOLA (2012) 618 mit Anmerkung 27, dem hier L. COUSIN (2016) 517 und P. ZILBERG (2018) 61 folgen. 624 Die erhaltenen Textzeugen sind aufgrund der Nennung des Eponyms Atar-Ilī in das Jahr 673 v.Chr. zu datieren. Vgl. RINAP 4.1, Kolumne vi, Zeile 75A–B.D–E (E. LEICHTY [2011] 26). 625 Für Aḥimilk siehe RINAP 4.1, Kolumne v, Zeile 62 sowie RINAP 4.5, Kolumne vi, Zeile 13′. 626 Eine Übersetzung der relevanten Passage findet sich bei M. WEIPPERT (2010) 339–342 TextNr. 188 (dort auch weitere Literatur). Siehe auch E. LEICHTY (2011) 23–24 und M. COGAN (2014) 133. 627 Über Šamaš-kāšid-ayābi und sein Wirken informieren I.L. FINKEL/J.E. READE (1998) 253 sowie P. GENTILI (2011) 1202–1203 Lemma Šamaš-kāšid-aiābi. Vgl. auch H.D. BAKER (2017) 149–157 Lemma šaknu (a) (hier: 155). 628 Siehe A.R. MILLARD (1994) 19.52.61.118 mit Taf. 9–10. Vgl. auch P. GENTILI (2011) 1202– 1203.

2.7 Zur Situation in der Eisenzeit IIC

107

Schon für 667 v.Chr. findet sich im Bericht über den ersten Feldzug des Assurbanipal629 gegen Ägypten wiederum eine Nennung des Aḥimilk. Dabei handelt es sich um die (bisher) jüngste bekannte neuassyrische Quelle, welche auf Aschdod referiert. Nach der Schilderung des sogenannten Prisma C des Assurbanipal (RINAP 5/1.6630) sowie des Prisma CKalach (RINAP 5/1.7631) leisteten inklusive des Fürsten von Aschdod632 insgesamt 22 Vasallen Abgaben und stellten Truppen sowie Schiffe,633 um den assyrischen Souverän bei seinem Kriegsvorhaben zu unterstützen (RINAP 5/1.6, Kolumne ii, Zeile 25′–55′; RINAP 5/1.7, Kolumne ii, Zeile 1′–26′a).634 Die Liste der abhängigen Lokalherrscher hatte man zwar aus dem Bericht über den Bau des Zeughauses von Ninive unter Asarhaddon (s.o.) übernommen,635 jedoch zumindest im Abschnitt über die palästinisch-phönizischen Fürsten an die Verhältnisse um 667 v.Chr. angepasst.636 Daraus dürfte zu schließen sein, dass Aḥimilk in diesem Jahr wohl noch immer über Aschdod regierte, auch wenn die erhaltenen Textzeugen des Feldzugsberichts erst aus der Zeit um 647/46 v.Chr. stammen.637 In der Gesamtschau ist im Spiegel der relevanten Quellen zu erkennen, dass sich die Herren von Esdūd/Aschdod während der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts v.Chr. durch629 Den Anlass für die assyrische Intervention im Jahr 667 v.Chr. bildete die ägyptische Rückeroberung von Memphis durch den Kuschiten Taharqo. Für die historische (Re-)Konstruktion des Feldzugs vgl. H.-U. ONASCH (1994) 147–151; R. LAMPRICHS (1995) 167–168; A. BAGG (2011) 261– 262 und auch K. SANO (2016) 256–257. A.J. SPALINGER (1974) 316–328 diskutiert die assyrischen Primärquellen, welche sich auf die ersten beiden Ägyptenfeldzüge des Assurbanipal beziehen. 630 Text, Übersetzung, Kommentar und Bibliografie: J. NOVOTNY/J. JEFFERS (2018) 107–136. 631 J. NOVOTNY/J. JEFFERS (2018) 136–165. 632 Für Aḥimilk (mAḫi-mil-ki) siehe RINAP 5/1.6, Kolumne ii, Zeile 37′ sowie RINAP 5/1.7, Kolumne ii, Zeile 8′, wobei der Name in Prisma CKalach (RINAP 5/1.7) weitestgehend ausgefallen ist. 633 Ohne Zweifel korrekt dürfte die Beobachtung bei J.T. WALTON (2018) 180* sein, wonach zumindest ein gewisser Teil der durch die Vasallen geleisteten Abgaben unmittelbar zur Versorgung und Unterstützung der assyrischen Truppen während des Feldzugs gedient hat. 634 Eine Übersetzung des relevanten Textabschnitts sowie eine erweiterte Bibliografie bietet M. WEIPPERT (2010) 345–346 Text-Nr. 191. Vgl. auch J. NOVOTNY/J. JEFFERS (2018) 116–117 und A. BARUCHI-UNNA (2018) 125. 635 Dazu auch H. TADMOR (1966) 100; H.-U. ONASCH (1994) 150; R. BORGER (1996) 18; M. WEIPPERT (2010) 339 Anmerkung 6.345 Anmerkung 60. Siehe ebenso A. BAGG (2011) 261. R. LAMPRICHS (1995) 166 weist auf die grundsätzliche Tendenz einer verstärkten Literarisierung der neuassyrischen Königsinschriften in der Zeit des Assurbanipal (etwa durch die gehäufte Verwendung von Standardformulierungen und Wiederholungen) hin. 636 Ein Herrschaftswechsel fand zwischenzeitlich offenbar in Arwād statt, wo nun Jakinlū (RINAP 5/1.6, Kolumne ii, Zeile 34′) statt des noch unter Asarhaddon bezeugten Mattan-Baʿal (RINAP 4.1, Kolumne v, Zeile 60) regierte. In Ammon war Pədōʾil (RINAP 4.1, Kolumne v, Zeile 62; zum Namen siehe M. WEIPPERT [2010] 340 Anmerkung 20) durch Amminadab (RINAP 5/1.6, Kolumne ii, Zeile 36′) abgelöst worden. 637 In den erhaltenen Exemplaren des Prisma C finden sich keine für eine Datierung relevanten Notizen. R. BORGER (1996) 165.257 ordnet diese Textvertreter aufgrund der Erwähnung des (postkanonischen) Eponyms Nabû-nādin-aḫi in Exemplar 1 des Prisma CKalach (RINAP 5/1.7, Kolumne x, Zeile 91′–92′, vgl. J. NOVOTNY/J. JEFFERS [2018] 165) einer Entstehung im Jahr 647 v.Chr. zu. Vgl. diesbezüglich auch die Ausführungen bei H.-U. ONASCH (1994) 81. Zu Nabû-nādin-aḫi siehe A.R. MILLARD (1994) 105 sowie H.D. BAKER (2001) 850–851 Lemma Nabû-nādin-aḫi 8.

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

gängig loyal gegenüber Assyrien verhielten. Wenigstens konnten sie offenbar immer zum richtigen Zeitpunkt ihre Vasallentreue durch das Überbringen von Abgaben unter Beweis stellen.638 Diese kooperative Politik erklärt jedenfalls die nur wenig umfangreichen Nachrichten über Aschdod und seine Fürsten in den neuassyrischen Quellen aus der Epoche nach 700 v.Chr. Unabhängig davon stellt die Tatsache, dass nach den Texten auch noch unter Sanherib, Asarhaddon und Assurbanipal Fürsten in Esdūd/Aschdod regierten, eine Besonderheit dar. Schließlich hatte Sargon II. die Region nach 711 v.Chr. in eine Provinz umwandeln lassen (Kapitel 2.7.1 und 3.4.3). Dieser scheinbare Widerspruch könnte vielleicht auf eine (temporäre[?]) Aufhebung des Provinzstatus und die Wiedererrichtung eines Vasallenkönigtums am Beginn der Herrschaft des Sanherib hindeuten.639 Allerdings dürfte die annähernd zeitgleiche Erwähnung des Aḥimilk für die Jahre 673 v.Chr. und 667 v.Chr. einerseits sowie des Statthalters Šamaš-kāšid-ayābi für 669 v.Chr. andererseits für die Koexistenz einer Provinzverwaltung und eines teilautonomen Vasallenfürsten sprechen. Die genaue Beschaffenheit und Ausgestaltung dieses politischen Konstrukts einer Doppelherrschaft lässt sich allerdings wegen des Mangels dahingehend aussagekräftiger Inschriften oder administrativer Dokumente nicht mehr genau (re-)konstruieren.640

638 Neben den neuassyrischen Königsinschriften belegt auch der Brief SAA 1.29 (Text und Übersetzung: S. PARPOLA [1987] 28–29) die Überbringung von Pflichtabgaben aus Aschdod nach Nimrud/Kalḫu (SAA 1.29, Rückseite, Zeile 22–24). Hier K. RADNER (2014) 88 mit Anmerkung 115 folgend, stammt das Schreiben des Kronprinzen Sanherib an Sargon II. wahrscheinlich aus der Zeit um 709–707 v.Chr., als Sanherib die Regierungsgeschäfte seines Vaters vertrat, während der assyrische König in Babylonien weilte. Vgl. dazu auch E. FRAHM (1997) 2–3. Für J. ELAYI (2018) 32 hingegen datiert SAA 1.29 in den Zeitraum nach der Gründung der Provinz von Aschdod zwischen 711– 705 v.Chr. Dafür spreche ihres Erachtens vor allem, dass die fragliche Abgabe im Text als Leistung der aschdodischen Bevölkerung (ma-da-⸢tú⸣ ša KUR.sa-du-da-a, SAA 1.29, Rückseite, Zeile 22) und nicht als fürstlicher Tribut deklariert werde (vgl. ebd.). Für eine chronologische Verortung der Quelle in zeitlicher Nähe zum Feldzug Sargons II. gegen Urarṭu im Jahr 714 v.Chr. siehe wiederum K. DELLER (1984) 104–107. 639 Schon H. WINCKLER (1913) 42, gefolgt von E. HONIGMANN (1928) 167, nahm an, dass die Provinz Aschdod noch in der Zeit des Sargon II. zwischen 711 und 705 v.Chr. aufgelöst worden sei, spätestens aber am Anfang der Regentschaft des Sanherib. Ganz ähnlich argumentiert nun wieder A. BAGG (2011) 250. E. FORRER (1921) 64.70 und G.W. AHLSTRÖM (1993) 693 rechnen grundsätzlich erst mit einer erneuten Installation von Vasallenherrschern unter Sanherib (im Zeitraum von 705–701 v.Chr.). Nur wenig anders optiert S.Z. ASTER (2018) 285, eine spätere Wiedererrichtung von Provinzstrukturen um 669 v.Chr. für möglich haltend. Wieder anders: A.T. OLMSTEAD (1908) 79–80, der die Notiz über die Umwandlung von Aschdod in eine neuassyrische Provinz für grundsätzlich ahistorisch hält. Seines Erachtens wäre die durch Jamān gestürzte Königsdynastie unmittelbar nach dessen Flucht durch den assyrischen Souverän erneut inthronisiert worden (vgl. ebd.). 640 Zur parallelen Herrschaft von neuassyrischem Gouverneur und lokalem Fürsten in Aschdod vgl. auch A. ALT (21959e) 245–247; H. TADMOR (1966) 95–96; M. COGAN (1993) 407–408; O. LIPSCHITS (2005) 8 sowie E. GAß (2017) 200–201. Unentschieden bleibt H. DONNER (42008) 356.358–359, für den einerseits eine (zwischenzeitliche) Auflösung der Provinz Aschdod und Umwandlung in ein Vasallenkönigtum plausibel ist, andererseits eine Doppelherrschaft von Statthalter und lokalem Herrn.

2.7 Zur Situation in der Eisenzeit IIC

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2.7.3 Exkurs: Zu Herodots Bericht über die Eroberung von Esdūd/Aschdod durch Psammetich I. Über die bereits thematisierte Eroberung von Aschdod durch Psammetich I. im späten 7. Jahrhundert v.Chr. (siehe Kapitel 2.7.1) berichtet Herodot in seinen Historien folgendermaßen: Hdt. II,157641 1. Ψαμμήτιχος δὲ ἐβασίλευσε Αἰγύπτου τέσσερα καὶ πεντήκοντα ἔτεα τῶν τὰ ἑνὸς δέοντα τριήκοντα Ἄζωτον τῆς Συρίης μεγάλην πόλιν προσκατήμενος ἐπολιόρκεε, 2. ἐς ὃ ἐζεῖλε αὕτη δὲ ἡ Ἄζωτος ἁπασέων πολίων ἐπὶ πλεῖστον χρόνον πολιορκεομένη ἀντέσχε τῶν ἡμεῖς ἴδμεν. 1. Psammetich aber herrschte als König über Ägypten 54 Jahre. 29 Jahre von diesen lagerte er vor Aschdod, einer großen Stadt in Syrien, und belagerte sie, 2. bis er sie endlich einnahm. Dieses Aschdod hat der längsten Belagerung standgehalten – von allen Städten, die wir kennen.

Auch wenn der Quellenwert von Herodots Werk in der altgeschichtlichen und altphilologischen Forschung immer wieder diskutiert worden ist,642 erscheint die Nachricht über die ägyptische Kampagne gegen das südlevantinische Esdūd/Aschdod nicht nur aufgrund der oben ausgeführten archäologischen Argumente (siehe dazu Kapitel 2.7.1) zuverlässig. Eine ägyptische Intervention in Südpalästina wird darüber hinaus durch die Lesung des Königsnamens „Psammetich“ in Zeile 3 von Ostrakon Karnak LS 462.4 bestätigt, die M. Chauveau643 vor wenigen Jahren präsentiert hat. Wenn seine Deutung richtig ist, dann belegt das fragliche Epigraf für das 28. Regierungsjahr (= 637/ 36 v.Chr.) den Aufbruch des ägyptischen Herrschers aus dem östlichen Nildelta, um einen Kriegszug in Syro-Palästina durchzuführen. Mit Blick auf die Überlieferung bei Herodot erscheint dann lediglich die dort erwähnte Belagerungsdauer von 29 Jahren zweifelhaft. Doch diesbezüglich vertraten bereits W.W. How und J. Wells644 in ihrem 1912 publizierten Kommentar zu den Historien des Herodot die These, dass die frag641

Text zitiert nach: N.G. WILSON (2015) 221–222. Eigene Übersetzung. Dazu D. FEHLING (1971) mit umfangreicher Diskussion der älteren Forschungsliteratur. Vgl. aber H.-G. NESSELRATH (52017) XXVIII–XXXII und aus ägyptologischer Perspektive auch J.F. QUACK (2013) 63–88 jeweils mit einer positiven Würdigung des Quellenwerts. Bezüglich des Verhältnisses von Ereignisgeschichte und geschichtlicher Erzählung im Werk Herodots allgemein informiert A. GRIFFITHS (2006) 130–144. 643 M. CHAUVEAU (2011) 39–45 mit Abb. 1. Eine Teilübersetzung (J.F. Quack) und eine erweiterte Bibliografie findet sich bei M. WEIPPERT (2010) 399–400 Text-Nr. 256. 644 W.W. HOW/J. WELLS (1912) 245 zur Stelle. Vgl. für die Position, der Feldzug wäre im 29. Regierungsjahr des Psammetich I. durchgeführt worden, auch H. TADMOR (1966) 102; M. COGAN/ H. TADMOR (1988) 300 mit Anmerkung 29; D.S. VANDERHOOFT (1999) 70 und M. WEIPPERT (2010) 398 Anmerkung 10. Anders aber A.B. LLOYD (2007) 357–358 zur Stelle, nach dem es sich bei den angegebenen 29 Jahren um eine rein symbolische Zahl handele. A. MALAMAT (1950) 218 wiederum hält die genannte Belagerungsdauer für historisch zuverlässig, wobei seines Erachtens mit einem Beginn der militärischen Operationen um 640/39 v.Chr. zu rechnen sei. Ganz ähnlich auch A.J. SPALINGER (1978) 49–51. Weitere Referenzen finden sich bei E. GAß (2017) 204–205. 642

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

liche Angabe eine Übertreibung darstelle, welche auf die Ungenauigkeit der ägyptischen Quellen zurückzuführen sei. Tatsächlich habe Psammetich I. ihres Erachtens die militärische Operation in seinem 29. Regierungsjahr (= 636/35 v.Chr.) durchführen lassen.645 F.K. Kienitz646 und H.-G. Nesselrath647 hingegen halten es für möglich, dass der ägyptische König in einem Zeitraum von insgesamt 29 Jahren mehrere Angriffe gegen Aschdod führte, die bei Herodot zu einer einzigen Belagerungskampagne zusammenfasst worden wären. N. Naʾaman648 wiederum vertritt die These, dass der griechische Autor die Überlieferung vom Kampf um Aschdod mit der nach Hdt. I,106 mindestens 28 Jahre währenden Herrschaft der Skythen in Asien verbunden habe. Nach der weiteren Argumentation Naʾamans setzte Herodot das erfolgreiche Ende der ägyptischen Belagerung von Aschdod erst nach der endgültigen Niederlage der Skythen gegen die Meder an, woraus sich eine Dauer des Kampfes um die südwestpalästinische Küstenstadt von 29 Jahren ergeben habe.649 Angesichts des in Ostrakon Karnak LS 462.4 beschriebenen Aufbruchs des Psammetich I. im Jahr 637/36 v.Chr. sowie der für Esdūd/Aschdod erläuterten archäologischen Daten aus dem späten 7. Jahrhundert v.Chr. (Kapitel 2.7.1) spricht letztlich vieles dafür, von einer Datierung der fraglichen militärischen Unternehmung in das 29. Regierungsjahr des ägyptischen Regenten (= 636/35 v.Chr.) auszugehen.650 Der Feldzug dürfte eine von Assyrien geduldete oder vielleicht sogar formal beauftragte ägyptische Strafaktion dargestellt haben. Mit einer solchen Operation sollte wahrscheinlich auf regionale Autonomiebestrebungen im Gefolge der nach 650 v.Chr. allmählich erodierenden assyrischen Suprematie über die Levante reagiert werden.651 Ob schließlich Herodot hinsichtlich der Belagerungsdauer entweder verfälschte Informationen aus ägyptischen Quellen entnahm oder korrekte Angaben bewusst übertrieb, lässt sich nicht mehr sicher bestimmen. 2.7.4 Zur Situation im Umland von Esdūd/Aschdod Die Umgebung von Esdūd/Aschdod war in der Eisenzeit IIC durch einen kleineren demografischen Rückgang geprägt. Dahingehend lassen sich für den fraglichen Zeitraum 13 Ortschaften mit einer bebauten Fläche von zusammen ca. 15 ha (bei ungefähr 3.000 Einwohnern) im Hinterland nachweisen, wobei die Flächenschrumpfung gegen645

W.W. HOW/J. WELLS (1912) 245 zur Stelle. F.K. KIENITZ (1953) 17. 647 H.-G. NESSELRATH (52017) 194 Anmerkung 242. E. LIPIŃSKI (2006) 156 Anmerkung 346 rechnet hingegen mit einer Belagerungsdauer von nur 29 Stunden, wobei Herodot seine ägyptischen Informanten missverstanden habe, indem er koptisch (h)ote/(h)ate (demot. ḥtỉ.t/htỉ.t), „Stunde“, mit griechisch ἔτη, „Jahr“, verwechselte. 648 So: N. NAʾAMAN (1991) 33–41 (hier besonders: 40). Ähnlich ebenso D.B. REDFORD (1992) 441 und R. BICHLER (22001) 202–203. 649 N. NAʾAMAN (1991) 40. 650 Hier insbesondere gegen E. GAß (2017) 206, nach dem eine genauere chronologische Verortung der Belagerung von Esdūd/Aschdod durch Psammetich I. innerhalb der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts v.Chr. nicht möglich sei. 651 Vgl. diesbezüglich (in Auswahl) H. TADMOR (1966) 102; A. FANTALKIN (2001) 133 und auch J.M. MILLER/J.H. HAYES (22006) 447. 646

2.7 Zur Situation in der Eisenzeit IIC

111

über dem 8. Jahrhundert v.Chr. nur annähernd 9% betrug.652 Dies scheint darauf hinzudeuten, dass die bevölkerungspolitischen Maßnahmen der Assyrer ab 711 v.Chr. vorrangig die Siedlung von Esdūd/Aschdod betrafen und deren Umland nur punktuell berührten. Bezüglich der einzelnen Fundplätze waren im 7. Jahrhundert v.Chr. vor allem Tel Poran/Tell el-Farāni und Tel Poran/Tell el-Farāni (West) sowie Aschdod ad-Halom und auch Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam von Bedeutung. Ausweislich einer durch A. Shavit653 durchgeführten Oberflächenuntersuchung könnte dabei die Doppelsiedlung von Tel Poran/Tell el-Farāni und Tel Poran/Tell el-Farāni (West) bis zu 7 ha groß gewesen sein und hätte somit annähernd über die gleiche Ausdehnung wie Esdūd/Aschdod (Stratum VI) verfügt. Durch Grabungsergebnisse deutlich abgesicherter präsentiert sich der Befund für Aschdod ad-Halom (Stratum 7A–B).654 Ebenda, nahe bei der Unterstadt von Esdūd/Aschdod, ist ab der ausgehenden Eisenzeit IIB ein größeres Gebäude belegt, das man vor allem in der Eisenzeit IIC genutzt hat. Hervorzuheben sind die Substruktion in der Form eines Podestes aus quadratischen Lehmziegeln sowie der Innenhof, welchen mehrere längliche Räume säumten. Die Ausgräberinnen, E. Kogan-Zehavi und P. Nashoni,655 deuten den Komplex als administratives Zentrum der Provinz von Aschdod und Residenzgebäude des assyrischen Gouverneurs. Zumindest entsprechen Form und Abmessung der für das Podium verwendeten Ziegel (38 x 38 x 10 cm) der neuassyrischen Bautradition und lassen sich klar von der auf dem Tell von Esdūd/Aschdod für die Eisenzeit IIB–C nachgewiesenen lokalen Lehmbauweise differenzieren.656 Darüber hinaus reflektieren drei becken- oder wannenartige Installationen aus Keramik und Stein wahrscheinlich assyrische Einflüsse. Eine der Installationen konnte in situ in einem mit wasserdichtem Fußbodenverputz versiegelten Raum (Raum 1) ergraben werden, den E. Kogan-Zehavi als ein für assyrische Residenzen typisches Badezimmer an-

652

Hier A. SHAVIT (2008) 149 folgend. A. SHAVIT (2008) 148. 654 Die hier verwendete Stratigrafie für Aschdod ad-Halom basiert auf bisher unveröffentlichten Forschungsergebnissen von Prof. Dr. Gunnar Lehmann (Forschungsstand: Juli 2021), dem herzlich für die Zurverfügungstellung der Daten gedankt sei. 655 Bezüglich der hier verwendeten Stratigrafie vgl. die Ausführungen in der vorangehenden Anmerkung. Zu Architektur und Funden informiert vorläufig E. KOGAN-ZEHAVI (2008) 1573–1575. Siehe ebenso E. KOGAN-ZEHAVI (2006), https://www.hadashot-esi.org.il/report_detail_eng.aspx?id=340& mag_id=111 (letztmals abgerufen am: 23.03.2022). Der Deutung der Ausgräberinnen, es habe sich bei dem fraglichen Bauwerk um den Sitz der assyrischen Administration beziehungsweise einen assyrischen Gouverneurspalast gehandelt, wird in der aktuellen Forschung meist gefolgt. Vgl. diesbezüglich etwa Y. THAREANI (2016) 87.91; A. FAUST (2018) 39–40; L. SINGER-AVITZ (2018) 194 und G. Lehmann, persönlicher Kommentar (Juli 2021). Nach D. BEN-SHLOMO (2013a) 71 habe es sich entweder um einen neuassyrischen Palast oder eine Feste gehandelt („possibly a Neo-Assyrian palace or stronghold“). D. VIEWEGER optiert hingegen für eine rein militärische Nutzung des Komplexes als „großes [assyrisches] Fort“ (D. VIEWEGER [2019b] 270), leider ohne dies zu begründen. 656 So: E. KOGAN-ZEHAVI (2008) 1573. Vgl. ebenso Y. THAREANI (2016) 9; E. GAß (2017) 214 und jetzt auch A. FAUST (2021) 156. D. BEN-SHLOMO (2014) 80–81 verweist auf die Verwendung solcher Lehmziegel für den Bau des „Assyrian Vaulted Building“ auf dem Tell Ǧemme. 653

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

spricht.657 Nach der Interpretation von L.B. Mazow658 habe man die drei Becken beziehungsweise Wannen hingegen zum Walken von Wolle benutzt. In jedem Fall müssen weitere archäologische Untersuchungen am Fundplatz von Aschdod ad-Halom wie auch die finale Publikation der bisherigen Grabungsergebnisse in adäquater Form abgewartet werden,659 bevor sich der Befund im Hinblick auf das genaue Funktionsspektrum des Bauwerks zweifelsfrei beurteilen lässt. Ungeachtet dessen wurde das assyrisch beeinflusste Gebäude noch in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts v.Chr. destruiert, woran sich eine sehr bescheidene Nachbesiedlung (Stratum 6) anschloss. Schließlich endeten die Siedlungsaktivitäten in Aschdod ad-Halom um 636/35 v.Chr.660 Nächstjüngere Überreste sind erst wieder für die Eisenzeit III/Achämenidenzeit greifbar (siehe dazu Kapitel 2.8.1). Das auf dem Tell von Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam nachgewiesene keramische Fundgut bezeugt für die Eisenzeit IIC umfangreichere Siedlungsaktivitäten. Allerdings kann die bei den seit 2013 wieder aufgenommenen Ausgrabungen freigelegte Eisen-II-zeitliche Architektur bisher noch nicht sicher stratigrafisch differenziert und entsprechend genau datiert werden. Somit ist bisher ungeklärt, welche Strukturen aus der Eisenzeit IIB und/oder der Eisenzeit IIC stammen beziehungsweise im 7. und/oder dem 8. Jahrhundert v.Chr. genutzt worden sind. Im Hinblick auf diesen vorläufigen Forschungsstand wird die tatsächliche Bedeutung von Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam und seine konkrete Funktion in der assyrisch dominierten Region von Aschdod erst nach weiteren Feldkampagnen genauer zu (re-)konstruieren sein. Prinzipiell gut vorstellbar wäre jedenfalls eine Nutzung als assyrisches Emporium.661 Mit Blick auf das späte 7. Jahrhundert v.Chr. und die Zeit der ägyptischen Zwischenherrschaft ist unsicher, in welchem Umfang die Siedlung durch die Offensive des Psammetich I. (664–610 v.Chr.) von 636/35 v.Chr. betroffen war. Die bis 2019 identifizierte Ostgriechische Keramik impliziert zumindest, dass Aschdod-Yam auch noch im letzten

657 Dazu den Kommentar bei E. KOGAN-ZEHAVI (2008) 1573: „Only the western part of the room was revealed, […]. It appears to have functioned as a bathing room, as is common in Assyrian palaces.“ Für die Deutung als Badezimmer siehe auch D. BEN-SHLOMO (2013a) 71. Zum Baden und Badewesen in der Antike (mit geografischem Schwerpunkt auf der Levante und Mesopotamien) informiert jetzt F. HAGEMEYER (2022c) 73–79 mit zahlreichen archäologischen Referenzen und weiterer Literatur. 658 L.B. MAZOW (2014b) 31–33 mit Verweis auf ähnliche Installationen aus Tel Qitaf. 659 Zwischenzeitlich hat P. Nashoni eine hebräischsprachige Dissertationsschrift über die Grabungsergebnisse vorgelegt, die bisher leider nicht veröffentlicht worden ist. 660 G. Lehmann, persönlicher Kommentar (Juli 2021). Zur Devastierung des assyrisch beeinflussten Gebäudes von Aschdod ad-Halom (Stratum 7A–B) vgl. auch E. KOGAN-ZEHAVI (2008) 1574. Siehe ebenso A. FAUST (2012) 198 und E. GAß (2017) 215. 661 Zumindest bezeugen die Verwendung von Orthostaten in assyrischer Manier sowie die nachgewiesenen Imitationen von assyrischen Knickwandgefäßen mesopotamische Einflüsse vor Ort. Die genaue Involvierung der assyrischen Administration in den Ausbau und die Verwaltung von Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam während des 8.–7. Jahrhunderts v.Chr. kann allerdings erst im Rahmen zukünftiger Ausgrabungskampagnen geklärt werden. Vgl. diesbezüglich den Kommentar bei A. FANTALKIN (2018) 175: „The degree of direct Assyrian involvement in the site of Ashdod-Yam, however, remains to be clarified.“ Siehe zum Ganzen auch die detaillierten Ausführungen in Kapitel 2.6.4 (dort auch weitere Referenzen).

2.7 Zur Situation in der Eisenzeit IIC

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Drittel des fraglichen Jahrhunderts bewohnt gewesen ist.662 Überreste aus dieser Siedlungsphase könnten einige im Jahr 2017 in Areal D ergrabene Kleinfunde663 mit ägyptischen Einflüssen darstellen, die insbesondere Fayence- und Goldplättchen, ein Löwenkopfprotom und zwei bronzene Augenumrisse (mit Einlagen aus Muschelschalen)664 umfassen. Wahrscheinlich diente Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam dem noch für den Beginn des 6. Jahrhunderts v.Chr. in Prisma EŞ 7834 (Arkeoloji Müzeleri, Istanbul) belegten namenlosen König von Aschdod als Residenz.665 Für diese Annahme spräche immerhin die Tatsache, dass die Fundplätze von Esdūd/Aschdod (siehe Kapitel 2.7.1) und Aschdod ad-Halom (s.o.) zeitgleich verlassen waren.666 Allerdings müssen aussagekräftige archäologische Funde und Befunde aus dem 6. Jahrhundert v.Chr. noch abgewartet werden, um diese Deutung sicher belegen zu können. 2.7.5 Zu den Entwicklungen in der inneren Küstenebene und in der Schefela Die machtpolitischen Interventionen Sargons II. und Sanheribs im ausgehenden 8. Jahrhundert v.Chr. entfalteten im Gebiet der inneren Küstenebene sowie in der Schefela starke Nachwirkungen bis weit in das 7. Jahrhundert v.Chr. hinein. Tell eṣ-Ṣāfī/Gat blieb nach seiner Zerstörung im Jahr 701 v.Chr. (siehe Kapitel 2.6.3) bis zur Eisenzeit III/Achämenidenzeit weitestgehend unbewohnt.667 Ekron hingegen konnte unter assyrischer Suprematie zu einem bedeutendem Vasallenstaat aufsteigen. Im frühen 7. Jahrhundert v.Chr. erreichte die Siedlung auf dem Tel Miqnē (Stratum IC) eine Größe von 20–25 ha und bildete sich zu einem wohlhabenden Oberzentrum heraus.668 Die

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A. Fantalkin, persönlicher Kommentar (August 2019). Die Funde werden an anderer Stelle publiziert. Vgl. vorläufig A. BERLEJUNG/A. FANTALKIN (2017b) 67–68 (ebenda auch Fotos des Löwenkopfprotoms und der bronzenen Augenumrisse [ohne Abbildungsnummern]). 664 A. BERLEJUNG/A. FANTALKIN (2017b) 67 sprechen die Augenumrisse als Bestandteile einer Maske oder lebensgroßen Statue an. 665 Zu Prisma EŞ 7834 siehe Kapitel 3.5.3. Auf die Existenz eines Vasallenkönigreichs in der Region Esdūd/Aschdod während des frühen 6. Jahrhunderts v.Chr. könnte auch die Notiz von Jer 25,20b anspielen. Vgl. dazu und für eine ausführliche Exegese Kapitel 3.5.1–2. Ob und in welchem Umfang genau Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam von Destruktionen im Umfeld neubabylonischer Militärkampagnen betroffen war, ist auf Basis der bisher gewonnenen archäologischen Daten nicht sicher zu rekonstruieren. Vgl. dazu Y. VAKNIN u.a. (2022) 4. 666 Unabhängig davon hält es A. Fantalkin (vgl. A. FANTALKIN [2014] 49 und A. FANTALKIN [2018] 172) für möglich, dass Esdūd/Aschdod vielleicht schon im letzten Drittel des 7. Jahrhunderts v.Chr. durch Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam als Oberzentrum abgelöst worden ist. 667 Vgl. A.M. MAEIR (2012a) 51 sowie A.M. MAEIR (2020b) 10 Tab. 1.1. Gut denkbar ist es, wie bereits I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2001) 253 anmerken, dass Esdūd/Aschdod das Territorium von Tell eṣ-Ṣāfī/Gat bereits nach der Vertreibung des Jamān im ausgehenden 8. Jahrhundert v.Chr. an das ökonomisch prosperierende und durch die Assyrer protegierte Tel Miqnē/Ekron abtreten musste. 668 T. DOTHAN/S. GITIN (1993) 1056–1058 und T. DOTHAN/S. GITIN (2008) 1956. Vgl. auch D. VIEWEGER (2019b) 271. Bezüglich der ökonomischen Auswirkungen der assyrischen Hegemonie über Ekron informiert S. GITIN (1997) 77–103. Zu den wirtschaftlichen Entwicklungen während der neuassyrischen Zeit in Palästina insgesamt siehe wiederum auch A. FAUST (2011) 62–86 und A. FAUST/ E. WEISS (2011) 189–204. P. ZILBERG (2018) 56–88 diskutiert die einschlägigen schriftlichen Quellen 663

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

ekronitische Ökonomie war durch Olivenölproduktion in industriellem Maßstab sowie Textilhandwerk geprägt. Archäologisch belegt sind Funde von mehr als 600 Webgewichten sowie mindestens 115 vorrangig in der Unterstadt (Feld II und III) ergrabene Installationen zur Ölherstellung.669 Die jährliche Produktionsmenge betrug wahrscheinlich 500 bis 1.000 t Olivenöl. Der Aufbau solcher beachtlichen Herstellungskapazitäten, die von einer starken Exportorientierung zeugen, ist dabei mit S. Gitin und T. Dothan670 überhaupt nur auf Initiative des Neuassyrischen Reichs vorstellbar, bei gleichzeitiger Bereitstellung entsprechender Ressourcen durch dessen Administration. Neben den industriellen Anlagen konnte in der Unterstadt ein Tempel- und Palastkomplex (Oberes Feld IV, Gebäude 650, Stratum IC–B)671 mit mehreren Nebengebäuden (Unteres Feld IV, Gebäude 651–655)672 ergraben werden. Die Architektur des Hauptgebäudes ist einerseits der lokalen Bautradition verpflichtet, lässt andererseits assyrische und vor allem phönizische Einflüsse erkennen. Assyrische Merkmale repräsentiert etwa die Ausstattung des wahrscheinlich als Palast genutzten Bereichs mit einer länglich-schmalen Thron- beziehungsweise Empfangshalle im Stil mesopotamischer Residenzgebäude. Der als Tempel angesprochene Gebäudeteil weist nach der Deutung der Ausgräber insbesondere Ähnlichkeiten mit dem der Astarte geweihten zyprischphönizischen Heiligtum von Kition auf.673 Besonders hervorzuheben ist eine Weihinschrift des lokalen Herrn ʾkyš/Achisch/Ikausu für die Göttin Pt[?]yh, bei welcher es sich wahrscheinlich um eine lokale Variante der Potnia-Gaia gehandelt hat.674 Unabhängig davon belegen die in Gebäude 650 identifizierten Kleinfunde (wie etwa ein silberner mit Relevanz für die (Re-)Konstruktion der assyrischen Administrationsprozesse und Kontrollstrategien in der Südlevante. 669 Zum archäologischen Befund siehe vorläufig S. GITIN (1996) 222–227 und S. GITIN (1998) 167– 180. Vgl. ebenso die Ausführungen bei T. DOTHAN/S. GITIN (1993) 1057–1058; D. EITAM (1996) 167– 196 sowie H.M. NIEMANN (2013) 253. 670 So schon etwa S. GITIN (1995) 61–79 und S. GITIN (1996) 219–242. Vgl. auch A. BERLEJUNG (2012) 43–44. Anders hingegen: N. NAʾAMAN (2003a) 81–91 (hier besonders: 84–85.87), nach dem die Siedlung von Tel Miqnē/Ekron (Stratum IC) bereits in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts v.Chr. existiert habe, wofür seines Erachtens vor allem schriftliche Quellen wie die Aseka-Inschrift und epigrafische Funde auf dem Tell sprächen. Wieder anders: L.E. STAGER (1996) 71*, welcher die Gründung von Tel Miqnē/Ekron (Stratum IC–B) erst in der Zeit der ägyptischen Zwischenherrschaft (ca. 640– 604 v.Chr.) ansetzt. 671 Für Architektur, Ausstattung und Tempelinventar vgl. den Überblick bei S. GITIN (2012) 231– 239; Abb. 6–8.10–12 und jetzt auch S. GITIN/S.M. ORTIZ/T. DOTHAN (2022) für die Endpublikation. 672 Für die stratigrafischen und architektonischen Daten der Nebengebäude vgl. S. GITIN/Y. GARFINKEL/T. DOTHAN (2017) 5–49; Foto 1.3–44. Zum keramischen Fundgut siehe S. GITIN (2017) 69– 193; Abb. 4A.1–33. 673 T. DOTHAN/S. GITIN (2008) 1956 und S. GITIN (2012) 231–232, gefolgt von D. VIEWEGER (2019b) 271. Zu den allochthonen Einflüssen auf Ekrons materielle Kultur während der Eisenzeit IIC vgl. ebenso S. GITIN (1995) 61–79. Nach J. KAMLAH (2003) 101–125 sei der Komplex überwiegend der lokalen Bautradition verpflichtet und im Vergleich mit dem Südtempel von Tell el-Ḥöṣn/BetSchean als „Pfeilertempel“ anzusprechen. Vgl. auch J. KAMLAH (2012) 520 Anmerkung 42. 674 Erstpublikation: S. GITIN/T. DOTHAN/J. NAVEH (1997) 1–16. Für eine ausführliche Diskussion der späteisenzeitlichen Weihinschrift sei hier unter den neueren Studien (in Auswahl) auf C. SCHÄFERLICHTENBERGER (2015) 341–372; A. FANTALKIN (2017) 97–115 und A. BERLEJUNG (2019b) 268–279 (jeweils mit weiterer Literatur) verwiesen.

2.7 Zur Situation in der Eisenzeit IIC

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Anhänger mit einer Ištar-Darstellung675 oder ein ägyptisches Hathor-Sistrum in NaosForm676) allochthone Einflüsse auf den in Ekron praktizierten Kult (zu judäischen Einflüssen siehe Kapitel 2.7.7). Damit bietet der archäologische Gesamtbefund wichtige Indizien für die Praktizierung einer toleranten Religionspolitik in den von den Assyrern beherrschten Gebieten.677 Für die Periode der ägyptischen Zwischenherrschaft in der Levante im letzten Drittel des 7. Jahrhunderts v.Chr. lässt sich in Tel Miqnē (Stratum IB) ein gewisser Rückgang, jedoch keine vollständige Aufgabe der Ölherstellung feststellen.678 In der Zeit unmittelbar nach der Zerstörung Ekrons durch die Neubabylonier im Jahr 604 v.Chr. fand schließlich noch eine deutlich bescheidenere Nachbesiedlung (Stratum IA) statt, die man allerdings im frühen 6. Jahrhundert v.Chr. aufgab. Erst in der Römerzeit wurde Tel Miqnē/Ekron erneut besiedelt.679 Für die Schefela brachte die Niederlage des Hiskija von 701 v.Chr. eine Neuordnung der politischen Verhältnisse mit sich. Ausweislich der assyrischen Quellen musste Jerusalem sein schefelitisches Territorium oder wenigstens einen großen Teil desselben an Esdūd/Aschdod, Tel Miqnē/Ekron und Ġazze/Gaza abtreten (siehe zu den Quellen Kapitel 2.7.2). Archäologisch ist für das 7. Jahrhundert v.Chr. vor allem ein Rückgang von Siedlungsdichte und Bevölkerungszahl zu belegen, der sich (trotz einer zwischenzeitlichen Erholung) nach 587/86 v.Chr. noch verstärkt hat.680 Im Elah-Tal war Ḫirbet Qēyafa noch bis zur ausgehenden Eisenzeit III (Kapitel 2.8.3) verlassen. Tell Zakarīye/Aseka scheint im 7. Jahrhundert v.Chr. – zumindest nach den bisher im Rahmen der Lautenschläger Expedition gewonnenen Erkenntnissen – nur in kleinerem Umfang bewohnt gewesen zu sein. Nach der Deutung der Ausgräber sei nach einer Wüstungsphase in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts v.Chr. schließlich ein regionales Unterzentrum entstanden, möglicherweise aber auch nur eine kleinere Festung. Angesichts der Funde von bisher mehr als zehn Rosettenstempelabdrücken habe man den Ort vom Bergland aus beherrscht.681 Ausweislich von Jer 34,7 und Lachisch-Ostrakon 4682 ist Aseka sodann im frühen 6. Jahrhundert v.Chr. durch eine neubabylonische Armee verheert worden. Mit Blick auf das Sorek-Tal dürfte am Beginn der Eisenzeit IIC zumindest dessen westliche Hälfte mit Tell el-Bāṭāšī/Timna (Stratum II) sehr wahrscheinlich an die Herren des prosperierenden Tel Miqnē/Ekron gefallen sein. Für Tell el-Bāṭāšī/Timna 675

S. GITIN (2012) 229 mit Anmerkung 30; Taf. 50A. S. GITIN (2012) 229 mit Anmerkung 31; Abb. 4. 677 Hier A. BERLEJUNG (2012) 44.49 folgend. 678 So: T. DOTHAN/S. GITIN (1993) 1057; S. GITIN (1996) 228.230 und S. GITIN/Y. GARFINKEL/ T. DOTHAN (2017) 2 Anmerkung 15. 679 Vgl. T. DOTHAN/S. GITIN (1993) 1057 und S. GITIN/Y. GARFINKEL/T. DOTHAN (2017) 2. 680 Dazu I. FINKELSTEIN (1994) 172–174; G. LEHMANN (2012) 295–296; A. FAUST (2013) 206.214– 215. Vgl. auch O. LIPSCHITS (2003) 341–346; O. LIPSCHITS (2005) 218–224 sowie S. BUNIMOVITZ/ Z. LEDERMAN (2017) 37–39. 681 O. LIPSCHITS/Y. GADOT/M. OEMING (2017) 15–16. Über die Rosettenstempelabdrücke allgemein informieren I. KOCH/O. LIPSCHITS (2013) 55–78. 682 Text: H. TORCZYNER (1938) 75–87. Übersetzung und Bibliografie: M. WEIPPERT (2010) 423 Text-Nr. 263. 676

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

bezeugt der archäologische Befund aus dem 7. Jahrhundert v.Chr. eine Stadtmauer und ein Vierkammertor, wobei vor Ort vielleicht 500–1.000 Einwohner siedelten.683 Die Ausgräber, A. Mazar und G.L. Kelm, sprechen die Siedlung als auf Tel Miqnē/Ekron hin ausgerichtetes kleines Unterzentrum an, das vorrangig als Zulieferer für die ekronitische Olivenölindustrie fungierte.684 Dass man vor Ort wenigstens in kleineren Mengen Öl herstellte, lässt sich vor allem anhand zweier in den Arealen E und H nachgewiesener Pressen und weiterer Installationen belegen.685 Nach der Devastierung von Ekron im Jahr 604 v.Chr. ist das Gebiet um den Tell el-Bāṭāšī vielleicht unter judäische Kontrolle gelangt (dazu Kapitel 2.7.7). In ʿĒn-Šems/Bet-Schemesch konnten bei den Ausgrabungen von D. Mackenzie, E. Grant und G.E. Wright sowie von S. Bunimovitz und Z. Lederman nur äußerst spärliche Funde und Befunde aus der Eisenzeit IIC zutage gefördert werden. Nach der (Re-)Konstruktion der beiden letztgenannten Archäologen habe man im 7. Jahrhundert v.Chr. das durch Ekron kontrollierte östliche Sorek-Tal überwiegend landwirtschaftlich genutzt. Ein um 650 v.Chr. vom judäischen Bergland aus initiierter Besiedlungsversuch sei nur von kurzer Dauer gewesen und letztlich am erfolgreichen Widerstand der Herren von Tel Miqnē/Ekron gescheitert.686 Neueste Rettungsgrabungen der Israelischen Altertumsbehörde (IAA), deren Ergebnisse bisher nicht final publiziert worden sind, deuten jedoch zumindest für die frühe Eisenzeit IIC auf die Existenz einer blühenden Siedlung unmittelbar östlich von ʿĒn-Šems/Bet-Schemesch hin. Die an diesem bisher unbekannten Fundplatz ergrabenen 15 Ölpressen belegen, dass der Herstellung von Olivenöl eine große ökonomische Bedeutung zukam.687 Im Lichte der Beschaffenheit der neuen Funde und Befunde halten A.M. Maeir und H.M. Niemann688 eine Kontrolle der Ortschaft und ihres Umlands durch judäische Autoritäten für denkbar. Zwar ist die finale Publikation der Grabungsergebnisse erst noch abzuwarten, doch wenn dem tatsächlich so gewesen ist, spräche dies für eine zwischen Jerusalem und

683 So mit A. MAZAR (1997) 256–257.259–260. Vgl. auch A. MAZAR/N. PANITZ-COHEN (2001) 281–282. 684 G.L. KELM/A. MAZAR (1996) 243–248 (hier besonders: 244) und A. MAZAR (1997) 262–263. Vgl. auch A. MAZAR/N. PANITZ-COHEN (2001) 281–282, welche eine judäische Kontrolle über Tell elBāṭāšī/Timna während der Herrschaft des Joschija (639–609 v.Chr.) nicht ausschließen, wofür aber ebenda leider keine Argumente angeführt werden. 685 Vgl. A. MAZAR/G.L. KELM (1993) 156–157; G.L. KELM/A. MAZAR (1996) 243–248 und A. MAZAR (1997) 262–263. 686 Dazu S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2016c) 53–55.143–146.151–153 und S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2017) 37–39 (dort auch weitere Referenzen). 687 Siehe zum Ganzen vorläufig A.M. MAEIR/E.L. WELCH/M. ENIUKHINA (2021) 130–131 sowie die Referenzen bei H.M. NIEMANN (2022) 67 Anmerkung 68. Vgl. aber auch O. LIPSCHITS (2019a) 109 mit einer Datierung der fraglichen Siedlung in das späte 7. Jahrhundert v.Chr. 688 A.M. MAEIR/E.L. WELCH/M. ENIUKHINA (2021) 130–131. Für eine Beherrschung von ꜤĒnŠems/Bet-Schemesch durch Juda während des 7. Jahrhunderts v.Chr. optiert auch G. LEHMANN (2012) 296. O. LIPSCHITS (2019a) 102–109 verweist hingegen auf das Fehlen von judäischen Stempelsiegelabdrücken aus der Zeit des frühen 7. bis frühen 6. Jahrhunderts v.Chr. Dies spreche seines Erachtens für eine vollumfängliche Kontrolle des Sorek-Tals durch die Herren von Ekron. Vgl. ebenso I. KOCH/O. LIPSCHITS (2013) 55–78 (hier: 64–66).

2.7 Zur Situation in der Eisenzeit IIC

117

Ekron geteilte Kontrolle des Sorek-Tals im frühen 7. Jahrhundert v.Chr. (siehe dazu auch Kapitel 2.7.7). 2.7.6 Zur Situation Jerusalems und seines Umlands 2.7.6.1 Zum Siedlungscharakter Jerusalems Nach der verheerenden Niederlage von 701 v.Chr. brachte die Herrschaft des Manasse (696–642 v.Chr.) unter assyrischer Suprematie beziehungsweise unter der pax assyriaca eine Phase der Konsolidierung für Juda und Jerusalem mit sich.689 Den Verlust der fruchtbaren Schefela im Westen konnte man durch eine verstärkte ökonomische Nutzung des Jerusalemer Umlands (Kapitel 2.7.6.2) sowie der verbliebenen Gebiete südlich und östlich des Berglands kompensieren.690 Diese in der Tendenz positive Entwicklung lässt sich auch anhand der Demografie Jerusalems ablesen: Nach einem gewissen Bevölkerungsrückgang im Gefolge des Sanheribfeldzugs erlebte die Stadt ein kontinuierliches Wachstum. Unter Manasses Sohn Joschija (639–609 v.Chr.)691 betrug die Einwohnerzahl schließlich wohl 6.000–10.000 Person.692 Wie die Grabungen von Y. Shiloh in der Davidstadt (Silwan) (Stratum 11–10) zeigen, hat man das in Areal E ergrabene Gebiet im Vergleich mit der Eisenzeit IIB stärker verändert. Konnten für das 8. Jahrhundert v.Chr. noch Überreste eines dicht bebauten Wohnviertels nachgewiesen werden (Stratum 12), war dieser Bereich im (späteren) 7. Jahrhundert v.Chr. durch größere und zumindest partiell administrativ genutzte Häuser geprägt.693 In diesem Zusammenhang sei etwa auf das dreiphasige Gebäude 1269 („Ashlar House“) aus Quadermauerwerk (Stratum 10A–C, spätes 7. bis frühes 6. Jahr-

689

Vgl. zur (Re-)Konstruktion der Herrschaft des Manasse unter der pax assyriaca (in Auswahl) O. LIPSCHITS (2005) 10–11; A. FAUST (2012) 160–161; G. LEHMANN (2012) 294–306; C. FREVEL (22018) 300–304 und jetzt auch Y. GADOT (2022) 145–161 (jeweils mit weiteren Referenzen). 690 Gleichzeitig wurden die Territorien südlich und östlich des Berglands verstärkt militärisch gesichert. Dies lässt sich anhand der Errichtung von Festungen wie Ḥorvat ꜤUzzā/Ḫirbet Ġazze oder Tell ꜤArād/Arad im Negev greifen. Am westlichen Ufer des Toten Meeres ist mit Tel Goren (Stratum V) ein durch die königlich-judäische Administration verwalteter Komplex aus dem 7. Jahrhundert v.Chr. zur Gewinnung von Rohstoffen (Salz, Asphalt und Schwefel) bezeugt. Siehe zum Ganzen I. FINKELSTEIN (1994) 169–184 (hier: 175–179); A. FAUST/E. WEISS (2011) 190–199; G. LEHMANN (2012) 297– 298.305 und ebenso den Überblick bei D. VIEWEGER (2019b) 302 und A. BERLEJUNG (62019a) 118. 691 Zu Joschijas Herrschaft im Spiegel des AT informiert F. ČAPEK (2019) 45–59. Vgl. dazu auch N. NAʾAMAN (2005) 189–247. B.U. SCHIPPER (2010) 200–226 diskutiert die vasallische Bindung des Joschija und des Jojakim (608–598 v.Chr.) an Ägypten sowie die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf Juda. O. LIPSCHITS (2019b) 29 weist auf das Fehlen extrabiblischer Quellen bezüglich der ägyptischen Hegemonie über Juda hin, hält aber ungeachtet dessen eine Abhängigkeit des Joschija für plausibel. 692 Hier mit M.L. STEINER (2001) 114 und H. GEVA (2014) 138–141 (dort auch weitere Literatur). H.M. NIEMANN (2019) 20 rechnet für das 7. Jahrhundert v.Chr. mit einer etwas höheren Bevölkerungszahl von maximal 12.000 Personen. N. NAʾAMAN (2008) 21–56 (hier: 40–43) hält eine umgekehrte Entwicklung für möglich: Seines Erachtens sei Jerusalems kurz nach 701 v.Chr. aufgrund des Zustroms von Geflüchteten angewachsen, habe aber sodann an Einwohnern verloren. 693 So: A. DE GROOT (2012) 165.

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

hundert v.Chr.) verwiesen, für das A. De Groot694 eine öffentliche Funktion annimmt. Am Fuß der Stepped Stone Structure haben K.M. Kenyon (Areal A I–III; XXIII) und Y. Shiloh (Areal G) mehrere auf zwei Terrassen errichtete Eisen-IIC-zeitliche Gebäude identifizieren können.695 Aus einem Vierraumhaus, dem sogenannten „Haus des Aḥiel“, sind Überreste von 37 Gefäßen mit einigen Rosettenstempelabdrücken belegt. Eine im Gebäude nachgewiesene Installation ist als Sanitäranlage beziehungsweise Toilette anzusprechen.696 Dies deutet nicht nur auf die Verfügbarkeit eines größeren Ressourcenpotenzials und den Wohlstand des Besitzers hin, sondern auch auf den Einsatz von spezialisierteren Baumeistern. In einer benachbarten architektonischen Struktur (Gebäude 967, dem sogenannten „Haus der Bullen“ [„House of the Bullae“]) hat man 51 Tonbullen aus der Zeit des späten 7. bis frühen 6. Jahrhunderts v.Chr. entdeckt. Während Y. Shiloh697 das Gebäude als öffentliches Archiv deutete, handelt es sich nach M.L. Steiner698 um ein Privatarchiv. Ungeachtet dessen belegen hochwertige Kleinfunde aus dem Quartier (wie etwa aus Syrien importierte Elfenbeinarbeiten) und die Ausstattung der Häuser mit Sanitäranlagen, dass hier ein blühendes Wohnviertel der Jerusalemer Oberschicht aus joschijanischer Zeit ergraben worden ist.699 Im Bereich des Givʿati-Parkplatzes, an der Nordwestseite des Südosthügels, haben D. Ben-Ami und Y. Tchekhanovets700 die Südmauer eines Monumentalgebäudes freigelegt und in die Eisenzeit IIC datiert. Im Rahmen neuer Untersuchungen im Jahr 2017 konnten Y. Gadot und Y. Shalev allerdings zeigen, dass die fraglichen Überreste aus seleukidischer Zeit stammen.701 Jedoch existierte während des 7. Jahrhunderts v.Chr. an

694 A. DE GROOT (2012) 166, gefolgt von D. BEN-SHLOMO (2019a) 27. Zu Stratigrafie und Architektur vgl. A. DE GROOT/H. BERNICK-GREENBERG (2012a) 22–30; Plan 8–9; Abb. 3; Foto 15–24. Bauwerke von öffentlichem Charakter waren in der Eisenzeit IIB–C offenbar auch im Gebiet des Ofel lokalisiert. Diesbezüglich haben B. Mazar und E. Mazar bei ihren Grabungen zwischen 1968–1977 sowie 1986–1987 mindestens zwei Gebäude freigelegt, die sie mit der königlich-judäischen Administration assoziieren. Vgl. dazu E. MAZAR/B. MAZAR (1989) 13–48; Foto 16–92. Die Funde und Befunde der Eisenzeit IIB–C, welche E. Mazar und ihre Mitarbeiter zwischen 2009 und 2013 im Ofel ergraben haben, bespricht E. MAZAR (2018b) 175–186; Abb. II.1.1–4; Foto II.11–8. 695 Dazu Y. SHILOH (1984) 17–20 sowie M.L. STEINER (2001) 57–80. Vgl. auch A. DE GROOT (2012) 169. 696 Hier Y. SHILOH (1984) 18 und M.L. STEINER (2001) 78 folgend. 697 Y. SHILOH (1984) 20. A. MENDEL-GEBEROVICH/O. CHALAF/J. UZIEL (2020) 159–182 besprechen 68 teils anepigrafische und in das späte 8. bis frühe 6. Jahrhundert v.Chr. zu datierende Bullen und -fragmente sowie drei Siegel, die aus neuen Grabungen auf dem Südosthügel (Areal U) stammen. 698 Dazu M.L. STEINER (2001) 144 mit Verweis auf das weitere Fundgut (etwa Mörser und Stößel, Fragmente von Haushaltskeramik sowie einen Bronzeohrring), welches ihres Erachtens eine private Nutzung impliziere. Zu den von E. Mazar zwischen 2005 und 2008 in unmittelbarer Nähe ergrabenen Schuttschichten aus der Eisenzeit IIC vgl. E. MAZAR (2015a) 41–64; Plan 1.1–2; 1.6–11; Foto 1.38– 76. 699 So: A. DE GROOT (2012) 169 (mit Referenzen); M. KÖSZEGHY (2015) 64 sowie D. BEN-SHLOMO (2019a) 24. Vgl. auch den Kommentar bei M.L. STEINER (2001) 80: „[…] a town quarter for artisans and tradespeople […]“. 700 D. BEN-AMI/Y. TCHEKHANOVETS (2019) 265. 701 Y. SHALEV u.a. (2020) 162.

2.7 Zur Situation in der Eisenzeit IIC

119

gleicher Stelle ein älteres Bauwerk (Gebäude 100).702 Dessen rekonstruierte Größe von mindestens 10 x 17 m, die Existenz eines zweiten Stockwerks, der Nachweis von Quadermauerwerk sowie Funde von Siegeln und Bullen lassen es plausibel erscheinen, dass es sich um einen administrativ genutzten Komplex von größerer Bedeutung gehandelt hat.703 Möglicherweise war mit diesem Bauwerk auch das bereits vor einigen Jahren in Bereich des Givʿati-Parkplatzes gefundene Fragment eines protoäolischen Volutenkapitells assoziiert.704 Auf dem Südwesthügel ließ man unter Hiskija von Juda Mauer 555 – die sogenannte „Breite Mauer“ („Broad Wall“) – mit Gebäudestrukturen und Installationen überbauen (N. Avigad, Areal A, Stratum 7).705 Offenbar stand diese Maßnahme in Zusammenhang mit der Begradigung der städtischen Fortifikationen, welche man in der frühen Eisenzeit IIC nach Norden versetzte. Entsprechende Überreste dieser neuen Umfriedung konnten bei den Grabungen im Jüdischen Viertel der Altstadt in Areal W (Stratum 6, Mauer 4006 und Mauer 4030)706 sowie Areal X-2 (Stratum 8, Mauer 4220 und Mauer 4221) ergraben werden.707 Archäologisch gut nachweisbar ist die Destruktion Jerusalems durch neubabylonische Truppen im Jahr 587/86 v.Chr. Umfängliche Anzeichen für Zerstörungen in der Davidstadt (Silwan) sind durch Y. Shiloh708 anhand einer Brandschicht in einem Raum des Gebäudes 977 („Burnt Room“) sowie durch Funde von Pfeilspitzen identifiziert worden. Zudem hat man auch das von Y. Gadot und Y. Shalev709 im Bereich des Givʿati-Parkplatzes nachgewiesene Monumentalgebäude destruiert. Darüber hinaus 702 Die Grabungsergebnisse sind bisher nicht final publiziert worden. Vgl. zum Ganzen vorläufig Y. SHALEV u.a. (2020) 156–160 mit Abb. 6–9. 703 Vgl. Y. SHALEV u.a. (2020) 158–159.167 („elite public building“) und N. SHALOM u.a. (2021) 3. 704 Dazu D. BEN-AMI/Y. TCHEKHANOVETS (2015) 67–71; D. BEN-AMI/Y. TCHEKHANOVETS (2019) 265. Vgl. auch Kapitel 2.5.4.1. 705 N. AVIGAD/H. GEVA (2000) 42.44.82. Weitere Siedlungsaktivitäten im Gebiet des Jüdischen Viertels der Altstadt sind für den fraglichen Zeitraum durch archäologische Untersuchungen der Israelischen Altertumsbehörde (IAA) unterhalb der Hurva Synagoge und der Tiferet Israel Synagoge belegt. Vgl. H. GEVA/O. GUTFELD/R. NENNER-SORIANO (2019) 291–292.299. 706 Vgl. H. GEVA (2000a) 28; H. GEVA/R. REICH (2000) 42; H. GEVA (2003a) 513–514 und D. BENSHLOMO (2019a) 33. Für die architektonische Analyse siehe wiederum H. GEVA/N. AVIGAD (2000a) 133–134.148–158; Abb. 3.1–2; Foto 3.3; 3.16–3.29. 707 Dazu H. GEVA/N. AVIGAD (2000b) 208–210.212–215; Plan 4.1; Abb. 4.2; Foto 4.15–4.18 und H. GEVA (2003a) 514. Zur Datierung der relevanten Befunde aus den Arealen W und X-2 in die Eisenzeit IIC vgl. H. GEVA/N. AVIGAD (2000a) 157; H. GEVA/N. AVIGAD (2000b) 206.215; H. GEVA (2003a) 514–516 und K. BIEBERSTEIN (2017) 80. Bei den archäologischen Untersuchungen von A. Reʾem unterhalb der ehemaligen osmanischen Kaserne („Kishle“) sind lediglich Überreste von Keramik aus der Zeit des späten 7. bis frühen 6. Jahrhunderts v.Chr. (Stratum VIII) nachgewiesen worden. Das Fehlen entsprechender Architektur resultiert möglicherweise aus der Überbauung in herodianischer Zeit. Vgl. zum Ganzen A. REʾEM (2018) 252–253 sowie A. REʾEM (2019) 139. 708 Y. SHILOH (1984) 19 verweist zudem auf Funde von Pfeilspitzen in Gebäude 967, dem sogenannten „Haus der Bullen“. Vgl. zum Ganzen auch die Ausführungen bei A. FAUST (2012) 23–24 und C. FREVEL (22018) 317. Eine detaillierte Synopse der im Stadtgebiet von Jerusalem nachgewiesenen Zerstörungsspuren aus der Zeit von 587/86 v.Chr. findet sich ebenso bei O. LIPSCHITS (2005) 210–218. Dazu auch O. LIPSCHITS (2011) 166. 709 Y. SHALEV u.a. (2020) 159 mit Abb. 8–9.

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

sind vom Südwesthügel Reste einer Brandschicht sowie von vier Pfeilspitzen (Areal W, Stratum 6) bezeugt.710 Nach der neubabylonischen Militärintervention war die Stadt nur noch sehr spärlich besiedelt, jedoch nicht vollständig unbewohnt. Schließlich deuten einzelne Funde aus der Davidstadt (Silwan) sowie aus einem Gräberfeld im HinnomTal wenigstens auf gewisse Aktivitäten im Zeitraum nach 587/86 v.Chr. bis zum Beginn der Eisenzeit III/Achämenidenzeit hin.711 2.7.6.2 Das Hinterland Jerusalems Um die mit der Abtretung schefelitischer Gebiete nach 701 v.Chr. verbundenen Ernteausfälle zu kompensieren, bewirtschaftete man in Juda während der Eisenzeit IIC in verstärktem Maße die Refaim-Ebene sowie das Benjamin-Plateau, aber auch Teile des Beerscheba-Beckens und der judäischen Wüste von Tell es-Sulṭān/Jericho bis nach ʿĒnGedi/En-Gedi.712 Für das Jerusalemer Hinterland stellte dabei das 7. Jahrhundert v.Chr. ausweislich von mehr als 60 nachgewiesenen Klein- und Kleinstsiedlungen sowie Einzelgebäuden und landwirtschaftlichen Installationen einen Höhepunkt bezüglich der agrarischen Nutzung dar.713 Im Gebiet des Benjamin-Plateaus sind dahingehend etwa in Tell el-Fūl (Stratum II) erstmals wieder seit der Eisenzeit IIA mehrere Silos bezeugt.714 Westlich von Jerusalem hat man in der frühen Eisenzeit IIC Tel Moẓa/Moza (Stratum IV) stärker ausgebaut. So wurde im 7. Jahrhundert v.Chr. das in Areal D bereits für die Eisenzeit IIB nachgewiesene und durch Silos geprägte Gelände um zusätzliche Vorratsgebäude erweitert.715 In Areal B wurde bei den Untersuchungen der Israelischen Altertumsbehörde (IAA) von 1993, 2002 und 2003 ein größeres Bauwerk (Gebäude 500) aus der Eisenzeit IIC ergraben. Aufgrund der Fassadengestaltung mit mindestens einer Ante sowie der Ausstattung des Gebäudeinneren mit einer Bank plädieren A. De Groot

710

Hier mit H. GEVA/N. AVIGAD (2000a) 155.158. Dazu auch O. KEEL (2007) 757 und K. BIEBER(2017) 84. 711 Vgl. O. LIPSCHITS (2005) 210–213 und I. FINKELSTEIN (2016) 7 für Referenzen und zum Ganzen auch H. GEVA (2014) 141 sowie A. BERLEJUNG (62019a) 155–156. J. MIDDLEMAAS (2007) 30–32, gefolgt von K. BIEBERSTEIN (2017) 84 mit Anmerkung 269, diskutiert die Fortführung des Jerusalemer Opferkults in deutlich verkleinertem Maßstab nach 587/86 v.Chr. (vgl. Jer 41,4–9). Gegen jede Form von Siedlungskontinuitäten argumentiert nun E. GAß (2016b) 265–266, nach dem es „[…] keinen belastbaren Hinweis für eine Besiedlung Jerusalems in babylonischer Zeit“ gebe. 712 Vgl. C. FREVEL (22018) 302–303; D. VIEWEGER (2019b) 302 und O. LIPSCHITS (2019b) 31–36. Siehe zum Ganzen auch A. FAUST (2012) 49–50 (mit weiterer Literatur) 713 Dazu Y. GADOT (2015) 16–18; Tab. 2; Y. GADOT (2022) 146–149. Vgl. auch I. FINKELSTEIN (1994) 175 und G. LEHMANN (2012) 296.304. A. FAUST (2012) 38–48 und M. KÖSZEGHY (2015) 78– 91 bieten detaillierte Übersichten über Klein- und Kleinstsiedlungen im Umland Jerusalems während der späten Eisenzeit II. 714 Neben Silos sind auch Befestigungen aus der Eisenzeit IIC nachzuweisen. Siehe zum Ganzen G. LEHMANN (2012) 296 und M. KÖSZEGHY (2015) 75 (jeweils mit Referenzen). 715 So: Z. GREENHUT/A. DE GROOT (2009a) 223. Für eine detaillierte Diskussion des archäologischen Befunds vgl. Z. GREENHUT (2009) 34–35; Abb. 2.34–35. In Areal A hat man ein öffentlich genutztes Gebäude („Pavement Structure“) freigelegt, dessen Fußböden mit Steinfliesen ausgekleidet waren (Z. GREENHUT [2009] 22–24; Plan 2.3; Abb. 2.17–19).

STEIN

2.7 Zur Situation in der Eisenzeit IIC

121

und Z. Greenhut für eine kultische Nutzung.716 Bei den seit 2012 wieder aufgenommenen Ausgrabungen hat man weitere Bereiche des fraglichen Hauses freigelegt und als eine jüngere Bauphase des an gleicher Stelle für die Eisenzeit IIA nachgewiesenen Tempels (Kapitel 2.5.5) identifiziert. Im Zuge der noch andauernden archäologischen Feldforschung konnte allerdings bisher nicht eruiert werden, ob die fragliche architektonische Struktur im 7. Jahrhundert v.Chr. tatsächlich noch als Tempel mit eigenem Opferkult fungierte, oder welche anderen Funktionen mit ihr verbunden waren.717 Archäologisch zweifelsfrei nachgewiesen ist hingegen die Destruktion von Tel Moẓa/Moza im frühen 6. Jahrhundert v.Chr., wobei Funde und Befunde für die Zeit nach 587/86 v.Chr. erst wieder aus der hellenistischen Epoche stammen.718 Für Rāmat Rāḥēl/Ḫirbet Ṣāliḥ ist wie in Kapitel 2.6.6.2 gezeigt davon auszugehen, dass man die älteste Bauphase (Stratum VB [Y. Aharoni]/Bauphase I [O. Lipschits, M. Oeming und Y. Gadot]) vielleicht erst in der Zeit des Manasse (696–642 v.Chr.) von Juda errichtet hat. Obwohl eindeutige assyrische Kleinfunde (bisher) fehlen, sprechen die Ausgräber den Komplex als potenzielle Residenz eines assyrischen qīpu-Beamten an, welchem die Beaufsichtigung der judäischen Vasallenkönige oblegen habe.719 Unabhängig davon lassen sich in der näheren Umgebung Jerusalems andere monumentale und repräsentative Bauprojekte nachweisen, die in das 7. Jahrhundert v.Chr. zu datieren sind und assyrische Einflüsse aufweisen. Diesbezüglich repräsentativ ist etwa eine in Armon ha-Natziv (UN Government House) mit Blickachse zur Davidstadt (Silwan) und dem Tempelberg (Ḥaram eš-Šarīf) nachgewiesene Struktur, welche wahrscheinlich die Übernahme königlich-assyrischer Architektur und Landschaftsgestaltung in Juda während der Herrschaft des Manasse reflektiert.720 In der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts v.Chr. – wahrscheinlich unter Joschija von Juda (639–609 v.Chr.) – hat man Rāmat Rāḥēl (Stratum VA [Y. Aharoni]/Bauphase II [O. Lipschits, M. Oeming und Y. Gadot]) weiter ausgebaut. Der Gebäudekomplex wurde um zusätzliche Räume und Höfe721 sowie um ein System von Zisternen und Kanälen erweitert, welches zur Bewässerung einer neu angelegten Gartenanlage respektive 716 Dazu der Kommentar bei Z. GREENHUT/A. DE GROOT (2009a) 225: „[…] a public building, which may have been used for cultic purposes.“ Über die Architektur des Gebäudes informiert Z. GREENHUT (2009) 50–54; Plan 2.15; Abb. 2.47–48. Vgl. ebenso die Ausführungen bei S. KISILEVITZ (2015) 149. 717 S. KISILEVITZ (2015) 149–150 und S. KISILEVITZ/O. LIPSCHITS (2020) 303. Anders hingegen: N. NAʾAMAN (2017) 4, nach dem Gebäude 500 ausschließlich für administrative Zwecke gedient habe. 718 Vgl. Z. GREENHUT/A. DE GROOT (2009a) 217 und auch I. FINKELSTEIN/Y. GADOT (2015) 227. 719 Siehe etwa N. NAʾAMAN (2001) 270–275; P. ZILBERG (2016) 392–394 und O. LIPSCHITS u.a. (2017) 52. C. FREVEL (22018) 302 hält auch eine zumindest zeitweilige Nutzung der Anlagen von Rāmat Rāḥēl durch das judäische Königshaus für plausibel. Nach Y. GADOT (2022) 152 wären grundsätzlich verschiedene Gebäudekomplexe wie Rāmat Rāḥēl/Ḫirbet Ṣāliḥ oder etwa Mordot Arnona als Sitz der assyrischen Administration in Juda vorstellbar. Vgl. auch A. BERLEJUNG (2012) 24, welche die Stationierung eines qīpu-Beamten in Jerusalem für wahrscheinlich hält. 720 Hier Y. GADOT (2022) 149.152 folgend. Zu den ergrabenen Funden und Befunden vgl. jetzt Y. BILLIG/L. FREUD/E. BOCHER (2022) 8–31; Abb. 1–15, welche das fragliche Bauwerk als „prächtigen Palast beziehungsweise königliches Anwesen“ („lavish palace or royal estate“) ansprechen. 721 Vgl. dazu und zum Folgenden Y. GADOT/O. LIPSCHITS (2016) 719–721; O. LIPSCHITS u.a. (2017) 60–94 mit Abb. 70–127 und O. LIPSCHITS/Y. GADOT/M. OEMING (2020) 478–481.

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

eines Lustgartens fungierte.722 Funde von annähernd 40 Rosettenstempel- und 75 Löwensiegelabdrücken bezeugen eine administrative Nutzung des Ensembles im 7. Jahrhundert und während der neubabylonischen Hegemonie über das Bergland im 6. Jahrhundert v.Chr.723 Somit deutet ausweislich des archäologischen Befunds vieles darauf hin, dass Stratum VA (Y. Aharoni) beziehungsweise Bauphase II (O. Lipschits, M. Oeming und Y. Gadot) um 587/86 v.Chr. nicht oder zumindest kaum von einer nachweisbaren Destruktion betroffen war.724 Trotz der für Rāmat Rāḥēl/Ḫirbet Ṣāliḥ nachgewiesenen Kontinuität führten die Interventionen des Nebukadnezar II. (605–562 v.Chr.) zu einem starken Niedergang der Siedlungsaktivitäten in Juda insgesamt. Abgesehen von Rāmat Rāḥēl war vor allem das nördliche Hinterland offenbar kaum von kriegerischen Einwirkungen betroffen.725 Deshalb ließen die Neubabylonier nach 587/86 v.Chr. in Tell en-Naṣbe/Mizpa ein politischadministratives Zentrum (Stratum 2 [J.R. Zorn]) errichten. Neben den biblischen Notizen von 2 Kön 25,22–26 und Jer 40,7–41,8 bezeugen dies nicht nur mehrere große Vierraumhäuser mit Vorratsräumen und Funde von griechischer Importkeramik sowie Keramiksarkophagen, sondern auch die hohe Konzentration von ca. 30 m(w)ṣh-Stempelsiegelabdrücken, welche mit der neubabylonischen Administration in den judäischen Bergen zu assoziieren sind.726 2.7.7 Zur historischen Auswertung und (Re-)Konstruktion der aschdodisch-judäischen Beziehungen in der Eisenzeit IIC Im Hinblick auf die Entwicklung der Beziehungen von Bergland und Küste während der Eisenzeit IIC stellte bis zum letzten Drittel des 7. Jahrhunderts v.Chr. die assyrische Hegemonie über Palästina den prägendsten Faktor dar. Die auf Geheiß des Sanherib nach 701 v.Chr. durch Juda an Esdūd/Aschdod, Tel Miqnē/Ekron und Ġazze/Gaza abgetretenen Gebiete (dazu auch Kapitel 2.7.2) dürften in der relevanten Epoche 722 Zu Aufbau und Funktion des Bewässerungssystems sowie über die Eisen-IIC-zeitliche Gartenanlage informieren B. GROSS/Y. GADOT/O. LIPSCHITS (2020) 459–468; Abb. 18.1–4. Vgl. ebenso O. LIPSCHITS u.a. (2017) 63–74; Abb. 76–99. 723 Bezügliche der administrativen Nutzung von Rāmat Rāḥēl/Ḫirbet Ṣāliḥ während des frühen 7. Jahrhunderts v.Chr. vgl. ebenso die Ausführungen in Kapitel 2.6.6.2. 724 Hier mit Y. GADOT/O. LIPSCHITS (2016) 719–721; LIPSCHITS u.a. (2017) 80–82.88 sowie O. LIPSCHITS/Y. GADOT/M. OEMING (2020) 481. Dazu auch O. LIPSCHITS (2019b) 27–28 (mit weiterer Literatur). 725 Möglicherweise war auch die Region zwischen Betlehem und Bēt Ṣūr/Bet-Zur kaum von einer rückläufigen Bevölkerungsentwicklung betroffen. Vgl. zum Ganzen die demografischen Analysen bei O. LIPSCHITS (2003) 323–376 (hier besonders: 355–366 mit Tab. 1–3 und Abb. 3) und O. LIPSCHITS (2005) 258–271; Tab. 4.1–3; Abb. 4.9. Siehe auch O. LIPSCHITS (2004) 99–107. 726 Siehe J.R. ZORN (1993b) 1101–1102 und J.R. ZORN (2013) 400–408 (hier besonders: 406–407). Vgl. auch O. LIPSCHITS (2005) 109–112.237–241; Abb. 4.6 und D. VIEWEGER (2019b) 308. Zu den Ergebnissen der während der 1920er und 1930er Jahre unter Leitung von W.F. Badè in Tell enNaṣbe/Mizpa durchgeführten Ausgrabungen siehe C.C. MCCOWN (1947) und J.C. WAMPLER (1947). Für eine Neubewertung von Stratigrafie, Architektur und Funden vgl. noch immer die Dissertation von J.R. Zorn (J.R. ZORN 1993a). Kritische Evaluierungen finden sich ebenso bei D.S. VANDERHOOFT (2003) 254–255 und A. FAUST (2012) 215–216.223–224.

2.7 Zur Situation in der Eisenzeit IIC

123

zumindest faktisch (weitestgehend) allein durch die Herren von Ekron beherrscht worden sein. Dafür spricht insbesondere die geografische Lage von Tel Miqnē in der inneren Küstenebene sowie die archäologisch gut nachweisbare demografische und ökonomische Dominanz dieser urbanen Siedlung (Kapitel 2.7.5). Ohnehin dürften sich die Machthaber in Aschdod unter wachsendem assyrisch-phönizischen Einfluss und angesichts der allmählichen Etablierung von Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam zu einem wichtigen Zentrum in verstärktem Maße auf den Seefernhandel konzentriert haben. Im Sinne eines solchen für die frühe Eisenzeit IIC vorauszusetzenden Szenarios wäre die Investition aschdodischer Ressourcen in die Administrierung oder sogar den Ausbau peripherer Territorien in der Schefela kaum plausibel gewesen. Für Juda blieb die Schefela während der gesamten Regentschaft des Manasse (696– 642 v.Chr.) weitestgehend verloren. Wenn überhaupt, dürften in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts v.Chr. nur kleine Bereiche westlich des Berglands durch Jerusalem beherrscht worden sein. Im Hinblick darauf mag vielleicht die erst kürzlich nachgewiesene Siedlung unmittelbar bei ʿĒn-Šems/Bet-Schemesch (Kapitel 2.7.5) einen Grenzort dargestellt haben, was für eine (möglicherweise auch nur kurzzeitige) judäische Hegemonie über das östliche Sorek-Tal sprechen würde. Zwar halten es A. Fantalkin727 und O. Keel728 darüber hinaus für denkbar, dass Juda bereits in der frühen Eisenzeit IIC seinen Macht- und Einflussbereich weiter nach Westen habe ausdehnen können, doch wäre dies überhaupt nur mit assyrischem Einverständnis und nur unter Duldung der Herren von Ekron vorstellbar.729 Eine gewisse judäische Expansion Richtung Küste gelang frühestens im letzten Drittel des 7. Jahrhunderts v.Chr. beziehungsweise in der Zeit des Joschija (639–609 v.Chr.) mit ihren veränderten Rahmenbedingungen unter ägyptischer Suprematie.730 Ausschlaggebend dafür war der Bedeutungsverlust Ekrons ab ca. 630 v.Chr., auf den der nachweisbare Rückgang der Olivenölherstellung (Stratum IB) hindeutet. Annähernd zeitgleich erfolgte der Ausbau von Tell Zakarīye/Aseka und Tell ed-Duwēr/Lachisch (Stratum II) zu judäischen Grenzfestungen, wobei sich die Garnison von Lachisch durch einen deutlich bescheideneren Umfang im Vergleich mit der Eisen-IIB-zeitlichen Feste am selben Ort auszeichnete.731 Zudem verweist vielleicht auch die Fundkonzentration von Rosettenstempelabdrücken aus dem späten 7. Jahrhundert v.Chr. auf eine moderate

727

A. FANTALKIN (2004) 245–261, welcher mit einer judäisch-ekronitischen Kooperation rechnet. O. KEEL (2007) 473 mit Verweis auf den Ausbau von Tell ed-Duwēr/Lachisch (Stratum II). Siehe dazu aber den weiteren Fließtext. 729 So mit G. LEHMANN (2012) 289–309 (hier: 294–299) und I. FINKELSTEIN (2018) 194. Vgl. ebenso A. BERLEJUNG (2012) 44 Anmerkung 102 und H.M. NIEMANN (2022) 72. 730 Vgl. dazu I. FINKELSTEIN (1994) 169–187; N. NAʾAMAN (2008) 25–27; S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2016c) 53–55.152–153; S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2017) 38–39 sowie O. LIPSCHITS (2019b) 31–34 (dort auch weitere Referenzen). 731 Zur Wiedererrichtung einer Siedlung auf dem Tell Zakarīye/Aseka frühestens nach 650 v.Chr. (im Anschluss an eine Wüstungsphase) siehe O. LIPSCHITS/Y. GADOT/M. OEMING (2017) 15–16. Für die Erbauung von Tell ed-Duwēr/Lachisch (Stratum II) im späten 7. Jahrhundert v.Chr. vgl. D. USSISHKIN (2004) 90–93 sowie zum Ganzen auch O. LIPSCHITS (2019b) 32–34 und A. BERLEJUNG (62019a) 119 (jeweils mit weiterer Literatur). 728

124

Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

Westverschiebung der Einflusssphäre Jerusalems.732 Unabhängig davon dürfte wahrscheinlich erst nach der Destruktion von Ekron im Jahr 604 v.Chr. – vielleicht noch für die kurze Zeitspanne bis 587/86 v.Chr. – das Gebiet um den nun verheerten Tel Miqnē an Juda gefallen sein. Die Zusammensetzung der materiellen Kultur des nahegelegenen Tell el-Bāṭāšī (Stratum II) mit ihren Affinitäten zum Bergland impliziert ein solches Szenario.733 Jedoch ließe sich dieses Phänomen auch durch Handelskontakte und einen damit korrespondierenden kulturellen und sozialen Austausch erklären (siehe dazu den weiteren Fließtext). Unbeschadet einer möglichen Beherrschung des ekronitischen Gebiets durch das Bergland um 600 v.Chr. ist weder unter den Gegebenheiten der ägyptischen noch der neubabylonischen Suprematie eine Erweiterung des judäischen Machtbereichs bis an die Küste wahrscheinlich. Auch eine nur punktuelle Kontrolle von Territorien unmittelbar am Mittelmeer – wie vor allem von Məṣad Ḥăšavyāhū – kann nahezu ausgeschlossen werden.734 Mit Blick auf diese Ortslage hat sich in den letzten Jahren ein weitestgehender Forschungskonsens herausgebildet, nach dem an diesem Fundplatz im späten oder ausgehenden 7. Jahrhundert v.Chr. entweder eine ägyptische Festung oder aber ein griechischer Handelsstützpunkt unter ägyptischer Hegemonie existierte. Unbeschadet dessen ist ausweislich eines hebräischen Ostrakons735 die Anwesenheit wenigstens von Einzelpersonen aus dem judäischen Bergland nachweisbar, die in Məṣad Ḥăšavyāhū vielleicht als Händler, Söldner oder Arbeiter tätig gewesen sind. Bezüglich der ökonomischen Beziehungen zwischen Aschdod und Juda lässt sich für die Zeit des Manasse eine deutliche Intensivierung belegen. Dies betrifft erstens eine Steigerung des Binnenhandels mit der Küstenebene (Interaktionsebene I), wovon der im Vergleich mit vorangehenden Epochen stark vermehrte Nachweis von Knochen mariner Fischspezies in Jerusalem zeugt.736 Zweitens erhielt das Bergland vermittelt über die südpalästinische Küste nun in verstärktem Maße Zugang zum assyrisch-phönizischen 732

I. KOCH/O. LIPSCHITS (2013) 55–78 (hier: 64–66). Vgl. auch O. LIPSCHITS (2005) 139–140. Für diese Position siehe I. KOCH/O. LIPSCHITS (2013) 65–66. Nach A. MAZAR (1994) 262–263 könnte Tell el-Bāṭāšī/Timna vielleicht schon während der Herrschaft des Joschija unter judäische Kontrolle gelangt sein. Mit Blick auf den Status Ekrons bis 604 v.Chr. erscheint dies allerdings weniger wahrscheinlich. Vgl. auch die Diskussion bei A. MAZAR/N. PANITZ-COHEN (2001) 55 und S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (2016c) 55. 734 Hier mit N. NAʾAMAN (1991) 44–46; A. FANTALKIN (2001) 3–165 (hier besonders: 137–147); R. WENNING (2001) 262; B.U. SCHIPPER (2011) 275–277 sowie C. FREVEL (22018) 306–307. Unentschieden bleiben A. BERLEJUNG (62019a) 199 und D. VIEWEGER (2019b) 305. Anders und für eine judäische Kontrolle von Məṣad Ḥăšavyāhū optierte vor allem die ältere Forschung. Vgl. in diesem Zusammenhang etwa J. NAVEH (1960) 135–136; F.M. CROSS (1962) 42–45 und H. TADMOR (1966) 102. Bezüglich der ägyptischen Hegemonie über Juda im späteren 7. Jahrhundert v.Chr. informieren B.U SCHIPPER (1999) 228–242 und B.U SCHIPPER (2010) 200–226. Vgl. dazu auch J.M. MILLER/ J.H. HAYES (22006) 446–448.451–453 sowie O. KEEL (2007) 512–517. 735 Ostrakon Məṣad Ḥăšavyāhū 1. Text: J. NAVEH (1960) 129–139; Abb. 1–3; Taf. 17–18. Eine Übersetzung sowie eine Bibliografie bietet M. WEIPPERT (2010) 370–372 Text-Nr. 225. 736 Verwiesen sei diesbezüglich etwa auf die in die Eisenzeit IIC zu datierenden Knochenfunde aus den Grabungen von E. Mazar in der Davidstadt (Silwan). Siehe dazu die archäozoologische Analyse bei O. LERNAU (2015) 525–537 (hier: 526–528). Weitere umfangreiche Funde konnten im Bereich des Givʿati-Parkplatzes (Gebäude 100) ergraben werden. Vgl. dazu A. SPICIARICH u.a. (2022) 4–5; Tab. 2. 733

2.7 Zur Situation in der Eisenzeit IIC

125

Handelsnetzwerk. Über die südpalästinischen Hafenstädte hat man wahrscheinlich auch die seltenen Roh- und Baustoffe (wie Zedernholz) für die unter Manasse errichteten Monumentalbauwerke (wie etwa die Anlage von Armon ha-Natziv und wahrscheinlich auch Rāmat Rāḥēl/Ḫirbet Ṣāliḥ, siehe Kapitel 2.7.6.2) importiert. Zudem deckten die an der Küste tätigen Händler die vermehrte Nachfrage der Jerusalemer Oberschicht nach hochwertigen Waren und Luxusgütern (wie kostbaren Möbeln, Elfenbeinarbeiten etc.), welche durch Funde aus der Davidstadt (Silwan) gut bezeugt sind (Kapitel 2.7.6.1). Im Gegenzug konnte Juda seine Agrarüberschüsse in der Küstenebene monetarisieren. Ausweislich des archäologischen Befunds hat im Rahmen der soeben skizzierten Prozesse vor allem die Region von Aschdod eine bedeutende Stellung eingenommen und für das Bergland als wichtiger Handels- und Umschlagplatz fungiert. Dafür sprechen zahlreiche Funde aus Esdūd/Aschdod (Stratum VI) wie beispielsweise beschriftete judäische Kalksteingewichte („Judean Inscribed Limestone Weights“).737 Nachgewiesen sind mindestens drei verschiedene Gewichtsstandards (nṣf,738 beqaʿ739 und pym740), welche für das judäische Maß- und Gewichtssystem des 7. Jahrhunderts repräsentativ sind. Dass Agrarprodukte aus dem Bergland nach Esdūd/Aschdod verbracht worden sind, lässt sich etwa anhand eines lmlk-Henkels741 nachweisen, welchen O. Lipschits, O. Sergi und I. Koch742 als spätes Exemplar aus dem ersten Drittel des 7. Jahrhunderts v.Chr. klassifizieren. Daneben ist beispielsweise auch ein fragmentarischer Siegelabdruck743 aus dem späten 8. oder eher noch dem frühen 7. Jahrhundert v.Chr. bedeutsam, den man als Oberflächenfund in Areal M aufgelesen hat. Die auf dem Objekt erhaltenen hebräischen Buchstaben lamed und mem ergänzen B. Sass, O. Keel sowie J. Renz und W. Röllig744 zu einer lmlk-Formel.745 Neben Olivenöl und Wein – den üblicherweise in lmlk-Krügen transportierten Gütern – hat man in der Eisenzeit IIC aber auch judäisches Getreide an die Küste exportiert. Dies belegen zumindest für das ausgehende 7. Jahrhundert v.Chr. archäobotanische Daten aus ʿAsqalān/Aschkelon, welche sich anhand von Proben aus der Zerstörungsschicht des Jahres 604 v.Chr. gewinnen ließen.746 In Summe zeigt das auf dem Tell von Esdūd/Aschdod ergrabene Fundgut, 737 Über das System der beschrifteten judäischen Kalksteingewichte informieren R. KLETTER (1991) 121–163 und R. KLETTER (1998). 738 M. DOTHAN (1971) 22.40; Abb. 7:18, Taf. XII:4. Vgl. auch Appendix II.9. 739 Vgl. M. DOTHAN (1971) 22.40; Abb. 7:19; Taf. XIII:5 und ebenso Appendix II.10. 740 A. ERAN (1982) 96.99. Kat.-Nr. 50 und M. DOTHAN/Y. PORATH (1982) Abb. 31:2; Taf. XXIX:1. Dazu auch Appendix II.11. 741 Für weitere Informationen zum Objekt und eine Bibliografie vgl. Appendix II.12. 742 Hier O. LIPSCHITS/O. SERGI/I. KOCH (2010) 6–7 und O. LIPSCHITS/O. SERGI/I. KOCH (2011) 15–16 folgend. 743 M. DOTHAN/Y. PORATH (1982) 46; Taf. XXVI:8 (= N. AVIGAD/B. SASS [1997] 399 Kat.Nr. 1065 = O. KEEL [1997] 670–671 Kat.-Nr. Aschdod 26). Vgl. auch Appendix II.13. 744 B. SASS (1993) 237; O. KEEL (1997) 670 Kat.-Nr. Aschdod 26 und J. RENZ/W. RÖLLIG (2003) 415 Kat.-Nr. 30.2. 745 Die in den nachgewiesenen Vorratsgefäßen transportierten landwirtschaftlichen Güter könnten vielleicht von Rāmat Rāḥēl aus über Esdūd/Aschdod in das assyrische Zentrum von Aschdod ad-Halom und/oder zum Hafen von Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam transportiert worden sein. 746 Vgl. dazu A. FAUST/E. WEISS (2011) 193 (mit weiterer Literatur). Nach S. RIEHL/I. SHAI (2015) 531–532 müssen die nachgewiesenen Überreste nicht zwangsläufig einen regelmäßigen Getreidehan-

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

insbesondere die mit der judäischen Administration zu verbindenden lmlk-Siegelabdrücke, dass in der Eisenzeit IIC zwischen Jerusalem und der Küste nunmehr stark intensivierte und durch die jeweiligen Administrationen gelenkte Handelsbeziehungen bestanden (Interaktionsebene III). Für die Zeit des 7. Jahrhunderts v.Chr. beziehungsweise die Herrschaftsperiode des Manasse lassen sich in Esdūd/Aschdod (Stratum VI) aber auch solche archäologischen Funde nachweisen, welche auf (Binnen-)Migrationsprozesse und die längere Anwesenheit von Judäern an der Küste hindeuten (Interaktionsebene IV).747 So ist Haushaltskeramik aus dem Bergland (oder zumindest stärker von dort beeinflusste Ware) exemplarisch anhand der Bruchstücke von zwei judäischen Kochtöpfen748 aus Areal D zu belegen, sogenannten „Judahite Cooking Pots“. Zudem können ergrabene Fragmente von zwei Pferdefigurinen749 als judäische Typen aus dem 8. oder 7. Jahrhundert v.Chr. angesprochen werden, die mit ähnlichen Funden vom Tell Ǧemme, aus Tel Miqnē/Ekron und ʿAsqalān/Aschkelon korrelieren.750 Charakteristisch für das aschdodische Fundgut der Eisenzeit IIC sind weiterhin die Überreste von zwei judäischen Säulen- beziehungsweise Pfeilerfigurinen („Judean Pillar Figurines“), bei denen es sich um ein in situ gefundenes, handmodelliertes751 sowie ein in der Model gepresstes Köpfchen752 handelt. Die (Binnen-)Migration von Berglandbewohnern in das Gebiet der Küstenebene lässt sich für die fragliche Periode aber auch anhand des archäologischen Befunds aus Tel Miqnē/Ekron aufzeigen. Für S. Gitin753 deuten die in verschiedenen Bereichen des Tells ergrabenen 17 Hörneraltäre daraufhin, dass Judäer vor Ort gelebt und ihren Kult praktiziert haben. Überhaupt implizieren die judäischen Einflüsse auf das keramische Fundgut eine zentrale Bedeutung des Gebiets um Tel Miqnē/Ekron als Kontaktzone754 del mit Juda implizieren, sondern deuten möglicherweise auf außergewöhnliche Bevorratungsmaßnahmen am Vorabend der neubabylonischen Belagerung von 604 v.Chr. hin. A. FANTALKIN (2018) 167 deutet das Getreide als judäische Zwangsabgaben, die das Bergland auf ägyptisches Geheiß hin an in ʿAsqalān/Aschkelon stationierte Söldner aus Griechenland lieferte. 747 Gegen: M. DOTHAN (1971) 22 mit Anmerkung 28 und M. DOTHAN (1993a) 94.100, für den die relevanten Funde eine Beherrschung der Gegend von Aschdod durch Juda in joschijanischer Zeit bezeugen. Eine judäische Expansion an die Küste ist jedoch in der Epoche einer erneuerten ägyptischen Hegemonie über Palästina kaum wahrscheinlich. Siehe dazu die Ausfrührungen im Fließtext. 748 M. DOTHAN/D.N. FREEDMAN (1967) Abb. 40:19 sowie M. DOTHAN (1971) Abb. 55:20. Vgl. auch I. FINKELSTEIN/L. SINGER-AVITZ (2001) 247. Zu den an der Küste insgesamt in nur äußerst geringen Mengen nachgewiesenen Eisen-IIC-zeitlichen Keramikimporten aus dem Bergland siehe wiederum D. BEN-SHLOMO (2018a) 272. Über das judäisch-bergländische Keramikrepertoire der Eisenzeit IIC allgemein informiert S. GITIN (2015c) 345–363; Taf. 3.3.1–8. 749 M. DOTHAN (1971) Abb. 66:2 und M. DOTHAN/Y. PORATH (1982) Abb. 34:7. 750 Für Fundreferenzen siehe D. BEN-SHLOMO (2018a) 275 und D. BEN-SHLOMO (2019a) 359. 751 M. DOTHAN (1971) Abb. 65:11 (= R. KLETTER [1996] 177; Appendix 2: Kat.-Nr. 2). Vgl. auch M.D. PRESS (2012) 211–212. 752 M. DOTHAN (1971) Abb. 64:11 (= R. KLETTER [1996] 257; Appendix 4: Kat.-Nr. 5.III.8). Die Fundgattung der judäischen Säulen- beziehungsweise Pfeilerfigurinen allgemein diskutieren O. KEEL/C. UEHLINGER (62010) 370–375 sowie E. DARBY (2014) 303–366. 753 S. GITIN (2002) 95–112 (mit Referenzen) und S. GITIN (2012) 229. Vgl. auch A. FANTALKIN (2004) 256 und H.M. NIEMANN (2013) 253. 754 Zur Typologie von kulturellen Kontaktzonen vgl. C. ULF (2014) 469–504 und für die Anwendung dieses Konzepts auf die Küstenebene Südisraels/Südpalästinas auch P.W. STOCKHAMMER (2018)

2.7 Zur Situation in der Eisenzeit IIC

127

zwischen Küstenebene und Bergland während der ersten Hälfte der Eisenzeit IIC (7. Jahrhundert v.Chr.).755 Dabei dürfte es sich bei den nunmehr im Küstengebiet siedelnden Judäern mehrheitlich um Arbeitskräfte gehandelt haben, die man bei der Olivenölherstellung in Ekron und wahrscheinlich auch im Umfeld des Hafens von Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam benötigte.756 In der Gesamtschau präsentiert sich das 7. Jahrhundert v.Chr. und vor allem die Zeit des Manasse757 als Hochphase für den ökonomischen, kulturellen, sozialen und demografischen Austausch zwischen Aschdod und Jerusalem (Interaktionsebene I–IV) beziehungsweise dem Bergland und der Küstenebene. Ausweislich der Funde und Befunde pflegten beide Territorien unter den politischen sowie ökonomischen Rahmenbedingungen der pax assyriaca eine friedliche Kooperation zu beiderseitigem Vorteil. Im Gegensatz dazu lassen sich etwaige Beziehungen in der neubabylonischen Zeit aufgrund der wenigen archäologischer Daten aus der Gegend von Aschdod (Kapitel 2.7.1–2) und aus Jerusalem (Kapitel 2.7.6), aber ebenso wegen des Fehlens von relevanten extrabiblischen Textquellen, kaum (re-)konstruieren. Doch zumindest im Spiegel der biblischen Literatur zeigt sich – etwa anhand der Erwähnung des „Überrests von Aschdod“ (‫ )שׁארית אשׁדוד‬in Jer 25,20b –, dass man in Juda beziehungsweise im babylonischen Exil noch während des frühen 6. Jahrhunderts v.Chr. das Gebiet von Aschdod, dessen Zentrum zu dieser Zeit wahrscheinlich in Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam (Kapitel 2.7.4) lokalisiert war, als Bezugsgröße wahrgenommen hat (zur Exegese und historischen Auswertung von Jer 25,20b siehe Kapitel 3.5).

375–384. Bezüglich der Funktion des fraglichen Gebiets als Kontaktzone in der Eisenzeit III siehe jetzt auch F. HAGEMEYER (2021) 94–109. 755 Das nachgewiesene keramische Fundgut weist eine Orientierung von bis zu 16% an Formen des judäischen Hügellands auf. Die auf dem näher bei Juda gelegenen Tell el-Bāṭāšī ergrabene Ware lässt sogar noch etwas stärkere Affinitäten erkennen (26% der nachgewiesenen Formen). Vgl. dazu S. GITIN (2015b) 385 und D. VIEWEGER (2019b) 274. 756 Da aussagekräftige Textquellen fehlen, ist nicht zu eruieren, ob die fraglichen Personen Unfreie waren, die entweder aufgrund einer Kooperation der lokalen Fürsten oder infolge des Organisationsdrucks der assyrischen Zentralautorität an die Küste entsandt wurden. Denkbar wäre aber auch, dass es sich zumindest bei einigen der Judäer um im rechtlichen Sinne freie Personen aus der Unterschicht handelte, die aus eigenem Antrieb migrierten und gegen Entlohnung arbeiteten. 757 Die Kontakte und Beziehungen zwischen der Region Aschdod und Jerusalem lassen sich für die Epoche des Joschija von Juda (639–609 v.Chr.) bisher kaum (re-)konstruieren. Da Esdūd/Aschdod und Aschdod ad-Halom ab dem letzten Drittel des 7. Jahrhunderts v.Chr. verlassen waren (Kapitel 2.7.1 und 2.7.4), könnte in dieser Zeit allein Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam als wichtiger Handels- und Umschlagplatz für das Bergland fungiert haben. Allerdings sind Bedeutung und konkrete Funktion dieses Fundplatzes während der Eisenzeit IIC erst noch durch weitere archäologische Untersuchungen zu klären (vgl. dazu auch Kapitel 2.7.4).

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

2.8 Zur Situation in der Eisenzeit III/Achämenidenzeit und der frühen hellenistischen Epoche 2.8 Zur Situation in der Achämenidenzeit und der frühen hellenistischen Epoche

2.8.1 Zur Entwicklung der Siedlung auf dem Tell von Esdūd/Aschdod Nach einer Wüstungsphase in der späteren Eisenzeit IIC (Kapitel 2.7.1) lässt sich eine erneute Besiedlung von Esdūd/Aschdod (Stratum V) erst wieder für die Eisenzeit III (ca. 520–300 v.Chr.) beziehungsweise die Achämenidenzeit (539–333/32 v.Chr.) greifen.758 Das in die Epoche vom späten 6. bis zum ausgehenden 4. Jahrhundert v.Chr. zu datierende keramische Fundgut ist durch Kontinuitäten mit Ware aus der Eisenzeit IIC bezüglich Formenspektrum und Oberflächengestaltung gekennzeichnet.759 Daneben lässt sich eine große Zahl vor allem aus dem ägäischen Raum stammender Importe greifen. Exemplarisch verwiesen sei etwa auf die Fragmente eines attisch-rotfigurigen Kraters mit floralem Dekor760 sowie die Basis eines Skyphos im schwarzfigurigen Stil,761 welche ein Palmettenmotiv zeigt. Die Überreste eines korinthischen Kraters762 sind mit schwarz-violetten Bändern verziert. Zahlreich nachgewiesene Mortaria763 könnten entweder aus Zypern eingeführt worden sein, oder es handelt sich um lokale Produktionen mit zyprischen Einflüssen. Neben Keramik hat man aber auch wertvolle Metallobjekte nach Esdūd/Aschdod exportiert, wie eine bronzene Olpe764 aus der Mitte des 5. Jahr758

Für eine (Re-)Konstruktion des Charakters der Eisen-III-zeitlichen Siedlung von Esdūd/Aschdod (Stratum V) vgl. jetzt F. HAGEMEYER (2021) 100–102. Dazu auch M. DOTHAN (1993a) 100 und D. BEN-SHLOMO (2013a) 72. 759 Hier mit M. DOTHAN (1993a) 100 und D. BEN-SHLOMO (2005b) 235. Charakteristisch für das keramische Fundgut sind die in der Eisenzeit III an der gesamten syro-palästinischen Küste auftretenden Pferd-und-Reiter-Terrakotten. Vgl. M. DOTHAN (1971) 173; Abb. 97:15; M. DOTHAN/Y. PORATH (1982) 49; Abb. 34:7; Taf. XXVIII:7 und D. BEN-SHLOMO (2005b) 244; Abb. 3.116:3. Eine vierte Terrakotte (Registrierungsnummer: K1360/1) ist im finalen Grabungsbericht lediglich erwähnt (vgl. D. BEN-SHLOMO [2005b] 244), jedoch wurden keine Zeichnungen oder Fotos publiziert. Über Formgebung und Oberflächengestaltung der Keramik im perserzeitlichen Palästina allgemein informiert E. STERN (2015c) 565–617; Taf. 5.1.1–26 und zur Importkeramik R. ROSENTHAL-HEGINBOTTOM (2015) 619–628; Taf. 5.2.1–3. 760 D. BEN-SHLOMO (2005b) Abb. 3.112:2. 761 M. DOTHAN/Y. PORATH (1982) Abb. 29:17; Taf. XXV:6. Für weitere Referenzen zu griechischer Importware aus der Eisenzeit III vgl. M. DOTHAN/Y. PORATH (1982) 43–44.47.51 und D. BENSHLOMO (2005b) 235.237. 762 D. BEN-SHLOMO (2005b) Abb. 3.112:6. 763 Exemplarische Funde von Mortaria aus dem 5. und 4. Jahrhundert v.Chr. finden sich bei M. DOTHAN/Y. PORATH (1982) 42–43; Abb. 29:1.5.6 sowie D. BEN-SHLOMO (2005b) Abb. 3.111:2. Auf der fragmentarischen Basis einer kleinen Schüssel mit schwarzem Überzug (M. DOTHAN/ Y. PORATH [1982] 45; Abb. 32:7 = W. AMELING u.a. [2014] 211–212 Kat.-Nr. 2301) sind noch die griechischen Buchstaben Delta und Eta lesbar. Nach M. DOTHAN/Y. PORATH (1982) 45 und W. AMELING u.a. (2014) 212 könnte es sich um den partiell erhaltenen Namen des einstigen Besitzers handeln. H.W. PLEKET/R.S. STROUD (1982) 413 halten darüber hinaus die ursprüngliche Beschriftung des Objekts mit Δη[μόσιον] für denkbar, wodurch das Gefäß als Gemeinschaftsbesitz gekennzeichnet gewesen wäre. Vgl. Appendix II.14 für weitere Informationen zum Objekt sowie eine Bibliografie. 764 M. DOTHAN/Y. PORATH (1982) 48; Abb. 30:5; Taf. XXVI: 9. Zur Datierung siehe R. WENNING (2004) 53.

2.8 Zur Situation in der Achämenidenzeit und der frühen hellenistischen Epoche

129

hunderts v.Chr. zur Aufbewahrung von Salböl oder Wein. Zudem lassen sich anhand der materiellen Kultur mindestens vereinzelte Kontakte mit den Kerngebieten des Perserreichs belegen. Hervorgehoben sei diesbezüglich ein kostbarer Goldohrring765 in der Form eines Ibex oder Widders, der dem achämenidischem Stil zuzuordnen ist. Ausweislich des skizzierten Fundguts legt sich somit nahe, dass die Bevölkerung von Esdūd/Aschdod spätestens in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts v.Chr. über einen ausreichend großen Wohlstand verfügte, um vielfältige Luxusgüter aus dem internationalen Seefernhandel zu beziehen. Im Gegensatz zum keramischen Inventar und den anderen Kleinfunden lässt sich der Eisen-III-zeitliche architektonische Befund weniger klar einordnen, zumal dieser durch Baumaßnahmen in späterer Zeit stark gestört worden ist. Überreste von Gebäuden und Installationen sind für die Oberstadt nur aus Areal A und K bezeugt, in der Unterstadt hingegen lediglich aus Areal M. Darüber hinaus ist ca. 1 km südöstlich des Ruinenschutthügels ein kleiner Friedhof (Areal F)766 mit mehreren Schacht- und Kammergräbern nachgewiesen worden, den die Bewohnerschaft ausweislich der spärlichen Funde während des 5.–4. Jahrhunderts v.Chr. und erneut im späten 3.–4. Jahrhundert n. Chr. nutzte.767 Mit Blick auf die unbefestigte Oberstadt sind in Areal A768 perserzeitliche Häuser nahezu vollständig durch jüngere Überbauungen devastiert worden.769 Eine im Bereich von Areal K770 freigelegte Struktur mit drei Bauphasen und einem Fundament aus behauenen Steinen haben D. Bahat und M. Dothan771 als öffentliches Gebäude mit administrativer Funktion angesprochen. Vielleicht waren dort auch Handwerker tätig, wofür ein bis zwei in der Nähe gelegene Brennöfen (Brennofen 6039 und Brennofen 5309 [?]) wie auch drei mit Keramik verfüllte Gruben (Grube 6111, Grube 6104 sowie Grube 6115) sprechen könnten.772 Die Unterstadt von Esdūd/Aschdod war in der Achämenidenzeit ebenso nicht fortifiziert und nur in sehr geringem Umfang bewohnt. Der Bereich des einstigen Stadttores (siehe Kapitel 2.6.1) in Areal M773 war nun durch zwei 765

M. DOTHAN (1971) 65; Taf. XXI:2. Vgl. auch E. STERN (1982) 19.151; Abb. 253 links. Dazu M.-T. FORTUNA (1971) 186–190; Plan 24–26; Abb. 104; Taf. XCIII–XCIV; XCV:1. 767 M.-T. FORTUNA (1971) 186–187. 768 Über Stratigrafie, Architektur und Funde informiert M. DOTHAN (1971) 38–39; Plan 4; Abb. 6:11–19. Im Bereich der Areale D und G wurden zwar einige wenige Fragmente an perserzeitlicher Keramik entdeckt, jedoch keine architektonischen Überreste aus der fraglichen Epoche. Zu den Funden siehe G. BACHI/M. BEN-DOV (1971) 115; Abb. 60:17–20 und M.-T. FORTUNA/ B.L. WALLACE/Z. YEIVIN (1971) 141; Abb. 79:1–2.4–5. 769 Hier mit M. DOTHAN (1993a) 100. Vgl. ebenso E. STERN (1982) 19; D. VIEWEGER (2019c) 59 und F. HAGEMEYER (2021) 100. 770 Zu Befunden und Funden siehe D. BAHAT (1971) 171–173; Plan 22; Abb. 93:20; 96:9; 97:2.4– 6.11–13.16–18; 99:13.23 und A. MAZAR/D. BEN-SHLOMO (2005) 58–60; Plan 2.15; Abb. 2.71 sowie D. BEN-SHLOMO (2005b) 235–238; Abb. 3.111; 3.112:4.6–7.10–11. 771 So: D. BAHAT (1971) 171 und M. DOTHAN (1993a) 100. Vgl. auch den vorsichtigen Kommentar bei D. BEN-SHLOMO (2013a) 72: „[The] large structure may have been a public building […]“. 772 Für diese Deutung siehe A. MAZAR/D. BEN-SHLOMO (2005) 60. Zur Datierung des Gebäudes in das 5. Jahrhundert v.Chr. vgl. F. HAGEMEYER (2021) 101. 773 Bezüglich Stratigrafie, Architektur und Funden vgl. M. DOTHAN/Y. PORATH (1982) 42–44.58; Abb. 29:1–3.5–6.9–10.12–13.15.17; 30:1–3. 766

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

Gebäude in Lehmbauweise geprägt, von denen sich zwar einzelne Mauern ergraben ließen, aber keine eindeutig zugehörigen Fußböden.774 In Bezug auf seinen politischen Status innerhalb des Achämenidenreichs stellte Aschdod zweifelsohne eine eigenständige administrative Einheit (zu den Grenzen mit Jehud vgl. Abb. 7 und Kapitel 2.8.5) dar. Dies impliziert die ab dem späten 5. Jahrhundert v.Chr. nachgewiesene Prägung von Drachmen und Oboloi (1 Obol = 1/6 Drachme) mit der aramäischen Münzlegende ‫( אשדד‬ʿšdd), welche zu den sogenannten philistoarabischen Münzen zählen.775 Zwar rechnet E. Stern776 für die fragliche Epoche mit der Existenz einer achämenidischen Provinz im Gebiet von Aschdod, doch kann dies keineswegs als gesichert gelten. Schließlich mangelt es an dahingehend aussagekräftigen schriftlichen Quellen und archäologischen Kleinfunden wie perserzeitlichen Stempelsiegeln mit Namen von aschdodischen Gouverneuren. Somit kann nicht ausgeschlossen werden, dass in Aschdod statt eines Beamten auch ein teilautonomer Herr residierte, der dem achämenidischen Großkönig verpflichtet war.777 Allerdings ist ein aschdodischer Fürst letztmals für das frühe 6. Jahrhundert v.Chr. eindeutig bezeugt (Prisma EŞ 7834, dazu Kapitel 3.5.3). Prinzipiell könnte Aschdod durch einen phönizischen Kleinkönig oder dessen Bevollmächtigten beherrscht worden sein. So residierte etwa in ʿAsqalān/ Aschkelon ausweislich des Periplus von Pseudo-Skylax ein tyrischer Gouverneur – zumindest im 4. Jahrhundert v.Chr.778 Aus einer in das 5. Jahrhundert v.Chr. zu datierenden Inschrift auf dem Sarkophag des Eschmunʿazar II. von Sidon geht wiederum hervor, dass Yafā/Jafo (wie auch Ḫirbet el-Burǧ/Dor) zum sidonischen Hoheitsgebiet gehörte.779 Aschdod hingegen wird für die relevante Epoche überhaupt nicht in phönizischen Quellen erwähnt. Diese Tatsache wie auch das Eisen-III-zeitliche Fundgut vom Tell von Esdūd/Aschdod, welches keine übermäßigen Einflüsse der Phönizier erkennen lässt, deutet auf eine geringere Abhängigkeit von Tyrus oder Sidon im Vergleich mit Aschkelon und Jafo hin. Somit dürfte Aschdod von einem Gouverneur oder Lokalherrscher regiert worden sein, der unmittelbar von den achämenidischen Autoritäten abhängig war. 774

M. DOTHAN/Y. PORATH (1982) 42. Mit dem Terminus philisto-arabische Münzen werden die im Auftrag von Satrapen, Statthaltern, Nomadenstämmen und autonomen Städten geprägten Geldstücke aus dem Süden des Achämenidenreichs bezeichnet. Zum Münzwesen von Esdūd/Aschdod, ʿAsqalān/Aschkelon und Ġazze/Gaza in der Zeit des 5.–4. Jahrhunderts v.Chr. vgl. M. LIVERANI (1972) 193–199 (Aschdod); Y. MESHORER (1989) 287–291 (Aschdod und Aschkelon); L. MILDENBERG (1990) 139–140 (Gaza) sowie H. GITLER (1997) 103–105 (Aschdod, Aschkelon, Gaza). Für einen Katalog der bisher nachgewiesenen philisto-arabischen Münzen siehe H. GITLER/O. TAL (2006) sowie H. GITLER/O. TAL (2016) 11–22 (jeweils mit umfangreichen Referenzen). Über die verwendeten Münzbilder und deren achämenidische Beeinflussung informiert wiederum H. GITLER (2000) 73–87. 776 E. STERN (1982) 240–244. Dazu ebenso D. VIEWEGER (2019c) 56. 777 Zur Problemanzeige vgl. E. STERN (1982) 243–244 und F. HAGEMEYER (2021) 107. 778 Ps.-Skyl., 1,78. Vgl. auch L.E. STAGER/J.D. SCHLOEN (2008) 9. 779 Überhaupt lassen die materiellen Kulturen von Aschkelon und Jafo starke phönizische Einflüsse für die Eisenzeit III/Achämenidenzeit erkennen, was sich etwa anhand zahlreicher Ostraka in phönizischer Kursivschrift zeigt. Zur Entwicklung von ʿAsqalān/Aschkelon und Yafā/Jafo in der Achämenidenzeit sowie für eine Auswertung der in die Eisenzeit III zu datierenden archäologischen Befunde vgl. F. HAGEMEYER (2021) 97–100.102–104. 775

2.8 Zur Situation in der Achämenidenzeit und der frühen hellenistischen Epoche

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Wie genau sich der Übergang zur Diadochenherrschaft im späten 4. Jahrhundert v.Chr. gestaltete, lässt sich anhand des archäologischen Befunds kaum (re-)konstruieren. Der griechische Universalhistoriker Diodorus Siculus erwähnt für das Jahr 312 v.Chr. eine Flucht des Antigoniden Demetrios I. Poliorketes (ca. 336–283 v.Chr.) nach Aschdod/Azotus, unmittelbar nach dessen Niederlage in der Schlacht von Gaza gegen Ptolemaios I. Soter (367/66–283/82 v.Chr.).780 Angesichts dieser Notiz scheint Aschdod in der Zeit der Diadochenkriege wenigstens eine gewisse strategische Bedeutung zugekommen zu sein. Während des 3. Jahrhunderts v.Chr. war die Siedlung von Esdūd/Aschdod (Stratum IV) weiterhin unbefestigt. Für die Oberstadt lassen sich vor allem in den Arealen A und G Gebäude aus behauenen Steinen und Straßenzüge nachweisen,781 die zentrale Planungsaktivitäten reflektieren.782 Zahlreiche rhodische Amphorenhenkel,783 gestempelte Bleigewichte784 und Keramik mit griechischen Graffiti785 zeugen von stärker ausgeprägten Handelskontakten mit Griechenland. Die Unterstadt war zumindest in gewissem Umfang durch Töpferhandwerk geprägt, was Funde von zwei Brennöfen (Brennofen 1053 und Brennofen 1089) in Areal D786 und eines weiteren Brennofens (Brennofen 7004) in Areal M787 belegen. In der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts v.Chr. konnten Judas Makkabäus (166/65– 161 v.Chr.) und Jonathan Makkabäus (161–142 v.Chr.) erfolgreich Feldzüge in der Gegend von Aschdod/Azotus durchführen – zumindest nach der Überlieferung des 1. Makkabäerbuchs.788 Auf Basis des archäologischen Fundguts, insbesondere von Münzen, scheint das fragliche Gebiet allerdings erst unter Johannes Hyrkan I. (135/34– 104 v.Chr.) beziehungsweise Alexander Jannai (103–76 v.Chr.) vollumfänglich durch den hasmonäischen Staat kontrolliert worden zu sein.789

780 Diod. 19,85,1. Zu Diodorus und seinem Werk vgl. die umfänglichen Forschungsdiskussionen bei I. SULIMANI (2011) und M. RATHMANN (2016). Dazu auch der knappe Überblick bei K. MEISTER (1997) 592–593 mit weiteren Referenzen. 781 Zum archäologischen Befund der hellenistischen Siedlung informieren M. DOTHAN/ D.N. FREEDMAN (1967) 17–27; M. DOTHAN (1971) 42–44.64–69 sowie H.C. KEE (1971) 44–64 ausführlich. Dazu auch M.-T. FORTUNA/B.L. WALLACE/Z. YEIVIN (1971) 141–146. 782 So mit D. BEN-SHLOMO (2013a) 72. 783 Vgl. insbesondere M. DOTHAN/D.N. FREEDMAN (1967) Abb. 1:5; 4:1.12 und 8:12; M. DOTHAN (1971) Abb. 9:20; 13:2 sowie M. DOTHAN/Y. PORATH (1982) Abb. 33:5–6.8–9. 784 W. AMELING u.a. (2014) 207–208 Kat.-Nr. 2298.209 Kat.-Nr. 2299. 785 W. AMELING u.a. (2014) 2303–2318 Kat.-Nr. 2303–2307. 786 M. DOTHAN (1971) 115–117; Plan 13. 787 M. DOTHAN/Y. PORATH (1982) 44. 788 Vgl. 1 Makk 5,68; 10,84. Zu den makkabäischen Feldzügen gegen Aschdod/Azotus vgl. auch die weiteren Ausführungen in Kapitel 3.10.2. 789 Diesbezüglich ließen sich auf dem Kulturschutthügel von Esdūd/Aschdod insgesamt vier Münzen in den Arealen A und D nachweisen, welche man unter Johannes Hyrkan I. und Alexander Jannai prägen ließ. Vgl. für die fraglichen Objekte den Katalog bei A. BERMAN (1971) 207 (Kat.-Nr. 10.210; 29.211; 36 und 38). Die jüngste in Esdūd/Aschdod nachweisbare seleukidische Münze (vgl. A. BERMAN [1971] 206 [Kat.-Nr. 3]) stammt aus der Regentschaft des Antiochus VIII. Epiphanes (ca. 141– 96 v.Chr.) und trägt die Jahresangabe 114 v.Chr.

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

2.8.2 Zur Situation im Umland von Esdūd/Aschdod Für die kleineren Fundplätze im Umland des Tells von Esdūd/Aschdod lassen sich zumindest für die Eisenzeit III/Achämenidenzeit eher wenige architektonische Überreste nachweisen. So sind in Aschdod ad-Halom (Stratum 5)790 kleinere Siedlungsaktivitäten für die persische Epoche zu belegen, allerdings wurden die entsprechenden Gebäudestrukturen (analog zur Situation für Esdūd/Aschdod [Stratum V], Kapitel 2.8.1) durch Überbauung in späterer Zeit weitestgehend devastiert.791 Ungeachtet dessen spricht E. Kogan-Zehavi792 eine von ihr freigelegte Grube, welche mit Fragmenten von Kultständern und zwei importierten Lekythoi befüllt war, als Abfallgrube oder Votivdeposit an. Da man aber ansonsten keine bedeutenderen Funde und Befunde aus der Achämenidenzeit ergraben hat, lässt sich nicht entscheiden, ob diese Installation einst tatsächlich mit einem kleinen Heiligtum oder Schrein in der Nähe assoziiert gewesen ist.793 Aus hellenistischer Zeit (Stratum 4) stammt wiederum eine größere Gebäudestruktur (Areal B), deren Grundriss nicht mehr rekonstruiert werden kann. Offenbar fungierte Aschdod ad-Halom nun als Zentrum für die Produktion von Keramik, worauf zumindest fünf vor Ort ergrabene Brennöfen (Areal A) hindeuten.794 Aus Nabī Yūnis/Miṣpē Yona beziehungsweise Cariathmaus stammt ein in die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts v.Chr. zu datierendes Ostrakon (IAA-Inventarnummer: 1960–62)795 mit aramäischer Inschrift.796 Letztere erwähnt den theophoren Personennamen ‫ד‬/‫( בעלצר‬Baʿal-ṣr/d, „Baʿal [ist der Gott von] Ṣīd“ oder „Baʿal wacht“).797 Einerseits hat man den Fund im Hinblick auf die in der zweiten Zeile des Epigrafs vermerkte Mengenangabe von 4 Kor als bei oder in einem lokalen Heiligtum niedergelegte Votivinschrift gedeutet. Andererseits wurde das Ostrakon als Quittung über eine Warenlieferung angesprochen.798 Bei den bis heute in Nabī Yūnis/Miṣpē Yona durchgeführten archäologischen Untersuchungen konnten allerdings keine relevanten Überreste identifiziert werden, welche die Existenz eines Heiligtums oder Schreins während der 790

Bezüglich der hier für den Fundplatz von Aschdod ad-Halom verwendeten Stratigrafie vgl. die Ausführungen in Kapitel 2.7.4 unter Anmerkung 659. 791 Zu den Eisen-III-zeitlichen und hellenistischen Funden und Befunden vgl. E. KOGAN-ZEHAVI (2008) 1574. Siehe auch E. KOGAN-ZEHAVI (2006), https://www.hadashot-esi.org.il/report_detail_ eng.aspx?id=340&mag_id=111 (letztmals abgerufen am: 23.03.2022). 792 E. KOGAN-ZEHAVI (2008) 1574. 793 Zur Bestattung von kultisch verwendeten Objekten in Favissae informiert N. STRAßBURGER (2018) in monografischer Form (dort auch zahlreiche Fundreferenzen aus Israel/Palästina). Die Favissa von Aschdod ad-Halom wird ebenda allerdings nicht erwähnt. 794 E. KOGAN-ZEHAVI (2008) 1574. 795 F.M. CROSS (1964) 185–186; Taf. 41. Vgl. auch die Neupublikation bei W. AMELING u.a. (2014) 197–198 Kat.-Nr. 2294. 796 Für die Deutung als aramäische Inschrift optieren W. AMELING u.a. (2014) 197–198 und A. BERLEJUNG (2016) 16 Anmerkung 21. Vgl. jetzt auch A. BERLEJUNG (2021a) 586 Anmerkung 21. Nach F.M. CROSS (1964) 185–186 sei hingegen von einem phönizischen Epigraf auszugehen. 797 Zu Lesung und Deutung der beiden Namensvarianten vgl. die Kommentierung bei W. AMELING u.a. (2014) 198 (mit weiteren Referenzen). Für Text und Übersetzung der Inschrift sowie eine erweiterte Bibliografie siehe Appendix II.15. 798 Vgl. zu den beiden Deutungsoptionen F. HAGEMEYER (2021) 102 und die dort unter Anmerkung 35 angegebene Literatur.

2.8 Zur Situation in der Achämenidenzeit und der frühen hellenistischen Epoche

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Eisenzeit III/Achämenidenzeit beziehungsweise der hellenistischen Epoche belegen. Angesichts dessen dürfte es sich bei dem Schriftträger wohl eher um eine Quittung gehandelt haben.799 Tel Mōr/Tell Ḫēdar war zwar während der Achämenidenzeit verlassen, doch hat man vor Ort während der hellenistischen Epoche einen Komplex zur Produktion von Purpurfarbstoff (Stratum I) angelegt. Davon zeugen einige verputzte Installationen sowie mehrere tausend Gehäuse von Purpurschnecken (Murex brandaris), die man am Fuße des östlichen Abhangs dieses kleinen Tells ergraben konnte.800 Ein negativer Befund bezüglich architektonischer Reste aus der achämenidischen Epoche präsentiert sich auch für Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam. Lediglich vereinzelte Streufunde von perserzeitlichen Münzen aus den seit 2013 durchgeführten Grabungen deuten möglicherweise auf kleinere Siedlungsaktivitäten hin.801 Ein in den Dünen von Aschdod-Yam aufgelesenes Bleigewicht (3,14 x 3,36 x 0,85 cm) zeigt auf dem Avers einen Palmenzweig und die Keule des Herakles-Melkart, auf dem Revers hingegen das Symbol der phönizisch-punischen Göttin Tanit.802 Neuere Untersuchungen von S.R. Wolff und G. Finkielsztejn803 legen nahe, dass das Objekt nicht in das 5. oder 4. Jahrhundert v.Chr. zu datieren ist, sondern wahrscheinlich erst in das späte oder ausgehende 2. Jahrhundert v.Chr. In Anbetracht dieser weitestgehend negativen Befundlage müsste die achämenidenzeitliche Siedlung von Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam im Rahmen zukünftiger Ausgrabungen jenseits der Eisen-II-zeitlichen Oberstadt gesucht werden, im bisher archäologisch kaum erforschten nördlichen Abschnitt des Tells. Unabhängig davon war die Oberstadt von Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam in hellenistischer Zeit erneut bebaut.804 Die freigelegten Überreste weisen auf mindestens ein Monumentalgebäude mit bisher ungeklärter Funktion hin, welches in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts v.Chr. durch militärische Aktivitäten der Seleukiden destruiert worden ist.805

799 Einige wenige Mäuerchen und Keramikfragmente aus dem 5.–4. Jahrhundert v.Chr. hat M. Broshi bei einer Sondage im Jahr 1960 ergraben. Vgl. dazu M. BROSHI (1972) 26. Bei im Jahr 2012 durchgeführten Rettungsgrabungen konnten hingegen keinerlei Funde und Befunde aus der Achämenidenzeit und der hellenistischen Epoche identifiziert werden. Vgl. dazu D. YEGOROV (2013), http://www.hadashot-esi.org.il/report_detail_eng.aspx?id=2291&mag_id=120 (letztmals abgerufen am: 23.03.2022). 800 Vgl. T.J. BARAKO (2007a) 34–38; Plan 2.7; Abb. 2.33–38. Vgl. zum Ganzen auch M. DOTHAN (1993b) 1074. 801 Über die Münzfunde informieren A. FANTALKIN/M. JOHANANOFF/S. KRISPIN (2016) 23–28. 802 S.R WOLFF/G. FINKIELSZTEJN (2009) 498–499; Abb. 2. 803 S.R WOLFF/G. FINKIELSZTEJN (2009) 502. Anders: E. STERN (1982) 19 mit Anmerkung 85, eine Datierung in das 4. Jahrhundert v.Chr. vertretend. Über ein kürzlich in Tell Sandaḥanna/Marescha ergrabenes Tanit-Amulett (4,4 x 3,0 x 0,4–0,5 cm) informieren S. WOLFF/I. STERN/A. EHRLICH (2018) 29–42. 804 Vgl. A. FANTALKIN (2014) 49–51; Abb. 10–17 sowie A. BERLEJUNG/A. FANTALKIN (2017a) 285– 288; Abb. 1–2. 805 So mit A. BERLEJUNG/A. FANTALKIN (2017a) 286. Zum Fund einer in das 2. Jahrhundert v.Chr. zu datierenden und als magisches Amulett gedeuteten Bronzeblechkapsel mit Aufhängevorrichtung siehe wiederum A. BERLEJUNG/A. FANTALKIN (2017a) 288–304; Taf. 15B–17.

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

Obwohl die Region von Aschdod im Lichte der bisher bekannten Befunde während der Eisenzeit III (und in der frühen hellenistischen Epoche) offenbar spärlicher besiedelt war als im 8. und 7. Jahrhundert v.Chr., haben ihr die Achämeniden eine herausgehobenere strategische Bedeutung beigemessen. Dies belegt die Errichtung eines Forts nördlich von Esdūd/Aschdod, nur 400 m von der neuzeitlichen Küstenlinie entfernt. Das im Jahr 1969 ergrabene Gebäude (ca. 29,8 x 29,8 m) mit quadratischem Innenhof entstand in der Zeit des 5. oder frühen 4. Jahrhunderts v.Chr., wobei das Fundgut neben lokaler Keramik, attischer Ware und zyprischen Importen auch diverse eiserne und bronzene Waffen umfasst.806 Nach Y. Porath807 habe es sich um eine Festung gehandelt, die zum Schutz des größeren Küstenabschnitts von Aschdod bis nach Yavne-Yam diente. Einerseits fungierten solche Defensivbauwerke zur Abwehr von Streitkräften der griechischen und kleinasiatischen Poleis beziehungsweise des Attischen Seebunds und andererseits für die Sicherung des strategischen Korridors nach Ägypten.808 2.8.3 Zu den Entwicklungen in der inneren Küstenebene und in der Schefela Im Unterschied zu den Gegebenheiten der vorherigen Jahrhunderte wurde die innere Küstenebene in der Eisenzeit III/Achämenidenzeit und der frühen hellenistischen Epoche weder von Gat beherrscht, noch durch Ekron dominiert. Vielmehr war dieses Gebiet im fraglichen Zeitraum nur in sehr geringem Maße besiedelt, wobei Tell eṣ-Ṣāfī kaum bewohnt war, während Tel Miqnē sogar gänzlich verlassen blieb.809

806

Für Stratigrafie, Architektur und Funde vgl. Y. PORATH (1974) 43–55; Abb. 1–5. Siehe dazu auch E. STERN (1982) 54; Abb. 54 rechts sowie K.H. HOGLUND (1992) 170–171. 807 Y. PORATH (1974) 43–55. Vgl. auch E. STERN (1982) 19. 808 Zu den strategischen, politischen und ökonomischen Interessen der Achämeniden im südpalästinischen Küstengebiet informiert O. LIPSCHITS (2006) 26–29. Der Bau achämenidischer Festungen in Jehud ist mit der verstärkten militärischen Sicherung der syro-palästinischen Landbrücke zu erklären, nachdem sich im ausgehenden 5. Jahrhundert v.Chr. Ägypten von der persischen Suprematie gelöst hatte. Dahingehend repräsentativ ist etwa die Errichtung der Anlage von Ḥurvat ꜤEres (nördlich von Deir el-͑Azar/Kirjat-Jearim) während des 4. Jahrhunderts v.Chr. Über Architektur des Forts und das Fundgut informieren A. MAZAR/I. WACHTEL (2015) 214–244; Abb. 1–18. R. KLETTER/J.M. SILVERMAN (2022) 42–61 optieren jetzt für eine multifunktionale und nicht nur rein militärische Nutzung der Anlage von Ḥurvat ꜤEres sowie ähnlicher Gebäudekomplexe im Gebiet von Jehud. 809 Bei den im Jahr 1899 von F. Bliss und S. Macalister in Tell eṣ-Ṣāfī/Gat durchgeführten Ausgrabungen konnte lediglich eine Favissa ergraben werden, die mit einer Vielzahl an kultischen Objekten aus der Eisenzeit III befüllt war. Vgl. dazu R. AVISSAR/J. UZIEL/A.M. MAEIR (2007) 66–75 und R. AVISSAR/A.M. MAEIR (2012) 109–122 (mit Referenzen). Im Zuge der seit 1996 durch die Bar-Ilan Universität wieder aufgenommenen Grabungen ließ sich bisher lediglich in Areal F (Stratum 6) perserzeitliche Architektur in äußerst spärlichem Umfang nachweisen. Es handelt sich um drei kurze Mauern, die einst einen einzelnen Raum (Raum 95650) begrenzten. Über Stratigrafie, Architektur und Funde informieren J.R. CHADWICK/A.M. MAEIR (2020) 322–324.339; Abb. 5.32–33. Vgl. auch A.M. MAEIR (2012a) 56. In hellenistischer Zeit war der Tell eṣ-Ṣāfī offenbar nicht bewohnt, wobei im benachbarten Ḫirbet Safiyeh zumindest ein kleiner Weiler existierte (vgl. A.M. MAEIR [2012a] 57 und R. AVISSAR LEWIS/A.M. MAEIR [2015] 116). Tel Miqnē/Ekron ist wiederum erst in römischer Zeit erneut besiedelt worden. Siehe dazu T. DOTHAN/S. GITIN (1993) 1057 und S. GITIN/Y. GARFINKEL/ T. DOTHAN (2017) 2.

2.8 Zur Situation in der Achämenidenzeit und der frühen hellenistischen Epoche

135

Ein ganz ähnliches Szenario kann für die Schefela (re-)konstruiert werden. Dabei sind im Sorek-Tal keinerlei Aktivitäten am Fundplatz von ʿĒn-Šems/Bet-Schemesch für das 5.–4. Jahrhundert v.Chr. nachweisbar, während für das 3. und 2. Jahrhundert v.Chr. lediglich sehr unbedeutende Siedlungsaktivitäten belegt sind.810 In Tell el-Bāṭāšī/Timna (Stratum I) ließen sich ausschließlich für die achämenidische Epoche einzelne Abfallgruben und spärliche architektonische Überreste (vor allem in Areal H) ergraben.811 Bezüglich des Elah-Tals erwähnen Neh 11,30 und 1 Chr 11,19 Aseka als einen Ort im perserzeitlichen Jehud. Im Rahmen der bisherigen Grabungskampagnen der Lautenschläger Expedition konnte gezeigt werden, dass der Tell Zakarīye vom 4.–3. Jahrhundert v.Chr. und damit in der späten Achämenidenzeit sowie in der frühen hellenistischen Epoche besiedelt war. Die Befunde legen es für die Ausgräber nahe, von der Existenz einer dorfartigen Siedlung mit moderater Größe oder einer kleineren Stadt („relatively large village or town“812) auszugehen. In jedem Fall lassen es die belegten Gebäudestrukturen und Installationen als plausibel erscheinen, dass man Aseka und sein Umland in der fraglichen Zeit überwiegend agrarwirtschaftlich nutzte. Dies impliziert beispielsweise ein in Areal W1 freigelegtes Haus, das O. Lipschits, Y. Gadot und M. Oeming813 als „Kornspeicher“ („Granary Building“) ansprechen und dessen zentraler Innenhof mit mindestens fünf Silos ausgestattet war. Noch in der ausgehenden Eisenzeit III errichtete man in Ḫirbet Qēyafa (Stratum III) erstmals wieder seit dem 10. Jahrhundert v.Chr. (siehe dazu Kapitel 2.4.3) eine Siedlung. Y. Garfinkel, S. Ganor und M.G. Hasel814 deuten diesbezüglich drei durch eine Umfassungsmauer geschützte Häuser sowie mehrere kleine Nebengebäude als administratives Zentrum. Dieses existiert ausweislich der numismatischen Funde von ca. 350– 270 v.Chr.815 2.8.4 Zur Situation Jerusalems und seines Umlands 2.8.4.1 Zum Siedlungscharakter Jerusalems Nach dem weitestgehenden Niedergang im frühen 6. Jahrhundert v.Chr. war Jerusalem während der Achämenidenzeit und der frühen hellenistischen Epoche mit Blick auf besiedelte Fläche und Einwohnerzahl dörflich geprägt.816 Diesbezüglich rechnet etwa 810

S. BUNIMOVITZ/Z. LEDERMAN (1993) 251. A. MAZAR/G.L. KELM (1993) 156; A. MAZAR/N. PANITZ-COHEN (2001) 282–283. Zu Stratigrafie, Architektur und Funden vgl. A. MAZAR (1997) 126.162.164.173.223.244–245; Plan P/S 41; 66; 103 und A. MAZAR/N. PANITZ-COHEN (2001) 186–188; Foto 108. 812 O. LIPSCHITS/Y. GADOT/M. OEMING (2017) 19. Dazu auch N. SHALOM/O. LIPSCHITS (2020) 18. 813 Vgl. O. LIPSCHITS/Y. GADOT/M. OEMING (2017) 19. 814 Y. GARFINKEL/S. GANOR/M.G. HASEL (2014) 13–14. 815 Für eine numismatische Analyse siehe Y. FARHI (2014) 375–390; Tab. 14.1–4; Abb. 14.1–9 sowie Y. FARHI (2016) 19–50; Tab. 1–9; Abb. 2–16; Taf. 1.1–5 für die Gesamtpublikation der perserzeitlichen und frühhellenistischen Münzfunde aus Ḫirbet Qēyafa. 816 Das judäische Bergland war während des 5.–4. Jahrhunderts v.Chr. überwiegend ländlich geprägt. Ab dem beginnenden 4. Jahrhundert v.Chr., nachdem sich Ägypten aus dem Achämenidenreich gelöst hatte, lassen sich vermehrte Aktivitäten der persischen Zentralautorität im Gebiet von Jehud greifen. Die gesteigerte Präsenz von persischen Truppen und Beamten ist nach O. LIPSCHITS/ 811

136

Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

I. Finkelstein817 mit einer Ausdehnung von 2–2,5 ha bei vielleicht 400–500 Bewohnern. Dabei war die Kernsiedlung seines Erachtens auf dem Tempelberg (Ḥaram eš-Šarīf) lokalisiert gewesen. Nach H. Geva818 muss hingegen für die Achämenidenzeit mit Bebauung auf dem Südosthügel und für das ausgehende 4. Jahrhundert v.Chr. mit einer Wohnbevölkerung von bis zu 1.000 Personen gerechnet werden.819 Nach der weiteren Argumentation sei es während der frühen hellenistischen Epoche zu einem moderaten Anwachsen der Einwohnerzahl auf etwa 2.500–3.000 Personen gekommen, wobei nun auch der Südwesthügel in sehr kleinem Umfang für Wohnzwecke genutzt worden sei.820 O. Lipschits821 wiederum hält es für plausibel, dass sich Jerusalem im fraglichen Zeitraum über eine Fläche von 5 ha erstreckte und maximal 1.200–1.500 Personen vorrangig in der Davidstadt (Silwan) und dem Ofel beherbergte. Die kleine Siedlung müsse seines Erachtens als kultisches Zentrum angesprochen werden, welches vorrangig durch den Tempel auf dem Ḥaram eš-Šarīf mit seinen 200–300 Priestern und Tempeldienern geprägt war.822 Den Südwesthügel habe man ausweislich der nachgewiesenen Stempelsiegelabdrücke erst in der späten hellenistischen Zeit, im Laufe des 2. Jahrhunderts v.Chr., erneut besiedelt.823 Die skizzierten (Re-)Konstruktionsansätze sind aus archäologischer Perspektive vor allem im Hinblick die potenzielle Bebauung des Tempelbergs (Ḥaram eš-Šarīf) problematisch, da sie mit nicht falsifizierbaren Annahmen operieren. So präsentieren zwar das biblische Esra- und auch das Haggai- und Sacharjabuch umfängliches Textmaterial bezüglich des Zweiten Tempels, doch auf Basis von Funden und Befunden kann keine D.S. VANDERHOOFT (2007) 75–94 neben der Errichtung von Festungen besonders anhand der Standardisierung und Vereinfachung der späten Typen von Jehud-Stempelsiegeln nachzuweisen. Während der Herrschaft der Ptolemäer im 3. Jahrhundert v.Chr. verfügte die Hyparchie Judäa über eine gewisse innere Autonomie, wobei Jerusalem durch einen Hohepriester (unterstützt durch Älteste und eine Volksversammlung) verwaltet wurde. Zu den politisch-administrativen, ökonomischen sowie sozialen und religionsgeschichtlichen Entwicklungen im Bergland vom späten 6. bis zum späten 3. Jahrhundert v.Chr. vgl. (in Auswahl) L.L. GRABBE (2008); J. ELAYI (2014) 107–122; D. VIEWEGER (2019c) 65–68.146–150, A. BERLEJUNG (62019a) 149–181 sowie die Beiträge in C. FREVEL/K. PYSCHNY/ I. CORNELIUS (2014). 817 I. FINKELSTEIN (2008b) 506–507; I. FINKELSTEIN (2010) 44–45 und I. FINKELSTEIN (2016) 8. Dazu auch I. FINKELSTEIN/I. KOCH/O. LIPSCHITS (2011) 1–24 sowie E.A. KNAUF (2000) 75–90. 818 H. GEVA (2003a) 524–526 und H. GEVA (2014) 141–142, nach dem zumindest ausweislich der biblischen Texte auch der Tempelberg in die Siedlung einbezogen worden sei. Für die Position, die Eisen-III-zeitliche Kernsiedlung sei vor allem auf dem Südosthügel lokalisiert gewesen, vgl. auch M.L. STEINER (2011) 314. 819 H. GEVA (2003a) 524–526 und H. GEVA (2014) 143. 820 Dazu H. GEVA (2014) 143. 821 O. LIPSCHITS (2006) 31–34 sowie O. LIPSCHITS (2019c) 204. Für eine ganz ähnliche Bevölkerungsschätzung siehe auch schon C.E. CARTER (1999) 201. Zurückhaltend bezüglich einer (Re-)Konstruktion der Einwohnerzahl Jerusalems bleibt K. BIEBERSTEIN (2017) 104: „[...] [Persian period] Jerusalem was in all likelihood only a small settlement around the Temple, whose population cannot be estimated, not even to a degree, due to the lack of findings“. Einen Überblick über die in die Perserzeit zu datierenden archäologischen Funde und Befunde aus Jerusalem bietet jetzt auch U. HOFEDITZ (2021) 237–247 mit Abb. 4.14–16. 822 O. LIPSCHITS (2006) 31–34 und O. LIPSCHITS (2019c) 204. 823 O. LIPSCHITS (2011) 169.

2.8 Zur Situation in der Achämenidenzeit und der frühen hellenistischen Epoche

137

Aussage über die Bebauung des Tempelbergs (Ḥaram eš-Šarīf) in vorherodianischer Zeit getroffen werden. Schließlich ist, wie es M. Küchler824 mit Blick auf aussagekräftige Überreste formuliert, „strikt nichts mehr vorhanden“. Überhaupt werden in den erzählten Welten der genannten biblischen Bücher theologische Szenarien präsentiert, welche vordergründig nicht die realhistorische Entwicklung Jerusalems nachzeichnen wollen, sondern nachexilische Identitätsdiskurse reflektieren.825 Unabhängig von der Frage nach der Bebauung des Tempelbergs (Ḥaram eš-Šarīf) ist auf dem Südosthügel Architektur aus der Zeit des 5.–4. Jahrhunderts v.Chr. lediglich in spärlichem Umfang belegt. Y. Shiloh hat bei seinen Grabungen in der Davidstadt (Silwan) (Stratum 9) mit Schotter verfüllte Gruben im Bereich von Areal D nachgewiesen, die er als Bestandteil eines Steinbruchs anspricht.826 Daneben sind einige Terassenmauern und mit diesen assoziierte Verfüllungen in Areal G ergraben worden.827 War das in Areal E lokalisierte Wohnquartier während der Eisenzeit IIB (Kapitel 2.6.6.1) und in der Eisenzeit IIC (Kapitel 2.7.6.1) noch umfänglich und dicht bebaut, ließen sich Gebäudereste aus der achämenidischen Periode lediglich im Westen des Grabungsgebiets identifizieren. Die freigelegten Hausstrukturen sowie zwei Brotbacköfen implizieren, dass hier Wohnbebauung in kleinerem Umfang existiert haben muss.828 Aus der frühen hellenistischen Zeit, dem 3. Jahrhundert v.Chr., ließen sich in Areal E lediglich ein isoliertes Gebäude (Gebäude 606)829 sowie ein Kolumbarium830 zur Aufzucht von Tauben ergraben. Dass der Südosthügel nun vorrangig landwirtschaftlich genutzt wurde, legen zudem zwei weitere Kolumbarien nahe, die Y. Shiloh in den Arealen B und D2 freilegen konnte.831 Die für das 5.–3. Jahrhundert v.Chr. insgesamt auf geringe Siedlungsaktivitäten hindeutende Befundlage lässt sich nun durch die Ergebnisse der Grabungen im Bereich des Givʿati-Parkplatzes unter Leitung von Y. Shalev und Y. Gadot832 ergänzen. Ebenda hat 824

M. KÜCHLER (2007) 127. Für eine exegetische Diskussion der biblischen Texte über den Bau des Zweiten Tempels sowie zu möglichen historischen Implikationen vgl. (in Auswahl) O. KEEL (2007) 1004–1008.1029–1036; R. LUX (2009) 122–143; Z. CZIGLÁNYI (2012) 385–401 und S. GRÄTZ (2014) 1404–1417. Siehe auch K. BIEBERSTEIN (2017) 93–98. 826 Y. SHILOH (1984) 7–8.9.29; Taf. 10:2–11:1. 827 Y. SHILOH (1984) 20; Abb. 17; 27. Dazu auch A. DE GROOT (2012) 173. 828 A. DE GROOT/H. BERNICK-GREENBERG (2012a) 19–22; Plan 5–7; Foto 10–14; A. DE GROOT (2012) 176. Über das keramische Fundgut informiert S. ZUCKERMAN (2012) 31–50; Abb. 3.1–7; Foto 3.1–9. Zu den wenigen perserzeitlichen Keramikfunden und Siegelabdrücken, welche R. Reich und E. Shukron im Bereich der Davidstadt (Silwan) ergraben haben, vgl. jetzt den Überblick bei R. REICH/E. SHUKRON (2021b) 678–679. 829 Siehe A. DE GROOT/H. BERNICK-GREENBERG (2012a) 17–18; Plan 4; Foto 8. 830 A. DE GROOT/H. BERNICK-GREENBERG (2012a) 76–79; Plan 44; Foto 81–84. 831 So mit A. DE GROOT (2012) 177. Der Südwesthügel ist während des 3. Jahrhunderts v.Chr. lediglich für saisonale Weidewirtschaft genutzt worden, worauf der Fund einer Zisterne (Zisterne 745) in Areal E (Stratum 5) durch N. Avigad hindeutet, auf deren Grund sich zahlreiche zerbrochene Schöpfgefäße fanden. Siehe dazu H. GEVA (2006) 14. In den Arealen A, W und X-2 ließen sich hingegen überhaupt keine Architekturreste aus frühhellenistischer Zeit nachweisen (vgl. H. GEVA [2000a] 24). 832 Y. SHALEV u.a. (2020) 160–161; Abb. 4; 11. 825

138

Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

man in achämenidisch-ptolemäischer Zeit offenbar Teile des in der Eisenzeit IIC errichteten Gebäudes 100 (dazu Kapitel 2.7.6.1) erneut genutzt. Die Menge und Qualität des bisher nicht final publizierten Fundguts spreche nach der vorläufigen Deutung der Ausgräber dafür, dass es sich um zentral geplante Wiederbesiedlungsaktivitäten handelte.833 Nach wie vor umstritten ist die Frage, wie genau (und ob überhaupt) Jerusalem in der achämenidischen Epoche und der frühen hellenistischen Zeit mit einer Mauer befestigt war. Zumindest aus dem in der sogenannten „Mauerbauerzählung“ des Nehemiabuchs (Neh 1–7) erzählten Szenario geht hervor, dass bereits in der persischen Epoche die Eisen-II-zeitliche Stadtmauer repariert worden sei.834 Unter Berücksichtigung dieses textlichen Materials datierten K.M. Kenyon835 und Y. Shiloh836 bei ihren Untersuchungen im Umfeld der Stepped Stone Structure (Areal A XVIII [K.M. Kenyon] und Areal G [Y. Shiloh]) eine bereits von J.G. Duncan und R.A.S. Macalister freigelegte Mauer mit zwei Türmen in die achämenidische Zeit. E. Mazar837 wiederum hat bei Nachgrabungen unterhalb des sogenannten Nördlichen Turms zumindest die jüngere Phase der fraglichen Strukturen als „Mauer des Nehemia“ („Nehemiah’s Wall“) aus dem 5. Jahrhundert v.Chr. angesprochen. Wie jedoch verschiedene chrono-stratigrafische Analysen unter anderem von M.L. Steiner838 und D. Ussishkin839 zeigen konnten, lassen sich die ergrabenen Überreste nicht sicher dem fraglichen Jahrhundert zuordnen. In der Gesamtschau präsentiert sich Jerusalem für das 5.–3. Jahrhundert v.Chr. als nicht-urbane Kleinsiedlung. Dass aus diesem Zeitraum vor allem keramische Streufunde und Siegelabdrücke erhalten sind,840 könnte auf die geringe Dichte an Gebäuden und insbesondere auf das (weitestgehende) Nichtexistieren von Monumentalarchitektur zurückzuführen sein, zumal das administrative Zentrum Jehuds/Judäas wenigstens während des Großteils des fraglichen Zeitabschnitts in Rāmat Rāḥēl/Ḫirbet Ṣāliḥ lokalisiert gewesen ist (siehe dazu das folgende Kapitel). Darüber hinaus sind aufgrund von

833

Hier mit Y. SHALEV u.a. (2020) 167–168. Vgl. zum Ganzen auch N. SHALOM u.a. (2021) 3–4. Zu den in der nehemianischen Mauerbauerzählung präsentierten theologischen Ideen und Konzepten vgl. die ausführliche Diskussion bei M. OEMING (2012) 131–149 (hier besonders: 138–143) sowie noch immer die Dissertation von T. REINMUTH (2002) mit zahlreichen Referenzen. Eine biblisch-exegetisch orientierte (Re-)Konstruktion der Statthalterschaft des Nehemia findet sich bei D. FULTON (2018) 252–267. 835 K.M. KENYON (1974) 183–187; Abb. 28. 836 Y. SHILOH (1984) 20.29. 837 Dazu E. MAZAR (2015d) 189–202; Plan 3.1–4; Foto 3.1–4 und E. MAZAR (2019a) 52–53. 838 M.L. STEINER (2011) 307–313; Abb. 1–4 mit einer chronologischen Verortung der von K.M. Kenyon und E. Mazar ergrabenen Fortifikationsabschnitte in die Makkabäerzeit. Ebenso datiert I. FINKELSTEIN (2008b) 507–513 (vgl. auch I. FINKELSTEIN [2016] 8), für den insbesondere der Bericht von Neh 3 mit großer Wahrscheinlichkeit Realitäten der Hasmonäerzeit reflektiert. Kritisch bezüglich einer Datierung der fraglichen Mauer in das 5. Jahrhundert v.Chr. argumentieren ebenso O. LIPSCHITS (2009) 13–14 und K. BIEBERSTEIN (2017) 101. 839 D. USSISHKIN (2012) 101–130 (hier: 117–125 mit Abb. 7–8), einen archäologisch nicht nachzuweisenden Reparaturversuch an der Eisen-II-zeitlichen Stadtbefestigung im Sinne eines politisch-symbolischen Akts für plausibel haltend. 840 Dazu die detaillierten Ausführungen bei O. LIPSCHITS (2009) 9–17 mit weiteren Referenzen. Vgl. ebenso O. LIPSCHITS/Y. GADOT/D. LANGGUT (2012) 58 Anmerkung 2. 834

2.8 Zur Situation in der Achämenidenzeit und der frühen hellenistischen Epoche

139

jüngeren Baumaßnahmen potenzielle Überreste verloren gegangen, wie dies der Befund für den Tempelberg (Ḥaram eš-Šarīf) anschaulich illustriert. 2.8.4.2 Das Hinterland Jerusalems Wie das judäische Bergland insgesamt war Jerusalems Hinterland in der Eisenzeit III/ Achämenidenzeit und der frühen hellenistischen Epoche eher dünn besiedelt.841 Repräsentativ dafür ist die Befundlage für Tel Moẓa/Moza, wo sich bei allen bisher durchgeführten Ausgrabungen keine architektonischen Überreste aus dem 5.–3. Jahrhundert v.Chr. ergraben ließen.842 Hatte Tell en-Naṣbe/Mizpa (Stratum II [J.R. Zorn]) im frühen 6. Jahrhundert v.Chr. die Funktion des administrativen Zentrums für das judäische Bergland übernommen, implizieren die jüngeren Funde und Befunde (Stratum I [J.R. Zorn]) einen Niedergang der Siedlung am Ende des 5. Jahrhunderts v.Chr. J.R. Zorn843 verweist diesbezüglich darauf, dass zwar ein Großteil der 24 nachgewiesenen Jehud-Siegelabdrücke in einen Zeitraum von der späten Achämenidenzeit bis in die frühe hellenistische Epoche (4.– 3. Jahrhundert v.Chr.) zu datieren ist, die ergrabene griechische Importkeramik dagegen in die frühe Phase der Achämenidenzeit (6.–5. Jahrhundert v.Chr.). Dies impliziert einen Rückgang der Handelsvolumina im fraglichen Zeitraum und damit auch der ökonomischen Ressourcen, welche der Wohnbevölkerung von Tell en-Naṣbe für den Erwerb hochwertiger Importware zur Verfügung standen. Nach der (Re-)Konstruktion von N. Naʾaman844 und O. Lipschits845 haben die achämenidischen Autoritäten die Verwaltung Jehuds bereits während des frühen 5. Jahrhunderts v.Chr. in Ḫirbet Ṣāliḥ/Rāmat Rāḥēl konzentriert und diesen Ort zum Gouverneurssitz bestimmt. Die mehr als 370 nachgewiesenen Jehud-Stempelsiegelabdrücke bezeugen die herausgehobene ökonomische Stellung und Bedeutung dieses Fundplatzes in der Eisenzeit III.846 Darüber hinaus lässt sich sogar bis in das 3. Jahrhundert v.Chr. eine kontinuierliche Nutzung des in der neuassyrischen Zeit errichteten Palastkomplexes

841 Ein signifikantes demografisches Wachstum lässt sich erst für die spätere hellenistische Zeit greifen. Zu den Siedlungsmustern und der demografischen Entwicklung im judäischen Bergland während des 6.–3. Jahrhunderts v.Chr. vgl. A. FAUST (2007) 23–51; D. EDELMAN (2007) 52–64 und I. FINKELSTEIN (2010) 39–54. Nach O. LIPSCHITS (2006) 30 sei die Abwesenheit größerer urbaner Siedlungen im Hügelland während der Perserzeit damit zu erklären, dass die Achämeniden vorrangig am landwirtschaftlichen Potenzial Jehuds interessiert gewesen seien und daher den Bau von städtischen Zentren nicht gefördert hätten. Siehe zum Ganzen auch die Ausführungen bei O. LIPSCHITS/Y. GADOT/ D. LANGGUT (2012) 59. 842 Bei den archäologischen Untersuchungen in den Jahren 2012 und 2013 konnte lediglich etwas Eisen-III-zeitliche Keramik identifiziert werden. Vgl. dazu S. KISILEVITZ (2015) 149 Anmerkung 7 und S. KISILEVITZ/O. LIPSCHITS (2020) 309 Anmerkung 12. 843 J.R. ZORN (2013) 407. Vgl. zum Ganzen auch J.R. ZORN (1993b) 1102. 844 N. NAʾAMAN (2001) 272.274–275. 845 O. LIPSCHITS (2019c) 205. 846 Dazu O. LIPSCHITS u.a. (2017) 98.111–112 und O. LIPSCHITS/Y. GADOT/M. OEMING (2020) 482. Vgl. ebenso O. LIPSCHITS/Y. GADOT/D. LANGGUT (2012) 60.

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Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

(Kapitel 2.7.6.2) nachweisen,847 welchen man in persischer Zeit um einen rechteckigen Anbau (ca. 20 x 30 m) im Nordwesten erweiterte (Bauphase III [O. Lipschits, M. Oeming und Y. Gadot]). Zudem wurde der bereits vorhandene Lustgarten aufwendig umgestaltet und durch lokale sowie importierte Pflanzen erweitert. Hervorzuheben sind dahingehend die mithilfe von palynologischen Analysen nachgewiesenen Anpflanzungen von aus Indien eingeführten Zitronatzitronen (Citrus medica) oder von aus dem nördlichen Iran, der nordöstlichen Türkei beziehungsweise dem Kaukasus stammenden Echten Walnüssen (Juglans regia).848 Angesichts der ergrabenen Funde und Befunde spricht also vieles dafür, dass Rāmat Rāḥēl/Ḫirbet Ṣāliḥ tatsächlich als Sitz der achämenidischen Gouverneure von Jehud fungierte. Der Status als bedeutendes administratives Zentrum ging wahrscheinlich erst im Laufe des 3. Jahrhunderts v.Chr. verloren – entweder während der Regentschaft der Ptolemäer über das judäische Bergland oder spätestens am Beginn der Herrschaft der Seleukiden.849 2.8.5 Zur historischen Auswertung und (Re-)Konstruktion der aschdodisch-judäischen Beziehungen in der Achämenidenzeit und der frühen hellenistischen Epoche Die aschdodisch-judäischen Beziehungen in der Eisenzeit III/Achämenidenzeit und der frühen hellenistischen Epoche waren durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass im Gebiet zwischen Küste und Bergland – im Gegensatz zu den vorangehenden Perioden – keine andere politisch-administrative Einheit und/oder Siedlung von größerer Bedeutung existierte (dazu Kapitel 2.8.3). Dieser Befund lässt es als nicht unplausibel erscheinen, dass die Territorien von Jehud/Judäa und Aschdod unmittelbar aneinandergrenzten (Abb. 7), auch wenn dahingehend eindeutige Quellen fehlen. Für die Bestimmung der Ausdehnung Jehuds muss I. Finkelstein850 auf die Verteilung von Jehud-Siegelabdrücken zurückgreifen. Dabei habe sich das fragliche Gebiet seines Erachtens von Tell en-Naṣbe/Mizpa im Norden nach Rāmat Rāḥēl/Ḫirbet Ṣāliḥ im Süden sowie von ʿĒn-Gedi/En-Gedi und Tell es-Sulṭān/Jericho im Osten bis zur Schefela im Westen erstreckt. Für die frühe hellenistische Zeit müsse mit einer gewissen Expansion nach Norden (in die Berge um Tell en-Naṣbe/Mizpa) und Westen (in die östliche Schefela) sowie mit einer Ausdehnung nach Süden gerechnet werden, wobei nun Bēt Ṣūr/Bet-Zur zum Territorium Judäas gehörte. Ganz ähnlich grenzt auch D. Vieweger851 das fragliche Gebiet ab. Nur wenig anders optieren zudem N. Shalom und O. Lip-

847

Vgl. O. LIPSCHITS/Y. GADOT/D. LANGGUT (2012) 69–73; O. LIPSCHITS u.a. (2017) 98–112 sowie O. LIPSCHITS/Y. GADOT/M. OEMING (2020) 481–483. 848 Über die detaillierten Ergebnisse der palynologischen Untersuchungen informiert D. LANGGUT u.a. (2013). Siehe auch O. LIPSCHITS/Y. GADOT/D. LANGGUT (2012) 71–72 und O. LIPSCHITS u.a. (2017) 110. 849 O. LIPSCHITS u.a. (2017) 113 und O. LIPSCHITS/Y. GADOT/M. OEMING (2020) 483. 850 I. FINKELSTEIN (2010) 44–51. Nach D. VIEWEGER (2019c) 67 trägt eine Analyse der Verteilung der mehr als 500 nachgewiesenen Jehud-Siegelabdrücke nur wenig für die Bestimmung der Grenzen Jehuds aus, da die Objekte seines Erachtens zuvorderst Zeugnisse für Handelskreisläufe darstellen. Dazu auch C. FREVEL (22018) 340. 851 D. VIEWEGER (2019c) 68.130. Zum Verlauf der Grenzen Jehuds informieren weiterhin C. FREVEL (22018) 338–340 mit Karte 12 und U. HOFEDITZ (2021) 327–331.

2.8 Zur Situation in der Achämenidenzeit und der frühen hellenistischen Epoche

141

schits,852 welche bezüglich der Schefela den Fundplatz von Tell Zakarīye/Aseka als einen der westlichsten Grenzorte Jehuds/Judäas in achämenidisch-frühhellenistischer Zeit benennen.

Abb. 7: Palästina in der Achämenidenzeit (© Manfred Oeming; Zeichnung: Benjamin Sitzmann).

Für Aschdod beobachteten schon A. Alt und A. Lemaire ganz richtig, dass sich dessen Territorium im Osten mindestens bis zum Tel Miqnē und nach Tell el-Ǧazarī/Geser erstreckt haben dürfte. E. Stern spricht darüber hinaus Tell el-Bāṭāšī/Timna als durch Aschdod administrierten Grenzort an. Unabhängig von der konkreten territorialen Aufteilung der Schefela legen es die ebenda ergrabenen und nur wenig signifikanten Überreste aus dem 5.–3. Jahrhundert v.Chr. (Kapitel 2.8.3) nahe, dass dem Gebiet an sich keine größere eigenständige Bedeutung im fraglichen Zeitraum zukam.

852 Dazu N. SHALOM/O. LIPSCHITS (2020) 11–20 mit Abb. 2; 4; 6; 8; 10. Zur Bestimmung des Tell el-Bāṭāšī als westlichen Grenzort Jehuds siehe auch schon A. MAZAR/N. PANITZ-COHEN (2001) 283 und für Tell Zakarīye/Aseka O. LIPSCHITS/Y. GADOT/M. OEMING (2017) 3.7.

142

Kapitel 2: Aschdod und Jerusalem im Spiegel der Archäologie

Handelsaktivitäten Jerusalems mit der Küste (Interaktionsebene I) lassen sich vor allem mithilfe von Knochen mariner Fischspezies nachweisen, wie sie seit Kurzem in gewissen Mengen aus den Grabungen im Bereich des Givʿati-Parkplatzes bekannt sind.853 Dass sich ansonsten von oder zumindest über die Küste eingeführte Objekte (bisher) kaum archäologisch nachweisen lassen, kann angesichts des ärmlich-dörflichen Siedlungscharakters Jerusalems und der insgesamt nur äußerst spärlichen Überreste aus dem 5.–3. Jahrhundert v.Chr. (Kapitel 2.8.4.1) nur wenig verwundern. Ganz anders präsentiert sich der Befund für die Küste: So ist aus Esdūd/Aschdod (Stratum V) ein Ostrakon (IAA-Inventarnummer: 1972–119)854 aus der Mitte des 5. Jahrhunderts v.Chr. mit dem Jahwe-haltigen Personennamen Zbdyh (‫זבדיה‬, „Jahwe hat gegeben“) belegt.855 Bei dem Namensträger könnte es sich um einen aus Jehud (oder vielleicht Idumäa856) stammenden Mann gehandelt haben, der ausweislich des Epigrafs in der Küstenregion mit Wein handelte.857 Ein anderes in das 4.–3. Jahrhundert v.Chr. zu datierendes Ostrakon (IAA-Inventarnummer: 1963–2480)858 trägt eine hebräische Inschrift mit vier erhaltenen Buchstaben, die allerdings nicht mehr sicher gelesen werden können. Neben den archäologischen Funden bezeugen zudem gleich mehrere biblische Texte die längere Anwesenheit von Judäern in der Region von Aschdod während der persisch-helle853

Vgl. dazu die Diskussion bei A. SPICIARICH u.a. (2022) 4 f. mit Tab. 2. Siehe ebenso Y. SHAu.a. (2020) 160. 854 J. NAVEH (1971) 200–201; Taf. XIII:1. Siehe dazu auch die Ausführungen bei A. BERLEJUNG (2016) 14 Anmerkung 8 und A. BERLEJUNG (2021a)584 Anmerkung 8. Bezüglich Text und Übersetzung der Inschrift sowie einer Bibliografie vgl. Appendix II.16. 855 Für die Identifikation der verwendeten Schrift als aramäische Kursive optieren J. NAVEH (1971) 200–201; A. LEMAIRE (2002a) 219 und A. BERLEJUNG (2016) 14 Anmerkung 8. Vgl. jetzt auch A. BERLEJUNG (2021a) 584 Anmerkung 8. Nach M. DOTHAN (1971) 22 und J.C. GREENFIELD (1988) 43 handelt es sich entweder um eine aramäische Inschrift oder um ein epigrafisches Zeugnis der in Neh 13,23–24 erwähnten aschdodischen Sprache. Siehe dazu sowie zur Exegese und historischen Auswertung von Neh 13,23–24 beziehungsweise Neh 13,23–27 die Ausführungen in Kapitel 3.9.2. 856 Auf ökonomische Beziehungen zwischen Aschdod und Idumäa könnten die drei jeweils in die Mitte des 4. Jahrhunderts v.Chr. zu datierenden Idumäa-Ostraka TAO A8.38 (B. PORTEN/A. YARDENI [2014] 389), TAO A9.24 (B. PORTEN/A. YARDENI [2014] 423) und TAO A36.4 (B. PORTEN/A. YARDENI [2016] 241) hindeuten, welche den Transport von mehreren hundert Litern Weizen in den Ort ‫( מחוזא‬TAO A8.38, Zeile 3; TAO A9.24, Zeile 3; TAO A36.4, Zeile 2) dokumentieren. Die auf aramäisch ‫( מחוז‬maḥoz), „Hafen“, zurückzuführende Ortsbezeichnung (vgl. K. BEYER [1994] 372 Lemma ‫ מחוז‬und A. YARDENI [2016] 724 Lemma ‫ )מחוזא‬beziehen B. PORTEN/A. YARDENI (2014) 389– 390 und A. YARDENI (2016) 724 auf Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam. Vorsichtig bezüglich einer konkreten Lokalisierung bleibt hingegen A. LEMAIRE (2002b) 38. Die Gleichsetzung von ‫ מחוזא‬mit Mīnet Esdūd/Aschdod-Yam ist insofern problematisch, da aus archäologischer Perspektive (wenigstens bisher) kaum etwas über den Charakter der fraglichen Siedlung in der Achämenidenzeit und der frühhellenistischen Epoche bekannt ist (dazu Kapitel 2.8.2). Vgl. zu den Idumäa-Ostraka allgemein die Ausführungen bei I. EPHʿAL/J. NAVEH (1996); A. LEMAIRE (2006) 413–456 sowie B. PORTEN/A. YARDENI (2014) XV–XXII. Über die allmähliche Formierung von Idumäa als eine von Jehud unabhängige politische Einheit informieren Y. LEVIN (2007b) 243–252 und O. TAL (2016) IX–XIX. 857 Dazu auch F. HAGEMEYER (2021) 101. 858 M. DOTHAN (1971) 69; Abb. 30:20; Taf. XXVI:6. Die Inschrift ist neu publiziert bei W. AMELING u.a. (2014) 212–213 Kat.-Nr. 2302. Für den erhaltenen Text der Inschrift sowie weitere Literatur siehe Appendix II.17. LEV

2.9 Resümee: Zur Entwicklung der Beziehungen Aschdods zu Jerusalem

143

nistischen Epoche (Interaktionsebene IV). Dahingehend verweist H.M. Niemann859 auf die Notizen von Neh 13,23 (Kapitel 3.9.2) und Sach 9,5–7 (Kapitel 3.8). Zudem kann über die bisherige Exegese hinaus anhand der Grundschicht der Ladeerzählung von 1 Sam 5–6* (re-)konstruiert werden, dass bereits in der Achämenidenzeit größere Personengruppen aus Jehud aufgrund der besseren ökonomischen und sozialen Gegebenheiten in Aschdod lebten und arbeiteten, wie in Kapitel 3.3 noch zu zeigen ist.

2.9 Resümee: Zur Entwicklung der Beziehungen Aschdods zu Jerusalem im Spiegel archäologischer Funde und Befunde 2.9 Resümee: Zur Entwicklung der Beziehungen Aschdods zu Jerusalem

Mit Blick auf die Ergebnisse der obigen Analyse konnten für die Mittelbronzezeit IIC (Kapitel 2.2) und die Spätbronzezeit (Kapitel 2.3) kaum ausgeprägte Kontakte zwischen Aschdod und Jerusalem nachgewiesen werden. Bezüglich der vier definierten Interaktionsebenen (siehe dazu Kapitel 2.1) beschränkten sich die wechselseitigen Beziehungen in diesem Zeitraum auf vereinzelte Handelsverbindung (Interaktionsebene I) von eher spärlichem Umfang. Die (re-)konstruierten ökonomischen Kontakte ergaben sich ausweislich des archäologischen Fundguts im Wesentlichen aus der Nachfrage der kleinen Elite in den judäischen Bergen nach Luxusgütern (wie Duftstoffen, Salbölen und zyprischer Importkeramik), welche man bereits in diesem frühen Zeitraum aus dem Gebiet von Aschdod bezog (Kapitel 2.3.7). Im Gegenzug sind vielleicht Agrarprodukte (wie Weizen und Oliven) und in der Spätbronzezeit möglicherweise auch Schafswolle für die aschdodische Textilherstellung an die Küste geliefert worden. Dass in den fraglichen Jahrhunderten überhaupt nur sehr eingeschränkte Beziehungen existierten, ist auf die geringe Größe und die lokale Ausrichtung beider Siedlungen im Hinblick auf Ökonomie und soziale Interaktionen zurückzuführen. Zwar entwickelte Esdūd/Aschdod noch in der Spätbronzezeit II einen gewissen Status und prosperierte durch Partizipation am internationalen Seefernhandel (wie auch durch Färbereiindustrie und Weinherstellung), jedoch verblieb Jerusalem zur gleichen Zeit im Stadium eines kleinen Weilers mit vielleicht wenigen hundert Einwohnern. Jahrhundert v.Chr. 12–11 10 9 8 7 6 5–3

Jerusalem 3–4 5 8 12 50–60 0–1 ?

Esdūd/Aschdod 7–8 0–1 7–15 35 7–15 0