Adliges Eigentumsrecht und Landesverfassung: Die Auseinandersetzungen um die eigentumsrechtlichen Privilegien des Adels im 18. und 19. Jahrhundert am Beispiel Brandenburgs und Pommerns 9783050089898, 9783050049762

Die Strategien adliger Besitzsicherung, insbesondere jene des ehemaligen ostelbischen Lehnadels, sind bis heute ein bevo

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Adliges Eigentumsrecht und Landesverfassung: Die Auseinandersetzungen um die eigentumsrechtlichen Privilegien des Adels im 18. und 19. Jahrhundert am Beispiel Brandenburgs und Pommerns
 9783050089898, 9783050049762

Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Vorbemerkung
Einleitung
1. Die Mitsprache der Kreisritterschaften bei der Umwandlung der kurmärkischen Lehngüter in Familieneigentum zur Gesamten Hand
2. Die Mandatsbindung der Kreisdeputierten als Hindernis für die Reform der adligen Eigentumsrechte
3. Angehörige der landadligen Elite als ständisch legitimierte Berater bei der Kodifizierung der Eigentumsordnung des märkischen Adels
4. Die Rechtsverhältnisse der adligen Familiengüter Pommerns
5. Kapitalisierte Grundschuld, Geldmarkt und gebundenes Eigentum
6. Die Überwinterung der adligen Eigentumsrechte in der Reformzeit
7. Externe Juristen als Deputierte des Brandenburger Provinziallandtages bei der Kodifizierung der adligen Eigentumsrechte
8. Die Reformkonzepte des pommerschen Provinziallandtages und die Konferenz der Familienvertreter
9. Der Verfassungsrang des gebundenen Grundbesitzes in der konstitutionellen Monarchie
Zusammenfassung
Verzeichnis der zitierten Quellen und Literatur
Sachregister

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Dirk H. Müller Adliges Eigentumsrecht und Landesverfassung

E litEnwandEl in dEr M odErnE

Herausgegeben von Heinz Reif Band 11 Band 5 Wolfram G. Theilemann Adel im grünen Rock Adliges Jägertum, Großprivatwaldbesitz und die preußische Forstbeamtenschaft 1866–1914 Band 7 Martin Kohlrausch Der Monarch im Skandal Die Logik der Massenmedien und die Transformation der wilhelminischen Monarchie Band 8 Rainer Pomp Bauern und Großgrundbesitzer auf ihrem Weg ins Dritte Reich Der Brandenburgische Landbund 1919–1933 Band 9 Mathias Mesenhöller Ständische Modernisierung Der kurländische Ritterschaftsadel 1760–1830 Band 10 Karsten Holste, Dietlind Hüchtker, Michael G. Müller (Hg.) Aufsteigen und Obenbleiben in europäischen Gesellschaften des 19. Jahrhunderts Akteure – Arenen – Aushandlungsprozesse

Dirk H. Müller

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E igEntuMsrEcht und l andEsvErfassung Die Auseinandersetzungen um die eigentumsrechtlichen Privilegien des Adels im 18. und 19. Jahrhundert am Beispiel Brandenburgs und Pommerns

Akademie Verlag

Gedruckt mit Unterstützung des Geisteswissenschaftlichen Zentrums Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas e. V. an der Universität Leipzig

Abbildungen auf dem Einband: Der Sÿppschafft Baum, aus: Corpus Constitutionum Marchicarum, 1. Teil, 2. Abteilung, Sp. 23, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin. Otto Karl Gottlob Freiherr v. Manteuffel, aus: Handbuch für das Preußische Herrenhaus, hg. von E. David, Berlin: Carl Heymanns Verlag 1911, S. II (mit freundlicher Genehmigung des Verlags Wolters Kluwer, Köln).

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-05-004976-2 © Akademie Verlag GmbH, Berlin 2011 Der Akademie Verlag ist ein Unternehmen der R. Oldenbourg-Gruppe. Das eingesetzte Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form – durch Fotokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren – reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Covergestaltung: Jochen Baltzer, Berlin Druck und Bindung: Druckhaus „Thomas Müntzer“, Bad Langensalza Printed in the Federal Republic of Germany

Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .



Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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 Die Mitsprache der Kreisritterschaften bei der Umwandlung der kurmärkischen Lehngüter in Familieneigentum zur Gesamten Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .



 Die Mandatsbindung der Kreisdeputierten als Hindernis für die Reform der adligen Eigentumsrechte . . . . . . . . . . . . . .



 Angehörige der landadligen Elite als ständisch legitimierte Berater bei der Kodifizierung der Eigentumsordnung des märkischen Adels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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 Die Rechtsverhältnisse der adligen Familiengüter Pommerns. . . 0  Kapitalisierte Grundschuld, Geldmarkt und gebundenes Eigentum. Die „Landschaft“ als Gläubigergenossenschaft und Bürgschaftsverband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   Die Überwinterung der adligen Eigentumsrechte in der Reformzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   Externe Juristen als Deputierte des Brandenburger Provinziallandtages bei der Kodifizierung der adligen Eigentumsrechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 8 Die Reformkonzepte des pommerschen Provinziallandtages und die Konferenz der Familienvertreter . . . . . . . . . . .

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9 Der Verfassungsrang des gebundenen Grundbesitzes in der konstitutionellen Monarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 



Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Verzeichnis der zitierten Quellen und Literatur . . . . . . . . . . 8 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

Vorbemerkung

Anfangs war eine vergleichende Studie über die verfassungs- und innenpolitischen Konzeptionen putschwilliger und putschender Militärs geplant. Die kryptische Formulierung im „Regierungsprogramm“ der Putschisten vom März 90, sie würden, „dem Grundbesitz […] die wirtschaftliche Freiheit zurückgeben“ wollen, ließ den Anfangsverdacht entstehen, dass damit nicht allein die Aufhebung ernährungspolitischer Einschränkungen gemeint war; denn schließlich stammte diese Formulierung von Wolfgang Kapp, dem Zivilisten unter den Anführern des Putsches, der als Generallandschaftsdirektor der Provinz Preußen dem dortigen Bürgschaftsverband verschuldeter Rittergutsbesitzer vorsaß. Bei der Suche nach den Immobiliarrechten von Rittergütern am Ende des Kaiserreichs wurde die Aktenübersicht des Preußischen Justizministeriums befragt und ein halluzinogener Titel gefunden: „Acta generalia des Justiz-Ministeriums betreffend: das Märkische Lehnrecht (8–9)“. Die Ergebnisse der durch diesen Aktenfund angeregten Studie über die eigentumsrechtliche Privatisierung der märkischen Lehnrittergüter, durchgeführt am Fachbereich Geschichte, Philosophie und Sozialwissenschaften der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, legten umfangreichere Forschungen zum adligen Eigentumsrecht unter verfassungsgeschichtlichen Aspekten nahe. Hierzu bot mir Michael G. Müller in dem von ihm geleiteten Projekt „Elitenwandel“ des GWZO beste Gelegenheit. Henning Fülle ließ sich, wie so oft, nicht davon abbringen, mein privater Lektor zu sein und schnitt manches stilistische Eigengewächs ins Verständliche zurück. Die subtilen Randnotizen Felix Eschers tarnten seine historiographische Kritik erneut als freundschaftliche Anregung. Friedrich Ebel, der es – ohne therapeutischen Unterton – reizvoll gefunden hatte, dass sich ein Sozialhistoriker einem rechtshistorischen Thema zuwandte, kann den Dank für seine tiefgründigen Hilfestellungen und schmerzhaften Kommentare leider nicht mehr entgegennehmen.

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Vorbemerkung

Dank auch an die Mitarbeiter des Brandenburgischen Landeshauptarchivs Potsdam und des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz, wo ich beinahe als halbmobiles Inventar registriert worden wäre. Schließlich danke ich Heinz Reif für die Aufnahme des Textes in seine Reihe zum „Elitenwandel in der Moderne“. Berlin-Friedenau, im Mai 00

Dirk H. Müller

Einleitung

Gegenstand der vorliegenden – auf Brandenburg und Pommern zentrierten – Studie ist die eigentumsrechtliche Umwidmung des Lehnritterguts als gebundenes Familiengut und dessen Umwandlung in individuelles Eigentum. Dieser Transformationsprozess dauerte mehr als 0 Jahre. Als Friedrich Wilhelm I. zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts eigenmächtig jeglichen „Nexum Feudalem“ aufhob und dabei die Rittergüter rechtlich in Erbgüter umwandelte, forderte er den Lehnadel zugleich auf, über neue Eigentumsordnungen zu beraten. Die Auseinandersetzung um die regionalen Eigentumsordnungen des Adels wird daher auch unter dem Aspekt des Wandels der politischen Mitspracherechte des Adels dargestellt, da der angesessene Adel an der Formulierung seiner Eigentumsordnung beteiligt war und – mit abnehmender Intensität – auch an den Vorberatungen zu ihrer Revidierung. Die vorliegende Studie zielt deshalb nicht allein auf die Entwicklungsgeschichte unterschiedlicher adliger Eigentumsverfassungen, ist also nicht nur eine rechtshistorische Untersuchung. Bevor Friedrich Wilhelm I. auf das lehnsherrliche Obereigentum verzichtete und die Lehngüter in Erbgüter umwandelte, waren die vasallitischen Nutzungsrechte am Rittergut für die „lehnsfähigen“ Nachkommen längst schon erblich und wurden von der Familie zur „Gesamten Hand“ besessen. „Die Gesamthand ist nicht ein Rechtsinstitut, sondern ein Rechtsprinzip, das sich in vielen Rechtsgebieten des Mittelalters findet und bei





Vgl. [Karl Albert] v. Kamptz, Sammlung der Provinzial- und statuarischen Gesetze in der Preußischen Monarchie, . bis . Band, (= Sammlung der Provinzial- und statuarischen Gesetze in der Mark Brandenburg, .–. Abteilung), Berlin 8/ (künftig zitiert: Kamptz, Sammlung), hier . Abteilung, Nr. , S. 0–0. Das gemeine Recht knüpfte die Erbberechtigung am nachgelassenen individuellen Vermögen nicht an die Bedingung der Lehnsfähigkeit und schloss Ehefrauen und Töchter ein.

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Einleitung

aller Vielgestaltigkeit […] gemeinsame Grundgestaltungen enthält.“ Das wichtigste Prinzip war, dass der einzelne „Gesamthänder“ nicht Besitzer eines konkreten Teils, sondern ideeller Besitzer des Ganzen war, über das er als Konkretes nur zusammen mit den übrigen „Gesamthändern“ verfügen konnte. Nach dem sächsischen, in der Mark übernommenen Lehnrecht hatte ursprünglich nur ein Sohn dem Vater ins Lehen folgen können. Eine (Natural-)Teilung unter mehreren erbberechtigten Söhnen bedurfte des Konsenses des Lehnsherrn. Das väterliche Lehen bestand sodann aus einer entsprechenden Anzahl einzelner Lehen. War der Besitzer eines früher unter seinen Vorfahren geteilten Ritterguts ohne lehnsfähige Nachkommen gestorben, fiel sein Teil an den Lehnsherren zurück und konnte somit für die Familie verloren gehen. Dieser Verlust wurde durch die Einführung des Prinzips der Gesamten Hand vermieden. Die lehnsfähigen Söhne erhielten bei einer Lehnserneuerung das Gut als Lehen zur Gesamten Hand, bei dem die vasallitischen Rechte und Pflichten wie das Nutzungsrecht ungeteilt auf sie alle bezogen waren. Dieses Verfahren war einerseits mit dem nachteiligen Zwang zur gemeinsamen Bewirtschaftung verbunden, andererseits blieb das Nutzungsrecht der Familie substantiell erhalten, wenn ein Familienmitglied ohne lehnsfähige Nachkommen gestorben war. Eine spätere Praxis vereinigte das Prinzip der Gesamten Hand und das Recht zur Teilbewirtschaftung des Lehens. Mit der Einführung des Rechts zur Teilbewirtschaftung traten die lehnsfähigen Söhne des verstorbenen Nut  





Siehe Friedrich Ebel, Georg Thielmann, Rechtsgeschichte. Ein Lehrbuch, Bd. , . Aufl. Heidelberg 1998, S. 221. Vgl. hierzu auch Ludwig Duncker, Das Gesamteigentum, Marburg 8, S. 88f. Bis ins . Jahrhundert hinein sollen nach Grundmann in der Uckermark adlige Geschlechter bzw. Familien(zweige) in ungeteilter Wirtschaft gelebt haben. Vgl. Christian Wilhelm Grundmann, Versuch einer Ucker-Märkischen Adelshistorie, Prentzlau  (künftig zitiert: Grundmann, Adelshistorie), S. . Zu den Differenzierungen bei den Geschlechtern in der Altmark siehe Carl Petersen, Beiträge zur Kenntnis des kurmärkischen Adels im 17. Jahrhundert, in: 39. Jahresbericht des Altmärkischen Geschichtsvereins für vaterländische Geschichte zu Salzwedel [1912], S. 5–52, hier S. 6–16. Zur Bewertung der deutsch-rechtlichen oder römisch-rechtlichen Fundierung dieser Praxis vgl. Ludwig Duncker, Das Gesamteigentum, Marburg 1843, S. 85–94; [Andreas J.] Schnaubert, Erläuterung des in Deutschland üblichen Lehnrechts, . Aufl. Braunschweig 1799, S. 349–354 und Nicolaus Georg Bernhard v. Löwenstern, Gedanken von der Aufnahme des longobardischen Lehnrechts in Teutschland, wobei vorzüglich derjenigen Meinung, welche solche ins fünfzehnte Jahrhundert setzten, beleuchtet wird, in: Sammlung auserlesener Abhandlungen aus dem Lehnrechte, herausgegeben von Karl Friedrich Zepernick, III. Teil, Halle 8, S. –, hier S. –.

Einleitung



zungsberechtigten in dessen Rechte ein und blieben – wie ihre Agnaten (Seitenverwandte des Mannesstammes) – weiterhin in der Gesamten Hand des Ausgangsgutes, als auch aller vom ursprünglichen Gut abgeteilten Güter.8 Die Teilung des nutzbaren Eigentums unter den gleichberechtigten Sukzessoren bedrohte langfristig die materielle Grundlage der einzelnen Nachkommen und ihrer Familienzweige. Es gab verschiedene – individuelle, familiale und ökonomische – Auswege aus diesem Dilemma. Zum einem konnte versucht werden, neues Leiheland durch Dienst zu erwerben. Zum anderen ließ Heiratsdiplomatie die Güter innerhalb befreundeter Familien zirkulieren, was den Teilungsdruck abschwächte. Die Anzahl der Teilungen und die der lehnsfähigen Erbberechtigten konnte – durch die Unterbringung lediger Nachkommen in kirchlichen oder anderen Stiften – vermindert werden. Reformation und Westfälischer Friede aber hatten dem Adel bereits weitgehend die Möglichkeit versperrt, die genealogisch anwachsende Anzahl von Lehnsfolgern zu vermindern, indem er sie in Kirchenstiften unterbrachte, wodurch sie zum Zölibat verpflichtet wurden. Wirtschaftliche Optionen, die materiellen Folgen der durch den Generationswechsel bedingten Belastungen zu mildern, bestanden darin, Bauernland einzuziehen und die bäuerlichen Zwangsdienste zu vermehren, die Landwirtschaft zu intensivieren, ihre Produkte weiterzuverarbeiten oder ländliche Gewerbe zu betreiben (Ziegeleien u.a.).9 Als  Friedrich Wilhelm I. mit der Aufhebung der feudalen Militärverfassung dem Lehnadel endgültig die Aussicht nahm, neues Leiheland durch Ritterdienste zu erwerben und die Lehngüter in Erbgüter umwandelte, stieß er auf Widerstand des Lehnadels. Die heftigste Gegenwehr leisteten prominente altmärkische Geschlechter, deren herrschaftlicher Status nicht Folge ihrer Belehnung war. Einige Angehörige dieser Geschlechter verweigerten die Kompensationszahlungen für die aufgehobenen Lehn8

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Dieser Wandel lässt sich, wie Gercken und Grundmann für die märkischen Lehen gezeigt haben, bis ins . Jahrhundert zurückverfolgen. Vgl. Grundmann, Adelshistorie, S. f und Philipp Wilhelm Gercken, Untersuchungen aus dem Lehnrecht von der gesammten Hand, und wie weit selbige nach Sächsischer Art bey den Märkischen Lehngütern statt gefunden, in: Vermischte Abhandlungen aus dem Lehnund Teutschen Rechte, Erster Teil. Hamburg und Güstrow  (künftig zitiert: Gercken, Gesamte Hand), S. 41–63. Bei den v. Arnims finden sich für die Zeit von 8 bis  entsprechende Lehnsbriefe mit der stereotypen Formel: „Auch haben Wir ihnen die Gnade getan, dass ihnen sonderlich Rauch und Brodt, auch Teilung, an der Gesamten Hand nicht schaden solle.“ Siehe Grundmann, Adelshistorie, S. . Die Fabrikationsgebäude, aber nur Teile der Produktionsinstrumente waren Familieneigentum, die Erzeugnisse jedoch allodial, freies Eigentum.



Einleitung

dienste und verließen vorübergehend das Herrschaftsgebiet ihres Lehnsherrn. Nachdem die Landreiter vergeblich versucht hatten, den Lehnskanon einzuziehen, wurde er durch militärische Exekution eingetrieben.0 Eine zeitgenössische anonyme Kampfschrift offenbarte die Befürchtung der Rittergutsbesitzer, dass mit der einseitigen Aufhebung der feudalen Militärverfassung der Anfang vom Ende des angesessenen Adels beginnen würde. Diese, unter dem Pseudonym „Sincero Veridico“ zweimal, 1719 und , außerhalb hohenzollernscher Länder publizierte Schrift liest sich wie ein vorweggenommener Beitrag zur späteren Debatte um eine Adelsreform: Ein Ritter ohne Rittergut sei kein Edelmann mehr. Zwar gäbe es Adlige, die nicht belehnt seien, die materielle Grundlage für den Fortbestand des zahlreicheren mit Land angesessenen, nicht zum Handel zugelassenen Adels aber sei das – steuerfreie – Lehngut. Adelstafeln trügen nichts zu seinen „Habseligkeiten“ bei. Als nächster Schritt wurde die Aberkennung der kleinen Regalia und der Gerichte befürchtet, da sie auch als Lehen verliehen worden waren. Die Umwandlung der Lehn- in Erbgüter bedeute ihre freie Verkäuflichkeit und brächte die Rittergüter in die Hände Bürgerlicher, denn der Adel, ferngehalten von Handel und Gewerbe mit ihren stattlichen Gewinnen, könne aus eigenen Mitteln die Güter nicht für seine Familie oder seinen Stand erhalten. Weil Handwerk, Handel und Gewerbe dem Adel verschlossen und die Kirche säkularisiert worden wa0





   

Vgl. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (künftig zitiert: GStA PK), Rep. 66, Nr. 12, Nr. 13, Nr. 41, Nr. 59, Nr. 62, Nr. 64, Nr. 95–97, Nr. 103, Nr. 106 und Nr. 0. Sincero Veridico, Juristische und politische Betrachtungen über ein vor einiger Zeit an das Licht getretenes Rechtliches Gutachten wegen der Lehnsvererbung und jährlicher Bezahlung der Ritterpferde, [Ulm] , in: GStA PK, Rep. , Nr. 0, (künftig zitiert: Veridico, Lehnsvererbung). Mit jenem Rechtsgutachten war das des Hallenser Rechtsgelehrten Ludewig gemeint, das dieser im Auftrag Friedrich Wilhelms I. angefertigt hatte, und das der König ohne Wissen Ludewigs durch Nicolai veröffentlichen ließ. Vgl. Rechtliches Gutachten wegen der Lehnsvererbung und jährlicher Bezahlung der Ritterdienste, Berlin 8, in: GStA PK, Rep. , Nr. 8. Vgl. GStA PK, Rep. 66, Nr. 19. Noch hundert Jahre später war die Frage der Identität des Autors, über die Friedrich Wilhelm I. vergeblich hatte Untersuchungen anstellen lassen, offenbar interessant. In den Jahrbüchern von Kamptz wurde der Herzoglich Mecklenburg-Strelitzsche Gesandte und Ritterschaftliche Deputierte am Römisch Kaiserlichen Hof, Math. Joh. v. Behr als Autor der Streitschrift genannt. Vgl. Jahrbücher für die Preußische Gesetzgebung, Rechtswissenschaft und Rechtsverwaltung, (künftig zitiert: Kamptz, Jahrbücher), Bd. 13, 1819, S. 201. Veridico, Lehnsvererbung, S. . A.a.O., S. f. A.a.O., S. 8. A.a.O., S. f.

Einleitung



ren, würden dem Adel außer der Gutsherrschaft nur die Hoflehen oder das Soldatenhandwerk verbleiben. Das stehende Heer könne den Adel nicht ernähren, wohl aber Bürgerliche in vormals adlige Stellung bringen. Für den ehemaligen Lehnadel hatte die Konservierung der tradierten Privilegien nicht nur ökonomische Bedeutung. Er befürchtete vielmehr, dass die Umwandlung der lehnrechtlich gebundenen Rittergüter in freies Eigentum den Adel langfristig zum Bürger oder gar Bauern mache, wodurch der ritterschaftliche „Corpus aus seiner wahren constitution gebracht“ werden würde.8 Diese Befürchtungen waren nicht unbegründet, zumal der Landtagsrezess von  bereits die administrative und politische Privilegierung des Adels verdinglicht hatte. Dieser Landtagsrezess erlaubte Bürgern nicht nur Rittergüter zu erwerben, sie konnten auch deren Privilegien genießen, was bis dahin nur ausnahmsweise geduldet worden war.19 Im Absatz  des Anhangs zum Landtagsrezess hieß es: „Die Privilegia, Familiae vel personalis nobilium inhaerentia, seind tamquam personalia, ad alios vel extraneos nicht zu extendiren, competiren sie aber jemand, ratione bonorum, so folgen sie auch den Güthern und wird der Käuffer, er sey Adel oder Unadel, solcher privilegien una cum fundo mit zu genießen haben.“0 Um die möglichen gesellschaftlichen Konsequenzen dieser Regelung abzumildern, war ein solcher – meist aus einer Zahlungsunfähigkeit resultierende – Verkauf zeitlich zu befristen. Nach Ablauf der Frist sollten die Familienangehörigen desjenigen, der das Rittergut hatte verkaufen müssen, ihr Rückkaufsrecht ausüben können. Dieser Abschnitt des Landtagsrezesses von  war nicht landesherrlichen Ursprungs. Er beruhte auf einem vorangegangenen Vergleich zwischen den Ritterschaften und den Städten, die einen Kompromiss zwischen den privilegierten adligen Besitzrechten und dem allgemeinen Schuldrecht gesucht hatten, um die Sicherheit bürgerlicher Gläubiger und die Kreditwürdigkeit der Rittergutsbesitzer zu erhöhen. Dieser Kompromiss hatte nicht nur eine vermögensrechtliche, sondern auch eine herrschaftliche Dimension. Da der bürgerliche Gläubiger eines adligen Rittergutsbesitzers – sofern dieser illiquide war und kein anderer Adliger kaufte – das Recht hatte, sich den immobilen Vermögenswert des herrschaftlichen Gutes überschreiben  8 19

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A.a.O., S. 8. A.a.O., S. 19. Vgl. hierzu auch Wolfgang Neugebauer, Standschaft als Verfassungsproblem. Die historischen Grundlagen ständischer Partizipation in ostmitteleuropäischen Regionen, Goldbach 1995, S. 18f. Vgl. Kurfürstlicher Landtags-Receß vom . Juli , in: Kamptz, Sammlung, . Abteilung, Berlin 8, S. –, hier S. .



Einleitung

zu lassen, wären Herrschaft und Besitz dissoziiert worden, wenn dem bürgerlichen Erwerber die herrschaftlichen Rechte vorenthalten worden wären. In seinem rechtsgeschichtlichen Rückblick auf Mecklenburg hatte selbst der konservative Karl Albert v. Kamptz hierzu keine Alternative gesehen: Denn wer sollte das Rechtssubjekt zur Wahrnehmung der herrschaftlichen Rechte sein, wenn der Besitzer des herrschaftlichen Gutes ein Bürger war? Die herrschaftlichen Privilegien des Adels wurden durch diesen Abschnitt des Rezesses von  mittelbar verdinglicht und so tendenziell vom Personenstand abgekoppelt. Diese Passage des Landtagsrezesses von  wurde durch das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten (ALR) insofern modifiziert, als es dem Landesherren vorbehielt, bürgerlichen Rittergutsbesitzern das „Ehrenrecht“ der Standschaft durch eine spezielle „Concession“ zu verleihen. War das nicht geschehen, sollte der bürgerliche Besitzer sein „Stimmrecht, von einem Fall zum andern“ einem adligen Rittergutsbesitzer übertragen können. 80, nach mehreren gescheiterten Versuchen, die Eigentumsordnungen des kurmärkischen und die des pommerschen Adels zu reformieren, prognostizierte ein Jurist, dass „wohl noch hundert Jahre vergehen“ würden, bis das „Lehenrecht, diese noch abenteuerlich und unheimlich in die moderne Welt hineinschauende Ruine der Vorzeit“ sein „jetziges Scheinleben aufgeben wird“. Dieses düstere Resümee, das Albert Schulz in seiner unter dem Pseudonym San-Marte veröffentlichten Schrift „Über den Werth von Provinzialgesetzen“ formulierte, war in seiner Bestandsaufnahme und seiner Prognose Zeugnis für die Enttäuschung darüber, dass das adlige Eigentumsrecht die Reformzeit nahezu unbeschadet überstanden hatte. Schulz hatte nur wenig übertrieben. Die Konservierung dieser „Ruine“ stand auf der Tagesordnung aller folgenden provinzialen oder gesamtstaatlichen Repräsentationsorgane und ihr „Scheinleben“ beschäftigte alle Instanzen der zivilen Gerichtsbarkeit bis über die Monarchie hinaus. Neben dem Familieneigentum, das tradierten lehnrechtlichen und gesamthänderischen Regeln unterworfen war, gab es noch die fideikommissarische und die majoratische Eigentumsbindung von Herrschaftsgütern. Majorat und Fideikommiss unterlagen weder gesamthänderischen Regeln, noch lehnrechtlichen oder – im Erbgang – gemeinrechtlichen Vorschriften. Sie gingen im Erbfall nur auf einen Nachkommen über. Der   

Vgl. [Karl Albert] v. Kamptz, Prüfung der landständischen Rechte der bürgerlichen Gutsbesitzer in Mecklenburg, Berlin 1844, S. 377–390. Vgl. ALR, II. Teil, 9. Titel, §§ 50–51 und § 59. San-Marte [i.e. Albert Schulz], Über den Werth von Provinzialgesetzen; mit besonderer Beziehung auf Preussen, Quedlinburg und Leipzig 80, S. f.

Einleitung



Begriff Majorat wurde in unterschiedlicher Bedeutung gebraucht. Zum einen bezog er sich auf familienspezifische Eigentumsbindungen, die nur dem hohen oder autonomen Adel erlaubt waren. Danach übernahm nur ein Nachkomme die gestifteten Güter und hatte sie „ex pacto et providentia majorum“ – entsprechend den Verfügungen der Vorväter – den folgenden Generationen unbeschadet zu übergeben. Zum anderen wurde der Begriff Majorat auch bei Familien-Fideikommissen gebraucht, wenn diese nach der – im Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten definierten – majoratischen Sukzessionsordnung vererbt wurden, wonach das Fideikommiss auf den ältesten Nachkommen im nächsten Verwandtschaftsgrad zum Vorbesitzer überging. In der Umgangssprache wurde mit „Majorat“ aber auch die nach dem Prinzip der Primogenitur geregelte Erbschaftsordnung für Fideikommisse bezeichnet. Die Begriffsverwirrung hatte möglicherweise ihre Ursache darin, dass die alten Majorate, die von stiftsfähigen Adligen gegründet worden waren, eine Erbfolge nach dem Erstgeburtsrecht hatten. Das Familien-Fideikommiss war die jüngere Form, Familieneigentum, sei es als Kapital, sei es als Immobilie, zu binden. Das ALR gestattete „jedem Einwohner des Staats“, sein freies Eigentum als Fideikommiss zu binden. Aus Rittergütern durfte – bis 80 – allein der Adel Fideikommisse stiften. Ein nach privatisiertem Lehnrecht gebundenes Rittergut musste jedoch, bevor es als Fideikommiss umgewidmet werden konnte, durch einstimmigen Beschluss aller Gesamthänder in freies Eigentum transformiert werden. Obereigentümer des Familien-Fideikommiss war die Familie. Nutzungsrechte hatte nur der Besitzer, der es weder verschulden,8 noch 

 

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Auf die klassischen Lehn-Rittergüter ist der Begriff „ex pacto et providentia majorum“ nicht anwendbar, weil das Lehen dem Vasallen nicht gestiftet, sondern verliehen worden war. Vgl. Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Unter Andeutung der obsoleten oder aufgehobenen Vorschriften und Einschaltung der jüngeren noch geltenden Bestimmungen, hrsg. mit Kommentar in Anmerkungen von C. F. Koch, (künftig zitiert: Koch, ALR), Erster Teil, zweiter Band, . verm. Auflage Berlin 1862, S. 682ff, Anm. 83. Vgl. ALR, II. Teil, 4. Titel, § 145. Vgl. Ueber Fideicommisse, in besonderer Beziehung auf die Kur- und Neumark und die Art und Weise, in welcher das Kur- und Neumärkische Creditwerk für dieselben benutzt werden kann. Im Auftrag des Hochwohlöblichen Engeren Ausschusses der Kur- und Neumärkischen Ritterschaft ausgearbeitet von C. von Voß, Wirkl. Geh. Ober-Justizrathe und Haupt-Ritterschafts-Direktor, Berlin 8, S. f. GStA PK, Rep. , Tit. , Nr. , Bd. . War das Familien-Fideikommiss „ruiniert“ konnten jedoch – nach einem einstimmigen Familienschluss – zu „Retablierung“ des Fideikommiss Schulden auf die Substanz aufgenommen werden (ALR, II. Teil, 4. Titel, § 114 in Verbindung mit



Einleitung

teilen oder veräußern durfte. Starb der Besitzer, folgte ihm – nach der in der Stiftungsurkunde festgelegten Sukzessionsordnung – nur ein männliches Familienmitglied. Das ALR unterschied vier Erbfolgen: Das Seniorat, das Majorat, das Minorat und die Primogenitur. Bei einer senioratischen Erbfolge ging das Fideikommiss an den Ältesten des Geschlechts über. Das ALR untersagte für die Zukunft jedoch die Stiftung von Senioraten. Bei einem Majorat übernahm der älteste, beim Minorat der jüngste Deszendent oder männliche Verwandte aus dem nächsten Verwandtschaftsgrad das Fideikommiss, also entweder der älteste oder jüngste Sohn oder eventuell auch – der älteste oder jüngste – Bruder oder Neffen des Verstorbenen. Als vierte Sukzessionsordnung galt die Primogenitur, wobei das Fideikommiss an den Erstgeborenen innerhalb der besitzenden Linie überging,29 also eventuell auch an einen Enkel, wenn dessen Vater vor dem großväterlichen Erblasser gestorben war. Die dem ALR unterliegenden Familien-Fideikommisse konnten bis zum Oktoberedikt von 80 nicht aufgelöst werden. In der neueren rechtshistorischen Literatur kann allein das FamilienFideikommiss als gut erforscht gelten.0 Neuere Forschung zu den privatrechtlichen, dem Lehnrecht nachgebildeten Eigentumsformen des Adels gibt es nicht, obwohl die Quellenlage gut bis ausgezeichnet ist. Mit den lehnrechtlichen Aspekten des adligen Familieneigentums haben sich Juristen nur solange beschäftigt, wie sie aktuell waren. Erst 1990 machte der Rechtshistoriker Gerhard Dilcher auf die bis in die Neuzeit fortdauernde Kontinuität lehnrechtlicher Regeln aufmerksam. In der älteren

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den § 41ff). Sollten Darlehen nur auf die Einkünfte aufgenommen werden, war hierzu nur die Zustimmung „gewisser Familienmitglieder“ erforderlich, deren Kreis durch die Stiftungsurkunde bestimmt wurde (ALR, II. Teil, 4. Titel, § 80). Vgl. ALR, II. Teil, 4. Titel, §§ 135–165. Vgl. Jörn Eckert, Der Kampf um die Familienfideikommisse in Deutschland, Frankfurt/M. 1992 und Bernhard Bayer, Sukzession und Freiheit. Historische Voraussetzungen der rechtstheoretischen und rechtsphilosophischen Auseinandersetzungen um das Institut der Familienfideikommisse im 18. und 19. Jahrhundert, (= Schriften zur europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte, Bd. 25), Berlin 1999. Mit Ausnahme einer kleinen Vorstudie des Verfassers, siehe Dirk H. Müller, Die Umwandlung der märkischen Rittergüter in lehnrechtlich verfasstes Familieneigentum unter Friedrich Wilhelm I., in: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands, Zeitschrift für vergleichende und preußische Landesgeschichte, Bd.  (000), S. –0 (künftig zitiert: Müller, Familieneigentum). Vgl. im Quellen- und Literaturverzeichnis die Rubrik: Juristische Kompendien resp. Entwürfe zu den provinzialen Eigentumsrechten des Adels. Vgl. Gerhard Dilcher, Der alteuropäische Adel – ein verfassungsgeschichtlicher Typus?, in: Hans-Ulrich Wehler (Hrsg.), Europäischer Adel 1750–1950, Göttingen 1990, S. 57–86.

Einleitung



Geschichtsschreibung wurde vorwiegend die Beendigung der lehnsherrlich-vasallitischen Verhältnisse thematisiert. Erst jüngst hat Frank Göse dieses Thema wieder aufgegriffen und die unmittelbaren finanziellen Folgen für den ehemaligen Lehnadel Brandenburgs beschrieben. Die langfristige Auswirkung der eigentumsrechtlichen Privatisierung der Lehnrittergüter auf die Besitzverhältnisse des Adels hat als erster Fritz Martiny untersucht. In der neueren Literatur wurden die sozialgeschichtlichen Implikationen der eigentumsrechtlichen Privatisierung der Rittergüter von Theodor Schieder skizziert; Heinz Reif8 sowie René Schiller39 haben auf 



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Vgl. Adolph Friedrich Riedel, Actenmäßiger Bericht über die Allodifikation der märkischen Rittergüter und die Abfassung der Lehnsconstitution, in: Magazin des Provinzial- und statuarischen Rechts der Mark Brandenburg und des Herzogtum Pommern, Dritten Bandes erste Abteilung [1839], (künftig zitiert: Riedel, Bericht), S. 1–107. Heinrich v. Friedberg, Der Konflikt zwischen Friedrich Wilhelm I. und Karl VI. über die Allodifikation der Lehen in den Marken, in: Historische Zeitschrift, N.F. Bd. 28, H. 2, 1890, (künftig zitiert: Friedberg, Konflikt) S. 216–233. Die Allodifikation der Lehen in der Mark, 2. Januar–30. Juni 1717, in: Acta Borussica. Die Behördenorganisation und die allgemeine Staatsverwaltung in Preußen im 8. Jahrhundert, Berlin 1898, Bd. 2, Nr. 240, S. 466–496. Viktor Loewe, Die Allodifikation der Lehen unter Friedrich Wilhelm I., in: Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, Bd. 11, 2. Hälfte [1898] S. 41–74. Zu der altmärkischen Opposition gegen die Allodifikationspolitik Friedrich Wilhelms I. siehe Carl Petersen, Beiträge zur Kenntnis des kurmärkischen Adels im 17. Jahrhundert, in: 39. Jahresbericht des Altmärkischen Geschichtsvereins für vaterländische Geschichte zu Salzwedel [1912], S. 5–52. Zur Allodifizierung in Pommern: Umständliche Nachricht, was es mit dem in Hinterpommern eingeführten Lehnscanon und mit den sowohl Vor- als Hinterpommerschen allodificirten Gütern für eine Bewandtnis habe, in: Miscellaneen zum Lehnrechte, gesammelt und herausgegeben von Karl Friedrich Zepernick, 3. Bd., Halle 1790. Eine generelle, epochen- und provinzübergreifende Erläuterung bietet: Karl Friedrich Eichhorn, Über die Allodifikation der Lehen, Göttingen 88. Vgl. Frank Göse, Rittergut – Garnison – Residenz. Studien zur Sozialstruktur und politischen Wirksamkeit des brandenburgischen Adels 8–, (= Veröffentlichungen des Brandenburgischen Landeshauptarchivs, ), Berlin 00, S. 8–0. Fritz Martiny, Die Adelsfrage vor 80 als politisches und soziales Problem. Erläutert am Beispiel des kurmärkischen Adels, Stuttgart – Berlin 1938, S. 14–21. Vgl. Theodor Schieder, Friedrich der Große. Ein Königtum der Widersprüche, Frankfurt/M. 1983, S. 74–77. Vgl. Heinz Reif, Westfälischer Adel 0–80. Vom Herrschaftsstand zur regionalen Elite, Göttingen 1979, S. 304–312. Über den Zusammenhang von Eigentumsform und Adelsreform vgl. ders., Friedrich Wilhelm IV. und der Adel. Zum Versuch einer Adelsreform nach englischem Vorbild in Preußen 80–8, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 43 [1995], S. 1097–1111. René Schiller, Vom Rittergut zum Großgrundbesitz. Ökonomische und soziale Transformationsprozesse der ländlichen Eliten in Brandenburg im 19. Jahrhundert, (= Elitenwandel in der Moderne, hrsg. von Heinz Reif in Zusammenarbeit

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Einleitung

den Zusammenhang von ökonomischen und adelspolitischen Aspekten der traditionellen adligen Eigentumsformen hingewiesen. Die neueren Studien zur materiellen Geschichte des mit Rittergütern angesessenen Adels arbeiten – anders als Martiny – mit einem methodischen und begrifflichen Instrumentarium, das für die Analyse bürgerlicher Strukturen entwickelt wurde. Sie legen den Schwerpunkt zeitlich meist auf das 19. Jahrhundert0 und sachlich auf Agrarökonomie. Diese Vorgehensweise beruht auf dem historischen Missverständnis, lediglich die Agrarverfassung „Ostelbiens“ als feudalen Rest zu interpretieren. Entsprechend wurden die Friktionen zwischen adliger und bürgerlicher Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik des 19. Jahrhunderts fast ausschließlich auf dem Hintergrund der ökonomischen Entfeudalisierung der „ostelbischen“ Agrarverfassung (Aufhebung der Gutsherrschaft) interpretiert und großen Teilen des Adels attestiert, sie hätten – auf eine machtpolitisch vermittelte Schutzpolitik vertrauend – ihre Ökonomie nur zögerlich den neuen betriebs- und marktwirtschaftlichen Bedingungen angepasst und seien dadurch den bürgerlichen Besitzern unterlegen gewesen. Als Beweis dient meist die anwachsende Verschuldung adligen Grundbesitzes und die steigende Anzahl bürgerlicher Rittergutsbesitzer. Dieses Interpretationsmuster wurde von den Klassikern der Junker-Forschung – Rosenberg, Muncy, Carsten – aus

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mit René Schiller, Bd. ), (künftig zitiert: Schiller, Großgrundbesitz), Berlin 00, S. 0f. Wolfgang Neugebauer ist einer der wenigen, der die Brücke vom frühen 8. zum späten 19. Jahrhundert schlägt. Vgl. Wolfgang Neugebauer, Politischer Wandel im Osten: Ost- und Westpreußen von den alten Ständen zum Konstitutionalismus, Stuttgart 1992 und ders., Standschaft als Verfassungsproblem. Die historischen Grundlagen ständischer Partizipation in ostmitteleuropäischen Regionen, Goldbach 1995. Unter den neueren Arbeiten sind insbesondere zu nennen: Hanna Schissler, Preußische Agrargesellschaft im Wandel. Wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Transformationsprozesse von 1763–1847, Göttingen 1978. Lieselott Enders, Die Uckermark. Geschichte einer kurmärkischen Landschaft vom . bis zum 18. Jahrhundert, Weimar 1992. Ilona Buchsteiner, Grundbesitz in Pommern 1871–1914. Ökonomische, soziale und politische Transformation der Großgrundbesitzer, Berlin 1993 sowie Klaus Heß, Junker und bürgerliche Großgrundbesitzer im Kaiserreich, Stuttgart 1990. In den Monographien von Buchsteiner, Enders, Heß und Schissler wird indes auf die lehnrechtlichen Aspekte der adligen Eigentumsrechte nicht einmal verwiesen. Den jüngsten historiographischen Überblick zu diesem Syndrom bietet Heinz Reif in: Ostelbische Agrargesellschaft im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. Agrarkrise – junkerliche Interessenpolitik – Modernisierungsstrategien, hrsg. von Heinz Reif, Berlin 1994, S. 9–31, hier S. 12ff. Die 20 Beiträge dieses Sammelbandes folgen nicht den oben genannten methodologischen Konzepten und unterstreichen die museale Bedeutung jener Interpretationsmuster.

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der Sicht des Endes der Weimarer Republik geprägt und lastete lange wie ein Alb auf Teilen der Adelsforschung. Hartwin Spenkuch und René Schiller haben diesen Befund in seinen wichtigsten ökonomischen Parametern differenziert. Für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hat Spenkuch nachgewiesen, dass die hypothekarischen Belastungen der Rittergüter nicht ohne weiteres als Schulden des Besitzers interpretiert werden können. Sie galten vielmehr oft als familial vermittelte Ansprüche an das Gut und waren für andere Adlige, darunter auch adlige Rittergutsbesitzer, verzinste Guthaben. Der jeweilige Besitzer eines verschuldeten Ritterguts konnte daneben andere Vermögenswerte, einschließlich schuldenfreier Rittergüter besitzen. Zu den Statistiken über die Verdrängung des Adels aus den Rittergütern durch Bürgerliche hat René Schiller festgestellt, dass einige dieser Berechnungen die allmähliche Veränderung der politischen und rechtlichen Definitionskriterien des „Ritterguts“ nicht berücksichtigten und so „Rittergut“ und „Großgrundbesitz“ nicht immer klar voneinander abgrenzten, oder gar in eins setzten. Nach Schillers differenzierter Untersuchung der Entwicklung der sozialen Herkunft der Eigentümer klassischer Rittergüter und des insgesamt anwachsenden und zum Teil neu generierten Großgrundbesitzes, wuchs zwar der Anteil bürgerlicher Besitzer am Großgrundbesitz rasant, gleichzeitig aber war der Verlust des Adels an klassischen Rittergütern mit 29% weniger dramatisch. Im Segment der adligen Rittergüter weist Schiller für Brandenburg nach, dass das Festhalten an den traditionellen, am Lehnrecht orientierten familialen Eigentumsbindungen für einige Familien eine erfolgreiche Strategie sein konnte, ihren Rittergutsbesitz zu erhalten. Dieser Befund soll nachfolgend durch die Perspektive der innerfamilialen Besitzverhältnisse differenziert werden. Der Untersuchungsrahmen der vorliegenden Studie ist zeitlich auf das 18. und 19. Jahrhundert zentriert und räumlich auf die Adelslandschaften Brandenburgs und Pommerns. Die Eigentumsordnungen dieser Adelslandschaften markieren die Bandbreite der vielfältigen Rechtsformen der





 

Diese Interpretation hat Shelley Baranowski ungebrochen wieder aufgenommen: Shelley Baranowski, East Elbian Landed Elites and Germany’s Turn to Fascism: The Sonderweg Controversy Revisited, in: European History Quarterly, Vol.  (1996), S. 209–240. Vgl. Hartwin Spenkuch, Das Preußische Herrenhaus. Adel und Bürgertum in der Ersten Kammer des Landtages 1854–1918, (= Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Bd. 110), Düsseldorf 1998, S. 201–207. Vgl. hierzu Schiller, Großgrundbesitz, S. 189ff. A.a.O., S. 281–299.

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Lehnrittergüter „Ostelbiens“. In der Kurmark galten die striktesten Regeln für das Nutzungsrecht am Familieneigentum. Hier hatte jeder Agnat weitgehende Einspruchs- und Anspruchsrechte in Bezug auf die substantiellen Dispositionen des Besitzers.8 In Pommern dagegen konnte der Besitzer unbeschränkt disponieren, solange er einen lehnsfähigen Sohn hatte.49 Erlosch der lehnsfähige Mannesstamm seines Familienzweigs, waren die Agnaten, die nicht befragt worden waren, auch nicht an seine Dispositionen gebunden. Die privilegierten Außenverhältnisse, insbesondere gegenüber Gläubigern, waren ebenfalls von Adelslandschaft zu Adelslandschaft verschieden. Anfangs werden die vielfältigen individuellen und familialen Zielkonflikte beschrieben, die durch die Privatisierung des Lehnrechts entstanden waren und die eine dauerhafte Eigentumssicherung bedrohten, so dass – in der Mark – schon dreißig Jahre später über grundlegende Reformen debattiert wurde. Danach werden die konstitutionellen und eigentumsrechtlichen Ursachen für das Scheitern der wiederholten Versuche analysiert, die mit Beteiligung der märkischen Ritterschaften formulierte Eigentumsordnung durch Deputierte der Kreisritterschaften zu reformieren. Nachfolgend wird die eigentumsrechtliche Konzeption derjenigen Vertreter des Adels vorgestellt, die als ständisch legitimierte Berater zwar nicht mehr an ritterschaftliche Mandate gebunden waren, die aber nicht auf die Beratung mit den ständischen Deputierten verzichten wollten. Der anschließenden Schilderung der pommerschen Rechtsverhältnisse folgt der Abschnitt über die Reformzeit, in dem die Frage untersucht wird, inwieweit durch die 

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In Ostpreußen galten vier verschiedene Vinkulierungsordnungen. Auch hier konnten die Töchter meist sukzedieren, wenn der verstorbene Besitzer keine männlichen Nachkommen hatte. Die agnatischen Rechte waren auf die nächsten vier Verwandtschaftsgrade eingegrenzt, und der Besitzer konnte, solange er nur einen Sohn hatte, frei über das Gut verfügen. In den westlichen Adelslandschaften unterlagen die Rittergüter den schwächsten eigentumsrechtlichen Bindungen. Der Ritterdienst war dort bereits vor Beginn der Allodifikation durch Friedrich Wilhelm I. abgelöst worden. Hier herrschte nicht das Prinzip der Gesamten Hand, und die Töchter konnten vor den Agnaten sukzedieren. In der Neumark war die Gesamte Hand auf die Agnaten des nächsten Verwandtschaftsgrades begrenzt. 8 wurden – noch unter schwedischer Herrschaft – für Neuvorpommern und Rügen die lehnsherrlich-vasallitischen Verhältnisse aufgehoben und gleichzeitig eine fünfjährige Frist gesetzt, innerhalb derer der Besitzer eines Familiengutes die – abfindungspflichtige – Aufhebung der familialen Vinkulierung beantragen konnte. Vgl. GStA PK, Rep. 77, Tit. 489, Nr. 15; Kamptz, Jahrbücher, Bd. 35 (im Titelblatt fälschlich: Bd. 39), S. 332–358 und August Anschütz, Ueber die Erbfolge in die neu-vorpommerschen und rügenschen Lehngüter. Ein Beitrag zur Lehre von den Wirkungen der Allodification, Halle 1864, S. 9–22.

Einleitung



Preußischen Reformen auch die adlige Eigentumsverfassung tangiert und verändert wurde. Vor welchen Schwierigkeiten der spätere – im Gegensatz zum Rechtsdezisionismus der Reformzeit – rechtsimmanente Versuch einer Revision der Eigentumsverfassungen stand, soll in den Kapiteln über die Provinziallandtage gezeigt werden. Der Schlussteil gilt dem veränderten Zusammenhang von adliger Eigentumsordnung und konstitutioneller Monarchie. In ihm werden die Gründe geschildert, die dazu führten, dass die 88 von der Nationalversammlung angestrebte und 80 durch König und Preußischen Landtag verfügte Auflösung des gebundenen Eigentums schließlich auf die Familiengüter alten Rechts begrenzt wurde. Abschließend wird die Wirkung der späteren gesetzlichen Alternative beschrieben, die Familiengüter entweder als Familien-Fideikommiss zu vinkulieren, oder die Güter alten Rechts in individuelles Eigentum umzuwandeln und kompensatorische Familienstiftungen zu gründen.

 Die Mitsprache der Kreisritterschaften bei der Umwandlung der kurmärkischen Lehngüter in Familieneigentum zur Gesamten Hand

Am . Januar  verfügte König Friedrich Wilhelm I. die Befreiung der Rittergüter vom „Nexum Feudalem“, sowie ihre Umwandlung in „Allodial- und Erb-Güter“. Gleichzeitig erließ er einen Befehl an die „in der Chur[mark] und andern Provintzien und Landen sich befindende sämbtliche Ritterschaft, Vasallen und Lehn-Leute […], sich zu versammeln und zwar die in Preußen in den Ämtern, die in der Marck in den Creysen und die in den übrigen Provintzien sonst gewöhnlichermaßen“. Sie sollten auf diesen Versammlungen über seine „Resolution“ beraten, die Lehnspflichten mit Geld abzulösen „und einem jeden Macht und Freiheit“ zu geben, über seine Lehngüter „frey zu disponieren“. Diejenigen, die unter den „Regierungen oder Beamten […] stehen“, hätten dort ihre „Erklärung“ abzugeben, die in der Mark aber ihm „zu eigenen Händen“ durch „einen oder zwei, aus jedem Creyse express anhero abzufertigenden Deputirte, welchen Wir die gewöhnlichen Diäten und Vorspann allergnädigst reichen lassen wollen“. Er räumte den Kreisen – einschließlich der Post- und Reisewege – eine Frist von 15 Tagen ein, in der sie – jeder Kreis für sich – Beschlüsse über die eigentumsrechtlichen Folgen der formellen Aufhebung der feudalen Militärverfassung zu fassen hätten, „damit“, wie gleichzeitig befohlen wurde, „ohne allen weiteren Vorschub und Verzögerung die völlige Regulirung dieses Wercks vorgenommen, und zum Stande gebracht werden könne“. 

Zit. n. Kamptz, Sammlung, . Abteilung, Nr. , S. 0–0. Der Ritterdienst sollte gegen die Zahlung eines regelmäßigen Geldbetrages abgelöst und das Rittergut von einem Lehn- in ein Erbgut umgewandelt werden, ohne die Rechte der männlichen Seitenverwandten zu verletzen. Vgl. Müller, Familieneigentum, S. 171–203. Zur Vorgeschichte der Allodifikation siehe auch: Adolf F. Stölzel, Brandenburg-Preußens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung dargestellt im Wirken seiner Landesfürsten und obersten Justizbeamten,  Bde. Berlin 888, hier Bd. , S. 9f.



Die Mitsprache der Kreisritterschaften

Die meisten Kreisritterschaften reagierten unwillig auf die Verfügung, die Rossdienstpflicht durch permanente Zahlung eines „Canon“ abzulösen, und verwarfen die Auflösung der lehnsherrlich-vasallitischen Verhältnisse. Die schriftlichen Stellungnahmen, die die Kreise nach Berlin einsandten, ähnelten sich in vielen Argumenten und glichen sich – trotz der Zeitnot – in manchen Passagen wortwörtlich: Da das lehnrechtliche Nutzungsrecht als gesamthänderisches Familieneigentum galt, befürchtete der Adel, dass die Auflösung der lehnrechtlichen Bindung ihn ruinieren würde; denn bisher hätten „ungeratene“ Standesgenossen nur selten ein Lehngut aufs Spiel setzen können, da bei Kreditaufnahmen der Konsens der Brüder und LehnsVettern (Agnaten) hatte eingeholt werden müssen. In den Fällen, in denen ein Lehngut dennoch an Gläubiger übergegangen wäre, hätten die Agnaten ihre privilegierten Vor- oder Rückkaufsrechte wahrnehmen und der Familie das Gut erhalten können. Auch habe bisher ein vorübergehend verarmter Adliger, der wieder zu Geld gekommen war, entweder ein verkauftes Familiengut zurück kaufen oder aus dem familialen Fundus der Gesamten Hand ein gefährdetes Gut an sich bringen und seinen Familienzweig wieder zu neuer Blüte führen können. Diese Privilegien und die große Anzahl der Agnaten sowie Mitbelehnten sei eine Bestandsgarantie für den adligen Besitzstand insgesamt. Das Lehngut dem aktuellen Nutznießer als individuelles Eigentum zu übertragen, würde dagegen den Agnaten nicht nur die Rechte an den alten Lehngütern nehmen, sondern auch an den später erworbenen, an denen sie finanziell oft beteiligt waren. Die Allodifikation zerstöre obendrein den familialen „Lehnsverband“ und somit die agnatischen Rechte in denjenigen Adelslandschaften, in denen die lehnsherrlich-vasallitischen Verhältnisse noch fortbestünden.8 Das in ein Erbgut transformierte Lehngut aber würde im Erbfall dem gemeinen Recht unterliegen und so zur einen Hälfte an die Witwe übergehen, zur anderen an die Söhne und Töchter zu gleichen Teilen und jedem zur freien Verfügung, was die Rittergüter noch mehr zerstückeln würde, als bei der bisher üblichen Lehnssukzession. Mit einer derartigen Verringerung des Grundbesitzes könne der Adel nicht mehr die Kosten für die Ausbildung seiner Nachkommen bestreiten,9 und der König hätte für die Zivil- und Militärbe      8 9

Müller, Familieneigentum, S. f. GStA PK, Rep. , Nr. 9, Bl. 0ff. A.a.O., Bl. . A.a.O., Bl. 8f. A.a.O., Bl. . A.a.O., Bl. 0–08. A.a.O., Bl. . A.a.O., Bl. .

Brandenburg



dienung bald keine „geschickten Subjekte“ mehr.0 Gegen die Mitsprache der Kreisritterschaften bei der Formulierung der neuen Eigentumsordnung wurde eingewandt, dass der aktuelle Rittergutsbesitzer seine ständischen Mitspracherechte nicht dazu nutzen dürfe, über die gesamthänderischen Rechte am Familieneigentum zu entscheiden. Dieser Einwand vertagte die Realisierung des Projektes in eine unbestimmte Zukunft, da die „Gesamte Hand“ weder eine Repräsentation noch majoritäre Entscheidungen kannte. Am . Februar  – einen Monat später als geplant – erklärte Friedrich Wilhelm I. den kurmärkischen Deputierten sein Projekt und verwies sie zu weiteren Beratungen an seine neu geschaffene, immediate Lehnskommission, die mit den Deputierten der Kreise zu verhandeln hatte. Die Lehnskommission bestellte zunächst die Kreisdeputierten der Mittelmark zu separaten Verhandlungen, weil diese, anders als die Deputierten der übrigen Kreise der Kurmark, das Projekt nicht grundsätzlich ablehnten. Die Mittelmärker aber wollten nicht separat verhandeln. Tags darauf bestellte die Lehnskommission die Vertreter der opponierenden Kreise der Kurmark ein. Auch ihnen wurde der Entwurf der königlichen Resolution vorgelegt. Sie erklärten, keine Entscheidungsvollmacht zu haben und deshalb nicht zustimmen zu können. Daraufhin entließ der König die Deputierten in ihre Kreise, damit sie dort mit ihren Standesgenossen das Projekt besprechen könnten, um sich anschließend wieder in Berlin zu versammeln. Aber auch auf der nächsten Versammlung im April  konnten sich die Kreisdeputierten nicht auf eine einheitliche Position zu den Allodifikationsplänen einigen. Die Altmärker lehnten die permanente geldliche Ablösung des Ritterdienstes weiterhin ab, die übrigen Kreise plädierten stattdessen für – je unterschiedlich hohe – einmalige Kompensationszahlungen. 0 

     

Riedel, Bericht, S. –0, hier S. f. Vgl. Hasso Hofmann, Repräsentation. Studien zur Wort- und Begriffsgeschichte von der Antike bis ins 9. Jahrhundert, (= Schriften zur Verfassungsgeschichte, Bd. 22), 2. Aufl. Berlin 1990, S. 214. Beschlüsse zum gesamthänderischen Familieneigentum waren an das einstimmige Votum aller Gesamthänder gebunden. Vgl. GStA PK, Rep. , Nr. 9, Bl. 9. Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam (künftig zitiert: BLHA), Rep. 23A Kurmärkische Stände, B. , Bl. f. A.a.O., Bl. f. A.a.O., Bl. f. Vgl. GStA PK, Rep. , Nr. , Bl. 8–9 u. Nr. 9, Bl. –9, hier zitiert nach Kamptz, Sammlung, . Abteilung, Nr. , S. 0–08. Kamptz, Sammlung, . Abteilung, Nr. , S. 09f. und Riedel, Bericht, S. 9–. Auch in anderen Landesteilen stießen die Höhe des Kanons, seine Berechnungsgrundlage und die Auflösung der Lehnsverhältnisse auf Ablehnung. Um die drin-



Die Mitsprache der Kreisritterschaften

Ihnen allen verordnete der König am 17. April die vierteljährliche Zahlung eines Kanons von 0 Reichstalern, die übrigen „Irritationen“ sollten in weiteren Verhandlungen besprochen und in einer abschließenden „Assekuration“ beigelegt werden.8 Der Wunsch der Kreise, der König möge für die abschließende Beratung eine weitere Versammlung von Kreisdeputierten nach Berlin einberufen,9 wurde nicht erfüllt. Friedrich Wilhelm I. ordnete vielmehr an, dass die im Juni ohnehin turnusgemäß in Berlin anwesenden Kreisdeputierten, die im Rahmen des Landschaftlichen Kreditwerks die Rechnungslegung der Kassen des ländlichen Hufen- und Giebelschosses zu kontrollieren hatten, nicht eher auseinander gehen sollten, als bis das „Lehns-Negotium“ seine „völlige Richtigkeit“ erlangt habe.0 Der Landesherr untersagte ausdrücklich förmliche „deliberationes“, wie sie früher auf Landtagen üblich waren, sondern dachte lediglich an beratende Mitspra-

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gend benötigten Zuschüsse für den Krieg gegen Schweden zu erhalten, trennte Friedrich Wilhelm I. die geldliche Ablösung der Rossdienstpflicht von der eigentumsrechtlichen Umwandlung der Lehn-Rittergüter ab und schrieb den Kanon zunächst für fünf Jahre aus. Für das Herzogtum Magdeburg vgl. GStA PK, Rep. , Nr. 86, Bl. 135; für die Grafschaft Mansfeld (Magdeburgische Hoheit) vgl. a.a.O., Bl. 161; für das Herzogtum Pommern und Hinterpommern einschließlich des Fürstentums Cammin vgl. GStA PK, Rep. , Nr. 8, Bl. 8f. und Rep. 9 II, J. Den adligen Familien im Königreich Preußen wurde gestattet, eigene Verträge über die eigentumsrechtliche Bindung ihrer Güter zu schließen, vgl. GStA PK, Rep. , Nr. . Hier war die Gesamte Hand, wie etwa bei der Familie v. Gröben, seltene Ausnahme. Vgl. GStA PK, Rep. , Nr. , Bl. –. Im Königreich Preußen war bereits vor Friedrich Wilhelm I. die Rossdienstpflicht für insgesamt 1948 von 2013 ½ Lehnpferden durch jährliche Zahlungen abgelöst worden. Vgl. a.a.O., Bl. f. Kamptz, Sammlung, . Abteilung, Nr. , S. 09f. In der Altmark, aber auch im Herzogtum Magdeburg und in der Grafschaft Mansfeld musste der Kanon bei einigen Rittergutsbesitzern durch militärische Exekution beigetrieben werden. Vgl. GStAPK, Rep. 66, Nr. 12; Nr. 13; Nr. 41; Nr. 59; Nr. 62; Nr. 64; Nr. 95–97; Nr. 103; Nr. 0 und Nr. 0. Im Herzogtum Magdeburg zahlten 0 ehemalige Vasallen den Kanon freiwillig, bei  musste er durch militärische Exekution beigetrieben werden. Vgl. GStA PK, Rep. , Nr. . (Nicht alle Akten des Bestandes Rep.  sind paginiert, manche gar nicht, andere nur teilweise.) Magdeburger und Mansfelder Adlige klagten sogar vor dem Reichshofrat gegen das Allodifikationsprojekt. Vgl. Wolfgang Neugebauer, Die Stände in Magdeburg, Halberstadt und Minden im 17. und 18. Jahrhundert, in: Ständetum und Staatsbildung in Brandenburg-Preussen. Ergebnisse einer internationalen Fachtagung, hrsg. von Peter Baumgart, (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, Bd. ) Berlin, New York 1983, S. 170–207, hier S. 184ff. und GStA PK, Rep. 66, Nr. 12–16; Nr. 84; Nr. 89–93; Nr. 95; Nr. 103 und Nr. 104, sowie Friedberg, Konflikt, S. 216–233. Riedel, Bericht, S. . Die Allodifikation der Lehen in der Mark, 2. Januar–30. Juni 1717, in: Acta Borussica, Bd. , Nr. 0, S. –9, hier, S. 90.

Brandenburg



che. Der Einwand der Deputierten des Großen Ausschusses des Landschaftlichen Kreditwerks, keine Vollmachten in Lehnsachen zu haben, sollte damit ins Leere gelenkt werden. Das Verbot des Landesherrn, landtagsähnliche „deliberationes“ abzuhalten, und die Replik der Deputierten, im Rahmen des Landschaftlichen Kreditwerks keine politische Handlungsvollmacht zu haben, verweist auf einen konstitutionellen Dissens aus der zweiten Hälfte des . Jahrhunderts. Bis ins . Jahrhundert hinein hatte der Lehnsherr unregelmäßig allgemeine Landtage einberufen, an denen teilzunehmen der mit Rittergütern angesessene Adel berechtigt und verpflichtet war. Ab dem Ende des 15. Jahrhundert wurden hin und wieder – je später, je öfter – aus den Reihen des Landtages Deputierte ernannt, die den mündlich erzielten Landtagskonsens in separaten Verhandlungen mit den Beauftragten des Lehnsherrn detailliert erörterten und schriftlich niederlegten. Mitunter durften die Deputierten Rücksprache mit ihren „Mandataren“ halten, wobei der Landesherr darauf drang, dass die Deputierten für die folgenden – ebenfalls Landtage genannten – Verhandlungen „mit genugsamer Gewalt“ ausgestattet werden sollten. Auch der – wie sich im Nachhinein herausstellen sollte – letzte Landtag von / begann als allgemeiner Landtag und wurde als Deputiertentag zu Ende geführt. Neben den Landtagen stand seit 0 das Landschaftliche Kreditwerk der Kurmark. Das Landschaftliche Kreditwerk war eine – selbstverwal-

 





Riedel, Bericht, S. . Adolph Friedrich Riedel, Codex diplomaticus Brandenburgensis. Sammlung der Urkunden, Chroniken und sonstigen Geschichtsquellen für die Geschichte der Mark Brandenburg, Dritter Hauptteil, . Bd., Berlin 80, S. 8. Vgl. Corpus Constitutionum Marchicarum, Oder Königl. Preußis. und Churfürstl. Brandenburgische in der Chur- und Marck Brandenburg, auch incorporirten Landen publicirte und ergangene Ordnungen, Edicta, Mandata, Rescripta [et]c.: Von Zeiten Friedrichs I. Churfürstens zu Brandenburg, [et]c. biß ietzo unter der Regierung Friedrich Wilhelms, Königs in Preußen [et]c. ad annum . inclusivè / … colligiret und ans Licht gegeben von Christian Otto Mylius. – Berlin und Halle, Zu finden im Buchladen des Waysenhauses, [1737]–1755, (künftig zitiert: CCM), II. Teil, . Abt., Sp. . Siegfried Isaacsohn, Ständische Verhandlungen, . Bd. (Mark Brandenburg), (= Urkunden und Aktenstücke des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, Bd. 10), Berlin 1880, (künftig zitiert: Isaacsohn, Ständische Verhandlungen), S. f. Der Landtagsrezess von  formulierte das „Fundament […], auf dem sich die Stellung der Stände im Brandenburgisch-Preussischen Militär-Staat des ausgehenden XVII. und des ganzen XVIII. Jahrhundert erhebt, um erst im Anfange unsres Jahrhunderts einer neuen Entwicklung Raum zu machen.“ (Isaacsohn, Ständische Verhandlungen, S. ).

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Die Mitsprache der Kreisritterschaften

tete – „ständische Behörde“ und Teil der landesherrlichen Finanzverwaltung der Kurmark. Kreisritterschaften und Städte hatten die Schulden Joachims II. übernommen und als Kompensation das Recht erhalten, die Verbrauchs- und Grundsteuern einzuziehen und zur Verzinsung wie Tilgung der landesherrlichen Schulden einzubehalten. Mit einem Teil dieser Steuereinnahmen glich das Landschaftliche Kreditwerk bis 80 auch neue Schulden des Landes aus und verbürgte sich gegenüber den Gläubigern für andere Verbindlichkeiten des Landesherrn. Die Organisation des Landschaftlichen Kreditwerks war seit Mitte des . Jahrhunderts zweigeteilt.8 Der eine Zweig erhob und administrierte das Neue Biergeld, eine Verbrauchssteuer für Stadt und Land. Ein Engerer Ausschuss aus sieben „Verordneten“ kontrollierte das Rechnungswesen und verwaltete die zentrale Kasse des Neuen Biergeldes. Erster Verordneter und „Direktor“ dieses Kollegiums war der Domdechant des Domkapitels zu Brandenburg. Die Kreisritterschaften entsandten zwei, die Städte drei Verordnete, der siebente vertrat die königlichen Amtsdörfer. Drei der Verordneten hatten ständig in Berlin anwesend zu sein.9 Einmal jährlich legte dieser „engere Ausschuss“ dem „größeren“, auch „weiteren“ oder „Großen Ausschuss“ die Bücher zur Rechnungsprüfung vor. Der meist zur Jahreswende in Berlin tagende Große Ausschuss bestand aus zwei Deputierten des Prälatenstandes, acht Deputierten der Kreisritterschaften und sieben der Städte.0 Der andere Zweig des Landschaftlichen Kreditwerks, für den vor allem die Kreisritterschaften zuständig waren, erhob und verwaltete die ländliche Grundsteuer, den „Hufen- und Giebelschoss“. Die Lehnrittergüter waren







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Vgl. Das Archiv der Brandenburgischen Provinzialverwaltung. Erster Band: Das kurmärkische Ständearchiv. Im Auftrage der brandenburgischen Provinzialverwaltung herausgegeben von Melle Klinkenborg, Strausberg 90, S. 89. Siegfried Isaacsohn, Die Finanzen Joachims II. und das Ständische Kreditwerk, in: Zeitschrift für Preußische Geschichte und Landeskunde, . Jg., 89, S. –9, (künftig zitiert: Isaacsohn, Ständisches Kreditwerk), hier S. 455f. Das Landschaftliche Kreditwerk bürgte später auch für die Witwen-Societät, die Seehandlung und die „Tobacks Actien“. Vgl. BLHA, Rep. A, Märkische Landschaft – Generalia, Nr. 8, Bl. –. Zur Vorgeschichte siehe Martin Haß, Die kurmärkischen Stände im letzten Drittel des sechzehnten Jahrhunderts, (= Veröffentlichungen des Vereins für Geschichte der Mark Brandenburg), München und Leipzig 9. Vgl. Georg Adalbert v. Mülverstedt, Die ältere Verfassung der Landstände in der Mark Brandenburg vornämlich im . und . Jahrhundert, Berlin 88, (künftig zitiert: Mülverstedt, Stände), S. 234f. Mülverstedt, Stände, S. 8f.

Brandenburg

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von der Grundsteuer befreit. Diese Steuerbefreiung bezog sich nur auf das Gut, das einst als Kompensation für geleistete und zu leistende (Ritter-)Dienste übergeben worden war, bei Rittergütern auf die „ritterfreien“ Hufen. Die im Laufe der Zeit gekauften oder eingezogenen Bauerngüter blieben weiterhin – und somit auch für den adligen Besitzer – mit allen ihren Steuern und anderen sachlichen Verpflichtungen belastet, einschließlich der Einquartierungspflicht. Die Rittergüter bürgten mit ihrer Substanz für die Grundsteuer des Kreises. Diese korporative Garantie der Kreise war das trojanische Pferd für die spätere Teilnahme bürgerlicher Rittergutsbesitzer an den Kreisversammlungen. Die zentrale Kasse des „Hufen und Giebelschoss“ wurde ebenfalls durch einen engeren Ausschuss von sieben Verordneten überwacht. Auch diesem Engeren Ausschuss stand der Brandenburger Domdechant vor. Die Kreise wurden von fünf, die Amtsdörfer durch einen Verordneten vertreten. Drei der sieben Verordneten mussten gleichfalls ständig in Berlin anwesend sein. Zwei Vertreter des Prälatenstandes und zehn Deputierte der Kreisritterschaften überprüften jeweils im Sommer die Rechnungslegung der Hufen und Giebelschosskasse. Zwei ständische Beamte, der „Deputatus perpetui“ der Ritterschaften und der für die Städte, sorgten zwischen den jährlichen Deputiertentagen für die Kommunikation mit den Kreisen und den Städten als den unteren Verwaltungsgliederungen. Beiden Zweigen des Kreditwerks saßen der „Erste Landschaftsdirektor“, sein „Vize-Direktor“ und der „Zweite Land



  

 

Der Adel war von permanenten Belastungen befreit, nicht aber von außerordentlichen, wie etwa der „Türkensteuer“, die als Kopfsteuer, abhängig von der „Charge“, oder nach dem ungefähren Wert der Güter erhoben wurden. Vgl. CCM, Bd. ., Sp. – und Sp.  und Bd. ., Sp. 9ff. Vgl. Kamptz, Jahrbücher, Bd. 0, 8, S. 8 und GStA PK, Rep. 8a, Nr. 0, Bl. . Als im Rahmen der Einrichtung der Provinziallandtage eine Rittergutsmatrikel erstellt wurde, galt die Steuerfreiheit eines Gutes als Beweis für seine Qualität als Rittergut. Vgl. Kamptz, Jahrbücher, Bd. , 8, S. 9f. und GStA PK, Rep. , Tit. 8, Nr. , Bd. . Siehe Landtagsrezesse der Kurmark und der Neumark von , vgl. Kamptz, Sammlung, . Abteilung, S, – und CCM, ., . Abtl., Sp. 9. GStA PK, Rep. , Nr. , Bl. 8–8. Isaacsohn, Ständisches Kreditwerk, S. f. und GStA PK, Rep. , Nr. , Bl. 8–8. Für die einzelnen Rittergutsbesitzer wie für das Kreditwerk insgesamt waren die Einnahme und die Administration der Steuern ein Geschäft. Vgl. Isaacsohn, Ständische Verhandlungen, S. 9. In den Kreisen kreditierte das Landschaftliche Kreditwerk mitunter auch Verbindlichkeiten, die innerhalb der adligen Familien bei Aussteuerungen, Abfindungen oder Abschichtungen entstanden waren. Vgl. GStA PK, Rep. , Nr. 8. Vgl. Mülverstedt, Stände, S. 9. A.a.O., S. 8 und S. 0.

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Die Mitsprache der Kreisritterschaften

schaftdirektor“ vor, die dem Landesherrn von den Deputierten zur Ernennung präsentiert und anschließend von ihm vereidigt wurden. Die Direktoren gehörten qua Amt nicht den Selbstverwaltungsgremien der engeren oder weiteren Ausschüsse an. Der Erste Landschaftsdirektor, der ein bares Vermögen von 0.000 Reichstalern nachzuweisen hatte,8 war später meist zugleich Mitglied des Ministeriums.9 Zwischen  und 0 sprach der Landesherr die Deputiertenversammlungen der Hufen- und Giebelschosskasse als Landtage an und forderte sie auf, zu seinen „propositiones“ Stellung zu nehmen, auch zu dem Plan, das Auskaufen von Bauern durch Rittergutsbesitzer zu verbieten. Das Ergebnis ihrer zeitaufwändigen Rücksprache mit den Kreisen wartete der Landesherr jedoch nicht ab. Als die Deputierten seine Anordnungen nicht als Landtagsrezess entgegennehmen wollten, wurden die geplanten Verordnungen kraft landesherrlicher Autorität verfügt, ihnen aber dennoch als „Receß“ mitgeteilt.0 8 beantragten die obersten Gremien der „Hufen- und Giebelschosskasse“, Fragen, die außerhalb ihres unmittelbaren Geschäftsbereichs der Steueradministration lagen, besprechen zu dürfen. Ihnen wurde entgegnet, dass sie sich auf ihre Verwaltungskompetenz zu beschränken hätten. Besprechungen anderer Themen seien nur auf Anordnung des Landesherrn gestattet, der die Kreise vorab unterrichten werde, damit den Deputierten eine „förmliche Commission erteilt werde[n]“ könnte.  lebte die konstitutionelle Kontroverse aus der Zeit nach dem letzten Landtag von  wieder auf, wobei die Deputierten sich der früheren Argumente des Landesherrn bedienten. Als Friedrich Wilhelm I. den Großen Ausschuss der Hufen- und Giebelschosskasse im Sommer  auf8 9 0 

  

BLHA, Rep. A, Märkische Landschaft – Generalia,Nr. , Bl. 8. GStA PK, Rep. 9a, Nr. g. Siehe Isaacsohn, Ständische Verhandlungen, S. –0. Vgl. a.a.O., S. 9. Zur wechselvollen Geschichte des Landschaftlichen Kreditwerks siehe außer der Arbeit Klinkenborgs, die beiden Studien von Isaacsohn und Mülverstedt, sowie die prägnante Übersicht über die letzte Periode seines Bestehens in: Klaus Vetter, Kurmärkischer Adel und Preußische Reformen, Weimar 99, S. 0–0. Vgl. Isaacsohn, Ständische Verhandlungen, S. –. A.a.O., S. . Peter Baumgart bezeichnet das Landschaftliche Kreditwerk als „Kristallisationspunkt des landständischen Lebens in der Kurmark überhaupt, nachdem die Landtage verschwunden waren“. Vgl. Peter Baumgart, Zur Geschichte der kurmärkischen Stände im 17. und 18. Jahrhundert, in: Ständische Vertretungen in Europa im 17. und 8. Jahrhundert, hrsg. von Dietrich Gerhard (= Veröffentlichungen des MaxPlanck-Instituts für Geschichte, ), Göttingen 99, S. –, hier S. .

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forderte, ein Konzept für die Privatisierung des Lehnrechts vorzulegen, wiesen die Deputierten darauf hin, nur ein unzureichendes administratives Mandat zu haben. Mit der indirekten Reklamierung eines – von der Verwaltung des ritterschaftlichen Kreditwerks unabhängigen – politischen Mandats, wollten die Deputierten zugleich verhindern, dass den Verordneten durch landesherrliches Dekret ein solches beigelegt werden würde, oder dass diese ein solches an sich reißen würden. Die Vorbehalte gegen den Engeren Ausschuss gingen auf die Zeit nach dem letzten Landtag von  zurück, als zahlreiche Adlige gegen die Vorrechte der Angehörigen der altmärkischen Familienverbände des „schlossgesessenen“ Adels protestiert hatten. Diese waren oft weit verzweigt und reich begütert, auch besaßen viele von ihnen eigene eigentumsrechtliche Familienverfassungen. Die Mitglieder dieser Familien hatten die regionalen und zentralen Leitungsgremien des landschaftlichen Kreditwerks majorisiert.  beharrten einzelne Kreisritterschaften darauf, dass, wenn eine ständische Mitsprache innerhalb des Landschaftlichen Kreditwerks stattfinden würde, diese im Größeren Ausschuss der Deputierten und nicht im Engeren der Verordneten stattfinden sollte. Schließlich entschlossen sich die Deputierten dennoch, ihre Mitspracherechte innerhalb der Strukturen der Hufen- und Giebelschosskasse wahrzunehmen. Ob sie mit ihrem anfänglichen Einwand indirekt die Wiederbelebung der früheren ständischen Vertretungsform durch allgemeine Landtage anregen wollten, oder ob der Ausschuss eine Erweiterung seiner Befugnisse anstrebte, auch mit dem Ziel, die Tagesordnung seiner Versammlungen zu bestimmen, muss offen bleiben, denn nicht allen Ritterschaften galt die Hufen- und Giebelschosskasse als adäquates ständisches Vertretungsorgan des Adels. Sechzig Jahre später begründeten im Winter / adlige Rittergutsbesitzer der Altmark ihre Vorbehalte 



G. A. v. Mülverstedt, Allgemeines über den altmärkischen Adel zu den ältesten Zeiten, in: 26. Jahresbericht des Altmärkischen Vereins für vaterländische Geschichte und Industrie, [899], S. 8–, hier S. 0. Zu diesem Komplex siehe für die Altmark: GStA PK, Rep. 53, Nr. 10, Fasz. 13 u. 14; Otto Meinardus, Protokolle und Relationen des Brandenburgischen Geheimen Rates aus der Zeit des Kurfürsten Friedrich Wilhelm, Bd.  (= Publikationen aus den Königlich Preußischen Staatsarchiven Bd. 80), Leipzig 90, S. 9 und Bd.  (= Publikationen aus den Königlich Preußischen Staatsarchiven Bd. 89), Leipzig 1917, S. 597ff. und S. 634; für die Mark Brandenburg: Adolph Friedrich Riedel, Von dem Unterschied zwischen den beschlossenen und unbeschlossenen Geschlechtern der Brandenburgischen Ritterschaft, in: Märkische Forschungen, . Bd. [8], S. –90 und A. Wübbe, Bauernrechts- und Gerichtsordnung der Alten Mark-Brandenburg; ein Landtagsschluss vom Jahre 1531. Mit Anmerkungen und einer Übersicht des altmärkischen Gerichtswesens vom Jahre 00 bis 1806, in: Kamptz, Jahrbücher, Bd. 45, 1835, S. 87–176, hier S. 119f.



Die Mitsprache der Kreisritterschaften

gegen den Plan, innerhalb des ländlichen Zweiges des Landschaftlichen Kreditwerks über die Gründung eines ritterschaftlichen Kreditinstitutes zu beschließen, mit dem konstitutionellen Bedenken, dass die Hufen- und Giebelschosskasse kein Vertretungsorgan der Ritterschaft, sondern nur ein Zweig des Landschaftlichen Kreditwerks sei. Ende Juni  legte der Große Ausschuss einen Entwurf zur geplanten „Assekuration“ für die Kurmark vor. Darin forderte er eigentumsrechtliche Vertragsfreiheit für die einzelnen Gutsbesitzer, für die Familien und für die „Ritterschaften“: Den Besitzern eines Gutes sollte es frei stehen, die bestehenden Familienordnungen für den innerfamilialen Besitzübergang beim Generationswechsel zu konservieren. Die „Ritterschaften“ sollten das Recht erhalten, zu den Sukzessionsordnungen und zu den Konsenspflichten, sowie für die Versorgung der Witwen und Töchter eigene „Ordnungen“ zu erlassen, die jedoch vom König zu approbieren seien. Den Familien sollte Gleiches auch ohne königliche Approbation zustehen, um die sie jedoch auch würden nachsuchen können.8 Ihrem Entwurf fügten die Deputierten konstitutionelle Bedenken gegen das vom Landesherrn vorgeschriebene Prozedere an. Zunächst bestritten sie, dass ein Mehrheitsbeschluss des Großen Ausschusses für die unterliegenden Kreise verbindlich sein könnte, denn sie wüssten „von keiner Landesverfassung, vermöge derer alles per majora vota müßte concludirt werden, wenigstens hatten sie selbige niemals gesehen“. Auch habe sich der König nicht an die Gesamtheit der adligen Stände der Mark gewandt, sondern an die Stände der einzelnen Provinzen und Kreise.9 Der Entwurf des Großen Ausschusses wurde durch die Lehnskommission im Detail überarbeitet. Die Mehrzahl der Deputierten stimmte anschließend dem veränderten Entwurf zu.0 Die altmärkischen Deputierten verweigerten jedoch weiterhin ihre Mitwirkung an der Reform der adligen Eigentumsordnung, da sich ihre Vollmachten nur auf die Kontrolle der landschaftlichen Kassen erstreckten und sie keine Instruktionen für die Formulierung eines adligen Eigentumsrechts hatten.  8

9 0 

Vgl. GStA PK, Rep. , Ritterschaft, Nr. . Auch die weiteren Forderungen der Deputierten wurden in den Marginalien zum Entwurf der Ritterschaften akzeptiert: Besitz, der 50 Jahre unangefochten war, sollte gegenüber jedweden Ansprüchen geschützt sein. Die Familien dürften Rossdienstpflichten nachträglich auf Güter übertragen, die bei früheren familialen Lehnsteilungen unbelastet geblieben waren; die Lehnskanzlei sei abzuschaffen, stattdessen sei eine Registratur der Familienverträge einzurichten und ein Landbuch zur Verzeichnung der dinglichen Schulden gegenüber Dritten. Vgl. GStA PK, Rep. , Nr. 0, Bl. 9–0 u. Acta Borussica, Bd. , S. 8–90. Vgl. BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, B. , Bl. –. Riedel, Bericht, S. 0. Acta Borussica, Bd. , S. 9.

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Die schließlich am 0. Juni  für die Kurmark verabschiedete „Assekuration“ wich nur in einem Punkt materiell vom Entwurf ab: Statt der Freiheit der „Possessores“, die Sukzessions- und Rückkaufsrechte selbstständig konservieren zu dürfen, wie dies der Entwurf vorgesehen hatte, verfügte die verabschiedete Assekuration, dass dem einzelnen Besitzer das freie wirtschaftliche Dispositionsrecht eingeräumt werden solle, ausschließlich der Sukzessions- und Reluitionsrechte (Recht zur Einlösung „wiederkäuflich“ veräußerter Lehen). Damit wären die agnatischen Rechte aus der Gesamten Hand empfindlich geschmälert worden, denn hier wie in den übrigen Passagen war nicht mehr davon die Rede, dass der Besitzer zur Kreditaufnahme den Konsens der Agnaten einholen müsse. Die Assekuration sollte jedoch lediglich die allgemeinen Richtlinien zur Transformierung der Lehngüter in Privatgüter vorgeben und es der „Ritterschaft“ überlassen, differenzierte Normen zur zukünftigen Eigentumsordnung des ehemaligen Lehnadels zu entwerfen. Um die innerfamilialen Rechtsgeschäfte nachprüfen zu können, sollte die „Ritterschaft“ Verwaltungsvorschriften für die familialen Sukzessionsbücher und für die hypothekarischen Landbücher entwerfen. Nach langwierigen Verhandlungen der Lehnskommission mit den einzelnen Kreisen verabschiedete Friedrich Wilhelm I. im August 8 die „Königlich Preußische Constitution, wie es wegen der Succession, Consens der Agnaten bey den Veräußerungen, Versorgung der Wittwen, Aussteuer der Töchter, und was dem anhängig, wie auch mit der Registratur, und zu Erhaltung des Credits nöthigen Land-Buch, bey den vormaligen Lehn, nunmehro von Seiner Königl. Majestät für Allodial und Erb- erklährten Ritter-Gütern in der Alten-Marck, Prignitz, Mittel- und Ucker-Marck, auch Bees- und Storkauischem Crayse zu halten.“

Im Vorspann zu dieser Konstitution hieß es, die königliche Assekuration von  habe es der „Ritterschaft […] frey gegeben und nachgelassen, Verfassungen“ für die „von dem Nexu Feudali befreyten, und für Allodial- und Erb-Güter erklärten Lehne“ zu formulieren. Die Märkische Ritterschaft habe daraufhin „durch gewisse darzu Deputirte ihres Mittels einen Entwurf einer Constitution […]Uns […] zu allergnädigster Bestättigung allunthertänigst überreichen lassen; so haben wir solche projektirte Constitution […] allergnädigst beliebet, genehm zu halten, und als ein unverbrüchliches Gesetz bestätigt. Befehlen demnach allen Unsern Collegiis, Ober- und UnterGerichten in allen Instantien darnach in vorkommenden Fällen zu sprechen.“ Der „getreuen Ritterschaft“ bliebe es auch zukünftig überlassen, eine revidierte   

Kamptz, Sammlung, . Abteilung, Nr. 9, S. –8. A.a.O., S. –8, hier S. . Siehe BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, B. , Bl. 9–0, vgl. auch Kamptz, Sammlung, . Abteilung, Nr. , S. –8.



Die Mitsprache der Kreisritterschaften Verfassung oder Vorschläge für „andere […] Fälle“ zur Konfirmation „einzusenden“.

Bei der Formulierung dieser neuen Eigentumsordnung wurden ausschließlich besitz- und eigentumsrechtliche Aspekte diskutiert, nie aber ökonomische. Das Nutzungsrecht am Familiengut und das individuelle Vermögen des Besitzers blieben Teile seines Gesamtnachlasses, gehörten aber weiterhin verschiedenen Rechtskreisen an, der adligen Eigentumsordnung einerseits, dem gemeinen Recht andererseits. Das traditionelle lehnrechtliche Intestat, wonach der Erblasser nicht über sein Nutzungsrecht hatte testieren dürfen, wurde auf die Substanz des Familiengutes ausgedehnt. Über sein individuelles Vermögen dagegen konnte der Besitzer eines Familiengutes weiterhin nach erbrechtlichen Regeln verfügen. Dadurch hatten die Hinterbliebenen unterschiedliche Rechte und Pflichten in Bezug auf die – unterschiedlichen Rechtskreisen angehörende – Hinterlassenschaft, je nachdem, ob sie lehnsfähige oder nicht-lehnsfähige Söhne waren oder Töchter, geschiedene Ehefrauen oder Witwen. Erneute Verhandlungen über die adlige Eigentumsordnung ließen nicht lange auf sich warten, denn die Konstitution war in der Altmark nicht gültig geworden, weil die Landräte der vier altmärkischen Kreise es unterlassen hatten, sie zu publizieren. Erst im Oktober 9 wurde die Konstitution durch den Landeshauptmann publiziert und verbindlich. Danach weigerten sich die Altmärker, das mit der Konstitution obligatorisch gewordene Landbuch einzurichten.8 Noch im Juli 0 widersetzten sie sich der Aufforderung, mit der Einrichtung eines altmärkischen Landbuches zu beginnen,9   

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Vgl. BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, B. , Bl. 9f. Siehe hierzu: C. F. v. Gerber, System des Deutschen Privatrechts, Jena 1882, S. 0–. Deshalb galt die erste Eigentumsordnung nur für die Prignitz, die Mittel- und die Uckermark, sowie für die Kreise Beeskow und Storkow. Die Neumark erhielt  eine eigene Eigentumsordnung. Siehe „Constitution, für die Ritterschaft der Neumarck, Sternberg und incorporirten Creyse, wie es mit Verpfändung und Veräusserung der Adelichen Güther, alß auch mit der Dispositione ultimae volutantis über dieselben: Mit Versicherung und Abfindung der Wittiben: Erbnehmung der Ehegatten: Ausstattung und Befriedigung der Töchter: Sukzession der Agnaten und Theilung der Güther gehalten werden soll“, in: GStA PK, Rep. 66, Nr. 33 und Kamptz, Sammlung, . Abteilung, Nr. , S. 88–8. Vgl. Riedel, Bericht, S.  u. S. f. Auch in der Uckermark stieß die Einführung des Landbuchs auf Widerstand. Mehrere Rittergutsbesitzer beantragten, das Landbuch und die Registratur im Lehnsarchiv in Berlin zu deponieren. Vgl. a.a.O., S. f. Für die ritterschaftlichen Landbücher galten dieselben Vorschriften, wie für die staatlichen Hypothekenbücher. Vgl. §  der „Hypothec- und Concurs-Ordnung vom . Febr. “, in CCM, Bd. ., Sp. 0–, hier Sp. 8.

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da dies die familiären Sitten verletzen würde, denn es zwinge die Adligen, „sämtliche arcana domus continuirlich und beständig [zu] offenbaren“.0 Auch in der Uckermark widersetzte sich ein General der Kavallerie der Anordnung, dem Landrat die Dokumente über die Familie und ihre Güter auszuhändigen, mit dem Einwand, das sei so, als würde er seinem „Feind die Waffen übergeben“, und begründete dies damit, dass er in Prozesse verwickelt war. Erst die königliche Anweisung an das Obergericht der Altmark vom Mai , alle „Verschreibungen, Verpfändungen, und dergleichen Dokumente“ für null und nichtig zu erklären, wenn sie nicht im Landbuch eingetragen waren, beendete die Blockade des dortigen Adels. Der Altmark wurde es schließlich gestattet, eine eigene Konstitution zu erarbeiten, sofern diese sich an der bereits verabschiedeten orientierte. Anstelle der altmärkischen Deputierten verhandelten zwei Deputierte des Altmärkischen Obergerichts mit den „Deputierten von Prälaten, Grafen, Herren und Ritterschaft“ der Prignitz, der Mittel- und der Uckermark sowie der Kreise Storkow und Beeskow. Diese einigten sich im Dezember  auf den Entwurf zu einer revidierten Eigentumsordnung, in den sie anschließend die Einwände des Hof- und Kammergerichts und die des Geheimen Justizrates einarbeiteten. Ohne weitere Rücksprache mit den Deputierten verabschiedete Friedrich Wilhelm I. am . Juni  die „Deklarierte Constitution“. Wie schon 1718 wurden die Gerichte verpflichtet, diese Konstitution als „Gesetz“ zu achten. Den Angelpunkt des rechtlichen Verhältnisses zwischen dem individuellen Eigentümer des Nutzungsrechts und den Gesamthändern bildete der agnatische Konsens. Da niemand einem anderem mehr Rechte übertragen 0    

  

Vgl. GStA PK, Rep. , Nr. . Vgl. GStA PK, Rep. , Nr. 9. Vgl. Riedel, Bericht, S. f. Vgl. a.a.O., S. f. Bereits im Januar  hatte sich das Obergericht der Altmark als Vermittlungsinstanz angeboten und den König  darauf hingewiesen, dass die „Constitution“ für die ehemaligen Lehen Bestimmungen enthielt, die für die Altmark unpraktikabel seien, und mit Erfolg angefragt, ob es einen revidierten Entwurf ausarbeiten dürfe. Am . Juli reichte das Obergericht diesen Entwurf mit der Bemerkung ein, dass die vornehmsten Adligen mit ihm einverstanden seien. Vgl. GStA PK Rep. , Nr.  und Riedel, Bericht, S. f. BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, B. , Bl. –. GStA PK, Rep. , Nr.  und BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, B. , Bl. 0–8 und Bl. 80–8. „Declarirte Constitution, wie es wegen Succession der Agnaten, und was dem anhängig […]“ in: CCM, 2. Teil, 5. Abteilung, Sp. 125–136 und Kamptz, Sammlung, . Abteilung, Nr. , S. –.



Die Mitsprache der Kreisritterschaften

konnte, als er selbst hatte,8 und der Besitzer nur die Nutzungsrechte am Familiengut besaß, setzte die Verpfändung der Substanz durch eine hypothekarische Verschuldung des Familiengutes den einstimmigen Konsens der Agnaten voraus. Der Landtagsrezess von  hatte die Agnaten verpflichtet, einer hypothekarisch gesicherten Verschuldung des Gutes ihren Konsens zu erteilen, wenn der Kredit dem Erhalt der Familie und des Familiengutes diente.9 Die Eigentumsordnung von  dehnte die Zustimmungspflicht der Agnaten auch auf andere Verschuldungsanlässe aus, erteilte dem Nutzer jedoch das Recht, den agnatischen Konsens gerichtlich einzufordern. Die Agnaten konnten ihren Konsens nur dann verweigern, wenn sie glaubten, die Eigentumsordnung sei verletzt, oder es sei zu ihrem Nachteil disponiert worden. Sie hatten die Verweigerung ihres Konsenses dem Gericht schriftlich mitzuteilen. Hielt dieses ihre Weigerung für unbegründet, ersetzte es den fehlenden Konsens.0 Die Konsenspflicht galt für notwendige resp. gesetzliche und für subsidiarische Schulden. Als notwendige oder gesetzliche Familienschulden galten ab 1723: Der jährliche Kanon für die Ablösung der Rossdienstpflicht, die Ausstattung der Schwestern des Besitzers, die Aussteuer der Töchter und Abfindung derjenigen Söhne, die das Gut, oder ihren Gutsanteil nicht „in natura“ übernahmen, die „nötigen Verlöbnis- und HochzeitKosten“ eines oder mehrerer Söhne, das von der Witwe einst eingebrachte 8 9

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Siehe Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten (ALR), Allgemeine Grundsätze des Rechts, § 0. Mit dem Landtagsrezess von 1653 waren die Agnaten verpflichtet worden, der Verschuldung bei der Errichtung oder Erbauung eines Lehens ebenso zuzustimmen wie den Lehnschulden („debita feudalia“), zu denen die Abfindung der Brüder, die Aussteuer der Schwestern oder Töchter und die „Bestellung des Rossdienstes“ und die „Ehestiftungen“ zählten. Der Konsens der näheren Agnaten konnte, wenn sie unterrichtet waren und die entfernteren zugestimmt hatten, auch gerichtlich ersetzt werden und wurde damit auch für jene verbindlich. Vgl. Kurfürstlicher Landtagsreceß von , zit. nach Kamptz, Sammlung, . Abteilung, Nr. 9, S. –, hier S. . Vgl. § , Abs. 9 der Declarirten Constitution. Die Umwidmung des Lehnkanons von einer subsidiarischen – wie in der Eigentumsordnung von 8 vorgesehen – in eine notwendige Schuld geht auf die Vorschläge des Hof- und Kammergerichts sowie des Justizkollegiums zurück, die sich dabei auf den Landtagsrezess von  bezogen, vgl. BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, B. , Bl. 0–, hier Bl.  und Bl. 80–8, hier Bl. 80f. Die Kategorie der subsidiarischen Schulden wurde dabei jedoch nur indirekt um eine Position kleiner, denn der Lehnkanon tauchte – wenn auch nicht mehr in der nummerierten Auflistung der subsidiarischen Schulden – im anschließenden Text wieder auf. Die Texte der Konstitution von 8 und der von der Ritterschaft entworfene Revisionsentwurf wurden offenbar nicht konsequent redigiert.

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Ehegeld und das, was der Mann als Gegenvermächtnis hinzugelegt hatte, sowie die „Paraphernalien“ der Frau, die Kosten für nützliche Meliorationen und die Erstattung des Kaufgeldes des Gutes. Zur Kategorie der subsidiarischen Schulden gehörten ausstehender Gesindelohn, rückständige Kontributionen, die Kosten für den Militärdienst der Söhne, sowie für deren Studien und Bildungsreisen, die Kosten für das Begräbnis des Besitzers und – im Trauerjahr – die Kosten der Pferde sowie eines Wagens für die Witwe. Für die gesetzlichen Schulden haftete die Substanz des Familienguts, für die subsidiarischen Schulden die Erträge. Beide Arten von Verbindlichkeiten mussten die Agnaten bei Übernahme des Gutes gegenüber den Gläubigern vertreten. Erst anschließend konnten sie sich an die Erben des individuellen Vermögens wenden. Waren diese unvermögend, hatten die Agnaten diese Schulden sukzessive aus den Erträgen zu tilgen. Kam der Nutzer eines Familiengutes mit der Zahlung konsentierter Schulden in Verzug, und musste er das Gut deshalb entweder verpfänden oder veräußern, hatte er die Agnaten – wie beim Verschuldungskonsens – durch Gericht unterrichten zu lassen und ihnen Höhe und Art seiner Schulden mitzuteilen. Übernahm keiner der Agnaten den Pfändungsvertrag oder zahlte nicht den Preis, den ein Fremder bot oder bereits gezahlt hatte, konnte der Nutzer das Familiengut auch ohne Konsens der Agnaten verkaufen. Diese Regelung aus der Eigentumsordnung von 8 wurde in der deklarierten Fassung von 1723 ergänzt: Die Agnaten konnten dem Verkauf widersprechen, wodurch sie jedoch nicht von der Haftung für die konsentierten Schulden befreit wurden, falls der Verkaufspreis unter der 





 

Das Gegenvermächtnis betrug in der Regel die Hälfte des von der Frau eingebrachten Ehegeldes. Vgl. Juristische Monatschrift für die Preußischen Staaten, Hrsg. von Justizkommissarius Mathis (künftig zitiert: Mathis, Juristische Monatsschrift), . Bd. 809, S. 9–, hier S. 0. Ehegeld und Gegenvermächtnis galten sowohl als dinglich abgesichert als auch mit einem Eigentumsvorbehalt belegt. Unter den „Paraphernalien“ wurde das übrige Vermögen der Frau verstanden, z.B. aus einer Erbschaft, das der Mann in seine Administration nahm. Vgl. GStA PK, Rep. , Nr. , Bl. 9v. Die in der Konstitution von 8 vorgeschriebene und vom Altmärkischen Obergericht sowie den Kreisen akzeptierte Begrenzung aller subsidiarischen Schulden auf die Hälfte des Wertes des Guts wurde auf Anraten des Hof- und Kammergerichts nicht in die Konstitution von  übernommen, weil die Gläubiger diesen Wert nicht in jedem Fall kennen konnten, gleichwohl aber zu schützen waren. Vgl. BLHA Rep. A Kurmärkische Stände, B. , Bl. . Vgl. Artikel 4 der Konstitution von 1718, in: Kamptz, Sammlung, 2. Abteilung, Nr. , S. –8, hier S. f. Vgl. den 4. Artikel der deklarierten Konstitution von 1723, in: Kamptz, Sammlung, . Abteilung, S. –, hier S. . In der Altmark wurden die Agnaten von der Verpflichtung befreit, mit dem meistbietenden Fremden gleichzuziehen.

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Die Mitsprache der Kreisritterschaften

Schuldsumme lag. Für die Altmark galt eine Sonderregelung. Vor dem Verkauf musste das Gut gerichtlich taxiert und den Agnaten die Höhe des Taxwerts und die Höhe der konsentierten Schulden mitgeteilt werden. Die Agnaten hatten dann sechs Monate Zeit, ihr Vorkaufsrecht zum Taxwert wahrzunehmen. War der Taxwert niedriger als der Wert des Gutes zum Zeitpunkt der Verschuldung, musste der Verkaufspreis mindestens die konsentierten Schulden abdecken.8 In jedem Fall war ein Agnat einem anderen adligen Interessenten vorzuziehen und dieser einem bürgerlichen. Von der adligen Eigentumsordnung unberührt – und also beibehalten – blieben diejenigen Bestimmungen des Landtagsrezesses von 1653, in denen die Haftung eines Familiengutes für andere Schulden des Nutzers geregelt war. Der Gläubiger einer Forderung, die nicht als gesetzliche oder subsidiarische Familienschuld galt, konnte sich an das gesamte Eigentum des Schuldners halten, wozu auch dessen Nutzungsrecht am Familiengut gehörte. Auch für solche Schulden haftete das Gut subsidiarisch, unabhängig davon, ob diese hypothekarisch gesichert waren oder nicht. Allerdings genossen konsentierte und hypothekarisch gesicherte Schulden Priorität. In einem erbschaftlichen Liquidationsprozess konnten das Familiengut und der individuelle Nachlass erst dann getrennt werden, wenn die Schuldenregelung gegenüber Dritten abgeschlossen war.9 Die Regelungen für die Ansprüche der nicht abgeschichteten sukzessionsfähigen Söhne an das Familiengut gingen – nach wie vor – von dem Prinzip der Naturalteilung aus. Da die Größe der Güter nicht in jedem Fall eine Naturalteilung zuließ, verordnete die Konstitution von 1718: „Wann bey einer Theilung zwischen Brüdern ein oder mehr Brüder mit Gelde abzufinden, muss solches Geld, wann es zur Abfindung aufgenommen, oder auch sonst aus eigenem Vermögen dessen, der das Gut behält, bezahlet wird, hinwieder an unbewegliche Güter angeleget, und der Bruder nebst den Agnaten daran zur gesambten Hand gelassen und gestattet werden; es wäre dann dass sie sich deshalb anders verglichen.“80 Die Konstitution von  erweiterte diese Bestimmung mit ausdrücklichem Bezug auf



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Sie konnten das Gut zu dem gerichtlich festgestellten Wert übernehmen. Das Hofund Kammergericht hatte sich, um die Gläubiger zu schützen, erfolglos gegen diese Sonderregelung ausgesprochen. Vgl. a.a.O., S. f. Überstieg der Verkaufspreis die Schulden, musste der Differenzbetrag ohnehin wieder in einem – eventuell neuen – gesamthänderischen Familiengut angelegt werden. Vgl. den 4. Artikel der deklarierten Konstitution von 1723, in: Kamptz, Sammlung, . Abteilung, S. –, hier S. f. Kamptz, Sammlung, . Abteilung, Nr. 9, S. –, hier S. f. Kamptz, Sammlung, . Abteilung, Nr. , S. .

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den Landtagsrezess von , der es „einem Edelmann freigelassen“ hatte, „wann er keinen Sitz hat, einen Bauern außzukauffen“.8 Bis zum Ankauf eines neuen Guts war der Übernehmer des Familienguts verpflichtet, die brüderlichen Abfindungsansprüche hypothekarisch zu sichern und zu verzinsen.8 Bei der Sicherung der Versorgung der Witwen konkurrierten zwei Rechtskreise, die Hypotheken- und Konkursordnung von  einerseits und die Eigentumsordnung von  andererseits. Bestand das „Eingebrachte“ der Frau in einem „Hochzeitsgut“ oder war mit dem Ehegeld ein solches gekauft worden, konnte es nicht zur Konkursmasse des Mannes gezogen werden, es sei denn, die Frau hatte einer Verschuldung ihres Hochzeitsgutes zugestimmt.8 Der Witwe stand in jedem Fall auch die „Verbesserung“ resp. das „Gegenvermächtnis“ durch den Mann zu, die auf die Hälfte des „Eingebrachten“ bemessen war. Die „Paraphernalien“ waren ihr ebenfalls auszuhändigen, wie auch die Morgengabe.8 Das Eingebrachte galt zur Absicherung der Versorgung der Witwe als eine dem Intestat unterliegende und hypothekarisch einzutragende dingliche Last. Gleichwohl konnte der Ehemann zu Lebzeiten darüber frei verfügen.8 So wurde mitunter der scheinbar kuriose Umstand beklagt, dass manche reiche Einheirat im Nachhinein das Gut ruiniert habe.8 Bestand das Eingebrachte der Frau

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BLHA, Rep. A, Kurmärkische Stände, B., Bl. . Der Geheime Justizrat argumentierte ähnlich, a.a.O., Bl. 8. Kamptz, Sammlung, . Abteilung, Nr. , S. f. Vgl. § 132 der Hypotheken- und Konkursordnung, in: CCM, Bd. 2.2, Sp. 103–210, hier Sp. f. Auf die verschiedenen, auch provinz- und kreisspezifischen Formen der Versorgung der Witwen kann hier nicht näher eingegangen werden. Eine verbindliche Verpflichtung, die Ehegelder der Frau zur Erweiterung oder Melioration der Substanz des Rittergutes zu verwenden, fehlte, da Heirat und Übernahme eines Familiengutes zu unterschiedlichen Zeiten stattfinden konnten und weil Adlige wie Bürgerliche das Eingebrachte der Braut in einer (anderen) Immobilie anlegen oder hypothekarisch sicherstellen konnten. Vgl. Carl Petersen, Über den Kurmärkischen Adel im . Jahrhundert, phil. Diss. Berlin 1911, S. 64 und: Rechtliche Erörterung der Frage: Ob die Lehnskonstitution vom . Juni , nach dem Entwurf zur revidierten Lehnskonstitution d. d. Berlin, den . Januar  mit Bestande Rechtens abgeändert werden könne und was dazu erfordert werde? Berlin o. J., S. 26, in: BLHA, Rep. 53A Märkische Landschaft – Generalia, Nr. 48. Starb die Frau vor ihrem Mann, fiel nur ein Teil des Eingebrachten und des Gegenvermächtnisses ins Familiengut zurück. Vergleichbares galt für die ausgesteuerten oder abgefundenen und ledig verstorbenen Geschwister. Vgl. hierzu die Vorbemerkungen der Lehnskanzlei zu den Lehnstabellen der Kurmark und des Herzogtums Krossen von 1717, in: GStA PK. Rep. 66, Nr. 18.

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Die Mitsprache der Kreisritterschaften

in Ehegeld,8 und war es binnen Jahresfrist als Familienschuld ins Landbzw. Hypothekenbuch eingetragen, so hatte es bei einem Konkurs Vorrang gegenüber allen früheren Gläubigerforderungen, es sei denn, diese waren vor der Eheschließung hypothekarisch abgesichert worden.88 Weil aber die Eigentumsordnung von  keine rechtlichen Sanktionen für verspätete Eintragungen vorsah, sondern lediglich eine doppelte Verwaltungsgebühr, konnten Gläubigerforderungen, die zwischen der Eheschließung und dem Tod des Gatten ins Landbuch eingetragen worden waren, sich in Luft auflösen. Die Tochter konnte auch schon vor dem Tod des Vaters einen Teil ihrer „Lehnsaussteuer“ als „Ehegeld“ und „Ausstattung“ erhalten, ohne ihren (Rest)Anspruch an den väterlichen Gesamtnachlass zu verlieren.89 Die Höhe ihrer „Lehnsaussteuer“ hing von der Anzahl ihrer Geschwister ab. Jede Schwester erhielt im Verhältnis zu jedem Bruder ein Viertel des schuldenfreien Wertes des Familiengutes. Betrug dieser zum Beispiel 0.000 Reichstaler und hinterließ der Vater zwei Söhne und drei Töchter, so hatte jeder der beiden Brüder 14.545 und jede der drei Schwestern 3.636 Reichstaler oder ein entsprechendes Äquivalent zu beanspruchen.90 In die revidierte Eigentumsordnung der Kurmark von  war die Forderung der Kreise und des Altmärkischen Obergerichts übernommen worden, die Rechte der Witwe zugunsten der Töchter einzuschränken. Hatte die Konstitution von 8 noch bestimmt, das weibliche Geschlecht sukzediere in das Nutzungsrecht des verstorbenen Besitzers erst dann, wenn die lehnsfähige männliche Deszendenz des ersten Erwerbers erloschen war, so hieß es jetzt, dass in diesem Fall die Töchter der Mutter vorangehen würden. Damit sollte vermieden werden, dass die Witwe nach dem Erlöschen der männlichen Deszendenz von ihrer gemeinrechtlichen Befugnis Gebrauch 8

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Gab es keinen Ehevertrag oder „Beredung“, hatte die Witwe ihre Ansprüche „gegen ihre Kinder“ mit der Quittung ihres Mannes zu beweisen, gegen die Agnaten aber zusätzlich „durch andere Documenta oder Zeugen“ und im Zweifelsfall mit einem „cörperlichen Eyde“. War dies geschehen, galt – bis zum Beweis des Gegenteils – „die rechtliche Vermuthung, dass das Eingebrachte ins Gut würcklich verwandt“ worden war. Vgl. 7 der Deklarierten Konstitution von 1723, in: CCM, Bd. ., Sp. –. Vgl. § 0 und § 9 der Deklarierten Konstitution von , a.a.O., Sp. – und § 153 der Hypotheken- und Konkursordnung, in: CCM, Bd. 2.2, Sp. 103– 0. Vgl. § 11 der Deklarierten Konstitution von 1723, in: CCM, Bd. 2.5, Sp. 125– . Überstieg die Anzahl der Schwestern die der Brüder um mehr als das Vierfache, wurden die Ansprüche aller Töchter auf insgesamt 0% des schuldenfreien Wertes des Guts beschränkt.

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machen könnte, die Hälfte des Gutes zu beanspruchen; stattdessen sollte es ermöglicht werden, dass eine Tochter durch die Ehe mit einem „Ritterbürtigen“ das Rittergut dem Adel erhalten konnte. Mit der Aufhebung der lehnsherrlich-vasallitischen Verhältnisse verlor die Lehnskanzlei ihre Zuständigkeit für die Dokumentation der Grundlasten, der Grundschulden und der familialen Sukzessionsordnung. In den einzelnen „Provinzen“ oder „Kreisen“ sollte diese Funktion der Lehnskanzlei jeweils durch ein Kollegium aus drei Deputierten wahrgenommen werden. Jedes dieser Kollegien hatte zwei getrennte Registraturen zu verwalten, die Dokumentation der Familienverträge einerseits und die Verwaltung des Landbuches andererseits.9 Das Landbuch sollte entsprechend der staatlichen Hypothekenregistratur administriert werden, die  für alle übrigen Immobilien eingerichtet worden war.9 Neben den Grundlasten und Hypotheken dokumentierte das Landbuch zusätzlich die Familienverträge über das gesamthänderische Eigentum, während das separat geführte Sukzessionsregister die genealogisch vermittelten Ansprüche der Agnaten verzeichnete. Dem extrafamilialen Hypothekengläubiger stand nur die Einsicht in das Landbuch zu.9 Die mit ritterschaftlicher Beteiligung formulierte Eigentumsordnung von  gestattete dem künftigen Besitzer eines märkischen Familiengutes, dieses stärker zu belasten als das vormalige Lehngut. Die damit verbundene Schmälerung der materiellen Erwartungen der Agnaten monierte Samuel v. Cocceji, der wenige Monate vor dem Ende der fast fünfjährigen Revisionsverhandlungen zum Präsidenten des Kammergerichts ernannt und zur Begutachtung des Entwurfs aufgefordert worden war. Cocceji kritisierte, dass das Familiengut nicht nur mit den Erbansprüchen, sondern auch mit denjenigen Kosten belastet werden konnte, die für die Versorgung der Witwe oder für Trauerrituale aufgebracht werden mussten, sowie die

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Für die Mittelmark, einschließlich der Kreise Beeskow und Storkow, für die Prignitz und für die Uckermark wurden jeweils eigene ritterschaftliche Kollegien geschaffen, die das Sukzessionsregister und unabhängig davon das Landbuch – entsprechend der Hypothekenordnung von  – zu führen hatten. Für die Altmark wurde das Obergericht damit beauftragt. Vgl. die §§ 8– der deklarierten Konstitution von 1723 in: Kamptz, Sammlung, 2. Abteilung, Nr. 161, S. 463–475, hier S. – und Georg Wilhelm v. Raumer, Ursprung der preußischen Hypothekenverfassung, in: Allgemeines Archiv für die Geschichtskunde des Preußischen Staates, . Bd., 8, S. 8–, hier S. 8. Vgl. § 15 der „Hypothec- und Concurs-Ordnung vom 4. Febr. 1722“, in: CCM, Bd. ., Sp. 0–, hier Sp. 8. Vgl. BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, B. , Bl. 9–8 und Bl. –9.



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Verehelichung und die Aussteuerung der Töchter oder die Ausbildung und Abfindung der Söhne.9 Wegen der familial vermittelten Metamorphosen des Familieneigentums in individuelles Vermögen und umgekehrt, sowie ihrer relativen Entkoppelung, kann die Verschuldung der Rittergüter und ihrer Besitzer nicht allein nach betriebswirtschaftlichen Kriterien beurteilt werden. Auch kann von der Verschuldung der Rittergüter nicht unmittelbar auf die Verschuldung „des“ Adels geschlossen werden, weil eine Reihe dieser Belastungen gleichzeitig Guthaben anderer adliger Gesamthänder oder weiblicher Familienangehöriger waren. Die Belastung der Güter nach betriebswirtschaftlichen oder anderen Schulden zu unterscheiden, ist im Nachhinein kaum möglich. Bereits für die Zeitgenossen stellte sich die finanzielle Verknüpfung von Familie, Gut und Nutzer oft als Verwirrstück dar. Und so war die Verquickung von Forderungen und Verbindlichkeiten bei der Übernahme eines Familiengutes für manchen Deszendenten oder Agnaten ein finanzielles „Labyrinth“.9 Die Möglichkeit, das Familiengut – vorübergehend – höher als das ehemalige Lehen zu belasten, wie sie durch die Eigentumsordnung von  eröffnet worden war, sowie die Formalisierung der individuellen Ansprüche der einzelnen Familienmitglieder, insbesondere bei Erbteilungen, führten dazu, dass den Erben eines Familiengutes oft die liquiden Mittel zu dessen Übernahme oder zur Bedienung der Zinsen fehlten. Zwar konstituierte die Teilung des persönlichen Eigentums in das familial vermittelte Nutzungsrecht einerseits und in das individuelle Vermögen andererseits ein hybrides Rechnungswesen, das in kompromissfähigen Familien die Kompensation der unterschiedlichen Ansprüche ermöglichte; die finanziellen Risiken konnten bei einem Besitzübergang jedoch erheblich sein, sei es für die Deszendenz, sei es für die Agnaten. Noch am Ende des 9. Jahrhunderts war es für preußische Statistiker evident, dass der generationsbedingte Besitzübergang in der Regel die Überschuldung der Familiengüter verursachte.9 Die Eigentumsordnung enthielt weder Regeln über eine befristete Wirkung des agnatischen Konsenses,9 noch sanktionierende Vorschriften, die 9

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BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, B. , Bl. 9–0. Die Berücksichtigung seiner Einwände hätte jedoch neue Verhandlungen erfordert und war auch insofern problematisch, als die Konstitution von 8 bereits als Grundlage für Familienverträge und familiale Rechtsgeschäfte angewandt worden war. Vgl. BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, C. 9, Bl. f. Vgl. F. Kühnert, Die Hypothekenbewegung in Preußen während der Rechnungsjahre 1895 bis 1900, Berlin 1903, S. 78. Unter den Bedingungen der lehnsherrlich-vasallitischen Verhältnisse war der Konsens auf  Jahre begrenzt gewesen. Vgl. BLHA, Rep. 8 I, Nr. 0.

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den Nutzungsberechtigten zur Befreiung des Familiengutes von den familial bedingten Schulden verpflichteten. Die Eigentumsordnung schrieb lediglich die Haftung des Familiengutes für gesetzliche Familienschulden vor.98 Die Gläubiger konnten ihre Forderungen in der Regel einmal im Jahr mit einer dreimonatigen Frist kündigen. Eine sukzessive Entschuldung durch terminierte Ratenzahlungen war die Ausnahme, weil der Gläubiger, der einen Zahlungstermin versäumte oder prolongierte, sein dingliches Recht am Gut verlor und stattdessen an die künftigen Erträge verwiesen wurde.99 Es blieb den familialen Interessen des Nutzers überlassen, das Gut zu entschulden. Die Höhe der gesetzlichen Ansprüche, die die männlichen und die weiblichen Nachkommen an das Familiengut hatten, legte eine dem Generationenwechsel angepasste Entschuldung nahe. Andernfalls wäre der Besitz eines Familiengutes spätestens nach dem zweiten oder dritten Generationenwechsel für einen adligen Nutzer nicht mehr rentabel oder sogar höchst riskant gewesen; eventuell schon früher, wenn die Besitzer mit dem „Unglück“ einer „zahlreichen Familie“ geschlagen waren.00 Weil die Verschuldung einzelner Familiengüter nicht unbedingt Folge schlechter Ökonomie war, sondern oft aus der erbschaftlichen Besitzteilung herrührte, werteten die Zeitgenossen diese Belastungen lediglich als vorübergehende Illiquidität. Da gleichzeitig Möglichkeiten gesucht wurden, Abschichtungsgelder oder die Überschüsse milder Stiftungen anzulegen, hoffte man, die Probleme, die sich aus mangelnder Liquidität der Rittergutsbesitzer ergaben, durch die Erleichterung des Geldverkehrs beheben zu können. Im Herbst  ließ Friedrich Wilhelm I. den Verordneten der Kurmärkischen Landschaft einen spezifizierten Vorschlag unterbreiten, um den „publiquen Credit“ zu heben, der „die Seele des Landes“ sei. Er regte an, dass derjenige Zweig des Landschaftlichen Kreditwerks, der das Neue Biergeld verwaltete, zwischen die Rittergutsbesitzer und ihre Gläubiger treten sollte: Dieser, von den Kreisritterschaften und den Städten gemeinsam verwaltete Zweig des Landschaftliche Kreditwerks sollte Pfandbriefe für Rittergüter ausstellen können, für die der Besitzer selbständig Käufer suchen müsste. Das Kreditwerk hätte für deren Einlösung zu garantieren. Der Gutsbesitzer würde somit in der Schuld der Landschaft und nicht in der des Gläubigers stehen, und wäre dadurch vor dessen – eventuell – ver98 99

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Vgl. Kamptz, Sammlung, . Abteilung, S. . Vgl. ALR, I. Teil, 8. Titel, §  und Maximilian Carl Friedrich Wilhelm Graevell, Die Lehre vom Darlehn, Gemeinschaften, Lehns- und Fideicommiß-Schulden, Wechseln und Handelsbillets in ihrer Vollständigkeit u. ihrem Zusammenhange nach preußischen Gesetzen, Berlin 1817, (künftig zitiert: Graevell, Lehn- und Fideikommiss-Schulden), S. . Vgl. BLHA, Rep. B, Neumärkische Stände, Nr. 8, Bl. .



Die Mitsprache der Kreisritterschaften

hängnisvoller Kündigung der Pfandbriefe geschützt. Zur Sicherstellung der Pfandbriefzinsen sollten die Güter durch das Landschaftliche Kreditwerk kontrolliert werden, das bei ausbleibender Rückzahlung „sofort“ die Administration der verpfändeten Güter zu übernehmen hätte.0 Die Rittergutsbesitzer lehnten das Projekt ab. Sie monierten, dass vor der Kreditierung das Gut vom Kreditwerk taxiert werden sollte, wodurch sein Zustand für ihre Standesgenossen transparent werden würde. Sie verwarfen zudem die geplante Vorschrift, wonach das Gut eines zahlungsunfähigen Besitzers von der Landschaft administriert werden sollte. Die Zwangsverwaltung empfanden sie als demütigend sowie Kosten treibend und sahen ihre individuelle Kreditwürdigkeit durch die Absicht gefährdet, den landschaftlichen Pfandbriefen hypothekarisch das „jus prioritatis“ zu verleihen.0 Dadurch würden alle zukünftigen Individualschulden nachrangig werden, und die Landschaft würde das Monopol für Grundkredite erhalten. Die städtischen Deputierten zum Landschaftlichen Kreditwerk monierten, dass die Kosten für die Taxierung und die Rentabilität der Administration der Güter nicht berücksichtigt worden waren, und wo kein Gewinn sei, sei auch keine „Balance“. Da obendrein die Kreditierung städtischer Immobilien im letzten Paragraphen des Entwurfs bloß erwähnt, nicht aber geregelt worden war, stand für sie fest, dass „dieses Werk auch Ihren praesenter nichts angehe“. Die städtischen Verordneten traten den „Monita“ der städtischen Deputierten bei und baten, das Landschaftliche Kreditwerk mit diesem Projekt „zu verschonen“.0 Die Konzeption, eine Institution zu schaffen, die zwischen dem Käufer des Pfandbriefes und dem verschuldeten Gutsbesitzer stehen sollte, mit dem Ziel, die Ansprüche des Pfandbriefinhabers durch die Institution zu garantieren, und die Institution als Hypothekengläubiger ins Landbuch einzutragen, wurde von den späteren Gläubigergenossenschaften der Rittergutsbesitzer verwirklicht (s. . Kapitel).

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BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, C. 00, Bl. ff. BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, C. 00, Bl. ff. und ff. A.a.O., Bl. f., Bl. f. und f. Auch zwei spätere Aufforderungen des Königs an das Generaldirektorium, das Projekt mit dem Landschaftlichen Kreditwerk zu beraten und ihm einen revidierten Entwurf seiner Verfassung vorzulegen, verliefen im Sande. A.a.O., Bl.  und Bl. 8.

 Die Mandatsbindung der Kreisdeputierten als Hindernis für die Reform der adligen Eigentumsrechte

Im Sommer 8 ergriff der Große Ausschuss der Hufen- und Giebelschosskasse die Initiative zur Reform der adligen Eigentumsrechte und forderte zwei externe Sachverständige – den Kriegsrat Rosenfeld und den Kammergerichtsrat Eltester – auf, eine neue Eigentumsordnung zu entwerfen, weil es wegen undeutlicher Formulierungen in der Deklarierten Konstitution von  „dubia“ und „Prozesse“ gegeben habe. Aus dem 0 vorgelegten – zweiten – Entwurf, der die Einwände aus den Kreisen zum ersten Entwurf berücksichtigte, lassen sich die Wirkung der Konstitution von  auf das Verhältnis zwischen den Rittergutsbesitzern und ihren Familien ablesen. Die Kosten für Studien oder Reisen der Söhne, für Hochzeiten oder Verlöbnisse, sowie für die Trauerrituale der Witwe sollten auf je % des Wertes des Familiengutes beschränkt und die anderen Trauerkosten auf 00 Reichstaler, sowie die Morgengabe auf 00 Dukaten begrenzt werden. Der Grundsatz, dass für diese Kosten das Familiengut „in subsidium“ hafte, und es nur dann damit belastet werden dürfe, wenn es dem Nutzer an individuellem Vermögen mangele, wurde aufrechterhalten. Der Rittergutsbesitzer sollte jedoch verpflichtet werden, vorab zu beeiden, nicht liquide zu sein. Hatte er ein Gut „wiederkäuflich“ oder erblich veräußert, weil er Forderungen der Gläubiger nicht nachkommen konnte, so sollte er nicht nur – wie bereits  verordnet – die Restsumme, sondern auch, sobald wieder vermögend, die Summe seiner individuellen Schulden, mit denen er das Gut einst belastet hatte, wieder in einem Familiengut anlegen. Die projektierte Reform wollte den jeweiligen Besitzer jedoch nicht nur daran hindern, das Familiengut weiterhin, wie bisher, übermäßig zu verschulden,   

BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, B. , Bl. f. A.a.O., Bl. f. Zum Entwurf und den Stellungnahmen der Ritterschaften vgl. Riedel, Bericht, S. 0–80.



Die Mandatsbindung der Kreisdeputierten

sondern auch das umständliche und zeitraubende Konsensverfahren beenden, das bei der Vereinbarung über das Ehegeld („Eingebrachte“) erforderlich war. Die Höhe des Ehegeldes der Frau sollte auf 0% des Wertes des Familienguts begrenzt werden. Überschritt auch das sogenannte Gegenvermächtnis des Mannes die übliche Hälfte dieses Betrages nicht, würde der agnatische Konsens entfallen können. Ihn einholen zu müssen, hatte Eheschließungen oft erheblich verzögert. Der Vorschlag des Entwurfs, die Kosten für Hochzeiten, Ausbildung, Trauer etc. zu begrenzen, fand allgemeine Zustimmung. Umstritten waren vor allem die vorgeschlagene Revision der Bestimmungen über die agnatischen Konsense, die Teilungsmodi und die Verwendung der Abfindungen. Um die Realteilung der Familiengüter einzuschränken, wollte der Entwurf, dass Güter, „sie mögen so important seyn als möglich“, zukünftig höchstens in vier Teile geteilt werden dürften, Güter von einem Wert zwischen 0.000 und 0.000 Reichstalern in nicht mehr als drei und solche mit einem Wert von 0.000 Reichstalern und darunter nur in zwei Teile. Würde das Gut nicht „in natura“ geteilt werden, sollten die anderen männlichen Erben – wie bisher – in der Gesamten Hand bleiben. Ihre Anteile dürften nicht mehr zinspflichtig im Gut verbleiben, sondern müssten zum Ankauf neuer Güter verwendet werden, die gleichermaßen als Familiengüter zu binden wären. Damit sollte ausdrücklich das weitere Anwachsen einer Schicht landloser adliger Familienrentner verhindert werden. Die so Abgeteilten, wie auch ihre Deszendenz, hätten bei späteren Teilungen des Ausgangsgutes keinen Anspruch mehr gehabt, Teile davon „in natura“ zu übernehmen. Würde aber von demjenigen Familienzweig, der das Ausgangsgut und also auch die aus diesem hervorgegangenen Teilgüter real erhalten hätte, nur noch ein Sukzessionsberechtigter am Leben sein, sollte durch Los bestimmt werden, welcher Nachkomme aus den abgeteilten Familienzweigen das Ausgangsgut übernehmen dürfte, während die übrigen, nicht lehnsfähigen Nachkommen des verstorbenen Besitzers wie üblich



Die Ritterschaft der Zauche forderte, die Konsenspflicht bei Eheverschreibungen auf die Agnaten des nächsten Grades zu beschränken. Lebus und Teltow schlugen vor, nur diejenigen Agnaten zum Kreis der Konsenspflichtigen zu zählen, die im Sukzessionsbuch eingetragen waren, Lebus ohne Begründung, Teltow mit dem Argument, Agnat sei ein genealogischer Begriff, der sich auch auf diejenigen Lehnsvettern bezöge, die zu einer eigentumsrechtlich separierten „Branche“ des Geschlechts gehörten. Beide Kreise werteten das Prinzip des Agnatenkonsenses als bloße Verordnung, die sich als unpraktisch erwiesen habe. Vgl. BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, B. , Bl. 0f., Bl. , Bl. 9 und Bl. 98.

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abzufinden gewesen wären. Damit wäre das Ausgangsgut ungeteilt auf einen Agnaten aus dem zuvor abgeteilten Familienzweig übergegangen. Der Kreis Beeskow wies auf eine Ungereimtheit des Revisionsentwurfs hin, der zwar Teilungsraten für bestimmte Größenklassen der Güter vorgesehen, nicht aber eine Untergrenze festgelegt hatte. Dadurch werde die Zerstückelung des Ritterguts auf die Größe bäuerlicher Grundstücke unvermeidbar und ihr adliger Besitzer zu einer bäuerlichen Lebensart herabsinken. Durch die Koppelung des Teilungsverbotes von Gütern mittlerer Größe mit dem Zukaufsgebot für Abgeteilte würde eine Vielzahl kleinerer Rittergüter generiert: Damit würde aber „solchen Personen“ die „Subsistenz schwerer“ gemacht, die durch die Berechnungsart der Abfindung ohnehin bereits benachteiligt waren. Auch die seit  vorgegebene Möglichkeit, das Abfindungsquantum anderswo hypothekarisch sicherzustellen, oder zu einem Zinssatz von % im väterlichen Gut stehen zu lassen, sei nur schwer zu realisieren. Für eine Hypothek fände sich nur selten Gelegenheit, und die Belastung des väterlichen Gutes würde denjenigen benachteiligen, der das Gut real erhielte, denn die Güter würden selten % „tragen“, geschweige denn %. Beide, der Übernehmer des Gutes, wie der Abgefundene müssten schließlich eine „Beschäftigung“ übernehmen, um die „lehnbare Qualität“ ihres Erbes zu bewahren, wodurch „nicht sie, sondern ihre Lehnsfolger in künftigen Zeiten an solcher Einrichtung einmal profitieren“ würden. Allein in der „Hoffnung“, dass durch die unterschiedliche personelle Entwicklung der einzelnen Familienzweige „diese Gelder mit der Zeit wieder wohlbehalten zum Stamm kommen“ könnten, sahen die Beeskower den Grund dafür, dass viele am Zwang zur gesamthänderischen Bindung der Abfindungsgelder festhielten. Am Schluss ihrer Überlegungen zur Reform der Vorschriften über die Teilung der Familiengüter formulierten sie einen Vorschlag zu deren partieller Umwandlung in individuelles Eigentum, mit dem sie den ruinösen Kreislauf von Realteilung und Verschuldung des Familiengutes zu durchbrechen hofften: Manche, die das väterliche Gut in natura übernahmen, hätten die Realansprüche ihrer gleichberechtigten Gutserben „ex propriis“, mit eigenen Mittel finanziert, mit Geld also, dass für die späteren Erben des individuellen Vermögens verloren war. Da aber unter bestimmten genealogischen Umständen ein derart Abgefundener später in das Gut sukzedieren könne, müsste er diejenigen, deren Erbanspruch am individuellen Nachlass durch die Finanzierung seines Realanspruchs geschmälert worden war, schadlos halten. Deshalb sei zu überlegen, den Familien freie Hand zu geben, dass ein Naturalanspruch unter der Bedingung durch individuelles Vermögen kompensiert könne, wenn der 

Vgl. a.a.O., Bl. 9–, sowie B. , Bl. 80–00.

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Die Mandatsbindung der Kreisdeputierten

Anspruchsberechtigte aus der Gesamten Hand ausscheiden, mithin abgeschichtet werden würde. Der Plan aus Beeskow hätte den dauernden Ausschluss ganzer Familienzweige vom altväterlichen Familieneigentum bedeutet. Der Vorschlag zur Abschichtung einzelner Familienzweige negierte offensichtlich, dass das Sukzessionsrecht ein Geburtsrecht war und auch denen zustand, die durch einen zukünftigen Familienschluss aus dem eigentumsrechtlichen Familienverband ausgeschlossen werden könnten. Mit ihrem Vorschlag, die partielle eigentumsrechtliche Individualisierung eines Familienverbandes zu gestatten, beriefen sich die Beeskower auf den §  des Entwurfs, der die Möglichkeit zur Auflösung der familialen Eigentumsordnung vorsah. Um einen solchen Schritt nicht als Bruch des Prinzips des Familieneigentums erscheinen zu lassen, hatten die Autoren des Entwurfs euphemistisch davon gesprochen, dass durch den einstimmigen Konsens lediglich eine „Minderung des Lehns“ vorgenommen würde. Sie hätten nicht die Aufhebung jedweder eigentumsrechtlichen Bindung anstreben, sondern die Möglichkeit zu anderen Bindungsarten des Eigentums eröffnen wollen, die gleichwohl der „Conservation“ der Familie dienen sollten. Der Vorschlag aus dem Kreis Zauche strebte unumwunden eine Art der Eigentumsbindung an, die der fideikommissarischen sehr nahe kam. Um die Zerstückelung der Güter zu verhindern, plädierte der Kreis Zauche dafür, das Gut, ohne es innerfamilial zu allodifizieren, wie ein Fideikommiss ungeteilt nur einem Familienmitglied zur Bewirtschaftung zu übergeben, die Sukzessionsrechte jedoch nicht vollständig aufzugeben: Wegen „der Theilung der Güther […] wäre man der Meinung, dass keine Theilung zu statuiren, sondern die Güther wie existente casu gewesen, beyeinander gelaßen werden müßen […], und per sortem oder gütliche Handlung, auszumachen, wer sämtliche Güter besitzen sollte […].“8 Dadurch „bliebe der Adel allezeit in florisanten Umständen mithin allezeit im Stande bey entstehender Noth, dem Herrn und Lande, durch […] Credit unter die Arme zu greiffen, zugeschweigen, dass hierdurch viele Processe und unnöthige Kosten erspahret werden, welche aus der Theilung und Zerplitterung, nothwendig entstehen […]“. Auch „würden die Abgefundenen, weilen ihnen hierdurch die Gelegenheit benommen wird, auf der Bährenhaut zu liegen, gezwungen werden, was rechtschaffenes zu lernen, mithin Gott und das Vaterland redliche Dienste jederzeit von Ihnen zu hoffen hätte[n]“.9   8 9

BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, B. , Bl. –. A.a.O., Bl. 9. A.a.O., Bl. 9. Ebenda.

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Insgesamt waren die zahlreichen Ergänzungen, Abänderungen und grundsätzlichen Revisionen, die die Kreisritterschaften in ihren Stellungnahmen zu dem Entwurf einer neuen Eigentumsordnung von 0 vortrugen, nicht in Einklang zu bringen. Im Sommer  – sechs Jahre nachdem die Revision der Deklarierten Konstitution von  in Auftrag gegeben worden war – stellten die Deputierten zum ländlichen Hufen- und Giebelschoss fest, „in dieser so wichtigen Sache um so weniger […] ein Conclusum“ fassen zu können, „als die anwesenden Herren Deputierten noch zur Zeit mit den hinlänglichen und nötigen Instruktionen nicht versehen“ seien.0 Als Friedrich II.  vorschlug, der Adel der Kur- und der Neumark möge zur „Conservation“ der Familien von der Realteilung sowie der tradierten Sukzessionsordnung abgehen und Majorate – unteilbare, nur an einen Nachkommen zu vererbende – Familiengüter stiften, wurde erwidert, dass die Verschachtelungen der agnatischen Ansprüche und die Verschuldung der Güter dem entgegenstünden. Selbst wenn es gelänge, durch einstimmigen Beschluss die Anwartschaften geldlich abzulösen, würde das verbleibende Vermögen zu gering sein, um Majorate zu stiften, geschweige denn, die unmittelbar oder später Abzufindenden standesgemäß zu versorgen. Obendrein sei das „jus primogenitura“ nicht gebräuchlich, und kein Vater könne seinen zweit- und später geborenen Söhnen das Recht am Familiengut schmälern, das nicht von ihm, sondern vom ersten Erwerber stamme. Der Landrat des Kreises Friedeberg, von der Marwitz, verglich in diesem Zusammenhang den englischen mit dem märkischen Adel und stellte resignierend fest: Majorate müssten „etwas erkläckliches in sich haben, sonsten könnte und würde eine Familie doch nicht blühendt dadurch werden und wo finden wir viel reiche von Adell?“ Auch sei der Älteste der Familie nicht immer der landwirtschaftlich „Geschickteste“. In England könnten die Nachgeborenen „Prediger, Bischöfe und Erzbischöfe werden, und dadurch zu hohen Ansehen und großen Güthern gelangen“. Das entfalle in der Mark. In England könnten Adlige Kaufleute werden, und „weil daselbst das Commertium frey und groß, können sie dadurch zu großen 0  



BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, B. , Bl. . BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, B. , Bl. ff., und Rep. B Neumärkische Stände, Nr. 0, sowie GStA PK, Rep. , Nr.  Adel in genere, Fasz. 9. Hier wird die majoratische Sukzession mit der nach Erstgeburtsrecht in eins gesetzt, später im ALR allerdings dagegen unterschieden. Diese Substitution hatte möglicherweise ihre Ursache darin, dass die vom stiftsfähigen Adel gegründeten Majorate eine Sukzessionsfolge nach dem Erstgeburtsrecht hatten. Vgl. hierzu GStA PK, Rep. , Tit. , Nr. , Bd. . BLHA, Rep. B Neumärkische Stände, Nr. 0.

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Die Mandatsbindung der Kreisdeputierten

Schätzen gelangen, welches hier nicht prakticable“. In England könne der abgeschichtete adlige Nachkomme „sich durch den Degen“ voran bringen. Dies sei zwar hierzulande auch möglich, aber anfangs der Karriere mit Kosten verbunden. Und reiche sein Geld nicht, es bis „zur Esquadron oder Compagnie“ zu bringen, „so bleibt er sitzen und muß ohne fortune sterben. Unserem alten Adel ist nunmehro durch nichts mehr zu helfen. Zumahl adeliche Güther nicht an Bürgerliche verkauft werden sollen. Dadurch fällt der Adel Credit weg; denn der bürgerliche Standt leyhet kein Geldt weil Er bei vorkommenden Concurs nicht mitbieten darf […]“. Doch so eindringlich von der Marwitz die hoffnungslose Lage „des alten, fast agonisierenden Adel[s] auf dem Lande“ auch beschrieb, so einfach und preiswert erschien ihm dessen Rettung: Königlicher Kredit „à  bis  proc. das wäre das eintzige Mittel ihm die Seele noch einmal wieder einzublaßen und vom Tode zu erretten“. Er glaubte, mit billigem Kredit könnte der Adel alle familienrechtlichen Schwierigkeiten beseitigen, die der Gründung von Majoraten entgegenstünden, und prophezeite, dass die dann Abgeschichteten zum Dienst für „Souverain“ und Land erzogen werden würden. Um die durch adliges Eigentumsrecht induzierte Verschuldung der Familiengüter zu begrenzen, ordnete Friedrich II. eine Obergrenze für ihre hypothekarische Verschuldung an. Mit der Kabinettsordre vom . Mai und ihrer Deklarierung am . Juni  wies er die Provinzregierungen resp. „Justiz-Collegia“ an, zukünftige Verschuldungen, die die Hälfte des Wertes eines Ritterguts überstiegen, darauf hin zu untersuchen, ob sie einem berechtigten „Bedürfnis“ entsprungen wären, oder „einigen gegründeten Verdacht einer unordentlichen Wirtschaft“, wie „verschwenderischen Aufwandes“ bestätigten. Die Behörden sollten, wenn „der geschöpfte Verdacht wahr gefunden wird, unter Beobachtung der erforderlichen Legalität einen solchen üblen Wirt zum Verschwender öffentlich erklären“, wodurch er geschäftsunfähig würde. Obwohl Friedrich II. betonte, nur der „aus unredlichen Absichten entstehenden Verschuldung […] Schranken“ setzen zu wollen, ohne die Gutsbesitzer daran zu hindern, zur „Verbesserung ihrer Güter und Familien die wirklich benötigten Gelder aufzunehmen“, wiesen die Kreise diese Verordnung als Einmischung in die inneren Angelegenheiten der adligen Familien zurück, zumal der größte Teil der Schul 

Ebenda. Vgl. Novum Corpus Costitutionum Prussico-Brandenburgensis Praecipue Marchicarum, Oder Neue Sammlung Königl. Preuß. und Churfüstl. Brandenburgischer, sonderlich in der Chur- und Marck-Brandenburg, Wie auch andern Provintzien, publicirten und ergangenen Ordnungen, Edicten, Mandaten, Rescripten &c. &c. Vom Anfang des Jahrs  und folgenden Zeiten, [Samuel v. Coccejus] [Hrsg.], Berlin –8, (künftig zitiert: NCC), Bd. , , Sp. 89f. und Sp. 9f.

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den wegen der eigentumsrechtlichen Verfassung der Güter unvermeidbar wäre. Der König entgegnete, dass die Assekuration von  die Rittergüter keineswegs der „landesväterlichen Obliegenheit“ entzogen und auch nicht die „landesherrliche Macht […] geschmälert oder aufgehoben [habe], Gesetze zu erneuern oder wirksamer“ zu machen. Der Wert eines Rittergutes wurde je nach Zweck auf drei verschiedene Arten ermittelt. Bei der Aussteuerung der Töchter wurde er anders berechnet, als bei der Teilung unter den Brüdern oder bei einer Zwangsversteigerung. Die Bewertungsbasis bildeten die regionalen Landtaxen von 9/0, die Bestandteil der Hypotheken- und Konkursordnung von  geworden waren.8 Die Landtaxen enthielten eine Vielzahl von Positionen, einschließlich fixierter Preise. Bei der Ermittlung der Ansprüche der Töchter wurden vorab die Familienschulden, „so das Ritter-Guth afficiren, und andere darauf hafftende Onera abgezogen“; Gebäude, Jagd, „Jurisdiktion, und Juris Patronatus“ blieben unberücksichtigt; „von der Holtzung, Gärten und Fischerey […] nur die Mastung, und was an Holtz, Obst und Fischen; nach Abzug dessen, was zur Haushaltung nöthig, verkauft werden kann“.9 Der anschließend mit dem Faktor , multiplizierte durchschnittliche jährliche Ertragswert ergab die Aussteuerungstaxe, aus der die konkrete Höhe der Aussteuerung der Töchter errechnet wurde.0 Die Aussteuer der Töchter galt als deren individuelles Vermögen, das ihnen ausbezahlt oder als hypothekarisch abgesicherte Schuldtitel mit % verzinst wurde. Die Brüder sukzedierten gleichberechtigt in das – durch diese Ansprüche belastete – Familiengut. Teilten die Sukzessoren das Gut nicht „in natura“, oder erwarben sie mit den liquidierten Teilungsquanten keine neuen Familiengüter, mussten die Anteile der Brüder, die keine Realien erhielten, hypothekarisch gesichert und gleichfalls mit % verzinst werden. Die brüderliche Teilungstaxe wurde zwar nach den gleichen Kriterien wie die Landtaxe ermittelt, aber einschließlich jener Positionen, die bei der Ermittlung der   8

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Vgl. GStA PK, Rep. , Nr.  Ritterschaft, Fasz. . Ebenda. CCM, Bd. ., Sp. 0 – 0. Die uckermärkische Landtaxe datierte vom . Februar 9 (a.a.O., Sp. 8–8), die mittelmärkische vom . Juni 9 (a.a.O., Sp. 8–8) und die altmärkische vom . Februar 0 (a.a.O., Sp. –8). Die neumärkische Landtaxe (a.a.O., Sp. 8–0) ist im Anhang zur Hypothekenordnung von  nicht datiert. Siehe Kamptz, Sammlung, . Abteilung, Nr. , S. 9. Zu den Multiplikatoren vgl. Die „Anweisung zur Güther-Taxe in der Neumarck, Sternberg und incorporierten Creyse“, in: GStA PK, Rep. , Nr. 8. Der Aussteuerungsanspruch jeder Schwester, der auf der Basis dieses – niedrigeren – Wertes errechnet wurde, betrug im Verhältnis zu jedem Bruder ein Viertel. (Vgl. hierzu Kapitel ).



Die Mandatsbindung der Kreisdeputierten

Aussteuerung der Töchter ausgenommenen waren, sofern sie Erträge erbrachten; der Wert der Gebäude wurde nach deren Zeitwert festgesetzt. Der so ermittelte durchschnittliche Jahresertrag wurde mit 0 multipliziert und ergab den Teilungswert. Im Versteigerungsverfahren (Subhastation) galten ebenfalls die Kriterien der Landtaxe, errechnet jedoch nach den jeweils aktuellen Marktpreisen; die Multiplikation mit dem Faktor  ergab die Subhastationstaxe. Je nach Rechtsgeschäft wurden die verschiedenen Interessen durch die eine oder die andere Art der Taxierung begünstigt oder benachteiligt. Diejenigen brüderlichen oder agnatischen Sukzessoren, die abgefunden oder abgeschichtet werden sollten, waren an einem hohen, diejenigen, die das Gut übernahmen, an einem geringeren Wert interessiert. Bei einem freiwilligen Verkauf oder einer Subhastation hingegen, war der Besitzer an einer hohen, der vorkaufsberechtigte Agnat an einer niedrigen Bewertung interessiert. Da Besitzer wie Abgefundene in der Regel gleichzeitig agnatische Anwartschaften auf andere Güter hatten, waren die materiellen Interessen nicht nur des Adels insgesamt, sondern auch die jedes einzelnen Adligen widersprüchlich.  begann eine lang andauernde Debatte mit dem Ziel, die angestrebte Institutionalisierung einer Kreditvermittlung für Rittergutsbesitzer mit der Reformierung der adligen Eigentumsordnung zu verbinden. Da einheimische Städte, geistliche Stiftungen sowie Kirchen und die Vormundschaftskollegien sichere Geldanlagen suchten, regte der Engere Ausschuss der Hufen- und Giebelschosskasse am 9. August  an, das System des schlesischen Bürgschaftsverbandes für die Mark adaptieren. Er schlug eine Kredit-Kommission vor, für die die „Landschaft“ bürgen  



In anderen Kreisen oder Provinzen wurde ähnlich verfahren. Für Pommern vgl. GStA PK, Rep. 8a, Nr. 0, Bl. 8–90. Die Debatte war von einem konkreten Kreditangebot für verschuldete Rittergutsbesitzer ausgelöst worden, das der Lübecker Stadtkommandant v. Chasot an Friedrich II. übermittelt hatte. BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, C. 89, Bl. 0f. und Bl. 80; Rep. B Neumärkische Stände, Nr. 9, Bl.  und GStA PK, Rep. , Nr.  Ritterschaft, Fasz. . Isaak Franz Egmont Chasot, (8..–.8.9), hatte wegen des Todes eines Duell-Kontrahenten aus Frankreich fliehen müssen, freundete sich mit dem Kronprinzen Friedrich an, musste aber auch Brandenburg verlassen, weil erneut ein Kontrahent an seinen Duellverletzungen gestorben war. Er kämpfte im Siebenjährigen Krieg auf der Seite der königlichen Truppen. Nach einem Zerwürfnis mit Friedrich II. ging er nach Lübeck, legte seinen Adel ab und wurde dort Stadtkommandant. Nach der Aussöhnung mit Friedrich II. bot er dem König die Vermittlung einer ausländischen Anleihe von vier Millionen Talern an. Sie durften nur Immobiliarkredite geben. Vgl. Graevell, Lehn- und FideikommissSchulden, S. .

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sollte. „Landschaft“ war die traditionelle Bezeichnung für das Landschaftliche Kreditwerk der Kurmark aber auch der offizielle Name für die jüngst gegründete Gläubigergenossenschaft schlesischer Rittergutsbesitzer. Der Engere Ausschusses der Hufen- und Giebelschosskasse, dem verfassungsgemäß der Domdechant des Brandenburger Domstifts vorsaß, bat den König am . September  , er möge einen „Commissarius“ ernennen und den Verordneten erlauben, unter dessen Direktion das Projekt ausarbeiten zu dürfen. Nachdem der König den Geheimen Kriegsminister v. Derschau zum Kommissar ernannt hatte, beauftragte der Engere Ausschuss der Hufen- und Giebelschosskasse seinen Vorsitzenden, den Domdechanten zu Brandenburg, v. Arnim, das Projekt einer Kreditvermittlung innerhalb des Landschaftlichen Kreditwerks auszuarbeiten. Im Oktober und November  berieten die Kreisritterschaften der Kurmark einerseits und eine Versammlung der „Deputirte[n] von Praelaten, Graffen, Herren und Ritterschaft“ andererseits über die Reform der Eigentumsverfassung, über eine Revision Ritterguts-Taxe und über die Organisierung der Kreditbürgschaft durch das Landschaftliche Kreditwerk.8 Am 9. November wandte sich eben jener v. Arnim als Vorsitzender des Engeren Ausschusses der Neuen Biergeldkasse, der konstitutionell ebenfalls vom Brandenburger Domdechanten geleitet wurde, an den Staatsminister v. Derschau, und ersuchte ihn, Friedrich II. zu bitten, dass die Verordneten zum Neuen Biergeld dem König unmittelbar Vortrag halten dürften, um Seiner Majestät den Plan zu einer Kreditkommission der „Landschaft“ zu erläutern.9 Er bat weiterhin um die Erlaubnis des Königs, dass auch die Bestände der „Städte Casse“ für die „Sache“ des neuen Kreditsystems gebraucht werden könnten. Was wie ein begehrlicher Pragmatismus hätte bewertet werden können, war jedoch ohne institutionelle Alternative. Denn für die Schulden der Rittergutsbesitzer hätte die Giebelschosskasse nur subsidiarisch bürgen können, die gesamtschuldnerische Haftung lag bei dem Landschaftlichen Kreditwerk als ganzem, und damit bei den Rittergutsbesitzern und den Städten.0 Am . November  wurde dem En   8 9 0

BLHA, Rep. B Neumärkische Stände, Nr. 9, Bl. . Siehe . Kapitel. Vgl. BLHA, Rep. B Neumärkische Stände, Nr. 9, Bl. 9ff. und BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, C. 89, Bl. 00–0 und Bl. f. Vgl. a.a.O., Bl. –. Vgl. a.a.O., Bl. . Zusätzlich regten die Verordneten die Ernennung eines Kommissars aus dem Justizministerium an, der mit den beiden – noch zu gründenden – Kommissionen des Engeren Ausschusses konferieren sollte, um Vorschläge zur Neuregelung des agnatischen Konsenses einerseits und zu neuen Bewertungskriterien für Familiengüter andererseits vorzubereiten.Vgl. a.a.O., Bl. .



Die Mandatsbindung der Kreisdeputierten

geren Ausschuss zur Neuen Biergeldkasse mitgeteilt, er könne sich direkt, aber nur schriftlich an Seine Majestät wenden. Friedrich II. erinnerte den Engeren Ausschuss daran, dass der geplante Kreditfonds unbedingt mit der angestrebten Revision der adligen Eigentumsordnung für Rittergüter verbunden werden müsse. Am 9.. verschickte der Engere Ausschuss der Hufen- und Giebelschosskasse an die „Herren Mit-Stände“ konkrete Vorschläge zur Revidierung der Landtaxe, zur Reform des agnatischen Konsenses sowie zum „Haupt-Plan“ einer Kreditvermittlung durch die „Landschaft“, die einzeln beraten und unabhängig voneinander „zur Ausübung gebracht“ werden könnten. Der Ausschuss forderte die „Herren Mit-Stände“ auf, die Projekte in den Kreisversammlungen zu erwägen, „hierüber nach der bisherigen Landes Verfassung per majora ein[en] beyfälligen Schluß“ zu fassen und die Beschlüsse der Kreisritterschaften „hiernächst in gemeinschaftliche Deliberation zu ziehen“. Zu diesem Zweck sollten sie „Deputatos unter sich […] erwählen, und selbige mit hinlänglicher Instruction und Vollmacht […] versehen , dabey aber auch dieselben […] auctorisieren [sic!], daß sie bey denen über gedachte anzustellenden Deliberationen nach befinden der Umstände in einem oder dem anderen Stücke nachgeben, und sich eines Conclusi secundum majora vereinigen können. Diese solchergestallt zu instruirenden Deputirten würden wir gegen den . Januarii […] allhier erwarten. […] Da auch um diese Zeit die Abnahme der Neuen Biergeld Rechnung gewöhnlichermaßen zu geschehen pfleget, so stellen wir unseren hochgeehrtesten Herren gehorsamst ergebenst anheim, ob dieselben zur Ersparung der Kosten, die anhero zu sendenden […] Deputirte zugleich eventualiter dahin auctorisiren wollen, dass sie der Abnahme der Neuen Biergeldes-Rechnung mit beywohnen können. Wir gedenken nun noch hierbey, dass wenn einer oder der andere der sonstigen Herren Deputirten zur Neuen-Biergeldes Rechnungs-Abnahme zugleich Mitglied unseres Verordneten-Collegii ist, als den statt deßselben zu den Deliberationen über die jetzigen Vorschläge ein besonderer Deputatos anhero zu senden seyn würde […]“. Ein gleiches Anschreiben ging „an die Magistrate der Städte“.

Am . Februar  eröffnete v. Arnim, der Leiter der beiden Engeren Ausschüsse, eine Versammlung, die nicht dem Organisationsschema des Großen Biergeld-Ausschusses des Landschaftlichen Kreditwerks entsprach. Auf Seiten der Städte fehlten einige Vertreter, während von den   

  

A.a.O., Bl. 0. GStA PK, Rep. , Nr.  Ritterschaft, Fasz. . Vgl. Anschreiben an die sämtlichen Stände der Provinzen und Creyse der Churmark Brandenburg […], vom 9. November , in: BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, C. 89, Bl. 80–8, hier Bl. 8ff. A.a.O., Bl. 8v. A.a.O., Bl. 8v–8v. A.a.O., Bl. 80.

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Ritterschaften mehr Deputierte als üblich entsandt worden waren. Als erstes versuchte v. Arnim die Widerstände abzubauen, die sein Vorgehen und das des Engeren Ausschusses hervorgerufen hatte. Dem v. Arnim war schon im Vorfeld verübelt worden, dass er dem König einen Antrag für ein neues Kreditsystem vorgelegt hatte, ohne sich zuvor mit den Ständen beraten zu haben. Dem Engeren Ausschuss wurde vorgeworfen, die in der Eigentumsverfassung niedergelegten Rechte der Gesamthänder durch aufeinander folgende Mehrheitsentscheidungen – erst der Kreisritterschaften und anschließend der Deputierten – einschränken, sowie obendrein der Mehrheit der Deputierten das Recht einräumen zu wollen, die gesamtschuldnerische Haftung aller Rittergüter verbindlich zu machen.8 Um die Gemüter zu beruhigen, versicherte v. Arnim eingangs der Verhandlungen, dass die Verordneten des Engeren Ausschusses den Deputierten lediglich den Verhandlungsgegenstand und eine Tagesordnung hatten vorschlagen wollen, damit diese – entsprechend ihren Instruktionen – anschließend unter sich beraten und ein „gemeinschaftliches Gutachten“ verabschieden könnten, „worüber sie demnächst mit den hochlöblichen Verordneten […] conferieren mögen“.9 Doch dazu kam es nicht, denn die unterschiedlich strikten Bindungen der Instruktionen und Vollmachten, die die Kreisdeputierten vorlegten0, blockierten jede Beschlussmöglichkeit: Nur die Deputierten der Uckermark, der Zauche und von Beeskow-Storkow waren bevollmächtigt, von ihren Instruktionen abzuweichen und an Mehrheitsbeschlüssen mitzuwirken. Auch die Deputierten aus der Prignitz, Oberbarnim, Glien-Löwenberg und Ruppin durften Beschlüsse akzeptieren, die „per majora“ angenommen worden waren, aber nur, wenn die Vorlagen ihren Instruktionen entsprachen. Der Deputierte des Domstifts zu Havelberg durfte von seinen Instruktionen abweichen, wenn dadurch ein einmütiger Beschluss zustande kommen würde. Der Kreis Havelland gestattete seinem Deputierten lediglich die Teilnahme an der Debatte und die spätere Berichterstattung, das gleiche galt – weil nicht betroffen – für Niederbarnim. Die altmärkischen Deputierten legten lediglich zum Bürgschaftsverband positive Instruktionen vor, eine Revision der Eigentumsordnung aber hatten sie abzulehnen. Die „Landes-Stände“ der Altmark hatten vorab obendrein die Kompetenz des Landschaftlichen Kreditwerkes bestritten, die Gründung einer Kreditkasse für Rittergüter zu beschließen, da das Landschaftliche Kreditwerk nicht „Vertreter“ der Ritterschaft sei. Gegen die geplanten  8 9 0

Vgl. BLHA Rep. A, Nr. 89, Bl. –. A.a.O., Bl. f., Bl. –8 und Bl. 8–88. BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, C. 90, Bl. –. A.a.O., Bl. –9.



Die Mandatsbindung der Kreisdeputierten

Pfandbriefe, für welche die Landschaft bürgen sollte, hatten sie – wie andere Ritterschaften – nichts einzuwenden, wenn die Mitgliedschaft freiwillig sein würde. Die bestehende Eigentumsordnung der Altmark müsse aber aufrechterhalten bleiben, und Anleihen sowie Verpfändungen müssten nach wie vor an den Konsens „omnium Agnatorum“ gebunden bleiben. Sie beriefen sich dabei auf den Landtagsrezess von , der „gleiches disponiert“ hätte. Sie wehrten sich insbesondere dagegen, dass diejenigen Agnaten, die sich außerhalb der Provinz aufhielten, übergangen werden könnten, wenn sie sich nicht binnen sechs Monaten nach ihrer Aufrufung melden würden, denn diese hätten – wie alle anderen Agnaten – ihre Rechte „ex pacto et providentia majorum“ und wären nicht verpflichtet, die Folgen schlechter Bewirtschaftung oder Veruntreuung des Familieneigentums gegen sich gelten zu lassen. Auch würden durch die geplante Änderung der Eigentumsordnung „uralte Familien-Verträge alteriert“. Die Vertreter der Städte verhielten sich distanziert. Ihr Sprecher erklärte, dass sie sich an der Debatte über Details der verschieden Projekte nicht beteiligen sondern die Beschlüsse der Ritterschaften abwarten würden. Jeder Stadt stünde es jedoch frei, dem Kreditsystem beizutreten und für dessen Schuldverschreibungen zu bürgen. Die Versammlung solle jedoch daraus, dass die Städte jetzt nur mit einer Stimme sprächen, nicht folgern, sie würden auch bei einer eventuellen Abstimmung nur eine Stimme geltend machen. Mit dieser Formulierung gaben sie zu erkennen, dass sie mit einer ausreichenden Zahl widerstrebenden Ritterschaftsdeputierten rechneten und nicht befürchteten, dass die notwendige Satzungsänderung, durch eine eventuell doch zugelassene Mehrheitsentscheidung zustande kommen würde. Auf den Sitzungen, die ohne die Verordneten zum Neuen Biergeld stattfanden, stellten die Ritterschaftsdeputierten die unterschiedlichen Voten ihrer Körperschaften vor. Anschließend teilten sie den Verordneten mit, deren Vorschläge nicht annehmen zu können und baten den König, ihrerseits zwei Deputierte ernennen zu dürfen, die direkt mit dem Justizminister verhandeln sollten, da der geplante Bürgschaftsverband die Hypothekenordnung tangiere und auch die Revision der Bestimmungen zum agnatischen Konsens in dessen Ressort falle. Wenige Tage später gingen sie einen Schritt weiter und wünschten, dass das „eigentliche Verhältnis“ zwischen dem größeren Ausschuss der Deputierten und dem engeren der Verordneten „gehörig bestimmt“ werde, dass aber – unabhängig davon –    

Vgl. GStA PK, Rep. , Nr.  Ritterschaft, Fasz. . Vgl. BLHA Rep. A, Nr. 90, Bl. –. A.a.O., Bl. –9 und Bl. . A.a.O., Bl. .

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die anstehenden Gesetze durch eigens hierfür entsandte Deputierte unmittelbar mit dem König und den königlichen Behörden ausgehandelt werden sollten. Mit der Ausschaltung des Landschaftlichen Kreditwerks als Vertretungskörperschaft strebten sie landtagsähnliche Verhandlungen an. Sie beauftragten den Kammergerichtsrat Friese und den Landschaftssyndikus Braun, die neuen Voten der Ritterschaften zu einem „vollständigen Plan“ umzuarbeiten und ernannten den Domprobst v. Voß (Havelberg) zum Mittelsmann, dem sie die Kommunikation zwischen dem König einerseits und Friese sowie Braun andererseits übertrugen. Friese und Braun erhielten den Auftrag, die Gütertaxe „nach gewissen Prinzipien“ und nach der Observanz eines jeden Kreises anzufertigen, zum agnatischen Konsens „eine mit dem Wohl der adligen Familien besser übereinstimmende“ Regelung zu treffen und für den Kredit „Einrichtungen zu schaffen, wodurch dem Adel die Mittel, Geld auf ihre Güter zu 4 Procent zu finden, erleichtert wird“. Diese Formulierungen waren sachlich unentschlossen und ihre Absicht, landtagsähnliche Verhandlungen anzustreben, halbherzig, denn die entscheidende Frage nach dem Abstimmungsmodus ließen sie offen. Die Deputierten konnten sich lediglich auf ein Rundschreiben an die Ritterschaften einigen und diejenigen Fragen formulieren, auf die sich die Instruktionen für die Deputierten der nächsten Sitzungsperiode beziehen sollten. Eine Passage dieses Rundschreibens weist darauf hin, dass es den Deputierten bei ihrer Rebellion nicht nur darum ging, Herren des ständischen Parts des Verfahrens zu werden. Erst- und einmalig wurde vorgeschlagen, dass an der Gesamten Hand nur diejenigen teilhaben sollten, die mit einem Rittergut angesessen wären. Die Berechtigung zur Teilnahme am agnatischen Konsens sollte also nicht mehr allein genealogisch vermittelt, sondern an den genealogisch vermittelten tatsächlichen Besitz gebunden sein. Der mit der Vorbereitung des weiteren Verfahrens beauftragte Landschaftssyndikus Braun fragte im Dezember  bei den Deputierten an, nach welchem Modus verbindliche Beschlüsse gefasst werden sollten. Er gab zu bedenken, dass, wenn die Mehrheit der Deputierten entschiede, die Beschlüsse mancher Ritterschaften nicht berücksichtigt würden. Auch sei unklar, ob nach Provinzen oder nach Kreisen abgestimmt werden sollte. Und wenn das eine oder andere geschähe, müsse vorab festgelegt werden, dass sich jede Provinz oder jede Kreisritterschaft auf nur eine Meinung festzulegen hätte. Braun schlug vor, nur die plausiblen Beschlüsse zusam  

A.a.O., Bl. 8. A.a.O., Bl. 8f. A.a.O., Bl. .

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Die Mandatsbindung der Kreisdeputierten

menzutragen und sie anschließend in den Kreisritterschaften zirkulieren zu lassen.8 Die Deputierten gingen auf die Fragen ihres Syndikus nicht ein, sondern gaben ihm umgehend die „dienstliche Antwort“, binnen drei Monaten den Plan zu entwerfen, damit „wir in dieser so wichtigen Sache einmal zum Schluss und Ende kommen mögen“.9 Die Ritterschaften erhielten Ende April  einen Entwurf, der die verschiedenen Voten der einzelnen Kreise berücksichtigte. Noch während die immer wieder angemahnten abschließenden Urteile der Kreise erwartet wurden, forderten der Großkanzler v. Fürst und der Königliche Kommissar für dieses Projekt, v. Derschau, die Deputierten auf, endlich verbindliche Vorschläge einzureichen.0 Im Frühjahr  ließen die Deputierten einen neuen Entwurf mit dem monströsen Umfang von 00 Seiten unter den Rittergutsbesitzern zirkulieren, der die bisherigen Vorschläge der Ritterschaften zu einer neuen Konkursordnung, zur Revision der Gütertaxen, zur Reform des agnatischen Konsenses und zur Kompetenz, Administration und Organisation der Landschaft enthielt. Durch diese Verknüpfung verzögerte sich nicht nur der Rücklauf der Antworten, sie vermehrte auch die Anzahl und Vielfalt der verschiedenen Voten. Die Stellungnahme aus Niederbarnim umfasste  Seiten. Obwohl die dortigen Rittergüter individuelles Eigentum waren, hatte sich der Kreis zu Wort gemeldet, denn die kreiseingesessenen Rittergutsbesitzer hatten anderswo agnatische Rechte. Zwei der dort Angesessenen, ein von der Schulenburg und ein Graf v. Podewils, legten ein siebenseitiges Separatvotum vor und behielten sich außerdem für die Zukunft weitere Einlassungen vor. Der Kreis Ruppin reichte sieben genealogisch ausgeklügelte Paragraphen zum agnatischen Konsens ein, nicht ohne am Ende doch ersatzweise eine Auflösung der adligen Eigentumsordnung vorzuschlagen, wobei ein Drittel des schuldenfreien Wertes des Gutes als gesamthänderischer Geldfonds festgelegt werden sollte, aus dem vorrangig die alten Schulden hätten bedient werden sollen. Die Vollmachten der Deputierten waren auf keinen Nenner zu bringen, und so blieb die Reform der Eigentumsordnung auch in der winterlichen Sitzungsperiode von  unerledigt. Das Komitee, dem die weiteren Vorbereitungen für diese Re8 9 0      

A.a.O., Bl. . A.a.O., Bl. . Vgl. a.a.O., Bl. 8–0. BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, C. 9, Bl. . A.a.O., Bl. –9. Vgl. BLHA, Rep. A, C. 89, Bl. f. BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, C. 9, Bl. –. A.a.O., Bl. v. Vgl., Bl. 8–0.

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form übertragen wurden, legte seinen Entwurf erst nach der Etablierung des Bürgschaftsverbandes für Rittergutsbesitzer vor. Das Kollegium der Verordneten zur Neuen Biergeldkasse, bei dem die Rebellion des Großen Ausschusses tiefe Spuren hinterlassen hatte, beschwerte sich inzwischen beim königlichen Landschaftsdirektor über die rüden Umgangsformen der Deputierten. Diese hätten die bislang praktizierte Geschäftsordnung verletzt, um das Verfahren an sich zu ziehen und sich sogar selbstherrlich an den König gewandt. Dadurch hätten sie sich über den Engeren Ausschuss erhoben und die seit hunderten von Jahren tradierten „Prärogative“ des Kollegiums der Verordneten in Frage gestellt. Die Deputierten würden die Änderung des landschaftlichen Systems als den wichtigsten Punkt betrachten und hätten bereits Instruktionen für das Kollegium der Verordneten und die Bedienten des Landschaftlichen Kreditwerkes entworfen: „Bei allen nachherigen Versammlungen ließ man uns möglichst empfinden, daß wir künftig mit aller Strenge als Subalterne des Großen Ausschusses behandelt werden sollten, ja man schämte sich selbst bei der letzten Versammlung nicht, uns dieses in Gegenwart der Landschaftlichen Subalternen geradezu herauszusagen […].“ Die Verordneten forderten den Königlichen Landschaftsdirektor auf, sie vor dieser „Verkleinerung“ durch die Deputierten zu schützen.8 Der Landschaftsdirektor übermittelte daraufhin dem König die Beschwerden des Engeren Ausschusses und fügte hinzu, dass die Deputierten keinen Auftrag hätten, sich über die Kompetenz, Organisation und Administration der Landschaft Gedanken zu machen. Friedrich II. antwortete lapidar, dass er das Projekt als eine gemeinschaftliche Angelegenheit aller Stände betrachte. Weder Verordnete noch Deputierte dürften sich voneinander separieren, da „Beide […] ja unter den gesamten Landständen begriffen“ seien. Sie hätten daher gemeinschaftlich zu beraten und zu beschließen.9 Der Landschaftsdirektor erwiderte, dass die Verordneten sich durchaus entsprechend verhalten hätten, es seien dagegen die Deputierten, die offenbar einen lang gehegten Plan verwirklichen wollten, „die alte Landschaftliche Verfassung und Administration […] zu verändern“. Er habe daher einen Verweis an die Adres-



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Rechtliche Erörterung der Frage: Ob die Lehnskonstitution vom . Juni , nach dem Entwurf zur revidierten Lehnskonstitution d.d. Berlin, den . Januar  mit Bestande Rechtens abgeändert werden könne und was dazu erfordert werde?, Berlin o. J., (künftig zitiert: Rechtliche Erörterung), S. 8, in: BLHA, Rep. A Märkische Landschaft – Generalia, Nr. 8. BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, C. 9, Bl. –. A.a.O., Bl. 9f.

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Die Mandatsbindung der Kreisdeputierten

se der Deputierten entworfen, den zu unterschreiben er Friedrich II. bat. Der aber wiederholte nur knapp seine erste Antwort.0 Auch in der Sitzungsperiode / versteiften sich die Deputierten auf den Konflikt mit den Verordneten und dem Landschaftsdirektor, den sie zwangen, seinen Schriftwechsel mit dem König offen zu legen. Nachdem dieser ihrem Drängen nachgegeben hatte, griffen sie die Formulierung Friedrich II. von den „gesamten Landständen“ auf, um die Verordneten von der zukünftigen gemeinschaftlichen Beschlussfassung auszuschließen, denn ständische Angelegenheiten seien nur von „dazu specialiter mit Vollmacht versehenen Deputierten zu erwägen und zu verhandeln“. Stattdessen hätten sich die Verordneten in die Versammlung des Großen Ausschusses „eingeschlichen, und so gar mit votiret“. Die Verordneten aber könnten aus Gründen der Verfassung des Landschaftlichen Kreditwerkes nie im Besitz einer solchen Vollmacht sein, denn sie seien auf Vorschlag der Deputierten vom König ernannt worden und ihr Mandat erstrecke sich allein auf die Administration der Hauptkasse. In den Augen der Deputierten könnten die Verordneten daher „ohnmöglich ihren Committenten gleich geachtet werden“. Nachdem ein großer Teil der im Großen Ausschuss vertretenen Städte in der Sitzungsperiode / erklärt hatte, keine Erweiterung des Aufgabenbereiches der Landschaftlichen Kreditwerks zu wünschen, musste der Bürgschaftsverband für Rittergutsbesitzer separat konstituiert werden. Noch in derselben Sitzungsperiode verwarf Friedrich II. den von den ritterschaftlichen Deputierten ausgearbeiteten Plan für einen Bürgschaftsverband. Im Gegenzug konnten die Deputierten sich nicht auf den anschließend vom König vorgelegten Entwurf einigen, zu dem sie zwei unterschiedliche 0  





A.a.O., Bl. f. A.a.O., Bl. . Vgl. die anonym publizierte Schrift „Patriotische Erörterung. I. Der letzten ChurMärkischen Verhandlungen. II. Der schlesischen Credit-Umstände, vor und nach Etablirung der dortigen Landschaft. III. Der wahren Lage des jetzigen Credits, nebst den durch die Einführung der Pfand-Briefe zu erzielenden Folgen. Den Hochlöblichen Ständen von Prälaten, Grafen, Herren, Ritterschaft und Städten der Chur-Mark Brandenburg dis und jenseits der Elbe und Oder, Berlin, den 8ten Juni , gehorsamst gewidmet von dem Verfasser“, in: BLHA, Rep. B, Nr. , (künftig zitiert: Patriotische Erörterung), S. . Die Verordneten galten für sie als „rerum gerendarum gestores der durch die Landschaft vereinigten Stände, welche für die Erhaltung des Credits, Wiederbezahlung, Verzinsung, Ausfertigung der Obligationen, Negocirung der zu neuen Anlehnen nöthigen Capitalien, und die Richtigkeit der Cassen und Rechnungen Sorge zu tragen haben, und hierüber dem großen Auschusse Rechnung ablegen müssen […].“ Vgl. Patriotische Erörterung, S. f. Vgl. BLHA Rep. A, C. 9, Bl. –8.

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Voten abgaben. Daraufhin bestellte Friedrich II. die Deputierten nach Potsdam ein, wo er ihnen am 8. Januar  sein Konzept erläuterte und sie aufforderte, aus dem Kreis der Versammelten eine Abordnung von zwei oder drei Deputierten zu ernennen. Diese sollten dann mit dem Großkanzler v. Carmer verhandeln, anschließend ihre „Mitstände“ unterrichten. Diese „mögen sodann beurteilen und sehen, ob sie den Plan nach der allhier gut befundenen Weise annehmen können“. Der Plan Friedrich II. sah eine Taxierung der Rittergüter nach den Verpachtungsgrundsätzen für Domänengüter vor. Gäbe es nicht genügend ständische Sachverständige, wolle er Kammer-Räte hierzu abstellen. Sodann seien die Landbücher zu revidieren und die bisher nicht eingetragenen Schulden dort zu verzeichnen, auch wenn kein agnatischer Konsens vorliegen sollte. In Zukunft aber seien nur noch konsentierte Schulden hypothekarisch abzusichern. Er wolle 00.000 bis 00.000 Taler als Fonds vorschießen, die mit % verzinst, aber zu % weiter verliehen werden sollten. Mit der Zinsdifferenz sollte zunächst dieser Vorschuss zurückgezahlt und später ein landschaftlicher Kreditfonds geschaffen werden. Die Landschaft müsse, um ihre Kredite zu sichern, in Zukunft die beliehenen Rittergüter kontrollieren. Wenn der Besitzer zahlungsunfähig würde, wäre die landschaftliche Kontrollpflicht auf einen von der Landschaft zu bestellenden Zwangsverwalter zu übertragen. Die Kreditwürdigkeit der Rittergutsbesitzer sei nur dadurch zu verbessern, dass die privaten Gläubiger durch die Garantie des Bürgschaftsverbandes („Landschaft“) abgesichert würden. Wie auch immer die Ritterschaften seine Konzeption umsetzen würden, es ginge nur „gemeinschaftlich“ und nach dem Grundsatz „alle vor einen und einer vor alle“.8 An den Beratungen mit den drei Deputierten, die in jene vom König vorgeschlagene Kommission entsandt worden waren, nahm auf Initiative des Königs auch der . Landschaftsdirektor v. Arnim teil, der einen umfangreichen und differenzierten Entwurf zu einem Kreditreglement vorlegte, wobei er die Etablierung des Bürgschaftsverbandes von der Reform der adligen Eigentumsordnung abkoppelte.9 Die Kreditvergabe für Fami   8 9

Rechtliche Erörterung, S. 8. BLHA, Rep. B Neumärkische Stände, Nr. , Bl. –. BLHA, Rep. B Neumärkische Stände, Nr. 8, Bl. 9. A.a.O., Bl. 9v. Obwohl er glaubte, dass die gesamthänderisch gebundenen Familiengüter nur noch vier bis sechs Generationen bestehen würden. Vgl. das Schreiben an seine Räte vom 8.., in: BLHA, Rep. B. Neumärkische Stände, Nr. . Dort auch die Anordnung Friedrichs II. an seine Räte, die „Stände“ zur Gründung von Majoraten aufzufordern.



Die Mandatsbindung der Kreisdeputierten

liengüter sollte jedoch an die Einhaltung der jeweiligen eigentumsrechtlichen Bestimmungen gebunden werden.0 Ende Januar kehrten die drei Abgeordneten zu den im Berliner Landschaftshaus wartenden Deputierten zurück, von wo sich alle dann am . Januar bei v. Carmer mit der Ankündigung abmeldeten, die Beratungen in ihren Kreisen fortsetzen und sich im Juli wieder in Berlin versammeln zu wollen. Zur Vorbereitung dieser Deputiertenversammlung verschickten die Verordneten im März  den durch v. Arnim redigierten „Ohnmaßgebliche[n] Grundriß eines Plans zur Aufhelfung des Credits der Chur- und Neumärkischen Güter-Besitzer nach dem Schlesischen Fuße […]“. Doch auch die Sitzungsperiode vom Sommer , auf der das Kreditsystem abschließend beraten werden sollte, verlief ergebnislos. Daraufhin baten die neumärkischen Stände Friedrich II., er möge in die Provinzen und Kreise „einen Mann von gutem Willen und hinlänglichen Kenntnissen“ schicken, der den Rittergutsbesitzern das „projektierte Kreditsystem“ erklären solle. Im Sommer und Herbst  berief der damit beauftragte v. Arnim deshalb zahlreiche „Conferenzen“ ein. Nach einer Serie von derartigen Konferenzen waren die anschließenden Voten der Kreise sowie einzelner Rittergutsbesitzer und die späteren Stellungnahmen der Deputierten zur Eigentumsverfassung und zum Bürgschaftsverband kleinteiliger und damit umfangreicher. Sie enthielten jedoch keine neuen Argumente für oder gegen die Revision der Eigentumsordnung oder die Etablierung eines landschaftlichen Kreditsystems. Die Besprechung im havelländischen Kreis hatte v. Arnim vorzeitig abgebrochen, nachdem die Mehrheit der Rittergutsbesitzer sich gegen die Absicht des Königs ausgesprochen hatte, die bis zum . November  ohne vollständigen agnatischen Konsens dennoch ins Landbuch eingetragenen Schulden als subsidiarische Lehnschulden anzuerkennen. Auch lehnte der havelländische Kreis eine zusätzliche Kreditkasse unter der Regie und mit Garantie des Landschaftlichen Kreditwerks ab. Friedrich II. übernahm später ihren trotzigen Vorschlag, dass die anderen Provinzen oder Kreise auch ohne den Beitritt des Kreises 0     

 

BLHA, Rep. B Neumärkische Stände, Nr. , Bl. 9f. BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, C. 9, Bl. . BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, C. 9, Bl. 00–0 und Rep. B Neumärkische Stände, Nr. , Bl. 8f. BLHA, Rep. B Neumärkische Stände, Nr. , Bl. 9. BLHA, Rep. B Neumärkische Stände, Nr. , Bl. f. In der Neumark wurde die Besprechung v. Arnims mit den Landräten der Provinz als „Landtag“ bezeichnet, vgl. BLHA, Rep. B Neumärkische Stände, Nr. , Bl. . Vgl. BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, C. 9, Bl. –89. BLHA, Rep. A Märkische Landschaft – Generalia, Nr. 8, Bl. –.

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Havelland der Kreditkasse angehören könnten. Durch die fakultative Assoziierung der Kreise, nicht der Rittergutsbesitzer, konnten später jene zwei Rittergutsbesitzer des havelländischen Kreises, die den Plan für einen Bürgschaftsverband unterstützt hatten, ihm nicht beitreten. Die Konferenzen zeigten auch, dass einige Kreise die angestrebte Trennung der Diskussionen um die Etablierung eines Bürgschaftsverbandes einerseits und über die Reformierung der Eigentumsordnung andererseits nicht akzeptierten. Andere Kreise formulierten prinzipielle Einwände gegen das Verfahren. Der Kreis Havelland behauptete, dass die „Lehns-Constitution“ abzuändern, „rechtsbeständig unmöglich“ sei.8 Der Boitzenburger v. Arnim hielt es für unstatthaft, Besitzer individuell besessener Rittergüter an der Abstimmung über die Revision der Eigentumsordnung für Familiengüter teilnehmen zu lassen.9 Gegen die Etablierung des geplanten Kreditsystems innerhalb des Landschaftlichen Kreditwerks wandten die Deputierten der beiden Domstifte und der Deputierte des Kreises Havelland ein, dass der „Landschaft“ auch der Prälatenstand und die Städte angehörten. Die Städte aber wären am Kredit für Rittergüter nicht interessiert und die Güter der Domstifte konnten hypothekarisch nicht belastet werden.80 Im Laufe der nächsten Sitzungsperiode im Januar  löste Friedrich II. die weiteren Verhandlungen zur Kreditvermittlung aus dem Funktionsbereich des Landschaftlichen Kreditwerks heraus und berief einen „allgemeine[n] Landtag“8 zum 0. März ein. Er wollte die „Regulierung dieser Sache“ jedoch dem „freien Willen Unserer getreuen Landstände überlassen“ und sich der „Landesherrlichen Macht nicht bedienen, sondern lediglich Unsere Landesväterliche Fürsorge […] walten lassen“. Die Deputierten seien „mit so vollständiger Instruktion und Vollmacht zu versehen […], daß der Abschluß der Sache, wozu auch die Regulierung der Taxe gehört, unter dem Vorwande einer dazu nicht habenden Instruktion oder Vollmacht nicht weiter aufgehalten […] werde“. Er erwarte, dass diejenigen, die sich bereits für den geplanten Bürgschaftsverband ausgesprochen hatten, bei ihrem Votum bleiben würden und gab denen, die ihre Meinung änderten und ihre abweichende Meinung nur undeutlich formulierten, zu verstehen, sie müssten sich „gefallen lassen, was durch die mehrheitlichen Stimmen Unserer getreuen Landstände beschlossen und von Uns genehmigt werden würde“.8 Da nicht von der Mehrheit der Deputierten, sondern von der Mehrheit der Landstände die Rede war, interpretierten 8 9 80 8 8

BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, C. 9, Bl. –8. A.a.O., Bl. f. A.a.O., Bl. –8 und Bl. –. BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, C. 9, Bl. . A.a.O., Bl. .



Die Mandatsbindung der Kreisdeputierten

einige Deputierte Friedrich II. dahingehend, dass das Abstimmungsergebnis allein aus der Summe der Kreisvoten ermittelt werden sollte. Andere vermuteten sogar, die Mehrheit solle aus der Addition der Einzelvoten der Rittergutsbesitzer errechnet werden, so dass jeder einzelne Deputierte die entsprechende Anzahl von Ja- und von Neinstimmen in die Waagschalen zu werfen hätte. In der Flut von Eingaben und Gutachten hierzu befand sich auch ein Vorschlag, die Stimmen nach dem Wert der Rittergüter zu gewichten.8 In den königlichen „Land Tages Propositiones“ vom . März  war von zwei Abstimmungsmodi die Rede: Innerhalb der zu gründenden „Assoziation“ hätten die „gesamten Stände […] auszumitteln, nach welchen billigen Principiis in diesen Credit Sachen unter sie votiert werden mögte“. Damit aber bei den „jetzigen oder praeliminair Berathschlagungen […] keine überflüssigen Zeitverzögerungen vorwalten mögen, so sollen jetze und bis zur höchsten Confirmation des von denen Ständen hierunter zu wählenden modi die Beschlüsse auf derjenigen Art genommen werden, welche bishero verfassungsmäßig bey der Landschaft gebräuchlich gewesen“ sei.8 Die widersprüchliche Signalgebung Friedrichs II., einen „allgemeinen Landtag“ einzuberufen, der nach der Geschäftsordnung des Landschaftlichen Kreditwerks abzustimmen hätte,8 provozierte eine Debatte, in der die Kontroversen über die Stimmenverteilung sowohl auf diesem Landtag, als auch im zukünftigen Bürgschaftsverband derart aussichtslos vermengt waren, dass zur Lösung des Konflikts erneut eine Kommission eingesetzt wurde. Unter den  anwesenden Deputierten des „allgemeinen Landtages“ waren – entsprechend der Anzahl der regional-ständischen Körperschaften („Provinzen/Marken“ und „Kreise“) – die Neumark mit elf und die Mittelmark mit neun Deputierten vertreten; die Altmark, die Uckermark, die Prignitz und die beiden Domstifte hatten je einen Deputierten entsandt. Dagegen aber waren die  Deputiertenstimmen im Großen Ausschuss des Giebel- und Hufenschosses – dessen jährliche Versammlungen mitunter 8 8 8

BLHA, Rep. B Neumärkische Stände, Nr. . BLHA, Rep. A Märkische Landschaft – Generalia, Nr. . In dem Bericht über den bisherigen Verlauf des „allgemeinen Landtages“, den der Staatsminister v. Görne am 0. März Friedrich II. überreichte, kritisierte er die „ungebührliche Vervielfältigung der Stimmen“, für die Graf v. Reuß verantwortlich sei, der ohne sein Wissen einen „General Landtag arrangiert“ hatte, auf welchem „die Neu-Mark statt der sonst in diesen Credit-Angelegenheiten so wie in allen anderen Landschaftlichen Zusammenkünften nur abgeschickte , jetzo  Deputierte hersenden mußte, die Alte-Mark, welche gewöhnlich  schicken muß, nur einen pp“ Vgl. BLHA, Rep. A Märkische Landschaft – Generalia, Nr. 8, Bl. 0f., hier S. 0v.

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auch als „Landtage der Landschaft“ bezeichnet wurden8 – nach einem anderen Schlüssel auf die verschiedenen Marken, Kreise und Domstifte verteilt. Danach hätten die Mittelmark vier Deputierte, die Altmark und die Neumark je zwei, die Uckermark, die Prignitz, die Domstifte zu Havelberg und zu Brandenburg je einen Deputierten entsenden können.8 Die Deputierten der Altmark, der Prignitz und der beiden Domstifte plädierten dafür, bei der Abstimmung über die Gründung eines Bürgschaftsverbandes den landschaftlichen Schlüssel anzuwenden. Die Deputierten der Uckermark und die der Neumark traten plötzlich dafür ein, die Voten der Kreise nach der Anzahl der jeweils kreiseingesessenen Rittergutsbesitzer zu gewichten. Unter den Deputierten der Mittelmark war die Meinung geteilt. Ein Deputierter schlug vor, das Ergebnis nicht aus der Addition der Voten der einzelnen Besitzer, sondern alternativ aus den Beschlüssen zu errechnen, die  in den durch v. Arnim einberufenen „Conferenzen“ gefasst worden waren.88 Die Mehrheit der mittelmärkischen Deputierten übernahm schließlich den Vorschlag der Neumark, die Voten der Kreisritterschaften nach der Anzahl der Rittergüter zu werten. Doch der Sprecher der Neumark änderte plötzlich seine Meinung und trat für den traditionellen landschaftlichen Modus ein. Später las er hingegen aus den bisherigen Äußerungen des Königs drei verschiedene Abstimmungsmodi heraus und plädierte dafür, diesen um eine Deklaration zu bitten.89 Die Deputierten konnten nur wenige und meist undeutliche Vollmachten vorlegen. Viele durften nur „unter gewissen Bedingungen“ zustimmen. Die Kreise Havelland, Niederbarnim und Zauche (alle Mittelmark), die Prignitz, sowie die beiden Domstifte lehnten den geplanten Bürgschaftsverband schlicht ab.

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Vgl. BLHA, Rep. A, Nr. A . In den Großen Biergeldausschuss entsandten neben zehn Städten die Mittelmark vier, die Altmark und die Neumark je zwei, die Uckermark, die Prignitz, das Domstift Havelberg, sowie das Domstift Brandenburg je einen Deputierten. Vgl. Schreiben des Landschaftssyndikus Eltester vom . März , in: BLHA Rep. A – Generalia, Nr. . Dieser Versuch war unter mehreren Aspekten problematisch. Zum einen hatten diese Zusammenkünfte nicht als Kreistage gegolten. Zum zweiten waren die auf den Konferenzen nicht anwesenden Rittergutsbesitzer im Nachhinein als zustimmend gewertet worden. (Vgl. BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, C. 9, Bl. 8ff.) Die derart summierten Stimmen hätten zwar eine Mehrheit für die Etablierung des Bürgschaftsverbandes ergeben, das Verfahren aber hatte schon im Vorfeld Proteste ausgelöst und half auch grundsätzlich nicht weiter, da v. Arnim seinen Entwurf für ein Kreditreglement inzwischen revidiert und erweitert hatte. Vgl. BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, C. 9, Bl.  u. Bl. 9–8. BLHA, Rep. A Märkische Landschaft – Generalia, Nr. .



Die Mandatsbindung der Kreisdeputierten

In seinem Bericht an Friedrich II. wies der Staatsminister v. Görne, der die Verhandlungen mit den Deputierten leitete, darauf hin, dass der Konflikt um die Geschäftsordnung materielle Ursachen habe: Die Altmark, Prignitz und Mittelmark, die Sitz für „den reichsten Adel“ seien, würden befürchten, dass die Generalgarantie den tradierten Bestand des landschaftlichen Kreditwerks gefährde. Ohne Assoziierung dieser Regionen aber habe der geplante Bürgschaftsverband wenig Aussicht auf Erfolg, weil er „dem publico suspect werden“ würde.90 Der Staatsminister vermied daher, unter den Deputierten eine Entscheidung über den Abstimmungsmodus herbeizuführen: „Da die Altmark, Priegnitz und gantze Mittelmark sich jedoch gegen alle natürliche und constitutionsmäßigen Verfassung offenbahr zum Voraus in allem von der Uckermark und Neu-Mark überstimmt sehe, so wollten sie lieber ganz außen bleiben, als sich ein Credit-System und Offizianten aufbürden [zu] laßen, an deßen Arrangirung und Wahl ihre Stimmen nicht bedeutend waren […].“9 Zwar sei es ihm schließlich gelungen, die Altmark, die Prignitz und die Mittelmark zur Gründung eines Bürgschaftsverbandes zu bewegen, in dem die Assoziierten insgesamt die Garantie übernähmen; die Uckermark und die Neumark aber beharrten weiterhin auf der Garantie durch das bestehende Landschaftliche Kreditwerk und darauf, dass innerhalb des geplanten Bürgschaftsverbandes „wenn  Edelleute in einem Dorf ansässig, dieselben  Stimmen haben, dagegen ein anderer, der 0 oder mehr Rittergüter hat, nur eine Stimme haben soll […].“9 Es sei – so v. Görne – offensichtlich, dass sie ihre vielen kleinen Güter zu hoch einschätzten, sie mit Garantie der großen Güter verschulden, sowie alle Ämter im geplanten Bürgschaftsverband besetzen wollten. Staatsminister v. Görne schlug Friedrich II. vor, eine Kommission einzusetzen, die aus je einem Deputierten für die beiden Domstifte, für die Altmark, für die Prignitz und für die Uckermark, sowie je zweien für die Mittelmark und für die Neumark bestehen sollte und legte eine entsprechende Namensliste vor. Alle übrigen Deputierten seien in ihre Kreise zurückzuschicken und anzuweisen, dort dafür zu sorgen, dass „das Werck in Gang komme“.9 Die Arbeit dieser neunköpfigen Kommission, die noch 90 9 9

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BLHA, Rep. A Märkische Landschaft – Generalia, Nr. 8, Bl. 0. A.a.O., Bl. 0v. A.a.O., Bl. . Der Vorschlag v. Görnes, nach dem schlesischen System zu verfahren, wonach die Besitzer dreier Rittergüter über zwei Stimmen, diejenigen, die sechs Güter hatten, über drei Stimmen und die Besitzer von zehn Gütern über vier Stimmen verfügen sollten, keiner aber mehr als fünf Stimmen haben könne, lehnten die Ucker- und Neumärker ab. Tags darauf stimmte Friedrich II. diesem Vorschlag zu. Vgl. a.a.O., Bl.  und Bl. .

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um einen Deputierten des Kreises Beeskow-Storkow ergänzt worden war, zog sich in die Länge, zumal ihre Mitglieder aus der Altmark und aus der Mittelmark einerseits, sowie die der Uckermark und die der Neumark andererseits nebenbei separat tagten. Am . April signalisierte Friedrich II., er sei „dessen müde“, und forderte v. Görne auf, den Ständen mitzuteilen, dass, wenn sie unwillig blieben, er das Projekt aufgeben werde. Tags darauf warf Friedrich II. den Altmärkischen und den Mittelmärkischen Ständen vor, „die einen wollen links, die andern wollen rechts“. An anderer Stelle klagte er, dass bei den Ständen „so viel Unverstand und Dummheit“ sei, und sie „ihr eigen Bestes nicht“ verstünden.9 Im Frühsommer legte jene Kommission schließlich doch den Entwurf zu einem Kreditreglement vor, das Friedrich II. bestätigte und im Juni  als das „Chur- und Neumärkische Ritterschaftliche Credit-Reglement“ veröffentlichen ließ.9 Die regionalen Grundsätze zur Taxierung der Rittergüter folgten zwei Monate später.9 Mit der schließlich vorgesehenen freiwilligen und individuellen Mitgliedschaft einzelner Rittgutsbesitzer statt der Mitgliedschaft aller Kreiskorporationen,9 war die Absicht gescheitert, einen Bürgschaftsverband der märkischen Ritterschaft zu gründen. Die Vorbereitungen zur Errichtung der märkischen Kreditassoziation markieren einen neuen Abschnitt in der Geschichte der ständischen Mitsprache und Mitwirkung. Der Große Ausschuss des Hufen- und Giebelschosses war unfähig, als Organ politischer Mitwirkung aufzutreten, eine Funktion, die er nach der Abschaffung der allgemeinen Landtage  einige wenige Jahre hatte wahrnehmen können, und die Friedrich Wilhelm I. bei den Vorbereitungen zur Privatisierung des Lehnrechts revitalisiert hatte. Nach längeren ergebnislosen Beratungen übertrug Friedrich II. die Aufgabe, ein Reglement für die Kreditassoziation zu entwerfen, einer 9 9

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BLHA, Rep. A Märkische Landschaft – Generalia, Nr. , Bl. –8. Siehe GStA PK, Rep.0A, XI, , Nr. . In konservativer Absicht durch Kamptz in „Ritterschafts-Kredit-Reglement für die Kur- und Neumark“ verändert, vgl. Kamptz, Sammlung, . Abteilung, Nr. 0, S. –9. Siehe „General- und Spezial-Tax-Principia zur Abschätzung der Güther in der Chur- und Neumark nach ihrem wahren Ertrage, in welchen die zur Verpachtung der Königl. Aemter bey denen Kriegs- und Domänen-Cammern angenommene Principia zum Grunde geleget worden. De Dato Berlin, den 9. August “, in: GStA PK, Rep. 8b, Nr. 98. Die von Friedrich II. vorgeschlagene und ins Reglement übernommene freiwillige Mitgliedschaft war in der hartnäckig geführten Geschäftsordungsdebatte unbeachtet geblieben. Die Reform der Eigentumsordnung und die Gründung eines Bürgschaftsverbandes wurden entkoppelt. Familiengüter wurden zur Assoziation nur zugelassen, wenn der Besitzer die Einhaltung der entsprechenden gesamthänderischen Vorschriften nachweisen konnte.

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Die Mandatsbindung der Kreisdeputierten

Kommission, in die der Große Ausschuss drei Deputierte aus seinen Reihen zu entsenden hatte. Eine spätere als „allgemeiner Landtag“ titulierte Versammlung, die den Entwurf der Kommission des Großen Ausschusses beraten sollte, musste aufgelöst werden, weil sie – wie zuvor der Große Ausschuss – entscheidungsunfähig war. Die Mitglieder der anschließenden Regierungskommission, die den so genannten Landtag ersetzte, wurden auf Vorschlag des Staatsministers v. Görne durch Friedrich II. berufen. Dem von dieser Regierungskommission vorgelegten Kreditreglement schloss sich Friedrich II. an und verkündete es, ohne die ständischen Organe der Rittergutsbesitzer erneut zu befragen. Von dem Prozedere zur Gründung des adligen Kreditinstitutes für die Kur- und Neumark blieb jene andere Kommission unberührt, die der Große Ausschuss in seiner Sitzungsperiode / mit der Revision der adligen Eigentumsordnung beauftragt hatte. Ihr kam im Januar  eine Publikation aus der Königlichen Hofbuchdruckerei von George Jacob Decker zuvor, die einen offiziösen „Entwurf zur revidirten Lehns-Constitution“ veröffentlichte.98 Die Kommission legte nach sechs Verhandlungsrunden eine moderat überarbeitete Version dieser offiziösen Fassung vor,99 die jedoch in den Beratungen der Kreise versandete. Friedrich II., der seit 80 eine Reform der provinzialen und der allgemeinen Rechte anstrebte, forderte deshalb die Kurmärkischen Stände im Dezember 8 auf, das –  begonnene – Projekt einer Revision der Eigentumsordnung zu Ende zu führen. Im Frühjahr 8 übersandte der „Deputatus perpetui“ der Ritterschaft, v. Voß, den Kreisen einen 80 Paragraphen umfassenden Entwurf,00 den der Große Ausschuss des Hufen- und Giebelschosses anschließend beriet.0 Dieser Entwurf für eine neue Eigentumsordnung war der vierte und radikalste Versuch, die Eigentumsordnung von  zu revidieren. Auch er blieb unverwirklicht: Die Sukzessionsordnung, die erbschaftliche Teilung des Familieneigentums, die Versorgung der Witwen und die Aussteuer der Töchter, der agnatische Konsens, die Abgrenzung des Familieneigentums vom individuellem Vermögen wie auch der Katalog der „prinzipalen“ (früher: notwendigen oder auch gesetzlichen) und der subsidiarischen Familienschulden wurden neu definiert. Die Direktion der Gläubigergenossenschaft der Rittergutsbesitzer („Landschaft“) sollte nahezu jede familiale oder wirtschaftliche Disposition kontrollieren. Die Rittergutsbesitzer 98 99 00 0

Vgl. den Anhang zu der Rechtliche[n] Erörterung, in: BLHA, Rep. A Märkische Landschaft – Generalia, Nr. 8. Vgl. BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, B. 8. Vgl. BLHA, Rep. B Neumärkische Stände, Nr. 98. BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, B. , Bl. f.

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sollten den wirtschaftlichen Wert des Gutes – und das hieß auch die zum Familiengut gehörenden Inventarien und die Wirtschaftsgebäude – durch die Direktion des Bürgschaftsverbandes überprüfen und anschließend ins Landbuch eintragen lassen. Investitionen ins Familiengut wären nicht mehr nach den aufgewendeten Summen zu bewerten, sondern nach dem – von jener Direktion überprüften – tatsächlichen wirtschaftlichen Effekt. Auch sollten sie nach Erhaltungs- und Verbesserungsinvestitionen unterschieden werden. Investitionen, die der Erhaltung des Familienguts dienten, würden den Erben des individuellen Vermögens nicht erstattet, nur die Investitionen, die den Wirtschaftswert des Familiengutes nachweislich erhöhten, sollten den Erben des individuellen Vermögens kompensiert werden. Gleiches war für Grundstücke vorgesehen, die zugekauft würden oder deren Kauf testamentarisch verfügt worden wäre, wenn sie als gesamthänderisches Familiengut gelten sollten.0 Die Bestimmung aus der Konstitution von , wonach die Familien eigene Sukzessionsordnungen erlassen durften, sollte erhalten bleiben. Wie immer die private Sukzessionsordnung bisher formuliert worden sei oder künftig formuliert werden würde, ein einzelnes Familiengut, auch wenn es aus mehreren Rittersitzen sowie Untertanendörfern und Vorwerken bestand, sollte, sofern diese bislang einen Wirtschaftskomplex gebildet hätten, zukünftig nicht mehr real geteilt werden dürfen. Auch würde der Besitzer den einzigen Besitznachfolger unter seinen „lehnsfähigen“, d.h. in der Ehe geborenen Söhnen ernennen dürfen oder auch verschiedene Besitznachfolger, wenn er mehrere Rittergutskomplexe hinterlassen hätte. Unterließe er dies, hätten die Brüder sich zu einigen. Täten sie dies nicht, würde das Los entscheiden. Zukünftig sollten auch „halbbürtige“ Söhne sukzedieren können, oder unehelich geborene, wenn sie nachträglich legitimiert würden, es sei denn, die Mutter würde als „geringe Weibsperson“ gelten oder die Legitimation hätte erst am Totenbett eines der Ehegatten stattgefunden oder Bestimmungen der tradierten familialen Sukzessionsordnung würden dies ausdrücklich verbieten. Durch eine drastische Einschränkung der familialen Dispositionsmöglichkeiten sollte die Belastung der Güter verringert werden. Die Gelder für die Ausbildung und (Bildungs-)Reisen der Söhne wurden ebenso aus dem Katalog möglicher subsidiarischer Familienschulden gestrichen, wie die Kosten von Verlöbnissen oder Hochzeiten der Söhne sowie für die Ausstattung der Schwester des Besitzers. Die Begräbniskosten des Besit0

Derjenige, der ein solches Familiengut konstituieren würde, sollte den Kreis der familialen Gesamthänder bestimmen und die Sukzessionsordnung festsetzen können. Hatte er dies unterlassen, sollte die in der neuen Eigentumsordnung formulierte Sukzessionsordnung gelten.

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Die Mandatsbindung der Kreisdeputierten

zers hätten nur bis zu 0 Reichstalern als subsidiarische Familienschuld eingetragen werden können. In der Rubrik der subsidiarischen Familienschulden sollten die Kosten für die Kriegsequipage der Söhne auf die erste Ausstattung und auf 00 Taler für Infanteristen und 00 für Kavalleristen beschränkt werden. Diese Gelder müssten der Direktion des Bürgschaftsverbandes ausgehändigt werden, die sie dem Regiment weiter zu reichen und die dafür zu sorgen hätte, dass diese Summe als subsidiarische Familienschuld ins Landbuch eingetragen würde. Die Berechnungsgrundlage für die Abfindung der Söhne und die Aussteuer der Töchter sollte zwar beibehalten werden, die Ansprüche der Töchter würden sich jedoch insofern materiell verringern, als sie nicht mehr bar ausgezahlt würden. Stattdessen würden die Töchter lediglich auf Lebenszeit die Zinsen für ihre Ansprüche aus der Aussteuer erhalten.0 Das Familiengut wäre dadurch also nicht mehr nachhaltig verkleinert, sondern lediglich vorübergehend belastet worden. Auch die Bestimmungen über die Versorgung der Witwe verfolgten das Ziel, die Familiengüter nur vorübergehend zu belasten. Die Ehefrau würde ihr „Eingebrachtes“ nach dem Tod ihres 0

Vgl. Edict wieder die allzuungleiche und zum Theil schändliche Heyrathen der von Adel in den Königl. Landen, De Dato Berlin, den 8. Maji 9, in: BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, B. 9, Bl. –8. Die Höhe der „Lehncompetenz“ der Töchter sollte an ihren Lebenswandel oder die sozialen Stellung ihres Ehemannes geknüpft werden. Der Entwurf lehnte sich dabei an das Edikt über „Mißheiraten“ (9) an. Darin war verordnet worden, „daß keiner von Adel, so in Unsern Landen entweder würcklich angesessen, oder an einigen darin belegenen Güthern die gesamte Hand hat, es mag derselbe in Unsern würcklichen Diensten stehen, oder nicht, befuget seyn solle, ausser seinem Stande, geringer Bürger und Bauer Töchter oder Wittiben, weit weniger aber solche Persohnen, so vorhero in offenbarer Schande gelebet, zu heyrathen, auch kein Prediger dergleichen Persohnen gar ungleichen Standes zu proclamiren, oder zu copuliren, bey Straffe der Remotio ab Officio, sich unterstehen sollte“. Heiratete der „Edelmann“ dennoch eine unstandesgemäße Person, „welche noch darzu in offenbarer Schande vorhero gelebet“, so ging er „seines Geschlechtes, Schild und Helms, auch der Mitbelehnschaft und Anwartung“ verlustig und fielen „seine bisherigen Lehn-Güter denen nächsten unbemackelten Lehns-Erben anheim“. Kinder aus einer „schändlichen Ehe“, durften gleichfalls „sich des Adelichen Nahmens, Helms und Schildes“ nicht bedienen, auch wurde ihnen auf Antrag des Geschlechtes ein anderer Name zugeteilt. War die Mutter eine unstandesgemäße, aber „unberüchtigte“ Person, so behielt der Mann, nicht aber seine Söhne den adligen Stand und den familialen Besitz. War die Mitgift einer unstandesgemäßen Person so groß, dass ein verarmter Edelmann damit verschuldete oder versetzte Güter zurückkaufen konnte, so brauchte er vor der Eheschließung hierzu den Konsens der „drei nächsten Anverwandten“. Wurde ihm dieser verweigert, so konnte sich der Edelmann an die Regierungen oder die Justizkollegien wenden, die nach Anhörung der Verwandten den Konsens zu ersetzen, oder das Gesuch abzulehnen hatten. Vgl. CCM, Bd. I, Sp. –.

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Mannes nur dann aus dem Familiengut zurückfordern können, wenn mit diesem Geld eine tatsächliche Familienschuld zurückgezahlt und als eine ihr zustehende Grundschuld im Landbuch eingetragen worden war. Alternativ sollten diejenigen Beträge als Familienschuld gelten, die für ihre Alterssicherung bei der Provinzial-Witwen-Kasse verwendet worden waren. Um die nachhaltige Belastung der Güter durch den Versorgungsanspruch der Witwe zu vermeiden, sollte sie auf die Herausgabe ihres Eingebrachten verzichten können, das ihr daraufhin zu Lebzeiten mit dem Doppelten des üblichen Zinssatzes jährlich vergütet werden müsste. Das durch die Eigentumsordnung von  ermöglichte Verfahren, das „Eingebrachte“ der Frau als Familienschuld ins Landbuch eintragen zu lassen, ohne das Geld zur Rückzahlung einer alten Familienschuld, zur Wertverbesserung, oder zum Neukauf eines Gutes auch tatsächlich zu verwenden, diese Umwidmung von individuellem Vermögen in Familienschuld und wieder zurück sollte zukünftig verhindert werden. Die Ehefrau würde jedoch weiterhin berechtigt sein, auf ihre Ansprüche ans Familiengut zu verzichten und stattdessen die Hälfte des individuellen Vermögens des verstorbenen Ehemannes, einschließlich ihres Eingebrachten, zu beanspruchen, freilich mit der Verpflichtung, auch die Hälfte seiner individuellen Schulden zu übernehmen.0 Die Abfindungen der Brüder sollten entweder als gesamthänderischer Geldfonds konstituiert oder zum Ankauf eines Rittergutes verwendet werden. Die dazu notwendige Abfindungssumme wäre als gesamthänderisches Familienvermögen ins Landbuch auf das neue Gut einzutragen. Würde das Gut teurer sein, würde es aus einem individuellen Anteil und einem gesamthänderischen Anteil bestehen, oder aus einem altväterlichen und einem neuen Familienanteil, so dass beim Tod des Besitzers unterschiedliche Besitz- bzw. Eigentumstitel und verschiedene Abzweigungen im Familienstammbaum zu berücksichtigen waren. Verstarb der Besitzer ohne männliche Deszendenz, sollte das Gut nicht mehr real geteilt werden, sondern an den nächsten – bei gleichem Verwandtschaftsgrad ausgelosten – 0

Verzichtete sie auf ihren Anspruch an das individuelle Vermögen ihres Mannes und war ihr Eingebrachtes weder zur Rückzahlung einer Familienschuld, noch zu ihrer Versicherung bei der Witwenkasse verwendet worden, würde sie eine – wenn auch niedrigere – Alimentation beanspruchen können. Vgl. hierzu: Statuarische Erbfolge der Eheleute in der Kur- und Neumark, in: Mathis, Juristische Monatsschrift, . Bd., 80, S. – und Allgemeine Verordnung, wie es bei Erbschafts-Anfällen, mit der Erbes-Erklärung, Besiegelung, Inventur, Zahlung und Vorladung der Erbschaftlichen Gläubiger, zu halten; worinnen zugleich in Ansehung der Erbfolge zwischen Eheleuten, in der Mark, einige bisher zweifelhaft gewesene Rechts-Fragen, entschieden, und in so ferne, die Constitutio Joachimca von 1527, vorläufig erkläret und suppliret wird. De Dato Berlin, den 0sten April , in: BLHA Rep. A Kurmärkische Stände, B. 9.



Die Mandatsbindung der Kreisdeputierten

Agnaten übergehen. Die übrigen Agnaten sollten nichts erhalten.0 Um die Belastung der Güter mit Altschulden zu verringern, sollten zukünftig nur solche anerkannt werden, die im Landbuch eingetragen und mindestens von der Mehrheit der Agnaten des nächsten Grades – die Brüder ausgenommen – konsentiert worden waren. Auch sollte der Besitzer verpflichtet werden, hypothekarische Schulden jährlich mit einem Fünftel seiner Einnahmen aus dem unverschuldeten Teil des Gutes zu tilgen.0 Mit ihren Anwartschaften ans Familiengut, die als Sicherung ihres Pflichtteils am väterlichen Erbe gedacht waren, sollten die Töchter zukünftig nicht mehr für die individuellen Schulden ihrer Väter haften müssen, wie umgekehrt die Söhne die individuellen Verbindlichkeiten ihrer Väter nicht mehr mit ihrem Anteil am Familiengut subsidiarisch gegenüber Dritten vertreten müssten. Um zu verhindern, dass ein Familiengut durch die individuellen Schulden des Besitzers verloren gehen könnte, sollten nicht mehr die Substanz des Gutes, sondern nur noch seine Erträge für die individuellen Schulden seines Besitzers haften. Die Gläubiger individueller Schulden würden bei einer Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nur noch die Zwangsadministration des Gutes durch die Direktion des Bürgschaftsverbandes beantragen können. Diese hätte aus den Erträgen des Gutes vorrangig die Zinsen für die Familienschulden zu zahlen und mit den verbleibenden Geldern die individuellen Schulden des Besitzers abzutragen, solange er lebte. Wären die individuellen Schulden getilgt, würde die Direktion des Bürgschaftsverbandes das Gut an den Besitzer zurückgeben, es sei denn, die Schulden wären Folge schlechter Bewirtschaftung gewesen. Dann würde es dem nächsten Anwärter zugesprochen werden und der verschuldete Besitzer eine von der Direktion festzusetzende Alimentation erhalten. Die Gläubiger, die sich später meldeten, würden leer ausgehen.0 Eine Veräußerung unter Vorbehalt des Rückkaufs sollte zukünftig nicht mehr gestattet sein. Ein Familiengut sollte nur dann verkauft werden dürfen, wenn die Gläubiger von Familienschulden nicht durch die Aufnahme neuer Kredite befriedigt werden könnten und deshalb der gerichtliche Verkauf des Gutes drohte. Das Gericht hätte dann die Gesamthänder – weiterhin 0

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Gäbe es keine männlichen Gesamthänder, würden die Töchter das Gut als individuelles Vermögen erben. Gäbe es keine Tochter, würde die Witwe erben. Schwestern des Besitzvorgängers würden vom Erbgang ausgeschlossen. Über die Verteilung der Tilgungsraten unter den Gläubigern hätte die Direktion des Bürgschaftsverbandes zwischen den Gläubigern und den Agnaten Vergleiche zu erwirken, wobei es genügen sollte, wenn die Mehrheit der Agnaten des nächsten Grades zustimmen würde. Würde der Schuldner sterben, bevor die Schulden getilgt wären, würde die Administration durch die Direktion aufhören. Die Gläubiger würden sich dann nur an die Erben des individuellen Vermögens halten können.

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nicht die Deszendenz des Besitzers – aufzufordern, von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen.08 Würde in einem Konkursverfahren das Gut nicht als Familiengut reklamiert, würde es versteigert und – wie bereits üblich – in der Hand dessen, der es gemeinrechtlich ersteigerte, individuelles Eigentum. Dieser Entwurf sollte im Juni 8 auf der jährlichen Sitzung der Kreisdeputierten der Hufen- und Giebelschoss-Kasse besprochen und genehmigt werden.09 Doch die Reformierung der adligen Eigentumsrechte scheiterte erneut an den unvereinbaren Positionen der Kreise und an den widersprüchlichen Instruktionen der Deputierten. Der Havelländische Kreis monierte vor allem die Kontrollfunktion des Bürgschaftsverbandes. Dieser würde zum „Obervormund“ und – anstelle des früher zuständigen Lehnhofs – als eine neue Instanz etabliert, bei der die Adligen ihr Recht suchen müssten.0 Der Prignitz schien die Naturalteilung nur bei kleinen Gütern schädlich zu sein, bei größeren hingegen nützlich. Beeskow wertete das Verbot der Naturalteilung als indirekte Umwandlung der Familiengüter in Majorate: „Hätten wir Klöster oder andere Stiftungen, die dem armen Adel Unterhalt geben könnten, so wäre die Errichtung der Majorate eine gute Sache; da aber das eine mangelt, so kann das andere nicht geschehen.“ Auch sei das Verbot der Naturalteilung mit dem Verbot verbunden, Bauernhöfe aufzukaufen, um die anderen sukzessionsberechtigten Erben mit Rittersitzen auszustatten: „Warum will man sich dieses Vorrechts begeben[?].“ Schließlich seien auch die Bestimmungen über die Versorgung der Witwen und die Abfindung der Töchter inakzeptabel. Würde der Rittergutsbesitzer nicht mehr – wie früher üblich – das Eingebrachte der Frau um die Hälfte ergänzen, fände sich schwerlich eine reiche Frau, die den Besitzer eines Familiengutes heiraten würde. Die Töchter nur mit den Zinsen, statt mit dem vollen Kapitalbetrag, abzufinden, stelle ein ernstes Ehehindernis dar. Es sei widernatürlich, „einem Kinde alles zu geben, und 08

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Entschlössen sich mehrere, würde die Nähe des Verwandtschaftsgrades, bei gleich nahen Verwandten das Los entscheiden. Ein zur Gesamten Hand gehörender Käufer hätte nur den Wert des Familiengutes zu zahlen. Wären die Familienschulden geringer als der Wert des Familiengutes, würden für die Differenz Pfandbriefe ausgestellt, auf deren Zinsen die Gläubiger individueller Schuldtitel so lange Anspruch haben würden, wie der Schuldner lebte. Anschließend würden den nächsten familialen Anwärtern die Pfandbriefe als gesamthänderischer Geldfonds übereignet werden. BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, B. , Bl. f. und Bl. 9. A.a.O., Bl. –. A.a.O., Bl. –9. A.a.O., Bl. 9–8. A.a.O., Bl. 80.



Die Mandatsbindung der Kreisdeputierten

das andre nackend aus dem Haus zu lassen“. Bislang hätten die Militärs unter den Schwiegersöhnen mit der Aussteuer der Braut ihre Kompagniegelder bezahlt oder der Zivilist seine wegen geringer Bezahlung aufgenommenen Schulden. Und was sollten „diese armen Staatsdiener ihren Witwen und Kindern hinterlassen?“ Schließlich würde die Verpflichtung, die alten Familienschulden tilgen zu müssen, den zukünftigen Besitzern des Familiengutes nur einen „kümmerlichen Lebensunterhalt“ belassen. Die Uckermärker hatten ähnliche Bedenken und wollten die in der Eigentumsordnung von  ermöglichte – oft ruinöse – wechselseitige Umwandlung von Familiengut in individuelles Eigentum beibehalten: „Was aber die Erhaltung bestimmter Güter in gewissen Geschlechtern betrifft, so muss es einem aufmerksamen Beobachter menschlicher Begebenheiten sonderbar vorkommen, dass man Sachen, die ihrer Natur nach veränderlich sind, unveränderlich machen will. Von jeher sind Adeliche-Geschlechter ausgegangen, und andere wieder aufgekommen, einige haben sich in dem Besitz bald mehrerer, bald weniger Güter gesehen. Und diesen beständig fortgehenden Wechsellauf aller Sachen will man durch Verordnungen aufhalten! Schon die gewaltsamen Mittel, die man ergreifen muss, zeugen von der Unvereinbarkeit des Zwecks.“ Die gütliche Einigung unter Geschwistern und die Aufrechterhaltung des Verbots für Bürgerliche, Rittergüter zu erwerben, sei der bessere Weg, den Besitz der adligen Familien zu schützen.8 Dass zukünftig die Söhne als Erben des Familiengutes nicht mehr die individuellen Schulden ihres Vaters gegenüber Dritten vertreten müssten, sei das Ende des familialen Kredits.9 Die geplanten Einschränkungen bei der Ausstattung der übrigen Söhne und der Töchter wurden als Ehehindernisse gewertet, die deren Kinderlosigkeit nach sich ziehen würde. Würden in der nächsten Generation die wenigen Besitzer von Familiengüter durch einen blutigen Krieg hinweg gerafft, oder würden unfähige Besitzer die Güter ruinieren, gäbe es kaum noch Gesamthänder, die die Mittel hätten,  

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A.a.O., Bl. 8v. BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, B. , Bl. 8. Dieser, aber nicht nur dieser Einwand zeigt, dass die Beeskower und nicht nur sie, den Text für den Entwurf einer neuen Eigentumsordnung missverstanden. Im Passus über die Tilgung der Schulden sah der §  vor, dass die Altschulden bei der Berechnung der Tilgungsrate abzuziehen waren und der Besitzer 0% der jährlichen Erträge aus dem unverschuldeten Gutsanteil abzuführen hätte. Die Beeskower aber lasen aus dem §  heraus, dass die Altschulden bei der Festsetzung der Tilgungsrate einbezogen werden sollten. A.a.O., Bl. 0–. A.a.O., Bl. . A.a.O., Bl. f. A.a.O., Bl.  und Bl. 8f.

Brandenburg



das Gut der Familie zu erhalten. Der Entwurf sei zurückzuweisen, denn er „erhält zwar das Lehn, aber nicht den Adel“;0 alles solle so bleiben, wie es sei, lautete die Quintessenz der Instruktion für den Deputierten der uckermärkischen Rittergutsbesitzer. Auf der jährlichen Sitzung des Großen Ausschusses für den Hufen- und Giebelschoss von 8 lehnten die Deputierten schließlich den Entwurf rundweg ab, ohne sich damit generell gegen eine Revidierung der adligen Eigentumsordnung zu wenden. Vor dem Hintergrund der 80 begonnenen Kodifizierung der allgemeinen Gesetze im späteren ALR und der angekündigten Sammlung der Provinzialgesetze plädierten sie für eine längere Beratungsfrist in den Kreisen, sicherlich auch, um das Ergebnis der provinzialrechtlichen Bestandsaufnahme abzuwarten, an der teilzunehmen Großkanzler v. Carmer die Kurmärkische Landschaft 8 aufgefordert hatte. In seinem Resümee für den Minister v. Werder hielt es der „deputatus perpetui“ v. Voß, einer der Autoren des Entwurfs, allerdings für aussichtslos, die „Correspondenz“ mit den Kreisen fortzusetzen. Er bemerkte zerknirscht, dass die „Absicht“, dem „Vaterlande nützlich“ sein zu wollen, offenbar nicht genügt habe, einen konsensfähigen Entwurf auszuarbeiten. Möglicherweise fehle den drei Autoren die notwendige Nähe zum Problem, denn er, wie auch Ritterschaftsrat Eltester, hätten weder Güter, noch agnatische Rechte, und in der Familie des dritten, eines von der Schulenburg, gelte eine besondere Familienkonstitution. Er schlug dem Minister vor, den Entwurf stattdessen einer Gesetzeskommission zur Begutachtung und Überarbeitung zu übergeben und ihn anschließend den Ständen mit dem Hinweis zur „Aprobation“ vorzulegen, „daß einsichts0  

A.a.O., Bl. . A.a.O., Bl. v–v. Vgl. Krause, Auszug aus dem historischen Theile des an das Königl. Ministerium der Gesetzgebung erstatteten Berichts über die Provinzial-Gesetzgebung, (künftig zitiert: Krause, Provinzialgesetzgebung), in: Kamptz, Jahrbücher, 8. Band, S. 99– 0, hier S. 9. Bei Gerd Kleinheyer, der sich in der Frage der Anhörung der Stände bei der Rechtsreform auf die Kabinettsordres Friedrichs II. und Friedrich Wilhelms II. stützt, entsteht der Eindruck, die Stände seien erst 8 in das Verfahren einbezogen worden. Vgl. Gerd Kleinheyer, Das herkömmliche Verständnis der Stände und die kodifikatorische Regelung des Ständerechts im Preußischen Allgemeinen Landrecht von 9, (künftig zitiert: Kleinheyer, Stände und ALR), in: Reformabsolutismus und ständische Gesellschaft. Zweihundert Jahre Preußisches Allgemeines Landrecht, hrsg. von Günter Birtsch und Dietmar Willoweit (= Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte N.F., Bd. ), Berlin 998, S. –89, hier, S. . Vgl. hierzu die Dokumentation der Kabinettsordres in: Annalen der Gesetzgebung und Rechtsgelehrsamkeit in den Preußischen Staaten, herausgegeben von Ernst Ferdinand Klein, (künftig zitiert: Klein, Annalen), hier . Band, 88, S. XLIX–LI.



Die Mandatsbindung der Kreisdeputierten

volle und in den Rechten und Märkischen Verfassungen erfahrene Männer mit den Verfassern einverstanden“ wären. Damit endete 8 der vierte und letzte Versuch, die Deputierten der Kreisritterschaften im Rahmen des Landschaftlichen Kreditwerks an der Revision der Eigentumsordnung für den märkischen Adel zu beteiligen. Ein schon  an die Adresse der adligen Stände gerichtetes Rechtsgutachten über den „Entwurf zur revidierten Lehns-Konstitution“ hatte das häufig vorgebrachte Argument, nur die Gesamthänder könnten die Eigentumsordnung reformieren, als Kapitulation der adligen Stände vor den Konsequenzen ihrer legislatorischen Mitwirkung gewertet. Denn zu Zeiten, als das adlige Eigentumsrecht noch lehnsherrlich-vasallitisch geregelt gewesen war, wären die Stände auf den Landtagen an der Formulierung und Verabschiedung lehnrechtlicher Bestimmungen beteiligt gewesen. Der Gutachter bezweifelte die Unantastbarkeit erworbener Rechte und verwies auf die Kompetenz der Stände, rechtliche Bestimmungen, an denen sie mitgewirkt hätten, auch wieder abändern zu können. Schließlich seien auch die Kur- und die Neumärkischen Eigentumsrechte aus der Zeit Friedrich Wilhelms I. durch ständische Deputierte formuliert worden, ohne dass die nicht angesessenen Gesamthänder ein Mitwirkungsrecht gehabt hätten. Der Gutachter verkannte die mehrfachen Blockaden, die sich aus der spezifischen Verklammerung der eigentumsrechtlichen Interessen und Kompetenzen der adligen Rittergutsbesitzer einerseits mit den ständischen Strukturen andererseits ergaben. Auf der Ebene der Rittergutsbesitzer war der Gutachter von der Fiktion „eines“ Adels gefangen, indem er die materiellen Widersprüche zwischen den Adligen und ihren Familien/Geschlechtern ausklammerte. Innerhalb der Familie waren die materiellen Interessen der einzelnen männlichen Angehörigen jedoch widersprüchlich, da es mehr Agnaten als Rittergutsbesitzer gab, beide aber zur Gesamten Hand gehörten. Je nach individueller genealogischer Positionierung konnte ein Agnat bei der Reform des adligen Eigentumsrechts gewinnen oder auch verlieren, denn er hatte neben seinen Ansprüchen an das Gut seines Familienzweiges zusätzlich agnatische Ansprüche an anderen Gütern des Geschlechts. Von daher war in größeren und weit verzweigten Familien  



BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, B. , Bl. 8f. Vgl. Rechtliche Erörterung der Frage: Ob die Lehnskonstitution vom . Juni , nach dem Entwurf zur revidierten Lehnskonstitution d.d. Berlin, den . Januar  mit Bestande Rechtens abgeändert werden könne und was dazu erfordert werde, Berlin o. J., in: BLHA, Rep. A Märkische Landschaft – Generalia, Nr. 8. A.a.O, S. 9–.

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eine Konsensbildung nahezu unmöglich. Andere Entscheidungsformen aber gab es nicht. Obendrein unterschied die konstitutionelle Argumentation des Gutachters nicht zwischen den ständischen Strukturen vor und nach . Er berücksichtigte nicht, dass die allgemeinen Landtage des angesessenen Adels, die vor der Allodifizierung der lehnsherrlich-vasallitischen Verhältnisse das Prinzip der Gesamten Hand fest- und fortgeschrieben hatten, seit  nicht mehr einberufen wurden. Der Große Ausschuss der Hufen- und Giebelschosskasse aber konnte die Landtage nicht ersetzen, weil die Kreisritterschaften sich als Korporationen verstanden und sich daher weigerten, ihre Deputierten mit einem freien Mandat auszustatten, und weil der Kreisdeputierte in der Regel Landrat und als Leiter der Kreissteuerbehörde zugleich Beamter war, den der Landesherr auf Vorschlag der Kreiseingessenen ernannte. Die Etikettierung des Deputiertentages von  als „allgemeiner Landtag“ hatte daran nichts ändern können.



Vgl. GStA PK, Rep. , Nr. 9, Bl. –8 sowie Nr. , Bl. 88; BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, Nr. C. 90, Bl. –; Rep. B, Bl.  und Nr. , Bl. –.

 Angehörige der landadligen Elite als ständisch legitimierte Berater bei der Kodifizierung der Eigentumsordnung des märkischen Adels

Durch die 1780 von Friedrich II. initiierte Rechtsreform sollten die allgemeinen und die provinzialen Gesetze je für sich kodifiziert werden,1 die allgemeinen zuerst, die provinzialen anschließend. Diese Reihenfolge war nicht ohne Folgen für die Kodifizierung der späteren Provinzialgesetze, denn vor dem Hintergrund des zuerst kodifizierten allgemeinen Rechts, gestalteten die schließlich doch zugelassenen landständischen Berater ihre Anmerkungen zum Provinzialrecht extensiv und partikular. Als Friedrich II. die umfassende Rechtsreform in Auftrag gab, war von einer landständischen Mitsprache nicht die Rede. Mit Hinweis auf den Landtagsrezess von 1653 reklamierte daraufhin der Große Ausschuss der Hufen- und Giebelschosskasse die Mitspracherechte der Landstände. Vom Justizdepartement erhielt der Ausschuss zunächst die ausweichende Antwort, dass hierzu keine Instruktionen vorlägen.5 Wenig später billigte Friedrich II. den früheren Plan 1





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Vgl. Günter Birtsch, Gesetzgebung und Repräsentation im späten Absolutismus. Die Mitwirkung der preußischen Provinzialstände bei der Entstehung des Allgemeinen Landrechts, (künftig zitiert: Birtsch, Mitwirkung), in: Historische Zeitschrift, Bd. 208, 1969, S. 265–294, hier S. 269. Vgl. Peter Krause, Die Überforderung des aufgeklärten Absolutismus Preußens durch die Gesetzgebung. Zu den Hemmnissen auf dem Weg zum Allgemeinen Landrecht (künftig zitiert: Peter Krause, Hemmnisse), in: Reformabsolutismus und ständische Gesellschaft. Zweihundert Jahre Preußisches Allgemeines Landrecht, hrsg. von Günter Birtsch und Dietmar Willoweit, (= Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte N.F., Bd. 3), Berlin 1998, S. 131–211, hier S. 150f. Vgl. August Freiherr von Haxthausen, Über den Begriff, den Umfang und das Verhältnis des Provinzialrechts zum Allg. Landrechte in der Preußischen Monarchie, (künftig zitiert: Haxthausen, Provinzialrecht), in: Kamptz, Jahrbücher, 43. Bd., S. 3–94, hier S. 44f. Birtsch, Mitwirkung, S. 270. Klaus Vetter, Die Stände im absolutistischen Preußen, (künftig zitiert: Vetter, Stände), in: ZfG, XXIV. Jahrgang, H. 11, 1976, S. 1290–1306, hier S. 1297 und

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Angehörige der landadligen Elite als Berater

seines Großkanzlers v. Carmer vom Juli 1780, Sprecher der Landstände als Gutachter bei der Abfassung der Provinzialgesetze zu hören, wenn der Entwurf des allgemeinen Gesetzbuchs fertig gestellt sein würde.6 Am 10. Oktober erneuerte der Große Ausschuss der ritterschaftlichen Hufen- und Giebelschosskasse seine Anfrage aus dem Sommer. Der Großkanzler vertröstete den Ausschuss mit dem Hinweis auf seinen Plan vom Juli 1780.7 Bis zum Ende der Regierungszeit Friedrichs II. blieb es dabei.8 Unter seinem Nachfolger wurden schließlich ständisch legitimierte Berater sowohl an der Vorbereitung der allgemeinen und als auch an der Formulierung der provinzialen Gesetze beteiligt.9 Eine Mitsprache von Deputierten der Kreisritterschaften war jedoch nicht vorgesehen. Im August 1786 ordnete Friedrich Wilhelm II. für alle Provinzen an, dass „aus jeder Provinz einige mit gehöriger Sachkenntnis versehene Männer von den Ständen […] zu Rathe zu zieh[e]n“ seien; „dergleichen Deputirte“ müssten „von den Ständen fordersamst gewählt und angewiesen werden, ihre Erinnerungen und Bemerkungen“ zum Allgemeinen Gesetzbuch, als auch ihre Anmerkungen zu den „Materien, welche auf die in dieser oder jener Provinz vorhandenen Statuten und hergebrachten Einrichtungen und Verfassungen Einfluss haben, den Regierungen mitzuteilen“.10 Am folgenden Tag beauftragte er das Kammergericht, die kurmärkischen Berater darauf 6

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Birtsch, Mitwirkung, S. 270. Birtsch, Mitwirkung, S. 270f. Zuvor, am 13. Juli, hatte er die kurmärkischen Stände um Vorschläge zur Revision der Hypothekenordnung gebeten. Vgl. Birtsch, Mitwirkung, S. 273. Vetter, Stände, S. 1297. Der erste Entwurf zum Kurmärkischen Provinzialrecht, den das Kammergericht 1784 abgeschlossen hatte, wurde als unvollständig zurückgewiesen. Ein besonderer Abschnitt jenes Entwurfs hatte dem Adel und seinen Eigentumsrechten gegolten, sowie dem Lehen, die streng von einander geschieden wurden, wie schon im Titel – „Von den Adligen, adligen Gütern, ferner von den Rechten und Freiheiten der Adligen und ihrer Güter, so wie von Lehnen“ – angedeutet wurde. Vgl. Das bestehende Provinzialrecht der Kurmark Brandenburg. Im amtlichen Auftrage ausgearbeitet von Carl Scholtz nunmehrigen Dr. von Scholtz und Hermensdorff, Geh. Ober Tribunals-Rath, Zweite, auf Grund der Berathungsverhandlungen und der neueren Gesetzgebung umgearbeitete Ausgabe, Erster Band, Erste Abtheilung, Berlin 1854, (künftig zitiert: Scholtz, Provinzialrecht – 1854), Historische Einleitung S. 20f. Vgl. Krause, Provinzialgesetzgebung, S. 104–116; Birtsch, Mitwirkung, S. 265– 294 sowie Kleinheyer, Stände und ALR, S. 276. Vgl. Rescript an das Kammergericht vom 28. August 1786, in: NCC, Bd. 8, 1786, Sp. 145–148, hier Sp. 146; Klein, Annalen, 1. Bd., Berlin 1788, S. XLIXf und: Patent wegen Publication des neuen allgemeinen Gesetzbuchs für die Preussischen Staaten vom 20. März 1791, in: Allgemeines Gesetzbuch für die Preussischen Staaten, Erster Teil, Band 1, Berlin 1791, Repr. Frankfurt/M. 1985, S. IVf.

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hinzuweisen, ihre Anmerkungen zum Allgemeinen Recht von denen zum Provinzialrecht zu trennen, diese aber der Gliederung des Allgemeinen Gesetzbuches anzupassen,11 dessen erste Lieferungen in gedruckter Form den ständischen sowie den anderen Beratern bereits zugänglich waren.12 Gegen das im März 1791 vollständig publizierte Allgemeine Gesetzbuch, das am 1. Juni 1792 in Kraft treten sollte,13 protestierten einflussreiche Angehörige der Hofkamarilla und des nicht-höfischen Adels. Das Allgemeine Gesetzbuch wurde daraufhin im April 1792 suspendiert und anschließend überarbeitet.14 Die Absicht, bei der Revision des Entwurfs zum Allgemeinen Gesetzbuch eine Konferenz von Vertretern der Justizbehörden und ständischen Beratern aus den Provinzen einzuberufen, scheiterte an der Befürchtung, jene Berater könnten sich vor dem Hintergrund der französischen Revolution für Generalstände begeistern.15 Auch die schließlich auf die provinziale Ebene heruntergestuften sowie der Regie der provinzialen Justizkollegien überantworteten Konferenzen zur Beratung des ALR fanden nicht statt, sondern wurden durch schriftliche Kommunikation ersetzt.16 Das am 5. Februar 1794 über die Köpfe der Landstände hinweg eingeführte „Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten“17 (ALR) erwähnte die ständischen Korporationen des Adels nur beiläufig. Zwar bestätigte das ALR das traditionelle Recht derjenigen Adligen, die Mediatstädte oder herrschaftliche Güter besaßen, „in den Versammlungen des Adels auf Kreis- und Landtagen zu erscheinen, und über die daselbst vorkommenden Angelegenheiten zu stimmen“,18 es enthielt jedoch keine Regeln für die Struktur oder Kompetenz der adligen Korporationen: „Besondere Rechte 11 12 13 14

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NCC, Bd. 8, 1786, Sp. 143–146, hier Sp. 145f.; vgl. auch Krause, Provinzialgesetzgebung, S. 104. Birtsch, Mitwirkung, S. 269. Vetter, Stände, S. 1298. Birtsch, Mitwirkung, S. 284 und Peter Krause, Hemmnisse, S. 131–138. Zur Suspension insgesamt siehe Andreas Schwennicke, Der Einfluss der Landstände auf die Regelung des Preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794, in: Reformabsolutismus und ständische Gesellschaft. Zweihundert Jahre Preußisches Allgemeines Landrecht, hrsg. von Günter Birtsch und Dietmar Willoweit, (= Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte N.F., Bd. 3), Berlin 1998, S. 113– 129. Vgl. Birtsch, Mitwirkung, S. 276. Der Missmut gegen diese reduzierte Form der Mitwirkung bildete den Grundtenor für die adligen Vorbehalte gegen das Gesamtprojekt. Vgl. Peter Krause, Hemmnisse, S. 135. Vgl. hierzu a.a.O., S. 135, S. 164, S. 166ff. und S. 176–180 und Birtsch, Mitwirkung, S. 293. ALR, II. Teil, 9. Titel, § 46.

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und Pflichten des Adels […] als ganzer Stand betrachtet […] sind nach Verschiedenheit der Provinzen durch besondere Gesetze und Verfassung bestimmt“,19 wurden aber nie kodifiziert. Auf der Ebene des Gesamtstaates galt der Adel lediglich als Personenstand, adlige Privilegien waren allein Rechte adliger Individuen.20 Das Allgemeine Recht sollte – wie es im Publikationspatent des ALR hieß – an die Stelle der bisherigen „fremden“ allgemeinen Rechte (römisches, langobardisches, sächsisches Recht und die Reichskonstitutionen) treten und subsidiär nur dann gelten, wenn die Provinzialgesetze, die prinzipales Recht konstituierten, nicht „vollständig geordnet waren, sondern einer Entscheidung nach allgemein geltenden Rechtsnormen bedurften“.21 Die Erfahrung jedoch hatte – nach Haxthausen – gezeigt, „dass weder das Volk, noch die Juristen und Behörden eine völlig abgeschlossene bestimmte Ansicht oder gar eine feste Norm darüber haben, was unter dem Ausdrucke ‚Provinzialrecht‘ zu verstehen sei“. Diese Unklarheit hatte in der Mark ihre Ursache weniger darin, dass das Provinzialrecht aus zahlreichen einzelnen Bestimmungen zusammengesetzt war, die teils mit ständischer Mitwirkung in Landtagsrezessen niedergelegt, teils allein landesherrlichen Ursprungs oder gewohnheitsrechtlicher Art waren, oder gerichtlicher Observanz folgten, sondern vor allem darin, dass einige der für die Provinz geltenden Bestimmungen expressis verbis dem Römischen 19 20

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Siehe ALR, II. Teil, 9. Titel, § 80. „Dem Adel, als dem ersten Stande im Staate liegt nach seiner Bestimmung, die Vertheidigung des Staates, so wie die Unterstützung der äußern Würde und innern Verfassung desselben, hauptsächlich ob. – Zum Adelstande werden nur diejenigen gerechnet, denen der Geschlechtsadel durch Geburt oder Landesherrliche Verleihung zukommt. – Durch Geburt kommt er allen zu, die von einem adlichen Vater aus einer Ehe zur rechten Hand erzeugt, oder darin geboren sind.“ Siehe ALR, II. Teil, 9. Titel, „Von den Rechten und Pflichten des Adelstandes“, §§ 1–3. Vgl. hierzu Thomas Finkenauer, Vom Allgemeinen Gesetzbuch zum Landrecht – preußische Gesetzgebung in der Krise, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung, Bd. 113, 1996, S. 40–216, hier S. 136f. Vgl. Patent wegen des neuen allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten vom 5. Februar 1794, in: Koch, ALR, Erster Teil, erster Band, 3. verm. Aufl., Berlin 1862, S. 5–26, hier S. 8–10 und Haxthausen, Provinzialrecht, S. 20. Haxthausen, Provinzialrecht, S. 3f. Erschwerend kam hinzu, dass der Begriff Provinz territorial und damit (verfassungs)rechtlich uneinheitlich gebraucht wurde. Vgl. a.a.O., S. 48. Rechtlich wurden für die Mark Brandenburg drei Provinzen angenommen, erstens die Altmark; zweitens die Mittelmark, die Uckermark und die Prignitz (diese drei Regionen wurden nach der späteren Abtrennung der Altmark auch als Kurmark bezeichnet) und drittens die Neumark. Für alle drei aber wurde – unbeschadet regionaler Abweichungen – ein gemeinschaftliches Provinzialrecht angestrebt. Vgl. Krause, Provinzialgesetzgebung, S. 118 und S. 122.

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Recht entnommen waren. 1527 führte die „Joachimca“ römisches Erbrecht ein, der Erbfall unter Ehegatten ausgenommen..23 Wo das Römische Recht unklar war, setzte die „Joachimca“ eigene Bestimmungen hinzu. Im Landtagsrezess von 1534 hieß es dann generell, dass „die Gestände Unser Landschaft sich eintrechtig mit Uns vereiniget und verwilliget, daß hinfuhro in Unsern Churfürstentumb und Landen, Keyser Recht gehalten und gesprochen werden soll“.25 Der allumfassende Regelungsbereich des Allgemeinen Landrechts konkurrierte mit nahezu allen Bestimmungen der verschiedenen Provinzialrechte.26 Nur das Erbfolgerecht des Adels, sowie das Erbfolgerecht nicht adliger Eheleute, das Verhältnis zwischen Gutsherrschaft und Privatuntertanen sowie das Lehnrecht sollten durch Provinzialgesetze geregelt werden.27 Dennoch wurde ein allgemeines Lehnrecht in den Korpus des ALR integriert,28 obwohl es ihm „durchaus an einem allgemeinen Maßstabe“   25 26

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Vgl. CCM., T. II, Abt. 1, S. 19 und Kamptz, Sammlung, 1. Abteilung, Nr. 3, S. 24 und S. 26. Vgl. Kamptz, a.a.O., S. 29. Vgl. Kamptz, a.a.O., S. 40. Nahezu wortgleich wiederholt im Landtagsrezess von 1536. Vgl. Kamptz, a.a.O., S. 45 Das ALR war in zwei Teile mit insgesamt 43 Titeln unterteilt und umfasste mehr als 20.000 Paragraphen. Es galt für: „Personen; Sachen; Handlungen; Willenserklärungen; Verträge; Unerlaubte Handlungen; Gewahrsam und Besitz; Eigentum; Erwerbung von Eigentum; Unmittelbare Erwerbung; Erwerbungstitel aus Verträgen unter Lebendigen, oder von Todeswegen; Erwerbung durch Dritte; Erhaltung des Eigentums; Verfolgung des Eigentums; Aufhören von Verbindlichkeiten; gemeinschaftliches Eigentum; geteiltes Eigentum (u.a. Lehn); dingliche und persönliche Rechte auf fremdes Eigentum; von den Rechten auf die Substanz einer fremden Sache (Retrakt- u. Näherrecht); Gebrauch und Nutzung fremden Eigentums (Nießbrauch; Kultivierungspflicht); Gerechtigkeiten der Grundstücke gegeneinander; Zwangs- und Baugerechtigkeiten; Ehe; Rechte und Pflichten der Eltern und Kinder; der übrigen Familienmitglieder; gemeinschaftliche Familienrechte (u.a. Fideikommiss); Herrschaft und Gesinde; Gesellschaften, Korporationen und Gemeine; Bauern; Bürger (einschließlich dem Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch); Adel; Diener des Staates; Kirchen und geistliche Gesellschaften; Schule; Staat (Staatsoberhaupt, Legislation); Staatseinkünfte und fiscalische Rechte; Rechte des Staates (Landstraßen, Ströme, Häfen, Meeresufer); Rechte des Staates auf herrenlose Güter; Rechte und Pflichten des Staates zum besonderen Schutz seiner Untertanen (u.a. Gerichtsbarkeit, einschließlich der Privatgerichtsbarkeit); Vormundschaften und Kuratelen; Armenanstalten und milde Stiftungen; Verbrechen und Strafen (einschließlich des Strafgesetzbuchs für die Preußischen Staaten)“. Vgl. Kleinheyer, Stände und ALR, S. 277. Der Abschnitt „Vom Lehne“ umfasste innerhalb des Titels „Vom geteilten Eigenthume“ mehr als 600 Paragraphen. Vgl. ALR, I. Teil, 18. Titel, § 13–§ 679. Er war

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fehlte, wie Svarez in seinen Vorträgen zur Schlussrevision des Allgemeinen Landrechts feststellte: „Nicht nur gebricht es uns an einer Sammlung von Lehnsgesetzen, welcher […] der Name eines gemeinen Lehnrechts beigelegt werden könnte; indem bekanntermaßen das Longobardische und das Sächsische Lehnrecht mit gleich großem oder geringem Grunde auf die Autorität eines Juris Feudalis communis Anspruch machen; sondern es hat auch jede unserer Provinzen, wo noch Lehne [klassische Lehen sowie die in Anlehnung an traditionelle Lehnrechte gebundenen Familiengüter, D.H.M.] vorhanden sind, ihre eigentümlichen Gesetze und Constitutiones, die so himmelweit von einander verschieden sind, dass auch der mühsam angestellte Versuch, mit Hülfe der Induktion gewisse allgemeine Prinzipien daraus zu abstrahiren, nicht hat gelingen wollen. Wenn man die Eigenschaften eines Pommerschen, eines Preußischen und eines Clevischen Lehns unter einander vergleicht, so sollte man es kaum für möglich halten, daß diese Güter unter die allgemeine Kategorie von Feudis gebracht werden können.“ Die Auflösung der lehnsherrlich-vasallitischen Verhältnisse habe „vollends die Spuren allgemein gültiger Grundsätze eines allgemeinen subsidiarischen Lehnrechts für den Preußischen Staat vertilgt. […] Diesem allen tritt noch der wichtige Umstand bei, daß vielleicht in keinem Theile des Rechtssystems weniger Aenderungen möglich sind, als im Lehnrechte; weil hier aus der ersten Verleihung und deren Bedingungen Jura quaesita [erworbene Rechte, D.H.M.] für eine unabsehliche Reihe künftiger Generationen entstanden sind, in welchen, selbst mit Einwilligung der jetzt vorhandenen Lehnsbesitzer, nichts innoviert werden kann, weil diese den nicht angesessenen, ja in gewissem Betracht, den noch nicht vorhandenen Lehnsberechtigten irgend etwas zu vergeben nicht befugt sein würden. […] Ganz konnte inzwischen diese Materie im Allgemeinen Gesetzbuche nicht übergangen werden. Theils konnte man im Zusammenhange des Systems keine solche Lücke lassen, theils schien es notwendig oder doch nützlich, durch eine möglichst vollständige Aufnehmung der mancherlei im Lehnrechte vorkommenden Gegenstände, sowie durch Aufwerfung und Erörterung der verschiedenen zweifelhaften Fragen, die künftigen Verfasser der Provinzialrechte auf diese Gegenstände soviel möglich aufmerksam zu machen und sie gleichsam in die Nothwendigkeit zu setzen, daß sie, indem sie dem Leitfaden des Gesetzbuchs zu folgen verpflichtet sind, ihren Arbeiten den nöthigen Grad der Bestimmheit und Vollständigkeit zu ertheilen sich bestreben müssen.“29

Nach mehrfacher Aufforderung des Großkanzlers v. Carmer an „die Kurund Neumärkische Landschaft“, eine Abordnung zu wählen, mit der die Provinzialgesetze beraten werden sollten,30 beschloss der Große Aus-

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den allgemeinrechtlichen Regelungen der historischen lehnsherrlich-vasallitischen Verhältnisse gewidmet. Vgl. Svarez, Amtliche Vorträge bei der Schlussrevision des Allgemeinen Landrechts, in: Kamptz, Jahrbücher, Bd. 41, S. III–XVI u. S. 1–208, hier S. 87f. und Koch, ALR, Erster Teil, zweiter Band, 3. verm. Aufl., Berlin 1862, S. 645f., Anm. 1. Krause, Provinzialgesetzgebung, S. 129 und BLHA Rep. 23A, Nr. 543.

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schuss zum Neuen Biergeld im Dezember 1791 ein Komitee zur Beratung des Provinzialrechts zu bilden. Die Ritterschaften der vier Provinzen der Kurmark entsandten je einen und die Städte der Altmark – einschließlich der Prignitz – sowie die der Mittelmark – einschließlich der Uckermark – schickten ebenfalls je einen Berater in dieses Komitee.31 1792 trat je ein Berater für die Landkreise und für die Städte der Neumark, in der es keine landständisch verwaltete Biergeldkasse gab, dem Komitee bei. Das Komitee tagte regelmäßig im Umfeld der Sitzungen des Großen Ausschusses zur Neuen Biergeldkasse und unterrichtete ihn über seine Vorschläge zum Provinzialrecht, aber auch über seine „Monita“ zum Allgemeinen Gesetzbuch, das das Komitee eigenmächtig in seine Erörterungen einbezogen hatte. Vorsitzender war der im Dezember 1779 von Friedrich II. schimpflich entlassene ehemalige Präsident des neumärkischen Oberlandesgerichts Graf Friedrich Ludwig Karl Finck v. Finckenstein. Die Mehrheit der anderen Mitglieder des Komitees, dessen personelle Zusammensetzung variierte, waren Justizbeamte – mitunter der obersten Landesgerichte – und/oder Direktoren der Kreditassoziation für Rittergutsbesitzer, deren erste Chargen unmittelbare und deren nachgeordnete mittelbare Staatsbeamte waren: v. Winterfeld, Kammergerichtsrat und Ritterschaftsdirektor; v. Arnim, Kammergerichtsrat; v. Bismarck, Präsident des altmärkischen Obergerichts; v. Pannwitz, Ritterschaftsdirektor und Domherr des Hochstifts zu Brandenburg; von der Schulenburg, Domdechant in Havelberg; sowie der Landrat v. Mühlheim und drei bürgerliche Justizräte.35 Der Kammergerichtsrat v. Winterfeld war 1780 vom Justizministerium mit der Kodifizierung der Provinzialgesetze betraut worden; v. Arnim wie von der Schulenburg waren 1776/77 – im königlichen bzw. ständischen Auftrag – an der vergeblichen Revision der märkischen Eigentumsordnung und der erfolgreichen Etablierung des kur- und neumärkischen Bürgschaftsverbandes für Rittergutsbesitzer beteiligt gewesen.

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Die Berater aus den Reihen des kurmärkischen Landadels waren offenbar nicht nach den vorgegebenen regionalen Kriterien ausgesucht worden, denn die Berater v. Arnim (Boytzenburg) und v. Winterfeld (Menkin) kamen aus der Uckermark, v. Pannwitz und v. Finckenstein aus der Mittelmark. Krause, Provinzialgesetzgebung, S. 130. Vgl. Vetter, Stände, S. 1298 und Krause, Provinzialgesetzgebung, S. 129f. Ebenda und Günter de Bruyn, Die Finckensteins, 2. Aufl. Berlin 2004, S. 65. Vgl. Krause, Provinzialgesetzgebung, S. 130 und: Hundertfünfzig Jahre Kur- und Neumärkisches Ritterschaftliches Kredit-Institut, [Berlin 1927], S. 15, in: GStA PK, Rep. 87b, Nr. 11410.

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Nachdem das ALR viele der alten, mit landständischer Beteiligung formulierten Gesetze der Provinz marginalisiert und damit große Bereiche der tradierten Mitsprache der Landstände in die Geschichte verabschiedet hatte, wollte das Komitee statt dessen das alte Provinzialrecht konservieren und forderte, diejenigen provinzialen Rechte, die zum Bestandteil des ALR geworden waren, zusätzlich in das Provinzialrecht zu integrieren. Bei der ersten Besprechung mit dem Großkanzler v. Carmer fasste Graf v. Finckenstein diese Konzeption des Komitees zusammen: Der vorgesehene zweijährige Zeitraum zur Sammlung der bestehenden Provinzialrechte sei zu kurz. Deshalb ziehe es das Komitee vor, wenn die Behörden einen Entwurf zum Provinzialrecht vorlegen würden und die Stände anschließend ihre Einwände und Vorschläge formulieren könnten. Und weil römischrechtliche Regelungen für die Provinz durch Landtagsrezesse verbindlich gemacht worden waren, die von den Ständen nach wie vor als Verträge zwischen dem Landesherrn und den Landständen interpretiert wurden, plädierte v. Finckenstein dafür, dass die Änderung sowie die Neuerungen, die das Allgemeine Gesetzbuch enthalte, dem Märkischen Provinzialrecht „einverleibt“ werden sollten.36 Dadurch sollte – so die unausgesprochene Absicht – gewährleistet werden, dass sie auch in Zukunft zum Beratungsbereich der märkischen Landstände gehören würden. Auf der Basis dieser Konzeption reklamierte v. Finckenstein das wohl erworbene Recht der Landstände, diejenigen Passagen des ALR detailliert zu monieren, mit denen die alten Provinzialrechte aufgehoben worden waren. Und so reichte das Komitee mehrfach provinzialrechtlich begründete „Monita“ gegen Regelungen des ALR ein, die sich auf 1436 Einwände addierten.37 Friedrich Wilhelm III. ließ den Deputierten des Komitees im August 1798 mitteilen, dass durch die frühere Implementierung allgemeiner und Römischer Rechte in die provinzialen Landtagsrezesse diese nicht zu provinzialen Gesetzen geworden waren, sondern ihren allgemeinen Charakter behalten hätten. Das Ziel der Rechtsreform sei es, die neuen allgemeinen und provinzialen Gesetze in getrennten Gesetzbüchern niederzulegen. Das ältere allgemeine Recht sei durch das ALR abgeschafft worden, das nunmehr in allen Teilen der Monarchie als subsidiäres Recht gelte. Das allgemeine Recht könne daher nicht mehr Bestandteil der Provinzialgesetze sein: „Diese sind jetzt der eigentliche Gegenstand der Sammlung und Verbesserung, nachdem die subsidiarischen fremden Rechte in allen Provinzen abgeschafft und statt derselben das Allgemeine Landrecht eingeführt

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BLHA, Rep. 23A Kurmärkische Stände, B.543. Krause, Provinzialgesetzgebung, S. 136f.

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worden [ist].“38 Während das Kammergericht bis 1799 alle vom Komitee eingereichten „Monita“ schriftlich beantwortete,39 strich der Präsident des Kammergerichts, v. Kircheisen, zwei Drittel jener Einwände von der Tagesordnung der 1799 beginnenden Konferenzen zwischen der Justiz-Deputation und dem Komitee.40 Als das Komitee nicht von seiner Taktik abwich, wies das Kammergericht 1800 erneut darauf hin, dass dessen Eingaben zum allgemeinen Gesetzbuch grundsätzlich gegenstandslos seien, und die Deputierten sich auf die Ausarbeitung des Provinzialrechts zu beschränken hätten.41 Der Forderung des Komitees, dass die Revision von Gesetzen, die auf Landtagsrezessen beruhten, auch in Zukunft nicht ohne die Mitsprache der Stände gültig werden dürfe, konnte das Kammergericht nicht nachkommen, versprach aber, diese Forderung zur „höheren Entscheidung“ weiterzureichen. Das Komitee blieb daher zunächst bei seiner Taktik, vor allem „Monita“ zum ALR zu formulieren, legte dann aber schließlich doch Entwürfe zu den neuen Provinzialgesetzen vor, insbesondere zum Lehnrecht. Noch bevor das Komitee die Beratungen über seine „Monita“ zu den 667 lehnrechtlichen Paragraphen des ALR beendete, hatte 1796 der Landschaftssyndikus Eltester „Bemerkungen“ zum Lehnrecht des ALR formuliert, „wie diese Materie im Kurmärkischen Provincial Gesetzbuche abzuhandeln seyn möchte“. Ob, wie und von wem Eltester, der schon 1750 und 1784 an den Entwürfen zur Revision der Eigentumsordnung von 1723 beteiligt gewesen war, dazu legitimiert war, liegt im Dunkeln. Eltesters „Bemerkungen“ hielten sich nicht an die Vorgabe, den Entwurf entsprechend der Gliederung des ALR zu gestalten. Das Komitee veränderte anschließend den Entwurf des Landschaftssyndikus und passte ihn der Gliederung des ALR an.45 Beide Texte wurden in den ritterschaftlichen Kreisen diskutiert und in einer abschließenden Konferenz im Dezember 1800 beraten, 38 39

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Zit. n. Scholtz, Provinzialrecht – 1854, Allgemeine Einleitung, S. 25f. Krause, Provinzialgesetzgebung, S. 131. Die Konferenzen zwischen der Deputation des Kammergerichts und dem Komitee wurden bis 1804 fortgeführt und durch die napoleonischen Kriege unterbrochen. Vgl. Krause, Provinzialgesetzgebung, S. 144. A.a.O., S. 138f. A.a.O., S. 133–137. A.a.O., S. 142f. Vgl. GStA PK, Rep. 84 II 5 M, Nr. 4, Vol. 5, Fasz. 1 und Scholtz, Provinzialrecht – 1834, S. 201. Vgl. BLHA Rep. 24A Kurmärkische Stände, B. 616, Bl. 1f. und GStA PK, Generaldirektorium, Abt. 14, Kurmark-Materien, Tit. CCXXXX, Nr. 5. In den „Monita“ wird auf ein „Pro Memoria“ vom 13. Dezember 1798 Bezug genommen. Vgl. GStA PK, Rep. 84 II 5 M, Nr. 4, Vol. 5, Fasz. 2.

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die parallel zu der jährlichen Sitzung des Großen Ausschusses Biergeldkasse der kurmärkischen Landstände stattfand.46 Diese Beratungskonferenz war keine Versammlung von Deputierten ständischer Körperschaften, obwohl das Protokoll – im altständischen Sinne – von „Deliberationen“ sprach.47 Die Teilnehmer der Beratungskonferenz und die Mitglieder des Großen Ausschusses der Biergeldkasse trafen sich zu gemeinsamen Besprechungen, die nicht ohne Einfluss auf die Beratungskonferenz waren. Einmal bestätigte der Amtsrat Brewert, Sprecher der sieben alten Kreise der Neumark, dass die Neumark, die nicht der Biergeldkasse angehörte, an ihrem „gestrigen Beschluß“ festhalte, ein anderes Mal „traten“ die Altmark und die Prignitz von einem „vorigen Concluso wieder zurück“.48 Als der Sprecher der Prignitz, v. Jagow, versuchte, die ständische Karte offen zu spielen und namens seiner „Committenten“ eine eigene Lehnsverfassung für die Prignitz vorlegte, stieß er auf Widerstand: „Allein dieser Antrag ward von allen übrigen Herren Deputierten verworfen, umso mehr, als die Prignitz, auf deren Lehngüter auch Vasallen aus anderen Provinzen Ansprüche hätten oder haben könnten, zu einer solchen Abänderung auch nicht in der Provinz selbst befugt wäre. Übrigens will der Herr […] v. Jagow den ganzen Entwurf […] wie ihm derselbe von seinen Committenten zugefertigt worden, bei Beendigung der jetzigen Deliberation ad acta geben.“49 Ebenso war zuvor mit einem „Vorbehalt“ der Neumark verfahren worden. Auch dieser wurde zu den Akten gegeben, nachdem entschieden worden war, von ihm „keinen weiteren Gebrauch zu machen, noch dies Moni[tum] aufzunehmen sei“, da die Neumark „beschlossen“ habe, an ihrer Lehnskonstitution von 1724 unverändert festhalten zu wollen. „Auch könnten die 7 alten Kreise der Neumark unmöglich berechtigt sein, etwas zu beschließen, wodurch die Rechte der Agnaten in der übrigen Neumark und der Kurmark und den übrigen Ein- und Auslande tangiert würden.“50 Die Beratungskonferenz plädierte in der Regel für den Entwurf des Landschaftssyndikus, akzeptierte hin und wieder Änderungsvorschläge des 46

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Die dritte Sitzung der Konferenz wurde am 5. Dezember mit der Bemerkung vorzeitig beendet, dass „die Berathschlagung über anderweitige Gegenstände von ständischem Interesse (laut besonderem Protokoll) einen bedeutenden Teil der Zeit weggenommen hatte“. Vgl. GStA PK, Rep. 84 II M Nr. 4, Vol. 5, Fasz. 1, Bl. 95. Vgl. GStA PK, Rep. 84 II M Nr. 4, Vol. 5, Fasz. 1, Bl. 90–104, hier Bl. 90. Das Protokoll der Konferenz enthält kein Teilnehmerverzeichnis. Namentlich genannt werden nur der Sprecher der sieben alten Neumärkischen Kreise, Amtsrat Brewert, und der Sprecher der Prignitz, der Deichhauptmann v. Jagow. Vgl. GStA PK, Rep. 84 II M Nr. 4, Vol. 5, Fasz. 1, Bl. 90–104, hier Bl. 90v und Bl. 92. Vgl. GStA PK, Rep. 84 II M Nr. 4, Vol. 5, Fasz. 1, Bl. 93 und Bl. 104. Vgl. a.a.O., Bl. 90v und Bl. 92. Vgl. a.a.O., Bl. 94v.

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Komitees und übernahm mitunter auch Anregungen aus den eigenen Reihen. Das Komitee wiederum schloss sich nicht allen Ratschlägen der Beratungskonferenz an, sondern formulierte – ohne erneute Rücksprache mit der Konferenz – einen eigenen Entwurf, der als Grundlage für die Konferenzen mit den Vertretern des Kammergerichts diente. Im Kriegsjahr 1806 wurden diese Beratungen unterbrochen und danach nicht wieder aufgenommen.51 Im ersten Paragraphen des Entwurfs des Landschaftssyndikus52 hieß es, dass die Eigentumsordnung von 1723 das „Grundgesetz“ der Eigentumsordnung bleiben solle. Das Komitee variierte diese Formulierung dahingehend, dass jene Konstitution das „erste Grundgesetz für die Ritterlehn“ sei und es der Ritterschaft vorbehalten bleibe, sie abzuändern.53 Die Eigentumsordnung von 1723 sei dem Provinzialgesetz übergeordnet, mache aber „das gemeine Lehnrecht“ nicht überflüssig. Das Komitee verwies darauf, dass die Eigentumsordnung von 1723 den „Lehns-Nexus“ mit dem „Landesherrn“ nicht vollständig aufgehoben habe und verwies auf den besonderen Untertänigkeitseid, der seit 1720 den Rittergutsbesitzern abverlangt werde, weshalb weiterhin von Vasallen zu sprechen sei. Mit diesem Eid hätten die Rittergutsbesitzer „Freiheiten und Vorzüge, sowohl dingliche als persönliche, vor anderen Unterthanen behalten“, womit sie auf ihre gutsherrlichen Privilegien anspielten. Auch gäbe es weiterhin klassische Lehnsverhältnisse sowohl für Erbämter oder Dignitäten, aber auch bei den Afterlehen der Familien v. Puttlitz, von der Schulenburg und v. Knesebeck, sowie des Magistrats von Frankfurt und des Johanniter-Ordens. Die Beratungskonferenz fügte zu den genannten Afterlehen noch die Lehen der Domkapitel hinzu und wollte das Wort „Ritterlehn“ im Zusammenhang mit jenem „erste[n] Grundgesetz“ durch „Lehn“ und den Begriff „Grundgesetz“ 51

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Vgl. Krause, Provinzialgesetzgebung, S. 146 und Scholtz, Provinzialrecht – 1854, Allgemeine Einleitung, S. 28f. und Historische Einleitung, S. 117. Im selben Jahr wurde der behördliche Entwurf des Kammergerichtsrats Wilke veröffentlicht, jedoch als „Privatentwurf“ maskiert. Vgl. N.N., Provinzial- und andere spezielle Verfassungen betreffende neue Gesetze oder Erläuterungen der älteren, (künftig zitiert: Wilke, Lehnrecht), in: Mathis, Juristische Monatsschrift, 2. Bd., 1806 (im Titelblatt fälschlich 1809), S. 492–547. In der Fußnote auf S. 492 ist von dem Privatentwurf eines „der ersten Rechtsgelehrten“ die Rede. Krause weist auf Wilke als Autor hin (Vgl. Krause, Provinzialgesetzgebung, S. 125). Der spätere amtliche Redakteur des Kurmärkischen Provizialrechts, Carl v. Scholtz, der die Akten des Kammergerichts eingesehen hatte, nennt den Kammergerichtsrat Wilke als Autor dieses internen Entwurfs des Justizministeriums zum Märkischen Lehnrecht von 1795. Vgl. Scholtz, Provinzialrecht – 1854), Allgemeine Einleitung, S. 23. Der Entwurf von Eltester in: GStA PK, Rep. 84 II M Nr. 4, Vol. 5, Fasz. 1, Bl. 60– 86. Der Entwurf des Komitees in: GStA PK, Rep. 84 II 5 M, Nr. 4, Vol. 5, Fasz. 2.

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durch „Grundverträge“ ersetzt wissen. Das Komitee übernahm diese Anregungen,54 stellte jedoch die Hierarchie der Rechtsvorschriften – Eigentumsordnung, Provinzialgesetz, ALR – auf eine neue Basis: Die Familienverträge seien der Konstitution von 1723 übergeordnet, diese Eigentumsordnung dem geplanten Provinzial-Lehnrecht und dieses dem bestehenden ALR. Wenn nach wie vor vom „Lehnrecht“ die Rede war, so deshalb, weil seit der Auflösung der lehnsherrlich-vasallitischen Verhältnisse die Eigentumsordnung für märkische Familiengüter neben den traditionellen provinzialen Lehnrechten stand, die mit der Konstitution von 1723 nicht aufgehoben worden waren. Das neue Provinzial-Lehnrecht sollte die privatrechtliche Eigentumskonstitution des ehemaligen Lehnadels und das provinziale Lehnrecht vereinigen, das nur in Bruchstücken geschriebenes Recht war. Da durch die märkische Eigentumsordnung von 1723 nicht alle aufkommenden Rechtsstreitigkeiten geregelt werden konnten, hatten die Richter bei der Beurteilung eines Rechtsstreits und der Begründung ihrer Entscheidung auf die historischen Lehnrechte zurückgegriffen. Wenn ein solcher Rückgriff nicht möglich gewesen war, hatten landesherrliche Einzelentscheidungen aushelfen müssen.55 Die Vereinigung der Eigentumskonstitution mit dem provinzialen Lehnrecht anzustreben lag rechtsgenetisch nahe und wurde durch den nostalgischen Sprachgebrauch erleichtert, der Familiengüter, die nach erbrechtlichen und nach lehnrechtlichen Regeln verfasst waren, weiterhin als „Lehn“ bezeichnete. Schon in der Zeit zwischen der Verabschiedung der adligen Eigentumsordnung von 1718 und ihrer Deklarierung im Jahre 1723 hatten die Kreisdeputierten ihren revidierten Entwurf als „Lehnskonstitution“ bezeichnet.56 War in der „Constitution“ von 1718 von „vormaligen Lehn“ die Rede, so sprach der Entwurf zu ihrer Deklaration bereits vom „Lehn“.57 In der Folgezeit wurden die deklarierte Eigentumsordnung von 1723, wie auch die meisten der späteren Revisionsentwürfe, als „Lehnskonstitution“ bezeichnet.58 54 55

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Und ersetzte den „Magistrat von Frankfurt“ durch „Magisträte der Städte und andere Korporationen“. So rekurrierte 1795 der behördeninterne Entwurf des Kammergerichtsrats Wilke im lehnrechtlichen Teil zum märkischen Provinzialrecht bei einem Zehntel aller Paragraphen auf Gerichtsurteile (39), Edikte (4), oder Rescripte (5). Vgl. Wilke, Lehnrecht, S. 492–547. Vgl. BLHA, Rep. 23A Kurmärkische Stände, B. 615, Bl. 316–365; vgl. auch den Titel der Konstitution in: BLHA, Rep. 23A Kurmärkische Stände, B. 615, Bl. 195– 201 und Kamptz, Sammlung, 2. Abteilung, Nr. 143, S. 271–281. Vgl. BLHA, Rep. 23A Kurmärkische Stände, B. 615, Bl. 195–201 und Kamptz, Sammlung, 2. Abteilung, Nr. 143, S. 271–281. Vgl. den Beschluss des Landschaftlichen Kreditwerks vom 27. Juni 1747, in: BLHA, Rep.23A Kurmärkische Stände, A 56, Bl. 10f. Der daraus folgende Ent-

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Der Landschaftssyndikus, das Komitee und die Beratungskonferenz wollten, dass die Frage, wem das Lehen im Erbfall zufallen solle, und wer mit Geld abzufinden sei, nicht durch brüderlichen Vergleich oder durch Losentscheid, sondern vom Erblasser entschieden werden sollte. Auch sollte der Erblasser nicht an die Quoten für die Abfindung oder die Aussteuer gebunden sein, welche seine Söhne und Töchter seit 1723 aus dem Familiengut beanspruchen konnten. Die Abfindungsquoten sollten nur dann gelten, wenn der Vater nichts anderes bestimmt hatte. Würde der Vater das Gut weder teilen, noch den einzigen Übernehmer bestimmen, würden „Gleichberechtigte […] gleiches“ erhalten.59 Würden sie das Familiengut nicht gemeinschaftlich bewirtschaften können oder wollen und würde es aus mehreren Gütern oder Teilgütern bestehen, die ohne wirtschaftlichen oder standesrechtlichen Nachteil auch einzeln genutzt werden könnten, müssten die Güter von einander getrennt werden, wobei das Privileg aus dem Landtagsrezess von 1653 bestehen bleiben sollte, zur Errichtung eines Rittersitzes Bauern auskaufen zu dürfen. Konnten sich die Gutserben nicht auf dessen Wert einigen, sollte die Landtaxe von 1719/20 gelten. Abfindungsansprüche hätten solange mit 5% aus der Substanz des väterlichen Gutes verzinst werden müssen, bis der Erwerb eines neuen Familiengutes nachgewiesen werden würde. In den nicht wieder angelegten Geldanteil sollte nach den gleichen Regel sukzediert werden, wie in das Familiengut selbst. Der Deszendent, der das Familiengut erbte, sollte – wie bisher – entweder das Gut und den individuellen Nachlass zusammen annehmen oder auf beide verzichten müssen und damit eventuell einem Bruder oder einem Agnaten den Vortritt lassen.60 Die ständischen Berater

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wurf von 1750 wurde zwar in Anlehnung an die deklarierte Eigentumsordnung von 1723 noch als „Anderweitig declarierte und vermehrte Constitution“ bezeichnet, definierte sich aber abschließend als „Lehns-Constitution“, siehe BLHA, Rep.23A Kurmärkische Stände, B. 617, Bl. 1–30. Vgl. hierzu auch: BLHA, Rep. 23A Kurmärkische Stände, B. 615, Bl. 144 und C. 3491, Bl. 106. Der offiziöse Entwurf einer revidierten Eigentumsordnung von 1777 war mit „Entwurf zur revidirten Lehns-Konstitution“ überschrieben, vgl. BLHA, Rep. 53A Märkische Landschaft, Nr. 48. Auch der Entwurf von 1784 firmierte als „Entwurf einer Lehnskonstitution“. Vgl. BLHA, Rep. 23A Kurmärkische Stände, B. 616, Bl. 101. Selbst der Minister für die „Revision der Gesetzgebung“, Carl Albert v. Kamptz, ansonsten auf penible Wortexegese bedacht, dokumentierte 1832 die „Deklarirte Constitution“ von 1723 unter der irreführenden Überschrift „Declarirte Lehnskonstitution“. Siehe Kamptz, Sammlung, 2. Abteilung, S. 463. Vgl. § 145 des Entwurfs von Eltester, in: GStA PK, Rep. 84 II M Nr. 4, Vol. 5, Fasz. 1. Vgl. die §§ 22, 24, 30 und 33 des Entwurfs von Eltester, in: GStA PK, Rep. 84 II M Nr. 4, Vol. 5, Fasz. 1. Auch der Ausschluss vom Erbe sollte sich auf beide Teile des Nachlasses beziehen. Der Pflichtteil aus dem allodialen Erbe sollte einem

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begünstigten mithin weiterhin die solventen Agnaten, während das ALR dagegen den besitzenden Familienzweig konservieren wollte, denn es hatte verfügt, dass Abkömmlinge, wenn sie das Familien- und das individuelle Erbe nicht als Ganzes ausschlagen würden, nur das Familiengut annehmen könnten, dass sie aber gleichwohl für die individuellen Schulden hafteten, wenn der allodiale Nachlass nicht ausreichte. In diesem Fall hätten sie die restlichen Verbindlichkeiten des Erblassers aus den Einkünften des Familiengutes befriedigen müssen, wobei ihnen die Kosten für einen notdürftigen Lebensunterhalt reserviert bleiben sollten. Sie würden mithin Eigentümer des Nutzungsrechtes am Familiengut bleiben, auch wenn sie, wie eventuell ihre Deszendenz, zeitweilig nicht den vollen Nutzen daraus würden ziehen können.61 Eltester, das Komitee und die Beratungskonferenz wollten den agnatischen Konsens62 für subsidiarische Familienschulden63 und für diejenigen Verbindlichkeiten aufheben, die als Schulden „per se feudalia“ (gesetzliche Schulden) galten.64 Die Befreiung vom Konsens sollte auch für kreditfi-

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Enterbten jedoch nur entsprechend den gesetzlichen Vorschriften entzogen werden können. Vgl. ALR, I. Teil, 18. Titel, §§ 274–276 und §§ 278–279. Die Regelung der agnatischen Konsense hatte das ALR ausdrücklich den Provinzialgesetzen überlassen. Vgl. ALR, I. Teil, 18. Titel, § 230. Eltester und die Beratungskonferenz waren sich darin einig, dass die Deszendenz des Besitzers weiterhin von dem Konsensverfahren ausgeschlossen und verpflichtet war, alle Dispositionen ihres Aszendenten, einschließlich der Veräußerung, gegen sich gelten zu lassen. Dagegen war der ursprüngliche Entwurf des Komitees am ALR orientiert, das der Deszendenz Rechte einräumte, die traditionell nur den Agnaten zustanden. (Siehe ALR, I. Teil, 18. Titel, §§ 266–267 und §§ 269–270.) In seinen „Concludierten Monita“ übernahm das Komitee später die Konzeption von Eltester und der Konferenz. Als subsidiarische Familienschulden, mit denen – in Ermangelung individueller Mittel – das Gut belastet werden konnte, galten: der rückständige Gesindelohn des letzten Jahres; die Kosten für das Begräbnis des „Lehnlassers“ bis zu 50 Talern; die der Witwe versprochenen Trauer-Pferde und -Wagen, wenn sie nicht in natura vorhanden waren; die versprochene aber noch nicht bezahlte Morgengabe; die Rückstände für den Canon, Contribution etc. des letzten Jahres; Kredite für Studien und Equipage der Söhne; das Sondervermögen der Frau, das, solange nicht das Gegenteil bewiesen wurde, als ins Lehen verwandt galt. Zu den Schulden „per se feudalia“ wurden gezählt: die „nötigen“ Verlöbnis- und Hochzeitskosten der Söhne; die Abfindung der Brüder; die Aussteuer der Töchter und die der Schwestern des Vaters; das eingebrachte Ehegeld, das Gegenvermächtnis und das Sondervermögen der Frau, insofern sie „erweislich ins Lehn wirklich“ verwendet worden waren, Wohnungs- und Alimentationskosten der Witwe, Töchter und Schwestern; wirkliche und bleibende Meliorationen; das rückständige Kaufgeld für ein neues, gesamthänderisch gebundenes Gut; das bezahlte Wieder-

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nanzierte Investitionen gelten. Bei Veräußerungen sollte die Verpflichtung zum agnatischen Konsens jedoch beibehalten bleiben. Für die gesetzlichen sowie die subsidiarischen Schulden und für andere konsentierte Schulden sollte zukünftig die Substanz des Gutes haften, für nicht-konsentierte Schulden allein die Erträge. Wäre ein Agnat oder ein Mitbelehnter nicht zum Veräußerungskonsens hinzugezogen worden,65 sollten er, oder seine Deszendenz, dreißig Jahre nachdem sie zur Sukzession gelangt sein würden, das Gut zurückfordern können, ein Vorschlag, der sich am pommerschen Lehnrecht orientierte. Die Übergabe des Gutes an die Agnaten oder Mitbelehnten hätte zunächst unentgeltlich zu geschehen. Der fremde Besitzer hätte jedoch als redlicher Erwerber behandelt und für die Übergabe des Gutes entschädigt werden müssen. Die Absicht, abweichend von der geltenden Eigentumsordnung den agnatischen Konsens für subsidiarische wie für gesetzlich bedingte Schulden abzuschaffen und sie als gewöhnliche Grundschulden zu werten, sowie die uneingeschränkte Gewährungspflicht der Deszendenz für alle Dispositionen des Aszendenten, ist als Reaktion auf die Etablierung der Kreditassoziation für Rittergutsbesitzer zu werten. Zwar konnte auch der Besitzer eines Familiengutes Kredite beim märkischen Bürgschaftsverband beantragen, er hatte jedoch die Einhaltung aller Bestimmungen aus der Eigentumsordnung von 1723 nachzuweisen, was mit erheblichem Aufwand und zeitlichen Verzögerungen verbunden, wenn nicht unmöglich war. Die geplante Abschaffung der agnatischen Konsenspflicht bei subsidiarischen oder bei gesetzlichen Schulden sollte die Beleihung des Gutes mit Pfandbriefen erleichtern, setzte aber zu ihrer Absicherung voraus, dass die Deszendenz weiterhin unmittelbar gewährungspflichtig blieb. Die Beratungskonferenz plädierte mit dem Komitee dafür, dass die Sukzessionsordnung, die kein Bestandteil der Eigentumsordnung war, provinzialrechtlich wie im ALR geregelt werden sollte.66 Damit wären die

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kaufgeld, wenn ein Familiengut wegen obiger Schulden, oder mit agnatischen Konsens wiederkäuflich veräußert worden war und der Kredit für den kapitalisierten „Lehnscanon“. Die Begriffe „Agnat“ und „Mitbelehnter“, in den verschiedenen Entwürfen oft synonym gebraucht, sind im ALR, I. Teil, 18. Titel, §§ 15–16 definiert. Danach war Agnat ein genealogischer Begriff, während der Mitbelehnte einem anderen Geschlecht angehörte, das in die Gesamte Hand aufgenommen worden war. Aus Agnationsrechten allein konnten keine Sukzessionsrechte abgeleitet werden, weil diese weiterhin an die Kriterien der Lehnsfähigkeit gebunden waren. Vgl. ALR, I. Teil, 18. Titel, §§ 387–394. Zum Sukzessionsrecht im ALR bemerkte Svarez: „Da übrigens die Lehnsgesetze wegen der Succession wohl kaum in zwei Provinzen mit einander harmoniren werden, so kann man desto unbedenklicher im Allg. Gesetzbuche diejenige Successionsordnung annehmen, welche der Natur der

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unterschiedlichen Sukzessionsordnungen der verschiedenen märkischen Regionen67 vereinheitlicht worden. Das ALR sah die Linealsukzession vor. Danach traten Enkel oder Urenkel in direkter Linie an die Stelle ihrer vor dem Erbfall verstorbenen Väter oder Großväter, d.h. sie sukzedierten mit ihren Onkeln in den Familienbesitz ihrer Großväter oder Urgroßväter.68 Danach sukzedierten, wenn der verstorbene Besitzer zwei Söhne gehabt hatte, wovon einer vor dem väterlichen Erblasser gestorben war und zwei Söhne hatte, ein Sohn und zwei Enkel, wobei der Sohn die Hälfte, die beiden Enkel je ein Viertel des hinterlassenen Familiengutes beanspruchen konnten. Hatte der Besitzer keine männliche Deszendenz, sukzedierten diejenigen Agnaten, die mit dem Verstorbenen vom nächsten gemeinsamen Vorfahren herkamen.69 Im Extremfall war die Berechtigung zur Sukzession genealogisch bis hin zum „ersten Erwerber“ zurückzuverfolgen, um alle agnatischen Seitenverwandten zu ermitteln.70 Um zu vermeiden, dass alle männlichen Seitenverwandten gleichen Grades des ersten Erwerbers das Gut real teilten, wozu sie durch die ursprüngliche Belehnung zur Gesamten Hand berechtigt gewesen wären, wies das Komitee darauf hin, dass seit der Einführung des – allgemeinen – longobardischen Lehnrechts die beim Wechsel des Lehnsherrn obligaten Lehnserneuerungen nicht mehr für den Stammbaum des ganzen Geschlechts oder der ganzen Familie – also genealogisch rückwirkend – erfolgt waren.71 Der ursprüngliche Stammbaum des Geschlechts bzw. der

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Sache die angemessenste ist, und es den Ständen überlassen: inwiefern sie solche befolgen, oder ihre Provinzial-Constitutiones beibehalten wollen.“ Zitiert nach: Koch, ALR, Erster Teil, zweiter Band, 3. verm. Auflage, Berlin 1862, S. 703f., Anm. 48. Vgl. Mathis, Juristische Monatsschrift, Bd. 1, 1805, S. 263–275. Lediglich die Sukzessionsrechte der weiblichen Deszendenz sollten weiterhin regional unterschiedlich bleiben. Bei der Sukzession von Brüdern sollten nur die Brüderkinder, wenn ihr Vater vor dem Großvater gestorben war, sukzedieren können, nicht aber Brüderenkel. Hatte der Besitzer keine lehnsfähigen Verwandten, konnte er über das Lehen frei verfügen. Sein individueller Nachlass wurde nach dem provinzialen Erbrecht verteilt. Gab es außer Brüdern, oder gleich nahen Vettern, keine weiteren Agnaten, so konnten diese disponieren, wie sie wollten, also das Familiengut auch von den eigentumsrechtlichen Bindungen befreien. „Die Grade der Verwandtschaft werden durch die Zahl der Geburten bestimmt, mittels welcher zwei verwandte Personen auf einen gemeinschaftlichen Ursprung sich beziehen.“ ALR, I. Teil, 1. Titel, § 45. Mit der „Zahl“ der Geburten waren nicht die innerhalb einer Generation gemeint, sie war also nicht auf die Geschwister, sondern auf die Generationen bezogen. Vgl. Koch, ALR, Erster Teil, erster Band, 4. verm. Aufl., Berlin 1862, S. 109. Zwar gäbe „es in der Mark noch Lehn […], die gesamte Hand haben“ – gemeint waren die feuda oblata (Stammlehen) des ehemals autonomen Adels – die „gesam-

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Familien war somit durch mehrere jüngere familiale Stammbäume abgelöst und damit die Anzahl der Gesamthänder verringert worden.72 Denn den oder die ersten Erwerber und deren lehnsfähige, sowie die nicht abgeschichtete Deszendenz zu erkunden, war oft zeitraubend, manchmal auch erfolglos und – sofern umstritten – kostspielig. Ein adliges Personenregister gab es nicht. Mancher Agnat war nicht auffindbar oder genealogisch zu verorten, denn Genealogie war Privatsache. Als weitere Schwierigkeit kam hinzu, dass bei den Familiengütern das agnatische Sukzessionsrecht nicht allein genealogisch vermittelt, sondern – wie bei den früheren „Ritterlehn“, oder auch „alten Lehn“ – zusätzlich an die persönliche Sukzessionsfähigkeit (eheliche Geburt) des Deszendenten gebunden war. So zog sich ein Erbschaftsstreit in dem Geschlecht der v. Bredow mehr als sechs Jahre hin. Die Parteien legten Lehnbriefe vor, die 350 Jahre alt waren, und karteten 100 Positionen im Stammbaum nach. Und da der Kreis der Berechtigten nicht immer dokumentarisch nachweisbar war, mussten sich die Parteien vergleichen, was bei unauffindbaren Agnaten, die 125 Jahre vor dem Erbschaftsfall geboren worden waren, unstrittig war, bei solchen, die 75 Jahre hätten sein können, aber für Zündstoff sorgte. Und weil viele der in Frage kommenden den gleichen Vornamen hatten, musste gründlich recherchiert werden, ob jemand Großvater, Vater oder Enkel eines Seitenverwandten war. Dabei konnte auch die Zeugungsfähigkeit derjenigen Vorfahren zur Debatte stehen, von denen behauptet oder bestritten wurde, dass sie – obwohl hoch betagt – noch Vater geworden wären. Die eidlich bezeugte Aussage, ein vor langem verstorbener Ehemann habe neun Monate vor der Geburt seines letzten Deszendenten noch einen „Rittersprung“ vollführt, also in voller Rüstung ein Pferd bestiegen, galt als Beweis seiner Vaterschaft. Als einer der v. Bredows, vom jahrelangen Tauziehen entnervt, auf seine Ansprüche verzichtete, bedrängten ihn die übrigen Beteiligten, dies nicht

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te Hand“ aber hätte „seit der Einführung des longobardischen Lehnrechts nicht gegolten“. Vgl. die Anmerkungen Komitees zu den §§ 411–412, die mit dem kryptischen Hinweis auf „Böhmer, jus feudale § 160“ belegt wurden. (Vgl. GStA PK Rep. 84 II 5 M Nr. 4, Vol. 5, Fasz. 2.) Gemeint war offenbar: Georg Ludwig Böhmer, Principia juris Feudalis praesertim Longobardici quod per Germaniam obtinet, Göttingen 1795. Die Beratungsversammlung formulierte die Zurückweisung der Gesamten Hand des ursprünglich belehnten Geschlechts noch schärfer: „Die gesamte Hand hat in der Mark seit Einführung des Longobardischen Lehnrechts nicht gegolten, […] und gilt also auch jetzt nicht.“ Vgl. GStA PK, Rep. 84 II 5 M, Nr. 4, Vol. 5, Fasz. 1, Bl. 94v. Wobei die Familienzweige untereinander sich meist die Mitbelehnschaft zugesichert hatten, die erst dann rechtswirksam wurde, wenn der ursprünglich beliehene Familienzweig erloschen war. Bis dahin hatten die Mitbelehnten keine Rechte aus der Gesamten Hand.

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zu tun, da sich durch seinen Verzicht ein neues genealogisches Labyrinth aufgetan hätte.73 Ein weiteres Hindernis, erb- und sukzessionsrechtliche Ansprüche auseinander zu halten, war die Schwierigkeit, die oft alten Dokumente über familiale Teilungs-, Abschichtungs- oder Abtretungsverträge aufbieten zu müssen. Die Vorschrift aus der Hypothekenordnung von 1722 und der märkischen Eigentumsordnung, wodurch die Besitzer verpflichtet waren, alle Agnaten, Gesamthänder und Mitbelehnten ins Sukzessionsbuch eintragen zu lassen, hatte die erhoffte Wirkung nicht erzielen können, weil die Besitzer wegen der „weitläufigen und zerstreuten Familien, solche sämtlich anzugeben, nicht im Stande gewesen“, und die vom Landrat „jährlich einzusendenen Vasallentabellen“ bisher mit „gantz unverantwortlichen Unrichtigkeiten und Mängeln“ behaftet waren.74 Deswegen hatte das Edikt vom 4. August 1763 für die Mark vorgeschrieben, „dass all diejenigen, welche an vormalige, nun aber in Ansehung des Lehns-Herrn vererbte, Lehne ein Sukzessions-Recht haben, es sey aus einer Mitbelehnschaft, Versammlung zur gesammten Hand, Erb- und Lehns-Verträgen, pactis Familiae, Anwartschaft, oder sonst aus irgend einem Grunde, weshalb sie für künftige Lehns-Folger angesehen werden können, bei Verlust ihres Sukzessions-Rechts verbunden seyn sollen, binnen Jahresfrist […], solches bei der Lehns-Registratur einer jegliche Provinz, worinnen die Güter belegen sind, anzuzeigen“.75 Gleichzeitig wurde verordnet, die Sukzessions- und Landbücher „soforthin nicht von einander abzusondern, sondern zusammen zu führen“ und entsprechend zu gestalten.76 Den Beweis ihrer Berechtigung hatten die Agnaten, Gesamthänder und Mitbelehnten selbst zu erbringen. Da dies zeitraubend sein konnte, durften sie sich erst melden und die Beweise später vorlegen. In seinem Protest 73 74

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Vgl. BLHA, Rep. 4A, Nr. 242. Edikt wegen der Gesamt-Händer und des Successions-Rechts, vom 4. August 1763, in: NCC, Bd. 3, 1763, Sp. 255–264, hier Sp. 256, vgl. auch Kamptz, Sammlung, 2. Abteilung, S. 712–721, hier S. 713. Edikt wegen der Gesamt-Händer und des Successions-Rechts, vom 4. August 1763, in: NCC, Bd. 3, 1763, Sp. 255–264, hier Sp. 257 und Kamptz, Sammlung, 2. Abteilung, S. 712–721, hier S. 716. Edikt wegen der Gesamt-Händer und des Successions-Rechts, vom 4. August 1763, in: NCC, Band 3, 1763, Sp. 255–264, hier Sp. 263 und Kamptz, Sammlung, 2. Abteilung, S. 712–721, hier S. 720. Diese Anordnung wurde nicht befolgt, offensichtlich, weil die Stände die Vorschriften über die eigenständige Verwaltung der Successions- und Landbücher als einen Vertrag interpretierten, der zwischen ihnen und dem Landesherrn abgeschlossen worden war, und nach ihrer Meinung nicht durch die Gesetzgebung einseitig hätte verändert werden können. Vgl. BLHA, Rep. 23A Kurmärkische Stände, B. 621, Bl. 12–17.

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gegen diese einseitige Abänderung der Eigentumsordnung, hatte der Große Ausschuss der ritterschaftlichen Hufen- und Giebelschosskasse 1774 dafür plädiert, dass der nicht-eingetragene Agnat nicht grundsätzlich seine Rechte verlieren solle, jedoch nach seiner späteren Eintragung die zuvor getroffenen Verfügungen über das Gut anerkennen müsse.77 Die Gerichte waren noch im selben Jahr entsprechend instruiert worden,78 bis 20 Jahre später das ALR diese Regelung übernahm.79 Die Tendenz, die Rechte aus der Gesamten Hand auf das Näherrecht zu reduzieren, wie sie durch die partielle Abschaffung des agnatischen Konsenses zu erkennen ist, sollte durch weitere Regeln untermauert werden. Die Autoren und Gremien, die zwischen 1796 und 1800 die Entwürfe zum 77 78

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BLHA, Rep. 23A Kurmärkische Stände, B. 621, Bl. 12–17. Vgl. August Wilhelm Goetze, Das Provinzial-Recht der Altmark nach seinem Standpunkt im Jahre 1835, Magdeburg 1836, (künftig zitiert: Goetze, Altmark), S. 180ff. ALR, I. Teil, 18. Titel, §§ 290ff. Ergänzend wurde im ALR bestimmt, dass nichteingetragene Agnaten nicht für alle Zeit ihre Rechte aus der Eigentumsordnung verlieren würden, denn sie erhielten die Möglichkeit, Regressansprüche gegen das individuelle Vermögen desjenigen Besitzers – und seines Familienzweiges – geltend zu machen, der ihnen wider besseres Wissen ihre Realansprüche verschwiegen hatte. Vgl. GStA PK, Rep. 84A, Nr. 3446, Bl. 113ff. und Bl. 125. Der Landschaftssyndikus v. Eltester differenzierte die entsprechenden Paragraphen des ALR. Seine Vorschläge wurden jedoch vom Komitee und der Beratungskonferenz abgelehnt, die sich den Regelungen des ALR anschlossen. Vgl. die §§ 36–48 des Entwurfs von Eltester, in: GStA PK, Rep. 84 II 5 M, Nr. 4, Vol. 5, Fasz. 1, Num. 3 sowie die Monita des Komitees und den Beschluss der Beratungskonferenz zu den §§ 288–301 des ALR, in: GStA PK, Rep. 84 II 5 M, Nr. 4, Vol. 5, Fasz. 2. Im Entwurf des Komitees hieß es: „Auch muß jeder zur Sukzession gelangende Lehnsfolger, seinen Besitztitel binnen Jahresfrist, bei fiscalischer Strafe der Hypothekenbehörde anzeigen. – Es ist aber in Absicht der Agnaten und Mitbelehnten, zur Erhaltung ihres Sukzessions-Rechts hinreichend, wenn der Guthsbesitzer bei Eintragung seines Besitztitels sie nahmhaft gemacht, und ihre Eintragung nachgesucht hat. – Die Eintragung des Agnations-Rechts kann zwar noch immer nachgeholt werden, jedoch nicht ohne Einwilligung des Guthsbesitzers und der schon eingetragenen Agnaten. – Im Fall des Widerspruchs, muß der säumige Agnat sein Sukzessionsrecht rechtlich ausmachen, jedes mahl aber alle bis zur Eintragung seiner Lehnsfolge mit dem Guthe ausgemachten Dispositionen, und darauf gebrachten Beschwerden, gegen sich gelten lassen und bei eröffneter Sukzession erfüllen. – Doch bleibt ihm, wegen des an seinem Rechte dadurch erleidenden Abbruchs der Regreß an das übrige Vermögen des Lehnsbesitzers, welcher die nachtheiligen Verfügungen getroffen hat, vorbehalten.“ Vgl. die Ergänzung zum § 84 des ALR durch das Komitee und die Beratungskonferenz, in: GStA PK, Rep. 84 II 5 M, Nr. 4, Vol. 5, Fasz. 2. Damit sollte ein Ersatz für jenes Edikt vom 4. August 1763 geschaffen werden, das nicht provinziales, sondern allgemeines Recht konstituiert hatte und mit dem ALR hinfällig geworden war. Siehe Bericht des Kammergerichts vom 14. April 1840, in: GStA PK, Rep. 89, Nr. 30703.

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provinzialen Lehnrecht formulierten, übernahmen diejenigen Regelungen des ALR, die es erlaubten, den Agnatenverband und das Familiengut wirtschaftlich zu entkoppeln, ohne die familienrechtliche Verbindung materiell vollständig aufzugeben. Die mit mehreren Gütern angesessenen Familien sollten mit dem Konsens sämtlicher Agnaten, die Lehnseigenschaft „von einer Sache auf die andere übertragen“80 und dadurch ein oder mehrere Güter familienrechtlich entbinden können. Der gleiche Effekt konnte auch durch die neu eröffnete Möglichkeit erzielt werden, einen Teil des Wertes eines Gutes, auf den Agnaten oder frühere Leibeslehnserben Anspruch hatten, in einen Geld-Lehnstamm umzuwandeln,81 der gerichtlich zu deponieren war, und in den nach Lehnrecht sukzediert wurde. Große Erbschaft, reiche Einheirat, oder erhöhte Gewinne aus Meliorationen boten nunmehr die finanziellen Voraussetzungen dafür, die Administration eines Familienguts von der gesamthänderischen Bindung des Geschlechtes oder einzelner Familienverbände zu befreien. Ein solcher, vom Familiengut abgekoppelter Lehnstamm, hatte gegenüber dem Lehnstamm, der mit dem Gut verbunden war, den Vorteil, nicht für die gesetzlichen (Lehn-)Schulden zu haften und also auch nicht bei einer Zwangsversteigerung verloren zu gehen. In der Frage, ob Pfandverschreibungen des Besitzers ohne den Konsens der Agnaten und Mitbelehnten künftig ins ritterschaftliche Hypothekenbuch aufgenommen werden könnten, folgte die Beratungskonferenz dem Vorschlag Eltesters. Dieser sah die hypothekarische – wenngleich dinglich nicht abgesicherte – Eintragung einer nicht-konsentierten Schuld vor, was das Komitee ablehnte. Mit diesem Beschluss reagierte die Beratungskonferenz auf die Streitigkeiten, die durch die zügellose Verschuldungspraxis des Feuersozietätsdirektors v. Arnim ausgelöst worden war, der sich mit Pfandbriefen, konsentierten Pfandverschreibungen und nicht-konsentierten Schuldverschreibungen verschuldet hatte und in Zahlungsschwierigkeiten geraten war. Dieser Streit umfasste eine Reihe schuld- und erbrechtlicher Probleme und ist für die Zeitgenossen anschaulich dargestellt worden, weshalb er hier ausführlich referiert wird. Im Dezember 1798 hatten sich die v. Arnimschen Erben, u.a. der Kammergerichtsrat v. Arnim, mit einem „Pro Memoria“ 82 an den Großen Aus80 81 82

Vgl. ALR, I. Teil, 18. Titel, §§ 602–604. Vgl. ALR, I. Teil, 18. Titel, §§ 605–613. Vgl. „Ganz gehorsamstes Pro Memoria“, unterschrieben durch: „Die v. ArnimWerbelowschen Lehnserben, insonderheit 1. der Geh. Justiz und Cammergerichtsrath von Arnim auf Heinrichsdorf, 2. der Landrath v. Arnim auf Plantikow“, in: GStA Rep.84 II 5 M Nr. 4, Vol. 5, Fasz. 1, Bl. 106–129. Hierbei handelt es sich offensichtlich um die Abschrift des an das „Hochwürdige[ ] Dom-Capitul zu Brandenburg“ gerichteten Exemplars.

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schuss der ländlichen Hufen- und Giebelschosskasse gewandt: „Der verstorbene Feuer Societäts Direktor George Heinrich von Arnim, welcher die Lehngüter Werbelow, Milow, Schwaneberg und Recksee, und [in] Werbelow einen Allodial Anteil, ehemals der von Bergsche Anteil genannt, besaß, suchte im Jahre 1777, als ihn mehrere seiner Gläubigern bedrängten, beim Kammergericht“ um eine Fristverlängerung für seine Entschuldung nach.83 Das Kammergericht wies sein Gesuch ab und so musste der „Concurs über sein Vermögen“ eröffnet werden. In dessen Verlauf beantragten die Gläubiger, das individuell besessene Gut Werbelow von den Familiengütern zu trennen und zu verkaufen, um ihre Forderungen zu befriedigen. „Hierbei fanden sich aber viele Schwierigkeiten“, so dass „die Separation unterblieb“.84 Daraufhin einigten sich die Gesamthänder und die Gläubiger auf ein Verfahren zur Umschuldung der hypothekarischen und handschriftlichen Verpfändungen sowie der Wechselschulden des Feuersozietätsdirektors, mit dem Ziel, das Konkursverfahren über sein Vermögen aufzuheben. Die alten hypothekarisch abgesicherten Schuldverschreibungen sollten im Hypothekenbuch gelöscht und in Hypotheken zugunsten des Bürgschaftsverbandes der Rittergutsbesitzer umgewandelt werden. Der Bürgschaftsverband gab für seine Schuldtitel fest verzinsliche Pfandbriefe aus, die das Hypothekengericht unter die Gläubiger verteilte. In einem zweiten Schritt sollte der Feuersozietätsdirektor v. Arnim das Recht erhalten, hinter der Hypothek des Bürgschaftsverbandes eine weitere Schuld von 20.000 Reichstalern eintragen zu lassen, um die Gläubiger seiner handschriftlichen Verpfändungen und Wechselschulden zu befriedigen. Die Gesamthänder verpflichteten sich, die Pfandbriefschulden und jene 20.000 Reichstaler als Familienschuld anzuerkennen, wenn die Gläubiger dem Vergleich zustimmen würden. Der Gutsbesitzer und „seine Leibes-Lehnserben“ verpflichteten sich im Gegenzug, zukünftig, außer denjenigen Verbindlichkeiten, die einzugehen ihnen die Eigentumsordnung erlaubte, keine weiteren Hypotheken eintragen zu lassen. Der Feuersozietätsdirektor musste für Zins und Tilgung der Pfandbriefschulden jährlich 1.000 Reichstaler an den Bürgschaftsverband zahlen und durfte keine anderweitigen Schulden machen.85

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Vgl. GStA PK, Rep. 84 II 5 M Nr. 4, Vol. 5, Fasz. 1, Bl. 106. So hieß es in dem Bericht an das Kammergericht des mit der Separation beauftragten Obergerichtsrats Wilke, der oben mit seinem Entwurf zu einem neuen provinzialen Lehnrecht bereits erwähnt wurde. Vgl. GStA PK, Rep. 84 II 5 M Nr. 4 , Vol. 5, Fasz. 1, Bl. 107, s.o. Fußnote 51. Vgl. a.a.O., Bl. 108–112.

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Im Ergebnis dieses zweieinhalbjährigen Vergleichsverfahrens86 war der Feuersozietätsdirektor v. Arnim im Juli 1782 mit 76.600 Gold- und 17.950 Silbertalern verschuldet. Schon wenige Monate später unterzeichnete er neue Pfandverschreibungen für seine Güter, teils, weil er Gläubiger, die bei dem Vergleich Verluste erlitten hatten,87 schadlos halten, teils, weil er sich neue Liquidität verschaffen wollte. Ein Graf von Schlippenbach, drei Schutzjuden, ein bürgerlicher Gerichtsassessor, ein Schäfer und ein v. Kalckreuth liehen ihm insgesamt weitere 29.000 Taler teils in Gold, teils in Silber. Während die ritterschaftliche Hypothekenbehörde die Forderung des Grafen v. Schlippenbach ins Landbuch eintrug, verweigerte sie – mit dem Hinweis auf jenen Vergleich – gleiches der gemeinsamen Forderung zweier Schutzjuden, die darum ersucht hatten. Die zwei Schutzjuden protestierten beim Justizdepartement und erhielten im August 1784 einen – auch für die anderen Gläubiger geltenden – Bescheid, dass sie entweder den agnatischen Konsens herbeiführen müssten, damit ihre Forderungen an den Güterkomplex ins Landbuch eingetragen werden könnten, oder dass diese dort „auf eigene Gefahr“ – also nicht als dinglich abgesicherte Forderung – zu verzeichnen seien. Als drittes bliebe ihnen die Möglichkeit, ihre Forderungen lediglich auf den individuellen Anteil von Werbelow eintragen zu lassen. Daraufhin wurden die Forderung der beiden Schutzjuden – „auf eigene Gefahr“ – im Hypothekenbuch des Güterkomplexes vermerkt,88 wahrscheinlich weil die Separation des familialen vom individuellen Anteil des Gutes Werbelow nach wie vor unmöglich war. Vor jenem Bescheid des Justizdepartements hatte der nächste Agnat des Feuersozietätsdirektors, ein Landrat v. Arnim, der Frau des Schuldners, einer geborenen Gräfin von der Schulenburg, versprochen, dafür zu sorgen, dass ihr „Eingebrachtes“ nachträglich den notwendigen agnatischen Konsens erhalten würde und hinter die durch jenen Vergleich eingetragenen Hypo86

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Derartige Vergleichsverfahren zogen sich vor allem wegen der oft hohen Anzahl von Gläubigern in die Länge. 1782 waren im Bezirk des Altmärkischen Obergerichts zu Stendal 14 Rittergüter bei jeweils 15 und mehr Gläubigern verschuldet. Vgl. BLHA Rep. 53A, Nr. 26, Bl. 12f. Vgl. „Meinungen einzelner Juristen über streitige Rechtsfragen, hier: Ist es rechtlich, daß auch bei Forderungen, welche auf Lehngüter eingetragen sind, die Zeit allein über die Priorität entscheide, ohne Unterschied, ob die durcheinander eingetragenen Forderungen solche sind, welche die Substanz des Lehns selbst affiziren und wirkliche Lehnsschulden, oder ob es bloße Allodialschulden sind, zu deren Befriedigung nur die Früchte des Lehns, solange der Lehnsbesitzer und LeibesLehns-Erben von ihm vorhanden sind, verwendet werden?“, in: Mathis, Juristische Monatsschrift, 2. Bd., 1806 (im Titelblatt fälschlich 1809), S. 409–455. Vgl. GStA PK, Rep. 84 II 5 M Nr. 4, Vol. 5, Fasz. 1, Bl. 112ff.

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theken von 1782 als Lehnschuld zu ihren Gunsten in das Landbuch eingetragen werden sollte. Doch das zog sich bis 1792 hin. Als die Söhne des inzwischen verstorbenen Landrats v. Arnim 1792 das Versprechen ihres Vaters einlösen und das Eingebrachte der Gräfin ins Hypothekenbuch als agnatisch konsentierte Schuld in Höhe von 24.000 Reichstalern eintragen lassen wollten, erfuhren sie von den neuen Schulden, die gegen die Bestimmungen des Vergleiches – wenn auch auf eigene Gefahr der Gläubiger – ins Landbuch eingetragen worden waren. Die Agnaten klagten beim Kammergericht auf Löschung dieser Eintragungen. Der Feuersozietätsdirektor erlebte das Urteil der ersten Instanz vom Mai 1794 nicht mehr,89 wonach jene Forderungen im Landbuch zu streichen und in persönliche Schuldtitel umzuwandeln waren. Die unterlegenen Gläubiger riefen die Appellationsinstanz an, da mit der Umwandlung ihrer ins Landbuch eingetragenen Forderungen in bloß handschriftliche Schuldverschreibungen diese gefährdet waren, denn nach dem Ableben des Feuersozietätsdirektors war der Erbschaftsliquidationsprozess beantragt worden, dem das Konkursverfahren über den Nachlass des v. Arnim folgte.90 Der gerichtliche Streit über die Qualität jener „auf eigene Gefahr“ ins Landbuch eingetragenen Forderungen ging in zwei weitere Instanzen und endete 1796 damit, dass die nach dem Vergleich eingetragenen Schulden im Landbuch verblieben, jedoch als individuelle Schuld, die – wenn nicht abgelöst – bis zum Ableben der Deszendenz des Feuersozietätsdirektors dort stehen zu bleiben hatten, jedoch von eventuell sukzedierenden Agnaten – dem Vergleich von 1784 entsprechend – nicht anerkannt werden mussten. Inzwischen war auch die Witwe des Feuersozietätsdirektors gestorben und ihre Erben verlangten, dass das Eingebrachte der Gräfin in die dritte Abteilung des Hypothekenbuches des Güterkomplexes eingetragen werden sollte, aber denjenigen Forderungen voran zu stehen hätte, die nach dem Vergleich entstanden waren. Die erste Instanz wies sie im April 1797 ab und die zweite im Juli 1798.91 Der Vorrang der Ansprüche der Erben des Feuersozietätsdirektors wäre nur mit Berufung auf die adlige Eigentumsordnung von 1723 zu rechtfertigen gewesen. Für seine Güter galten jedoch, weil sie beim Bürgschaftsverband verschuldet waren, dessen Regeln von 1777, die durch das Hypothekenpatent desselben Jahres auf alle Rittergüter ausgedehnt worden waren. Danach durfte es künftig keine privilegierten Forderungen oder stillschweigende Hypotheken mehr geben, wie es das Nebeneinander von 89 90 91

Mathis, Juristische Monatsschrift, 2. Bd., S. 414. A.a.O., S. 416. Ihre Appellationsbeschwerde beim Geheimen Obertribunal war bis 1806 noch nicht entscheiden. A.a.O., S. 417f.

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Sukzessions- und Landbüchern ermöglichte.92 Obwohl Familienpakte oft bloße Absichtserklärungen waren, galt das Eingebrachte der Frau bis 1777 schon mit dem Datum der Verheiratung als „Lehnschuld“,93 unabhängig vom Datum ihrer Eintragung ins Landbuch. Dadurch konnte das Eingebrachte zu einer rückdatierten Hypothek werden. Das Hypothekenpatent von 1777 führte dagegen das Prinzip der chronologischen Priorität für hypothekarisch abgesicherte Forderungen ein.94 Die nachfolgende „Allgemeine Hypotheken-Ordnung für die gesammten Königl. Staaten“ von 1783 definierte neue Kriterien für die Eintragungen in den „Classen“, resp. „Haupt-Abteilungen“ des Hypothekenbuches, aus denen sich die Rangfolge der Gläubigerforderungen ergab.95 Zukünftig sollten keine Hypotheken mehr „ex personali Privilegio einen Vorzug“ haben. Die Rechte der familialen und die der außerfamilialen Gläubiger wurden gleich gestellt und ihre Rangfolge ausschließlich chronologisch bestimmt. Ein vom Eingebrachten der Frau gekauftes Gut galt hypothekenrechtlich als mit dem übrigen Grundbesitz vereint. Damit konnte es – anders als durch die Hypothekenordnung von 1722 – in die Konkursmasse einbezogen werden, auch wenn es selbst schuldenfrei war. Diese noch unter Friedrich II. auf den Weg gebrachte Gleichstellung der hypothekarischen Rechte der familialen wie der außerfamilialen Gläubiger war Folge der Institutionalisierung der Bürgschaftsverbände. Die Abschaffung der familienrechtlichen Hypothekenprivilegien durch Friedrich II. erhöhte die Kreditwürdigkeit der Besitzer und verbesserte zugleich den Gläubigerschutz auch bürgerlicher Kreditoren. Doch zurück zum Fall des Feuersozietätsdirektors v. Arnim. Nachdem die Forderungen der Erben des Feuersozietätsdirektors, dass das Eingebrachte seiner Witwe denjenigen Forderungen voran zu stehen hätte, die nach dem Vergleich entstanden waren, im Juli 1798 auch durch die zweite Instanz abgewiesen worden war, verfassten die „v. Arnim-Werbelowschen Lehns-Erben, insonderheit 1. der Geh. Justiz und Cammergerichtsrath von Arnim auf Heinrichsdorf, 2. der Landrath v. Arnim auf Plantickow“ das oben erwähnte „Pro Memoria“, das sie dem Großen Ausschuss der ritterschaftlichen Hufen- und Giebelschosskasse vorlegten. Zu den De92

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Vgl. Das Chur- und Neumärkische Ritterschaftliche Credit-Reglement vom 14. Juni 1777, in Kamptz, Sammlung, 3. Abteilung, S. 1–49, hier S. 4f. und NCC, Bd. 6, 1777, Sp. 795–800. Vgl. § 153 der „Hypothec- und Concurs-Ordnung vom 4. Febr. 1722“, in CCM, Bd. 2.2, Sp. 103–174, hier Sp. 155. Vgl. NCC, Bd. 6, 1777, Sp. 795–800. Vgl. NCC, Bd. 7, 1783, Sp. 2565–2714. Der konkursrechtliche Abschnitt der Hypotheken- und Konkursordnung von 1722 blieb bestehen.

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putierten gehörte auch ein Verwandter der Witwe des Feuersozietätsdirektors v. Arnim, der Domdechant von der Schulenburg, der auch Mitglied des Komitees zur offiziellen Beratung des neuen Provinzial-Lehnrechts war. Die v. Arnims forderten von den Deputierten, „Maßregeln“ zu ergreifen, damit „solche, dem allgemeinen Wohl der Familien und der Agnaten äußerst nachtheilige Eingriffe in die Familien- und Agnaten-Rechte“96 in Zukunft vermieden würden. Der Große Ausschuss der Hufen- und Giebelschosskasse intervenierte schriftlich beim Justizminister v. Goldbeck97 und kündigte an, dass jenes Komitee zur Beratung der Provinzialrechte „Vorkehrungen“ gegen „die Möglichkeit ähnlicher Entscheidungen“ der Gerichte treffen werde.98 Das Komitee übernahm die Konzeption aus dem „Pro Memoria“ derer v. Arnim in seinen ersten Gesetzentwurf.99 Die Beratungskonferenz plädierte dagegen für die entsprechenden Passagen im Entwurf des Landschaftssyndikus Eltester.100 Das Komitee begründete seine Gegenposition zu Eltester ausführlich und hatte alle theoretischen, rechtssystematischen und historischen Argumente auf seiner Seite: Ein Familiengut könne nur mit gesetzlichen oder subsidiarischen Schulden belastet werden. Auch würde die Eintragung nicht-konsentierter individueller Schulden dem Gläubiger keine Sicherheit bieten. Der Vorschlag von Eltester könne daran nichts ändern, was er – da Syndikus – hätte wissen müssen. Die Friktionen, die sich aus der Möglichkeit und Notwendigkeit der hybriden Ökonomie einerseits und der Gesamthaftung des Familiengutes für die individuellen Verbindlichkeiten des Besitzers andererseits ergaben, waren durch derlei unverbindliche Formalitäten nicht aus der Welt zu schaffen. Eltester und die Konferenz hatten dagegen das Versteckspiel zwischen den hypothekarisch eingetragenen und den bloß handschriftlichen Schulden für die Gläubiger wie für die Familienangehörigen transparent gestalten wollen. Wegen der rechtlichen Unerheblichkeit der Vorschläge der Beratungskonferenz ging das Komitee einem Konflikt aus dem Weg und übernahm diesen Vorschlag

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GStA PK, Rep. 84 II 5 M, Nr. 4, Vol. 5, Fasz. 1, Bl. 119v. A.a.O., Bl. 130–138. A.a.O., Bl. 130ff. Das Komitee beschloss im Sinne der Agnaten des Feuersozietätsdirektors, dass „keine Eintragung von Allodial-Schulden ohne freie Einwilligung aller im Hypothekenbuch eingetragenen Agnaten und Mitbelehnten auf das Lehnguth gestattet, jede sogenannte Eintragung auf Gefahr des Gläubigers oder sogenannte Verhypothezierung der künftigen Nutzung des Lehns gänzlich untersagt seyn“ solle. Vgl. die Monita v. Uhdens zum § 81 des Entwurfs von Eltester, in: GStA PK, Rep. 84 II 5 M, Nr. 4, Vol. 5, Fasz. 2. GStA PK, Rep. 84 II 5 M, Nr. 4, Vol. 5, Fasz. 1, Bl. 92v.

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in seine anschließenden „Concludirten Monita“, die als Grundlage für seine Gespräche mit dem Kammergericht dienten.101 Den umfangreichsten Abschnitt sowohl im lehnrechtlichen Teil des ALR, als auch in den verschiedenen Entwürfen zum Provinzial-Lehnrecht bildeten die bis zu 100 Paragraphen umfassenden Regeln über die Trennung des familienrechtlichen Nachlasses vom individuellen Vermögen. Das Familiengut, das der Eigentümer des Nutzungsrechtes in dem Umfang zu erhalten hatte, in welchem es seinen Vorfahren einst verliehen worden war, war in der Regel alt und oft mit Bauerngütern vermischt, die durch Kauf oder Erbschaft hinzugekommen waren und individuelles Eigentum sein konnten. Die Beweislage für die Zuordnung war mitunter hoffnungslos verdunkelt. Und weil der Wert des landwirtschaftlich erzeugten „nutzbaren Eigentums“ von der Jahreszeit abhängig war, hing auch die eigentumsrechtliche Zuordnung, was Substanz und was Ertrag war, vom Betriebsablauf, von der Jahreszeit und dem Todesdatum ab, da die Sukzession ins Familiengut „mit dem Augenblicke“ des Todes des Besitzers wirksam wurde.102 So war Mist individuelles, Saatgut Familieneigentum, aber jeweils nicht zu jeder Zeit. Gelagertes Saatgut gehörte zum Familiengut, angegangene Saat aber war individuelles Eigentum, aufgetragener Mist auch. War er jedoch bereits untergepflügt, galt er als mit dem Familiengut konsolidiert. Zugvieh gehörte zum Familiengut, dessen Kälber und Fohlen zum individuellen Nachlass. Tiere, die zum Inventar des Familiengutes gehörten, mussten aus dem allodialen Bestand ersetzt werden. Der Umfang, der Zustand und der Rechtscharakter des unbelebten wirtschaftlichen Inventars waren jeweils unterschiedlich zu bewerten. Frei stehende Braupfannen waren individuelles, eingemauerte Familieneigentum. Ähnliches galt für die Tapeten im Herrenhaus. Auf Rahmen gespannte Tapeten waren individuelles Eigentum, mit den Wänden fest verbundene galten als Familieneigentum. Die militärische Ausrüstung vererbte sich nur in der männlichen Linie, wobei 101

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„Verträge und andere Handlungen, wodurch das Lehn ganz oder zum Theil veräußert oder […] mit […] anderen Lasten belegt wird, sollen ohne Einwilligung sämtlicher aus dem Hypothekenbuche sich ergebender Mitbelehnten, ins Hypothekenbuch nicht eingetragen, sondern von den Führern des Hypothekenbuchs die Beibringung dieser Einwilligung gefordert werden. – Besteht dem ungeachtet der die Eintragung suchende Gläubiger oder Berechtigte auf diese Eintragung: so kann ihm die Eintragung auf seine Gefahr zwar bewilligt werden, als dann aber muß die ihm geschehene Erinnerung darüber, daß die Eintragung die Substanz des Lehns nicht affiziere und der Mangel der Consense im Hypothekenbuch und Recognitionsschein ausdrücklich bemerkt werden …“ Vgl. die „Concludierten Monita“, hier die Abschnitte 14 und 15 zum § 230 des ALR, in: GStA PK, Rep. 84 II 5 M, Nr. 4, Vol. 5, Fasz. 2. Vgl. ALR, I. Teil, 18. Titel, § 506.

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die Aufteilung unter die Söhne regional unterschiedlich geregelt war. Das Ehebett gehörte mancherorts zum individuellen Nachlass des Rittergutsbesitzers, andern Orts per se der Frau. Manches musste höchstrichterlich entschieden werden. Der Streitwert war oft nicht unerheblich, die Streitfälle aber nicht immer adelsspezifisch, weshalb wir dieses weite Feld hier nicht weiter beackern werden. In seinem Schriftsatz zur Vorbereitung der Konferenzen zwischen dem ständisch legitimierten Komitee und der Deputation des Kammergerichts führte sein Präsident, v. Kircheisen, lediglich 17 Paragraphen der „Concludirten Monita“ des Komitees an, die er in der vorliegenden Form nicht übernehmen wollte. Im Zentrum seiner Kritik stand die Einleitung zu den „Concludirten Monita“.103 Hier hatte das Komitee den Familien, den Ständen und sich selbst Kompetenzen zugeschrieben, die keiner von ihnen je gehabt hatte: Das Komitee forderte, dass Rechtsstreitigkeiten, die den Abänderungen der Lehnskonstitution von 1723 durch das „Provinzial-Gesetzbuch“ geschuldet seien, im Sinne der Familienverträge und der „Monita“ des Komitees zu schlichten wären. Auch wollte das Komitee den Ständen die Kompetenz einräumen, die Lehnskonstitution „durch Vereinigungen unter sich“ abzuändern, wie auch den Familien jederzeit „das Recht verbleibt, durch besondere Verträge ihre gegenseitige Gerechtsame und Verbindlichkeiten zu bestimmen“.104 Der Kammergerichtspräsident verwies darauf, dass Form und Geltungsbereich von Familienverträgen durch das ALR geregelt seien und die Lehnskonstitution vorgeschrieben hatte, dass sie nur mit landesherrlichem Einverständnis revidiert werden könne. Wie schon die vorangegangenen Versuche, die Eigentumsordnung des märkischen Adels von 1723 zu reformieren, blieb auch der erste Ansatz zur Kodifizierung des provinzialen Lehnrechts Papier. Nachdem die Verhandlungen mit dem Komitee kriegsbedingt unterbrochen worden waren, konnten die nachfolgenden Beratungen nicht an der Stelle wieder aufgenommen werden, an der sie stehen geblieben waren, denn die Preußischen Reformen erforderten – sachlich wie legislatorisch – ein neues Verfahren. Die Proteste des Adels gegen die gesetzliche Qualität seiner Rechte, statt sie wie bisher als Verträge zwischen den Ständen und dem Landesherren zu werten, die nur einvernehmlich abänderbar seien, wurden von den Ministerien – und vom König – als bloß rituelle Proteste zur Kenntnis genommen. Nachdem jedoch die Preußischen Reformen, die wie ein Schrapnell in das kunstvoll geknüpfte Netz des ALR eingeschlagen waren, auch die 103 104

Vgl. das Schreiben v. Kircheisens vom 1. Februar 1804, in: GStA PK, Rep. 84 II 5 M, Nr. 4, Vol. 5, Fasz. 2. Vgl. „Concludirte Monita“, ebenda.

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provinzialen Verfassungen zerstört hatten, wurden diese Vorbehalte 1811 durch die Ritterschaft des Kreises Lebus reaktiviert. Neben Friedrich August Ludwig von der Marwitz gehörte der Vorsitzende jenes ständisch legitimierten Komitees, Graf Friedrich Ludwig Karl Finck v. Finckenstein, zu den Protagonisten dieser Opposition.

 Die Rechtsverhältnisse der adligen Familiengüter Pommerns

In den verschiedenen Herrschaftsgebieten Pommerns waren lehnrechtliche Bestimmungen bis Anfang des . Jahrhunderts zwischen den Ständen resp. ihren Deputierten und den jeweiligen Lehns- resp. Landesherrn ausgehandelt und traditionell in den anderen Regionen adaptiert worden, insbesondere weil die familialen Bindungen über die Grenzen der einzelnen Territorien hinausreichten. Als 9 den Abgeordneten der Stände auf dem Landtag des Herzogtums Stettin eine 8-teilige Sammlung von Lehnrechten zur Bestätigung vorgelegt worden war, wandten sie ein, „daß diese Regeln erst dann Gesetzeskraft erlangen könnten, wenn auch die abwesenden Mitglieder der Ritterschaft gehört“ worden wären. Der Entwurf erlangte nie Gesetzeskraft. Auch nicht im Herzogtum Wolgast, wohin die Sammlung übersandt worden war, weil hier mittlerweile abweichende Regeln galten und sich eine andere Observanz ausgebildet hatte. Die kommunizierende Legislation einzelner Lehngesetze war nach dem Westfälischen Frieden auch formell beendet. Im schwedischen Vorpommern und im Hinterpommern der Hohenzollern wurden die Lehnrechte nunmehr eigenständig entwickelt. Der erste Corpus pommerscher Lehnrechte war die Konstitution der Ritterschaft Hinterpommerns von 9, die aber wegen ihrer „Unzulänglichkeit“ bald als revisionsbedürftig galt. Das adlige Eigentumsrecht in Pommern galt als „ein Gemisch von Rechten […], welche häufig in einem kaum zu lösenden Widerspruche



 

[Wilhelm v.] Zettwach, Das Pommersche Lehnrecht nach seinen Abweichungen von den Grundsätzen des Preußischen Allgemeinen Landrechts, Leipzig 8, (künftig zitiert: Zettwach, Das pommersche Lehnrecht – 8), S. XIV. A.a.O., S. XIIIf. Vgl. hierzu die Vorbemerkungen zu dem „Entwurf vom Jahre 0 zu einer neuen Hinterpommerschen Ritterschafts-Konstitution“, in: GStA PK, Rep. 9, Nachlass Riedel, Nr. 9 und Zettwach, Das pommersche Lehnrecht – 8, S. XVII.

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untereinander stehen“. Es galt deshalb für manchen Juristen als „jus mixta“ oder schlicht „anomal“. Die Ursache hierfür lag nicht nur in der bewegten Herrschaftsgeschichte der einzelnen Regionen. Das pommersche Lehnrecht hatte vielmehr einen eigenen Charakter, weil die einheimischen Adelsgeschlechter ihre tradierten Eigentumsrechte behielten, nachdem sie ihre allodialen Güter dem Landesherrn übergeben und als aufgetragene Lehen (feuda oblata) zurückerhalten hatten. Selbst wenn ein Adliger ein Familien-Lehngut verkauft hatte, behielten die männlichen Gesamthänder ihre eigentumsrechtlichen Privilegien an diesem Familiengut. Die Lehngüter der pommerschen Adelsgeschlechter konnten durch Fremde – vom dauerhaften Erwerb bei Zwangsversteigerungen abgesehen – nur für bestimmte Fristen oder auf unbestimmte Zeit erworben werden. Die Absicht Friedrich Wilhelms I., das lehnsherrlich-vasallitische Verhältnis in Hinterpommern aufzulösen, stieß – wie in der Mark – auf den Widerstand der Ritterschaften.8 Dabei ging es nicht nur um die regelmäßige geldliche Ablösung der sporadischen Ritterdienste,9 sondern auch um die ungewissen eigentumsrechtlichen Implikationen der Allodifikation.0 Die Ungewissheit entsprang nicht allein einer Zukunftsangst, eigentumsrechtlich war bereits die Gegenwart ungewiss, denn das pommersche Lehnrecht   



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Vgl. GStA PK, Rep. , Tit. , Nr. 0, Bd. . Vgl. das Schreiben des Oberlandesgerichts Stettin an das Justizministerium, Mai 8, in: GStA PK, Rep. 8a, Nr. 9, Bl. –89. Vgl. Kamptz, Jahrbücher, Bd. , S. 8; GStA PK, Rep. 90, Nr.  und JustizMinisterial-Blatt für die Preußische Gesetzgebung und Rechtspflege, XII. Jahrgang, 80, Nr. 0, S. 9. Vgl. GStA PK, Rep. 8a, Nr. 89, Bl. –0. Neben diesen aufgetragenen Lehn, gab es einige Lehn, die ein Dienstverhältnis kompensierten. Vgl. Jan M. Piskorski, Die Epoche der großen Umbrüche (bis 8), in: Pommern im Wandel der Zeiten, hrsg. von Jan M. Piskorski, Szczecin 999, S. 9–9, hier S. 8. Lehnrechtlich wurden die Dienstlehen wie aufgetragene behandelt. Vgl. Zettwach, Das pommersche Lehnrecht – 1832, S. 5–8. Die militärische Lehnpflicht hatte bei aufgetragenen Lehn eher den Charakter einer dinglichen Last, denn sie konnte auch von einem Vertreter geleistet werden. Vgl. Zettwach, Das pommersche Lehnrecht – 8, S.  und das „Memorial derer bey dem Convent zu Stargard Deputierten der Pommerschen Stände“ vom Mai , zit. nach GStA PK, Rep. 9 II, J . Die Anordnung Friedrich Wilhelms I. vom 0. Januar  an die Regierung Hinterpommerns, das Edikt vom . Januar dort nicht zu publizieren, verfehlte seine Wirkung, entweder weil sie verspätet einging oder nicht abgeschickt worden war. Vgl. GStA PK, Rep. 9 II-J-. Vgl. das Schreiben der hinterpommerschen Stände an die Regierung vom . Mai , in: GStA PK, Rep. , Nr. 8, Bl. 90–98. Vgl. Die Eingabe des „Convents“ des Kreises Pyritz vom 8. Februar , in GStA PK, Rep. , Nr. 8, Bl. –.

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war „in der Anwendung nicht selten mit großen Schwierigkeiten verbunden, wovon der Grund einentheils in der Dunkelheit, Unbestimmtheit und Unvollständigkeit der vorhandenen ältern Lehnsgesetze, anderntheils darin zu suchen ist, dass Herkommen und Gerichtsgebrauch bemüht gewesen sind, die Lücken in den ältern Gesetzen auszufüllen, die Frage aber, was dem Herkommen und dem Gerichtsgebrauch entspreche, nicht immer zweifelsfrei gewesen ist“. Gegen die „Resolution“ Friedrich Wilhelms I. vom . Januar , die lehnsherrlich-vasallitischen Verhältnisse in Hinterpommern zu beenden, formulierten die „Convente“ der einzelnen Kreise bereits im Februar ihre Einwände. Einige forderten die Einberufung eines „Landesconvents“. Doch statt eines – allgemeinen – Landtages berief die Regierung für Anfang Mai lediglich einen „engeren Convent“ der Landräte und Deputierten ein, der gleichwohl als „Landtag“ firmierte und der für lange Zeit der letzte dieser Art war. Das „Memorial derer bey dem Convent zu Stargard Deputierten der Pommerschen Stände“ vom . Mai  wiederholte die Einwände der Kreisritterschaften Hinterpommerns: Die lehnsherrlich-vasallitischen Verhältnisse sollten unverändert bleiben und der jährliche „Canon“ ausgesetzt. Während die Ablösegelder dann doch zu zahlen waren, wurde die Aufhebung der lehnsherrlich-vasallitischen Verhältnisse zunächst storniert. Bevor deren Abschaffung erneut auf die Tagesordnung kam, erging 8 an die Ritterschaften Pommerns die Aufforderung, sich zu ihren Eigentumsrechten zu äußern. Für das nach dem nordischen Krieg den Hohenzollern zugeschlagene (Alt-)Vorpommern reichten die Stände 0 das „Projekt zu einer Lehn-Constitution“ ein. Da die internen Gutachten der königlichen Behörden widersprüchlich waren, blieb diese „Constitution“ Projekt, gleichwohl orientierte sich die Rechtsprechung an ihr. Auch Hinterpommern blieb ohne eine gesetzliche Lehnkonstitution. Die dortigen Verhandlungen hierzu waren jedoch nicht völlig ergebnislos.  erklärten die Ritterschaften Hinterpommerns ihre prinzipielle Breitschaft, an einer Regelung zur Aufhebung der lehnsherrlich-vasallitischen Verhältnisse mitzuwirken.8 Den „Entwurf vom Jahre 0 zu ei   

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Zettwach, Das pommersche Lehnrecht – 8, S. III. GStA PK, Rep. , Nr. 8, Bl. 9– und Bl. –. GStA PK, Rep. , Nr. 8, Bl. 0ff. Zygmunt Szultka, Das brandenburgisch-preußische Pommern, in: Pommern im Wandel der Zeiten, hrsg. von Jan M. Piskorski, Szczecin 999, S. 9–, hier S. . Zur Geschichte der pommerschen Stände siehe auch: Oskar Eggert, Stände und Staat in Pommern im Anfang des 9. Jahrhunderts, Köln, Graz 9. Siehe GStA PK, Rep. 9 II-J-. GStA PK, Rep. , Nr. 8, Bl. 0f. und Rep. 9 II-J-. Zettwach, Das pommersche Lehnrecht – 8, S. XVIIIf. A.a.O., S. XXf.

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ner neuen Hinterpommerschen Ritterschafts-Konstitution“,9 der mehr als dreihundert Paragraphen umfasste, wies die königliche Regierung zehn Jahre später zurück. Auch der vom Großkanzler v. Carmer 88 initiierte Entwurf kam über die Vorbereitungsphase nicht hinaus.0 Stattdessen blieb es – nach langwierigen Beratungen in den Kreisen – bei der 8 verabschiedeten „Allodifications- und Assecurations-Urkunde für die Ritterschaft des Herzogthums Hinterpommern und Fürstenthums Cammin“, die das lehnsherrlich-vasallitische Verhältnis formell beendete, unbeschadet der familialen Rechte und der der Mitbelehnten. Der „getreuen Ritterschaft, und zwar sowohl insgemein, als auch einer jeden Familie“ wurde „freye Hand“ gelassen, „wegen der Succession, des Consensus Agnatorum bei den Veräußerungen, Versorgung der Wittwen, Aussteuer der Töchter, und was dem anhängig, gewisse Verträge, Pacta und Verfassungen unter sich zu machen, und alles so einzurichten, wie es der Conservation der Familien am dienlichsten“ erachtet werden würde. Noch 8 sah es das Oberlandesgericht Hinterpommerns „als notorisch“ an, dass „eine große Menge allgemein anerkannter und sehr richtiger Grundsätze des pommerschen Lehnrechts einzig und allein auf entschiedenem Herkommen beruhen, sich schwerlich aber auf ein bestimmtes Gesetz zurückführen lassen“. Die folgende Skizze des adligen Eigentumsrechts Pommerns stützt sich auf die Arbeit des Königlich Preußischen Oberlandesgerichtsrats Wilhelm v. Zettwach von 8, der zur Vorbereitung des pommerschen Provinzialrechts eine Übersicht über „Das Pommersche Lehnrecht nach seinen Abweichungen von den Grundsätzen des Preußischen Allgemeinen Landrechts“ vorlegte und sich dabei auf Landtagsrezesse, höchstrichterliche Entscheidungen und landesherrliche sowie königliche Verordnungen stütze. Ihm folgend hatten – wie in der Mark – die männlichen Nachkommen des Besitzers beim Generationswechsel gleiche Anrechte auf die Substanz des Familiengutes, sofern sie sukzessionsberechtigt waren. Das Lehen konnte unter ihnen „in Natur“ geteilt werden. Übernahm nur ein Deszen9 0    



Vgl. GStA PK, Rep. 9, Nachlass Riedel, Nr. 9. Zettwach, Das pommersche Lehnrecht – 8, S. XXI. GStA PK, Rep. 8A, Nr. 90, Bl. f. Vgl. GStA PK, Rep. 8A, Nr. 89 und Repertorium der Preußisch-Brandenburgischen Landesgesetze, 80, S. 9–0. GStA PK, Rep. 8A, Nr. 9, Bl.  Zettwach, Das pommersche Lehnrecht – 8, S. . In Hinterpommern gehörte das wirtschaftliche Inventar, einschließlich Arbeitspferde und Ochsen, zum eigentumsrechtlich gebundenen Familieneigentum, in Vorpommern war es Teil des individuellen Vermögens des Erblassers. Vgl. a.a.O., S. 9f. A.a.O., S. .

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dent oder Agnat das Gut, waren die anderen entweder abzufinden oder abzuschichten. Die Abgefundenen blieben in der Gesamten Hand. Entweder sie ließen ihre Anteile zu einem Zinssatz von % im väterlichen Gut stehen, oder legten sie anderswo als gebundenes Eigentum an, das denselben eigentumsrechtlichen Regeln unterworfen war, wie das väterliche Gut. Verzichtete ein Deszendent oder Agnat auf seinen Anteil an der Substanz des Gutes, galt er entweder als ausgesteuert oder abgeschichtet. Die Abschichtungssumme, deren Höhe in Anlehnung an die Lehn/Landtaxe bestimmt wurde, war Verhandlungssache und anschließend individuelles Eigentum. Der Abgeschichtete und seine Nachkommen schieden aus der Gesamten Hand aus. War die Abschichtung mit Krediten finanziert worden, galt sie als Familienschuld und belastete das Gut. Auch andere Ansprüche ans Gut, die für einzelne Familienangehörige die Form individuellen Eigentums annehmen konnten, blieben für die Familiengüter „gesetzliche Lehnschulden“ (Familienschulden). Hatte die besitzende Linie keine lehnsfähigen Nachkommen, oder war sie gänzlich erloschen, sukzedierten gleichberechtigte Agnaten zu gleichen Teilen und durften das Gut „in Natur“ teilen. In Hinterpommern nahm ein Familiengut für den Besitzer den Charakter individuellen Eigentums an, wenn es keine männlichen Sukzessionsberechtigten der Familie oder des Geschlechts mehr gab. In Vorpommern konnten die ehelichen Töchter (Erbtöchter) des letzten Besitzers das Lehen übernehmen, wenn es keine (männlichen) Gesamthänder mehr gab. Das Gut blieb der eigentumsrechtlichen Bindung unterworfen, wenn die „Erbtochter“ einen sukzessionsfähigen männlichen Nachkommen mit einem sukzessionsfähigen Ehemann hatte.8 Als Familienschuld galt das Eingebrachte der Frau – unabhängig von seiner Verwendung9 – und die Verbesserung, mit der der Mann das Einge

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Derjenige, der als Erbe oder Sukzedent ein Familiengut übernahm, auf dem die brüderlichen Abfindungen als Grundschuld eingetragen waren, konnte über diese weder unter Lebenden, noch von Todes wegen verfügen. Vgl. a.a.O., S. –8. A.a.O., S. . Vgl. a.a.O., S. f. und GStA PK, Rep. , Tit. , Nr. , Bd. . War in Hinterpommern das Eingebrachte der Frau nicht auf das Familiengut eingetragen, hatte sie die Wahl, es aus dem Lehn, der Barschaft oder einem individuell besessenen Grundstück ihres Mannes zu fordern (vgl. Zettwach, Das pommersche Lehnrecht – 8, S. 0f.). Des weiteren stand ihr als „Ehegewinn“ die Morgengabe, die Verbesserung, Trauerkleider, Pferde und ein Wagen, freie Wohnung oder Miete für anderswo und – nach gemeinem Erbrecht – auch die Hälfte des individuellen Nachlasses als Erbschaft zu (vgl. a.a.O., S. ). Eine außerehelich geschwängerte Witwe erhielt keinen Ehegewinn oder musste ihn zurückzahlen (vgl. a.a.O., S. 0). Wurden ihr sowohl das Eingebrachte, als auch die Verbesserung nicht ausgehändigt, hatte sie Anspruch auf eine standesgemäße Alimentation. (vgl.



Die Rechtsverhältnisse der adligen Familiengüter

brachte um die Hälfte zu erhöhen hatte;0 sowie die Abfindung der Söhne und die Aussteuer der Töchter. „Lehnsabfindung“ war der am weitesten verbreitete Ausdruck für den Anspruch der Tochter an das Familiengut. Heiratete sie, nahm die Lehnabfindung die rechtliche Form der „Lehnsaussteuer“ an. Ehelich geborene Töchter, aber auch solche, die durch eine nachträgliche Ehe legitimiert worden waren, erhielten sie unabhängig von der Höhe ihres Erbanspruches auf das individuelle Vermögen ihres Vaters. Ledige konnten über diese Abfindung aus dem Familiengut nicht testieren (Intestat). Mit der „wirklichen Vollziehung“ einer standesgemäßen Ehe erhielt die Tochter ihre Aussteuer als individuelles Vermögen, das im Gut ihres Mannes hypothekarisch abgesichert werden musste. Als Witwe durfte sie darüber frei verfügen. Nach Abzug der Familienschulden erhielt in Hinterpommern jede Tochter im Verhältnis zu jedem Bruder ein Drittel von dessen Anteil aus dem Lehnsnachlass ihres Vaters, in Vorpommern die Hälfte. Bemessungsgrundlage war der .-fache jährliche Ertragswert aus dem unverschuldeten Teil des väterlichen Guts. Starb der Vater, bevor die Tochter abgefunden und verheiratet worden war, hatte sie gegenüber dem ins Gut sukzedierenden Bruder oder Vetter Anspruch auf angemessene Alimentierung und freie Wohnung im Familiengut. Wohnte sie nicht im väterlichen Gut, bekam sie die Mietkosten für anderswo, ebenso wie die Mutter, bei der sie, solange diese lebte, zu wohnen hatte. Starb die Tochter unverheiratet, wurde ihre Lehnsabfindung mit dem väterlichen Gut konsolidiert.

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a.a.O., S. ). Auch konnte der Witwe der Nießbrauch eines Teils des Familiengutes als Leibgeding eingeräumt werden. Sie durfte zwischen dem Leibgeding oder ihrem Eingebrachten nebst Verbesserung wählen. Wählte sie das Leibgeding, das aus der Nutzung eines Familien- oder individuell besessenen Gutes bestehen konnte, wurde ihr Eingebrachtes mit dem Familiengut konsolidiert. Die Witwe durfte sich nicht durch eine „Flucht“ ins Leibgeding den Forderungen ihrer Gläubiger entziehen. Vgl. a.a.O., S. ff. In Vorpommern haftete das Gut nur subsidiarisch für die als individuelle Schuld eingestufte Verbesserung (vgl. a.a.O., S. f.). Fielen der Frau nach vollzogener Ehe neue Vermögenswerte zu, konnte der Brautschatz nachträglich erhöht werden, wenn das Familiengut – zum Nachteil der Gläubiger – damit nicht übermäßig belastet werden würde. Gab es keinen Ehevertrag, galten zwei Drittel des Eingebrachten als Brautschatz. Vgl. a.a.O., S. 98f. A.a.O., S. . Vgl. a.a.O., S. –8. Zusätzlich erhielten die Töchter weitere Vermögenswerte (Schmuck und Hochzeitsgelder), die dem Wert des Familiengutes angemessen sein sollten und ebenfalls ihr individuelles Eigentum waren. Vgl. a.a.O., S. 88. Nur der standesgemäß verheirateten Tochter stand die volle Aussteuer aus dem Familiengut zu. Ihr Ehemann musste aber nicht unbedingt adlig sein. Auch ein Bürgerlicher, der im Zivil- oder Militärdienst eine „adliche Bedienung“ hatte oder

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Als Familienschulden galten ferner diejenigen familialen Verbindlichkeiten, die der Sukzedierende bei der Übernahme des Gutes vorgefunden hatte, sowie die Kredite zur Finanzierung des ersten Ankaufs oder der Einlösung eines verpfändeten oder eines wiederkäuflich veräußerten Familienguts, kreditfinanzierte Investitionen zur Verbesserung der Substanz, wie auch Darlehen zur Bezahlung gesetzlicher Abgaben. Finanzierte der Besitzer die Familienschulden nicht mit (Hypotheken-)Krediten, sondern zahlte sie mit individuell besessenen Mitteln, so hatte er seinen gemeinrechtlichen Erben, sofern sie nicht ins Familiengut sukzedierten, diese Summen gleichwertig zu kompensieren, es sei denn, es handelte sich um Investitionen zur Verbesserung der Substanz. Ohne den agnatischen Konsens einholen zu müssen, konnte der Rittergutsbesitzer in Pommern – im Unterschied zur Mark –„gesetzliche Lehnschulden“ (Familienschulden) oder individuelle Ausgaben durch hypothekarische Verschuldung finanzieren. Dennoch haftete das Familiengut „in Ermangelung oder bei der Unzulänglichkeit des Allodial-Vermögens, nicht nur mit den Früchten, sondern auch der Substanz nach, für sämtliche Schulden des Lehnsbesitzers, es mögen dieselben auf dem Lehn eingetragen seyn oder nicht“. Ein verpfändetes8 oder ohne agnatischen Konsens innerhalb der Familie oder an Dritte wiederkäuflich veräußertes Famili-

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vornehmer Prediger in einer großen Stadt oder Doktor einer Fakultät war, galt als standesgemäß. War der Ehemann nur mittleren Standes, wurde nur die halbe Aussteuer bezahlt. Bei einer Verehelichung mit einem Mann niederen Standes wurde die Aussteuer in Vorpommern auf ein Viertel reduziert, in Hinterpommern fiel sie ganz weg. Unverheiratet geschwängerte Töchter oder Schwestern hatten in beiden Pommern keine Aussteuer aus dem Familiengut zu erwarten. Verfügten sie nicht über eigene Vermögenswerte oder Einkünfte, erhielten sie die Hälfte der üblichen Alimentierung. Vgl. a.a.O., S. 8. A.a.O., S.  und S. f. Sukzedierten jedoch Agnaten, so hatten sie den gemeinrechtlichen Erben diese Summen zu vergüten. Vgl. a.a.O., S.  und S. . A.a.O., S. 8. Ob sie im Landbuch eingetragen waren oder nicht. Vgl. a.a.O., S. 8. Es gab zwei Arten der Verpfändung, die „antichretische“ oder die reale. Beide mussten in das von den Ritterschaften verwaltete Landbuch eingetragen werden. Bei einer antichretischen Verpfändung wurden, als Kompensation der Zinsforderung, die Erträge des Gutes verpfändet. In diesem Fall war kein Konsens nötig, da der Besitzer das Nutzungsrecht eigentümlich besaß. Vor einer realen Verpfändung musste der unbeerbte Besitzer den agnatischen Konsens einholen. War das Gut für eine bestimmte Zeit verpfändet worden, konnten die besitzende Linie oder die Agnaten ihr Einlösungsrecht erst nach dem Ende der Pfandfrist wahrnehmen, ebenso wie bei einer – meist gleichfalls terminierten – wiederkäuflichen Veräußerung. Vgl. a.a.O., S. 9–00.



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engut9 konnten der Besitzer oder seine männlichen Deszendenten wieder einlösen, wie auch die Agnaten nach dem Erlöschen des Familienzweiges desjenigen, der das Gut wiederkäuflich veräußert hatte.0 Alle anderen Verfügungen ihres Aszendenten über das Familiengut, einschließlich des Verkaufs, mussten die Deszendenten des Besitzers hinnehmen, auch wenn sie nicht gemeinrechtliche Erben geworden waren. War der Besitzer ohne sukzessionsfähige Nachkommen gestorben, musste der sukzedierende Agnat die auf dem Gut lastenden Schulden, die nicht aus dem individuellen Vermögen des (Vor-)Besitzers bedient werden konnten, nur bis zur Höhe des Taxwertes des Gutes übernehmen. Auch in einem Konkursverfahren konnte ein Agnat das Gut für diesen Wert an sich bringen und konnte damit das „beneficium taxae“ in Anspruch nehmen. Ein Besitzer, der sukzessionsfähige Nachkommen hatte, konnte das Familiengut wie individuelles Eigentum an jeden Interessenten, ob Agnat oder Fremder, veräußern. Hatte er keine sukzessionsfähigen Nachkommen, durfte er, auch ohne agnatischen Konsens, das Gut freiwillig nur an einen Agnaten verkaufen. Für den Verkauf an einen Fremden brauchte der „unbeerbte“ Besitzer den agnatischen Konsens. Zum agnatischen Konsens genügte – anders als in der Mark – die Zustimmung der Agnaten des nächsten Grades. Gab es nur einen im nächsten Grad, musste dieser seinerseits einen Erben haben. Durch keine dieser Formen des freiwilligen Verkaufs verlor das Gut seine Eigenschaft als Familiengut und die ungefragten Agnaten behielten ihre privilegierten Vor- und Rückkaufsrechte. Ein befragter Agnat, der sein Vorkaufsrecht nicht wahrnahm, gab weder für sich noch für seine Nachkommen das Rückkaufsrecht auf. Im familialen Binnenverhältnis war die Berechtigung zur Wahrnehmung der agnatischen 9

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Vgl. a.a.O., S. f., S. 8 und S. 90. Verkaufte ein Besitzer, der einen Erben hatte, ein Familiengut, musste mit dem Erlös ein anderes Gut erworben und wie das Ausgangsgut vinkuliert werden. Vgl. Beiträge zum pommerschen Lehnrechte insbesondere das Verfahren bei dem Verkaufe pommerscher Lehngüter und bei der Ausübung der den Agnaten zustehenden Lehnrechte betreffend, in: Kamptz, Jahrbücher, Bd. , S. –0, hier S. . Vgl. Zettwach, Das pommersche Lehnrecht – 8, S. 90f. und S. 99f. A.a.O., S. . Gleichgültig, ob der Deszendent enterbt war oder das Erbe ausschlug. Er konnte nur Lehn und Erbe annehmen oder beides ausschlagen. A.a.O., S. 8–. Vgl. a.a.O., S. 8, S. 9f., S. 0f. und S. f. Vgl. a.a.O., S. f. Es sei denn, es handelte sich – wegen „dringender“ Schulden – um einen „notwendigen“ Verkauf, der ein Konkursverfahren verhindern sollte. Vgl. a.a.O., S. , § 8f. Vgl. a.a.O., S. .

Pommern



Vor- und Rückkaufsrechte nach der Nähe der Verwandtschaftsgrade genealogisch segmentiert. War das Gut an den nächsten Agnaten verkauft worden, blieb es in dessen Linie. Er und seine Deszendenz hatten alle Rechte des früheren Besitzers. War das Gut an einen entfernteren Agnaten verkauft worden, konnte es jeder nähere in unterschiedlicher Weise für sich einfordern, je nachdem ob der Verkäufer Erben hatte oder nicht.8 Hatte der beerbte Besitzer an einen entfernteren Agnaten verkauft, mussten die näheren Agnaten – und ihre Deszendenz – abwarten, bis die Linie des familialen Käufers erloschen war. Danach hatten sie dreißig Jahre Zeit, ihr Rückkaufsrecht wahrzunehmen. Hatte der Besitzer jedoch keine Erben, konnte der nähere Agnat – binnen Jahr und Tag – das Vorkaufsrecht9 gegen den entfernteren Agnaten wahrnehmen. Tat er es nicht, verloren er und seine Linie jedoch nicht das Rückkaufsrecht, das sie – bis zu dreißig Jahre nach dem Tod des Veräußerers – ausüben durften.0 Hatte ein beerbter Besitzer das Familiengut ohne agnatischen Konsens an einen Fremden veräußert und starb seine Linie aus, konnte jeder Agnat binnen dreißig Jahren das Rückkaufsrecht gegen jeden aktuellen Besitzer wahrnehmen. Die näheren Agnaten verloren dabei nicht ihre Rechte gegenüber den entfernteren. Hatten jedoch die Agnaten der nächsten Linie dem Verkauf durch den unbeerbten Besitzer an einen Fremden zugestimmt, mussten die entfernten Agnaten oder ihre Deszendenz auch das Erlöschen der Linien derjenigen Agnaten abwarten, die zugestimmt hatten, bevor sie ihr Rückkaufsrecht wahrnehmen konnten. Der Agnat, der das Vorkaufsrecht ausübte, rückte in den Kaufvertrag ein. Wer dagegen später das Rückkaufsrecht wahrnahm, hatte den ursprünglichen Verkaufspreis zu entrichten, wobei die Verminderung oder Vergrößerung des früheren Wirtschaftswertes des Gutes zwischen dem aktuellen Besitzer und dem revozierenden Agnaten zu verrechnen waren. Da die Frist zur Wahrnehmung des Vorkaufsrechtes von dem Zeitpunkt abhing, an dem ein Agnat von dem Verkauf erfahren hatte, war der neue Besitzer nie sicher, ob ihm seine Investitionen vergütet werden würden  8 9 0



Vgl. GStA PK, Rep. , Tit.  Nr. , Bd. . Vgl. a.a.O., S. f., S. f. und S. . Wer das Vorkaufsrecht wahrnahm, hatte die Bedingungen des Kaufvertrages zu erfüllen. Vgl. Zettwach, Das pommersche Lehnrecht – 8, S. 8. Vgl. GStA PK, Rep. 90, Nr.  und Zettwach, Das pommersche Lehnrecht – 8, S.  und S. –8. Hatte der unbeerbte Besitzer für den innerfamilialen Verkauf den Konsens des nächsten oder der näheren Agnaten eingeholt, obwohl er hierzu nicht verpflichtet war, konnten die entfernteren ihr Rückkaufsrecht erst dann wahrnehmen, wenn die Linien der Agnaten, die zugestimmt hatten, erloschen waren. Zettwach, Das pommersche Lehnrecht – 8, S. 9f. und S. 8.



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oder nicht. Um seinen Kauf längerfristig vor den unterschiedlichen Rückforderungsrechten sicherzustellen, konnte der fremde Käufer die Agnaten gerichtlich auffordern lassen, ihre Vorrechte wahrzunehmen oder auf sie zu verzichten. Ein solcher Schritt war nur empfehlenswert, wenn das Gut preisgünstig erworben worden war, denn die Agnaten – gleich welchen Grades – hatten das Recht, das Gut für den Preis zu übernehmen, den die – niedrige – Taxe auswies. Selbst wenn die agnatische Einwilligung vorlag, musste der fremde Erwerber oder jeder spätere Besitzer damit rechnen, dass eines Tages aus dem Labyrinth der alten und weit verzweigten Geschlechter doch noch ein unbekannter Agnat auftauchte und das Gut für sich reklamierte. Der fremde Käufer war nicht berechtigt, den Rückkauf vom Verwandtschaftsgrad desjenigen Agnaten abhängig zu machen, der seine familialen Rechte gegen ihn wahrnehmen wollte. Konnte der „unbeerbte“ Besitzer eines Familiengutes die Forderungen seiner Gläubiger nicht erfüllen, musste er den Agnaten seine Notlage nachweisen, seine Schulden nach familial bedingten sowie nach individuellen aufschlüsseln und den Konsens zum Verkauf einholen. In dringenden Fällen durfte er, um einen Konkurs zu vermeiden, das Gut verkaufen, auch ohne den Konsens der Agnaten abwarten zu müssen. Die Agnaten konnten das Gut vom Besitzer übernehmen oder vom Käufer zurückfordern, wobei die agnatischen Verbindlichkeiten – unabhängig von der Art der Schulden – durch den Taxwert des Gutes begrenzt waren. Konnte kein außergerichtlicher Vergleich geschlossen werden, wurde das Gut dem oder den Gläubigern gerichtlich als ganzes oder in einzelnen Teilen entweder als Pfand oder als zeitweiliger Besitz zum Wert der gerichtlichen Taxe zugesprochen. Blieben die Agnaten weiterhin unschlüssig und lösten das Gut oder seine einzelnen Teile nicht ein, konnten die Gläubiger sie gerichtlich auffordern lassen, ihre Rechte wahrzunehmen oder auf sie zu verzichten.8   

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A.a.O., S. 8, § . A.a.O., S. 8, § 99. Dessen Status als Familiengut blieb solange im Hypothekenbuch vermerkt, bis die Lehnskanzlei diese Eigenschaft dort gelöscht hatte. (Vgl. GStA PK, Rep. , Tit. , Nr. 0, Bd.  und Rep. 90, Nr. .) Es sei denn, dass demjenigen Fremden, dem das Gut gerichtlich zugesprochen worden war, gestattet wurde, es unwiderruflich zu besitzen und lehnrechtlich zu binden. Vgl. G[ustav Karl Adolf] v. Wilmowski, Beiträge zum Pommerschen Lehnrecht, Berlin 80, S. f. Vgl. Zettwach, Das pommersche Lehnrecht – 8, S.  und GStA PK, Rep. 8a, Nr. 9, Bl. 9f. Zettwach, Das pommersche Lehnrecht – 8, S. , S.  und S. f. A.a.O., S.  und S. . Vgl. Beiträge zum pommerschen Lehnrechte insbesondere das Verfahren bei dem Verkaufe pommerscher Lehngüter und bei der Ausübung der den Agnaten zuste-

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Vor der Aufhebung des lehnsherrlich-vasallitischen Verhältnisses war eine gerichtliche Versteigerung von Lehngütern „nicht gebräuchlich“ und daher auch nicht geregelt.9 Meist nahmen die Agnaten ein familiales Lehngut, dessen Besitzer zahlungsunfähig geworden war, zum Wert der Lehn/Landtaxe an sich. Erst wenn die Agnaten auf dieses Vorrecht verzichtet hatten, schieden sie in Bezug auf dieses Gut aus dem Lehnsverband aus. Der Gläubiger musste das Gut übernehmen und um die Belehnung nachzusuchen. War er nicht lehnsfähig, hatte er es einem „Lehnsfähigen zu überlassen“, oder die Allodifikation des Rittergutes zu beantragen.0 8 unterwarf das „Corpus juris Fridericianum“ den gerichtlichen Verkauf von Landgütern einschließlich ihrer Zwangsversteigerung einer streng formalisierten Ordnung. Obwohl es keine speziellen Regeln für lehnrechtlich gebundenes Eigentum enthielt, wurden Familiengüter ab 8 nach den Vorschriften des „Corpus“ versteigert. Agnaten wie Gerichte hatten angenommen, dass die Agnaten nunmehr ihr Vorkaufsrecht auch auf der Grundlage des für Landgüter geltenden gemeinen Näherrechts wahrnehmen und das Gut durch die Übernahme des Höchstgebotes erwerben dürften. Da das von Friedrich II. verfügte Mindestgebot bei der Versteigerung adliger Güter seit  bei zwei Dritteln ihres gerichtlichen Taxwertes lag, gleichzeitig jedoch die Preise für Rittergüter, auch wegen des von ihm  verfügten Verbots für Bürgerliche, Rittergüter zu besitzen, niedriger lagen, war die Wahrnehmung des Näherrechts weitaus gün-

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henden Lehnrechte betreffend, in: Kamptz, Jahrbücher, Bd. , 80, S. –0, hier S. . A.a.O., S. . A.a.O., S. –8. A.a.O., S. f. Vgl. NCC, Bd. , , Sp. 9f. Vgl. NCC, Bd. , , Sp. 9. Dieses strikte Verbot wurde während des Krieges  relativiert (Vgl. NCC, Bd. ., , Sp. ff.). Die Vorschrift, dass nur der Adel Rittergüter besitzen durfte, bedeutete nicht, dass Bürger keine Rittergüter besaßen. Durch das ALR wurden die verschiedenen Einzelanordnungen gesetzlich kodifiziert (ALR, II. Teil, 9. Titel, § 51). Der Besitz von Rittergütern durch „Personen bürgerlichen Standes“ wurde an eine „besondere Landesherrliche Erlaubnis“ gebunden, es sei denn, ein Bürger hatte ein solches Gut ererbt. „Wer vermöge seines Standes gewisse Sachen oder Güter zu besitzen an sich nicht fähig ist, dem können solche dennoch in einem Testamente oder Codicille zugewendet werden. – Ein solcher Erbe oder Legatarius muss aber binnen Jahresfrist, nach dem Tode des Erblassers, sich entweder die Fähigkeit zum Besitze verschaffen, oder sein aus der letzwilligen Verordnung erlangtes Recht einem anderen fähigen abtreten.“ (Vgl. ALR, I. Teil, . Titel – Von Testamenten und Codicillen, §§ f.) Vergleichbares galt für die Wahrnehmung der mit dem Besitz von Rittergütern verbundenen und dem Adel vorbehaltenen „Ehrenrechte“. „Wird aber zur Ausübung gewisser

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Die Rechtsverhältnisse der adligen Familiengüter

stiger als die des „beneficium taxae“. Die Unsicherheit, welches Vorrecht die Agnaten wahrnehmen würden, das Näherrecht oder das „beneficium taxae“, womit die Versteigerung entfiel, hielt fremde Interessenten, deren Kreis ohnehin auf Angehörige des Adels eingeschränkt war, meist davon ab, am gerichtlichen Verkaufsverfahren teilzunehmen. Weil diese Praxis aber den Kreditrahmen für familial besessene Rittergüter verringerte und das Risiko der 8 gegründeten Gläubigergenossenschaft für adlige Rittergutsbesitzer erhöhte, entzog der Großkanzler und Justizminister v. Carmer am . November 8 den Agnaten das Näherrecht bei der Versteigerung von solchen Rittergütern, die noch im Besitz der „lehntragenden Familie“ waren. Nur ein Familiengut, das ein Fremder besaß, über den ein Konkursverfahren eröffnet worden war, sollte durch das Näherrecht wieder in den Besitz der Familie gelangen können. Gleichzeitig wies v. Carmer das Landgericht an, aus dem Hypothekenbuch sowie aus den Vasallen- und aus den Huldigungstabellen für jedes Gut eine Liste der jeweiligen Agnaten zu erstellen und sie einem der Agnaten bekannt zu machen, damit dieser sie ergänzen könne. Den Agnaten, deren Wohnort bekannt war, sollte während eines Konkursverfahrens die Taxe des Gutes und die Vorladung zum Termin des gerichtlichen Verkaufs zugestellt werden, während die unbekannten Agnaten durch Gericht öffentlich aufzufordern waren, sich zu melden. Derjenige, dessen Existenz oder Wohnort unbekannt blieb, solle zum Schaden Dritter daraus später keinen Vorteil ziehen dürfen. Derjenige, der persönlich vorgeladen worden war, aber zum Termin nicht erschien, oder auf seine Rechte verzichtet hatte, sollte durch ein Präklusionsurteil alle seine Rechte auf das jeweilige Gut verlieren. Die Agnaten sollten im Gerichtstermin das „beneficium taxae“ wahrnehmen und das Gut zum Wert nach der alten Lehn/Landtaxe, die die Gläubigergenossenschaft vorher zu erstellen hatte, übernehmen können.8 Mit der Wahrnehmung des „beneficium taxae“ durch einen Agnaten war das gerichtliche Verkaufsverfahren beendet, und die Versteigerung fand nicht statt.9 Damit war aber zugleich das Präklusionsurteil gegen diejeni-

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mit dem Eigenthume einer Sache verbundener Rechte, zugleich eine persönliche Eigenschaft erfordert, so ruht die Ausübung dieser Rechte, so bald und so lange dem dermaligen Eigenthümer die persönliche Eigenschaft ermangelt.“ Vgl. ALR, I. Teil, 8. Titel – Vom Eigenthume, § 8. Kamptz, Jahrbücher, Bd. , 80, S. . Vgl. GStA PK, Rep. 8a, Nr. 90, Bl.  und Bl. –. Kamptz, Jahrbücher, Bd. , 80, S. . A.a.O., S. 8ff. und S. . A.a.O., S. 0ff. Vgl. GStA PK, Rep. 8a, Nr. 90, Bl. –0. Vom taxierten Preis des Gutes waren die gesetzlichen Familienschulden zu bezahlen. Überstieg die Taxe die gesetzli-

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gen nichtig, die nicht erschienen waren oder auf die Wahrnehmung ihrer Rechte verzichtet hatten. Auch bei Gütern, die sich – vorübergehend – in der Hand eines Fremden befanden, sollte entsprechend verfahren werden. In einem solchen Verfahren konnten die Agnaten jedoch nicht das „beneficium taxae“, sondern nur die anderen agnatischen Rückforderungsrechte beanspruchen.0 Die Verordnung v. Carmers vom . November 8 sah nur einen Termin für die Erklärung der Agnaten und für die Versteigerung vor. Da der vollständige Kreis der Agnaten und die Hierarchie ihrer Berechtigungen oft in einem Termin nicht bestimmt werden konnten, hielt sich das Oberlandesgericht jedoch nicht an diese Verordnung, so dass Gläubiger oder andere Kaufinteressenten nur selten zur Versteigerung beim Oberlandesgericht anreisten, weil sie nicht sicher sein konnten, ob es überhaupt zu einer Versteigerung kommen würde. Obendrein hätten sie ausreichende Barmittel mit sich führen müssen, während die Agnaten, die die Wahrnehmung ihrer Rechte beanspruchten, Zeit hatten, die entsprechenden Gelder zu deponieren. Oft realisierten die kaufwilligen Agnaten ihre Absicht nur zögerlich oder traten von ihrer Kaufabsicht zurück, was eine erneute Klärung der genealogisch vermittelten Vorrechte erforderte. Manch ein gerichtliches Verkaufsverfahren zog sich daher „nicht selten zehn und mehrere Jahre“ in die Länge. Selbst wenn die vorgeladenen Agnaten erklärt hatten, auf ihre Vorrechte zu verzichten, blieb es fraglich, ob der vollständige Kreis der Agnaten ermittelt worden war, so dass der außerfamiliale Interessent nie

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chen Verbindlichkeiten, und besaß der verschuldete Besitzer nur ein unzureichendes oder kein individuelles Vermögen, wurden seine individuellen Verbindlichkeiten aus dem eventuellen Überschuss vermindert oder beglichen. Vgl. Zettwach, Das pommersche Lehnrecht – 8, S. 8, S. 9, S. 0– und S. . War bei einem gerichtlichen Verkauf das Gut vor der Versteigerung von einem entfernteren Agnaten erworben worden, konnte ein näherer seine Rechte am Familiengut erst nach dem Erlöschen der Linie des Erwerbers wahrnehmen. Vgl. a.a.O., S. . Kamptz, Jahrbücher, Bd. , 80, S. f. Vgl. Gutachten der Justiz-Abteilung des Königlichen Staatsraths, den Entwurf einer Verordnung über das Verfahren bei der Subhastation pommerscher Lehngüter betreffend, in: GStA Rep. 80, Drucksachen Nr. , S. . Vgl. GStA PK, Rep. 8a, Nr. 90, Bl. – und Rep. 90, Nr. . Vgl. Motive zum revidirten Entwurfe des Provinzial-Rechts des Herzogthums Alt-Vor- und Hinterpommern, Berlin 8, (künftig zitiert: Motive – 8), S. 9. Mit der Verordnung über das Verfahren bei Subhastation Pommerscher Lehngüter, vom . Mai 89 (Vgl. Gesetz-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten (künftig zitiert: Gesetz-Sammlung), für 89, S. –9) wurden die größten prozessualen Hindernisse in diesem Verfahren beseitigt. Vgl. GStA Rep. 80, Drucksachen Nr. .

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Die Rechtsverhältnisse der adligen Familiengüter

sicher war, ob er das Gut als Allodialgut oder als schwebend unwirksames Familiengut ersteigern würde. Je nach Rechtsgeschäft galten für ein Familiengut drei verschiedene Wertbestimmungen: Der vereinbarte Kaufpreis, der wirtschaftliche Wert, der sich am Agrarmarkt orientierte oder die Lehn- bzw. Landtaxe. Die Wertbestimmung eines Gutes durch die Lehn/Landtaxe war umstritten, denn die Taxe für Familiengüter stammte noch aus der Zeit der lehnsherrlich-vasallitischen Verhältnisse. Die Kriterien ihrer Wertermittlung waren  in der Hofgerichtsordnung Vorpommerns und 8 in der Hinterpommerns unter ständischer Mitwirkung festgelegt worden. Für Hinterpommern wurde sie  vom Hofgerichtsrat Schweder differenziert und konkretisiert.8 Die Taxe, die schon 8 – im Jahr der Aufhebung der lehnsherrlich-vasallitischen Verhältnisse in Hinterpommern – als „sehr niedrig“ galt,9 blieb bis 8 bestehen,80 obwohl die hinterpommersche Hofgerichtsordnung die Möglichkeit einer Anpassung an zukünftige Verhältnisse eingeräumt hatte.8 Wegen der veralteten – vom Agrarmarkt unabhängigen – Taxierungskriterien war der hypothekarische Kreditrahmen der hinterpommerschen Rittergüter nahezu permanent durch Familienschulden ausgefüllt. Da ihr Ertragwert jedoch höher war, wurde demjenigen, der das 

 

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Vgl. Motive – 8, S. . Ein pommersches Familiengut wurde erst dann dauerhaft allodial, wenn das Hypothekengericht dessen Eigenschaft als Familiengut aus dem Hypothekenbuch gelöscht hatte, was erst geschehen konnte, wenn es nachweislich nur noch einen des Geschlechts gab, oder wenn es durch Familienschluss allodifiziert worden war. Vgl. GStA PK, Rep.8a, Nr. 0, Bl. ff., Bl. ff. und Bl. f. Die Verschuldungsgrenze eines Rittergutes wurde aus der Land- bzw. Lehn-Taxe abgeleitet und war niedriger als sein Wirtschaftswert, denn um den Vasallen dienstfähig zu erhalten, waren die Kosten der Vasallendienste kein Bestandteil der Taxe. Siehe a.a.O., Bl. –. Vgl. Vgl. Zettwach, Das pommersche Lehnrecht – 8, S. f.; GStA PK, Rep. 8a, Nr. 0 Bl. 8–90 und Rep. 89, Nr. 0, Denkschrift (A), S. . Siehe Christoph Hermann Schweder, Gründliche Nachricht von gericht- und aussergerichtlicher Anschlagung der Güther nach dem jährlichen Abnutz. Was dabey nicht allein von Richtern, Commissarien, Notarien, Feldmessern, Zeugen, und Partheyen, sondern auch ratione modi in Acht zu nehmen; aus bewehrten Autoribus, sonderlich aus der täglichen Observantz zusammen getragen, und mit Praejudiciis überall bestärcket, Leipzig . Vgl. BLHA Rep. A, Nr. 8, Bl. . Sie repräsentierte 8 – während der Agrarkrise – nur etwa die Hälfte, 8 etwa 0% des Wertes eines Familienguts. Vgl. Kamptz, Jahrbücher, Bd. 9, S. 9 und GStA PK, Rep. ,T it. , Nr. 0, Bd. . Vgl. G[ustav Karl Adolf] v. Wilmowski, Beiträge zum Pommerschen Lehnrecht, Berlin 80, S. . Vgl. GStA PK, Rep. 8a, Nr. 0, Bl. f. und Rep. 90, Nr. .

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Gut und damit familialen Verbindlichkeiten übernahm, die Bedienung der Zinsverpflichtungen erleichtert. Das Vorrecht der Agnaten, bei einem gerichtlichen Verkaufsverfahren das Familiengut für den Taxwert oder die Übernahme des Höchstgebotes an sich zu bringen, oder bei anderen Transaktionen das Rückkaufsrecht wahrzunehmen, konnte für die extra-familalen Gläubiger einen erheblichen oder den vollständigen Verlust ihrer (Hypotheken-)Kredite bedeuten, wie das 8 abgeschlossene Konkursverfahren gegen den bürgerlichen Besitzer eines Familiengutes derer v. Podewils zeigte. Das Gut, auf dem Hypothekenkredite zweier v. Arnims von insgesamt 9.000 Talern lasteten, erwarb für 0. Taler ein in Berlin ansässiger v. Podewils durch die Wahrnehmung des Rückkaufsrechtes.8 Zwölf Jahre später8 war dieses Gut erneut im Besitz eines Bürgerlichen, ohne seine Eigenschaft als Familiengut derer v. Podewils endgültig verloren zu haben. Inzwischen war der – für den Rückkauf unverbindliche – Taxwert auf .00 Taler gestiegen.8 Auch ohne Konkurs konnte der Verlust der Gläubiger beträchtlich sein. 89 brachte ein pommerscher Adliger ein Familiengut, auf dem zu diesem Zeitpunkt eine Hypothek von .8 Talern lastete, durch die Ausübung des Rückkaufrechtes für . Taler an sich, der Preis, für den es 8 verkauft worden war.8 Derart extreme Disparitäten entstanden, weil das Recht auf Rückkauf an die Sukzession geknüpft war und erst dann ausgeübt werden konnte, wenn die Linie des Veräußerers und/oder auch die Linien der Agnaten, die einst konsentiert hatten, ausgestorben waren. War der Käufer eines Familiengutes – ob Agnat oder nicht – Gläubiger des Vorbesitzers, hatte er zwei Möglichkeiten, seinen Erwerb langfristig 8 8

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Vgl. GStA PK, Rep.8a Nr. 89, Bl. 9–88. Die Überschreibung auf ihn hatte sechs Jahre gedauert. Weil der erwerbende Agnat das Recht hatte, ein schuldenfreies Gut zu erhalten, waren die Verfahren zur Umschreibung von verschuldeten Gütern oft langwierig, denn die auf dem Gut lastenden Schulden wurden nicht nur im Hypothekenbuch des Gutes dokumentiert, sondern zusätzlich in frei veräußerbaren „Hypothekeninstrumenten“, die erst dann vom Hypothekenbuch abgeschrieben werden konnten, wenn sie dem Gericht vorgelegt und in „Schuldinstrumente“ umgewandelt worden waren. Erst danach ging das Gut in die Hand des neuen Besitzers über. Vgl. GStA PK, Rep. 8a, Nr. 90, Bl. 9–88 und Bl. –. Im vorliegenden Fall war der Hypothekenschein über .000 Taler für die an zweiter Stelle positionierte Hypothekenforderung eines derer v. Arnim, der bereits verstorben war, nicht auffindbar. Vgl. J. C. D. Zimmermann, Über die Verschuldbarkeit der Lehn-Güter in Vor-Pommern und das dabei in Anspruch genommene Beneficium taxae, in: Kamptz, Jahrbücher, Bd. 9, 8, S. –9, hier S. 9; GStA PK, Rep. 8a, Nr. 90, Bl.  und Bl. – und Rep. 90, Nr. . Vgl. GStA PK, Rep.8a Nr. 89, Bl. –. GStA PK, Rep.9c. Abschnitt , Nr. .



Die Rechtsverhältnisse der adligen Familiengüter

gegen agnatische Rückforderungen zu schützen. Durch einen einvernehmlich erhöhten Schuldtitel ließ sich leicht ein überhöhter Kaufpreis rechtfertigen. Dadurch konnte der Vor- oder Rückkauf durch einen Agnaten unwahrscheinlich werden.8 Die Familie des Verkäufers verlor dadurch nichts, im Gegenteil, denn der, der das Familiengut verkaufte, musste den Netto-Erlös in einem neuen Familiengut anlegen. In der Regel besaß die Familie anschließend statt eines großen verschuldeten Gutes ein kleineres schuldenfreies. Um sicher zu gehen, nutzte mancher nicht zur Familie gehörende Käufer die Möglichkeit, die Agnaten gerichtlich auffordern zu lassen, ihr Vorkaufsrecht auszuüben oder darauf – wie auf die Wahrnehmung des Rückkaufsrechts – zu verzichten.8 Da dieser Verzicht vom Erwerber auch erkauft werden konnte, seien viele Rittergüter bei dem Übergang von einer Familie in eine andere oft von ihrer eigentumsrechtlichen Bindung befreit worden, vermutete ein Kenner der Materie.88 Die wenigen quantitativen Angaben zum eigentumsrechtlichen Charakter der Rittergüter Pommerns lassen keine Rückschlüsse auf die Ursachen für die Veränderungen ihres Status als Familiengut zu. Ausgenommen die Kreise Bütow und Lauenburg, wo es nur allodiale Güter gab, waren 8 von den 09 ehemaligen Lehn-Rittergütern Hinterpommerns 8% individuelles Eigentum und % hatten den Status von Familiengütern. Für die 8 Rittergüter (Alt-)Vorpommerns, wo das lehnsherrlich-vasallitische Verhältnis formal noch galt, hatte der Landesherr seine Rechte aus dem Obereigentum offenbar ruhen lassen, denn hier war die Relation mit .% zu .% ähnlich.89 8 zog das Oberlandesgericht Köslin für die dem hinterpommerschen Eigentumsrecht unterliegenden ehemaligen Lehn-Rittergüter90 folgende Bilanz: Von den  als ehemalige Lehn-Rittergüter 8 8

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Vgl. GStA PK, Rep. , Tit. , Nr. 0, Bd. , S. . Vgl. Zettwach, Das pommersche Lehnrecht – 8, S. 8 und S. . In (Alt-)Vorpommern konnte jeder, also jeder Agnat, in Hinterpommern nur der fremde Käufer diese Möglichkeit nutzen. Vgl. GStA PK, Rep. 90, Nr. . Vgl. GStA PK, Rep. , Tit. , Nr. , Bd. . Später wurde die Rechtmäßigkeit des Verlustes bzw. der Aufgabe des Rückkaufsrechtes mit dem prinzipiellen Einwand angezweifelt, dass agnatische Rechte erst mit der Sukzession entstünden, und niemandem Rechte entzogen werden könnten oder keiner auf Rechte verzichten könne, die er noch nicht habe. Hier bezog sich dieser Einwand auch auf den Verzicht auf die Ausübung des Vorkaufsrechts. Vgl. Beiträge zum pommerschen Lehnrechte insbesondere das Verfahren bei dem Verkaufe pommerscher Lehngüter und bei der Ausübung der den Agnaten zustehenden Lehnrechte betreffend, in: Kamptz, Jahrbücher, Bd. , 80, S. –0. Vgl. GStA PK, Rep. 8a, Nr. 9, Bl. –80. In den ehemals zur Neumark gehörenden Kreisen Schievelbein und Dramburg galt weiterhin die neumärkische Eigentumsordnung.

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geltenden Besitzungen waren noch  (8%) eigentumsrechtlich gebunden und 00 allodial. Von den gebundenen waren 9 (%) im tatsächlichen Familienbesitz und 8 (9%) im vorübergehenden Besitz Dritter. Von den 100 allodifizierten Gütern wurden 79 von einem Agnaten aus dem Geschlecht der ehemaligen Besitzer als individuelles Eigentum besessen.9 Die Umwandlung der ehemaligen Lehngüter in individuelles Eigentum fand zum überwiegenden Teil offenbar innerhalb der adligen Familien selbst statt.

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Vgl. GStA PK, Rep. 90, Nr. .

 Kapitalisierte Grundschuld, Geldmarkt und gebundenes Eigentum Die „Landschaft“ als Gläubigergenossenschaft und Bürgschaftsverband „… und es trat der Kredit an die Stelle des Lehnrechts.“

Für Gläubiger diente die hypothekarische Besicherung von Forderungen bis ins 8. Jahrhundert meist dazu, Restkaufsummen oder Baugelder sicherzustellen und weniger als verzinste Geldanlage. In der Regel befreiten die Bauherren ihre Güter rasch von diesen Sicherstellungen, die im Hypotheken- oder Landbuch in der Rubrik der „dominia reservata“ eingetragen waren. Dieser Eigentumsvorbehalt ermöglichte den direkten Zugriff auf die Immobilie. Für die Rückzahlung der hypothekarisch eingetragenen Restkaufsummen oder Baugelder galten meist feste Termine. Die Hypothekenordnung von  bestrafte die Überschreitung dieser Termine und die anschließende Verzinsung der Sicherstellungen mit dem Verlust ihrer Eigenschaft als „dominia reservata“, d.h. sie verloren ihren Eigentumsvorbehalt und wurden in die chronologische Rangfolge der nicht privilegierten hypothekarischen Schuldverschreibungen eingereiht. Die fortbestehende Begünstigung anderer – familial bedingter – „dominia reservata“ gegenüber denjenigen Hypotheken, die vor allem als Geldanlage gedacht waren, zog dem Kreditrahmen der Rittergutsbesitzer enge Grenzen. Die schlesische Hypothekenordnung vom . August 0 erhöhte die Sicherheit der Gläubiger, indem sie die Hypothekenbücher konsequent formalisierte und die chronologische Rangfolge für alle Forderungen ein 

 

Ludwig Achim von Arnim, Die Majoratsherren, in: ders., Werke in einem Band (= Bibliothek der Klassiker), Berlin und Weimar 98, S. 8–, hier S. . Hermann Mauer, Die private Kapitalanlage in Preußen während des 8. Jahrhunderts, Mannheim, Berlin, Leipzig 9, (künftig zitiert: Mauer, Kapitalanlage), S. f. und M[oritz] Weyermann, Zur Geschichte des Immobiliarkreditwesens in Preußen mit besonderer Nutzanwendung auf die Theorie der Bodenverschuldung, (= Freiburger Volkswirtschaftliche Abhandlungen, I. Bd., . Ergänzungsheft), Karlsruhe i. B. 90, (künftig zitiert: Weyermann, Immobiliarkredit), S. . Weyerman, Immobiliarkredit, S. ff. Vgl. §  und §  der Hypotheken- und Konkursordnung von , in CCM, Bd. ., Sp. 0–0 und Weyerman, Immobiliarkredit, S. .



Kapitalisierte Grundschuld

führte. Sie wurde am . September 0 den Hypothekenbehörden der übrigen Landesteile mit der Aufforderung übersandt, diese „gehörig zu beobachten“, was in der Mark Brandenburg jedoch nur in der Altmark geschah. Verzinste Hypothekenkredite blieben jedoch weiterhin gegenüber den „dominia reservata“ (gesetzlichen Familienschulden, Restkaufgeld) insofern zweitrangig, als diese einen Eigentumsvorbehalt sicherten, jene aber nicht in jedem Fall ein Realrecht konstituierten, sondern nur die Verpflichtung des illiquiden Schuldners, diese Verbindlichkeiten aus den Erträgen zu bedienen.8 Erst wenn das nicht mehr geschah, konnte ein Gläubiger den gerichtlichen (notwendigen) Verkauf beantragen. Wegen der erhöhten Sicherheit für Hypothekengläubiger und in Ermangelung anderer Anlageobjekte wurde in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts der private Hypothekenkredit zu einer gesuchten Geldanlage.9 Der Zinssatz war mit % bis % nicht hoch,0 das Geld jedoch relativ sicher angelegt. Die Gründung der Königlichen Bank () und der staatlichen 

 

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Vgl. Allgemeine Ordnung vor das souveraine Hertzogthum Schlesien, wonach die Land- und Hypotheken-Bücher über unbewegliche Güter, zur Sicherheit der Eigenthümer und Creditorum, einzurichten sind (. August 0), in: CCM, Continuatio, Bd. , 0, Sp. –90, hier Sp. . Siehe CCM, Continuatio, Bd. , Sp. . Mit Ausnahme der Altmark, wo das Obergericht auch die Hypothekenbücher der Rittergüter verwaltete, wurde diese Verordnung in den übrigen Regionen der Mark Brandenburg nicht beachtet, weil die Ritterschaften, mit deren Mitsprache die Hypothekenordnung von  formuliert worden war, sich nicht über die Abänderungen, die die schlesische Hypothekenordnung von 0 enthielt, einigen konnten. Vgl. die §§ 8– der „Declarirte[n] Constitution“, in: CCM, . Teil, . Abteilung, Sp. – und Kamptz, Sammlung, . Abteilung, Nr. , S. – und GStA PK, Rep. , Nr. , Ritterschaft, Fasz. , sowie BLHA Rep. A Kurmärkische Stände – Hypothekendirektiones, Nr.  und Rep. B Neumärkische Stände, Nr. 9, Bl. . Zur Umsetzung der schlesischen Hypothekenordnung von 0 in der Altmark vgl. GStA PK, Rep. , Nr. p, Fasz. . Zur Diskussion über die Revision der Hypothekenordnung von  vgl. BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, B. , Bl. , C. 89, Bl. f. und C. 9, Bl. 89. Vgl. die §§ 8–0 der Hypothekenordnung von 0, in: CCM, Continuatio, Bd. , Sp. –90, hier Sp. f. Mauer, Kapitalanlage, S. f. und S. 9f. Die Höhe der Zinsen wurde später durch das ALR gesetzlich begrenzt. Darlehen, zu denen Hypotheken zählten, und Verpachtungen durften bis zu % verzinst werden. Im Warenverkehr genoss der Kaufmann ein Zinsprivileg von %. Juden durften vor ihrer rechtlichen Gleichstellung bis zu 8% fordern, damit ihre Gemeinden die ihnen auferlegten Sondersteuern begleichen konnten. Vgl. ALR, I. Teil, . Titel, §§ 80–80. Vgl. Mauer, Kapitalanlage, S. ff. Zur Vorgeschichte siehe Weyermann, Immobiliarkredit, S. –9.

Die „Landschaft“ als Gläubigergenossenschaft



Aktiengesellschaften – die Tabakshandlungskompanie () und die Preußische Seehandlung () – änderten daran wenig. Anleger kleinerer Summen wählten die private Hypothek, Anleger größerer Summen liehen eher dem Landschaftlichen Kreditwerk, dessen Schuldverschreibungen durch den Fundus der kurmärkischen Rittergüter verbürgt waren. Stiftungen und Vormundschaftsgerichte hatten dort ihre Überschüsse anzulegen oder Kredite aufzunehmen. Nicht immer konnten Private ihr Geld im Kreditwerk unterbringen, und Kündigungen privater Darlehen seitens des Landschaftlichen Kreditwerks führten immer wieder zu heftigen Protesten derer, die mit den Zinsen die Versorgung ihrer Familie langfristig hatten sichern wollen. Wegen der erhöhten Sicherheit der privaten Hypothek galt sie nach 0 als bevorzugte Geldanlage, trotz der variierenden Dauerbelastungen der Rittergüter, die durch die Generationswechsel bedingt waren. Vereinbarungen, wonach nur der Gläubiger und nicht der Schuldner den Hypothekenkredit kündigen konnte, waren keine Seltenheit. Mit dieser Praxis und der Möglichkeit, Hypothekenbriefe – wie Wechsel – beim Ankauf anderer Güter als Anzahlung zu akzeptieren, mithin wie Bargeld zu benutzen,8 erklärt Weyermann den rasanten, weil spekulativen Anstieg der Preise für Rittergüter nach 0.9 

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Vgl. Reinhard Koselleck, Preußen zwischen Reform und Revolution. Allgemeines Landrecht, Verwaltung und soziale Bewegung von 9 bis 88, (= Industrielle Welt, Bd. ), Stuttgart 9, (künftig zitiert Koselleck, Reform), S.  und Mauer, Kapitalanlage, S. 8. Zur Geschichte der Seehandlung: Wolfgang Radtke, Die Preußische Seehandlung zwischen Staat und Wirtschaft in der Frühphase der Industralisierung, (= Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, Bd. 0), Berlin 98. Zur Umwandlung der Seehandlung von einer staatlichen Warenhandlung in eine Staatsbank vgl. Rolf Straubel, Carl August von Struensee. Preußische Wirtschafts- und Finanzpolitik im ministeriellen Kräftespiel 8–80/0, (= Bibliothek der Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, Bd. ), Potsdam 999, S. –9. Mauer, Kapitalanlage, S. f. Vgl. BLHA Rep. A Kurmärkische Stände, C. 9, Bl. f. und Mauer, Kapitalanlage, S.  und S. 8. Vgl. GStA PK, Rep. 9, Nr. e. Mauer, Kapitalanlage, S. 8–. Weyermann, Immobiliarkredit, S. . Vgl. Hermann Mauer, Das Landschaftliche Kreditwesen Preußens, agrarwirtschaftlich und volkswirtschaftlich betrachtet, (= Abhandlungen aus dem staatswirtschaftlichen Seminar zu Straßburg i.E., Heft XXII), Straßburg 90, (künftig zitiert: Mauer, Kreditwesen) S. 0. Für Weyermann war mit dieser hypothekarischen „Kreditverfassung“ die Voraussetzung für „periodische“ Immobilienkrisen geschaffen worden, die ihre eigene Dynamik hatten. Vgl. Weyermann, Immobiliarkredit, S. f.

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Kapitalisierte Grundschuld

Als die Verschuldungsgrenze, die für schlesische Rittergüter 0% ihres letzten Kaufpreises betrug, im Siebenjährigen Krieg aufgehoben worden war, kündigten viele Gläubiger ihre erstrangigen Hypotheken. Da die Rittergutsbesitzer die gekündigten Hypotheken oft nicht durch neue Kredite ersetzen konnten und in den nachfolgenden Konkursverfahren zahlreiche Gläubigerforderungen wegen der geringen Versteigerungserlöse unerfüllt blieben, wurden 9 Zwangsversteigerungen bis zum Kriegsende untersagt.  – zwei Jahre nach Kriegsende – wurden die verschuldeten Rittergutsbesitzer für drei Jahre von der Verpflichtung befreit, die Forderungen ihrer Hypothekengläubiger zu begleichen sowie die Hypothekenzinsen zu zahlen. Da wegen der Verheerungen durch den Krieg die Güter in dieser Kürze nicht saniert werden konnten, mussten nach Ablauf der Frist mehr als 00 Rittergüter versteigert werden.0 Um den schlesischen Adel vor weiterem Ruin zu bewahren und ihm neuen Kredit zu verschaffen, ordnete Friedrich II. 0 an, eine „Landschaft“ zu gründen. Die Begründung Friedrichs II. für die Etablierung der „Schlesischen Landschaft“ wirkt zunächst kurios: Er hätte wahrgenommen, dass der „Geldmangel“ im „Schlesischen Land-Adel“ seine Ursache im „Verfall des Credits“ habe und dieser wiederum der „unproportionierten Verpfändung der Land-Gühter“ geschuldet sei. Durch die gegenseitige Verbürgung aller Besitzer „Adlicher Güter“ und durch eine neue Wertermittlung wollte er den Zirkelschluss von Überschuldung, Kreditmangel und Geldknappheit im Schlesischen Adel durchbrechen. Die neue Taxierung würde den Kreditrahmen der Güter vergrößern und die Verbürgung durch die „Landschaft“ würde die Sicherheit der Gläubiger erhöhen. Obwohl in den zeitgenössischen Statuten nicht so benannt, setzte sich die Bezeichnung „Landschaft“ auch für die vergleichbaren Institute der anderen Provinzen durch, ebenso in der Historiographie. Der Schlesischen Landschaft folgte  das Kur- und Neumärkische Ritterschaftliche Kre0



 

Die Schuldenmoratorien für Hypothekenkredite zwischen 9 und  sowie jenes zwischen  und 8, das auch für Zinsen galt, lähmte das Geschäft mit Immobiliarkrediten. Vgl. Mauer, Kreditwesen, S. 0f. Vgl. Abdruck der allerhöchsten Königl. Cabinets-Ordre d. d. 9ten Aug.9 die Wiederherstellung des Landschaftlichen Credits betreffend, Bl. 0v und Bl. v, in: GStA PK, Rep. 0A, XI, , Nr. , Bl. –9. A.a.O. Bl. . Zur Namensgeschichte der Bürgschaftsverbände nicht nur Preußens, sondern auch anderer deutscher Staaten vgl. Felix Hecht, Die Landschaften und landschaftsähnlichen Kreditinstitute in Deutschland, (= Die Organisation des Bodenkredits in Deutschland, . Abteilung, . Bd. Statistik) (künftig zitiert: Hecht, Landschaften), Leipzig 908 bzw. Nachdruck Frankfurt/M. 989, S. IX–XIII.

Die „Landschaft“ als Gläubigergenossenschaft

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dit-Institut, 8 das Pommersche, 8 das Westpreußische und 88 das Ostpreußische. Erst 8 folgte der Kreditverein für die Rittergüter Posens. Die „Landschaften“ unterstanden bis 8 der Aufsicht eines königlichen Kommissars und gehörten danach zum Ressort des Innenministeriums. Ihre Direktoren waren unmittelbare königliche Beamte. Die Statuten der „Landschaften“ vermieden das Wort „Rittergut“, um historische oder eigentumsrechtliche Implikationen zu vermeiden, stattdessen war von adligen Gütern die Rede. Als adliges galt ein mit (guts)herrschaftlichen und administrativen Rechten ausgestattetes Gut, unabhängig davon, ob sein Besitz jemals mit ritterlichen Pflichten verbunden gewesen war. Dadurch konnten nicht nur die ehemaligen Lehngüter, sondern auch diejenigen Güter assoziiert werden, die nach der Aufhebung der adligen oder ritterlichen Vasallität mit herrschaftlichen Rechten ausgestattet worden waren, sei es, dass sie durch Teilung von Herrschaftsgütern oder durch Landgewinnung (wie im Oderbruch) entstanden waren oder aus landesherrlichen Schenkungen bzw. Veräußerungen stammten. Die „Landschaft“ stand zwischen dem Gutsbesitzer und dem Inhaber des Pfandbriefes. Mit der Ausgabe eines Pfandbriefes für ein bestimmtes Gut wurde die „Landschaft“ Hypothekengläubiger des Gutsbesitzers. Um die Sicherheit der Pfandbriefe zu garantieren, musste die Hypothekenund Konkursordnung von  den veränderten Bedingungen angepasst werden. Das Hypothekenpatent von  machte die Bestimmungen der 



 

Der Kreis Havelland trat erst 8 dem Kreditinstitut bei. Vgl. Das Chur- und Neumärkische Ritterschaftliche Credit-Reglement vom . Juni , commentirt und mit den dasselbe ergänzenden und abändernden Bestimmungen zusammengestellt, [Berlin, 8], (künftig zitiert: Märkisches Kreditreglement), S. 9f. Die Geschichte der Bürgschaftsverbände ist noch nicht geschrieben. Als Ersatz wird meist auf Weyermann (s.o., Anm. ) zurückgegriffen. Seine Arbeit enthält jedoch in ihren Abschnitten über die „Landschaften“ erhebliche methodische, faktische und rechnerische Mängel, auch bezieht sie sich vorwiegend auf Schlesien und Niederbarnim, die sie gleichwohl als pars pro toto interpretiert. Die Studien von Hermann Mauer (s.o.) sind dagegen sehr viel instruktiver. Der früh verstorbene Bernd Ristau, der eine Monographie über die Ostpreußische Landschaft plante, konnte nur eine Vorstudie publizieren: Bernd Ristau, Adlige Interessenpolitik in Konjunktur und Krise. Ein Beitrag zur Geschichte der landschaftlichen Kreditkasse Ostpreußens 88 bis 8, in: Denkhorizonte und Handlungsspielräume. Historische Studien für Rudolf Vierhaus zum 0. Geburtstag, Göttingen 99, S. 9–. Zur inneren Organisation der Bürgschaftsverbände siehe Schiller, Großgrundbesitz, S. 8ff. Die Besitzer von „feuda data“ hatten dem Lehnsherrn bei jeder kriegerischen Auseinandersetzung zu folgen, die von „feuda oblata“ nur bei der Landesverteidigung.

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Kapitalisierte Grundschuld

„Landschaften“ allgemein verbindlich und übernahm deren Prinzip der chronologischen Rangfolge für hypothekarisch abgesicherte Forderungen.8 Der Käufer des Pfandbriefs dagegen war, obwohl der Pfandbrief auf ein konkretes Gut ausgestellt war, Gläubiger der „Landschaft“. Die „Landschaften“ waren mithin im Binnenverhältnis Gläubigergenossenschaften und im Außenverhältnis Bürgschaftsverbände. In Schlesien, Pommern, Ost- sowie Westpreußen, wo alle Besitzer adliger Güter der jeweiligen „Landschaft“ inkorporiert waren, galt die Generalgarantie, d.h. hier waren die Pfandbriefe durch die Gesamtheit der – verschuldeten und unverschuldeten – Rittergüter verbürgt. Auch in Pommern galt die Generalgarantie, hier konnte jedoch nur derjenige sein Gut mit Pfandbriefen beleihen, der das Gut „wirklich“, sei es als Familiengut, sei es als individuelles Eigentum, besaß.9 Die Kur- und Neumärkische „Landschaft“ stand sowohl Bürgerlichen als auch Adligen offen, unabhängig davon, ob das Gut individuelles oder lehnrechtlich gebundenes Familieneigentum war.0 Hier galt die Assoziationsgarantie. Mitglied der „Landschaft“ wurde nur derjenige, der sich bei ihr verschuldete, d.h. die Sicherheit der Pfandbriefe war nur durch die Substanz der verschuldeten Güter verbürgt. Durch diese Konstruktion war der Rittergutsbesitzer, der sich bei der märkischen „Landschaft“ verschuldet hatte, nicht nur genossenschaftlich haftender Bürge aller Pfandbriefe, sondern auch kollektiv vermittelter Selbstgläubiger. Im Folgenden werden Funktion und Wirkung der Bürgschaftsverbände nur insoweit dar-

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Vgl. NCC, Bd. , , Sp. 9–800. Mit der Allgemeine[n] Hypotheken-Ordnung für die gesammten Königl. Staaten von 8 gab es keine Hypotheken mehr, die „ex personali Privilegio einen Vorzug“ hatten. Die Rechte der familialen und die der außerfamilialen – und also auch bürgerlichen – Gläubiger wurden egalisiert und ihre Rangfolge ausschließlich chronologisch bestimmt. Vgl. NCC, , 8, Sp. –. Bei Familiengütern war die Beleihung mit Pfandbriefen an „gewisse Modalitäten“ gebunden, vgl. Pommersches Allergnädigst Confirmirtes Landschafts-Reglement, de Dato Berlin, den ten März 8, Erster Teil. Kapitel II, §  und § , in: GStA PK, Rep. 8a, Nr. . Da bei einem Bürgerlichen das Risiko, dass er das adlige Gut nur unter Vorbehalt und nicht „wirklich“ besaß, größer war als bei Adligen, konnten in der Regel nur adlige Rittergutsbesitzer die Beleihung mit Pfandbriefen beantragen. Vgl. Kommentar zu den statuarischen Bestimmungen bei dem Kurund Neumärkischen Ritterschaftlichen Kredit-Institute, [Berlin 900], S. , in: GStA, Rep. 8B, Nr. . Siehe §  und §§ – im „Ritterschafts-Kredit-Reglement für die Kur- und Neumark, vom . Juni “, in: Kamptz, Sammlung, . Abteilung, S. –9, hier S. . Das Reglement forderte bei der Beleihung eigentumsrechtlich gebundener Güter den Nachweis für die Einhaltung aller entsprechenden Vorschriften für Familiengüter.

Die „Landschaft“ als Gläubigergenossenschaft



gestellt, als sie für die eigentumsrechtlich gebundenen Familiengüter des Adels relevant waren. Der Pfandbriefinhaber wurde durch den Konkurs des verschuldeten Gutsbesitzers nicht tangiert. Umgekehrt war der Schuldner durch die „Landschaft“, der er angehörte, vor der Kündigung eines Pfandbriefes geschützt, da der Pfandbriefinhaber kein Realrecht auf die Immobilie besaß, sondern nur die verpfändete Forderung auf einen hypothekarischen Schuldtitel, den die „Landschaft“ besaß. Die im Vergleich zur Privathypothek größere Sicherheit der Pfandbriefe induzierte die Umwandlung mancher Privathypotheken in Papiere des Bürgschaftsverbandes, so dass eher der Gläubiger mehr Sicherheit, als dass der Adel mehr Kredit erhielt. Dies induzierte vor allem die Neubewertung der Güter durch den Bürgschaftsverband. Die Pfandbriefe galten deshalb als eine sichere Geldanlage, weil sie vom Kur- und Neumärkischen Bürgschaftsverband nur bis zur „ersten Hälfte“ des Wertes des Gutes ausgestellt wurden, jedoch entsprechend weniger, wenn auf der „ersten Hälfte“ bereits andere Hypotheken lasteten. In Pommern galt gleiches für zwei Drittel des Wertes, entsprechend der Höhe des seit  generell vorgeschriebenen Mindestgebotes bei Versteigerungen von Rittergütern. Bevor Pfandbriefe für ein Gut ausgestellt werden konnten, ermittelte der Bürgschaftsverband den Kreditrahmen des Gutes, wobei er sich an den „Pachtanschlägen“ für Domänen orientierte. Wie die Domänen-Kammern schätzte der Bürgschaftsverband den Wert  







Der Pfandbriefinhaber erhielt auch während eines Konkursverfahrens seine Zinsen, anders als es bei Privathypotheken der Fall war. Für die Kur- und Neumark vgl. §  des Reglements, in: Kamptz, Sammlung, . Abteilung, S. . Hier war in seltenen Ausnahmen eine Beleihung bis zu / des Gutswertes (8.%) möglich. Vgl. Märkisches Kreditreglement, S. –9. Die Begrenzung der hypothekarischen Verschuldung auf die Hälfte des Wertes war bereits im Juni  in einer Anordnung an das Kammergericht verfügt worden. Vgl. NCC, Bd. , , Sp. 9f. Vgl. Pommersches Allergnädigst Confirmirtes Landschafts-Reglement, de Dato Berlin, den ten März 8, Erster Teil, Kapitel I, §  und Dritter Teil, Kapitel I, § , in: GStA PK, Rep. 8b, Nr. . Verordnung, daß die Justiz-Collegia die Adelichen Güter, welche wegen Schulden zum gerichtlichen Verkauf kommen, anetzo nicht unter zwey Drittheil der Taxe adjudiciren, sondern bis sich solche Käufer dazu finden, den Creditoren selbst, zum Genuß in Besitz geben, und dadurch zugleich die Deterioration der Güter evitiren sollen. De Dato Berlin, den 0ten July , in: NCC, Bd. a, , Sp. f. und GStA PK, Rep. , Nr. , Ritterschaft, Fasz. . Vgl. General- und Special-Tax-Principia zur Abschätzung der Güter in der Churund Neumark, nach ihrem wahren Ertrage, in welchen die zur Verpachtung der Königl. Ämter bei denen Krieges- und Domainen-Cammern angenommene Principia



Kapitalisierte Grundschuld

eines Gutes nicht nach seinem bisherigen Ertrag ein, sondern nach seinen wirtschaftlichen Möglichkeiten. Die Taxkriterien des Bürgschaftsverbandes waren differenzierter als die der veralteten Landtaxen, wobei er – weil festverzinslich verpflichtet – vermutete Schwankungen der Preise für agrarische Produkte berücksichtigte8 und deshalb entsprechend vorsichtig kalkulierte, um die Sicherheit der Pfandbriefe nicht zu gefährden. Deshalb bezog der märkische Bürgschaftsverband nicht jede Art gewerblicher Produktion in die Wertermittlung ein. Mit dem Argument, dass „Färberröte an sich […] ein ganz entbehrliches menschliches Bedürfnis“ sei und „keine reelle, sondern künstliche Nutzung verheißen“ würde,9 lehnte es die Direktion des Bürgschaftsverbandes in einem konkreten Fall ab, die Fabrikationsstätte zur Herstellung der Textilfarbe in ihre Wertermittlung einzubeziehen.0 Bei agrargewerblichen Anlagen „namentlich also Brauereien, Brennereien, Stärckefabriken, Stärkezucker, Runkelrüben-Fabriken, Ziegeleien usw.“ wurden nur die Gebäude zu





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zum Grunde gelegt worden, de dato Berlin, den 9. August , im Umfang von  Seiten, in: GStA PK, Rep. 8b, Nr. 98. Vgl. Friedrich Freiherr Dijon von Monteton, Technische Erwägungen über die Abschätzungs-Grundsätze für den Kur- und Neumärkischen ritterschaftlichen Credit-Verband, [Berlin 8], in: GStA PK, Rep. 8b, Nr. 99. Der Autor war zum Zeitpunkt dieser Publikation 0 Jahre Landwirt gewesen,  Jahre HauptRitterschafts-Direktor sowie  Jahre Taxator und hatte  Güter taxiert. In der Kur- und Neumark wurde der Wert eines Gutes aus dem Zwanzigfachen seines möglichen Jahresertrages errechnet. Vgl. §  des Ritterschafts-Kredit-Reglements für die Kur- und Neumark, vom . Juni , in: Kamptz, Sammlung, . Abteilung, S. –9, hier S. . Vgl. Special-Tax-Principia zu Abschätzung der Ritter-Güter in der Chur- und Neumark, de dato Berlin, den . November . Sie waren nach Kreisen untergliedert und hatten einen Umfang von  Seiten. Vgl. für Pommern: Entwurf zu den Detaxations-Principiis der Hinter-Pommerschen Ritterschaft und General-Tax-Principia zu Abschätzung der Ritter-Güter in Vorpommern, in: GStA PK, Rep. 8b, Nr. . Die patrimoniale Gerichtsbarkeit und das Patronat, die in der märkischen Lehn- bzw. Landtaxe als sogenannte „unfruchtbare Regalien“ nicht berücksichtigt waren, taxierte der kur- und neumärkische Bürgschaftsverband je nach der Größe des Gutes mit je 0, 00 oder maximal 00 Talern. Vgl. P. J. G. Hoffmann, Repertorium der Preußisch-Brandenburgischen Landesgesetze, . Fortsetzung 80, S. 8. Immer wieder wurde gefordert, bei der Anwendung der Landtaxe die aktuellen Preise zu berücksichtigen. Die einen erhofften sich höhere Abfindungen, dagegen wurde ins Feld geführt, dass die Preise auch fallen könnten. Vgl. BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, B. 0. Die als unkalkulierbar galt, weil sie von der Mode, der Importpolitik oder der gewerbepolizeilichen Ordnung abhängig war. Vgl. BLHA Rep. A Märkische Landschaft – Generalia, Nr. 9, Bl. 0–.

Die „Landschaft“ als Gläubigergenossenschaft



ihrem Feuerversicherungswert in die Taxe eingerechnet, „jedoch mit Ausschluß der Utensilien und mit der Einschränkung […], daß der GesamtAnsatz für die auf einem Gute vorhandenen industriellen Anlagen niemals den Betrag von 0.000 Thlr. und den zehnten Teil des Pfandbriefwertes des betreffenden Gutes übersteigen darf“. Die Taxierung der Güter nach den Kriterien des Bürgschaftsverbandes ergab höhere Werte als die Bewertung durch die veralteten Landtaxen. Die Taxierung der Güter nach den neuen Prinzipien hatte nicht nur den Effekt ihrer Aufwertung. Sie war – wenn auch nur sporadisch – zugleich mit einer Prüfung ihrer Wirtschaftlichkeit verbunden und konfrontierte den Besitzer mit den Regeln betriebswirtschaftlicher Kalkulation. Da für die Familiengüter die alten Landtaxen weiterhin den Maßstab für die Höhe der materiellen Ansprüche beim Generationswechsel darstellten und sich die familialen Vorkaufsrechte auf diesen – niedrigeren – Wert bezogen, war der landschaftliche Kreditrahmen für Familiengüter enger begrenzt. Daher war die Beleihungsgrenze für individuell besessene Güter höher als für Familiengüter. In der Kurmark konnte die Differenz zwischen dem Wert nach der Lehn/Land-Taxe und der Bewertung nach den Kriterien des Bürgschaftsverbandes zwischen 0% und 0% betragen. In Pommern war der Kreditrahmen eines Familiengutes noch niedriger als in anderen Regionen, da die Agnaten dort das Privileg genossen, ein zur Zwangsversteigerung ausgeschriebenes Familiengut zum Wert der Lehntaxe übernehmen zu können, der niedrigsten Bewertung eines Gutes. Um sich abzusichern, verlangte der Bürgschaftsverband deshalb vor der Ausfertigung von Pfandbriefen den Konsens aller Agnaten, bzw. den gerichtlichen Ausschluss der unauffindbaren von der Teilnahme am Konsensverfahren. Die Beleihung eines Gutes durch die „Landschaft“ war an keinen auf das Gut bezogenen wirtschaftlichen Verwendungszweck gebunden. Investitionen mit Pfandbriefkrediten zu finanzieren, war daher eher die



    

Vgl. Zusammenstellung der General-Tax-Prinzipien zur ritterschaftlichen Abschätzung der Güter in der Kur- und Neumark, § , S. , in GStA PK, Rep. 8b, Nr. 00. Vgl. Mauer, Kreditwesen, S.  und S. . Vgl. GStA PK, Rep. 89, Nr. 0 und Rep. 8b, Nr. , Bl. . Vgl. GStA PK, Rep. , Nr.  Adel in genere, Fasz.  und Rep. , Tit. , Nr. 0, Bd. . Vgl. GStA PK, Rep. 8b, Nr. , Bl. . So konnte das einzelne Mitglied des Bürgschaftsverbandes gleichzeitig Schuldner und Gläubiger sein.



Kapitalisierte Grundschuld

Ausnahme. Da es – entgegen der ursprünglichen Idee der Initiatoren der „Landschaften“ – keine Fristen gab, das Gut von der Belastung durch Pfandbriefe zu befreien, war die Verschuldung der Güter mit Pfandbriefen ein Dauerzustand.8 Die Befreiung des Gutes von Pfandbriefen war obendrein durch den Charakter des Pfandbriefs erschwert, denn bis 88 lautete der Pfandbrief auf ein konkretes Gut. Wollte sich der Besitzer eines Gutes von der Belastung mit Pfandbriefen befreien, musste er die für sein Gut ausgestellten Briefe beim Bürgschaftsverband vorlegen oder sie durch die Assoziation zur Einlösung aufrufen lassen. Da die Pfandbriefe Inhaberpapiere waren und frei veräußert werden konnten, war dieses Verfahren oft sehr zeitraubend und nicht immer erfolgreich.9 Hatte sich ein Gutsbesitzer trotz dieser Schwierigkeiten entschuldet, so konnte er nur in der Kur- und Neumark aus der Assoziation austreten.0 In den anderen Provinzen bedeutete die Ablösung der Pfandbriefe nicht, dass das Gut aus dem Bürgschaftsverband ausschied. Wegen der Generalgarantie wäre der Gutsbesitzer durch die Ablösung der Pfandbriefe, die sein Gut belasteten, nicht von der Mithaftung für die übrigen bei der Landschaft verschuldeten Güter befreit worden. Der Schutz der Schuldner vor den Kündigungen der auf ihre Güter ausgeschriebenen Pfandbriefe verhinderte weder Liquiditätskrisen noch Konkurse von Mitgliedern der Bürgschaftsverbände. Weil die Nachkommen eines – welchem Eigentumsrecht auch immer unterworfenen – Rittergutsbesitzers einen gesetzlichen Anspruch auf den Nachlass ihres Erblassers hatten und der Erbe eines Gutes die Ansprüche seiner Miterben durch persönliche Kredite finanzieren durfte, und da drittens der Gläubiger das Recht hatte, sich an das Gesamtvermögen des Schuldners zu halten, konnte der Bürgschaftsverband Liquiditätskrisen seiner Mitglieder nicht abwehren. Liquiditätskrisen gefährdeten jedoch die pünktliche Bedienung der Schuldzinsen. Ihre Auszahlung an den Pfandbriefinhaber aber war „eines



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Nach Weyermann wurden 80% der Pfandbriefkredite zum Kauf eines Gutes oder zur Sicherstellung von Teilungs- oder Erbansprüchen verwendet. Weyermann, Immobiliarkredit, S. . Weyermann, Immobiliarkredit, S.  und S. 8f. Hundertfünfzig Jahre Kur- und Neumärkisches Ritterschaftliches Kredit-Institut. Denkschrift herausgegeben von der Kur- und Neumärkischen Haupt-RitterschaftsDirektion in Berlin, [Berlin 9], S. , in: GStA PK, Rep. 8b, Nr. 0. Vgl. Kur- und Neumärkisches Reglement, in: Kamptz, Sammlung, . Abteilung, S. –9, hier S. . Vgl. GStA PK, Rep. 8b, Nr. . Vgl. GStA PK, Rep. 8b, Nr. 99.

Die „Landschaft“ als Gläubigergenossenschaft



der Hauptgrundgesetze“ des Bürgschaftsverbandes. Neben unvorhersehbaren wirtschaftlichen Schäden durch Hagelschlag, Missernten und Seuchen, führten Erbauseinandersetzungen mit einer gewissen Regelmäßigkeit zu Liquiditätskrisen des Gutsbesitzers, zumal Ansprüche aus Abfindungen weiter vererbt wurden. Die erbrechtlich bedingten Belastungen der Familiengüter wuchsen jedoch nicht analog zum Stammbaum. Dies hatte mehrere Ursachen. Zum einen galt in erbschaftlichen Auseinandersetzungen über Familiengüter die niedrige Landtaxe. Zum zweiten waren die durch den Generationswechsel verursachten Belastungen, von denen ein Teil Renten waren, degressiv, denn sie bezogen sich jeweils nur auf den schuldenfreien Wert des Gutes zum Zeitpunkt des Generationswechsels, so dass die Belastung aus früheren Erbfällen die Anspruchshöhe der folgenden Generationen verringerte. Hatten diese Berechtigungen „lehnrechtlichen“ Charakter, blieb ihre hypothekarische Fundierung für alle weiteren Erbansprüche erhalten, denn nur über die (Zins)Nutzung konnten die Erben individuell verfügen. Zum dritten und vierten boten die allgemeine Inflationsrate, die die Belastung durch Altrenten real verminderte, und die Produktivitäts- und Wertsteigerungsrate für Rittergüter ein Gegengewicht. Um den Pfandbriefinhabern die Kreditzinsen zu garantieren und sich selbst zu schützen, ging der Bürgschaftsverband rasch und rigoros gegen säumige Mitglieder vor. Dabei konnte er – als privilegierter Hypothekengläubiger – wie eine Behörde handeln. Als erstes beauftragte der Bürgschaftsverband den Landreiter mit der Einziehung der Schuldzinsen, später die Gendarmerie. Blieb die Zahlung der Schuldzinsen auch dann aus, nahm der Bürgschaftsverband, ohne das zuständige Gericht bemühen zu müssen, das Gut des Schuldners in eigene Regie und setzte einen Zwangsverwalter ein. Konnte die Gutswirtschaft auch durch dessen Bemühungen nicht in eine Balance von Verbindlichkeiten und Rendite gebracht werden, beantragte der Bürgschaftsverband das gerichtliche Versteigerungsver-



 

Vgl. § 0 des Kur- und Neumärkischen Reglements, in: Kamptz, Sammlung, . Abteilung, S. . Der verschuldete Gutsbesitzer zahlte die Schuldzinsen an den Bürgschaftsverband, dieser händigte sie dem Pfandbriefinhaber aus. Vgl. den § 5, in: Kamptz, Sammlung, . Abteilung, S. . Schuld- und Habenzinsen waren gleich hoch. In der Kur- und Neumark wurden die Pfandbriefe zwischen  und 80 mit .%, danach mit % verzinst. Siehe Märkisches Kreditreglement, S. . Siehe die §§ – des Kur- und Neumärkischen Reglements von , in: Kamptz, Sammlung, . Abteilung, S. 8 Siehe die §§ –, des Kur- und Neumärkischen Reglements, in: Kamptz, Sammlung, . Abteilung, S. 8



Kapitalisierte Grundschuld

fahren. Die Höhe des Mindestgebots bestimmte die Subhastationstaxe, die dieselben Kriterien enthielt wie die Taxe des Bürgschaftsverbandes. Die Subhastationstaxe bewertete das Gut – anders als der Bürgschaftsverband – jedoch nicht nach seinen wirtschaftlichen Möglichkeiten sondern nach den aktuellen Tagespreisen und bezog alle „Fabrikations-Anlagen“ entsprechend ihrem Zeitwert ein, die jeweils mit dem Faktor  in die Wertermittlung eingingen.8 Der im Vergleich zur Beleihungstaxe größere Multiplikator erhöhte das Mindestgebot und diente dazu, die Hypotheken zu sichern und schützte damit die Gläubigergenossenschaft. Die Gläubigergenossenschaft musste nicht zu Vollstreckungsterminen erscheinen,9 da ihre Pfandbriefkredite garantiert waren. Zwischen  und 8 fanden in der Uckermark  Versteigerungsverfahren von Gütern statt, die mit Pfandbriefen beliehen waren, in der Neumark , neun davon mussten in diesem Zeitraum zweimal und eines dreimal versteigert werden. Bei keinem dieser Verfahren musste der Bürgschaftsverband Verluste abschreiben.0 Die Ersteigerung eines überschuldeten Gutes war attraktiv, denn der Käufer wurde automatisch Mitglied des Bürgschaftsverbandes und brauchte nicht mit der Kündigung der Pfandbriefe zu rechnen, sondern musste lediglich die jeweils fälligen Pfandbriefzinsen entrichten. War das Gut ausschließlich mit Pfandbriefen belastet, wurde der Käufer nicht mit der umständlichen Umschreibung von Hypotheken oder gar mit dem Prozedere der Umschuldung konfrontiert. Er hatte nur die Differenz zwischen Pfandbriefschuld und Kaufpreis zu zahlen und für den Eintrag ins Hypothekenbuch zu sorgen. Auch der freie Kauf von Gütern, die mit Pfandbriefen beliehen waren, war attraktiv, denn der Käufer musste die Pfandbriefschuld nicht ablösen, sondern nur die Zinsbelastung übernehmen und die Differenz zum Kaufpreis zahlen.



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In der Kur- und Neumark ist zwischen  und 8 nur ein Gut auf Antrag der Bürgschaftsverbandes zwangsversteigert worden. Vgl. „Säkularfeier des Ritterschaftlichen Kredit-Instituts“, [Berlin 8], (künftig zitiert: Säkularfeier), S. , in: BLHA, Rep. A Märkische Landschaft – Generalia, Nr. . Vgl. GStA PK, Rep.  Ritterschaft, Nr. , Vol. II. Vgl. GStA PK, Rep.  Ritterschaft, Nr. , Vol. II. Siehe § 8 des Kur- und Neumärkischen Reglements, in: Kamptz, Sammlung, . Abteilung, S. . Vgl. Säkularfeier, S. , in: BLHA, Rep. A Märkische Landschaft – Generalia, Nr. , sowie a.a.O., Bl. f. und Bl. 8f. Vgl. Märkisches Kreditreglement, S. f. und GStA PK, Rep. , Ritterschaft, Nr. , Vol. IV.

Die „Landschaft“ als Gläubigergenossenschaft



Wie der klassische Hypothekenbrief war auch der Pfandbrief frei veräußerbar. Mit einer halbjährlichen Kündigungsfrist konnte der Pfandbrief beim Bürgschaftsverband zweimal im Jahr zum Nennwert in Bargeld umgetauscht werden. Der Bürgschaftsverband konnte diese Liquidationsgarantie geben, weil sich zum einen die Kündigungen in Grenzen hielten, denn viele Pfandbriefe sicherten – zum Teil nicht ablösbare – Familienrenten ab. Zum zweiten bot die mitunter große Anzahl von Gläubigern pro Gut einen gewissen Schutz vor zeitgleichen Kündigungen der verschiedenen Pfandbriefe. Drittens ließen sich, solange der Marktwert des Pfandbriefs über pari stand, leicht neue Kaufinteressenten für gekündigte Pfandbriefe finden. Durch die halbjährliche Kündigungsfrist hatte die Gläubigergenossenschaft genügend Zeit, neue Käufer für gekündigte Pfandbriefe zu finden. In den Anfangsjahren der Bürgschaftsverbände waren die Pfandbriefe begehrte Anlagepapiere und wurden zu einem Kurs von über 00% gehandelt. In der Kur- und Neumark lag der Kurs rasch bei 0% und stieg bald auf 08%. Da der Gutsbesitzer den Pfandbrief zum Nominalwert erhielt und die hypothekarische Belastung des Gutes nicht an einen Verwendungszweck gebunden war, konnten Güter auch in spekulativer Absicht belastet werden, eventuell auch, um mit dem Kursgewinn den Erwerb eines weiteren, kleinen Guts zu finanzieren. Dieser Mechanismus begünstigte die Besitzer größerer Güter und unter ihnen diejenigen, die vorab gering oder gar nicht verschuldet waren. Weyermann konstruiert daraus ein Schneeballsystem, das bei einem unverschuldeten Gut seinen Anfang nahm. Sein Besitzer hätte – so unterstellt Weyermann – sein Gut bis zum Taxwert beim Bürgschaftsverband hypothekarisch verschuldet und mit dem Erlös dieser Pfandbriefe den Kauf  





Vgl. BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände – Hypothekendirektiones, Nr. , Bl. –. Siehe den §  im „Ritterschafts-Kredit-Reglement für die Kur- und Neumark, vom . Juni “, in: Kamptz, Sammlung, . Abteilung, S. –9, hier S.  und Märkisches Kreditreglement, S. 9. 8 waren in der Altmark  Güter bei mehr als zehn Gläubigern verschuldet, vier Güter hatten  und fünf 8 Gläubiger. Die Anzahl der Gläubiger und die der Hypothekenpositionen waren nicht immer gleich groß. 99 wiesen die Eintragungen im Landbuch für ein neumärkisches Gut 9 Hypothekenpositionen auf, die zu Gunsten von  Gläubigern eingetragen waren, einer davon besaß vier Schuldtitel.Vgl. BLHA, Rep. A Märkische Landschaft – Generalia, Nr. , Bl. f. und Nr. , Bl. f. Vgl. Mauer, Kreditwesen, S. w. und Säkularfeier, S. 8, in: BLHA Rep. A Märkische Landschaft – Generalia, Nr. . Hermann Mauer spricht sogar von einem Kurs von 110%, ohne dies jedoch regional zu spezifizieren.

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Kapitalisierte Grundschuld

eines weiteren Guts finanziert; und mit dem zweiten Gut dasselbe gemacht und mit weiteren Gütern ebenso. Schließlich hätte der fiktive Gutsbesitzer mit den Pfandbriefen seines am Schluss der Kette erworbenen Gutes das zuerst erworbene entschuldet, um so dem System neuen Schwung zu verleihen. Weyermann suggeriert, obwohl zuvor in dieser Passage nur von den Anfangsjahren der schlesischen „Landschaft“ die Rede ist, einen allgemeinen, durch Pfandbriefe induzierten lebhaften Güterhandel. Da die Pfandbriefe jedoch nicht auf den vollen Wert des Gutes ausgeschrieben wurden, hätte mit den Pfandbriefen des ersten Gutes nur ein kleineres Gut erworben werden können, das ebenfalls nur zum Teil mit Pfandbriefen zu beleihen gewesen wäre. Dadurch war eine Entschuldung des ersten Gutes mit dem Erlös der Pfandbriefe des zweiten Gutes nicht möglich, geschweige denn die Finanzierung mehrerer, Kursgewinn hin, niedrig verzinste Privatkredite her. Auch lässt Weyermann einige gravierende praktische Hindernisse außer Acht. Nur wenige Güter waren unverschuldet und vom Kauf bis zur Taxierung sowie der anschließenden Ausstellung von Pfandbriefen konnte in der Anfangszeit der Bürgschaftsverbände ein Jahr und mehr vergehen.8 Weyermann berücksichtigt in seinen Thesen über den Zusammenhang von Pfandbriefen und dem Preisanstieg für adlige Güter auch nicht den Organisierungsgrad der Bürgschaftsverbände und nicht den Umstand, dass nur ein Teil der Pfandbriefe im Umlauf, der größere aber, als gerichtlich deponierte Abfindung oder Rente, dem Finanzmarkt entzogen war.9 In den Anfangsjahren des Kur- und Neumärkischen Ritterschaftlichen Kreditinstitutes waren nur für etwa 0 bis % aller Rittergüter Pfandbriefe ausgestellt worden, die einen Wert zwischen drei und vier Millionen Talern repräsentierten. In den einzelnen Regionen war der relative Anteil der beliehen Güter unterschiedlich. 8 waren etwa ein Viertel aller Rittergüter der Kur- und Neumark mit Pfandbriefen des Bürgschaftsverbandes beliehen, in der Region Altmark und Prignitz lag dieser Anteil bei %, in der Mittelmark betrug er 9%, in der Uckermark 0% und in Neumark %.0

 

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Vgl. Weyermann, Immobiliarkredit, S. 88. In Schlesien wurden Pfandbriefe anfangs bloß auf die erste Hälfte des Taxwertes des Gutes und nur ausnahmsweise bis zu zwei Dritteln ausgestellt. 8 wurde diese Bestimmung des Kreditrahmens als Grenzwert festgesetzt. Vgl. GStA PK, Rep. 8a, Nr. 90, Bl. . Vgl. BLHA Rep. A Märkische Landschaft – Generalia, Nr. 0. Geschätzt aus: GStA PK, Rep.8B, Nr.  und Nr.  und Hundertfünfzig Jahre Kur- und Neumärkisches Ritterschaftliches Kredit-Institut, Denkschrift, Berlin [9], in: GStA PK, Rep. 8b, Nr. 0. Vgl. GStA PK, Rep. 0A XI, Fach , Nr. .

Die „Landschaft“ als Gläubigergenossenschaft

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Inwieweit die höhere Taxierung durch die Kreditassoziation für die Güterspekulation verantwortlich zu machen ist, oder der gesteigerte Kurswert der Pfandbriefe sowie der niedrige Zinssatz für Privatkredite, ist schwer zu ermessen. Dennoch konnten die Besitzer großer Güter, diese mit Pfandbriefen belasten, und kleinere Güter erwerben. Da dies dem Zweck der „Landschaft“, dem Schutz des Adels zu dienen, widersprach, verfügte Friedrich II. im Dezember 89 für das Herzogtum Schlesien und die Grafschaft Glatz, dass bereits angesessene Besitzer, die weitere Güter erwerben wollten, ihren Besitz vorher zu entschulden hätten und ihre Neuerwerbungen nicht mit Pfandbriefen finanzieren dürften. Der kur- und neumärkische Bürgschaftsverband war bereits 8 mit derselben Absicht von seiner bisherigen Praxis abgegangen und händigte den Gutsbesitzern nicht mehr die Pfandbriefe seines Gutes aus, die sie selbst zu verkaufen hatten, sondern jeweils Bargeld in Höhe des Nennwerts. Damit wollte der Bürgschaftsverband die spekulativen Tendenzen verringern und den Kursgewinn selbst einstreichen, um seinen Verwaltungsapparat zu finanzieren und sich liquide Manövriermasse zu verschaffen, denn Schuld- wie Ertragszinsen waren gleich hoch und der von Friedrich II. gestiftete „Realisations-Fonds“ war bereits 88 durch die Kosten des Aufbaus der Organisation und die Besoldung der „Beamten“ aufgebraucht. Diese Praxis konnte jedoch nur die unmittelbaren Spekulationen der Mitglieder der Hypothekengenossenschaft mit den Pfandbriefen ihrer Güter unterbinden, nicht jedoch diejenigen Spekulationen am Anleihe- und Geldmarkt, die der hybride Charakter des Pfandbriefs ermöglichte. Da die Pfandbriefe ohne Formalitäten frei veräußerbar waren und ihr niedrigster Wert in der Kur- und Neumark 0, in Pommern  und in Schlesien 0 Taler betrug, wurden sie auch wie Bargeld benutzt und konnten leicht in einer Hand akkumuliert werden. Sie konnten aber auch als mittelbar    



Vgl. Mauer, Kreditwesen, S. 8–. Vgl. GStA PK, Rep. 9, Nr. 9d, Bl. –. Vgl. Hermann Mauer, Kreditwesen, S. . Zum Zinssatz siehe Märkisches Kreditreglement, S. 12 und S. 95; zum gestifteten Fonds vgl. GStA PK, Rep. , Ritterschaft, Fasz.  und BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, Nr. . Vgl. § 0 im Ritterschafts-Kredit-Reglement für die Kur- und Neumark, vom . Juni 1777, in: Kamptz, Sammlung, 3. Abteilung, S. 1–49, hier S. 5; sowie Pommersches Allergnädigst Confirmirtes Landschafts-Reglement, de Dato Berlin, den ten März 8, Dritter Teil, Kapitel I, § , in: GStA PK Rep. 8b, Nr.  und § 0 des Reglements der Schlesischen Landschaft, in: GStA PK, Rep. 0A, XI, , Nr. , sowie Abdruck der allerhöchsten Königl. Cabinets-Ordre d. d. 9ten Aug. 9 die Wiederherstellung des Landschaftlichen Credits betreffend, Bl. , in: GStA PK, Rep. 0A, XI, , Nr. .

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Kapitalisierte Grundschuld

hypothekarisch abgesicherte Schuldtitel beliehen werden und wurden an der Börse gehandelt. Damit war ihre Rendite von den Bewegungen am Geldmarkt abhängig,8 die nicht analog zu den agrarwirtschaftlichen Konjunkturen verliefen. Als 80 der Kurs für Pfandbriefe unter ihren Nennwert sank, kehrten die Bürgschaftsverbände wieder zu ihrer früheren Praxis zurück und händigten dem Besitzer nicht mehr Bargeld in Höhe des Nennwertes, sondern Pfandbriefe aus. Ein Gutsbesitzer, der sich durch Beleihung seines Gutes mit Pfandbriefen Liquidität verschaffen wollte, musste die Pfandbriefe seines Guts wieder auf eigene Rechnung auf dem Geldmarkt in Bargeld eintauschen.9 Da die Zinsen für Privatkredite in dieser Zeit bis zu 0% betrugen, zahlte der Kapitalmarkt für Pfandbriefe weit weniger als ihren Nennwert.80 Weil die fehlenden Beträge zur Finanzierung von Familienschulden nicht in jedem Fall durch zusätzliche Pfandbriefe ausgeglichen werden konnten, da das Gut sonst über den Taxwert hinaus verschuldet worden wäre, musste der Besitzer eines Familiengutes die Differenz entweder aus eigener Tasche zahlen,8 oder durch anderweitige Kredite ausgleichen, wozu er jedoch den agnatischen Konsens brauchte.8 Indem der Bürgschaftsverband die Gutsbesitzer zwang, die im Kurs gesunkenen Pfandbriefe ihres Gutes unter dem – vom Bürgschaftsverband verbürgten – Nennwert zu versilbern, wurde dem Gutsbesitzer die genossenschaftliche Form der Kreditakquisition erschwert. Vor der Einlösung billig erworbener neuer Schuldtitel war der Bürgschaftsverband, der den Nennwert auszahlen musste, nicht geschützt. Da der Bürgschaftsverband als Hypothekengläubiger nur verpfändete Schuldtitel in Umlauf brachte und selbst über kein nennenswertes Eigenkapital   8

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Siehe Säkularfeier, S. 8, in: BLHA Rep. A Märkische Landschaft – Generalia, Nr.  und Märkisches Kreditreglement, S. . Weyerman, Immobiliarkredit, S. . Vgl. Ritterschafts-Kredit-Reglement für die Kur- und Neumark, vom . Juni , in: Kamptz, Sammlung, . Abteilung, S. –9, hier.§ 9, S. , und Säkularfeier, S. 8, in: BLHA Rep. A Märkische Landschaft – Generalia, Nr.  und Märkisches Kreditreglement, S. . Mauer, Kapitalanlage, S. 9. Vgl. GStA PK, Rep. 8b, Nr. 0 und Nr. . Während des Indults (Zahlungsaufschub) war auf dem Kapitalmarkt eine Verzinsung von 0%, mitunter sogar von 8% zu erzielen, während die Pfandbriefe der Bürgschaftsverbände nur mit % verzinst wurden. Vgl. BLHA Rep. A Märkische Landschaft – Generalia, Nr. , Bl. 8 und Bl. . Einige Gutsbesitzer nutzten die Gunst der Stunde, beliehen ihre alten Pfandbriefe um mit höher verzinsten Papieren zu spekulieren, obwohl sie – wie die Quelle anklagend vermerkt – „Christen“ waren. Vgl. BLHA Rep. A Märkische Landschaft – Generalia, Nr. , Bl. . Wodurch die Ansprüche der Allodialerben verringert wurden. GStA PK, Rep. 8B, Nr. 0.

Die „Landschaft“ als Gläubigergenossenschaft



verfügte, hätte er, um die Pfandbriefinhaber auszuzahlen, seine Hypothekenforderungen bei den Gutsbesitzern liquidieren müssen, wodurch diese in existentielle Schwierigkeiten hätten geraten können.8 Als der Kurs der Pfandbriefe nach 80 auf zwei Drittel ihres Nennwertes sank,8 waren die Bürgschaftsverbände und damit die Mitglieder insgesamt bedroht. Die Verordnung zum „General-Indult“ vom 9. Mai 80 befreite deshalb alle Grundschuldner, also auch die Besitzer von Familiengütern, auf unbestimmte Zeit von der Zahlung ihrer Schuldzinsen und von der Ablösung hypothekarischer Schuldtitel.8 Davon waren auch diejenigen Miteigentümer betroffen, deren Realansprüche hypothekarisch abgesichert und – bislang – verzinst worden waren. Schon ein halbes Jahr später mussten – im Interesse der Berechtigten und Gläubiger – die Zinsen wieder gezahlt werden.8 Das nützte aber demjenigen nichts, dessen Realansprüche an Familiengütern durch Pfandbriefe abgesichert waren. Weil diese Pfandbriefe gebundenes Eigentum repräsentierten, hatten sie, um eine individuelle Veräußerung zu verhindern, bei Gericht deponiert werden müssen, das den Berechtigten die Zinskupons halbjährlich aushändigte. Da die Pfandbriefe von gebundenen Familiengütern als Surrogat des privatisierten Lehns galten,8 gaben die Gerichte, solange der Pfandbriefkurs unter pari stand, dem Grundsatz verpflichtet, „Lehn muß Lehn bleiben“, mit eben dieser Begründung die Zinskupons nicht frei, denn das Lehen galt durch das Absinken des Nennwertes des Pfandbriefes als geschmälert. Stattdessen behielten die Gerichte die Zinskupons solange ein, bis mit den einbehaltenen Zinsen die Differenz von Kurs- und Nennwert des Pfandbriefes ausgeglichen war.88 Der Nutzungsberechtigte eines Geldlehnstamms ging solange leer 8 8

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Da die Pfandbriefe für ein konkretes Gut ausgestellt wurden, war der gezielte Aufkauf der Pfandbriefe eines bestimmten Gutes nicht auszuschließen. Mauer, Kreditwesen, S.  und Weyermann, Immobiliarkredit, S. f. und S. f. Zu den Kursentwicklungen der Pfandbriefe der anderen Bürgschaftsverbände vgl. Hecht, Landschaften. Vgl. Gesetz-Sammlung, 80, S. 9– und NCC, Bd. , 80–80, Sp. 9– . Vgl. Gesetz-Sammlung, 80, S. 9–8 und NCC, Bd. , 80–80, Sp. – . GStA PK, Rep.8a, Nr. , Bl. –9. Vgl. GStA PK, Rep. 90, Nr. 80. Wie viele Familienmitglieder davon betroffen waren, ist schwer zu ermitteln. Kurz vor den napoleonischen Kriegen waren in der Kur- und Neumark mit  Gütern etwa % aller Rittergüter im Bürgschaftsverband, in Altvor- und Hinter-Pommern waren es mit  etwa die Hälfte. Ungefähr 0% aller Güter sollen hier nach Mauer familienrechtlich gebundenes Eigentum gewesen sein; Geschätzt nach Mauer, Kreditwesen, S. 181 und GStA PK, Rep. 96a, Nr. e und Rep. 8a, Nr. 9.



Kapitalisierte Grundschuld

aus. Noch 8 beschwerte sich ein v. Winterfeld darüber, dass er jahrelang keine Zinsen aus seinem als Lehnstamm ad Depositum hinterlegten Pfandbriefen von .000 Talern erhalten habe, weil deren Kurs – wie so oft – wieder einmal niedriger war als ihr Nennwert, und die Zinskupons zur Komplettierung des verringerten Wertes der Papiere vom Gericht einbehalten wurden. Es war ihm nicht möglich, das Kapital des Lehnstammes anderswo unterzubringen und sicher zu stellen, weil er hierzu einen Familienschluss hätte herbeiführen müssen, was ihm jedoch nicht gelang. Andere, deren Einkünfte allein aus solcherart Zinsen bestanden, wären „empfindlich“ getroffen, verallgemeinerte er seine Beschwerde.89 Wie sehr der Pfandbrief vom Charakter eines „Rentenbriefes“90 geprägt war, zeigte die Diskussion um die Einführung einer Tilgungsrate (Amortisation) für Pfandbriefe. Manchen galt die Amortisation als schleichende Allodifikation des Lehnstammes, die den Charakter des Pfandbriefs als Familienrente vernichten würde.9 Ein 89 publizierter Amortisationsplan, der eine dem Generationswechsel angemessene Tilgungsfrist von  Jahren vorsah, scheiterte deshalb und nicht nur an den mit .% errechneten Kosten.9 Die jährliche Tilgungsrate für Pfandbriefe von 0.%, wie sie 8 von dem Kur- und Neumärkischen Bürgschaftsverband dann doch eingeführt wurde,9 milderte die Belastungen durch zukünftige Generationswechsel allenfalls symbolisch und konnte den Berg von Altschulden nicht abbauen. Wollte der Besitzer eines Familiengutes dieses von den Belastungen durch gesamthänderische Erbansprüche befreien, musste er auch die Hypotheken der Bürgschaftsgenossenschaft ablösen und den liquidierten Nennwert als Lehnstamm bei Gericht deponieren. Dafür brauchte er je89

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8 waren mit 8 Gütern ungefähr % aller märkischen Rittergüter im Bürgschaftsverband, etwa 0 Rittergüter (%) waren zu dieser Zeit eigentumsrechtlich gebundene Familiengüter. Über die Größe der Schnittmenge kann nur spekuliert werden. Vgl. Märkisches Kreditreglement, S. XII, und Verhandlungen über das Provinzialrecht der Mark Brandenburg mit den ständischen Deputierten. Fünftes Heft. Die Schlussverhandlungen enthaltend. (Als Manuskript gedruckt), Berlin 89, S. – in: GStA PK, Rep. 8 II  M, Nr. , Vol. , Fasz. . Siehe GStA PK, Rep. 8b, Nr. 99. Vgl. Wilhelm von Schütz, Das Credit-Institut der Kur- und Neumärkischen Ritterschaft in seinem Verhältnis zu den nicht associierteten Rittergutsbesitzern, Berlin 8, S. ff. Vgl. GStA PK, Rep. 8b, Nr. . Vgl. Märkisches Kreditreglement, S. 9. Bis 8 haben Amortisationen nicht stattgefunden, obwohl sie nach dem § 88 des geltenden Reglements möglich gewesen wären, siehe BLHA, Rep. A Märkische Landschaft – Generalia, Nr. 0, Bl. 9v.

Die „Landschaft“ als Gläubigergenossenschaft



doch den agnatischen Konsens.9 Die Möglichkeit, das Gut auf diese Weise zu allodifizieren und als Kompensation familiale Geldlehnstämme anzulegen, war für die mit mehreren Rittergütern angesessenen Familien jedoch nur möglich, wenn die mehrfach verschränkten agnatischen Rechte sich gegenseitig verrechnen ließen.9 Durch eine andere, später ermöglichte Art von Finanzoperation konnte das Gut ohne agnatischen Konsens innerfamilial allodifiziert werden, wobei die abgeteilten Familienmitglieder zu Beziehern außerfamilialer Renten wurden. Dabei musste der Besitzer den Geldlehnstamm oder einen vom Gut abgelösten Lehnstamm durch festverzinsliche und gerichtlich deponierte Staatsschuldverschreibungen ersetzen. Damit wurde das Gut von alten familialen Realansprüchen befreit, während die Agnaten ihre Zinsberechtigung behielten9 und von Familienrentnern zu Staatsrentnern wurden. Durch die so bewirkte Auflösung des Agnatenverbandes konnte das Gut allodifiziert und anschließend in ein Fideikommiss umgewandelt werden.

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Waren sie nicht Surrogat des Lehens, sondern Abschichtungsgelder, mussten die Pfandbriefe von der Kreditassoziation durch öffentliche Bekanntmachung zur Barauslösung aufgerufen werden. Vgl. BLHA, Rep. A – Ritterschaftliche Hypothekendirektiones, Nr. , Bl. –9 und Nr. , Bl. 9. Siehe GStA PK, Rep. 8a, Nr. 9, Bl. 90f. Erst die ab 88 ausgestellten „Neuen Pfandbriefe“ lauteten nicht mehr auf ein konkretes Gut. (Siehe Hundertfünfzig Jahre Kur- und Neumärkisches Ritterschaftliches Kredit-Institut. Denkschrift herausgegeben von der Kur- und Neumärkischen Haupt-Ritterschafts-Direktion in Berlin, in: GStA PK, Rep. 8b, Nr. 0, S. .) Wollte sich jetzt ein Gutsbesitzer entschulden, hatte er an der Börse oder anderswo eine entsprechende Anzahl von Pfandbriefen seiner Assoziation zu erwerben und bei ihr einzureichen. Diese veranlasste dann die Löschung ihrer Hypothekenforderung. Vgl. GStA PK, Rep. 8b, Nr. 99. Die Kreditassoziation konnte so ihren Charakter als kollektiver Gläubiger und Bürge für die verschuldeten Rittergüter beibehalten, ohne zu einer Bank zu werden. Erst mit der Unterbringung der Gelder des Amortisationsfonds am Geldmarkt im letzten Drittel des 9. Jahrhunderts begann die Kur- und Neumärkische Assoziation auch Bankgeschäfte zu betreiben. Vgl. GStA PK, Rep. 8b, Nr. 00.

 Die Überwinterung der adligen Eigentumsrechte in der Reformzeit

Das Edikt vom 9. Oktober 80, „den erleichterten Besitz und freien Gebrauch des Grund- Eigentums, sowie die persönlichen Verhältnisse der Land-Bewohner betreffend“, hob jegliche rechtliche Beschränkung der Angehörigen der einzelnen Personenstände für den Zugang zu den verschiedenen Gewerben auf. Auch durften zukünftig keine neuen persönlichen Untertänigkeitsverhältnisse entstehen, sei es durch Geburt oder Heirat, sei es durch die Übernahme einer „untertänigen Stelle“ oder durch andere Verträge; bis zum „Martini-Tag“, den . November 80, musste das „bisherige Untertänigkeits-Verhältnis“ der Bauern und ihrer Familien aufgehoben werden, die ihre Güter „erblich oder eigentümlich, oder Erbzinsweise, oder Erbpächtlich“ besitzen. Das Edikt gestattete jedem Einwohner des Staates ohne Erlaubnis und Einschränkung bäuerliche, städtische, oder adlige Güter zu erwerben und aus adligen Gütern Familien-Fideikommisse zu errichten. Die Abschaffung des adligen Privilegs, Rittergüter zu besitzen, war mit der Aufhebung des Privilegs der Standschaft für adlige Rittergutsbesitzer verbunden: Jeder Einwohner war „ohne alle Einschränkung in Beziehung auf den Staat, zum eigentümlichen und Pfandbesitz unbeweglicher Grundstücke aller Art berechtigt“. Für die personenständische Zusammensetzung der märkischen Landtage, die zwischen 809 und 8 tagten, hatte diese Neuerung kaum Bedeutung. 

  

Vgl. Gesetz-Sammlung, 80–80, S. 0–. Das Oktoberedikt griff unmittelbar in sechs und mittelbar in vier Titel des ALR ein, ohne jedoch die einzelnen Rechte aus dem ALR zu nennen, die durch das Oktoberedikt als aufgehoben gelten sollten. Vgl. Gesetz-Sammlung, 80–80, S. 0–, hier S. . Die dinglich vermittelte Gutspflichtigkeit wurde jedoch beibehalten. A.a.O., S. 173. Vgl. hierzu GStA PK, Rep. Rep. , Tit. , Nr. , Bd.  und Kamptz, Jahrbücher, Bd. , 89, S. 89. Vgl. Gesetz-Sammlung, 80–80, S. . Zu den Fideikommissen vgl. GStA PK, Rep. Rep. , Tit. , Nr. , Bd.  und Kamptz, Jahrbücher, Bd. , S. 89.



Die Überwinterung der adligen Eigentumsrechte

Zusammensetzung und Kompetenzen der märkischen Landtage der Reformzeit waren ein Novum. Ihnen gehörten sowohl kurmärkische als auch neumärkische Deputierte an. Zur Absendung der kurmärkischen Deputierten waren die Kreise und die Städte berechtigt, die die Neue Biergeldkasse des Landschaftlichen Kreditwerks administrierten. Da die Neumark nicht zur Biergeldkasse beisteuerte und deshalb nicht über eine der kurmärkischen Biergeldkasse vergleichbare Administration verfügte, wurden ihre Deputierten im Rahmen der Hufenschosskasse gewählt. Und weil der Hufenschosskasse, die die ländliche Grundsteuer verwaltete, keine städtischen Deputierten angehörten, mussten diese gesondert legitimiert werden. Die zur Delegation berechtigten Körperschaften konnten zwei – statt bisher nur einen – Deputierte entsenden, einen Stimmführer und einen Stellvertreter. Auch wurden den märkischen Landtagen der Reformzeit größere Kompetenzen zugelegt, als sie den früheren Versammlungen kurmärkischer Deputierten zugestanden hatten. Die Kabinettsordre zur Einberufung des Landtages stattete die Deputierten – entgegen der ständischen Tradition – mit einem freien Mandat aus und räumte ihnen das von den Ständen früher oft vergeblich reklamierte Recht ein, „anderweitige, die ständische Korporation interessierende Gegenstände“ zu erörtern. Das freie Mandat sollte den Entscheidungsprozess des Landtages in der Frage beschleunigen, auf welche Weise die Stände die vom Tilsiter Frieden geforderte Garantie für die Kriegskontributionen gewährleisten wollten. Nach der Abfassung des entsprechenden Landtagrezesses nutzten die Deputierten ihr freies Mandat und setzten eine Debatte über die adligen 



Otto Schönbeck, Der kurmärkische Landtag von 809, (künftig zitiert: Schönbeck, Landtag), in: Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, Bd. 0 [90], S. –0, hier S. 0, S.  und S. . Nach längeren Vorverhandlungen wurde hierzu im Landtagsrezess von 809 für die Kur- und Neumark ein eleganter Weg gefunden: Den „Herren Ständen“ wurden Kur- und Neumärkische Domänen im Wert von 12 Millionen Talern wiederkäuflich veräußert. Die Stände belasteten diese Domänen anschließend zu zwei Dritteln (8 Millionen Taler) mit Pfandbriefen der Kur- und Neumärkischen Gläubigergenossenschaft und mit weiteren hypothekarischen Schuldverschreibungen in Höhe von  Millionen Talern. Die Pfandbriefe und die hypothekarischen Schuldverschreibungen mussten, wie vom „Tilsiter Frieden“ festgelegt, als Sicherheit für einen Teil der in Raten zu zahlenden Kriegskontributionen an Frankreich ausgehändigt werden. Mit jeder Ratenzahlung gelangte ein Teil der Pfandbriefe und hypothekarischen Schuldverschreibungen in die Hand des Königs, der sie dem Bürgschaftsverband vorlegte, wodurch die Domänen Zug um Zug wieder in den Besitz der Monarchie gelangten. Die Domänen wurden weiterhin von den königlichen Ämtern administriert. Die Rechnungslegung kontrollierten königliche und ständische Deputierte. Die Sollzinsen der Pfandbriefe wurden aus den Erträgen der Domänen

Reformzeit



Eigentumsrechte auf die Tagesordnung dieses ersten märkischen Landtags der Reformzeit. In anderen Landesteilen hatten zuvor bereits einige Betroffene für die Aufhebung der alten adligen Eigentumsordnungen petitioniert. 808 beantragten einzelne ostpreußische Kreise, die Familiengüter gegen eine geringe Entschädigung der Agnaten in individuelles Eigentum umzuwandeln.8 In Pommern strebten Gruppen von adligen Grundbesitzern,9 aber auch einzelne Kreisversammlungen die Umwandlung der Familiengüter in individuelles Eigentum an.0 Im Frühjahr 808 forderte eine Petition aus Hinterpommern die Auflösung der Familienverbände, da die adlige Eigentumsordnung den Kredit schwäche: „Nichts hat bisher der Cultur der Landgüter in Pommern mehr im Wege gestanden und sogar zu deren absichtlichen Ruin mehr beigetragen als die Lehnsverbindung.“ Der „Unternehmungsgeist der Besitzer“ werde „unterdrückt“. Die Familiengüter müssten durch Gesetz von den „Agnations Rechten“ befreit werden, da der Familienschluss „unübersteigliche Schwierigkeiten“ berge. Auf dem märkischen Landtag vom Frühjahr 809 begründete der Deputierte v. Arnim (Neuensund) seine Initiative zur Aufhebung der Familienlehen und der Fideikommisse damit, dass die Agrarreform dem Gutsherrn eine administrative und finanzielle Beweglichkeit abverlange, die ihm durch die bestehende Eigentumsordnung verwehrt würde: „Die Besitzer der Lehne seufzen unter der Last des beschränkten Eigentums.“ Er wollte den Zielkonflikt, einerseits die Dispositionsrechte des Besitzers erweitern zu müssen, ohne andererseits zugleich die familialen Realansprüche zu vermindern, durch die rechtliche Trennung von Wirtschaftsgut und gesamthänderischer Rente lösen. Dem Besitzer gebundenen Eigentums

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bedient. Vgl. den Landtagsrezess vom . März 809, in: NCC, Bd. , 80 [!], Sp. 9–808. Wegen der umfangreichen Tagungsordnung wurden fünf „Sectionen“ gebildet. Vgl., GStA PK, Rep. , Tit. , Nr. . GStA PK, Rep. , Tit. , Nr. , Bd. . GStA PK, Rep. 89, Nr. 0090. GStA PK, Rep. , Tit. , Nr. , Bd.  und Rep.  H, XI, Nr. . Die Petition war vom Major v. Bonin, Graf v. Podewils auf Wintershagen, Graf v. Podewils auf Crangen, Hauptmann v. Blumenthal, Major v. Zitzewitz, einem v. Lettow, v. Puttkamer und v. Baehr unterzeichnet worden. Vgl. GStA PK, Rep. 89, Nr. 0090, Bl. f. Ähnlich hatten sich tags zuvor sieben andere pommersche Adlige geäußert, davon fünf v. Below (darunter ein Landschaftsdirektor und ein Landschaftsrat), der Graf v. Krockow und ein v. Boehn, a.a.O., Bl. f. Zit. n. Schönbeck, Landtag, S. 0. Die Kurmark Brandenburg im Zusammenhange mit den Schicksalen des Gesammtstaats Preußen während der Jahre 809 und 80, aus dem Nachlasse, des Wirklichen Geheimraths Magnus Friedrich von Bassewitz herausgegeben von Karl von Reinhard, Leipzig 80, (künftig zitiert: Bassewitz 809–80), S. .

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Die Überwinterung der adligen Eigentumsrechte

müsse die Möglichkeit gegeben werden, im Rahmen der Reformen wie ein freier Eigentümer handeln zu können. Die materiellen Ansprüche an das Familieneigentum aber sollten erhalten bleiben und durch Geldlehnstämme realisiert werden. Näheres sei seinem Schriftsatz „Über die Folgen, welche aus der Aufhebung der Dienste und Übertragung des Eigentums an die Bauern entstehen“ zu entnehmen. Der Landtag glaubte zwar, dass die „Aufhebung der Majorate, Fidei Commisse und Lehn […] allgemein, zur Beförderung der Landes-Kultur erfreulich diensam“ wäre, die Deputierten verwiesen jedoch darauf, „nicht hinlänglich bevollmächtigt“ zu sein, um konkrete Vorschläge machen zu können. Der Verzicht auf das freie Mandat in dieser Frage bedeutete nicht, dass die Deputierten auf weitere Landtagsverhandlungen zur Zukunft des adligen Eigentumsrechts verzichten wollten. Und so musste Johann August Sack, der als Königlicher Kommissar die Landtagsverhandlungen leitete, dem Landtag „versprechen“, Seine Majestät zu fragen, „ob überhaupt hierauf jetzt eingegangen werden sollte, […] damit demnächst nähere Vorschläge gethan werden könnten“. Sack erbat entsprechende Anweisungen, erhielt jedoch keine Antwort. Das Geheime Zivilkabinett gab intern zu bedenken, dass die Gerichtshöfe und Stände hierzu gehört werden müssten, denn die Rechte der nächsten Anwärter und derer, die eine Sukzession erwarten konnten, dürften nicht „gekränkt“ werden. Außer rechtlichen Prinzipien sprachen pragmatische Gründe und konstitutionelle Bedenken gegen Auflösung der Eigentumsbindung adliger Familiengüter. Dem Staat wie auch den Besitzern von Familiengütern fehlte schlicht das Geld, um bei einer Umwandlung der Güter in individuelles Eigentum die realberechtigten Verwandten abzufinden. Eine Kompensation der Realansprüche durch Landabtretung wäre ökonomisch riskant und administrativ nicht ratsam gewesen, denn eine Parzellierung des adligen Grundbesitzes auf bäuerliche Maße hätte den – nach wie vor – mit fiskalischen, gerichtlichen und polizeilichen Rechten und Pflichten ausgestatteten Rittergütern die Basis entzogen und damit der Administration der unteren Herrschafts- und Verwaltungsbezirke der Provinzen. Der folgende „Kurmärkische Landtag“, der zum Jahreswechsel 809/0 „unter Zuziehung“ Neumärkischer und Pommerscher Deputierter tagte,    

Zit. n. Schönbeck, Landtag, S. 0. Siehe Sacks Bericht an den König vom 0. April 809, in: GStA PK, Rep. , Tit. 9, Nr. , Bl. v. Der König ging in seiner Anwort vom 9. Mai 809 auf die Anfrage Sacks nicht ein. Vgl. GStA PK, Rep. , Tit. 9, Nr. , Bl. f. Vgl. a.a.O., Bl. f.

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kam in der Frage der Eigentumsbindung nicht weiter, obwohl – oder weil – einige Deputierte mit Instruktionen ausgestattet waren. Im internen Bericht des Königlichen Kommissars über die unmittelbar anschließende separate Tagung der kurmärkischen Deputierten hieß es: „Wegen Aufhebung der Majorate und Fideikommisse – erklären mehrere Herren Deputierte, dass sie beauftragt wären, dafür, andere, dagegen zu stimmen – und wird daher diese Sache nach der Meinung der Versammlung für jetzt auf sich beruhen, da keine entschiedene Meinung deshalb in der Provinz statt finde.“8 Um eine einheitliche Konzeption in der Provinz zu finden, beantragten die kurmärkischen Deputierten, den vom Landesdirektor v. Arnim vorgelegten neuen Aufsatz „wegen Verwandlung der Lehn in Lehnstämme […] in den Creisen circuliren zu lassen, um diese Sache weiter zu beraten“.9 Die Anfrage des Landtagskommissars Sack an die Minister v. Altenstein und v. Dohna, wie weiterhin zu verfahren sei, und ob er jenen Schriftsatz verschicken solle,0 blieb ebenfalls unbeantwortet. Die Antwort blieb wohl deswegen aus, weil sie nicht kurz sein konnte, wie die vom Innenministerium angeforderten Berichte über die regionalen Eigentumsrechte und die provinzialen Verfassungen zeigten, die die Oberpräsidenten eingesandt hatten. Gesamtstaatliche Regelungen wurden zum einem durch die provinziale Vielfalt der adligen Eigentums- und der ständischen Rechte erschwert und zum anderen durch den Zielkonflikt blockiert, zur „Hebung der Landeskultur“ den freien Güterverkehr ermöglichen zu wollen, gleichzeitig aber zur „Verhütung einer Verletzung wohlerworbener Rechte“ verpflichtet zu sein, wie es der Oberpräsident Ostpreußens formulierte. Dagegen erblickten die Mitglieder des Ostpreußischen Obergerichts in der „Einschränkung der Agnations-Rechte“ einen durch die Reformen indirekt vorgegebenen Gesetzgebungsauftrag, denn die allgemeine militärische Dienstpflicht und die steuerlichen Verpflichtungen erforderten die Vereinheitlichung der Eigentumsrechte aller Einwohner. Noch bevor jedoch generelle Vorschläge zur Zukunft des adligen Eigentumsrecht hätten ausgearbeitet und umgesetzt werden können, mussten die Besitzer von märkischen Familiengütern aktuell von den rechtlichen Hindernissen befreit werden, die der Umsetzung der Reformen auf ihren Gütern entgegen standen. Um den Besitzern von Familienlehn und Fidei8 9 0 

GStA PK, Rep. , Tit. 0, Nr. , Bl. 8 und Tit. 9, Nr. , Bl. 0. GStA PK, Rep. , Tit. 0, Nr. , Bl. . Vgl. hierzu auch Bassewitz 809–80, S. . GStA PK, Rep. , Tit. 9, Nr. , Bl. 9v. Vgl. GStA PK, Rep. , Tit. , Nr. , Bd.  u. Bd. . Die Vielzahl und Vielfalt der provinzialen Regelungen zu beschreiben und zu beherrschen, wurde zunehmend zur Spezialität einer Reihe von Juristen aus den Provinzialbehörden.

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Die Überwinterung der adligen Eigentumsrechte

kommissen die Teilnahme an der Regulierung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse zu erleichtern, befreite sie das Regulierungsedikt vom . September 1811 von der Verpflichtung, für die vorgeschriebenen Vergleiche zur Ablösung der bäuerlichen Dienste den agnatischen Konsens herbeiführen zu müssen. Sie blieben aber bei den daraus folgenden Dispositionen weiterhin der Maxime unterworfen, „Lehn muß Lehn bleiben“, denn die Ablösungs- und Regulierungsmassen blieben integraler Bestandteil der Familiengüter: Regulierungsland war dem Familiengut zu inkorporieren und die Ablösungsgelder, die einem Familiengut aus der Regulierung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse zufließen würden, hatten im Gut zu verbleiben. Sie waren entweder hypothekarisch zu sichern, oder zur Ablösung erstrangiger Grundschulden, oder für Meliorationen zu verwenden, durften aber nicht als Investitionen in ländliche Fabrikationsstätten eingesetzt werden. Eine solche Investition galt, weil sie den Wert der Immobilie nicht dauerhaft steigerte, als „Dismembration“, wodurch ein kleines Gut seine Eigenschaft als Rittergut verlieren konnte, denn die Dienste der Untertanen waren Bestandteil seiner Wertermittlung gewesen. Um zu vermeiden, dass der Besitzer eines Familiengutes die Rechte seiner Mitbesitzer verletzen würde, musste er sich die gesetzliche Verwendung der Ablösegelder von der Gläubigergenossenschaft bescheinigen lassen, oder – wo es eine solche nicht gab – von der provinzialen Polizeibehörde. Die Regulierung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse galt nicht als Veränderung „der ganzen Sache“, sondern als bloße Umschichtung, vorausgesetzt, sie blieb in dem Rahmen, der durch den Regulierungszwang gesetzt war. Das Regulierungsedikt vom 14. September 1811 verpflichtete daher die Gutsbesitzer, nicht die „Rechte Dritter“ zu verletzen, „welche aus Fideikommissen, Majoraten, Lehnsverband, Schuldverpflichtungen und dergleichen herrühren“. Weil durch die Abtretung von Bauernland an den Gutsherren dieser zum Mitglied der Dorfgemeinde werden konnte, musste der Austausch von Grundstücken erleichtert werden, um die administrative Gemengelage im  

 



Vgl. Edikt die Regulirung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse betreffend, in: Gesetz-Sammlung, 8, S. 8–99, § , § , §  und § 0. Vgl. GStA, Rep.90-L- und Annalen der Preußischen innern Staats-Verwaltung, hrsg. von K[arl] A[lbert] Kamptz, Jahrbücher, Bd. , 8, S. f. Vgl. GStA, Rep.89 Nr. 080, Bl. . Vgl. Gesetz-Sammlung, 80, Nr. , S. 0–, § . Im § 8 des ALR über das geteilte Eigentum und die Lehen hieß es: „Zur Veränderung der ganzen Sache, wodurch sie aufhört, dieselbe Sache zu sein, ist der nutzbare Eigentümer nicht berechtigt.“ Vgl. ALR, I. Teil, 8. Titel, § 8. Vgl. Gesetz-Sammlung, 8, S. 8–99, § .

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Dorf aufzulösen. Deshalb verfügte das Edikt zur Landeskultur vom gleichen Tag: „Die Realgläubiger oder etwa vorhandene Lehns-, Fideikommiss- und Majorats-Berechtigte dürfen einer veränderten Benutzung der Grundstücke niemals widersprechen und müssen sich auch jede Vereinzelung […] gefallen lassen, wenn […] diese Operationen nach dem Gutachten zweier Kreisverordneter nöthig sind […].“ Das Edikt wiederholte die Verpflichtung für den Besitzer von Familiengütern, Gelder, die er im Rahmen der Regulierung erhalten würde, entweder „in die Substanz der Güter“ zu verwenden oder erstrangige Hypotheken abzulösen. 8 ermächtigte die Deklaration des Regulierungsediktes die Besitzer von Familiengütern, Investitionen, mit denen die Abschaffung der bäuerlichen Dienste wirtschaftlich kompensiert werden sollte, ohne agnatischen Konsens durch Hypothekenkredite zu finanzieren, mit denen der halbe Wert des erworbenen Ablösungslandes belastet werden konnte.8 Ab 8 konnten sie zu diesem Zweck auch das Hauptgut belasten, allerdings nur mit Pfandbriefen der Gläubigergenossenschaft.9 Weil der Bürgschaftsverband dem Gutsbesitzer seit 80 kein Bargeld mehr gab, sondern Pfandbriefe, für die er selbständig Käufer suchen musste,0 der Kapitalmarkt aber zu dieser Zeit für die niedrig verzinsten Pfandbriefe weit weniger zahlte, als ihr Nominalwert betrug, war zeitweilig nur ein Teil der jeweiligen Kosten durch Pfandbriefe zu finanzieren. Die 

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Gesetz-Sammlung, 8, S. 00–, § . Diese gesetzlichen Bestimmungen mussten später – zum Schutze der Gläubiger – durch zwei ergänzende Verordnungen konkretisiert werden. Im Mai 1816 wurde der Besitzer eines Familiengutes verpflichtet, einer Kommission zu beweisen, dass er die Regulierungsgelder gesetzeskonform verwandt hatte. Vgl. Gesetz-Sammlung, 8, Nr. 9, S. –80. Zwei Jahre später erhielten die Agnaten das Recht, den Nachweis der Einhaltung dieser Vorschriften zu verlangen. Vgl. Gesetz-Sammlung, 88, Nr. , S. –. Gesetz-Sammlung, 8, Nr. 0, S. 8. Mauer, Kreditwesen, S. . Vgl. GStA PK, Rep. 8b, Nr. 0 und Nr. . Wie schon die kreditfinanzierte Begleichung der den Gutsbesitzern auferlegten Kriegslasten gezeigt hatte. Der § 8 des Oktoberedikts hatte dem Besitzer eines Lehn- oder Fideikommissgutes erlaubt, die Umlagen aus den Kriegslasten durch Kredite zu finanzieren. Nach Ablauf von drei Jahren sollte der Rittergutsbesitzer mit der Rückzahlung beginnen und jährlich den fünfzehnten Teil (.%) tilgen (Gesetz-Sammlung, 80, Nr. , S. 0–). Diese Vorschriften hatten improvisatorischen Charakter, denn zuvor – im Mai 80 – war für alle Gutsbesitzer ein genereller Aufschub (Generalindult) für die Abzahlungen der Kriegsschulden erlassen worden (Gesetz-Sammlung, 80, Nr. 9, S. 9–). Zur weiteren Geschichte des – wegen der weiteren Kriege – verlängerten Indults siehe GesetzSammlung, 808, Nr. , S. 88; Gesetz-Sammlung, 80, Nr. /, S. –; Gesetz-Sammlung, 8, Nr. , S. 0–08; Gesetz-Sammlung, 88, Nr. 8,



Die Überwinterung der adligen Eigentumsrechte

fehlenden Beträge konnten nicht durch zusätzliche Pfandbriefe ausgeglichen werden, da das Gut sonst über die zulässige Beleihungsgrenze hinaus verschuldet worden wäre. Den Fehlbetrag hatte der Besitzer eines Familiengutes entweder aus eigener Tasche zu zahlen, wodurch die gemeinrechtliche Erbschaft verringert wurde, oder durch anderweitige Kredite auszugleichen, wozu er jedoch den agnatischen Konsens brauchte, der für diese speziellen Finanzoperationen gerade abgeschafft worden war. Welchen wirtschaftlichen und rechtlichen Beschränkungen der einzelne Besitzer eines nach adligem Eigentumsrecht gebundenen Grundbesitzes auch immer ausgesetzt war, generell galt, dass „der“ Adel wirtschaftlich und sozial durch seinen familial gebundenen Grundbesitz konserviert würde. Die Regeln zur Bindung adligen Grundbesitzes zu vereinfachen, schien aussichtsreicher, als sie alle fallen zu lassen, denn ein erstarrter und verarmter Adel galt als schädlich für die Monarchie, wie ein durch Fideikommisse begünstigtes Magnatentum gefährlich. Welche gesellschaftliche und konstitutionelle Stellung verbliebe aber dem mit Rittergütern ansässigen Adel, wenn er auch noch seine eigentumsrechtlichen Privilegien verlieren würde, nachdem bereits die Teilhabe an der politischen Mitsprache und an den administrativen Korporationen der Rittergutsbesitzer nicht mehr geburtsrechtlich vermittelt waren, sowie militärische und zivile Ränge – wie geplant – nach Leistung vergeben werden sollten? Für den Innenminister, Graf zu Dohna-Schlobitten, bildeten die Reformen der Eigentumsrechte, des adligen Status und der ständischen Rechte einen Komplex. Für ihn „artet[e]“ ein Adel ohne politische Bedeutung in „Titelsucht aus“. Die Schaffung eines erblichen Dienstadels lehnte er ab, da die Stellung im Staatsdienst allein von Qualifikation und Leistung abhängen dürfe. Zunächst müsse – ähnlich wie in England – eine „Generalmatrikel des jetzt bestehenden Adels“ und seines Grundbesitzes angelegt werden. Besitzer kleinerer Rittergüter sollten von den familialen Mitbestimmungsrechten befreit werden. Allein der größere Grundbesitz ab einem jährlichen Ertrag von .000 oder .000 Talern aufwärts wäre familien- und eigentumsrechtlich zu binden, wobei die Verschuldung



S. 9–0; Gesetz-Sammlung, 8, Nr. 8, S.  und Nr. 8, S. – und GStA PK, Rep. 8b, Nr.  und Rep. 89, Nr. 00. Zu den Problemen der Rechtsprechung, die durch die juristische Fragilität der ersten Indultverordnungen ausgelöst worden waren, vgl. Mathis, Juristische Monatsschrift, 0. Bd., 8, S. –8. Zu den Schwierigkeiten, die § 8 des Oktoberedikts für die unverschuldbaren Fideikommisse mit sich brachte, vgl. Gutachten der Abtheilungen des Königlichen Staatsraths für die Justiz und das Innere, vom 9sten April 8 über die Verschuldung der Lehen und Fideikommisse, in: GStA PK, Rep. 80, Drucksachen, Nr. 0. GStA PK, Rep. 8B, Nr. 0.

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erleichtert werden müsse, wenn sie zur Finanzierung von Investitionen, der Abfindung der übrigen Erben oder zur Ausbildung der zukünftigen Staatsdiener verwendet werden würde. Die Eigentumsbindung sollte sich jeweils nur auf drei Generationen erstrecken und für den Verkaufskonsens müsste der mitbestimmungsberechtigte Kreis der Familienmitglieder verkleinert werden. Ein Teil der zukünftigen Provinzialstände sollte von den Kreisständen aus der Gruppe derjenigen Großgrundbesitzer gewählt werden, deren Güter sich seit einhundert oder fünfzig Jahren ununterbrochen im Familienbesitz befänden. Für die nächst höhere Ebene hätten die Provinzialstände allein aus diesem Personenkreis die Mitglieder des zukünftigen preußischen „Reichstages“ zu wählen. Allein Besitzer dieses alten Großgrundbesitzes hätten fortan als Adel zu gelten und Neuverleihungen müssten unterbleiben. Nur äußerst hervorragende militärische oder zivile Leistungen sollten mit entsprechend hohen Adelsprädikaten belohnt werden. Der Präsident des Obertribunals, der 8 geadelte Heinrich Dietrich v. Grolman, fasste zur Jahreswende 8/ die Bedenken seines Kollegiums für und wider die „Aufhebung der Lehne und Fideikommisse“ zusammen. Er begründete die verspätete Vorlage seines Berichts eingangs damit, dass er nach der „Veränderung des Ministerii“ zunächst „glaubte, daß man von dem Vorhaben, die Lehn und Fideikommisse aufzuheben, abgegangen sei“. Das Kollegium wäre einstimmig der Meinung, daß eine Aufhebung ohne Entschädigung der Berechtigten nicht rechtens sei. Die Privatisierung der Lehngüter beruhe auf einem Vertrag zwischen den Vasallen und dem König, bzw. dem Landesherren. Dieser Vertrag binde auch seine Nachfolger, zumal diese „bei den Huldigungen dessen Aufrechterhaltung von neuem versprochen“ hätten. Eine abweichende gesetzliche Regelung sei nur dann zu rechtfertigen, wenn der „Staat“ dadurch „vom Untergang gerettet werden soll“. Weder sei der Staat in dieser Gefahr, noch würde die Aufhebung der Familienlehen und Fideikommisse ihn retten können. Selbst wenn die eigentumsrechtlich gebundenen Familiengüter und Fideikommisse für die „Cultur des Landes nachtheilig“ wären, dürfe man nicht „eines bloßen Nutzen willen, wohlerworbene Rechte der Untertanen angreifen“, oder „die Gerechtigkeit […] beleidigen“, denn „Gerechtigkeit ist die vornehmste Stütze des Staates“.8 Er sei, wie die Mehrheit seiner     8

Vgl. Schreiben v. Dohna vom . Oktober 80, in: GStA PK, Rep. 8, Nr. 8, Bl. 9–98. GStA PK, Rep.  R I, Nr. , Bl. –9, hier Bl. . A.a.O., Bl. . A.a.O., Bl. v. A.a.O., Bl. .



Die Überwinterung der adligen Eigentumsrechte

Kollegen im Obertribunal, außerdem der Meinung, „daß diese Aufhebung nicht nützlich sei“.9 Individuelles Eigentum böte keine Garantie gegen schlechte oder unredliche Bewirtschaftung, und die Erfahrung habe gezeigt, dass die individuell besessenen Rittergüter häufiger verkauft würden, als die eigentumsrechtlich gebundenen. Das gebundene Eigentum sichere den Fortbestand der Familie und damit ein menschliches Grundbedürfnis.0 Selbst wenn eine Familie ausstürbe, könne durch die Übertragung des Besitzes an „einen Freunde“ – mit der Auflage, ein Fideikommiss zu stiften und den Namen der vormaligen Besitzer anzunehmen – wenigstens der alte Familienname erhalten bleiben: „Es läßt sich nicht gedenken, daß der König es gleichgültig ansehen sollte [!], wenn eine Familie, welche seinen Vorfahren und dem Staat seit Jahrhunderten nützliche Dienste geleistet hat, zu Grunde gehen und zu Bettlern werden sollte. Wenigstens würde eine solche Denkungsart den jetzigen Hausvätern eine schlechte Ermunterung seyn, sich, ihre Kinder, ihre Verwandten zum Dienst des Vaterlandes aufzuopfern. Ein Gutsbesitzer, der sein Gut nicht verkaufen kann, ein Agnat, der ein Successions Recht an ein Gut hat, ist an das Vaterland gebunden. Seine Privat Wohlfahrt hängt von der Wohlfahrt des Staats genau ab. Außer allgemeinen moralischen Bewegungsgründen treibt ihn also sein Privat Interesse noch dazu an, das Wohl des Staats zu befördern. Ganz anders ist es mit dem Mann beschaffen, der heute ein Gut kauft, es morgen wieder verkauft und übermorgen mit dem Geld außer Landes zieht. Es scheinen also schon die Regeln der Klugheit zu erfordern, Lehn und Fideikommisse eher zu befördern, als zu verhindern.“ Der Hinweis der Regierung, es „hätten selbst Gutsbesitzer auf die Aufhebung der Lehn angetragen“, könne kein ausreichendes Motiv sein; anders wäre es, wenn auch die Agnaten die Aufhebung der Eigentumsbindung fordern würden. Die unumgängliche Abfindung aller Agnaten, sei es durch Geld, Rente, oder Landabtretung, würde den Gutsbesitzer übermäßig belasten und dem Staat schaden. Dieselben Argumente, die gegen die Aufhebung der Familienlehen und Fideikommisse gälten, würden auch dagegen sprechen, die Stiftung neuer Fideikommisse zu untersagen: „Solange der Staat noch fortfährt, Fürsten, Grafen, Freiherrn, Edelleute zu machen, so lange muss er auch wünschen, daß diese ihrem Stande gemäß leben können, denn mit bettelnden Fürsten, Grafen und Edelleuten kann ihm nicht gedient sein.“ Andererseits sei es ratsam, eine Obergrenze für Fideikommisse und Majorate einzuführen, weil es schädlich wäre, wenn das Vermögen in wenigen Händen liegen würde. In fürstlichen

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A.a.O., Bl. . A.a.O., Bl. 8. A.a.O., Bl. . A.a.O., Bl. . A.a.O., Bl. 8. A.a.O., Bl. 9.

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und gräflichen Familien solle der Titel durch Primogenitur vererbt werden, den Zweitgeborenen könne das Prädikat „Edelleute“ beigelegt werden.

Andere Beamte dagegen drängten – unabhängig von den ungeklärten Fragen einer „Adelsreform“ – auf eine generelle Abschaffung der adligen Eigentumsrechte. Als der Oberpräsident der Provinz Brandenburg, Sack, im März 8, am Vorabend der Etablierung der Nationalrepräsentation, den Staatskanzler v. Hardenberg darauf hinwies, dass er seit langem auf einen Gesetzentwurf des Justizministers zur Aufhebung der eigentumsrechtlichen Privilegien des Adels warte, fügte er den Schriftsatz eines pommerschen Gutsbesitzers bei, der die Dringlichkeit für die Abschaffung der adligen Eigentumsrechte damit begründete, dass seit 8 im schwedischen Vorpommern die Auflösung der agnatischen Verbände vorgeschrieben war.8 Dadurch hätte der Adel in denjenigen Provinzen, in denen noch die alten Eigentumsordnungen gelten würden, seine Ansprüche in Neu-Vorpommern verloren, während umgekehrt der Adel Neu-Vorpommerns, der von den alten Bindungen befreit worden war, seine Ansprüche auf die weiterhin gebundenen Familiengüter in den anderen Regionen behalten hätte. Dieses Problem war bereits seit der napoleonischen Egalisierung der Eigentumsrechte im Königreich Westphalen virulent.9 Sack erhielt im Mai vom Cousin des Staatskanzlers, dem Geheimen Staatsrat v. Bülow, die dienstliche Antwort, dass der Staatskanzler allein wegen dringender Geschäfte verhindert gewesen sei, „die Erledigung des allerdings sehr wichtigen Gegenstandes zu befördern“.0 Dies geschah erst nach der Einberufung eines gesamtpreußischen Repräsentationsorgans.  

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Ebenda. Siehe hierzu: Heinz Reif, Adelserneuerung und Adelsreform in Deutschland 8– 8, in: Adel und Bürgertum in Deutschland 0–88, hrsg. von Elisabeth Fehrenbach, (= Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien, ), München 99, S. 0–0 und ders., Adelspolitik in Preußen zwischen Reformzeit und Revolution 88, in: Hans-Peter Ullman und Clemens Zimmermann (Hrsg.), Restaurationssystem und Reformpolitik. Süddeutschland und Preußen im Vergleich, München 99, S. 99– und Gunter Heinickel, Auf der Suche nach einem „dritten Weg“. Adelsreformideen in Preußen zwischen bürokratischem Absolutismus und demokratisierendem Konstitutionalismus 80–8, Diss. Europäisches Hochschulinstitut Florenz 00. GStA PK, Rep.  R I, Nr. , Bl. . Die Allodifizierung im schwedischen Vorpommern sah eine Abfindung der Gesamthänder und Anwärter vor. Vgl. GStA PK, Rep. Rep. , Tit. 89, Nr. , Bl. – und Kamptz, Jahrbücher, Bd.  (im Original fälschlich: 9. Bd.), 80, S. –. GStA PK, Rep. , Tit. 9, Nr. , Bl. 9v. GStA PK, Rep.  R I, Nr. , Bl. .



Die Überwinterung der adligen Eigentumsrechte

Die Etablierung einer Repräsentation der „Nation“ ging auf das „Edikt über die Finanzen des Staates und die neuen Einrichtungen wegen der Abgaben“ vom . Oktober 80 zurück, in dem die Konstituierung einer „Generalkommission“ zur Regulierung der „Provinzial- und KommunalKriegsschulden“ verordnet worden war. Gleichzeitig hatte Friedrich Wilhelm III. versprochen, „der Nation eine zweckmäßig eingerichtete Repräsentation sowohl in den Provinzen als für das Ganze zu geben, deren Rath wir gern benutzen […] werden“. Diese Ankündigung rief erneut Friedrich August Ludwig von der Marwitz auf den Plan. Er hatte, nachdem im Dezember 808 die Landarmenkasse aus der ständischen in die staatliche Regie überführt worden war, die kurmärkische Kasse im Berliner Landschaftshaus eingeschlossen. Nur durch „Polizeigewalt“ konnte sie in die Hände der Finanzbehörde gelangen. Auch die anderen Reformgesetze der Jahre 80 bis 80 hatten den Unwillen von Teilen des Adels erregt: Das Oktoberedikt von 80 hatte die gutswirtschaftliche Privilegierung der Herrschaftsgüter beendet und das politische Privileg der Standschaft für deren adlige Besitzer aufgehoben. Am . August 808 war die Bevorzugung Adliger bei der Besetzung militärischer Ränge formell beendet worden; die Städtereform vom 9. November 808 schaffte den Unterschied zwischen mittelbaren und unmittelbaren Städten ab und damit alle Ehrenrechte der der adligen Grundherren von Mediatstädten; mit der neuen „Verfassung der obersten 

    



Der König wollte in diese Kommission „aus den Provinzen und Kommunen […] Repräsentanten […] berufen“. Vgl. Gesetz-Sammlung, 80–8, Nr. , S. – , hier S. 0 und J[ohann] D[aniel] F[riedrich]) Rumpf, Die Gesetze wegen Anordnung der Provinzial-Stände in der Preußischen Monarchie (künftig zitiert: Rumpf, Provinzialstände), Berlin 8, S. . Vgl. Gesetz-Sammlung, 80–8, Nr. , S. –, hier, S. . Vgl. §  der Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzial-Polizei und Finanz-Behörden, in: NCC, Bd. , 80–80, Sp. 9–0, hier Sp. 8f. Siehe Ewald Frie, Friedrich August Ludwig von der Marwitz, –8. Biographie eines Preußen, Paderborn 00, (künftig zitiert: Frie, Marwitz), S. . Gesetz-Sammlung, 80–80, S. –. Siehe § 8 der Ordnung für sämmtliche Städte der Preußischen Monarchie […] vom 9. November 808 in: Gesetz-Sammlung, 80–80, S. –. Der Magistrat war die Ortsobrigkeit (§ 0) und verlieh das Bürgerrecht (§ ). Der Staat ordnete eigene Polizeibehörden an, konnte diese Befugnis aber auch an einen Magistrat übertragen (§ ). Vgl. GStA PK, Rep. 00, Nr. 990. Es sei denn, die Stadt unterstand einem Standesherrn. Vgl. Die Patrimonial- und Polizei-Gerichtsbarkeit, oder Rechte und Pflichten der mit der Patrimonial- und Polizei-Gerichtsbarkeit beliehenen Rittergutsbesitzer, herausgegeben von W. G. von der Heyde, 2. Auflage, Magdeburg 8, (künftig zitiert: Heyde, Gerichtsbarkeit), S. 0. Zwei Jahre später wurde der

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Staatsbehörden der Preußischen Monarchie“ vom . Dezember 808 waren die „Stände und ihre Behörden“ nicht mehr königlichen Kommissaren, sondern dem Innenministerium unterstellt;8 ab 809 hatten die Söhne von Bürgerlichen Zugang zu dem bis dahin exklusiv adligen Kadettenkorps;9 am . August 80 waren die selbst verwalteten Hypothekenregistraturen der kurmärkischen Rittergüter in die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte gekommen;0 am 8. August wurde die Aufhebung resp. Ablösung der Zwangs- und Banngerechtigkeiten u.a. der Rittergüter verordnet; im November 80 endete – wie im Oktoberedikt von 80 angekündigt – die Erbuntertänigkeit, und ebenfalls 80 wurde die adlige Bank im Kammergericht abgeschafft. Hatte sich die adlige Opposition gegen die Verfassungspläne Steins 808 noch intern artikuliert, so protestierte 8 eine konzeptionell diffuse Ansammlung von Teilen des mittel- und des neumärkischen Adels offen gegen die Etablierung der Generalschuldenkommission. In der Zeit zwischen der Aufforderung an die Regierungspräsidenten, mit den Vorbereitungen zur Berufung ihrer provinzialen Vertreter zu beginnen (..80) und dem Zusammentritt der Generalschuldenkommission (..8), versammelte Friedrich Ludwig von der Marwitz am 9..8 im Berliner Landschaftshaus Deputierte märkischer Kreisritterschaften. Staatskanzler Hardenberg bestritt dieser Versammlung das Recht, im Namen der Stände zu sprechen oder sich gar als Landtag aufzuführen. Die altständische Opposition war nicht dadurch zu beruhigen, dass den kurmärkischen, den neumärkischen

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adligen Herrschaft die Patrimonialgerichtsbarkeit über die Mediatstädte entzogen. Vgl. GStA PK, Rep. 00, Nr. 990. Gesetz-Sammlung, 80–80, S. –. NCC, Bd. , 80–80, Sp. 9–9, vgl. auch: Rainer Wohlfeil, Vom stehenden Heer des Absolutismus zur Allgemeinen Wehrpflicht (1789–1814), (= Handbuch zur deutschen Militärgeschichte 8–99, Bd. ), Frankfurt/M. 9, S. . Gesetz-Sammlung, 80–80, S.  und NCC, Bd. ., 80–80, Sp. 0f. In der Altmark wurden diese Hypothekenregistraturen bereits von Beginn an, seit , vom Oberlandesgericht verwaltet. Edikt wegen der Mühlengerechtigkeit und Aufhebung des Mühlenzwangs, des Bier- und Branntweinzwangs, vom 8. Oktober 80, in: Gesetz-Sammlung, 80, S. 9f. Vgl. Gesetz-Sammlung, 80–80, S. 0–, hier S. . Adolf F. Stölzel, Brandenburg-Preußens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung, Bd. , Berlin 888, S. 0. Siehe Herbert Obenaus, Verwaltung und ständische Repräsentation in den Reformen des Freiherrn vom Stein, in: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands, Bd. 8, 99, S. 0–9 und Wilhelm Steffens, Hardenberg und die ständische Opposition 80/, (= Veröffentlichungen des Vereins für Geschichte der Mark Brandenburg), Leipzig 90.

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Die Überwinterung der adligen Eigentumsrechte

und den pommerschen Ritterschaften nachträglich gestattet würde, je einen Vertreter aus den Reihen ihrer autonomen Deputationen, die sich schon vor dem Zusammentritt der Generalschuldenkommission in Berlin versammelt hatten, in die Generalschuldenkommission abzuordnen. Die Kommission bestand – abgesehen von diesen außerordentlichen Deputierten sowie einigen zusätzlich berufenen Staats- und Magistratsbeamten – aus je einem Vertreter der acht Provinzialregierungen, 8 Rittergutsbesitzern,  Städtevertretern und 8 Vertretern der bäuerlichen Landwirte. Die Rittergutsbesitzer waren vom Staatskanzler unmittelbar berufen worden, die anderen auf Vorschlag der Provinzialregierungen. Als Kriterien für die Berufung galten „unbescholtener Patriotismus“ und „Charakter“. Der Ausgewählte sollte mit den Verhältnissen seines Standes sowie seiner Provinz vertraut sein und gewerbliche Kenntnisse besitzen, besonders der Branntweinfabrikation und des Brauwesens, denn die Hauptaufgabe dieses Gremiums war die Beratung neuer Konsum- und Luxussteuern. Auf der ersten Sitzung der Generalkommission zur Regulierung der „Provinzial- und Kommunal-Kriegsschulden“ erklärte der Staatskanzler v. Hardenberg, dass wegen der Dringlichkeit der Finanzprobleme keine ständischen Vertreter hätten berufen werden können, denn in einigen Provinzen gäbe es keine, und die ständischen Organe anderer Provinzen seien



Vgl. [Adolph Friedrich v. Riedel] Actenmäßige Berichterstattung über die im Jahre 8 stattgefundene Zusammenberufung ständischer Landesdeputierten aus allen Provinzen und über die in den Jahren 8 bis 8 bestandene interimistische National-Repräsentation, (künftig zitiert: Riedel, Nationalrepräsentation), in: GStA PK, Rep. , Tit. 89, Nr. , Vol. III, Bl. 0–8. Im Juni überreichte v. d. Marwitz am Hof eine Denkschrift der Ritterschaft der Kreise Lebus und Teltow-Beeskow, in der die Reformpolitik Hardenbergs als ein Rechtsbruch bezeichnet wurde, der den bestehenden Staat auflösen würde. (Im Einzelnen hierzu siehe Frie, Marwitz, S. 0–8.) Die Festsetzung der Anführer der Opposition – v. d. Marwitz und Graf v. Finckenstein – in der Zitadelle Spandau, beendete den offenen Protest. Die Vorbehalte gegen die Reformpolitik aber blieben bestehen. Im August 8, noch während die „interimistische Nationalrepräsentation“ tagte, reklamierten die Deputierten des Kurmärkischen Kreditwerks die alten ständischen Regeln für die Kreise, die Landräte sowie die Provinz und damit die traditionellen politischen Privilegien, die mit dem Besitz eines Ritterguts verbunden gewesen waren. (Vgl. GStA PK, Rep., Tit. 89, Nr. , Vol. II, Bl. 9f.) Das befürchtete Ende der alten ständischen Instanzen trat sechs Jahre später ein, als die „Aufhebung der bisher unter der Benennung: Churmärkische Landschaft, bestandenen Credit-Institution des Staates und der Ritterschaft und Städte in den Marken“ verordnet wurde. Siehe Gesetz-Sammlung, 80, Nr. 8, S. 9–, hier S. .

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nicht mehr zeitgemäß. Der improvisatorische Charakter der Generalkommission ist auch aus ihren unterschiedlichen Bezeichnungen ablesbar, denn mal hieß sie Generalschuldenkommission, mal „Landes-Deputierten-Versammlung“ oder „Notablen-Versammlung“. Sie tagte von Februar bis September 8 und war den Ministerien des Innern und der Finanzen unterstellt. Die Notablen hatte mehrere Themenkomplexe zu beraten, die in vier Unterkommissionen erörtert werden sollten. Jede dieser Unterkommissionen wurde von einem Regierungspräsidenten geleitet. Wollten die Notablen weitere Fragen erörtern, hatten sie um Genehmigung nachzusuchen. Die „Notablen-Versammlung“ diskutierte die behördlichen Entwürfe zum „Ferneweitere[n] Edikt über die Finanzen des Staates und das Abgabewesen“,8 zum „Gesetz über die polizeilichen Verhältnisse der Gewerbe“,9 zum „Edikt die Regulierung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse betreffend“0 und zum „Edikt zur Beförderung der Land-Cultur“. Am . September 8 wurden die „Deputierten“ entlassen, wobei zunächst unklar blieb, ob damit zugleich auch die Generalkommission für die Regelung der Schuldenfrage aufgelöst worden war. Im März 8 begannen die Wahlen zu jener im Finanzedikt versprochenen „Repräsentation“, die – mit kriegsbedingten Unterbrechungen – von April 8 bis Juli 8 tagte. Die offizielle Bezeichnung dieses Gremiums war ebenfalls uneinheitlich, ohne dass Chronologie oder Gebrauch eine verfassungsrechtliche Konzeption erkennen lassen: „Nationalversammlung“, „Landesrepräsentanten-Versammlung“, „preußische Landesrepräsentanten-Versammlung“, „Nationalrepräsentation“ oder „interimistische Landes-Repäsentanten-Versammlung“ wurden gleichbedeutend gebraucht. Die Kabinettsordre vom 9. März 8 schrieb das Etikett „Landesrepräsentation“ als offizielle Bezeichnung vor, damit nicht – so die   8 9 0  

 

Zum Gesamtkomplex vgl. Wilhelm Steffens, Hardenberg und die ständische Opposition 80/, Leipzig 90, hier S. –. Vgl. Riedel, Nationalrepräsentation, Bl. –9. Gesetz-Sammlung, 80–8, Nr. 0, S. –. Gesetz-Sammlung, 80–8, Nr. , S. –80. Gesetz-Sammlung, 80–8, Nr. , S. 8–99. Gesetz-Sammlung, 80–8, Nr. , S. 00–. Die Deputierten der einzelnen Provinzen wurden bei der Auflösung der Notablen-Versammlung aufgefordert, jeweils einen Vertreter aus ihrer Mitte ernennen, der bis zum Zusammentritt einer neuen „Commission“ in Berlin verbleiben sollte. Vgl. Riedel, Nationalrepräsentation, Bl. ff. GStA PK, Rep. , Tit. 89, Nr. , Vol. II, Bl. f. und Vol. III, Bl. . GStA PK, Rep.  H IX, Nr. ; Rep. , Tit. 0, Nr. , Nr. 0, Nr. , Nr. , u. Nr. 8; Tit. , Nr. ; Tit. , Vol. I–IV; Tit. , Vol. I–VII und Tit. 88, Nr. , Vol. .

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Die Überwinterung der adligen Eigentumsrechte

Begründung – französische Verhältnisse suggeriert würden. In der Historiographie ist meist von der „interimistischen Nationalrepräsentation“ die Rede. Die Bestimmungen über ihre Zusammensetzung waren revolutionär. Erstmals sollten die Bauern durch – von Bauern gewählte – Bauern repräsentiert werden. Damit war die mittelbare Repräsentation der Bauern durch Rittergutsbesitzer oder Amtsräte Geschichte. Der „interimistischen Nationalrepräsentation“ gehörten neun Vertreter der Bauern, 8 der Rittergutsbesitzer und  städtische Deputierte an. Das aktive und passive Wahlrecht war an den Besitz von Grundeigentum gebunden. Der Deputierte sollte die nötigen Kenntnisse über seine Provinz haben, dem „königlichen Hause treu ergeben“, „vaterlandstreu“ und „vorurteilsfrei“ sein.8 Die Wahlen waren provinziale „Präsentationswahlen“ und galten für ein Jahr. Die gewählten Repräsentanten wurden anschließend von der jeweiligen Provinzialregierung ernannt.9 Der Wahlmodus war indirekt und von Personenstand zu Personenstand verschieden.80 Entsprechend der Doppelfunktion 





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Vgl. Ernst Klein, Von der Reform zur Restauration. Finanzpolitik und Reformgesetzgebung des preußischen Staatskanzlers Karl August von Hardenberg (= Veröffentlichung der Historischen Kommision beim Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin, Bd. ), Berlin 9, (künftig zitiert: Klein, Finanzpolitik), S. 8. Zur interimistischen Nationalrepräsentation siehe vor allem Herbert Obenaus, Anfänge des Parlamentarismus in Preußen, Düsseldorf 98, S. –88 und Alfred Stern, Die Sitzungsprotokolle der interimistischen Landesrepräsentation Preußens 8–8, in: ders., Abhandlungen und Aktenstücke zur Geschichte der preußischen Reformzeit 80–8, Leipzig 89, S. –. In der Sitzungsperiode von 8 wurden die Bauern Pommerns, Ostpreußens und Westpreußens jedoch entgegen der Konzeption nicht durch Bauern repräsentiert. Die Bauern Pommerns wurden durch einen Kriminalrat, die Ostpreußens durch einen adligen Gutsbesitzer und die Westpreußens durch einen Amtsrat vertreten. Vgl. GStA PK, Rep. , Tit. 0, Nr. 0, Bl. v und Bl. v. Riedel, Nationalrepräsentation, Bl.  und Bl. 8. GStA PK, Rep. , Tit. , Nr. , Bl.  und Bl. 8. Jedes Dorf entsandte einen Schulzen oder Geschworenen in eine Kreisversammlung, wo unter der Aufsicht des Landrates ein Kreiswahldelegierter ernannt wurde. Diese Delegierten bestimmten für das geteilte Breslauer Departement zwei und für die sieben anderen Departements je einen, also neun Vertreter der bäuerlichen Wirte. Die Rittergutsbesitzer wählten in ihren Kreisen je einen Wahlmann. Die Wahlmänner der sieben Regierungsdepartements wählten je zwei und die des geteilten Breslauer vier, mithin 8 Vertreter. Die Städte waren mit  Deputierten vertreten. Die drei „Hauptstädte“ – Berlin, Königsberg und Breslau – schickten je einen Vertreter, in den übrigen sechs „Hauptwahlbezirken“ ernannten die nach der Städteordnung gewählten Vertreter der Landstädte insgesamt  Repräsentanten. Vgl. Riedel, Nationalrepräsentation, Bl. .

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der Versammlung, die Entschuldung der Provinzen zu regeln und allgemeine Repräsentation zu sein,8 hatten die Delegierten zwei Mandate,8 in Fragen der Regulierung der provinzialen und der kommunalen Schulden ein gebundenes und in den übrigen ein freies.8 Die Bindung des zweiten Mandats galt als Ausschlussgrund aus der interimistischen Nationalrepräsentation.8 Am . Juni 8 monierten die Nationalrepräsentanten, dass das ungebundene Mandat bisher ausschließlich auf die freie Konsensbildung über „mehrere neue Edicte“ beschränkt geblieben sei. Entgegen der Ankündigung des Staatskanzlers seien jedoch die Fragen über „die Art der Organisation und die künftige Constitution der Nationalrepräsentation“ noch immer nicht zum Gegenstand der Beratungen gemacht worden: „Da nun aber durch uns das Band zwischen dem Monarchen und der Nation, so wie zwischen den einzelnen Provinzen fester geknüpft werden soll, so kommt alles darauf an, daß wir das Zutrauen der Nation fortdauernd behalten. Dieses kann aber nur dann vollkommen der Fall seyn, wenn den Commitenten das Verhältnis genau bekannt seyn würde, in welchem die Nationalrepraesentation zu dem Monarchen und dessen Administration zu stehen kommt. Dann erst würden sie weder zu viel von uns hoffen, noch auch glauben können, daß wir bey gewissen verursachten Kostenaufwande doch wenig Nutzen zu schaffen im Stande seyn würden. Wir ersuchen daher Euer Excellenz ganz ergebenst sobald als möglich es bei des Königs Majestät zu bewirken, daß ein Königlicher Commissarius ernannt werde, der mit uns die der Nationalrepraesentation zu gebende Constitution, sowohl was die Art der Wahl, als was die innere Organisation und die Befugnisse derselben betrifft, berathen und alsdann das entworfene Projekt Euer Excellenz zur Prüfung vorlegen um demnächst die allerhöchste Sanction zu erhalten. Wir ersuchen ferner Euere Excellenz es mit kurzen Worten öffentlich bekannt machen zu lassen, daß dieses geschehen und daß die von 8

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In einem internen Vermerk vom März 8 charakterisiert Staatsminister Schuckmann die „Landes-Repräsentanten Versammlung“ als „eine temporäre zur Beratung einzelner Akte der Gesetzgebung und außerdem zur ersten Regulierung des Kriegsschuldenwesens ernannte Behörde“. Vgl. GStA PK, Rep. , Tit. , Nr. , Bl. 8. Anfangs war das zweifache Mandat bei den Wahlen nicht immer erteilt worden, die ergänzende Mandatierung musste dann nachgeholt werden. Vgl. GStA PK, Rep. , Tit , Nr. , Bl. . Klein, Finanzpolitik, S. 8 und GStA PK, Rep. , Tit. 89, Nr., Vol. I, Bl. . Die Mitglieder der Nationalrepräsentation waren keine Repräsentanten im strengen Sinn, weder funktional, denn sie hatten dem Allgemeinwohl zu dienen, noch was ihre Kompetenzen betraf, denn sie durften keine Forderungen (nach der traditionellen ständischen Terminologie: „Repräsentationes“) vortragen. Auch im parlamentarischen Sinn waren sie keine Repräsentanten, denn sie galten als Repräsentanten ihres jeweiligen Standes. Vgl. GStA PK, Rep. , Tit. 89, Nr. , Vol, , Bl. ; Riedel, Nationalrepräsentation, Bl. 8 und Klein, Finanzpolitik, S. 8.



Die Überwinterung der adligen Eigentumsrechte

Sr. Majestät definitiv der Nationalrepraesentation zu gebende Constitution zur allgemeinen Kenntnis gebracht werden solle.“8

Am . Juni 8 – in der konstitutionellen Frage waren die Nationalrepräsentanten noch immer im Ungewissen gelassen worden – verlangten sie eine Gesetzesvorlage zur Aufhebung der eigentumsrechtlichen Bindung adliger Güter. Anlass war die Beratung des geplanten Parzellierungs-Ediktes, dessen §  lapidar die Aufhebung der lehnrechtlichen und majoratischen Eigentumsbindung voraussetzte. Die Versammlung beschloss zunächst, die Beratung dieser Vorschrift solange auszusetzen, bis ein entsprechendes Gesetz zum Eigentumsrecht vorliegen würde.8 Tags darauf ging sie einen Schritt weiter. Sie wollte auch ohne eine entsprechende Gesetzesvorlage über die Eigentumsbindung debattieren und konstatierte, dass „eine Beratung der Modifikationen, durch welche die Rechte der Lehn und Fideikommisse mit den Bedürfnissen der Zeit in Übereinstimmung gebracht könnten, zuläßig sey“. Vor der Abstimmung meldeten „mehrere Mitglieder der Versammlung“ ihre Bedenken an, ob sie sich wegen ihrer Nähe zu gebundenem Familieneigentum an der Abstimmung beteiligen sollten, „weil das Schwert der Befangenheit auf sie fallen könnte“, denn es hätten „einige das Persönliche Interesse des Majoratsbesitzers, andere jenes der agnatischen Rechte“. Die Versammlung erklärte jedoch, „daß sie zwar dieses Zartgefühl hochschätze“, aber nicht glaube, dass die persönlichen Verhältnisse eines Repräsentanten „den mindesten Einfluß auf die unpartheiliche und gerechte Willenserklärung als National Repräsentant haben“ würde.8 Tags darauf drohte der Konflikt über die ausbleibende „Constitution“ der Versammlung die weiteren Beratungen zu blockieren. Die Deputierten v. Kannewurf und Graf v. Dohna beantragten, „alle Beratungen über Gesetzentwürfe so lange unbedingt auszusetzen, bis die Regierung das Verhältnis und die Befugnis der Repräsentation deutlich ausgesprochen habe“. Sie hielten es für unerträglich, wenn die Repräsentanten „heute befragt, morgen übergangen werden“ und so „ihre Verantwortung keine Grenzen und ihre Bemühung keinen Nutzen“ hätten. Es sei daher „zu befürchten, dass sie statt Würde zu behaupten, in den Charakter der Lächerlichkeit falle, und als eine Maschine erscheine, welche man bloß zum Zeitvertreibe beschäftige“. Obwohl früher bereits vergleichbare Resolutionen unbeantwortet geblieben waren, begnügte sich die Versammlung damit, den Staatskanzler um beschleunigte Lösung des Konfliktes zu bitten.88 Um ihren 8 8 8 88

GStA PK, Rep. , Tit. 0, Nr. , Vol. , Bl. . A.a.O., Bl. 0. A.a.O., Bl. 0v–0. A.a.O., Bl. 0f.

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Status als gesellschaftliche Repräsentation nicht zu gefährden, baten die Deputierten in diesen Resolutionen lediglich darum, ihrer Versammlung den Status einer politischen Repräsentation zu verleihen. Am 0. Juni 8 legte das Ministerium der Repräsentantenversammlung einen Gesetzentwurf zur Umwandlung der Familiengüter und der Fideikommisse in individuelles Eigentum vor. In der Einleitung hieß es: „Die bestehenden Lehnsverhältnisse unserer Monarchie haben ihren Ursprung in einem Zeitalter genommen, welches ganz andere Bedürfnisse hatte, als dem unserigen eigenthümlich sind. Diese fordert [sic!] eine möglichst freie Circulation des National-Vermögens welcher die überall und in sehr großer Zahl verbreiteten Lehne sehr bedeutende Hindernisse in den Weg legen. Ihre Wirkungen äußern sich umso nachtheiliger, als sie grade denjenigen Theil des NationalVermögens unbeweglich machen, welcher nur dadurch […] zur höchsten Produktion erhoben werden kann“, dass „er mit aller Anziehung des Eigenthums gepflegt werde, daß mit dem Besitze desselben ein erhebliches durch die Fortschreitung der Cultur wichtiger gewordenes Betriebs Capital verbunden sey, daß der Besitzer sich durch Talente, Kenntnisse, Beruf und Neigung zum Feldbau eigene […].“ Zu den Nachteilen der eigentumsrechtlichen Bindung „gesellt sich die große Unsicherheit dieses wichtigen Gegenstandes des Eigenthums, welches aus veralteten, verwickelten und anomalen Rechtstheorien entspringt.“ Deshalb sei dem Wunsch „nachzugeben, und die Lehn gänzlich aufzuheben. Die Familien Fideicommisse sind zwar insoweit als auch sie den Grund und Boden an Personen fesseln, bei welchen die übrigen Erfordernisse zu wirksamen Besitz derselben nicht angetroffen werden, die Nachtheile der Lehn eigen. Sie sind aber dem Staatszwecke minder hinderlich, weil sie nur in geringer Zahl und in Familien angetroffen werden, deren Verhältnisse gestatten, daß sie sie auf Rentennutzung ihres Vermögens einschränken. Es kommt also bei diesen Instituten nur darauf an, die Unveräußerlichkeit der Grundstücke aufzuheben und den jedesmaligen Besitzern die Möglichkeit zu eröffnen“, das Fideikommiß verpachten zu können.89

Tags darauf – noch vor der Plenardebatte über den Gesetzentwurf – setzte der Präsident der interimistischen Nationalrepräsentation, der schlesische Graf v. Hardenberg, ein Verwandter des Staatskanzlers,90 eine grundsätzliche Aussprache über die adlige Eigentumsordnung auf die Tagesordnung. Das Interesse der Versammlung war gering. Nur  von  Repräsentanten interessierten sich für die von ihrem Präsidenten vorgelegte Frage „Ob die Aufhebung der Lehn mit Ausschluß der Fideicommisse und Majorate, unter Vorbehalt der erforderlichen Modifikationen zur Entschädigung der Interessenten für rathsam zu achten, und durch die Gesetzgebung zu begünstigen sei?“9 Der Präsident ergänzte die volkswirtschaftlichen Argumente 89 90 9

GStA PK, Rep. , Tit. 0, Nr. , Bl. . Vgl. Ernst Walter Zeeden, Hardenberg und der Gedanke einer Volksvertretung in Preußen 80–8, (= Historische Studien, Heft ), Berlin 90, S. 9f. GStA PK, Rep. , Tit , Nr. , Vol. , Bl. 8.



Die Überwinterung der adligen Eigentumsrechte

der ministeriellen Vorlage durch betriebswirtschaftliche, historische und adelsspezifische Überlegungen. Für die Aufhebung der eigentumsrechtlichen Bindung adligen Eigentums spreche: .) „Die Erfahrung, daß fast sämtliche Lehngüter in schlechterem Kultur-Zustand sind als die Allodial-Güter.“ .) „Die eigentümliche Wirkung der Lehen, die Familien arm zu machen, weil – bei Fortschritt der Population der Punkt arithmetisch berechnet werden könne, wo das Vermögen des Lehnsbesitzers auf 0 kommen müsse“. Wegen der „beständigen Abnahme der Kräfte des Gutsbesitzers“ und der damit verbundenen „Abnahme der Kulturfähigkeit des Grundes“, sei für die Lehngüter „ein merkliches Zurückbleiben gegen die freien Güter unvermeidlich“. .) „Schon die Einführung des Protestantismus hätte das Lehnswesen sehr erschüttert. Dessen Erhaltung darauf beruhte, den jüngeren Söhnen und den Töchtern durch Versorgung mit geistlichen Pfründen nicht bloß Gelegenheit zu verschaffen unverehelicht zu bleiben, sondern auch das Familien-Vermögen wieder mit den Ersparnissen, welche sie im Besitz dieser Pfründe machen konnten, zu verstärken und aufzufrischen.“ .–.) „Der dem Adel vorbehalten gewesene Militärdienst habe in neueren Zeiten noch eine ähnliche Wirkung gehabt, bekanntlich habe der Zeitgeist auch diese verdrängt, endlich, […] existiere der Urzweck des Lehns – der Ritterdienst – nicht mehr und das Institut selbst stehe […] in der That nur noch als Ruine da, welche außer der Rückerinnerung an die Urzeit keinen sichtbaren Zweck mehr habe.“9

Der Repräsentant der Kurmärkischen Kreise, der Geheime Staatsrat v. Quast,9 stimmte dieser Begründung zu, insbesondere derjenigen, die die Abschichtung der Agnaten betraf: Weil aber die Höhe der agnatischen Aussteuerungsansprüche von der genealogischen Wahrscheinlichkeit ihrer Sukzession abhinge, sei er nicht berechenbar. Und da mit gleicher Tendenz und Wahrscheinlichkeit „das Lehnsvermögen auf 0“ kommen würde und „sich in ein freies Allodium verwandele, […] halte er es für das sicherste, von seiten des Staates diesen Punkt ruhig abzuwarten“.9 Mit 8 gegen vier Stimmen votierte die Versammlung dafür, „daß die Aufhebung der Lehen mit Vorbehalt der Entschädigung für die Interessenten für überwiegend nützlich zu erachten sei“. Dieser Beschluss zielte auf die noch bestehenden klassischen Lehngüter.9 Mit zwölf gegen acht Stimmen schloss sich die Versammlung anschließend auch der ministeriellen Vorlage an und forderte die Allodifikation der „Familienlehn“ oder „allodifizierte Lehn“ bzw.

9 9 9 9

GStA PK, Rep. , Tit. , Nr. , Vol. , Bl. 8f. GStA PK, Rep. , Tit. 0, Nr. 0, Bl. v. GStA PK, Rep. , Tit. , Nr. , Vol. , Bl. 8f. A.a.O., Bl. 8–0.

Reformzeit



der „Fideikommisse“9, welche bislang „den Lehnsgesetzen gemäß in der Familie ererbt“ würden. 9 Danach vertagte sich die interimistische Nationalrepräsentation, „um das Detail dieser Vorschläge auf das genaueste zu erwägen, und sich zur speciellen Deliberation über jeden einzelnen Punkt vorbereiten zu können“.98 Wie und in welchen Gruppierungen sich die Repräsentanten auf die Beratung eines Gesetzes vorbereiteten, damit die Familiengüter in individuelles Eigentum umgewandelt werden könnten, war nicht zu ermitteln. Vier Tage später, am . Juli, begannen bereits die Plenardebatten über die zwanzig Paragraphen des Gesetzentwurfs. Sie dauerten zwei Tage99 und interessierten am ersten Tag 8, das zweite Mal nur  von  Nationalrepräsentanten.00 Das Ministerium wollte sowohl die Allodifikation der traditionellen Lehngüter, als auch die Aufhebung des lehnrechtlich geregelten Familieneigentums durch einen einheitlichen Modus geregelt wissen: Hatte der jeweilige Besitzer mindestens drei ehelich geborene männliche Nachkommen, gleichgültig ob Söhne oder Enkel, würden alle agnatischen Abfindungsansprüche null und nichtig sein. Gäbe es weniger als drei Deszendenten des Besitzers, sollte der Kreis derjenigen, die einen individuellen Anspruch an das Lehn hatten, auf den Besitzer und die nächsten drei Agnaten beschränkt werden. Die Anspruchsberechtigung des Besitzers und seiner drei nächsten Agnaten sollte – entsprechend der Lehn- bzw. Landtaxe – auf der Basis des schuldenfreien Wertes des Gutes und auf eine Lebenserwartung von 0 Jahren für den jüngsten Deszendenten des Besitzers bemessen werden.0 Bei der fakultativen Auflösung von Fideikommissen sollten die individuellen Ansprüche der prospektiven Erben ebenso berechnet werden, wie bei der Allodifizierung von Lehn- oder Familiengütern.0 9 9 98 99 00

0

0

A.a.O., Bl. 0–v und Bl. 8. GStA PK, Rep. , Tit. 0, Nr. , Bl.  und Bl. . GStA PK, Rep. , Tit. , Nr. , Vol. , Bl. . GStA PK, Rep. , Tit. , Nr. , Vol. , Bl. 8– u. Bl. –. So dass in der ersten der beiden Sitzungen die turnusmäßige Neuwahl der „Vorsteher und Beamten“ der Versammlung vertagt werden musste. A.a.O., Bl. 8 und Bl. . Offenbar waren  Repräsentanten als entschuldigt gemeldet, einige von ihnen sicherlich deshalb, weil sie gleichzeitig als Mitglieder der Schulden-Regulierungskommission den turnusmäßigen Besprechungen beiwohnten, an denen die Regierungsvertreter und die Deputierten der einzelnen Provinzen teilnahmen. Die Berechnung der durchschnittlichen Lebenserwartung ging auf die Arbeiten des Breslauer Theologen Kaspar Neumann zurück, der Ende des . Jahrhunderts mit der Erstellung sogenannter Sterbetafeln begonnen hatte. Vgl. Ralph-Jürgen Lischke, Kaspar Neumann (8–). Ein Beitrag zur Geschichte der Sterbetafeln, Berlin 998. Vgl. GStA PK, Rep. , Tit 0, Nr. , Bl. –.



Die Überwinterung der adligen Eigentumsrechte

Das Plenum stellte am Beispiel eines tragischen Konstruktes den vom Ministerium vorgesehenen Schlüssel zur Berechnung der Ansprüche bei der Auflösung eines Familien-Fideikommiss in Frage: Würde ein 65-jähriger Vater mit nur einem Sohn von  Jahren das auf 00.000 Taler bewertete Fideikommiss in individuelles Eigentum umwandeln, hätten – laut Gesetzesvorlage – die drei berechtigten Agnaten zusammen eine Abfindungssumme von 9. Talern zu erwarten gehabt.0 Für die Versammlung würde diese Summe aber dann nicht „dem wahren Werth“ des agnatischen „Anspruchs“ entsprechen, wenn – wie unterstellt wurde – der jährige Sohn des Besitzers – weil unheilbar erkrankt – nur noch eine Lebenserwartung von 5 Jahren hätte, und der fiktive Bruder des Besitzers bereits verstorben wäre und fünf ebenso fiktive wie minderjährige Söhne hinterlassen hätte. Würde nach dem ALR verfahren, hätte – je nach familialer Sukzessionsordnung – einer der vaterlosen Neffen/Cousins Anspruch auf das ganze Fideikommiss im Wert von 00.000 Talern, wodurch er die Möglichkeit erhalten würde, seinen Familienzweig wieder zu Wohlstand zu verhelfen. Nach dem Entwurf aber würde jeder der fünf fiktiven Neffen/Cousins bis zur Volljährigkeit nichts und danach nur ein Fünftel jener Abfindungssumme von knapp 0.000 Talern erhalten, nebst Zins und Zinseszins ab dem Todestag ihres ebenso reich wie tragisch früh verstorbenen Cousins.0 Diese „Unbilligkeit“ müsse bei der weiteren Ausarbeitung des Gesetzes berücksichtigt werden, wie auch die nationalökonomisch bedenkliche Praxis überprüft, wodurch die Abfindungsansprüche von Minderjährigen bis zu ihrer Volljährigkeit dem Wirtschaftskreislauf entzogen würden.0 Die Versammlung übergab den Gesetzentwurf einem „Comité“ zur weiteren Beratung, einschließlich des konstitutionell heikelsten Passus, dass „alle Bestimmungen der Provinzialgesetze hiermit ausdrücklich aufgehoben [werden], welche mit der Anordnung dieses Ediktes in Widerspruch stehen“: Die Versammlung war überzeugt, „daß wenn in Bezug auf das Lehnswesen etwas nützliches geschehen solle, es der Mühe wert sei, das Hauptgesetz vollständig auszuarbeiten, daß es keines Vorbehalts besonderer Provinzialverordnungen bedürfe. Die Möglichkeit dies zu leisten, ist mehr als jemals vorhanden, da die Repräsentanten aller Provinzen versammelt sind, der Gegenstand aber nicht von so dringender und eiliger Art ist, um eine genaue Prüfung und vollständiges Resultat unmöglich zu 0

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Nach der Gesetzesvorlage sollten bei der Berechnung der Abfindungssummen für Lehen und Fideikommisse dieselben Maßstäbe gelten. Vgl. GStA PK, Rep. , Tit 0, Nr. , Bl. . Eine Erbfolge nach der lineal-gradual Sukzession vorausgesetzt. Vgl. GStA PK, Rep. , Tit , Nr. , Vol. , Bl. –.

Reformzeit



machen.“0 Zu mehr als diesen Vorberatungen ist es im Rahmen der interimistischen Nationalrepräsentation nicht gekommen. Mit der Verabschiedung des „Gendarmerie Edikts“ am 0. Juli 8 wurde die Nationalrepräsentation mit den unveränderten konstitutionellen und Machtverhältnissen konfrontiert. Das Gendarmerie Edikt hatte die Verstaatlichung der ländlichen Verwaltungsorgane oberhalb des Rittergutes verfügt.0 Die interimistische Nationalrepräsentation war an den Vorbereitungen hierzu weder beteiligt, noch war ihr das Edikt mitgeteilt worden. Die Ignorierung der Nationalrepräsentation beim legislatorischen Verfahren zum Gendarmerie Edikt verschärfte die Tonart in der Kontroverse um ihre und damit um die Konstitution der Monarchie.08 Der Protest, mit dem sie schließlich die nachträgliche Erörterung und als Folge die Aufhebung des Ediktes erzwang,09 führte 8 zu einer Erklärung Friedrich Wilhelm III. über den Status der interimistischen Nationalrepräsentation. Diese Erklärung differenzierte den Wortlaut, der 8 ihre Berufung begleitet hatte, ging sachlich aber nicht darüber hinaus: „Die Beschlüsse der interimistischen Nationalrepräsentation sind zwar, wie sich von selbst versteht, nur als Gutachten anzusehen; Ich werde indessen immer gern alle mögliche Rücksicht auf die Meinungen und Vorschläge der Repräsentanten als solcher Männer nehmen, die mit dem praktischen Leben und den Bedürfnissen ihres Standes vertraut, als die Organe desselben anzusehen sind, und hege das Vertrauen zu ihnen, daß sie keinen andern Zweck, als das allgemeine Wohl vor Augen haben werden.“0

Diese Passage aus der „Declaration vom . November 8 die [erneute, D.H.M.] Zusammenberufung der National-Repräsentation betreffend“ zeigt unmissverständlich, dass die interimistische Nationalrepräsentation keine politische Repräsentation werden, sondern eine gesellschaftliche bleiben sollte. Im Vorgriff auf den Vollzug der „Deutsche[n] Bundesakte“ 0 0 08 09

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A.a.O., Bl. v–. Vgl. Gendarmerie-Edikt, 0. Juli 8, Gesetz-Sammlung, 8, S. –0. Vgl. GStA PK, Rep. , Tit. 0, Nr. , Vol. , Bl. ff., Bl. f., Bl. 0, Bl. 9f. Bl. 0–0, Bl. ff. Klein, Finanzpolitik, S. 8. Am . September 8 beschloss die Nationalversammlung, das Gendarmerie Edikt zu beraten und legte am . September ein Gegengutachten vor. Die durch eine Kommission zusammengestellten Bedenken wurden – nach der kriegsbedingten Unterbrechung der Nationalversammlung – am . September 8 dem Plenum vorgelegt. Vgl. GStA PK, Rep. , Tit. 0, Nr. , Bl. f., Bl. – und Bl. 99–. Zur erneuten Zusammenberufung der Nationalrepräsentation vgl. Die „Deklaration vom . November 8, die Zusammenberufung der National-Repräsentation betreffend“, in: GStA PK, Rep. , Tit. 89, Nr. , Vol. I, Bl. 8. GStA PK, Rep. , Tit. , Nr. , Bl. v.

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Die Überwinterung der adligen Eigentumsrechte

vom 8. Juni 8, die in ihrem Artikel  für alle „Bundesstaaten“ eine „landständische Verfassung“ vorgesehen hatte, wurde die interimistische Repräsentation am 0. Juli 8 – nach ihrer 00. Sitzung – aufgelöst.



Vgl. GStA PK, Rep. , Tit. 89, Nr. , Vol. III, Bl.  und Bl. 8 und GesetzSammlung, 8, S. –, hier S. 0.

 Externe Juristen als Deputierte des Brandenburger Provinziallandtages bei der Kodifizierung der adligen Eigentumsrechte

Die Breschen, die die Reformgesetze in die bestehenden Eigentumsrechte des Adels und in das ALR geschlagen hatten, konnten nur schwer durch einzelne Gesetze überbrückt, sie sollten deshalb umfassend geschlossen werden. Da die Reformgesetze, quer zur Tektonik des ALR, in weite Bereiche seines Regelwerks eingegriffen hatten, bildeten die Kodifizierung der Provinzialrechte, einschließlich der lehnrechtlichen Bestimmungen, und die Überarbeitung des ALR einen Gesamtkomplex. 1817 ordnete eine Kabinettsordre an, das ALR und die Allgemeine Gerichtsordnung zu revidieren. Im Dezember 1825 setzte der Justizminister eine „Gesetzkommission“ ein und beauftragte sie, die Provinzialrechte zu revidieren und das Material zur Spruchpraxis der (Ober)Landesgerichte zu sichten. 1832 richtete der König zur Vorbereitung und Koordinierung der Revision der allgemeinen und der provinzialen Rechte ein zweites Justizministerium ein, das „Justizministerium zur Revision der Gesetzgebung“.1 Wenig später wurden Räte des Justizministeriums und Richter der einzelnen Landesjustizbehörden von ihren dienstlichen Pflichten entbunden, um die provinzialen Eigentumsrechte des Adels zu kodifizieren.2 Die neu eingerichteten 1

2

Vgl. [Karl Albert] v. Kamptz, Aktenmäßige Darstellung der Preußischen GesetzRevision, in: Kamptz, Jahrbücher, Bd. 60, 1842, S. I–XIX und S. 1–308, (künftig zitiert: Kamptz, Gesetz-Revision), hier S. 12f. und S. 69, sowie: Kurze Übersicht der Revision der Gesetzgebung von 1831 bis 1841, in: Kamptz, Jahrbücher, Bd. 58, S. 325–359, hier S. 326 und S. 330f. Vgl. Kamptz, Jahrbücher, Bd. 58, 1842, S. 341–348 und Scholtz, Provinzialrecht – 1854, Historische Einleitung, S. 30. Der Kammergerichtsrat Carl v. Scholtz redigierte das Kurmärkische Lehnrecht, der Oberlandesgerichtsrat A. W. Goetze das der Altmark. Vgl. August Wilhelm Goetze, Das Provinzial-Recht der Altmark nach seinem Standpunkt im Jahre 1835, Magdeburg 1836. Der Oberlandesgerichtsrat W. von Kunow erstellte die Vorlage für das neumärkische Lehnrecht. Vgl. Das jetzt bestehende Provinzialrecht der Neumark. Im Auftrage des wirklichen Geheimen Staats- und Justizministers, Ritters ac. Herrn von Kamptz, Excelenz, ausgearbeitet

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Externe Juristen als Deputierte des Provinziallandtages

Provinziallandtage sollten dann zu dem jeweiligen Entwurf des Justizministeriums Stellung beziehen. 1823 waren allgemeine und provinzspezifische Anordnungen zur Etablierung von Provinziallandtagen erlassen worden. Ihre – meist gewählten – Mitglieder waren „Abgeordnete“ mit freiem Mandat. Grundbesitz mit jeweils vorgegebener Mindestgröße galt als Kriterium für das aktive und passive Wahlrecht in jedem der drei Stände.3 Vier von 35 Abgeordneten des ersten Standes im Brandenburger4 und einer von 24 im Provinziallandtag Pommerns5 waren mit einer „Virilstimme“ ausgestattet. Sie galten ohne Wahllegitimation als Mitglieder des Landtages und konnten sich vertreten lassen.6 Beschlussfähig war ein Provinziallandtag nur, wenn mindestens drei Viertel der Abgeordneten anwesend waren. Die Voten der Provinziallandtage zu den „Propositionen“ des Landesherren galten nur dann als angenommen, wenn eine Mehrheit von zwei Dritteln aller Abgeordneten ihnen zugestimmt hatte. Mit gleicher Mehrheit konnten die Provinziallandtage auch Petitionen an den Landesherren richten. Durch die Sitzverteilung von 35 Abgeordneten im ersten, 23 im zweiten und 12 im dritten Stand des Brandenburger und von 24 zu 16 zu 8 im Provinziallandtag Pommerns war eine Sperrminorität der Rittergutsbesitzer garantiert. Obendrein konnte jeder Stand mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner Vertreter ein Separatvotum abgeben. Die Beschlüsse der Landtage waren für den Lan-

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von W. von Kunow, Erste Abteilung, Enthaltend den Entwurf der Provinzialgesetze, Zweite Abteilung, Enthaltend die Rechtfertigung des Entwurfes, Berlin 1836. Im zweiten, dem Stand der Städte, kam als ergänzendes Kriterium ein Magistratsamt bzw. der Besitz eines Gewerbebetriebs hinzu, im dritten, dem Bauernstand, das Kriterium, dass die landwirtschaftliche Tätigkeit der Haupterwerb war. Zum aktiven und passiven Wahlrecht für die Provinziallandtage und ihrer Kompetenz vgl. K[arl] Fr[iedrich] Rauer, Die ständische Gesetzgebung der preußischen Staaten, Erster Teil: Text der ständischen Gesetze, Berlin 1845; Zweiter Teil: Systematische Darstellung der ständischen Gesetzgebung, Berlin 1845, sowie K[arl] Fr[iedrich] Rauer, Die ständische Gesetzgebung (Neue Folge), Erster Teil: Text der ständischen Gesetze, Berlin 1852; Zweiter Teil: Systematische Darstellung der ständischen Gesetzgebung, Berlin 1852. Das Domkapitel zu Brandenburg und die Standesherren der Niederlausitz stellten je einen Abgeordneten. Der Graf zu Solms-Baruth und der Graf Hardenberg-Reventlow hatten eine „Virilstimme“. Hier hatte der Fürst zu Putbus als Majoratsbesitzer eine Virilstimme. Zur ständischen, sozialen und beruflichen Zusammensetzung der Provinziallandtage siehe Koselleck, Reform, S. 691–693. Mit der 1824 von den Provinziallandtagen gutgeheißenen Kreisordnung verloren die Rittergutsbesitzer das Verwaltungsmonopol auf Kreisebene, waren jedoch automatisch in den Kreisversammlungen vertreten. Siehe Verwaltungsgeschichte Ostdeutschlands 1815–1945, Hrsg. von Gerd Heinrich, Friedrich-Wilhelm Henning und Kurt G. A. Jeserich, Stuttgart-Berlin-Köln, 1992, S. 64.

Brandenburg

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desherrn nicht bindend.8 Die Provinziallandtage waren daher – wie zuvor die interimistische Nationalrepräsentation – keine politischen, sondern gesellschaftliche Repräsentationsorgane.9 Zur Vorberatung der Provinzialgesetze wählte 1834 der Brandenburger Provinziallandtag „ständische Deputierte“ für eine Kommission, der je zwei Deputierte für die Altmark, für die Kurmark, für die Neumark und für die Niederlausitz angehörten. Jedem Deputierten standen zwei Stellvertreter zur Seite.10 Juristische Kompetenz und weniger ein Landtagsman8

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Zur Geschichte der Provinziallandtage siehe Herbert Obenaus, Anfänge des Parlamentarismus in Preußen bis 1848, Düsseldorf 1984; eine hilfreiche Materialsammlung bietet Werner Schubert, Preußen im Vormärz. Die Verhandlungen der Provinziallandtage von Brandenburg, Pommern, Posen, Sachsen und Schlesien sowie – im Anhang – von Ostpreußen, Westfalen und der Rheinprovinz (1841–1845), (= Rechtshistorische Reihe, Bd. 185), Frankfurt/M. – Berlin u.a., 1999; speziell für Brandenburg vgl. Friedrich Beck, Die brandenburgischen Provinzialstände 1823– 1872/75, in: Geschichte der Brandenburgischen Landtage. Von den Anfängen 1823 bis in die Gegenwart, hrsg. von Kurt Adamy und Kristina Hübener in Verbindung mit dem Brandenburgischen Landeshauptarchiv, (= Brandenburgische Historische Studien, Bd. 3), Potsdam 1998, S. 1–80. Siehe hierzu Hartwig Brandt, Landständische Repräsentation im deutschen Vormärz. Politisches Denken im Einflußfeld des monarchischen Prinzips, (= Politica. Abhandlungen und Texte zur politischen Wissenschaft, Bd. 31), Neuwied und Berlin 1966, S. 280f. Erster Deputierter für die Altmark war der Abgeordnete v. Meding, Regierungspräsident (später Oberpräsident) zu Merseburg und Mitglied der sächsischen Generalkommission für die Regulierung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse. Zu seinen Stellvertretern wurden der Geheime Justizrat und Finanzminister Graf v. Alvensleben (Erxleben) und der Landrat von der Schulenburg (Priemern) gewählt. Zweiter Deputierter der Altmark war der Land- und Stadtgerichtsrat in Salzwedel, Carzoß, seine Stellvertreter waren der Direktor des Land- und Stadtgerichts Gardelegen, Reinicke, und der Oberlandesgerichtsrat zu Stendal, Göring. Erster Deputierter der Kurmark war der Landtagsabgeordnete, Kammergerichtsrat und Mitglied des Staatsrats v. Voß. Als seine Stellvertreter fungierten der Ritterschaftsrat und Oberkommissarius bei der Generalkommission für die Regulierung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse, v. Monteton (Priort), und der Geheime Justizrat Wilkens. Zweiter Deputierter für die Kurmark war Justizrat Busch, Bürgermeister in Prenzlau, seine Stellvertreter die Landtagsabgeordneten Thiede, Bürgermeister in Brandenburg, und Stöpel, Bürgermeister in Potsdam. Als erster Deputierter der Neumark war der Oberlandesgerichtspräsident v. Gerlach zu Frankfurt gewählt worden, als seine beiden Stellvertreter Landrat v. Voß aus Berlin und Major v. Gerlach, ebenfalls Berlin. Zweiter Deputierter für die Neumark war der Oberlandesgerichtsrat v. Wangenheim, seine Stellvertreter Justizrat Burchardt (Landsberg a. d. W.) und Justizrat Niethe (Friedeberg). Für die Niederlausitz wurden an erster Stelle der Oberstlieutnant v. Gerlach bestimmt und zu seinen Stellvertretern die Regierungsassessoren Freiherr von Patow (Berlin) und Thielau (Dölzig). Zweiter Deputierter für die Niederlausitz war der

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Externe Juristen als Deputierte des Provinziallandtages

dat war das Kriterium für die Wahl zum „ständischen Deputierten“ der Beratungskommission. Nur zwei der acht Deputierten und nur zwei der 16 Stellvertreter waren zugleich Landtagsabgeordnete.11 Zwei Drittel der Deputierten und ihrer Stellvertreter waren Beamte, sieben von acht Deputierten12 und neun von 16 Stellvertretern. Die meisten von ihnen waren Juristen, alle sieben beamteten Deputierten und sieben der neun beamteten Stellvertreter. Da bei weiteren sechs stellvertretenden Deputierten eine juristische Ausbildung vermutet werden kann, hatten 20 der 24 Deputierten und Stellvertreter eine juristische Ausbildung.13 Fünf der acht Deputierten und fünf der 16 Stellvertreter waren adlig. Von staatlicher Seite gehörten der Beratungskommission die beamteten Redakteure des Entwurfs zu den Provinzialgesetzen sowie je ein Vertreter der Potsdamer und der Frankfurter Regierung an.14 Die Deputierten des Landtages und die Deputierten der staatlichen Seite waren nicht nur berufliche, sie waren mitunter auch Amtskollegen. So waren die beiden Oberlandesgerichte und das Kammergericht jeweils durch zwei Mitglieder ihres Kollegiums vertreten, je einer mit dem Mandat des Landtags, der andere als Kommissar des Justizministeriums. Die Beratungskommission überprüfte und verglich die jeweiligen staatlichen Entwürfe zum adligen Eigentumsrecht der Altmark, der Kurmark und der Neumark. Sie beschloss, den einen oder anderen Paragraphen aus der Vorlage zu streichen, oder umzustellen, oder umzuformulieren, oder Paragraphen des Entwurfs für eine Region in den Entwurf für eine andere märkische Region zu übernehmen. Deputierte des Landtages, die verhindert waren, an einer Sitzung der Beratungskommission teilzunehmen, konnten auf einer der folgenden Sitzungen ihr Votum nachträglich abgeben, obwohl sie vertreten worden waren. Ihre vom vorangegangenen einmütigen Beschluss abweichende

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Oberlandesgerichtsrat v. Schlieben zu Magdeburg, seine Stellvertreter der Bürgermeister von Calau, Schmerbauch, und Justikommissarius Neumann aus Lübben. Vgl. Landtagsverhandlungen der Provinzialstände in der Preußischen Monarchie, Zwölfte Folge, hrsg. v. J[ohann] D[aniel] F[riedrich] Rumpf, Berlin 1837, S. 208f. Die beiden Deputierten mit Landtagsmandat waren Adlige, sowie hohe Staatsbeamte, die beiden Stellvertreter mit Landtagsmandat waren Bürgermeister. Der achte war der Deputierte der Niederlausitz, der Oberstlieutnant v. Gerlach. Vgl. auch Koselleck, Reform, S. 691–693. Ein Deputierter und ein Stellvertreter, zwei v. Gerlach, waren Militärs. Ein dritter v. Gerlach war der Deputierte der Neumark, Oberlandesgerichtspräsident in Frankfurt. Landtagsverhandlungen der Provinzialstände in der Preußischen Monarchie, Zwölfte Folge, hrsg. von J[ohann] D[aniel] F[riedrich] Rumpf, Berlin 1837, S. 208f. und Verhandlungen über das Provinzialrecht der Mark Brandenburg mit den ständischen Deputierten. Viertes Heft. Das Lehnrecht und die Familien-Fideikommisse betreffend (Als Manuskript gedruckt), Berlin 1838, künftig zitiert: Beratungskommission – 1837. Die Beratungskommission tagte zwischen dem 28. November 1836 und dem 21. Dezember 1837.

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Meinung hob den Beschluss auf und führte dazu, dass auch der nunmehr umstrittene Paragraph mit den anderen umstrittenen Paragraphen in den Katalog von Fragen aufgenommen wurde, den die Landräte später den Besitzern von Familiengütern zuschickten. Die Landräte legten diesem Fragenkatalog das gedruckte Protokoll der Verhandlungen der Beratungskommission zu den adligen Eigentumsrechten bei, das 115 Seiten umfasste. Hatten die Verfasser früherer Reformentwürfe zur adligen Eigentumsordnung vor der Schwierigkeit gestanden, die Lücken der kurmärkischen Konstitution von 1723 und der neumärkischen von 1724 im Rückgriff auf traditionelle lehnrechtliche Regeln schließen zu müssen, da sie neues Recht nicht konstituieren konnten, so standen die Redakteure der Eigentumsrechte des märkischen Adels jetzt vor dem umgekehrten Problem, die Verfassung der Familiengüter in ein revidiertes „Lehnrecht“ zu integrieren, da es keinen Sinn hatte, ein Gesetz zu formulieren, das mit den alten Konstitutionen konkurrierte und nur im Zweifelsfall subsidiär galt. Dabei war vorab und prinzipiell die Eigentumsform des – als „Lehn“ bezeichneten – Familieneigentums zu definieren. Für den Redakteur des kurmärkischen Entwurfs, den Kammergerichtsrat Carl Scholtz, war das Familiengut weder nach lehnrechtlichen Regeln, noch als Fideikommiss verfasst. Für ihn waren die Lehngüter 1717 in Allodial- und Erbgüter umgewandelt worden. Die dem Lehnrecht entnommenen Rechte und Pflichten der Agnaten seien erst nachträglich in die Eigentumsverfassung von 1718/23 aufgenommen worden. Deshalb seien die männlichen Nachkommen des Besitzers der erbrechtlichen Regel unterworfen, wonach sie erst durch den Erbgang Rechte am Familiengut erhielten und die „facta patris“ gelten lassen müssten,15 weshalb sie u.a. ein von ihrem Aszendenten veräußertes Gut nicht vom Erwerber zurückfordern konnten. Die Deduktion von Scholtz krankte daran, dass die Eigentumsordnung von 1718/23 Sukzession und Erbe zwar streng unterschied, dass aber die Berechtigung der Deszendenten, ein Familiengut übernehmen zu dürfen, weiterhin an das residuale Kriterium der Lehnsfähigkeit geknüpft war, wonach ein vorehelich geborener Sohn nicht lehnsfähig war, selbst wenn er durch die nachfolgende Ehe legitimiert worden war, wie es zum wiederholten Mal das Patent von 1687 festgelegt hatte.16 Auch die 15 16

Scholtz, Provinzialrecht – 1834, S. 190–193. Vgl. Kamptz, Sammlung, 1. Abteilung, S. 602. Im ALR, das nur subsidiarische Rechtskraft hatte, hieß es: „Für lehnsfähige Nachkommen werden nur diejenigen geachtet, welche aus einer gültigen Ehe zu rechten Hand geboren worden. Doch sind diejenigen, welche zwar außer einer solchen Ehe geboren, aber durch die nachher von ihren Eltern gültig vollzogene Ehe zu rechten Hand legitimiert worden, nach gemeinen Lehnrechten von der Lehnssuccession nicht ausgeschlossen.“

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„Lehnsassekuration“ von 1717 hatte dieses Kriterium für die Übernahme des ehemaligen Lehnguts aufrechterhalten.17 1750 hatte der Autor des ersten Reformentwurfs – offenbar als Antwort auf das Edikt über die adligen Missheiraten von 1739 – vorgeschlagen, zukünftig vorehelich geborenen Söhnen zu gestatten, das Familiengut zu übernehmen, wenn die Agnaten ihren einstimmigen Konsens dazu erteilt hätten.18 Damit sollten die Familien des märkischen Adels – entsprechend der Autonomie, die ihnen 1717 zugestanden worden war – das Recht haben, die lehnrechtlichen Bestimmungen des Patents von 1687 außer Kraft zu setzen. 1777 hatte es im offiziösen Entwurf zur Reform der Eigentumsordnung von 1718/23 geheißen: „Die Söhne eines Lehnsbesitzers, welche durch eine nachfolgende Ehe legitimiert werden, sind nur alsdann Lehns-Successions-fähig, wenn sie nach der priesterlichen Vertrauung gebohren werden; es wäre denn, dass der Mannestamm des Vaters, mit desselben Tode erlöschte, und sonst keine zur Gesammten-Hand versammelten Agnaten vorhanden wären“.19 Der „Entwurf einer Lehns-Constitution“ von 1784 schlug eine dritte Variante vor. Danach sollte ein vor der priesterlichen Trauung geborener Sohn das Familiengut übernehmen können, es sei denn, die Trauung wäre erst auf dem Sterbebett eines der Ehegatten vorgenommen worden.20 1800 hielten die Verfasser des Entwurfs zum Provinziallehnrecht an den Vorschriften aus der Zeit der klassischen Lehen fest, wie sie das Patent von 1687 formuliert hatte. Danach waren vorehelich geborene Söhne nicht „lehnssuccessionsfähig“.21 Die behördlichen Entwürfe des „Ministeriums für die Revisi-

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(ALR, I. Teil, 18. Titel, § 360 und § 361). Die geburtsrechtlichen Kriterien für die Anerkennung des Adels waren ebenfalls weniger streng. Im Titel „Von den Pflichten und Rechten des Adelstandes“ hatten die in einer rechtmäßigen Ehe gezeugten, oder geborenen Nachkommen den Geburtsadel. Vorehelich Geborene wurden durch die nachfolgende Ehe legitimiert. Die Legitimation konnte durch eine entsprechende Erklärung des Vaters vor einem Richter erfolgen. Siehe ALR, II. Teil, 9. Titel, § 2, § 3 und § 5. Der Kammergerichtsrat Wilke hatte in seinem internen Entwurf von 1795 vorgesehen, dass die Legitimation auch durch den Landesherrn erfolgen könne. Vgl. Wilke, §§ 26–28, in: Mathis, Juristische Monatschrift, 2. Bd. 1806 (im Titelblatt fälschlich 1809), S. 492–547, hier S. 496. Vgl. Kamptz, Sammlung, 2. Abteilung, S. 211–218, hier S. 214. Dieser Konsens sollte nicht durch eine landesherrlichen Verfügung ersetzt werden können. Vgl. BLHA, Rep. 23A Kurmärkische Stände, B. 616, Bl. 39v. Vgl. BLHA, Rep. 53A Kurmärkische Landschaft – Generalia, Nr. 48. In der diesem Entwurf vorangestellten „Rechtliche[n] Erörterung“ wurde die Eigentumsordnung von 1723 als „Lehns-Konstitution“ bezeichnet. Vgl. BLHA, Rep. 23A Kurmärkische Stände, B. 617, Bl. 102v. Vgl. die § 96 und § 97 im Entwurf von Eltester, in: GStA PK, Rep. 84 II 5 M, Nr. 4, Vol. 5, Fasz. 1, den § 361 im Entwurf des Komitees und die ständischen Monita hierzu, in: GStA PK, Rep. 84 II 5 M, Nr. 4, Vol. 5, Fasz. 2.

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on der Gesetzgebung“ sahen für die Alt- und die Kurmark unterschiedliche Regelungen vor. Für die Altmark sollte es bei den strikten Vorschriften aus dem Patent von 1687 bleiben, in der Kurmark würde ein vorehelich geborener Sohn durch einstimmigen Beschluss der Agnaten zur Übernahme des Familiengutes legitimiert werden können.22 Der Autor des altmärkischen Entwurfs, der Oberlandesgerichtsrat Goetze, ging – anders als Scholtz – davon aus, dass die Lehngüter mit der Allodifikation von 1717 gesamthänderische Familiengüter geworden wären,23 und ein männlicher Deszendent des Besitzers – als genealogisch vermittelter Gesamthänder – daher schon zu Lebzeiten seines Vaters ein dingliches Recht am Familieneigentum habe. Dieses Recht könne ihm nicht durch eine – von seinem Aszendenten zu verantwortende – Veräußerung entzogen werden. Daher sei im Verlauf eines gerichtlichen Verkaufs den männlichen Deszendenten des Besitzers, auch wenn sie noch unter väterlicher Gewalt stünden, das Vorkaufsrecht ebenso einzuräumen, wie den Agnaten und ihren Deszendenten. Vergleichbares sollte bei einem freiwilligen Verkauf gelten. Dem freiwilligen Verkauf müsse jedoch die Aufhebung der familialen Eigentumsbindung des Gutes vorangehen, die nur durch einen einstimmigen Familienschluss erfolgen könne, an dem teilzunehmen auch die männliche – lehnsfähige – Deszendenz des Besitzers berechtigt sei. Ungeborene, aber möglicherweise gezeugte männliche Nachkommen, wären durch einen außerfamilialen Kurator zu vertreten. Diejenigen Deputierten der provinzialständischen Beratungskommission, die der Deszendenz des Besitzers die vollen gesamthänderischen Rechte zubilligen wollten, forderten zudem, dass auch dasjenige Rittergut, das kein gesamthänderisches Eigentum war, künftig nach provinzialem Lehnrecht zu beurteilen sei.24 Gleichzeitig aber wollten sie, wie andere, die Autonomie des Adels in Bezug auf seine Güter konserviert wissen. Als Konsequenz sollte die adligen Familien daher berechtigt werden, nach eigenem Gutdünken und frei von den Bestimmungen des ALR Fideikommisse zu stiften.25 Schon auf der ersten Sitzung jener Beratungskommission war beschlossen worden, in den Fragebogen für die Besitzer von Familiengütern die strittige Frage aufzunehmen, welche Eigentumsrechte die Nachkommen zu Lebzeiten ihrer besitzenden Väter haben sollten. Im Laufe der Verhand22 23 24 25

Vgl. § 110 in: Goetze, Altmark, S. 21 und § 12 in Scholtz, Provinzialrecht – 1834, S. 48. Goetze, Altmark, S. 135–138. Was auch für die Rittergüter im Besitz Bürgerlicher gegolten hätte. Vgl. Beratungskommission – 1837, S. 106. Die Ablehnung durch den Vertreter der Potsdamer Regierung S. 114f.

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lungen kamen weitere strittige Punkte hinzu.26 Der Fragenkatalog wurde an 257 adlige Besitzer ehemaliger alt- und kurmärkischer „Lehn“-Rittergütern (einschließlich Rittergutskomplexen) aus 60 Familien (Geschlechtern) verschickt. Nur 25 Besitzer aus 18 Familien antworteten.27 Die Familien, die eine größere Anzahl von Familiengütern und pro Gut die höchste Anzahl von Agnaten hatten, zeigten ein stärkeres Interesse daran, die Fragen zu beantworten. Von den 47 Familien, die ein bis vier Familiengüter besaßen, antworteten nur sieben, während von den 13 Familien, die fünf und mehr Familiengüter hatten, elf Antworten eingingen. Bei ihnen waren 20 und mehr Agnaten pro Gut keine Seltenheit. Gegen die Befragung der Familien war zuvor eingewandt worden, dass juristische Laien die von Juristen formulierten Fragen missverstehen und entsprechend beantworten würden.28 Die Antworten bestätigten diesen Einwand. Die mit einigen Fragen verknüpfte Aufforderung, Familienverträge und Urkunden beizubringen, lief ins Leere: Es habe nie welche gegeben und wenn doch, seien sie für immer verloren oder zur Zeit nicht auffindbar oder wären als deponierte Beweisstücke in schwebenden Rechtstreitigkeiten nicht verfügbar, lauteten die Einlassungen zu dieser Aufforderung, wenn sie nicht schlicht übergangen wurde. Die befragten Rittergutsbesitzer behandelten den Fragenkatalog wie die Aufforderung, die Stücke für ein juristisches Wunschkonzert zusammenzustellen. Dies störte den Fortgang der staatlichen Bemühungen deshalb nicht, weil die Befragung nicht als Abstimmung, sondern als Beitrag für eine Materialsammlung des Gesetzgebers gedacht war.

26

27

28

GStA PK, Rep. 84 II 5 M, Nr. 4, Vol. 14, Fasz. 1a, Bl. 13. Der Fragenkatalog, der den Besitzern schließlich vorgelegt wurde, war jedoch nicht von der Beratungskommission, sondern von der Magdeburger Regierung formuliert worden, die vom „Ministerium für die Revision der Gesetzgebung“ dazu beauftragt worden war. Die Magdeburger Regierung nahm in den Fragenkatalog auch Paragraphen auf, die in der Beratungskommission unstrittig gewesen waren, und fügte eigene Fragen hinzu. Die neumärkischen Familien wurden nicht befragt, da weder die Rittergutsbesitzer, noch das Justizministerium eine Änderung der neumärkischen Eigentumsordnung von 1724 für notwendig hielten. Vgl. Beratungskommission – 1837, S. 114 und Schreiben des Justizministers v. Kamptz an die Autoren der Entwürfe, in: GStA PK, Rep. 84 II M 5 Nr. 4, Vol. 14, Fasz. 1a, Bl. 9f. Aus dem Geschlecht der v. Zieten antworteten alle drei Rittergutsbesitzer. Aus den Geschlechtern der v. Alvensleben, v. Arnim, v. Bredow, v. Hagen und v. Kröcher gingen je zwei Antworten ein. Vgl. GStA PK, 84 II M 5, Nr. 4, Vol. 14, Fasz. 1a, Bl. 64–73.

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Familiengüter

Anzahl der Agnaten Familiengüter pro Gut/Güterkomplex29

Anzahl der Agnaten pro Gut/Güterkomplex29

1 v. Arnstedt 1 v. Barfuß 1 v. Beyer 1 v. Bismarck 1 Boldt 1 v. Erxleben 1 v. Graevenitz 1 v. Flemming 1 v. Hardenberg 1 v. Jurgaß 1 v. Katte 1 v. Klützow 1 v. Knesebeck 1 v. Lentzke 1 v. Lüderitz 1 v. Meding 1 v. Möllendorf 1 v. Oppen 1 v. Plotho 1 v. Raven 1 v. Ribbeck 1 v. Rieben 1 v. Rinow 2 v. Bismarck 2 v. Borstell 2 v. Hacke 2 v. Itzenplitz 2 v. Lindau 2 v. Pfuel 2 v. Rohtt 2 v. Schenck 2 v. Wartenberg 3 v. Borch 3 v. Broesigke 3 v. Eickstedt

17 1 0 2 n.e. 1 5 3 8 3 4 0 11 6 n.e. 16 2 8 gel. 6 0 9 3 n.e.-gel. n.e.-n.e. o.A.-6 1-3 1-1 1-1 n.e.-n.e. n.e.-n.e. 0-5 1-3-6 0-1-2 1-3-5

0-4-11 3-6-11 8-9-9 2-4-5 gel.-gel.-2 0-0-14 11-13-13-13 7-10-11-11 4-6-6-10 2-2-8-16 1-1-1-1 7-11-12-20 1-1-8-10-11 0-3-3-3-4-4 4-4-4-4-10-13-20 1-1-1-1-1-1-1 8-8-8-9-10-10-12-13 0-0-0-0-0-3-15-21 0-0-0-0-2-6-10-10 0-1-1-8-8-8-9-9-10-1022 gel.-gel.-gel.-gel.-n.r.n.r.-n.r.-n.r.-5-5-5-40 0-0-0-1-2-2-2-2-2-3-3-33-3-3-3-4-5 9-9-10-11-16-18-18-2630-31-33-34-36-36-3838-38-38-39 0-1-1-1-1-1-1-2-3-3-44-4-4-4-5-5-5-6-7-8-8-811-37-39-43-45 9-14-30-31-35-46-4747-47-47-48-49-50-5050-50-50-50-51-51-5151-51-51-51-52-52-53-53

3 v. Holtzendorf 3 v. Münchhausen 3 v. Schierstedt 3 v. Wedell 3 v. Wulffen 3 v. Zieten 4 v. Berg 4 v. Buch 4 v. Kröcher 4 v. Platen 4 v. Schwerin 4 v. Schulenburg 5 v. Redern 6 v. Saldern  v. Knoblauch  v. Puttlitz 8 v. Alvensleben 8 v. Rohr 8 v. Thuemen 11 v. Hagen 12 v. Jagow 18 v. Rochow 19 v. Winterfeld

28 v. Bredow

29 v. Arnim

Legende: n.e. gel. n.r. o.A. kursiv unterstrichen

29

nicht eingetragen Agnaten aus dem Hypothekenbuch gelöscht Hypothekenbuch nicht reguliert ohne Angabe Altmark haben geantwortet.

Zusammengestellt aus: GStA PK, 84 II M 5, Nr. 4, Vol. 14, Fasz. 1a.

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Im familialen Binnenverhältnis wollten die Befragten die Position der Kleinfamilie, im Außenverhältnis die Interessen des Geschlechts gestärkt wissen; generell sollte dem Adel mehr Autonomie zugestanden werden. Die altmärkischen und eine Minderheit der kurmärkischen Besitzer von Familiengütern wollten, dass, nach altmärkischer Observanz, die Nachkommen des Besitzers mit den Agnaten und deren Deszendenz gleichgestellt und zum Veräußerungskonsens hinzugezogen werden, und auch das Recht erhalten sollten, ein ohne ihren Konsens veräußertes Gut gegen Entschädigung zurückfordern zu können. Die Nachkommen des Besitzers sollten jedoch nur solange gesamthänderische Rechte haben, wie es Agnaten gäbe. Gäbe es keine Agnaten, sollte der Besitzer berechtigt sein, ohne seine Söhne fragen zu müssen, das Gut zu verschulden, zu veräußern, die familiale Eigentumsordnung aufzuheben oder ein Familien-Fideikommiss zu stiften. Ein Sohn, der nicht gemeinrechtlicher Erbe seines Vaters wäre, oder die Erbschaft am individuellen Vermögen ausschlagen würde, sollte – wie seine Deszendenz – das Recht erhalten, ein veräußertes Gut zurückzufordern, wenn er genealogisch an der Reihe wäre, was der bisherigen Observanz widersprach, aber im Einklang mit dem ALR stand. Die Gläubiger individueller Schulden sollten dadurch aber nicht enteignet, sondern mit ihren Forderungen an die zukünftigen Erträge aus dem Gut verwiesen werden, damit die Substanz des Familiengutes nicht angegriffen werden würde. Um dem besitzenden Familienzweig das Gut auch zukünftig zu sichern, wollte die Mehrheit der Befragten sowohl den freiwilligen Verkauf untersagt wissen, als auch verbieten lassen, eine Versteigerung an die Bedingung der Wiederkäuflichkeit zu knüpfen, denn das eine würde die Kreditwürdigkeit, das andere den Versteigerungserlös verderben. Vom Wunsch, den Kaufpreis und die Kreditwürdigkeit zu erhöhen und damit den Eintritt der Gutsbesitzer in den Bürgschaftsverband zu erleichtern, war der häufig geäußerte Vorschlag bestimmt, das Vorkaufsrecht bei einem gerichtlichen Verkauf an die Übernahme sämtlicher Lehn- und anderer, aber konsentierter Schulden zu binden, auch wenn diese Schulden den Kaufpreis übersteigen würden. Würde ein Deszendent ein Rittergut ohne Wahrnehmung der „Lehnrechte“ erwerben, indem er es bei der öffentlichen Versteigerung (Subhastation) als Meistbietender ersteigerte, so sollte er das Familiengut als individuelles Eigentum besitzen können, wie es bereits in der Eigentumskonstitution von 1718/23 festgelegt worden war. Die Übernahme dieses Rechts in das Provinzialrecht hätte die Stiftung eines Fideikommisses erleichtert und damit den Interessen des Geschlechts – wenn auch nur einen Teils – gedient. Generell sollten die autonomen Befugnisse des Adels in eigentumsrecht-

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lichen Fragen gestärkt werden. Nach der Mehrheit der Antworten sollte diese Autonomie nicht nur denjenigen Familien garantiert werden, die eigentumsrechtlich gebundene Rittergüter besaßen, sondern auch denjenigen, deren Rittergüter individuelles Eigentum waren. Um die individuell besessenen Güter im Erbgang vor der gemeinrechtlich bedingten Zersplitterung zu schützen, sollte die für adlige Familien geforderte Autonomie auch die Berechtigung einschließen, ohne behördliche Genehmigung Familien-Fideikommisse gründen zu dürfen, frei von Bestimmungen des ALR und den fälligen Gebühren. Mit dem Hinweis auf die Autonomie der Familien erachteten einige die Frage für überflüssig, ob ein vorehelich geborener Nachkomme durch einstimmigen Familienschluss aller Agnaten und Mitberechtigten legitimiert werden könne, das Familiengut zu übernehmen. Die Mehrheit derer, die für die Autonomie der Familien eintraten, hielt es jedoch für sicherer, die entsprechende Möglichkeit im Gesetz zu verankern. Viele Antworten gingen über die Fragen weit hinaus. Die meisten Besitzer wünschten eine größere Dispositionsfreiheit. Werner Friedrich Edler v. Plotho wollte die „veralteten Lehnsverhältnisse“ durch die Revision der Gesetze „so vollständig umgewandelt“ sehen, dass „die jetzige Disharmonie mit den übrigen bürgerlichen und gesetzlichen Verhältnissen“ behoben werden würde.30 Für ihn waren die Lehnverhältnisse „längst in sich abgenutzt“ und er hielt es für „nicht unpassend [sie] mit einem Leichnam zu vergleichen […], den man durch Anwendung der subtilsten Spezereien, noch aufrecht zu erhalten sucht, der aber dessen ungeachtet, mit starken Schritten der Verwesung zueilt und der zum Wohl der Lebenden je eher je lieber zur Grube getragen werden sollte“.31 Häufige Erbteilungen, die Höhe der Aussteuer der Töchter, die jüngste Praxis, im Erbfall vorab das allodiale Erbe vom Lehen zu trennen, der Wegfall der Frondienste, die Erhöhung von Abgaben und Steuern, sowie die Verteuerung der Ausbildung der Söhne hätten den Geldbedarf und damit die Schuldenlast der Familien erhöht. Allein die Umwandlung der Familiengüter in Fideikommisse könne den Adel langfristig im Grundbesitz erhalten, weil der jeweilige Besitzer sie weder teilen, noch verschulden oder veräußern durfte, und Abfindungen lediglich Leibrenten sein durften. Der Edle v. Plotho schloss seine „Betrachtung mit der innigen Überzeugung, dass der Preußische Adel sich nur noch als solcher, durch erhöhte Intelligenz, durch Bewahrung seiner Sitte, sowie durch treues Festhalten an vaterländische Institutionen erhalten kann“.32 30 31 32

Vgl. die gemeinsame Anwort vierer v. Bredow, in: GStA PK, Rep. 84 II M Nr. 4, Vol. 14, Fasz. 4, Bl. 73–80, hier Bl. 73. A.a.O., Bl. 268–271, hier Bl. 268v. A.a.O., Bl. 268–271, hier Bl. 270v–271.

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Auch der Freiherr v. Münchhausen (Leitzkau) plädierte für die Umwandlung der Familiengüter in Fideikommisse, denn nur so sei eine Verschuldung der Güter zum Vorteil des individuellen Vermögens zu verhindern, wie sie viele Besitzer von Familiengütern praktizieren würden. Bis dahin aber müssten die Güter nach dem ALR als Familieneigentum und nicht als Lehen, sei es nach alten oder den noch zu reformierenden Regeln beurteilt werden. Da das lehnsherrlich-vasallitische „Lehnsverhältnis“ aufgehoben war, wären die Güter nicht mehr „Lehngüter“, sondern „Familiengüter“. Deshalb sollte auch die Trennung von Lehen und individuellem Vermögen im Besitzübergang nicht mehr stattfinden, so wie es der für klassische Lehen gedachte Teil des ALR vorsah. Da die Güter Erbgüter seien, geschehe ihre Übertragung an die Nachkommen des Besitzers nicht „ex pacto und providentia majorum“, sondern „ex benevolentia patris“.33 Drei Gebrüder v. Putlitz gingen ausdrücklich nicht auf die einzelnen Fragen ein. Sie eröffneten vielmehr die Perspektive, das Lehnrecht Lehnrecht sein zu lassen. Nicht um es abzuschaffen, sondern um es zeitweilig außer Kraft zu setzen. Sie strebten die rechtliche Möglichkeit an, Familiengüter – frei vom agnatischen Konsens – in Fideikommisse umwandeln zu können. Verstürbe der besitzende Familienzweig, sollten die lehnrechtlichen Sukzessionsrechte der Agnaten wieder aufleben, um den erstbegünstigten als neuen Besitzer des Familien-Fideikommiss bestimmen zu können. Mit diesem Vorschlag waren sie ihrer Zeit und dem Verfassungsentwurf von 1848 weit voraus (vgl. 9. Kapitel). Die Familie v. Putlitz würde sich keiner Lehnrechtsreform unterwerfen, sondern zuvor den agnatischen Verband aufheben. Die Voraussetzungen dazu wären bereits vor 60 Jahren geschaffen worden, als das Geschlecht derer v. Putlitz den damals bestehenden agnatischen Verband aufgelöst, und die so allodifizierten Güter wiederum als Familiengüter der einzelnen Familienzweige, jeweils mit einem personell reduzierten Agnatenstamm, konstituiert hatte.34 Nach der Sichtung der beantworteten Fragebögen formulierte das Justizministerium für die Revision der Gesetzgebung den ersten Teil eines revidierten Entwurfs zum Lehnrecht, der jedoch nur die ersten 55 Paragraphen umfasste.35 Er lag 1841 dem siebenten Provinziallandtag vor, der um die Verlängerung der Erklärungsfrist nachsuchte und sie erhielt.36 Der achte Brandenburgische Provinziallandtag von 1843 bat darum, die abschließenden Beratungen durch einen Ausschuss vorbereiten zu lassen, was ihm 33 34 35 36

A.a.O., Bl. 236–266. A.a.O., Bl. 191–195. Revidirter Entwurf des Provinzial-Rechts der Mark Brandenburg, Zweiter Teil, Lehnrecht, Berlin 1841. Vgl. Kamptz, Gesetz-Revision, S. 186 und S. 190.

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ebenfalls gewährt wurde.37 Der königliche Landtagsmarschall v. Rochow stellte daraufhin einen Ausschuss zusammen,38 der jenen 55 Paragraphen umfassenden Teilentwurf von 1841 und die spätere, ihn ergänzende Materialsammlung des Ministeriums beriet. Diese Materialsammlung umfasste 69 Seiten und resümierte das Für und Wider in Bezug auf die Passagen, die den Teilentwurf ergänzten.39 Der ministerielle Teilentwurf von 1841 übernahm in der strittigen Frage, welche Rechte am Familiengut die Deszendenz des Besitzers zu dessen Lebzeiten habe, die Vorschriften des ALR. Die kommentierenden „Motive“ begründeten diese Übernahme rechtsgeschichtlich. Das Ministerium wies ausdrücklich die Interpretation zurück, wonach die Güter 1717 zunächst individuelles Eigentum der jeweiligen Rittergutsbesitzer und damit gemeinrechtliche Erbgüter geworden und erst ein Jahr später der „Constitution“ von 1718 unterworfen worden wären.40 1717 seien die Lehnrittergüter lediglich im Verhältnis zum Lehnsherrn allodifiziert und in Familienerbe umgewandelt worden. Die lehnrechtlich geregelten gesamthänderischen Binnenverhältnisse der ehemals belehnten Familien wären aber nicht verändert worden. Die nachfolgende Konstitution hätte lediglich deren Rechte und Pflichten den veränderten Bedingungen angepasst. Nach der Aufhebung des lehnsherrlich-vasallitischen Verhältnisses leiteten sich die Rechte der Deszendenten aus ihrer Familienzugehörigkeit ab, weshalb ihnen alle gesamthänderischen Rechte am Familieneigentum zustehen würden. Die – lehnsfähige – Deszendenz müsse daher keine Schmälerung ihrer Rechte am Gut durch den Vater hinnehmen.41 Deshalb solle ein Sohn, der nicht gefragt worden war, das vom Vater verkaufte Gut zurückkaufen und seinem Familienzweig erhalten können. Die Deszendenz des Besitzers 37

38 39

40

41

Vgl. Gutachten über die auf das Märkische Provinzialrecht Bezug habenden Verhandlungen und Entwürfe, abgefasst von dem dazu zusammenberufenen Ausschusse des Provinzial-Landtags der Mark Brandenburg und des Markgrafenthums Niederlausitz, S. 4, in: BLHA Rep. 54 Brandenburgischer Provinziallandtag, Nr. 12. Vgl. BLHA Rep. 54 Brandenburgischer Provinziallandtag, Nr. 1. Vgl. Zusammenstellung derjenigen, das Lehnrecht der Mark Brandenburg betreffenden Grundsätze, welche bei den zwischen den Kommissarien des Justiz-Ministerii, den Abgeordneten der Regierungen und den ständischen Deputierten über das Provinzialrecht gepflogenen Verhandlungen zur Beratung gekommen sind, (künftig zitiert: Zusammenstellung), S. III, in: GStA PK, Rep. 84 II 5 M, Nr. 4, Vol. 14, Fasz. 1a und BLHA Rep. 54 Brandenburgischer Provinziallandtag, Nr. 1. Vgl. Motive zum Zweiten Teil. Lehn-Recht (künftig zitiert: Motive – 1841), S. 7ff., in: Revidierter Entwurf des Provinzial-Rechts der Mark Brandenburg. Zweiter Teil, Lehn-Recht, Berlin 1841. Gesamthänderische Rechte konnten keinem Gesamthänder, also auch nicht der Deszendenz des Besitzers durch die Mehrheit oder alle Gesamthändern entzogen werden.

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hätte auch das Recht, das vom Vater überschuldete Familiengut im Konkursverfahren zu erwerben. In der Frage der Sukzessionsordnung sah die behördliche Vorlage zwei verschiedene Regelungen vor, je nachdem ob der Besitzer Erben hatte oder nicht. War er beerbt, sollte die Lineal-Sukzession gelten. Die Linealfolge war auch 1800 in den Vorschlägen zur Kodifikation des provinzialen Lehnrechts vorgesehen gewesen, die die Deputierten und das Komitee formuliert hatten. Sie entsprach dem ALR und sollte als alleinige Sukzessionsfolge gelten. Nach der Lineal-Sukzession traten Enkel oder Urenkel, deren Aszendent verstorben war, in direkter Linie an die Stelle ihrer Väter oder Großväter, d.h. sie sukzedierten mit ihren Onkeln in den Familienbesitz ihrer Großväter oder Urgroßväter.42 Hatte der verstorbene Besitzer zwei Söhne gehabt, wovon einer vor ihm gestorben war, aber ebenfalls zwei Söhne hinterließ, so sukzessierten ein Sohn und zwei Enkel, wobei der Sohn die Hälfte, die beiden Enkel je ein Viertel vom Familiengut erhielten. Für den Fall, dass der letzte Besitzer unbeerbt war, sah der behördliche Entwurf die Lineal-Gradual-Sukzession vor.43 Nach der Lineal-Gradual-Sukzession sukzedierten die Seitenverwandten nicht nach „Linien“, sondern nach Köpfen. Folgendes tabellarische Beispiel dient zur Verdeutlichung dieses Unterschieds. Genealogisch erster gemeinsamer Vorfahre † 1. Grad: Söhne

A†

2. Grad: Enkel

A†

3. Grad: Urenkel

A†

4. Grad: Ur-Urenkel

A

B† B1† B1

C†

B2† B2a

C† B2b

letzter, unbeerbter Besitzer†

Nach der Lineal-Sukzession des ALR sukzedieren die beiden Linien A und B gleichberechtigt. A erhält die Hälfte, B1 ein Viertel, und B2a wie B2b haben auf je ein Achtel des Gutes Anspruch. Nach der Lineal-GradualSukzession erhalten B1 wie B2a und B2b je ein Drittel des Gutes, A geht leer aus, weil er im Verhältnis zum genealogisch nächsten gemeinsamen Vorfahren dem Grad nach der entferntere Verwandte ist.44 42 43 44

Bei der Sukzession von Brüdern sollten nur die Brüderkinder, wenn ihr Vater vor dem Großvater gestorben war, sukzedieren können, nicht aber Brüderenkel. Vgl. Scholtz, Provinzialrecht – 1834, S. 309–311, Goetze, Altmark, S. 21, Beratungskommission – 1837, S. 44f. und Zusammenstellung, S. 15–19. Diese Konzeption wurde in allen nachfolgenden provinzialständischen Verhandlungen akzeptiert und fand sich auch im letzten behördlichen Entwurf von 1847.

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Im Binnenverhältnis sollten Sukzession und Erbe weiterhin rechtlich unterschieden werden. Im Außenverhältnis aber hatten die Gläubiger das Recht, dass ihre Forderungen aus dem Gesamtnachlass befriedigt würden, unabhängig davon, ob der Sukzedent enterbt war oder dem Erbe aus dem individuellem Nachlass entsagt hatte. Zinsen und Tilgung mussten in diesen Fällen jedoch lediglich aus den Erträgen des Familiengutes geleistet werden, wobei dem Sukzessor ein notdürftiger Lebensunterhalt zu gewähren war. Nur ein Verzicht auf Sukzession und Erbe konnte die Deszendenz von den Verbindlichkeiten des Erblassers befreien. In seinen Erläuterungen wies das Ministerium darauf hin, dass das im Entwurf formulierte Verhältnis von Aszendenz und Deszendenz in der Mark traditionell gemeinrechtlich und nicht provinzialrechtlich geregelt gewesen war, weshalb das ALR zu gelten habe.45 Den agnatischen Konsens zur Kreditfinanzierung der „debita per se feudalia“ sowie derjenigen Schulden, die als subsidiarische Schulden galten, über den in der Zeit der Mitwirkung der Kreisdeputierten nie Einigkeit erzielt werden konnte, hielten seit 1796 alle Entwürfe zum provinzialen „Lehnrecht“ für überflüssig,46 außer der kurmärkische Entwurf 45

46

Vgl. die §§ 48–54 des Entwurfs zum Provinzial-Lehnrecht, in: GStA PK, Rep. 84 II 5 M, Nr. 4, Vol. 14, Fasz. 8. Motive – 1841, S. 15. Der Landtagsausschuss von 1844 akzeptierte zwar diese Passagen des ALR, widersprach aber dem Ministerium bei der Rubrizierung dieser Regelungen unter das gemeine Recht und wollte sie ausdrücklich als Provinzialrecht kodifiziert wissen, um sich spätere Mitspracherechte zu reservieren. Vgl. Protokoll der Ausschußverhandlungen vom 2. April 1844, in: BLHA, Rep. 54, Nr. 1. Der Landtag von 1845, der sich dagegen der Version des Ministeriums anschloss, strich daher diese Paragraphen aus dem Entwurf zum Provinzialrecht und verwies stattdessen auf das ALR. Vgl. Verhandlungen des neunten Provinzial-Landtages der Mark Brandenburg und des Markgrafenthums Niederlausitz, eröffnet zu Berlin am 9. Februar 1845, geschlossen daselbst am 19. April 1845, nebst dem Allerhöchsten Landtags-Abschiede d.d. Berlin, den 27. December 1845, Berlin 1846, (künftig zitiert: Verhandlungen des neunten Provinzial-Landtages), S. 100. Vgl. §§ 73–76 sowohl des Entwurfs von Eltester, als auch den des Komitees; resp. den § 230 der „Concludierten Monita“ von 1800, in: GStA PK, Rep. 84 II M Nr. 4, Vol. 5, Fasz. 1 und Fasz. 2. Siehe auch § 103 des offiziellen Entwurfs für die Altmark, in: Goetze, Altmark, S. 20. Die Landtagskommission von 1837 schloss sich dieser Konzeption an und verwarf die traditionelle Regelung im kurmärkischen Entwurf von Scholtz, der jedoch kein revidiertes Provinzialrecht vorgelegt, sondern sich an der Observanz orientiert hatte. Vgl. Beratungskommission – 1837, S. 34. Der Entwurf von 1841, die Ausschussverhandlungen von 1844, der Provinziallandtag von 1845 und der Entwurf von 1847 schlossen sich der Konzeption von Eltester/Goetze an, vgl. Zusammenstellung derjenigen, das Lehnrecht der Mark Brandenburg betreffenden Grundsätze, welche bei den zwischen den Kommissarien des Justiz-Ministerii, den Abgeordneten der Regierungen und den ständischen Deputirten über das Provinzialrecht gepflogenen Verhandlungen zur Berathung ge-

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von Scholtz (1834).47 Zu diesen Schulden „per se feudalia“48 sollten nunmehr auch Kredite zur Finanzierung von nachhaltigen „Meliorationen“ zählen. Dagegen sollten Kredite, die nicht zur Finanzierung dieser Schulden dienten – etwa zum Ankauf eines neuen, allodial verbleibenden Gutes oder andere persönliche Kredite – weiterhin an den agnatischen Konsens gebunden sein. Zu der Frage, welche Verbindlichkeiten ein Agnat zu übernehmen hätte, wenn er im Laufe eines gerichtlichen Verkaufsverfahrens das Vorkaufsrecht ausüben wollte, formulierten die zahlreichen Entwürfe und Befragungen zwischen 1796 und 1847 mehrere Varianten. Nach der Lehnskonstitution von 1723 hatten die Agnaten die Alternative, entweder zu Beginn des gerichtlichen Verkaufsverfahrens die gesetzlichen Familienschulden und damit das Gut zu übernehmen oder die Versteigerung abzuwarten.49 Selbst wenn das Übernahmegebot eines Fremden im Versteigerungstermin niedriger war als die gesetzlichen Schulden, erhielt ein Agnat, der dieses Gebot übernahm, das Gut.50 Diese Option und die Unsicherheit, ob und wie die Agnaten ihre Rechte wahrnehmen würden, hielt fremde Kaufinteressenten meist davon ab, auf dem Termin des gerichtlichen Verkaufsverfahrens zu erscheinen, zumal oft die Frage auftauchte, welchem Agnaten das genealogisch vermittelte Vorgriffsrecht zustehen würde. Nach der – oft langwierigen – Klärung dieser Frage aber konnte der Nächstberechtigte seine Absicht aufgeben und damit eine neue Untersuchung des Stammbaums provozieren. Eine solche Verzögerungstaktik diente oft dazu, einem Familienmitglied die Zeit zu geben, sich die nötige Liquidität zu verschaffen. Die Entwürfe, die zwischen der Verabschiedung des ALR und den Preußischen Reformen von den Beauftragten der Stände erarbeitet worden waren, hatten vorgesehen, dass der Agnat, der sein Vorkaufsrecht durch Übernahme des Meistgebotes ausübte, an die Gläubiger nur die

47

48 49 50

kommen sind (1844), S. 12, in: GStA PK, Rep. 84 II 5 M Nr. 4, Vol. 14, Fasz. 1a; Protokoll der Ausschußsitzung vom 4. April, in: BLHA Rep. 54, Nr. 1; Verhandlungen des neunten Provinzial-Landtages, S. 107 und § 40 im Entwurf von 1847, in: GStA PK, Rep. 84 II 5 M Nr. 4, Vol. 14, Fasz. 8. Nach Scholtz sollte dieser Konsens nach wie vor vorgeschrieben sein. Der Besitzer sollte wie bisher berechtigt sein, die Agnaten gerichtlich zum Konsens auffordern zu lassen. Scholtz, Provinzialrecht – 1834, S. 38f. Auch als „gesetzliche“ oder „notwendige“ oder „Lehn-Schulden“ bezeichnet. Siehe GStA PK, Rep. 84 II 5 M, Nr. 4, Vol. 14, Fasz. 1b. Übernahmen mehrere Agnaten das Höchstgebot, erhielt derjenige das Gut, der im Verhältnis zum Schuldner der genealogisch nächste war. Dabei konnten Realberechtigte ihre Ansprüche an das Gut verlieren, wie auch Gläubiger ihre hypothekarischen Forderungen nebst Zinsforderungen, die durch die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners aufgelaufen waren.

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Lehnschulden zu zahlen hatte und, falls das Meistgebot diese Schuldsumme überstieg, der Differenzbetrag die Qualität eines Familieneigentums behalte sollte. Auch sollten der überschuldete ehemalige Besitzer und seine Deszendenz weiterhin in der Gesamten Hand bleiben.51 Der Redakteur des Kurmärkischen Entwurfs von 1834, Carl Scholtz, wollte, dass der Differenzbetrag zur Rückzahlung der weiteren individuellen Schulden verwendet werden müsste.52 Der altmärkische Entwurf sah als dritte Version eine Regelung vor, die das traditionelle altmärkische Recht revidierte. Danach hätte das Familiengut eines in Konkurs geratenen Besitzers allen Sukzessionsberechtigten, einschließlich der Deszendenz des Schuldners, gerichtlich angeboten werden müssen. Zahlte einer von ihnen den Wert entsprechend der gerichtlichen Subhastations-Taxe, konnte er das Gut übernehmen, selbst wenn die Schuldsumme höher sein würde. Die Gläubiger sollten dem nur widersprechen können, wenn das Gut zum Zeitpunkt der Schuldverschreibung in einem besseren Zustand gewesen wäre als zum Zeitpunkt der Versteigerung. Diejenigen, die ein Sukzessionsrecht hatten, sollten ihr Vorkaufsrecht nur dann ausüben können, wenn sie das Meistgebot übernehmen würden, auch wenn die Schuldensumme höher wäre.53 Da die von Scholtz und Goetze vorgeschlagenen Verfahren die Kreditwürdigkeit des jeweiligen Besitzers minderten und obendrein den Eintritt in den Bürgschaftsverband erschwerten,54 entschied sich die Mehrheit des Landtagsausschusses von 1837 und die Mehrheit der 1839 befragten

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Vgl. §§ 54–61 des Entwurfs von Eltester, in: GStA PK, Rep. 84 II M, Nr. 4, Vol. 5, Fasz. 1 und die Monita zu §§ 304–306 des ALR, die das Comité und die Versammlung der ständisch legitimierten adligen Berater formuliert hatten, ebenda und in Rep. 84 II M, Nr. 4, Vol. 5, Fasz. 2. Es sei denn, die Gesamthänder, also auch der Schuldner, hätten sich einstimmig dafür ausgesprochen, diese Summe als Familienlehen zu konstituieren, was voraussetzte, dass sie die Restschulden beglichen. Vgl. Scholtz, Provinzialrecht – 1834, S. 41–44. Vgl. Goetze, Altmark, S. 16ff. Wegen ihrer eigentumsrechtlichen Privilegien dürften bis zu diesem Zeitpunkt nur wenige Familiengüter assoziiert gewesen sein. Unabhängig von der Eigentumsform mussten kurmärkische Güter, für die Pfandbriefe beim Bürgschaftsverband beantragt wurden, landtagsfähige Rittergüter mit einem Mindestwert von 6.000 Talern sein, oder, wenn sie nicht landtagsfähig waren, einen Mindestwert von 20.000 Talern nachweisen. Vgl. Märkisches Kreditreglement, S. 21. 1845 waren in der Mark von 1878 Gütern, die diese Kriterien erfüllten, ein Viertel (486) assoziiert. Vgl. a.a.O., S. XII. Was möglicherweise daran gelegen hat, dass 1774 bereits „die meisten Güter“ zu mehr als zwei Drittel ihres Wertes verschuldet gewesen waren. Siehe BLHA, Rep. 23A Kurmärkische Stände, C. 2916, Bl. 35f.

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Besitzer von Familiengütern dafür, das agnatische Vorkaufsrecht an die Pflicht zur Übernahme der gesetzlichen und der sonstigen konsentierten Schulden zu knüpfen, selbst wenn das Meistgebot niedriger liegen würde.55 Die beiden Entwürfe des Ministeriums von 1841 und von 1847 knüpften das Recht der Agnaten, das Vorkaufsrecht wahrzunehmen, lediglich an die Übernahme des Höchstgebots, selbst wenn dieses nicht alle gesetzlichen und sonstigen konsentierten Schulden abdeckte.56 Auch diese Konzeption verwies den Gläubiger persönlicher Schulden an das individuelle Vermögen des Schuldners. Dies wurde expressis verbis mit der politischen Vorgabe begründet, dem Adelsschutz zu dienen, und mit dem juristischen Argument gerechtfertigt, dass ein Versteigerungsverfahren kein Rechtsverhältnis zwischen Bieter und Gläubiger konstituiere.57 Während die zahlreichen ritterschaftlichen Entwürfe zur Reform der Eigentumsordnung von 1718/23 vor allem darauf abgezielt hatten, die familialen Ansprüche ans Gut und damit dessen Belastungen zu verringern, schränkten die nach den Preußischen Reformen formulierten Entwürfe zum provinzialen Lehnrecht vor allem die agnatischen Mitwirkungsrechte ein, um die familiale und die wirtschaftliche Dispositionsfreiheit des Besitzers zu erhöhen. Weder die „debita per se feudalia“, noch die subsidiarischen Schulden, oder Kredite zur Finanzierung von wertverbessernden Investitionen sollten künftig den agnatischen Konsens voraussetzen. Mit der geplanten Einschränkung des agnatischen Konsenses sollte der Eintritt in den Bürgschaftsverband erleichtert werden. Die Agnaten sollten zwar ihre privilegierten Vorkaufsrechte behalten, sie hätten diese Rechte in Zukunft jedoch mit der Deszendenz des Besitzers teilen müssen. Die Vermehrung der Dispositionsrechte des Besitzers, einschließlich des Rechtes, einen landwirtschaftlich qualifizierten Nachkommen seiner Wahl zum Nachfolger zu bestimmen, sollte den Besitzern eines Familiengutes die Möglichkeit geben, dem familial bedingten Rentabilitätsdruck zu widerstehen. Diese neue Dispositionsfreiheit des Besitzers sollte auch die Verschränkung der beiden 55

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Beratungskommission – 1837, S. 37f. und Rep. 84 II 5 M Nr. 4. Vol. 14, Fasz. 4. Über einen Strohmann hätte ein Agnat das Gut dennoch, eventuell günstiger, in jedem Fall aber als allodiales erwerben können und die Gläubiger persönlicher Schulden hätten sich dann nur an das individuelle Vermögen oder den Nachlass des verschuldeten Vorbesitzers halten können. Siehe § 49 des Entwurfs von 1841, in: Revidirter Entwurf des Provinzial-Rechts der Mark Brandenburg. Zweiter Theil. Lehn-Recht, Berlin 1841, S. 16 und § 13 des Entwurfs von 1847, in: Rep. 84 II 5 M Nr. 4, Vol. 14, Fasz. 8. Die altmärkische „Rechtswohltat“, dass die Agnaten das Gut zum Tax-Wert übernehmen konnten, sofern sich sein Wert nicht geändert hatte (beneficium taxae), wurde in allen Entwürfen seit 1796 beibehalten. Motive – 1841, S. 41f.

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Qualitäten des Rittergutes aufrechterhalten, Wirtschaftsgut des Besitzers und Rentengut der Familie zu sein. Solange die alte – vom Adel formulierte – Eigentumsordnung rechtskräftig war, solange blieb der materielle Konflikt zwischen „der“ Familie und ihren einzelnen Angehörigen bestehen. Die 1767 und 1771 verordnete Obergrenze der hypothekarischen Verschuldung auf den halben,58 wie die Festsetzung des Mindestgebots bei Zwangsversteigerungen von Familiengütern auf zwei Drittel ihres Wertes59 hatten diesen Widerspruch nicht lösen können. Denn die Nachkommen hatten gesetzliche Ansprüche an das Gut. Diese durch persönliche Kredite zu finanzieren war dem, der das Gut übernahm, ebenso wenig verwehrt, wie dem Gläubiger das Recht, sich an das Gesamtvermögen des Schuldners zu halten. Dass die Kreditfinanzierung durch die Pfandbriefe der Bürgschaftsverbände den unmittelbaren Zugriff der Pfandbriefinhaber auf das Gut ausschloss,60 verhinderte nicht, dass Gläubiger anderer Schuldtitel mit der Einforderung ihrer Kredite den Konkurs über das Gesamtvermögen des Gutsbesitzers und damit über das Familiengut herbeiführen konnten. Parallel zu den Versuchen, die Eigentumsordnung der Familiengüter von 1718/23 zu revidieren, auch um die Kreditvermittlung durch den Bürgschaftsverband zu erleichtern, diskutierten die Ministerien darüber, wie die gesamthänderisch besessenen Familiengüter durch die Umwandlung in Familien-Fideikommisse vor den genealogisch vermittelten Teilungs- und Abfindungsansprüchen geschützt werden könnten.61 Nach wie vor durfte ein adliges Familiengut nur unter der Bedingung in ein Familien-Fideikommiss umgewandelt werden, dass zuvor die gesamthänderische Eigen58

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Vgl. die Kabinettsordre vom 5. Mai 1767 an den Großkanzler v. Carmer, die er, trotz der Einwände und Proteste der ritterschaftlichen Deputierten, den Obergerichten in leicht variierter Form als ministerielle Verordnung mitteilte, in: GStA PK, Rep.22, Nr. 1, Ritterschaft, Fasz. 1. Verordnung, dass die Justiz-Collegia die Adelichen Güter, welche wegen Schulden zum gerichtlichen Verkauf kommen, anetzo nicht unter zwey Drittheil der Taxe adjudiciren, sondern bis sich solche Käufer dazu finden, den Creditoren selbst, zum Genuss in Besitz geben, und dadurch zugleich die Deterioration der Güter evitiren sollen. De Dato Berlin, den 10ten July 1771, in: NCC, 5a, 1771, Sp. 267f. und GStA PK, Rep. 22, Nr. 1, Ritterschaft, Fasz. 2. Vgl. GStA PK, Rep. 87b, Nr. 11399. Vgl. GStA PK, Rep. 90, Nr. 2363 und: Ueber Fideicommisse, in besonderer Beziehung auf die Kur- und Neumark und die Art und Weise, in welcher das Kurund Neumärkische Creditwerk für dieselben benutzt werden kann. Im Auftrag des Hochwohllöblichen Engeren Ausschusses der Kur- und Neumärkischen Ritterschaft ausgearbeitet von C. von Voß, Wirkl. Geh. Ober-Justizrath und Haupt-Ritterschafts-Direktor, Berlin 1841.

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tumsbindung aufgehoben worden war.62 In der Kurmark setzte dies einen einstimmigen Beschluss aller lehnsfähigen Agnaten voraus, der meist ohne materielle Kompensationen nicht gefasst werden konnte. Weil das verbleibende Gut den gesetzlichen jährlichen Mindestertrag von 2.500 Talern hätte aufweisen müssen,63 wären viele Familien an dieser materiellen Hürde gescheitert. Gegen das Fideikommiss sprach außerdem die männliche Singularsukzession, der die Tradition der Realteilung entgegenstand. Auch hätte die Singularsukzession in vielen Familien die materielle Schere zwischen dem angesessenen und dem landlosen Adel vergrößert, dessen „Überhandnehmen […] zu den unerwünschten Erscheinungen“ gerechnet wurde.64 Das Gesetz zur „Errichtung von Familienschlüssen“ vom 15. Februar 1840 sollte das innerfamiliale Prozedere zur Auflösung und Umwidmung der Eigentumsbindung bei „Familien-Fideikommissen, Familienstiften und Lehnen“ ebenso erleichtern, wie bei bestimmten wirtschaftlichen Dispositionen, die die Eigentumsbindung nicht in Frage stellten.65 Für die entsprechenden Familienschlüsse würde zukünftig allerdings nur dort der Konsens zweier Agnaten genügen,66 wo die gültigen Provinzialrechte dem nicht entgegenstünden.67 Der Verweis auf die Provinzialrechte reagierte auf jüngere Urteile des Kammergerichts. Abweichend von seiner älteren Spruchpraxis hatte das Kammergericht neuerdings bei jeder Disposition des Besitzers, die die Substanz des Gutes betraf, den Konsens aller Agnaten verlangt,68 statt nur den Konsens derer, die im Hypothekenbuch eingetragen waren, wie es im Edikt vom 4. August 176369 und nachfolgend im ALR gemeinrechtlich vorgeschrieben worden war.70 Die 62 63 64 65 66 67

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BLHA, Rep. 23A, Ritterschaftliche Hypothekendirektiones, Nr. 172, Bl. 27–62 und Bl. 316–375. Siehe ALR, II. Teil, 4. Titel, § 51. Vgl. GStA PK, Rep. 100, Nr. 3786, Bl. 25f. Vgl. Gesetz-Sammlung, 1840, S. 3–6. Siehe hierzu auch das 8. Kapitel. Vgl. § 16 und § 17, in Gesetz-Sammlung, 1840, S. 23 mit Verweis auf ALR, II. Teil, 4. Titel, § 87 und § 88. „Die Vorschriften dieses Gesetzes kommen dagegen nicht zur Anwendung, wenn Provinzialrechte, Stiftungs- oder Verleihungs-Urkunden oder Beschlüsse der berechtigten Familien ein Anderes bestimmen.“ Siehe § 24, in Gesetz-Sammlung, 1840, S. 24f. Vgl. Verhandlungen des achten Provinzial-Landtages der Mark Brandenburg und des Markgrafenthums Niederlausitz, Berlin 1844, S. 8f. Edikt wegen der Gesamt-Händer und des Successions-Rechts, vom 4. August 1763, in: NCC, Band 3, 1763, Sp. 255–264, hier Sp. 257 und Kamptz, Sammlung, 2. Abteilung, S. 712–721, hier S. 716. Vgl. Schreiben von Karl Albert v. Kamptz vom 12. November 1841 und Motive zur Deklaration, betreffend der Nothwendigkeit des Konsenses der Agnaten zur

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jüngere Spruchpraxis des Kammergerichts zwang nunmehr den Besitzer eines Familiengutes bei freiwilligen Flurbereinigungen,71 aber auch für die Beleihung des Gutes mit Pfandbriefen, den Konsens aller Agnaten einzuholen, also auch derjenigen, die nicht eingetragen waren, was bei den alten und weitverzweigten Geschlechtern umständlich, wenn nicht unmöglich war. Die Direktion des Kur- und Neumärkischen Ritterschaftlichen KreditInstituts wies darauf hin, dass die neue Spruchpraxis des Kammergerichtes die Besitzer märkischer Familiengüter daran hindere, Pfandbriefe für ihre Güter zu erwerben oder – wenn die Pfandbriefe Lehnstämme repräsentierten – die Pfandbriefe von derjenigen Bank beleihen zu lassen, die einen höheren Zinssatz zahlte. Auch bestünde die Gefahr, dass die nicht eingetragenen Agnaten ältere Konsense anfechten könnten, was den Bürgschaftsverband insgesamt, aber auch den beliehenen Familienbesitz, gefährden würde.72 Um diese Schwierigkeiten zu beheben, ohne in die laufenden Verhandlungen zur Kodifikation des märkischen Provinzialrechts einzugreifen, noch das Gesetz vom 15. Februar 1840 revidieren zu müssen, wurde im November 1843 eine Ausführungsbestimmung zur kurmärkischen Eigentumsordnung von 1723 erlassen, die die provinzialrechtlichen Bedenken des Kammergerichts ausräumen sollte. Diese „Deklaration“ bezog sich jedoch nur auf die §§ 4 und 6 der Eigentumsordnung von 1723 und verfügte, dass bei einem Notverkauf oder einer hypothekarischen Verschuldung, nicht mehr – wie 1723 verordnet – alle Agnaten, sondern nur die hypothekarisch eingetragenen zustimmen müssten.73 Dadurch waren die ehemals zur Mark Brandenburg gehörenden Regionen der Provinz jedoch nur für diese beiden Arten der Disposition in den vorhergehenden Rechtszustand versetzt worden. Damit der Besitzer auch bei denjenigen Dispositionen, die in der Eigentumsordnung von 1723 unerwähnt geblieben, aber

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Verpfändung der Substanz eines Lehngutes in der Altmark, Priegnitz, Mittel- und Uckermark, sowie im Beeskowschen und Storkowschen Kreise, in: GStA PK, Rep. 90, Nr. 1580. Das Gesetz über den erleichterten Austausch einzelner Parzelen von Grundstükken, vom 13. April 1841, galt nicht für Güter, die „in einem Lehen- oder Fideikommiß-Verbande“ standen. Vgl. Gesetz-Sammlung, 1841, S. 79–80, hier S. 80. Vgl. Motive zur Deklaration betreffend die Nothwendigkeit des Konsenses der Agnaten zur Verpfändung der Substanz eines Lehngutes in der Altmark, Priegnitz, Mittel- und Uckermark, sowie im Beeskowschen und Storkowschen Kreise, in: BLHA Rep. 54, Nr. 19, Bl. 5. Vgl. Deklaration, betreffend die Notwendigkeit des Konsenses der Agnaten zur Verpfändung der Substanz eines Lehngutes in der Altmark, Priegnitz, Mittel- und Uckermark, sowie in den Kreisen Beeskow und Storkow, vom 5. November 1843, in Gesetz-Sammlung, 1843, S. 339.

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im Gesetz vom 15. Februar 1840 genannt waren,74 nicht weiterhin der vom Kammergericht geforderten – provinzialrechtlichen – Konsenspflicht aller Agnaten unterliegen würde, hatte der 8. Provinziallandtag von 1843 in einer Petition dafür plädiert,75 auch die übrigen, im Gesetz vom 15. Februar 1840 vorgesehenen Dispositionen an die Zustimmung nur der im Hypothekenbuch eingetragenen Agnaten zu binden.76 Der Gesetzgeber aber nahm diese Petition nicht als Richtschnur für seinen Entwurf einer legislatorischen Umsetzung, sondern bereitete eine neue Verordnung vor, deren Verabschiedung jedoch lange auf sich warten ließ. Grund für diese Verzögerung war, dass der entsprechende Entwurf des Staatsministeriums die für Fideikommisse gültigen Regeln unreflektiert auf die gesamthänderisch besessenen märkischen Familiengüter übertragen hatte. Danach sollte für diejenigen Dispositionen, die im Gesetz vom 15. Februar 1840 genannt waren, der Konsens zweier „Anwarter“ genügen.78 Durch die Singularsukzession bei Fideikommissen war die Reihenfolge der Anwärter fest umrissen. Eine vergleichbare genealogische Hierarchie für die personenbezogenen Anwartschaften gab es bei den gesamthänderisch besessenen märkischen Lehen jedoch nicht. Hier hatten die lehnsfähigen Deszendenten jedes einzelnen Verwandtschaftsgrades gleichberechtigte Anwartschaften. Welche zwei Anwärter aber hätten mit74

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Die Eingrenzung des Kreises derer, die an einem Konsensverfahren teilzunehmen hatten, betrafen Verfügungen „in Folge einer Rechtsverbindlichkeit“, den Umtausch „einzelner Gutsparzellen oder Pertinenzien gegen andere“ in derselben oder einer angrenzenden „Feldmark“ oder die Veräußerung zwecks kompensatorischen Erwerbs; vergleichbares sollte auch für Transaktionen von „Kapitalien“ gelten, die eigentumsrechtlich gebunden waren. Vgl. § 15, in: Gesetz-Sammlung, 1840, S. 22f. Nachdem er dem Regierungsentwurf zur Deklaration der Eigentumsordnung von 1723 zugestimmt hatte. Siehe Verhandlungen des achten Provinzial-Landtages der Mark Brandenburg und des Markgrafenthums Niederlausitz, Berlin 1844, S. 184f., vgl. auch Schreiben des Landtagskommissars v. Meding an das Staatsministerium vom 9. Mai 1843, in GStA PK, Rep. 90, Nr. 1580. Zuvor hatte der Landtag darum gebeten, der Deklaration rückwirkende Geltung zu verschaffen. Siehe Verhandlungen des achten Provinzial-Landtages der Mark Brandenburg und des Markgrafenthums Niederlausitz, Berlin 1844, S. 22f. Vgl. den Entwurf des Staatsministeriums zu einer „Verordnung betreffend die Erleichterung gewisser Dispositionen über kurmärkische Lehen“, in: GStA PK, Rep. 90, Nr. 1576. Die Verordnung und die Motive sind auch in den – nicht paginierten – Beilagen zu den Verhandlungen des neunten Provinzial-Landtages der Mark Brandenburg und des Markgrafenthums Niederlausitz, Berlin 1846, publiziert. Vgl. den Entwurf einer „Verordnung, betreffend die Erleichterung gewisser Dispositionen über kurmärkische Lehn“, in: GStA PK, Rep. 90, Nr. 1576.

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bestimmen können, wenn es im ersten Grad mehr als zwei Anwärter gab oder nur einen und im nächsten Verwandtschaft mehr als einen? Der Vorbereitungsausschuss für den 9. Provinziallandtag von 1845 erkannte dieses Problem und schlug vor: „Die nächsten Agnaten gleichen Grades müssten bei Abschließung solcher Vergleiche sämmtlich zugezogen werden, da ihr Interesse das stärkste ist. Wäre aber aus diesem Grade nur Einer vorhanden, so müsste aus dem dann zunächst zur Succession berechtigten Grade noch ein zweiter adhibiert werden.“ Es sollte der älteste, in der Provinz ansässige Agnat des nächsten Grades sein.79 Für diesen Vorschlag plädierte nur eine Minderheit von 24 Abgeordneten. 39 votierten dafür, den Konsens nicht an die Zustimmung sämtlicher Agnaten des ersten Grades zu binden sondern nur an den die beiden ältesten in der Provinz anwesenden „Anwärter“80 des ersten Grades; falls es nur einen geben würde, müsste der älteste in der Provinz anwesende Agnat des folgenden Grades hinzugezogen werden.81 Da keiner der beiden Anträge die vorgeschriebene Majorität von zwei Drittel der Abgeordneten erhalten hatte, stufte sie Friedrich Wilhelm IV. als bloße „Bemerkungen“ des Landtages ein, die „bei der schließlichen Berathung […] in Erwägung gezogen […] und die zulässige Berücksichtigung finden“ würden.82 Zu beiden Anträgen wurden anschließend Gutachten für das Staatsministerium verfasst und 1846 ein neuer Entwurf fertiggestellt, der jedoch bis 1848 nicht mehr verabschiedet wurde.83 Erst 1851 wurden die Vorbereitungen für ein Gesetz zur Erleichterung der Dispositionen über kurmärkisches Familieneigentum fortgesetzt. 79

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Siehe Gutachten des Isten vorbereitenden Ausschusses [des] 9ten Provinzial-Landtages der Mark Brandenburg und des Margrafenthums Niederlausitz über den Entwurf einer Verordnung, betreffend die Erleichterung gewisser Dispositionen über Kurmärkische Lehne, S. 4, in: BLHA Rep. 54, Nr. 18. Der Begriff „Anwärter“ statt Agnat wurde offensichtlich gewählt, um die Mitbelehnten in den Entwurf einzubeziehen. Derjenige, der längere Zeit abwesend sein würde, sollte einen Bevollmächtigten ernennen. Vgl. Verhandlungen des neunten Provinzial-Landtages der Mark Brandenburg und des Markgrafenthums Niederlausitz eröffnet zu Berlin am 9. Februar 1845, geschlossen daselbst am 19. April 1845, Berlin 1846, S. 295. Dort auch das Votum, bei welchen Dispositionen ein Schiedsgericht angerufen werden konnte, wenn ein Konsens nicht zustande kam. Vgl. Anhang zu den Verhandlungen des neunten Provinzial-Landtages der Mark Brandenburg und des Markgrafenthums Niederlausitz […], Berlin 1846. Siehe Gutachten des Isten vorbereitenden Ausschusses [des] 9ten Provinzial-Landtages der Mark Brandenburg und des Margrafenthums Niederlausitz über den Entwurf einer Verordnung, betreffend die Erleichterung gewisser Dispositionen über Kurmärkische Lehne, S. 4, in: BLHA Rep. 54, Nr. 18.

8 Die Reformkonzepte des pommerschen Provinziallandtages und die Konferenz der Familienvertreter

Noch während die Behörden den ständischen Entwurf „zu einer neuen Hinterpommerschen Ritterschafts-Konstitution“ von 0 überarbeiteten, begannen 80 die von Friedrich II. initiierten Vorbereitungen zur Reform der allgemeinen und der provinzialen Gesetze, zu denen auch die Lehnrechte gehörten. Der Regierungspräsident Hinterpommerns, v. Massow, übermittelte 9 dem Großkanzler v. Carmer den ersten Entwurf zum Provinzial-Lehnrecht. Der Entwurf wurde zurückgewiesen, weil der Autor die Vorgabe ignoriert hatte, sich an der Tektonik des ALR zu orientieren, weil er zusätzlich ein provinziales Adelsrecht in das Lehnrecht integriert hatte, und weil sein Entwurf obendrein den monströsen Umfang von . Paragraphen aufwies. Die nächste Phase der Vorbereitung der Pommerschen Provinzialrechte, einschließlich des Lehnrechts, begann 98. Das Justizministerium prüfte den Entwurf der Pommerschen Regierung und schickte ihn mit Anmerkungen zurück. Die Pommersche Regierung legte den von ihr überarbeiteten Entwurf anschließend der Kriegs- und Domänenkammer einerseits, und den Vertretern der Kreise und Städte andererseits zur Begutachtung vor. 80 begannen die Konferenzen zwischen den Beauftragten der Pommerschen Regierung und Vertretern der Landstände. Der von den Landständen überarbeitete Entwurf des Provinzialrechts wurde anschließend von der Pommerschen Regierung redigiert. Der lehnrechtliche Teil dieser überarbeiteten Fassung beschränkte sich auf die Abweichungen des  

Vgl. GStA PK, Rep. 9, Nachlass Riedel, Nr. 9. Vgl. Krause, Provinzialgesetzgebung, in: Kamptz, Jahrbücher, Bd. 8, 8, S. 99–0, hier S. –. Für Hinterpommern nahmen fünf und für Vorpommern ein Vertreter an diesen Konferenzen teil. Die Städte Hinterpommerns entsandten keine Vertreter. Vgl. a.a.O., S. . Wie diese Vertreter delegiert wurden, konnte nicht ermittelt werden. Wahrscheinlich hatten sie ihre Legitimation durch die jeweilige „Landstube“ von Hinter- resp. von (Alt-)Vorpommern erhalten, die die früheren Landtage abgelöst hatten.

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Provinziallandtag und Konferenz der Familienvertreter

Pommerschen Lehnrechts vom allgemeinen und war auf  Paragraphen reduziert worden. 80 unterbrach der Krieg die abschließenden Beratungen in den Ministerien. Auch in Pommern erforderten die Preußischen Reformen eine Überarbeitung des Entwurfs zum Provinzialrecht, einschließlich des Lehnrechts. Schon wenige Monate nach dem Oktoberedikt legten im März 808 adlige Rittergutsbesitzer aus Hinterpommern in Berlin eine Petition vor, in der sie um die Aufhebung der eigentumsrechtlichen Bindung der Familiengüter baten. Deputierte der pommerschen Rittergutsbesitzer forderten 8 in der Notablenversammlung und 8 in der interimistischen Nationalversammlung die Abschaffung der adligen Eigentumsrechte und die Auflösung der Familien-Fideikommisse, was einzelne Rittergutsbesitzer und mitunter ganze Kreise nicht davon abhielt, in dieser Zeit, aber auch später, separate Petitionen mit gleicher Zielrichtung einzureichen. Im Februar 1812 bat der Rittergutsbesitzer v. Bilfinger aus Hinterpommern, die Preußischen Reformen zu vollenden und das „Lehnssystem“, das „Produkt der grauen Vorzeit“, „dieses letzte Überbleibsel der Feudal-Aristokratie“ abzuschaffen. Da die meisten Rittergutsbesitzer nicht in der Lage seien, die Rechtsansprüche der Agnaten abzulösen, müsse die entschädigungslose „Aufhebung“ der Lehnrechte „durch einen Machtspruch des Souveräns geschehen“. König und Ministerium jedoch waren nicht von ihrer Konzeption einer Gesetzrevision abzubringen. Ende März 808 hatte Staatsminister v. Schroetter den Auftrag erhalten, Gutachten aus den Provinzen anzufordern, um die provinzial je verschiedenen Bedingungen zur Aufhebung der adligen Eigentumsverfassung zu erkunden. Seine Antwort war ernüchternd: Ohne die Mitwirkung der Stände könnten entsprechende Regelungen nicht verabschiedet werden; in den noch besetzten Landesteilen aber könnten die Stände nicht zusammen

   

Das insofern kein provinziales, sondern nur ein regionales war, als der regionale Geltungsbereich der tradierten Lehnrechte sich nicht mit den Territorien der neuen Provinzen deckte. In der neu zugeschnittenen Provinz Pommern galt für die Altvor- und Hinterpommern jeweils ein anderes „Lehnrecht“, als für die ehemals zur Neumark gehörenden Teile der Provinz. Ähnlich war es in der Provinz Sachsen, wo sächsisches und altmärkisches Lehnrecht galten, das wiederum auch in Teilen der Provinz Brandenburg angewandt wurde. Vgl. Kamptz, Gesetz-Revision, hier S. . Siehe auch den Anfang des . Kapitels. Vgl. GStA PK, Rep. , R I, Nr. , Bl. , Bl. 9f. und Bl. 9f. Vgl. GStA PK, Rep. 8 II  P, Nr. , Vol 8, Fasz. , Bl. 8ff.; Rep.  H, Nr. . und Nr. ; Rep. 8a, Nr. 9, Bl. 9 und Bl. 0. Vgl. GStA PK, Rep. ,R I, Nr. , Bl. ff.

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gerufen werden.8 Daraufhin wurde v. Schroetter aufgefordert, statt dessen bei den zuständigen Gerichten der Provinzen Gutachten zur Aufhebung der adligen Eigentumsbindung einzuholen.9 Eineinhalb Jahre später wies das Justizministerium die Oberlandesgerichte an, die rechtlichen Veränderungen, die sich insbesondere durch das Oktoberedikt ergeben hätten, bei der Überarbeitung der provinzialen Entwürfe zu berücksichtigen.0 Im Januar 8 reichte das Oberlandesgericht Stettin beim Justizministerium eine aktualisierte Fassung des provinzialen Lehnrechts ein. Zwanzig Jahre später veröffentlichte der Stettiner Oberlandesgerichtsrat Wilhelm v. Zettwach einen historischen Abriss über die eigentumsrechtliche Bindung der Familiengüter des pommerschen Adels, dem 1835 sein offiziöser Entwurf zum Provinzialrecht für Altvor- und Hinterpommern folgte. An ihm orientierte sich die Kommission, die ein Jahr zuvor zur Ausarbeitung eines offiziellen Entwurfs konstituiert worden war. Ihr gehörten Justizbeamte an, die der konservative Justizminister v. Kamptz ernannt hatte, sowie provinzialständische Vertreter, die vom . Provinziallandtag Pommerns gewählt worden waren. 8 veröffentlichte diese Königliche Kommission ihren Entwurf und die ihn ergänzenden „Motive“, die der . Provinziallandtag 8 beriet. 8 9 0  





 

GStA PK, Rep. 89, Nr. 0090, Bl. 0f. A.a.O., Bl. f. Vgl. Kamptz, Gesetz-Revision, S. 8. Krause, Provinzialgesetzgebung, S. . [Wilhelm v.] Zettwach, Das Pommersche Lehnrecht nach seinen Abweichungen von den Grundsätzen des Preußischen Allgemeinen Landrechts, Leipzig 8, (künftig zitiert: Zettwach, Das pommersche Lehnrecht – 8). Vgl. [Wilhelm v. Zettwach], Das Provinzial-Recht des Herzogthums Alt-Vor- und Hinter-Pommern nach Ordnung des Allgemeinen Landrechts dargestellt. Aus amtlichen Quellen bearbeitet, Stettin 8, (künftig zitiert: Zettwach, Provinzialrecht – 8). Der sechsteilige Entwurf für Neu-Vorpommern und Rügen wurde 8 und 8 vorgelegt. Vgl. Das Provinzial-Recht des Herzogthums Neu-Vorpommern und des Fürstenthums Rügen, sechs Teile, Greifswald 8 und 8. Zu dem umständlichen und durch die politischen Konjunkturen mehrfach neu angesetzten Verfahren zur Revision des Allgemeinen Landrechts und der Kodifizierung der Provinzialrechte siehe Kamptz, Gesetz-Revision, S. V–XVIII und S. –8. Karl Christoph Albert Heinrich v. Kamptz amtierte zwischen 8 und 8 als Justizminister für die Revision der Gesetzgebung. Sein Nachfolger war bis 88 Friedrich Carl v. Savigny. Vgl. GStA PK, Rep. 8 II  P, Nr. , Vol. , Fasz. , Bl. 8f. Revidirter Entwurf des Provinzial-Rechts des Herzogthums Alt-Vor- und Hinterpommern. Nach Ordnung des Allgemeinen Landrechts, Berlin 8, (künftig zitiert: Revidierter Entwurf – 8) und Motive zum revidirten Entwurfe des Provinzial-Rechts des Herzogthums Alt-Vor- und Hinterpommerns, Berlin 8, (künftig

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Provinziallandtag und Konferenz der Familienvertreter

Zum Zeitpunkt der Kodifizierung des provinzialen Lehnrechts war das Eigentumsrecht des pommerschen Adels dreigeteilt. Lehnrechtlich bzw. eigentumsrechtlich waren nur die Regionen Altvorpommern und Hinterpommern relevant: In Hinterpommern war das Lehnrecht 8 in Privatrecht umgewandelt worden, während das klassische lehnsherrlich-vasallitische Verhältnis in Altvorpommern formal noch bis 80 galt. Dagegen waren im Herzogtum Neuvorpommern und dem Fürstentum Rügen, die seit dem Wiener Kongress zur Preußischen Monarchie gehörten, die lehnsherrlich-vasallitischen Verhältnisse bereits 80/ – noch unter schwedischer Herrschaft – beendet und zur Auflösung der familialen Besitzbindung Abfindungsquoten und verbindliche Termine vorgeschrieben worden.8 Der Kommissionsentwurf von 8 wollte die männlichen Erbansprüche an das Familiengut in Hinterpommern zugunsten der Schwestern auf das vorpommersche Niveau senken und somit in beiden Landesteilen angleichen.9 Der Wert der Güter wäre in Zukunft nach den Kriterien der Hy-



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zitiert: Motive – 8). Sie orientierten sich an der Vorarbeit von Wilhelm v. Zettwach, Oberlandesgerichtsrat in Stettin. Vgl. Zettwach, Provinzialrecht – 8. Vgl. Das Gesetz über die Ablösung der Reallasten und die Regelung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse vom . März 80, in: Gesetz-Sammlung, 80, S. –, hier § , Absatz , S. 9f. Vgl. die Anordnungen des Königs von Schweden an die Regierung des Herzogtums Pommern und des Fürstentums Rügen vom . Oktober 80, in: GStA PK, Rep. , Tit. 89, Nr.  und Kamptz, Jahrbücher, Bd. , 80, S. –. Die Verordnungen wurden am 8. Februar 8 in Neuvorpommern veröffentlicht (a.a.O., S. 358). Die Höhe der Abfindungsansprüche der Agnaten richtete sich nach dem Alter des jeweiligen Besitzers, sowie dem Alter und der Anzahl seiner Nachkömmlinge und betrug zwischen % und 0% des schuldenfreien Wertes des Lehnguts. Die nächsten Agnaten wurden mit Bargeld abgefunden, für die Ansprüche der entfernten wurde ein Geldfideikommiss gestiftet, in das nach der alten Sukzessionsordnung sukzediert wurde. Im „Patent wegen Besitzergreifung des mit der Preußischen Monarchie vereinigten Herzogthums Pommern und Fürstenthums Pommern“ vom 9. September 8 wurde die Beibehaltung bestehenden Eigentums garantiert. Vgl. Gesetz-Sammlung, 8–8, S. 0–0. Vgl. Revidierter Entwurf – 8, S. , § 0 und Motive – 8, S. f. Nach Abzug der Familienschulden erhielt in Hinterpommern bisher jede Tochter im Verhältnis zu jedem Bruder ein Drittel von dessen Anteil aus dem Lehnsnachlass ihres Vaters, in Vorpommern die Hälfte. Vgl. Zettwach, Das pommersche Lehnrecht – 8, S. –8. Beibehalten werden sollte die Regelung über die „Erbtöchter“ in (Alt-)Vorpommern, wonach die ehelichen Töchter des letzten Besitzers das Lehn übernehmen konnten, wenn es keine (männlichen) Gesamthänder mehr gab. Das Gut blieb der eigentumsrechtlichen Bindung unterworfen, wenn die Töchter sukzessionsfähige männliche Nachkommen mit einem sukzessionsfähigen Ehemann hatten. Vgl. Revidierter Entwurf – 8, S. 9, §§ 8–8 und Verhandlungen des sechsten Pommerschen Provinzial-Landtages über das Provinzial- Lehnrecht

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pothekengenossenschaft für Rittergutsbesitzer zu bestimmen gewesen.0 Gleichberechtigte Söhne oder Agnaten hätten nach wie vor das Familiengut „in Natur“ teilen können. Die Abfindungen derer, die ihren Anteil am Gut nicht real übernehmen würden, könnten einvernehmlich zu individuellem Eigentum erklärt werden oder gebundenes bleiben. Der Anspruch der Schwestern sollte durch eine unstandesgemäße Ehe oder außereheliche Mutterschaft nicht mehr geschmälert werden oder sogar ganz entfallen. Unverheiratete Schwestern sollten die Wahl haben, entweder im väterlichen Gut wohnen zu bleiben und Alimente zu erhalten, oder für anderswo die Mietkosten sowie jährlich 4% Zinsen aus ihrer Lehnsabfindung ausbezahlt zu bekommen. Die Erbansprüche der Eheleute an dem individuellen Vermögen ihres jeweiligen Partners sollten in Zukunft nach dem ALR geregelt und nicht

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des Herzogthums Altvor- und Hinterpommern [8], Als Manuskript gedruckt, Berlin 89, künftig zitiert: Landtagsverhandlungen – 8, S. 0. Vgl. Revidierter Entwurf – 8, S. 0, § 90 und Landtagsverhandlungen – 1837, S. 93. Die unterschiedlichen Quoten für die Abfindungsansprüche der Brüder und die Aussteuerungsansprüche der Schwestern sollten sich nicht mehr auf unterschiedliche Ausgangswerte beziehen. Beide sollten gleichermaßen aus dem .-fachen Jahresertrag des schuldenfreien Teils des Gutes berechnet werden. Vgl. Revidierter Entwurf – 8, S. 0, § 90 und § 9 und Landtagsverhandlungen – 8, S. 9. Vgl. Revidierter Entwurf – 8, S. 0f., §§ 89, 9 und 9, sowie Landtagsverhandlungen – 8, S. 0. Motive – 8, S. 0f. Revidierter Entwurf – 8, S. f., §§ 0, 0 und 0, sowie Motive – 8, S. 68 und S. 71f. Diese Wahlmöglichkeit und die Vorschrift, dass die Lehnsabfindung einer unverheiratet verstorbenen Schwester – wie bisher – mit dem väterlichen Gut konsolidiert werden sollte, wünschte der Landtag in zweifacher Weise zu modifizieren: Würde die Schwester auf dem väterlichen Gut wohnen bleiben, würde ihr – nicht ausgezahlter – Anspruch dem Gut zugeschrieben werden. Hätte die Schwester jedoch ihren Wohnsitz anderswo genommen und die Kosten für die Miete sowie jährlich jene 4% Zinsen aus ihrer Abfindung erhalten, sollte der Abfindungsanspruch nach ihrem Tod nicht dem Besitzer zufallen, sondern der früheren Erbmasse des Gutes wieder zugerechnet und in der gleichen Weise verteilt werden, wie zuvor die Ansprüche der übrigen Erben. (Landtagsverhandlungen – 8, S. 0f. S. .) Der Wert der Schmuck- und Hochzeitsgelder wurde auf % der Abfindungssumme beschränkt. (Vgl. Revidierter Entwurf – 1836, S. 42, § 204) Zusätzlich sollten „die Lehnfolger verpflichtet“ werden, den Töchtern/Schwestern, die „aus dem Lehne keine Abfindung erhalten“ und „auch sonst kein Vermögen“ besitzen würden, in „Ermangelung von Verwandten, welchen gesetzlich die Verbindlichkeit zu ihrer Erhaltung obliegt“, den „nothdürftigen Unterhalt zu gewähren und nach ihrem Tode die Kosten des Begräbnisses aus dem Lehne zu verabreichen“. Vgl. Revidierter Entwurf – 8, S. , § .

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Provinziallandtag und Konferenz der Familienvertreter

wie bisher mit dem Familiengut verknüpft werden. Die Morgengabe, sofern sie versprochen war, sollte 0% des Eingebrachten der Frau nicht überschreiten und sollte nur dann aus dem individuellen Nachlass des Mannes gezahlt werden, wenn es aus dem Familiengut nicht zu finanzieren wäre. Der Abfindungsanspruch der Witwe ans Familiengut hätte – unabhängig von der Höhe ihres Eingebrachten – der Abfindung einer Tochter zu entsprechen, also eventuell geringer ausfallen können als früher. Hatte die Frau kein Vermögen in die Ehe eingebracht, erhielte sie als Witwe statt der Morgengabe Alimente. Gab es auf dem Gut des Mannes eine standesgemäße Wohnung für die Witwe, sollte sie dort wohnen bleiben dürfen. Wollte sie dies nicht oder gab es keine solche Wohnung, würde sie für anderswo die Miete verlangen können. Die Wahlmöglichkeit der Witwe, ihren Lebensunterhalt durch ein „Leibgeding“ zu bestreiten, ein ihr zur Bewirtschaftung und Verwaltung auf Lebenszeit übergebenes Gut, wurde ersatzlos gestrichen, da „weit über Menschengedenken hinaus ein Leibgeding dieser Art gar nicht bestellt worden“ war, und „die Bodenkultur eben kein Gewinn davon erwarten darf“.8 In Zukunft sollte ein Teil des Familiengutes als „Lehnstamm“ konstituiert werden können, der der Dispositionsfreiheit des Besitzers und den Belastungen durch gesetzliche Familienschulden ebenso entzogen werden sollte, wie dem Zugriff der Gläubiger. Witwen und Töchter sollten so die Möglichkeit erhalten, für eine lebenslängliche Rente aus den Zinsen dieses Lehnstamms zu votieren, statt für den üblichen Abfindungsanspruch in Form individuellen Eigentums, welcher der Gefahr ausgesetzt war, bei einem Konkurs oder in einem erbschaftlichen Liquidationsprozess verloren zu gehen.9   

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Vgl. Motive – 8, S. f. und Landtagsverhandlungen – 8, S. f. Vgl. Revidierter Entwurf – 8, S. , §  und Landtagsverhandlungen – 8, S. . Vgl. Revidierter Entwurf – 8, S. f., §§ ff. und §  und Landtagsverhandlungen – 8, S. . Die Streichung des tradierten Rechts der Ehefrau, deren Mann keine lehnsfähigen Nachkommen hatte, zu Beginn ihrer Witwenschaft das Gut ein Jahr zu ihren Gunsten zu bewirtschaften, sollte geldlich kompensiert werden. Das Institut des „Gnadenjahrs“ galt der Gesetzkommission als „kulturschädigend“, auch weil wegen der saisonbedingten Ertragsschwankungen, trotz differenzierter Regelungen, Streitigkeiten nie auszuschließen waren. Vgl. Zettwach, Das pommersche Lehnrecht – 8, S. –, §§ –; Revidierter Entwurf – 8, S. f., §§ –; Motive – 8, S. ff. und Landtagsverhandlungen – 8, S. f. Vgl. Revidierter Entwurf – 8, S. , §§ 9– und Landtagsverhandlungen – 8, S. . Siehe Motive – 8, S. f. und Landtagsverhandlungen – 8, S. . Vgl. Revidierter Entwurf – 8, S. 9f., §§ –8; Landtagsverhandlungen – 8, S. 0 und Motive – 8, S. 8ff.

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Die traditionelle Dispositionsfreiheit des Besitzers über das Gut wurde insofern eingeschränkt, als der sogenannte „dringende Verkauf“, mit dem der Besitzer einem gerichtlichen Verkauf vorbeugen konnte, nicht mehr gestattet sein sollte. In Zukunft sollte es nur noch den freiwilligen oder den gerichtlich angeordneten Verkauf geben.0 Wie bisher würde der Besitzer eines Familiengutes dieses nach eigenem Belieben verschulden können, gleichgültig ob er sukzessionsfähige Nachkommen hatte oder nicht. Als sukzessionsfähig sollte nur derjenige männliche Nachkomme gelten, der nach der Eheschließung geboren worden war. Nach wie vor sollte der Besitzer – solange er einen sukzessionsfähigen Deszendenten hatte – das Familiengut wie individuelles Eigentum freiwillig verkaufen können, ohne hierfür den agnatischen Konsens einholen zu müssen. Die Rückforderungsrechte der Agnaten sowie die Rechte beim innerfamilialen Besitzübergang durch Kauf blieben unangetastet, einschließlich der genealogischen Segmentierung der Rechte aus der Zugehörigkeit zur Gesamten Hand. Das Prozedere einer solchen Transaktion war bereits 8 für pommersche Familien grundsätzlich revidiert und formalisiert worden. Um das Gespenst des unbekannten Agnaten innerfamilial zu bannen, konnte nunmehr jeder Agnat, der ein Familiengut von einem Agnaten kaufen wollte, oder dies schon getan hatte, die nächsten und näheren Agnaten gerichtlich aufrufen und verpflichten lassen, ihre Rechte am Gut wahrzunehmen oder für sich und ihre Nachkommen auf sie zu verzichten. Dieses Gesetz ging auf die Anregung der adligen Gläubigergenossenschaft Pommerns zurück, die Pfandbriefe erst dann ausstellen konnte, wenn diese Frage geklärt war. Einem fremden Käufer hatte diese Möglichkeit bereits länger zugestanden, jedoch nur gewohnheitsrechtlich. 0 

 

 



Motive – 8, S. 8. Das Gut haftete für die Schulden, die aus seiner Eigenschaft als Familiengut und anderen gesetzlich vorgeschriebenen Verbindlichkeiten stammten, aber auch für alle individuellen Schulden des Besitzers, wenn dieser ohne eigenes Vermögen war. Vgl. Revidierter Entwurf – 8, S. , §  und Motive – 8, S. f. Der Landtag schloss sich mit : Stimmen dem Entwurf an. Vgl. Landtagsverhandlungen – 8, S. 0ff. Revidierter Entwurf – 8, S. , § 0 und Landtagsverhandlungen – 8, S. 89. Das Familiengut blieb jedoch nach wie vor mit familial bedingten Abfindungs- und Aussteuerungsansprüchen belastet. Vgl. Revidierter Entwurf – 8, S. , §  und S. , § . Vgl. Das Gesetz vom 8. November 8 „das Aufgebot der Agnaten bei Veräußerung der Lehne in Pommern an Familienmitglieder betreffend“, in: Gesetz-Sammlung, 8, S. 0f. Vgl. das Gutachten der Abtheilungen des Königlichen Staatsraths für die Justiz und das Innere vom . September 8, in: GStA PK, Rep. 90, Nr.  und Rep. 80, Drucksachen, Nr. . Vgl. auch Rep. 8a, Nr. 9, Bl. 9f.

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Provinziallandtag und Konferenz der Familienvertreter

Der Verkauf an einen Fremden durch einen „unbeerbten“ Besitzer sollte ohne den Konsens der nächsten Agnaten weiterhin nichtig sein. Stimmten diese zu und war das Gut verkauft worden, behielten diejenigen Agnaten, die nicht am Konsens beteiligt worden waren, weiterhin das Vor- oder das Rückkaufsrecht.8 Durch einen freiwilligen Verkauf sollte der Besitzer weiterhin alle Vorrechte an dem verkauften Familiengut verlieren, wie auch diejenigen Agnaten, die der Veräußerung zugestimmt hatten. Dieser Verlust galt jeweils auch für ihre Deszendenz.9 Im Verlauf eines gerichtlich angeordneten Verkaufsverfahren sollte den Agnaten vor der Versteigerung die Gelegenheit gegeben werden, das Gut zum Taxwert zu übernehmen („beneficium taxae“).0 Zukünftig sollten bei einer Versteigerung wie bei allen anderen Transaktionen, in denen das „beneficium taxae“ in Anspruch genommen werden konnte, die Güter nach den Kriterien der adligen Gläubigergenossenschaft bewertet werden. Diese bewertete anders als die alte Lehn- bzw. Landtaxe das Gut nicht nach seinem aktuellen Ertragswert, sondern nach seinen wirtschaftlichen Möglichkeiten, der mal über, mal unter dem Wert der Landtaxe liegen konnte. Diejenigen Schulden des unbeerbten Besitzers jedoch, denen die Agnaten zugestimmt hatten, sollten bei der Berechnung des „beneficium taxae“ nicht berücksichtigt und mussten unabhängig von diesem Wert bedient werden. Bis hierhin folgte der Landtag dem Entwurf der Kommission. Um den Gläubigern und Kaufinteressenten – Familienangehörigen oder Fremden – vor jedweder Transaktion Einblick in die genealogisch vermittelten Rechtsverhältnisse zu geben, hatte der Kommissionsentwurf vorgesehen, dass die Agnaten verpflichtet werden sollten, sich ins Hypothekenbuch des Familiengutes eintragen zu lassen, statt wie bisher nur in das 

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Revidierter Entwurf – 8, S. , § 0. Der Landtag plädierte dafür, dass wenigstens einer der zustimmungspflichtigen Agnaten einen sukzessionsfähigen Nachkommen haben müsse. Vgl. Landtagsverhandlungen – 8, S. 8. Revidierter Entwurf – 8, S. , § 0 und Landtagsverhandlungen – 8, S. 8. Revidierter Entwurf – 8, S. f., §§ 0–09. Vgl. auch Zettwach, Das pommersche Lehnrecht – 8, S. 80, § 9 und Zettwach, Provinzialrecht – 8, S. , § 0. Revidierter Entwurf – 8, S. , § 0. A.a.O., S. 0, § 90, Motive – 8, S. f. und Landtagsverhandlungen – 8, S. 9. Vgl. Friedrich Freiherr Dijon von Monteton, Technische Erwägungen über die Abschätzungs-Grundsätze für den Kur- und Neumärkischen ritterschaftlichen CreditVerband, [Berlin 8], in: GStA PK, Rep. 8b, Nr. 99. Vgl. Revidierter Entwurf – 8, S. 9, §  und Landtagsverhandlungen – 8, S. 9.

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„Lehns- und Successionsregister“. Folglich sollten diejenigen Agnaten, die sich nicht ins Hypothekenbuch hatten eintragen lassen, mit dem „gänzlichen Verluste“ ihrer gesamthänderischen Rechte rechnen müssen.  Abgeordnete schlossen sich dem Vorschlag der Kommission an,  plädierten stattdessen für die Regelung des ALR, wonach derjenige, der sich nicht hatte eintragen lassen, nur die Verträge anerkennen musste, die in der Zeit abgeschlossen worden waren, in der er nicht eingetragen war. Da jene  Abgeordneten nicht zugleich auch eine Änderung der pommerschen Hypothekenordnung beantragten, wäre die Umsetzung ihres Vorschlags der Vernichtung der älteren agnatischen Eventualansprüche gleichgekommen. Denn in Pommern war es üblich, dass die Söhne des Besitzers sich erst nach dessen Tod ins Hypothekenbuch eintragen lassen konnten, so dass – nachdem die Erbschaft geregelt war – der übernehmende Sohn als Besitzer und seine Brüder als Mitbesitzer eingetragen wurden, nicht aber der agnatische Status der Brüdersöhne nach dem nächsten Erbfall. Deshalb waren aus dem Hypothekenbuch nur die genealogischen Abzweigungen ersichtlich, nicht aber Deszendenz der Seitenverwandten und die weiteren Verästelungen des Stammbaums. Diese wären nur dem provinzialen Lehns- und Sukzessionsregister zu entnehmen gewesen – wenn es denn akkurat geführt worden wäre. Auch in der Frage, welche Rechte den Agnaten bei einem gerichtlich angeordneten Verkauf zustehen sollten, lagen die Position der Kommission und die der Landtagsmehrheit weit auseinander. Unumstritten war das traditionelle Recht der Agnaten, ein Familiengut, das wegen der Zahlungsunfähigkeit des Besitzers vom Gericht zum Verkauf gestellt worden war, für den Preis übernehmen zu können, den die Lehntaxe auswies, die zukünftig nach den Kriterien der Gläubigergenossenschaft erstellt werden sollte. Umstritten war dagegen, ob, nachdem die Agnaten auf das „beneficium taxae“ verzichtet hätten, einem von ihnen in der anschließenden Versteigerung das Gut zugeschlagen werden könnte, wenn er – mittels des Vorkaufsrechts – das Höchstgebot übernehmen würde. 

 

Vgl. Revidierter Entwurf – 8, § 9, Motive – 8, S. –8 und Landtagsverhandlungen – 8, S. 80ff. Erst damit würde das bisherige Recht des Käufers wirksam abgesichert, die Agnaten gerichtlich auffordern zu lassen, ihre Vorrechte wahrzunehmen oder für diese Veräußerung auf sie zu verzichten. Vgl. Zettwach, Das pommersche Lehnrecht – 8, S. 8, § , Zettwach, Provinzialrecht – 8, § 0, Revidierter Entwurf – 8, § 8 und Landtagsverhandlungen – 8, S. 0f. Revidierter Entwurf – 8, § 98. Landtagsverhandlungen – 8, S. 8f. und ALR, I. Teil, 8. Titel, § 90 und § 9.

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Provinziallandtag und Konferenz der Familienvertreter

Nach Zettwachs historischer Darstellung (8) war das agnatische Vorkaufsrecht bei Versteigerungen ein uneingeschränkter Bestandteil des tradierten hinterpommerschen Lehnrechts. In seinem Entwurf zum „Provinzial-Recht“ von 8 hielt Zettwach dieses Recht dagegen für „zweifelhaft“. Der nachfolgende Entwurf der Kommission begründete das agnatische Vorkaufsrecht bei der Subhastation mit der lapidaren Formulierung, dass es „bei jeder Lehnsveräußerung“ gelte.8 Der Vorschlag der Kommission, das Vorkaufsrecht bestehen zu lassen, erhielt auf dem Landtag jedoch nur 8 Stimmen, während er von  Abgeordneten gegen das Vorkaufsrecht votierten.9 Die Minderheit glaubte offenbar mit der Kommission, dass die Möglichkeit, zwischen dem „beneficium taxae“ und dem Vorkaufsrecht wählen zu können, die Zirkulation der eigentumsrechtlich gebundenen Güter innerhalb der Familien erleichtern würde. Für die Mehrheit war jedoch das Vorkaufsrecht bei Versteigerungen ein agnatisches Privileg, das den verschuldeten Besitzer und seine Nachkommen schädigte, da das Vorkaufsrecht den Versteigerungserlös mindere: Denn trotz der Aufhebung der Erwerbsbeschränkung für Rittergüter und neuer Regeln bei ihrer Versteigerung wäre es – so der Einwand – für Dritte weiterhin wenig attraktiv, an Versteigerungen teilzunehmen.0 Diese Regelung erhöhe das Risiko für Gläubiger nachrangiger Hypothekenforderungen, wodurch langfristig der  8 9

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Siehe Zettwach, Das pommersche Lehnrecht – 8, S. 0, §  und Zettwach, Provinzialrecht – 8, S. f., § . Vgl. Revidierter Entwurf – 8, S. , §  und Motive – 8, S. f. Vgl. Landtagsverhandlungen – 8, S. 9. Dem Landtag gehörten 8 Abgeordnete an, außer dem Fürsten zu Putbus und den  Vertretern des Standes der Rittergutsbesitzer  Vertreter der Städte und acht der Besitzer von Bauerngütern. Da  Stimmen aus dem Kreis der Rittergutsbesitzer die notwendige Zweidrittelmehrheit für das Sondervotum ihres Standes dargestellt hätten (Vgl. K[arl] Fr[iedrich] Rauer, Die ständische Gesetzgebung der Preußischen Staaten, Erster Teil, Berlin 8, S. 8 und S. 90f.), ein Sondervotum aber nicht abgegeben wurde, haben wahrscheinlich mehr als ein Drittel von ihnen gegen dieses Vorkaufsrecht gestimmt. Die Verordnung über den Subhastationsprozess vom . März 8, die das bisherige Verfahren beim gerichtlichen Verkauf auf einen einzigen Termin begrenzte und die Agnaten zwang, sich auf diesen Termin verbindlich für das „beneficium taxae“ oder für das Vorkaufsrecht erklären, hatte daran wenig geändert. Um den Agnaten die Entscheidung zwischen dem „beneficium taxae“ und dem Vorkaufsrecht zu erleichtern, sah der Kommissionsentwurf vor, dass den Agnaten drei Monate vor dem Versteigerungstermin der Wert des Gutes nach der gerichtlichen Taxe (Subhastationstaxe) mitgeteilt werden sollte, die das Gut nach den aktuellen Preisen für landwirtschaftliche Güter bewertete. Vgl. Landtags-Verhandlungen der Provinzial-Stände in der Preußischen Monarchie. Dreizehnte Folge, enthaltend die Verhandlungen des vierten Posenschen, des sechsten Brandenburgischen und des sechsten Pommerschen Provinzial-Landtages, nebst Landtags-Abschieden, Berlin 89, S. 9– und Motive – 8, S. .

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Kreditrahmen des Besitzers verringert werde. Der verminderte Kreditrahmen wiederum schmälere die Real-, Renten- oder Abfindungsansprüche der Familienangehörigen und vergrößere die Gefahr für den Besitzer und seine Nachkommen, mit unbefriedigten Schuldforderungen konfrontiert zu werden. Die relative Verminderung der Verschuldung infolge der geplanten höheren Lehntaxe würde dagegen nur bis zum nächsten Generationswechsel wirksam sein. Langfristig würde der verschuldete Rittergutsbesitzer nicht von der allgemeinen Wertsteigerung profitieren, weder bei der Akquisition neuer Kredite noch bei einer Insolvenz. Anstelle des Vorkaufsrechts wollte eine Mehrheit des Landtages das Gewohnheitsrecht kodifizieren, wonach ein Agnat, der in der Versteigerung das Höchstgebot abgeben hatte, das Familiengut anschließend als individuelles Eigentum besitzen durfte. In der Kontroverse um dieses Gewohnheitsrecht ging es um die adelspolitische Frage, ob einem Agnaten – quasi als zweifachem Rechtssubjekt – die Alternative zustünde, entweder als Gesamthänder, oder als Außenstehender handeln zu dürfen. Zettwach hatte in seinen beiden Arbeiten von 8 und 8 die gewohnheitsrechtliche Alternative gesetzlich verankern wollen und demjenigen Agnaten, der das Familiengut nicht durch die Wahrnehmung der privilegierten Eigentumsrechte, sondern durch einen gemeinrechtlichen Kaufvertrag, d.h. durch einen „Allodialtitel“ erworben hatte, weiterhin die Wahl einräumen wollen, das Gut entweder als individuelles Eigentum oder als Familiengut zu besitzen. Die Kommission hatte in ihrem Entwurf zum revidierten Lehnrecht diese gewohnheitsrechtliche Alternative jedoch verworfen: „Lehngüter“ sollten in Zukunft „von einem Mitgliede der damit beliehenen Familie, selbst wenn die Erwerbung durch einen Allodialtitel erfolgt ist, nur als Lehen besessen und vererbt werden.“ In ihren „Motiven“ begründete die Kommission ihre Konzeption damit, dass ein Adliger in Bezug auf ein Familiengut nicht die Wahl zwischen dem privilegierten Eigentumsrecht und – als bürgerliches Individuum – dem Gemeinrecht haben sollte. Eine Mehrheit von nahezu drei Vierteln der Abgeordneten lehnte diesen Vorschlag der Kommission ab.



  

Eine gesetzliche Bestimmung hierzu war historisch nicht nachweisbar. Vgl. Zettwach, Das pommersche Lehnrecht – 8, S. ff. und Zettwach, Provinzialrecht – 8, S. 8f. Revidierter Entwurf – 8, S. , § . Vgl. Motive – 8, S. f. Der Vorschlag der Kommission, dass ein solches Familiengut in Zukunft zwingend eigentumsrechtlich gebunden bleiben sollte, wurde im Landtag mit  gegen 0 Stimmen abgelehnt. Vgl. Landtagsverhandlungen – 8, S. –.

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Provinziallandtag und Konferenz der Familienvertreter

Die Umsetzung der Vorschläge der Kommission und der des Landtages zur Änderung der pommerschen Eigentumsordnung hätten eher eine Reduzierung als eine Mehrbelastung der Familiengüter bedeutet. Durch die fakultative Umwandlung der Ansprüche der Witwe und die verbindliche Umwandlung der Ansprüche der unverheiratet bleibenden Töchter in Leibrenten, hätten diese – je nach Lebensspanne – zu Gunsten des Familiengutes Geld verlieren können. Verlierer der geplanten Reform wären die Söhne hinterpommerscher Gutsbesitzer gewesen. Den Vorschlag der Kommission, die Ansprüche der Söhne an das Erbgut auf das vorpommersche Niveau zu senken, billigte die vorgeschriebene Zweidrittelmehrheit des Landtages. Ebenso wurde der Vorschlag der Kommission akzeptiert, die veraltete Lehntaxe durch die differenziertere und höhere Bewertung der Kreditassoziation zu ersetzen. Der vom Landtag übernommene Kommissionsvorschlag, zur Finanzierung dieser Ansprüche einen „Lehnstamm“ aus dem Vermögen des Gutes zu stiften, der auch die Ansprüche unverhofft auftauchender Agnaten befriedigen sollte, griff weder in die Rechte der männlichen Familienangehörigen ein, noch tangierte er deren Anwartschaften. Der Plan der Kommission, demjenigen Agnaten, der nicht im Hypothekenbuch vermerkt wäre, alle Rechte an diesem Familiengut zu entziehen, zielte ebenso auf den Schutz des besitzenden Familienzweiges ab, wie die Absicht, das agnatische Vorkaufsrecht bei Versteigerungen beizubehalten und es den Agnaten zu verbieten, ein Familiengut bei Versteigerungen durch Höchstgebot in individuelles Eigentum umzuwandeln. Der Provinziallandtag lehnte diese Vorschläge der Kommission ab, er begünstigte stattdessen die solventen Agnaten. Zwei Wochen nach Beendigung der Landtagsverhandlungen reichten neun Rittergutsbesitzer eine private Stellungnahme als „Separat-Votum“ ein. Sie plädierten entgegen der Landtagsmehrheit – aber in Übereinstimmung mit der Kommission – dafür, dass ein Agnat nur im Rahmen der Eigentumsbindung handeln dürfe. Für sie waren „die Veräußerlichkeit und Verschuldbarkeit der Pommerschen Lehne“ nicht „Zweck“, sondern „nur eine bedauernswürdige Anomalie […], deren Ausdehnung man nicht wünschen“ könne. Die Interessen der Agnaten wären durch ihre eigentumsrechtlichen Privilegien hinreichend geschützt. Da diese Vorrechte zugleich zur „Erhaltung der Lehngüter in den Familien“ dienten, wäre es sinnwidrig, den Agnaten die rechtliche Möglichkeit einzuräumen, das Familieneigentum in individuelles umzuwandeln. Gegen diese Argumentation brachten einige Tage später sechs Landtagsabgeordnete der hinterpommerschen Rittergutsbesitzer und zehn 

Siehe Landtagsverhandlungen – 8, S. –8, hier S. .

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Angehörige „lehntragender Familien“ aus sechs Geschlechtern ein „Promemoria“ an das Justizministerium auf den Weg, weil sie fürchteten, das Ministerium könnte durch das „Separat-Votum“ jener Minderheit in seiner Absicht bestätigt werden, den Agnaten ausschließlich familienrechtliche Kompetenzen einzuräumen. Sie erinnerten daher daran, dass die Familien Hinterpommerns seit 8 das Recht hatten, selbstständig familiale Eigentumsordnungen zu konstituieren und forderten, „den Lehnadel zu befragen“. 88, ein Jahr nach dem Landtag kamen  Adlige Hinterpommerns auf dieses Anliegen zurück, darunter sieben aus dem Geschlecht derer v. Below, sechs v. Böhn, je vier v. Puttkammer, v. Wedell und v. Zitzewitz, sowie je drei v. Kleist und v. Massow: „Allerdurchlauchtigster, Großmächstigster, Allergnädigster König und Herr. Euer Königlichen Majestät nahen sich ehrfurchtsvoll die unterzeichneten Mitglieder der hinterpommerschen lehntragenden Familien mit der alleruntertänigsten Bitte“, diese „Geschlechter- oder Kreisweise zur persönlichen oder zum Erscheinen durch Deputierte convocieren zu lassen, um vor denen von Euer Königl. Majestät Allerhöchst zu ernennenden Kommissarien ihre Bitten und Anträge entwickeln, sowie die Ordnung und Feststellung der hinterpommerschen Lehns-Verhältnisse speziell berathen zu können“. Denn die adligen Eigentumsrechte, welchen „die alten Familien ihre Erhaltung verdanken, würden ohne nähere Feststellung und Ordnung bald dem conservativem Prinzip nicht mehr Consolidierung gewähren, vielmehr diejenige Lockerung vermehren, welche leider bereits gefühlt und bei ungünstigen Conjunkturen mit Besorgnis zu fürchten ist“.

Obwohl der Justizminister v. Mühler den Familien eine „gewisse Autonomie“ zubilligte,8 plädierte er in einem gemeinsamen Schreiben mit dem – für die Gesetzesrevision zuständigen – zweiten Justizminister, v. Kamptz, dagegen, mit Familienvertretern zu verhandeln, da eine „Berathung in den einzelnen Geschlechtern […] kaum ausführbar [wäre], auch würde dieselbe bei den verschiedenen Ansichten, welche in den Familien herrschten, schwerlich zu einem Resultate führen“. Die beiden Justizminister schlugen stattdessen vor, die Rittergutsbesitzer sollten in ihren jeweiligen Kreisen Deputierte wählen, die mit Beauftragten des Landesherrn zu konferieren hätten.9 Der Oberpräsident der Provinz Pommern, v. Bonin, wollte dagegen auch die Agnaten der Besitzer an den Vorberatungen in den Kreisen und an der Wahl der Kreisvertreter beteiligen, denn manch ein Adliger be

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Vgl. Promemoria. Seiner Excellenz, dem Herrn Justizminister v. Kamptz, gehorsamst vorzulegen, in: Landtagsverhandlungen – 8, S. –0, hier S. – . Vgl. GStA PK, Rep. 8 II P, Nr. , Vol. 8, Fasz. , Bl. . Vgl. GStA PK, Rep. 8a, Nr. 90, Bl. . Vgl. GStA PK, Rep. 8a, Nr. 90, Bl. f. und Rep. 89, Nr. 0.

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Provinziallandtag und Konferenz der Familienvertreter

saß ein schwebend unwirksames Familiengut, das er – zum Nachteil jener Agnaten – möglicherweise für immer in individuelles Eigentum umwandeln wollen würde.0 Das Staatsministerium schlug vor, zusätzlich auch die aktuellen Besitzer derjenigen Güter teilnehmen lassen, welche aus dem Besitz der „ursprünglich beliehenen Familien herausgegangen“ waren. Kronprinz Friedrich Wilhelm widersprach in seinem „Separatvotum“ dem Staatsministerium, denn die Besitzer solcher Güter hätten ein Interesse daran, dass die „Rechte der Agnaten vernichtet werden [würden], um ihren präcairen Besitz dadurch in einen definitiven zu verwandeln“. Sie würden auf den Konferenzen „von vornherein Zwiespalt und Streit organisieren“. Friedrich Wilhelm III. schloss sich den Argumenten seines Sohnes an und verfügte, dass zu den Kreisversammlungen neben „den zur ursprünglich beliehenen Familie gehörigen jetzigen Besitzer[n], auch die übrigen Mitglieder der Familie, soweit bekannt, oder aus den Hypothekenbüchern ermittelt werden können, zuzuziehen sind“. Er beauftragte das Staatsministerium, „die Einberufung der Kreis-Convente zur vorläufigen Berathung und zur Ernennung der Abgeordneten, behufs der ferneren gemeinschaftlichen Verhandlung mit landesherrlichen Commissarien zu verfügen“. Die Landräte der dreizehn Landkreise, in denen hinterpommersches „Lehnrecht“ galt, sollten aus den Landbüchern die Besitzer und Agnaten ermitteln und ihnen die gedruckte Fassung derjenigen Passagen der Landtagsverhandlungen zugänglich machen, in denen über die Revision des Provinzial-Lehnrechts verhandelt worden war. Zum Umfang dieses Personenkreises sind unterschiedliche Angaben überliefert. Das Departement des Oberlandesgerichts Köslin gab die Anzahl der Familiengüter in Hinterpommern mit 90 und die der Agnaten mit  an. Dagegen bezifferte das Justizministerium – dem der Bericht des Oberlandesgerichts Köslin vorlag – die Anzahl der hinterpommerschen Rittergüter mit 8, von denen 8 (0%) eigentumsrechtlich gebunden sein sollten. Davon waren  (%) noch im wirklichen Besitz der ehemals mit ihnen beliehenen Familien; die restlichen 8 wären mithin als schwebend unwirksame Le0    

 

Vgl. GStA PK, Rep. 90, Nr. . Vgl. Ebenda. GStA PK, Rep. 8 II P, Nr. , Vol. 8, Fasz. , Bl. 9. Ohne die Kreise Lauenburg und Bütow, sowie die ehemals zur Neumark gehörenden Kreise Dramburg und Schievelbein. Vgl. GStA PK, Rep. , Tit. , Nr. 0, Bd.  und das Schreiben der beiden Justizminister v. Kamptz und v. Mühler vom . Juni 88, in: GStA PK, Rep. 89, Nr. 0. Vgl. GStA PK, Rep. , Tit. , Nr. 0, Bd. . Vgl. GStA PK, Rep. 8a, Nr. 90, Bl. 8–.

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hen einzustufen. Da das Innenministerium etwa 00 Rittergüter für Altvorpommern annahm, kann die Anzahl der eigentumsrechtlich gebundenen Rittergüter Altvor- und Hinterpommerns auf 0 bis 90 geschätzt werden. Diese wurden von etwa  Familien/Geschlechtern besessen.8 Im Beisein der königlichen Kommissare tagte die Konferenz der Familienvertreter im November 8 in Stettin.9 Für die dreizehn Kreise, in denen es „Lehngüter“ gab, waren acht Vertreter entsandt worden. Fünf Kreise hatten die Möglichkeit genutzt, sich durch einen Sprecher vertreten zu lassen, der bereits das Mandat eines anderen Kreises hatte, oder noch erhalten würde.0 Deshalb entschied die Konferenz eingangs, dass die Abstimmungsergebnisse in zweifacher Weise ausgezählt werden sollten, sowohl nach der Verteilung der Stimmen, als auch nach der Anzahl der durch die einzelnen Vertreter repräsentierten Kreise. Einige der Sprecher hatten Instruktionen, andere mussten mit ihren Kreisen Rücksprache nehmen, wieder andere waren mit einem freien Mandat ausgestattet. Auf ihrer ersten Sitzung versuchte die Versammlung, sich die Kompetenz anzueignen, verbindliche Beschlüsse zu fassen. Sie berief sich dabei auf §  der Lehnsassekuration von 8, welcher der Ritterschaft sowie den Familien, in deren beider Namen die Familienvertreter zu sprechen beanspruchten, autonome Rechte zur Revidierung der adligen Eigentumsverfassung zugestanden habe. Der Justizminister Friedrich Carl v. Sa 8 9 0



 

Vgl. GStA PK, Rep. , Tit. , Nr. 0, Bd. . Zu der Anzahl der Familien vgl. den Bericht des Oberlandesgerichts Stettin vom Oktober 8, in: GStA PK, Rep. 8a, Nr. 9, Bl. –80. Parallel zum „altpommerschen“ Kommunallandtag für Hinter- und Altvorpommern. Vgl. GStA PK, Rep. 8 II P, Nr. , Vol. 8, Fasz. , Bl. –. Vgl. Schreiben der Justizminister v. Kamptz und v. Mühler vom . Juni 88, in GStA PK, Rep. 89, Nr. 0 und Schreiben des Staatsministeriums an Seine Majestät vom . November 8 in GStA PK, Rep. 90, Nr. . In einem dieser Kreise hatte sich der Besitzer des einzigen Familienguts im Nachhinein der Wahl des Nachbarkreises angeschlossen. Vgl. Protokoll der ersten Verhandlung der Familienvertreter vom 9. November 8 in Stettin, in: GStA PK, 8 II P, Nr. , Vol. 8, Fasz. , Bl. 0f. Die zweifache Art der Gewichtung der Stimmen ergab nur zweimal ein unterschiedliches Ergebnis, siehe die Fußnoten 9 und 80. Da bei mehreren Abstimmungen die Voten von vier Vertretern als repräsentativ für zehn Kreise gewertet wurden, müsste einer der Delegierten seine Stimme einem derjenigen übertragen haben, der mehr als einen Kreis vertrat. Dabei könnte es sich jeweils um denjenigen Familienvertreter gehandelt haben, der krankheitsbedingt häufig abwesend war. Vgl. GStA PK, Rep. 8 II P, Nr. , Vol. 8, Fasz. , Bl. ; Bl. 8; Bl. ; Bl. 8 und Bl. 0f. Vgl. a.a.O., Bl. ff.

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vigny stellte dagegen nachträglich klar, dass die Versammlung lediglich als „Kommission“ eingestuft werden könne. Er erinnerte daran, dass seit jener Assekuration Beschlüsse der „Ritterschaft“ in eigentumsrechtlichen Fragen nur durch landesherrliche Genehmigung hatten verbindlich werden können. Für die Familien aber könne die Versammlung nicht sprechen, zumal deren Recht, eigene Verträge zu schließen, ohnehin nicht zur Disposition stünde. Die Versammlung würde also weder im Namen der Ritterschaft, noch im Namen der Familien verbindliche Beschlüsse fassen können, und für die Regierung würden ihre Beschlüsse ohnehin nur als Ratschlag dienen. Vor der Beratung der einzelnen Paragraphen des Kommissionsentwurfs votierten fünf der acht Konferenzteilnehmer im Namen von zehn der dreizehn Kreise gegen eine generelle Auflösung der eigentumsrechtlichen Bindung der Familiengüter. In der folgenden Abstimmung konnte die Versammlung ihre vollmundig reklamierte Beschlusskompetenz nicht wahrnehmen und musste den Gesetzgeber als Schiedsrichter anrufen: Weil sie in der Kontroverse darüber, welchen rechtlichen Charakter ein Gut haben solle, das ein Agnat durch einen Allodialtitel erworben hätte, kein mehrheitsfähiges Votum formulieren konnte, bat die Konferenz um eine Entscheidung des Gesetzgebers zu dem entsprechenden Landtagsbeschluss. Pikanterweise handelte es sich dabei um eben jenen umstrittenen Beschluss des letzten Landtages, der Anlass für die beiden adligen Separatvoten und für die – positiv entschiedene – Petition gewesen war, diese Versammlung einzuberufen. An Stelle der neuen Regeln zur „Vererbpachtung“ von Teilen eines Familiengutes, die von der Gesetz-Kommission entworfen und vom Landtag gebilligt worden waren, sollte der alte, längst gemeinrechtlich aufgehobene Rechtszustand wieder hergestellt werden, der vor dem Oktoberedikt gegolten hatte. Bis dahin waren Erbpachtverträge in Pommern wie Veräußerungen gewertet worden, erlaubt nur dem mit lehnsfähiger Deszendenz versehenen Besitzer; ein Besitzer ohne lehnsfähige Deszendenz hatte den Konsens der Agnaten herbeizuführen gehabt, es sei denn, die Verpachtung hätte unter den Gesamthändern stattfinden sollen. Das Oktoberedikt hatte den Besitzer eines Familiengutes von dieser Konsenspflicht befreit, ihn aber verpflichtet, die Einstandsgelder für die Pacht zur Entschuldung des Familiengutes zu verwenden. Da diese gemeinrechtliche Verpflichtung in Pommern mit dem Recht des Besitzers kollidierte, das Gut verschul   

Vgl. GStA PK, Rep. 8a, Nr. 9, Bl. 9f. und Bl. . Vgl. GStA PK, Rep. 8 II P, Nr. , Vol. 8, Fasz. , Bl. –. Vgl. a.a.O., Bl. ff. Vgl. §  des Oktoberedikts, in: Gesetz-Sammlung, 80–80, S. f.

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den zu dürfen, sah der Entwurf zum Provinzialrecht vor, dem Besitzer die Vererbpachtung ohne agnatischen Konsens zu erlauben. Wobei derjenige, der keine lehnsfähige Deszendenz hatte, den Pachtvertrag nicht an eine vorab zu zahlende Geldsumme würde knüpfen dürfen, denn diese Summe wäre individuelles Eigentum gewesen. Sie hätte mithin den Pachtzins auf Dauer, also eventuell über die Lebenszeit des Verpächters hinaus verkürzt, wodurch der agnatische Nachbesitzer geschädigt worden wäre. Für die Konferenz wäre bei einem solchem Fall durch die Abschaffung des agnatischen Konsenses obendrein das Revokationsrecht ausgehebelt worden. Sie forderte daher, zu den Regeln aus der Zeit vor dem Oktoberedikt zurückzukehren.8 Die Frage, ob das Gut bei einem durch Generationswechsel bedingten Besitzübergang geteilt werden könne, wie es Tradition war und wie es Entwurf und Landtag beibehalten wissen wollten, blieb unter den Konferenzteilnehmern unentschieden.9 Bei der Abstimmung über die Verringerung der Abfindungsquoten für Söhne zu Gunsten der Töchter, wie sie der Entwurf und der Landtag vorgeschlagen hatten, war das Ergebnis ebenfalls unentschieden.80 Die Konferenz wollte die veraltete Landtaxe ersetzt wissen, denn die Verschuldung der meisten Familiengüter überstieg bereits deren Bewertungsgrenze.8 Das Gut sollte in Zukunft nach der gerichtlichen Versteigerungstaxe bewertet werden, die den aktuellen Wert ermittelte und nicht nach der Taxe der Kreditassoziation, wie es Entwurf und Landtag vorsahen. Die Taxe der Kreditassoziation bewertete die die langfristigen ökonomischen Möglichkeiten des Gutes,8 orientierte sich aber immer noch an den Preisen, die Schweder in seiner Taxierungstabelle von  aufgeführt hatte.8 Durch die neue Art der Taxierung wären die Aussteuerungsbzw. Abfindungsansprüche gestiegen, was aber lediglich die nächste(n) Generation(en) begünstigt hätte. Die Gefahr der Überschuldung bei nachfolgenden Generationswechseln wäre jedoch nicht beseitigt worden. Um die Abfindungs- und Abschichtungsansprüche zu sichern und die Kredi8 9 80

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Vgl. GStA PK, Rep. 8 II P, Nr. , Vol. 8, Fasz. , Bl. 9. Die Wertung nach den durch sie repräsentierten Kreisen ergab eine Mehrheit für die Unteilbarkeit der Familiengüter. Vgl. a.a.O., Bl. 0–0. Jeweils drei Sprecher waren für bzw. gegen die neuen Quoten, eine Wertung der Stimmen nach den durch sie repräsentierten Kreisen ergab eine Mehrheit für die Beibehaltung der alten Quoten. Vgl. a.a.O., Bl. 0–0. Vgl. a.a.O., Bl. 0f. Vgl. a.a.O., Bl. f. und Bl. 0–0. Vgl. Entwurf zu den Detaxations-Principiis der Hinter-Pommerschen Ritterschaft (8), S.  und S. , in: GStA PK, Rep. 8, Nr. .

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Provinziallandtag und Konferenz der Familienvertreter

toren alter Familienschulden zu beruhigen,8 wollte die Konferenz der Familienvertreter, anders als der Kommissionsentwurf und der Landtag, dass derjenige Agnat, der das Gut übernehmen wollte, sämtliche eigentumsrechtlich bedingten Schulden übernehmen müsse, selbst wenn diese den Wert der Taxe überschreiten würden. Diese Vorschrift war eine versteckte Begünstigung der solventen Agnaten. Nahezu einhellig abgelehnt wurde die Stärkung der Position eines fremden Käufers, wie sie im Entwurf vorgesehen und vom Landtag gebilligt worden war.8 Beide hatten es dem fremden Käufer ermöglichen wollen, die Agnaten – auch wenn diese noch nicht zur Sukzession berechtigt waren – gerichtlich auffordern zu lassen, ihre Rechte wahrzunehmen oder auf sie zu verzichten. Dies bewerteten – bis auf einen – alle Konferenzteilnehmer als eine Verringerung der materiellen Rechte der Agnaten, da manch einer unvorbereitet und also finanziell noch nicht in der Lage würde sein können, seine Rechte wahrzunehmen. Auch sei eine solche Vorschrift prinzipiell bedenklich, denn niemand könne auf ein Recht verzichten, das er noch nicht habe, weil es erst mit der Sukzession entstünde. Die Mehrheit wollte einen solchen Aufruf daher allein zu dem Zweck gestatten, dem fremden Interessenten die Möglichkeit zu geben, sich einen Überblick über potentielle agnatische Ansprüche zu verschaffen.8 Um jedoch das Phantom des unbekannten Agnaten zu bannen, der für den Kaufinteressenten ein unkalkulierbares Risiko und für den Gläubiger ein gefährliches Kreditvirus war, und weil das Hypothekenbuch jedem Interessenten absolute Gewissheit gewähren musste, die genealogischen Verzweigungen aus dem Hypothekenbuch aber nicht ersichtlich waren, plädierte eine Mehrheit der Familienvertreter dafür, dass Agnaten, die nicht eingetragen waren, ein für allemal aus der Gesamten Hand des Gutes ausscheiden sollten,8 wie es der Entwurf vorgesehen hatte, aber vom Landtag abgelehnt worden war. In Anschluss an die Beratungen über den Entwurf zum ProvinzialLehnrecht standen zwei weitergehende Vorschläge für die Organisierung 8

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Vgl. GStA PK, Rep. 8 II P, Nr. , Vol. 8, Fasz. , Bl. f. Derjenige Deszendent, der in das Gut sukzedieren würde, aber nicht Allodialerbe des Vorbesitzers geworden war, sollte – anders als im Entwurf und vom Landtag vorgesehen – für die individuellen Schulden des Vorbesitzers nicht haften müssen. Vgl. a.a.O., Bl. f. Vgl. § 8 und § 9 in: Revidierter Entwurf – 8, S.  und Landtagsverhandlungen – 8, S. 00. Vgl. die Verhandlung vom 0. November 8, in: GStA PK, Rep. 8 II P, Nr. , Vol. 8, Fasz. , Bl. 0–0. Vgl. die beiden Gutachten zur Konferenz der Familienvertreter von Wilhelm v. Zettwach und von Friedrich Carl v. Savigny, in: GStA PK, Rep. 90, Nr.  und das Protokoll der Verhandlung vom . November 8, in: GStA PK, Rep. 8 II P, Nr. , Vol. 8, Fasz. , Bl. –.

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der adligen Rittergutsbesitzer zur Debatte. Der Vorschlag der beiden Konferenzteilnehmer v. Kleist-Zychow und v. Osten-Plathe sah eine „Genossenschaft“ vor, unter deren Kuratel die ihr angehörenden Güter stehen sollten.88 Die Güter sollten in ihrer Substanz unveränderlich sowie unteilbar werden und hätten nur noch bis zur Höhe der „Lehntaxe“ verschuldet werden können. Durch einen mehrheitlichen – nicht wie bisher einstimmigen – Familienschluss sollte ein Gut lehnrechtlich entbunden werden können, wenn es zugleich in ein Fideikommiss umgewandelt werden würde. Ein Teil des Fundus eines solchen ehemaligen Familienguts sollte für zwei Familienstiftungen verwandt werden. Mit den Erträgen der einen Stiftung wären die Altschulden zu tilgen gewesen; mit den Erträgen der zweiten Stiftung hätte zum einen die Erziehung der Söhne, die nicht ins Gut sukzedieren würden, finanziert werden sollen und zum zweiten die Aussteuer der Töchter oder deren Versorgung, wenn sie unvermögend wären. Um der „Genossenschaft“ beitreten zu können, müsste die Familie und das Geschlecht vorab einen Stammbaum anfertigen und festgelegen, wer einen Familienschluss beantragen dürfe. Der andere, vorab und extern eingereichte Vorschlag zweier v. Below glich diesem, war aber differenzierter.89 Es sollte ein „Verein“ oder „Korporationsverband“ gegründet werden. Bei einem freiwilligen oder einem gerichtlich angeordneten Verkauf eines Familiengutes sollten zukünftig allein Mitglieder des Vereins als Käufer zugelassen werden. Auch sollten diejenigen Güter, die individuelles Eigentum waren, Beschränkungen unterworfen werden, die denen der eigentumsrechtlich gebundenen vergleichbar wären. Aus den Erträgen beider Arten von Gütern wären gleichfalls Familienstiftungen zu schaffen, die – mit Ausnahme der Schuldentilgung – ähnliche Zwecke zu erfüllen hätten, wie sie im ersten Vorschlag vorgesehen waren. Obendrein sollte der „Verein“ eigenes Vermögen ansammeln, das sozialen Zwecken zu dienen hätte. Voraussetzung für die Mitgliedschaft sei eine sittliche Gesinnung, die den lehnsherrlich-vasallitischen „Nexus“ ideell wieder herstellen und die Treue zu dem von Gott gegebenen Herrn und König sowie die Vaterlandsliebe pflegen sollte, um so den selbstsüchtigen und „vorrevolutionären Prinzipien“ der Individualisierung adligen Eigentums entgegentreten zu können. Für die Mehrheit der Konferenzteilnehmer stand die Gründung einer „Genossenschaft“ oder das Ziel, eine „Korporation“ anzustreben, außerhalb der Tagesordnung. Ohne Instruktionen aus den Kreisen wollte sie 88

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Einmal war von einer Korporation, das andere mal von einer Genossenschaft, dann wieder von einem Verein die Rede. Vgl. GStA PK, Rep. 8 II P, Nr. , Vol. 8, Fasz. , Bl. 0–. Vgl. a.a.O., Bl. –0.



Provinziallandtag und Konferenz der Familienvertreter

nicht darüber diskutieren, und weil sie die Projekte abwegig fand, wollte sie sich auch nicht um entsprechende Instruktionen bemühen.90 Die beiden Konzepten gemeinsame Idee, die Gesamte Hand am Familiengut durch ein Familien-Fideikommiss abzulösen und zusätzlich die Gründung einer Familienstiftung vorzuschreiben, die die Ausbildung und Notversorgung der abgeschichteten Söhne und Töchter finanzieren sollte, findet sich in den entsprechenden preußischen Gesetzen von 8 bis 89 wieder. Die Konferenz der Familienvertreter wollte die Kernbereiche des adligen Eigentumsrechts aufrechterhalten, die Vor- und Rückkaufsrechte ebenso, wie die genealogisch bedingte Hierarchie innerhalb der Gesamten Hand. Diejenigen ihrer Beschlüsse, die dem Kommissionsentwurf entstammten, aber vom Landtag abgelehnt worden waren, sowie diejenigen Beschlüsse, die die gemeinsamen Reformvorschläge von Kommission und Landtag zurückwiesen, zielten im Binnenverhältnis auf eine Konservierung der Familiengüter ab. Mit gleicher Zielsetzung wurde für das Außenverhältnis eine Verringerung der Risiken der Gläubiger angestrebt, weil die Erhöhung der Kreditwürdigkeit eine wirtschaftliche Stabilisierung des Familieneigentums zu ermöglichen schien. Die unbekannten Agnaten, die im genealogischen Labyrinth der Geschlechter versteckt sein konnten, sollten zukünftig keine Rechte am Familiengut haben. Mit der verbindlichen Verpflichtung der Agnaten, die gesetzlichen Familienschulden auch dann übernehmen zu müssen, wenn sie den Taxwert des Guts übersteigen würden, wollte die Konferenz die Kreditwürdigkeit des Besitzers stärken und den Zugang zur Gläubigergenossenschaft erleichtern. Inwieweit diese Konzeption bei der unverminderten Belastung des Gutes im Erbgang für mehr als einen Generationswechsel hätte erfolgreich sein können, sei dahin gestellt. Insgesamt ist fraglich, ob die Beschlüsse der acht Konferenzteilnehmer, von denen ein kränkelnder oft nicht anwesend war, den Interessen der Angehörigen der etwa  Familien mit gebundenem Eigentum entsprachen, zumal die meisten Anträge nur mit knapper Mehrheit angenommen worden waren. Der Gesetzgeber wartete das Ende der langwierigen Vorbereitungen für die Kodifizierung der adligen Eigentumsrechte der Provinzen nicht ab und erließ zu diesem Rechtskreis zwischen 8 und 8 vier Provinzialgesetze für Pommern. 8 erhielt jeder Agnat, der ein Familiengut kaufen wollte, schon gekauft oder innerfamilial revoziert hatte, das Recht, die nächsten und näheren Agnaten gerichtlich aufzurufen und verpflichten zu lassen, ihre Rechte am Gut wahrzunehmen oder – auch für seine Deszen-

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Vgl. a.a.O., Bl. .

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denz – auf sie zu verzichten.9 Um die langwierigen Ermittlungen bei der Bestimmung desjenigen Agnaten abzukürzen, der als nächstberechtigter das „beneficium taxae“ ausüben durfte, wurde ab 1839 eine vergleichbare Regelung auch für das Konkursverfahren vorgeschrieben. Nunmehr waren alle Agnaten durch ein gerichtliches Aufgebotsverfahren zu einem Termin vorzuladen. Bei diesem Termin hatten sie denjenigen einvernehmlich zu benennen, der das Gut für den – vom Gericht ermittelten – Taxwert übernehmen wollte und konnte. Bei mehreren Interessenten entschied das Gericht. Der so ermittelte Agnat hatte den gerichtlichen Übernahmepreis vor dem Versteigerungstermin beim Konkursrichter bar zu hinterlegen. Tat er das nicht oder blieb er dem Versteigerungstermin fern, ging der Zuschlag an den meistbietenden Interessenten.9 Da dem Hypothekenbuch nur die Miteigentümer zu entnehmen waren und nicht das genealogische Geflecht der Familie, wurde 1845 „nach Anhörung Unserer getreuen Stände der Provinz Pommern, so wie der von den lehntragenden Familien in Hinterpommern gewählten Deputierten“ das „Gesetz über die Lehns- und Sukzessionsregister in Altvorpommern und Hinterpommern“ verabschiedet.9 „Sämtliche Besitzer […] so wie die Agnaten und Mitbelehnten“ waren nunmehr verpflichtet, beim Oberlandesgericht in Stettin um „die Eintragung in die neu angelegten Lehns- und Sukzessionsregister nachzusuchen“.9 Nur wer zum Zeitpunkt eines Konkursverfahrens oder eines innerfamilien Kaufs resp. Rückkaufs dort eingetragen war, wurde gerichtlich aufgerufen, seine Rechte wahrzunehmen.9 Eine vergleichbar elegante Lösung aber war bei der Aufhebung der familialen Eigentumsbindung, wie sie das Oktober-Edikt erlaubt hatte, nicht möglich, weil Geburtsrechte durch die Missachtung einer Formalie nicht verloren gehen konnten.

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Vgl. Gesetz vom 8. November 8 „das Aufgebot der Agnaten bei Veräußerung der Lehne in Pommern an Familienmitglieder betreffend“, in: Gesetz-Sammlung, 8, S. 0f. Einem fremden Käufer stand diese Möglichkeit schon länger, jedoch nur gewohnheitsrechtlich zu. Vgl. das „Gutachten der Abtheilungen des Königlichen Staatsraths für die Justiz und das Innere“ vom . September 8, in: GStA PK, Rep. 90, Nr.  oder Rep. 80, Drucksachen, Nr. . Vgl. auch Rep. 8a, Nr. 9, Bl. 9f. Vgl. Verordnung über das Verfahren bei Subhastation Pommerscher Lehngüter, vom . Mai 89, Gesetz-Sammlung, 89, S.  – 0. Vgl. die Einleitung und den §  des Gesetzes über die Lehns- und Sukzessionsregister in Altvorpommern und Hinterpommern, vom . Juli 8, in: GesetzSammlung, 8, S. –8, hier S.  und S. . A.a.O., S. , §  und § . A.a.O., S. , § .



Provinziallandtag und Konferenz der Familienvertreter

Das Oktober-Edikt von 80 hatte gestattet, dass jede „keinem OberEigenthümer unterworfene Lehns-Verbindung, jede Familien- und jede Fideikommiß-Stiftung […] durch einen Familien-Schluß beliebig abgeändert, oder gänzlich aufgehoben werden“ durfte.9 Das Edikt lehnte sich hierbei an das 80 fertig gestellte Ostpreußische Provinzialrecht an.9 Dieses gestattete, dass die „Interessenten […] durch einen […] Familienschluß die Lehns-Eigenschaft von einer Sache auf die andere übertragen, sie einschränken und mit oder ohne Festsetzung eines Lehnstamms gänzlich aufheben“ dürften. Es waren „alle Mitglieder“ der Familie – bei Familiengütern alle lehnsfähigen Agnaten98 – an einem Auflösungsbeschluss zu beteiligen.99 Der Auflösungsbeschluss galt als ein Vertrag unter allen Gesamthändern und musste einstimmig gefasst werden.00 Das OktoberEdikt hatte es der Familie überlassen, für die einstimmige Aufhebung der geburtsrechtlich vermittelten Rechte und für die materielle Kompensation des Verzichts zu sorgen. 8 monierte der Pommersche Provinziallandtag, dass den Familien noch immer keine „Mittel dargereicht“ worden waren, von ihren Rechten aus dem Oktober-Edikt Gebrauch machen zu können, wobei er vor allem auf den Rest von Unsicherheit im gerichtlichen Aufgebotsverfahren hinwies.0 In seiner – mit der gesetzlichen Zweidrittelmehrheit verabschiedeten – Petition schlug der . Pommersche Provinziallandtag vor, dass Familienschlüsse zur Abänderung oder Auflösung der familialen Eigentumsverfassung durch einen Beschluss der Häupter der einzelnen Linien gültig werden sollten0 und bat um ein ent9

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Vgl. § 9 des Ediktes, „den erleichterten Besitz und freien Gebrauch des GrundEigenthums […] betreffend“ vom 9. Oktober 80, in Gesetz-Sammlung, 80 – 80, S. 0–, hier S. . Das wiederum wegen des Verfahrens auf die Bestimmungen des ALR über Familienstiftungen verwies. Vgl. Motive zum Gutachten der Justiz-Abtheilung des Königl. Staatsraths über den Entwurf einer Verordnung wegen der bei Lehnen, Familien-Fideikommissen und Familien-Stiftungen zu errichtenden Familienschlüssen, in: GStA PK, Rep. 80, Drucksachen Nr. , S. . „Nur in Fällen, wo Stiftungsbriefe, Familienverträge oder besondere Gesetze dieses bestimmen, werden Weibspersonen, und die durch sie mit der Familie verwandt sind, von solchen Gerechtsamen [hier die Teilnahme an Familienrechten, D.H.M.] ausgeschlossen.“ ALR, II. Teil, . Titel, § . Vgl. ALR, II. Teil, . Titel, § . Vgl. GStA PK, Rep. 90, Nr. . Vgl. GStA PK, Rep. 8a, Nr. 90, Bl. n. Vgl. Landtags-Verhandlungen der Provinzial-Stände in der Preußischen Monarchie. Dreizehnte Folge, enthaltend die Verhandlungen des vierten Posenschen, des sechsten Brandenburgischen und des sechsten Pommerschen Provinzial-Landtages, nebst Landtags-Abschieden, Berlin 89, S. –0 und Landtagsverhandlungen – 8, S. 0–0.

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sprechendes Einzelgesetz, da die Verabschiedung des Provinzialrechtes „doch nicht so ganz nahe liegen dürfte“.0 Um die Unsicherheiten bei der Auflösung von Familien-Fideikommissen zu vermeiden, hatte das Oberlandesgericht Halberstadt den Justizminister v. Kircheisen bereits 8 gebeten, die Interpretation des ALR durch das Kollegium zu überprüfen, wonach die Auflösung eines Fideikommisses den einstimmigen Familienschluss, d.h. den Konsens aller Familienmitglieder voraussetzte, es aber nicht genügte, wenn – wie vielfach angenommen – nur die im Hypothekenbuch eingetragenen Agnaten einschließlich der Kuratoren der unmündigen Deszendenten der Auflösung zustimmten.0 Der Minister wies das Gericht an, von seiner bisherigen Praxis abzuweichen und Auflösungsbeschlüsse für Fideikommisse in Zukunft auch dann anzuerkennen, wenn sie allein von den im Hypothekenbuch Eingetragenen und den Kuratoren der unselbständigen Familienangehörigen gefasst worden waren. Obwohl v. Kircheisen in der Begründung seiner Anweisung auf den §  im Abschnitt des ALR über „Gemeinschaftliche Familienrechte“ hinwies, wonach das „Obereigentum“ an einem Fideikommiss „sich bei der ganzen Familie“ befinde,0 lehnte er den an anderer Stelle im ALR vorgesehenen Familienschluss ab. Seine – aus der Gliederung des Gesetzes abgeleitete – Begründung, Familienschlüsse seien allein für Familienstiftungen vorgesehen, die lediglich die Erträge aus Kapitalien oder Grundstücken verteilen konnten, nicht jedoch für Fideikommisse, die aus Kapitalien oder Land bestünden,0 war vordergründig und falsch. Sein Referat über das Gesetz von den „gemeinschaftlichen Familienrechten“0 war auf dessen – zweiten – Abschnitt „Von Familienstiftungen“08 und dessen – dritten – Abschnitt „Von beständigen Familienfideikommissen“09 fokussiert. Damit lenkte der Justizminister von der eindeutigen Vorschrift im ersten Abschnitt – „Von gemeinschaftlichen Familienrechten überhaupt“0 – ab, wonach gemeinschaftliche „Familienangelegenheiten […] durch Berathschlagungen und Beschlüsse der ganzen Familie angeordnet werden“ mussten. Da auch das Kammergericht die Interpretation des Justizmini0 0 0 0 0 08 09 0 

Siehe Landtagsverhandlungen – 8, S. . Vgl. Kamptz, Jahrbücher, Bd. 0, 8, S. 0–0. ALR, II. Teil, . Titel, § . Vgl. Kamptz, Jahrbücher, Bd. 0, 8, S. 0–, hier S. 0f. ALR, II. Teil, . Titel. ALR, II. Teil, . Titel, §§ –. ALR, II. Teil, . Titel, §§ –0. ALR, II. Teil, . Titel, §§ –0. ALR, II. Teil, . Titel, § . Der §  bestimmte zwar, dass zur ganzen Familie auch „die Personen weiblichen Geschlechts“ zählten, der folgende Paragraph aber erlaubte Ausnahmen durch Stiftungsbriefe, Familienverträge oder besondere Ge-



Provinziallandtag und Konferenz der Familienvertreter

sters anzweifelte, reichte seine Anweisung an die Oberlandesgerichte auf Dauer nicht aus, den Streit beizulegen, ob zur „ganzen Familie“ alle oder nur die eingetragenen Anwärter zu rechnen waren. Weil die Verpflichtung aller „Fideikommiss-Anwärter“, sich im Hypothekenbuch eintragen zu lassen, nicht sicherstellen konnte, dass auch alle genealogisch und eigentumsrechtlich legitimierten Anwärter am Familienschluss teilnehmen würden, und diese Unsicherheit durch den Rekurs auf tradierte und neue Gesetze nicht beseitigt werden konnte, musste eine legislatorische Lösung angestrebt werden. Denn den Familien die Lösung des Problems zu überlassen, hätte – da ein staatliches Personenstandsregister nicht existierte – vorausgesetzt, dass die privaten, also immer auch von Interessenten erstellten Familienstammbäume als gerichtliche Beweismittel hätten anerkannt werden müssen, was aber nicht zu erwarten war. Bei lehnrechtlich gebundenen Familiengütern hätte obendrein eine korrekte Genealogie das Problem nicht lösen können, denn bei den alten, in Anlehnung an das Lehnrecht gebundenen Familiengütern konnte aus der Genealogie allein keine Berechtigung an dem Familieneigentum oder für ein bestimmtes Gut abgeleitet werden. Denn diese Berechtigungen hingen zum einen von der „Lehnsfähigkeit“ ab und waren zum anderen oft durch lang zurückliegende Erbteilungen oder Vergleiche zwischen verschiedenen Familienzweigen ebenso verdunkelt, wie durch Abschichtungen und Aussteuerungen Einzelner: „Dem zufolge ist zur Zeit in fast keiner der Provinzen, in welchen es Lehngüter gibt, eine zuverlässige Verzeichnung aller Lehnberechtigten anzutreffen […].“ Um auch den pommerschen Familien die Umwandlung der „GüterLehne“ in „Geld-Lehne“ zu ermöglichen, hatten am Ende der Reformzeit einige Kreise gefordert, die gemeinrechtlichen Regelungen des ALR in das Provinzialrecht zu übernehmen. Auch der Landtag von 8 forderte in einer Petition, Vorschriften zu Familienschlüssen nach den Regeln des

 





setze, wodurch „Weibspersonen“ von Familienschlüssen ausgenommen werden konnten, wie es bei dem gebundenen Familieneigentum des Adels der Fall war. Vgl. GStA PK, Rep. 90, Nr. . Vgl. Votum v. Savigny vom . September 8, in: GStA PK, Rep. , Tit. , Nr. 0, Bd. . Der Vorschlag, den Familien die Führung eines Stammbaums zur Pflicht zu machen, wurde vom Staatsministerium verworfen. Vgl. GStA PK, Rep. 90, Nr. . Gutachten der Justiz-Abtheilung des Königl. Staatsraths über den Entwurf einer Verordnung wegen der bei Lehnen, Familien-Fideikommissen und Familien-Stiftungen zu errichtenden Familienschlüssen [89], in: GStA PK, Rep. 80, Drucksachen Nr. , S. 8. Vgl. Notiz des Justizministeriums vom Februar 8, in: GStA PK, Rep. 8a, Nr. 9, Bl. 9 und Bl. 0.

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ALR für das Provinziallehnrecht zu adaptieren. Das Gesetz vom . Februar 80 ging einen anderen Weg. Es löste das Problem, dass in den bestehenden Regeln zum Familienschluss stets von „allen“ Familienmitgliedern die Rede war, kaum aber „alle“ an einem Familienschluss teilnahmen, pragmatisch: Zwar war weiterhin bei allen Veränderungen von Familien-Fideikommissen und Familienstiftungen, „welche die Substanz […] betreffen, sowie zur Aufhebung, Abänderung, Ergänzung oder Erklärung einer Fideikommiss-Stiftung […] ein Familienschluß erforderlich“; aber es mussten zukünftig nicht mehr alle Familienmitglieder an einem Familienschlusses beteiligt werden, sondern nur die eingetragenen und die „sonst vorhandenen Anwarter“. Der Besitzer des Fideikommisses hatte dem zuständigen Richter mit dem Antrag für einen Familienschluss den „Entwurf zu demselben, und ein möglichst vollständiges und genaues Verzeichnis der ‚Anwarter‘ einzureichen“, und der Richter hatte „zu prüfen, ob Vermuthungen dafür sprechen, daß, außer den angezeigten, noch andere Fideikommiß-Berechtigte vorhanden sind“.8 Derjenige, der von allen Berechtigten anerkannt wurde, konnte an dem Familienschluss teilnehmen, wer ohne diesen Konsens von sich behauptete, berechtigt zu sein, musste dies nachweisen.9 Würden weitere Familienmitglieder vermutet, deren Existenz oder Aufenthaltsort unbekannt war, sollten sie öffentlich vorgeladen werden. Wer sich nicht meldete, war durch Gericht vom weiteren Verfahren auszuschließen.0 Ebenso sollte bei lehnrechtlich gebundenen Gütern immer dann verfahren werden, wenn „nach den bestehenden Gesetzen“ Familienschlüsse vorgeschrieben waren. Die Konferenz der Familienvertreter lehnte die Übernahme des Gesetzes vom . Februar 80 für Pommern ab, insbesondere die darin 



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Vgl. hierzu die entsprechende Petition und den Landtagsabschied, in: LandtagsVerhandlungen der Provinzial-Stände in der Preußischen Monarchie. Dreizehnte Folge, enthaltend die Verhandlungen des vierten Posenschen, des sechsten Brandenburgischen und des sechsten Pommerschen Provinzial-Landtages, nebst Landtags-Abschieden, Berlin 89, S. –0 und Landtagsverhandlungen – 8, S. 0–0. Vgl. §  und §  des Gesetzes über Familienschlüsse bei Familien-Fideikommissen, Familienstiftungen und Lehnen, vom . Februar 80, in: Gesetz-Sammlung, 80, S. 0–. Vgl. a.a.O. §  und §  Vgl. a.a.O. § . Vgl. a.a.O. §§ 9–. Wer berechtigt und bekannt war, aber keine Erklärung zum bevorstehenden Familienschluss abgegeben hatte, dem wurde der Entwurf des Familienschlusses mit der Aufforderung gerichtlich zugesandt, Stellung zu nehmen. Tat er es nicht, wurde er als zustimmend gewertet. Vgl. a.a.O. § . Vgl. a.a.O. § . Vgl. Rep. 8 II  P, Nr. , Vol. 8, Fasz. , Bl. 0 und Bl. 9–.

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Provinziallandtag und Konferenz der Familienvertreter

eröffnete Möglichkeit, das Familiengut durch einen Familienschluss in individuelles Eigentum umzuwandeln. Familienschlüsse anderen Inhalts sollten allein von den „Häuptern“ der einzelnen Familienzweige gefasst werden können. Der Gesetzgeber übernahm nur diesen letzten Vorschlag und erließ im Juli 8 für Pommern Ausführungsbestimmungen zu dem Gesetz über die Erleichterung von Familienschlüssen vom . Februar 80. Danach genügte zukünftig der Konsens der „Häupter der vorhandenen Lehnslinien“, um die familiale Eigentumsverfassung abzuändern, auf einen Teil zu beschränken oder vollständig aufzuheben. Dieses Gesetz ermöglichte es auch in Pommern, eine bereits durch das ALR – und nicht erst durch das Oktoberedikt – allgemeinrechtlich eröffnete Option wahrzunehmen, die vielfältigen und widersprüchlichen Interessen der Agnaten zu entflechten. Jene nunmehr auch in Pommern erlaubte Regelung ermöglichte es den Häuptern der „Lehnslinien“, die Bindung des Familieneigentums oder auch nur eines Familiengutes auf einen Teil einzuschränken oder auf ein anderes Gut zu übertragen. Dadurch konnten die alten von den zukünftigen Rechtsansprüchen abgeteilt und die lehnrechtlichen Anwartschaften der Nachkommen derer, die das Gut nicht übernommen hatten oder nicht übernehmen würden, aus der Verzinsung eines „Lehnstamms“ bedient werden. Dieser Lehnstamm musste im Hypothekenbuch des Gutes eingetragen werden. Durch die eigentumsrechtliche Auffächerung des Gutes wäre das spätere Auftauchen eines entfernteren Agnaten für Besitzer wie Gläubiger unproblematisch gewesen, da dieser mit seinen Ansprüchen nunmehr auf den „Lehnstamm“ zu verweisen gewesen wäre, für den dieselbe Sukzessionsordnung galt wie für das Gut. Bereits in der winterlichen Sitzungsperiode des Landschaftlichen Kreditwerks der Mark von / hatte der Kreis Ruppin einen ähnlichen Gedanken zur Diskussion gestellt.8 Einen vergleichbaren Vorschlag enthielt der 





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Vgl. hierzu das Schreiben des Justizministers v. Savigny an das Staatsministerium vom ..8, in welchem er die Verhandlungen der Konferenz der Familienvertreter resümierte, in: GStA PK, Rep. 90, Nr. . Vgl. Deklaration, betreffend die Errichtung von Familienschlüssen für Altvorpommersche und Hinterpommersche Lehne, vom . Juli 8, in: Gesetz-Sammlung 8, S. 8. ALR, I. Teil, 8. Titel, §§ 0–. Die Konferenz der Familienvertreter Pommerns von 8 wünschte eine Anpassung des Gesetzes über Familienschlüsse an die Verhältnisse in ihrer Provinz. Vgl. GStA PK, Rep. 8 II  P, Nr. , Vol. 8, Fasz. , Bl. . ALR, I. Teil, 8. Titel, § 0. ALR, I. Teil, 8. Titel, § . Vgl. BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, C. 9, Bl. 8–0.

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ritterschaftliche Revisionsentwurf zum adligen Eigentumsrecht von 8. Danach sollten die lehnrechtlichen Ansprüche derer, die das Gut nicht übernahmen, durch einen „Lehnstamm“ fixiert werden.9 Dieser Vorschlag verschwand mit dem Entwurf zunächst in der Versenkung, wurde jedoch 9 im Entwurf zu einem Märkischen Lehnrecht wieder aufgegriffen.0 Auch dieser Entwurf wollte, zum Teil mit den Worten des ALR, dass die Lehnsqualität eines Gutes auf einen „Lehnstamm (Geldlehn)“ übertragen und das Gut gleichzeitig in individuelles Eigentum umgewandelt werden könnte. Mit den Vorbereitungen zu einem Gesetz über die „Abschätzung Pommerscher Lehngüter“ setzte die Ministerialbürokratie ihre Versuche fort, die Eigentumsrechte der Familiengüter den veränderten agrarökonomischen Bedingen anzupassen, ohne die Kodifizierung des Provinziallehnrechts abwarten zu müssen. Der Landtag von 8 und die Familienkonferenz von 8 hatten sich gegen die veraltete Landtaxe ausgesprochen. Deren niedrige Werte minderten die Abfindungsansprüche der Söhne und die Aussteuerungsansprüche der Töchter zu Gunsten desjenigen, der das Gut „in natura“ übernahm oder durch das agnatische Vorrecht des „beneficium taxae“ in seinen Besitz brachte. Der Landtag votierte für die Taxe des Bürgschaftsverbandes der Rittergutsbesitzer, während die Konferenz der Familienvertreter sich für die Bewertung nach der gerichtlichen Subhastationstaxe aussprach. Für den Besitzer eines Familiengutes war nur die Preisermittlung durch die Lehn- resp. Landtaxe vorhersehbar, denn diese ermittelte – auf der Basis der veralteten Preise – den Wert eines Gutes nach dem Durchschnitt der in den letzten Jahren erwirtschafteten Erträge. An diesen Preisen orientierte sich zwar auch der Bürgschaftsverband, er bewertete jedoch nicht den tatsächlichen Ertrag, sondern die wirtschaftliche Möglichkeit, die das Gut bei effektiver Administration bot. Der so ermittelte Wert wurde mit dem Ziel der Kreditsicherung in einem undurchsichtigen Verfahren gemindert, und der Kreditrahmen auf zwei Drittel dieses so reduzierten Wertes bemessen. Die gerichtliche Subhastationstaxe hatte einen erweiterten Kriterienkatalog und setzte die aktuellen Marktpreise für jede Position ein, für Wirtschaftsgebäude den Zeitwert. Je nach Zustand des Gutes, seinen Möglichkeiten und der Agrarkonjunktur ermittelten die verschiedenen Verfahren für ein und dasselbe Gut unterschiedliche Taxwerte, aus denen die Wortführer der verschieden Interessenten ihre Präferenz für die eine oder andere Taxierung ableiteten. 9 0 

Vgl. §  des Entwurfs und die Reaktion darauf, in: BLHA, Rep. A Kurmärkische Stände, BL. 0–. Vgl. GStA PK, Rep. 8 II M, Nr. , Vol. , Fasz. , Bl. 0–8, §§ 0–. Vgl. Wilke Lehnrecht, §§ 0–, S. 98f.

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Provinziallandtag und Konferenz der Familienvertreter

Da die Kommission zur Kodifizierung des Provinziallehnrechts gefordert hatte, „ein festes Prinzip aufzufinden“, um die „verschiedenartigen Interessen der Lehnberechtigten und der Gläubiger sicherzustellen“, forderte der Justizminister v. Savigny die Direktion des pommerschen Bürgschaftsverbandes auf, ihm Auskunft über die verschiedenen Taxen zu erteilen. Nach der Erfahrung dieser Direktion ergab die Wertermittlung durch die veraltete Landtaxe den niedrigsten Wert der drei unterschiedlichen Arten der Taxierung. Die Direktion schätzte die Differenz zwischen der Bewilligungstaxe des Bürgschaftsverbandes und der gerichtlichen Subhastationstaxe als gering ein. Weil jedoch die Taxierungskriterien des Bürgschaftsverbandes auf die Ermittlung eines langfristigen Werts ausgerichtet waren, während die Subhastationstaxe aktuelle Werte ermittelte, führte der Streit um die angemessene Bewertung zu oft jahrelangen Prozessen. Zusätzlich beauftragte v. Savigny den Landrat des Kreises Fürstentum Rügen, v. Puttkammer, mit einem Gutachten, nicht nur weil er diesen für einen „praktischen Landwirt“ hielt, sondern sicherlich auch, weil er Deputierter im hinterpommerschen Bürgschaftsverband war, wie auch Abgeordneter des Provinziallandtages und Teilnehmer der Konferenz der Familienvertreter. In seinem Schriftsatz begründete v. Puttkammer den Beschluss der Konferenz der Familienvertreter und benannte diejenigen Positionen der Taxierungskriterien der Subhastationstaxe, die eine höhere Wertermittlung ergaben, als die Bewilligungstaxe des Bürgschaftsverbandes. Er verwies dabei vor allem auf diejenigen Kriterien der Subhastationstaxe, die den Gutsbesitzer begünstigten, der sein Land verpachtet hatte; denn anders als der Bürgschaftsverband berücksichtigte die Subhastationstaxe die veränderten Bedingungen für Pachtverträge, wie sie sich durch die Agrarreform ergeben hatten. Er plädierte deshalb für die Subhastationstaxe, weil die niedrigere Bewilligungstaxe des Bürgschaftsverbandes denjenigen, der ein Familiengut übernähme, begünstigen würde.8 Justizminister v. Savigny schloss sich diesen Argumenten an, auch weil das Oberlandesgericht Stettin ihn darauf hingewiesen hatte, dass die Bewilligungstaxe des Bürgschaftsverbandes im Durchschnitt etwa –% niedriger ausfalle, als die

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Vgl. GStA PK, Rep. 8a, Nr. 0, Bl. 8. Der v. Kamptz im Amt des Justizministers für die Revision der Gesetzgebung gefolgt war. Vgl. Vgl. GStA PK, Rep. 8a, Nr. 0, Bl. 8v. Vgl. a.a.O., Bl. 8f. Vgl. a.a.O., Bl. 8 und Bl. f. Vgl. a.a.O., Bl. 89. Vgl. a.a.O., Bl. 8. Zum Schaden der Allodialerben und der Gläubiger.

Pommern



gerichtliche Subhastationstaxe.9 Da – wie v. Savigny hinzufügte – der höhere Wert der Subhastationstaxe vom Verkehrswert noch übertroffen würde, erleichtere jene den Interessenausgleich zwischen den Besitzern und denen, die in das Gut sukzedierten, oder den Gläubigern. Auch würde die höhere Bewertung die geplante Verringerung der Abfindungsquoten der Söhne in Hinterpommern kompensieren.0 Dem Provinziallandtag von 8 lagen zwei Gesetzentwürfe vor. Der eine sprach sich für die Subhastationstaxe aus, der andere für die Bewilligungstaxe, ansonsten waren sie textidentisch. In seiner Denkschrift, die beide Gesetzentwürfe begleitete, favorisierte das Staatsministerium, anders als v. Savigny, die Bewilligungstaxe des Bürgschaftsverbandes: Sie würde helfen, das gebundene Eigentum den Familien zu erhalten, denn deren „Bedeutung darf am wenigsten in der Preußischen Monarchie, nach deren Verfassung, als eine untergeordnete betrachtet werden“. Den Gläubigerschutz durch die höhere Taxe zu stärken, sei deswegen unnötig, weil der Gläubiger vorher wisse, wem er Kredit gebe. Der Ausschuss zur Vorbereitung des Landtages, der zur Hälfte mit Adligen besetzt war, plädierte für die vom Staatsministerium favorisierte Taxe des Bürgschaftsverbandes. Der Landtag sprach sich jedoch mit  zu  Stimmen für die höhere gerichtliche Subhastationstaxe aus, weil sie dem wahren Wert näher käme, als die Bewilligungstaxe, die ausschließlich der Kreditsicherheit des Bürgschaftsverbandes diene. Ausschuss wie Landtag hatten vor der jeweiligen Abstimmung einen Ergänzungsantrag zum Entwurf des Staatsministeriums abgelehnt, der sich dafür ausgesprochen hatte, dass zukünftig diejenigen Taxkriterien gelten sollten, die der Bürgschaftsverband zur Zeit vorbereitete: der Ausschuss, weil man sich nicht schon jetzt auf die neue, noch unbekannte Taxe festlegen könne, der Landtag, weil er eine Vertagung der schon Jahre andauernden Debatte vermeiden wollte. Beide begrüßten jenen Passus des Gesetzentwurfs, der den langwierigen Gerichtsweg für die Anfechtung des taxierten Wertes ausgeschlossen und stattdessen das oberste

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Vgl. a.a.O., Bl. 8v. Vgl. a.a.O., Bl. 89v–90. Vgl. die den Gesetzentwürfen vorangestellte Denkschrift, in: A.a.O., Bl. 9, S. –8, hier S. f. Vgl. die Denkschrift S. , in: A.a.O., Bl. 9. Vgl. die Denkschrift S. , in: A.a.O., Bl. 9. Vgl. GStA PK, Rep. 8b, Nr. , Bl. 9 und Bl. 0. Vgl. GStA PK, Rep. 8a, Nr. 0, Bl. 9 und Bl. 0.



Provinziallandtag und Konferenz der Familienvertreter

Gremium des Bürgschaftsverbandes als einzige Revisionsinstanz vorgesehen hatte. Die Rittergutsbesitzer waren in der Frage der Taxierung der Familiengüter deshalb uneins, weil jedes der drei Bewertungskriterien unterschiedliche innerfamiliale oder extrafamiliale Interessen bediente, je nachdem ob das Gut unmittelbar gebundenes oder schwebend unwirksames Familiengut war. Innerhalb der Ministerialbürokratie waren die Taxkriterien ebenfalls umstritten, je nachdem welcher Stellenwert diesen Kriterien in den verschiedenen adelspolitischen oder konstitutionellen oder agrarökonomischen Konzepten zukam. Justizminister Uhden lehnte im Staatsministerium sowohl die Taxe des Bürgschaftsverbandes, als auch die Subhastationstaxe ab und plädierte für die alte Landtaxe: Das „beneficium taxae“, das ein seit über hundert Jahren „wohlerworbenes Recht“ der Agnaten sei, könne allein auf der Basis der Lehn- bzw. Landtaxe seine Wirkung entfalten und den Besitzstand der „alten Pommerschen Familien“ erhalten. Er hielt es „in der jetzt so bewegte[n] Zeit“ nicht für ratsam, „ein konservatives Institut dieser Art aufzuheben“. Seine Kollegen im Staatsministerium konnten „dieses Bedenken nicht theilen“, obwohl auch sie anerkannten, „daß der von dem Landtage gemachte Antrag, für die Aufnahme der Lehntaxe die Grundsätze der Subhastationstaxe als Norm vorzuschreiben, dem konservativen Prinzip wenig entsprechend“ wäre. Die Mehrheit im Staatsministerium hielt es jedoch für „bedenklich“, den Beschlüssen des Landtages und den Wünschen der Konferenz der Familienvertreter „entgegenzutreten“, zumal „nicht fortzuleugnen“ wäre, dass die Subhastationstaxe „der rechtlichen Natur der Pommerschen Lehne völlig entspricht“ und „als eine Entwicklung und Ergänzung der Gesetzgebung, im Geiste des Pommerschen Lehnrechts“ gerechtfertigt werden könne. Das Staatsministerium stellte es dem Monarchen daher „alleruntertänigst anheim“, ein „Gutachten des Staatsraths“ einzuholen und die „Gesetzkommission“ damit zu beauftragen.8 In ihrem ausführlichen Schriftsatz an die Mitglieder des Staatsrats rekapitulierte die Gesetzkommission sowohl die Geschichte der Taxierung der Pommerschen Lehngüter, als auch die Tradition des Vorrechtes der Agnaten, das Familiengut im Konkursverfahren für den Wert der Landtaxe zu über-





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Vgl. „Extract aus dem ten Plenar-Sitzungs-Protokolle des 9ten Provinzial-Landtages des Herzogthums Pommern und des Fürstentums Rügen“ vom . Februar 8, in: GStA PK, Rep. 8a, Nr. 0, Bl. 98–0, hier Bl. 00 und Bl. 0f. Protokoll der Sitzung des Staatsministeriums vom . Oktober 8, in der Beilage zur Allerhöchsten Kabinetssordre vom ten Oktober 8, in: GStA PK, Rep. 90, Nr. , S. –, hier S. . A.a.O. S. f.

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nehmen.9 Dieses Vorrecht habe verhindern sollen, dass der Preis eines Konkursgutes in der Zwangsversteigerung durch das Aufschaukeln der Gebote zum Nachteil der Agnaten in die Höhe getrieben werden könne. Durch die Deklaration zur neuen Konkurs- und Hypothekenordnung von  war den Agnaten erlaubt worden, das Familiengut für den Wert der Lehn- bzw. Landtaxe zu übernehmen. Dieses „beneficium taxae“ hätte aber nie auf eine unabänderliche – und heute überholte – Wertbestimmung und die damit verbundene Begünstigung der Agnaten abgezielt.0 Die Gesetzkommission empfahl daher die Subhastationstaxe, weil sie den unterschiedlichen familialen Interessen und dem „Wohl des Staates“ am ehesten gerecht würde. Im Januar und Februar 8 diskutierte der Staatsrat in vier Sitzungen über die zukünftige Taxe für pommersche Familiengüter. Justizminister Uhden wies vor Beginn der Debatte auf die Jahrhunderte alte Tradition des „beneficium taxae“ hin, das durch die Einführung der Subhastationstaxe nicht entwertet werden dürfe, ohne alle Agnaten zu befragen. In Hinterpommern wären in der Familienkonferenz nur die Besitzer und die Eingetragenen repräsentiert gewesen, in Vorpommern seien die Agnaten gar nicht gehört worden. Der Provinziallandtag wiederum wäre „nicht geeignet“ gewesen, die „singulären Rechte der Lehnsbesitzer und der Agnaten zu vertreten“. Hierzu wäre, wie ein anderes Mitglied des Staatsrats ergänzte, eine „förmliche Convocation durch öffentlichen Aufruf“ nötig gewesen. Ein weiteres Mitglied sprang ihm mit dem Hinweis bei, dass durch die Aufhebung der lehnsherrlich-vasallitischen Verhältnissse die agnatischen Rechte als Privatverträge zu werten seien, die durch Externe nicht abgeändert oder annulliert werden könnten. Für einen Vierten lebte im „beneficium taxae“ noch immer der Rest des Vertragsverhältnisses zwischen Vasallen und Lehnsherrn fort, das durch ein staatliches Gesetzgebungsverfahren nicht abgeändert werden könne. Der historische Exkurs diente Uhden vor allem dazu, agnatische Erwartungen zu legitimieren: Viele Lehngüter Pommerns wären über ihren Wert verschuldet. Ihre „Subhastation stehe bevor und die Agnaten sähen dem Augenblick entgegen, wo sie diese Güter durch Ausübung des beneficii an sich bringen könnten. Sei 9

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Protokoll der Sitzung der Gesetzkommission vom . Dezember 8, S. –, in der Beilage zur Allerhöchsten Kabinetssordre vom ten Oktober 8, in: GStA PK, Rep. 90, Nr. , S. –. A.a.O., S. f. A.a.O., S. f. Vgl. GStA PK, Rep. 8a, Nr. 0, Bl. –. A.a.O., Bl. f. A.a.O., Bl. f. A.a.O., Bl. –0.



Provinziallandtag und Konferenz der Familienvertreter

es gerecht, ihnen diese Aussicht plötzlich zu rauben?“ Der Einwand, die alte Landtaxe entspräche nicht dem wahren Wert, negiere die unterschiedlichen Preise für gebundenen und für individuell besessenen Grundbesitz. Die Subhastationstaxe würde das „beneficium taxae“ aushebeln und das Familieneigentum auflösen, da wäre es ehrlicher, das Familieneigentum unmittelbar und nicht durch den Umweg über die Subhastationstaxe abzuschaffen. Dagegen wurde eingewandt, dass das „beneficium taxae“ kein lehnsherrlich-vasallitisches Rechtsverhältnis gewesen wäre, sondern sich auf die Hofgerichtsordnung von 8 stütze, die zwischen dem Landesherrn und den Ständen vereinbart worden wäre, weshalb das angestrebte Gesetzgebungsverfahren legitim sei. Der Status quo zerstöre den Kredit. Wer einen Konsens mit allen Agnaten reklamiere, blockiere jede Veränderung. Auch würden die Agnaten dieses Recht nicht wahrnehmen, um die Güter der Familie zu erhalten, sondern um sich auf Kosten der Gläubiger zu bereichern und das Gut anschließend zum vielfachen des durch die alte Taxe ermittelten Preises zu verkaufen. Abschließend erläuterte der Redakteur des pommerschen Pronvinziallehnrechts, Wilhelm v. Zettwach, die verschiedenen historischen Taxmethoden und wies nach, dass ein Rechtsanspruch auf eine niedrige Bewertung aus den historischen Rechtsquellen nicht ableitbar sei.8 Zuvor hatte Uhden bereits eingelenkt: Das „beneficium taxae“ beinhalte keine bestimmten Taxierungsgrundsätze, er plädiere aber dennoch für eine „billige Taxe“.9 In der Diskussion über die verschiedenen Taxierungsmethoden war immer häufiger der Einwand zu hören, dass die veralteten Wertbestimmungen zeitgemäßen Kriterien weichen müssten. Die Frage, ob die Agnaten ein Anrecht auf die Anwendung der historischen Taxen hätten, verneinte eine knappe Mehrheit von  zu 0 Staatsräten.0 Am Schluss wurde moniert, dass der Staatsrat – erst jetzt befragt – durch die Beschlüsse des Landtages, der Familienkonferenz sowie der Gesetzkommission vor vollendete Tatsachen gestellt worden sei, so dass er nicht mehr über Rechtsprinzipien, sondern nur noch über „Prozentsätze“ zu entscheiden hätte. Der Staatsrat reichte deshalb die Gesetzesvorlage an die „Verwaltung“ zurück und beauftragte v. Savigny, neue Vorschläge auszuarbeiten. Friedrich Wilhelm IV. schloss sich dem Votum des Staatsrats   8 9 0  

A.a.O., Bl. 0f. und Bl. 9. A.a.O., Bl. ff. A.a.O., Bl. f. A.a.O., Bl. . A.a.O., Bl. 8. A.a.O., Bl. , Bl. 0 und Bl. . A.a.O., Bl. .

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an und beauftragte das Staatsministerium, einen neuen Gesetzesentwurf vorzulegen. Das Ministerium plädierte nunmehr dafür, die Revision der Taxierungskriterien des pommerschen Bürgschaftsverbandes abzuwarten, der Ende 8 seine Vorbereitungen hierzu einer „Spezialkommission“ übertragen hatte. Die 8 schließlich vom Bürgschaftsverband Pommerns beschlossene neue Taxe konnte das Problem auch nicht lösen helfen, denn sie galt nicht für Fideikommisse oder lehnrechtlich gebundene Familiengüter.



 

Vgl. den historischen Exkurs in: Motive zu dem Gesetz-Entwurfe über die Abschätzung der Lehne in dem Herzogthum Altvor- und Hinterpommern, in: Herrenhaus, Sitzungsperiode 89–80, Drucksache 0, S. 8. Vgl. GStA PK, Rep. 8b, Nr. , Bl. 9. Vgl. Gesetz-Sammlung, 8, S. 89ff., hier S. 89.

9 Der Verfassungsrang des gebundenen Grundbesitzes in der konstitutionellen Monarchie

Am 0. Mai 88 ließ Friedrich Wilhelm IV. der ersten Sitzung der Versammlung zur „Vereinbarung der preußischen Staats-Verfassung“ den Entwurf zu einem „Verfassungsgesetz“ vorlegen. Er enthielt keine Bestimmungen über die adligen Eigentumsrechte. Die „Verfassungskommission“ jener Versammlung beschloß auf Antrag des Abgeordneten Rodbertus, dennoch Regeln zur „Freiheit des Eigentums“ in die künftige Verfassung aufzunehmen. Mit Blick auf die „Lehen und Fideikommisse“ formulierte der Abgeordnete Zenker daraufhin den Antrag: „1. Die Errichtung von Lehn und Familienfideikommissen ist für die Zukunft verboten. 2. Die bestehenden Lehn und Familienfideikommisse, sie mögen in Grundstükken oder Capitalien bestehen, werden, unter Aufhebung der besonderen Successionsordnungen, freies Eigentum in der Person desjenigen, der sich am Tage der Verkündigung des gegenwärtigen Verfassungsgesetzes im rechtmäßigen Besitze des Lehns oder Fideicomisses befindet. . Alle abweichenden Bestimmungen der Landes- oder Provinzialgesetze sind aufgehoben. . Die Aufhebung der Lehnsverhältnisse erfolgt ohne Entschädigung. . Das Gesetz v. . Januar 8 betreffend die autonomische Successionsbefugnis der Rheinischen Ritterschaft wird aufgehoben. 



Vgl. Verhandlungen der constituirenden National Versammlung für Preußen 88, Bd. I, Berlin 88, S. – und: Stenographische Berichte über die Verhandlungen der zur Vereinbarung der preußischen Staats-Verfassung berufenen Versammlung, Berlin 1848, S. 1–6. Verschiedene Verlage veröffentlichten die Berichte fortlaufend. Verlage, Buchhandel bzw. Bibliotheken haben die einzelnen Lieferungen in je eigener Weise zu Bänden zusammengefasst, weshalb hier auf eine Bandangabe verzichtet wird. Siehe Protokolle der von der Versammlung zur Vereinbarung der Preußischen Verfassung ernannt gewesenen Verfassungs-Kommission. Gesammelt und für den Handgebrauch zusammengestellt von K[arl] Fr[iedrich] Rauer, Berlin 89, (künftig zitiert: Verfassungskommission), S. .

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Der Verfassungsrang des gebundenen Grundbesitzes

. Die Regulierung der Privatansprüche der Interessenten bleibt den Beschlüssen der Familien und besonderen Gesetzen überlassen.“

Auf Wunsch der Verfassungskommission sollten hierzu Vertreter des Staatsministeriums gehört werden. Tags darauf hielten zwei Ministerialbeamte „umständliche, mehrstündige Vorträge“ und referierten langatmig über Thronlehen, Staatslehen, den Kron-Fideikommissfonds, Staats-Domänen und das Königliche Hausfideikommiss, ohne positive Vorschläge zu formulieren. Die Verfassungskommission wies in ihrer anschließenden Verhandlung den Abänderungsantrag zurück, das angestrebte Auflösungsgebot für gebundenes Eigentum auf die Fideikommisse zu beschränken. Im „Entwurf der Verfassungs-Urkunde für den preußischen Staat“, deren erste Abschnitte die Kommission Ende Juli 88 dem Plenum bekannt machte, hieß es schließlich kurz und bündig: „Die Errichtung von Lehen und die Stiftung von Familienfideikommissen ist untersagt. Die bestehenden Lehen und Familienfideikommisse werden ohne Entschädigung der Erbfolgeberechtigten freies Eigentum in der Hand desjenigen, welchem am Tage der Verkündigung der gegenwärtigen Verfassung das Lehen oder Fideikommiß angefallen war. – Die Aufhebung der Lehnsherrlichkeit erfolgt ohne Entschädigung.“ Die Entscheidung über den Antrag, dass die „Lehen“ und die Fideikommisse ohne „Entschädigung der Agnaten“ in individuelles Eigentum umgewandelt werden sollten, fiel mit 12:10 Stimmen äußerst knapp aus, weshalb die Verfassungskommission den gleichzeitig abgelehnten Gegenantrag, eine Entschädigung durch ein zukünftiges Gesetz zu gewähren, als „Minoritätsvotum“ den Antragsakten für das Plenum beilegte.8 In der Begründung ihres 



  

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A.a.O., S. f. In die Verhandlungen wurden zahlreiche Anträge eingebracht, die entweder verworfen oder zurückgezogen wurden, oder über die nicht abgestimmt wurde. Vgl. a.a.O., S. – und S. 9–. A.a.O., S. . und GStA PK, Rep. 9 B , Nationalversammlung, Nr. a, Vol., Bl. –. Manch ein Mitglied der Verfassungskommission war verblüfft bis verärgert, in diesem Zusammenhang über das Erbrecht im ripuarischen Adel belehrt zu werden. Die Referenten stützten sich dabei offensichtlich auf die „Fragmente über das salische und ripuarische Successions-System im Ritterstande, besonders am Niederrhein“, vgl. Kamptz, Jahrbücher, Bd. , 8, S. –8. Vgl. Verfassungskommission, S. –9. Vgl. a.a.O., S. 0. Vgl. Artikel  und  im Entwurf der Verfassungs-Urkunde für den preußischen Staat, in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen der zur Vereinbarung der preußischen Staats-Verfassung berufenen Versammlung, Berlin 88, S. 0–, hier S. . Im Artikel  hieß es ergänzend: „Die §  und §  gelten nicht für Thronlehen, das Königliche Haus- und prinzliche Fideikommiß, sowie […] die außer des Staates belegenen Lehen und die standesherrlichen Lehen und Fideikommisse […]“. Vgl. Verfassungskommission, S. 9 und S. , sowie GStA PK, Rep. 9 B , Nationalversammlung, Nr. a, Vol., Bl. .

Vom Familienlehn zum Fideikommiss

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Beschlusses verwies die Verfassungskommission darauf, dass die klassischen lehnsherrlich-vasallitischen Verhältnisse längst obsolet geworden seien und ihre Aufhebung daher eine bloße Formalität, zumal die Abschaffung des Adels gleichfalls Verfassungsrang erhalten sollte.9 Da die lehnrechtlichen und fideikommissarischen Eigentumsregeln jeweils denjenigen begünstigten, der das Gut übernähme, und das Fideikommiss obendrein der „schädlichen Anhäufung so großer Güterkomplexe“ Vorschub leiste, müsse mit „der Aufhebung der Standesvorrechte und der Begründung des Rechtsstaates […] auch ein Institut fallen, welches eben nur als Stütze des Feudal-Staates Bedeutung hatte […].“ Daher reiche es „nicht hin, die Errichtung derartiger Verhältnisse für die Zukunft zu verbieten, sondern es muß der tiefgreifende Übelstand so bald wie möglich aufhören“.0 Bevor dieser VerfassungsArtikel, sowie der gesamte Entwurf im Plenum der verfassungsgebenden Versammlung diskutiert werden konnten, oktroyierte Friedrich Wilhelm IV. am . Dezember 88 eine „Verfassungs-Urkunde“. Ihr Hauptzweck war, erlassen worden zu sein, um damit die Auflösung der zur „Vereinbarung der preußischen Staats-Verfassung berufenen Versammlung“ zu begründen. Die oktroyierte „Verfassungs-Urkunde“ proklamierte die Abschaffung der „Standesvorrechte“ und die Gleichheit aller Preußen „vor dem Gesetz“. Sie generalisierte das Ende des im ALR garantierten Vorrangs Adliger bei der Besetzung ziviler oder militärischer Ämter, der nie lückenlos umgesetzt und der seit den Preußischen Reformen in einzelnen Gesetzen 9

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Vgl. Artikel  des Entwurfs, in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen der zur Vereinbarung der preußischen Staats-Verfassung berufenen Versammlung, Berlin 88, S. 0–, hier S. 0. Vgl. Verfassungskommission, S. f und: Stenographische Berichte über die Verhandlungen der zur Vereinbarung der preußischen Staats-Verfassung berufenen Versammlung, Berlin 88, Drucksachen Nr. 9, S. 9. Gesetz-Sammlung, 80, S. –. Vgl. Verhandlungen der constituierenden Versammlung für Preußen, Berlin 88, S.  und Grünthal, Parlamentarismus in Preußen, 88/9–8/8. Preußischer Konstitutionalismus – Parlament und Regierung in der Reaktionsära, (= Handbuch der Geschichte des deutschen Parlamentarismus), Düsseldorf 98, (künftig zitiert: Grünthal, Parlamentarismus), S. –. Vgl. Artikel  der Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat, vom . Januar 80, in: Gesetz-Sammlung, 80, S. –, hier S. 8. „Dem Adel, als dem ersten Stande im Staate liegt nach seiner Bestimmung, die Vertheidigung des Staates, so wie die Unterstützung der äußern Würde und innern Verfassung desselben, hauptsächlich ob.“ Siehe ALR, II. Teil, 9. Titel, „Von den Rechten und Pflichten des Adelstandes“, § 1. Vgl. hierzu Thomas Finkenauer, Vom Allgemeinen Gesetzbuch zum Landrecht – preußische Gesetzgebung in der Krise, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung, Bd. , 99, S. 0–, hier S. f.

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Der Verfassungsrang des gebundenen Grundbesitzes

und Verordnungen für spezielle Bereiche abgeschafft worden war. Die im selben Artikel der „Verfassungs-Urkunde“ angekündigte Rechtsgleichheit aller „Preußen“ wurde einen Monat später mit der Aufhebung des privilegierten Gerichtsstands für eximierte Personen und Dinge umgesetzt. Ergänzend entzog die oktroyierte Verfassung den Rittergütern die dinglichen Rechte der Schulaufsicht, der patrimonialen Gerichtsbarkeit und der Polizei.8 In diesen Passagen setzte sie den mit den Preußischen Reformen begonnenen Prozess der rechtlichen Egalisierung der Gesellschaft fort. Für die adligen resp. Ritter-Güter soll die folgende Tabelle einen sachlichchronologischen Überblick bieten. 





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Vgl. Gesetz-Sammlung, 1849, S. 1–19. Der persönliche Gerichtsstand war zuvor vom Wohnort (nicht Aufenthaltsort) oder „durch gewisse persönliche Eigenschaften bestimmt worden“. „Alle Personen fürstlichen, gräflichen, freiherrlichen, und adlichen Standes, stehen unter der Jurisdiktion der Obergerichte der Provinzen, in welchen sie wohnen.“ Vgl. Allgemeine Gerichtsordnung für die Preußischen Staaten (von 9), Zweiter Titel: Vom Gerichtsstand, § , §  und §  sowie Anhang, § 0. Nach wie vor jedoch wirkten „hoher Rang und Würden“ strafmildernd. Sie waren jedoch nicht die einzigen Kriterien, mit der eine Strafminderung begründet werden konnte. Vgl. Koch, ALR, Zweiter Teil, zweiter Band, zweite Abteilung, . verm. Aufl., Berlin 1864, S. –9, hier S. 8. Vgl. Artikel 0 der Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat, vom . Dezember 88, in: Gesetz-Sammlung, 88, S. –9. und Artikel  der Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat, vom . Januar 80, in: Gesetz-Sammlung, 80, S. –. Vgl. Artikel 0 der Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat, vom . Dezember 88, in: Gesetz-Sammlung, 88, S. –9 und Artikel  der VerfassungsUrkunde für den Preußischen Staat, vom . Januar 80, in: Gesetz-Sammlung, 80, S. –. 89 wurden gesonderte gesetzliche Ausführungsbestimmungen hierzu erlassen, vgl. Gesetz-Sammlung, 89, S. –9, hier S. ff. Die Gutsbesitzer wurden jedoch bis zur Verabschiedung einer neuen Gemeindeordnung (8) mit der Verwaltung der Polizei beauftragt. Vgl. Koch, ALR, Zweiter Teil, zweiter Band, erste Abteilung, 3. verm. Aufl., Berlin 1863, S. 906f. 1850 endete das Steuerprivileg für Rittergüter. Vgl. Gesetz-Sammlung, 80, S. . Allerdings glich das Gesetz einem „Messer ohne Klinge, dem der Griff fehlt“. (Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 90 und Koselleck, Reform, S. ff.) Das klassische Rittergut war von der Grundsteuer befreit gewesen. Diese Steuerbefreiung bezog sich nur auf das Gut, das einst als Kompensation für geleistete und zu leistende (Ritter-)Dienste übergeben worden war, bei Rittergütern auf die „ritterfreien“ Hufen. Die im Laufe der Zeit gekauften oder eingezogenen Bauerngüter blieben weiterhin – und somit auch für den adligen Besitzer – mit allen ihnen auferlegten Steuern und anderen sachlichen Verpflichtungen belastet, einschließlich der Einquartierungspflicht. Vgl. Kamptz, Jahrbücher, Bd. , 8, S. 9f und Bd. 0, 8, S. 8; Kamptz, Sammlung, . Abteilung, S. –; P. J. G. Hoffmann, Repertorium der Preußisch-Brandenburgischen Landesgesetze, (künftig zitiert: Repertorium), . Fortsetzung, Züllichau 80, S. ff; CCM, ., . Abtl., Sp. 9; GStA PK, Rep. , Tit. 8, Nr. , Bd.  und Rep. 8a, Nr. 0, Bl. .

Vom Familienlehn zum Fideikommiss



Chronologische Übersicht zur rechtlichen Egalisierung der adligen resp. Ritter-Güter9 Das Rittergut war ein „Inbegriff von Sachen und Rechten“. Diese Rechte waren dinglicher, persönlicher und standesrechtlicher Art. Einzelne – dem Adel vorbehaltene – (Ehren-)Rechte konnten durch landesherrliche Konzessionen auch an bürgerliche Besitzer verliehen werden,0 nachfolgend mit * gekennzeichnet. Standeszugehörigkeit und das Recht, Rittergüter zu besitzen: „Nur der Adel ist zum Besitze adlicher Güter berechtigt.“ „Personen bürgerlichen Standes können ohne besondere Landesherrliche Erlaubnis keine adlichen Güter besitzen.“ „Nur der Adel kann Familien-Fideicommisse aus adlichen Gütern errichten.“ Persönliche Rechte der adligen Rittergutsbesitzer: Standschaft* Ausübung der niederen Jagd im eigenen Namen* Ausübung der patrimonialen Gerichtsbarkeit im eigenen Namen* Adlige Gutsbesitzer „mögen nach dem Gut sich nennen“.* Persönliche Rechte jeden Rittergutsbesitzers: Recht auf persönliche Untertanen Recht auf dienstpflichtige Untertanen Mit dem Rittergut verbundene dingliche Rechte: Zwangs- und Banngerechtigkeiten Zollfreiheiten Niedere Jagd Patrimoniale Gerichtsbarkeit Polizei Schulaufsicht Steuerfreiheit Patronat

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aufgehoben 80 80 80 80 88 88 99 1807/1810 ab 8 80 88 88 88 88 88 80 ab 90

Das Wort „Rittergut“ (adliges Gut) bezog sich entweder nur auf das mit Herrschaftsrechten ausgestattete Gut, oder auf den Gutsbezirk, der dieser Herrschaft unterworfen war. Die auf den Gutsbezirk bezogenen Rechte sind in der Übersicht unterstrichen. ALR, II. Teil, 9. Titel, § 9. A.a.O., § , § 0 und § . A.a.O., § , § , § , §  und § 0. Vgl. ALR, II. Teil, . Titel, §§ 9–, §§ –0 und §§ 9–8. Die Steuerfreiheit bezog sich nur auf den Umfang des ehemaligen Lehngutes. Die „Ehrenrechte“ aus dem dinglichen Patronatsrecht standen auch demjenigen Adligen zu, der kein Patronatsherr war, aber im Bezirk eines Rittergutes wohnte (ALR, II. Teil, . Titel, § 8 und §§ 88–98).



Der Verfassungsrang des gebundenen Grundbesitzes

Die oktroyierte Verfassung ließ die bestehende Eigentumsbindung des Adels unangetastet, untersagte aber dem Staat die „Errichtung von Lehen“ sowie den Bürgern „die Stiftung von Familien-Fideikommissen“. Der zukünftigen gesetzlichen Umwandlung der „bestehenden Lehen und Familien-FideiKommisse[…] in freies Eigentum“ wurde jedoch Verfassungsrang eingeräumt. In den Verhandlungen der Ersten Kammer vom Herbst 89 war das Auflösungsgebot für die bestehenden Lehen und Fideikommisse heftig umstritten und wurde gegen eine große Minderheit bestätigt. Hätte das Auflösungsgebot nicht jeglicher Eigentumsbindung gegolten, sondern hätten stattdessen die Abschaffung der Lehen und die Auflösung der Fideikommisse getrennt zur Abstimmung gestanden, wäre nur das Ende der Lehen, nicht aber die Auflösung der Fideikommisse beschlossen worden. Für die Konservativen hatte zunächst allein das Fideikommiss konstitutionelle Bedeutung, nicht jedoch der nach lehnrechtlicher Art gesamthänderisch gebundene Grundbesitz. Da das Repräsentationsrecht der Rittergüter nicht mehr den persönlichen Adelsstand, sondern lediglich den dinglichen Besitzstand voraussetzte, war für Friedrich Julius Stahl die konservative Gesinnung der möglichen Repräsentanten nicht mehr garantiert. Er führte deshalb die Größe des Grundbesitzes als Kriterium für die Zugehörigkeit zum „Oberhaus“ ein, um – ohne vom Adel zu reden – die „natürliche Repräsentanz“ des mit größeren Rittergütern angesessenen Adels zu sichern. Seinen Antrag zu einer entsprechenden Revision der Bestimmungen über die Zusammensetzung der Ersten Kammer begründete Friedrich Julius Stahl mit der Notwendigkeit, ein „Oberhaus“ zu schaffen, „das als Bastion der ‚Klasse der großen Grundeigentümer‘ die Erhaltung überlieferter Machtpositionen garantieren sollte, gefeit gegen die Gefahren bureaukratischer Staatsmacht ebenso wie gegen ‚parlamentarisch-konstitutionelle‘ Revolutions-Errungenschaften. […] Preußen habe an ‚dem Stande der großen Rittergutsbesitzer‘ das ‚erste und bedeutendste Element …[seiner] Macht‘, als Klasse zugleich die ‚natürliche‘ Repräsentanz ‚konservativer Gesinnung‘“.8

Stahl schwebte eine Kammer vor, der die großjährigen Prinzen des Königlichen Hauses und die Häupter der ehemals reichsständischen Häuser, die 

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Vgl. Artikel 8 der oktroyierten Verfassungs-Urkunde vom . Dezember 88. Der Artikel 9 schloss Thronlehen, Prinzliche Fideikommisse etc. von dieser Vorgabe aus. Vgl. Gesetz-Sammlung, 88, S. –9, hier S. 80. Als Thronlehen galten die illustren Lehen der vier großen Landesämter: Landeshofmeister, Kanzler, Obermarschall, Oberburggraf. Vgl. GStA PK, Rep. , Tit. , Nr. , Bd. . Zit. n. Grünthal, Parlamentarismus, S. . Viele vergleichbare Konzeptionen bedienten sich später ebenfalls elliptisch konstruierter Begründungen.

Vom Familienlehn zum Fideikommiss



acht evangelischen General-Superintendenten und die acht katholischen Bischöfe angehören sollten. Jeder Landesuniversität sowie den Magistraten der größten Städte sollte je ein von ihnen gewähltes Mitglied zustehen. Als Vertreter der Landbesitzer waren 60 vom König zu ernennende erbliche Mitglieder vorgesehen, deren Landbesitz ein jährliches Einkommen von mindestens 8.000 Talern garantierte. Der erbliche Grundbesitz dieser Größe war in der Regel als Majorat oder Fideikommiss gebunden und ausschließlich im Adel anzutreffen. Weitere Großgrundbesitzer sollten 0 oder – wenn es das Segment jener erblichen Mitglieder nicht geben würde – 120 Abgeordnete entsenden können, 40 die Besitzer der größten Handelsgeschäfte und Fabriken.9 Die von den zwei gesetzgebenden Instanzen – König und beide Kammern – wenig später verabschiedete revidierte „Verfassungs-Urkunde“ vom . Januar 80 behielt die in der oktroyierten „Verfassungs-Urkunde“ verordnete Abschaffung der fideikommissarischen sowie der lehnrechtlichen Bindung des Grundeigentums0 bei, ebenso wie die Abschaffung der adligen Standesvorrechte. Gleichzeitig aber sollte – im Widerspruch dazu – die Repräsentation ausgewählter Geschlechter mit gebundenem Eigentum in der Ersten Kammer Verfassungsrang erhalten. Eine Repräsentation der Besitzer des nach lehnrechtlicher Art gebundenen Familieneigentums war nicht vorgesehen. Der zukünftigen Ersten Kammer sollten – neben den großjährigen Königlichen Prinzen und den Häuptern der ehemals unmittelbar reichsständischen Häuser in Preußen – die „Häupter[ ] derjenigen Familien“ angehören, „welchen durch Königliche Verordnung das nach der Erstgeburt und Linealfolge zu vererbende Recht auf Sitz und Stimme in der ersten Kammer beigelegt wird. In dieser Verordnung werden zugleich die Bedingungen festgesetzt, durch welche dieses Recht an einen bestimmten Grundbesitz geknüpft ist“. Den dreißig größeren Städten sollte je ein Vertreter in der Kammer zustehen, und insgesamt 90 der obersten Schicht der Steuerbürger (etwa 3% aller Steuerbürger). Außerdem würde der König weitere Mitglieder auf Lebenszeit ernennen können. Die Königliche Botschaft, die die Verfassungs-Urkunde von 1850 begleitete, wies darauf hin, dass das Auflösungsgebot für Familien-Fideikommisse revidiert werden müsse, denn die „Unterdrückung der bestehenden Familien-Fideikommisse und die Unzulässigkeit der Stiftung neuer […] 9 0  

Für den Antrag Stahls stimmten nur 0 von  anwesenden Mitgliedern der Ersten Kammer. Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S.  und S. . Vgl. Artikel 0 der Verfassungs-Urkunde vom . Januar 80, in: Gesetz-Sammlung, 80, S. –, hier S. . Vgl. Artikel  der Verfassungs-Urkunde vom . Januar 80, in: A.a.O., S. 8. Vgl. Artikel  der Verfassungs-Urkunde vom . Januar 80, in: A.a.O., S. .



Der Verfassungsrang des gebundenen Grundbesitzes

wird durch die constitutionelle Regierungsform nicht geboten“. Da diese Absichtserklärung die Familiengüter, die in Anlehnung an das Lehnrecht gebunden waren, nicht erwähnte, schienen sie nach wie vor vom Auflösungsgebot bedroht zu sein. Diejenigen Adligen, die auch diese Art der Eigentumsbindung bewahrt wissen wollten, interpretierten jene Familiengüter deshalb präventiv als eine besondere Art von Fideikommissen. Der Ministerpräsident Otto Freiherr v. Manteuffel räumte jedoch in seiner Antwort auf ihre entsprechende „Interpellation an die Staatsregierung“ weder deren Befürchtungen aus, noch ging er auf ihre rechtliche Interpretation der Familiengüter als einer besonderen Form von Fideikommissen ein. Als das Staatsministerium am . November 8 den Entwurf für ein Gesetz zur Erleichterung bestimmter wirtschaftlicher Dispositionen bei kurmärkischen Familiengütern vorlegte, dessen Vorbereitung 8 unterbrochen worden war, und die Wiederaufnahme dieses Vorhabens damit begründete, dass die legislatorische Umsetzung des Verfassungsauftrages, die „bestehenden Lehne […] in freies Eigentum“ umzugestalten, „für die nächste Zeit [nicht] zu erwarten wäre“,8 intervenierte der König am 18. November 8 ungewohnt direkt: „Dieser Satz kann anscheinend nur so interpretiert werden, daß durch die Ausführung jenes Artikels der Verfassungs-Urkunde die Rechte der Agnaten an den   



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Vgl. die „Interpellation an das Königliche Staats-Ministerium“, in: GStA PK, Rep. , Tit. , Nr. , Bd. . Vgl. ebenda. Vgl. Stenographische Berichte der Ersten Kammer am . Mai 8, S. . Mit dem Artikel 0 der – revidierten – Verfassungs-Urkunde vom . Januar 80 gehörte die Umwandlung von Familienstiftungen – nicht Grundfideikommisse – nicht mehr zum Gesetzgebungsauftrag der revidierten Verfassung. Vgl. GesetzSammlung, 80, S. –, hier S. . Dabei ging es darum, aus dem gemeinrechtlichen Gesetz über „Familienschlüsse“ einige Vorschriften für die kurmärkischen Familienlehen zu adaptieren. Bei Familienschlüssen für wirtschaftliche Dispositionen des Besitzers, die die Substanz betrafen, sie aber nicht verminderten, war dieses Gesetz vom bisherigen Zwang zum agnatischen Konsens abgerückt. Bei derartigen Dispositionen sollte der Besitzer eines Familiengutes nur noch an den Konsens zweier „Anwärter“ gebunden sein. (Vgl. Gesetz über Familienschlüsse bei Familien-Fideikommissen, Familienstiftungen und Lehnen, vom . Februar 80, in Gesetzsammlung, 80, S. 0–, hier §  und § , S. , mit Verweis auf ALR, II. Teil, . Titel, § 8 und § 88.) Die Kontroversen, wie diese beiden unter eventuell mehr als zwei gleichberechtigten Anwärtern zu bestimmen seien, hatten sich mehrere Jahre hingezogen und waren vor 88 nicht beendet worden. (Siehe. . Kapitel). Vgl. Artikel 0 der Verfassungs-Urkunde vom . Januar 80, in: Gesetz-Sammlung, 80, S. –, hier S. . Vgl. den Gesetzentwurf und die „Motive“ des Staatsministeriums vom . November 8, in: GStA PK, Rep. 90, Nr. 80.

Vom Familienlehn zum Fideikommiss



kurmärkischen sogenannten Lehne – d.h. Lehne ohne Lehnsherren – aufgehoben werden würden, so daß eine Erleichterung der Familien-Consense aus dem Grunde nicht mehr erforderlich seyn würde, weil die Nothwendigkeit der Consense selbst ganz wegfallen würde. Diese Auffassung würde aber mit der von dem Justizminister und dem gesammten Staatsministerium in Meiner Gegenwart adoptierten Ansicht in Widerspruch stehen, daß der Art. 0 der Verfassungs-Urkunde nur die Aufhebung des lehnsherrlichen Nexus, nicht aber die garnicht auf diesem Nexus beruhenden Familien-Rechte und eigenthümlichen Successions-Ordnungen in den Lehnen – namentlich den längst in das freie Eigenthum der Familien übergegangenen Märkischen und Pommerschen Lehnen – involviere. Ich sehe daher einer Erläuterung der angeführten Worte des Berichts und der Motive entgegen.“9

Das Staatsministerium zog daraufhin den umstrittenen Satz zurück und leitete den Gesetzentwurf sowie die revidierten „Motive“ beiden Kammern des Preußischen Landtags zu,0 die ihn in dieser Form billigten. Am . Mai 8 wurde das Gesetz zur „Erleichterung gewisser Dispositionen über Kurmärkische Lehne“ verkündet. Vor dem Hintergrund dieser Kontroverse zwischen dem König und dem Staatsministerium beantragte die Zweite Kammer – bei der anstehenden Revision des Artikels 40 – die Auflösung der familialen Lehnsverbände. Zuvor waren in der Ersten Kammer zwei Anträge zur Revision der Verfassungs-Urkunde vorgelegt worden, die beide die Rücknahme des im Artikel 40 verfügten Auflösungsgebotes für Lehen und für Familien-Fideikommisse vorsahen. Der erste Antrag wollte den Artikel 0 der „VerfassungsUrkunde“ ersatzlos gestrichen wissen, der zweite das dort verfügte Verbot der „Errichtung von Lehen“ ausdrücklich beibehalten. Diesen zweiten Vorschlag stufte die Antragsprüfungskommission („Justiz-Kommission“) als „entbehrlich“ ein, da sie ihn lediglich „als Ausfluß der eitlen Gespensterfurcht vor dem Lehnswesen und der Idee des Feudalstaates“ wertete. Die Verfasser des ersten Antrags lehnten – vor dem Hintergrund der am 9 0  

  

Vgl. Schreiben des Königs an das Staatsministerium vom 18. November 1851, in: GStA PK, Rep. 90, Nr. 80. Siehe GStA PK, Rep. 90, Nr. 80. Vgl. Gesetz-Sammlung, 8, S. 90f. Er lautete: „Die Errichtung von Lehen und die Stiftung von Familien-Fideikommissen ist untersagt. Die bestehenden Lehen und Familien-Fideikommisse sollen durch gesetzliche Anordnung in freies Eigenthum umgestaltet werden. Auf Familien-Stiftungen finden diese Bestimmungen keine Anwendung.“ Vgl. GesetzSammlung, 80, S. . Verhandlungen der Preußischen Kammern, Erste Kammer, II. Legislatur, Zweite Sitzungsperiode, Drucksachen, Nr. . Vgl. a.a.O., Drucksachen, Nr. . Vgl. a.a.O., Drucksachen, Nr. , S. 0.



Der Verfassungsrang des gebundenen Grundbesitzes

. März 80 erfolgten Aufhebung jeden Obereigentums – die Beibehaltung des ausdrücklichen Verbots, „Lehen“ zu errichten, ab, weil sie es für überflüssig hielten und weil es nur unerwünschte Erinnerungen an die Revolution wach halten würde. Vor Beginn der Verhandlung beantragte eine dritte Gruppe, zur Tagesordnung überzugehen.8 Mit Hinweis auf den Putsch von Louis Bonaparte befürchtete ihr Wortführer, Heinrich Alexander Freiherr v. Arnim (Suckow), dass die absehbar langwierige Kontroverse über die Zusammensetzung der Ersten Kammer und die Frage des Eigentumsrechts Anlass zu einer Totalrevision der Verfassung, wenn nicht gar für einen Staatsstreich geben könnte.9 Er warnte deshalb davor, „das kaum bestehende öffentliche Recht wieder in Frage zu stellen“. Für ihn war die Absicht, die vom König und von den Mitgliedern beider Kammern beschworene Verfassung zu revidieren, Folge der „weiße[n] Wühlerei“, die „ebenso blind wie die rothe“ sei und „die Contre-Revolution eben so toll und ohne Zügel und Maß wie die Revolution“, oder anders: „Die Revolution […] wird als Contre-Revolution fortgesetzt“.0 In seiner Gegenrede verwies Ernst Ludwig v. Gerlach auf den Ursprung allen Übels, das ALR, das „aus der Aufklärung und [der französischen, D.H.M.] Revolution erwachsen“ sei: Das ALR habe durch die Einführung des Römischen Institutes des Familien-Fideikommisses die „Vermittlung des öffentlichen und des Privatrechts“ zerstört: „Die Familien-Fideikommisse haben immer etwas mehr oder minder Willkürliches. Sie beruhen auf dem Willen – oft auf den Launen oder der Eitelkeit – des Stifters. […] Das Lehnswesen dagegen ist echt Deutschen Ursprungs. […] Das Lehnswesen läßt den Irrthum nicht aufkommen, der jetzt leider in vielen Kreisen, selbst in konservativen, grassirt, als sei das Privateigenthum etwas Heiligeres, als das öffentliche Recht, was nichts anderes ist als Götzendienst, der mit dem Egoismus getrieben wird. […] Das Lehnrecht tilgt die Privatwillkür. Es hebt die wahre Heiligkeit des Eigenthums hervor, die darin besteht, daß das Eigenthum ein Amt ist.“

Er bedauerte, dass das „Lehnswesen“ auf den ländlichen Grundbesitz beschränkt geblieben war: „Wäre es uns gelungen, unsere Fabriken, ja selbst große Zeitungen feudal zu machen, zu verbinden, einerseits mit den Pflichten des Dienstes und der Treue 

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Vgl. § 2, Absatz 1 im „Gesetz, betreffend die Ablösung der Reallasten und die Regulierung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse“, vom . März 80, in: Gesetz-Sammlung, 80, S. –, hier S. 9f. Vgl. Stenographische Berichte der Ersten Kammer am . Januar 8, S. 80. Verhandlungen der Preußischen Kammern, Erste Kammer, II. Legislatur, Zweite Sitzungsperiode, Drucksachen, Nr. . Vgl. hierzu Grünthal, Parlamentarismus, S. –9. Vgl. Stenographische Berichte der Ersten Kammer am . Januar 8, S. 8.

Vom Familienlehn zum Fideikommiss



und andererseits unter speziellen Schutz zu stellen; wenn sich ferner daran angeknüpft hätte die Verleihung gewisser politischer Rechte, z.B. [für] ein FabrikUnternehmen, die Gerichtsbarkeit, die Pflicht der Armenpflege, dann würde es uns auch gelungen sein, die Reform der Neuzeit einzuführen […]. Das Lehnsrecht, in seinem Grundgedanken aufgefaßt, ist die Tilgung des Proletariats, es löst die soziale Frage, indem es die Menschen aus der Isolirung erlöst und in Verbände einfügt, wo es ihnen wohl und heimisch wird. Das rechte Mittel gegen den Pauperismus ist ein gegliedertes System höherer und geringerer Rechte, höherer und geringerer Ehre, höheren und geringeren Besitzes, beseelt und gemildert durch den Geist des Christentums.“

Nach diesem Blindflug von einer agrarischen in eine industrielle Ständegesellschaft, kam v. Gerlach auf das konstitutionelle Tagesgeschäft zurück: „Wir wollen Pairieen errichten, Pairieen, die mit dem Grundeigentum zusammenhängen. […] Welche bessere Form können Sie für diese Pairieen finden, als die des Lehnrechts, die Formen, an denen der deutsche Geist seit mehr als einem Jahrtausend gearbeitet hat? Bekanntlich ist die heutige Zeit sehr ungeschickt zu neuen Rechtsbildungen. Es werden ihr alle Versuche mißlingen, die sich nicht an altes bewährtes Deutsches Recht anlehnen.“

Im Namen der Königlichen Regierung begrüßte der Minister des Innern, Ferdinand v. Westphalen, die beabsichtigte Rücknahme des Auflösungsgebots für gebundenes Eigentum und wertete sie als einen „Akt politischer Gesetzgebung“, wodurch „mit der Revolution gebrochen“ würde. Dabei ginge es ihm nicht nur um „die Grundlagen der Ersten Kammer, insofern das Recht auf Sitz und Stimme an einen bestimmten Grundbesitz geknüpft werden wird“. Vielmehr solle „die Konsolidierung des Grundbesitzes in allen Ständen, auch im Bauernstande“ angestrebt werden. Dass dies nicht allein, wie es v. Westphalen vorschwebte, der „Erhaltung des Vermögens in den Familien“, sondern als Grundlage für eine monarchische Gesellschaftsverfassung dienen sollte, deutete anschließend Friedrich Julius Stahl an. Ihm ging es nicht nur um „eine Aristokratie der obersten Stufe“ oder darum, ihr die Rechte einer „erblichen Pairie“ zu verleihen, sondern auch darum, den „kleinen Grundbesitz“ als „Stand“ zu erhalten. Er unterließ es jedoch, einen entsprechenden positiven Antrag zu formulieren, um die angestrebte Aufhebung des Auflösungsgebotes für gebundenes Eigentum nicht zu gefährden.

   

Vgl. Stenographische Berichte der Ersten Kammer am . Januar 8, S. 8f. A.a.O., S. 8. Vgl. a.a.O., S. 8. A.a.O., S. 8f.

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Der Verfassungsrang des gebundenen Grundbesitzes

Die Erste Kammer votierte am . Januar und am 8. Februar 8 für die Aufhebung des Auflösungsgebotes für Familien-Fideikommisse. Das konstitutionelle Verbot der „Errichtung“ neuer Lehen sollte bestehen bleiben. Die Antragsprüfungskommission der Zweiten Kammer plädierte dafür, sich dem Beschluss der Ersten Kammer anzuschließen, obwohl sie ihn für überflüssig hielt, da mit dem Gesetz vom 2. März 1850 jedes Obereigentum abgeschafft worden war,8 und es ohne Obereigentum kein Lehen geben könne. Mit Blick auf die Familiengüter oder auch „PrivatLehn“, regte die Kommission an, den Justizminister aufzufordern, provinzspezifische Gesetze zur Umwandlung vorzulegen. Die Zweite Kammer schloss sich dieser Empfehlung ihrer Antragsprüfungskommission nicht an. Sie folgte in einer zweitägigen Debatte stattdessen dem Antrag des Abgeordneten Geppert, der vermutlich von jener Kontroverse zwischen dem Staatsministerium und Friedrich Wilhelm IV. über die „Lehne ohne Lehnsherren“ wusste,9 und votierte dafür, auch der gesetzlichen Auflösung der familialen Lehnsverbände Verfassungsrang einzuräumen.0 Im Gegenzug – so wurde hinter den Kulissen beider Kammern vereinbart – sollten die Familien-Fideikommisse nicht angetastet werden. Die Erste Kammer übernahm daraufhin dieses Votum, dem sich der König auf Anraten seiner Regierung anschloß. Die schließlich verabschiedete Verfassungsänderung sah vor, dass der „Lehnsverband“ in 



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Über Gesetzesentwürfe, mit denen die „Verfassungs-Urkunde“ revidiert werden sollte, musste jede Kammer zweimal abstimmen. Vgl. Artikel 0 der Verfassungs-Urkunde. Vgl. Stenographische Berichte der Ersten Kammer am . Januar 8, S. 9f und Schreiben des Präsidenten der Ersten Kammer an den Präsidenten der Zweiten Kammer vom 8. Februar 8, in: Zweite Kammer, III. Session, Drucksache . Für „Thronlehen“ sollte das Verbot nicht gelten. Vgl. Zweite Kammer, III. Session, Drucksache 0 vom . März 8. Vgl. Vgl. § 2, Absatz 1 im Gesetz, betreffend die Ablösung der Reallasten und die Regulierung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse, vom . März 80, in: Gesetz-Sammlung, 80, S. –, hier S. 9f. Dass der Antragsteller Geppert diese Interpretation des Königs kannte, kann aus seiner Zugehörigkeit zu derjenigen Fraktion vermutet werden, der auch der Finanzminister v. Bodelschwingh angehörte. Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 396. Stenographische Berichte über die Verhandlungen der Zweiten Kammer am . März 8, S. 9–9, sowie am . März 8, S. 9–9. Die zweite, zur Änderung der „Verfassungs-Urkunde“ notwendige Abstimmung, bestätigte am 0. April 8 diesen Beschluss. Vgl. Stenographische Berichte über die Verhandlungen der Zweiten Kammer am 0. April, S. 09–099. Vgl. GStA PK, Rep. , Tit. , Nr. , Bd. . Vgl. Stenographische Berichte der Ersten Kammer, . Sitzung am . April 8, S. 00–0 und GStA PK, Rep. , Tit. , Nr. , Bd. .

Vom Familienlehn zum Fideikommiss

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den Familien „durch gesetzliche Anordnung aufgelöst werden“ sollte. Von einem Verbot der Familien-Fideikommisse war dagegen nicht mehr die Rede. Das Staatsministerium hatte den König offenbar mit dem Hinweis überzeugen können, „daß durch die Annahme des Gesetzesvorschlags jedenfalls das Schicksal der Fideikommisse außer Zweifel gestellt wird, was sowohl mit Rücksicht auf die Interessen der beteiligten Familien, als auch auf die künftige Bildung der ersten Kammer als ein besonders gewichtiges Moment erscheint“. Über den Umweg einer Neuregelung der Zusammensetzung der Ersten Kammer konnte den von der Auflösung bedrohten „Lehnsverbänden“ dennoch ein konstitutionell garantierter Bestandsschutz gewährt werden. Als Hebel hierzu diente die Option des Königs, der im Januar 1852 im vertrauten Kreis angedeutet hatte, „landsässigen Wahlkorporationen“ das Recht verleihen zu wollen, Vertreter der Ritterschaft in die Erste Kammer zu entsenden. Nach welchen Kriterien diese Wahlkorporationen zugeschnitten werden müssten, damit – wie es der König anstrebte – die „Spitzen“ der „Ritterschaft“ zukünftig in der Ersten Kammer anzutreffen seien, ließ er zunächst offen. Am 9. Februar 8 schlug Albrecht Graf v. Alvensleben (Erxleben) vor, dass auch der „alte und der befestigte Grundbesitz“ zukünftig in der Ersten Kammer repräsentiert sein solle. Auch diese Formulierung vermied den ausdrücklichen Hinweis auf den Landadel, meinte ihn aber, denn als „alt“ sollte ein Besitz gelten, wenn er seit 00 Jahren der Familie gehörte, und als „befestigt“, wenn er eigentumsrechtlich gebunden war. Dass v. Alvensleben damit auch die „Lehne ohne Lehnsherren“ meinte, zeigt seine vehemente Kritik am Beschluss der Zweiten Kammer, den „Lehnsverband“ in den Familien auflösen zu wollen: „Meine Herren! Man mutet uns zu, die Lehen daran zu geben, um damit die Erhaltung der Fideikommisse zu erkaufen. Warum soll das Eine dem Anderen zum Opfer fallen[?]“ Mit Hinweis auf die geplante Revision der Zusammensetzung der Ersten Kammer unterbrach Friedrich Wilhelm IV. im Februar 8 die Vorbereitungen zu einem Gesetz, das die Umwandlung der schwebend un    

Siehe Gesetz vom . Juni 8 über die Abänderung der Artikel 0 und  der Verfassungs-Urkunde, in: Gesetz-Sammlung, 8, S. 9. Vgl. Schreiben des Staatsministeriums an Seine Majestät vom . Mai 8, in: GStA PK, Rep. , Tit. , Nr. , Bd. . Grünthal, Parlamentarismus, S. f. A.a.O., S.  und S. f. Dass v. Alvensleben diese vertrauliche Absichtserklärung des Königs kannte, kann vermutet werden. Vgl. Stenographische Berichte der Ersten Kammer, . Sitzung am . April 8, S. 0.

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Der Verfassungsrang des gebundenen Grundbesitzes

wirksamen Lehen Pommerns in individuelles Eigentum vorsah und das die Umwandlung der übrigen Lehen in Familien-Fideikommisse ermöglichen sollte. Der König ordnete an, dass über die Umwandlung der schwebend unwirksamen Lehngüter Pommerns in bürgerliches Eigentum erst dann verhandelt werden solle, wenn die Repräsentation der Rittergüter in der Ersten Kammer durch Vertreter des „alten“ oder des „befestigten“ Grundbesitzes gesichert sein würde.8 Von der Umwandlung der schwebend unwirksamen Lehen in individuelles Eigentum wären in Hinterpommern ein Drittel der  ehemaligen Lehngüter betroffen gewesen. Hier waren – abgesehen von den  Familien-Fideikommissen9 – 9 Rittergüter unmittelbarer Familienbesitz (%). 9 der ehemaligen Familiengüter (%) besaß ein Familienmitglied als individuelles Eigentum, während 0 Güter (%) als schwebend unwirksame Lehen in der Hand Dritter waren.0 In Altvorpommern, wo eigentumsrechtlich noch bis März 80 das lehnsherrlich-vasallitische Verhältnis gegolten hatte, wurden 8% der ehemaligen Lehngüter von einem Sukzessionsberechtigten besessen. 8% der Güter wurden von einem Familienmitglied individuell besessen und % waren als schwebend unwirksame Lehn in der Hand eines Dritten. Schon 80 hatte Ernst v. Bülow in einer privaten Petition vergeblich darum gebeten, seine Güter, von denen Cummerow ein schwebend unwirksames Familiengut derer v. Borcke war, in individuelles Eigentum umzuwandeln. Er wollte investieren und fürchtete, dass ein Agnat aus dem weit verzweigten Geschlecht der Eigentümer das Gut durch die Wahrnehmung seines Revokationsrechts an sich bringen könnte. 8 wandte er sich im Namen zweier pommerscher Kreise an den Staatskanzler und strebte so8

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Zu den Debatten über die künftige Zusammensetzung des Herrenhauses vgl. auch Grünthal, Parlamentarismus, S. 9– und Hartwin Spenkuch, Das Preußische Herrenhaus, (= Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Bd. 0), Düsseldorf 998, (künftig zitiert: Spenkuch, Herrenhaus), S. –. Vgl. Die Fideikommisse in Preussen im Jahre 900 und die Wanderungen in den Kreisen mit besonders ausgedehnten Fideikommissen in dem Zeitraum 8 bis 900. Im amtlichen Auftrag bearbeitet von Dr. F. Kühnert. Sonderabdruck aus: Zeitschrift des Königlichen statistischen Bureaus, Jahrgang 1902, Berlin 1902, S. . Vgl. GStA PK, Rep. 89, Nr. 08. Vgl. GStA PK, Rep. 9c, Abschnitt , Nr. . Vgl. GStA PK, Rep. , Tit. , Nr. , Bd. . Vgl. GStA PK, Rep.  H, XI-. Das Gut Cummerow besaß er zunächst als wiederkäufliches Lehen, das er später als Eigentum erwarb und in ein Majorat umwandelte. Vgl. GStA PK, Rep. 00, Nr. 990 und Rep. 89, Nr. 08.

Vom Familienlehn zum Fideikommiss



wohl die Umwandlung der Familiengüter in individuelles Eigentum an, als auch die der familialen Lehnsverbände in Geldfideikommisse. Als „Mandatarius“ der Gutsbesitzer, wie ihn der Minister Kircheisen bezeichnete, kam er jedoch der Aufforderung nicht nach, konkrete Vorschläge zu formulieren. Im März 8 wies der Justizminister Simons auf verschiedene Petitionen pommerscher Gutsbesitzer und des Vorsitzenden des „Vereins zum Schutze des Eigentums“, Ernst v. Bülow, hin, die um eine Deklaration des Gesetzes über die Ablösung der Reallasten vom 2. März 1850 mit dem Ziel baten, dass mit der dort verfügten Abschaffung der „Vorkaufs-, Näherund Retraktrechte an Immobilien“ die schwebend unwirksamen Lehen indirekt in individuelles Eigentum umgewandelt worden wären. Simons unterstütze dieses Anliegen. Da Minister jedoch kein Initiativrecht hatten, nahm Simons die Anregung jener Bittsteller auf und legte den Entwurf einer Ausführungsbestimmung (Deklaration) des Gesetzes vom . März 80 vor. In der Begründung seines Entwurfs substituierte Simons in Stile eines Winkeladvokaten das pommersche Revokationsrecht durch das Retraktrecht und folgerte, dass mit der Abschaffung des Retraktrechts durch das Gesetz vom . März 80 auch das dort nicht erwähnte Revokationsrecht abgeschafft worden sei.8 Ludwig v. Massow, Minister des Königlichen Hauses, wertete das Vorhaben Simons als eine Begünstigung der externen Käufer pommerscher Familiengüter, die den Fortbestand des Landadels gefährden würde. Da die ursprünglichen Besitzer das Familiengut verschulden und veräußern dürften, seien es vor allem die privilegierten Vor- und Rückkaufsrechte der Agnaten, die das Familieneigentum schützten.9 Der durch v. Massow zu einem Gutachten aufgeforderte Vizepräsident des Obertribunals a.D., v. Kleist, widerlegte die Beweisführung Simons. Er bestritt die Rechtmäßigkeit der von Simons vorgenommenen Substitution des Revokationsrechtes durch das Retraktrecht: Wenn dies der Fall wäre, bedürfte es keines besonderen Gesetzes. Das Revokationsrecht unterscheide sich aber vom Retraktrecht nicht bloß durch unterschiedliche Fristen der Rechtswahrung. Der Retrakt richte sich gleichermaßen gegen Verkäufer und Käufer und   

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Vgl. GStA PK, Rep. 8a, Nr. 9, Bl. 08ff. Vgl. GStA PK, Rep.  H, XI, Nr. . Vgl. § 2, Absatz 6 im Gesetz, betreffend die Ablösung der Reallasten und die Regulierung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse, vom . März 80, in: Gesetz-Sammlung, 80, S. –, hier S. 9f. Vgl. das Schreiben von Simons vom . März 8, in: GStA PK, Rep. 90, Nr. . Vgl. die Motive zu seinem Gesetzentwurf vom . März 8, a.a.O. Vgl. den Schriftsatz von v. Massow vom . April 8, a.a.O.



Der Verfassungsrang des gebundenen Grundbesitzes

mache ihren Vertrag nichtig. Die Revokation setze dagegen einen rechtsgültigen Vertrag und den rechtmäßigen Besitz des Käufers voraus und könne erst nach dem Tod des Veräußeres bzw. nach dem Erlöschen seiner Deszendenz wahrgenommen werden. Die Revokation richte sich allein gegen den aktuellen, gleichwohl rechtmäßigen Besitzer eines schwebend unwirksamen Lehngutes, der dem Revozierenden weichen, aber von diesem schadlos gehalten werden müsse.80 Simons verteidigte sich durch bloße Wiederholungen und versuchte sein Vorhaben zu retten, indem er seinen ursprünglichen Entwurf um die Möglichkeit erweiterte, die unbeanstandet besessenen Lehngüter in Fideikomissgüter umzuwandeln.8 Simons betriebswirtschaftliche Argumentation, der Besitzer eines schwebend unwirksamen Lehngutes würde, wegen seines unsicheren Besitztitels nur zögernd investieren und auch kaum Kredit genießen, brachte den König nicht von seiner ablehnenden Haltung ab, da er der Ansicht gegensteuern wollte, welche „das Grundeigentum nicht als ein Amt des Besitzers, sondern als eine Handelsware betrachte“.8 Friedrich Wilhelm IV. ließ am 8. Februar 8 dem Justizminister Simons durch den Ministerialrat August Costenoble, einem Mitglied seines Geheimen Zivilkabinetts,8 mitteilen, dass Seine Majestät dem Gesetzentwurf die „Genehmigung versagt“ habe „und die weitere Bestimmung so lange aussetzen wolle[ ], bis der Gesetzentwurf wegen Neubildung der ersten Kammer allerseits angenommen sein wird und dann die hiernach erforderlichen Allerhöchsten Anordnungen erlassen werden können“.8 Die Anweisung des Königs an seinen Justizminister konnte die von der Verfassung gewährte Gesetzesinitiative der Kammern jedoch nicht einschränken. Wenige Wochen nach dieser Anweisung übernahm der pommersche Gutsbesitzer v. Blankenburg in seinem Antrag für die Zweite Kammer einen Gesetzentwurf, den der Pommersche Provinziallandtag im Oktober 8 als Petition formulierte hatte.8 Danach sollten ein Familiengut, das von einem mit lehnsfähiger Deszendenz „versehenen Besitzer“ an einen Fremden verkauft worden war, seinen Status als gebundenes Eigentum verlieren und der fremde Besitzer das Recht erhalten, die Lehneigenschaft aus dem Hypothekenbuch löschen zu lassen. Gleiches sollte gelten, 80 8 8 8 8 8

Vgl. Anlage zum Schriftsatz von v. Massow, a.a.O. Vgl. GStA PK, Rep. 90, Nr.  und Rep. 89, Nr. 0. Vgl. den Bericht über die Conseilsitzung vom 9. März 8, a.a.O. Barclay, Guter Wille, S. 9. Siehe GStA PK, Rep. 90, Nr. . Vgl. Blankenburgs Entwurf und das Schreiben des Staatsministeriums vom 9. März 8, a.a.O., sowie Erste Kammer, III. Legislaturperiode, Drucksache , S.  und S. –0.

Vom Familienlehn zum Fideikommiss



wenn das Gut an einen Agnaten verkauft worden war und von diesem nicht erneut als gebundenes Familiengut konstituiert worden wäre. Als Kompensation sollten Fremde sowie Agnaten % der Kaufsumme in einen staatlichen Fonds einzahlen, dessen Zinsen zur lebenslangen Unterstützung der armen und unverheirateten Töchter aus der ehemals besitzenden Familie zu verwenden wären. Ein Gut, das unmittelbares Familieneigentum war, sollte von dem Besitzer, der lehnsfähige Deszendenz hatte, durch einseitige, jedoch gerichtlich protokollierte Erklärung in ein Fideikommiss umgewandelt werden können; hätte er keine lehnsfähige Deszendenz, wäre hierzu die gerichtliche Zustimmung „der nächsten Agnaten oder Mitbelehnten“ nötig, wie es Gesetz über Familienschlüsse vom 15. Februar 1840 regelte. Statt des im ALR vorgesehenen Reinertrages des Gutes von mindestens .00 Talern sollten .000 sowie ein Viertel der dort vorgesehen „Stempelgebühren“ genügen. Wären keine Agnaten oder Mitbelehnten im „Lehns- und Successionsregister“ eingetragen, sollte ein Besitzer, der lehnsfähige Deszendenz hatte, das Familiengut durch einseitige Erklärung vor Gericht in individuelles Eigentums umwandeln dürfen. Gäbe es eingetragene Agnaten und Mitbelehnte, wäre hierzu ein Familienschluss nach den Bedingungen des Gesetzes vom . Februar 80 notwendig und % seines Wertes in jenen Fonds einzuzahlen. Bevor die Zweite Kammer diesen Entwurf debattieren konnte, forderte das Staatsministerium ihn zur Überprüfung an.8 Am . August 8 legte das Staatsministerium die vom Provinziallandtag Pommerns und von der Zweiten Kammer angeregten Gesetzesinitiativen für unbestimmte Zeit mit der Begründung auf Eis, es müsse erst die Spruchpraxis des Obertribunals abgewartet werden, um zu wissen, ob das Revokationsrecht durch das Gesetz vom . März 80 aufgehoben worden sei und damit die rechtliche Voraussetzung geschaffen wäre, die Lehnseigenschaft eines Gutes im Hypothekenbuch zu löschen. Vorher stünde nicht fest, ob eine legislatorische Lücke vorliege.8 Erst am . November 1857 entschied das Königliche Obertribunal, dass das pommersche Revokationsrecht durch das Gesetz vom . März 80 nicht aufgehoben worden war.88 Jahre später wies der Abgeordnete Meibauer darauf hin, dass die Vermutung, das Revokationsrecht sei mit dem Gesetz vom . März 80 abgeschafft worden, zu einem „bis dahin ungewohnte[n] Verkehr“ mit Familiengütern geführt hätte, und „Preise gezahlt“ worden seien, die „annähernd dem wirklichen Werthe der Allode“ gleichgekommen wären, 8 8 88

Vgl. das Schreiben des Staatsministeriums vom 9. März 8, in: GStA PK, Rep. 90, Nr. . Vgl. GStA PK, Rep. , Tit. , Nr. 0, Bd. . Vgl. a.a.O.



Der Verfassungsrang des gebundenen Grundbesitzes

bis die Spruchpraxis des Obertribunals die neuen Besitzer desillusioniert und ihren Kredit geschmälert habe. Viele hätten sich anschließend durch vermehrte Abholzung schadlos gehalten.89 Mit der Verordnung zur Bildung des Herrenhauses vom . Oktober 8 erhielten die „Lehne ohne Lehnsherren“ Verfassungsrang. Diese Verordnung begnadigte die Besitzer des „alten und des befestigten“ Grundbesitzes in 90 „Landschaftsbezirken“ mit dem Recht, dem König jeweils einen der Ihren zur Berufung ins Herrenhaus präsentieren zu dürfen. Den Vorschlag v. Alvenslebens konkretisierend, galt ein Rittergut als „befestigt“, dessen „Vererbung in der männlichen Linie durch eine besondere Erbordnung (Lehn, Majorat, Minorat, Seniorat, Fideikommiß, fideikommissarische Substitution) gesichert“ war; und als „alter Besitz“, wenn es mindestens 100 Jahre ununterbrochen im Besitz „ein […] und derselben Familie“ war.90 Wären die „Lehne ohne Lehnsherren“ in individuelles Eigentum umgewandelt worden, hätten % der repräsentationsfähigen Rittergüter des niederen brandenburgischen Adels und 8% des pommerschen diesen Status verloren.9 Diese Güter hätten ihr Repräsentationsrecht nur behalten, wenn sie ihren Status als „alter Besitz“ hätten bewahren können,9 oder in Familien-Fideikommisse umgewandelt worden wären. Die Majoratsherren, die Besitzer der großen Fideikommisse und die Repräsentanten des alten und des befestigten Grundbesitzes bildeten das größte Segment innerhalb des Herrenhauses. Das Herrenhaus hatte erbliche Mitglieder, andere waren auf Lebenszeit berufen, für weitere war die Berufung an ein Amt geknüpft. Erbliche Mitglieder waren die Prinzen des Königlichen Hauses und die Häupter der zwei hohenzollernschen Linien Hechingen und Sigmaringen, sowie die  ehemals reichsständischen Häuser innerhalb der Grenzen Preußens. Nach königlicher Berufung war die Mitgliedschaft ebenfalls erblich für die  ehemals zur Herrenkurie des 89 90

9

9

Vgl. Stenographische Berichte des Hauses der Abgeordneten, 8. Legislatur-Periode, II. Session 8, S. 9. Vgl. Gesetz-Sammlung, 8, S. . Als in einigen Landschaftsbezirken die Mindestzahl von drei repräsentationsfähigen Rittergutsbesitzern nicht mehr erreicht wurde, galt ab November 8 eine verkürzte Frist von 0 Jahren. Vgl. § 3 der Verordnung, betreffend die definitive Erledigung der Vorbehalte wegen Bildung der Verbände des alten und des befestigten Grundbesitzes […], vom 10. November 8, in: Gesetz-Sammlung, 8, S. 0–099 und GStA PK, Rep. , Tit. 9b, Nr. , Vol. . Vgl. Handmatrikel der in sämtlichen Kreisen des Preußischen Staats auf Kreisund Landtagen vertretenen Rittergüter, hrsg. von K[arl] Fr[iedrich] Rauer, Berlin 8, (künftig zitiert: Rauer, Handmatrikel), S. –9 und S. –8. In Brandenburg waren etwas mehr als die Hälfte der lehnrechtlich gebundenen Güter zugleich auch alter Besitz.

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vereinigten Preußischen Landtages von 1847 gehörenden Fürsten, Grafen, Herzöge und Herren, sowie für die 41 Besitzer von großen, durch Fideikommiss befestigten Rittergütern. Auf Lebenszeit wurden berufen: Die Inhaber der vier großen Landesämter (Landeshofmeister, Kanzler, Obermarschall, Oberburggraf); die drei Vertreter der Domstifte; die von den 90 Landschaftsbezirken dem König präsentierten Vertreter des „alten und des befestigten Grundbesitzes“; die Repräsentanten der – vom König kreierten – acht provinzialen Grafenverbände und die zunächst , ab 90 dann 8 Vertreter der Familien mit ausgedehntem Grundbesitz und historischer Bedeutung;9 sowie Persönlichkeiten, die das „königliche Vertrauen“ oder „Verdienste um den Staat“ erworben hatten. Zehn Universitäten und die Magistrate von  Städten waren mit dem Recht „begnadigt“, dem König je ein Mitglied zur Berufung zu präsentieren. 1911 war ein Viertel der 8 Mitglieder des Herrenhauses bürgerlich, und drei Viertel waren adlig. Darunter waren 44 Fürsten, zehn Herzöge, 96 Grafen, zwei Standesherren, ein edler Herr und  Freiherren.9

9

9

Zu den privilegierten Familienverbänden gehörten die der Familien v. Alvensleben, v. Arnim, v. Below, v. Bonin, v. Borcke, v. Bredow, v. Bülow, v. Groeben, v. Hanstein, v. Kleist, v. Königsmarck, v. Osten, v. Puttkamer, von der Schulenburg, v. Schwerin, v. Veltheim, v. Wedel und v. Zitzewitz. Vgl. Handbuch für das Preußische Herrenhaus, hrsg. von E. David, Berlin 9 und Spenkuch, Herrenhaus, S. –9.



Der Verfassungsrang des gebundenen Grundbesitzes

Die Repräsentation der Rittergüter im Herrenhaus durch den alten und den befestigten Grundbesitz9  Landtagsfähige Rittergüter

 Adlige Besitzer abs.

% v.

 Präsentationsfähige Rittergüter abs. % %

v.

v.

Vertreter im Herrenhaus abs.

% % v. v.

% v.

11.714

7.023 0

1.858 



90

0,8 ,

,8

Provinz Schlesien

3.132

1.857 9

393 



18

0,6 ,



Preußen

1.929

783 

18

0,9 , 0,

Brandenburg

1.666

1.116 

395 



15

0,9 ,

,8

Pommern

1.688

1.046 

380 , 8

13

0,8 ,

,

Posen

1.440

957 0

Sachsen

1.014

563 ,

Gesamtstaat

Rheinprovinz

461

318 9

Westfalen

413

378 9,

59

51

,

,

, ,

7

0,5 0, ,

271 

8

10

1

,8

,

94 0

0

5

1

,

,

215 



4

1



,9

Um die Erosion des adligen Familienbesitzes in Pommern zu erschweren und die Repräsentation der pommerschen Familiengüter in der Ersten Kammer für die Zukunft sicher zu stellen, wurden 8 die zwei Jahre zuvor unterbrochenen Vorbereitungen zu einem Gesetz abgeschlossen,9 das die freiwillige Umwandlung der Familienlehen in Familien-Fideikommisse erleichtern sollte.9 Den ursprünglichen Antrag hatte die Erste Kammer dahingehend modifiziert, dass ein Besitzer ohne Zustimmung der Agnaten das Familiengut allein für seine Deszendenz in ein Fideikommiss umwandeln dürfe, während die Umwandlung für einen genealogisch nicht auf diese Linie beschränkten Kreis der Familie weiterhin 9

9

9

Nach Rauer, Handmatrikel, S. f, S. 9f, S. f, S. 89f, S. 9f, S. f, S. 8f, S. f und S. . Da alle Rittergüter durch den alten und den befestigten Grundbesitz quantitativ annähernd gleichmäßig repräsentiert werden sollten, konnte für die adligen Güter kein einheitlicher Verteilungsschlüssel gewählt werden. Vgl. Erste Kammer, III. Legislatur-Periode, Drucksache Nr. 9 sowie Nr.  und Herrenhaus, Sitzungsperiode von 8–8, Drucksache Nr. 0. 8 waren die Vorbereitungen zu diesem Gesetz durch die Konstituierung des Herrenhauses in den Hintergrund gerückt und anschließend durch das Ende der Sitzungsperiode unterbrochen worden. Gesetz , betreffend die erleichterte Umwandlung Alt-Vorpommerscher und Hinterpommerscher Lehne in Familien-Fideikommisse vom 0. Juni 8, in: GesetzSammlung, 8, S, f.

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an den Konsens „der Häupter der vorhandenen Lehnslinien“ gebunden werden sollte. Der 9 im ALR vorgesehene Mindestreinertrag für Familien-Fideikommisse von .00 Talern sollte für diese Fälle auf .000 gesenkt werden. Eine Hälfte des Ertrages durfte der Besitzer zur Bedienung derjenigen Kredite verwenden, mit denen die Abfindung der nicht sukzedierenden Kinder oder die „Erweiterung und Verbesserung des Fideikommisses“ finanziert würden. Demjenigen, der als Singularsukzedent das Gut übernehmen würde, sollten mindestens .000 Taler statt der vom ALR geforderten .0 zur freien Verfügung verbleiben.98 Während der ersten Beratungsrunde von 8 hatte Freiherr v. Vincke in der Ersten Kammer bezweifelt, dass ein derart geringer Ertrag, „den Besitzer in den Stand setzt, […] Mitglied der ersten Kammer zu werden, weil er damit nicht die Kosten aufbringen kann, die eine solche Stellung erfordert“.99 Gegen die Verringerung der vom ALR vorgesehenen Mindesterträge – insbesondere wegen der Geldentwertung seit 9 – griff der Freiherr von Rothkirch-Trach in der abschließenden Debatte des Herrenhauses diese Kritik wieder auf. Für ihn stand fest, „daß der Glanz dieses Hauses nicht durch den Zuwachs von dürftig ausgestatteten Fideikommiß-Besitzern gewinnen“ würde, und er verwies auf seinen früheren Gegenvorschlag, den Mindestertrag auf .000 Taler heraufzusetzen.00 Regierung und beide Kammern hielten jedoch an den niedrigen Beträgen fest, da die Beibehaltung der im ALR vorgeschriebenen Mindesterträge nur einer Minderheit der Besitzer von Familiengütern erlaubt hätte, ihre Güter in ein Fideikommiss umzuwandeln.0 88 beantragte die Gläubigergenossenschaft der Rittergutsbesitzer Pommerns, ihre Taxierungsgrundsätze, wie sie im Vorjahr durch eine Verordnung der Regierung sanktioniert worden waren,0 auch für Lehngüter verbindlich zu machen, für die immer noch die veraltete Landtaxe vom Beginn des 8. Jahrhunderts galt.0 Daraufhin legte die Regierung dem Preußischen Landtag einen entsprechenden Gesetzentwurf vor.0 Das Her98

99 00 0 0

0 0

Vgl. ALR, II. Teil, . Titel, §§ –. Der Gesetzentwurf in: Herrenhaus, Sitzungsperiode von 8–8, Drucksache Nr. 0, S.  und GStA PK, Rep. 9c, Abschn. , Nr. . Stenographische Berichte der Ersten Kammer am . April 8, S. 0. Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Preußischen Herrenhauses, Sitzungsperiode von 8–8, Vierzehnte Sitzung am . März 8, S. 8. Vgl. GStA PK, Rep. 9c , Nr. . Die 8 für Pommern beschlossene neue Taxe hatte Fideikommisse und lehnrechtlich gebundene Familiengüter ausgenommen. Vgl. Gesetz-Sammlung, 8, S. 89ff., hier S. 89. Vgl. Herrenhaus, Sitzungsperiode 89–80, Drucksache Nr. 0, S. 8. Vgl. a.a.O., S. f.

8

Der Verfassungsrang des gebundenen Grundbesitzes

renhaus begrüßte diesen Vorschlag zu einer neuen Taxierung der Familiengüter. Die damit verbundene Vergrößerung des Kreditrahmens schien dem Herrenhaus ein geeignetes Mittel zu sein, das gebundene Familieneigentum und dessen Repräsentation im Herrenhaus zu sichern. Das Herrenhaus forderte, dass die Teilungsansprüche der Söhne auf das Maß gesenkt werden sollten, das für die Aussteuer der Töchter vorgesehen war, d.h. auf ein Sechstel des durchschnittlichen Jahresreinertrags.0 Das Abgeordnetenhaus lehnte dagegen den Gesetzentwurf mit Stimmengleichheit ab, weil ein solches Gesetz nur die Galgenfrist für die Familiengüter Pommerns verlängern und damit gegen den Gesetzgebungsauftrag der Verfassung verstoßen würde, Bestimmungen zur Auflösung der Agnatenverbände zu verabschieden. Moniert wurde auch, dass die schwebend unwirksamen Lehen im Entwurf nicht berücksichtigt worden waren.0 Die Regierung zog daraufhin ihren Gesetzentwurf zurück. Da sie eine veränderte Vorlage für aussichtslos hielt, wollte sie die neuen Taxierungskriterien mit dem zukünftigen Gesetz zur Auflösung der lehnrechtlichen Bindung des Familieneigentums verknüpfen,0 das ohnehin eine Neuregelung der Abfindungsansprüche erfordern würde. Im Sommer 8 formulierte die Staatsregierung einen entsprechenden Gesetzentwurf, der die Auflösung der familialen Lehnsverbände und eine neue Taxe für Lehngüter vorsah.08 Ein Familiengut sollte seine „Lehnseigenschaft“ verlieren, wenn kein „Lehnberechtigter“ im „Lehns- und Successionsregister“ eingetragen, oder der aktuelle Besitzer der einzig noch Lebende des Lehnsverbandes wäre. Abfindungsansprüche würden dann nicht entstehen. Sein Besitzer könnte die Löschung der „Lehnsqualität“ im Hypothekenbuch beantragen.09 Den Häuptern „der vorhandenen 0

0

0 08 09

Vgl. Haus der Abgeordneten, Session 80, Drucksache Nr. , S.  und: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Preußischen Herrenhauses, Sitzungsperiode von 89–80, Dreiundzwanzigste Sitzung am . April 80, S. 9–98. Vgl. Haus der Abgeordneten, Session 80, Drucksache Nr. 9 und Stenographische Berichte des Preußischen Abgeordnetenhauses, Sitzungsperiode 89–80, Sitzung am 0. Mai 80, S. 8–98. In der Antragsprüfungskommission des Herrenhauses war ein entsprechender Antrag eingebracht, jedoch wieder zurückgezogen worden. Stattdessen wurde die Regierung aufgefordert, hierfür gesonderte Bestimmungen vorzuschlagen. Vgl. Herrenhaus, Sitzungsperiode 89–80, Drucksache Nr. 00, S. f. Vgl. Beschluss des Staatsministeriums vom . Juli 8, in: GStA PK Rep. 89, Nr. 08. Vgl. GStA PK, Rep., Tit. , Nr. 0, Bd.  und Rep. 90, Nr. . Wie auch jeder andere, der ein ehemaliges Familiengut erhalten würde, das durch dieses Gesetz in individuelles Eigentum umgewandelt worden wäre.

Vom Familienlehn zum Fideikommiss

9

Lehnslinien“ sollte es freistehen, das gebundene Familieneigentum durch einstimmigen Vertrag in individuelles umzuwandeln und Kompensationen zu vereinbaren. Hätte der Besitzer eines Familiengutes einen lehnsfähigen Deszendenten – auch ein binnen 0 Tagen nach Rechtskraft des Gesetzes Geborener sollte dazu zählen – würde das Gut beim folgenden Erbübergang seine Eigenschaft als Lehngut verlieren.0 Hätte der Besitzer keinen lehnsfähigen Deszendenten, ginge das Gut als Lehen an den nächstberechtigten Agnaten und verlöre seine Qualität als Lehngut, sofern dieser Agnat seinerseits einen Lehnsfolger haben würde. Derjenige, der das Familiengut auf einem dieser drei Wege als individuelles Eigentum erhalten würde, hätte % des Verkaufspreises oder des „Lehntaxwertes“ bei Gericht zu hinterlegen. Nur % sollte dasjenige Familienmitglied gerichtlich deponieren müssen, das ein Familiengut von einem Verwandten oder von einem Dritten durch einen gemeinrechtlichen Kaufvertrag, d.h. durch einen „Allodialtitel“ erworben hätte. Mit diesem Geld wären der oder die nächstberechtigten Lehnsfolger abzufinden. Die nicht lehnsfähigen Erben eines Gutsbesitzers, dessen Gut ein Agnat oder Mitbelehnter als individuelles Eigentum erhalten würde, sollten nach den traditionellen Regeln der regionalen Lehnrechte abgefunden werden, berechnet nach der Taxe, die die Gläubigergenossenschaft für individuell besessene Güter bereits anwandte. Ein Familiengut, das ein Fremder als schwebend unwirksames Lehen besaß, würde dessen individuelles Eigentum, sofern es vor dem . Januar 88 gekauft worden war und zu diesem Zeitpunkt keine Lehnsfolger im „Lehns- und Sukzessionsregister“ verzeichnet waren, oder wenn es bei einem späteren Vertragsabschluss gleichfalls keine entsprechenden Eintragungen gegeben hätte. Ein schwebend unwirksames Lehen würde auch dann individuelles Eigentum des aktuellen Besitzers, wenn der Verkäufer des Familiengutes lehnsfähige Deszendenz gehabt, oder wenn er als Unbeerbter den Konsens des nächsten Agnaten erwirkt hätte. Würden zum Zeitpunkt der Rechtskraft des Gesetzes ein nachgeborener Deszendent des Veräußerers oder der konsentierende Agnat resp. einer seiner Deszendenten leben, müsste der fremde Erwerber % des Kauf- oder Taxwert bei Gericht deponieren. Lebten zum Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes keine nachgeborenen Lehnsfolger 0



In Altvorpommern konnte, sofern in der Linie des Besitzers oder der agnatischen Linien keine lehnsfähige Deszendenz vorhanden war, auch eine Tochter das – als Kunkellehn bezeichnete – Familiengut erhalten. Sie würden ihren Anteil als individuelles Vermögen erhalten, sofern dieser weniger als 1.000 Taler betrüge. Wäre der Anteil größer, würden ihnen lediglich die Zinsen zu freien Verfügung ausbezahlt, während ihre lehnsfähige Deszendenz diesen Anteil später als individuelles Vermögen erben würde.

0

Der Verfassungsrang des gebundenen Grundbesitzes

des Verkäufers oder des Agnaten, der konsentiert hatte, hätte der Fremde % des Kaufpreises oder des Taxwertes bei Gericht hinterlegen müssen. Laufende Verpachtungs- oder Wiederkaufsverträge, sowie Versteigerungsund Gerichtsverfahren würden von dem geplanten Gesetz nicht betroffen werden und das „beneficium taxae“ sowie das Revokationsrecht sollten für die in individuelles Eigentum umgewandelten Familiengüter nicht beansprucht werden können. Der Gesetzentwurf wurde dem Provinziallandtag Pommerns zur „Begutachtung“ übersandt. Der Ausschuss, der den . Provinziallandtag von 8 vorbereitete, hielt den Entwurf für „glücklich und präzise gefaßt“ und war zuversichtlich, dass nur „sehr wenige Ausstellungen daran zu machen sein würden, wenn sein Prinzip einmal Zustimmung gefunden haben würde“. Der Provinziallandtag formulierte nur wenige grundsätzliche Monita zu diesem Entwurf. Dort wo der Entwurf die Berechnung der Abfindungssumme alternativ nach dem Veräußerungspreis oder der Taxe der Gläubigergenossenschaft vorsah, wollte der Provinziallandtag allein den Taxwert der „Landschaft“ gelten lassen. Den §  des Entwurfs lehnte der Provinziallandtag ab, weil er ihn als einen tiefen Einschnitt in die agnatischen Rechte wertete, denn dieser Paragraph gab dem fremden Käufer das Recht, ein schwebend unwirksames Lehn in sein individuelles Eigentum umzuwandeln, selbst wenn der ehemalige Besitzer des Familiengutes keine lehnsfähige Deszendenz gehabt und er nicht den Konsens des nächsten Agnaten eingeholt hätte. Der Entwurf wollte den fremden Besitzer lediglich verpflichten, zur Abfindung der nächstberechtigten Agnaten 4% 

 



Das Depositum wäre, wie oben geschildert, an die jeweils nächstberechtigten Lehnsfolger zu verteilen gewesen. Das Gesetz sollte für jeden „Lehnsverband“ in Altvorpommern, Vorpommern sowie Hinterpommern und für jeden „Lehnsberechtigen“ gelten, welcher „bis zum Tage der Gesetzeskraft“, „oder innerhalb des 0ten Tages von diesem Zeitpunkte an geboren“ und „zugleich in die Lehns- und Successionsregister eingetragen“, oder binnen zwei Jahren nach Rechtskraft des Gesetzes dort angemeldet werden würde. Vgl. GStA PK, Rep., Tit. , Nr. 0, Bd. . Den Entwurf siehe a.a.O. und Rep. 90, Nr. . Vgl. GStA PK, Rep., Tit. , Nr. 0, Bd.  und: Schreiben des Justizministers Bernuth an den Minister des Innern, Graf v. Schwerin, vom . Oktober 8, in: Ebenda. Sein wichtigster redaktioneller Änderungsvorschlag forderte, diejenige Passage zu streichen, in der von den lehnsfähigen Töchtern der Lehnsbesitzer in Altvorpommern die Rede war. Diese – ehelich geborenen – „Erbtöchter“ konnten, wenn es in der besitzenden Familie keine lehnsfähigen Gesamthänder mehr gab, das Familiengut zwar erben, sie waren jedoch nicht lehnsfähig. Durch die pauschale Einbeziehung der Kunkellehn in dieses Gesetz blieben ihre Rechte gleichwohl bewahrt. Vgl. GStA PK, Rep., Tit. , Nr. 0, Bd. .

Vom Familienlehn zum Fideikommiss



des Kaufpreises oder des Taxwertes bei Gericht zu hinterlegen. In der späteren Vorlage für den Preußischen Landtag fehlte diese Bestimmung. Dem übergangenen Agnaten sollte gestattet werden, der Veräußerung binnen Jahresfrist nach Rechtskraft des Gesetzes zu widersprechen. Übernommen wurde auch der Wunsch des Provinziallandtages, dass der Bürgschaftsverband der Rittergutsbesitzer die Familiengüter zukünftig wie individuell besessene zu taxieren hätte – auch bei der Berechnung der Ansprüche der lehnsfähigen Familienmitglieder. Im Oktober 8 beriet eine Kommission des Herrenhauses den entsprechend revidierten Regierungsentwurf. Neben zahlreichen redaktionellen Änderungen und juristischen Präzisierungen schlug die Kommission grundsätzliche Neuerungen vor. Statt der zwingenden Umwandlung des Familienguts in individuelles Eigentum wollte die Kommission als verbindliche Alternative vorschreiben, das gebundene Eigentum entweder als Fideikommiss zu konstituieren oder in individuelles Eigentum umzuwandeln. Die Stiftung eines Fideikommiss sollte kostenfrei sein, sich ansonsten aber am Gesetz vom 0. Juni 8 orientieren, das das Prozedere für die fakultative Umwandlung von Lehngütern in Familien-Fideikommisse geregelt hatte. Die Kompensationsgelder für die Umwandlung des Familienguts in individuelles Eigentum sollten nicht mehr an die jeweils nächsten Agnaten gezahlt werden, sondern als Kapitalfonds für eine Familienstiftung dienen. Würde keine der alternativen Optionen wahrgenommen, sollte das Familiengut ungefragt und unentgeltlich in ein „Stammgut“ umgewandelt werden, auch wenn dieses weniger als .000 Taler jährlichen Reinertrag erwirtschaftete. Das „Stammgut“ sollte unveräußerlich und unteilbar sein und nicht zur individuellen Erbschaft gehören, also nicht durch Pflichtteile belastet werden, wenn der Besitzer eines solchen „Stammgutes“ von seinem Recht Gebrauch machen würde, den einzigen Nachfolger aus seiner Deszendenz, also auch einen Enkel als Nachfolger im „Stammgut“ zu bestimmen.8 Die übrigen Familienzweige sollten jedoch das tradierte Recht behalten, das Vorkaufsrecht zum Taxwert ausüben zu können, weshalb auch für „Stammgüter“ die Eintragungen ins „Lehns- und Successionsregister“ fortzuführen wären.9 Mit dieser Konzeption wollte die Kommission eine der Säulen des Herrenhauses, den „befestigten Grundbesitz“, konservieren, denn die Vererbung   8

9

Vgl. Herrenhaus, Sitzungsperiode 8–8, Drucksache Nr. 9, S. –. Vgl. Herrenhaus, Sitzungsperiode 8–8, Drucksache Nr. 8. Um das Stammgut nicht zu gefährden, wenn der Besitzer von der Testierfreiheit keinen Gebrauch machte, war alternativ die majoratische Singularsukzession vorgesehen. Herrenhaus, Sitzungsperiode 8–8, Drucksache Nr. 8, S. –0.



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des „Stammguts“ würde „gesichert“ sein und damit die Bedingung dafür erfüllt, dass der Besitzer in seinem „Landschaftsbezirk“ seine aktiven oder passiven Wahlrechte bei den Präsentationswahlen zum Herrenhaus hätte ausüben können.0 Der Vertreter des Staatsministeriums, der an den Verhandlungen der Kommission des Herrenhauses teilnahm, lehnte die Konzeption des „Stammgutes“ ab: Die Eigentumsform eines solchen „Stammgutes“ wäre im preußischen Recht unbekannt sowie im deutschen widersprüchlich und hätte oft zu rechtlichen Kontroversen geführt. Die vorgeschlagene Rechtsform des „Stammguts“ ziele auf die Erhaltung der kleinen (Lehn-)Güter ab, die den „Glanz“ der Familie nicht erhalten könnten. Das so konzipierte „Stammgut“ sei ein eigentumsrechtlicher Zwitter von Fideikommiss und Lehen und insofern unvereinbar mit dem Gesetzgebungsauftrag, wie er in der revidierten Verfassung formuliert worden war. Die Verfechter des Stammgutes hielten ihm entgegen, dass es nicht um den „Glanz“ der Familien, sondern darum ginge, die „jetzige staatsrechtliche Stellung“ der kleinen Familiengüter zu erhalten, sowie der Familie mit dem „Stammgut“ einen Mittelpunkt zu geben. Dabei käme es nicht auf die Höhe des Reinertrags an. Über diesen Entwurf der Kommission des Herrenhauses konnte wegen des Endes der Sitzungsperiode nicht mehr im Plenum debattiert werden. Im April 8 legte das Staatsministerium einen revidierten Gesetzentwurf zur Auflösung der pommerschen Lehnsverbände vor. Sie übernahm den größten Teil der redaktionellen Änderungen und der rechtlichen Präzisierungen des Entwurfes der Kommission des Herrenhauses, sowie deren Idee, mit den Abfindungsgeldern Familienstiftungen auszustatten. Die von der Kommission vorgesehene zwingende Alternative, den Lehnsverband aufzulösen oder Familien-Fideikommisse zu stiften, lehnte das Staatsministerium ebenso ab, wie das eklektische Konstrukt des „Stammguts“. Die Kommission des Herrenhauses beharrte gegen diesen revidierten Entwurf des Staatsministeriums auf ihrer ursprünglichen Konzeption. Das Ende der Sitzungsperiode des Preußischen Landtages unterbrach die weiteren Verhandlungen. Die Wiederaufnahme der Beratungen wurde in den beiden 0





Vgl. a.a.O., S. f. Die Kommission des Herrenhauses unterschlug dabei die ergänzenden Kriterien, wonach die Vererbung in männlicher Linie auf die besonderen Erbordnungen bei „Lehn, Majorat, Minorat, Seniorat, Fideikommiß [und] fideikommissarische[r] Substitution“ bezogen war. A.a.O., S. 8f. Dass die Umwandlung eines Stammguts in einen Geldstamm die Reklamierung politischer Repräsentationsrechte durch den Besitzer eines solchen Depositums hätte induzieren können, ist nicht auszuschließen. Vgl. Herrenhaus, Sitzungsperiode 8, Drucksache Nr. 8, S. –.

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folgenden Jahren abermals durch das Ende der jeweiligen Sitzungsperiode verhindert. Erst in der Sitzungsperiode von 8/ begannen die Landtagsdebatten über den neuen Entwurf des Staatministeriums, den das Ministerium jetzt jedoch zuerst im Abgeordnetenhaus beraten ließ. Zuvor hatte die Kommission des Abgeordnetenhauses es begrüßt, dass das Ministerium nicht dem Vorschlag der Kommission des Herrenhauses gefolgt war, der die zwingende Alternative vorgesehen hatte, die Familiengüter entweder in Familien-Fideikommisse oder in „Stammgüter“ umzuwandeln, sondern statt dessen ausschließlich die Auflösung der familialen Lehnsverbände anstrebte. Die Kommission des Abgeordnetenhauses ergänzte den Regierungsentwurf, indem sie vorschlug, den Agnaten das Revokationsrecht für schwebend unwirksame Lehen bis zu einem Jahr nach Gesetzeskraft einzuräumen, und dass, wenn diese verzichteten, der fremde Besitzer anschließend nicht mehr bloß berechtigt, sondern nunmehr verpflichtet sein würde, die Aufhebung des Lehnsverbandes zu beantragen. Das Abgeordnetenhaus schloss sich der Empfehlung seiner Kommission an. Das Herrenhaus war empört, dass der Gesetzentwurf zuerst dem Abgeordnetenhaus vorgelegt worden war.8 Für den Abgeordneten v. KleistRetzow widersprach diese

 

  

8

Vgl. Herrenhaus, Sitzungsperiode 8/, Drucksache Nr. , S. f und Haus der Abgeordneten, 9. Legislatur-Periode, I. Session 8, Drucksache Nr. 8, S. . Am . November 8 legte die Staatsregierung beiden Häusern des Landtages den mehrfach liegen gebliebenen Entwurf vor. Vgl. Bericht der XVII. Kommission über den Gesetz-Entwurf zur Auflösung der pommerschen Lehnsverbände, in: Haus der Abgeordneten, Drucksache Nr. , 9. Legislatur-Periode, I. Session 8, S. . A.a.O., S. 7f. Und statt der bisher vorgesehenen 2% des Wertes als Abfindung zukünftig % gerichtlich zu deponieren hätte. Vgl. a.a.O., S. –. Im Abgeordnetenhaus wandte sich lediglich der Sprecher der Nationalliberalen, Ziegler, gegen den von der Kommission revidierten Regierungsentwurf, dessen Veränderungen die Regierung inzwischen akzeptiert hatte. Ziegler befürchtete, dass der durch die Verfassung vorgegebene Gesetzgebungsauftrag, die Lehnsverbände aufzulösen, ausschließlich auf die rechtlich monströsen Familiengüter Pommerns beschränkt würde. Er zog jedoch seinen Antrag zurück, alle Familiengüter in Preußen ohne Entschädigung in individuelles Eigentum umzuwandeln. Vgl. Stenographische Berichte des Preußischen der Abgeordnetenhauses, 9. Legislatur-Periode 8–8, 8. Sitzung am . Dezember 8, S. –, hier S. ff und S. 0–. Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Preußischen Herrenhauses, Sitzungsperiode 8–8, am 9. Januar 8, S. 0.



Der Verfassungsrang des gebundenen Grundbesitzes

„Vorlage eine[r] Anzahl tiefgreifender konservativer Prinzipien […], die wir nach meiner festen Überzeugung nicht ohne schweren Schaden verletzen dürfen […]. Das erste Prinzip ist die Stellung des Herrenhauses selbst. […] Wir kommen dahin, daß wir dem Herrenhaus jede freie, selbständige Meinungsäußerung nehmen, bloß weil […], wenn wir dies oder jenes im Gesetz ändern, das andere Haus es nicht annehmen werde. Sind wir nicht eine selbständige Korporation, nicht gleichberechtigt mit dem anderen Hause? (Lebhaftes Bravo!) […] Wir sind dazu berufen unsere Meinung zur Geltung zu bringen, das weitere ist nicht unsere Sache, sondern Sache der Königlichen Staatsregierung und des Abgeordnetenhauses oder zuletzt Gottes Sache. Das zweite Prinzip ist die Bedeutung des befestigten Grundbesitzes […] Kann ein Grundbesitz den Besitzer wechseln, wie man einen Rock wechselt, kann er verkauft werden, wie eine Ware, so wird die Gesinnung des Grundbesitzers wechseln wie der Rock und käuflich werden wie die Ware. […] Das Wesen des Adels besteht darin, dem Fürsten und dem Vaterlande in treuer, hingebender Aufopferung Dienste zu leisten. Zerstören sie den befestigten Grundbesitz, führen sie gleiche Teilung zwischen Töchtern und Söhnen ein, so daß jedes Glied sein bestimmtes kleines Teil bekommt, so wird über kurz oder lang der Fall eintreten, daß die Söhne Agrikultur-Chemie, die Theorie der Verwertung des natürlichen oder künstlichen Düngers studieren, um sich in jenem Besitz zu erhalten oder als tüchtige Ökonomen wieder zu erwerben. Sie zerstören die Lehne, bald werden aber auch die Namen der lehnstragenden Familien mehr und mehr aus den Reihen der Armee und der Staatsmänner verschwinden. Sie heben den befestigten Besitz auf, aber es werden damit noch manche Institutionen ihre Freiheit verlieren, welche uns werter und heiliger sind, als wir selbst und unsere Familien. Wäre unser Adel einmütig entschlossen, das Schwert des Geistes zu führen gegen die Angriffe der Revolution auf alle Einrichtungen, welche Jahrhunderte hindurch unsere Vergangenheit getragen haben, auf welchen die Gegenwart ruht, wie vor andern das Lehnswesen – so würde es besser stehen um unsere Familien, es würde besser stehen um unser Vaterland.“9

Diese mehrfach von lebhaft zustimmenden Zwischenrufen begleitete Rede war eine Replik auf den ersten Debattenredner, v. Wedell, der es begrüßt hatte, dass die Idee der „Stammgüter“ fallengelassen worden war, und der auf zahlreiche an ihn gerichtete Zuschriften verwies, „die dahin gingen, das Gesetz, wenn es nicht anders ginge, wie es aus dem anderen Hause zu uns gekommen ist, anzunehmen“.0 Damit der Repräsentation des befestigten Grundbesitzes Pommerns nicht der Boden entzogen würde, lehnte das Herrenhaus den Vorschlag von Regierung und Abgeordnetenhaus ab, die Familiengüter Pommerns ohne Alternative in individuelles Eigentum umzuwandeln. Das Herrenhaus beharrte darauf, statt der Umwandlung der Familiengüter in individuelles Eigentum ihre Umwidmung in ein Familien-Fideikommiss 9 0

A.a.O., S. ff. A.a.O., S. .

Vom Familienlehn zum Fideikommiss



vorzuschreiben, denn es gab in Pommern nur wenige Fideikommisse, auch weil die 1856 eröffnete Möglichkeit zur fakultativen Umwandlung der Familiengüter kaum genutzt worden war. Der Präsident des Herrenhauses übersandte dem Abgeordnetenhaus einen entsprechend veränderten und in erster Lesung vom Herrenhaus verabschiedeten Entwurf mit der verklausulierten Drohung, dass dieser nur in der vorliegenden Fassung in zweiter Lesung vom Herrenhaus bestätigt werden würde. Vier Tage später stimmte das Abgeordnetenhaus jener verbindlichen Alternative zu, lehnte jedoch die Forderung des Herrenhauses ab, dass ein Familiengut, welches entsprechend dem vorliegenden Gesetz in individuelles Eigentum umgewandelt worden war, auch noch Jahre später – zu den erleichterten und preiswerten Bedingungen des Gesetzes von 8 – in ein Fideikommiss umgewidmet werden könnte. Am . Februar nahm das Herrenhaus diesen Änderungsvorschlag und damit den revidierten Gesetzentwurf ohne Diskussion an. Das Gesetz wurde am . März 8 verkündet und mit dem . März 89 rechtskräftig. Innerhalb dieser Frist konnte ein Familiengut noch freiwillig in ein Fideikommiss nach den Vorschriften des Gesetzes von 8 umgewandelt werden. Damit war zunächst für Pommern der allgemeine Gesetzgebungsauftrag der Verfassung von 1848, die Lehnsverbände aufzulösen, nach 21 Jahren realisiert worden. Für die Familiengüter Brandenburgs dauerte die Umsetzung dieses Gesetzgebungsauftrages  Jahre. Zunächst wurde versucht, das 8 abgemilderte Auflösungsgebot zu unterlaufen. Im April 1856 bat das Herrenhaus die Staatsregierung, sie möge ein Gesetz vorbereiten, wodurch zum einem „die Einführung fideikommissarischer Successions-Ordnungen“ ermöglicht und wodurch zum zweiten „die Verwandlung der Lehn in Fideikommisse nach der Analogie der für die Pommerschen Lehn vom Herrenhause am 4. März 1856 beantragten Bestimmungen […] erleichtert“ werden würde. Zusätzlich plädierte das Herrenhaus dafür, dass der Entwurf vor der Beratung in „beiden Häusern des Landtages der Monarchie“  

  



A.a.O., S. 9. Vgl. Herrenhaus, Sitzungsperiode 8–8, Drucksache Nr. , S. f und Stenographische Berichte des Preußischen der Abgeordnetenhauses, 9. LegislaturPeriode 8–8, 8. Sitzung am . Dezember 8, S. 09f. Vgl. Herrenhaus, Sitzungsperiode 8–8, Drucksache Nr. 0. Vgl. Herrenhaus, Sitzungsperiode 8–8, Drucksache Nr. . Vgl. Herrenhaus, Sitzungsperiode 8–8, Drucksache Nr. 9 und: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Preußischen Herrenhauses, Sitzungsperiode 8–8, Einundzwanzigste Sitzung am . Februar 8, S. 8. Vgl. GStA PK, Rep. 89, Nr. 08 und Gesetz-Sammlung, 8, S. –.



Der Verfassungsrang des gebundenen Grundbesitzes

dem Provinzial-Landtag Brandenburgs zur „Anhörung“ vorgelegt werden möge. Nachdem im Juni 8 das Gesetz zur erleichterten Umwandlung der pommerschen Lehen in Fideikomisse und im März 8 ein entsprechendes für die ostpreußischen und die ermländischen Lehen verabschiedet worden waren,8 traten diejenigen Mitglieder des Herrenhauses, „welche als Besitzer Märkischer Lehen bei der Angelegenheit besonders interessiert“ waren, zu einer privaten „Konferenz“ zusammen und schlugen dem Justizminister ein analoges Gesetz für die märkischen Lehen vor.9 Der Justizminister und der Minister des Inneren übermittelten ein halbes Jahr später dem Staatsministerium einen Entwurf, der jedoch von den Vorschlägen jener Privatversammlung märkischer Herrenhausmitglieder abwich.0 Der Entwurf der Minister, den das Staatsministerium übernahm, schrieb für die fakultative Umwandlung in ein Fideikommiss dieselben Bestimmungen zum Mindestwert vor, wie die bereits verabschiedeten Gesetze und beließ es ebenso bei der vorläufigen Bestimmung, dass dieser Wert nach den „landesüblichen“ Kriterien zu ermitteln sei. Wie in den bereits geltenden Gesetzen für Pommern und für Ostpreußen sollte auch der Besitzer eines märkischen Familiengutes dieses autonom in ein Fideikommiss für seine Deszendenz umwandeln können, wobei die alten Sukzessionsrechte nach dem Erlöschen seines Familienzweiges wieder aufleben würden. Während eine Umwandlung für alle Agnaten und Mitbelehnten in Ostpreußen und dem Ermland an den Konsens „zweier Anwarter“ und in Pommern an den Konsens der „eingetragenen Häupter der vorhandenen Lehnslinien“ gebunden war, sollte bei märkischen Lehngütern die Zustimmung „sämtlicher, beim Hypothekenbuche eingetragenen Anwarter“ notwendig werden. Diesen Entwurf beriet fünf Jahre später der . ProvinzialLandtag der Mark Brandenburg und des Markgrafentums Niederlausitz von 8. Damit auch kleinere Familiengüter umgewandelt werden könnten, 

8 9 0



Siehe Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Preußischen Herrenhauses, Sitzungsperiode von 8–8, . Sitzung am 0. April 8, S. 0 und: Schreiben des Präsidenten des Herrenhauses an den Ministerpräsidenten vom 0. April 8, in GStA PK, Rep. 90, Nr. 80. Vgl. Gesetz-Sammlung, 8, S. f und 8, S. 9f. Siehe Schreiben des Justizministers Simons vom 8. August 8, in: GStA PK, Rep. 90, Nr. 80; vgl. auch: 8a, Nr. , Bl. 9v. Der Entwurf in: GStA PK, Rep. 8, Nr. , Bl. 8 und die Motive in: A.a.O., Bl. 9–; zu der Abweichung siehe Bl. . Vgl. auch GStA PK, Rep. , Tit. , Nr. 8, Bd. . Zu den Gründen für den fünfjährigen Abstand zwischen dem . Provinziallandtag von 8 und dem . von 8, sowie die rasche Folge des . von 8 siehe Friedrich Beck, Die brandenburgischen Provinzialstände 8–8/, in:

Vom Familienlehn zum Fideikommiss



wollte der Provinziallandtag die Bestimmungen über den jährlichen Mindestreinertrag des Fideikommiss von .000 Talern, wovon dem jeweiligen Besitzer mindestens .000 Taler hätten verbleiben müssen, ersatzlos gestrichen wissen. Würde diese Bestimmung dennoch ins Gesetz übernommen werden, sollte es gestattet werden, dass mehrere kleinere, nicht zusammenhängende Güter rechtlich als ein Fideikommiss konstituiert werden dürften. Würde ein Familiengut in ein Fideikommiss umgewandelt, sollte die Zustimmung der beiden nächsten Seitenverwandten des Stifters genügen. Diejenigen Familiengüter, die den Mindestreinertrag nicht erzielten und nicht in einen Güterkomplex zusammengeführt würden, sollten weiterhin lehnrechtlich gebunden bleiben. Der Oberpräsident der Provinz Brandenburg, der Justizminister und das Staatsministerium lehnten die Änderungsvorschläge des Provinziallandtages ab. Die Regierung legte daraufhin dem Herrenhaus einen Entwurf vor, der sich, außer in einigen Nuancen, von ihrem ersten Entwurf aus dem Jahre 8 sachlich nur insofern unterschied, als er den Wunsch des Provinziallandtags aufnahm, dass auch mehrere kleinere Güter in ein Fideikommiss umgewandelt werden dürften, wenn diese zusammen mindestens einen jährlichen Reinertrag von .000 Talern aufweisen und dem Besitzer davon .000 Taler zur freien Verfügung bleiben würden. Die Kommission des Herrenhauses, die die Vorlage für das Plenum vorbereitete, übernahm diesen Vorschlag, schlug jedoch – neben einigen geringfügigen Änderungen – eine neue Definition des Kreises der Zustimmungspflichtigen vor. Die Kommission wollte nicht einsehen, warum der agnatischen Deszendenz beim Umwandlungskonsens mehr Rechte zustehen sollten, als der Deszendenz des Besitzers, Rechte, die die agnatische Deszendenz verlieren würde, wenn ihr Vater oder Großvater als Agnat in das Familien-Fideikommiss sukzedieren und dadurch zum Besitzer werden würde. Deshalb sollten diejenigen Agnaten, deren Väter noch lebten, bei der Umwandlung nicht mehr am Konsens teilnehmen und somit der Deszendenz des Besitzers gleichgestellt werden. Auch sollte die Umwandlung – statt für den ganzen Familienzweig – auch für nur eine oder mehrere der dem

  

Geschichte der Brandenburgischen Landtage. Von den Anfängen 8 bis in die Gegenwart, hrsg. von Kurt Adamy und Kristina Hübener, (= Brandenburgische Historische Studien, Bd. ), Potsdam 998, S. –80, hier S. ff. Vgl. Auszug aus dem Protokoll des . Provinzial-Landtags für die Mark Brandenburg und das Markgrafenthum Niederlausitz, in: BLHA, Rep. , Nr. , Bl. 0f. Vgl. GStA PK, Rep. 8a, Nr. , Bl. 09f, Bl. 0– und Bl. –. Vgl. Herrenhaus, Sitzungsperiode 8–8, Drucksache Nr. , S.  und S. 8 und S. 0.

8

Der Verfassungsrang des gebundenen Grundbesitzes

Stifter „am nächsten stehenden Linien“ erlaubt sein. Am 9. März 8 folgte das Herrenhaus den Vorschlägen seiner Kommission. Die Staatsregierung unterbrach das weitere legislatorische Prozedere, weil die Ablehnung durch das Abgeordnetenhaus sicher schien, denn die Justizkommission des Abgeordnetenhauses hatte im Oktober 8 einen Antrag zur endgültigen Auflösung der familialen Lehnsverbände in der Mark Brandenburg angeregt.8 Da in der zeitgleich geführten Debatte eines entsprechenden Gesetzentwurfes für Pommern die Positionen beider Häuser des Preußischen Landtages unvereinbar waren,9 sollte eine doppelte Blockade vermieden und der Ausgang der weiteren Debatte über die Auflösung der pommerschen Lehnsverbände abgewartet werden.0 Wenige Monate nachdem im März 8 die pommerschen Familien vor die Alternative gestellt worden waren, die „Lehnsverbände“ aufzulösen oder kompensatorische Fideikommisse zu gründen, befragte das Innenministerium den Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg zum Plan eines entsprechenden Gesetzes für märkische Familiengüter. Die gleiche Anfrage wurde an den Oberpräsidenten der Provinz Sachsen gerichtet, da in den Landkreisen des sächsischen Regierungsbezirks Magdeburg Güter lagen, die nach märkischer Eigentumsordnung vinkuliert waren. Der Oberpräsident der Provinz Brandenburg und – mit Ausnahme des Genthiner – alle Landräte des Regierungsbezirks Magdeburg verneinten die „Bedürfnisfrage“. In seiner Zusammenfassung der Gutachten der einzelnen Landräte ließ der Oberpräsident Sachsens das Argument im abweichenden Votum des Genthiner Landrats zwar gelten, wonach die lehnrechtliche Bindung für die Verschuldung der Familiengüter und damit für die Gefährdung des Familieneigentums verantwortlich sei. Er plädierte aber für eine erleichterte Umwandlung in Fideikommisse und gegen die Umwandlung der Familiengüter in individuelles Eigentum, ohne jedoch das abweichende Votum des   

8 9 0 

Vgl. a.a.O., S. 9. Vgl. Haus der Abgeordneten, . Legislatur-Periode, II. Session 8, Drucksache Nr. 88. Noch im Juli 8 schlug der Oberpräsident der Provinz Brandenburg vor, solange mit der Fortsetzung dieses Verfahrens zu warten, bis neue Mehrheitsverhältnisse im Abgeordnetenhaus die Annahme des Entwurfes garantieren würden. Vgl. Haus der Abgeordneten, Sitzungsperiode 8–8, Drucksache Nr. 0. Vgl. Herrenhaus, Sitzungsperiode 8–8, Drucksache Nr. 8. Vgl. Schreiben des Justiz- und des Innenministers an das Staatsministerium vom 8. Oktober 8, in: GStA PK, Rep. 8a, Nr. , Bl. 99f. Vgl. Schreiben des Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg vom . Juli 8 und des Regierungspräsidenten von Magdeburg vom . September 8, in: GStA PK, Rep. , Tit. , Nr. 8, Bd. .

Vom Familienlehn zum Fideikommiss

9

Genthiner Landrats zu erwähnen, der vorgeschlagen hatte, die in Pommern geltende Regelung für die märkischen Güter analog zu übernehmen. Die drei Oberlandesgerichte wurden ebenfalls aufgefordert, Gutachten über die Auflösung der Lehnsverbände einzureichen. Im Vorspann zum Gutachten des Magdeburger Appellationsgerichtes lehnte sein Präsident, v. Gerlach, die Auflösung der Lehnsverbände ab. Er bevorzugte Argumente, die außerhalb der Rechtsmaterie lagen: Der Rekurs auf die Verfassung von 80 sei nicht zwingend, da auch andere von ihr vorgesehene Gesetzgebungsaufträge noch nicht eingelöst worden seien. Auch gäbe es in seinem Gerichtsbezirk keinerlei Beschwerden und also auch keinen Handlungsbedarf. Im Gegenteil, „die überwiegende Mehrzahl der Lehnsberechtigten [würde] auf die Erhaltung des Lehnsverbandes großen Wert legen“. Es läge außerhalb des Staatszwecks, nur aus „rechtstheoretischen“ Überlegungen heraus zu handeln, vor allem dann, wenn die „gleichberechtigte Hälfte“ der „Landesvertretung“ auf dem befestigten Grundbesitz basiere. Das Oberlandesgericht Frankfurt bemühte sich, dem komplizierten Auftrag gerecht zu werden, veraltete Rechtsverhältnisse den neuen Erfordernissen anzupassen, ohne dem System der erworbenen (Lehn-)Rechte Gewalt anzutun: „Die Beseitigung eines Rechts-Instituts, welches Jahrhunderte hindurch – nicht in kleinen Kreisen bestanden, sondern alle Verhältnisse durchdrungen und belebt hat, kann, so tief es auch im Laufe der Zeit in Siechthum hineingerathen, niemals bewirkt werden, ohne daß Rechte einzelner Personen aufgehoben oder geschwächt werden. Die Gesetzgebung am Anfange dieses Jahrhunderts, welche neue Lebenskeime in unsere bürgerlichen, staatlichen und wirthschaftlichen Verhältnisse einführte, hat vielfach diesen Weg betreten müssen. […] Dagegen wird dem für jeden Act der Gesetzgebung soweit als möglich zu erfordernden Principe der Billigkeit und der Schonung der Rechte Einzelner entsprochen werden und die Härte, welche in Aufstellung jenes Grundsatzes gefunden werden könnte, gemildert erscheinen, wenn für die aufgehobenen Rechte eine angemessene Entschädigung vermittelt und den Berechtigten zugewiesen wird, wozu gerade bei den Märkischen Lehngütern im Allgemeinen die Erwägung führen muß, daß den Successionsberechtigten die gesammte Hand und also ein Miteigenthumsverhältnis zum Grunde liegt. Eine Entschädigungspflicht desjenigen, in dessen Hand die Befreiung des Lehnguts von den Beschränkungen durch agnatische und mitbelehnschaftliche Rechte sich vollzieht, wird auch dadurch gerechtfertigt, daß er allein […] erhebliche Vorteile erlangt – nicht nur in dem Rechte der freien Verfügung unter Lebenden und von Todeswegen, sondern namentlich bei Grundstücken auch durch  

Vgl. das Schreiben des Genthiner Landrats vom . September 8, in: GStA PK, Rep. , Tit. , Nr. 8, Bd. . Vgl. GStA PK, Rep. 8a, Nr. , Bl. –.

0

Der Verfassungsrang des gebundenen Grundbesitzes

die Möglichkeit erhöhter Nutzbarmachung und durch die unzweifelhaft eintretende Werthsteigerung des Objekts. […] Bevor wir zur näheren Erörterung der Frage übergehen: […] wie für die aufgehobenen Rechte Entschädigung zu gewähren sein möchte, bemerken wir noch […], daß wir die Herbeiführung eines Familienschlusses über die Allodification […] zwischen dem Lehnsbesitzer und den bei dem Hypothekenbuche angemeldeten Agnaten und Mitbelehnten für unausführbar erachten. Einem derartigen Vorgehen würde sofort entgegenzusetzen sein, was denn geschehen solle, wenn der eine oder andere Successionsberechtigte der Aufhebung seiner Rechte widerspricht oder seine Zustimmung an unerfüllbare Bedingungen knüpft. Das Betreten dieses Weges würde den Lehnsbesitzer, welcher das Lehngut zu allodialem Eigenthum erwerben will, der Willkür der übrigen Lehnsinteressenten Preis geben oder aber leicht zu vergeblichen, in Hinblick auf den Endzweck des Gesetzes völlig nutzlosen Verhandlungen führen.“

Das Oberlandesgericht Frankfurt plädierte deshalb dafür, dass die Auflösung des Lehnsverbandes allein gesetzlich zu verordnen sei. Die Staatsregierung schloss sich dieser Konzeption an, die auch vom Magdeburger Oberlandesgericht vertreten wurde, das sich trotz seiner prinzipiellen Skepsis detailliert zu dem Projekt geäußert hatte. Wie das in Pommern bereits geltende Gesetz sah der für Brandenburg konzipierte Regierungsentwurf vor, dass die Gesamte Hand eines Familiengutes als aufgelöst gelten sollte, wenn kein „Lehnberechtigter“ im „Lehnsund Successionsregister“ eingetragen, oder der aktuelle Besitzer der einzig noch Lebende des Agnatenverbandes wäre. Abfindungsansprüche würden unter diesen Voraussetzungen nicht entstehen und sein Besitzer könne die Löschung der Lehnsqualität im Hypothekenbuch beantragen. Seine Eigenschaft als lehnrechtlich gebundenes Familieneigentum sollte ein Rittergut dann verlieren, wenn der Besitzer einen lehnsfähigen Deszendenten haben würde, selbst wenn dieser erst binnen 0 Tagen nach Gültigkeit des Gesetzes geboren würde. Hätte der Besitzer keine lehnsfähige Deszendenz, ginge das Gut an den nächsten ehelich geborenen Agnaten und verlöre seine Eigenschaft als Familiengut, wenn dieser seinerseits einen

 



Vgl. Gutachten des Appellationsgericht Frankfurt, in: GStA PK, Rep. 8a, Nr, , Bl. –, hier Bl. 9f. Allein das Berliner Kammergericht hatte empfohlen, die Auflösung von einem Familienschluss aller genealogisch vermittelten „Lehnsinteressenten“ abhängig zu machen und bei Uneinigkeit ein Schiedsgericht entscheiden zu lassen. Vgl. Entwurf eines Gesetzes betreffend die Auflösung des Lehns-Verbandes in Ansehung der nach dem Lehnrecht der Kurmark, Altmark und Neumark zu beurtheilenden Lehn, in: GStA PK, Rep. , S. –, hier S. . Wie auch jeder andere, in dessen Hand das Familiengut seine Lehnsqualität verlieren würde.

Vom Familienlehn zum Fideikommiss



ehelich geborenen Erben haben würde. Derjenige, „in dessen Händen“ das Gut die tradierte eigentumsrechtliche Bindung verlieren würde, sollte die Wahl haben, das Gut – gegen eine Abfindung von 5% des Taxwertes der Gläubigergenossenschaft – in individuelles Eigentum, oder binnen vier Jahren „in ein Fideikommiß für die zum Lehn berechtigte Familie“ umzuwandeln, mithin nicht nur für seine Deszendenz.8 Das Fideikommiss sollte auch aus mehreren kleinen Gütern gebildet werden können, deren jährlicher Reinertrag insgesamt mindestens .000 Taler betragen und dem Besitzer wenigstens .000 Taler als individuelles Einkommen gewähren müsste. Wählte der Besitzer eines lehnrechtlich entbundenen Gutes keine der beiden Optionen, würde das Gut sein individuelles Eigentum. Würden die eingetragenen Lehnsberechtigten sich nicht über die Verteilung der Abfindungssumme einigen, sollte diese an eine Familienstiftung überwiesen werden. Familiengüter, die an Dritte erblich veräußert worden waren, verlören ihre Lehnseigenschaft, wenn der Verkäufer resp. seine Deszendenz oder der einwilligende Agnat resp. dessen Deszendenz noch am Leben wären. Die Abfindungssumme von 5% des Taxwertes wäre bei Gericht zu deponieren. Laufende Verpachtungs- oder Wiederkaufsverträge, sowie Versteigerungs- und Gerichtsverfahren würden von dem geplanten Gesetz nicht betroffen werden. 9 Der 18. Proviziallandtag von 1871 reagierte ebenso empört wie trotzig auf den Gesetzentwurf und lehnte ihn mit 8 zu  Stimmen ab. Die Mehrheit der Abgeordneten monierte, dass der 8 vom Provinziallandtag einstimmig veränderte Regierungsentwurf, den das Herrenhaus anschließend gebilligt hatte, dem widerstrebenden Abgeordnetenhaus nicht vorgelegt worden war. Diese Unterlassung habe die „Gerechtigkeit“ verletzt,0 denn den pommerschen Familien hatte mehr als zehn Jahre lang die freiwillige Umwandlung in Fideikommisse offen gestanden, während der vorliegende 

8

9

0

Die nicht lehnsfähigen Erben eines Gutsbesitzers, dessen Gut an einen Agnaten oder Mitbelehnten ginge, sollten nach den traditionellen lehnrechtlichen Regeln abgefunden werden, berechnet nach der Taxe, welche die Gläubigergenossenschaft für individuell besessene Güter bereits anwandte. Derjenige, auf dessen Initiative das Familiengut in ein Fideikommiss umgewandelt werden würde, wäre zugleich auch dessen erster Besitzer und damit an die fideikommissarischen Regeln gebunden. Vgl. Entwurf eines Gesetzes betreffend die Auflösung des Lehns-Verbandes in Ansehung der nach dem Lehnrecht der Kurmark, Altmark und Neumark zu beurtheilenden Lehn, (künftig zitiert: Entwurf für die Mark), in: GStA PK, Rep. , S. –, hier S. . Vgl. Gutachten des 8. Provinzial-Landtags für die Mark Brandenburg und das Markgrafenthum Niederlausitz vom . Juli 8, in: BLHA Rep. , Nr. , Bl. –88, hier Bl. 8.



Der Verfassungsrang des gebundenen Grundbesitzes

Entwurf den Brandenburgern hierfür nur eine vierjährige Frist einräume, wenn sie das angedrohte „Zwangsverfahren“ zur Allodifikation ihrer Familiengüter vermeiden wollten. Der Provinziallandtag bestritt vehement, dass die märkischen Familiengüter durch den von der Verfassungsänderung vorgegebenen Gesetzgebungsauftrag betroffen wären. Dieser ziele lediglich auf die gesetzliche Auflösung des „Lehns-Verbandes“ ab. Seit 1717 aber gäbe es in der Mark keinen solchen mehr, denn der Begriff „LehnsVerband“ sei nur auf das lehnsherrlich-vasallitische Verhältnis anzuwenden. Unter Berufung auf ein – in den Quellen nicht aufgefundenes – internes Schreiben des Kammergerichts an den Justizminister reklamierten sie für ihre Familiengüter den „Charakter von Familien-Fideikommisse[n]“, die sich von den Fideikommissen im engeren Sinne nur darin unterschieden, dass sie teilbar waren. Auch sei das „Zwangsverfahren“ nicht mit der Lehnsassekuration von  vereinbar, die den mit Lehngütern angesessenen Familien „freie Hand“ gelassen hatte, sich eigene „Verfassungen“ zu geben. Das Musterstatut für die familialen „Verfassungen“ sei in den anschließenden Verhandlungen zwischen der königlichen Kommission und den Ritterschaften formuliert und durch die kurmärkische und die neumärkische Lehnskonstitution von  resp.  verbindlich geworden. „Der Rechtszustand dieser Güter ist ein vollkommen geordneter, gesicherter und erkennbarer. Eine Rechtsunsicherheit in den Besitzverhältnissen, wie bei den frei veräußerlichen und verschuldbaren Pommerschen […] hat zu keiner Zeit stattgefunden. […] … nationalökonomisch liegt ebensowenig ausreichende Veranlassung vor, den gebundenen Besitz in der Mark aufzugeben. Der Culturzustand der sogenannten märkischen Lehngüter ist in Folge der denselben von den Familien seit Jahrhunderten zugewandten Pflege ein vorzüglicher, die ländliche Bevölkerung auf denselben, seit Jahrhunderten mit dem Grund und Boden und den besitzenden Familien verwachsen, befindet sich in einer günstigeren Lage als auf den, wiederholtem Besitzwechsel und der Spekulation unterworfenen Allodialgütern und ist deshalb zufriedener.“

Es wäre zu kurz gegriffen, dieses schöngefärbte Sittengemälde als das Pfeifen im Walde zu werten, mit dem das Gespenst der Umwandlung von Familieneigentum in individuelles vertrieben werden sollte, denn auch ohne 





Vgl. Entwurf für die Mark, S.  und: Beschluss des 8. Provinzial-Landtags für die Mark Brandenburg und das Markgrafenthum Niederlausitz vom . Juli 8, in: BLHA Rep. , Nr. , Bl. –88, hier Bl. 8v. Den Vorschlag des vorbereitenden Ausschusses, diese Frist auf  Jahre festzusetzen, lehnte das Plenum ab. Vgl. a.a.O., Bl. 0, Bl.  und Bl. 8f. Vgl. Gutachten des 8. Provinzial-Landtags für die Mark Brandenburg und das Markgrafenthum Niederlausitz vom . Juli 8, in: BLHA Rep. , Nr. , Bl. –88, hier Bl. 8 und Bl. 8. Vgl. a.a.O., Bl. 8–80.



Vom Familienlehn zum Fideikommiss

das Gesetz waren nur noch % der adligen Güter lehnrechtlich gebunden, 0% galten als individuelles Eigentum und % hatten den Status eines Fideikommissgutes. Die Verteilung der drei Eigentumsformen im märkischen Adel Eigentumsform

Familien

Güter

Nur Allodialgüter

 = 0%)

0 = % der adligen Rittergüter

Nur Lehngüter

 (,%)

 = 8% der Lehngüter

Nur Fideikommissgüter

0 (%)

 = % der adligen Fideikommisse

Fideikommiss- + Allodialgüter davon: Fideikommiss Allod Lehn- + Fideikommiss- + Allodialgüter davon: Lehngüter Fideikommiss Allod

0 (%)

 = % der adligen Rittergüter  = % der adligen Fideikommisse 8 = % der Allodialgüter des Adels

 (8%)

8 = 9% aller adligen Rittergüter  = 8% der Lehngüter 9 = 9% der adligen Fideikommisse  = % der Allodialgüter des Adels

Das abweichende Votum der – unzureichenden – Mehrheit des Provinziallandtags, die freiwillige Umwandlung der Lehngüter in Fideikommisse nicht an eine Frist und nur an den Konsens der beiden nächsten Agnaten zu knüpfen, diente weniger den Interessen „des“ Adels oder „der“ Familien, sondern den Interessen der Agnaten einer spezifischen Minderheit adliger Familien. Diese Minderheit von  (9%) aller Familien besaß – zu un





Ohne diejenigen lehnrechtlich gebundenen Familiengüter die – zu welchem Besitztitel auch immer – in der Hand Fremder waren. Ausgenommen auch das eine Seniorat und die 9 Güter jener  standesherrlichen oder freiherrlichen oder gräflichen Familien, die das Recht zur autonomen Regelung ihrer familialen Eigentumsverhältnisse hatten. Zusammengestellt aus: Rauer, Handmatrikel, S. –9. Die geringe Diskrepanz bei den adligen Gütern im Vergleich zu den Angaben auf S. 9f der Handmatrikel, die für die Tabelle über die Repräsentation der Rittergüter im Herrenhaus verwendet wurden (s.o. S. ), konnte nicht aufgeklärt werden. Um deren Interessen zu kaschieren, sprach der Beschluss relativierend von den „sogenannten agnatischen Rechten“: „Die sogenannten agnatischen Rechte an diesen Gütern sind so wohl geordnete, von den Familien gepflegte, dem Publikum erkennbar, sie enthalten so umfassende wirkliche Vermögenswerte, dass ohne eine gewaltsame Beeinträchtigung derselben eine Auflösung derselben unmöglich



Der Verfassungsrang des gebundenen Grundbesitzes

terschiedlichen Eigentumsrechten – 9% aller Rittergüter. % davon waren Lehngüter, die einen Anteil von % aller lehnrechtlich gebundenen Güter ausmachten. Diese Familien verfügten über ein größeres materielles und genealogisches Potential, die lehnrechtlich gebundenen Familiengüter zu erhalten oder die ihrer Seitenverwandten an sich zu bringen bzw. Fideikommisse zu stiften, als es in jenen  Familien (,%) vermutet werden kann, die ausschließlich Lehngüter hatten und zusammen nur  aller Lehngüter (8%) besaßen. Die Konzentration der verbleibenden Lehngüter in der Hand dieser wenigen, aber weit verzweigten Familien erklärt, weshalb in den Debatten zur Reform der adligen Eigentumsrechte auf den verschiedenen Provinziallandtagen die Interessen der solventen Agnaten betont wurden.

ist.“ Vgl. Gutachten des 8. Provinzial-Landtags für die Mark Brandenburg und das Markgrafenthum Niederlausitz vom . Juli 8, in: BLHA Rep. , Nr. , Bl. –88, hier Bl. 9.



Vom Familienlehn zum Fideikommiss Eigentumsformen und Anzahl der Güter je Familie Familien







0

davon hatten:

n.v.

nur Lehn

Lehn + Fidei + Allod

nur Fidei8 Fidei + n.v.

 Gut

0



0

0

 Güter





0







0

















































8











9





0















 v. d. Hagen



 



 v. Wedell





 v. Redern



2 v. Kröcher/ v. Solms



 v. Rohr

8

 v. Schwerin



 v. Jagow



 v. Winterfeld



 v. Schulenburg



 v. Rochow

9

 v. Bredow



 v. Arnim

Güter insgesamt

0



8





Legende: n.v. nur Lehn Lehn u.a. nur Fidei Fidei + n.v. 

8

Familien mit nicht vinkulierten Rittergütern. Familien, deren Rittergüter ausschließlich lehnrechtlich vinkuliert waren. Familien, die neben Familienlehen noch Fideikommisse und eigentumsrechtlich nicht gebundene Güter besaßen Familien, die ausschließlich fideikommissarisch gebundene Rittergüter besaßen Familien, die fideikommissarisch und eigentumsrechtlich nicht gebundene Rittergüter besaßen.

Ohne das eine Seniorat und ohne die Rittergüter der Freiherren, Grafen oder Standesherren, die das Recht zur autonomen Regelung ihrer Eigentumsformen wahrnahmen. Davon wurden 8 (8%) nach der majoratischen Erbfolge vererbt.



Der Verfassungsrang des gebundenen Grundbesitzes

Die beiden Ministerien, die für die Vorbereitung der Gesetzentwürfe zur Umwandlung der lehnrechtlich gebundenen Familiengüter zuständig waren, reagierten unterschiedlich auf den Beschluss des Provinziallandtages. Der Innenminister, Graf v. Eulenburg, der den Regierungsentwurf gegengezeichnet hatte, unterstützte im Nachhinein das Votum der Landtagsminderheit,9 die dafür plädiert hatte, den Familien  Jahre Zeit zu geben, ihre Güter in Familien-Fideikommisse umzuwandeln. Die Fristverlängerung sollte die Ablösung der hypothekarischen Schulden ermöglichen und dadurch die Umwandlung erleichtern.0 Erst wenn während der Frist von  Jahren keine Umwandlung in ein Fideikommiss erfolgen würde, sollte die lehnrechtliche Bindung der Güter erlöschen. Erst dann könne der individuelle Besitzer binnen vier Jahren sein Gut oder Güterkomplex in ein Fideikommiss für sich und seine Deszendenz oder auch weiterer Familienzweige umwandeln, sofern jener Mindestreinertrag nachgewiesen werden würde. Geschähe dies nicht, würde das Gut individuelles Eigentum, wie zuvor alle kleineren, ehemals lehnrechtlich gebundenen Güter oder Güterkomplexe. Der bürgerliche Justizminister, Bernuth, lehnte sowohl den Beschluss der – unzureichenden – Mehrheit des Provinziallandtags ab, zu dessen früheren Beschluss von 8 zurückzukehren, als auch jenen Antrag der Minderheit, da der jetzige Regierungsentwurf die baldige Auflösung des „Lehnsverbandes“ vorgesehen hatte. Bernuth teilte dem Innenminister Graf Eulenburg mit, er würde der „Staatsregierung“ abraten, „der Landesvertretung eine nach diesem Antrage modifizierte Gesetzesvorlage zur Beschlußfassung [vorzulegen], welche […] dem Wortlaute und dem Sinne der Verfassungs-Urkunde“ widerspreche. Er kündigte an, seine Bedenken dem Staatsministerium „in einem besonderen Votum“ darzulegen, falls Graf Eulenburg an seiner Position festhalten würde. Dieser wies drei Wochen später in seinem „Rückvotum“ darauf hin, dass das Minderheitsvotum 9 0



 

Vgl. Die Wiedergabe seiner Position im Votum des Justizministers vom . November 8, in: GStA PK, Rep. , Tit. , Nr. 8, Bd. . Würde die Umwandlung nur für den Besitzer und seine Deszendenz angestrebt, hätte dies ohne agnatischen Konsens geschehen können. Nach dem Erlöschen dieses Familienzweiges würden die agnatischen Rechte wieder aufleben. Sollte sich die Umwandlung auf die Gesamte Hand beziehen, würde hierzu die Zustimmung der beiden nächsten Agnaten genügen. Vgl. Gutachten des 8. Provinzial-Landtags für die Mark Brandenburg und das Markgrafenthum Niederlausitz vom . Juli 8, in: BLHA Rep. , Nr. , Bl. –88, hier Bl. 8. Vgl. Votum des Justizministers vom . November 8, in: GStA PK, Rep. , Tit. , Nr. 8, Bd. . Graf Eulenburg legitimierte sein Plädoyer für das Minderheitsvotum damit, dass der Mehrheitsbeschluss des Landtages nicht mit der erforderlichen Mehrheit von

Vom Familienlehn zum Fideikommiss



eine bloße Fristverlängerung beinhalte, die dem Gesetzgebungsauftrag der Verfassung nicht entgegen stünde, aber den „Wünschen der unmittelbar Beteiligten thunlichst Rechnung […] tragen“ und die Zustimmung des Herrenhauses finden würde, wobei jene vorgeschaltete Frist von 21 Jahren auch auf drei oder vier Jahre verkürzt werden könnte. In seiner Antwort an den Innenminister Graf v. Eulenburg wies der Justizminister darauf hin, dass er nicht nur diese Frist für verfassungswidrig erachte, sondern auch den Vorschlag, dass der Besitzer das Familiengut, vorbehaltlich der ruhenden agnatischen Sukzessionsrechte, in ein Fideikommiss umwandeln dürfe. Dadurch würden die agnatischen Rechte lediglich suspendiert und nach dem Erlöschen das besitzenden Zweiges wieder aufleben und mit ihnen der Agnatenverband. Der Gesetzgebungsauftrag aber habe dessen Auflösung verlangt. Dies könne allein durch die vorbehaltlose Umwandlung in ein Fideikommiss oder in individuelles Eigentum geschehen. Der Justizminister konnte sich mit diesem Einwand nicht durchsetzen. Auch das Votum der Minderheit des Provinziallandtages, eine Übergangsfrist einzuführen, die, einer Anregung des Innenministers folgend, auf vier Jahre verkürzt werden sollte, wurde in den Regierungsentwurf und in das spätere Gesetz übernommen. Übernommen wurde auch der Vorschlag des Provinziallandtags, dass ein Familiengut erst dann in individuelles Eigentum oder in ein Fideikommiss für den besitzenden Familienzweig umgewandelt werden könne, wenn nicht nur der Besitzer einen Deszendenten haben würde, sondern auch die abgefundenen – nicht abgeschichteten! – Mitbesitzer. Würde ein ehemaliges Familiengut in individuelles Eigentum umgewandelt werden, sollten 0% des schuldenfreien Werts des

  

zwei Dritteln der Stimmen gefasst worden war, und daher – nach der „ausdrücklichen Vorschrift der ständischen Verfassung“ – sowohl das Votum der einfachen Mehrheit, als auch das der Minderheit in „Erwägung“ zu ziehen seien. Vgl. das Rückvotum des Innenministers vom 0. November 8, in: GStA PK, Rep. , Tit. , Nr. 8, Bd. . Vgl. das Rückvotum des Innenministers vom 0. November 8, a.a.O. Schreiben des Justizministers an den Innenminister vom . April 8, a.a.O. Falls – mit Zustimmung der beiden nächsten Agnaten – in der Übergangsfrist kein Fideikommiss für die ganze Familie gestiftet worden wäre. Vgl. Gutachten des 8. Provinzial-Landtags für die Mark Brandenburg und das Markgrafenthum Niederlausitz vom . Juli 8, in: BLHA Rep. , Nr. , Bl. –88, hier Bl. 8v und Rückvotum des Innenministers vom 0. November 8, in: GStA PK, Rep. , Tit. , Nr. 8, Bd. , sowie § 8 des Entwurfs und des Gesetzes, siehe Herrenhaus, Sitzungsperiode 8, Drucksache Nr.  und: Gesetz, betreffend die Auflösung des Lehnsverbandes der nach dem Lehnrecht der Kurmark, Altmark und Neumark zu beurteilenden Lehne, vom . Juli 8, in: Gesetz-Sammlung, 8, S. –.

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Der Verfassungsrang des gebundenen Grundbesitzes

ehemaligen Lehnguts entweder einvernehmlich unter den Agnaten aufgeteilt oder zur Ausstattung einer Familienstiftung verwendet werden. Gegen die Umwandlung derjenigen Familiengüter in individuelles Eigentum, die nicht fideikommissarisch gebunden würden, wurde als letztes Argument die märkische Erbregelung für individuelles Eigentum ins Feld geführt, die diese Güter der Realteilung unterwarf, wodurch die unendliche Zerstückelung ehemaliger Familiengüter drohte. Denn nach der seit 1527 geltenden Güterordnung stand der Witwe – neben dem Vermögen aus der Ehestiftung – die Hälfte der „liegenden Gründe“ und der „fahrenden Habe“ zu,8 während die verbleibende Erbmasse unter den gleichberechtigten Kindern – Söhne und Töchter – zu verteilen war. Dieser Einwand konnte den legislatorischen Prozess jedoch nicht mehr aufhalten.9 Am 30. November 1874 ermächtigte der König das Staatsministerium, den Entwurf dem Preußischen Landtag vorzulegen. Da die parlamentarischen Schlachten um die Aufhebung der lehnrechtlichen Bindung adliger Familiengüter mit dem pommerschen Gesetz bereits geschlagen waren, wurde das „Gesetz, betreffend die Auflösung des Lehnsverbandes der nach dem Lehnrecht der Kurmark, Altmark und Neumark zu beurteilenden Lehne“ noch in derselben Sitzungsperiode von beiden Kammern verabschiedet und am . Juli 8 verkündet.80 88 machte der Rechtsanwalt beim Kammergericht, Carl Seger, auf die gesetzlichen Lücken und sachlichen Schwierigkeiten bei der Administration der Umwandlungsgesetze aufmerksam, weshalb viele ehemals lehnrechtlich gebundene Familiengüter auch nach Ablauf der vorgegebenen Fristen noch immer nicht in individuelles Eigentum umgewandelt 

8 9

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Vgl. § , § 8 und §  des Entwurfs, siehe Herrenhaus, Sitzungsperiode 8, Drucksache Nr. 5, sowie § 2, § 18 und § 23 in: Gesetz, betreffend die Auflösung des Lehnsverbandes der nach dem Lehnrecht der Kurmark, Altmark und Neumark zu beurteilenden Lehne, vom . Juli 8, in: Gesetz-Sammlung, 8, S. – . Diese Erbregel war  in der „Constitutio Joachimca“ niedergelegt worden. Vgl. CCM, Teil , Abt. , Sp. 9–8, hier Sp. f. Vgl. das Votum des Justizministers vom . März 8, in: GStA PK, Rep. , Tit. , Nr. 8, Bd. , Bl. a–c, hier Bl. c; das Votum des Innenministers vom . April 8, in: GStA PK, Rep. 8a, Nr. , Bl. 9ff, hier Bl. 0; Bericht des Staatsministeriums an Seine Majestät vom . November 8, in: GStA PK, Rep. 90, Nr. 8 und Herrenhaus, Sitzungsperiode 8, Drucksache Nr. , S. . Siehe Gesetz-Sammlung, 8, S. –. Ihm folgten 8 die analogen Gesetze für Westfalen und für Schlesien, 8 die für Ostpreußen und Sachsen und für die nach dem ALR zu beurteilenden lehnrechtlich gebundenen Familiengüter in Westfalen und der Rheinprovinz. Vgl. Gesetz-Sammlung, 8, S. – und S. 8–; Gesetz-Sammlung, 8, S. 0–0 und S. –0.

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Vom Familienlehn zum Fideikommiss

oder als Familien-Fideikommiss konstituiert worden waren. Er wies darauf hin, dass das Gesetz die Agnaten lediglich verpflichtete, ihre Rechte beim zuständigen Appellationsgericht anzumelden, ohne dass auf die Grundbuchordnung verwiesen worden war. Die Grundbuchordnung knüpfte die eigentumsrechtliche Umwidmung an die vorausgehende Eintragung der persönlichen Miteigentumsrechte, was jedoch nur mit Zustimmung des Besitzers geschehen konnte und oft zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führte.8 Mit der Eintragung der persönlichen Berechtigungen aber begannen erst die Schwierigkeiten bei der Administration der Umwandlungsgesetze. Denn die Verschachtelung der gebundenen und der individuellen Gutsanteile, sowie die oft auf Lehnstämme gestützten Berechtigungen oder Anwartschaften mussten häufig mit jahrhundertealten Familienverträgen, Stammbäumen, Auszügen aus Land- und Sukzessionsbüchern sowie Grundbuchakten, gerichtlichen Deposita und Pfandbriefen nachgewiesen werden. Die Berichte des Kammergerichts, das für die Mittelmark, die Uckermark und die Prignitz als Lehnhof zuständig war, lassen die Schwierigkeiten erahnen, die die Administration der Gesetze zur eigentumsrechtlichen Umwandlung der Familiengüter bereitete. Danach waren von 90 bis 90 zwischen 09 und 8 „Lehnsverfahren“ beim Kammergericht anhängig.8 In einem Fall dauerte die Umwandlung eines Familienguts in individuelles Eigentum mehr als sieben Jahre.8 anhängig

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abgeschlossen Neuzugänge



Zwischen 8 und 9 wurden in der Provinz Brandenburg lediglich  Familiengüter alten Rechts in Familien-Fideikommisse umgewandelt, in Pommern waren es . In den ersten drei Jahrzehnten, die auf die provinzialen Umwandlungsgesetze folgten, war die Anzahl der Umwandlungen in Fideikommisse jeweils am höchsten. 8

8 8

Vgl. Carl Seger, Das Gesetz betreffend die Auflösung des Lehns-Verbandes der nach dem Lehnrecht der Kurmark, Altmark und Neumark zu beurtheilenden Lehne vom . Juli 8, Berlin 88, S. . GStA PK, Rep.8a, Nr. , Bl. . Vgl. a.a.O., Bl. 8ff und GStA PK, Rep. 8a, Nr. , Bl. .

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Der Verfassungsrang des gebundenen Grundbesitzes

Fideikommisse in Brandenburg und Pommern, Art und Zeit ihrer Gründung8 Brandenburg aus Allod aus Lehn

Pommern aus Allod aus Lehn

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9



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Prozentualer Anteil der umgewandelten Lehngüter an den Neugründungen von Fideikommissen Brandenburg 8–80

Pommern %

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8–880

%

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%

%

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Von den 90 vorhandenen Fideikommissen in Preußen waren .% durch Umwandlung ehemaliger Lehngüter entstanden.8 Zur Umwandlung lehnrechtlich gebundener Güter in individuelles Eigentum konnten für die gesamte Provinz Brandenburg keine Angaben gefunden werden. Der Lehnhof für die Mittelmark, die Uckermark und die Prignitz verzeichnete 88 nur für ein Familiengut die Umwandlung in individuelles Eigentum, während gleichzeitig vier als Familien-Fideikommiss vinkuliert wurden. 888 war die Relation eins zu sechs.8 Später überwog die Umwandlung in individuelles Eigentum. Während zwischen 90 und 90 die „Lehnscurie“ der Mittelmark, der Uckermark und der 8 8 8

8

Vgl. GStA PK, Rep. 8a, Nr. . In Brandenburg keine Umwandlung. Vgl. GStA PK, Rep. 8a, Nr.  und: Die Fideikommisse in Preussen am Ende des Jahres 90. Im amtlichen Auftrage bearbeitet von Dr. F. Kühnert, Sonderdruck aus der Zeitschrift des Königlich Preußischen Statistischen Landesamts, Jahrgang 90, Berlin 90, S. . Vgl. GStA PK, Rep. 8a, Nr. , Bl. 0–09 und Bl. ff.

Vom Familienlehn zum Fideikommiss



Priegnitz für 9 Familiengüter das „Lehnsverfahren“ abschloss, wurden zwischen 90 und 90 in der gesamten Provinz Brandenburg lediglich zwei Familiengüter alten Rechts in Fideikommisse umgewandelt. In Pommern, wo nur die Häupter der „Lehnslinien“ am Umwandlungsbeschluss beteiligt werden mussten, wurden zwischen 8 und 8 von den 558 lehnrechtlich gebundenen Vermögen – Lehngütern und geldlichen Lehnstämmen –  als individuelles Eigentum aufgelassen und  Grundoder Geld-Fideikommisse konstituiert. 8 wurden von den verbleibenden  Eigentumsbindungen  aufgehoben und nur  als Fideikommiss vinkuliert.88 Noch 90 schien der „Zeitpunkt, in dem nach Durchführung der Allodifikationen die Tätigkeit des Kammergerichtes als Lehnhof abgeschlossen werden kann, […] noch nicht absehbar“,89 denn bei den Fideikommissen, die aus umgewandelten Familiengut alten Rechts gebildet worden waren, lebten die lehnrechtlich vermittelten Sukzessionsrechte aus der Gesamten Hand wieder auf, wenn der letzte Besitzer keine erbberechtigte Deszendenz hinterließ.90 So auch nach dem Auflösungsgebot für Fideikommisse, wie es der Artikel  der Reichsverfassung vom . August 99 vorgeschrieben hatte. 9 wandten sich, unter Berufung auf das Gesetz von 1875 über die Auflösung der Lehnsverbände in der Kurmark, Altmark und Neumark, Angehörige der Familie v. Alvensleben an das Appellationsgericht Magdeburg. Ihr lehnrechtlicher Familienstreit wurde jedoch noch vor der Verhandlung durch einen außergerichtlichen Vergleich beigelegt.9 88

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Vgl. Neue Stettiner Zeitung, Abend-Ausgabe vom Montag, den 0. August 8, Nr. 8, in: GStA PK, Rep. 8a, Nr. 9. Wie die adligen Eigentumsrechte und deren Reform die Veränderung Besitzverhältnisse im Adel beienflussten, ist auch mit Hilfe der neueren differenzierten Analysen Buchsteiners und Schillers nicht zu erschließen. Vgl. Ilona Buchsteiner, Besitzkontinuität, Besitzwechsel und Besitzverlust in den Gutswirtschaften Pommerns 89–90, in: Heinz Reif, (Hrsg.), Ostelbische Agrargesellschaft im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. Agrarkrise – junkerliche Interessenpolitik – Modernisierungsstrategien, Berlin 99, S. –0; dies., Pommerscher Adel im Wandel des 9. Jahrhunderts, in: Geschichte und Gesellschaft, . Jg., Heft , 999, S. – und René Schiller, Großgrundbesitz, S. 90–. Dort auch eine Momentaufnahme für die Zeit vor der Aufhebung der Agnatenverbände, vgl. S. 9– 99. GStA, Rep.8a, Nr. , Bl. . In diesem Zusammenhang gewann das vom Adel anfangs boykottierte Heroldsamt an Bedeutung. Vgl. Harald von Kalm, Das preußische Heroldsamt (8–90). Adelsbehörde und Adelsrecht in der preußischen Verfassungsentwicklung, (= Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, ), Berlin 99. Vgl. GStA, Rep.8a, Nr. , Bl. ff.

Zusammenfassung

Mit der Aufhebung der lehnsherrlich-vasallitischen Verhältnisse wurden der Besitzer eines Ritterguts und seine lehnsfähigen Agnaten von gesamthänderischen Eigentümern des Nutzungsrechtes zu gesamthänderischen Eigentümern der Substanz der ehemaligen Lehnrittergüter. Die Erbrechte der Angehörigen des besitzenden Familienzweiges schmälerten jedoch das gesamthänderische Eigentum des Agnatenverbandes. Der widersprüchliche Kompromiss zwischen den Erbansprüchen des besitzenden Familienzweiges und den Eigentumsrechten des gesamthänderischen Agnatenverbandes wurde 8/ unter maßgeblicher Mitwirkung der märkischen Ritterschaften formuliert: Zum einen bedrohten die Versorgungs-, Abfindungs- und Erbansprüche der Angehörigen des besitzenden Familienzweigs das gesamthänderische Familieneigentum, zum anderen bargen die agnatischen Mitsprache- sowie Rückforderungsrechte, die eine Überschuldung oder den Verlust der Familiengüter vermeiden sollten, unberechenbare Konfliktpotentiale, sowohl innerfamilial, als auch in den Außenverhältnissen. Die Eigentumsordnung konnte nicht garantieren, dass sich unter den männlichen Seitenverwandten, die zur Übernahme eines gefährdeten Familienguts berechtigt waren, ein Agnat befinden würde, der in der Lage gewesen wäre, ein gefährdetes Gut zu sanieren. Da die wirtschaftlichen Potenziale der ehemaligen Lehnrittergüter längst nicht ausgeschöpft waren, glaubten die Zeitgenossen, die Widersprüche der adligen Eigentumsordnung ausbalancieren zu können. Die Erhöhung der Rendite durch Ausdehnung und Intensivierung der Gutswirtschaft hätte jedoch mit dem anwachsenden Familien-Stammbaum Schritt halten müssen, gleichgültig, ob die Wertschöpfung aus dem eigentumsrechtlich gebundenen oder den allodialen Anteilen des Rittergutes erwirtschaftet worden wäre. Der erste Versuch, die märkische Eigentumsordnung zu revidieren, sah 0 vor, diejenigen Belastungen des Familiengutes zu begrenzen und zu reduzieren, die mit den Ausgaben des besitzenden Zweiges für Hochzeiten,



Zusammenfassung

Verlöbnisse, Trauerrituale und für die Studien sowie Kavalierstouren der Söhne verbunden waren. Die Naturalteilung kleinerer Güter sollte prinzipiell verboten und die der größeren eingeschränkt werden. Um zu vermeiden, dass sich der brüderliche Miterbe, der seinen Anteil nicht „in natura“ erhielt, seine Ansprüche am väterlichen Gut verzinsen ließ und somit zum Familienrentner würde, sollte mit seinem Abfindungsanspruch der Kauf eines neuen Gutes finanziert werden. Dadurch aber wären die vom jeweiligen Erbgang verursachten Hauptbelastungen des Familiengutes nicht gesenkt worden; denn das größere Ausgangsgut wäre mit der Kaufsumme des Filialgutes hypothekarisch belastet, und das Problem nur auf die nächsten Generationen verlagert worden. Ähnliche, immer wieder zu beobachtende Verschiebungen verschatten die spätere Ideologie von der Selbstverpflichtung des Adels zu nachhaltigem Handeln. Anders als der erste wollte der zweite – ebenfalls gescheiterte – Revisionsversuch von  das Recht der lehnsfähigen Erben kleiner Güter, ihren Anteil am Gut „in natura“ zu übernehmen, nicht einschränken. Um den Besitzern von Familiengütern den Beitritt zur geplanten Gläubigergenossenschaft zu erleichtern und um ihre Dispositionsfreiheit zu vergrößern, wurde erstmals vorgeschlagen, den Personenkreis und den Geltungsbereich des agnatischen Konsenses einzuschränken. Doch auch hierüber konnten sich die Ritterschaften nicht einigen. Der – wiederum vergebliche – Revisionsversuch von 8 wollte die Belastung der Güter durch die Ansprüche der Mitglieder des besitzenden Familienzweiges stärker reduzieren als der Entwurf von 0. Dieser letzte Versuch, die adlige Eigentumsordnung unter der Mitwirkung der Ritterschaften zu revidieren, sah die Unteilbarkeit der Familiengüter im Erbfall vor. Gäbe es in einer Familie keine eigene Sukzessionsordnung, sollte der Besitzer bestimmen können, welcher seiner Söhne der alleinige Gutserbe werden solle. Um die generationsübergreifende Dauerbelastung des Gutes zu verringern, sollte die Witwe auf die Liquidierung ihrer Ansprüche verzichten und stattdessen eine Leibrente mit dem Zweifachen des üblichen Zinssatzes wählen können. Die Ansprüche einer Tochter sollten in keinem Fall ausgezahlt sondern ihr lediglich auf Lebenszeit verzinst werden. Die Verrentung der Ansprüche der Witwe und der Töchter wäre zugleich mit ihrem vollständigen Schutz vor den Folgen eines erbschaftlichen Liquidationsprozesses verbunden worden. Der Besitzer sollte zusätzlich verpflichtet werden, jährlich einen Teil seines Gewinns zur Tilgung der Familienschulden zu verwenden. Da diese Konzeption – in den Augen vieler Deputierter – zwar das Familiengut hätte schützen können, nicht aber den männlichen Angehörigen des besitzenden Zweiges den Status als Rittergutsbesitzer garantiert hätte, wurde der Entwurf insgesamt abgelehnt. Das

Zusammenfassung



Teilungsverbot für Familiengüter war jedoch von nun an Bestandteil aller weiteren Reformpläne. Der Entwurf von 800, den adlige Berater formulierten, die zwar ständisch legitimiert, nicht aber an ein Mandat gebunden waren, wollte ebenfalls die Belastungen der Familiengüter durch die Ansprüche der Mitglieder des besitzenden Familienzweiges verringern. Zum anderen sollte der Besitzer von der Verpflichtung befreit werden, für familial bedingte Schulden und für kreditfinanzierte Investitionen den Konsens der Agnaten beibringen zu müssen. Als Kompensation erhielten diejenigen Agnaten, die vor einer Veräußerung des Familiengutes nicht befragt worden waren, das Recht, analog zur Eigentumsordnung Hinterpommerns, das Gut noch dreißig Jahre nachdem sie oder ihre Deszendenten zu Sukzession gelangen würden, zurückfordern zu können. Würde der besitzende Familienzweig keine besondere Sukzessionsordnung haben, sollte der Besitzer ermächtigt werden, seinen Nachfolger zu benennen. Auch wäre er nicht mehr an die 1723 festgelegten Quoten für Abfindungen seiner übrigen Erben gebunden. Der erbberechtigte Deszendent sollte verpflichtet werden, entweder das Gut und den individuellen Nachlass zusammen anzunehmen oder auf beide zu verzichten, womit einer seiner Brüder oder einer der Agnaten den Vorgriff hätte erhalten können. Bevorzugten die adligen Berater mit diesem Vorschlag die solventen Brüder oder Agnaten, so schützten die allgemeinrechtlichen Regelungen des ALR dagegen den besitzenden Familienzweig. Denn es hatte festgelegt, dass derjenige Abkömmling, der Familiengut und individuelles Erbe nicht insgesamt ausschlagen wollte, nur das Familiengut hätte annehmen können. Er wäre dann zwar auch für diejenigen individuellen Schulden haftbar gewesen, die aus dem allodialen Nachlass nicht beglichen werden konnten; diese Verbindlichkeiten des Erblassers hätten jedoch nur aus den zukünftigen Einkünften des Familiengutes bedient werden müssen, vorbehaltlich der Kosten für den „notdürftigen“ Lebensunterhalt des Erben und seiner Nachkommen. Diese hätten folglich das Gut und die mit ihm verbunden Rechte behalten, auch wenn sie zeitweilig nicht mit der vollen Rendite hätten rechnen können. In den provinzialständischen Beratungen der letzten – ebenfalls vergeblichen – Entwürfe zur Revision der märkischen Eigentumsordnung wurde erstmals der besondere rechtliche Charakter der Familiengüter diskutiert, die bis dahin fast ausnahmslos als „Lehn“ oder „Familienlehn“ bezeichnet worden waren. Die Staatsregierung schloss sich der Konzeption des Entwurfs für die Altmark an, wonach die Familie seit  nicht mehr nur das Nutzungsrecht am Rittergut als gesamthänderisches Eigentum besaß, sondern das Rittergut selbst, ebenfalls erblich und zur Gesamten Hand. Folglich waren die männlichen Deszendenten des nutzungsberechtigten



Zusammenfassung

Besitzers Miteigentümer am Familiengut und besaßen schon zu Lebzeiten ihres Aszendenten alle gesamthänderische Rechte und hätten die gleichen Vor- und Rückkaufsrechte ausüben können wie die Agnaten. Mit der Aufnahme der Söhne des Nutzungsberechtigten in die Gesamte Hand sollte zugleich die Einschränkung der Mitspracherechte aller Angehörigen der Gesamten Hand einhergehen. Um alle Hindernisse für die Assoziierung im Bürgschaftsverband zu beseitigen, sollte der Nutzungsberechtigte bei kreditfinanzierten – familialen oder betriebswirtschaftlichen – Dispositionen nicht mehr den Konsens der Gesamthänder einholen müssen. Nur bei fremdfinanzierten Neuerwerbungen und für eine hypothekarische Absicherung individueller Schulden sollte der Besitzer an den Konsens der Gesamthänder gebunden bleiben. Diese Konzeption der Altmärker und der Regierungskommission wollte die operativen Möglichkeiten des Besitzers vergrößern. Die Gleichstellung seiner Deszendenz mit den Agnaten begünstigte die besitzende (Klein-)Familie gegenüber dem größeren Familienzweig bzw. dem Geschlecht, deren Vorkaufs-, Rückkaufs- und Sukzessionsrechte jedoch erhalten bleiben sollten. Wie sich die Realisierung dieses Entwurfes auf die materiellen Besitzverhältnisse des märkischen Adels ausgewirkt hätte, kann nicht einmal spekulativ angedeutet werden, da zugleich die Berechnungskriterien für die unterschiedlichen Erbansprüche der Geschwister revidiert werden sollten. Für den Adel Hinterpommerns hatte sich durch die Aufhebung der lehnsherrlich-vasallitischen Verhältnisse eigentumsrechtlich nichts geändert. Der Besitzer eines Familiengutes, der ehelich geborene männliche Nachkommen hatte, konnte nach wie vor schalten und walten, wie er wollte, nur frei testieren durfte er weiterhin nicht. Auch in Pommern setzte die Hoffnung, die Realansprüche – der eventuell anwachsenden Anzahl – von Deszendenten durch Wechsel auf die Zukunft bedienen zu können, auf eine tendenziell steigende Rendite der Familiengüter, sei sie wirtschaftlich, erbschaftlich oder heiratspolitisch induziert. Vor allem die Steigerung der Rendite sollte die – zum Teil nachhaltigen – Belastungen durch die Naturalteilungen und die Abfindungen oder Abschichtungen kompensieren helfen. Die Aufhebung des lehnsherrlich-vasallitischen Verhältnisses erhöhte weder die Preise der Familiengüter, noch vergrößerte sie deren Kreditrahmen, denn nach wie vor besaß ein fremder Käufer das Gut nur für einen nicht vorhersehbaren Zeitraum. Für Gläubiger blieb das Risiko, ihre Realansprüche bei einem Konkurs teilweise oder vollständig zu verlieren, weiterhin unkalkulierbar. Noch vor den provinzialständischen Verhandlungen über eine umfassende Reform des hinterpommerschen Lehnrechts bannte für innerfamiliale Transaktionen ein Einzelgesetz das Gespenst des unbekannten Agnaten, der bei Geschäften mit Dritten gewohnheits-

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rechtlich längst schon hatte ausgeschlossen werden können. Erst dadurch konnte der Besitzer eines Familiengutes Pfandbriefe bei der provinzialen Gläubigergenossenschaft beantragen. In den provinzialständischen Beratungen zur Reform der Eigentumsordnung des pommerschen Adels wurde der Vorschlag des Gesetzgebers angenommen, die veraltete Lehntaxe durch die differenziertere und höhere Bewertung der Gläubigergenossenschaft zu ersetzen. Dadurch wäre zwar der Kreditrahmen des Besitzers vergrößert, gleichzeitig wären aber auch die Ansprüche nahezu aller Hinterbliebenen erhöht worden. Durch die geplante fakultative Umwandlung der Ansprüche der Witwe und die verbindliche Umwandlung der Ansprüche der unverheirateten Töchter in Leibrenten, hätten diese – je nach Lebensspanne – zu Gunsten des Familiengutes Geld verloren, während das Familiengut nicht in jedem Fall entlastet worden wäre. Der Provinziallandtag wie der Gesetzgeber wollten die Ansprüche der Witwe und der Töchter, aber auch die von unverhofft auftauchenden Agnaten durch einen „Lehnstamm“ finanzieren, der aus dem Vermögen des Gutes zu stiften gewesen wäre. Die Pläne des Gesetzgebers, das Familiengut durch die Beibehaltung des Vorkaufsrechts bei Versteigerungen zu schützen, und gleichzeitig den Agnaten zu verbieten, das Gut durch die Wahrnehmung bürgerlicher Rechte in ihr individuelles Eigentum zu verwandeln, lehnte der Provinziallandtag mit einfacher Mehrheit ab. Den Adel an der Reform seiner Eigentumsordnung zu beteiligen, war aus mehreren Gründen gescheitert. In der Mark, weil die Kreisritterschaften wegen ihrer – bis zur Auflösung des landschaftlichen Kreditwerks im Jahre 80 bestehenden – Garantie für die landesherrlichen Schulden daran festhielten, Korporationen zu sein, deren Entscheidungen nicht durch die Versammlungen ihrer Deputierten, die in der Regel Landräte waren, zur Disposition gestellt werden könnten. Diese Blockade ist jedoch nicht allein mit regionaler Borniertheit oder korporativer Unbeweglichkeit zu erklären. Die Reformversuche scheiterten auch daran, dass die mit Standschaftsrechten ausgestatteten Besitzer der Familiengüter nicht in die Rechte der Gesamten Hand ihrer Familie eingreifen konnten, denn die Gesamte Hand kannte keine Repräsentation, und es gab mehr Agnaten als Rittergüter. Auch befanden sich die Besitzer, wie ihre männlichen Seitenverwandten, in einem Labyrinth von widersprüchlichen Interessen. In der Mark wie in Pommern hatte jeder Besitzer eines Familiengutes agnatische Rechte und Ansprüche an einem oder mehreren anderen Familiengütern. Manche Einschränkung, die ihm die Eigentumsordnung als Besitzer auferlegte, konnte zugleich eine agnatische Option in einem anderen Familiengut sein. Er, wie auch die Agnaten, die keinen unmittelbaren Besitz hatten, konnten hoffen, in der genealogischen Lotterie ein Familiengut zu gewinnen, oder durch die

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Zusammenfassung

Wahrnehmung ihrer privilegierten Vor- und Rückkaufsrechte zu erwerben. Das in den adligen Eigentumsordnungen formulierte Konglomerat gesamthänderischer, familialer und individueller Zielkonflikte, konnte in kleinen Familien mit ausreichendem Besitz entschärft werden, generell jedoch nur durch die Mitwirkung politischer Vertretungsorgane, deren Mitglieder ein freies Mandat hatten. Auch nachdem einzelne Eigentumsrechte desAdels durch allgemeine und spezielle Gesetze modifiziert worden waren, blieb der materielle Konflikt zwischen „der“ Familie, ihren späteren Verzweigungen und deren einzelnen Angehörigen bestehen. Solange Hypotheken auf Familiengüter als sichere Geldanlagen galten, und die familialen Realansprüche hypothekarisch gesichert waren, konnte eine umsichtige Kredit- und Refinanzierungspolitik des Besitzers helfen, die Substanz des Rittergutes und den Status der besitzenden Familie zu erhalten, zumal die verordnete Obergrenze der hypothekarischen Verschuldung auf den halben, wie die Festsetzung des Mindestgebots bei Zwangsversteigerungen auf zwei Drittel ihres Wertes die prekäre Perspektive der Familiengüter verlängerte. Durch die späteren Bürgschaftsverbände wurde die Hoffnung institutionalisiert, die mitunter ruinösen Folgen der Kündigung privater Hypothekenkredite vermeiden zu können. Die Kreditfinanzierung durch die Pfandbriefe der Bürgschaftsverbände konnte jedoch nicht verhindern, dass Gläubiger anderer Schuldtitel mit der Einforderung ihrer Kredite den Konkurs über das Gesamtvermögen des Gutsbesitzers und damit über das Familiengut herbeiführten. Auch waren Familienrenten, die durch Pfandbriefe fundiert waren, nur dann sicher, wenn der Kurswert der – frei verkäuflichen – Pfandbriefe mindestens so hoch war wie ihr Nennwert, was oft nicht der Fall war. In der kriegsbedingten finanzwirtschaftlichen Krise von 80/0, als die Pfandbriefe, die der Bürgschaftsverband zum Nennwert einlösen musste, nicht mehr refinanziert werden konnten, war die Gläubigergenossenschaft insgesamt gefährdet. Für den Zusammenbruch dieses – aber nicht nur dieses – transpersonal vermittelten Geldverkehrs wurden gleichwohl moralisch verantwortliche Personen(gruppen) gesucht und in den „Spekulanten“ sowie im „Juden“ gefunden. Vor dem Hintergrund der drohenden Anwendung des allgemeinrechtlichen ALR formulierten Angehörige der adligen Eliten neue provinziale Eigentumsordnungen, die geringere Konfliktpotenziale enthielten als die älteren Entwürfe, die in den ständischen Organen zur Debatte gestanden hatten. Diese provinzialrechtlichen Neuansätze wurden durch die Napoleonischen Kriege unterbrochen und durch die Preußischen Reformen schließlich hinfällig. Der Vorschlag der interimistischen Nationalrepräsentation, die Familiengüter alten Rechts in individuelles Eigentum umzuwandeln und die Auflösung von Familien-Fideikommissen zu erleichtern, um so die

Zusammenfassung

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Preußischen Reformen zu komplettieren, scheiterte daran, dass die Regierung es ablehnte, erworbene Eigentumsrechte zu beschneiden und den mit prekärem Rittergutsbesitz ausgestatteten Adel materiell, eigentumsrechtlich und in der Konsequenz auch politisch zu egalisieren. Auch hätte die Reform des adligen Eigentumsrechts eine Adelsreform präjudiziert, die bis 88 ein Desiderat blieb und danach auf das Legitimierungsgesetz zum Herrenhaus reduziert wurde, ohne damit die Diskussionen um eine „Adelsreform“ zu beenden. Nachdem die friedrizianische Rechtsreform die sachliche und die legislatorische Trennung der provinzialen von den allgemeinen Rechten vollzogen hatte, konnte der Gesetzgeber – auch ohne die Revision der provinzialen Eigentumsordnungen des Adels abwarten zu müssen – allgemeine adlige Eigentumsrechte durch Einzelgesetze revidieren, frei von den alten konstitutionellen Friktionen. Einige dieser Einzelgesetze beseitigten manche durch die Gesamte Hand bedingte Blockade und ermöglichten es den Besitzern von Familiengütern, den durch die Reformgesetze beschleunigten Übergang von der traditionellen Gutswirtschaft zum kapitalistischen Betrieb auch für die eigentumsrechtlich gebundenen Rittergüter zu vollziehen. Andere Einzelgesetze erhöhten die Kreditsicherheit und damit den Gläubigerschutz. Keines schränkte jedoch die agnatischen Sukzessionsrechte ein. Die vom Gesetzgeber erleichterte Möglichkeit, die Familiengüter alten Rechts in Fideikommisse umzuwandeln, um die weitere Erosion der adligen Besitzstände zu einzudämmen, wurde jedoch kaum genutzt, weil die Singularsukzession nicht der Tradition des ostelbischen Adels entsprach. 88 wurden – wie 80 – die Vorbereitungen zu den umfassenden Reformen der adligen Eigentumsrechte zu Makulatur. 88 schien das Ende des gebundenen Eigentums gekommen zu sein. Dem durch die Konstitution geschwächten König gelang es jedoch, seine Konzeption durchzusetzen, Monarchie wie „Staatsschiff“ durch einen eigentumsrechtlich befestigten Adel zu stabilisieren. In der Reaktionsära konnte Friedrich Wilhelm IV. die Erste Kammer in ein Herrenhaus umwandeln, das mehrheitlich aus adligen Repräsentanten mit gebundenem Eigentum gebildet wurde. Widerwillig stimmten König und Herrenhaus anschließend der durch Ministerialbürokratie und das Abgeordnetenhaus geforderten gesetzlichen Alternative zu, die Familiengüter alten Rechts entweder in individuelles Eigentum oder in Familien-Fideikommisse umzuwandeln. Dadurch wurde der Rest des ehemals „lehnrechtlich“ gebundenen Grundeigentums des Adels schließlich als Familien-Fideikommiss konserviert, bis die Reichsverfassung von 99 erneut einen Gesetzgebungsauftrag zur Auflösung der Familien-Fideikommisse formulierte.

Verzeichnis der zitierten Quellen und Literatur

Ungedruckte Quellen – Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam (BLHA) Rep. A, Kurmärkische Stände Rep. B, Neumärkische Stände Rep. A, Märkische Landschaft – Generalia – Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (GStA PK) Rep.  Brandenburgische Städte, Ämter und Kreise Rep.  Ritterschaft Rep. 66 Allodifikation der Lehen Rep.  Staatskanzleiamt, IX Stände Rep.  Ministerium des Innern Tit. 0 Landesrepräsentanten Tit.  Landes-Repräsentation, Sitzungsprotokolle, I. Reihe Tit.  Landes-Repräsentation, Sitzungsprotokolle, II. Reihe Tit.  Landes-Repräsentation, Sitzungsprotokolle, III. Reihe Tit. 8 Grunderwerb Tit. 88 Ständische Repräsentation Tit. 89 Ständische Verfassung Tit.  Akten der Königl. Immediatkommission Tit.  Lehnssachen Gen. Rep. 80 Staatsrat Rep. 8 Justizministerium zur Revision der Gesetzgebung Rep. 8a Justizministerium Rep. 8b Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Rep. 90 Staatsministerium Rep. 00 Hausministerium Rep. 0 Ministerium für Handel und Gewerbe

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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Sachregister

Abfindung/Abgefundener Mark 29, 34, 36, 38f., 42, 46–49, 52, 70f., 73, 91f., 132, 135, 138, 148, 153f., 165f., 179, 187, 247f., 253, 267, 273f. Pommern 20, 111f., 155, 196, 199, 203, 209, 219, 249f., 252f., 276 Abgeschichteter allg. 143 Mark 29, 38, 43, 48, 50, 52, 95f., 164, 267 Pommern 111, 209, 212, 216, 276 Adelsreform 12, 17, 155, 279 Agnaten, allg. 11, 150f., 154, 164ff. Mark 20, 24, 33–38, 40ff., 46f., 49, 52ff., 56ff., 61f., 68, 72, 75f., 88 91–98, 100f., 103, 140, 143, 152, 173–180, 183–186, 188–191, 256f., 259ff., 263f., 266–269, 271, 273–276 Pommern 110f., 113–119, 121ff., 133, 140, 143, 147, 151, 196f., 199–206, 208ff., 212ff., 215, 218f., 222f., 224, 228, 234, 240f., 243, 246, 248–251, 253, 256, 277, 279 Ostpreußen 147, 149, 256 Agrarreform 14, 105, 147f., 156, 158, 169, 194, 220, 230, 278f. Alimentierung Mark 71f., 92 Pommern 111ff., 197f. Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten (ALR) 14f., 75, 81–87, 90, 92ff., 97f., 104f. Allodifikation der Lehnrittergüter/Familiengüter 9, 11f., 16f., 20, 23–26, 77, 108,

110. 117, 120, 123, 142f., 145, 155, 164f., 175, 180f., 260, 262, 271 Amortisation 142f. Assoziationsgarantie 130, 134 Aszendent Mark 92f., 173, 175, 182f., 276 Aussteuer der Töchter Mark 33, 36, 40, 42, 51f., 68, 70, 74, 91f., 179 Pommern 110, 112f., 197, 199, 209, 211, 219, 248 Autonomie, eigentumsrechtliche des Adels 15, 94, 174f., 178f., 205, 207, 227, 256, 263, 265 Beneficium taxae Altmark 186 Pommern 114, 117ff., 121, 133, 186, 200ff., 213, 219, 222ff., 250 Brautschatz (Pommern) 112 Bürgschaftsverband der Rittergutsbesitzer 44, 52f., 55f., 59, 60–70, 72f., 85, 93, 99, 101f., 118, 130f., 132f. 135ff., 138f., 141f., 146, 150f., 178, 185f., 189f., 199f., 212, 219, 221f., 225, 249ff., 261, 274, 276ff. Constitutio Joachimca (1527) 71, 83, 268 Corpus Juris Fridericianum 117 Corpus, ritterschaftlicher 13 Deputierte(ntage) ritterschaftliche Mark 23, 25–33, 35, 41, 44, 49, 53–68, 70, 72f., 75ff., 183, 187

Sachregister Pommern 107, 109ff., 114f. provinzialständische Mark 171f., 175, 182 Pommern 194, 199f., 208ff., 212, 215, 242f., 246, 249f., 251, 271 Reformzeit 142, 146–149, 158ff., 162f., 165, 194 Deszendenz allg. 9f., 14f., 20, 24, 43, 46, 49, 50, 110f., 114, 134, 165, 173ff., 178f., 180, 186, 187, 196, 198ff., 202f., 218, 275f. männliche/lehnsfähige Mark 9ff., 40, 42, 46, 73, 91–95, 101, 173, 175, 178, 181, 183, 185f., 190, 256f., 260f., 266f., 271, 275f. Pommern 110f., 114f., 199f., 208ff., 212, 215, 242f., 246, 249f., 251, 271 Domänen 61, 67, 131, 146 dominia reservata 125f. Domstift, -kapitel, -dechant, -probst 28f., 53, 55, 57, 63–66, 85, 89, 103, 170, 245 Egalisierung, eigentumsrechtliche des Adels 155 rechtliche der Rittergüter 231 Ehegeld der Braut (Mark) 32, 39f., 46, 92 Eigentum, familiales zur gesamten Hand allg. 9ff., 14f., 20, 142, 147, 232, 250, 259f., 266, 271, 273–279 Mark 24ff., 33, 35, 38, 41f., 46ff., 55, 57f., 61, 67, 69, 73, 75ff., 92–99, 174f., 178, 181, 185, 187f., 190, 196 Pommern 108, 111, 155, 199, 201, 203, 208, 210, 212, 214 Eigentum, individuelles allg. 9, 21, 130, 133, 135, 141, 147f., 1154, 163, 165f., 228, 253, 278f. Mark 24, 34f., 37f., 42, 45, 47f., 51, 58, 63, 68f., 71–74, 91f., 94, 97, 99f., 104f., 178ff., 181, 183, 185f., 244, 258, 261ff., 266–271, 275 Pommern 110–113, 119, 122f., 197ff., 203f., 206, 209, 211, 218f., 224, 240f., 243, 248ff., 254f., 277 Eigentumsordnung, adlige allg. 130, 133, 141, 147f., 154, 163, 165f., 228, 253, 278f.

9 Mark 1718: 33, 35–39, 42, 90 1723: 35–42, 173f., 178, 181, 186f., 273 Reformversuche 1748–1753: 45–49 1773–1776: 52–60 1777: 68 1784: 68–75 1796–1800: 87–94, 97f., 102–106 1834–1847: 173–176, 178–186 Neumark 1724: 34, 88, 173, 176, 262 Pommern Hinter- und Altvor-: 110–116 Reformversuche 1770–1790: 109f. 1793: 193 1798–1806: 93f. 1836–1837: 193f. 1841: 207–210 schwedisch (Neu-)Vorpommern Auflösung 1811: 20, 155, 196 Eingebrachtes der Braut Mark 36, 39f., 46, 70f., 73, 100ff. Pommern 111f., 198 Entschuldung allg. 138, 208 Mark , 99 Familienrenten, -rentner allg. 137, 142f., 278 Mark , 8,  Familienschlüsse für gesamthänderisches Eigentum allg. 142, 147, 214f. Mark 25, 48f., 175, 179, 185, 188–191, 234f., 260 Pommern 120, 211, 214–218, 243, 248f. für Fideikomisse 15 Familienstiftung 21, 188, 211f., 214f., 217, 234, 251f., 261, 268 Familienverbände allg. 48, 98, 147 mit Präsentationsrecht fürs Herrenhaus 245 Familienverträge 32, 41f., 90, 105, 176, 214f., 269 Familienvertreter der pommerschen Rittergüter 205–208, 212 feuda data (Dienstlehen) 129

98 feuda oblata (aufgetragene Lehn) 94, 108, 129 Fideikommiss 14ff., 21, 48, 143, 145, 147–154, 162f., 165ff., 172f., 175, 178f., 180, 187–190, 194, 196, 211f., 214–217, 225, 227ff., 231–236, 238–247, 251–258, 261–271, 278f. Gegenvermächtnis Mark , 9, , 9 Gendarmerie-Edikt 167 Genealogie 11, 41, 46f., 57f., 76, 93–96, 115, 119, 164, 175, 178, 182, 184, 187, 190, 199ff., 201, 210, 212f., 216, 246, 260, 264, 277 Generalgarantie 66, 130, 134 Generalschuldenkommission, siehe Notablenversammlung Gesamte Hand allg. 9, 11, 24, 26, 47, 70, 271 Mark 10, 25, 33, 46, 48, 57, 73, 76f., 93ff., 97, 260, 275ff., 279 Pommern 111, 185, 199, 210, 212 Gesetze zur Auflösung der gesamthänderischen Eigentumsbindung Mark 255–262, 266–268 Pommern 246ff., 255 Gesetzgebungsauftrag zur Auflösung der familialen Eigentumsbindung 228, 232–235, 237f., 248, 252f., 255, 259, 262, 267, 271, 279 Grafenverbände 245 Grundbesitz, alter und befestigter 239f., 244ff., 251, 254, 259, 279 Heirat, unstandesgemäße Mark 70, 174 Pommern 112 Hochzeitskosten Mark 9 Hypothekenbuch allg. 125 Mark 34, 40, 98–104, 116, 126, 177, 188, 190, 200, 256, 260 Pommern 118, 120f., 201, 204, 206, 210, 213, 215f., 218, 242f., 248 Hypothekengenossenschaft, siehe Bürgschaftsverband

Sachregister Hypothekenkredit 19, 36, 126ff., 151, 8 Hypothekenordnung, schlesische (1750) 125f. Hypothekenpatent, märkisches (1777) 58, 101f., 130 Hypotheken- und Konkursordnung Mark (1722) 39–41, 51, 96, 102, 125f., 129 Pommern (1726) 201, 223 Hypothekenordnung, allgemeine (1783) 102, 130, 201 Hypothekenregistratur, siehe Landbuch Indult 140f., 151f. Instruktion, siehe Mandat Kadettenkorps 157 Kammergericht(srat) 35–38, 41, 80, 87, 89, 97, 99, 101, 105, 131, 157, 169, 172, 188ff., 215, 260, 262, 268ff., 271 Kavalierstour 274 Konkurs Mark 39f., 73, 99, 101f., 182, 185, 187 Pommern 114, 116, 118, 121, 198, 213, 222f., 276 und Bürgschaftsverband 131, 134, 8 Konsens (Deputierte) 27, 32, 54–57, 60, 64, 161, 172f., 277 Konsens, -pflicht, -verfahren (Familie) allg. 140, 143, 150–153, 234 Mark 24, 32f., 35ff., 42, 46, 48, 53f., 56ff., 61f., 68, 70, 77, 92f., 97f., 100, 140, 143, 174, 178, 180, 183f., 186, 188–191, 257, 266, 274ff. Pommern 113–116, 200, 208f., 215, 217f., 224, 247, 249f. zur Stiftung eines Fideikommisses 15, 215 Königliche Bank 126f. Kredit 13, 24, 36, 44, 50, 52ff., 57, 61, 63, 72, 74, 92f., 102, 111, 113, 118, 120f., 125ff., 128, 131, 133ff., 136, 138f., 140, 147, 151f., 178, 183–187, 203, 210, 212, 219, 221, 224, 242, 244, 247f., 275–279

99

Sachregister Kreisritterschaft Mark 13, 20, 23ff., 28f., 32–36, 41, 43, 45f., 49, 53–58, 60f., 65, 68, 76–81f., 85, 87, 89, 97, 98, 100, 102, 106, 146, 152, 157f., 186f., 262, 273f., 277 Pommern 107–110, 113, 126, 158, 207f., 219 Kriegskontributionen 146 Landarmenkasse 156 Landbuch (Mark) 34, 41, 157 Landreiter 12, 135 Landesdeputiertenversammlung, siehe Notablenversammlung Landesrepräsentantenversammlung, siehe Nationalrepräsentation, interimistische Landschaft, siehe Bürgschaftsverband Landschaftliches Kreditwerk 27–32, 43f., 53–57, 59–67, 76, 127, 146, 158, 218 Hufen- und Giebelschosskasse 26, 28–32, 45, 49, 52ff., 64, 67f., 73, 75, 77, 79, 80, 97, 99, 102f. Neue Biergeldkasse 28, 43, 537, 56, 59, 65, 85, 88, 146 Landschaftsbezirk (Präsentation zum Herrenhaus) 244f., 252 Landtag Mark 26f., 30f., 57, 62–65, 67f., 76f., 81f., 86f., 145–149 Pommern 107, 109f., 193 Preußischer 235, 245, 247, 251ff., 255, 258, 268 Abgeordnetenhaus 248, 253ff., 258, 261, 279 Erste Kammer 232f., 235–240, ,  Herrenhaus 240, 244ff., 254, 256, 259, 279 Zweite Kammer 235, 238f., 243 Landtagsrezess 1534: 83 1536: 83 1653: 13f., 27, 29, 36, 38f., 56, 79, 91 1809: 146f. Lehn, schwebend unwirksames 120, 206, 222, 239–242, 248ff., 253

Lehnsassekuration Mark (1717) 26, 32f., 51, 174, 262 Pommern (1787) 207f. Lehns-Constitution, siehe Eigentumsordnung Lehnskanon Mark 12, 17, 24ff., 36, 92f. Pommern 109 Lehnskanzlei Mark 32, 39, 41 Pommern 116 Lehnstamm 98, 141ff., 148f., 189, 198, 204, 214, 218f., 269, 271, 277 Leibgeding, Pommern 112, 198 Majorat 14ff., 49f., 61, 73, 148ff., 151, 154, 162f., 233, 240, 244, 251f., 265 Mandat gebundenes 32, 49, 55, 57, 59, 63, 73, 75, 79, 149, 207, 211f. freies 77, 146, 148, 161, 170, 207, 8 siehe auch Vollmacht Mediatstädte 81, 156f. Minorat 16, 244, 252 Morgengabe Mark 39, 45, 92 Pommern 111, 198 Nachkommen, siehe Deszendenz Näherrecht 83, 97, 117f. Nationalrepräsentation, interimistische 159–163, 165ff. Naturalteilung, siehe Realteilung Notablenversammlung 157ff., 194 Oktoberedikt 1807: 15f., 145, 156f., 231, 9 Paraphernalien 37, 39 Pfandbrief des Bürgschaftsverbandes 43f., 56, 73, 93, 98f., 129–143, 146, 151f., 185, 187, 189, 199, 269, 277f. Präklusion 118 Preußische Seehandlung 28, 127 Primogenitur 15f., 49, 155 Privilegien des Adels 13f., 82, 145, 156, 158, 231

00 der Rittergüter 13f., 89, 91, 156, 230f. Provinziallandtag Mark 29, 170ff., 180f., 183, 185, 190f., 256f., 261–264, 266f. Pommern 195ff., 198–206, 208ff., 212, 214–217, 219, 221f., 223f., 242f., 250f., 274, 276f. Realteilung Mark 10f., 32, 36, 38, 46f., 49, 51, 73f., 91, 188, 268, 274f. Pommern 110f., 197, 219, 276 Rechtsreform allgemeine 75, 79–87, 90, 93 provinziale 75, 79f., 84–87, 103, 169, 183, 193ff., 214ff., 278 Repräsentation 160–163, 167, 171, 232f., 240, 244, 246, 248, 254 und Gesamte Hand 25 Retrakt/Rückkauf(recht) allg. 83, 241f. Mark 13, 24, 33, 70, 72, 81, 181, , 8 Pommern 114ff., 121f., 200, 212f., 241, 278 Revokation(srecht) Mark 37f. Pommern 115, 209, 240–243, 250, 253 Römisches Recht 10, 82f., 86, 236 Seniorat 16, 244, 252, 263, 265 Schlossgesessener Adel 31 Schulden landesherrliche 28, 277 und Gesamte Hand Mark 32, 41f. hypothekarisch eingetragene 38, 62, 72, 99, 101, 178, 266 hypothekarisch nicht eingetragene 61, 103 Familienschulden (gesetzliche) 19, 36f., 43, 51, 72ff., 92f., 98, 100, 140, 150, 179, 184, 274f. individuelle 38, 44f., 71f., 74, 92, 99f., 103, 178, 185f., 275f. konsentierte 37f., 61, 93, 178, 186 nicht konsentierte 93, 98, 103

Sachregister subsidiarische 36ff., 45, 53, 62, 68ff., 72, 84, 92f., 103, 173, 183, 186 Pommern Familienschulden 19, 111–114, 116, 118, 120f., 126, 140, 150, 196, 198, 199, 210, 212 individuelle 116, 121, 199, 210 konsentierte 200 subsidiarische 112 Schuldenmoratorium 128 Stammgut 251–254 Standschaft 14, 145, 156, 231, 277 (Land-)Stände allg. 145, 148, 157f., 168, 213f. Mark 25, 28f., 31f., 55, 59–64, 67f., 75ff., 79–83, 85–87, 91, 93f., 105f., 146, 157f. Pommern 107, 109, 120, 193f., 213 Stammbaum 71, 94f., 135, 184, 201, 216, 269, 273 Studien(reisen) der Söhne 37, 45, 69 Subhastation Mark 51f., 72f., 98, 126, 131, 135f., 175, 178, 184–187, 261 Pommern 108, 116–119, 131, 133, 199–204, 209, 211–214, 250, 277 219–224 Subhastationstaxe 52, 116ff., 136, 185, 187, 202, 211–214, 219–224, 250, 277 Mindestgebot 117, 131, 136, 187, 8 Sukzessionsordnung allg. 15f., 166 Linealsukzession 94, 182, 233 Lineal-Gradualsukzession 166, 182 Mark 24, 32, 41, 49, 68f., 93f., 182, 274f. Pommern 196, 218 Singularsukzession 14f., 188, 190, 247, 251, 279 Sukzessionsbuch/-register Mark 33, 41, 46, 96, 269 Pommern 201, 213, 249 Sukzession der Töchter Mark 40f. Pommern 110, 249f. Tabakshandlungskompagnie 127

Sachregister Taxierung(skriterien) der Hypothekengenossenschaft allg. 128, 133, 139, 225 Mark 67, 132f. Pommern 196f., 201, 209, 219–222, 225 Teilungstaxe, brüderliche (Mark) 51f. Tilgung(srate) 42f., 72 74, 99, 134, 138, 142, 183, 208, 211, 274 Trauerrituale (Kosten) Mark 37, 41, 45f., 92, 274 Pommern 111 Veräußerung Mark 12f., 24, 33, 37f., 52, 72, 92f., 104, 153, 173, 175, 178, 181, 189f., 261, 275 erblich 45 wiederkäuflich 33, 72, 93 Pommern 108, 110, 114–119, 121f., 126, 153, 199–201, 204, 208, 211f., 224, 241ff., 249, 251 erblich 114f., 121 wiederkäuflich 113f. Verbesserung Mark 39, 50 Pommern 111f. Verfassungsurkunde

301 Kommissionsentwurf 228 Die oktroyierte vom 5. Dezember 1848: 229f., 232 vom 31. Januar 1850: 233ff., 238, 266 Verlöbniskosten 36, 45, 69, 92, 274 Verkauf, gerichtlicher 126, 131, 133, 135f., 278 Verpfändung Mark 34–37, 44, 56, 99, 188f. Pommern 113 Verschuldungsgrenze, hypothekarische 50, 120, 128, 187, 209, 278 Virilstimme 170 Vollmacht 25, 27, 32, 54f., 58, 60, 63, 65, 148 Vorkaufsrecht Mark 38, 52, 73, 133, 175, 178, 184ff., 241, 276 Pommern 114, 117, 122, 133, 201–204, 241, 251, 277 Wahlkorporationen für die Berufung zum Herrenhaus 239 Zölibat 11 Zwangsversteigerung, siehe Subhastation Zwangsverwaltung 44, 61, 72, 135