Architektur im Bestand: Planung, Entwurf, Ausführung 9783034609432

A comprehensive introduction Architectural work on existing structures has become enormously important in recent years

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Architektur im Bestand: Planung, Entwurf, Ausführung
 9783034609432

Table of contents :
Architektur und Bestand
Architektur und Zeit
Baulicher Bestand und Identität
Alt und Neu
Der Wert des baulichen Bestands
Planungsablauf
Besonderheiten im Planungsprozess
Notsicherungsmaßnahmen
Vorbereitende Untersuchungen
Planungstiefe
Casa de las Conchas, Salamanca, Spanien
Die Beteiligten
Der Bauherr
Der Architekt
Die Baugenehmigungsbehörde
Übersicht: Das Genehmigungsverfahren
Stadtmuseum Naumburg, Deutschland
Die Ausführenden
Entscheidungsfindung und Kommunikation
Grundlagenermittlung
Bestandserfassung
Grunddaten
Literatur und Archiv
Dokumentation des vorgefundenen Zustands
Bestandspläne
Übersicht: Genauigkeitsstufen in der Bauaufnahme
Bauuntersuchung
Wohnhäuser, Havelberg, Deutschland
Bauforschung
Nidaros-Dom, Trondheim, Norwegen
Schloss Heubach, Deutschland
Wohnhaus Balbarini, Pisa, Italien
Berhardskapelle, Owen, Deutschland
Wohnhaus Schminke, Löbau, Deutschland
Tragwerksanalyse
Bautechnische und bauphysikalische Untersuchungen
Stärken-Schwächen-Analyse
Entwurf
Entwerfen mit der Geschichte
Disposition
Bewusste Nutzungsplanung
Stadtarchiv in der Kirche S. Agostin, Valladolid, Spanien
Überlegte Eingriffe
Veranstaltungsraum „Tabourettli" in dem alten Spalenhof, Basel, Schweiz
Gezielte Entlastungsbauten
Bankgebäude in gründerzeitlicher Bebauung, Budapest, Ungarn
Planungsstrategien
Instandhalten
Wohnhaus, Venedig, Italien
Wohnhaus, Bamberg, Deutschland
Modernisieren
Stadtpalast als Museum, Venedig, Italien
Weiterbauen
Wohnung im Industriebau, Madrid, Spanien
Ausbau eines Industriegebäudes, Göttelborn, Deutschland
Hotel in der Klosterkirche, Maastricht, Niederlande
Landesmuseum Schloss Tirol, Bozen, Italien
Einfamilienhäuser, Utrecht, Niederlande
Geschäftshaus, Zürich, Schweiz
Ersetzen
Gestaltung
Anpassung
Schwimmhalle, Spexhall Manor, Großbritannien
Auswärtiges Amt in der ehem. Reichsbank, Berlin, Deutschland
Vereinheitlichung
Fragmentierung
Rathausumbau und -erweiterung, Utrecht, Niederlande
Nuevos Ministerios, Madrid, Spanien
Fügung
The British Museum, Queen Elizabeth II Great Court, London, Großbritannien
Dokumentationszentrum ehem. Reichsparteitagsgelände, Nürnberg, Deutschland
Ausführungsplanung
Voraussetzungen
Aufbauen statt Abbrechen
Bauteilorientierte Planung
Bibliothek, Eichstätt, Deutschland
Planung mit formtreuem Aufmaß
Grundsätze
Reparieren statt Erneuern
Additive Maßnahmen
Stadtmuseum Naumburg, Deutschland
Wiederverwendung vorgefundener Materialien
Lösungen: zwei Beispiele
Energetische Ertüchtigung der Fenster
Wohnhaus, Buchschlag, Deutschland
Dachwerksinstandsetzung
Realisierung
Baustelleneinrichtung
Baustelle als Attraktion
Werkstattprinzip
Bauteilschutz
Schloss Heubach, Stadtbibliothek und Miedermuseum, Deutschland
Bauleitung
Koordination der Gewerke
Bemusterung und Probeeinbau
Aufmaß und Abrechnung
Bauzeit und -geld
Baukosten und Kostenkontrolle
Bauzeitenplan
Honorar
Nachhaltigkeit
Facility Management
Monitoring und Pflege
Werterhalt
Literaturverzeichnis
Architektenregister
Sachregister
Bildnachweis
Über die Autoren

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ARCHITEKTUR IM BESTAND Planung Entwurf Ausführung

Johannes Cramer Stefan Breitling

ARCHITEKTUR IM BESTAND Planung Entwurf Ausführung

Birkhäuser Basel • Boston • Berlin

Gestaltung und Herstellung: Atelier Fischer, Berlin Reproduktionen und Druck: Ruksaldruck, Berlin Bindung: Kunst- und Verlagsbuchbinderei, Leipzig Dieses Buch ist auch in englischer Sprache erschienen: ISBN 978-3-7643-7752-6 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. © 2007 Birkhäuser Verlag AG Basel • Boston • Berlin Postfach 133, CH-4010 Basel, Schweiz Ein Unternehmen der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media Gedruckt auf säurefreiem Papier, hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff.TCF ⬁ Printed in Germany ISBN 978-3-7643-7751-9 987654321 www.birkhauser.ch

INHALT 9

Architektur und Bestand

15

Architektur und Zeit

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Baulicher Bestand und Identität Alt und Neu Der Wert des baulichen Bestands

29

Planungsablauf

29

42

Besonderheiten im Planungsprozess Notsicherungsmaßnahmen Vorbereitende Untersuchungen Planungstiefe 33 Casa de las Conchas, Salamanca, Spanien Die Beteiligten Der Bauherr Der Architekt Die Baugenehmigungsbehörde 37 Übersicht: Das Genehmigungsverfahren 41 Stadtmuseum Naumburg, Deutschland Die Ausführenden Entscheidungsfindung und Kommunikation

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Grundlagenermittlung

47

Bestandserfassung Grunddaten Literatur und Archiv Dokumentation des vorgefundenen Zustands Bestandspläne 59 Übersicht: Genauigkeitsstufen in der Bauaufnahme Bauuntersuchung 67 Wohnhäuser, Havelberg, Deutschland Bauforschung 71 Nidaros-Dom, Trondheim, Norwegen 74 Schloss Heubach, Deutschland 75 Wohnhaus Balbarini, Pisa, Italien 78 Berhardskapelle, Owen, Deutschland 79 Wohnhaus Schminke, Löbau, Deutschland

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Tragwerksanalyse Bautechnische und bauphysikalische Untersuchungen Stärken-Schwächen-Analyse

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Entwurf

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Entwerfen mit der Geschichte Disposition Bewusste Nutzungsplanung 103 Stadtarchiv in der Kirche S. Agostin, Valladolid, Spanien Überlegte Eingriffe 105 Veranstaltungsraum „Tabourettli“ in dem alten Spalenhof, Basel, Schweiz Gezielte Entlastungsbauten 109 Bankgebäude in gründerzeitlicher Bebauung, Budapest, Ungarn Planungsstrategien Instandhalten 112 Wohnhaus, Venedig, Italien 113 Wohnhaus, Bamberg, Deutschland Modernisieren 116 Stadtpalast als Museum, Venedig, Italien Weiterbauen 121 Wohnung im Industriebau, Madrid, Spanien 122 Ausbau eines Industriegebäudes, Göttelborn, Deutschland 125 Hotel in der Klosterkirche, Maastricht, Niederlande 128 Landesmuseum Schloss Tirol, Bozen, Italien 130 Einfamilienhäuser, Utrecht, Niederlande 131 Geschäftshaus, Zürich, Schweiz Ersetzen Gestaltung Anpassung 139 Schwimmhalle, Spexhall Manor, Großbritannien 140 Auswärtiges Amt in der ehem. Reichsbank, Berlin, Deutschland Vereinheitlichung Fragmentierung 149 Rathausumbau und -erweiterung, Utrecht, Niederlande 150 Nuevos Ministerios, Madrid, Spanien Fügung 154 The British Museum, Queen Elizabeth II Great Court, London, Großbritannien 156 Dokumentationszentrum ehem. Reichsparteitagsgelände, Nürnberg, Deutschland

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Ausführungsplanung

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Voraussetzungen Aufbauen statt Abbrechen Bauteilorientierte Planung 162 Bibliothek, Eichstätt, Deutschland Planung mit formtreuem Aufmaß Grundsätze Reparieren statt Erneuern Additive Maßnahmen 169 Stadtmuseum Naumburg, Deutschland Wiederverwendung vorgefundener Materialien Lösungen: zwei Beispiele Energetische Ertüchtigung der Fenster 176 Wohnhaus, Buchschlag, Deutschland Dachwerksinstandsetzung

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Realisierung

183

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Baustelleneinrichtung Werkstattprinzip Bauteilschutz 187 Schloss Heubach, Stadtbibliothek und Miedermuseum, Deutschland Bauleitung Bemusterung und Probeeinbau Aufmaß und Abrechnung Bauzeit und -geld Baukosten und Kostenkontrolle Bauzeitenplan Honorar

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Nachhaltigkeit

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Facility Management Monitoring und Pflege Werterhalt

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Literaturverzeichnis Architektenregister Sachregister Bildnachweis Über die Autoren

ARCHITEKTUR UND BESTAND Maxima quaeque aedificatio vix nunquam dabitur per eundem absolvi possit, qui posuerit.* Leon Battista Alberti Mit dem Schrumpfen vieler europäischer Städte am Ende des zweiten Jahrtausends ist deutlich geworden, dass die Neubautätigkeit als Arbeitsfeld für die Architekten beständig zurückgeht. Im gleichen Maße gewinnt die Veränderung der bestehenden Bausubstanz an Bedeutung. Das wachsende Umweltbewusstsein in der Gesellschaft nimmt die achtlose Zerstörung alter Gebäude zu Recht als ökologische Verschwendung, als Vernichtung von Heimat, Identität und Kulturgut sowie vor allem von volkswirtschaftlichen Werten wahr. Nach unterschiedlichen Schätzungen entfallen heute 50 % bis 70 % aller Bauaufgaben und ungefähr die Hälfte der Bausumme auf die Architektur im Bestand. Auf diese Veränderung des Berufsfeldes sind viele Architekten nicht mehr oder noch nicht vorbereitet. Bis weit in das 20. Jahrhundert hinein war die Arbeit des Architekten immer von dem gleichberechtigten und auch gleichermaßen geschätzten Nebeneinander des Neubauentwurfs auf der einen Seite und der Architektur im Bestand auf der anderen Seite gekennzeichnet. Michelangelo Buonarotti hat seiner genialen Planung für den Petersdom in Rom eine Vielzahl von Bindungen des Bauplatzes und der von seinen Vorgängern geschaffenen baulichen Strukturen zugrunde gelegt. Bis hin zu Karl Friedrich Schinkel haben fast alle großen Architekten neben ihrer Neubautätigkeit stets einen bedeutenden Teil ihres Engagements auf die Architektur im Bestand verwendet. Erst seit den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts diskreditiert man das Entwerfen für ein schon vorhandenes Gebäude mit Begriffen wie „Umbauarchitekt“ oder „Bauen im Bestand“. Viele Architekten fühlen sich schon durch das reine Ansinnen, Vorhandenes in die Überlegungen für ein Bauprojekt einzubeziehen, so sehr eingeengt, dass sie glauben, keinerlei Gestaltungsspielraum mehr zu haben. Diese tatsächlich irrationale Angst verstärkt sich noch, wenn die Planung ein Baudenkmal betrifft. Baudenkmale machen zwar allenfalls 3% aller vorhandenen Gebäude aus, doch die für ihre Instandsetzung und Restaurierung entwickelten und bewährten Strategien sind fast immer auch auf den „Normalfall“ übertragbar. *Es wird kaum jemals einen großen Bau geben, der von demselben zu Ende geführt werden könnte, der ihn begonnen hat.

Der Beginn der bewussten Architektur im Bestand: der Umbau des Castelvecchio in Verona zum Museum durch Carlo Scarpa (1964).

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Denkmalpfleger haben auch keineswegs den Auftrag, gute moderne Architektur zu verhindern. Es gibt also überhaupt keinen Grund für solche Berührungsängste. Und natürlich ist die Unterstellung falsch, der Entwurf im Bestand lasse für eine anspruchsvolle Planung keinen Spielraum. Eine Handvoll dafür berühmt gewordener Architekten hat schon in den sechziger Jahren das Gegenteil überzeugend bewiesen. Carlo Scarpa, Karljosef Schattner, Aurelio Galfetti oder Massimo Carmassi haben gezeigt, dass die qualitätvolle Weiterentwicklung von qualitätvoller Architektur auch für einen ambitionierten Entwerfer eine spannende Aufgabe ist. Das sorgfältig verzeichnete Werk des Büros Herzog & de Meuron weist fast ein Drittel aller Projekte im Bestand nach. Den Vorstellungen der Zeit entsprechend haben die Pioniere der sechziger Jahre Fragen der Substanzerhaltung und der Ressourcenschonung zunächst nur wenig berücksichtigt. Solche Forderungen wird man heute nachdrücklicher stellen. Den Beweis, dass bekannte Architekten zu allseits anerkannten Ergebnissen kommen, zeigen inzwischen viele Entwürfe. Beispielhaft sei die Planung von David Chipperfield und Julian Harrap für das Neue Museum in Berlin genannt. Ohne Verlust im Anspruch an die entwurfliche und gestalterische Qualität gelingt es, die systematisch erfasste und bewertete alte Substanz mit einem modernen Konzept spannungsreich und unaufgeregt zu verbinden. Es ist nur schwer nachzuvollziehen, warum diesen auf Systematik und Kreativität zugleich gegründeten Weg nicht auch andere Architekten gehen können sollten. Allen diesen Entwerfern war und ist es eine Selbstverständlichkeit, dass das Vorgehen, welches für den Neubau Gültigkeit hat, für den Bestand nicht in gleicher Weise geeignet sein kann. Über das allgemeine Bau- und Planungsrecht und die gebäudetechnischen Anforderungen hinaus sind im Bestand zusätzlich diejenigen baulichen Gegebenheiten zu berücksichtigen, die von den Vorgängern geschaffen wurden und die man in den zukünftigen Entwurf integrieren muss und will. Folgerichtig steht die Ermittlung dieser Grundlagen durch die systematische Erfassung und Erkundung des Bestands am Anfang des Planungsprozesses. Das mag zunächst aufwändig erscheinen, zahlt sich aber ohne Zweifel am Ende wieder aus. Wer das Tragsystem nicht identifiziert hat, kann auf seine Eigenheiten nicht eingehen; wer verborgene Werte des Bauwerks nicht kennt, wird sie schon durch den Entwurf beschädigen oder gar zerstören.

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Der bewusst modern gestaltete Einbau gibt dem Restaurant in Hamburg einen vollständig neuen Charakter ( Jordan Mozer, 2005).

Wer den Bestand kennt, wird auf Verformungen intelligent eingehen und die Eigenschaften der alten Baumaterialien ebenso wie die gestalterischen und historischen Werte einbinden. Der Entwurf muss demzufolge komplexere Sachverhalte berücksichtigen, als dies im Neubauentwurf der Fall ist. Die Abstimmungsprozesse sind vielfältiger. Diesen Umstand mag man als Überforderung zurückweisen. Man kann und sollte ihn aber besser als Herausforderung verstehen und für den Entwurfsprozess produktiv machen. Auf vielen Baustellen muss man leider sehen, dass die Planer sich dieser Auseinandersetzung verweigern und das alte Haus zunächst einmal auf den Rohbauzustand reduzieren. Im Umgang mit dem Rest gelten dann optische Effekte mehr als konstruktiv und gestalterisch durchdachte Lösungen. Die Lust am Fragment führt zum Verlust des Konzepts. Häufig sind auch schon die Begriffe ungenau: Altern lassen, Pflegen, Renovieren, Instandhalten, Instandsetzen, Konservieren, Restaurieren, Reparieren, Erneuern, Modernisieren, Ersetzen, Rekonstruieren. Dieser unscharfe Wortgebrauch führt notwendigerweise zu einer babylonischen Sprachverwirrung.

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In dieser Situation soll unser Buch dreierlei leisten: Für denjenigen, der sich dem Gesamtfeld erstmals nähert, sollen Unterschiede zwischen der Planung für einen Neubau und dem Entwurf im Bestand deutlich werden. Dazu gehört neben der umfangreicheren Ermittlung der Grundlagen auch eine veränderte und angepasste Planungs- und Entwurfsstrategie. Für die eher am Entwurf Interessierten werden zweitens die unterschiedlichen Haltungen der neu geschaffenen Architektur zum vorgefundenen Bestand vorgestellt und analysiert, wie sie in den zurückliegenden Jahren erkennbar geworden sind. Dass dieser Diskurs nicht zu einer konkreten Handlungsanweisung für den erfolgreichen Entwurf im Bestand führen kann, liegt auf der Hand. Und nicht zuletzt sollen drittens die Besonderheiten der Baustelle im Bestand verdeutlicht werden. Dabei geht es uns immer um Orientierung, Verknüpfung und Vorgehen. Und es versteht sich von selbst, dass wir auch dann, wenn wir eine weitgehende Vollständigkeit der vielfältigen Aspekte versucht haben, diese doch niemals tatsächlich erreichen konnten. Nicht nur deswegen ist unser Buch kein Handbuch für die Baustellenpraxis und keine Gebrauchsanweisung zur Lösung praktischer Bauprobleme. Es ist auch kein Leitfaden für die Denkmalpflege – so sehr wir uns dieser schönen Aufgabe auch verbunden fühlen und aus dieser Tätigkeit Nutzen gezogen haben. Dazu haben andere schon nützliche Werke vorgelegt, auf die wir in den jeweiligen Kapiteln gerne verweisen. Es gibt also gewichtige Gründe für den Architekten und Planer, sich mit dem Baubestand auseinander zu setzen und das eigene Verhältnis zu dessen Werten und Zwängen zu bestimmen. Er hat es mit einem komplexen Entwurfszusammenhang und vielfältigen Entwurfsparametern zu tun. Wer sich mit Engagement auf den Entwurf im Bestand einlässt, entdeckt ein vielschichtiges und faszinierendes Betätigungsfeld, das dem Neubauentwurf in nichts nachsteht und durch die Komplexität der Zusammenhänge zusätzliche Herausforderungen formuliert. Die historische Substanz birgt eine Fülle von Ressourcen und unentdeckter Werte einerseits und andererseits manche Schwäche und manches Risiko, die zusammengenommen der Planer klug berücksichtigen und zielgerichtet nutzen muss. Respekt und Kreativität, die Fähigkeit zur Vernetzung und Verarbeitung unterschiedlicher Informationen und individueller Ausdruck sind gefragt. Das Ergebnis wird hoffentlich klar und konsequent, aber niemals eindimensional sein. Das alles ist gute Architektur. Wem es gelingt, in seiner Planung

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der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft gerecht zu werden, zwischen den Ansprüchen der Erinnerungskultur, praktischen Anforderungen und dem zeitgenössischen Kunstschaffen zu vermitteln, der verwirklicht Grundwerte der europäischen Gesellschaft. Für vielfältige Unterstützung bedanken wir uns bei zahlreichen Hauseigentümern und Photographen, die uns bereitwillig das umfangreiche Bildmaterial zur Verfügung gestellt haben. Anregende Gespräche mit Freunden und Kollegen haben uns viele Aspekte verdeutlicht. Wolfgang Wolters hat uns mit Hinweisen und kritischer Begleitung unterstützt. Thomas Eißing, Andreas Potthoff, Jens Birnbaum, Arne Semmler und Friedrich Schmidt haben für das Buch eigens Abbildungen gefertigt. Die überaus aufwändige und zeitraubende Bildredaktion wäre ohne den kundigen und engagierten Einsatz von Anke Blümel unmöglich gewesen. Bernd Fischer hat dem Buch mit Übersicht und in die Details gehender Sorgfalt seine schöne Form gegeben. Dem Birkhäuser Verlag und dem Lektor Andreas Müller danken wir für die Initiative und die konstruktive Begleitung, ohne die das Buch nicht zustande gekommen wäre. Johannes Cramer

Stefan Breitling

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ARCHITEKTUR UND ZEIT Je schneller die Zukunft für uns das Neue, das Fremde wird, desto mehr Kontinuität und Vergangenheit müssen wir in die Zukunft nehmen. Odo Marquard Architektur ist immer an die Zeit gebunden. Sie wird aus einer spezifischen Situation heraus erschaffen, für einen besonderen Zweck entworfen, Material und Gestalt werden durch die jeweiligen Mittel, Techniken und Traditionen bestimmt. Nach seiner Fertigstellung ist das Bauwerk mannigfaltigen Veränderungen unterworfen. Ein Sprichwort sagt: „Sobald der Maler das Haus verlässt, beginnt der Verfall.“ Die Alterung des Bauwerks hinterlässt ihre Spuren, die Patina überzieht die Oberfläche, je nach Alterungsfähigkeit eines Materials die Oberflächen schützend, ehrfurchtgebietend oder zerstörend. Konstruktionszusammenhänge lösen sich durch natürliche Alterungsprozesse auf oder werden durch äußere Einflüsse wie Brände oder bewusste Eingriffe zerstört. Schneller noch als die Konstruktion eines Bauwerkes verändern sich oft die Nutzungsbedingungen und die Ansprüche der Eigentümer und Nutzer, die auf Umgestaltung des Bestehenden drängen. Bauwerke sind nicht für die Ewigkeit gemacht. In Analogie zur menschlichen Existenz führt der Baubestand immer wieder eindrucksvoll vor Augen, wie nah überraschende Dauerhaftigkeit, allmähliche Alterung und plötzliche Zerstörung liegen können. Dass die Zeiträume, in denen sich dies abspielt, zwischen wenigen Jahren und vielen Jahrhunderten schwanken, macht eine wesentliche Faszination der Architektur aus. Spuren und Narben der Geschichte eines Bauwerkes lagern sich in Schichten ab, werden an Brüchen sichtbar und so unlösbar Teil und Eigenschaft der Architektur. Die erhaltene Bausubstanz wird zum lebendigen Zeugnis nicht nur seiner Entstehungszeit und der Intentionen, Konzepte und Möglichkeiten seiner Erbauer, sondern auch der Geschichte selbst, des Verlaufs der Zeit mit all ihren Geschehnissen und Entwicklungen. Veränderung ist die selbstverständliche Bedingung des Lebens. Neben den natürlichen Alterungsprozessen, denen auch die Architektur unterworfen ist, spielt die Umgestaltung durch die jeweiligen Nutzer eine besondere Rolle für das Fortleben der Bausubstanz. Die rasche Aufeinanderfolge unterschiedlichster historischer Rahmenbedingungen, von Moden und Stilen, sowie die rasante Entwicklung neuer Bautechniken haben in allen Epochen der europäischen Baugeschichte Fraktale Architektur als Spiegel der Wirklichkeit.

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dazu geführt, dass das Alte durch etwas Neues ersetzt wird. Der Abbruch begonnener Arbeiten, die Vernachlässigung des Gebauten, der Teilabbruch und die Zerstörung bestehender Bausubstanz ist überall zu beobachten. Veränderung bedeutet immer auch die Konfrontation mit dem Fremden, das das Neue stets ist, und stellt das Gewohnte und Vertraute in Frage. Von der Veränderung kann eine beunruhigende Wirkung ausgehen, insbesondere dann, wenn sie schnell und plötzlich stattfindet und wenn ihre Unumkehrbarkeit schmerzlich bewusst wird. Und doch ist der Drang nach Veränderung ein konstituierendes Element der europäischen Kultur. Das Bewahren steht dazu nicht im Widerspruch. Die architektonischen Mittel, die man zum Schutz der Bausubstanz und zur Werterhaltung einsetzt, das Ergänzen, Geschichte produziert Schichten. Die Fassade des Auffrischen, Verstärken, Umbauen und Barco Cornaro mit Wandgemälden der Renaissance in der Nähe von Vicenza ist in historischer Zeit vielfach Erweitern des Bestandes, stellen genauso und ohne Rücksicht auf die historischen Schönheiten eine Modifikation des Bestehenden und verändert worden. Heute würde man sicher anders mithin eine Veränderung dar. Das Pflegen vorgehen. und Reparieren des eigenen Besitzes mit dem Ziel, dessen Wert lange und unbeschadet zu erhalten, wenn möglich noch zu steigern, war und ist in allen Zeiten eine Selbstverständlichkeit. Ein schadhaftes Gebäude fachgerecht zu analysieren und eine Maßnahme zu planen, welche das Problem mit geringem Aufwand beseitigt, wurde gerade in den Zeiten vor Entwicklung der mathematischen Statik hoch geschätzt. Franz Ignatz Michael Neumann war im 18. Jahrhundert ein gefragter und viel bewunderter Architekt, der seine Fähigkeiten fast ausschließlich im Bestand einsetzte. Seine Lösungen an den Domen in Speyer und Bamberg zeugen von einem tiefen Verständnis für die historisch gewachsenen Konstruktionszusammenhänge. Aus diesem Problembewusstsein heraus entwickelte er geniale und individuell angepasste Architekturen, die zu den großen Leistungen des Barock zählen.

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Auch die Großen passten sich an. Die Baustelle von St. Peter in Rom um 1535. Rechts die schon weitgehend abgebrochene konstantinische Basilika, links der Neubau, an dem sich bis dahin berühmte Architekten mit unterschiedlichen Plänen versucht hatten: Donato Bramante, Raffael, Antonio da Sangallo und Baldessare Peruzzi. Alle Entwürfe blieben Fragment. Der große Michelangelo baut nach 1546 selbstverständlich auf diesen Vorgaben weiter. Bis zur Fertigstellung sind mit gleicher Auftragslage auch noch Carlo Maderno und Gianlorenzo Bernini beteiligt.

Seit Jahrhunderten ist bekannt, dass der Entwurf für den Bestand nur dann erfolgreich sein kann, wenn die Grundlagen sorgfältig und umfassend erhoben wurden. Dieser Plan dokumentiert eine sorgfältige Rissekartierung aus dem 18. Jahrhundert.

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Architektur im Bestand, der anspruchsvolle und richtungweisende Entwurf in einer vorgefundenen baulichen Situation, hat eine lange Tradition. Große Architektur ist immer auch im und aus dem Bestand heraus entwickelt worden, als Weiterentwicklung von vorgefundenen Ansätzen. Unter den großen Entwerfern der Architekturgeschichte sind viele, die sich durch die Arbeit mit dem Bestand durchaus nicht in ihrer Kreativität eingeengt fühlten, sondern gerade hier ihre entwerferische Kraft verwirklichten. Karl Friedrich Schinkel hebt bei jedem seiner Umbauvorschläge die Sparsamkeit seiner Lösung hervor. Er zeigt für jeden Umbauentwurf einen Bestandsplan und gibt damit dem Betrachter die Möglichkeit, selbst über die Veränderung zu urteilen. Einige seiner Umbauprojekte gehören zu seinen interessantesten und architektonisch anspruchsvollsten Schöpfungen. Im Schlösschen des Alexander von Humboldt in Tegel bei Berlin lässt er auf Wunsch der Bauherren den Altbau sichtbar, bewahrt so seine Würde und steigert durch die Ummantelung des bestehenden Turmes und dessen Wiederholung an den vier Ecken des Hauses seine Wirkung. Wie Schinkel dort ein zusätzliches Geschoss einführt, ohne das vorhandene Haus zu erdrücken, und wie er schließlich im Inneren ein ebenso ungewöhnliches wie geniales Nutzungs- und Erschließungssystem umsetzt, das ist bis heute ein Lehrstück für jeden, der mit komplizierten Entwurfsbedingungen zu tun hat. Baulicher Bestand und Identität Unser Lebensumfeld wird maßgeblich durch Architektur geprägt. Von der Kulturlandschaft bis zum Quartier in der Stadt bestimmen die historischen Bauten das Aussehen und den Charakter unserer Umwelt. Die europäischen und außereuropäischen Städte werden vor allem durch ihren Baubestand definiert. Nur er sorgt dafür, dass auch über lange Zeiträume ein Ort wiedererkennbar bleibt. Die Architektur bestimmt den genius loci, der die Identität eines Ortes ausmacht. Dieser Begriff umfasst sowohl die Kontinuitäten als auch die gegenwärtigen Charakteristika und die Möglichkeiten eines baulichen Umfeldes. Die Pflege dieses identitätsstiftenden genius loci gehört zu den vorrangigen Aufgaben der Stadtplanung. Bauwerke bleiben in der Regel länger bestehen als ein Menschenleben. Viele überdauern mehrere Generationen, für manche, wie etwa die ägyptischen Pyramiden, scheinen gar die Gesetze der Vergänglichkeit weitgehend außer Kraft gesetzt. Diese Persistenz prädestiniert den Baubestand zum

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Träger und Orientierungspunkt für die Erinnerung des Einzelnen wie der Gemeinschaft. Jenseits der herausragenden Einzelmonumente definieren sich Regionen und Städte über die Vielzahl jener Bauwerke, die architektonisch oder künstlerisch von höchst unterschiedlichem Wert sein können, an die sich aber im Laufe der Zeit Bedeutungen angelagert haben und die in gewisser Weise Teil der allgemeinen Erinnerung geworden sind. Wie wichtig diese Orientierungsmöglichkeit durch architektonische Kontinuitäten ist, wird überall dort besonders deutlich sichtbar, wo sich städtische Strukturen in rascher Folge verändern. Wo der Veränderungsdruck hoch ist, beispielsweise in den Zentren der modernen Großstädte, erzeugt das schnelle Werden und Vergehen von Architektur eine nervöse Verunsicherung, welche durch ein verstärktes Interesse an den geschichtlichen Abläufen gleichsam kompensiert wird. In Städten wie Tokio, London oder Paris können sich Die massiven Zerstörungen des zweiten Weltkrieges deshalb das Bild und der Film als dauerhaben die Stadt Warschau beinahe ausgelöscht. haftere Erinnerungsträger erweisen, als die Der Wiederaufbau der Altstadt von Warschau rekonstruiert das Verlorene, ohne es im Architektur. Detail zu kopieren. Nach plötzlichen großen Verlusten an historischer Bausubstanz, wie sie durch Kriege und Katastrophen verursacht werden, besteht ein besonders großes Bedürfnis nach Selbstvergewisserung durch Architektur. Der Bruch des Kontinuums führt zu einer intensivierten Auseinandersetzung mit dem verbliebenen baulichen Erbe. In Chicago gab der große Brand von 1871 nicht nur Anlass zur Neuerfindung der Stadt, sondern gleichermaßen auch zur Definition einer spezifischen lokalen Architektursprache. In Warschau entschied man sich nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg für einen an den Vorkriegszustand erinnernden Wiederaufbau der Innenstadt auf den historischen Grundstücksgrenzen.

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Im ländlichen Raum ist die Bindung an die Tradition oft noch ungebrochen. Die alten Bauformen werden im modernen Material weitergeführt, die Pflege und Reparatur des Besitzes sind eine Selbstverständlichkeit.

Dabei hielt die Architektursprache die Waage zwischen zeitgemäßer Formgebung und Anspielung auf das Aussehen der Vorgängerbauten. Die Bewahrung der zahllosen Kriegsruinen nach 1945 zeigt die Intensität in der Auseinandersetzung mit der Geschichte auch und gerade in der Konfrontation mit Tod und Zerstörung. Das Authentische und Unmittelbare der originalen Substanz ist durch die bloße Erzählung oder das Bild nicht zu ersetzen. Auch die Architektur einzelner Bauwerke ist immer Arbeit an einem allgemeinen Gedächtnis und damit Teil der Erinnerungskultur. Worum sich die Pflege des Landschaftsbildes und des städtischen genius loci im Großen bemüht, das gibt der Architektur im Bestand am Einzelbau Ausrichtung und Sinn. Der bewusste Umgang mit dem durch Architektur vermittelten Umgang mit der Geschichte gehört wesentlich zum Verantwortungsbereich des Architekten, der er sich nicht entziehen kann und darf. Entscheidend ist die Verankerung in dem aktuellen gesellschaftlichen, historisch bedingten Diskurs. Es geht darum, die identitätsstiftenden Aspekte der vorhandenen überlieferten Bausubstanz zu bewahren, zu nutzen und fortzuführen. Ein solches Architekturverständnis ist die Basis für eine Baukultur, die zugleich weltoffen und regional verankert ist. Wo Traditionen aufgegriffen und auf intelligente Weise weiterentwickelt werden, entsteht ein bauliches Lebensumfeld von hoher identitätsstiftender Kraft. Viele europäische Innenstädte aber auch die regionale Architektur der Vorarlberger oder der Graubündener Schule ebenso wie das Werk eines Peter Zumthor oder von Herzog & de Meuron sind dafür Beleg genug. Die

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Architektur im Bestand ist in besonderer Weise Ausdruck einer europäischen Kultur, die Neuerung und Tradition zugunsten eines reichen, charakterstarken und vielschichtigen Lebensumfeldes zu verbinden weiß. Alt und Neu Das Verhältnis der Öffentlichkeit zur Geschichtlichkeit von Architektur ist einem steten Wandel unterworfen. Besonders die europäische Kultur legt großen Wert auf die Überlieferung nicht nur der Rituale, sondern auch der Substanz, wie die Museumskultur und die Denkmalschutzgesetzgebung belegen. Dieses Bemühen um Bewahrung ist ambivalent. Einerseits tragen die Erhaltung und die Pflege des Bestandes kultische Züge und sichern ein sinnhaftes Lebensumfeld. Andererseits lässt sich das Vergehen von Zeit nicht verlangsamen und der Alterungsprozess der Gegenstände und Gebäude nicht endlos verlängern. Die Wiedergewinnung von etwas verloren Gegangenem, das Festhalten eines definierten Zeitpunktes oder die Umkehrung eines Entwicklungsprozesses sind prinzipiell nicht möglich und auch nicht wünschenswert. Die Tatsache des Sterbens lässt sich nicht verleugnen. In der Mitte des 19. Jahrhunderts hat John Ruskin in diesem Sinne die Würde der unverfälschten gealterten Bausubstanz besonders eindrucksvoll beschrieben. Für ihn ist der Kunstwert eng an den Alterswert gebunden, der demzufolge nicht durch moderne Eingriffe beeinträchtigt John Ruskin stellte die Paläste Venedigs in der Mitte des 19. Jahrhunderts mit ihrer Patina und allen Spuren der Zeit und Veränderung dar.

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werden soll. Er hat damit die weitere Architekturdiskussion maßgeblich geprägt und auch das Fundament der modernen Denkmalpflege gelegt. Aufgegriffen wurden diese Gedanken von den Kunsthistorikern Alois Riegl und Georg Dehio, der 1905 forderte, dass die Konservierung und nicht die rekonstruierende Wiederherstellung des Gebäudes das Ziel eines geschichtsbewussten Umgangs mit alten Bauwerken sein müsse. Die Moderne empfand die Auseinandersetzung mit der Baukunst vergangener Epochen dann zunehmend als unfruchtbare Beschränkung der Kreativität und setzte dieser Tradition die grundsätzliche Erneuerung und das Recht auf das Neue entgegen. Jede Generation sollte sich ihr eigenes Lebensumfeld schaffen und die Architektur sollte sich in regelmäßigen Abständen radikal erneuern. Den Bischof von Seggau faszinierte im 18. Jahrhundert Walter Gropius, damals Leiter des Bauhauses, das Historische römischer Fundstücke schon genauso wie die Touristen des Jahres 2006 in den Ruinen von Ephesos. schrieb dazu: „Bei dem Tempo der technischen Entwicklungen, die die letzten Jahrzehnte genommen haben, ist es zu fordern, daß die bisherige Tendenz, Hausbauten auf hundertjährige Lebensdauer zu erstellen, geändert wird. Die Überalterung der Bauten ist heute eine bedeutend schnellere, als in den vergangenen Generationen. Deshalb ist aus volkswirtschaftlichen Gründen zu fordern, daß die Lebensdauer der Häuser beschränkt wird. Dies würde uns auch in den Stand setzen, die Bauten leichter zu finanzieren und überalterte schneller auszumerzen.“ Nach dem Zweiten Weltkrieg und den traumatischen Verlusterfahrungen der Luftkriegszerstörungen wurde das Verhältnis der modernen Architektur zur Geschichte noch einmal neu definiert. Die Charta von Venedig formulierte 1964 in knapper Form Leitlinien zum Umgang mit dem baulichen Kulturerbe, die bis heute für den Umgang mit alten Bauten prägend sind. Die Kernbotschaft ist, dass der Zeugnis- und Informationsgehalt historischer Architektursubstanz wertvoll und nicht ersetzbar ist und daher für gegenwärtige und kommende Generationen bewahrt werden muss.

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Um das Wissen über die Bauten zu tradieren, müssen sie erforscht und dokumentiert werden. Maßnahmen zur Erhaltung der Bauten sollen an der größtmöglichen Authentizität orientiert sein. Dazu gehört, dass im Zweifelsfall die Bewahrung der Substanz vor der Bewahrung des Bildwertes steht. Aktuelle Maßnahmen, Materialien und Ergänzungsbauten, so die Charta von Venedig weiter, sollen sich von dem historischen Bestand deutlich unterscheiden und absetzen. In der Folge wuchsen das Interesse und die Zustimmung für die erhaltene Bausubstanz zusehends. Die modernen Planungsprinzipien der Stadtsanierung hatten zu einer emotionalen Entleerung der gebauten Umwelt geführt, einer Kühle und Indifferenz, die nicht das Ziel der Architektur sein konnte. Soziale Erneuerung, die Erhaltung historischer Ortskerne und die ökologische Bewegung gingen eine enge Allianz ein, in der auch die Denkmalpflege ihren Platz fand. Das Denkmalschutzjahr 1975 formulierte prononciert die Kritik an dem gegenwärtigen Städtebau und einer Modernes Erschließungsbauwerk in der Burgruine rationalen aber allzu gleichförmigen ArchiEhrenfels, additiv und reversibel (Auer/Cramer, 1995). tektur. Die Postmoderne hat dann den Baubestand und besonders die historischen Innenstädte als Thema des Entwerfens wieder entdeckt. Das Bestehende verfügt für die postmoderne Auffassung bereits über jene Vielschichtigkeit, Zufälligkeit und Charakterhaftigkeit, die auch von der neuen, gegen die Leere der seriellen Fabrikation und Wiederholung gerichteten Architektur gefordert wurde. Der Bestand besitzt aus dieser Sicht einen genius loci, der zu berücksichtigen und entwurflich zu stärken ist. Er besitzt darüber hinaus eine Vielzahl von individuellen Aspekten, phänomenologischen Splittern, die oft keinen Zusammenhang mehr erkennen lassen, und die zur Anregung dienen, aufgegriffen oder kontrastiert werden können. In der Praxis führte dieser Ansatz allerdings häufig zu einem zufälligen Spiel mit beliebigen Formen. Heute ist die Berücksichtigung des gewachsenen Umfeldes eine Selbstverständlichkeit, die durch Gestaltungssatzungen, Beteiligungsverfahren, Denkmalschutzgesetzgebung und andere Vorschriften auch institutionell verankert ist. Bauhistorische Forschung hat in vielen Gegenden eine Fülle

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von Material zu den vielfältigen Formen des Bauens zusammengetragen und hilft, historische Konstruktionen und Entwürfe zu verstehen und einzuordnen. Dennoch stellt sich auch heute wieder neu die Frage nach unserem Verhältnis zur Vergangenheit der Architektur. In jüngster Zeit sind Tendenzen spürbar, die eine Entkoppelung der Erinnerung von den authentischen Spuren der Geschichte betreiben. Sie nehmen dabei Gedanken der 1960er Jahre wieder auf, die das Recht des Einzelnen zur freien Wahl seines Geschichtsbildes unabhängig von kanonisierten Geschichtsentwürfen hervorhoben. Was damals Befreiung war, wirkt heute wie ein Rückfall in eine verantwortungslose Beliebigkeit. Was heißt unter diesen Voraussetzungen Architektur im Bestand? Welche Ziele sollen Reparatur, Sanierung, Ertüchtigung als Entwurfsaufgaben haben? Wie können Qualitäten wiedergewonnen werden, welche die erhaltenen Bauwerke einmal besaßen? Jede Form der Architektur im Bestand ist Vermittlung einer bestimmten Einstellung zur Historizität von Architektur. Dass die Herstellung von Bildern, im Sinne einer gut fassbaren Inszenierung der Erscheinung, leicht zu einem ungewollten Verlust an Substanz führen kann, dass sich mit der Rekonstruktion vergangener Zustände die Gefahr einer Verflachung der historischen Realität wie der eigenen Gegenwart verbindet, ist bekannt. Auf der anderen Seite kann und darf die Gesellschaft nicht auf die Nutzung der im Altbaubestand gebundenen Erinnerungswerte verzichten. Viele Fragen nach dem technischen Umgang mit historischer Bausubstanz, sowohl entwurflich wie baukonstruktiv, sind heute zufriedenstellend geklärt, und der Architekt kann dabei auf ein breites Material zur Lösung von spezifischen Problemen zurückgreifen. „Lernen von der Vergangenheit“ hieß aber bei Karl Friedrich Schinkel wie bei Le Corbusier nicht einfach die Übernahme, sondern die schöpferische Weiterentwicklung und Verbesserung des bisher Erreichten. Der Wert des baulichen Bestands Die Einstellung der meisten Menschen zu alten Gegenständen ist zwiespältig. Das Alte steht häufig für die Stagnation und den Verfall. Andererseits bringt man dem Alten auch eine gewisse Verehrung entgegen und würdigt die Tatsache, dass das Altern mit der Überwindung von Schwierigkeiten verbunden war. Die bloße Tatsache der Erhaltung regt zum Wundern und zur Bewunderung an. Vielleicht schätzt man auch das Gewohnte im Alten, die Erfahrungen, die zum Überwinden der Zeit beigetragen haben. Die

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Architektur ist zeitgebunden. Und oft verrinnt die Zeit schnell. Dieses Bürogebäude in Berlin wurde 1999 instandgesetzt und schon im Jahr 2003 noch einmal grundlegend neu gestaltet.

Spuren des Alterns können als Form kultureller Identität wahrgenommen werden. Für John Ruskin bestand der Reiz der Stadt Venedig nicht in einer Ansammlung von Renaissance- und Barockpalästen, sondern in der sichtbaren Tatsache ihres sich über Jahrhunderte hinziehenden Verfalls. Der Wert des baulichen Bestandes ist also in hohem Grade abhängig von der Haltung und Einstellung, die man ihm entgegenbringt. Die Frage nach der Beziehung zum Alten ist zugleich diejenige nach den allgemeinen Wertmaßstäben der Zeit. Wer nur das jeweils Neue wertschätzt, der wird sich mit ererbten Werten schwer tun. Wer dagegen ökonomisch denkt, wer sich um die Nutzung und Wiederbelebung von Werten bemüht, der kann durch die kluge Verwertung des Vorgefundenen nur gewinnen. Der Einfluss von Achtung und Missachtung, des Wertebewusstseins und der Historische Baustoffe sind manchmal anspruchsvoll, aber immer benutzerfreundlich und ökologisch unbedenklich.

Alte Häuser haben viele Bewohner. Deswegen ist auch der Artenschutz eine Aufgabe des Architekten: Fledermäuse im restaurierten gotischen Kreuzgang.

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Ignoranz wird dort besonders deutlich, wo kurzlebige Entscheidungen langfristige Folgen haben. Der überkommene Baubestand muss schließlich nicht nur als Teil des kulturellen Erbes, sondern ebenso als materielles Erbe einer Gesellschaft angesehen werden. Volkswirtschaftlich gesehen besitzt er einen gewaltigen Wert. Große Mengen an Energie sind in den Baumaterialien und beim Bau Der Abriss des Außenministeriums der DDR der Gebäude gebunden worden, die weitererfolgte ohne jede gesellschaftliche Diskussion um den Wert dieser Architektur. hin zur Verfügung stehen. Historische Baumaterialien aus der Zeit vor der Industrialisierung bestehen darüber hinaus in der Regel aus natürlichen, ökologisch und gesundheitlich unbedenklichen Stoffen und haben ihre Eignung bereits bewiesen. Gerade diejenigen Eigenheiten, welche die historische Architektur von den modernen Bauten unterscheiden, können zudem einen immanenten Wert haben, der heute wirtschaftlich nicht mehr ohne weiteres herstellbar wäre. Sorgfältig gehauene Werksteine, vielteilige Füllungstüren oder aufwändige Dekorationen sind als Standardlösungen heute kaum noch vorstellbar. Die großzügig ausgelegten Räumlichkeiten, die repräsentativen Eingangsbereiche, die hohen Decken und der verschwenderische und kreative Umgang mit Raum, wie er für viele historische Bauten charakteristisch ist, ließe sich heute aus Kostengründen und wegen der Beachtung der Baunormen kaum noch realisieren; für viele Nutzer hat aber gerade das einen großen Wert. Umgekehrt sind Abriss und Entsorgung alter Gebäude häufig ein zusätzlicher und oft unnötiger Aufwand, der zudem die Umwelt belastet. Es lohnt sich, die verschiedenartigen Werte, die in einem historischen Bauwerk stecken, zu vergegenwärtigen und sie der Öffentlichkeit gegenüber herauszustellen. Auf diese Weise kann der tatsächliche Sachwert eines Gebäudes real steigen. Derjenige Bauherr hat auch wirtschaftlich alles richtig gemacht, der ein altes Haus in einem heruntergekommenen und schlecht beleumundeten Viertel günstig kauft und anschließend die Werte der Bausubstanz, des Standortes und der örtlichen Bau- und Erinnerungskultur so weit nach außen vermittelt, dass sich das Viertel nach und nach

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belebt und dadurch aufgewertet wird. Ständige Erneuerung ohne Rücksicht auf das Bestehende dagegen kann gegenüber der Nutzung der vorhandenen Ressourcen nicht wirtschaftlich sein. Der Baubestand hat insofern neben dem kulturellen auch einen substantiellen und volkswirtschaftlichen Wert, der bei einer von kurzfristigen Moden bestimmten Einschätzung allzu oft übersehen wird. Dagegen ist für jeden langfristig denkenden Bauherrn längst klar, dass der Realwert seiner Immobilie in jedem Fall durch Pflege und nachhaltige Erneuerungsmaßnahmen gewahrt werden muss. Von der baulichen Stadtsubstanz des Jahres 2030 sind schon heute 70 bis 80 Prozent als bauliche Gehäuse vorhanden. Das stellt die Gesellschaft und mit ihr die Architektenschaft vor die Aufgabe, professionell und zukunftsorientiert mit dem Bestand umzugehen. Literaturhinweise Die theoretisch-philosophischen Grundlagen zur Auseinandersetzung mit der Zeit hat am prägnantesten Ricœur untersucht. Die Erinnerungsdebatte wurde in den 1980er Jahren von Halbwachs angestoßen. Lübbe beschreibt das problematische Verhältnis der Gegenwart zur Dauerhaftigkeit. Einen Sammelband zur Erinnerungsarbeit haben Breitling/Orth vorgelegt. Unser Verhältnis zur gebauten Vergangenheit erörtern aus unterschiedlichem Blickwinkel Anderson, Assmann, Assmann/Harth, Bolz, Bloomer/Moore, Boyer, Loewy/Moltmann, Lowenthal, Lynch und Tausch. Die Konkretisierung auf bestimmte Orte und Bauwerke haben für Frankreich Choay und für Deutschland François/Schulze zusammengefasst. Mostafavi/Leatherbarrow beschäftigen sich ausführlich mit dem Verfall von Bauwerken. Jencks hat die historische Dimension für die Neubauarchitektur wieder in den Blick genommen. Rossi und Lampugnani erläutern die Bedeutung des vorgefundenen Baubestandes für die Stadt. Die Hintergründe des forcierten Stadtumbaus beschreibt prägnant Oswalt. Die Schönheit und die intellektuelle Botschaft der alten Bauten hat 1849 Ruskin in seinen „Seven Lamps of Architecture“, zwei Jahre später in den „Stones of Venice“ gepriesen. Brachert versucht, diese Empfindungen zu objektivieren. Die Grundlagen und die Denkweise der Denkmalpflegetheorie hat am besten Huse zusammengefasst. Zahlreiche Aspekte dazu sind auch Wolters zu verdanken. Eine moderne Fortschreibung versuchen Pedretti, Lipp/Petzet und Meier/Wohlleben. Einen schönen Überblick über den Umfang der Aufgabe „Architektur im Bestand“ in historischer Zeit geben Caperna/Spagnesi.

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PLANUNGSABLAUF Jeder Eingriff bedingt eine Zerstörung. Zerstöre deshalb mit Verstand. Luigi Snozzi

Besonderheiten im Planungsprozess Im Grundsatz unterscheidet sich der Entwurfsprozess im Bestand nicht von dem Ansatz für einen Neubauentwurf. Der Anspruch höchster gestalterischer Qualität, die uneingeschränkte Gebrauchsfähigkeit und die wirtschaftliche Nutzung der Ressourcen gelten auch und gerade hier. Unterschiede finden sich einzig in der ausführlicheren Ermittlung der Grundlagen, der größeren Zahl von Beteiligten am Planungsprozess, zu denen bei eingetragenen Kulturdenkmalen im Besonderen die Denkmalbehörden gehören, und – daraus resultierend – in dem meist aufwändigeren Abstimmungsprozess der einzelnen Planungsschritte. Notsicherungsmaßnahmen Viele Projekte im Bestand beginnen notgedrungen nicht mit der Entwurfsplanung, sondern mit kleinen Baumaßnahmen. Kein verantwortungsbewusster Planer wird zusehen wollen, wie während der möglicherweise langwierigen Planungs- und Abstimmungsarbeit der Baubestand zunehmend verfällt oder vandalisiert wird. Es gehört deswegen zu den ersten Aufgaben des planenden Architekten, den Bau wenigstens provisorisch zu sichern und dringende Notsicherungsmaßnahmen auf oft sehr unterschiedLicht und Schatten der Bauwerkssicherung: luftdurchlichen Gebieten einzuleiten. lässig unten, dicht und schwammgefährdet oben. Seitdem historische Baustoffe ein Handelsgut geworden sind, ist die Gefahr groß, dass ein offen stehendes altes Gebäude in kurzer Frist mutwillig zerstört oder gar vollständig ausgeplündert wird. Die Sicherung gegen unberechtigten Zugang ist deswegen ein dringendes Erfordernis. Eine provisorische Bautür und luftdurchlässig vermauerte Fenster sind besser als der Verlust der alten Ausstattung. Auch die Sicherung gegen Regenwasser ist unverzichtbar. Verstopfte Dachrinnen sollen unverzüglich gereinigt und schadhafte Stellen repariert werden. Der gebrochene Türsturz in der Burg Witten wird durch die Unterspannung gehalten. Eine wirkungsvolle und reversible Maßnahme (Hans-Busso von Busse, 1995).

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Massiver Hausschwammbefall an der Fassade des Narkomfin-Hauses in Moskau (Moissej Ginzburg, 1930).

Fachwerkwand mit weit reichenden Zerstörungen der Holzkonstruktion aufgrund einer schadhaften Dachrinne; nach der Reparatur.

Große und auch kleine Schadstellen in der Dachhaut werden durch nachgesteckte Ziegel, wo dies nicht reicht durch Wellbitumen oder andere dauerhafte Materialien nachhaltig geschlossen. Der Aufwand dafür ist meist klein, der Effekt umso größer. Wo dies nicht geschieht, kann aus dem kleinen Loch im Dach während einer halbjährigen Planungsphase ein massiver Hausschwammschaden werden. Vorhandenem Hausschwamm muss unverzüglich und nicht erst während der eigentlichen Bauarbeiten der Nährboden entzogen werden. Bewegliche befallene Teile sollen ausgebaut und – fachgerecht – entsorgt werden. Elektronische Überwachung von Bauwerksrissen. Unverzichtbar ist auch die Sicherung des Tragwerks. Abgesunkene Decken und schief stehende Wände müssen so abgestützt werden, dass die Lasten auf sichere Bauteile umgelenkt werden. Klaffende Risse müssen unverzüglich mit einem Monitorsystem überwacht werden, um Bauwerksbewegungen schon in der Planungsphase so lange als möglich zu verfolgen und drohende Gefahr schon im Keime abzuwehren.

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Vorbereitende Untersuchungen Die Grundlagenermittlung für einen Neubauentwurf konzentriert sich wesentlich auf die Klärung der städtebaulichen Situation, ggf. des Baugrunds mit denkbaren Belastungen und natürlich der Bauherrenbedürfnisse. Das leere Grundstück stellt meist keine weiteren Forderungen. Das vorhandene Gebäude ist da anspruchvoller. Über die in der Folge beschriebenen Maßnahmen hinaus erfordert es eine Änderung der Denkrichtung; Es ist nicht nur unwirtschaftlich, sondern auch ein grober Planungsfehler, wenn beispielsweise der vorhandene Grundriss nur deswegen geringfügig verändert werden soll, weil angeblich vorgegebene Raumgrößen eingehalten werden müssen. Das umgekehrte Verfahren ist richtig: Welche Möglichkeiten bietet der Grundriss, wie lassen sich die vorgefundenen Strukturen optimal nutzen und wie können die vorgefundenen und ermittelten Werte zur Geltung gebracht werden? Oft ist es wirtschaftlicher, eine geplante Nutzungsvorstellung aufzugeben und durch eine besser sich einpassende zu ersetzen, als die vorgefundene historische Baustruktur mit großem Aufwand der vorgegebenen Nutzung anzupassen und dabei den Baubestand mit hohen Kosten weit eingreifend zu zerstören. Planungstiefe Im Neubauentwurf kann der Planer ohne Schaden vom Großen zum Kleinen planen. Ein bei Baubeginn vollständig bis in die Werkplanung durchgearbeiteter Entwurf ist zwar immer wünschenswert, aber nicht unverzichtbar. Im Bestand rächt sich diese Haltung schon bald. Häufig hängt die Umsetzbarkeit einer Planungsidee von den Einzelheiten der vorgefundenen Konstruktion ab, die man deswegen auch geprüft haben muss. Im Bestand reicht es nicht, im Maßstab 1:100 für die Genehmigungsplanung eine generelle Idee zu formulieren, die dann später weiter ausgearbeitet wird. Die Realisierbarkeit des Konzepts muss in kritischen Bereichen, also beispielsweise für den Einbau zusätzlicher Treppenhäuser, den Ausbruch von Wänden und auch die Leitungsführung, schon in der Konzeptphase bis in die Einzelheiten geprüft sein, wobei der Tragkonstruktion ebenso wie den räumlichen Verhältnissen das besondere Augenmerk gelten muss. Es hilft wenig, wenn man am Ende für eine neu eingebaute Verstärkungskonstruktion die vorhandene alte Struktur entscheidend schwächen muss.

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Nicht nur deswegen sollte man vor allem geschossübergreifende Baumaßnahmen stets in dreidimensionalen Darstellungen überprüfen und veranschaulichen. Wo diese Kontrolle unterbleibt, erlebt man sonst die unangenehmen oder sogar katastrophalen Überraschungen dann in der Baudurchführung.

Isometrische Darstellung einer in den historischen Bestand des Palazzo Lanfranchi in Pisa neu eingefügten Erschließung (Massimo Carmassi, 1980).

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Einfühlen in den Bestand Umbau der spätmittelalterlichen Casa de las Conchas zur öffentlichen Bibliothek, 199oer Jahre E - Salamanca Bauherr: Stadt Salamanca Architekt: Victor Lopez Cotelo, Carlos Puente Fernandez, Javier Garcia Delgado Die Palastanlage aus dem 15. Jahrhundert spielte für die Einführung des Renaissance-Stils in Salamanca eine besondere Rolle. Sämtliche für den Umbau zur öffentlichen Bibliothek notwendigen Baumaßnahmen wurden aus der Beurteilung des Bestandes und einer ausführlichen Schadensaufnahme abgeleitet. Mit einfachen und dem Objekt angepassten Reparaturen und wenigen Hinzufügungen wurde die Ausstrahlungskraft der originalen Bausubstanz, ihre Funktionalität und die große Flexibilität in der Raumnutzung erhalten. Der Entwurf für neue Raumabschlüsse, Trennwände, Decken, Türen, Fenster und andere Ausbaudetails nimmt Aspekte der vorhandenen Architektur einfühlsam auf und setzt sie modern um, ohne den Kontrast zu suchen. Die Verwendung traditioneller Werkstoffe garantiert die Einfügung der neuen Bauteile in die historischen Wände und Decken aus massivem Natursteinmauerwerk und Holz.

Die „rustikale“ Oberflächenbehandlung der neuen Bauteile weist eine ähnliche Materialqualität und Schlichtheit auf wie die historischen Bauteile.

Neuer Fensterverschluss im alten Sitznischenfenster mit Lichtfilter, Kippflügel für die Lüftung und an historische Vorbilder erinnernde Holzläden.

Die Konstruktion und Gestaltung der neuen Fenster erfüllt die Anforderungen, die sich aus der Bibliotheksnutzung ergeben, fügt sich durch die gestalterischen Anknüpfungspunkte an den Bestand aber auch gut in die vorhandene Fassade ein.

Werkplanungsdetail für das Fenster.

Die Beteiligten Der Bauherr Der Bauherr ist immer die Hauptperson, die bestimmt, was passieren soll. Und von demjenigen, der sich für die Weiterentwicklung eines alten Gebäudes entschieden hat, darf man sicher erwarten, dass er dies nicht nur wegen steuerlicher Vorteile, sondern bewusst und mit Optimismus getan hat. Lagevorteile der Immobilie, die historische Anmutung und gestalterisch hochwertige Ausstattungsdetails geben dazu berechtigten Anlass. Gleichwohl sind bei vielen Bauherren Ängste vor unliebsamen Überraschungen weit verbreitet. Es wird also darauf ankommen, diesen Ängsten durch bewusstes Handeln zu begegnen. Die sorgfältige Vorbereitung, die dann aber auch finanziert sein will, ist das Fundament dafür. Die Bereitschaft, die grundsätzlich akzeptierten Nutzungswünsche dem Baubestand anzupassen, ist unverzichtbar. Und ohne den Mut, von Gewohntem abzuweichen, kommt man nicht zu einem überzeugenden Ergebnis. Dabei geht es nicht um Verzicht auf Qualität, sondern darum, die Eigenheiten eines historisch veränderten Gebäudes zu akzeptieren und seine Werte zur Geltung zu bringen. Nur so entsteht die Individualität und unverwechselbare Identität des Entwurfs, derentwegen Interessante Funde ruinieren den Bauherrn keineswegs. alte Gebäude nicht erst heute so hoch Hinter der Verkleidung überleben sie bestens. Größerer geschätzt werden. Aufwand ist möglich, aber nicht verpflichtend. In einem alten Haus gibt es immer interessante Befunde: Verputzte Baudetails, Malereien, Sachen … Niemand zwingt den Planer und den Bauherrn, diese Erkenntnisse mit großem finanziellem Aufwand freizulegen. Im Gegenteil: Gut geschützt überleben die Befunde länger. Einzig dieser Schutz durch Abdeckung oder Verkleidung wird von den Denkmalpflegern eingefordert.

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Der Architekt Der Architekt ist Entwurfsverfasser und Koordinator aller weiteren Beteiligten. Die Zahl der Sonderfachleute ist dabei im Bestand deutlich größer als im Neubau. Zur Erkundung der Eigenschaften und Eigenheiten des vorgefundenen Gebäudes sind vielfach spezialisierte Einzeluntersuchungen erforderlich. Sie betreffen nicht nur das Tragwerk, sondern auch die Materialeigenschaften und natürlich die historischen und gestalterischen Werte eines alten Gebäudes. Hier den Umfang unabweisbar erforderlicher Erhebungen festzulegen, ohne in kostspielige und vielleicht sogar überflüssige Gutachterorgien zu verfallen, erfordert ein hohes Maß an Kompetenz und Verantwortung. Der Planer muss auch verhindern, dass Gutachten nur deswegen doppelt angefertigt werden, weil schon früher erstellte Unterlagen unbekannt geblieben sind. Der Architekt muss auf der einen Seite die Zersplitterung der Verantwortung in einzelne Sektoren verhindern, die dann fast unabhängig voneinander abgearbeitet werden, und auf der anderen Seite der Versuchung widerstehen, sämtliche Aufgabenfelder in eigener Person abzuarbeiten, auch wenn er sich dazu in der Lage fühlt. Die Vernetzung der Einzelgutachten untereinander in ihrer Konsequenz für eine sachgerechte und qualitätvolle Planung ist die Kernaufgabe des Architekten, die er sich auch von keinem der anderen Beteiligten abnehmen lassen soll und darf – weder vom Tragwerksplaner als dem Fachmann für die Standsicherheit noch vom Restaurator, der die historischen Werte kennt und zur Geltung bringt. Die Baugenehmigungsbehörde Die Forderungen an die Errichtung eines Neubaus sind trotz vieler Anstrengungen zur Deregulierung weiter und berechtigterweise hoch. Es versteht sich von selbst, dass ein vorhandenes Gebäude, das vor vielen Jahren errichtet wurde, nicht allen diesen modernen Forderungen entsprechen kann. Selbstverständlich wird sich der Planer bemühen, eine große Zahl solcher Abweichungen im Zuge der Baumaßnahme zu beseitigen. Ganz wird das aber in aller Regel nicht gelingen, wenn man das Bauwerk nicht vollständig zerstören und damit große wirtschaftliche Nachteile für den Bauherrn in Kauf nehmen will. Alle Bauordnungen kennen neben den klaren und scharfen Forderungen auch die Möglichkeiten der Ausnahmen und Befreiungen von diesen Forderungen, um eine sinnvolle und volkswirtschaftlich zweckmäßige Baumaßnahme zu gewährleisten.

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Solche Ausnahmen müssen sich zuerst auf diejenigen Sachverhalte beziehen, die sinnvollerweise nicht zu verändern sind: geringe Geschosshöhen, Raumgrössen und Grundrissorganisation, daneben aber auch die materialtechnischen Vorgaben. Eine historische Holzkonstruktion muss eine Holzkonstruktion bleiben – allen entgegenstehenden Vorstellungen – etwa des Brandschutzes – zum Trotz. Hier muss der Architekt sich als durchsetzungsfähig beweisen. In Zeiten von deren zunehmender Verknappung ist ferner die Energieeffizienz zu nennen. Viele historische Bauten sind mit ihren dicken Natursteinmauern energetisch hervorragend aufgestellt. Selbstverständlich gibt es aber auch Schwachstellen. Die gesamtheitliche Betrachtung der Energiebilanz hilft oft über diese Klippen hinweg. Historische Fenster können durch Zusatzflügel so weit nachgerüstet werden, dass sie den Minimalforderungen genügen und so von den Behörden akzeptiert werden können. Darüber hinaus ist häufig der Brandschutz betroffen. Die Forderung, dass sämtliche tragenden Bauteile aus nicht brennbaren Materialien errichtet sein müssen, ist sicher im Grundsatz sinnvoll. Ein altes Gebäude mit Fachwerkwänden und Holzbalkendecken kann man solchen Forderungen aber nicht anpassen. Hier helfen brandhemmende Verkleidungen und der Das historische Fenster wird durch einen Zusatzflügel Einbau einer Brandmeldeanlage, welche die energetisch nachqualifiziert; der alte Bestand bleibt vollständig erhalten. rechtzeitige Evakuierung der Nutzer und Bewohner sicherstellt. Den Verlust der Sachwerte im – unwahrscheinlichen – Brandfall muss man dann in Kauf nehmen. Mit dem Schallschutz verhält es sich ähnlich. Die Kompromissbereitschaft der Genehmigungsbehörde endet zuverlässig immer dort, wo das Leben und die Gesundheit der Nutzer und Bewohner nicht mehr gewährleistet erscheint. Ein Sonderfall der Planung im Bestand ist das eingetragene Kulturdenkmal. Zur Frage, welche Bauten davon betroffen sind, führt die Untere Denkmalschutzbehörde die Denkmalliste. Für jede Veränderung an einem dergestalt eingetragenen Baudenkmal ist eine denkmalrechtliche

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PLANUNGSAUFTRAG FÜR DEN ARCHITEKTEN

1. Bestandszeichnungen 2. Planungsunterlagen Grundrisse, Ansichten, Details (Fenster etc.)

BAUANTRAG Bauaufsichtsamt

3. Rot-Gelb-Plan (Veränderungen)

4. Bauphasenplan 5. Ausstattungsplan 6. Bindungsplan 7. Verlustplan

UDSchB Untere Denkmalschutzbehörde

oder

entweder

Tragwerk Brandschutz Umwelt Gewerbeamt ..............

Landesdenkmalamt

denkmalschutzrechtl. Erlaubnis

BAUGENEHMIGUNG Baumaßnahme

Das Genehmigungsverfahren

Genehmigung erforderlich. Dies gilt auch dann, wenn die Baumaßnahme ansonsten genehmigungs- und anzeigefrei ist. In diesem Falle ist eine denkmalschutzrechtliche Erlaubnis einzuholen. Die denkmalrechtliche Genehmigung ist in allen anderen Fällen Bestandteil der Baugenehmigung und steht grundsätzlich gleichrangig neben den Festsetzungen anderer Teilbereiche. Sie legt über die allgemeinen Forderungen der Bauaufsicht hinaus diejenigen Sachverhalte fest, welche die kulturhistorische Dimension des denkmalgeschützten Bauwerks betreffen. Den international anerkannten Grundsätzen entsprechend wird die Denkmalbehörde im Grundsatz jeden verändernden Eingriff in ein denkmalgeschütztes Bauwerk als Verlust an historischer Information verstehen, welche die Identität und Authentizität und damit den Denkmalwert konstituiert.

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Der Bauphasen- und Befundplan zeigt die historische Vielschichtigkeit des Bauwerks nach objektiven Kriterien.

Errichtung, Nutzung durch Kirche 1916 / 1918

Türtyp siehe Raumbuch

Einrichtung KGB-Gefängnis 1945 – ca. 1954 Veränderungen während der Gefängnisnutzung ca. 1954 – 1964 Veränderungen durch den KGB bis zur Rückgabe des Gebäudes (ca. 1964 –1994) Jüngste Veränderungen seit 1994

elektrischer Schließkontakt

Bauzeit unklar

Heizkörper

„Wandspion“, trichterförmige Beobachtungsöffnung (Reste von) Fenstervergitterung Elektroinstallation Sanitärinstallation

Putzbefund: Oberflächliche Auffälligkeiten, z. B. Zusetzung von Öffnungen oder charakteristische Putztechnik Ausstattung In Klammern gesetzte Kürzel bezeichnen entfernte, aber noch nachweisbare, in Resten vorhandene Ausstattungen Gestrichelt dargestellt sind verdeckte oder entfernte Strukturen, die aber noch nachvollziehbar sind

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Der Bindungsplan legt auf der Grundlage einer Wertung fest, in welchem Ausmaß verändernde Eingriffe zulässig sind.

Sehr hohe Befunddichte, Zustand weitgehend unverändert. Bereich für Gefängnisnutzung sehr aussagekräftig. Im Gesamtzusammenhang zu erhalten, nicht durch neue Einbauten oder Ausstattungen zu stören.

Türtyp siehe Raumbuch

Hohe Befunddichte, Zustand wenig verändert. Bereich für Gefängnisnutzung sehr aussagekräftig. Im Gesamtzusammenhang zu erhalten, nicht durch neue Einbauten oder Ausstattungen zu stören.

(Reste von) Fenstervergitterung

Geringe Befunddichte, spätere Überformungen. Bereich für Gefängnisnutzung weniger aussagekräftig. Im Gesamtzusammenhang zu erhalten.

Heizkörper

Ursprüngliche Bausubstanz bzw. Veränderung durch KGB. Im Wesentlichen zu erhalten.

Ausstattung

Elektrischer Schließkontakt „Wandspion“, trichterförmige Beobachtungsöffnung Elektroinstallation Sanitärinstallation

Putzbefund: Oberflächliche Auffälligkeiten, z. B. Zusetzung von Öffnungen oder charakteristische Putztechnik In Klammern gesetzte Kürzel bezeichnen entfernte, aber noch nachweisbare, in Resten vorhandene Ausstattungen Gestrichelt dargestellt sind verdeckte oder entfernte Strukturen, die aber noch nachvollziehbar sind

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In der Praxis versteht es sich dann aber von selbst und ist auch allgemein akzeptiert, dass im Interesse einer nachhaltigen Erhaltung und Nutzung eines denkmalgeschützten Gebäudes bauliche Eingriffe und die Anpassung an moderne Nutzungsstandards nicht nur unausweichlich, sondern sogar ausdrücklich erwünscht sind. Die Aufgabe des Planers ist es, diese Eingriffe mit gründlicher Kenntnis des Bauwerks substanzschonend und unter Wahrung der Authentizität des Baudenkmals zu organisieren. Diese Forderungen sind fast immer dann gewahrt, wenn eine Baumaßnahme im Grundsatz reversibel ist. Die Identität des Bauwerks und seine historischen Werte müssen konserviert und an die Nachwelt tradiert werden – mehr aber auch nicht. Der Denkmalpfleger wird deswegen vor allem nach dem durchgehenden Konzept der Planung fragen – nicht anders als der Architekt. Das Ziel der behördlichen Denkmalpflege kann und darf es dagegen nicht sein, sich weit reichend in gestalterische Entscheidungen einzumischen, die ausgreifende Freilegung historischer Gestaltwerte zu fordern oder gar die Rekonstruktion lange verlorener Bauzustände zu verlangen. Solche Entscheidungen kann der Bauherr sich wünschen und wird damit bei den Denkmalbehörden derzeit erfahrungsgemäß oft auf ein geneigtes Ohr treffen. In die andere Richtung, von den Behörden an den Bauherrn, fehlt für solche Forderungen die gesetzliche Grundlage. Schwierigkeiten mit den Denkmalbehörden wird in jedem Falle derjenige haben, der das altehrwürdige BauDenkmalpflege heißt keineswegs Rekonstruktion. Der werk als Verfügungsmasse und Steinbruch „rekonstruierte Neumarkt“ mit der wieder aufgebauten Frauenkirche in Dresden ist Architektur des Jahres 2006, für die beliebige Inszenierung eines vollkeine Denkmalpflege. ständig anderen Projekts versteht. Das Ziel der Denkmalpflege ist die Erhaltung des alten Gebäudes, seine Sicherung und nachhaltige Entwicklung. Man kann zu Rekonstruktionen stehen, wie man will: Mit den Zielen der Denkmalpflege haben sie nichts zu tun.

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Von der Bauuntersuchung zum Planungskonzept Stadtmuseum Naumburg, 1991 - 1999 D – Naumburg Bauherr: Stadt Naumburg Architekt: Johannes Cramer Der Komplex umfasst vier Bürgerhäuser aus dem Mittelalter und der frühen Neuzeit. Fehlende Instandhaltung hatte einen schlechten Bauzustand mit erheblichen Schäden zur Folge. Der bedeutende denkmalgeschützte Bestand sollte so weit wie möglich im Originalzustand erhalten und zum Stadtmuseum ausgebaut werden. Auf der Grundlage einer formtreuen Bauaufnahme und bauteilbezogenen Bauuntersuchung wurden sämtliche relevanten historischen Spuren konserviert. Bauliche Defizite wurden durch additive Maßnahmen ausgeglichen. Diese Ergänzungen reichen von einem Neubauteil mit zeitgemäßer Erschließung über die strukturelle Verstärkung der Tragkonstruktion bis zur Aufdoppelung der ausgetretenen Treppenstufen.

Grundriss Erdgeschoss mit Bauphasen und Darstellung der Putzbehandlung. Detaillierte Planungsaussagen schon in der Genehmigungsphase erleichtern die spätere Baudurchführung.

Außenwand des alten Gebäudes mit neuem Erschließungsgebäude. Die unveränderte Ziegeloberfläche steht neben dem verputzten Aufzugsschacht. Die geschnitzten Holzsäulen sind Exponate.

Kassenraum mit verstärkendem Unterzug und konservierter Farbfassung von 1629 an den Deckenbalken.

Die ausgetretenen Treppenstufen sind aufgedoppelt, die schwachen Balken zusätzlich unterstützt.

Für einen klaren und störungsfreien Bauvorgang empfiehlt es sich deswegen dringend, schon im Bauantrag über die leider üblichen unbestimmten Allgemeinformulierungen hinaus alle denkmalrelevanten Einzelaussagen zur Bauausführung im Detail zu klären. Sie werden in einem Bindungsplan zusammengetragen und im Denkmalpflegekonzept erläutert. Die in der Realität meist unvermeidlichen Verluste an Kleinteilige handwerkliche Reparatur einer Fensterzarge. denkmalwerter Substanz – und seien sie noch Die eingeschlagene Jahreszahl datiert die Reparatur. so gering – werden in einem Verlustplan offen gelegt, der verdeutlicht, welche Folgen die beantragte Planung für den denkmalgeschützten Bestand hat und ob die Festsetzungen des Bindungsplanes eingehalten sind. Abweichungen sind kenntlich und werden damit ganz bewusst Teil der Baugenehmigung. Nur dieses Vorgehen verhindert später unerfreuliche und zeit- wie nervenaufreibende Diskussionen auf der Baustelle über die denkmalrechtliche Zulässigkeit einzelner Bauausführungen in dem im Grundsatz genehmigten Vorhaben. Die Ausführenden Jede Baumaßnahme steht und fällt mit der Qualifikation der ausführenden Bauleute. Im Bestand bringen es die Kleinteiligkeit der Planung und die Forderung nach material- und konstruktionsgerechtem Bauen mit sich, dass viele der Bauleistungen Handwerkerarbeit sind. Hier muss die Bereitschaft zur sorgfältigen Arbeit vorhanden sein, will aber auch durch den Planer gefordert und gefördert werden.

Entscheidungsfindung und Kommunikation Die Komplexität der Planung im Bestand stellt an alle Beteiligten höhere Anforderungen als im Neubau. Umso wichtiger ist es, dass der Architekt alle Teilbereiche im Blick behält und die wesentlichen Ergebnisse zuverlässig kommuniziert. Große Planungsrunden mit allen Beteiligten, die sich in der Vergangenheit vielfach eingebürgert haben, sind sicher nützlich; sie führen aber wegen der Verzweigtheit der Zuständigkeiten auch leicht zu Überdruss bei den Teilnehmern, wenn die Einzelkomptenzen tatsächlich gar nicht abgefragt werden. Es ist deswegen zielführender, die einzelnen

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Das elektronisches Raumbuch verzeichnet sämtliche Bauwerksinformationen und erlaubt allen Beteiligten den gleichzeitigen Zugang für Informationen und Fortschreibung; ohne Zweifel der Weg der Zukunft.

Teilaspekte in kleinen Gesprächskreisen abzustimmen und nur die Ergebnisse in großen Runden zur Diskussion zu stellen. Vor diesem Hintergrund ist die graphische Zusammenfassung in Plänen und ein an zentraler Stelle gespeichertes Raumbuch von besonderer Bedeutung. Viele Baumaßnahmen im Bestand werden bei laufender Nutzung durchgeführt. In diesem Falle ist die ausführliche Information und Einbeziehung der Nutzer im Sinne der Betroffenenbeteiligung unerlässlich. Ziel, Ablauf und Ergebnis der Maßnahme sollen ebenso vermittelt werden wie die absehbaren Beeinträchtigungen. Auch hier ist die vollständige Information vor Beginn der Maßnahme deutlich besser als Unzufriedenheit und Streit während deren Durchführung. Literaturhinweise Zu historischen Baumaterialien ist Schrader hilfreich. Der überwiegende Teil der systematischen Literatur zu diesem Thema stammt aus dem Bereich der Denkmalpflege. Sie setzt sich seit langer Zeit mit substanzschonenden Planungsmethoden auseinander und hat zugleich fast immer die Aufgabe, bewohnte und genutzte Bauwerke instand zu setzen. Allen diesen Fragen widmen sich Ashurst, Baer, Feilden, Fischer, Petzet/Mader, Thomas oder auch Whelchel. Darüber hinaus ist auch die im folgenden Kapitel diskutierte Literatur zu Rate zu ziehen. Zu Fragen der Planung ist Franz 2003 hilfreich.

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Steingerechte Bauaufnahme eines Giebels mit Eintragung aller Befunde von baulichen Veränderungen bis zur Erhaltung der alten Putze.

GRUNDLAGENERMITTLUNG Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft.

Wilhelm von Humboldt

Die sorgfältige Grundlagenermittlung hat für die Planung im Bestand eine überragende Bedeutung. Nur wer den vorgefundenen Bestand gründlich und in allen seinen Eigenarten kennt und die oft komplizierten Zusammenhänge versteht, kann kompetent planen und wird auf dieser Grundlage in der Baudurchführung die schlimmen Überraschungen vermeiden, die von den Beteiligten vielfach beklagt werden: verzögerte Bauzeiten, Unsicherheiten in der Planung, Kostensteigerungen und im schlimmsten Falle gravierende Schäden an den Gebäuden bis hin zu Personenschäden. Auch wenn sogar Planer diese Misserfolge gerne dem angeblich alten und defizitären Gebäude zuschreiben: Solche Schwierigkeiten vorauszusehen und zu vermeiden, ist eine der Kernaufgaben des Planers in der Weiterentwicklung des Bestands. Die Bestandserfassung stellt den physischen Bestand des Gebäudes in seinen maßlichen und strukturell-konstruktiven Gebäudeeinsturz durch fehlerhafte Planung. Verhältnissen dar und beschreibt den vorgeDer berühmte Einsturz des Campanile in Venedig am 14. Juli 1902 wurde durch unsachgemäße Eingriffe fundenen Zustand. Die Bauuntersuchung in das Mauerwerk verursacht. ermittelt die Veränderungen des Bauwerks in Die Photographie ist gleichwohl eine Fälschung. Abhängigkeit von dessen Nutzungsgeschichte und fragt nach der Gesamtheit der dekorativen und gestalterischen Qualitäten ebenso wie nach seinen technisch-bauphysikalischen Eigenschaften. Handelt es sich um ein Baudenkmal, wird durch die Untersuchungen zusätzlich der historische Zeugniswert als Grundlage für die Denkmalbewertung ermittelt. Die Stärken-Schwächen-Analyse schließlich ordnet die erarbeiteten Ergebnisse nach unterschiedlichen Kriterien ein. Nur so kommt man zu der für den Bauherrn einzig wichtigen Beantwortung der drei Kernfragen: • Droht das Gebäude demnächst einzustürzen? • Ist eine Instandsetzung und Modernisierung wirtschaftlich? • Welche Werte sind zu beachten (ökonomisch, historisch, ideell)?

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Die Ergebnisse der neutralen Bestandsaufnahme und der nach objektiven Kriterien durchgeführten Bauuntersuchung werden in einem dritten Schritt bewusst und offen gewertet. Erst hier können eigentlich kontroverse Diskussionen entstehen. Die Stärken und Möglichkeiten des Gebäudes werden erkennbar. Nicht jeder vermeintliche Schaden ist auch tatsächlich einer; und nicht jeder faktisch vorhandene Schaden erfordert einen Eingriff. Aus der Gesamtschau ergibt sich der Rahmen und Spielraum, in den der künftige Entwurf sich einordnen muss. Viele der erforderlichen Untersuchungen können bei realistischer Betrachtung nur durch spezialisierte Fachkräfte abgearbeitet werden. Der Architekt muss hier der Versuchung widerstehen, angesichts knapper Planungsbudgets die für die zukünftige Baumaßnahme grundlegenden Untersuchungen selbst durchführen zu wollen, an nicht hinreichend qualifizierte Personen abzugeben oder den Aufwand unangemessen zu beschränken, denn was am Anfang in der Grundlagenermittlung eingespart wird, kommt im Baufortschritt in aller Regel als um so höhere Mehrkosten zurück. Die in der Detaillierung gestufte Systematik des Entwurfes bringt es in der Regel mit sich, dass auch die Bestandserfassung stufenweise durchgeführt wird. Anhand von Checklisten kann das Vorgehen systematisiert werden. Dieser Umstand darf aber nicht dazu verführen, zuerst oberflächliche, damit möglicherweise falsche Ergebnisse zu akzeptieren, um dann später neue, bessere Daten zu beschaffen. Richtig ist vielmehr, dass im ersten Zugriff die wichtigsten Daten erfasst werden, die dann später erweitert und vertieft werden können, aber eben niemals korrigiert werden müssen! So kann eine Kurzuntersuchung zunächst auf vorhandenen Plänen oder Systemskizzen aufbauen. Sie bringt eine Einschätzung des Tragwerks und möglicher gravierender Schäden, umfasst eine schnelle Positivkartierung der erhaltenswerten Ausbauteile ebenso wie eine restauratorische Übersichtsuntersuchung und ggf. eine exakte Datierung. Die Volluntersuchung wird diese ausgewählten Daten dann später systematisch ergänzen und auf exakten Plänen sowie in einem vollständigen Raumbuch fortschreiben.

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Bestandserfassung Das während des Planungsprozesses angehäufte Wissen über den Baubestand soll so dokumentiert und archiviert werden, dass es dauerhaft tradiert werden kann. Bei späteren Maßnahmen muss es möglich sein, auch die älteren Dokumentationen noch heranzuziehen und zu nutzen. Bei einem möglichen Verlust des Gebäudes bleibt die Bestandserfassung das einzige Zeugnis. Bauämter ebenso wie Denkmalämter fordern für die Archivierung der Bauaufnahmen als Mindeststandard die klare Darstellung und Kennzeichnung sowie ein eindeutiges Zuordnungssystem. Im Sinne der Nachhaltigkeit und langfristigen Benutzbarkeit müssen Pläne, Photos und andere Dokumentationen lagerungsbeständig sein. Für die Planzeichnungen haben sich hier Bleistiftzeichnungen auf säurefreiem Karton bewährt, während Transparentpapier ein schlechtes Alterungsverhalten aufweist. Schwarzweißphotos halten als Barythabzug deutlich länger als PE-Träger. Der dauerhafteste Bildträger sind Glasplatten, die sich nach heutigem Wissen praktisch unbegrenzt halten. Die langfristige Sicherung digitaler Daten ist bei Photos, Texten und Pläne bisher völlig ungewiss. Grunddaten Am Anfang der strukturierten Beschäftigung mit einem alten Gebäude steht die Erhebung der Grunddaten. Zugleich wird die Zuständigkeit von Ämtern geklärt. Erste Überlegungen zur Umnutzung, zur Erschließung und zum Umbau werden mit dem Bauordnungsamt, dem Denkmalschutz und dem Sanierungsträger besprochen. Durch Einsicht in das Grundbuch und das Baulastenbuch werden eventuelle Grunddienstbarkeiten und Baulasten ermittelt. In den Bauakten im Bauamt findet man Angaben zum Baujahr, zu späteren Veränderungen, Auflagen, Beschränkungen, Befreiungen sowie Plansätze und Einzelgutachten. Zur Erfassung der Grunddaten gehören außerdem die geodätische Verortung, der Lageplan mit Flurnummer und die amtliche Feststellung der Grundstückgrenzen. Das Bauvolumen und die Brutto- ebenso wie die Nutzflächen werden ermittelt. Gerade die letztgenannten Daten sind im Bestand häufig nicht einfach zu beschaffen und ohne eine gute Bauaufnahme meist nur annäherungsweise zu ermitteln. Die erste Ortsbegehung dient der Begutachtung des Umfelds und der Lage des Bestandsobjektes im baulichen Zusammenhang.

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Literatur und Archiv Eine kompetente Planung ist nur mit einer konkreten Vorstellung von der Örtlichkeit und dem Objekt möglich. Sobald hier die ersten Schritte durch Begehung und Klärung der Vorstellungen des Bauherrn getan sind, ist als nächstes die Auswertung des Schrifttums und der Archive zum Gebäude unverzichtbar. Für berühmte Gebäude ist diese Quelle sicher fast unerschöpflich. Im Normalfall wird man immer das Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler von Georg Dehio und die Denkmaltopographie heranziehen. Hier findet man zu den historisch wichtigen Gebäuden kurz gefasste Charakterisierungen. Das Großinventar liefert ausführliche, wissenschaftlich begründete Aussagen, die der Architekt nur im Ausnahmefall noch sinnvoll erweitern kann. In der örtlichen Bibliothek wird man nach der Lokalliteratur suchen. Weitergehende Literaturrecherchen sind bei knappem Zeitbudget in aller Regel nicht zielführend.

Umbauplan für das Waisenhaus in Eichstätt aus dem 18. Jahrhundert. Schon damals wurden neue Bauteile rot gekennzeichnet. Zwei Häuser sind zu einem Komplex zusammengefasst.

Hinter der neu errichteten Fassade liegen die Fluchttreppen.

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Umbauplanung für das Waisenhaus von Karljosef Schattner (1988). Die barocke Rückseite fällt und wird modern ersetzt.

In den Archiven kann man ein Leben zubringen. Unerlässlich ist das Auffinden und das Studium der Bauakten. Das Baugenehmigungsverfahren mit beigefügten Plänen wurde im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts eingeführt. Ältere Bauakten sind nur in glücklichen Einzelfällen zu finden. Die Bauakten geben Auskunft über beantragte und genehmigte Umbaumaßnahmen, so dass man sich zur jüngeren Geschichte des Gebäudes nicht selten schon auf dieser Grundlage eine qualifizierte Meinung bilden kann. Die Bauakten liegen zum Teil noch im Archiv des Bauaufsichtsamtes, besonders die älteren aber oft auch schon im Stadtarchiv. Für die Einsicht benötigt man in aller Regel die Einwilligung des Eigentümers. Die Aussagen der Pläne kann man in der Regel ernst nehmen. Wo in den Plänen Umbauten verzeichnet sind, hat man Grund, sie auch im Gebäude suchen. Aber auch vor 100 Jahren sind einmal genehmigte Bauvorhaben noch gescheitert. Also muss man einen Rest von Misstrauen behalten. Die Überprüfung am Objekt ist deswegen unverzichtbar. Wer alte Schriften zu lesen versteht, findet immer interessante Nachrichten: „14. Decbr. 1739 wurde durch einen Maurer das Dach auf des Stifts Scheuren und Kasten übergangen und mit Ziegeln hin und wieder ausgebessert …“. Pflege ist allemal besser als Reparatur.

Bauplan aus der Zeit um 1800. Kamine und Öfen sind besonders sorgfältig ausgearbeitet.

Die Geometrie der alten Baupläne ist im Gegensatz zu deren Botschaft nur selten korrekt. Auf alten Baueingabeplänen eine neue Baumaßnahme aufzubauen, ist fast immer ein schwerer Fehler. Für eine neue Maßnahme braucht man in der Regel auch neue Pläne. Ein versierter Archivforscher wird aus zahlreichen weiteren Quellen zu sehr vielen Gebäuden, auch weniger bedeutenden, immer wieder Interessantes und Weiterführendes zu Tage fördern. Die Bürokratie und die Verschriftlichung waren auch vor zweihundert oder vierhundert Jahren schon bemerkenswert. Für den durchschnittlichen Nutzer ist dieser Weg aber kaum Erfolg versprechend. Die Schwierigkeiten in der Erschließung des Archivgutes stehen ebenso dagegen wie die alten Schriften, die kaum noch ein Archiv-Laie lesen kann. Hier ist man fast immer auf die Hilfe von Spezialisten angewiesen, die es inzwischen auch gibt. Einzig die Auswertung des Urkatasters im zuständigen Vermessungsamt oder Staatsarchiv und möglicherweise der Feuerversicherungsunterlagen versprechen mit überschaubarem Aufwand einen gesicherten Ertrag. Dokumentation des vorgefundenen Zustands Den Zustand eines Gebäudes vor der Durchführung von Baumaßnahmen festzuhalten, empfiehlt sich aus mehreren Gründen. Einerseits braucht man schon für die Planung verlässliche Erinnerungshilfen, andererseits ist es im Streitfall immer besser, den Ausgangspunkt nachvollziehbar zu halten. Für beide Ansprüche wurden die Photodokumentation und das Raumbuch entwickelt. Die Photodokumentation hält den vorgefundenen Zustand in Übersichts- und Detailphotos fest. Als Mindestanspruch sollte jeder Raum aus zwei Jedes Befundphoto wird mit einer eingestellten Befundkarte und Farbkarte identifiziert. Anders verliert man gegenüberliegenden Ecken heraus diagonal den Überblick. so weitwinklig erfasst werden, dass jede Information abrufbar ist. Für wichtige Einzelheiten sind zusätzliche Photos erforderlich, die stets eine eingestellte Beschriftung und ggf. eine Farbtafel enthalten sollen. Auf einem Übersichtsplan werden die Kamerastandorte eingetragen. Das Raumbuch, traditionell analog, heute aber zunehmend digital angelegt, organisiert und beschreibt das gesamte Gebäude.

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Der Ausstattungsplan verzeichnet sämtliche Ausstattungselemente und ordnet sie den Bauphasen zu.

Es enthält sämtliche relevanten Informationen und ermöglicht es den Beteiligten, sich zu allen Sachverhalten eindeutig zu verständigen. Das betrifft zunächst die allgemeine Orientierung, darüber hinaus aber auch die einzelne Befundansprache. Grundlage des Raumbuchs ist ein durchgängiges System von Raumbezeichnungen, welches zukünftig für sämtliche Beteiligten unbedingt verbindlich ist. Jede Seite des Raumbuchs enthält einen einheitlichen Kopf mit den Objektdaten und ein Photo der jeweiligen Fläche, das durch eine Zeichnung mit Befundeintragungen ergänzt wird. Der vorgefundene Zustand eines jeden Raumes wird einschließlich der ortsfesten Ausstattung beschrieben. Jede einzelne Fläche – Fußböden, Wände, Decken und Außenflächen – wird gesondert aufgenommen. Detailerfassungen von Türen, Fenstern und Konstruktionsdetails ergänzen das Raumbuch. Untersuchungsergebnisse und die Beobachtungen bei Öffnungen von Bauteilen werden nachgetragen. Die Erfassungstiefe des Raumbuchs richtet sich nach dem Planungsziel. Die in den letzten Jahren in

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Das Raumbuch verschafft eine schnelle Übersicht zum Bestand. Die konsequente Verwendung der Raumnummern im gesamten Planungsprozess ist unerlässlich.

unterschiedlichen Versionen auf den Markt gekommenen ChecklistenProgramme bringen hier zweifellos eine technische Orientierung, sind aber für eine gesamtheitliche Beurteilung des Gebäudes mit seinen Werten und Schwächen unzureichend. Das Raumbuch bleibt auch als AnalogVersion erweiterbar. Zunächst wird der Vorzustand dokumentiert, später die Maßnahmeplanung hinzugefügt und schließlich der Endzustand festgehalten. Internetbasierte Raumbücher, die von allen Planern zeitgleich fortgeschrieben werden können, sind derzeit in der Entwicklung. Als Zusammenfassung aller Einzelergebnisse sollen die wesentlichen Ausstattungsmerkmale zusätzlich zu der raumweisen Verzeichnung auch Formtreues Aufmaß (Original im M. 1:20) eines stark verformten Gebäudes. In den Wohngeschossen sind die schiefen Fußböden ausgeglichen, im Dach nicht mehr. Das konstruktive Problem liegt offensichtlich im Erdgeschoss.

Formtreues Aufmaß (Original im M. 1:20) mit Bauphasenkennzeichnung. Das Dachwerk hat sich stark geneigt, die Böden sind vielfach aufgefüttert.

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noch in einem Ausstattungsplan zusammengefasst werden. Dieser Plan soll wie der Bauphasenplan eine zeitliche Zuordnung der Einzelaussagen enthalten und in den Signaturen dem Bauphasenplan folgen. Bestandspläne Ohne zuverlässige Pläne muss jedes Bauvorhaben scheitern. Die Erstellung entsprechender Pläne muss deswegen die erste Aufgabe für eine erfolgreiche Planung sein. Die Anforderungen an die Genauigkeit dieser Pläne richten sich dabei nach dem Zustand des Gebäudes und dem Ausmaß der geplanten Eingriffe. Die Plangrundlagen für die malermäßige Instandsetzung einer Wohnung aus den fünfziger Jahren mit kleineren Modernisierungsarbeiten müssen aus nachvollziehbaren Gründen nicht so genau sein wie diejenigen für die Ertüchtigung eines defizitären Tragwerks in einem mittelalterlichen Fachwerkhaus. Mit falschen oder grob ungenauen Plänen darf man gleichwohl niemals planen und erst recht nicht bauen. Das verbietet sich schon im Hinblick auf die Dokumentationspflicht des Architekten und das zukünftige Facility Management des Bauherrn bis hin zur Flächenermittlung für die Vermietung. Vor diesem Hintergrund muss man vor der Verwendung älterer Baupläne warnen, wie man sie in den Bauakten der Zeit vor 1945 häufig findet, soweit der Entwurf über die Vorplanung hinausgeht. Die Anforderungen an die Bauaufnahme bestimmen hinsichtlich Erfassungstiefe und Zielmaßstab die Methoden und die notwendige Vermessungsgenauigkeit. Im Bereich der Denkmalpflege ist seit vielen Jahren die Einteilung von Bestandsplänen in vier Genauigkeitsstufen üblich, welche die Grundlage für Ausschreibungen, vertragliche Vereinbarungen und Kalkulationen bilden. Genauigkeitsstufe 1 ist ein grobes Systemaufmaß, Stufe IV stellt das Bauwerk mit allen Einzelheiten der Verformungen und Befunde als formtreues Aufmaß dar. Unabhängig von der Genauigkeit der Pläne sollen die Raumnummern immer enthalten sein. Genauigkeitsstufe I, Systemaufmaß im Maßstab 1:100, dient zur einfachen Dokumentation eines Gebäudetyps in Grundrissgliederung, Höhenentwicklung, Form und Außenerscheinung. Die Pläne sollen als Besprechungsgrundlage bei Vorplanungen dienen oder Grundlage für Renovierungsmaßnahmen ohne Eingriffe in die Bausubstanz sein. Genauigkeitsstufe II ist ein annähernd wirklichkeitsgetreues Aufmaß im Maßstab 1:50 oder 1:100 als Grundlage für einfache Sanierungen ohne

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Systemaufmaß eines mittelalterlichen Gebäudes in Regensburg – keine Verformungen, keine Schäden?

Formtreues Aufmaß des gleichen Objekts; tatsächlich sind beängstigende Verformungen vorhanden, die auf eine komplizierte Baumaßnahme hinauslaufen.

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Wissenschaftliches Aufmaß einer Partie der mittelalterlichen Stadtmauer in Basel, Handaufmaß, Original M. 1:20.

Befundinterpretation mit Bauphasenausscheidung; digitale Bearbeitung.

weiterführende Umbaumaßnahmen oder als Grundlage für Orts- und Stadtbildanalysen sowie für vorsorgliche Dokumentationen auch im Rahmen der klassischen Inventarisation. Die Messgenauigkeit, bezogen auf das Gesamtgebäude, muss innerhalb +/– 10 cm liegen. Genauigkeitsstufe III ist ein exaktes und formtreues Aufmaß im Maßstab 1:25/1:20, das auch den Erfordernissen der Bauforschung genügt und die Grundlage für Umbaumaßnahmen bildet. Voraussetzung für das formtreue Aufmaß ist ein dreidimensionales Vermessungssystem, auf das die Detailaufnahme in allen Räumen außerhalb und innerhalb des Gebäudes aufgebaut ist. Die Höhen sind auf Meereshöhe (m ü. NN) zu beziehen. Grundrisspläne, Schnitte und Ansichten müssen über Netzkreuze oder Passpunkte auf- oder aneinander angepasst werden können. Die Aufnahmen

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und Auftragungen müssen vor Ort erfolgen. Die Darstellungsgenauigkeit muss innerhalb +/– 2,5 cm liegen. Wenn erforderlich, werden die gemessenen Werte mit eingetragen. In den Plänen wird, soweit erkennbar, folgendes dargestellt: Konstruktion und Struktur der Wände, Spannrichtungen der Deckenbalken im Grundriss, deutlich sichtbare Verformungen wie Deckendurchbiegungen, Fußbodengefälle und Wandneigungen sowie Grundrissabweichungen vom rechten Winkel, Hinweise auf frühere Bauzustände. Zusätzlich kann die Darstellung von Ausbaudetails wie Türen, Fenstern oder Lamberien durch vereinfachte Konturen vereinbart werden. Genauigkeitsstufe IV ist ein wissenschaftliches Aufmaß im Maßstab 1:25/1:20 mit detaillierter Darstellung aller Befunde. Es wird bei hochwertigen Objekten für komplizierte Restaurierungs- und Umbauplanungen, für die statische Sicherung, bei erheblichen Verformungen und planungsvorbereitender Bauzustandsanalyse sowie für alle Zwecke der wissenschaftlichen Bauforschung bis hin zur Translozierungen benötigt. Die Darstellungsgenauigkeit muss zwischen +/– 1–2 cm liegen. Hier ist es unerlässlich, die Oberflächen wie Fußbodenbeläge, Wanddekorationen usf. sowie Baubefunde aller Art – ganz besonders in den Ansichten und Schnitten – mit aufzunehmen. Die bewusste Entscheidung für eine dieser Genauigkeitsstufen ist eine Festlegung von erheblicher Tragweite, die der Architekt auf keinen Fall Dritten überlassen darf. Leider erlebt man immer wieder, dass für ein und dasselbe Vorhaben erst ungefähre, dann genaue und am Ende dann wirklich präzise Pläne erstellt werden, weil am Beginn der Maßnahme die Genauigkeitsforderungen an das Planmaterial nicht gut genug überlegt waren. Abgesehen von den Zeitverzögerungen für die Fertigung immer weiterer zusätzlicher Pläne in der laufenden Maßnahme wird ein kritischer Bauherr in einem solchen Falle sicher auch fragen, ob die wiederholten Kosten für wiederholte Bestandspläne durch die unvollständige oder gar fehlerhafte Beratung des Architekten entstanden sind – vom Autoritätsverlust des Architekten ganz zu schweigen. Als Faustregel kann gelten, dass die Pläne um so genauer sein müssen, je komplizierter und weitreichender eine Baumaßnahme ist. Starke Verformungen und der Einbau einer Tragwerksverstärkung machen in jedem Fall eine formtreue Darstellung des Bestands erforderlich. Der

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Einbau vertikaler Bauteile, seien es nun Treppen und Aufzüge, Kamine oder Leitungstrassen, wird ohne ein Aufmaß, das wesentliche Verformungen berücksichtigt, kaum zu realisieren sein. Auch komplizierte Innenausbauten lassen sich ohne eine formtreue Darstellung des Bestands nicht machen. Und schon die Grundrissveränderung durch Teilung großer Räume sollte man ohne einen exakt vermessenen Grundriss, hier möglicherweise ohne die Darstellung von Verformungen, nicht anfassen. Was, wenn sich erst in der Örtlichkeit und bei der Bauausführung zeigt, dass für die Realisierung einer knapp gezeichneten Toilettenanlage plötzlich zehn Zentimeter fehlen? Allgemein hat es sich bewährt, Pläne für die Arbeit im Bestand immer in dem Maßstab mit der doppelten Genauigkeit zu erstellen, wie man ihn für die Neubauplanung verwenden würde–also etwa den Maßstab 1:50 für die Entwurfsplanung. Diese zunächst vielleicht beunruhigende Forderung verliert in Zeiten der digitalen Planung zunehmend ihren Schrecken. Abgesehen von solchen planerischen Überlegungen ist auch die Abrechnung der einzelnen Gewerke mit gutem Planmaterial deutlich einfacher als mit groben Systemaufmaßen. Die Bauaufnahme stellt das Gebäude in seinem vorgefundenen Zustand dar. Interpretationen des Planes, etwa zu Veränderungen und Umbauten, sind interessant und erwünscht. Die als weniger wesentlich erachteten Bauteile zur Erleichterung der Arbeit gleich in den Bestandsplänen wegzulassen, ist dagegen unzulässig. Das gilt aus systematischen Überlegungen, viel mehr aber noch aus Gründen der Sicherung von Planungsdaten. Ob man das Bauwerk konventionell mit Bandmaß und Zeichenstift oder digital mit Lasertheodolit oder 3D-Scanner erfasst, macht im Grundsatz keinen Unterschied. Die Weiterverarbeitung der Plandaten im Büro spricht heute aber sicherlich für die digitale Erfassung. Soweit diese fortschreibungsfähig angelegt, im Gebäude vermarkt und damit bei Bedarf reproduzierbar ist, vermeidet man damit auch die oben genannten Probleme der doppelten Erfassung. Damit hat sich das lieb gewordene Bild des Architekten, der als ersten Schritt in die Entwurfsarbeit zunächst einmal mit dem Meterstab losgeht, um sich einen Überblick zu schaffen, überlebt. Die Vermessung von Grundrissen durch die Erfassung von Längen und Breiten als einfachen Strecken – beispielsweise mit dem Laser-Distometer – ist heute wegen der absehbaren großen Ungenauigkeiten nicht mehr vertretbar. Die Erarbeitung von Bestandsplänen ist damit für alle Anforderungen und

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Genauigkeitsstufen in der Bauaufnahme Planungsleistung

Planinhalt Genauigkeitsstufe I Zielmaßstab 1:100; Maßtoleranz +/- 10 cm Systemaufmaß des Gesamtbauwerks

• Machbarkeitsstudie • Flächen- und Kubaturermittlung • Facility Management • reine Instandsetzungsmaßnahmen  keine Entwurfsleistungen  keine Bauwerksveränderung

    

nur erhebliche Verformungen nur erhebliche Unregelmäßigkeiten im Grundriss vereinfachte Darstellung der Wand- und Deckenstärken keine Ausbauteile (Türen, Fenster) keine Oberflächen

Genauigkeitsstufe II Zielmaßstab 1:50; Maßtoleranz +/- 5 cm Wirklichkeitsgetreues Aufmaß des Gesamtbauwerks

• Nutzungsplanung • Genehmigungsplanung • Ausführungsplanung für ausschließlich geschossbezogene Baumaßnahmen • Ausführungsplanung für Gebäude ohne ernsthafte Schäden und Verformungen • Ausführungsplanung für Baumaßnahmen ohne

     

erhebliche Eingriffe in das Tragwerk

Verformungen < 10 cm deutliche Unregelmäßigkeiten im Grundriss wirklichkeitsgetreue Darstellung der Wand- und Deckenstärken Darstellung der wesentlichen Konstruktionsteile Systemdarstellung der Ausbauteile (Türen, Fenster) wesentliche Raumausstattungen (Wandverkleidungen, Decken etc.)

Genauigkeitsstufe III Zielmaßstab 1:25 / 1:20; Maßtoleranz +/- 2 cm Formtreues Aufmaß des Gesamtbauwerks

• Ausführungsplanung für Gebäude mit Schäden und Verformungen • Ausführungsplanung für geschossübergreifende • •

Baumaßnahmen (Lift, Treppen, Kamine, Installation etc.) Ausführungsplanung für Gebäude mit hochwertigen Befunden Baumaßnahmen an Baudenkmalen

       

Verformungen < 5 cm genaue Grundrissdarstellung mit allen Unregelmäßigkeiten des Wandverlaufs Darstellung der Konstruktion mit ihren Einzelheiten Verzeichnung der Baumaterialien Detaildarstellung der Ausbauteile (Türen, Fenster) wesentliche Oberflächenbefunde (Malerei, Fußbodenbeläge etc.) Deckenspiegel (Balkenlage, Stuck etc.) wesentliche Befunde zur Baugeschichte

Genauigkeitsstufe IV Zielmaßstab 1:25 / 1:20; Maßtoleranz +/- 2 cm Wissenschaftliches Aufmaß des Gesamtbauwerks

• Baumaßnahmen an hochwertigen Baudenkmalen



  

Verformungen < 2 cm im übrigen wie Genauigkeitsstufe III. Darüber hinaus: sämtliche Oberflächenbefunde (Wände, Decken, Fußböden) sämtliche Ausstattungsdetails sämtliche Befunde zur Baugeschichte

Genauigkeitsstufe V Zielmaßstab 1:10 / 1:5 / 1:1; Maßtoleranz +/- 1 cm Denkmalpflegerisches Detailaufmaß

• Tragwerksplanungen in stark verformten Gebäuden • detaillierte Instandsetzungsplanung • detaillierte Ausbauplanung • detaillierte Restaurierungsplanung

   

sämtliche Einzelheiten der Konstruktion sämtliche Einzelheiten der Oberflächen Steinportrait flächige Wandmalerei

Genauigkeitsstufen in der Regel die Sache von Spezialisten mit meist aufwändigen Spezialgeräten (was nicht ausschließt, dass sich auch der Architekt solches Spezialwissen aneignet). Daraus folgt, dass der Architekt um so genauer und ausführlicher definieren muss, welche Leistungen mit welcher Darstellung er von seinem Auftragnehmer verlangt. Unklarheiten wirken sich hier genauso fatal aus wie in der Festlegung der angestrebten Genauigkeit der Pläne. Entgegen einer weit verbreiteten Praxis entsteht eine zuverlässige Bauaufnahme-Zeichnung nicht im Büro unter Verwendung von mehr oder weniger deutlichen Skizzen und Zahlenlisten. Sie muss vielmehr am Ort selbst erarbeitet und auch fertig gestellt werden. Die Bauaufnahme-Zeichnung ist keine Präsentationszeichnung und auch keine Bauausführungszeichnung. Sie hat ihre eigenen, auf die Erfordernisse von Dokumentation und Bauforschung zugeschnittenen Qualitäten. Die Bauaufnahme-Zeichnung entsteht mit hartem Bleistift (6H) auf PL-Zeichenfolie, mit Bleistift (4H) auf Karton (z. B. Hammer 4R) oder mit Tachymeter und Laptop direkt als CADZeichnung. Gezeichnet wird direkt auf dem Blatt ohne vermittelnde Maßskizzen und nur das, was auch gemessen wird. Mit dem Bleistift wird gezeichnet, weil er ein technisch vielseitiges, alterungsbeständiges und auch unter harten Bedingungen wenig anfälliges Gerät ist; nicht zuletzt auch, weil sich Fehler sofort verbessern lassen. Auf Folie wird gezeichnet, weil sie maßhaltig bleibt, sich also nicht verzieht. Sie ist reißfest und gegen Hitze und vor allem Feuchtigkeit (auch Regen!) unempfindlich. Sie ist allerdings nicht uneingeschränkt alterungsbeständig. Für Dokumentationszeichnungen (z. B. für Denkmalämter) wird daher auf säurefreiem Karton gearbeitet. Das Vor-Ort-Prinzip stellt sicher, dass durch die Anschauung des Objektes Messfehler sofort erkannt werden. Im langsamen Fortschreiten der Zeichnung von dem übergeordneten Bezugsnetz, der Basislinie, dem Messnetz oder dem Polygonzug über die ermittelten Eckdaten bis hin zur Darstellung der Binnenstruktur und der Details bauen alle Schritte systematisch auf– einander auf. Fehler werden sofort sichtbar – dem Zeichner kommt etwas komisch vor und er lässt Kontrollmaße nehmen – und lassen sich leicht zurückverfolgen. Wer einmal in einer weit fortgeschrittenen „Bürozeichnung“ oder in flüchtigen Aufmaßskizzen die Ursache für einen Fehler gesucht hat, wird einsehen, dass das Zeichnen vor Ort trotz seiner scheinbaren Mühseligkeit letztlich meist schneller und immer wesentlich genauer ist und außerdem zusätzlich etwas von der Lebendigkeit eines alten Bauwerkes

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vermittelt. Die bestimmenden Charakteristika des Gebäudes fließen leichter in die Zeichnung ein. Wo Oberflächen in ihrer Materialhaftigkeit dargestellt werden, wirken die verwendeten graphischen Mittel authentischer. Das Zeichnen ist eine sehr persönliche Beschäftigung mit einem Gegenstand. Überlegungen, Fragestellungen und Beobachtungen, die sich während des Zeich– nens ergeben, können direkt schriftlich in der Zeichnung vermerkt werden. Falls die Reproduzierbarkeit der fertigen Zeichnung nicht ausreicht, lassen sich später im Büro schnell Umzeichnungen anfertigen, da die Vorlage absolut zuverlässig ist. Meistens geschieht dies ohnehin im Hinblick auf bestimmte Funktionen, die die Zeichnung erfüllen soll, wie Schadensanalysen für den Statiker oder Druckvorlagen für eine Veröffentlichung. Bauaufnahme ist keine Wissenschaft, sondern ein Handwerk. Ihre Methoden sind grundsätzlich einfach, und diese Einfachheit der Messmethodik ist auch immer anzustreben, um höhere Genauigkeiten zu erreichen und gleichzeitig den Zeitaufwand zu minimieren. Die Schwierigkeiten entstehen bei der Anwendung auf die Komplexität von Bauwerken. Erst eine gewisse Erfahrung und Routine ermöglichen zügiges Arbeiten. Bei der einfachen und kostengünstigen Verfügbarkeit zuverlässiger Lasertheodoliten wird man heute kaum noch auf eine geodätische Grundvermessung des Gebäudes verzichten – nicht zuletzt deshalb, weil die Weiterverarbeitung der Pläne im Büro mit den gleichen Datensätzen erfolgen wird, die der Vermesser generiert hat. Diese Daten sind zugleich auch maßstabsunabhängig. Die Schwierigkeiten liegen in der Detaillierung und zugleich in der fehlenden Bildhaftigkeit und Aussagekraft der Pläne, die bei einem geodätischen Aufmaß bald an ihre Grenzen kommt. Grundsätzlich kann aber auch das geodätische Aufmaß eine Vielzahl von Einzelaussagen erfassen und sogar – besser als das Handaufmaß – in Layerebenen organisieren. Die Bildentzerrung, häufig und fälschlich auch als Messbild bezeichnet, bietet sich durch die digitale Photographie und viele anwenderfreundliche Programme zur maßstäblichen Bildentzerrung heute besonders für die Befundaufnahme an ebenen Objekten an. Die maßlich korrekte Darstellung des entzerrten Photos kann sich dabei aus systembedingten Gründen immer nur auf eine einzige Ebene beziehen, die überdies nicht gekrümmt oder verformt sein darf. Vor- und Rücksprünge werden ebenso wie Wandöffnungen und architektonische Gliederungen grundsätzlich unrichtig, weil – übermäßig – verzerrt abgebildet.

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Dieser Nachteil haftet der Stereophotogrammetrie nicht an. Sie bietet die Möglichkeit, besonders Fassaden ohne Gerüst, berührungsfrei und bis in die Einzelheiten zu erfassen. Das gilt besonders für stark gegliederte Gebäude. Für eine seriöse photogrammetrische Aufnahme wird man schon für ein dreigeschossiges Gebäude in der Regel nicht ohne einen Fahrkorb auskommen, von dem aus die oberen Gebäudeteile ohne sichttote Bereiche erfasst werden können. Weil auch die Photogrammetrie heute durchgängig digitale Daten liefert, kann man diese Unterlagen – gute Organisation Digitales Bauaufmaß mit Darstellung der vielen Einzelheiten der Ausstattung bis hin zur Fußbodenstruktur auf verschiedenen Layern; links die Layerstruktur auf dem Bildschirm, rechts das gedruckte Ergebnis.

Das detailreiche Handaufmaß verzeichnet sämtliche Oberflächen. Auf dieser Grundlage ist die Nutzungsstruktur des 17. Jahrhunderts rekonstruiert.

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Ende 13. Jh. Anfang 14. Jh.- 1330 14. Jh. Anfang 15. Jh.- 1447 Mitte 16. Jh. Anfang 17. Jh. Ende 17. Jh. 90er Jahre 1900 -1904 1908 1908 - 1945 1945 - 1989 1989 - 2000

Digitales Aufmaß mit Bauphasenausscheidung.

vorausgesetzt – unmittelbar für die Planungsarbeiten übernehmen. Für die Grundrissaufnahme hat sich die Photogrammetrie nie wirklich durchgesetzt und wird heute zunehmend durch die digitalen Aufmaßmethoden verdrängt. Durch leistungsfähige Rechner ist es heute möglich, die Inhalte der unterschiedlichen Erfassungsmethoden in einem Datensatz zu vereinen. Das entzerrte Photo kann dem geodätischen Plan ebenso unterlegt werden wie die aufwändige händische Kartierung von Einzelheiten der Oberfläche. Die Technologie des 3D-Laser-Scannings verändert die Bestandserfassung derzeit erheblich. Laser-Scanner arbeiten grundsätzlich nach dem gleichen Prinzip, das auch der Lasertheodolit verwendet. Während dort aber jeder Punkt bewusst ausgesucht und individuell mit seinen

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Koordinaten erfasst wird, generiert der Scanner in unglaublich kurzer Zeit Millionen solcher Punkte – die Punktwolke. Diese Datenmasse ist Vor- und Nachteil zugleich. In einem rechenintensiven Prozess müssen diejenigen Informationen herausgefiltert werden, die der Architekt für die Planung wirklich braucht. Ein automatisches Verfahren mit überzeugenden Ergebnissen fehlt dafür bisher. Ohne Zweifel wird aber die schnelle technische Entwicklung diese Hindernisse in der nahen Zukunft immer weiter aus dem Wege räumen. Als Vorteil enthalten die Punktwolken ein sehr vollständiges Abbild des Bestandes, auf das der Planer zurückgreifen kann. Für die Erfassung von Architekturen ist grundsätzlich entscheidend, welche Punktdichte auf der Oberfläche erzeugt wird. Die für anspruchsvolle und detaillierte Planungen ausreichende Punktdichte von etwa 5 mm Auf der Grundlage einer digitalen Bildentzerrung sind erreichen inzwischen die meisten auf dem die Risse in der Fassade kartiert. Markt verfügbaren Systeme. Der um Vieles genauere Streiflicht-Scanner ist wegen seiner begrenzten Reichweite für die Aufnahme ganzer Architekturen grundsätzlich nicht zu verwenden. In der Detailerfassung hat er dagegen seinen Sinn. Die Vermutung, dass ein besonders aufwändiges und modernes Verfahren zur Bestandserfassung auch besonders zuverlässig sein müsse, bestätigt sich in der Praxis nicht. Es sind ganz sicher auch in Zukunft die gute Ausbildung und das Engagement des Ausführenden, die das Ergebnis qualifizieren. Deswegen sollte man sich vor der Auftragserteilung stets Arbeitsproben zeigen lassen und bei einer umfangreicheren Bestandserfassung Zwischenergebnisse begutachten, sie in der (digitalen) Weiterbearbeitung erproben und förmlich abnehmen.

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Ergänzung mineralisch Anböschung KSE Vierung bzw. Neuteil Neuteil-Rekonstruktion Ergänzung historisches Gerüstloch Reparieren Steine im historischen Gerüstloch

Zweilinig ausgewertete Stereophotogrammetrie des Domes zu Speyer als Grundlage einer sachgerechten Steinrestaurierung (hier: Ergänzungen).

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3D-Laser-Scan. Links die Punktwolke, wie sie aus dem Scanner kommt, rechts die graphische Umsetzung als Schnittzeichnung und Ansicht.

Bauuntersuchung Die Bauuntersuchung deckt Wirkungszusammenhänge von ursprünglicher Konstruktion und historischen Veränderungen in Grundriss, Tragwerk sowie Ausstattung auf und fragt nicht zuletzt nach den in diesem Verlauf entstandenen Risiken und Schäden am Gebäude. Dem Verständnis des Tragwerks kommt hier eine besondere Bedeutung zu. Außerdem spielen alle Fragen der bau- und materialtechnischen Gegebenheiten eine Rolle. Die systematische Erfassung aller am Bau erkannter Schäden ist die notwendige Voraussetzung für eine sachgemäße Planung, und zwar sowohl in bautechnischer Hinsicht wie auch im Hinblick auf die Kosten. Wer das Ausmaß und die Bedeutung vorhandener Schäden nicht kennt, gerät in große Gefahr, seinen Planungsauftrag unsachgemäß zu erledigen. Was allerdings ein Schaden ist, lässt sich oft nicht so leicht bestimmen, wie man meint; die Beurteilung ist immer auch von der Strategie der Planung abhängig. Die systematische und strukturierte Bauuntersuchung ist – wie die Bauwerkserfassung in Plänen – in der Regel ein Spezialgebiet, das Spezialkenntnisse erfordert. Wer die Ergründung der Baugeschichte als interessantes Abenteuer versteht und betreibt, setzt sich der Gefahr aus, das

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Nicht jeder Schaden ist ein Schaden: Der Zusammenhang von Baugeschichte und Tragwerk Wohnhäuser Mühlenstraße 2-3 und 4-5, 1999 D- Havelberg Bauherr: Havelberger Hoch- und Tiefbau Gutachten: Yngve Jan Holland, Stefan Breitling Erst die Kenntnis der Entwicklungsgeschichte eines Gebäudes ermöglicht eine verantwortungsvolle, schadensfreie und nachhaltige Sanierung. Das ursprüngliche Fachwerkgebäude wurde nach den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges 1660 (d) errichtet und gehört damit zu den ältesten datierten Wohnhäusern in Havelberg. Wegen der starken Neigung des Hauses war ursprünglich eine teure Fundamentsanierung vorgesehen. Eine zweitägige Bauuntersuchung reichte aus, um die notwendige Dokumentation zu erstellen, die Bauphasen zu datieren und die strittigen Fragen nach dem baukonstruktiven Zustand und der möglichen Gefährdung des Bestandes zu klären. Das Bauwerk erwies sich als stabil. Seit 150 Jahren hatte sich nichts mehr bewegt. Die Verformungen stammen von einem Brandschaden, in dessen Folge man im 18. Jahrhundert die Fußböden aufgedoppelt und die Fachwerkständer verschoben hatte. Im Ergebnis erwies sich die geplante Fundamentsanierung als überflüssig; die Untersuchung war durch die Einsparung bei den Baukosten überaus wirtschaftlich.

Fassade zur Straße.

Befundplan und BauphasenKartierung der Hoffassade.

Grundriss des Dachgeschosses mit Kartierung der Abbundzeichen.

Längsschnitt durch das Dachwerk nach Norden.

Bauphasen vor 1660 (d)

1. Hälfte 20. Jh.

nach 1660 (d)

nach 1945

18. Jh.

unbestimmt

Anfang 19. Jh.

Entnahmestelle Dendro

nach 1855 (d)

Fotostandort

Wichtige zu übersehen und das Spannende unerkannt zu zerstören oder viel zu spät zu erkennen. Die Aufgabe des Architekten ist es, die Untersuchungstiefe zu bestimmen, zu klären, welche Sonderfachleute eingeschaltet werden müssen (Restaurator, Archäologe, Historiker, Dendrochronologe etc.), und deren Arbeitsfeld mit exakt formulierten Aufträgen zu beschreiben. Die Vorstellung, dass alle diese Arbeitsfelder vom Planer selbst abgearbeitet werden könnten, ist unzeitgemäß. Der Architekt muss indessen so viel Fachwissen haben, dass er in dem komplexen Vorgang der Bauuntersuchung die Initiative nicht an seine Sonderfachleute verliert. Nur der Architekt kann die wechselseitigen Abhängigkeiten und Anforderungen an die Beteiligten zielgerichtet und wirkungsvoll so definieren, dass die Planungsziele am Ende zuverlässig und wirtschaftlich erreicht werden. Die Forderung nach „Forschung“ stößt auf dem Bau bisweilen auf Unverständnis, weil der Bauherr langwierige, teure und vielleicht sogar überflüssige Untersuchungen vermutet, deren Sinn nicht unmittelbar erkennbar wird. Um so wichtiger ist die gezielte Auswahl solcher Untersuchungen mit eindeutigen Fragestellungen und Zielvorgaben. Es muss immer deutlich sein, in welcher Form und wo solche Fachgutachten so in die Planung eingehen, dass sie trotz des unvermeidlichen Fachjargons auch für die anderen Fachgruppen verständlich und förderlich sind. Bauforschung Am Beginn der Bauuntersuchung steht die Klärung der Veränderungsgeschichte mit der Unterscheidung unterschiedlicher Bauphasen und Bauabschnitte. Dieses Wissen ist zugleich die Voraussetzung für die sachgerechte Beurteilung manifestierter ebenso wie versteckter Schadensprozesse. Nicht zuletzt ermittelt die Bauforschung sichtbare und verborgene kulturgeschichtliche Werte. Nur auf dieser Grundlage hat der Architekt die hinreichende Sicherheit, dass sein Entwurf die Qualitäten des Gebäudes zur Entfaltung bringen und zugleich seine Defizite beheben wird. Wer keine konkrete Vorstellung vom Tragwerk und dessen Schwächen hat, kann es auch nicht stabilisieren. Wenn die alten Raumteilungen nicht bekannt sind, kann der Entwurf darauf auch nicht sinnvoll reagieren. Weil – beispielsweise – die Baugeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts vielfach die Geschichte der Teilung großer Räume gewesen ist, zeigt oft schon die Bauuntersuchung einen einfachen Weg, wie aus einem verwinkelten Gebäude durch den Abbruch der letzten Bauschicht ohne

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Eingriffe in das Tragwerk und ohne großen Aufwand wieder ein attraktiver Grundriss werden kann. Die Untersuchung klärt die Baugeschichte mit dem Ziel, in Grundrissen, Schnitten und Ansichten die Entstehungszeit der unterschiedlichen Bauteile als Bauphasenplan darzustellen und den Ursprungszustand des Gebäudes ebenso wie die wesentlichen Umbauphasen gedanklich und zeichnerisch zu rekonstruieren. Diese Rekonstruktion bezieht sich auf die Architektur, das Tragwerk und die Nutzung. Sie stützt sich selbstverständlich auf die Archiv- und Literaturanalyse und bezieht diese ein. Für die Kennzeichnung der Bauphasen hat sich allgemein die Charakterisierung für alt = dunkel bis hell = jünger durchgesetzt. Isometrische Rekonstruktionszeichnungen der einzelnen Bauphasen, händisch oder als Computerdarstellung, erleichtern die Darstellung und Vermittlung der Untersuchungsergebnisse. Der Baueingabeplan von 1903 zeigt nur einen Teil der im Laufe der Jahrhunderte durchgeführten Umbauten. Der Rest lässt sich nur durch eine systematische Bauuntersuchung feststellen. Der Bauphasenplan fasst die Ergebnisse zusammen.

vor 1504/05 um 1560 um 1600 18. Jh. 1903

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Bestandsaufnahme und Bestandsinterpretation von Schloss Freyenstein. Auf der Grundlage eines formtreuen digitalen Aufmaßes entsteht der Bauphasenplan. Die dreidimensionale Vernetzung der Befunde eröffnet den Zugang zur Veränderungsgeschichte, die in drei Phasenmodellen dargestellt ist.

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Räumliche Modelle und digitale Verortung als Zugang zu komplexen Baustrukturen Nidaros-Dom, Oktogon, Forschungsprojekt 1999-2004 N-Trondheim Bauherr: Nidaros Domkirkes Restaureringsarbeider Projektleitung: Stefan Breitling Das Oktogon gehört zu den interessantesten Ostabschlüssen mittelalterlicher Kathedralen. Das frühgotische Bauwerk wurde um 1161 begonnen und war im 13. und 14. Jahrhundert Ziel wichtiger Pilgerrouten. Die komplizierte Architektur erfordert besondere räumliche Darstellungsverfahren. Die detaillierte zeichnerische Aufnahme der Anschlussbereiche sowie zahlreicher Baudetails lässt Aussagen über Entwurf und Anlage des Chores zu. Durch eine Analyse der Setzungs- und Verformungserscheinungen konnten die Bauteile einzelnen Bauabschnitten zugeordnet werden. Auf der Grundlage eines dreidimensionalen tachymetrischen Aufmaßes wurden die Dokumentationen vereinheitlicht und im Rahmen eines html-basierten Gebäudeinformationssystems digital zur Verfügung gestellt. Auf diese Weise können sie direkt für das Monitoring und die Planung von anstehenden Sanierungsmaßnahmen durch die verschiedenen am Dom beschäftigten Fachgruppen verwendet werden.

Nidaros-Dom, Oktogon, 3D-Modell, Schnitt nach Süden

Grundriss des Doms.

Innenansicht nach Osten auf das Oktogon.

Drehbares 3-D-Modell mit Kontextmenüs und Datenbank in html; hier ist die Bauornamentik dargestellt. Rütenik 2004. System: Breitling 2005.

Auch wenn die wissenschaftlich-theoretische Rekonstruktion zweifelsfrei und vollständig gelingt, heißt das noch lange nicht, dass einer der ermittelten Zustände – und wenn, dann nicht zwangsläufig der Ursprungszustand – rekonstruiert werden müsste. Die bauarchäologische Untersuchung analysiert das Gebäude zunächst durch zerstörungsfreie Beobachtung, später auch mit den in der Archäologie entwickelten, eingreifenden stratigraphischen Methoden. Sie soll bei allem Erkenntnisdrang den Bestand so wenig wie möglich beeinträchtigen. Alte Bestandspläne können erste Hinweise auf frühere Veränderungen bringen. Scheinbar regellos in der Fassade angeordnete Fenster von unterschiedlicher Größe und Höhenlage mögen auf eine wechselvolle Baugeschichte verweisen. Starke Verformungen können auf Probleme im Tragwerk zurückgehen, verschiedenartige Wandstärken und überraschende Wandverläufe auf unterschiedliche Bauzeiten und Umbaumaßnahmen. Anomalien im Wandverlauf und Unregelmäßigkeiten in der Oberfläche zeigen häufig Umbauten an, die man vielfach schon im Streiflicht deutlich erkennt und interpretieren kann. Als Faustregel kann die Vermutung dienen, dass gleiche Phänome auch aus gleicher Zeit stammen. Unterschiedliche Baumaterialien können so beispielsweise ein Hinweis auf unterschiedliche Bauzeiten sein. Bestandsplan des 18. Jahrhunderts. Die Unterschiede Verdeckte Baustrukturen können durch die in den Wandstärken und die eigenartigen Wandaus der Energieanalyse bekannte Thermoverläufe zeigen dem Fachmann, dass die einheitliche graphie (Wärmebildmessung) sichtbar Anlage ältere Bauteile integriert. gemacht werden, wenn sich die bauphysikalischen Kennwerte der verbauten Stoffe hinreichend unterscheiden. Im Gegensatz dazu spielen aufwändigere Verfahren wie Ultraschall, Röntgen und andere aus der Medizintechnik bekannte Verfahren im Normalfall für die Bauwerksuntersuchung aus organisatorischen und finanziellen Gründen keine große Rolle. Soweit die Archivanalyse und die zerstörungsfreien Baubeobachtungen erste greifbare Hinweise auf die Veränderungsgeschichte des Bauwerks geliefert haben, müs-

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sen diese in der Regel durch eingreifende Untersuchungen überprüft und erweitert werden. Solche Eingriffe wollen freilich wohl überlegt sein. Sie verursachen nicht nur Kosten in der Durchführung, sondern sind auch mit Folgekosten für die Wiederherstellung der Oberflächen und mit Beeinträchtigungen des Gebrauchswertes des Gebäudes verbunden. Im Baudenkmal bedürfen solche Eingriffe zwingend der denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis. In jedem Falle sind Befundöffnungen immer so klein wie möglich zu halten. Sie müssen am Ende der Untersuchung formal und inhaltlich ein geordnetes Gesamtbild hinterlassen. Dazu gehört die klare und bewusste Randabgrenzung der Sondagen ebenso wie die systematische Beschriftung (s.a. Raumbuch). Die Verwüstung der Baustelle durch exzessive Öffnungen in Wänden und Fußböden, gleichgültig durch wen und mit wie immer guten Gründen sie verlangt und veranlasst wurde, ist immer und grundsätzlich ein gravierender Planungsfehler.

Im Streiflicht werden bauliche Veränderungen und Verformungen besonders deutlich.

Die räumlichen Bezüge der Befunde untereinander sind oft von besonderer Bedeutung. Hier ist die Darstellung in körperlichen Zusammenhängen unerlässlich.

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Von der Schadensanalyse zum Planungskonzept Schloss Heubach, Stadtbibliothek und Miedermuseum, 1991 -1997 D-Heubach Bauherr: Stadt Heubach Architekt: Johannes Cramer

Giebel nach Fertigstellung mit Rekonstruktion der Farbfassung von 1627. Innenraum der Bibliothek mit Spuren der Wände aus dem Nutzungshorizont von 1627 im Fußbodenbelag.

Verstärkungskonstruktion auf Edelstahlstützen mit Längsträgern aus hochfestem Stahl, der Momentenlinie angepasst. Steingerechte Bauaufnahme des Giebels mit Eintragung aller Befunde von baulichen Veränderungen bis zur Erhaltung der alten Putze.

Ziel der Planung war es, wertvolle Innenraumgestaltungen des 16. und 17. Jahrhunderts zu konservieren und eine moderne Nutzung in den historischen Bestand zu integrieren. Der Adelssitz wurde 1525 (d) auf älteren Bauresten errichtet und 1627 (d) noch einmal grundlegend modernisiert. Danach blieben eingreifende Umbauten weitgehend aus, so dass der Bau 1983 ziemlich unverändert und authentisch, jedoch mit schweren Bauschäden in den Besitz der Stadt kam. Zeitweilig wurde der Abbruch erwogen. Die schwer beschädigte Holzkonstruktion ist durch eine additive Tragkonstruktion aus hochfestem Stahl für die Unterzüge und Edelstahlstützen verstärkt. Diese reicht teilweise bis in das 2. Obergeschoss. Für Planung und Einbau war eine formtreue Bauaufnahme unerlässlich. Die historischen Oberflächen sind innen wie außen konserviert. Die Vielfalt der Gestaltungen und auch deren historisch zufällige Erhaltung wurden ohne erhebliche Ergänzungen konserviert. Spuren früherer Bauzustände sind erhalten und zurückhaltend vermittelt.

Wie der Bestand den Entwurf bestimmt Wohnhaus Balbarini, 1989 I-Pisa Bauherr: Privat Architekt: Massimo Carmassi Das reich ausgestattete und vielfach überformte Stadthaus gibt seine gestalterischen und historischen Geheimnisse erst in einer detaillierten Bestandsanalyse preis. Die freigelegten Mauern zeigen die Spuren der Geschichte, die farbigen Fassungen aus unterschiedlicher Zeit sind ein Lexikon der Innenraumgestaltung. Der moderne Eingriff arbeitet mit den wie zufällig inszenierten Baubefunden und kontrastiert das geschundene Alte mit der Leichtigkeit der neu hinzugefügten Konstruktion. Die modernen Erfordernisse der Erschließung sind durch leichte Glaswände eingelöst. Nur so kann die Planung den neuen Nutzungsanforderungen gerecht werden und ein spannungsreiches Gesamtwerk schaffen.

Das rohe Mauerwerk und die filigrane Treppe bilden einen vielschichtigen, ganz neuen Raum.

Die fragmentierten Schichten der Wanddekoration sind ein Abbild der langen Hausgeschichte.

Werkplanung für den Einbau der Glaswand.

Isometrie mit Darstellung der historischen Ausstattung und der neuen Einbauten.

Bauteilöffnungen, auch die des Tragwerksplaners und des Holzschutzgutachters, sollen in aller Regel nur unter der Aufsicht von Bauforschern und Restauratoren durchgeführt werden. Anderenfalls läuft man Gefahr, Wichtiges unerkannt und unbeabsichtigt zu zerstören. Die bauarchäologische Untersuchung wird durch die Aufdeckung und Verfolgung von Baunähten, Materialgrenzen und zugesetzten Öffnungen alle jene Fragen weiter klären, welche in der reinen Beobachtung offen blieben. Weil der Eingriff in intakte Oberflächen immer die Gefahr birgt, dass unerkannt interessante Oberflächenbefunde beschädigt werden, beginnt man zweckmäßig in ohnedies vorhandenen Schadstellen, wie sie etwa durch frühere Eingriffe oder Putzrisse entstanden sind. Diese Strategie bietet sich auch deswegen an, weil Risse in der Die planlose Putzentfernung ohne vorausgehende Wandoberfläche nicht selten der erste Hinrestauratorische Untersuchung hat bereits weite Bereiche der erhaltenen Putze mit ihren farbigen weis auf verborgene Befunde und/oder Fassungen zerstört. Ein inkompetentes Vorgehen. Schäden sind. So können mit einem einzigen Eingriff im besten Falle gleich mehrere Fragen geklärt werden. Die relative Chronologie einzelner Wände zueinander klärt man aus verständlichen Gründen in den Raumecken und nicht in der Fläche. Einmal erhärtete Erkenntnisse sollen wegen der damit verbundenen Zerstörungen nicht durch routinemäßige Wiederholungsfreilegungen verfestigt werden: Wo das Rissbild die Lage der Fachwerkhölzer in einer Wand schon anzeigt, muss nicht noch jedes Mal das Holz tatsächlich freigelegt werden. Die Feinarbeit des Bauarchäologen ist ein Spezialwissen, das auszubreiten hier nicht der Ort ist. Aus der Beschaffenheit von Mörteln, ihrer Folge in der Überlappung, leeren Holzverbindungen im Dachwerk und vielen anderen Einzelphänomenen kann ein versierter Bauarchäologe bis weit in die Einzelheiten der Baugeschichte reichende Folgerungen zu Grundrissveränderungen, Nutzungsgeschichte und Ausstattung ziehen. Restauratorische Untersuchungen klären am Außenbau wie auch im Innenraum die architekturgebundene Ausstattung des Gebäudes.

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Im Gegensatz zu unseren heutigen Gewohnheiten des Innenausbaus haben alle Epochen bis in das 20. Jahrhundert hinein die Wand stets auch als Träger von architektonischer und künstlerischer Gestaltung verstanden. Aufwändige Wandmalerei, Farbfassungen, historische Tapeten und Stuck gehören neben vielen weiteren Gestaltungsmöglichkeiten zu den selbstverständlichen Befunderwartungen für ein historisches Gebäude. Weil diese Schönheiten heute fast immer unter jüngeren Putzschichten und Tapeten verschwunden sind, gehört die sys- Neufassung mit Befundfenster. tematische Klärung der ursprünglichen Ausstattung zu den unverzichtbaren Untersuchungen im Vorfeld der Planung. Diese Untersuchung muss in aller Regel von einem auf Putze und Untersuchungsblatt.

Fassungsfreilegung mit Farbtreppe und interessantem Befund.

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Von der Bürgerkirche über die Zehntscheune zum Kulturzentrum Kulturzentrum in der Bernhardskapelle, 1991-2002 D-Owen Bauherr: Stadt Owen Architekt: Hans Klumpp

Außenansicht nach Fertigstellung. Raue Putze sind alt, neue glatt.

Wissenschaftliche Bauaufnahme als Bauphasenplan mit der Wandmalerei auf Grundlage eines stereophotogrammetrischen Aufmaßes.

Detail der Restaurierung: Freilegung, Reinigung und Retusche.

Bis 1999 stand am Marktplatz der Stadt Owen ein unscheinbares Bauernhaus. Es war dort 1877 in die nutzlos gewordene Zehntscheune eingebaut worden, die ihrerseits aus einer nach der Reformation aufgelassenen Kirche entstanden war. Zwei umfangreiche Zyklen mit mittelalterlichen Wandbildern hatten alle diese Umbauten hinter Heuballen und dicken Putzschichten überstanden – zwar versehrt und reduziert, aber in den Grundzügen und vielen Details gut lesbar. Das Planungskonzept machte den Kirchenraum wieder lesbar. Sämtliche Ergänzungen sind als modern zu erkennen. Die qualitätvollen Wandbilder wurden durch eine aufwändige Restaurierung freigelegt und in Teilen ergänzt. Der Fachmann kann ohne Schwierigkeiten zwischen Original und Retusche unterscheiden. Der Bau dient heute als Veranstaltungsraum für kulturelle Zwecke.

Innenraum nach Instandsetzung. Neutralputz oben und unten, farbig angepasste Mörtelergänzungen in großen Fehlstellen, Tratteggio-Retuschen zur Verbesserung der Lesbarkeit.

Wiedergewinnung der Farbigkeit Wohnhaus Schminke, 1933/2000 D-Löbau Bauherr: Wüstenrot-Stiftung Architekt: Hans Scharoun/Pitz & Hoh Das Landhaus Schminke von Hans Scharoun gilt wegen der radikalen und kompromisslosen Umsetzung der Entwurfsidee als Meilenstein der modernen Architektur in Deutschland. Die damals noch nicht wirklich ausgereifte Bauweise und der über lange Zeit unterbliebene Bauunterhalt hatten das Haus in einen beklagenswerten Zustand versetzt. Ziel der Baumaßnahme war die authentische Instandsetzung unter Respektierung der späteren Überformungen in der möglichst vollständigen Kenntnis der Bauund Veränderungsgeschichte. Dabei spielten die Lesbarkeit des Grundrisses von Scharoun und dessen gleichermaßen bewusste wie delikate Farbgestaltung eine besondere Rolle. Durch intensive restauratorische Untersuchungen konnte auf der einen Seite die historische Farbigkeit fast vollständig belegt werden. Die Umgestaltung verzichtete gleichwohl, im Wissen um die dauernde Veränderung, auf die vollständige Rückführung in den Ursprungszustand und zeigt die historische Farbigkeit nur in Ausschnitten.

Innenraum nach Wiederherstellung und Rekonstruktion der Farbigkeit.

Der Bau nach der Fertigstellung im Jahre 1933.

Restauratorische Freilegungsprobe zur Ermittlung der historischen Farbigkeit.

Reinigungsmuster an dem naturfarbigen Außenputz.

Eingangsbereich mit Rekonstruktion der historischen Farbigkeit.

Fassungen spezialisierten, dafür entsprechend qualifizierten Restaurator durchgeführt werden. Der Restaurator ist zugleich dafür ausgebildet, die Bedeutung der Abfolge von historischen Putzen und Fassungen für die Veränderungsgeschichte des Bauwerks zu klären. Auch hier sind großflächige und zerstörerische Freilegungen mit grobem Werkzeug ein Verstoß gegen die Grundregeln der Disziplin. Als Spezialist für die Zusammensetzung historischer Mörtel wird der Restaurator ferner in der späteren Baudurchführung für die Konfektionierung von Ergänzungs- und Reparaturmörteln ein wichtiger Gesprächspartner. Soweit die Rekonstruktion der historischen Farbigkeit zur Debatte steht, kann der Restaurator auch hier – bis hin zu den traditionellen Materialien – die richtigen Auskünfte geben. Weil jedes alte Gebäude auch auf altem Boden steht, muss man bei Bodeneingriffen grundsätzlich immer mit archäologischen Funden rechnen. Schon die Erneuerung der Hausanschlussleitungen kann entsprechende Befunde zutage fördern. Solche Befunde unterliegen der strengen Aufsicht durch die archäologischen Abteilungen der Denkmalämter. Einschlägige Beobachtungen müssen unverzüglich der Unteren Denkmalschutzbehörde gemeldet werden – seien es nun Bestattungen, Artefakte oder Baureste. Die Beurteilung, dass etwas unbedeutend sei, steht einzig den Archäologen zu. Funde sind dabei sowohl innerhalb des Hauses, beispielsweise als alte Produktionseinrichtungen, wie auch im Außenbereich vorstellbar. Im Verdachtsfall muss zunächst durch kleinflächige Sondagen die Befundlage geklärt werden, bevor die Archäologisch relevanter Fund im Boden des Gesamtmaßnahme in einem Zuge durchgeErdgeschosses: Die Gerbgruben aus der Zeit um 1700 sind in Teilen noch mit ihrem alten Inhalt gefüllt. führt werden kann. Es ist deswegen klug, archäologische Untersuchungen schon im Vorfeld der Planung durchführen zu lassen. So erspart man sich unliebsame Überraschungen in der Baudurchführung. Im weiteren Sinne gehören zum archäologischen Komplex auch die kulturhistorisch bedeutsamen Kleinfunde, wie man sie in aller Regel in unterschiedlichem Umfang in jedem älteren Haus findet. Vom verlorenen Hosenknopf über in der Wand verbaute Gegenstände bis hin zum Depotfund zerschlagener Küchenkeramik teilt ein altes

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Haus gerade in diesem Bereich unendlich viel über seine Geschichte und die früheren Nutzungen mit. Für den an der Identität seines Gebäudes interessierten Eigentümer eröffnen besonders diese Erkenntnisse oft sinnstiftende Möglichkeiten. Die Möglichkeit der gesicherten Datierung eines Gebäude und seiner Umbauphasen hat die Menschen schon immer fasziniert – auch dann, wenn dieses Wissen für den Durch das schmale Fenster wurde lange Zeit Planungsprozess eigentlich von nachgeordzerbrochenes Geschirr in einen unzugänglichen Raum geworfen. neter Bedeutung ist. Stilkritische Datierungen bildeten über Jahrhunderte die hauptsächliche Basis für Altersangaben. Erfahrene Architekturkenner kommen hier ohne Zweifel zu sehr nachvollziehbaren Aussagen – auch wenn gravierende Fehler immer wieder vorkommen. Urkundliche Datierungen können durchaus missverständlich sein: Nicht immer bezieht sich die in den Akten gefundene schriftliche Nachricht auf genau den Baubestand, den der Planer vor sich hat. Hier ist in der Übertragung einige Vorsicht geboten. Inschriften sind da schon zuverlässiger – Die zusammengesetzten Scherben erzählen ihre eigene Geschichte zum Alltag der früheren Bewohner.

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Datierung ist nicht gleich Datierung – oder wie soll man sich die beiden widerstreitenden Jahreszahlen über dem Haustor erklären? Dendrochronologie. Der Abstand der Jahresringe ist abhängig vom jeweiligen Klima immer anders. Eine längere Folge enger und breiter Ringe wiederholt sich nie. Wer das Klima kennt, kennt damit auch die Wuchszeit vom Kern bis zur Waldkante (Rinde). Die Entnahme einer Balkenscheibe ist übersichtlich, aber zugleich zerstörend. Der Bohrkern (hier: B1 und B2) ist ungleich substanzschonender. Die Unregelmäßigkeit der Jahrringe im Baum bringt es mit sich, dass die Jahrringkurven von zwei Kernen des gleichen Balkens dennoch in den absoluten Werten verschieden sind. In der Relation, in ihren Höhen und Tiefen, sind sie aber gleich.

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obwohl es auch hier die Möglichkeit des Irrtums gibt. Inschriftensteine können wiederverwendet sein und auch dass eine Inschrift erst viel später angebracht wurde, ist schon vielfach beobachtet worden. Die Dendrochronologie (Holzaltersbestimmung) ist über solche Zweifel erhaben. Aus der Analyse der Jahrringe der verwendeten Bauhölzer ergibt sich immer dann eine jahrgenaue Datierung, wenn der Bearbeiter methodisch korrekt arbeitet. Während früher überwiegend Balkenscheiben datiert wurden, hat sich heute wegen der deutlich geringeren Eingriffe in den Bestand ganz allgemein die Entnahme von Bohrkernen mit geringem Durchmesser durchgesetzt. Die Probenentnahme muss von einem versierten Fachmann durchgeführt werden. Die datierende Auswertung der Proben ist in jedem Falle Sache von Speziallaboren. Angesichts der Faszination exakter Datierungsergebnisse lohnt sich die Investition für eine dendrochronologische Datierung in den allermeisten Fällen. Andere naturwissenschaftliche Datierungsmöglichkeiten wie die Thermolumineszenz (Backsteindatierung), die Radio-Carbon-Methode – auch C14-Methode – (für organische Stoffe) oder die Optisch Stimulierte Lumineszenz (OSL, für Mörtel) spielen wegen des erheblichen Aufwands bei der Probennahme ebenso wie in der Auswertung, mehr noch wegen der unverhältnismäßig hohen Kosten bei gleichzeitig sehr weiten Datierungskorridoren im Normalfall kaum eine Rolle.

Tragwerksanalyse Die Tragwerksanalyse erfasst die statischen Verhältnisse, stellt Verformungen fest und untersucht die wechselseitigen Abhängigkeiten der einzelnen Bauteile, die gerade bei oft veränderten Gebäuden sehr kompliziert geworden sein können. Die genaue und vollständige Erfassung des Tragsystems mit allen Stärken und Defiziten ist deswegen eine gänzlich unverzichtbare Forderung. Gute Plandarstellungen sind die Voraussetzung für eine realistische Einschätzung der Verhältnisse. Nicht auszudenken, wenn tragende Wände unerkannt durchbrochen werden, in den Wänden verborgene Tragsysteme durchtrennt oder spätere Verstärkungskonstruktionen unbedacht wieder ausgebaut werden, nur weil sie – ganz zutreffend – als sekundär erkannt wurden. Die Tragwerksanalyse stellt unmittelbar entwurfsrelevante Parameter wie die Spannrichtungen der Decken oder die Lage der unverrückbaren Tragelemente dar. Gleichzeitig kann häufig die sorgfältige bauarchäologische Analyse schon klären, dass zunächst als bedrohlich eingestufte Schäden tatsächlich bereits sehr alt und damit vielleicht auch weniger beachtlich sind. Die Untersuchung des Tragwerks kann deswegen erst dann abgeschlossen sein, wenn sowohl das ursprünglich gebaute Tragsystem geklärt ist als auch dessen Veränderungen und mögliche Beeinträchtigungen bekannt sind. Historische Tragwerke sind in aller Regel einfache Konstruktionen, die auf Druck und Biegung belastet sind. Komplizierte Ingenieurkonstruktionen kommen

Ohne genaue Kenntnis des Gebäudes kann jeder Eingriff schnell zum Desaster werden. Hier ist die Decke der Kapelle im Erdgeschoss des Schlosses Idstein mit gekoppelten Eisenbändern bis in das Dach aufgehängt. Wehe man sägt eines dieser Bänder unbeabsichtigt durch.

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erst in der Neuzeit auf und sind auch dann eher die Ausnahme. Deswegen sollte es in der Regel kein übermäßiges Problem sein, mit der Kenntnis des Bauphasenplanes die Ausgangskonstruktion zu erfassen und zu verstehen. Komplizierter wird es mit den Auswirkungen späterer Veränderungen. In Fachwerkbauten wurden häufig im Zuge von Modernisierungsmaßnahmen die „störenden“ Kopfbänder und Verstrebungen abgesägt und damit die Aussteifung beeinträchtigt. Spätere Wanddurchbrüche können die zuverlässige Lastabtragung gefährdet haben. Unsachgemäße Reparaturen erfüllen nicht mehr den zugedachten Zweck und Materialermüdung tut ein Übriges. Später eingebaute Verstärkungskonstruktionen haben ältere Defizite häufig wieder behoben und unsere Vorgänger waren auch nicht zimperlich, schadhafte Bauteile gleich großflächig zu ersetzen. Alle diese Aufschlüsse sind erforderlich, bevor man das Tragwerk eines alten Gebäudes vollständig erfasst hat. Und erst wenn man es in diesem Sinne verstanden hat, kann man es auch sachkundig reparieren oder verändern. Diese Erkenntnis gilt für den Baugrund bei Neu- und Altbauten schon lange und sollte sich auch für die Arbeit im Bestand bei den Beteiligten allmählich durchsetzen. Als Nachweis des tatsächlichen und vollständigen Verständnisses des Ausgangsentwurfs und aller wesentlicher Veränderungen soll deswegen das Tragsystem in der gleichen Weise zeichnerisch rekonstruiert und dargestellt werden wie die unterschiedlichen Bauzustände. Für den Nachweis der Standfestigkeit, die Abschätzung der Resttragfähigkeit und die Ermittlung möglicher Tragwerksreserven einer historischen Konstruktion stehen dem Bauingenieur und Tragwerksplaner heute eine ganze Reihe von in der Fachwelt akzeptierten Berechnungsmodellen zur Verfügung. Viele historische Konstruktionen sind heute in ihrem Tragverhalten bereits systematisch bewertet. In den meisten Fällen kommt der Tragwerksplaner deswegen ohne die detaillierte Erfassung der individuellen Materialeigenschaften aus. Alle diese Modelle können aber immer nur eine Annäherung an die tatsächlichen Verhältnisse vor Ort sein. Entscheidender als die Ermittlung von Materialkennwerten ist das Verständnis für die konstruktiven Abhängigkeiten und Zusammenhänge. So sind z. B. Bauwerksbewegungen zwar generell unerwünscht; in manchen Fällen ist es aber besser, sie zunächst langfristig zu beobachten oder sogar hinzunehmen, als in ein sensibles und zur Ruhe gekommenes Gefüge einzugreifen.

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Erste Hinweise auf mögliche Schäden im Tragwerk liefern die aus den Plänen ersichtlichen Verformungen ebenso wie die Analysen von Putzrissen. Nicht jeder Riss und jede Verformung sind dabei bedrohlich. Ernst nehmen muss man sie gleichwohl. Vor allem, wenn Risse bis in die jüngsten Schichten der Konstruktion immer wieder auftreten, deuten sie auf aktive Schadensprozesse hin. Wenn dagegen jüngere Schichten unversehrt über älteren Rissen liegen, kann man annehmen, dass die Ursachen für die Rissbildung zur Ruhe gekommen sind. Senkrechte Risse, zumal in den Raumecken, mögen weniger beachtlich sein als diagonal verlaufende Schubrisse in der Wandfläche, wie sie häufig als Folge von größeren Setzungen und Lastumlagerungen entstehen. Solche Risse sollen immer geschossübergreifend kartiert werden, um ihre Bedeutung für die Standsicherheit zuverlässig beurteilen zu können. Die Bedrohlichkeit von Verformungen zeigt häufig auch bereits die systematische Kartierung, die in der Art von Höhenquoten oder mit Vektoren erfolgen kann. Dass sich der Riss stets den leichtesten Weg, also den durch die Wandöffnungen sucht, ist leicht nachzuvollziehen. Risse in Verbindung mit Ausbeulungen in der Wand sind immer ein Alarmzeichen. Das Ausmaß der Verformung und damit die Bedrohlichkeit für das Gebäude wird zunächst durch ein Nivellement ermittelt, das ohnedies Bestandteil der Bestandserfassung sein muss. Dabei ist zu beachten, dass sich gerade bei älteren Gebäuden ein kom-

Verformungsanalyse eines Wohngebäudes in Venedig. Mit der einfachen Feststellung der Lotabweichungen erklärt sich das Gebäude mit seinen Problemen fast von selbst.

Hier wird es gefährlich: Die Giebelwand ist schon einmal eingestürzt und erneuert. Die Anker in der Fassade halten den Bau nur mühsam zusammen. Neue Risse haben sich bereits gebildet.

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pliziertes Verformungsverhalten ausgebildet haben kann. Entsprechend langfristig muss gewöhnlich der Beobachtungszeitraum angesetzt werden. So empfiehlt sich im Zusammenhang mit dem Wechsel der Jahreszeiten oder allgemeiner Klimaveränderungen, die häufig Einfluss auf das Bewegungsverhalten eines Gebäudes haben, eine Erfassung über wenigstens ein ganzes Jahr. Erhebliche Verformungen der Decken sind fast immer ein Zeichen für fortdauernde Tragwerksprobleme. Schiefstellungen aufgrund fehlender Aussteifungen, Deckendurchbiegungen aufgrund ausgebrochener Tragwände, Setzungen im Baugrund infolge verfaulter Holzpfahl-Gründungen: Die Liste möglicher Schadensursachen scheint fast beliebig lang. Tatsächlich sind es aber neben den genannten nur noch die unsachgemäßen Bauwerkseingriffe, welche die allermeisten Tragwerksschäden zur Folge haben. Nicht zuletzt kann auch ein im System intaktes Tragwerk durch Materialermüdung oder Schädlingsbefall seine Tragwirkung verlieren. Rostendes Eisen von Stahlkonstruktionen, aufrostende Bewehrungsstähle in Betonbauten und biogener Befall in Holztragwerken müssen erkundet sein, bevor der Planer eine abschließende Aussage zu Standsicherheit und Instandsetzungskosten formuliert. Eine weiter gehende bautechnische und bauphysikalische Untersuchung des Zustandes der Baumaterialien ist deswegen unverzichtbar. Die Schadensuntersuchung in einem historischen Gebäude muss stets auch eine Untersuchung der Schadensgeschichte sein. Wo dies nicht der Fall ist, wo der Schaden nicht behoben wird, sind kostspielige Fehlinvestitionen sicher zu erwarten. So werden einmal abgefaulte Deckenbalken auch nach der sachgerechten Reparatur immer wieder abfaulen, solange das Wasser auf den Gesimsen der Fassade weiter in das Mauerwerk eindringt, oder es wird der Putz immer wieder abgesprengt werden, solange der rostende Eisenträger-Sturz nicht nachhaltig saniert wurde. Bautechnische und bauphysikalische Untersuchungen Bautechnische und bauphysikalische Untersuchungen haben das Ziel, die Art und den Zustand der verwendeten Baumaterialien zu erfassen. Auch hier stehen neben den grundsätzlich notwendigen Basisinformationen die Fragen nach Schadensursachen, der Gefahr zukünftiger Schadensentwicklungen und die Möglichkeit der Schadensvermeidung im Vordergrund. Neben den Schäden an Tragwerk und Rohbau (z. B. aufsteigende

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Feuchtigkeit) werden auch die Ausbaugewerke einbezogen (z. B. gestörte und hohl liegende Putzflächen, der Fensterbestand oder die Fußböden). Die scheinbare Mehrarbeit in der Erfassung und Kartierung der Schäden zahlt sich später wieder aus, wenn die Werkplanung und Vergabe exakte Massenermittlungen verlangen und man auf die bereits ermittelten Daten zurückgreifen kann. Weil alle Untersuchungen teuer sein können, muss ihre Notwendigkeit gut überlegt sein. Im Zweifelsfall empfiehlt es sich, zunächst durch Kurzgutachten zu klären, ob eine Vertiefung notwendig und zielführend ist.

Zerstörungsfreie Feststellung der Strukturen unter dem Putz durch Wärmebildmessung (Thermographie).

Die „engagierte“ Probenentnahme ruiniert das Gebäude. So nicht! Auch bei schwierigen Fragestellungen unschön.

Der Umfang und die Folgen von Materialentnahmen müssen bewusst festgelegt werden, weil nicht bei allen Anbietern solcher Leistungen die notwendige Sensibilität für den intakten Baubestand und mögliche Folgeschäden aus der Probenentnahme vorausgesetzt werden können. Zunächst muss deswegen geklärt werden, ob die für die Diagnose notwendigen Methoden zerstörungsfrei, zerstörungsarm oder zerstörend sind. In vielen Fällen genügt auch bei den vertiefenden Untersuchungen eine Inaugenscheinnahme und eine gezielte Kartierung der Schadensbilder. Für die Konstruktionselemente, die hinter der Oberfläche verborgen sind, stehen auch zerstörungsfreie Verfahren zur Verfügung. Dazu zählt vor allem die Thermographie, bei der durch die Oberflächentemperatur Materialwechsel unter einem Verputz ebenso aufgedeckt werden können, wie Wärmeverluste oder die Qualität der Ausführung von Wärmedämmsystemen.

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Historische Bauwerke sind bis weit in das 20. Jahrhundert hinein in aller Regel aus wenigen, in ihren Materialkennwerten seit alters her gut bekannten Baustoffen errichtet. Dennoch haben jede Gebäudeart, jede Konstruktionsweise und jedes Baumaterial ihre Eigenarten und typischen Schwachstellen, an denen Umwelteinflüsse, Feuchtigkeit, Verwitterung, Materialermüdung und andere Einflüsse zur Schädigungen führen können. Besonders die Konstruktionen und Materialien der jüngsten Zeit – vom Stahlbeton bis zu den Kunststoffen –, die ihre Tauglichkeit noch nicht über viele Jahrzehnte und Jahrhunderte nachgewiesen haben, müssen auf ihre Schadensrisiken und Alterungsfähigkeit hin überprüft werden. Für gewöhnlich werden zunächst die Tragfähigkeit, die Widerstandsfähigkeit und möglicher Materialverlust überprüft; darüber hinaus der Feuchtegehalt, chemische Belastungen und biogener Befall. Weil Feuchtigkeit eine der häufigsten Ursachen von Schäden ist, kommt der Analyse des Feuchtigkeitshaushalts eines Bauwerkes und seiner möglichen Schwachstellen besondere Bedeutung zu. Hier spielen der Grundwasserspiegel, die Erdfeuchtigkeit, das Sickerwasser, Regen, Spritz- und Oberflächenwasser sowie die Kondensation und die Dampfdiffusion im Inneren gleichermaßen eine Rolle. IRRTUM: „Salpeter” zerfrisst das Mauerwerk Mit der aus dem Untergrund in das Mauerwerk aufsteigenden Feuchtigkeit werden immer auch gelöste Salze transportiert. Wo die Feuchtigkeit ausdunstet, kristallisieren diese Salze flockig aus. Ihr Volumen vergrößert sich schlagartig auf das Siebenfache: Putze und die obersten Schichten des Mauerwerks werden abgesprengt. Wer diesen Prozess über dem Boden mit Zementputz verhindert, drückt den Schaden immer weiter nach oben. Bei den Baukonstruktionen sind neben ihrer Standfestigkeit der Wärmedurchgang, die Winddichtigkeit und die akustischen Dämmwerte von Interesse. Nur im Ausnahmefall wird es sich lohnen, die Materialeigenschaften der Baustoffe selbst, also etwa die Güte der verzimmerten Hölzer oder die Festigkeit der verbauten Steine durch Einzelfallprüfungen zu bestimmen. Eher wird man im Zweifel durch additive Baumaßnahmen einer möglicherweise defizitären Konstruktion aufhelfen. Insoweit handelt es sich bei der Untersuchung von Baumaterialien und Konstruktionen am Bauwerk in den meisten Fällen um so genannte Bestätigungsprüfungen, die nachträglich die Zusammensetzung und die Eigenschaften feststellen sollen. So kann man einerseits den Bestand hinsichtlich der Qualität der

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Ausführung und der zu erwartenden Lebensdauer beurteilen und andererseits mögliche Reparaturmaterialien sachgerecht und bestandsverträglich auswählen. Alle diese Untersuchungen sind in jedem Falle die Sache von Speziallabors, den Herstellerfirmen oder von zertifizierten Gutachtern. Neben den amtlichen Materialprüfungsanstalten haben sich inzwischen auch zahlreiche freie Büros mit hoher Leistungsfähigkeit und zügiger Projektbearbeitung etabliert. Diese Fachleute haben sich inzwiHinter der Zementputz-„Reparatur“ wandert schen das Vokabular der Mediziner zu der Schaden zwangsläufig nach oben. Da hätte man besser nichts getan. eigen gemacht und setzen wie diese auf die Früherkennung und die ganzheitliche Betrachtung von Schadensprozessen. Der Planer muss hier das Auge für das Problem haben, das er aber in der Regel kaum mehr selbst mit der erforderlichen Zuverlässigkeit analysieren kann. Seine Aufgabe besteht darin, die notwendigen Fragen zu stellen, den Untersuchungsumfang zu bestimmen und die Ergebnisse am Ende auf ihre Relevanz zu überprüfen und zu einer Gesamtschau zusammen zu führen. Schadensfeststellende Untersuchungen müssen grundsätzlich systematisch und flächig durchgeführt werden. Die isolierte Betrachtung des erschreckenden Schadenszentrums verstellt oft den Blick auf die Erkenntnis, dass auch bei massiven Schäden gleichwohl ein großer Teil des Bauwerks schadensfrei sein kann. Grundlage der Schadenskartierung ist wieder die detaillierte Bauaufnahme. Hier werden die Schäden nach festgelegten und einheitlichen Kategorien eingetragen, so dass schon das Planbild eine kompakte Übersicht ergibt. Schon aus diesem Wunsch ergibt sich, dass die Zahl der Kategorien überschaubar bleiben muss. Mehr als drei Kategorien neben dem nicht farbig gekennzeichneten, schadensfreien Bestand sind in der Regel unzweckmäßig. Die stärksten Schäden werden allgemein mit einem kräftigen Rot verzeichnet. Mit diesem Vorgehen weist der Schadensplan schon graphisch auf die Bereiche hin, die in der Maßnahmeplanung die größten Eingriffe erfordern und deswegen unausweichlich die größten Veränderungen erfahren müssen.

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Die systematische Bestandserfassung an der Kathedrale in Trondheim unterscheidet zwischen objektiver Datensammlung (hier auf der linken Seite: Steinarten) und der wertenden Beurteilung (Schadenskartierung, rechts). Selbstverständlich hat das eine mit dem anderen zu tun: Bestimmte Steinarten verwittern schneller als andere, am Sockel sind die Belastungen größer als am Giebel. Einen zwingenden Zusammenhang gibt es aber nicht.

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Der Schadensplan zeigt darüber hinaus in aller Regel, dass das Ausmaß der Schäden deutlich kleiner ist als der reine Augenschein glauben macht. Schäden fallen jedem ins Auge, Schadlosigkeit bleibt unbemerkt.

Stärken-Schwächen-Analyse Als gemeinsames Ergebnis der Dokumentation und der Bauuntersuchung müssen die zahlreichen Einzeluntersuchungen in ein für alle Beteiligten übersichtliches und verständliches Gesamtergebnis zusammengeführt und in ihrer Bedeutung für die Planung bewertet werden. Niemandem ist gedient, wenn eine Vielzahl umfangreicher Spezialuntersuchungen in einem Regal nebeneinander existiert, deren Zusammenhang untereinander nicht ersichtlich gemacht worden ist. Diese Zusammenfassung muss die Qualitäten des Gebäudes beschreiben und seine Defizite aufzeigen. Sie ist eine der Kernaufgaben des Architekten im Bestand. Um auch eine möglicherweise kontroverse Diskussion auf der Grundlage von gesicherten Tatsachen einerseits und erkennbaren Wertungen andererseits führen zu können, haben sich neben der textlichen Zusammenfassung folgende Plansätze bewährt, die zunächst sämtliche objektiv nachprüfbaren und beweisbaren Informationen zusammenführen. Wenn zu diesen Ergebnissen Diskussionen aufkommen, sollten sie bei gutem Willen mit objektiven Kriterien geklärt werden können. 1. Bauphasenplan Wie auf S. 69 besprochen. Es gibt keinen übersichtlicheren Plansatz als diesen, um schnell eine Vorstellung von dem Ursprungsbau und seinen Veränderungen im Laufe der Veränderungsgeschichte zu gewinnen. Die raumhaltige Visualisierung dieser Veränderungen durch eine Rekonstruktion der Baukörperentwicklung ist für die Vermittlung der Ergebnisse in aller Regel sehr hilfreich. 2. Schadensplan Wie auf S. 89 besprochen. Auch hier ist die Zusammenfassung aller Einzelbeobachtungen in einem einzigen Plansatz die konkurrenzlos klarste Übersicht. Bereiche, in denen sich Schäden gleich welcher Art massieren und damit in jedem Falle einen stärkeren Eingriff erforderlich machen, sind oft auch diejenigen Bereiche, in denen neue Anforderungen an das Bauwerk – von der Erschließung bis zur Grundrissänderung – konfliktfrei implementiert

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werden können. Schadensfreie Zonen wird man in der Neuplanung nach Möglichkeit unverändert belassen. 3. Ausstattungsplan Eine gute Planung wird die gestalterischen Werte eines Bauwerks so weit wie möglich erhalten und herausarbeiten. Demzufolge verbieten sich weit reichende Eingriffe dort, wo die erhaltenswerte Ausstattung noch geschlossen vorhanden ist. Der Ausstattungsplan zeigt dem Planer übersichtlich, wo befundleere Bereiche auch weit reichende Eingriffe möglich machen und wo solche Eingriffe sich wegen hoher Befunddichte verbieten. Bisweilen wird der Ausstattungsplan auch zu einer Positivkartierung reduziert, die dann nur noch diejenigen Elemente der Ausstattung verzeichnet, die für den weiteren Planungsprozess von Bedeutung sind. Dieses Vorgehen konzentriert sich früh auf das Wichtige, birgt aber die Gefahr, dass zu den Kriterien der Aufnahme in die Positivkartierung unterschiedliche Meinungen bestehen. Für den vierten Plansatz, den 4. Bindungsplan (auch: Schutzgutplan) (im Denkmalbereich auch als Denkmalpflegeplan bezeichnet) sind solche Diskussionen verpflichtend und auch gewollt. Es ist die Aufgabe des Planers, aus allen zur Verfügung stehenden Unterlagen diejenigen Sachverhalte herauszuarbeiten, welche die zukünftige Planung leiten und auch einengen müssen. Der Bindungsplan fasst die Informationen aus den drei zuvor genannten Plansätzen zusammen und versieht sie mit einer Wertung. Diese Wertung soll klar erkennbar sein und keinesfalls verschleiert werden. Es ist klüger, Dinge deutlich zu benennen, die man für verzichtbar hält, als sich später während der Baudurchführung um solche Probleme mit den Beteiligten auseinandersetzen zu müssen. Der Bindungsplan enthält in der Regel die Kategorien „veränderbar“, „bedingt veränderbar“ und „unveränderbar“ und wendet diese Wertungen sowohl auf den Rohbaubestand wie auch auf die Ausstattung an. In einer Aufstellung der wichtigsten Befunde und Erkenntnisse zum Zustand werden die positiven Beobachtungen den festgestellten Defiziten gegenüber gestellt. Im Textteil sollen die Wertungen begründet werden.

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Mit der Bestandserfassung, den notwendigen vertiefenden Untersuchungen und der Stärken-Schwächen-Analyse sind alle die Parameter gewonnen, mit denen die Planung arbeiten kann und muss. Die Herausforderung an den Entwerfer besteht in der Folge darin, den Überblick zu behalten und aus der Fülle der Einzelaspekte eine ganzheitliche Planungsstrategie zu entwickeln. Die Auswertung der Analyse kann bisweilen zu der schmerzhaften Erkenntnis führen, dass sich die geplante Nutzung oder Baumaßnahme nicht mit vertretbarem Aufwand mit dem vorhandenen Bestand verträgt. Der Versuch, einen solchen Bestand dennoch an die eigenen Vorhaben anzupassen, bedeutet für gewöhnlich die weitgehende Zerstörung des Gebäudes. Volkswirtschaftlich sinnvoller ist es, für solche Gebäude eine besser geeignete Nutzung und für die konfliktträchtigen Zwecke ein anderes Gehäuse zu suchen. Literaturhinweise Als Einführung in die Bestandserfassung empfehlen wir Cramer 1993, Eckstein und Klein. Einen ersten Zugang zu den Archiven eröffnen Eckert und Franz. Ein Standardwerk zur modernen Vermessungskunde ist Matthews. Fragen der Bauaufnahme werden auch von Wangerin, die modernen, digital gestützten Methoden zuletzt von Wiedemann sowie in den Sammelbänden von Weferling u. a. diskutiert. Rodwell gibt seine Erfahrung aus eigener Sicht wider. Den Einsatz der modernen Photogrammetrie beschreibt übersichtlich Almagro. Eine systematische Einführung in die Historische Bauforschung geben Grossmann 1993, Tussenbroek und Schuller. Wood bringt zahlreiche Beispiele. Bedal skizziert knapp und übersichtlich die Erfassungsmethoden der Hausforschung. Die Standards für die archäologische Dokumentation hat Gerkan 1930 entwickelt. Die Geschichte der Methoden stellen H. Schmidt und Docci vor. Das Vorgehen der Dendrochronologie beschreiben Schweingruber, Eissing und Schöfbeck. Bestandsbezogene Angaben zur Thermographie finden sich bei Cramer 1981. Zu den Grundsätzen der Restaurierung sollte man Brandi und Schädler-Saub nutzen. Das Grundwissen zur Archäologie findet man bei Renfrew und Fehring. Die maßnahmebezogene Dokumentation historischer Bausubstanz beschreiben de Jonge/van Balen, Petzet/Mader, Thomas und Mader. Das Raumbuch wurde von W. Schmidt entwickelt. Vereinfachte Erfassungsverfahren beschreiben Arendt, Kastner, Bauen im Bestand und Klemisch. Unter dem Begriff „Facility Management“ geht die Dokumentation von Gebäuden weit über die graphische Erfassung des Bauwerks hinaus, wie etwa Gänssmantel/Geburtig/Schau zeigen.

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ENTWURF Every place is open to innovation as long as there is innovation.*

Giorgio Piccinato

Der Anspruch an die Qualität des Entwurfs im Bestand unterscheidet sich in nichts von dem eines Neubaus. Ein durchgehendes Gesamtkonzept für die Grundrissorganisation gehört dazu ebenso wie eine zusammenhängende Vorstellung von Materialwahl und Gestaltung. Der Gefahr, dass in der Überformung des Bestands die Vielzahl der notwendigerweise individuellen Situationen auch zu einer Vielzahl von unzusammenhängenden Einzellösungen führen kann, muss der Architekt sich entschieden erwehren. Erst der rote Faden mit einer konsequenten Haltung vom Großen bis zum Detail ergibt ein schlüssiges Entwurfskonzept. Dieses Konzept darf den alten Bau aber auch nicht in ein künstliches Korsett zwängen oder ihn bis zur Unkenntlichkeit verstümmeln, da sonst seine Qualitäten verloren gehen. Es ist gerade die Spannung zwischen der Individualität des historisch gewachsenen Gebäudes und dem Anspruch der Ganzheitlichkeit des Entwurfs, die den besonderen Reiz der Architektur im Bestand ausmacht. Ein guter Entwurf wird die Werte und Möglichkeiten der vorhandenen Bausubstanz nutzen, einen eigenen Beitrag zur zeitgenössischen Architekturdiskussion liefern und weit über die Gewährleistungsfristen hinaus nachhaltig sein. Und mehr noch als im Neubauentwurf erweist sich im Modernisierung einer gründerzeitlichen Fassade in Bestand die wirkliche Qualität erst in der Mailand (Giovanni Muzio, 1923). Die ungewöhnliche Lösung gab dem Bau den Spitznamen „Ca’ brutta“. Ausführung.

Entwerfen mit der Geschichte Die Herausforderung, ein altes – tatsächlich meist mehr oder weniger geschädigtes – Gebäude als Fundament und Rahmen für einen anspruchsvollen Neubauentwurf zu nutzen, haben in der Moderne zuerst die Architekten der Wiederaufbauzeit nach dem Zweiten Weltkrieg wieder *Jeder Ort ist offen für Erneuerung, sofern es wirklich eine ist.

Marienkirche in Müncheberg (Klaus Block, 1999). Bibliothekseinbau in der zu groß gewordenen Kirche.

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Wiederaufbau der Alten Pinakothek in München aus dem Trümmermaterial in stark vereinfachten Formen. Die Ikone der Architektur im Bestand (Hans Döllgast, 1956).

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angenommen. Berühmte und bis heute gültige Lösungen sind die Alte Pinakothek in München von Hans Döllgast oder Rudolf Schwarz in Köln. Obwohl die Zahl vergleichbarer Projekte damals groß war, hat keiner der Protagonisten daraus eine Entwurfstheorie entwickelt; so gerieten diese Erfahrungen mit dem Ende der Wiederaufbauzeit fast vollständig in Vergessenheit. Es blieb in den sechziger und frühen siebziger Jahren dem Einzelgänger Carlo Scarpa vorbehalten, mit seinem stark aus dem Kunsthandwerklichen und dem penibel ausgearbeiteten Detail heraus argumentierenden Entwurfsansatz die Beschäftigung mit dem Bestand wieder in das Blickfeld der Architekten zu rücken. Seine auf die Inszenierung des historischen Fragments und einzelner Formwerte orientierten Gestaltungen haben eine Art von Schule begründet, der Karljosef Schattner, Guido Canali oder auch Massimo Carmassi bis heute verpflichtet sind. Ihre Haltung gründet auf dem unbedingten Bekenntnis zur Moderne und zu den aus ihr entstandenen Traditionen: Bruch mit der Vergangenheit und konsequente Innovation. Sie thematisiert den prinzipiellen Unterschied zwischen dem Alten und dem Neuen, zwischen dem historischen Baubestand als Relikt einer letztlich unverständlichen aber würdevollen Vergangenheit, und einem Neubau oder neuen Bauteilen mit neuen Materialien, neuen Tragwerkskonzepten und neuen Entwürfen, die sich bewusst und entschieden vom Alten absetzen und dadurch für

Der Wiederaufbau des Gürzenich in Köln ist einer der Leuchttürme für einen selbstbewussten und zugleich geschichtsbezogenen Wiederaufbau (Rudolf Schwarz, 1958).

Wiederaufbau unter Verwendung alter Bauteile und Inszenierung von Trümmerfunden in Breslau.

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die Gegenwart und die Zukunft stehen sollen. Architektur in diesem Sinne ist mitteilend, besitzt eine Botschaft. Sie deklamiert gleichsam die Stellung des Menschen in der verrinnenden Zeit. Die architektonische Aussage ist ebenso wie der Stil bei all diesen Architekten dennoch höchst unterschiedlich. Von ihrer gemeinsamen Basis der Analyse und Fragmentierung aus konnte eine poetische Architektur entstehen wie bei Scarpa, eine stark didaktische oder problematisierende wie bei den von vielen Architekten verwendeten „FensInszenierung der Burg in Beton ohne Rücksicht auf tern in die Vergangenheit“, bei denen eine das Vorgefundene: Castelgrande in Bellinzona (Aurelio Galfetti, 1989). Öffnung in der modernen Oberfläche den Blick frei gibt auf einen Ausschnitt mit originaler historischer Bausubstanz, oder auch eine ironisch gebrochene Architektur wie bei den „Fälschungen“ von Befunden bei Schattner. In den achtziger Jahren begannen einzelne Architekten, forciert den Wert des Historischen an sich zu betonen. Carmassi beispielsweise nutzt die gestalterischen Techniken der Analyse und Fragmentierung unmittelbar zur Wertsteigerung der Immobilie. Durch geschickte Inszenierungen und in einen neuen Rahmen gesetzt werden tatsächlich unscheinbare Baubefunde auf einer rohen Ziegelwand oder Reste von Farbfassungen nobilitiert. Durch ihre anspruchsvolle Gestaltung verweisen sie auf das kostbare „Innenleben“ der Architektur. Die Wiederentdeckung des Urbanen und der historischen Bausubstanz hatte die Architektur im Bestand bereits in den siebziger Jahren wieder allgemein hoffähig gemacht. Für die Entwurfstheorie interessant ist die darin erkennbare große Bereitschaft, sich durch die Vorgaben der Bausubstanz selbst anregen zu lassen und aus ihren Eigenheiten heraus etwas Neues zu entwickeln. Die sorgfältige Analyse des Vorgefundenen definiert hier diejenigen Strukturen, die für die behutsame Modernisierung und den neuen Gesamtentwurf zugrunde gelegt werden. Diese Art der Analyse lässt sich unter dem Stichwort des genius loci noch auf andere Weise für den Entwurfsprozess fruchtbar machen. Bernhard Hoesli hat in seinem Kommentar zu Rowe und Slutzky in dem Buch

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Transparenz ein analytisches Grundschema für das Verständnis moderner Architektur direkt auf den Entwurf im historischen Kontext und auf das Gestalten in der europäischen Stadt übertragen. Mit Hilfe des TransparenzBegriffs deckt er Strukturen und geometrische Verhältnisse im Bestand auf, die er zur Grundlage seines Entwurfes macht. Indem er ähnlich wie in der traditionellen Proportionslehre sowohl die bestehende Situation, als auch den Neubau auf einfache gestalterische Grundstrukturen zurückführt, schafft er eine gemeinsame Basis. Das Neue ist nicht einfach der Gegensatz des Alten, sondern eine Fortsetzung von Entwicklungslinien. Auf diese Weise sind die neuen Bauwerke oder Bauteile, beispielsweise eine Lückenschließung in einer historischen Häuserzeile, strukturell mit dem Ort und seiner Vergangenheit direkt verbunden, auch wenn sie auf den ersten Blick sehr unterschiedlich aussehen können. Dieses Verfahren kann mit der Übernahme von Traufhöhen und Fensterformaten beginnen, es kann bestimmte gestalterische Charakteristika thematisieren, oder es kann bewusst einen einzelnen Aspekt der Geschichte des Ortes aufgreifen. Einige Entwürfe von Peter Eisenman und Daniel Libeskind sind diesem Ansatz verpflichtet. Sie gewinnen beispielsweise bei ihren Berliner Projekten aus einer thematischen Ortsanalyse Fixpunkte und Bezugslinien wie etwa die Wohnorte bestimmter Personen oder städtebauliche Anordnungen aus der Geschichte, um dann dieses Geflecht aus dem Lageplan auf den Entwurf von Grundrissen und Ansichten zu übertragen. Der Reiz liegt dabei sicherlich darin, dass die Veränderung der gebauten Umwelt als Kontinuum verstanden wird, innerhalb dessen dann auch der eigene Entwurf angesiedelt ist. Das Neue wird als Schicht, als eine von vielen unterschiedlichen Spuren in der Zeit gesehen. Bestimmte historische Abläufe werden als tragend erkannt und gestalterisch hervorgehoben. Dem Nutzer wird verdeutlicht, dass er in diesem Kontinuum steht. Die Vorstellung, dass unter der Oberfläche Strukturen und Charakteristika existieren, über denen wie über einem Generalbass die Moden und Stile ihr buntes Spiel treiben, ist noch heute für das spezifisch europäische Verständnis der Stadt entscheidend. Nicht zuletzt haben Alison und Peter Smithson mit ihrem 1990 publizierten Prinzip des „As found“ aufgezeigt, dass jeder städtebaulichen Situation und jedem Gebäude ein eigener und unverrückbarer Wert innewohnt, welchen der Entwerfer nur wahrnehmen und entdecken muss. Aus diesem Wert heraus kann auch ein schlichtes Gebäude mit wenig Aufwand einer neuen 99

und eigenständigen Zukunft zugeführt werden. Das Bauwerk wird zum objet trouvé, zu einem zufälligen Kunstwerk, das uns durch seine Fremdheit und die zunächst unverständliche Botschaft aus der Vergangenheit anrührt und begeistert. Betrachtet man aktuelle Beispiele, dann scheint es, dass viele Architekten eine klare Linie für den Entwurf im Bestand gefunden haben. Postmoderne Vielschichtigkeit, die Wertschätzung des Charaktervollen und Individuellen sowie die neue Lust an der Materialität von Architektur gehen in der As Found: Jedes Haus ist gut für Veränderungen: eine Entwicklung des gewachsenen Bestandes neue Schicht um das alte Haus in ländlicher Umgebung. heute eine enge Verbindung ein. In den letzten Jahren gewinnt ein vierter Ansatz zunehmend an Bedeutung: Die Anpassung des Neuen durch bewusste Fortschreibung des Vorgefundenen. Die Inszenierung von Kontrasten wird aus dieser Sicht als optische und funktionale Zersplitterung auf Kosten der einheitlichen Wirkungen von Architektur empfunden. Im Straßenbild sind allzu viele, mit starken architektonischen Mitteln herausgearbeitete Brüche nicht gewollt, auch weil sie schnell ihren Reiz verlieren und zur leeren Floskel werden. Das Bedürfnis nach einer wieder ganzen, heilen Umwelt fragt dann auch nach einer geglätteten Geschichte. So wird der Entwurf im Bestand auch zu einem Dokument des Architekten und seiner Stellung zur Geschichte. Unterscheidet sich der Entwurf im Bestand formal grundsätzlich von einem Neubauentwurf? Die Antwort ist selbstverständlich: Nein. Viele der im Folgenden umrissenen Entwurfsstrategien, Konzepte und Gestaltungsmöglichkeiten sind teils im Neubau gefunden und auf den Bestand übertragen worden, teils aber auch umgekehrt. Der von Mecanoo und Erick van Egeraat in den Innenhof eines gründerzeitlichen Stadthauses frei eingehängte Besprechungsraum unterscheidet sich konzeptionell in nichts von der fast gleichartigen Lösung von Frank Gehry in der neu errichteten DG-Bank in Berlin. Die offen auf den nackten Beton verlegten Leitungen in der 1993 gebauten Kunsthal in Rotterdam von Rem Koolhaas wären auch eine perfekte und ressourcenschonende Lösung für ein altes Gebäude. Und

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die Auslagerung der Erschließungs- und Versorgungsleitungen an die Außenseite des Gebäudes ist spätestens mit dem Centre Pompidou in Paris eine im Neubau uneingeschränkt akzeptierte Möglichkeit. Die Vielfalt unterschiedlicher Formen, wie sie bei einem alten Gebäude im Laufe der Zeit von selbst entsteht, ist spätestens mit der Postmoderne eine gültige Möglichkeit für den Entwurf geworden. Nur so ist zum Beispiel das „HaasHaus“ in Wien von Hans Hollein zu interpretieren. Und hier hat auch die Inszenierung des historischen Fragments mit der Piazza d’Italia in New Orleans von Charles W. Moore oder der aus der Mauer stürzenden Steine an James Stirlings Staatsgalerie in Stuttgart und den provokanten Projekten von Site ihren Platz in der modernen Architektur gefunden. Und selbst der aus historischen Formen begründete Neubau, der in der angelsächsischen Welt ebenso wie in Frankreich eine lange und ungebrochene Tradition hat, sonst aber von der Moderne der zwanziger Die vollständige Entkernung des Salzmuseums in Jahre als reaktionär verbannt worden war, Hallein reduziert das alte Gebäude auf seine Fassade und gibt damit sämtliche volkswirtschaftlichen, historikommt mit der Architektur von Hans schen und gestalterischen Werte auf (Heinz Tesar, 1995). Kollhoff oder Paul Kahlfeldt mittlerweile wieder zu Ehren. Warum sollten diese Neubau-Möglichkeiten für den Bestand keine Gültigkeit haben?

Disposition Jeder Entwurf im Bestand greift ein und verändert. Das ist gut so und gewollt. In dieser Haltung unterscheidet sich die Architektur im Bestand grundlegend vom Spezialfall der Denkmalpflege, die zunächst einmal jeder Veränderung skeptisch gegenüber stehen muss. Die notwendige und gewollte Veränderung darf den Planer aber nicht dazu verleiten, das vorgefundene Bauwerk im Interesse einer optimalen Grundrissorganisation durch Entkernung faktisch aufzugeben und damit die Identität der Immobilie ebenso wie die Entwicklungsmöglichkeiten für künftige Umnutzungen zu beseitigen. Die Verpflichtung zur Nachhaltigkeit, der Respekt vor kul-

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turellen und gestalterischen Werten und bauökonomische Gesichtspunkte verbieten die Reduzierung der Entwurfsaufgabe auf rein äußerliche, städtebauliche Aspekte. Fast immer ist die Entscheidung für eine Entkernung oder den vollständigen Abbruch der Beweis für geistige Unbeweglichkeit und den Unwillen, sich auf das Vorgefundene – und sei es im Sinne der Smithsons – kreativ einzulassen. In aller Regel findet sich für jedes historische Gebäude durch eine bewusst verfolgte Nutzungsplanung, die sich gegebenenfalls für die Erfüllung zeitgemäßer Nutzungsansprüche zusätzlicher Entlastungsbauten bedient, eine architektonisch überzeugende und funktional gute Lösung. Bewusste Nutzungsplanung Die Qualität eines Entwurfs wird bereits vor den ersten planerischen und gestalterischen Entscheidungen ganz wesentlich dadurch geprägt, ob und wie die vorgesehene Nutzung zum vorhandenen Gebäude passt. Die Fortführung der vorgefundenen Nutzung führt in aller Regel zu den geringsten Konflikten. Neue Wohnungen in einem Wohnhaus oder Büros in einer ehemaligen Fabrikanlage sind sicherlich leichter zu planen, als Eigentumswohnungen in einem ehemaligen Parkhaus oder Großraumbüros in Altstadtwohnhäusern. Die Vorstellung, dass es für ein altes Gebäude das Beste sei, wenn die bestehende Nutzung fortgeführt wird, ist zuerst im Jahr 1964 von der Denkmalpflege Kleinteilige Wohnung unter der großen barocken Stuckin der Charta von Venedig ausdrücklich fordecke in Braunau, Markt 33. Die neuen Wände halten in der Weise Abstand, wie es schon Le Corbusier in den muliert worden. Für den Architekten kann zwanziger Jahren vorgemacht hat (Laurids Ortner, 1994). das kein Dogma sein. Gerade aus der Spannung zwischen der Erwartung, die ein historisches Gebäude aufgrund seiner früheren Nutzungen als Botschaft mit sich trägt, und der völlig andersartigen neuen Widmung kann der Entwurf seinen entscheidenden Funken schlagen. Es ist aber ebenso selbstverständlich, dass ein radikaler Nutzungswandel auf der materiellen Ebene in aller Regel erheblichen und kostenträchtigen Umbaubedarf und damit auch ein Bündel zusätzlicher Probleme nach sich zieht. Das Hotel in fünfzehn Stadthäusern zwingt zur weit reichenden Veränderung

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Ausbau als Fragment Stadtarchiv in der Kirche S. Agostin, 2004 E-Valladolid Bauherr: Stadt Valladolid Architekt: Primitivo Gonzalez und Gabriel Gallegos Die barocke Kirche war schon in der ersten Hälfte des 20. Jh.s zunehmend verfallen, das Klausurensemble abgerissen. Der Ausbau für das städtische Archiv erfolgte nach umfangreichen archäologischen Untersuchungen mit dem Ziel, die Ruine auch zukünftig als Fragment lesbar zu halten. Die eingestürzten Gewölbe enden an der modernen Holzdecke, die abgebrochenen Mauern sind nur gekalkt. Die alten und unebenen Mauern stehen im Gegensatz zu den glatten Einbauten aus Holz und Metall. Reste der bei den Ausgrabungen aufgefundenen romanischen Kreuzgangarkaden sind in verfremdender Manier auf einem hochgesetzten Gestell artifiziell präsentiert.

Zustand vor Maßnahmebeginn.

Archäologische Grabungen im Kirchenschiff.

Gesamtansicht mit Inszenierung der Reste des Kreuzgangs. Die alten Mauern kontrastieren mit den glatten Einbauten.

Der Innenraum mit den Benutzertischen.

der Erschließung, der Einbau von Wohnungen in eine profanierte Kirche macht umfangreiche Rohbauarbeiten unausweichlich. Nicht jedem Bauherren ist die Notwendigkeit derart teurer Problemlösungen zu vermitteln. Ein Entwurf im Bestand ist erfolgreicher, wenn er Probleme vermeidet. Deswegen spricht Vieles dafür, dass die Gebäudestruktur die zukünftige Nutzung prägen muss und nicht umgekehrt. Neben den prüfbaren materiellen Vorgaben ist es außerdem auch die „Aura“ des historischen Gebäudes, welche die zukünftige Nutzung vorprägt. Es ist daher kein Zufall, dass die allermeisten profanierten Kirchen eher für kulturelle Zwecke, also Museen, Versammlungsräume oder Konzerthäuser umgenutzt werden, als für kommerzielle Nutzungen und Wohnungen. Eine angepasste Umnutzung stößt eher auf Akzeptanz und trägt damit wesentlich zur Nachhaltigkeit einer Maßnahme bei. Überlegte Eingriffe Grundrissorganisation, Raumaufteilung und Erschließung eines alten Hauses entsprechen in den allermeisten Fällen nicht den Erwartungen, die ein zielstrebiger Investor für einen Neubau zugrunde legen wird. Die Raumhöhen sind zu hoch oder zu niedrig, der Raumzuschnitt ist in Größe und Folge mehr durch den gewachsenen Entstehungsprozess, die Nut-

Der Konzertsaal ist als eigenständige Konstruktion in die Amsterdamer Börse von Berlage aus dem Jahr 1904 eingebaut (Zaanen/Spanjers, 1990).

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Die Treppe trägt das Haus Veranstaltungsraum „Tabourettli“ im alten Spalenhof, 1988 CH - Basel Bauherr: privat Architekt: Santiago Calatrava Im Obergeschoss des spätmittelalterlichen Hauses in der Altstadt von Basel findet sich ein Saal, der für kleinere Veranstaltungen genutzt wird. Die Atmosphäre in der Umgebung lebt von der historischen Anmutung. Der Ausbau der Räume machte sowohl die Verbesserung der Erschließung wie auch die Verstärkung des Tragwerks erforderlich. Das Projekt verbindet beide Notwendigkeiten, indem die Treppenkonstruktion zugleich die Lasten des Obergeschosses in das Fundament abträgt. Die Gestaltungselemente der Treppenkonstruktion finden sich im Mobiliar und der Deckengestaltung wieder.

Die elegant geschwungene Treppe zum Veranstaltungsraum.

Die modene Trägerkonstruktion von Santiago Calatrava (Modellfoto). Handskizze zur Erläuterung des Konstruktionsprinzips.

Schnitt mit Darstellung der Gesamtmaßnahme. Die neue Tragkonstruktion ist rot gekennzeichnet.

zungsgewohnheiten und die technischen Möglichkeiten der Vergangenheit geprägt als durch heutige Nutzerwünsche, und oft entspricht auch die historische Erschließung nicht dem, was die gegenwärtigen Vorstellungen befriedigt. Die barocke Enfilade war zu ihrer Zeit höchst modern; heute beklagen wir nur noch die gefangenen Räume. Schmale Treppen waren bis in das 19. Jahrhundert hinein normal; heute sind sie untragbar. Nicht zuletzt fordern staatliche Förderprogramme häufig für bestimmte Raumnutzungen genau definierte Raumgrößen. In dieser Situation ist die Versuchung groß, den vorgefundenen Grundriss so lange durch das Verschieben von Wänden zu verändern, bis die gewünschte Lösung sich durch Abbruch und Neubau vollständig einstellt. Es liegt auf der Hand, dass durch eine solche Entwurfsstrategie nicht nur die Identität des alten Bauwerks schwer in Mitleidenschaft gezogen wird. Deutlich schwerer noch wiegen in der Konsequenz die erheblichen Engriffe in das Tragsystem und alle damit verbundenen technisch-konstruktiven Folgen. Die unveränderte Fortführung des durch die tragenden Wände vorgegebenen Grundrisses ist deswegen stets die erste Option. Dass man nichttragende Trennwände, seien sie aus der Bauzeit oder später eingefügt, oft ohne Bedenken (aber: man beachte mögliche Befunde!) entfernen kann, muss nicht weiter erläutert werden. Dieser Einwand kann natürlich nicht dazu führen, Grundrissveränderungen grundsätzlich abzulehnen. Auf der anderen Seite macht es aber auch keinen Sinn, eine Wand um wenige Zentimeter zu versetzen, nur um eine Fördervorschrift zu erfüllen, oder eine Decke geringfügig anzuheben, um die von der Bauordnung vorgegebene Mindestraumhöhe zu gewährleisten. In beiden Fällen ist es Erfolg versprechender, einerseits den Bestand in großen Bereichen unverändert zu belassen und auf der anderen Seite durch einen radikalen Eingriff die damit in Kauf genommenen Nachteile auszugleichen. So kann vielleicht ein Teil der zu niedrigen Decke ganz herausgenommen oder ein ohnedies stark geschädigter Teilbereich des Hauses nach verändertem Plan komplett neu aufgebaut werden. Ein winziges Schlafzimmer wird durch ein großzügiges Wohnzimmer im hohen Dachraum kompensiert und dunkle Erschließungsflure werden durch helle Aufenthaltsbereiche an deren Kopfenden attraktiv. Der Baubestand entzieht sich meist der schematischen Herangehensweise. Wie sich in den letzten Jahren die Berechnungsvorschriften für den Standsicherheitsnachweis der Realität der vorhandenen Bausubstanz angepasst haben, so müssen auch die planerischen Belange die Stärken des Gebäudes

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nutzen. Ziel der Planung muss es sein, einerseits die Identität des Bauwerks auch in seinem Grundriss zu erhalten und zu stärken, und auf der anderen Seite durch bewusste und gezielte Eingriffe die Funktionsfähigkeit und Attraktivität des Hauses zu gewährleisten und zu steigern. Gezielte Entlastungsbauten Ausweichstrategien sind eine bewährte Möglichkeit, dem Bestand gerecht zu werden und dennoch eine Anhebung des Standards zu erreichen. Es steht außer Zweifel, dass die Anforderungen an Bequemlichkeit und technische Ausrüstung eines Bauwerks sich in den zurückliegenden Jahrzehnten radikal geändert haben. Kaum ein altes Haus kann diesen Erwartungen und Forderungen ohne Nachqualifizierung entsprechen. Die Versuchung ist groß, jedes dieser Defizite einzeln zu untersuchen und zu bearbeiten, anstatt einen gesamtheitlichen Lösungsansatz zugrunde zu legen. Die Strategie, sämtliche zusätzliche Anforderungen der modernen Zeit in zusätzlichen, Defizite in der Erschließung der National Portrait Gallery in London sind durch einen Neubau in einem kleinen Hof behoben ( Jeremy Dixon und Edward Jones, 2000).

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Das unscheinbare Wohnhaus in der engen Altstadt von Eichstätt ist mit einer neutralen Lochblecharchitektur um ein Geschoss erhöht.

Der neue Dachaufbau wird mit dem Kran wie ein Möbel auf den Altbau in London gehoben. Seine Gestalt gibt ihm seinen Namen: „White cube“ (MRJ Rundell & Associates, 2002).

möglicherweise ohnedies erforderlichen Neubauteilen zu konzentrieren und den vorgefundenen Bestand von moderner Technik möglichst freizuhalten, hat sich in dieser Situation vielfach bewährt. Auch dort, wo Neubauteile nicht ohnedies erforderlich werden, sollte man die externe Erschließung ebenso wie Erweiterungsbauten unbedingt in Betracht ziehen. Die Forderung unserer Zeit nach einer bequemen und selbstverständlich auch barrierefreien Erschließung ist für viele Baumaßnahmen im Bestand die größte Herausforderung. Die vorhandenen Treppenräume und Treppen entsprechen in den meisten Fällen weder den Vorschriften des Brandschutzes noch sind sie hinreichend bequem und oft auch in ihrem Steigungsverhältnis im Widerspruch zu den Bestimmungen der Bauordnung.

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Besprechungsraum über dem Innenhof Bankgebäude in gründerzeitlicher Bebauung, 1997 H-Budapest Bauherr: ING-Bank Architekt: MECANOO, Erick van Egeraat Die gründerzeitliche Haussubstanz ist für Büroräume gut geeignet, kann größere Strukturen aber nur nach erheblichen Eingriffen aufnehmen. Diesem Problem begegnet der Entwurf durch einen Entlastungsbau über dem dadurch zum Innenraum gewordenen Hof. Die Tragwerksreserven reichen aus, um eine unabhängig von den gestalterischen Vorgaben des Altbaus entworfene neue Struktur zu implementieren. Der organisch-amorphe Besprechungsraum kontrastiert mit der Umgebung durch Form, Material und Oberflächengestaltung.

Grundriss der Gesamtanlage auf Höhe des Besprechungsraumes.

Glasdach und Erschließung rund um den Besprechungsraum.

Der freiplastisch gestaltete Besprechungsraum über dem Innenhof.

Natürlich wird man zunächst versuchen, solchen Widersprüchen mit dem Hinweis auf Bestandsschutz und den Möglichkeiten von Ausnahmen und Befreiungen zu begegnen. Auch wenn das gelingt, bleibt aber die Frage nach dem fehlenden Aufzug weiter ungelöst. Selbst wenn man in dieser Situation in Erwägung zieht, das alte, oft sehr schöne Treppenhaus komplett abzureißen und durch ein vorschriftenkonformes zu ersetzen, ist der verfügbare Raum doch fast immer für den zusätzlichen Aufzug zu gering. Häufig ist es einfacher und substanzschonender, die gesamte neue Erschließung zusammengefasst in einem externen neuen Gebäudeteil unterzubringen. Im diesem Neubau lassen sich dann sämtliche Forderungen der Bauaufsicht ohne Kollision mit dem Altbestand problemlos erfüllen. Dieser Neubau kann dabei sowohl ein Bauteil sein, der sich eng an das alte Gebäude anfügt und sich diesem unterordnet, oder sich auch bewusst von diesem absetzen. Häufig bewährt es sich auch, für die neue Erschließung Resträume des Grundstücks oder einen Innenhof zu nutzen. Die Überdachung von ehemaligen Freiräumen kann zwar auf der einen Seite zu Schwierigkeiten mit dem Brandschutz, der Belichtung und Belüftung führen, kann aber andererseits auch neue Raumqualitäten schaffen. Was sich für den Sonderfall der Erschließung bewährt, ist auch für die Befriedigung vieler anderer Wünsche an ein im vorgefundenen Zustand überfordertes Bauwerk gut. Bevor man hochinstallierte Sanitärräume in eine empfindliche Holzkonstruktion oder große Räume durch den Abbruch vieler Trennwände in einen kleinteiligen Grundriss zwängt, wird man lieber eine Erweiterung in Betracht ziehen – gegebenenfalls im Zusammenhang mit dem ohnedies erforderlichen Erschließungsbau. Aus der gleichen Überlegung entsteht auch die Aufstockung. Besonders die Bauten aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg sind fast immer derart solide gebaut und gegründet, dass die Substanz mühelos ein oder zwei zusätzliche Geschosse trägt. Hier erlaubt die Aufstockung nicht nur eine höhere Ausnutzung des Grundstücks, sondern auch die Realisierung einer geänderten oder erweiterten Nutzungsanforderung. Auch hier bietet es sich an, große Räume nach oben zu legen. Die Erhöhung des Gebäudes findet allerdings nicht nur in der Belastung der Fundamente und Mauern, sondern auch in den Vorschriften des Brandschutzes und des Bebauungsplanes ihre Grenzen.

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Planungsstrategien Bauwerk, Bauzustand und Bauziel bestimmen das Planungskonzept gleichermaßen. Da die einmal gewählte Vorgehensweise entscheidend für alle weiteren Schritte ist, müssen die unterschiedlichen Handlungsmöglichkeiten frühzeitig mit allen am Bau Beteiligten abgestimmt werden. Nur so erhält man die wünschenswerte Planungssicherheit und die nötige Freiheit für den Entwurf. Die Anforderungen an die Baumaßnahme verändern sich, je nachdem, welchen Wert man hervorhebt oder unterdrückt, und die Vermischung verschiedenartiger Konzepte an einem Projekt führt leicht zu gestalterisch unbefriedigenden Lösungen. Die wirklich entscheidende Frage in der Unterscheidung verschiedener Entwurfskonzepte ist die nach dem Ausmaß der Eingriffe und Veränderungen. Für die produktive Auseinandersetzung mit dem alten Gebäude kommen die erhaltende Instandsetzung, die verbessernde Ertüchtigung und Modernisierung und das bewusst verändernde Weiterbauen in Betracht. Natürlich kann man den vorgefundenen Bestand auch aufgeben und ersetzen. Je größer die Veränderung, desto größer die Kosten – und umgekehrt. Nun ist gegen hohe Baukosten und gravierende Veränderungen an einem Bauwerk nicht grundsätzlich etwas zu sagen. Der Architekt muss nur offen legen, welches Konzept er aus welchem Grund und mit welchen Folgen für angebracht hält. Tatsächlich fällt die Entscheidung für eines dieser Konzepte viel seltener, als man das erwarten würde, aufgrund zuvor festgestellter Zustandsanalysen und Schadensbilder. Allzu häufig bestimmen unklare Erwartungen an unbekannte Werte und unbewiesene Hoffnungen auf Wertsteigerungen einen Entschluss, der in seinen Folgen nicht bis zum Ende überprüft ist. Deswegen ist es besonders wichtig, sich über die unausweichlichen Konsequenzen der Planung schon in der Konzeptphase Gewissheit zu verschaffen. Instandhalten Der größte immaterielle Wert eines alten Gebäudes ist sein Alter, das Wunder, dass es erhalten geblieben ist und uns mit seiner bloßen Existenz, deutlicher noch mit seinen Altersspuren, ein Fenster in die Vergangenheit öffnet und das Bauwerk in der Zeit verortet. Der Versuch, das Altern aufzuhalten oder zu negieren, nimmt dem einzigartigen Bauwerk seine Würde und seine Identität. Die Bauwerke als geschichtliche Zeugnisse, so John Ruskin in seinem Buch Seven Lamps of Architecture, „… gehören uns nicht.

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Ausbau durch Reparatur Instandsetzung eines Wohnhauses, 2006 I - Venedig Bauherr: Stadt Venedig Architekt: Piana und Schubert

Zustand nach Abschluss der Arbeiten: die Gartenfassade.

Das unscheinbare Haus am Rande der Stadt Venedig sollte so repariert werden, dass seine vielgestalte historische Identität gewahrt wird. Die teilweise starken Verformungen und Setzungen wurden nicht geändert, der Ausbau vielmehr auf diesen Zustand abgestimmt. Die Instandsetzung erfolgte mit handwerklichen Techniken und formal zurückhaltend. Der Ausbau des traditionellen Einfamilienhauses für vier getrennte Wohneinheiten trägt den modernen Nutzungsansprüchen Rechnung.

Entsalzung des Mauerwerks durch andauernde Berieselung mit einer handelsüblichen Gartenbewässerung.

Vorgefundener Zustand bei Maßnahmebeginn. Bestandszeichnung als formtreues Aufmaß, Schnitt; Original M. 1:20.

Zustand nach Abschluss der Arbeiten: instandgesetzte und ergänzte Terrazzo-Böden, glatt geputzte Wände.

Kurz vor dem Einsturz gerettet Sicherung und Instandsetzung eines Wohnhauses, 2005 D - Bamberg Bauherr: privat Planung: Hans Reuter Das im Kern mittelalterliche Haus an der Oberen Brücke in Bamberg hatte sich im Laufe der Jahrhunderte so stark zum Wasser geneigt, dass die Befürchtung bestand, es könnte einstürzen. Auf der Grundlage eines exakten Aufmaßes wurden sämtliche Verformungen und Schäden erfasst. Auf dieser Grundlage wiederum wurde eine werkstattgeschweißte und am Ort geschraubte Stabilisierungskonstruktion eingebaut. Der senkrechte Fachwerkträger nimmt sämtliche Kräfte auf und leitet sie in das verstärkte Fundament ein. Eingriffe in den übrigen Bestand waren zur statischen Ertüchtigung nicht erforderlich.

Werkplanung für die statische Sicherung. Ein formtreues Aufmaß stellt die starken Verformungen dar. Der Baukörper wird durch eine Rahmenkonstruktion gesichert.

Das dreigeschossige Haus steht windschief am Wasser.

Zum Teil gehören sie denjenigen, die sie erbaut haben, zum Teil den Generationen, die nach uns kommen.“ Eine Restaurierung zerstöre die wichtigsten Inhalte eines historischen Gebäudes. Damit ist AlternLassen nicht nur ein kostengünstiges, sondern auch ein werterhaltendes Konzept. Nicht jede Planung an einem historischen Bauwerk erfordert unter dieser Prämisse eine Maßnahme. Diese Haltung mag manchen entwurfsstarken Architekten schmerzen. Es ist aber auch ein Zeichen von Souveränität zu erkennen, wo das Zeichen des Heute nicht gebraucht wird. So wird der gute und verantwortungsvolle Planer immer in Betracht ziehen, an welchen Bauteilen man die fortschreitende Alterung akzeptieren sollte, und wie weit man umgekehrt den Alterungsprozess durch Pflegen verlangsamen kann, ohne den identitätsstiftenden Alterswert des Objekts zu verlieren. Wo die Pflege nicht ausreicht, sichert die behutsame Reparatur dem Gebäude seine Zukunft. Reparatur meint dabei die Beseitigung von Schäden innerhalb des vorhandenen Baubestandes ohne wesentlichen Materialaustausch und ohne Veränderung der Gesamtkonstruktion. Eine Reparatur soll immer billig sein, weil sie zu den Unterhaltskosten gerechnet werden muss. Die Reparatur wird stets entsprechend den vorgefundenen Materialien und Techniken durchgeführt. Wo die Handwerker mit den alten Bautechniken nicht mehr vertraut sind, ist die Gefahr von unbeabsichtigt produzierten Bauschäden groß. Schon das Schlagwort von der „Sanierung der Sanierung“, die sich mit Schäden befasst, welche durch unsachgemäße Eingriffe notwendig wird, die nur wenige Jahre und Jahrzehnte zurückliegen, warnt davor, die aktuelle Bautechnik zu überschätzen. Zur Instandhaltung gehören auch sowohl die Restaurierung, die einen beeinträchtigten Zustand stabilisiert und aufwertet, wie auch die Konservierung, die sich auf die Stabilisierung des Bestandes beschränkt. Beide Handlungskonzepte haben ihre Heimat ohne Zweifel in der Denkmalpflege. Dieser Umstand darf aber nicht den Blick darauf verstellen, dass die dort entwickelten Strategien auch jenseits des Denkmalschutzgesetzes ihren Wert haben. Viele der in der Denkmalpflege entwickelten Technologien haben sich bestens bewährt, sind kostengünstig und ökologisch einwandfrei und damit auch für den Einsatz auf anderen Baustellen im Bestand uneingeschränkt brauchbar. Viel öfter als man glaubt, ist die Reparatur beschädigter Bauteile mit Technologien der Restaurierung nicht nur ein möglicher, sondern der tatsächlich sinnvolle Weg. 114

Restauration übrigens hat mit Architektur nichts zu tun. Sie ist wahlweise eine Gaststätte oder eine politische Epoche im 19. Jahrhundert. Modernisieren Die Aufwertung eines Gebäudes für den zeitgemäßen Gebrauch, das Ausbauen, Aufwerten, Ertüchtigen, Rehabilitieren, Renovieren, Sanieren oder Modernisieren ist ein notwendiger Anspruch an ein Gebäude. Da sich die Nutzungsanforderungen wandeln, muss sich auch der Bestand einer ständigen Transformation unterziehen. Die geschickte Anpassung eines vorhandenen Bauwerks an veränderte Anforderungen ist eine anspruchsvolle Entwurfaufgabe und ein unerschöpfliches Arbeitsfeld für ArchiDie alten Mauern der Casa Muti in Pisa bilden einen tekten. Diese tun sich allerdings oft schwer, wirkungsvollen Kontrast zum modernen Einbau (Massimo Carmassi,1991). die eher dienende Tätigkeit mit Freude zu akzeptieren, ein in Ehren gealtertes Gebäude an den modernen Standard anzupassen. „Modernisierung“ war lange Zeit das ungeliebte Stiefkind der Architekten. Durch die unglückliche Wortschöpfung „Bauen im Bestand“ hat das Arbeitsfeld zusätzlich etwas eher Technokratisches und jedenfalls Unkreatives angenommen. Tatsächlich haben über lange Jahre vor allem Die rohe römische Wand als „stimmungsvoller“ Hinterdie Innenarchitekten das innovative grund für das gehobene Sortiment, in Split. Potenzial der Modernisierung erkannt und schöpfen es seit vielen Jahren aus. Dazu gehört nicht nur das bewusste Eingehen auf die jeweils individuellen baulichen und räumlichen Gegebenheiten in Raumausstattung und Möblierung, sondern auch das Herausarbeiten der haptischen und optischen Materialqualitäten eines alten Gebäudes. Das historische Fragment ist in der Ladeneinrichtung nachgerade zum

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Kunstvolle Hinzufügungen Ausbau eines Stadtpalastes als Museum, 1963 I - Venedig Bauherr: Fondazione Querini-Stampalia Architekt: Carlo Scarpa

Die neue Brücke erschließt den Palast.

Der Auftrag umfasste die Umgestaltung der hochwasserbedrohten Erdgeschossräume und des Gartens. Scarpa legt zunächst das Laufniveau im Haus durch einen kleinteiligen und detailreich gestalteten Einbau höher. Er thematisiert die alten Einfahrtsbögen für die Schiffe. Seine kunstvoll gestalteten Hinzufügungen kontrastieren mit dem roh belassenen Mauerwerk. Die technischen Einrichtungen werden als selbstständige Volumen in den Raum gestellt. Auch andere Defizite werden nicht durch Substanzaustausch, sondern durch additive Maßnahmen behoben. Die Handwerklichkeit der Bauausführung verbindet den Bestand mit dem Neuen.

Entwurfsskizze für die Überbauung einer ausgetretenen Treppe.

Die instandgesetzte Treppe nach der Maßnahme.

Innenraum nach Instandsetzung. Wegeführung über Stege, die Haustechnik in selbstständigen Elementen.

unverzichtbaren Bestandteil der modernen Warendistribution geworden. Kaum ein trendiger Modeladen möchte derzeit auf die – historisch meist belanglose – freigelegte rohe Wand verzichten. Zur Modernisierung wird man auch die Aufwertung der Gesamterscheinung durch die Umgestaltung der Fassade oder das bloße Anstreichen rechnen. Für den Architekten bedeutet die Modernisierung jedoch zunächst die systematische Anpassung des Baubestands an die Erfordernisse der Die Installationen in dem Loft in Madrid liegen auf modernen Infrastruktur. In kaum einem der Wand und können schnell ausgetauscht werden (Manuel Serrano, 2005). alten Gebäude wird die Heizungs-, Sanitärund Elektroinstallation in einem Zustand sein, der die Weiterverwendung angebracht erscheinen lässt. Damit stellt sich als erstes die Frage nach der Strategie für deren Erneuerung. Abgesehen davon, dass die Forderungen nach zielgerichteter Koordination der verschiedenen Fachplaner im Bestand höhere Anforderungen an den Planer stellt als im Neubau, wird man grundsätzlich überlegen müssen, ob die vorgefundene Strang- und Leitungsführung die richtige ist. Die konventionelle WC-Container im 2. OG des zur Galerie ausgebauten Erneuerung in den alten Trassen führt in alten Lagerhauses in Nijmegen. Ein unabhängiger Einbau für unabhängige Installationen (Diederen und aller Regel durch Wandaufbrüche und Dirrix, 1997). Leitungsschlitze zu enormen Eingriffen und Zerstörungen, die auch bei genauer, bewusster und weit detaillierter Trassenplanung kaum wirklich zu vermeiden sind. Will man diesen Aufwand reduzieren und auch die erheblichen Folgearbeiten im Beiputz und sonstige Reparaturen gering halten, so ist die Veränderung der Trassenführung und die Aufputzinstallation oft eine geeignete Lösung. Die Vielzahl von Kaminen, die bis in die fünfziger Jahre regelmäßig für einzelne Feuerstellen gebaut wurden, bieten sich für die senkrechte

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Verteilung fast immer ideal an. Hier muss man lediglich auf die Trennung von Sanitärund Elektroinstallation achten und für die systematische Brandabschottung in den Geschossen sorgen. In den Geschossen ist die horizontale Verteilung auf der Wand durch eine Vielzahl von funktionalen und formal akzeptablen Systemen mittlerweile keine Herausforderung für Tüftler mehr, sondern sowohl für die Heizung wie auch für die Elektroinstallation eine marktgängige Lösung. Neben den Leitungen sind es die Der außen angebaute Aufzug ermöglicht eine bequeKüchen und Bäder, die durch eine Moderme Erschließung und entlastet das alte Gebäude in Schaffhausen. nisierung in aller Regel am deutlichsten verändert werden. Die Vielzahl der Sanitärobjekte, die zu einem modernen Bad gehören, macht eine differenzierte Verteilung erforderlich, die durch mögliche Undichtigkeiten stets auch zu einem Gefährdungspotenzial wird. Schwingende Holzbalkendecken sind hier besonders bedroht. Der Einbau von in sich geschlossenen und stabilen Containern mit bewusst gelösten Übergabestellen vermeidet ein solches Problem. Durch begrenzte Grundrissveränderungen im bestehenden Tragsystem wird der Bestand nachhaltig aufgewertet. Der Abbruch nachträglich eingebauter Teilungswände, die vielfach erst nach dem Zweiten Weltkrieg in Zeiten großer Wohnungsnot notdürftig eingebaut wurden, macht aus beengten Wohnverhältnissen wieder attraktiven Wohnraum. Die Neuordnung der Erschließung mit zusätzlich eingebautem Windfang erzeugt ein freundliches Ambiente. Die Zusammenfassung zweier Wohnungen in einer Siedlung der zwanziger Jahre macht aus einer Kleinhaussiedlung attraktive und zeitgemäße Familienwohnungen und der Anbau von selbsttragenden Balkons erweitert die Wohnfläche und steigert die Attraktivität. Nicht zuletzt bedeutet Modernisierung auch die bauphysikalische Ertüchtigung des Gebäudes. Die zeitgemäße Forderung nach effizienter Energieverwendung zwingt zur Verhinderung vermeidbarer Verluste bei gleichzeitiger Aufwertung der Nutzungsqualität. Hier ist die hohe Speichermasse massiver Außen- und Tragwände im historischen Bestand eine oft unerschlossene Ressource. Andererseits reagieren alte, mit traditionellen Baustoffen errichtete Gebäude eher empfindlich auf bauphysikalische

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Missgriffe, wie sie vor allem durch ungelöste Diffusionsvorgänge in der Folge übermäßiger Dämmung entstehen. Man könnte das für einen Nachteil halten, sollte es aber eher als einen gleichsam eingebauten, höchst willkommenen Warnmechanismus für Missstände im Bauwerk verstehen, welche das alte Gemäuer schon signalisiert, bevor die Nutzer und Bewohner ernsthaft Schaden genommen haben. Kommen neue Nutzungen, reichen die vorhandenen Tragsysteme oft nicht mehr aus. Verstärkungsmaßnahmen, die nicht nur ihren Zweck erfüllen, sondern überdies noch im Einklang mit dem Bestand gestalterischen Ansprüchen genügen, gehören zu den Höchstleistungen des Entwurfs. Die Tragwerksplaner haben sich schon lange darauf eingestellt, dass die Ertüchtigung eines alten Hauses für die Aufnahme höherer Verkehrs- und Nutzlasten zu ihrem Aufgabenfeld gehört und sowohl substanzverträgliche wie kostengünstige Lösungen gefunden, die dem modernisierten Gebäude seine Identität belassen. In jüngster Zeit gehört zu den häufigsten Aufgaben der Modernisierung auch das Entfernen schadstoffhaltiger Baumaterialien, das eine nachhaltige und gesunde Weiternutzung sicherstellen soll. Weiterbauen Weiterbauen ist das zentrale Thema für die Architektur im Bestand. Der Übergang zur Modernisierung ist fließend und liegt dort, wo die Qualität des Gebäudes sich durch Nutzungsänderung oder bauliche Maßnahmen grundlegend ändert. Weiterbauen heißt auch, dass das veränderte Gebäude über seine historischen Eigenheiten hinaus – mehr oder weniger deutlich – die Handschrift des Architekten erkennen lässt. Die grundsätzlichen Möglichkeiten des Weiterbauens sind beschränkt. Die Teilung lässt die vorgefundene Baustruktur im Wesentlichen unverändert und bringt die neue Nutzung durch den Einbau zusätzlicher Wände und Decken unter. Der Umbau verändert das Gebäude durch substanzielle

Großes Volumen, große Fläche. Die Kirche des Klosters St. Maximin in Trier wird zur Turnhalle (Gottfried Böhm und Dieter Baumewerd, 1995).

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Umnutzung total. Die antiken Statuen stehen zwischen den mit gleicher Sorgfalt restaurierten Maschinen des Kraftwerks ACEA in Rom (ACEA, Comune di Roma, 1997).

Umnutzung durch Ummöblierung. Der 1957 durch Fehling&Gogel errichtete Interbau-Pavillon in Berlin dient nach der Umnutzung als Fast-Food-Restaurant (Petra und Paul Kahlfeldt, 2006).

Temporäre Nutzung in dem todgeweihten Palast der Republik in Berlin (Urban Catalysts/raumlabor berlin, 2005).

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Eingriffe in den Bestand, wahrt aber das vorgefundene Volumen. Die Ergänzung fügt Fehlendes an den Bestand an, und die Zusammenfassung bildet aus mehreren Gebäuden eine neue Nutzungseinheit. Die einfachste Form, ein vorhandenes Gebäude weiter zu entwickeln, ist die Umnutzung. In vielen Bereichen der Gebäudewirtschaft ist diese Änderung ohne wesentliche Eingriffe in den Bestand schon immer Gang und Gäbe. Die Umwandlung von Wohnraum in Büros oder Gewerbeflächen zu Büros ist meist mit geringem Veränderungsdruck zu bewerkstelligen. Aber auch großvolumige Bauten und grundsätzlichere Umnutzungen können oft ohne tief greifende Eingriffe kostengünstig in den Baubestand umgesetzt werden, ohne dass der Anspruch an eine eigenständige Gestaltung verloren gehen müsste. In Zeiten schwächerer Immobilienkonjunktur und längerdauernder Entscheidungsprozesse ist schon die mit geringen Mitteln und strategischer Absicht geplante Zwischennutzung eine gute Möglichkeit,

Loft im Schuppen Wohnung im Industriebau, 2005 E-Madrid Bauherr: privat Architekt: Manuel Serrano Der Ausbau eines architektonisch unbedeutenden Industriegebäudes in Madrids „Loftown” belässt die Umfassungswände in ihrem ursprünglichen Zustand, teilt den hohen Raum einzig durch eine Galerie und verbindet die Ebenen mit einer konstruktivistisch entworfenen Treppe. Sämtliche Installationen sind absichtsvoll auf die rohe Wand verlegt. Sie können im Bedarfsfall ebenso wie die Einbauten schnell und einfach ausgetauscht werden. Der alten unruhigen Oberfläche werden glatte neue Bauteile entgegengestellt.

Grundriss.

Schnitt.

Das an den russischen Konstruktivismus angelehnte Treppenhaus mit den Aufputzinstallationen.

Das Mobiliar steht auf Rollen, um die Flexibilität der Nutzung zu betonen.

Auf der Galerie ist das Badezimmer als einziger Raum abgeteilt.

Ein Zechengebäude wandelt sich

Außenansicht des Neubauteils und der umgenutzten Halle.

Ausbau und Erweiterung eines Industriegebäudes, 2004 D -Göttelborn Bauherr: Industriekultur Saar GmbH Architekt: Augustin und Frank Die beiden Industriehallen aus den sechziger Jahren haben keine eigenständige historische Bedeutung. Sie dienten dem Bergbau, bis dieser stillgelegt wurde. Die neue Nutzung für Veranstaltungen und Verwaltung nutzt die gesunde Konstruktion und behebt die offenkundigen Defizite durch eine innovative zusätzliche Klimahülle und einen hochwertigen, dem Industriestandort angemessenen Ausbau. Ein Neubauteil nimmt Gästewohnungen auf. Die Gesamterscheinung der Bauten ist von industriellen Materialien geprägt.

Die beiden Hallen vor Baubeginn.

Innenraum nach Fertigstellung.

Schnitt durch Halle und Neubau mit Darstellung der klimaeffizienten Umhüllung.

Innenraum nach Fertigstellung.

das Potenzial eines Gebäude zu verwerten. Die Teilung eines großen und raumhaltigen Gebäudes durch bauliche, nicht innenarchitektonische Maßnahmen hat unzählige historische Vorbilder. Kirchen wurden schon nach der Reformation im 16. Jahrhundert, noch deutlich zahlreicher nach der Säkularisation und nochmals nach dem Zweiten Weltkrieg für unterschiedlichste Zwecke umgenutzt. Und doch ist die Teilung als Planungskonzept im Wesentlichen ein ProDie fast unveränderte Hülle einer Fabrik in Shanghai dient dukt der letzten zwanzig Jahre. Der gewaltige jetzt als Büro (Ma Weidong und Teng Kunyen, 1997). industrielle Umbruch, der unglaublich große Volumina qualitätvoller Industriebauten mit einem Schlag funktionslos gemacht hat, zwang zu einer ganz neuen Betrachtung dieser Architektur. Die Faszination durch die Weite dieser Bauten stand im deutlichen Gegensatz zur Beengtheit der im 20. Jahrhundert Nachnutzung einer unfertig gebliebenen Konstruktion des Jahres 1960 für die olympischen Winterspiele in Turin als Eissporthalle (Gae Aulenti, 2006).

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gebauten Kleinwohnungen ebenso wie der vielen winzigen Büroräume der Nachkriegszeit. Die Zahl der oft mit geringen Mitteln und in gestalterischer Kargheit aufgeteilten Industrieflächen ist inzwischen unüberschaubar. Die einfachen konstruktiven Raster und die meist nüchterne und funktionsbezogene Formgebung der Industriebauten geben dem gestaltenden Architekten jede Freiheit, die eigenen Vorstellungen ohne wesentliche Beschränkungen durch technische oder administrative Hindernisse umzusetzen. Viele bekannte Architekten haben sich der Herausforderung der Teilung auch dadurch gestellt, dass sie ihre neue Nutzung weitgehend unabhängig von dem unveränderten Gebäude als Haus im Haus eingebaut haben. Die Das Kletter-Labyrinth für die Kinder ist im Berliner „MACHmit! – Museum für Kinder“ als großes Möbel in den Kirchenraum gestellt (Klaus Block, 2003).

Die Garagen der Oldtimer sind im Berliner Meilenwerk in mehreren Geschossen als selbstständige Konstruktion in das alte Bahndepot gestellt (Dinse, Feest, Zurl, 2003).

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Kleine Bürohäuschen der Universitätsverwaltung in dem großen Festsaal der Orangerie in Eichstätt (Karljosef Schattner, 1974).

Eine Kirche wird möbliert Hotel in der Klosterkirche, 2005 NL-Maastricht Bauherr: Stichting Monumentaal Erfgoed Limburg Architekt: Ir. Rob Brouwers, SATIJNplus Architecten Das ehemalige Deutschordenskloster war schon im 19. Jahrhundert profaniert und für unterschiedliche Zwecke genutzt worden, bevor es zum Hotel ausgebaut wurde. Das Entwurfskonzept lässt die Klausur unverändert und nutzt die vorhandene Struktur ohne grundlegende Änderungen für die in modernem Design gestalteten Hotelzimmer. Der Kirchenraum ist Rezeption, Verwaltung sowie Lounge, Bar und Restaurant. Die vielfältigen Funktionen sind in frei eingestellten Einbauten auf zwei Geschossen angeordnet. Die Einbauten halten Abstand zur Wand, so dass der Kirchenraum als Ganzes lesbar bleibt. Die Unregelmäßigkeit des gotischen Bauwerks kontrastiert mit der Glattheit der Neubauten und der Durchsichtigkeit des gläsernen Aufzugs. Der Eingang ist durch eine aufwändige und auffallende Trichterkonstruktion aus poliertem Kupfer stark verfremdet.

Das Restaurant steht als selbstständiger Baukörper im Kirchenraum.

Grundriss der Gesamtanlage. Der Ergänzungsbau steht in bewusstem Kontrast zu seiner historischen Umgebung. Der Eingang ist ein eigenständiges „Kunst“werk.

im Grundsatz vorbildliche Haltung bringt dort Schwierigkeiten in der Nutzung mit sich, wo einzelne Räume, die als Kabinen in die weiträumige Großform eingestellt werden, für die Belichtung und Belüftung an die Fassade angebunden werden sollen. Dagegen bewährt sich dieses Entwurfsprinzip in großen Räumen, in die die neue Nutzung gleichsam als freie Plastik eingestellt wird. So nimmt es nicht Wunder, dass viele profanierte Kirchen mit dieser Grundidee überplant worden sind. Das Fertigbauen hat in der Architekturgeschichte eine lange Tradition. Begonnene und steckengebliebene Bauten zu vollenden, wurde nicht erst mit den Turmvollendungen gotischer Kathedralen im 19. Jahrhundert eine selbstverständliche Aufgabe. Schon immer haben Architekten aus den Ruinen älterer Bauten Neues geschaffen. Der gesamte Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg war mit zahllosen, höchst kreativen Beiträgen zur Auseinandersetzung mit Vorgefundenem in gewisser Weise ein einziges Fertigbauen. Der in der Struktur weitergeführte, in den Einzelformen dagegen vereinfachende Wiederaufbau, wie er in der Alten Pinakothek in München von Hans Döllgast legendär geworden ist, hat bis heute seine Gültigkeit behalten. Gliederung, Proportion und Tragsystem bestehen fort. Im Gegensatz dazu werden WandgliedeDer Redoutensaal in der Wiener Hofburg wurde nach rungen, Oberflächen und vor allem die bis weitreichender Brandzerstörung in der alten Kubatur, aber mit moderner Ausstattung als attraktiver in die Mitte des 20. Jahrhunderts ganz Veranstaltungssaal des Kongresszentrums neu errichtet selbstverständlich handwerklich gearbeite(Manfred Wehdorn, 1997). ten Schmuckformen mehr oder weniger notgedrungen stark vereinfacht oder ganz unterdrückt. Die höchst originellen Planungen von Gottfried Böhm für das Saarbrücker Schloss in den achtziger Jahren des 20.Jahrhunderts oder ganz besonders der Ausbau des Neuen Museums in Berlin durch Chipperfield/Harrap am Anfang des 21.Jahrhunderts zeigen, dass dieses Thema auch zwei Generationen nach dem Krieg noch keineswegs abgeschlossen ist. Und Unglücksfälle, hier vor allem Brandschäden, werden auch in der Zukunft die Architekten mit der Aufgabe konfrontieren, einen respektvollen Ausgleich zwischen

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dem qualitätvoll erhaltenen Alten und den modernen Zufügungen zu finden. Die 1:1Rekonstruktion des verlorenen Zustands ist hier sicher auch eine Möglichkeit, die aber dort ihre Grenze finden sollte, wo die Nachschöpfung absehbar nicht mehr die Qualität und Aussagekraft des Verlorenen haben kann. Dieser Vorbehalt wird für künstlerische Gestaltungen immer Bestand haben und auch für viele anspruchsvolle Der kriegszerstörte Saal in der Berliner Akademie der handwerkliche Produktionen gelten müs- Wissenschaften wurde in vereinfachten Formen wiederhergestellt (Claus Anderhalten, 2003). sen. Einer solchen Haltung ist gewiss auch der Ausbau des Vortragssaales in der Akademie der Wissenschaften in Berlin von Anderhalten verpflichtet. Von den Architekten ist der Umbau in der Vergangenheit noch am ehesten als bestandsbezogene Bauaufgabe wahrgenommen worden. Unterschiedlich weitreichende Grundrissänderungen und Eingriffe in das Tragsystem, die Umorganisation der Erschließung und vor allem die Anpassung der Architekturformen an den Zeitgeschmack waren zu allen Zeiten Architektenaufgabe. In der Regel wird sich der Umbau an die vorhandenen Geschosse halten und allenfalls durch einzelne Deckendurchbrüche die Innenräume und die Grundrissorganisation nachhaltiger gestalten. Der Schwerpunkt des Umbaus liegt in der zeitgemäßen Gestaltung der vorgefundenen Räume und deren Anpassung an geänderte Nutzungsanforderungen. Es ist dabei eine willkommene Bereicherung, wenn die Umbaumaßnahme Teile oder gar die Die freigelegte mittelalterliche Bohlenstube ist ein gerne Ganzheit älterer Raumgestaltungen ans angenommener und würdiger Rahmen für das Büro des Behördenleiters im neu ausgebauten Rathaus in Wels. Tageslicht bringt. Große Städte wie Basel, Zürich, Regensburg oder Lübeck ziehen einen Teil ihrer wiedergewonnenen Attraktivität als Wohnstandorte aus den damit verbundenen, ergebnisreichen Befunduntersuchungen, die individuelle und erlebnisreiche Innenräume versprechen. Zeitgemäße Materialien und eine entsprechende Möblierung beweisen hier die Nähe zur Innenarchitektur.

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Ein Museum im Wahrzeichen Tirols Landesmuseum Schloss Tirol, 2003 I - Schloss Tirol Bauherr: Autonome Provinz Bozen Architekt: Scherer & Angonese / Hellweger

Treppenaufgang im Bergfried.

Schloss Tirol gehört zu den ältesten und wertvollsten Burgen der Alpen. Der überwiegende Bestand geht in das 12. Jahrhundert zurück. Auf der Grundlage einer vorbildlichen bauarchäologischen Untersuchung wurde die Anlage in den Jahren 2000 – 2003 zum Landesmuseum ausgebaut. Die historische Substanz aus unterschiedlicher Zeit wurde unterschiedslos erhalten. Sie dient zugleich als Exponat und ihre Bauphasen vermitteln die vielschichtige Landesgeschichte. Die oft rohen historischen Mauern werden mit den modernen Einbauten aus gleichfalls rohen Materialien konfrontiert. Lichtführung und Beleuchtung inszenieren auf geheimnisvolle Weise das gebrochene Alte im Kontrast zum glatten Neuen.

Ausstellungssaal.

Schnitt mit bauarchäologischer Analyse.

Grundriss mit Bauphasendarstellung der Gesamtanlage.

Ein Sonderfall des Umbaus ist der besonders in innerstädtischer Lage zu hoher Bedeutung und Beliebtheit gekommene Dachausbau. Gestalterisch stellt sich besonders auch die Frage nach dem Verhältnis der neuen Dachöffnungen und Aufbauten zum Gesamtgebäude. Der hohe Verwertungsdruck lässt bisweilen übersehen, dass auch die neue Dachlandschaft gestaltet sein will und dass der Ausbau eines bis dahin wenig genutzten Dachraums vielfältige Probleme der Sicherung der Rettungswege und eine große Zahl bauphysikalischer Herausforderungen nach sich zieht. Die Dämmung der Dachhaut allein reicht nicht aus, um auch bei längeren Hitzeperioden ein erträgliches Wohnklima sicherzustellen. Hier wird man mit zusätzlichen baulichen Vorkehrungen eine Die industriell geprägte Architektur am Stadtrand von Hinterlüftung vorsehen müssen, wenn man Mailand inszeniert das Dach und schafft einen vielgestalten Wohnraum (Francesca Donati, 2001). die Wärme nicht durch eine wenig umweltfreundliche Klimaanlage abführen will. Darüber hinaus sind die Gefahren einer unsachgemäß konzipierten Dampfdiffusion erheblich. Die Erweiterung ist die seit Jahrtausenden selbstverständliche Form des Weiterbauens. Wo ein vorhandenes Bauwerk für die ihm zugedachte Nutzung nicht mehr ausreichte, wurde es schon immer erweitert und aufgestockt, im Ausnahmefall auch in den Boden hinunter erweitert. In den letzten Jahrzehnten hat hier die Frage, wie der Ergänzungsbau sich zum alten Bestand formal und gestalterisch verhalten soll, unter dem Schlagwort „Neues Bauen in Alter Umgebung“ die Architekturdiskussion wesentlich geprägt. Der strategisch planende Architekt wird vor allem auf beengten Innenstadtgrundstücken als erstes die Resträume zur Nachbarbebauung mit besonderer Aufmerksamkeit untersuchen. Hier sind fast immer Flächenreserven zu mobilisieren. Die Erweiterung in der Fläche führt zwangsläufig zu der Frage, wie sich die beiden unterschiedlich alten Bauteile verbinden. Neben der formalen Frage ist dies auch und vor allem eine gebäudekundliche

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Wohngebiet im Wandel Umbau von Einfamilienhäusern, 2004 NL - Utrecht Bauherr: privat Architekt: ZECC Architekten

Dachausbau nach Fertigstellung.

Die Reihenhäuser im Wohngebiet am Stadtrand aus der Zeit um 1900 sind technisch veraltet und für die heutigen Nutzerbedürfnisse zu klein. Die Einförmigkeit der Bebauung wird als bedrückend empfunden. Das Projekt gliedert den Stadtraum und gibt den Häusern durch unterschiedlich gestaltete Dachausbauten Individualität. Grundsätzlich ähnliche Lösungen werden den Wünschen der Bewohner entsprechend mit unterschiedlichen Materialien und variierenden Formen realisiert. So entstehen vielfältige Innenräume und ein interessanter Stadtraum.

Dachausbau nach Fertigstellung.

Querschnitt eines Hauses vor und nach dem Umbau.

Modell.

Grundrisse nach Fertigstellung.

Eine Bank modernisiert sich Umbau eines Geschäftshauses, 2002 CH - Zürich Bauherr: Credit Suisse Architekt: Atelier 5 Die 1877 in historistischen Formen errichtete und 1899 noch einmal umgebaute Schweizerische Kreditanstalt sollte bei voller Respektierung der Geschichte des Hauses modernisiert werden. Das Umbaukonzept ist den Architekten zufolge aus der Baugeschichte entwickelt. Zahlreiche spätere und entstellende Einbauten wurden entfernt und die anspruchsvolle Materialität des Gebäudes in den zentralen Räumen herausgearbeitet. Im Innenhof wurden Entlastungs- und Ergänzungsräume geschaffen. Die Erschließung der Büroräume musste teilweise neu geordnet werden. Hier wurde der alte Grundriss mit neuen Metall-Glas-Konstruktionen den modernen Funktionsanforderungen und den Brandschutzbestimmungen angepasst. Ein konsequentes Farbkonzept gliedert den Bau und erleichtert die Orientierung.

Im Innenhof wurden zusätzliche Büroräume geschaffen.

Die zentrale Schalterhalle dient heute als Erschließungshof.

Die Erschließungsflächen sind durch zusätzliche Glaswände geteilt.

Die historische Fassade ist weitgehend unverändert.

Werkplanungsdetail.

und bautechnische. Exakte Höhenangaben zu den vorhandenen Geschossebenen – einschließlich möglicher Verformungen! – sind ebenso unerlässlich wie die Klärung der vorgefundenen Konstruktion. Die Vorstellung, dass das historische Gebäude mit einem ergänzenden Anbau unverändert fortbestehen könnte, erweist sich in der Umsetzung fast immer als unrealistisch. Selbst wenn im Bestand tatsächlich keine Bauarbeiten durchgeführt werden, müssen doch Zugänge, Öffnungen und Verbindungen mit allen entsprechenden Die neue Erschließung der in einem umfangreichen Folgen geschaffen werden, die häufig auch Altbaukomplex eingebauten Universität in Toledo nutzt einen alten Hofraum und organisiert den zu einer Umorganisation in der Erschliegesamten Komplex neu (AUIA, 1993). ßung des Altbaus zwingen. Wenn die Erweiterung in die Fläche nicht möglich ist, führt gegebenenfalls die Aufstockung zum Ziel. Die besondere planerische Herausforderung der Aufstockung liegt in der Bewältigung der Erschließungsfrage und ganz besonders der Sicherung der Rettungswege. Bevor man dem Bauherrn entsprechende Vorschläge macht, muss diese Frage eindeutig und dokumentiert geprüft sein. Die zusätzlichen Geschosse können nämlich nicht nur die Anleiter-Höhe der Feuerwehr übersteigen, sondern auch zu erheblich Die kubischen Aufbauten auf dem Wohnhaus in Graz geben der Durchschnittsarchitektur einen eigenen Reiz (INNOCAD, 2001).

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Das Haus der Architektenschaft in Moskau: Klassischer Kern, angestrengt moderne Ergänzung (Asadov, 2006).

verschärften Anforderungen an die Brandwiderstandsfähigkeit der vorhandenen Treppenkonstruktion führen. Grundsätzlich wird man versuchen, die Aufstockung über dem durch die tragenden Wände vorgegebenen Grundriss zu organisieren. Dass es aber auch durchaus reizvoll sein kann, von dieser nahe liegenden Grundannahme abzuweichen, zeigt eine ganze Zahl von weithin bekannt gewordenen Beispielen. Die Aufstockung ist zwangsläufig mit dem Verlust der historischen Dachkonstruktion verbunden, was gründlich erwogen sein will. Dachräume sind bis in das frühe 20. Jahrhundert hinein baugeschichtliche Zeugnisse von ganz eigener Art und ganz eigenem Wert. Ferner ist zu beachten, dass die Dachbalkenlage konstruktiv bedingt oft weniger stark belastbar ist als die darunter liegenden Geschossdecken. Die Unterfangung des Gebäudes für den Einbau zusätzlicher Tiefgeschosse ist zwar in vielen Großstädten mittlerweile gang und gäbe, aber für die Architekturgestaltung ohne ernsthafte Bedeutung. Wo die Erweiterung – aus welchen Gründen auch immer – keine Erfolgsaussichten hat, ist die Zusammenfassung mehrerer Gebäude zu einer Nutzungseinheit eine letzte Möglichkeit, Nutzungsdefizite durch die Weiterentwicklung des vorgefundenen Bestands zu beheben. Die Nachteile dieses Konzepts im Vergleich zur Erweiterung liegen auf der Hand: Bauten aus unterschiedlicher Zeit werden in aller Regel auch unterschiedliche Fußboden- und Geschosshöhen haben. Bricht man von einem Gebäude in das nächste durch, ergeben sich schon in der Erschließung und der Grundrissorganisation fast immer erhebliche Anpassungs- und Übergangsprobleme. Durch eine geschickt angeordnete neue und gemeinsame Erschließung mit Differenzstufen und einer Aufzugsanlage mit versetzt angeschlossenen Zugängen kann man solchen Problemen bisweilen aus dem Wege gehen. Wie hier dann aber die barrierefreie Nutzung gewährleistet werden soll, bleibt häufig eine fast unlösbare Aufgabe. Die Zusammenfassung vieler kleiner Bauten zu einer einzigen großflächigen Nutzungseinheit verbietet sich unter Verweis auf das Tragwerk eigentlich immer. Es ergibt keinen Sinn, ein kleinteiliges Gebäude mit erheblichem Aufwand seiner Identität zu berauben, um dadurch ein Gebäude zu schaffen, das man besser und einfacher an anderer Stelle mit anderen Mitteln realisiert hätte. Ausnahmen von dieser Position sind all jene Projekte, welche die vorhandenen Bauten mehr oder weniger unverändert bestehen lassen und sie unter einem gemeinsamen Dach vereinigen. Vorbild für diese Entwürfe sind zweifellos die leichten und heiteren Flächentragwerke der siebziger

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Jahre. Der starke Verfremdungseffekt eines solchen aus der Landschaftsplanung übernommenen Konzepts bei der Übertragung in den Architekturbereich ist offensichtlich. Er hat aber auch seine Reize, wie bekannte Projekte namhafter Architekten immer wieder zeigen. Ersetzen Wer im Bestand arbeitet, muss irgendwann auch einmal erkennen, dass ein altes Haus an das Ende seiner Lebenszeit gekommen ist – entweder als Ganzes oder doch in großen Teilen. Wo nichts mehr zu pflegen ist und die Instandsetzung und Modernisierung der abschnittsweisen Erneuerung des alten Bestandes gleichkommt, ist es klüger, das alte Gemäuer ganz aufzugeben. Hier bleibt für den Planer nur noch die Aufgabe, den Abbruch den Forderungen der Nachhaltigkeit entsprechend zu organisieren. Ob man aus nostalgischen Gründen die eine oder Die Spolie als Determinate des Neubaus: Aus der andere Spolie aufhebt und als Erinnerungshistorischen Analyse und den gefundenen Bauteilen ergibt sich die Gestalt des Stadthauses in Berlin auf stück in den Neubau integriert, ist dann dem Friedrichswerder (Marc Jordi, 2006). eine andere Sache. Wo genau die Grenze solcher substanz- und identitätsvernichtender Erneuerung liegt, muss in gewisser Hinsicht jeder selbst entscheiden. Man sollte sich diese Entscheidung aber aus Gründen der Nachhaltigkeit ebenso wie der kulturellen Identität nicht zu leicht machen – auch wenn sie bisweilen als der einfachere Weg erscheint. Auf dramatische Weise stellt sich die Frage nach der richtigen Art, Bausubstanz zu beseitigen, in schrumpfenden Städten. Der Ersatz von Gebäuden durch Parkplätze führt schnell zum Verlust jeder Lebensqualität. Der häufigste Grund für einen Teilabbruch oder die Entkernung sind jedoch nicht baukonstruktive Schwierigkeiten im vorhandenen Gebäude, sondern der Wunsch nach einer neuen komfortablen Gebäudestruktur. Oft bleiben dabei historische Fassaden als eine Art Wahrzeichen oder Zugeständnis an

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die Stadtbildpflege erhalten und werden aufwändig herausgeputzt. Diese Vorgehensweise kann als eine extreme Art der fragmentierenden Gestaltung verstanden werden. Meist steht dahinter aber die nicht immer berechtigte Annahme, es sei bequemer, ein ganz neues Gebäude auf der Fundamentsohle des alten zu errichten. Aus dieser Haltung kann keine gute Architektur entstehen. Die Loslösung der Fassade von einem Die alte Fassade als Dekoration des modernen Neubaus sonst komplett ersetzten Gebäude, von in Frankfurt am Main am Rossmarkt ( Jean Nouvel). ihrem ursprünglichen Kontext und konstruktiven Zusammenhang ist ein müder Kompromiss, der ein gänzlich unbefriedigendes Zwitterwesen entstehen lässt, dem man sich besser widersetzen sollte. Wenn man überprüft, wie viel alte Substanz durch neue Bauteile ersetzt wurde, sind auch berühmte Baustellen im Bestand wie der Reichstag in Berlin von Sir Norman Foster oder das Castelgrande in Bellinzona von Aurelio Galfetti eigentlich Neubauten. Der Reichstag wurde bis auf die Umfassungswände restlos entkernt. Als einzige Reminiszenz an einhundert Jahre Nutzungsgeschichte wurden die Graffiti russischer Soldaten aus dem Jahr 1945 konserviert. Weder die Reste des alten Reichstags von 1894 noch die Spuren des Reichstagsbrandes von 1933 noch die Verletzungen des Zweiten Weltkriegs und erst recht nicht der sparsame Ausbau von Paul Baumgarten in der Nachkriegszeit wurden beachtet. Und auch das Castelgrande in Bellinzona wies vor Baubeginn eine Vielzahl von Geschichtsspuren und verschiedenartigen Nutzungsschichten auf. Der Umbau hat sie zusammen mit allen inneren Ausbauten zugunsten einer völligen Neugestaltung aufgegeben. Die so entstandenen Architekturen sind ohne jede Frage großartig. Mit dem einstmals vorgefundenen Bauwerk haben sie aber ganz überwiegend nur noch im Sinn eines Bildes etwas zu tun; der tatsächliche Bestand ist fast völlig verschwunden. Was auf einem einmal abgeräumten Bauplatz als Neubau entsteht, ist eigentlich nicht mehr Gegenstand dieses Buches. Weil aber die Rekonstruktion verlorener schöner Bauten am Beginn des 21. Jahrhunderts offensichtlich eine besondere Faszination auf die Menschen ausübt, muss dieser Sonderfall des Architekturentwurfs hier dennoch zur Sprache kommen. Auch

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wenn manche Kommentatoren das anders sehen mögen: Der Neubau, der in fachlich wie auch immer bemühten und gekonnten historischen Architekturformen daherkommt, bleibt doch stets ein Neubau und damit ein Statement zeitgenössischer Architektur. Die Rekonstruktion als Planungsziel ist oft verbunden mit der Absicht, ein wertvolles Stück Architektur wiederzugewinnen. Insbesondere nach schweren Verlust-Traumata, wie beispielsweise nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs, war das Bedürfnis groß, den Verlust zumindest teilweise durch Rekonstruktion des Verlorenen wieder rückgängig zu machen und dadurch eine historische unumkehrbare Tatsache gleichsam als „Unrecht“ oder „Fehler“ der Geschichte zu tilgen. Ein prominentes Beispiel für diese Haltung war unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg die Altstadt von Warschau, ist aber auch noch im Jahr 2005 die Frauenkirche in Dresden. Beide werden als Symbol für einen gemeinsamen Neuanfang der Bürgerschaft dieser Städte in einer neuen Zeit verstanden. Während jedoch in Warschau die auf den alten Grundrissen und mit dem Abbruchmaterial der zerstörten Häuser errichteten Bauten bewusst in der reduzierten Formensprache der fünfziger Jahre neu gestaltet wurden und nur eine Anmutung des Verlorenen geben, scheint man heute zu glauben, man könne das Original buchstäblich wiedergewinnen. Dabei versteht es sich für jeden einsichtigen Menschen von selbst, dass die Wiedergewinnung einer zerstörten Architektur grundsätzlich unmöglich ist. Man stelle sich versuchsweise vor, dass ein verlorenes Gemälde von Rembrandt anhand älterer Photos nachgemalt wird; selbstverständlich würde es weder von der Fachwelt und auch nicht vom Publikum jemals als echter Rembrandt anerkannt und könnte das Original niemals auch nur annähernd ersetzen. Die Reproduktion ist eben nur ein Bild des Originals. Und dieser Grundsatz gilt für die Architektur in gleicher Weise. Die neue Frauenkirche in Dresden ist kein Werk von George Baer und seinen Handwerkern, sondern eben das von Zeitgenossen des 21. Jahrhunderts. Das „Hauptwerk des Barock“ ist nicht wiedergewonnen, sondern dargestellt worden, eben rekonstruiert. Die meisten Architektur-Rekonstruktionen sind überdies eher schlecht gemachte Nachahmungen, die nicht viel mehr als ein sehr allgemeines Bild eines historischen Zustandes vermitteln. Niemand will sich den hohen planerischen und bautechnischen Aufwand leisten, den eine originalgetreue Gesamtrekonstruktion erfordern würde, die meist auch in keinem sinnvollen Verhältnis zum heutigen Nutzwert steht. Die schnell sich verändernden

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Produktionsbedingungen machen eine Wiederholung des Bauprozesses schon nach kurzer Zeit unmöglich. Das Ergebnis sind deswegen fast immer neue Gebäude mit neuen Raumaufteilungen hinter Fassaden, die mehr oder weniger überzeugend historisch getrimmt wurden. Das Missbehagen vieler Architekten gegenüber solchen Zwitterwesen ist verständlich, weil fast alle der zu allen Zeiten gültigen Wertmaßstäbe für gute Architektur, wie beispielsweise die Übereinstimmung von Form und Inhalt oder die Einheitlichkeit der Vorne historisch, hinten verglast. Der Neubau der Konstruktionen und Materialien, in einer solKommandantur am Boulevard Unter den Linden in Berlin (Thomas van den Valentyn, 2003). chen Kompromiss-Rekonstruktion nicht mehr erfüllt sind. Der Versuch der Rekonstruktion eines in seiner materiellen Substanz verlorenen Gebäudes mag damit auf der einen Seite eine Verneigung vor der Geschichte und ihren Leistungen sein, auf der anderen aber ist er vor allem der Beweis für die große Furcht unserer Gesellschaft und vieler Architekten vor der Zukunft, gepaart mit einem tiefen Misstrauen in die Leistungsfähigkeit der heutigen Entwerfer.

Gestaltung Alle schönen Strategien und Konzepte nutzen nichts, wenn das Ergebnis des Entwurfs nicht auch und vor allem zu einem formal und gestalterisch überzeugenden Ergebnis führt. Über die Frage, wie viel ursprüngliche Substanz in welchem Zustand in das neue Projekt integriert wird, streiten sich Experten wie die Nachhaltigkeitsverfechter oder die Denkmalpfleger; ob und wie ein Projekt gefällt, ist die Sache von jedem Nutzer und jedem Betrachter. Das Baugesetz hält hier schöne Formulierungen bereit, die einerseits die Freiheit des Geschmacks des Eigentümers und des Gestalters, andererseits das Recht der Allgemeinheit auf eine qualitätvoll gestaltete Umwelt einfordern. Bauordnungen und Gestaltungssatzungen der Gemeinden präzisieren Vorgaben, mit deren Hilfe vor allem eine städtebauliche Verträglichkeit sichergestellt werden soll. Demzufolge ist die Frage, wie sich das Neue zum Alten verhält, ob man den gebauten Eingriff

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sieht oder nicht, ob sich der Architekt vernehmlich zu Wort meldet oder vornehm zurückhält, die für die Öffentlichkeit eigentlich entscheidende Frage überhaupt. Die Möglichkeiten reichen in den Extremen von der weitestgehenden Anpassung bis zur trotzigen Kontrastierung. Jeder Entwurf im Bestand muss sich mit der Frage auseinander setzen, wie das vorgefundene Alte sich mit dem hinzugefügten Neuen verbindet – oder dagegen absetzt. Zu allen Zeiten hat diese Diskussion die Architektur im Bestand am deutlichsten geprägt und auch die entschiedensten Positionen hervorgebracht. Hier wird die Hierarchie bestimmt und festgelegt, ob durch die Gestaltung das Neue sich dem Alten unterordnet oder ob umgekehrt das Neue sich durch auffälliges Design oder Material in den Vordergrund spielt. Anpassung Die Anpassung an das Vorgefundene durch die Fortschreibung mit gleichen Mitteln und Formen ist ein einfacher Weg, Alt und Neu harmonisch miteinander zu verbinden. Wo die gleichen oder ähnliche Konstruktionen, Materialien, Farben und Formen verwendet werden und bei Ergänzungsbauten Volumen, Trauf- und Gesimshöhe oder auch die Dachform dem Bestand angenähert werden, entstehen wenig Konflikte – aber auch wenig Spannung. Hier geben geringfügige Abweichungen vom Original der Gegenwart den erforderlichen Spielraum sich auszudrücken. Gerade in den letzten Jahren ist das Bedürfnis spürbar gewachsen, ein vorhandenes Gebäude in der Weise weiter zu entwickeln, dass auf der einen Seite die Strukturen, Ideen und vielleicht auch die Proportionen des alten Entwurfs weitgehend übernommen werden, auf der anderen Seite aber durch feinfühlige Modifikation eben dieser Grundlagen dennoch etwas Eigenständiges und Neues entsteht. Der neue Entwurf unterscheidet sich dann vom Bestand nicht durch den deutlichen Kontrast, sondern durch die subtile Differenzierung. Holz bleibt Holz, aber die Holzart wechselt. Durch eine einfühlsame Auswahl der Materialien und Gestaltungsmittel gewinnen die neuen Bauteile Resonanzfähigkeit. Durch die Anpassung an die handwerkliche Qualität des Bestandes entsteht ein subtiler Dialog zwischen Neu und Alt: ein Wispern der Gegenstände, das die Selbstverständlichkeit des Vergehens der Zeit durch fortgesetzte Erneuerung beschreibt. Das Aufgreifen von Traditionen der Materialverwendung oder regionaler Gestaltungsmittel und

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Angepasstes Weiterbauen in handwerklicher Tradition Landhauserweiterung für eine Schwimmhalle GB-Spexhall Manor Bauherr: privat Architekt: Purcell Miller Tritton Das Landhaus stammt im Kern aus dem 17. Jahrhundert und wurde 1908 grundlegend überformt. Nach einem Besitzerwechsel sollte es an die geänderten Lebensgewohnheiten und modernen Nutzungsanforderungen angepasst werden. Dazu gehörte vor allem die Schaffung eines ausgedehnten Freizeitbereichs mit Schwimmhalle. Die Entscheidung zugunsten einer dem vorgefundenen Bestand angepassten Architektur führte gleichsam zu einer Verdoppelung des alten Hauses in Kubatur, Material und Verarbeitung. Der flüchtige Besucher erkennt nicht sofort, dass Teile der Anlage neu sind. Dafür sorgt auch die konsequente handwerkliche Ausführung auf der Grundlage einer bis in die Einzelheiten gehenden Werkplanung.

Außenansicht der Schwimmhalle mit dem alten Haus im Hintergrund.

Das historische Landhaus.

Fassadenzeichnung des alten Landhauses mit dem Ergänzungsbau.

Innenraum des Neubaus mit Sitzgruppe und Schwimmbad.

Detail der Werkplanung.

Gebaute Kontinuität Auswärtiges Amt in der ehem. Reichsbank, 1940/1999 D - Berlin Bauherr: Bundesrepublik Deutschland Architekt: Hans Kollhoff/Helga Timmermann

Der Weltsaal nach dem Umbau.

Das Gebäude der ehemaligen Reichsbank wurden 1933 bis 1940 von Heinrich Wolff errichtet und gediegen prunkvoll ausgestattet. Den Zweiten Weltkrieg überstand der Bau in der Mitte Berlins ohne wesentliche Schäden und wurde von der DDR neu ausgestattet und weiter genutzt. Nach 1989 wurde der ideologisch motivierte Abbruch erwogen, bevor die Entscheidung für den Ausbau zum Auswärtigen Amt fiel. Die Planung respektiert die Grundstrukturen des Hauses, reduziert die Nutzungsphase der DDR weitgehend und knüpft mit einer konservativ-gediegenen Ausstattung in hoher handwerklicher Qualität an die Gestaltung des Ursprungsbaus an, ohne sie doch im mindesten zu imitieren. Die Weiterentwicklung des Bestands im Geiste der Gegenwart leitet den Entwurf.

Die Poströntgenstelle als Ergänzungsbau im Innenhof.

Grundriß der Gesamtanlage. Das Foyer.

Die Eingangshalle der Nationalsozialisten 1945.

Die Eingangshalle der DDR 1989.

Die Eingangshalle der Bundesrepublik Deutschland 2000.

Typologien muss durchaus nicht heimattümelnd sein, sondern kann auch eine Grammatik vorgeben, aus der eine neue Architektur entsteht. Der Rückgriff auf und die Fortführung von Traditionen haben zudem den Vorteil, dass sie sich harmonisch mit dem Bestand verbinden und keine baukonstruktiven oder bauphysikalischen Brüche erzeugen. Darüber hinaus stärken sie regionales Selbstbewusstsein und können ganze Branchenzweige neu beleben, wie beispielsweise die Vorarlberger, die Graubündner oder die norwegiDer Sainsbury Wing der National Gallery in London sche Architekturschulen der achtziger und setzt die Architektur des Vorgefundenen fort und interpretiert sie zugleich neu (Robert Venturi, 1991). neunziger Jahre bewiesen haben. Diese Art von Anpassung kann sich durchaus weit von ihrem Vorbild lösen, indem sie nur ausgewählte Aspekte übernimmt. Die Anpassung birgt allerdings auch Risiken. Der Glaube, neue Bauteile könnten vollständig mit dem Originalbestand übereinstimmen und durch die Anpassung sei die Qualität automatisch garantiert, muss fehl gehen. Die allzu genaue Übernahme kann auch in Geschichtsfälschung oder in eine gestalterische Leere münden. Auf der anderen Seite kann ein allzu beliebiger Anknüpfungspunkt ebenso inhaltsleer wirken. Gerade bei der Anpassung besteht die Kunst im Abwägen und darin, die modernen Mittel einfallsreich zu verwenden. Vereinheitlichung Ein historisch gewachsenes und verändertes Gebäude ist fast immer vielfältig und oft auch höchst uneinheitlich. Mancher Architekt und Bauherr schätzt gerade diese Eigenschaft und macht sie zum Ausgangspunkt des Entwurfs. Die forcierte Präsentation oft tatsächlich nichts sagender baugeschichtlicher Fragmente hat aber in den zurückliegenden Jahren auch zum Überdruss an der Vorführung gewachsener Vielfalt geführt und eine Gegenbewegung hervorgerufen, welche die Spuren unterschiedlicher Epochen in den Hintergrund drängen und das Gesamtwerk als formal einheitliches Gesamtwerk präsentieren möchte. Ähnlich wurden in den siebziger Jahren viele spielerische und farbenfrohe Experimente der fünfziger

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zugunsten eines kubischen und einheitlichen Eindrucks neu verputzt und in gedeckten Farben gestrichen. Immer dann, wenn der Zeitgeist die großen Formen und Gesten schätzt, wird der Baubestand durch eine gestalterische Zusammenfassung in Farbe oder Material vereinheitlicht. Die farbige Fassung von tatsächlich stark veränderten und in ihrer Stofflichkeit sehr verschiedenartigen Wänden durch einen zusammenhängenden Anstrich oder eine Lasur gleicher Farbe ist ebenso eine Möglichkeit wie die durchgängige Verkleidung der vorgefundenen Raumschale mit einer neuen Wandschicht. Hinter dieser Schicht bleibt der Bestand unverändert und ohne zusätzliche Investition erhalten. Das Neue gehorcht seinen eigenen Gesetzen. Gestalterisch, konstruktiv und konservatorisch hat diese Lösung viele Vorteile. Ob Der Traumbaum-Kindergarten in Berlin erhielt durch die neue Schicht eine schlichte Gipsden phantasievollen Einbau ein vollständig neues Gesicht (Baupiloten, 2003). kartonwand oder ein aufwändig gestaltetes Kunstwerk ist, bleibt im Innenraum wie bei der Überarbeitung der Fassade dem gestalterischen Vermögen des Entwerfers überlassen. Die gestalterische Vereinheitlichung bietet sich überall dort an, wo der Lauf der Geschichte einen mäßig bedeutenden Baubestand durch Zu- und Umbauten zu einem gestalterisch beliebigen Durcheinander hat werden lassen. Hier muss man sich hüten, auf die gewachsene Vielfalt mit der gleichen Vielfalt planerischer Mittel zu reagieren. Die Umfassadierung historischer Bauten hat die Architekten zu allen Zeiten besonders intensiv beschäftigt. Das Gesicht des Hauses wurde und wird auch dann umgestaltet, wenn sich im Inneren nur wenig ändert. Waren in historischer Zeit die Neuordnung der unregelmäßig aus der Fläche geschnittenen Fenster und eine übergreifende gesamtheitliche Fassadengliederung das wesentliche Anliegen solcher Maßnahmen, so ist heute neben der Steigerung der Energieeffizienz vor allem die klare und individuelle Wahrnehmung und eine zeitgemäße Gesamterscheinung das

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Bauziel. Und wieder ist es die Anordnung der Fenster – symmetrisch oder bewusst frei komponiert –, welche die weitesten Gestaltungsspielräume eröffnet. Wo die Vereinheitlichung unterschiedlich gewachsener Bauten durch die bloße Umgestaltung der Fassade nicht zum Ziel führt, erreicht die bauliche Zusammenfassung mehrerer Bauten durch vollkommen neu errichtete Fassaden oder alle Bauteile übergreifende Dächer dieses Ziel. Die alten Strukturen verschwinden vollständig hinter den neuen Bauteilen. Hier können sie vom Grundsatz her ohne wesentliche Änderung weiter genutzt werden. Durch die Neuordnung entstehen in aller Regel zugleich neue Räume, welche die Funktionalität des Gebäudes – besonders im Bereich der Erschließung – verbessern können. Neben der formalen Vereinheitlichung Das Haus der Presse von Wolfgang Hänsch (1961) in eines Gebäudekomplexes ist auch die Dresden. Einst ein Avantgardebau der DDR, jetzt mit bedruckten Glasplatten umfassadiert Rekonstruktion eines historischen (Martin Seelinger, 2003). Zustands, den das Bauwerk in seiner Geschichte durchlebt hat, ohne Zweifel eine Vereinheitlichung. Die Rekonstruktion eines älteren, häufig des ersten, für ursprünglich gehaltenen Erscheinungsbildes ist deswegen beliebt, weil sie dem Bauwerk einen hohen Wiedererkennungs- und Sympathiewert verleiht. Ein solches Bauziel ist leicht benennbar, führt zu deutlich sichtbaren Ergebnissen und erfreut sich für gewöhnlich hoher Anerkennung in der Öffentlichkeit. Manche Rekonstruktionen werden sogar mit Unterstützung der Denkmalpflege durchgeführt. Ziel solcher Rekonstruktionen ist im städtebaulichen Maßstab die historisierende Wiederherstellung von „beeinträchtigten“ Stadtbildern und in der Beschäftigung mit dem Einzelbauwerk die Reproduktion des Verlorenen oder die Glättung von gestalterischen Brüchen. Alle diese Entscheidungen beseitigen die vielfältigen, oft gewiss auch schmerzlichen historischen Schichten und erzeugen durch die Rekonstruktion ein Kunstprodukt, das so tut, als hätte es nie eine Entwicklung

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gegeben und als sei die Zeit still gestanden. In beiden Fällen wird ein erfahrener Baumeister gebraucht, der sich den historischen Vorgaben unterordnet, kein kreativ planender Architekt. In der Auseinandersetzung mit dieser Art von vereinheitlichender Rekonstruktion zeigt sich der Konflikt zwischen dem auf einen einzelnen historischen Moment und eine einzige Leistung gerichteten Interesse auf der einen Seite und der Betrachtung von Entwicklungen und geschichtlicher Abfolge auf der anderen. Architektur bezeugt durch ihre oft erstaunlich lange Lebensdauer und Wandlungsfähigkeit beides. Ihre Botschaft liegt in ihrer Bildwirkung ebenso wie in der Bausubstanz. Die Rekonstruktion beachtet nur noch die Momentaufnahme, das einheitliche und ästhetisch geschlossene Bild und gerät dadurch allzu oft in Konflikt mit der veränderlichen Wirklichkeit. Fragmentierung Seitdem Carlo Scarpa mit seiner genialischen Inszenierung des Museums Castelvecchio in Verona im Jahr 1964 das gestalterische Potenzial des bauhistorischen Befunds thematisiert hat, ist die bewusste Fragmentierung und Sezierung des Bauwerks in seine gewachsenen Einzelelemente eine, über lange Zeit sicher die wichtigste Möglichkeit, das Historische ganz bewusst zum Thema des Entwurfs zu machen. Die historische Analyse für die architektonische Gestaltung nutzbar zu Das Café Silberstein in Berlin. Die Wandmalerei der machen kann einen Entwurf mit Bedeutung zwanziger Jahre ist freigelegt und im übrigen unverändert belassen. Der Raumeindruck lebt aus dem aufladen, zur Entwicklung ganz individuelKontrast zwischen Alt und Neu. ler Lösungsansätze führen und ein vielfältiges Bezugssystem bilden. Die tatsächliche Zerlegung des Baubestands ist ein beliebter Ausgangspunkt für einen Entwurf, der das Fragmentarische thematisiert. Manchmal reicht es in diesem Sinne schon aus, die letzte Schicht aus Tapeten und Fassungen zu entfernen, um dem Betrachter ein Fenster in die Geschichte zu öffnen. Meist findet man auf der verputzten Wand die Reste aller jener Wandgestaltungen, die vor dem Zeitalter der Raufasertapete geläufig waren: Schablonen- und Wickelmuster, gemalte Holzpaneele oder Wandfelder – alles durch

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jüngere Installationen beschädigt oder gar zerstört. Und gerade dieser Zustand fasziniert die Menschen offensichtlich. Im Ladenbau und in der Gaststätteneinrichtung hat diese Art des Sich-interessant-Machens in den zurückliegenden Jahren eine Beliebtheit gewonnen, die nachgerade unheimlich ist. Die konkrete inhaltliche Botschaft solcher Präsentationen geht in aller Regel über das Ausrufezeichen „Ich bin hier!“ nicht hinaus, weil eine bewusste Aufbereitung der Bedeutung des fragmentierten Befunds fehlt–und wohl auch nicht wirklich interessiert. Wo die Suche unter den Tapeten zu nichts Vorzeigbarem führt, fällt oft der Putz. Zum Vorschein kommt die rohe Wand aus Backstein, Beton oder Naturstein, die fast immer die deutlich lesbaren Spuren von Umbauten und Veränderungen zeigt. Was man dann freilich lesen kann, ist eine andere Frage. Obwohl der Aufwand immer erheblich ist, die sandenden Fugen einer freigelegten Wand rieselfrei zu machen, die so niemals zu sehen sein sollte, sind solche Einblicke in den Rohbau über Jahrzehnte eine Attraktion geblieben. Die Werke von Scarpa, Carmassi oder Canali, und nach ihnen seit den neunziger Jahren einer Vielzahl weiterer Architekten, ist ohne dieses Gestaltungsinstrument nicht denkbar. Vor allem Massimo Carmassi ist hier ein Meister, aus dem willkürlich zurückgebliebenen RohbauDurcheinander ein spannungsvolles Nebeneinander von zerbrochenem Fragment, delikat gestalteter Oberfläche und kunstvoll entworfenem NeuDas alte Bauernhaus in Lans wird durch entschiedene Eingriffe neu inszeniert (Martin Scharfetter, 2004).

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bau und Neueinrichtung zu gestalten. Es kommt hier nicht darauf an, dass sich die dem Betrachter darbietende Situation irgendwie inhaltlich erklärt, sondern auf das Staunen, welche Überraschungen das alte Haus bietet und welcher Abstand zwischen dem fertigen „Heute“ und dem gebrochenen „Früher“ besteht. Dieser Abstand ist aus nahe liegenden Gründen nur wahrnehmbar, wenn immer und überall beides nebeneinander zu finden ist. Die bildreiche Gesamtlösung wird folglich notwendigerweise mit großer Unruhe im Detail erkauft. Es versteht sich von selbst, dass der so angestrebte Effekt um so deutlicher wird, je größer der Unterschied ist. Die Vielfalt des historischen Gebäudes in Material, Oberfläche und Farbe ist in der Regel schon für sich genommen interessant. Wo der Entwurf Neues hinzufügt – als Baukörper, Bauteil oder Element –, soll sich die Fortschreibung deswegen ganz bewusst vom Bestand absetzen. Ist der alte Putz rau, muss der neue glatt sein; ist die alte Treppe aus Holz, muss die neue aus Stahl gebaut werden. Ist das Neue fertig und funktionstauglich, so muss das Alte zerbrochen und gleichsam verbraucht und ungenügend erscheinen. Damit läuft diese Haltung häufig – bewusst oder unbewusst – auf eine faktische Abwertung des Alten im Vergleich zum Neuen hinaus. Folgerichtig bleibt in vielen solchen Entwürfen vom einst vollständig erhaltenen Altbau nur noch ein einzelnes pittoreskes Vorzeigestück übrig. Der ursprüngliche Ausgangspunkt, das Gebäude als wertvoll zu zeigen, schlägt ins Gegenteil um. Das Interesse der Inszenierung gilt in Wirklichkeit nicht dem alten Gebäude als integralem Ganzem, sondern seiner verblassenden Erinnerung. Die Haltung unterstellt zugleich, dass das Alte nicht genügend Eigenwert aus sich selbst heraus hat, so dass erst die Umwertung und deren Integration in einen ganz anderen Entwurf zu einem interessanten Gesamtbild wird. Auch die renommiertesten Vertreter dieser Richtung haben mit der Fragmentierung des alten Bauwerks im übrigen nicht als Denkmalpfleger gedacht oder gehandelt. Im Gegenteil: Dem konsequenten Denkmalpfleger müssen in Castelvecchio ebenso wie im Diözesanmuseum in Eichstätt die Haare zu Berge stehen, wenn er die willkürlichen und rigorosen Eingriffe in den intakten Bestand sieht. Vom ehrwürdigen Schlossgebäude in Verona blieben nicht viel mehr als die Außenmauern übrig und die schadensfreie und durchaus taugliche Holzkonstruktion der Diözesanscheune in Eichstätt hätte ohne jeden Zweifel auch so, wie Karljosef Schattner sie vorgefunden hat, ganz ausgezeichnet als Museum dienen können – die kunstreiche Unterspannung der

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abgesägten Pfosten ist eine gestalterische, keine funktional erforderliche Entscheidung gewesen. Auf die Analyse stützt sich auch das didaktische Gestalten, das den Wert der Bausubstanz und ihre historischen Bezüge und die Bedeutung der Zeit vermitteln will, indem es die Geschichtsspuren ganz systematisch erfasst und zum Leitthema des neuen Entwurfes macht. Die Aussicht, hier das Individuelle des historischen Gebäudes lesbar zu machen und so dem Bauwerk eine sichtbare, zugleich historische und soziale Dimension zu geben, ist höchst verlockend: Viele Bauherren kaufen alte Häuser genau aus diesem Grunde. Und der Aufwand dafür ist oft niedrig. Als funktionslose Dekoration haben interessante Baubefunde vielfach schon die „Kunst am Bau“ verdrängt und erfreuen sich in der Öffentlichkeit allgemein großer Beliebtheit. Als Fenster in die Geschichte sind Baubefunde – sichtbar belassen oder zur gelegentlichen Präsentation versteckt – ein Anziehungspunkt nicht nur für Touristenführungen, sondern auch und vor allem für die Nutzer. Als restauratorisches Präparat befriedigen Baubefunde zugleich die Sehnsucht nach einer unbewusst verherrlichten Geschichte und einer originellen Raumgestaltung. Und was in der Inszenierung der Rohbaubefunde den Beifall der Öffentlichkeit fand, lässt sich in bewährter Weise auch auf der verputzten Wand fortsetzen. Im Fassadenbereich haben insbesondere polnische Restauratoren schon in den sechziger Jahren das bauarchäologische Präparat zur gestalterischen Leitidee erhoben und damit den forschenden Blick in die Hausgeschichte nobilitiert. Auch wenn man diese forcierte Strategie heute sicher mit einiger Skepsis betrachten muss, so steht doch außer Zweifel, dass bauarchäologische Befunde in der Fassade, dezent und maßvoll einUnter dem Putz des Hauses in Spandau verbergen sich zahlreiche Baubefunde aus spätmittelalterlicher Zeit.

Die Geschichte des Hauses Koberg 2 in Lübeck verschwindet hinter einer Klappe. Interessierte gibt es immer.

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Bewusste Verfremdung: Über dem römischen Mosaik windet sich die moderne Treppe im Franziskanerkloster Porec nach oben. Die durchgebrochene Bruchsteinwand ist schwarz gestrichen.

Der Ratssaal in Perchtoldsdorf bewahrt oben seine historische Gestaltung und wird unten durch moderne Einbauten und modernes Mobiliar charakterisiert (Hans Hollein, 1976).

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Die alten Dachplatten der Pfarrkirche St. Valentien am Forst werden in künstlerisch gestaltender Weise auf dem Erweiterungsflügel neu verlegt, um den Zusammenhang zwischen Alt und Neu zu dokumentieren (Reinhard Gieselmann, 1992).

gesetzt, in der Öffentlichkeit einen hohen Sympathiewert besitzen. Eine weitere Spielart der fragmentierenden Inszenierung ist die bewusste Verfremdung. Der vorgefundene Bestand bleibt in seiner materiellen Substanz erhalten, wird aber durch eine provozierende Behandlung der Oberfläche oder des baulichen Zusammenhangs so sehr in seiner Botschaft verändert, dass daraus eine neue Qualität entsteht. Über die kontrastreiche Gestaltung hinaus erreicht man durch eine bewusste Veränderung des Grundmusters die formale Differenzierung von verschiedenen Bauphasen und dem Neuen, die dann den Wandel ausdrückt. Die Fragmentierung erweist in dieser Widersprüchlichkeit einer Gesellschaft Reverenz, welche ihr geschlossenes Weltbild verloren hat und – wie im

Chaos im Rathaus Rathausumbau und -erweiterung, 1999 NL-Utrecht Bauherr: Stadt Utrecht Architekt: Enric Miralles Das Rathaus von Utrecht hat tief in das Mittelalter zurückreichende Wurzeln und eine vielfältige Baugeschichte. Die Erweiterung der Verwaltung in die benachbarten Häuser hinein machte eine funktionale Neuorganisation erforderlich. Grundlage war die ausführliche Substanzuntersuchung. Ein neuer Ratssaal wurde im Obergeschoss des Altbaus geschaffen, die Erschließung vollständig neu geordnet. Das Entwurfskonzept lebt vom inszenierten Kontrast und der immer wieder neu gestalteten Überraschung. Das gilt für den weitgehenden Abbruch und fragmentarischen Neuaufbau des Nordflügels ebenso wie für das Foyer und die Sitzungsräume. Material, Farbe, Gestaltung und Innenarchitektur bilden immer wieder den gewollten und bewussten Gegensatz zu dem vorgefundenen Alten.

Gesamtansicht nach dem Umbau.

Das Foyer mit wie zufällig über die Wände verstreuten Bildern.

Im Besprechungsraum werden die Reste der historischen Ausstattungen mit scheinbar regellos angeordneten modernen Elementen konfrontiert.

Bauphasenplan als Grundlage des Umbauprojekts.

Vortragsraum im Monumentalbau Ausbau der Arkaden der Nuevos Ministerios, 1940/2004 E-Madrid Bauherr: Ministerio de la Vivienda Architekt: Jesús Aparicio Guisado und Héctor FernándezElorza

Der Vortragssaal als neuer Bauteil zwischen den alten Wänden.

Der im Monumentalstil der Franco-Zeit errichtete Ministeriumsbau sollte in dem eingeschossigen Galeriebau einen vielfältig nutzbaren Vortragsraum erhalten. Das Projekt versucht, den vorgefundenen Bestand zu respektieren und dem in seiner Architekturhaltung nicht unproblematischen Bau eine eigenständige moderne Lösung entgegen zu stellen. Die Neubauteile lösen sich vom Bestand und unterscheiden sich vom unregelmäßigen Alten durch glatte Oberflächen und bewusst gesetzte Fugen. Der Raum zwischen Bestand und Einbau wird zugleich als Installationsschacht und Klimadämpfer genutzt. So ergänzen sich technische Anforderungen und gestalterisches Konzept.

Gesamtansicht des Baus von 1940.

Der neue Eingang löst sich vom monumentalen Bestand.

Der glatte Neubau kontrastiert mit dem Altbestand.

System-Längsschnitt mit Scherenbühne und Projektionskanzel.

Dekonstruktivismus – ein reflektiertes Bewusstsein der Splitterhaftigkeit und Zufälligkeit der Welt an dessen Stelle setzt. Auch das ironische „Fälschen“ von Befunden, wie die „Freilegungen“ Karljosef Schattners im Ulmer Hof gehören hierher. Sie zeigen die Flexibilität der Verfremdung, mit der sich die unterschiedlichsten Stimmungslagen verbildlichen lassen. Manche Entwerfer gefallen sich in der spielerischen Faltung alter und neuer Schichten, um ein kompliziertes Abbild der Wirklichkeit in Architektur auszudrücken. Ein wirkungsvolles Vexierspiel ist das Vertauschen von Außen und Innen. Was sich bei vielen Erweiterungen von selbst ergibt und damit das Wachsen eines Hauses verdeutlicht, wird beispielsweise im Frankfurter Architekturmuseum von Oswald Mathias Ungers zu einem tiefen Nachdenken über die Architektur selbst. Fügung Die Fügung bestimmt, ob im Verhältnis zwischen dem Alten und dem Neuen der Altbestand als tragend oder getragen wahrgenommen wird. Durch die Fügung wird die eigene Haltung zum Bestand und zur Geschichtlichkeit der Architektur direkt lesbar ausgedrückt. Hier entscheidet sich, ob die Integration gelang, der Ton getroffen wurde, oder ob ein Bezug missverständlich und eine Anspielung hohl geraten ist. Grundsätzlich sollte man sich darüber im Klaren sein, dass der Gesamtentwurf um so überzeugender sein wird, je mehr die für die Fügung von Altem und Neuem angewendeten Grundsätze sich in der Gestaltung der beiden Bauteile selbst wieder finden lassen. Weder Schattenfugen noch Materialwechsel sind Gestaltungsvarianten, die wahlweise nur für den Altbau oder den Neubau in Betracht gezogen werden können. Das gilt im Großen in der Gebäudekomposition, wenn beispielsweise zwischen den Altbau und die Erweiterung bewusst ein vermittelnder, funktional meist nicht zwingender Zwischenbau eingefügt wird, wie im Kleinen, wenn verschiedenartige Materialien mit der berühmten Schattenfuge aufeinander stoßen. Die Konstruktionsfuge als solche ist selbstverständlich unverzichtbar. Neue Bauteile arbeiten anders als die zur Ruhe gekommenen alten. Und doch macht es einen erheblichen Unterschied, ob man das Aufeinandertreffen der verschiedenen Zeiten bewusst inszeniert oder stillschweigend geschehen lässt. Die Fuge ist damit in fast allen Entwürfen im Bestand der bildhafte Ausdruck für die Bipolarität zwischen Alt und Neu, stellt den gleichsam

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unüberbrückbaren Graben zwischen Vergangenheit und Gegenwart dar. In dieser Funktion verlangt die Gestaltung der Fuge besondere Aufmerksamkeit und eine hohe gestalterische Qualität. Was für den Umgang mit dem alten Bestand gilt, ist auch für die Komposition von Ergänzungs- und Erweiterungsbauten mit älteren Bauteilen tragfähig. Kontrast und Inszenierung sind auch dort ein gängiges Gestaltungskonzept, wo es nicht um die konkreten materiellen Spuren des geschichtlichen Gewachsenseins geht. Ist der Altbau vielfältig und geschmückt, wird ein schlichter und schmuckloser Neubau angefügt. Wo der Altbau groß ist, duckt sich der Neubau dahinter – oder überragt ihn ganz bewusst. Wenn das alte Haus ein geneigtes Dach hat, erhält die Erweiterung ein Flachdach; ist das vorgefundene Haus in Fachwerkbauweise Der umfangreiche Neubau des Teyler-Museums in errichtet, wird die Erweiterung in Naturstein Haarlem ist mit dem Altbau durch einen schmalen Glaskorridor verbunden, der nur punktuell an den oder Sichtbeton gebaut – und so fort. Bestand anbindet (Hubert-Jan Henket, 1994). Die Trennlinie zwischen zwei Bauteilen unterschiedlicher Entstehungszeit wird von sehr vielen Architekten durch die auch optisch gut wahrnehmbare Glasfuge betont. Wo vergangene Zeiten, die Glas in unserem Sinne technisch noch nicht kannten, die Mauerwerke verschiedener Bauteile mühsam verzahnten, wird der Übergang heute auf eine – nach Möglichkeit sogar rahmenlos eingestellte – Verglasung reduziert. Die durchsichtige Fuge zeigt dem Betrachter den historischen Vorgang der Erweiterung und des Wachsens; technisch kann der Glasstreifen zugleich alle Fragen der thermischen Dehnung lösen. Wo im Innenraum ein Klimaabschluss zwischen Alt und Neu nicht erforderlich ist, reicht vielen Entwerfern auch der einfache Rücksprung oder die reine Lücke als Darstellung des Übergangs und Vermittlung zwischen Altem und Neuem aus. Wo das nicht geht, ist das scheinbar materielose Glas für diese Absicht ohne Zweifel der am besten geeignete Baustoff. Glas zwingt nicht zur

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Die neue Erschließung des Pfarrzentrums Klingenmünster setzt sich formal bewusst vom historischen Bestand ab und löst den Übergang durch eine Glasfuge (Auer/Cramer/Frotscher, 1995).

Stellungnahme oder gestalterischen Positionierung. Den gestalterischen Zweck erreicht man aber auch mit dem Wechsel zu einem anderen Material oder dem bewussten Unterschied der Oberflächengestaltung. Der handwerklich aufgebrachte Putz des alten Gebäudes ist sicherlich uneben und rau. Davon hebt sich ein sauber verdichteter Sichtbeton ebenso deutlich ab wie ein gestrichenes Metall oder eine geschliffene Holzoberfläche. Selbst der Wechsel von einem Rauputz zu Glattputz verdeutlicht, wo die beiden Bauteile aneinander stoßen. In der Denkmalpflege wird seit vielen Jahren die Ergänzung vom Originalzustand dadurch unterschieden, dass der neue Mörtel farbig eingefärbt wird. Darüber hinaus wird in der Tradition italienischer Restaurierungstheorie der Ergänzungsputz „sotto livello“, also etwas weniger stark und damit unterhalb des Originalputzniveaus eingebaut. Solche Niveauunterschiede haben sich auch in der Architektur bewährt. Die einfache und formgleiche Fortführung der vorgefundenen Fluchten und Oberflächen gelingt nur selten mit befriedigendem Ergebnis. Entschiedene Vor- oder Rücksprünge, Überkragungen und die versetzte Anordnung neu angefügter Baukörper führen in der Regel zu besseren Resultaten.

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Organisierte Übergänge The British Museum, Queen Elizabeth II Great Court, 2003 GB-London Bauherr: The British Museum Architekt: Sir Norman Foster Übersichtsphoto der Gesamtsituation.

Die Einbeziehung des Lichthofes in den Museumsrundgang mit einer zusätzlichen Besucherebene, Treppenaufgängen und dem Glasdach konfrontiert den vorgefundenen Bestand immer wieder mit Neubauteilen. Diese Fügungen sind nie zufälliges Ergebnis von bautechnischen Erfordernissen, sondern folgen immer einem einheitlichen Gestaltungskonzept: Die Fuge wird bewusst organisiert, sei es als Glasbrücke zwischen dem Altbau und der Rotunde, sei es als Glasband zwischen zusätzlicher Decke und Altbau, sei es als metallgefasste Fuge zwischen Baukörper und Treppe. Sie wird am Altbau genauso eingesetzt wie in der Neugestaltung. Selbstverständlich ist auch das Glasdach auf Abstand gesetzt: Das Entwurfsprinzip wird durchgängig angewendet.

Die Besucherebene ist mit einer Glasfuge an den Altbau angeschlossen.

Der neue Boden hält durch eine kleine Fuge Abstand zum Altbestand. Die Glasbrücke verbindet die Rotunde mit den Ausstellungsräumen.

Die Schattenfuge gehört seit alters her zu den bewährten architektonischen Gestaltungsmitteln. Es versteht sich von selbst, dass diese Möglichkeit auch und gerade in der Fügung zeitlich unterschiedlicher Bauteile eine besondere Rolle hat. Keine andere Lösung trennt so klar und verbindet doch gleichzeitig so selbstverständlich. Die Inszenierung der Fuge wird dort fragwürdig, wo der gestalterische Aufwand in ein Missverhältnis zum baulichen Anlass gerät: wo ein kleiner Anbau mit einer enormen Fuge mit einem Einfamilienhaus verbunden wird oder die Glasfuge nur zu einem belanglosen Bauteil überleitet. Aus einer zukünftigen Perspektive werden diese aufwändig gestalteten Fugen auch deshalb übertrieben wirken, weil durch die Alterung Der Neubau der Sackler Galleries der Royal Academy und weitere Veränderungen das einstmals of Arts in London läuft mit einer Glasfuge im FußboNeue schließlich zu dem nur noch ver- den an das alte Gebäude an. Die Fassade bleibt in ihrem Zusammenhang lesbar (Norman Foster, 1991). gleichsweise etwas weniger Alten wird. Selbstverständlich braucht auch die Durchdringung dort, wo der Altbau mit dem Neubauteil zusammentrifft, eine Fuge. Sie wird hier aber nicht zum gestalterischen Hauptthema, sondern zur dienenden konstruktiven Lösung. Die Durchdringung hat schon aus dem Konzept heraus etwas Aneignendes und alle Entwürfe, die sich dieser Möglichkeit bedienen, stellen diese Absicht auch deutlich heraus. Sofern der Aneignung etwas Zerstörendes eignet, ist die Nähe zur Fragmentierung nicht zu übersehen. Handelt es sich dort aber um eine eher situationsbezogene Inszenierung des Einzelbefunds, so führt die Durchdringung zur bewussten Verfremdung des vorgefundenen Konzepts. Der Gegensatz in Material und Form wird dann gleichsam zur Pflicht und das Bild der Veränderung, welches das Fragment dem Betrachter bietet, wird hier zu deren lesbarem Prozess. Absichtsvoll wird die Verfremdung dort eingesetzt, wo sich die Gegenwart bewusst von der Vergangenheit absetzen will. Die Brechung der monolithischen Konstruktionen der nationalsozialistischen Bauwerke durch kon-

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Pfahl im Fleisch der NS-Architektur Dokumentationszentrum ehem. Reichsparteitagsgelände, 2001 D-Nürnberg Bauherr: Stadt Nürnberg Architekt: Günther Domenig Das Kongressgebäude auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg blieb nach dem Zweiten Weltkrieg über Jahrzehnte eine Bauruine. Das Ende der neunziger Jahre geschaffene Dokumentationszentrum thematisiert die Widersprüchlichkeit des ideologisch belasteten Ortes Gesamtansicht mit Eingangssituation. durch eine exakt konstruierte, gleichzeitig auch bizarre Konstruktion, die den Bestand diagonal zerschneidet. Das Artifizielle des Neubaus kontrastiert mit dem unfertigen Bau der Nationalsozialisten. Brüche sind gewollt und werden überspitzt. Axonometrie der Gesamtanlage mit den Neubauteilen.

Durchdringung von Altbau und Neubauteil im Innenraum.

Querschnitt durch den Neubauteil.

trastreiche und brutal einschneidende Durchdringungen scheint erst die politisch korrekte Weiternutzung möglich zu machen. Auch die sich über Jahre hinziehende buchstäbliche Zerlegung des Palastes der Republik in Berlin gehört in einen ähnlichen Zusammenhang. Der gestalterische Beitrag bestand hier in der inszenierten Demontage als Gegenbild zur plötzlichen Sprengung des Stadtschlosses. Wenn die architektonische Inszenierung ihren Ursprung im Theater hat, so ist der architektonische Event ihre konsequente Weiterentwicklung. Zu der formalen Fragmenthaftigkeit kommt damit eine zeitliche hinzu, die dem Wesen der Architektur lange Jahrhunderte fremd war.

Die Oberfläche der ergänzten Mauerwerkspartien bleibt ein wenig hinter dem Originalbestand zurück („sotto livello”) und dokumentiert so für den Betrachter augenscheinlich den Unterschied von Original und Ergänzung und damit den Zeitablauf.

Literaturhinweise Eine zusammenhängende Entwurfslehre für die Architektur im Bestand gab es bisher nicht. Zuletzt haben Brooker/Stone eine stark auf das Ästhetische gegründete Darstellung vorgelegt und Linhardt mit seiner Darstellung für den Umbau von Wohnhäusern Teilaspekte bearbeitet. Die Bedeutung des Themas haben vor allem jene zahlreichen Autoren unterstrichen, die in den zurückliegenden Jahren immer wieder unterschiedlich umfangreiche Beispielsammlungen (Herbers, Lerch, Powell, Schittich, Schleifer, Simon) vorgelegt haben, welche teilweise mit umfangreichen Einführungsessays zur allgemeinen Bedeutung des Themas und den gesamtgesellschaftlichen Voraussetzungen beginnen (Mastropietro, Spital-Frenking, Thiébaut, Walz). Die Wüstenrot Stiftung hat mit ihren beiden Gestaltungswettbewerben der Jahre 1999 und 2006 das Feld erstmals systematisch bearbeitet und die Ergebnisse um grundsätzliche Essays vermehrt in gedruckter Form vorgelegt. Zum Thema „Umbau“ haben Gutschow/Zippel schon 1932 eine grundsätzliche Betrachtung vorgelegt, die freilich keine Folgewirkung zeitigte. Meyer-Bohe hat den Komplex der Erweiterungen behandelt. Hoesli und die Smithsons haben ihre Überlegungen an abgelegener Stelle publiziert.

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AUSFÜHRUNGSPLANUNG Questa immagine di memoria conservata, da proteggere è per me la misura di riferimento.* Ein großartiger Neubauentwurf mag durch ein überzeugendes Gesamtkonzept einzelne Schwächen in der Ausführungsplanung überdecken. Im Bestand ist es dagegen gerade die Detail- und Werkplanung, die das Gesamtergebnis wesentlich bestimmt und charakterisiert. Alle berühmten Architekten von Karl Friedrich Schinkel bis Carlo Scarpa, von Michelangelo bis Sir Norman Foster haben das immer wieder eindrucksvoll bewiesen. Das richtige Maß zwischen notwendiger und gebotener Anpassung und gewollter eigenständiger Position zu finden, ist eine der großen Herausforderungen im Bestandsentwurf. Hier entscheiden sich Erfolg und Scheitern und leider ist es allzu oft der Unwillen, sich mit dieser bisweilen ungeliebten Planungsebene so ausführlich zu beschäftigen, wie es die Sache fordert, die einen ambitionierten Entwurf ins Mittelmaß zurückstößt. Solche Misserfolge lassen sich eigentlich leicht vermeiden, wenn man eine begrenzte Zahl von Grundsätzen beherzigt, die dem Entwurfsprozess und der Bauausführung im Bestand eigen sind.

Andrea Bruno

Voraussetzungen Aufbauen statt Abbrechen Historische Baumaterialien haben schon allein dadurch, dass sie viele Jahrzehnte und Jahrhunderte überdauert haben, ihre Langlebigkeit und Nachhaltigkeit bewiesen. In aller Regel haben sie auch bewiesen, dass sie damit den modernen Baustoffen in vielerlei Hinsicht überlegen sind. Insoweit ist es eine überraschende und verstörende Beobachtung, wenn ein im Grundsatz intaktes Bauwerk zunächst auf den Rohbauzustand reduziert wird, um dann mit neuen Baustoffen eben den Zustand wieder herzustellen, den man bei Baubeginn bereits vorgefunden hatte. Hier werden nicht nur volkswirtschaftliche und kulturhistorische Werte vernichtet, sondern auch Nutzungs- und damit Verwertungschancen vergeben, die heute auf dem Immobilienmarkt eine zunehmende Bedeutung gewinnen. Es sind gerade die Qualitäten des noch handwerklich errichteten Gebäudes, die viele Eigentümer und Nutzer an dem alten Gebäude schätzen. *Das sichtbare Bild der schützenswerten Überlieferung ist für mich der Maßstab der Planung.

Bauteilgenaue Reparatur eines Fensters: Nur die wirklich schadhaften Stellen werden bearbeitet.

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Die Individualität der historischen Sprossenfenster, die Vielfalt der mit hohem handwerklichem Können gestalteten Fassadenputze oder die Stuckdekorationen der Gründerzeitzimmer sind heute, wenn man sie in der Bauphase aufgegeben hat, kaum wieder erreichbar. Das gestalterische und bautechnische Ergebnis des Entwurfs lebt deswegen auch und gerade im Detail davon, wie der Architekt es versteht, die vorhandenen Qualitäten in Wert zu setzen und durch zeitgemäße Zutaten zu ergänzen. Deswegen gilt auch dann, wenn es mühsam ist, dass die Erhaltung des vorgefundenen Bestands zunächst einmal Vorrang hat vor dem Abbruch. Dieser muss nicht nur im Grundsatz, sondern noch viel mehr im Detail sorgfältig abgewogen und stets kritisch auf seine Sinnhaftigkeit hinterfragt werden. Bauteilorientierte Planung Der Neubauentwurf ist heute ohne Zweifel auch eine Sammlung von vielfach wiederholten Systemdetails. Der Entwurf im Bestand soll sich von diesem Prinzip keineswegs lösen. Wo neue Elemente und Teile hinzugefügt werden, wo sich gleiche Anforderungen wiederholen, da muss auch die Werkplanung durch die Wiederholung von Ausführungsdetails Ruhe in ein der Tendenz nach möglicherweise formal chaotisches Bauvorhaben bringen. Jenseits dieser Erkenntnis ist es aber eine unumstößliche Grundregel der Werkplanung im Bestand, dass die Planung an den vorhandenen Bau angepasst wird und nicht der Bau an eine summarische Planung. Scheinbar Werkplanung für die Verstärkung der Dachkonstruktion im Castelvecchio von Carlo Scarpa, Original M. 1:10.

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gleichartige Öffnungsmaße beispielsweise erweisen sich bei genauerem Hinsehen als unterschiedlich. Daraus folgt, dass auch eine Serie zunächst als gleich groß empfundener Fenster tatsächlich abweichende, vom Architekten vorgegebene Maße haben muss. Sonst überlässt man es dem ausführenden Betrieb, die kleinste Öffnung zugrunde zu legen mit der unausweichlichen Folge, dass die größeren Öffnungen klobige Rahmungen haben. Nicht nur in diesem Fall erweist sich die Hoffnung als illusorisch, dass man die wenigen Eingriffe Analytische Bestandszeichnung des Teatro Giuseppe in den Bestand mit ein paar Systemdetails Verdi in Pisa von Massimo Carmassi. erledigt. In aller Regel muss man für jedes Einzelproblem auch eine individuelle Zeichnung herstellen, die nicht nur die grundsätzliche technische und gestalterische Lösung darstellt, sondern auch nachweist, wie diese Lösung in der ganz konkreten Situation umgesetzt werden kann. Die Werkplanung muss deswegen immer auch die umgebende Bestandssituation mit analysieren und nach Möglichkeit in drei Dimensionen darstellen. Sparrenreparatur; die zerstörten Hölzer werden Jede neue Maßnahme und jedes neue nur so weit zurückgeschnitten und erneuert, wie sie Bauteil stößt stets irgendwo an den vorhanauch tatsächlich schadhaft sind. denen Bestand an. Dieser Übergang muss bewusst und systematisch geplant und gezeichnet werden. Die althergebrachte Baukonstruktionslehre kannte dafür mit Deckleisten, Putznuten und vielen anderen Übergangsdetails zahlreiche Lösungen, die heute weitgehend in Vergessenheit geraten sind. Die moderne Architektur bedient sich häufig eher der Silikonfuge und nur vergleichsweise wenige Architekten haben dieser Frage bisher ein bewusstes Augenmerk geschenkt. Was für neu eingebaute Teile richtig ist, gilt genauso für die Instandsetzung. Im Ernst-

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Gestalterische Aktualität des historischen Befunds Bibliothek, 1625/1980 D-Eichstätt Bauherr: Universität Eichstätt Architekt: Karljosef Schattner

Der Lesesaal im überdachten Hofraum. Das moderne Dach hält zum Altbestand durch eine hochgesetzte Glasfuge Abstand.

Die flachen Fassaden sind mit gemalten Gewänden im Stil einer Bauaufnahme oder restauratorischen Befunduntersuchung ironisch historisiert. Grundriss der verschachtelten Anlage.

Der um 1625 als Domherrenhof errichtete und 1688 umgestaltete Ulmer Hof wurde im Zuge des Ausbaus der Universität Eichstätt als Bibliothek umgenutzt. Der früher offene Innenhof ist durch eine Überdachung zum Innenraum geworden. Die historische Dimension der Baugruppe wird in der Gestaltung der Hoffassade durch ironisierte, stark vergrößerte und vergröberte „restauratorische Befundtreppen“ erlebbar, während die tatsächlichen Geschichtsspuren durch eine rigorose Entkernung bis auf wenige Ausnahmen vollständig getilgt sind. Die modernen Einbauten unterscheiden sich von dem geglätteten Altbestand in Material und Oberfläche. Der Altbau wird vom Neubau durch eine Fuge, im Dachbereich durch einen breiten und unsichtbaren Glasstreifen getrennt.

fall muss auch für einen zunächst scheinbar unbedeutenden und sehr begrenzten Schaden eine umfassende Werkplanung erarbeitet werden. Und natürlich darf man die Festlegung von Art und Ausmaß der Reparatur so wenig dem ausführenden Betrieb überlassen wie eine architektonisch oder formal bedeutsame Entscheidung. Auch hier ist eine bauteilgenaue Ausführungsplanung die einzig zuverlässige Grundlage der Planung. Planung mit formtreuem Aufmaß In vielen Situationen ist die bauteilgenaue Planung ohne ein formtreues Aufmaß unmöglich; meist ist es unwirtschaftlich, einzig auf der Grundlage von Systemplänen zu arbeiten. Besonders für verformte und unregelmäßige Bauten ist das exakte Aufmaß die einzig sachgerechte Grundlage einer zielführenden Werkplanung. Bei schiefen Böden kann schon die Aufschlagrichtung einer Tür ein wesentliches Kriterium sein: Plötzlich zwingt die falsche Entscheidung dazu, die Tür hässlich abzuschneiden. Die nicht zu Ende gedachte Anweisung, die Unebenheiten der Fußböden durch Aufdoppelungen auszugleichen, reduziert die Brüstungshöhen der Fenster unschön oder gar die Geländerhöhen unerwartet vielleicht so entscheidend, dass die Behörden Einspruch erheben, mit der Folge von unerfreulichen Nachbesserungen. Wer Schiefstellungen des Gebäudes nicht kennt oder in der Planung berücksichtigt, kann besonders bei vertikal durch das Bauwerk geführten Bauteilen – also etwa Treppen und Lifte, oder Leitungsstränge und Kamine – schweren Schiffbruch erleiden, wenn unerwartet die tragende alte Konstruktion dem Neubauteil im Wege ist. Hier hilft nur die bewusst geplante Schnittführung in der geplanten Trasse oder ein umfassender 3D-Laserscan zur Überprüfung der Ausführbarkeit. Das formtreue Aufmaß ist unverzichtbar, wenn Reparaturen oder Veränderungen in einem technisch oder historisch komplexen Zusammenhang notwendig werden. Hier ist die auch im Plan genau festgehaltene Maßnahme, die den Umfang und das Vorgehen bei der Bauausführung definiert, die einzig zuverlässige Grundlage der erfolgreichen Planung. Es ist gerade der Zusammenhang von technischer Ertüchtigung und der Bewahrung gestalterischer Werte, der die höchsten Anforderungen an den Planer stellt und die weitestgehende Planungstiefe verlangt. Nicht zuletzt muss man sich darüber im Klaren sein, dass ein unregelmäßig gebauter oder gewordener Bau sich der einfachen Einpassung von

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Werkplanung für die Instandsetzung und Ergänzung eines teilweise zerstörten Natursteingewändes. Grundlage ist die exakte Bestandsaufnahme mit allen Befunden einschließlich der Putzund Farbbefunde. Nur die bauteilgenaue Leistungsbeschreibung sichert den Planungserfolg. Bestandszeichnung (Original M. 1:20) der Außenseite, Werkplanung für die Innenseite und Fertigzustand.

gewöhnlicherweise exakten und geraden Neubauteilen durch seine Verformungen und seine Schiefheit im Kleinen wie im Großen widersetzt. Natürlich kann man diesem Problem mit dem formbaren Beton oder der fügsamen Silikonmasse begegnen. Gute architektonische Lösungen kommen damit – jenseits aller denkmalfachlichen Bedenken gegen solche Lässlichkeiten – in aller Regel nicht zustande. Die Besonderheiten des Übergangs von Alt zu Neu müssen durch bewusst konzipierte Anpassungsdetails von Anbeginn so geplant werden, dass jede spontane Baustellenlösung und jede aufwändige technische Sonderlösung sich von selbst erübrigt.

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Verstellbare Schraubverbindungen, schnell angepasste Deckleisten oder flexibel zugeschnittene Holzklötze sind hier bewährte Lösungen, die aber für jede Situation neu überlegt werden wollen.

Grundsätze Die erfolgreiche Werkplanung im Bestand muss neben den bewährten Regeln der Baukunst und Technik nur einige wenige zusätzliche Grundsätze beachten, die sich Der Deckenbalken wird durch eine Unterspannung aus dem Umstand ergeben, dass die meisverstärkt. Die Lastumlagerung erfolgt über vier Schrauben in der unteren Platte. ten Konstruktionen und Materialien bei Baubeginn schon vorgegeben sind. Sich zu diesen Vorgaben in Gegensatz zu bringen und dem alten Bauwerk ein vom Bestand losgelöstes Planungssystem implementieren zu wollen, führt meist zu unübersehbaren Schwierigkeiten, Mehrkosten und Bauverzögerungen. Reparieren statt Erneuern Jedes alte Gebäude weist nach Jahrzehnten der Nutzung und Witterungsexposition Verschleißspuren auf. Diese könnten den Planer dazu verleiten, auch solche Bauteile zu erneuern, die noch durchaus über lange Zeit gebrauchsfähig sind. Deswegen lohnt sich die Frage fast immer, ob man ein schadhaftes Bauteil nicht doch reparieren kann. Diese Haltung ist nicht nur in Zeiten der Nachhaltigkeit angezeigt, sondern sie ist in vielen Fällen auch die deutlich wirtschaftlichere. Darüber hinaus muss man bedenken, dass das Vorgefundene in aller Regel Bestandsschutz genießt, während Neubauteile den schärferen Bestimmungen des aktuellen Baurechts genüDie aus der Denkmalpflege bekannten Konservierungsstrategien bewähren sich auch im „Normalfall“. Oft sind sie billiger als die Erneuerung. Hinterfüllung eines hohlliegenden Putzes der Zeit um 1900.

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gen müssen. Nicht nur deswegen ist ein umfassender Umbau meist zielführender als der erklärte Neubau. Reparatur kann dabei nur handwerkliche Reparatur bedeuten. Damit ist auch gesagt, dass der Eingriff begrenzt und der Umfang auf das Notwendige beschränkt bleiben muss. Die Verwendung der gleichen Werkzeuge und der gleichen Baustoffe, die schon die Bauleute in der Vergangenheit benutzt hatten, stellt sicher, dass das Gesamtgefüge homogen bleibt – eine der Grundvoraussetzungen für eine schadensfreie Bauausführung. Besondere Aufmerksamkeit beansprucht hier die bewusst herbeigeführte Materialgerechtigkeit der Ergänzungsmaßnahme. Reparaturputze etwa müssen fast immer besonders konfektioniert werden, um sich in Farbe und Struktur der Umgebung anzupassen. Diese Konfektionierung erfordert in der Regel mehrere Probefelder und sorgfältiges Experimentieren. Beides will im Bauprozess bedacht sein. Und auch die Wahl des richtigen Mauermörtels zur Ergänzung und Reparatur eines alten Mauerwerks kann man nicht einfach dem ausführenden Betrieb und der DIN-Vorschrift überlassen. Für die Mauerwerksverbesserung durch Verfüllen und Verpressen vorgefundener Hohlräume ist die Analyse des vorhandenen Mauermörtels unverzichtbar. Versäumt man die erforderlichen Untersuchungen, kommt es im schlechtesten Falle zur Etringit-Bildung (Gipstreiben), die das Mauerwerk auseinander sprengt. Wo früher ein reiner Kalkmörtel verbaut worden ist, darf man heute nicht mit einem Zementmörtel weitermachen. Im intakten Mauerwerk lüftet die stets und notwendig vorhandene Feuchtigkeit vor allem über die Fugen ab. Werden diese durch nicht diffusionsfähige Materialien – z.B. Zementfugen – verschlossen, wird die Feuchte in die angrenzenden Steine gedrückt, die dadurch zerstört werden. Deswegen ist zementgebundener Mörtel im historischen Mauerwerk fast immer verfehlt. Ausgewaschene oder zermürbte Fugen zeigen, dass die Härte des Mörtels richtig gewählt wurde. Man kann und muss den Fugmörtel auch als eine Verschleißschicht betrachten, die den wertvolleren Stein schützt. So verlangt die Kompatibilität von neu eingebauten Materialien mit dem Bestand besonderes Augenmerk. Die lange Reihe von Sanierungen, die auf unzureichender Datenbasis ausgeführt wurden und in der Folge ergebnislos waren oder sogar zu weiteren Schäden geführt haben, ist eine ernste Warnung an den Planer. Nicht zuletzt ist die Fortführung der Materialtradition aus formalen und ästhetischen Gründen auch dort geboten, wo die vollständige Erneuerung

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des Bauteils grundsätzlich vielleicht unterschiedliche Möglichkeiten offen lässt. Kunststofffenster mit klobigen Profilen fügen sich nicht in ein historisches Gebäude – auch wenn sie auf den ersten Blick praktisch und angeblich dauerhaft sein sollten. Glasfasertapeten sind nicht nur diffusionsdicht, sondern verdrängen auch jede historische Anmutung und Spaltklinker gehören einfach nicht an Gebäude aus der Zeit vor 1920. Additive Maßnahmen Jeder Entwurf im Bestand muss damit rechnen, dass diese Umgestaltung nicht die letzte in der langen Geschichte eines Gebäudes sein wird. Die Vorstellung, dass man einen Bau ein für alle Mal und für ewig ausbauen könne, ist nicht erst in unserer schnelllebigen Zeit fast schon naiv. Andererseits gäbe es ohne Defizite im Tragwerk oder der Gebäudeausstattung in aller Regel keine Planungsmaßnahmen. Insoweit ist es selbstverständlich, dass solche Schäden repariert und zusätzliche Ausrüstungen eingebaut werden müssen. Wo dies so ist, muss man vor allem fragen, wie der Bestand heute so umgestaltet werden kann, dass er auch morgen aufs Neue wirtschaftlich und gestalterisch anspruchsvoll veränderten Nutzungsforderungen angepasst werden kann. Und es ist keineswegs selbstverständlich, dass die Reparaturen durch Abbruch und Ersatz der schadhaften oder zu schwachen Bauteile durchgeführt werden müssen. Oft bleibt nämlich nach einer solchen „Instandsetzung“ vom alten Bauwerk fast nichts mehr übrig. Zusätzlich eingebaute Bauteile haben diesen Nachteil nicht. Die Behebung der Defizite durch additive Maßnahmen, die – jedenfalls in der Theorie – reversibel sind und dem historischen Bauwerk seine gewachsene Identität belassen, hat eine lange Tradition. Dass diese Tradition eine starke Wurzel in der engagierten Denkmalpflege des 19. Jahrhunderts hat, spricht sicher nicht gegen, sondern für diese Strategie, die sich im Großen wie im Kleinen bewährt. Sie wird durch den Ausruf von John Ruskin in dessen Seven Lamps of Architecture im Jahr 1849: „Besser eine Krücke als ein verlorenes Glied“ in unübertroffen knapper Weise zusammengefasst. Neben den offensichtlichen denkmalfachlichen Vorteilen überzeugen fast immer die geringen Kosten für solche Maßnahmen. Dass der Eingriff unschwer als zeitgenössisch zu erkennen ist, gibt dem Entwurf eine eigene Qualität. Einer solchen Position kommt jede reversible Baumaßnahme nahe, die den Grundbestand unverändert lässt und die aktuelle Nutzung so einbaut, dass sie ohne wesentliche Reduzierung auch wieder entfernt werden kann. Es

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versteht sich dabei am Bau von selbst, dass es die volle Reversibilität nicht geben kann. Es macht aber doch einen großen Unterschied, ob massive Betonkonstruktionen weit reichende Eingriffe in den Bestand nach sich ziehen, oder ob man andere Lösungen findet, die sich leichter wieder rückbauen lassen. Die bisweilen etwas nachlässige Erfahrungsstatik vergangener Zeiten und die höheren Verkehrslasten und Sicherheiten, welche die moderne Verwaltung fordert, machen eine Die Stadtmauer in Visby wurde schon in der Mitte des Verstärkung des Tragwerks häufig zwingend 19. Jahrhunderts durch gusseiserne Stützen vor dem Einsturz bewahrt - einfach und wirkungsvoll. erforderlich. Der Austausch eines zu schwachen Bauglieds gegen ein hinreichend dimensioniertes neues scheint hier zunächst die nahe liegende Lösung. Die weit reichenden Zerstörungen, welche eine solche Entscheidung für Ausund Einbau nach sich ziehen muss, verbieten ein solches Vorgehen aber in aller Regel. Zusatztragwerke sind hier der wirtschaftlichere und bessere Weg. Zu schwache Deckenbalken werden durch einen zusätzlichen Unterzug in Feldmitte wieder tragfähig: Die einfache Maßnahme reduziert den erforderlichen Querschnitt drastisch und macht fast immer jeden weiteren Eingriff überflüssig. Überlastete Stützen werden durch beigestellte Pfosten wieder funktionsfähig. Das Zusetzen von Wandöffnungen erhöht die Tragfähigkeit einer überforderten Wand und Gurtungen stabilisieren überlastete Bauglieder. Die zu schwachen Sparren reichen wieder aus, wenn man in jedes Feld einen zusätzlichen Sparren einfügt. Und filigrane Unterspannungen können einen defizitären Unterzug wieder funktionstüchtig machen und im Extremfall stabilisiert die Zusatzkonstruktion ein ganzes Gewölbe. Nicht zuletzt nehmen schlanke Spannglieder dort die Kräfte auf, wo das alte Bauwerk auseinander zu weichen droht. Für die technische Gebäudeausrüstung gilt Vergleichbares. In aller Regel wird man im Hinblick auf moderne Nutzeranforderungen und die geltenden technischen Standards die gesamte Infrastruktur erneuern müssen. Der normentsprechende Einbau dieser Leitungen unter Putz bringt massive und systematische Eingriffe in den Baubestand und damit häufig enorme Kosten mit sich. Auch hier weist der additive Einbau einen kostengünstigen und

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Zwei auf einen Streich: Tragwerkinstandsetzung und Museumsbau Stadtmuseum, 1991-1999 D-Naumburg Bauherr: Stadt Naumburg Architekt: Johannes Cramer

Dachraum mit Besucherführung auf dem Fachwerkträger.

Das Sparrendach aus dem Jahr 1531 mit liegendem Stuhl wurde durch das unsachgemäße Entfernen der Zerrbalken schon vor Jahrzehnten gefährlich geschwächt. Dadurch wurden auch die Außenmauern auseinander geschoben und sind in der Folge gerissen. Die Sparren sind durch Überlastung gebrochen und noch dazu von Schädlingen zerfressen. Das auf weitgehende Substanzerhaltung orientierte Instandsetzungskonzept belässt das historische Dachwerk ebenso wie den Dachraum unverändert. Ein additives Stahldachwerk übernimmt sämtliche bautechnischen und bauphysikalischen Anforderungen. Ein leicht schräg in die Laufebene eingebauter Fachwerkträger leitet die Horizontalkräfte ab und dient zugleich der Besucherführung. Die notwendige Klimatechnik ist oberhalb der Kehlbalkenlage sichtbar eingebaut.

Werkplanung für den Fachwerkträger, der das Gebäude stabilisiert. Blick unter den First mit haustechnischer Installation.

Querschnitt als formtreues Aufmaß mit Tragwerksanalyse und Systemdarstellung der baulichen Lösung.

Die sichtbare Leitungsführung unter der Decke vermeidet zerstörende Eingriffe und führt zu einer eigenen Ästhetik: London, Tate Modern (Herzog & de Meuron, 2000).

Sichtbar auf der Decke verlegte Leitungen sind kein Privileg der Bestandsarchitektur: Kunsthal in Rotterdam (Rem Koolhaas, 1992).

bauwerksfreundlichen Ausweg. Verlegt man die Leitungen in einer bewussten Gestaltung auf der Wand statt in der Wand, erübrigen sich viele Eingriffe. Auch hier ist nicht zu verkennen, dass der Planungsaufwand für den Architekten größer ist als im Falle der Standardausführung; jeder Einzelfall jeder Leitungsführung muss geplant werden und ohne Sonderlösungen wird man viele Einzelsituationen nicht bewältigen. Gleichwohl ist dieser Weg für das Bauwerk und das Gesamtergebnis in aller Regel der richtige. Zu den sinnvollen und bewährten additiven Maßnahmen gehört nicht zuletzt die Verkleidung solcher Wände durch eine Zweite Haut, die wegen ausgedehnter Befunde, seien es Wandmalereien, Verkleidungen oder Putzbefunde, dem Verschleiß entzogen werden sollen. Die Freilegung und Präsentation solcher Befunde ist selbstverständlich immer eine Möglichkeit. Denkmalrechtlich erzwungen werden kann sie nicht und oft ist die Verkleidung die einfachste, kostengünstigste und auch die befundschonendste Lösung. Ob diese zweite Haut tatsächlich selbstständig steht oder an der Wand befestigt wird, ist dann von nachgeordneter Bedeutung.

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Allerspätestens mit den Forderungen nach der Verbesserung der Energiebilanz gerät in diesem Sinne auch die Hülle des Gebäudes in den Blickpunkt. Hier wird man bei näherer Untersuchung zwar oft feststellen, dass die Gesamtbilanz eines alten und massereichen Gebäudes deutlich besser ist als ihr Ruf. Dennoch droht hier der in aller Regel mit unerfreulichen Vergröberungen des Erscheinungsbilds verbundene Vollwärmeschutz. Viele Architekten haben dieses Problem schon damit gelöst, dass sie dem Gebäude auch außen eine zweite Haut gegeben haben. Wie bei den Tragwerken ist die Strategie nicht die Aufrüstung des Vorhandenen, sondern die Behebung der Defizite durch ein zusätzliches Bauteil. Die meist mit Forderungen der Denkmalpflege assoziierte „Käseglocke“ führt hier nur selten zum Ziel, wie der die Ruine der Akademie der Künste in Berlin integrierende Neubau von Behnisch/Durth am Pariser Platz zeigt. Dagegen hat sich die Verlegung der zweiten Fassadenebene in den Innenraum mit der Ausbildung einer klimatisierenden Zwischenzone für Erschließung und Service, welche programmatisch Ideen der Klimafassade aufgreift, schon bei vielen alten Gebäuden bewährt. Die frei vor der Wand stehenden Regale aus Corten-Stahl geben dem Kirchenraum ein eigenes Gepräge: Toledo, Kulturzentrum (Angeles Novas & Fernando Barredo, 2004).

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Die Einbauten in der Grundschule in Berlin greifen nirgends in das Tragwerk ein und geben dem Raum dennoch einen vollständig anderen Charakter (Die Baupiloten, 2003).

Jedes Geschoss ist anders gestaltet.

Die Hörsäle der Fachhochschule Wildau sind als konstruktiv und klimatisch selbstständige Baukörper in die historische Fabrikhalle eingebaut. Die Fassade bleibt unverändert (Anderhalten, 2007).

Das holzverkleidete Landhaus steht mit gekapptem Giebel unter einer verglasten Neukonstruktion (Meixner/Schlüter/Wendt, 2004).

Isometrie.

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Wiederverwendung vorgefundener Materialien Die materielle und gestalterische Qualität vieler historischer Baustoffe ist unbestritten. Alte Backsteine und Dachziegel erfreuen durch ihr lebhaftes Farbspiel, die profilierten Füllungstüren mit ihren tiefen Bekleidungen der Gründerzeit geben einem Gebäude Individualität und die Unregelmäßigkeiten eines alten Bretterbodens sind heute auch dann kaum wieder erreichbar, wenn ein engagierter Bauherr sich das wünscht und leisten möchte. Insoweit ist es oft schwer nachvollziehbar, wenn alte, offensichtlich gut brauchbare Baumaterialien während der Bauvorbereitung im Container landen, um später durch fast gestaltgleiche, aber neue ersetzt zu werden. Es gehört vor diesem Hintergrund auch zu den Aufgaben eines verantwortungsvollen Planers, die Möglichkeiten der Wiederverwendung vorhandener Bauteile zu prüfen und sich darüber hinaus zu fragen, ob und in welchem Umfang der Einsatz alter Baumaterialien zur Erreichung der Bauziele zweckmäßig ist. Die Bergung solcher Materialien ist naturgemäß mit erhöhtem Planungsaufwand und mit zusätzlichen Baukosten verbunden. Der Architekt muss sich in jedem Einzelfall darüber klar werden, welches Bauteil mit welcher Methode geborgen, eingelagert und für den Wiedereinbau vorbereitet werden soll. Weil diese Arbeiten bei einem pauschal beschriebenen Abbruch mit Entsorgung entfallen, ist die Versuchung unübersehbar, sich hier die

Neues Gebäude aus alten Ziegeln. Die Patina gibt dem Bau ein besonders Gepräge: Insel Hombroich von Erwin Heerich.

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Zur Wiederverwendung geborgene Dachplatten; bei der Bergung geprüft, hochkant gelagert und abgedeckt sind diese Platten einem neuen Ziegel uneingeschränkt ebenbürtig.

Arbeit leicht zu machen. Für das Gesamtergebnis ist der leichte Weg aber fast immer der schlechtere. Abgesehen von Argumenten der Nachhaltigkeit ist die Wiederverwendung alter Baumaterialien oft nicht nur die gestalterisch überzeugendere, sondern auch die für den Bauherrn wirtschaftlichere Lösung. Wo das geborgene Material für die Gesamtmaßnahme nicht ausreicht, bietet heute ein ausgedehnter, bisweilen etwas alternativ organisierter Handel mit historischen Baustoffen fast alle nachgefragten Materialien an. Vom Ziegel jeden Formats über Bodenbretter bis zu Beschlägen findet man mit überschaubarem Engagement fast alles.

Bauteilgenaue Schadensaufnahme für ein Holzfenster.

Lösungen: Zwei Beispiele Unsere Publikation kann und will kein Handbuch für die Instandsetzung von alten Häusern sein. Die nachfolgenden Beispiele sollen gleichwohl an Einzelkomplexen das Ineinandergreifen von Schadenserhebung, Reparaturkonzept und baulicher Umsetzung zeigen. Die dabei angewandten Grundsätze sind auf andere, hier nicht behandelte Fragen übertragbar. Energetische Ertüchtigung der Fenster Die vollständige Erneuerung der „alten und zugigen“ Holzfenster gegen hochgedämmte Kunststofffenster ist heute fast immer eine der ersten Maßnahmen zur Modernisierung und energetischen Nachqualifizierung von alten Gebäuden. Die systematische Schadenserhebung zeigt dann aber fast immer, dass die technischen Defizite an den Bestandsfenstern insgesamt vergleichsweise gering sind. Die handwerkliche Reparatur ist fast immer billiger als die Erneuerung – wenn da nicht auch noch die unbestrittenen Funktionsmängel des Einfachfensters wären: mangelnde Winddichtigkeit, hoher Wärmeverlust, geringer Schallschutz. Alle diese Defizite lassen sich aber, ebenfalls mit überschaubarem Aufwand und technisch einwandfrei, durch additive Maßnahmen bei Erhaltung des historischen Fensterbestands beseitigen. Der Ausbau des Einfachfensters zum Kastenfenster, das zum Beispiel den gründerzeitlichen Hausbestand in Berlin bis

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Alte Bauteile gehören nicht auf die Deponie: Identität durch Wiederverwendung

Nach der Instandsetzung und Modernisierung; aus dem dunklen Balkon wurden durch einen Aufbau zwei Badezimmer.

Wohnhaus, 1997 D-Buchschlag Bauherr: privat Architekt: Johannes Cramer Das klassische Landhaus aus dem Jahr 1912 sollte unter weitgehender Wahrung seiner historischen Identität den modernen Anforderungen angepasst und als Familienwohnhaus hergerichtet werden. Die fehlenden Badezimmer wurden durch einen Aufbau auf dem stark verschatteten Balkon der Nordseite untergebracht. Die Holzkonstruktion orientiert sich in der Formgebung an den umstehenden grauen Buchenstämmen. Schadhafte Bauteile wurden konsequent repariert und durch Verstärkung nachqualifiziert, nicht ersetzt. Fenster ebenso wie Türen, die nach Abbruch der entsprechenden Wände dort nicht mehr benötigt wurden, konnten an anderer Stelle wieder eingebaut werden. Die Dachdeckung wurde nach der Dachdämmung wiederverwendet und durch altes Material ergänzt.

Alte Bauteile nachqualifizieren: die innen verstärkte Haustür mit Mehrfachschließung und Alarmanlage.

Die alte Tür wird für die Verwendung am neuen Platz angepasst, in diesem Fall verbreitert. Bauteile wandern: Darstellung der Wiederverwendung historischer Bauteile als Teil der Genehmigungsplanung.

heute charakterisiert, bietet einen hervorragenden, der normalen Isolierverglasung überlegenen Schallschutz und einen akzeptablen Wärmeschutz, der durch eine innenliegende, dünne Isolierverglasung (10 mm) auf Neubaustandard angehoben werden kann. Die Winddichtigkeit ist durch eine zusätzlich eingebaute Lippendichtung leicht zu gewährleisten. Weil auf diese Weise fast alle Nebenarbeiten entfallen, die mit einem Austausch der Fenster notwendigerweise verbunden sind, ist dieses Vorgehen fast immer das wirtschaftlichere und zugleich gestalterisch bessere. Der einzige „Nachteil“ liegt in dem höheren Planungs- und Koordinationsaufwand.

Ausbau eines Einfachfensters zum Kastenfenster mit zusätzlichem Innenflügel.

Energetische Nachqualifizierung eines Einfachfensters durch Einbau einer zusätzlichen Isolierglasscheibe mit 10 mm Gesamtstärke.

Energetische Nachqualifizierung eines Einfachfensters durch Aufsatzflügel.

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Dachwerksinstandsetzung Hölzerne Konstruktionen wie Dachwerke oder Fachwerkbauten verfügen über ein hervorragendes Alterungsverhalten, solange der konstruktive Holzschutz gewährleistet bleibt und Durchfeuchtung verhindert wird. Entgegen vielen unbegründeten Befürchtungen sind Holzschädlinge keine wirkliche Bedrohung für eine historische Holzkonstruktion. Nur wenige Käferarten können trockenes Bauholz als Nahrung für ihre Larven nutzen. Frisches und feuchtes Nadelholz ist deswegen eher gefährdet; neuer Befall am Altholz bleibt die Ausnahme. Und auch hier ist ausschließlich das Splintholz betroffen, während das Kernholz nicht angegriffen wird. So spielt selbst ein dramatisch aussehender Schadenskartierung im Dachwerk: Bauteilgenaue Oberflächenbefall für die FunktionsfähigErhebung für zwei Gespärre mit unterschiedlichen Schäden. keit des Tragwerks in aller Regel keine Rolle. Nur die dauerhafte Durchfeuchtung des Holzes führt im Laufe der Zeit zu gravierenden Schäden unterschiedlicher Art. Dauernde Durchfeuchtung führt zur Fäule im Holz und in der Folge zum Versagen der Zugfestigkeit. Bei ungünstigen Voraussetzungen siedelt sich zusätzlich der Echte an. Er zerstört systematisch das Holz und durchwächst mit seinem Myzel auf der Suche nach weiterem Nährboden auch meterweit das Mauerwerk. Gegenüber hohen Temperaturen (ab 27° C) ist der Echte Hausschwamm empfindlich. Bei Unterschreiten der Mindesttemperatur (20° C) verfällt er in Trockenstarre, wird jedoch sofort wieder aktiv, wenn sich die Klimabedingungen ändern. Deswegen ist seine vollständige Beseitigung unverzichtbar. Beide Schadenskomplexe müssen bei Maßnahmebeginn durch ein Holzschutzgutachten des entsprechend ausgebildeten Fachmanns vollständig erhoben werden. Die Untersuchung stellt flächen- und bauteilbezogen, also beispielsweise für jedes Gespärre, die

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Der Holzschutzplan verzeichnet sämtliche unterschiedlichen Schadensbereiche und formuliert Handlungsempfehlungen.

vorhandenen Schäden fest und kartiert sie. Sie ermittelt den tragfähigen Restquerschnitt der Konstruktionshölzer durch Beklopfen, Bohrwiderstandsmessung oder Endoskopie. Ferner werden Schädlingsbefall (Käfer aller Art, Hausschwamm etc.) nach Art und Ausdehnung erhoben und Pilze nach Schadensbild, Fruchtkörperstruktur und Sporen und zusätzlich durch Laboruntersuchungen klassifiziert. Zusätzlich zu der Begutachtung der Schäden enthält das Holzschutzgutachten Angaben zu den erforderlichen Instandsetzungsmaßnahmen. Gewiss wird man auch aus qualifizierten Gutachten nicht jede Empfehlung übernehmen. Als Orientierung ist das systematische Holzschutzgutachten für geschädigte Holztragwerke aber unverzichtbar. Es wird auch Hinweise zum früheren Einsatz von gesundheitsschädlichen Schädlingsbekämpfungsmittel und Imprägnierungen enthalten. Wo solche Mittel nachgewiesen sind (Hylotox/Xylamon), kann man meist nur mit Atemschutzausrüstung arbeiten. Auf der Grundlage dieser Erhebungen wird in der Folge im Detail festgelegt, welche Maßnahmen zur Instandsetzung und Ertüchtigung des Tragwerks erforderlich sind. Im einfachsten Falle ist es die handwerkliche Reparatur der zerstörten Holzteile. Wiederkehrende Schäden werden mit wiederkehrenden Reparaturmethoden behoben, wobei es der individuelle Schadensumfang ist, der das Ausmaß des jeweiligen Eingriffs definiert. Handwerkliche Genauigkeit in der Bauausführung ist hier aus technischen und gestalterischen Gründen eine unverzichtbare Voraussetzung.

Reparatur des an den Fußpunkten geschädigten Dachwerks im Rathaus Oettingen. Die sorgfältige handwerkliche Ausführung gibt der Zimmermannskonstruktion einen eigenständigen, von der Geschichte geprägten Charakter (Reuter+Mittnacht).

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Das an den Fußpunkten weitgehend zerstörte Dachwerk der Heiliggeist-Kapelle in Berlin ist mit einem additiv hinzugefügten Verstärkungseinbau aus Stahl substanzschonend stabilisiert (Hüffer/Ramin, 2005).

Bisweilen machen Defizite im Tragwerk oder höhere Anforderungen durch die baufachlichen Forderungen oder an die Nutzlast auch Zusatzkonstruktionen erforderlich. Gerade für den Einbau solcher Verstärkungskonstruktionen ist die bauteilgenaue Schadenserhebung und das formtreue Aufmaß eine unverzichtbare Grundlage. Literaturhinweise Die Übersichtsliteratur zu diesem Bereich ist überschaubar. Eine grundsätzliche Einführung findet sich bei Feilden und Whelchel. Das Reparaturprinzip stellen Grossmann 1994, Hölscher und Lipp allgemein sowie Klotz-Warislohrer in der Implementierung vor. Systematische Darstellungen historischer Baukonstruktionen bieten Ahnert/Krause oder Manuale del Recupero. Die Besonderheiten historischer Tragwerke behandeln Beckmann und Pieper. Zum materialbezogenen Vorgehen sind Grün und Reul hilfreich. Als Ratgeber für unterschiedliche Instandsetzungsfragen ist Rau/Braune ebenso nützlich wie Bauen im Bestand mit umfangreicher Literatur zu vielen Einzelfragen. Die Instandsetzung von Holzkonstruktionen behandeln z. B. Tampone 1996 und 2002 sowie Ridout. Umfangreiche Erfahrungen zur Dauerhaftigkeit historischer Konstruktionen finden sich bei Könner und Grossmann 1994. Einen guten Überblick über typische Schadensbilder an gebräuchlichen Konstruktionen zusammen mit den jeweils notwendigen Untersuchungen und Methoden zur Instandsetzung gibt wiederum Reul. Die von Wenzel/Kleinmanns herausgegebene Reihe „Erhalten historisch bedeutsamer Bauwerke. Empfehlungen für die Praxis“ behandelt eingehend historisches Mauerwerk, Mörtel, Eisen- und Stahlkonstruktionen, Holztragwerke sowie Gründungen.

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REALISIERUNG Aber eben dadurch, dass die Geschichte fortgesetzt werden soll, ist sehr zu überlegen, welches Neue und wie dies in den vorhandenen Kreis eintreten soll. Karl Friedrich Schinkel

Baustelleneinrichtung Es versteht sich von selbst, dass die Baustelleneinrichtung auf dem leeren Bauplatz andere Forderungen und Organisationsformen hat als die im vorgefundenen Bestand. Wer diesen Bestand aufwerten und entwickeln will, muss während der Bauzeit nicht nur dafür sorgen, dass die Handwerker sorgfältig arbeiten, sondern auch darauf achten, dass das Vorhandene nicht durch Achtlosigkeit und Unverstand beschädigt oder gar zerstört wird. Materialtransport, Materiallagerung, Zugangs- und Verkehrswege sowie Aufenthaltsräume wollen sorgfältig bedacht und organisiert sein. Weiter ist zu bedenken, dass auf der Baustelle vom ersten Tage an Fertiges, also Wertvolles und damit Diebstahlgefährdetes vorhanden ist. Die Baustelle muss deshalb vom ersten Tage an immer verschließbar gehalten werden und verschlossen sein. Wer diese wenigen Grundsätze beachtet, wird auch im Bestand keine Probleme in der Bauführung haben. Baustelle als Attraktion Baustellen üben auf die Menschen eine eigene Faszination aus. Die berühmten Großbaustellen, sei es Ground Zero in New York oder der Potsdamer Platz in Berlin mit seiner Infobox, waren und sind für Passanten und zukünftige Nutzer eine Attraktion. Für die Baustelle im Bestand gilt das in besonderem Maße. Hier ist vom ersten Tage an Interessantes zu sehen und viele Arbeitsvorgänge erlauben es in ihrer handwerklichen Kleinteiligkeit, dass die Öffentlichkeit am Geschehen kontinuierlich Anteil nimmt. Dies kann in Form regelmäßiger Öffnungszeiten erfolgen, durch „Tage der Offenen Tür“ sowie durch strukturierte und gesicherte Wege im Gebäude. In jedem Falle müssen die Sicherheitsvorschriften eingehalten werden und es empfiehlt sich, die Haftung des Eigentümers für gleichwohl sich ereignende Unfälle auszuschließen. In der Regel wird sich die Botschaft der Baustelle nur erschließen, wenn das Interessante durch gelegentliche Führungen und Beschriftungen erklärt wird. Die Archäologen haben hier in der Vermittlung ihrer Arbeit eine gute und nachahmenswerte Tradition.

Einzig die Volleinhausung garantiert auch in empfindlichen Bauwerken eine ungestörte und witterungsunabhängige Baustellenführung.

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Steinrestauratorische Instandsetzung einer Brunnenanlage in Trient. Immer nachmittags war das Publikum zugelassen. Erläuterungstafeln erklären die Baustelle. „Sie betreten das Jahr 1600.“ Aufbereitung einer Baustelle für das interessierte Publikum am „Tag der Offenen Tür“.

Nur der direkte und unmittelbare Kontakt erlaubt es den beteiligten Entscheidungsträgern, die komplexen Zusammenhänge wirklich nachzuvollziehen.

Die Geschichte des Hauses ist auch nach dem Abschluss der Baumaßnahme eine Attraktion: konservierte Wandfassung, Funde aus dem Haus und eine Zeittafel erklären die historische Dimension.

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Werkstattprinzip Eine geordnete, substanzerhaltende und nachhaltige Bauführung kann nur gelingen, wenn alle am Bau Beteiligten sich zu jeder Zeit darüber im Klaren sind, dass die Baumaßnahme im Bestand vom ersten Tage an weniger eine Rohbaustelle als vielmehr eine Werkstatt ist. Im ganz wörtlichen Sinne kann das bedeuten, dass das gesamte Bauwerk für die Maßnahme vollständig eingehaust und damit gleichsam in die Werkstatt gebracht wird. Dieses in der Denkmalpflege seit Jahrzehnten bewährte Prinzip hat sich heute vielfach auch schon für „gewöhnliche“ Bauten durchgesetzt. Es bietet den großen Vorteil, unabhängig von Wind und Wetter und ungefährdet von plötzlichen Regenschauern, die das schon Fertiggestellte wieder verderben, kontinuierlich zu arbeiten. Zur Sicherung dieser Kontinuität kann sogar der Einbau einer temporären Klimatisierung zweckmäßig sein.

Die temporäre Klimatisierung der Räume schützt die großflächig freigelegten Wand- und Deckenfassungen vor Schäden während der Bauzeit.

Zum Werkstattprinzip gehört vor allem, dass auf der Baustelle jederzeit Ordnung herrscht. Chaotische Zustände mit durcheinander liegendem Baumaterial, nicht beseitigtem Bauschutt und unsystematischen Arbeitsabläufen verleiten auch bemühte und engagierte Bauleute zur Nachlässigkeit und in der Folge zur meist unbeabsichtigten und jedenfalls unbedachten Beschädigung des gebrauchsfähigen Bestands. Deswegen muss man auf regelmäßiger Reinigung der Baustelle – wie in einer Werkstatt – bestehen. Nur in einem solchen Umfeld wird es den Handwerkern sympathisch sein, ihre Arbeitsgeräte im Haus so exakt wie in der Werkstatt einzusetzen und deswegen auch ein gleich gutes Ergebnis zu erzielen. Wo schon in den Arbeitsabläufen Chaos herrscht, kann man das nicht mehr erwarten.

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Unkontrollierter Schuttabwurf führt zur Verwüstung der gesamten Baustelle.

Geordnete Verhältnisse in der Baustelle motivieren die Handwerker zu einer exakten und substanzschonenden Arbeit in der Villa Mosler von Mies van der Rohe.

Bauteilschutz Der Schutz der gebrauchs- und entwicklungsfähigen Altsubstanz ist eine der zentralen Aufgaben während der Baudurchführung. Eine Bauwirtschaft, die es noch immer gewohnt ist, nur in einer Richtung – vom Rohbau zum Ausbau – zu denken, hat es schwer, sich daran zu gewöhnen, dass schon bei Baubeginn weite Bereiche der Baustelle in einem überwiegend oder sogar vollständig gebrauchsfertigen Zustand sind und auch bleiben müssen. Nur so ist es zu erklären, dass immer wieder intakte und schöne Räume während der Bauzeit schwer beschädigt werden. Häufig muss man deswegen ganze Gebäudebereiche für den Baubetrieb sperren und diese Sperrung auch konsequent einfordern und überprüfen. Das aber wird nur gelingen, wenn man die gesperrten Bereiche auch deutlich als solche kennzeichnet. Der Bauteilschutz beginnt dort, wo der Materialtransport im Gebäude durch Bestoßen absehbar zu Schäden führen wird, und endet noch lange nicht beim Schutz solcher Bereiche, die schon allein durch Erschütterung oder Feuchtigkeitseintrag gefährdet sind. Erfahrungsgemäß ist der Planer hier immer zu optimistisch, wie viel Rücksicht man von auf Effizienz und Sollerfüllung orientierten Handwerkern erwarten kann. Besonders gefährdet sind zunächst die Verkehrswege, auf denen das Material in den Bau gebracht und in ihm verteilt wird. Stoßschutz um Türbekleidungen und vor

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Die Baustelle als Werkstatt Schloss Heubach, Stadtbibliothek und Miedermuseum, 1991-1997 D-Heubach Bauherr: Stadt Heubach Architekt: Johannes Cramer

Die Baustelle im Ortsbild.

Die hervorragend erhaltene Ausstattung des Adelssitzes (siehe auch S. 74) durfte während der Bauarbeiten keinen Schaden nehmen. Die Baudurchführung musste dies auch bei erheblichen Eingriffen in die Rohbausubstanz sicherstellen. Konsequenter Bauteilschutz war unverzichtbar. Insoweit war die Volleinhausung hier ebenso geboten wie die Verkleidung sensibler Bereiche und der Schutz der historischen Holzböden. Exakte bauteilbezogene Arbeiten sind nur in einer der Werkstattsituation vergleichbaren Atmosphäre zu erwarten.

Schutz des Fußbodens durch Spanplattenauflagen über Estrichdämmplatten.

Sorgfältige Instandsetzung des Dachwerks und Eindeckung mit den geborgenen Dachplatten unter dem Schutzdach.

Kartierung der Fassungsbefunde und Schäden.

Sicherung der Verkehrswege ebenso wie der Bausubstanz durch massive, auch für große Besuchergruppen geeignete Überbauung der Treppen.

Sicherung empfindlicher Putzoberflächen durch Platten und Dämmstoff auf Lattengerüst. Die Verkleidung muss zur Vermeidung von Erschütterungen angeschraubt, niemals genagelt werden. Sicherung der historischen Putzflächen während der Fundamentverbesserung durch Spritzschutz aus Baufolie; Schutz der Gewände gegen Bestoßen durch die Baumaschinen.

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Durch die Randsicherung werden die Putzflächen während der Bauzeit gegen Verlust geschützt.

allem sachgerecht, das heißt scheuerfrei und stoßgedämpft gelagerte Laufplatten auf empfindlichen Böden sind unverzichtbar. Häufig wird man sämtliche Fußböden so lange abdecken, bis die groben Arbeiten abgeschlossen sind. Wo das Tragwerk im Umfeld sonst intakter Raumbereiche instand gesetzt werden muss, ist ein konsequenter Bauteilschutz gleichfalls unverzichtbar. Empfindliche und wertvolle Wandoberflächen werden vollflächig mit Platten und einer diffusionsfähigen Schicht von Dämmplatten gesichert. Dabei ist zu bedenken, ob und wann man an diesen Bereichen arbeiten und inwiefern die Verkleidung dafür zu öffnen sein muss. Nicht zuletzt werden absturzgefährdete Teile provisorisch gesichert, soweit sie nicht für die Bauzeit abgenommen und geborgen werden.

Bauleitung Ohne kontinuierliche Präsenz und beständige Kontrolle der Bauausführung kann der Entwurf im Bestand nicht zufrieden stellend umgesetzt werden. Bei noch so genauer Planung und ausführlicher Dokumentation bleiben doch immer wieder offene Fragen, die nur vom planenden Architekten kurzfristig geklärt werden können. Unkoordinierte Einzelentscheidungen haben häufig erhebliche Auswirkungen auf Nachbargewerke, die der einzelne Handwerker auch bei bestem Bemühen nicht übersehen kann. Darüber hinaus ist die Versuchung, komplizierte Details zu vereinfachen, auch im Bestand allgemein groß. Wer eine werkgerechte Umsetzung seiner Planung sicherstellen will, muss dies durch Verfügbarkeit auf der Baustelle gewährleisten. Das muss man wissen und schon in die Honorarverhandlungen einfließen lassen. Darüber hinaus ist der wirksame Bauteilschutz auch nach erfolgter Einhausung eine fortdauernde Herausforderung, die nur durch Kontrolle sichergestellt werden kann. Koordination der Gewerke Die Gleichzeitigkeit von Rohbau- und Ausbaugewerken im Bestand erfordert eine deutlich engere Abstimmung der Gewerke untereinander, als dies im Neubaubereich der Fall ist. Der eine darf die Arbeit des anderen nicht wieder zerstören. Dazu aber muss erst einmal geklärt sein, was wertvoll und was wertlos ist. Die umfassende Einweisung der Handwerker auf der Baustelle ist deswegen ebenso unverzichtbar wie die ausführliche Beschreibung dieser Sachverhalte in den Leistungsverzeichnissen. In der

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Kennzeichnung wichtiger Befunde durch dauerhafte und gut sichtbare Beschriftung am Bau.

Kennzeichnung eines Farbbefunds aus dem 15. Jahrhundert durch auffallendes Schild.

Realität muss man aber auch anerkennen, dass die Maßgaben der Leistungsverzeichnisse den einzelnen Handwerker auf der Baustelle nicht unbedingt erreichen. Deswegen ist der Bauteilschutz (s.o.) so wichtig. Weil man aber nicht alles Wichtige verkleiden kann, ist eine deutliche und verständliche Beschriftung gefährdeter Bereiche von gleicher Bedeutung. Jede nachvollziehbare Kennzeichnung ist richtig. Sie muss deutlich sichtbar und dauerhaft sein. Die Botschaft hebt besser auf das (erhoffte) Verhalten des Handwerkers (Erhalten!) und weniger auf den gestalterischen oder historischen Wert des Befundes ab. Wo einzelne Baumaßnahmen auf begrenztem Raum durchgeführt werden sollen, werden die Grenzen deutlich gekennzeichnet. Welche Putzfläche genau soll abgeschlagen werden? Welche Türblätter (die mit dem aufgesprühten X) sollen entsorgt werden? Welche Wand (aufgesprühte Linie auf voller Länge) soll abgebrochen werden? Nur so kann man verhindern, dass im gut gemeinten Übereifer mehr passiert als der Architekt geplant hatte.

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Von grundlegender Bedeutung ist die Abstimmung der Einzelgewerke untereinander. Ein guter Netzplan, wie ihn viele Ausschreibungsprogramme vorsehen, oder auch jede andere koordinierte Vorgehensweise ist denkbar, um das Ineinandergreifen der verschiedenen Arbeiten gut aufeinander abzustimmen. Wo dies nicht geschieht, ist stets zu befürchten, dass der eine Handwerker die Arbeit des Vorgewerks unbeabsichtigt wieder beschädigt. Besonders Leitungsführungen in befundträchtigem Putz, Stemmarbeiten jeder Art, ganz besonders geschossübergreifende, oder Anpassungsarbeiten bei Unregelmäßigkeiten im Bau sind immer wieder Anlass für verhängnisvolle, von allen ungewollte Schäden und völlig überflüssige Rückschläge. Bemusterung und Probeeinbau Bemusterung und der Einbau von Probestücken ist heute auch im Neubau eine übliche Strategie. Keine Bürohausfassade ohne die Überprüfung unterschiedlicher Ausführungsvarianten, kein Fassadenanstrich ohne mehrere Farbmuster. Das ist im Bestand nicht anders, sogar noch wichtiger. Schließlich müssen der Bestand und das neu Hinzugefügte im Ergebnis zueinander passen. Und dazu kann man sich durch die bloße Planung am Bildschirm oft kein hinreichend zuverlässiges Bild machen. In der Schweiz ist es seit langem üblich und vorgeschrieben, die Kubatur von Neubauvorhaben in einer bebauten Umgebung durch ein Kantengerüst anschaulich zu machen und so die Wirkung auf die Nachbarschaft zu überprüfen. Für den Einbau von zusätzlichen sichtbaren Konstruktionsteilen empfiehlt sich diese Strategie genauso. Ob ein hoher Fachwerkträger in einem historischen Raum optisch untergeht oder ihn vollständig verdirbt, lässt sich oft erst am konkreten Modell im Maßstab 1:1 entscheiden. Und auch nachdem die Entscheidung gefallen ist, empfiehlt es sich bei größeren Konstruktionsteilen, schon für die Fertigung dieser Bauteile immer ein leicht handhabbares Modell im Maßstab 1:1 mit Probeeinbau und dessen Abnahme in die Ausschreibung zu integrieren. Erst wenn sich am Modell erwiesen hat, dass alles zwangsfrei in den Bau passt und auch – einschließlich der Transportwege im Gebäude! – so wie geplant eingebaut werden kann, darf man die Fertigung freigeben. Anders riskiert man, dass ein mit großem Aufwand hergestelltes Teil nicht freiwillig in den Bau hinein will und dann der Zwang des Faktischen zu unerfreulichen Mehrkosten und kostenträchtigen und vermeidbaren Verlusten am Bestand führt.

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Bemusterung unterschiedlicher, durch restauratorischen Befund gesicherter Farbsysteme für eine Farbrekonstruktion.

Probeeinbau eines Holzmodells für eine aus hochfestem Stahl geschweißte Verstärkungskonstruktion; im Grundsatz gut, im Detail aber noch zu plump.

Für die Baumaterialien gilt das Gleiche wie am Neubau: Niemals den Einbau ohne vorherige Bemusterung und deren Abnahme akzeptieren! Die besonderen historischen Qualitäten der alten Baustoffe führen immer wieder zu ungewollten und unerfreulichen Kontrasten mit den modernen Materialien mit ihren ganz anderen Oberflächen und Farben. Gerade bei den Farben ist besondere Aufmerksamkeit geboten. Weil nur noch wenige engagierte Handwerksbetriebe ihre Farben selbst am Bau so anpassen, dass das verlangte und erhoffte Ergebnis entsteht, ist die konsequente Bemusterung und Freigabe ausschließlich des richtigen Ergebnisses von großer Bedeutung. Auch diese absehbare Erschwernis in der Umsetzung der Planung sollte man schon in der Ausschreibung benennen und berücksichtigen.

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Exakte Vorgaben für die restauratorische Behandlung der unterschiedlichen Dekorationssysteme sichern eine interessante und substanzentsprechende Gestaltung.

Kantenmodell für ein Neubauvorhaben (Anbau eines Aufzugs und Dachgauben) zur Abschätzung der Situation in bebauter Umgebung.

Aufmaß und Abrechnung Im Neubaubereich mag die Pauschalausschreibung den Planer bisweilen vor der häufig als lästig empfundenen Arbeit des Aufmaßes „bewahren“. Im Bestand zwingen die Unterschiedlichkeit der Einzellösungen und die bauteilbezogene Individualität der Reparaturmaßnahmen zu einer bis ins Detail in Positionen heruntergebrochenen Leistungsbeschreibung. Jeder Handgriff muss bedacht und ggf. in einer eigenen Position beschrieben werden. Dabei sollte man die Anarbeitung des Neuen an das schon vorhandene Alte als eigenständige Leistung nicht vergessen. Die so detaillierte Leistung muss folgerichtig auch in allen Einzelheiten aufgemessen werden. Eine substanzorientierte Planung bringt es dabei mit sich, dass auch kleine Flächen bearbeitet und kleine Mengen aufgemessen werden müssen. Hier tut man gut daran, sich schon in der Ausschreibung vor Mehrforderungen wegen Unterschreitung von Mindestmengen zu schützen.

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Die zu Beginn der Planung erstellten zuverlässigen und detailreichen Pläne bewähren sich nun auch in Aufmaß und Abrechnung. Eine in maßstäblichen Plänen erarbeitete Planung ist mit wenig Aufwand in eben diesen Plänen auch in ihren Massen erfasst. Wenn beispielsweise die Werkplanung für die Sicherung einer in ihrer Struktur differenzierten Fassade auf der Grundlage eines steingenauen Aufmaßes erfolgt ist, Lage und Länge der Vernadelungen exakt verortet sind und die verbauten Massen sich unmittelbar aus der Projektunterlage ergeben, gibt es bei planungsentsprechender Ausführung keine Diskussionen und keinen Ärger. Dass die so entstehende Aufmaßzeichnung auch gleich als Dokumentation der Maßnahme dient, ist ein zusätzlicher Vorteil.

Bauzeit und -geld Baumaßnahmen im Bestand eilt seit Jahrzehnten der Ruf voraus, sie seien im Hinblick auf die Kosten und die Bauzeit gänzlich unkalkulierbar. Beides kommt zwar leider häufiger vor, ist aber erwiesenermaßen falsch. Die umfassende Grundlagenermittlung, ein bestandsorientierter Entwurf und eine konsequente Baustellenführung garantieren auch im Bestand Zuverlässigkeit bei den Kosten und im Bauablauf. Und wenn es doch einmal anders ist, so ist das kein Makel der Architektur im Bestand im Besonderen, sondern der Architektur ganz allgemein. Leider gibt es ja auch viel zu viele Neubaumaßnahmen, deren Kosten sich während einer unfassbar langen Bauzeit ins Astronomische entwickeln. Baukosten und Kostenkontrolle Für eine zuverlässige und sachgerechte Kostenermittlung stehen heute neben den eigenen Erfahrungswerten schon zahlreiche Tabellenwerke und Kostenvergleiche zur Verfügung. Auf diesen Grundlagen ist es nach einer intensiven Einarbeitung in die Materie in aller Regel möglich, die Baukosten zutreffend zusammenzustellen. Voraussetzung für den Planungserfolg sind einmal mehr die vollständige Kenntnis des Gebäudes mit seinen bautechnischen Eigenheiten und die vollständige Beschreibung der Entwurfsziele. Wer beides nicht kennt, darf sich nicht wundern, wenn die Kosten am Ende nicht stimmen. Die kontinuierliche Entwicklung der Bauziele während der Umsetzung der Baumaßnahme hat durchaus auch ihre Faszination. Oft ist es ohne Zweifel richtig, im Angesicht des entstehenden Ergebnisses die Bauziele noch einmal zu überprüfen. Dass solche

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Bauteilgenaue Werkplanung für die Instandsetzung der stark geschädigten Fassade mit Putz und Werkstein des Schlosses Neu-Augustusburg in Weissenfels (1694) auf der Grundlage eines digital erstellen Systemaufmaßes.

Verfugung Vor-/Hauptfestigung Antragung Vierung/Neuteil Bestand in situ überarbeiten Schalen/Risse KSE-Injektion (Punkte entsprechen nicht den Injektionsröhrchen) Vernadeln Edelstahl Eisenklammer erhalten Eisenteil entfernen

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spontanen Entscheidungen auch Kostenfolgen haben, darf man dabei allerdings nicht aus dem Auge verlieren – sei es der Abbruch von Wänden, die zunächst erhalten bleiben sollten, sei es die Freilegung eines interessanten Befundes, der zunächst eigentlich hinter einer Verkleidung verschwinden sollte, sei es der zusätzliche Ausbau von Räumen, der so gar nicht vorgesehen war. Oft sind es solche unreflektiert und spontan getroffenen Entscheidungen, die in der Summe die Baukosten aus dem Ruder laufen lassen. Dieser Art von Überraschung begegnet man zuerst durch die zeitnahe Abstimmung mit dem Auftraggeber, dann natürlich am besten mit einer fortlaufenden Kostenkontrolle, mehr noch aber mit der beständigen Frage, ob die zu vergebenden Arbeiten auch tatsächlich so in der Kostenberechnung enthalten waren. Die immer wieder diskutierte Frage, ob die Instandsetzung und Modernisierung eines bestehenden Gebäudes teurer oder billiger sei als der entsprechende Neubau, lässt sich im statistischen Sinne naturgemäß nicht abschließend beantworten. Dafür sind mit dem Zustand des vorhandenen Gebäudes, mit dem Ausstattungsaufwand und der Planungsökonomie zu viele Variable im Spiel. Der entscheidende Faktor für die Baukostenentwicklung ist ohne Zweifel, ob die vorgesehene Nutzung mit der vorhandenen Gebäudestruktur zwanglos in Übereinstimmung zu bringen ist oder ob schon dafür so weitreichende Veränderungen erforderlich werden, dass auch eine sparsame und ressourcenschonende Planung nichts mehr ausrichten kann. Hier sachkundig und im wohlverstandenen Gesamtinteresse des Bauherrn klug abzuwägen, ist die eigentliche strategische Verantwortung des Architekten. Bauzeitenplan Die realistische Zeitplanung gehört zu den besonderen Herausforderungen im Bauwesen. Die Baustelle im Bestand bietet mit der oft sich wechselseitig bedingenden Verzahnung mehrerer Gewerke ohne Zweifel besondere Erschwernisse. Gravierender ist aber oft, dass die vorgefundenen Baumaterialien und die Forderung nach materialgerechter Instandsetzung es mit sich bringen, dass die Baustelle im Winter deutlich länger stillsteht als ein Neubau. Wassereintrag in bestehendes Mauerwerk, beispielsweise für die Verfüllung von Hohlräumen, ist während der Frostperiode, ja schon bei Frostgefahr nicht möglich. Manches historische Baumaterial, beispielsweise der Kalk – als Bindemittel oder als Beschichtung – kann unter 10° C nur

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mit starken Einschränkungen verbaut werden. Und auch im Sommer muss man bei manchen Gewerken, beispielsweise bei der Festigung von zermürbten Steinoberflächen oder auch deren Entsalzung, häufig mit verlängerten Reaktions- und Standzeiten rechnen. Hier hilft nur die genaue Kenntnis der handwerklichen Bauausführung, wenn man unerfreuliche Überraschungen vermeiden will. Honorar Die Planung im Bestand verlangt vom Architekten ohne jeden Zweifel mehr Arbeit als der Neubau. Die Grundlagenermittlung ist umfangreicher, die Zahl der beteiligten Sonderfachleute größer, die Planungsabläufe sind komplizierter, die Bauüberwachung erfordert eine höhere Präsenz. Das sollte man dem Bauherrn gleich am Anfang klarmachen. Die häufig in die Diskussion gebrachte Vermutung, die Bestandspläne seien doch sicher eine zumutbare kostenlose Sonderleistung des Architekten, weil er dann ja keine Baupläne mehr zeichnen oder allenfalls geringe Änderungen in den Plänen vornehmen müsse, ist selbstverständlich irrig. Soweit man in der Entwurfsphase tatsächlich Zeichenarbeit einsparen kann – was keinesfalls sicher ist –, wird dies durch die Mehrarbeit in der Phase der Werkplanung und Bauausführung mehr als wieder ausgeglichen. Hier führt die bauteilbezogene Planung im Bestand zu einer Vielzahl von Einzel- und Individuallösungen, wo im Neubau ein einziges Regeldetail sämtliche Planungsfragen abdeckt. Nicht nur aus diesem Grunde definiert die Honorarordnung für die Architekten den ganz überwiegenden Teil der Bestandsdokumentation und Bestandserkundung als Besondere Leistung, die auch besonders vergütet werden muss. Darüber hinaus werden die Besonderheiten der Architektur im Bestand mit Honorarzuschlägen gewürdigt. Literaturhinweise Die Literatur zum Thema ist ausgesprochen dürftig. König/Mandl haben eine umfangreiche Sammlung zu den Baukosten vorgelegt. Bei Schulz finden sich auch Hinweise zur Baustellenorganisation. Petzet/Mader und Thomas sind auch für die Fragen der Bauüberwachung hilfreich.

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NACHHALTIGKEIT Sustainable development meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs.* Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, 1987

Architektur im Bestand ist grundsätzlich nachhaltig. Ihr Ziel ist es, die Gesamtnutzungsdauer eines Gebäudes zu maximieren. Sie trägt dazu bei, dass der Aufwand, der früher einmal für die Errichtung eines Bauwerkes notwendig war, heute und in der Zukunft noch einmal so weit wie möglich nachgenutzt wird. Die Frage nach der Gesamtlebensdauer eines Gebäudes und der Anzahl der während dieser Zeit notwendigen oder möglichen Instandhaltungsmaßnahmen und Umnutzungen spielt im Bestand eine weit selbstverständlichere Rolle als beim Neubau. Ein Wohnhaus, das bereits von der dritten oder vierten Generation bewohnt oder ein ehemaliges Fabrikgebäude, das heute als Veranstaltungsort oder modische Verkaufshalle genutzt wird, haben ihre Anpassungsfähigkeit an neue Nutzungsanforderungen bereits bewiesen. Städtebauliche Einbindung und Infrastruktur, Disposition, Konstruktion und Material haben ihre Eigenschaften, ihre Stärken und Schwächen gezeigt. Die Konstruktion hat sich als reparatur- und alterungsfähig gezeigt. Bauteile und Materialien, die diese Fähigkeit nicht hatten, sind inzwischen ausgetauscht. Diese Erfahrung erlaubt es, Techniken und Strategien zu entwickeln, welche die Lebensdauer des Gebäudes weit über die Abschreibungszeiträume hinaus garantieren. Nichts spricht dagegen, dass bei richtiger Pflege weitere Nutzungsphasen ohne erhebliche Investitionen folgen werden. Die Planung im Bestand hat genau diese zukünftige Mehrphasigkeit und damit die Erhaltung der bereits bestehenden Werte über mehrere Nutzungs- und Sanierungsphasen hinaus im Blick. In der Immobilienwirtschaft hat man sich längst daran gewöhnt, auch das Nachleben eines Gebäudes in die wirtschaftliche Gesamtkalkulation mit einzurechnen. Ganz unabhängig von gängigen Berechnungsmodellen, wie sie der Finanzierung von Neubauprojekten zugrunde gelegt werden, verspricht die Verwertung des Baubestandes nach der Amortisation der Baukosten hohe Renditen. Die Bewahrung und Pflege der vorhandenen *Nachhaltige Entwicklung erfüllt die Bedürfnisse der Gegenwart ohne Beeinträchtigung der Fähigkeit künftiger Generationen, ihre eigenen Bedürfnisse zu erfüllen.

Niederlage eines Berufsstandes. Unbedachter und unqualifizierter Umgang mit historischem Bestand führt zu unnötigen und kostenträchtigen Zerstörungen, nimmt dem historischen Bauwerk seine Identität und dem Architekten die Möglichkeit des geistreichen Weiterbauens.

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Werte, Um-, Zwischen- und Nachnutzungsmöglichkeiten und schließlich die umweltverträgliche Entsorgung der Bausubstanz sind feste Größen, die einen bedeutenden betriebswirtschaftlichen Faktor darstellen. Das Gebäude wird als eine einmalige Investition verstanden, deren Wert sich durch die kluge Erhaltung und Entwicklung des Bestandes immer weiter steigern lässt. Facility Management Facility Management bezeichnet die Strategie, im Immobilienbestand versteckte Werte aufzuspüren und brach liegenden Ressourcen besser zu nutzen. Dabei wird der gesamte Prozess der Bewirtschaftung von Bauwerken und Grundstücksbestand während sämtlicher Nutzungsphasen behandelt. Insbesondere der Immobilienbesitz von Betrieben, deren Kerngeschäft in der Herstellung von Gegenständen oder in Dienstleistungen liegt, kann einen enormen Anteil am Gesamtvermögen ausmachen. Dieses oft ungenutzte, lieblos verwaltete und damit schlecht verwertete Potential soll durch kluges Management aktiviert werden. Auf jeden Fall aber muss es bei der Entwicklung von Unternehmensstrategien berücksichtigt werden, wenn nicht der Nutzwert der Liegenschaften unter die Kosten für die Erhaltung absinken soll. Facility Management führt zunächst eine Bestandserfassung durch, listet das Gesamtvermögen auf, dokumentiert Nutzungsprozesse und bilanziert die vorhandene Situation. Der zweite Schritt bewertet dann die einzelnen Zustände und sucht nach Optimierungsmöglichkeiten. In vielen Ansätzen und Methoden deckt sich diese Vorgehensweise mit derjenigen der Architekturplanung im Bestand. Gute Plangrundlagen sind eine selbstverständliche Notwendigkeit, zuverlässige und verfügbare Informationen die Bedingung für die Entwicklung von Handlungsstrategien. Ziel beider Handlungsfelder ist die Wertschöpfung durch die Wiederentdeckung und Nutzbarmachung von bereits vorhandenen Werten. Dabei ist klar, dass der reale Wert des Vorgefundenen auch von der Betrachtungsweise und ihrer Vermittlung abhängt. Aus diesem Grunde muss das Facility Management von einem allzu eingeschränkten Werteverständnis abstrahieren und die Möglichkeiten zur Neubewertung des Bestandes nutzen. Bisher unbeachtete Aspekte der Bewertung sind die Grundlage für eine möglichst realistische und gute Bilanz. Entscheidend für die Gesamtbilanz ist dabei die Frage, über welchen Zeitraum hin ein

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Bauprojekt betrachtet wird. Die langfristige Perspektive der Architektur im Bestand erfordert selbstverständlich die Berücksichtigung aller Folgekosten durch den Betrieb und notwendig werdende Reparatur- und Sanierungsmaßnahmen. Eine allzu schnelle Folge von Sanierungen ist aus mehreren Gründen problematisch. Auf einen längeren Zeitraum betrachtet sind kurze Sanierungsintervalle sehr kostenintensiv, weil sie die mögliche Nutzungsdauer der bereits erstellten Werte nicht ausnutzen, weil sie Bestandswerte zerstören und weil sie als anfallende Erstellungskosten den Preis für den umbauten Raum und damit den Druck auf die Rendite unnötig erhöhen. Planen und Bauen im Bestand ebenso wie die Pflege bestehender Bauobjekte gilt als teuer. Tatsächlich ist die Planung im Bestand kostenintensiver als bei einem Neubau. Die besondere individuelle Situation des bestehenden Bauwerks muss erfasst und berücksichtigt werden; die einzelnen Kostenansätze können wegen der zahlreichen, notwendigerweise individuellen Lösungen des Altbaus teurer sein, als die üblichen Standardlösungen. Der oft hohe Anteil an handwerklicher Arbeit ist lohnintensiv. Während bei Neubauten Material- und Personalkosten sich die Waage halten, verschiebt sich das Verhältnis bei Sanierungsmaßnahmen: Die Materialkosten sind gering, während die Personalkosten bei den personalisierten Entscheidungs- und Ausführungsprozessen um den Altbau auf bis zu 80 Prozent steigen können. Insgesamt ist aber das Ziel und Ergebnis einer dem Objekt angepassten Planung die Reduzierung des Maßnahmeumfangs, so dass der Gesamtaufwand oft sehr kostengünstig ausfällt. Auf den ersten Blick erscheint der Planungsaufwand erschreckend hoch, im wirtschaftlichen Gesamtergebnis zahlt sich dieser Aufwand aber aus. Wie teuer die architektonische Arbeit im Bestand ist, hängt nicht zuletzt sehr stark vom Gebäudetyp und von der Verträglichkeit der neuen Nutzungen oder Anforderungen ab. Passt die neue Nutzung zum Bestand und sind die zweckmäßigen baulich-konstruktiven und gestalterischen Strategien bekannt, ist für bestimmte Gebäudegruppen eine Kostenersparnis gegenüber dem Neubau von bis zu 40 Prozent erreichbar. Es gibt Gebäudegruppen und dazugehörige Umnutzungskonzepte, die längst zu wirtschaftlichen Erfolgsmodellen geworden sind. Der Ausbau von ehemaligen Fabrikgebäuden an innenstadtnahen Standorten zu Lofts, Einrichtungshäusern und Quartierzentren gehört ebenso dazu, wie die Verwertung von alten Hafenanlagen oder der Ausbau von Dachgeschossen. In der

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Folge führt der hohe Identifikationswert der Altbausubstanz zu geringer Fluktuation und zur Ausbildung tragfähiger Nachbarschaften. Rechnet man in die Gesamtbilanz eines Bauvorhabens die Pflege- und Unterhaltskosten ein, wie es für eine betriebswirtschaftliche Betrachtung selbstverständlich ist, dann lohnen sich nachhaltige, mit Augenmaß geplante Reparatur-, Ertüchtigungs- und Umbaumaßnahmen in jedem Fall. Schließlich müssen auch die Kosten für die Entsorgung von Baustoffen aus dem Abriss am Ende der Nutzungsdauer in die Kalkulation aufgenommen werden. Bauschutt macht einen großen Anteil der deponierten Mengen an Müll aus. Während die allermeisten Baustoffe aus der Zeit vor der Industrialisierung in aller Regel leicht recycelt und unbedenklich entsorgt werden können, sind viele der im 20. Jahrhundert neu entwickelten Materialien mit Schadstoffen belastet, nicht sortenrein zu trennen und verursachen deswegen beim Abriss erhebliche zusätzliche Kosten. Monitoring und Pflege Der wirtschaftlichste Umgang mit bestehender Bausubstanz ist die dauerhafte Pflege. Dazu dienen langfristige Wartungsverträge, regelmäßige Revision durch Hausmeister und Fachleute ebenso wie die Erstellung von Bauunterhaltungsbüchern. Diese dokumentieren über einen langen Zeitraum hinweg den Zustand des Gebäudes, dessen Veränderungen sowie Schadensprozesse und schaffen den notwendigen Überblick, um frühzeitig und rechtzeitig nachteiligen Entwicklungen gegensteuern zu können. Sachkundige Wartung sichert langfristig den Werterhalt, eine alte Weisheit, die in Zeiten der Sparsamkeit besondere Bedeutung erhält. Als Vorbild für eine nachhaltige und systematische Pflege des Baubestands dienen auch für den „normalen“ Bauherrn Pflegepläne, welche die Denkmalpflege seit Jahrzehnten als bewährtes Instrument für ihre kulturell bedeutsamen Baudenkmale erstellt. Auch Wohnungsbaugesellschaften besitzen auf diesem Gebiet große Erfahrung. Zum Pflegeplan gehört die Verwendung von Checklisten, welche zum Beispiel die regelmäßige Wartung und Reinigung von verstopften Regenrinnen, undichten Fallrohren und alle anderen Punkten, an denen mangelhafte Pflege schnell zu einem Schaden an der Bausubstanz führen kann, vorsehen. Besonders

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Lebenszyklus und Investitionsbedarf eines Gebäudes. Laufende Instandhaltung vermeidet scharfe Brüche; meist geht die tatsächliche Instandsetzung über das Niveau des Ausgangspunkts hinaus.

bei großen Altbauten, also etwa Schlössern oder Kirchen, hat es sich bewährt, eine große Baumaßnahme mittel- und auch langfristig in einzelne Bauabschnitte zu teilen, deren Ergebnisse immer wieder über einen längeren Zeitraum hinweg beobachtet und auf ihre Nachhaltigkeit überprüft werden, bevor die nächste Maßnahme in Angriff genommen wird. Dieses Vorgehen hält nicht nur die Kosten der jeweiligen Teilbaumaßnahme niedrig, sondern garantiert auch die notwendige Planungssicherheit und den dauerhaften Werterhalt. Wer Instrumente des Facility Management anwendet, kann Pflege, Wartung, Reparatur und Sanierung auf die realen Alterungsprozesse der Bausubstanz abstimmen. Das Monitoring, die langfristige Beobachtung des Bestandes und bestimmter kritischer Aspekte der jeweiligen Konstruktion, sorgt dafür, dass man das spezifische Alterungsverhalten eines Gebäudes und seiner Teile kennt und angemessen darauf reagieren kann. Die Kunst besteht darin, so wenig Maßnahmen wie möglich, diese aber immer rechtzeitig zu ergreifen, bevor gravierende Schäden an der Bausubstanz entstehen, die tief greifende Erneuerungsmaßnahmen notwendig machen würden.

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Werterhalt In der Immobilienwirtschaft werden sehr unterschiedliche Aspekte zur Bewertung eines Gebäudes herangezogen. Die meisten Wertmaßstäbe sind dabei einem ständigen Wandel unterworfen. Dazu gehören Standortvorund -nachteile ebenso wie der Imagewert des Bauwerks. Die vorrangigste Aufgabe der Architektur im Bestand ist die Werterhaltung und langfristige Wertsteigerung. Um hier den richtigen Mittelweg zwischen konservativem Verharren und ephemerer Mode zu finden, ist ein fein entwickeltes Gespür nötig. Der Versuch, den Wert der Substanz nicht nur durch das Anheben des Ausstattungsstandards, also etwa durch den Einbau von Bädern, Fahrstühlen, Wärmedämmung etc. zu erhöhen, sondern auch durch gestalterische Maßnahmen das Aussehen des Gebäudes dem Zeitgeschmack anzupassen, führt nicht selten zu nur kurzlebigen „Verschönerungen“. Sicherlich spricht nichts gegen einen neuen Anstrich in freundlichen Farben oder die Aufwertung des Eingangsbereichs eines Mietshauses; weitergehende Umgestaltungen aber geraten schnell in Konflikt mit dem ursprünglichen gestalterischen Gesamtkonzept oder gar mit der Konstruktion. Wer mit Altbau zu tun hat, dem muss klar sein, dass einer der langfristigen Werte des Gebäudes eben in seinem historischen Gestaltwert und in seiner überlieferten Bausubstanz besteht. Jede Veränderung kann damit der Tendenz nach zugleich zu einer Beschädigung des Ursprungsbaus führen. Das gilt auch für seine künstlerische Ausdruckskraft. Den postmodernen Giebel am Eingang eines Zeilenbaus der sechziger Jahre findet bereits nach zehn Jahren niemand mehr schön. Umgekehrt wird auch die gegenwärtig wenig angesehene Sichtbeton-Ästhetik der siebziger Jahre in absehbarer Zeit wieder ihre Liebhaber finden. Es ist sparsamer und lohnt sich, nicht auf kurzfristige gestalterische Moden zu reagieren, sondern die immanenten ästhetischen Stärken des Baubestandes zu pflegen und hervorzuheben. Mit einem gewissen zeitlichen Abstand oder auch für eine andere Nutzergruppe können Eigenschaften, die heute als gestalterischer Nachteil empfunden werden, schon in wenigen Jahren wieder eine besondere Exklusivität und Attraktivität besitzen. So gesehen erfordert Architektur im Bestand nicht nur vielfältige Kompetenzen, sondern auch und vor allem Geduld.

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Literaturhinweise Die Ansätze und Methoden des modernen Facility Management erklären Gänssmantel/ Geburtig/Schau. Einen Einblick in die Projektentwicklung in der Immobilienwirtschaft und in Fragen der Bewertung vorhandener Gebäude geben Alda/Hirscher. Kastner führt in die systematische Beurteilung von Altbauten und in die Verwendung von Checklisten ein. Hamesse weist auf den engen Zusammenhang von ökologischen und ökonomischen Sanierungsstrategien hin. Reul 2005 beschreibt anschaulich die mangelnde Nachhaltigkeit und wirtschaftliche Unsinnigkeit von Sanierungen, die ohne ausreichende Kenntnis des Bestandes geplant wurden. Die Erstellung und der Umgang mit Bauunterhaltungsbüchern erklärt Klemisch. Er weist darauf hin, dass die planerische Betreuung der Altbausubstanz mit dem Ziel, das Gebäude wirklich zu verstehen und durch leichte und gezielte Pflegemaßnahmen größere Schäden und Sanierungen zu vermeiden, ein weitgehend unerschlossenes Betätigungsfeld für Architekten und Ingenieure darstellt. Statistische Grundlagen zum Baubestand liefern Hassler/Kohler.

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LITERATURVERZEICHNIS Unsere Zusammenstellung erhebt in keiner Weise den Anspruch auf Vollständigkeit. Sie verzeichnet in der Regel nur selbstständige Publikationen und könnte als Orientierung dienen, welche Titel der Architekt für die Planung im Bestand auf jeden Fall nutzen sollte. AHNERT, Rudolf und Karl Heinz KRAUSE: Typische Altbaukonstruktionen von 1860 bis 1960; Wiesbaden/Berlin 1986 ARENDT, Claus: Modernisierung alter Häuser; München 2003 ALDA, Willi und Joachim HIRSCHNER: Projektentwicklung in der Immobilienwirtschaft; Stuttgart 2005 ALMAGRO, Antonio Gorbea: Levantamiento arquitectónico; Granada 2004 ASHURST, John: Conservation of Ruins; Oxford 2007 ASSMANN, Aleida und Dietrich HARTH (Hrsg.): Mnemosyne. Formen und Funktionen der kulturellen Erinnerung; Frankfurt am Main 1991 ASSMANN, Jan (Hrsg.): Kultur und Gedächtnis; Frankfurt am Main 1988 BAER, Norbert und Folke SNICKARS: Rational Decision-making in the Preservation of Cultural Property; Berlin 2001 BECKMANN, Paul: Structural Aspects of Building Conservation; London 1995

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BILDNACHWEIS Altenkirch, Dirk 74 Anderhalten, Claus 172 Archivio Museo di Castelvecchio, Verona 160 Atelier 5 131 ASD, Yngve Jan Holland, Andreas Potthoff 63 Augustin und Frank 122 Basler Denkmalpflege, Hans Ritzmann 56 Basler Denkmalpflege, Bernard Jaggi 105 Basler Denkmalpflege, Mathias Merki 56 Basler Denkmalpflege, Stephan Tramèr 73 Battistella©CISA-A. Palladio, Gianantonio 118 Baupiloten, Susanne Hofmann 172 Bergamo, Fabrizio 206 Bitschnau/Hauser 128 Bitter, Jan 142, 172 Bleyl, Markus 41, 164, 169 Block, Klaus 124 Blümel, Anke 108 bpk / Kupferstichkabinett, SMB /Jörg P. Anders 17 Bryant, Richard / arcaid.co.uk 104 Calatrava, Santiago 105 Carmassi, Massimo 2, 75, 161 Ciampi, Mario 75, 115 Cirenei, Matteo 95 Cramer/Sack 51 Dechau, Wilfried 94 Dienstleistung Denkmal, Semmler/Schmidt 43, 66 Galerie Marzee 117 Gieselmann, Reinhard 148 Gilbert, Dennis / VIEW 155 Gonzalez, Primitivo 103 Gross, Felix / Kunstverlag Josef Fink 78 Halbe, Roland 123, 150 Helfenstein, Heinrich 105 Hofburg Kongresszentrum & Redoutensäle Wien 126 Hollein, Hans 148 Holzmanufaktur Rottweil 158, 175, 177 Hüffer/Ramin 181 Hundertmark, Hein / Cultuurhistorie gemeente Utrecht 149 Huthmacher, Werner 122, 127 Jakobs, Dörthe 78, 79 Kaunat, Angelo 132 Klomfar+Partner 128

Kollhoff Architekten 140 Kraneburg, Christian 173 Landesdenkmalamt Berlin 77 Martiradonna, Andrea 129 Mazzola, Sebastiano 120 meixner-schlueter-wendt 173 Miotto, Luciana / Archivio Museo di Castelvecchio Verona 8 Moreno, Joaquim 112 Müller, Stefan 181 Nemec, Studio 140 Ohara, Nobuko 123 Pavan, Vittorio 112 Purcell, Miller, Tritton LLP 139 Reichwald, Helmut 78, 79 Reuss, Wolfgang 79 Ricciardi, Enrico 45 Richters, Christian 109 Sánchez López, Eduardo 33 Schnieringer, Karl 55 Schubert, Leo 85, 112 Schwarz, Ulrich 140 Serrano, Manuel 117, 121 Sloun, Etienne van 125 Snower, Doug 11 Stadtamt Braunau 69 Sternberg, Morley von 108 Stiftung Preußische Schlösser und Gärten BerlinBrandenburg 72 Stiftung Preußische Schlösser und Gärten BerlinBrandenburg, Andreas Potthoff 62 Storemyr, Per 90 Suzuki, Hisao 33 Trapp, www.tobiastrapp.eu 119 TU München, Baugeschichte 113 Voeten, Sybolt 152 Wett, Günther R. 145 Wicky, Gaston 131 Winde, Jörg 28 Wolf, Peter 187 Young, Nigel / Foster+Partners 154 Zecc Architekten 130 Zugmann, Gerald 156 Alle übrigen Abbildungen stammen von den Verfassern.

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ARCHITEKTENREGISTER ACEA + Comune di Roma 120 Alberti, Leon Battista 9 Anderhalten, Claus 127, 170 Aparicio Guisado, Jesus 150 Asadov, Aleksander 132 Atelier 5 131 Auer, Gerd 23, 153 Augustin + Frank 122 AUIA 132 Aulenti, Gae 123 Baupiloten 142, 172 Behnisch, Günter 171 Bernini, Gianlorenzo 17 Block, Klaus 95, 124 Böhm, Gottfried 119, 126 Bramante, Donato 17 Breitling, Stefan 67, 71 Brouwers, Rob 125 Busse, Hans-Busso von 29 Calatrava, Santiago 105 Carmassi, Massimo 10, 32, 75, 97, 98, 115, 145, 161 Chipperfield, David 10, 126 Cramer, Johannes 23, 41, 74, 153, 169, 176, 187 Dehio, Georg 22, 48 Diederen + Dirrix 117 Dinse/Feest/Zurl 124 Dixon + Jones 107 Döllgast, Hans 96, 126 Domenig, Günther 156 Donati, Francesca 129 Egeraat, Erick van 100, 109 Fernandez Elorza, Hector 150 Foster, Norman 135, 154, 155, 159 Frotscher, Heinrich 153 Galfetti, Aurelio 10, 98, 135 Gallegos Borges, Gabriel 103 Garcia Delgado, Javier 33 Gehry, Frank 100 Gieselmann, Reinhard 148 Ginzburg, Moissej 30 González, Primitivo 103 Gropius, Walter 22

Harrap, Julian 10, 126 Hänsch, Wolfgang 143 Heerich, Ernst 174 Henket, Hubert-Jan 152 Herzog & de Meuron 10, 20, 170 Hollein, Hans 101, 148 Hüffer + Ramin 181 INNOCAD 132 Jones, Edward 107 Jordi, Marc 134 Kahlfeldt, Petra und Paul 101 Klumpp, Hans 78 Kollhoff, Hans 101, 140, 170 Koolhaas, Rem 100 Lópes Cotelo, Victor 33 Maderno, Carlo 17 MECANOO 100, 109 Meixner / Schlueter / Wendt 173 Michelangelo 9, 159 Miralles, Enric 149 Moore, Charles W. 101 Mozer, Jordan 11 MRJ Rundell + Associates 108 Muzio, Giovanni 95 Neumann, Franz Ignatz Michael 16 Nouvel, Jean 135 Novas, Angeles + Fernando Barredo 171 Ortner, Laurids 102 Oswalt, Philipp 210 Peruzzi, Baldessare 17 Piana, Mario 112 Pitz + Hoh 79 Puente Fernandez, Carlos 33 Purcell / Miller / Tritton 139 Raffael 17 Reuter, Hans 113, 180 Riegl, Alois 22, 210 Ruskin, John 21, 25, 27, 111 167, Sangallo, Antonio da 17 Scarpa, Carlo 10, 97, 98, 116, 144, 145, 159, 160 Scharfetter, Martin 145 Schattner, Karljosef 10, 48, 97, 98, 124, 146, 151, 162

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Scherer + Angonese 128 Schinkel, Karl Friedrich 9, 18, 24, 159, 183 Schubert, Leo 112 Schwarz, Rudolf 97 Seelinger, Martin 143 Stirling, James 101 Tesar, Heinz 101 Ungers, Oswald Mathias 151 Valentyn, Thomas van den 137 Venturi, Robert 141 Wehdorn, Manfred 124 Zaanen/Spanjers 104 ZECC Architekten 130 Zumthor, Peter 20

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SACHREGISTER Abrechnung 193-194 Additive Maßnahme 41, 88, 116, 167-173, 175 Altern lassen 111 Alterswert 21, 138-141 Anpassung 100, 115, 117, 127, 138-141, 159 Anpassungsdetail 164, 165 Archäologie 68, 72, 80, 93, 103 Archiv 48-50, 72 Artenschutz 25 “As Found” 99 Aufmaß 54-63, 94, 181, 193, 194 Aufmaß, formtreu 53-63, 112, 113, 163 Aufmaß, System 55, 195 Aufmaß, tachymetrisch 61, 70, 71 Aufmaß, wissenschaftlich 57, 78 Aufputzinstallation 117, 121 Aufstockung 110, 132, 133 Aufzug 41, 58, 110, 125, 133 Ausführungsplanung 59, 159-181 Ausschreibung 54,191, 192, 193 Ausstattung 53, 59, 62, 66, 75, 77, 92, 140, 187, 196 Ausstattungsplan 37, 50, 54, 92 Authentizität 23, 37, 40 Bauabschnitt 71, 203 Bauakte 47, 49, 54 Bauarchäologie 72, 76, 83, 128, 147 Bauaufnahme, formtreu 41, 53-63, 74 Bauaufnahme, Genauigkeitsstufen 54, 59, 89 Bauaufnahme, steingerecht 44, 74 Bauforschung 60, 68-82 Baugenehmigung 35-40 Bauherr 34, 35, 40, 104, 147, 174, 196, 202 Baukosten 67, 111, 174, 194-196, 197, 199 Bauleitung 189-194 Baumaterialien, historische 25, 43, 80, 159, 196 Bauphasenplan 38, 41, 54, 69, 70, 84, 91, 128, 148, 149 Bauphysik 45, 72, 86-91, 118, 129, 141, 169 Bauschutt 185, 202 Baustelleneinrichtung 183-189 Baustoff 152 Bauteilschutz 186-189, 190 Bauuntersuchung 41, 45, 46, 66-91 Bauzeit 72, 185, 188, 189, 194-197 Befreiungen 35, 110 Befundplan 38, 67

Belastung 31, 88, 110 Bemusterung 191-192 Beschriftung 50, 73, 183, 190 Besondere Leistung 197 Bestandserfassung 45-65, 85, 90, 93 Bestandsplan 54-65 Bestandsschutz 110, 165 Betroffenenbeteiligung 43 Bewahren 20, 193 Bildentzerrung 61, 64 Bindungsplan 37, 39, 42, 92 Brandschutz 36, 37, 108, 110, 131 Charta von Venedig 22, 102 Checkliste 46, 53, 202, 205 Dachausbau 129, 130 Datierung 81, 82, Dendrochronologie 68, 82, 93 Denkmalpflegeplan 92 Denkmalschutzbehörde 37, 40 Denkmalschutzgesetz 21, 114 Denkmaltopographie 48 Didaktisches Gestalten 147 Disposition 101-106, 199 Dokumentation 47, 50-54, 56, 60, 67, 189, 194 Einfachfenster 175, 177 Elektroinstallation 38, 117, 118 Energiebilanz 36, 171 Energieeffizienz 36, 118, 142 Entkernung 101, 102, 134, 162 Entlastungsbauten 102, 107, 109, 131 Erschließung 32, 41, 50, 75, 102, 104, 107, 108, 109, 110, 118, 127, 131, 132, 133, 143, 149, 153, 171 Ertüchtigung 113, 118, 119 175-177, 180 Erweiterung 108, 110, 122, 129, 149, 151, 152, 157 Facility Management 54, 59, 93, 200-202, 203, 205 Fassade 126, 134, 143, 147, 162, 172, 191, 195 Fenster 36, 57, 59, 81, 159, 161, 175-177 Fertigbauen 126 Feuchte 88, 166, 186 Fragmentierung 98, 103, 144-151 Fuge 150, 151, 154, 155, 162 Fügung 151-157 Gebäudeausrüstung, technische 168 Gebäudekomposition 151 Genauigkeitsstufen 54-57, 58, 59 Genehmigungsverfahren 37

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genius loci 18, 20, 23, 98 Geschosshöhe 36, 133 Gestaltung 120, 137-157, 162, 170 GIS (Gebäudeinformationssystem) 71 Großinventar 48 Grundbuch 47 Grundlagenermittlung 45-93, 194 Grundrissorganisation 36, 101, 104, 127, 133 Handaufmaß 56, 61, 62 Handwerker 42, 112, 114, 183, 185, 186, 189-191 „Haus im Haus“ 124 Hausschwamm 30, 178, 179, 180 Heizung 117, 118 Historizität 24 Holzschutzgutachten 178, 180 Honorar 189, 197 Immobilienwirtschaft 199, 204, 205 Industriebauten 123, 124 Instandhalten 11, 111-114 Inszenierung 98, 103, 144, 145, 146, 147, 155, 157 Isolierverglasung 177 Kastenfenster 175, 177 Kennzeichnung 47, 53, 69, 190, Klimatisierung, temporäre 185 Konservierung 22, 114, 165, 184 Kontrast 33, 75, 115, 125, 128, 138, 144, 148, 149, 152, 155, 192 Kosten 194, 200, 202 Kostenkontrolle 194-196 Kulturdenkmal 29, 36 Kulturlandschaft 18 Kurzuntersuchung 46 Laserscanner 58, 63 - 66, 163 Lasertheodolit 58, 61, 63 Leistungsbeschreibung 193 Materialgerechtigkeit 166 Mindestmenge 193 Modernisierung 111, 115-119, 196 Monitoring 30, 71, 202-203 Nachhaltigkeit 47, 101, 104, 134 165, 174, 177, 159, 199-205 Notsicherung 29-31, Nutzungsplanung 59, 102-104 “Objet trouvé” 100

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Pflege 48, 114, 199, 201, 202-203 Pflegeplan 202 Photodokumentation 50 Photogrammetrie 62, 63, 93 Planung, bauteilorientiert 160-163, 197 Planungsprozess 29, 81 Planungsstrategie 43, 93, 110 PLANUNGSSTRATEGIEN Altern lassen 111 Anpassung 100, 115, 117, 127, 138-141, 159 Ertüchtigung 113, 118, 119 175-177, 180 Fertigbauen 126 Instandhalten 45, 111-114 Konservierung 22, 114, 165, 184 Modernisierung 111, 115-119, 196 Rekonstruktion 24, 40, 69, 79, 80, 91, 127, 135, 136, 137, 143, 144 Reparatur 33, 48, 84, 86, 117, 159, 163, 166, 175, 180, 193, 203 Restaurierung 111, 114 Sanierung 24, 67, 114,166, 201, 203, 205 Umbau 127 Umnutzung 47, 101, 104, 120, 199 Weiterbauen 111, 119-134, 139, 199 Zusammenfassung 133 Planungstiefe 31, 163 Positivkartierung 46, 92 Probeeinbau 191-192 Randsicherung 188 Raumaufteilung 104 Raumbuch 43, 46, 50, 51, 52, 53, 73 Rekonstruktion 24, 40, 65, 69, 72, 79, 80, 126, 135, 136, 137, 143, 144 Reparatur 33, 48, 84, 86, 117, 159, 163, 166, 175, 180, 193, 203 Restaurator 35, 68, 76-80, 147, 162, 187 - 193 Restaurierung 111, 114 Reversibilität 40, 168 Sanitärinstallation 38, 117 Sanierung 24, 67, 114, 166, 201, 203, 205 Scanner, 3D: siehe Laserscanner Schadenskartierung 85, 87, 89, 175, 178 Schadensplan 89, 90, 91 Schädlingsbefall 86, 178 Schallschutz 36, 175, 177 Schattenfuge 151, 154 Schutzgutplan, siehe auch: Bindungsplan 92

“sotto livello” 153, 157 Sondage 73, 78, 79 Spolie 134 Stadtsanierung 23 Standfestigkeit 84, 88 Stärken-Schwächen-Analyse 45, 91-93 Stereophotogrammetrie 62, 65, 78 Streiflicht-Scanner 64, 73 Systemaufmaß; siehe: Aufmaß, System Teilung 58, 68, 119, 120, 123, 124, 137 Thermographie 72, 87, 93 Tragwerk 30, 35, 37, 46, 59, 66 - 72, 84 - 86, 105, 109, 113, 167, 168, 169, 171, 172, 178, 180, 181, 189 Tragwerksanalyse 83-86, 169 Treppen 33, 41, 58, 105, 108, 116, 121 162, 163, 188 Umbau 127 Umnutzung 47, 101, 104, 120, 199 Urkataster 50 Verformungen 55, 58, 59, 67, 71, 72, 73, 83, 85, 86, 112, 112, 129, 164 Verfremdung 133, 148, 151, 155 Verkehrslast 168 Verkehrswege 183, 186, 188 Volluntersuchung 46 Vorbereitende Untersuchungen 31 Wartung 202, 203 Weiterbauen 111, 119-134, 139, 199 Werkplanung 33, 75, 87, 113, 131, 139, 140, 160, 161, 163, 164, 165, 169, 194, 195 Werkstatt 185, 187 Werterhaltung 202, 204 Wiederverwendung 174-175, 176 Zusammenfassung 133 Zusatztragwerk 168 „Zweite Haut“ 170, 171 Zwischennutzung 120

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BILDNACHWEIS Altenkirch, Dirk 74 Anderhalten, Claus 172 Archivio Museo di Castelvecchio, Verona 160 Atelier 5 131 ASD, Yngve Jan Holland, Andreas Potthoff 63 Augustin und Frank 122 Basler Denkmalpflege, Hans Ritzmann 56 Basler Denkmalpflege, Bernard Jaggi 105 Basler Denkmalpflege, Mathias Merki 56 Basler Denkmalpflege, Stephan Tramèr 73 Battistella©CISA-A. Palladio, Gianantonio 118 Baupiloten, Susanne Hofmann 172 Bergamo, Fabrizio 206 Bitschnau/Hauser 128 Bitter, Jan 142, 172 Bleyl, Markus 41, 164, 169 Block, Klaus 124 Blümel, Anke 108 bpk / Kupferstichkabinett, SMB /Jörg P. Anders 17 Bryant, Richard / arcaid.co.uk 104 Calatrava, Santiago 105 Carmassi, Massimo 2, 75, 161 Ciampi, Mario 75, 115 Cirenei, Matteo 95 Cramer/Sack 51 Dechau, Wilfried 94 Dienstleistung Denkmal, Semmler/Schmidt 43, 66 Galerie Marzee 117 Gieselmann, Reinhard 148 Gilbert, Dennis / VIEW 155 Gonzalez, Primitivo 103 Gross, Felix / Kunstverlag Josef Fink 78 Halbe, Roland 123, 150 Helfenstein, Heinrich 105 Hofburg Kongresszentrum & Redoutensäle Wien 126 Hollein, Hans 148 Holzmanufaktur Rottweil 158, 175, 177 Hüffer/Ramin 181 Hundertmark, Hein / Cultuurhistorie gemeente Utrecht 149 Huthmacher, Werner 122, 127 Jakobs, Dörthe 78, 79 Kaunat, Angelo 132 Klomfar+Partner 128

Kollhoff Architekten 140 Kraneburg, Christian 173 Landesdenkmalamt Berlin 77 Martiradonna, Andrea 129 Mazzola, Sebastiano 120 meixner-schlueter-wendt 173 Miotto, Luciana / Archivio Museo di Castelvecchio Verona 8 Moreno, Joaquim 112 Müller, Stefan 181 Nemec, Studio 140 Ohara, Nobuko 123 Pavan, Vittorio 112 Purcell, Miller, Tritton LLP 139 Reichwald, Helmut 78, 79 Reuss, Wolfgang 79 Ricciardi, Enrico 45 Richters, Christian 109 Sánchez López, Eduardo 33 Schnieringer, Karl 55 Schubert, Leo 85, 112 Schwarz, Ulrich 140 Serrano, Manuel 117, 121 Sloun, Etienne van 125 Snower, Doug 11 Stadtamt Braunau 69 Sternberg, Morley von 108 Stiftung Preußische Schlösser und Gärten BerlinBrandenburg 72 Stiftung Preußische Schlösser und Gärten BerlinBrandenburg, Andreas Potthoff 62 Storemyr, Per 90 Suzuki, Hisao 33 Trapp, www.tobiastrapp.eu 119 TU München, Baugeschichte 113 Voeten, Sybolt 152 Wett, Günther R. 145 Wicky, Gaston 131 Winde, Jörg 28 Wolf, Peter 187 Young, Nigel / Foster+Partners 154 Zecc Architekten 130 Zugmann, Gerald 156 Alle übrigen Abbildungen stammen von den Verfassern.

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ÜBER DIE AUTOREN

Prof. Dr.-Ing. Johannes Cramer Freier Architekt Professor für Bau- und Stadtbaugeschichte Nach dem Architekturstudium wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TH Darmstadt und dem Deutschen Archäologischen Institut sowie Heisenberg-Stipendium an der Universität Hannover. 1989 bis 1997 Professor für Bau- und Siedlungsgeschichte an der Universität Bamberg, seit 1997 Professor für Bau- und Stadtbaugeschichte an der Technischen Universität Berlin. Forschungsprojekte an Bauten von der Römerzeit (Maxentius-Basilika Rom) bis in das 20. Jahrhundert (Berliner Mauer). Zahlreiche Publikationen zur Bauaufnahme, Bauforschung und Hausforschung sowie zu Themen der Architektur des Mittelalters und des 20. Jahrhunderts, darunter als Welterbe-Objekte die Michaelis-Kirche in Hildesheim und die Altstadt von Istanbul. http://baugeschichte.a.tu-berlin.de Seit 1977 Büro für Bauarchäologie, Bauforschung und Denkmalpflege. Consultant der UNESCO. Restaurierungs- und Umnutzungsprojekte in Deutschland und im europäischen Ausland, oft mit hochwertiger, restauratorisch empfindlicher Ausstattung. Welterbe-Projekte sind der Kaiserund Mariendom zu Speyer und das PergamonMuseum in Berlin. Zahlreiche bauhistorische Gutachten als Vorbereitung und Grundlage für sach- und substanzgerechte Umbaumaßnahmen. www.prof-cramer.de

Dr.-Ing. Stefan Breitling Stefan Breitling hat in Freiburg im Breisgau Klassische Archäologie und an der Technischen Universität Berlin Architektur studiert. 1996 erhielt er im Rahmen des Graduiertenkollegs Kunstwissenschaft, Bauforschung und Denkmalpflege der Otto-Friedrich-Universität Bamberg und der Technischen Universität Berlin ein Promotionsstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Von 1998 bis 2003 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter, danach Wissenschaftlicher Assistent am Fachgebiet Bau- und Stadtbaugeschichte der Technischen Universität Berlin bei Prof. Dr.-Ing. Johannes Cramer. Seine Promotion mit dem Thema „Adelssitze zwischen Elbe und Oder 1400-1600“ schloss er 2001 an der Fakultät für Architektur der Leibniz-Universität Hannover bei Prof. Dr.-Ing. Cord Meckseper ab. Er führte Forschungsprojekte am Kloster Ri-Rdzong in Ladakh, an Häusern in Fener, Istanbul, an der Maxentius-Basilika in Rom, an der ottonischen Stiftskirche in Walbeck, am Naumburger Dom, an der Franziskaner-Klosterkirche in Berlin und anderen Bauten durch. Von 1999 bis 2004 leitete er im Auftrag der Nidaros Domkirkes Restaureringsarbeider die bauhistorischen Untersuchungen am Ostabschluss des Nidaros-Doms in Trondheim. 2002-2004 übernahm er für die ARGE PergamonMuseum die Planung der Restaurierung und Baufreimachung an der Mschatta-Fassade im Museum für Islamische Kunst. Seit 1997 ist er als selbstständiger Bauforscher und Gutachter tätig. Er ist Mitglied der Koldewey-Gesellschaft und der Wartburg-Gesellschaft zur Erforschung von Burgen und Schlössern. Seit 2006 vertritt er die Professur für Bauforschung und Baugeschichte an der OttoFriedrich-Universität Bamberg.

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