Wucher und Staat: Die Theorie des Zinswuchers im Deutschland des 18. und 19. Jahrhunderts [1 ed.] 9783428532452, 9783428132454

Ist der Staat berechtigt, auf den Inhalt von Vertragsvereinbarungen im Kreditwesen durch den Erlass von Wuchergesetzen E

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Wucher und Staat: Die Theorie des Zinswuchers im Deutschland des 18. und 19. Jahrhunderts [1 ed.]
 9783428532452, 9783428132454

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Schriften zur Rechtsgeschichte Heft 144

Wucher und Staat Die Theorie des Zinswuchers im Deutschland des 18. und 19. Jahrhunderts

Von

Katrin Liebner

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

KATRIN LIEBNER

Wucher und Staat

Schriften zur Rechtsgeschichte Heft 144

Wucher und Staat Die Theorie des Zinswuchers im Deutschland des 18. und 19. Jahrhunderts

Von

Katrin Liebner

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Bayreuth hat diese Arbeit im Jahre 2009 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7379 ISBN 978-3-428-13245-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2009 von der Rechtsund Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth als Dissertation angenommen. Mein Dank gebührt in erster Linie Prof. Dr. Diethelm Klippel, der die Arbeit als Doktorvater sehr engagiert betreut sowie durch den steten Mittelweg zwischen wohlwollendem Zuspruch und konstruktiver Kritik maßgeblich zu deren Gelingen beigetragen hat. Bedanken möchte ich mich auch bei Prof. Dr. Oliver Lepsius, LL.M., für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Dank schulde ich Frau Rechtsreferendarin Margarete Demmer und Frau Rechtsreferendarin Nina Wenzel, deren fundierte Italienischkenntnisse die Einbeziehung der 1792 zur Wucherpreisfrage Josephs II. veröffentlichten Abhandlung Giambattista Vascos in die Quellenauswertung ermöglichten. Ihnen und allen weiteren Freunden gilt mein Dank zudem besonders für die geduldige und ermutigende Unterstützung während des Entstehens dieser Arbeit. Als wertvolle Hilfe bei der Quellen- und Literaturbeschaffung erwiesen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universitätsbibliothek Bayreuth, bei denen ich mich auf diesem Wege für ihre Bemühungen bedanke. Meinen Eltern ist dieses Buch gewidmet.

Frankfurt am Main, im August 2009

Katrin Liebner

Inhaltsverzeichnis Einleitung

13

I.

Fragestellung...................................................................................................

13

II.

Quellen und Methode......................................................................................

18

III.

Forschungsstand..............................................................................................

19

Kapitel 1 Die Bekämpfung des Wuchers in den absolutistisch-kameralistischen Staatswissenschaften der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts

23

I.

Die Determinanten der Darlehenszinsen .........................................................

25

II.

Die Schädlichkeit hoher Zinsen ......................................................................

28

1. Zinshöhe und Müßiggang .........................................................................

29

2. Zinshöhe und positive Handelsbilanz........................................................

31

3. Zinshöhe und Bevölkerungsmehrung........................................................

34

Die Eindämmung des Zinswuchers als Aufgabe des Staates...........................

37

1. Maßnahmen zur Verhinderung des Wuchers ............................................

38

a) Wuchergesetze....................................................................................

38

b) Vergabe zinsgünstiger Darlehen .........................................................

42

c) Verbesserung des Kreditsicherungsrechts und der Rechtspflege ........

48

2. Die Legitimation der Staatstätigkeit zur Verhinderung wucherischer Verträge ....................................................................................................

50

III.

IV.

Die Einwände der Kameralisten gegen Lockes Ablehnung zinssenkender Gesetze............................................................................................................

52

V.

Das Fortleben des kanonischen Zinsverbots bei Philippi ................................

57

VI.

Die natürliche Vertrags- und Eigentumsfreiheit nach Achenwall und Pütter..

60

VII. Die Zinstaxen der Obrigkeitsstaaten des Ancien Régime................................

64

VIII. Fazit ................................................................................................................

67

8

Inhaltsverzeichnis Kapitel 2 Die Kritik Benthams und Turgots an obrigkeitlichen Zinsreglementierungen

70

I.

Die Kontroverse zwischen Jeremy Bentham und Adam Smith.......................

71

II.

Turgots Votum für eine freie Vereinbarung der Darlehenszinsen...................

80

III.

Fazit ................................................................................................................

86

Kapitel 3 I.

II.

Die Wucherpreisfrage Josephs II. von 1789

87

Die österreichische Wuchergesetzgebung im aufgeklärten Absolutismus ......

90

1. Das theresianische Wucherpatent von 1751..............................................

91

2. Die Zinssteuerpatente von 1766 und 1768 ................................................

93

3. Die Abschaffung der Strafbarkeit des Zinswuchers durch Joseph II. .......

95

Die Recht- und Zweckmäßigkeit gesetzlicher Maximalzinsen........................

98

1. Die (Un-)Möglichkeit einer angemessenen Höchstzinsfestsetzung .......... 102 2. Die Missachtung der Wuchergesetze ........................................................ 106 3. Die Auswirkungen von Zinstaxen auf die Wirtschaft ............................... 110 4. Die Rechte der Darlehensvertragsparteien als Eigentümer ....................... 113 5. Die Freiheit der Vertragschließenden........................................................ 116 6. Wuchergesetze und Rechtsgleichheit........................................................ 119 III.

Maßnahmen zur Verhinderung des Wuchers außerhalb von Zinstaxen .......... 122 1. Öffentliche Kreditanstalten als zinsgünstige Alternative zu privaten Darlehensgebern ....................................................................................... 122 2. Ausgabensenkung ..................................................................................... 127 3. Schutz von Verschwendern, Minderjährigen und Beamten ...................... 132 4. Die Verringerung der Zahl wuchernder Darlehensgeber........................... 138 5. Die Begrenzung der Wechselfähigkeit auf den Handelsstand................... 142 6. Verzicht auf Anlagepflichten und Staatskredite........................................ 144 7. Darlehensgeberfreundliches Justizwesen und Hypothekenrecht............... 147

IV.

Der Einfluss der Preisschriften auf die österreichische Gesetzgebung ........... 148

V.

Die Entscheidung über den Gewinner des Wettbewerbs................................. 151

VI.

Fazit ................................................................................................................ 153

Inhaltsverzeichnis

9

Kapitel 4 Der Zinswucher in der politischen Theorie an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert I.

...... 155

Die naturrechtliche Legitimation der Zinsfreiheit ........................................... 157 1. Eigentumsrecht und Vertragsfreiheit ........................................................ 158 2. Die Gleichheit von Leistung und Gegenleistung....................................... 160 3. Die Trennung von Recht und Moral ......................................................... 162

II.

Naturrecht und staatliche Wuchergesetze........................................................ 165

III.

Gegenentwürfe zur naturrechtlich begründeten Zinsfreiheit ........................... 170 1. Wucher und „Eigenthums-Sicherheits-Polizey“ ...................................... 171 2. Adam Müllers konservatives Freiheits- und Eigentumsverständnis.......... 174 3. Die Weiterentwicklung des Gleichheitserfordernisses.............................. 178

IV.

Der Wucher in den Kodifikationen um 1800 .................................................. 183 1. Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten ........................... 184 2. Der Code civil und seine Rezeption in den Rheinbundstaaten.................. 187 3. Spezialgesetz und Kodifikation: das österreichische Wucherpatent von 1803 und das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch................................... 190

V.

Fazit ................................................................................................................ 193 Kapitel 5 Wuchergesetze in der Nationalökonomie der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

I.

195

Die Ablehnung von Zinstaxen......................................................................... 197 1. Die Gesetzmäßigkeiten der Wirtschaft...................................................... 198 2. Die Erhöhung der Darlehenszinsen........................................................... 201 3. Zinshöhe und wirtschaftlicher Wohlstand................................................. 204

II.

Die Rolle des Staates im Kreditwesen............................................................. 207 1. Die Beeinflussung der zinsbestimmenden Faktoren ................................. 207 2. Die Errichtung staatlicher Kreditanstalten ................................................ 210 3. Bildung der Jugend und Verständlichkeit der Vertragsinhalte.................. 213

III.

Vorbehalte gegenüber der Zinsfreigabe .......................................................... 215

IV.

Der Zinswucher in der Strafgesetzgebung der deutschen Staaten bis zur Jahrhundertmitte.............................................................................................. 220

V.

Fazit ................................................................................................................ 227

10

Inhaltsverzeichnis Kapitel 6 Die Debatte über die Berechtigung von Wuchergesetzen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts

I.

230

Gesetzliche Zinsbeschränkung versus Zinsfreiheit ......................................... 235 1. Lehren aus der Geschichte der Zinswuchergesetzgebung ......................... 236 2. Die Auseinandersetzung mit Smith und Bentham..................................... 242 3. Der Schutz der Landwirtschaft.................................................................. 251 4. Wuchergesetze und Rechtsbewusstsein .................................................... 254 5. Die fehlende Allgemeinverbindlichkeit der Wuchergesetze ..................... 258

II.

Die Diskussion über die Wucherstrafgesetze der deutschen Staaten seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts................................................................... 262 1. Das Vorliegen eines Regelungsbedürfnisses............................................. 263 2. Die Ausnutzung von Not und Leichtsinn des Darlehensnehmers ............. 266 3. Gewohnheitsmäßiger und verschleierter Wucher...................................... 270

III.

Die Empfehlungen der Befürworter von Wuchergesetzen an den Gesetzgeber................................................................................................................ 272 1. Straf- und zivilrechtliche Wucherbestimmungen ...................................... 273 2. Wuchergesetze in der katholischen Moraltheologie.................................. 278 3. Der Anwendungsbereich der Wuchergesetze............................................ 283

IV.

Wucher und allgemeine Wechselfähigkeit ...................................................... 285

V.

Die Reichweite der angestrebten Zinsfreigabe ................................................ 289

VI.

Fazit ................................................................................................................ 293 Kapitel 7 Die Wuchergesetzgebung im Norddeutschen Bund und im Deutschen Reich bis zum Ausgang des 19. Jahrhunderts

296

I.

Die Zinsfreigabe im Norddeutschen Bund ...................................................... 298

II.

Die Wiedereinführung eines Wuchergesetzes (1880) .................................... 301

III.

Die Novellierung des Wuchergesetzes (1893) ............................................... 306

IV.

Die Wucherregelung des Bürgerlichen Gesetzbuchs....................................... 311 1. Der Redaktorentwurf von Kübel............................................................... 312 2. Die erste Kommission und die Kritik ihres Entwurfs................................ 313 3. Die Vorkommission des Reichsjustizamtes und die zweite Kommission . 317 4. Die Debatte im Reichstag ......................................................................... 319

V.

Fazit ................................................................................................................ 323

Inhaltsverzeichnis

11

Zusammenfassung .................................................................................................. 325

Quellen- und Literaturverzeichnis ........................................................................ 329 I.

Quellen............................................................................................................ 329 1. Gesetze, Materialien und Kommentare ..................................................... 329 2. Monographien, Aufsätze und Rezensionen............................................... 331

II.

Literatur........................................................................................................... 350

Sachverzeichnis....................................................................................................... 369

Einleitung I. Fragestellung I. Fragestellung

„So lange Cultur existirt, so lange schon existiren Wucher, Klage über Wucher, Gesetze wider Wucher, und Klage, daß diese Gesetze ihren Zweck nicht erfüllen“1, heißt es im Jahre 1790 bei Johann Arnold Günther, dessen Veröffentlichung zum Wucher nicht nur bei seinen Zeitgenossen Beachtung fand, sondern bis weit in das 19. Jahrhundert hinein häufig zitiert wurde.2 Trotz der von ihm angesprochenen langen Tradition der Diskussion über Wucher und Wuchergesetze hielt er die Frage nach Erfolg versprechenden Vorkehrungen gegen den Wucher, die für Günther als entschiedenen Kritiker von Wuchergesetzen außerhalb solcher Reglementierungen zu suchen waren, noch immer für ungelöst.3 Nach Auffassung von Peter Franz Reichensperger, der sich im Unterschied zu Günther zugunsten von Wuchergesetzen aussprach, hatte sich dies auch 1879 noch nicht geändert: „Die Frage der Zins- und Wuchergesetze ist eine sehr alte, allein sie scheint noch auf lange hin eine immer neue und offene bleiben zu sollen.“4 Angesichts des regen Interesses, das nicht nur Günther und Reichensperger, sondern auch zahlreiche ihrer Zeitgenossen dem Thema Wucher entgegenbrachten, beschäftigt sich die vorliegende Arbeit mit der Debatte über Wucher und Wuchergesetze von der zweiten Hälfte des 18. bis zum Ende des 19. Jahr___________ 1

Johann Arnold Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung über Wucher und Wucher-Gesetze und über die Mittel, dem Wucher ohne Straf-Gesetze Einhalt zu thun; in politischer, justizmäßiger und mercantilistischer Rücksicht, Hamburg 1790, S. 169. 2 So z.B. bei: Johann Christian Christoph Rüdiger, Lehrbegriff des Vernunftrechts und der Gesetzgebung, Halle 1798, S. 405; Friedrich Ludwig Walther, Versuch eines Systems der Cameral-Wissenschaften, Bd. 4, Gießen 1798, S. 121; Franz Alois von Zeiller, Das natürliche Privat-Recht, 3. Aufl., Wien 1819, S. 191; Karl Heinrich Rau, Lehrbuch der politischen Oekonomie, Bd. 2, Heidelberg 1828 (Nachdruck: Hildesheim u.a. 1997), S. 365; Robert von Mohl, System der Präventiv-Justiz oder Rechts-Polizei, Tübingen 1834, S. 327; Eduard Baumstark, Kameralistische Encyclopädie, Heidelberg und Leipzig 1835 (Nachdruck: Glashütten im Taunus 1975), S. 634; Wilhelm Roscher, Die Grundlagen der Nationalökonomie, Stuttgart und Tübingen 1854, S. 356; Theobald Rizy, Ueber Zinstaxen und Wuchergesetze, Wien 1859, S. 107. 3 Vgl. Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 1), S. 169-172. 4 Peter Franz Reichensperger, Die Zins- und Wucherfrage, Berlin 1879, Vorwort.

Einleitung

14

hunderts. Wenn Günther sich zur Verhinderung wucherischer Rechtsgeschäfte gegen und Reichensperger für Wuchergesetze einsetzte, legten beide allerdings nicht denselben Wucherbegriff zugrunde. Denn dieser unterlag sowohl in der Gesetzgebung als auch in den zeitgenössischen Veröffentlichungen im Untersuchungszeitraum erheblichen Veränderungen. Vereinzelt finden sich um 1750 und im ausklingenden 19. Jahrhundert Autoren, die entsprechend dem kanonischen Zinsverbot des Mittelalters jedes Nehmen von Zinsen als Wucher untersagen wollten,5 während Günther – ebenso wie seine Zeitgenossen – mit dem Begriff Wuchergesetze die Normierung von Zinstaxen verband, die das Überschreiten eines vom Gesetzgeber festgelegten Höchstzinssatzes verboten.6 Neben dem Verstoß gegen das gesetzliche Zinsmaximum sollten Wuchergesetze nach Ansicht von Reichensperger zumindest auf dem Gebiet des Strafrechts noch zusätzliche Tatbestandsmerkmale aufweisen.7 Im badischen Strafgesetzbuch von 18518 – und später auf Ebene der Reichsgesetzgebung9 – verzichtete man hingegen ganz auf die Festsetzung einer Zinstaxe und deren Übertretung als Voraussetzung des Wuchers; statt dessen wurde auf das Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung abgestellt, das in Baden zur Strafbarkeit wegen Wuchers führte, wenn die Ausnutzung von Not oder Leichtsinn des Vertragspartners hinzukam. Aufgrund der wechselnden Inhalte des Wucherbegriffs lässt sich auch damit die These Reinhart Kosellecks stützen, dass eine Vielzahl von Begriffen ihren modernen Bedeutungsgehalt zwischen 1750 und 1850 erhalten habe und dementsprechend dieses Jahrhundert als „Sattelzeit“ für die Herausbildung des Begriffsverständnisses der Gegenwart fungiere.10 Zudem macht die begriffsgeschichtliche Entwicklung deutlich, dass der Wucherbegriff auf das Engste mit dem Darlehensvertrag verbunden war, so dass es 1866 unter dem Stichwort „Wucher und Zinsen“ in Herrmann Wageners Staats- und Gesellschafts-Lexikon heißt: „Wucher und Zinsen stehn in einer solchen Beziehung zu einander, daß es nicht unpassend erscheint, diese beiden Gegenstände, wie in diesem Artikel geschehen wird, zusammen zu besprechen. Man pflegt unter Wucher im engeren Sinne den Zinswucher zu verstehen“11. Die vorliegende Arbeit untersucht die politische und ökonomische Theorie des Zinswuchers von der Mitte des 18. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Das ___________ 5

Dazu: Kap. 1, V. und Kap. 6, III., 2. Vgl. Kap. 3, II. 7 Vgl. Kap. 6, III., 1. 8 Dazu: Kap. 5, IV. 9 Siehe Kap. 7, II.-IV. 10 Reinhart Koselleck, Einleitung, in: Otto Brunner u.a. (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 1, Stuttgart 1974, S. XIII-XXVII, hier: S. XV f. 11 Herrmann Wagener, Art. „Wucher und Zinsen“, in: ders. (Hg.), Staats- und Gesellschafts-Lexikon, Bd. 22, Berlin 1866, S. 434-452, hier: S. 434. 6

I. Fragestellung

15

erste Kapitel thematisiert die Behandlung des Wuchers in der absolutistischkameralistischen Theorie der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts: Da sie – insbesondere mit dem Staatszweck der salus publica bzw. der Glückseligkeit – das Legitimationskonzept für eine Staatstätigkeit von nahezu unbegrenztem Umfang bereitstellte, liegt die Vermutung nahe, dass auch die Verhinderung des Zinswuchers zu den obrigkeitlichen Aufgaben gerechnet wurde. Dies war, soviel sei vorweggenommen, in der Tat der Fall, so dass sich die Frage stellt, welche Maßnahmen der Staat im Einzelnen ergreifen sollte, um für ein Ausbleiben wucherischer Rechtsgeschäfte und für dementsprechend niedrige Darlehenszinsen Sorge zu tragen. Damit zusammen hängt die Frage, worin man die Ursachen wucherischer Zinsen erblickte und ob sich diese mit den vom Staat zu verfolgenden Zielen einer Wohlstand repräsentierenden und daher möglichst zu vergrößernden Bevölkerung und einer positiven Handelsbilanz zugunsten der einheimischen Wirtschaft im Wettbewerb mit ausländischen Handelsmächten vereinbaren ließen. Gerade der letztgenannte ökonomische Aspekt sollte nämlich insbesondere bei der Reaktion der Kameralisten auf John Lockes Votum gegen Zinstaxen, mit denen der Gesetzgeber den landesüblichen Zinssatz zu senken suchte, eine wesentliche Rolle spielen. John Locke blieb nicht der einzige Engländer, der die Diskussion über Wuchergesetze in Deutschland beeinflusste. Auch Jeremy Bentham fand mit seiner 1787 veröffentlichten Schrift “Defence of usury” – ebenso wie die zwei Jahre später zum Zinswucher erschienene Monographie des französischen Physiokraten Turgot – im deutschen Wucherdiskurs Beachtung (Kapitel 2). Erstmals zeigte sich dies in den Abhandlungen zu der 1789 von Joseph II. ausgeschriebenen Preisfrage „Was ist Wucher, und durch welche Mittel ist demselben ohne Strafgesetze am besten Einhalt zu thun?“, mit der sich das 3. Kapitel befasst. Welche Impulse trugen Bentham und Turgot in die Diskussion über eine staatliche Wuchergesetzgebung hinein und warum schrieb man in der Habsburgermonarchie zu dieser Zeit überhaupt eine Preisfrage aus, die sich mit Wucher und geeigneten Maßnahmen zu dessen Verhinderung beschäftigte? Befürworteten die Wettbewerbsteilnehmer dazu ein gesetzgeberisches Eingreifen oder stießen Wuchergesetze eher auf Ablehnung? Welche Vorkehrungen sollte der Staat zusätzlich zu Wuchergesetzen oder anstelle derer treffen, um wucherischen Rechtsgeschäften entgegenzuwirken? Wurden die Vorschläge der Wettbewerbsteilnehmer – und damit in erster Linie deren Votum für die Beibehaltung oder die Abschaffung von Wucherverboten – in der österreichischen Gesetzgebung umgesetzt? Überdies ist im Zusammenhang mit der Wucherpreisfrage zu untersuchen, wie es sich auswirkte, dass sie 1789 und damit im Jahr des Beginns der Französischen Revolution12 ausgeschrieben wurde. Denn mit ___________ 12

Vgl. zur Zäsurwirkung der Französischen Revolution und deren Einfluss auf Deutschland: Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland,

16

Einleitung

Blick auf den symbolisch an dieses Datum geknüpften Übergang vom absolutistisch-kameralistischen Obrigkeitsstaat hin zu einer die Freiheit des Individuums betonenden Staatsauffassung steht zu erwarten, dass sich beide Grundpositionen auch unter den Teilnehmern der Wucherpreisfrage gegenüberstanden. Die Überwindung aufgeklärt-absolutistischen Denkens prägte hingegen die politische Theorie an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert: Unter dem Einfluss liberaler politischer Ideen kam es zu einer Neubestimmung des Verhältnisses zwischen Staat und Individuum, die zur Aufwertung der Rechtsstellung des Bürgers führte. Damit stellt sich die in Kapitel 4 zu beantwortende Frage, wie sich diese Veränderungen sowohl auf die Reichweite staatlichen Handelns im Allgemeinen als auch auf den Umfang der Staatstätigkeit zur Bekämpfung des Wuchers im Besonderen auswirkten. Gehörte die Verhinderung wucherischer Verträge noch zu den Aufgaben, die der Staat durch Erlass von Wuchergesetzen erfüllen sollte? Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst zu untersuchen, ob man im Naturrecht die Bestimmung der Höhe der Darlehenszinsen den Vertragschließenden überlassen oder durch Wucherverbote reguliert wissen wollte. Anschließend soll das Votum der Naturrechtler über staatliche Wuchergesetze analysiert werden: Deckte es sich bei den zeitgenössischen Autoren mit der im Naturrecht eingenommenen Haltung oder ergaben sich Unterschiede? Zudem stellt sich die Frage, ob sich trotz des grundlegenden Wandels der politischen Leitvorstellungen unter liberalen Vorzeichen auch Kontinuitäten zur politischen Theorie des Ancien Régime bei der Bekämpfung des Wuchers erkennen lassen. Kontinuitäten bzw. Diskontinuitäten sollen jedoch nicht nur auf ideengeschichtlicher Ebene gesucht werden; vielmehr stellt sich auch hinsichtlich staatlicher Wuchergesetze die Frage, ob der Gesetzgeber um 1800 andere Wege zur Verhinderung wucherischer Rechtsgeschäfte beschritt als in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Zu solchen Veränderungen im Sinne einer Abkehr von Wuchergesetzen rief – wie im 5. Kapitel zu zeigen ist – eindringlich die Wirtschaftstheorie der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf. Denn die Zinshöhe richtete sich aus nationalökonomischer Sicht nicht nach den Festsetzungen des Gesetzgebers, sondern nach den Regeln des freien Wettbewerbs. Folglich ist zu untersuchen, welche Faktoren als entscheidend für die Höhe der Darlehenszinsen angesehen wurden und welche Folgen man erwartete, wenn der Staat dennoch nicht auf ___________ Bd. 2, München 1992, S. 40, 42-45; Helmut Berding und Hans-Peter Ullmann, Veränderungen in Deutschland an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, in: dies. (Hg.), Deutschland zwischen Revolution und Restauration, Königstein/Ts. 1981, S. 11-40; Diethelm Klippel, Politische Freiheit und Freiheitsrechte im deutschen Naturrecht des 18. Jahrhunderts, Paderborn 1976, S. 180 ff.; ferner: Peter Preu, Polizeibegriff und Staatszwecklehre. Die Entwicklung des Polizeibegriffs durch die Rechts- und Staatswissenschaften des 18. Jahrhunderts, Göttingen 1983, S. 224.

I. Fragestellung

17

ein gesetzgeberisches Einschreiten gegen den Wucher verzichtete. In diesem Zusammenhang ergibt sich auch die Frage, ob die Ökonomen nur dem Einwirken auf die Zinsvereinbarungen der Vertragschließenden mittels Wuchergesetzen ablehnend gegenüberstanden oder sie jede staatliche Einflussnahme im Kreditwesen als unvereinbar mit den Gesetzmäßigkeiten des Marktes empfanden. Darüber hinaus ist zu untersuchen, ob sie ausnahmslos die Forderung erhoben, die Wuchergesetze unverzüglich außer Kraft zu setzen oder ob – zumindest vereinzelt – auch Bedenken an diesem gesetzgeberischen Schritt geäußert wurden. Anhand der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf dem Gebiet des Strafrechts entstehenden Kodifikationen soll sodann der Frage nachgegangen werden, wie die deutschen Staaten auf die Kritik an Wuchergesetzen reagierten: Setzte man dem ungeachtet auf ein gesetzgeberisches Einschreiten gegen den Wucher oder sah man unter dem Eindruck der Kritik davon ab? Zugunsten der letztgenannten Alternative entschieden sich zahlreiche deutsche und europäische Staaten in der Mitte des 19. Jahrhunderts und trugen auf diesem Wege maßgeblich zum Zustandekommen eines regen Diskurses über die Berechtigung von Wuchergesetzen bei, der bis zum Ende des 19. Jahrhunderts anhielt (Kapitel 6 und 7). Damit stellt sich die Frage, mit welchen Argumenten man den Gesetzgeber zur Beibehaltung bzw. Aufhebung der Wuchergesetze veranlassen wollte. Eine wichtige Rolle spielten in diesem Zusammenhang, soviel sei vorweggenommen, die Einwände gegen Wuchergesetze, die bereits von Jeremy Bentham dem Votum Adam Smiths für ein solches gesetzgeberisches Eingreifen entgegengesetzt wurden. Überdies fragte man danach, ob sich die Zinsfreiheit oder die Zinsreglementierung historisch bewährt hatte und nahm – vor allem zur Rechtfertigung der Forderung nach einer freien Zinsvereinbarung – die geltenden bzw. gerade abgeschafften Wuchergesetze in den Blick. Als ebenso umstritten wie die Berechtigung von Wuchergesetzen erwies sich zudem die Frage, ob es ergänzend zu deren Aufhebung oder Beibehaltung weiterer Maßnahmen bedürfe, damit sich diese gesetzgeberische Entscheidung als Erfolg erweist: Angesichts der Eignung des Wechsels zur Umgehung der Wuchergesetze diskutierten deren Befürworter daraufhin mögliche Wege zur Einschränkung des Wechselverkehrs, während die Gegner von Wuchergesetzen nach der Notwendigkeit fragten, die Einführung der Zinsfreiheit durch die Androhung von Rechtsnachteilen für Darlehensgeber abzumildern, wenn sie sich nicht mit mäßigen Zinsen begnügen wollten. Angesichts dieser Kontroversen stellt sich zudem die Frage, wie die staatliche Wuchergesetzgebung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verlief: Setzte man die um 1850 festzustellende Tendenz zur Abschaffung der Wuchergesetze fort oder war eine Rückkehr zu einem gesetzgeberischen Einschreiten gegen den Wucher zu beobachten?

Einleitung

18

II. Quellen und Methode II. Quellen und Meth ode

Die vorliegende Arbeit untersucht den Wandel sowohl des Wucherbegriffs als auch der zeitgenössischen Lösungskonzepte zur Verhinderung wucherischer Rechtsgeschäfte von der Mitte des 18. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts auf breiter Quellengrundlage. Besonders viele Monographien, die sich mit diesem Thema beschäftigen, erschienen zum einen zur josephinischen Preisfrage, die zwei Jahre nach der 1787 erfolgten Reform der Wuchergesetzgebung in der Habsburgermonarchie gestellt wurde, zum anderen ab der Mitte des 19. Jahrhunderts, als viele deutsche Staaten auf Wuchergesetze zugunsten der freien Vereinbarung der Darlehenszinsen durch die Vertragschließenden verzichteten.13 Offensichtlich erreichte die Diskussion über Wucher und Wuchergesetze also im Zusammenhang mit einschneidenden gesetzgeberischen Reformprojekten jeweils ihren Höhepunkt. Um die daher nahe liegende wechselseitige Einflussnahme von ideengeschichtlicher Wucherdebatte und staatlicher Wuchergesetzgebung erfassen zu können, bedarf es der Einbeziehung der gesamten theoriegeschichtlichen Argumentationszusammenhänge. Es galt demzufolge, eine Vielzahl von Quellen auszuwerten, anstatt sich auf Werke noch heute bekannter Autoren zu beschränken. Denn deren isolierte Betrachtung ermöglicht weder die genaue Nachzeichnung des zeitgenössischen Diskurses in seinem gesamten Meinungsspektrum noch eine Standortbestimmung der „großen Autoren“: Entsprachen deren Auffassungen der geläufigen Sicht zum Wucher oder waren sie eher die Ausnahme? Brachten sie neue Aspekte in die Diskussion über Wuchergesetze ein oder wiederholten sie nur bereits Bekanntes? Wie reagierten deren Zeitgenossen: Erhielten die Stellungnahme der prominenten Autoren zum Wucher Zuspruch oder Ablehnung oder fanden sie kaum Beachtung? Diese und weitere Fragen blieben bei einer Verengung der Quellenauswertung auf wenige namhafte Zeitgenossen unbeantwortet, so dass der vorliegenden Arbeit – entsprechend methodischer Forderungen der “Cambridge School” um Quentin Skinner und John G. A. Pocock,14 die in Deutschland unter dem Schlagwort der „Neuen Ideengeschichte“ Aufnahme fanden15 – eine breite Quellenbasis zugrunde liegt. ___________ 13

Vgl. Kap. 3 und 6. Vgl. zu den methodischen Anforderungen an ideengeschichtliches Arbeiten gemäß der “Cambridge School”: Eckhart Hellmuth und Christoph von Ehrenstein, Intellectual History Made in Britain: Die Cambridge School und ihre Kritiker, in: Geschichte und Gesellschaft, 2001, S. 149-172; Hartmut Rosa, Ideengeschichte und Gesellschaftstheorie: Der Beitrag der ‘Cambridge School’ zur Metatheorie, in: Politische Vierteljahresschrift, 1994, S. 197-223. 15 Vgl. z.B. Günther Lottes, Neue Ideengeschichte, in: Joachim Eibach und ders. (Hg.), Kompass der Geschichtswissenschaft, 2. Aufl., Göttingen 2006, S. 261-269; ders., „The State of the Art“. Stand und Perspektiven der „intellectual history“, in: 14

III. Forschungsstand

19

Im Einzelnen stützt sich die Arbeit auf gedruckte Quellen aus zahlreichen Wissenschaftsdisziplinen: Kameralistische und polizeiwissenschaftliche Abhandlungen finden neben Monographien zum Wucher aus allen Wissensbereichen ebenso Berücksichtigung wie Naturrechtskompendien und Schriften aus dem Bereich der politischen Ökonomie. Hinsichtlich der Auffindung der dem Naturrecht zuzuordnenden Quellen erwies sich insbesondere die in Bayreuth befindliche und unter Förderung durch die Fritz-Thyssen-Stiftung entstandene Sammlung naturrechtlicher Systeme, Lehrbücher und Einzelschriften des 18. und 19. Jahrhunderts als wertvolle Unterstützung.16 Zur Untersuchung der Wechselwirkung zwischen der zeitgenössischen Diskussion über den Zinswucher und dessen Behandlung durch den Gesetzgeber waren zudem Quellen zum geltenden Recht im Untersuchungszeitraum einzubeziehen. Denn die Wuchergesetzgebung bildete nicht nur Anlass für eine ausgedehnte Debatte über wucherische Rechtsgeschäfte und Möglichkeiten zu deren Verhinderung, sondern beeinflusste auch den Diskussionsinhalt. Besonders deutlich zeigte sich dies während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als vor allem die Gegner von Wuchergesetzen häufig auf deren Ausgestaltung im Strafrecht Bezug nahmen, um ihre Forderung nach einer freien Zinsvereinbarung zu begründen.17 Um diese – hier nur an einem Beispiel skizzierte – Verknüpfung von Ideen- und Gesetzgebungsgeschichte des Wuchers aufzeigen zu können, sind daher auch die geltenden Wuchergesetze und die entsprechenden Bestimmungen in den Kodifikationen der einzelnen deutschen Staaten sowie des Deutschen Reiches in den Blick zu nehmen.

III. Forschungsstand III. Forschungsstan d

Der eben beschriebene reichhaltige Quellenfundus, insbesondere zur Preisfrage Josephs II. und zur Frage nach der Berechtigung von Wuchergesetzen während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, ist bisher zum Großteil unausgewertet geblieben. Denn die rechtshistorische Forschung hat dem theoretischen Diskurs über Wucher und Wuchergesetze im 18. und 19. Jahrhundert kaum Beachtung geschenkt, sondern sich statt dessen im Zusammenhang mit dem Zinswucher – neben der staatlichen Wuchergesetzgebung – auf das kano___________ Frank-Lothar Kroll (Hg.), Neue Wege der Ideengeschichte. Festschrift für Kurt Kluxen zum 85. Geburtstag, Paderborn (u.a.) 1996, S. 27-45; Diethelm Klippel, Rechtsgeschichte, in: Joachim Eibach und Günther Lottes (Hg.), Kompass der Geschichtswissenschaft, 2. Aufl., Göttingen 2006, S. 126-141, hier: S. 140 f. 16 Vgl. zu den naturrechtlichen Quellen: Diethelm Klippel, Kant im Kontext. Der naturrechtliche Diskurs um 1800, in: Jahrbuch des Historischen Kollegs, 2001, S. 77-107, hier: S. 83. 17 Dazu: Kap. 6, II.

Einleitung

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nische Zinsverbot konzentriert, zu dem zahlreiche Monographien und Aufsätze erschienen sind. Unter ihnen ist insbesondere auf die umfassende Studie John Thomas Noonans hinzuweisen, der die dogmatischen Grundlagen der theologischen Doktrin vom Zinsverbot ebenso wie die Kritik daran in spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Veröffentlichungen untersucht hat.18 Eine Zusammenstellung von Quellentexten, in denen sich im Frühmittelalter das kanonische Zinsverbot nachweisen lässt, gibt Harald Siems in seiner Habilitationsschrift zum „Handel und Wucher im Spiegel frühmittelalterlicher Rechtsquellen“.19 Zudem sind die Rechtsgeschäfte behandelt worden, denen man sich im Mittelalter anstelle des Darlehensvertrags bediente, um dem Zinsverbot der Kirche auszuweichen, wie dies insbesondere auf den Rentenkauf zutraf.20 Damit zusammenhängend ist auch die Frage nach der Einhaltung des kanonischen Zinsverbots in der Kreditpraxis und dessen Geltung für Kreditvergaben der Juden an Christen aufgeworfen worden, die Hans-Jörg Gilomen und Hermann Lange zu beantworten suchen.21 In besonderem Maße stellte sich diese Frage der Beachtung des Zinsverbots für Kreditaufnahmen der Obrigkeit, so dass es im Zuge der Entstehung des öffentlichen Bankwesens zu vermehrten – von Lawrin David Armstrong und Winfried Trusen analysierten – Diskussionen unter den Kanonisten kam, ob öffentliche Anleihen, für die eine Gegenleistung gewährt wurde, als wucherisch einzustufen seien.22  Abgesehen vom kanonischen Zinsverbot liegen rechtshistorische Veröffentlichungen vor allem zur Wuchergesetzgebung vor. Wertvolle Hinweise zu deren Verlauf in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts enthalten vor allem die Untersuchungen Peter Landaus und Fritz Blaichs, die damit wichtige Erkenntnisse zumindest zu Teilaspekten der im Rahmen der vorliegenden Arbeit zu beantwortenden Fragestellungen liefern. Während Landau sich mit der Frage eines gesetzgeberischen Einschreitens gegen den Wucher in Gestalt des Kündigungsrechts beschäftigt, das einige deutsche Staaten und das Deutsche Reich ___________ 18

John Thomas Noonan, The scholastic analysis of usury, Cambridge 1957. Vgl. Harald Siems, Handel und Wucher im Spiegel frühmittelalterlicher Rechtsquellen, Hannover 1992, v.a. S. 500-591. 20 Vgl. z.B. Winfried Trusen, Zum Rentenkauf im Spätmittelalter, in: Josef Fleckenstein u.a. (Hg.), Festschrift für Hermann Heimpel, Göttingen 1972, S. 140-158. 21 Hans-Jörg Gilomen, Wucher und Wirtschaft im Mittelalter, in: Historische Zeitschrift, Bd. 250, 1990, S. 265-301; Hermann Lange, Das kanonische Zinsverbot in den Consilien des Alexander Tartagnus, in: Marcus Lutter u.a. (Hg.), Recht und Wirtschaft in Geschichte und Gegenwart. Festschrift für Johannes Bärmann zum 70. Geburtstag, München 1975, S. 99-112. 22 Vgl. Lawrin David Armstrong, Usury and Public Debt in Early Renaissance Florence: Lorenzo Ridolfi on the Monte Comune, Toronto 2003; Winfried Trusen, Die Anfänge öffentlicher Banken und das Zinsproblem. Kontroversen im Spätmittelalter, in: Marcus Lutter u.a. (Hg.), Recht und Wirtschaft in Geschichte und Gegenwart. Festschrift für Johannes Bärmann zum 70. Geburtstag, München 1975, S. 113-131. 19

III. Forschungsstand

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dem Darlehensnehmer bei hohen Zinsen gewährten,23 thematisiert der Wirtschaftshistoriker Blaich die Reformbestrebungen zur Aufhebung der Wuchergesetze von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Reichsgründung. In diesem Zusammenhang geht Blaich zudem auf die Debatten im preußischen Landtag über die Berechtigung von Wuchergesetzen ein, in denen einige der Argumente zur Sprache kamen, die auch die zeitgenössischen Schriften der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts prägten.24 Neben den Abhandlungen Landaus und Blaichs sind die Publikationen von Klaus Luig, der die Entwicklung von Gesetzgebung und Rechtsprechung zum Wucher von der Mitte bis zum Ende des 19. Jahrhunderts behandelt,25 und von Ralph Meyer im Hagen zu erwähnen, dessen Studie zur Wuchergesetzgebung mit dem „Gesetz, betreffend den Wucher“ von 1880 einsetzt und bis ins 20. Jahrhundert reicht.26 Im Unterschied zu diesen Untersuchungen, deren für die vorliegende Arbeit relevanter zeitlicher Rahmen sich auf die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts beschränkt, untersucht Jochen Dilcher in seiner Dissertation aus dem Jahre 2003 die Wuchergesetzgebung des gesamten 19. Jahrhunderts.27 Am Rande geht er zudem auf die Theoriegeschichte des Wuchers ein, jedoch mit Defiziten bei der methodischen Vorgehensweise: So analysiert Dilcher z.B. die Monographie Benthams zum Wucher, die den Diskurs in Deutschland nachhaltig beeinflusste, nicht anhand des Originaltextes, sondern greift dazu auf die Ausführungen der Autoren zurück, die den Engländer in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts rezipierten,28 obwohl diese oftmals unter Vornahme von – wenngleich kleineren – Veränderungen an die Debatte zwischen Bentham und Smith anknüpften.29 Diese bleibt bei Dilcher zudem unerwähnt: Zwar beschreibt er ausführlich Smiths Grundposition zugunsten des freien Wettbewerbs,30 verzich___________ 23

Peter Landau, Die Gesetzgebungsgeschichte des § 247 BGB. Zugleich ein Beitrag zur Geschichte der Einführung der Zinsfreiheit in Deutschland, in: Gerhard Kleinheyer und Paul Mikat (Hg.), Beiträge zur Rechtsgeschichte. Gedächtnisschrift für Hermann Conrad, Paderborn (u.a.) 1979, S. 385-408. 24 Fritz Blaich, Zinsfreiheit als Problem der deutschen Wirtschaftspolitik zwischen 1857 und 1871, in: Schmollers Jahrbuch für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, 1971, S. 269-306. 25 Klaus Luig, Vertragsfreiheit und Äquivalenzprinzip im gemeinen Recht und im BGB. Bemerkungen zur Vorgeschichte des § 138 II BGB, in: Christoph Bergfeld u.a. (Hg.), Aspekte europäischer Rechtsgeschichte. Festgabe für Helmut Coing, Frankfurt a.M. 1982, S. 171-206. 26 Ralph Meyer im Hagen, Die deutsche Wuchergesetzgebung 1880-1976, Kiel 1991. 27 Jochen Dilcher, Die Zins-Wucher-Gesetzgebung in Deutschland im 19. Jahrhundert. Eine entwicklungsgeschichtliche Betrachtung unter besonderer Berücksichtigung wirtschaftlicher und wirtschaftspolitischer Faktoren, Frankfurt a.M. (u.a.) 2002. 28 Dilcher, Zins-Wucher-Gesetzgebung (Anm. 27), S. 218 f. 29 Siehe Kap. 6, I., 2. 30 Dilcher, Zins-Wucher-Gesetzgebung (Anm. 27), S. 207-211.

Einleitung

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tet aber auf die Klarstellung, dass der schottische Nationalökonom davon bei der Zinsbestimmung eine Ausnahme machte.31 Vielmehr verleitet er zu der unzutreffenden Annahme, dass Smith zu den Kritikern von Wuchergesetzen gehörte, wenn er zu beweisen sucht, dass Turgot „in Anlehnung an Adam Smith und das Freihandelsideal“ vom Grundsatz ausgehe, „Geld sei eine Ware wie jede andere, ihr Preis, der Zins, das Ergebnis von Angebot und Nachfrage“32. Denn Turgot forderte die freie Vereinbarung der Darlehenszinsen durch die Vertragschließenden, wie Dilcher zutreffend feststellt,33 während sich Smith zugunsten der Festsetzung von Zinstaxen aussprach und damit tatsächlich die gegenteilige Auffassung vertrat. Da in Dilchers Studie zudem das 18. Jahrhundert außer Betracht bleibt, bringt sie allenfalls Teilergebnisse zu den in der vorliegenden Arbeit aufgeworfenen Fragen.

___________ 31

Dazu Kap. 2, I. Dilcher, Zins-Wucher-Gesetzgebung (Anm. 27), S. 219; vgl. auch S. 15 und 140. 33 Dilcher, Zins-Wucher-Gesetzgebung (Anm. 27), S. 219 f. – Siehe unter Kap. 2, II. zu Turgots Plädoyer für die Zinsfreiheit. 32

Kapitel 1

Die Bekämpfung des Wuchers in den absolutistisch-kameralistischen Staatswissenschaften der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts „Es ist wahr, wenn alles auf das Aeußerste gekommen“, prognostizierte der Wiener Lehrstuhlinhaber für Polizei- und Kameralwissenschaften Joseph von Sonnenfels im Jahre 1777, „so fehlet es den Wucherern letztlich an Borgern. Diese Blutigeln müssen sich [sodann] einander selbst aussaugen“1, um sich auch forthin auf Kosten anderer bereichern zu können. Bis es aber soweit ist, „geht der Staat zu Grunde“2. Hohe Zinsen bedeuteten nach dieser pessimistischen Zukunftssicht mithin nicht nur für den einzelnen Darlehensnehmer eine nahezu untragbare Belastung, sondern gleichermaßen für den ganzen Staat. Erst wenn es keine wuchernden Darlehensgeber mehr gebe und der Staat von der ihn drückenden Bürde befreit sei, konnte dieser nach Einschätzung von Sonnenfels wieder empor kommen.3 Sonnenfels bezog also seine Erörterungen zum Zinswucher – ebenso wie seine Zeitgenossen – nicht allein auf die Ebene der Vertragsparteien, sondern suchte stets die gesamtstaatliche Perspektive. Wucherische Darlehenszinsen stellten demnach im theoretischen Diskurs des Ancien Régime nicht nur einen Nachteil für den einzelnen übervorteilten Darlehensnehmer dar. Ihre negativen ___________ 1 Joseph von Sonnenfels, Politische Abhandlungen, Wien 1777 (Nachdruck: Aalen 1964), S. 106; derselbe Text findet sich bei Cajetan von Roggendorf, Versuch über das Verhältniß der Stände, nebst angehängten Lehrsätzen aus der Polizeywissenschaft, Wien 1764, S. 16. Roggendorf gibt aber ausweislich der Vorrede seines Werkes in diesem im Wesentlichen nur Inhalte wieder, die in Vorlesungen vorgetragen wurden; diejenige für Polizei- und Kameralwissenschaften hielt ab 1763 Sonnenfels. – Vgl. zu den Anfängen von Sonnenfels’ Tätigkeit als Hochschullehrer: Karl Heinz Osterloh, Joseph von Sonnenfels und die österreichische Reformbewegung im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus, Lübeck und Hamburg 1970, S. 31-37. 2 Sonnenfels, Abhandlungen (Anm. 1), S. 107; Roggendorf, Verhältniß der Stände (Anm. 1), S. 16 f. 3 Sonnenfels, Abhandlungen (Anm. 1), S. 106 f.; Roggendorf, Verhältniß der Stände (Anm. 1), S. 16 f.

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Kap. 1: Die Bekämpfung des Wuchers

Folgen trafen vielmehr zugleich den Staat, der sogar, obwohl er überhaupt nicht am Vertragsschluss beteiligt war, als der eigentlich Leidtragende des Zustandekommens wucherischer Kreditvereinbarungen erschien. Angesichts der befürchteten drastischen Konsequenzen für den Staat verwundert es nicht, dass sich die Autoren der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts unentwegt um Lösungskonzepte zur Bekämpfung des Zinswuchers bemühten. Sie sollten die Ursachen beheben, die man für die Entstehung hoher Zinsen verantwortlich machte. Folglich sind zunächst die Faktoren zu untersuchen, die den zeitgenössischen Staatswissenschaftlern zufolge die Höhe der Darlehenszinsen beeinflussten (I.). Sodann stellt sich die Frage, worin die nicht nur von Sonnenfels diagnostizierten Nachteile gesehen wurden, die dem Staat bei hohen landesüblichen Zinsen drohten. Sie ergaben sich nach kameralistischer Vorstellung mit Blick auf wesentliche Ziele des Staates, deren Erreichung den Zeitgenossen von der Zinshöhe abhängig schien (II.). Zur Vermeidung dieser misslichen Auswirkungen für den Staat wurde der Regent zum Eingreifen in das Wirtschaftsgeschehen aufgefordert: Er sollte Vorkehrungen gegen den Wucher treffen und dadurch für erschwingliche Zinsen sorgen. Abhilfe versprach man sich insbesondere von einem gesetzlich festgesetzten Höchstzinssatz, dessen Überschreitung zur Bestrafung des Zuwiderhandelnden führen sollte (III.). Die Befürwortung derartiger Wuchergesetze bekräftigten die Kameralisten in der Auseinandersetzung mit der liberalen Zinstheorie von John Locke. Dessen Plädoyer gegen eine gesetzliche Zinsregulierung – anlässlich der am Ende des 17. Jahrhunderts in England geplanten Herabsetzung des Zinsmaximums – stand im diametralen Gegensatz zu den grundlegenden Annahmen der deutschen politischen und ökonomischen Theorie der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts (IV.). Während Locke bei den Staatswissenschaftlern keinen Zuspruch fand, weil er eine staatliche Wuchergesetzgebung zur Reduzierung des landesüblichen Zinsniveaus ablehnte, stieß Philippi mit seiner Verwerfung sämtlicher Darlehenszinsen auf Kritik. Denn Philippi strebte nicht wie seine Zeitgenossen die Festsetzung einer gesetzlichen Zinstaxe an, sondern setzte sich viel weitergehender für ein gänzliches Zinsverbot ein (V.). Demgegenüber teilten Achenwall und Pütter auf den ersten Blick den Standpunkt Lockes, indem sie sich für eine freie Vereinbarung von Leistung und Gegenleistung im gegenseitigen Vertrag aussprachen. Allerdings bestätigt sich dieser Eindruck bei näherem Hinsehen nicht: Achenwall und Pütter billigten den Kontrahenten nämlich ausschließlich nach dem Naturrecht die Befugnis zu, die ihnen obliegenden Vertragspflichten ohne jegliche Einschränkung zu bestimmen; diese dürfe ihnen indes der Regent im status civilis nehmen (VI.). Abschließend ist zu untersuchen, ob die deutschen Obrigkeitsstaaten auch in der Praxis auf die Normierung von Zinstaxen zur Unterbindung wucherischer Rechtsgeschäfte zurückgriffen, wie es ihnen die absolutistisch-kameralistische Theorie nahe legte (VII.).

I. Die Determinanten der Darlehenszinsen

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I. Die Determinanten der Darlehenszinsen I. Die Determinanten der Darlehenszinsen

Nach Auffassung der Kameralisten beruhten wucherische Darlehenszinsen auf einer Störung im Geldumlauf,4 so dass sich die Frage stellt, wie aus ihrer Sicht eine vorteilhafte Geldzirkulation beschaffen sein sollte, die ein Ausbleiben solcher Zinssätze verhieß. Als unerlässliche Voraussetzung dafür galt ihnen eine hinreichende Schnelligkeit des Geldumlaufs, die sich jedoch nur durch Einbringung sämtlicher Zahlungsmittel in den Wirtschaftskreislauf erreichen lasse. Daher verurteilte man vehement ein Zurückhalten von Geld aus dem Wirtschaftsgeschehen, wenn es – anstatt zu zirkulieren – in Form von Ersparnissen niedergelegt wurde.5 „Der Nutzen des Geldes besteht in dem öfteren Gebrauch. Geld, welches im Kasten liegt, ist für den Staat so gut wie gar nicht da“6, plädierte etwa Georg Friedrich von Lamprecht, der an der Hallenser Universität Kameralistik lehrte, für den Verzicht auf das Ansparen von Geld. Ähnlich warnte der Hofrat Georg Heinrich Zincke davor, Geld durch das Unterlassen seiner Nutzung in ein „todtes und unbrauchbares Mittel“7 zu verwandeln. ___________ 4 So am deutlichsten bei Joseph Ignatz Butschek, Abhandlung von der Polizey überhaupt, und wie die eigentlichen Polizeygeschäffte von gerichtlichen, und anderen öffentlichen Verrichtungen unterschieden sind, Prag 1778, Sätze aus den sämmtlichen politischen Wissenschaften. Aus der Handlungspolitik. 21 und Joseph von Sonnenfels, Grundsätze der Polizey, Handlung und Finanz, Bd. 2, 8. Aufl., Wien 1822, S. 430, der diese Auffassung auch noch in der achten und letzten – posthum erschienenen – Auflage seines Hauptwerkes vertrat. 5 Joachim Georg Darjes, Erste Gründe der Cameral-Wissenschaften, Jena 1756, S. 530 und 533; Johann Heinrich Gottlob von Justi, Die Grundfeste zu der Macht und Glückseeligkeit der Staaten; oder ausführliche Vorstellung der gesamten PoliceyWissenschaft, Bd. 1, Königsberg und Leipzig 1760 (Nachdruck: Aalen 1965), S. 616; ders., Gesammlete Politische und Finanzschriften über wichtige Gegenstände der Staatskunst, der Kriegswissenschaften und des Cameral- und Finanzwesens, Bd. 1, Kopenhagen und Leipzig 1761 (Nachdruck: Aalen 1970), S. 523 und 531; Heinrich Gottfried Scheidemantel, Das Staatsrecht überhaupt und nach der Regierungsform, Jena 1775 (Nachdruck: Meisenheim/Glan 1979), S. 119; Sonnenfels, Abhandlungen (Anm. 1), S. 102 f.; Johann Georg Krünitz, Art. „Geld“, in: ders. (Hg.), Oekonomische Encyklopädie, oder allgemeines System der Staats- Stadt- Haus- und Landwirthschaft, Bd. 17, Berlin 1779, S. 1-54, hier: S. 19; Johann Friedrich von Pfeiffer, Grundriß der Staatswirtschaft zur Belehrung und Warnung angehender Staatswirte, Frankfurt a.M. 1782 (Nachdruck: Vaduz/Liechtenstein 1977), S. 93. 6 Georg Friedrich von Lamprecht, Versuch eines vollständigen Systems der Staatslehre mit Inbegriff ihrer beiden wichtigsten Haupttheile der Polizei- und Kameral- oder Finanzwissenschaft, Berlin 1784, S. 383. 7 Georg Heinrich Zincke, Leipziger Sammlungen von Wirthschafftlichen, PoliceyCammer- und Finantz-Sachen, Bd. 5, Leipzig 1749, S. XXXIV; ähnlich: Johann Albrecht Philippi, Der Vergrößerte Staat, Frankfurt und Leipzig 1759, S. 251: „Die vielen Millionen, so unberührt in den Schatzkammern ruhen, sind wie ein fetter Acker, so immer Brache liegt. Doch nein, ich irre mich; so vortheilhaft sind diese Millionen nicht: denn der fette Brachacker liefert noch einige Weyde, aber diese Millionen bringen gar keinen Nutzen“.

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Kap. 1: Die Bekämpfung des Wuchers

Mit der Forderung nach einer lebhaften Geldzirkulation war sowohl die Schatzbildung durch den Landesherrn als auch das Horten von Geld durch die Untertanen unvereinbar, weil es dadurch dem Umlauf entzogen wurde.8 Die Kameralisten riefen aus diesem Grund den Regenten eindringlich auf, keinen über die notwendigen Rücklagen zur Absicherung vor unvorhersehbaren Ereignissen hinausgehenden Staatsschatz aufzubauen.9 So heißt es z.B. beim preußischen Staatsbeamten und Großonkel Goethes Johann Michael von Loen: „Die unsinnige Begierde, Schätz auf Schätze zu häufen, und alles zu besitzen und zu versperren, ist eine der grösten Narrheiten in der Welt: Ein solcher Fürst weiß und kennet seine Reichthümer nicht“10. Seine Abneigung gegenüber der Schatzbildung in der fürstlichen Kasse ging so weit, dass er darin ein größeres Übel für den Staat erblickte als in einem verschwenderischen Herrscher, da dieser das Geld wenigstens in Umlauf brachte.11 Wie Loens Vorwurf bereits andeutet, definierte man staatlichen Reichtum nicht als Vorhandensein einer großen Menge Geldes. Vielmehr galt diese lediglich als sog. relativer Reichtum,12 der gewissenhaft vom sog. wahren Reichtum unterschieden wurde.13 Letzteren erblickten die Kameralisten in einer schnellen ___________ 8 Vgl. zur Ablehnung von Hortung und Schatzbildung: Ulrich Adam, The Political Economy of J.H.G. Justi, Oxford (u.a.) 2006, S. 191 ff.; Fritz Blaich, Die Epoche des Merkantilismus, Wiesbaden 1973, S. 83; Johannes Kasnacich-Schmid, Grundsätze kameralistischer Geldpolitik, in: Weltwirtschaftliches Archiv, 1958, Bd. 80, S. 90-130, hier: S. 109 f.; Anton Tautscher, Staatswirtschaftslehre des Kameralismus, Bern 1947, S. 40 ff.; Wilhelmine Dreissig, Die Geld- und Kreditlehre des deutschen Merkantilismus, Berlin 1939, S. 35-40. 9 Philippi, Staat (Anm. 7), S. 249 ff.; Johann Friedrich von Pfeiffer, Berichtigungen berühmter Staats- Finanz- Policei- Cameral- Commerz- und ökonomischer Schriften dieses Jahrhunderts, Bd. 1, Frankfurt a.M. 1781, S. 261 ff.; Sonnenfels, Grundsätze (Anm. 4), S. 426. 10 Johann Michael von Loen, Entwurf einer Staats-Kunst, Worinn die natürlichste Mittel entdecket werden, ein Land mächtig, reich und glücklich zu machen, 3. Aufl., Frankfurt und Leipzig 1751, S. 107; in diese Richtung auch: Philippi, Staat (Anm. 7), S. 249. 11 Loen, Entwurf (Anm. 10), S. 107. 12 Justi, Die Grundfeste (Anm. 5), S. 519; Gottfried Achenwall, Die Staatsklugheit nach ihren ersten Grundsätzen, Göttingen 1761, S. 133; Roggendorf, Verhältniß der Stände (Anm. 1), S. 32; Georg Friedrich von Lamprecht, Entwurf einer Encyklopädie und Methodologie der öconomisch-politischen und Cameralwissenschaften, Halle 1785, S. 278. 13 Vgl. zur Unterscheidung zwischen Geldreichtum und wahrem Reichtum: Marcus Sandl, Ökonomie des Raumes. Der kameralwissenschaftliche Entwurf der Staatswirtschaft im 18. Jahrhundert, Köln (u.a.) 1999, S. 194 f. und 308; Horst Dreitzel, Universal-Kameral-Wissenschaft als politische Theorie: Johann Friedrich von Pfeiffer (17181787), in: ders. und Friedrich Vollhardt (Hg.), Aufklärung als praktische Philosophie. Werner Schneiders zum 65. Geburtstag, Tübingen 1998, S. 149-171, hier: S. 162; Keith Tribe, Governing Economy. The Reformation of German Economic Discourse 17501840, Cambridge (u.a.) 1988, S. 70; Ernst Hinrichs, Merkantilismus in Europa: Konzep-

I. Die Determinanten der Darlehenszinsen

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Zirkulation des Geldes,14 so dass sie mit der Differenzierung zwischen relativem und wahrem Reichtum nochmals ihre Ablehnung gegenüber dem Zurückhalten von Geld aus dem Wirtschaftskreislauf unterstrichen. Allerdings reichte es ihnen nicht aus, ein Brachliegen von Geld zu verhindern; dieses sollte zudem so oft wie möglich als Zahlungsmittel Verwendung finden. Denn der Nutzen der Geldzirkulation für den Staat, den sie mathematisch exakt zu erfassen versuchten, ergab sich nach ihrer Auffassung als Produkt aus Geldmenge und Anzahl der Tauschvorgänge, also der Häufigkeit, in der Geldsummen ihren Besitzer wechselten. Ausgehend von dieser Berechnungsformel bringe z.B. der Geldbetrag von einer Million Währungseinheiten, der nur ein einziges Mal als Zahlungsmittel zum Einsatz kam, dem Staat keinen größeren Nutzen als die weitaus geringere Summe von hunderttausend Einheiten, die zehnmal unter den Untertanen weitergegeben wurde.15 Eine höhere Zirkulationsgeschwindigkeit glich demnach aus kameralistischer Sicht eine kleinere Geldmenge aus, so dass ein Staat mit geringerem relativen Reichtum als ein anderer bei schnellerem Geldumlauf über den größeren wahren Reichtum verfügen könne.16 Trotz dieser kompensatorischen Wirkung der Umlaufgeschwindigkeit war man sich einig, dass eine optimale Geldzirkulation auch eine ausreichende Geldquantität erfordere,17 da ein reibungsloser Ablauf des Wirtschaftsgeschehens auf einem ausgeglichenen Verhältnis zwischen Geld als Zahlungsmittel und den damit zu erwerbenden Gütern beruhe. Sobald hingegen die Geldsumme hinter dem Tauschwert der Produkte zurückblieb, bedurfte es den Kamera___________ te, Ziele, Praxis, in: ders. (Hg.), Absolutismus, Frankfurt a.M. 1986, S. 344-360, hier: S. 348; Siegfried Wendt, Geschichte der Volkswirtschaftslehre, 2. Aufl., Berlin 1968, S. 19 f. 14 Johann Heinrich Gottlob von Justi, Staatswirthschaft oder Systematische Abhandlung aller Oekonomischen und Cameral-Wissenschaften, die zur Regierung eines Landes erfodert werden, Bd. 1, 2. Aufl., Leipzig 1758 (Nachdruck: Aalen 1963), S. 156, 159 f., 259; Pfeiffer, Grundriß der Staatswirtschaft (Anm. 5), S. 93; Johann Heinrich Jung, Lehrbuch der Finanz-Wissenschaft, Leipzig 1789, S. 23. 15 Lamprecht, Versuch eines vollständigen Systems (Anm. 6), S. 383; Sonnenfels, Grundsätze (Anm. 4), S. 413. – Zur Berechnung des Nutzens des Geldumlaufs vgl. Sandl, Ökonomie des Raumes (Anm. 13), S. 308. 16 Lamprecht, Versuch eines vollständigen Systems (Anm. 5), S. 384: „Ein mäßig reicher Staat, in welchen das Geld in lebhafter Circulation sich befindet, ist glücklicher, als ein sehr reicher, wo dieselbe nur schwach ist“; ferner: Johann Jacob Moser, Einige Grund-Saetze einer vernünftigen Regierungs-Kunst, nach der jetzigen Gedenckens-Art und Handels-Weise verständiger Regenten, Ministers und Land-Stände, Stuttgart 1753, S. 16. – Zur Erhöhung des Zirkulationstempos als positives Gegenstück zu Geldhortung und Schatzbildung vgl. Blaich, Die Epoche (Anm. 8), S. 84 f. 17 Vgl. Achenwall, Die Staatsklugheit (Anm. 12), S. 131; Johann Heinrich Ludwig Bergius, Art. „Circulation des Geldes“, in: ders. (Hg.), Policey- und Cameral-Magazin, Bd. 2, Frankfurt a.M. 1768, S. 88-94, hier: S. 88; Johann Friedrich von Pfeiffer, Lehrbegrif sämtlicher oeconomischer und Cameralwissenschaften, Bd. 4, Mannheim 1778, Teilband 1, S. 43 f.; Lamprecht, Versuch eines vollständigen Systems (Anm. 6), S. 384.

Kap. 1: Die Bekämpfung des Wuchers

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listen zufolge auch einer entsprechenden Verringerung der Gütermenge, um das Gleichgewicht zwischen Geld und Waren wiederherzustellen. Sie sahen also eine enge Verbindung von Geld- und Warenumlauf, so dass eine Störung in der Zirkulation des Geldes auch die der Güter beeinträchtige und umgekehrt.18 Einen vorteilhaften Geldumlauf kennzeichne mithin sowohl eine der Warenmenge entsprechende Anzahl von Zahlungsmitteln als auch ein hohes Umlauftempo. Lagen beide Voraussetzungen vor, so sah man niedrige Darlehenszinsen als die notwendige Folge an.19 Je mehr indessen der tatsächliche Wirtschaftsablauf in einem Staat von diesem Idealzustand abwich, desto höher stiegen nach der kameralistischen Wirtschaftstheorie die landesüblichen Zinsen. Danach führte somit eine unzureichende Geldquantität ebenso wie eine zu geringe Umlaufgeschwindigkeit zur Störung der Geldzirkulation verbunden mit beachtlichen Zinserträgen für Darlehensgeber.20

II. Die Schädlichkeit hoher Zinsen II. Die Schädlich keit h oher Zinsen

Allerdings ließen sich hohe Zinsforderungen der Kreditgeber aus Sicht der Zeitgenossen nicht mit elementaren Zielen des Staates – nämlich der Erfüllung der Arbeitspflicht durch die Untertanen (1.), der Erwirtschaftung eines mög___________ 18 Justi, Die Grundfeste (Anm. 5), S. 560, 595 f. sowie 614 ff.; Krünitz, Art. „Geld“ (Anm. 5), S. 17 f.; Johann Friedrich von Pfeiffer, Grundsätze der Universal-CameralWissenschaft oder deren vier wichtigsten Säulen nämlich der Staats-Regierungskunst, der Policey-Wissenschaft, der allgemeinen Staats-Oekonomie, und der FinanzWissenschaft, Bd. 1, Frankfurt a.M. 1783 (Nachdruck: Aalen 1970), S. 542-545; Jung, Finanz-Wissenschaft (Anm. 14), S. 24-27. – Vgl. zur Proportion von Geld- und Gütermenge: Sandl, Ökonomie des Raumes (Anm. 13), S. 299 f.; Anton Felix Napp-Zinn, Johann Friedrich von Pfeiffer und die Kameralwissenschaften an der Universität Mainz, Wiesbaden 1955, S. 63 und 68; Louise Sommer, Die österreichischen Kameralisten in dogmengeschichtlicher Darstellung, Bd. 2, Wien 1925 (Nachdruck: Aalen 1967), S. 258 f. 19 Karl Gottlob Rößig, Lehrbuch der Polizeywissenschaft, Jena 1786, S. 498: „[...] das in gehöriger Masse vorhandene und umlaufende Geld, und die damit verbundene und sich darauf hauptsächlich mit gründende Niedrigkeit der Zinsen“; ähnlich auch: Justi, Die Grundfeste (Anm. 5), S. 566 f. sowie 639 f.; Pfeiffer, Grundriß der Staatswirtschaft (Anm. 5), S. 92 f.; Lamprecht, Versuch eines vollständigen Systems (Anm. 6), S. 653. – Vgl. zum Einfluss der zirkulierenden Geldmenge auf die Zinshöhe: Blaich, Die Epoche (Anm. 8), S. 84 f.; zum Zusammenhang von Geldquantität und Zinshöhe ferner: Angela Raupach, Zum Verhältnis von Politik und Ökonomie im Kameralismus – ein Beitrag zur sozialen Theoriebildung in Deutschland in ihrer Genese als Polizei, Hamburg 1982, S. 226 f., die allerdings von der unzutreffenden Annahme ausgeht, dass die Kameralisten der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes kaum Bedeutung beigemessen hätten, so dass bei ihr dieser zweite zinsbestimmende Faktor außer Betracht bleibt. 20 Vgl. vor allem Butschek, Abhandlung von der Polizey (Anm. 4), Sätze aus den sämmtlichen politischen Wissenschaften. Aus der Handlungspolitik. 21; Sonnenfels, Grundsätze (Anm. 4), S. 430.

II. Die Schädlichkeit hoher Zinsen

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lichst großen Außenhandelsüberschusses (2.) und der Steigerung der Einwohnerzahl (3.) – vereinbaren. Diese verfehle man, so gab man zu bedenken, sobald die Kreditvergabe zu einträglichen Gewinnen führt.

1. Zinshöhe und Müßiggang Kurz und prägnant fasste Sonnenfels die Ausbreitung des Müßigganges der Kreditgeber bei hohen Darlehenszinsen zusammen: „Jedermann sammelt Geld. Niemand verlangt zu arbeiten.“21 Denn um die Menschen zur Arbeit zu veranlassen, bedurfte es nach Auffassung der Staatswissenschaftler besonderer Anreize, die vor allem in der Notwendigkeit der Arbeit zur Finanzierung des eigenen Lebensunterhalts erblickt wurden.22 Ein solcher Antrieb fehle dementsprechend bei steigenden Zinsen dem Bürger, der über ansehnliches Vermögen verfügte und daraufhin nicht auf die Verrichtung von Arbeit angewiesen war, um sich ein Einkommen zu verschaffen. Statt in Landwirtschaft, Gewerbe oder Handel Gewinne zu erwirtschaften, konnte er diese ebenfalls, so argumentierten die Kameralisten, über die Vergabe verzinslicher Darlehen erzielen. Im Bestreben zur bestmöglichen Nutzung seiner Gelder entscheide er sich für den finanziell lukrativeren Weg, so dass er bei niedrigen Zinsen zum Nutzen des Staates eine Erwerbstätigkeit ergreife.23 Bei hohen Darlehenszinsen unterlasse er hingegen derartige Anstrengungen zugunsten eines Lebens als Kreditgeber.24 Demgemäß beklagte der Hofkammerrat Johann Heinrich Ludwig Bergius die Zunahme der nicht arbeitenden „Rentirer“ bei einem Anstieg des Zinsniveaus: ___________ 21

Sonnenfels, Abhandlungen (Anm. 1), S. 105; ebenso auch: Roggendorf, Verhältniß der Stände (Anm. 1), S. 15. – Vgl. zum Zusammenhang von Zinshöhe und Müßiggang: Raupach, Politik und Ökonomie (Anm. 19), S. 227 und 298; Napp-Zinn, Johann Friedrich von Pfeiffer (Anm. 18), S. 69. 22 Johann Heinrich Gottlob von Justi, Betrachtung über die vermeynte Glückseligkeit der Unterthanen, wenn sie sehr wenig Steuern und Abgaben zu entrichten haben, in: ders., Neue Wahrheiten zum Vortheil der Naturkunde und des gesellschaftlichen Lebens der Menschen, Bd. 7, Leipzig 1755, S. 43-60, hier: S. 45 f.; ders., Grundsätze der Policeywissenschaft, 3. Aufl., Göttingen 1782 (Nachdruck: Frankfurt a.M. 1969), S. 199; Bergius, Art. „Circulation des Geldes“ (Anm. 17), S. 90. 23 Roggendorf, Verhältniß der Stände (Anm. 1), S. 48; Joseph von Sonnenfels, Schreiben an einen Freund in Klagenfurt über die Herabsetzung der Interesse, Wien 1766, S. a 3 und b; Johann Heinrich Ludwig Bergius, Art. „Zinsen“, in: ders. (Hg.), Policey- und Cameral-Magazin, Bd. 9, Frankfurt a.M. 1774, S. 212-219, hier: S. 215; Johann Heinrich Jung, Lehrbuch der Staats-Polizey-Wissenschaft, Leipzig 1788, S. 232. 24 Justi, Die Grundfeste (Anm. 5), S. 639; ders., Policeywissenschaft (Anm. 22), S. 198; Bergius, Art. „Circulation des Geldes“ (Anm. 17), S. 90; Krünitz, Art. „Geld“ (Anm. 5), S. 27; Johann Friedrich von Pfeiffer, Natürliche aus dem Endzweck der Gesellschaft entstehende Allgemeine Policeiwissenschaft, Bd. 1, Frankfurt a.M. 1779 (Nachdruck: Aalen 1970), S. 392 f.; ders., Grundsätze der Universal-CameralWissenschaft (Anm. 18), S. 547; Sonnenfels, Grundsätze (Anm. 4), S. 430.

Kap. 1: Die Bekämpfung des Wuchers

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„Denn wenn die Menschen sehen, daß sie ohne Mühe und Gefahr, ja gleichsam schlafend, durch Aussetzung ihrer Gelder auf Zinsen mehr gewinnen können, als wenn sie eine Handthierung vornehmen; so muß man sich nicht wundern, wenn sie sich das bequemste, sicherste und vortheilhafteste Mittel zur Erreichung ihres Endzweckes erwählen.“25 Die unausweichliche Folge einer vermehrten Hinwendung zum Müßiggang bei hohen Zinsen bestand somit nach Auffassung der Kameralisten in der Aufgabe einer Tätigkeit in Landwirtschaft, gewerblicher Fertigung oder Handel durch viele Untertanen.26 Dies brauche man in England hingegen nicht zu befürchten, weil es gegenüber dem Reich einen weitaus geringeren landesüblichen Zinssatz aufweise. 27 Aus dem Grund mussten, so schwärmte man in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, selbst Eigner erheblicher Geldsummen in England der Arbeit nachgehen, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen: Das dortige Zinsniveau lasse es nicht zu, allein von den Einnahmen zu leben, die mit der Kreditgewährung erzielbar waren. Demgegenüber befähige der höhere Zinsfuß im Reich bereits die Inhaber weitaus weniger umfangreicher Vermögen zum Verzicht auf eine mühselige Erwerbstätigkeit.28 Während also bei niedrigen Zinsen – wie das nachahmungswürdige englische Beispiel belege – kaum ein Untertan es sich leisten könne, seine Beschäftigung zu quittieren, entziehe ein hoher Zinssatz der Staatswirtschaft die erforderlichen Arbeitskräfte. Ein solches Vorziehen des Müßiggangs durch die Geldeigner bei hohen Zinsen verstieß indes nach Auffassung der Zeitgenossen gegen die vom Bürger geschuldete Arbeitspflicht. Denn auf die Realisierung des Staatszwecks, den sie in der salus publica oder Glückseligkeit sahen,29 sollte nicht nur der Herrscher hinwirken. Vielmehr untersage der Staatszweck zugleich den Untertanen, die auf dessen Verwirklichung gerichteten Bemühungen des Regenten durch Müßiggehen zu vereiteln.30 Sie sollten also durch stetige Arbeit ihren Beitrag zur ___________ 25

Bergius, Art. „Zinsen“ (Anm. 23), S. 214 f. Roggendorf, Verhältniß der Stände (Anm. 1), S. 15 f.; Bergius, Art. „Circulation des Geldes“ (Anm. 17), S. 90; Sonnenfels, Abhandlungen (Anm. 1), S. 105 f.; Lamprecht, Versuch eines vollständigen Systems (Anm. 6), S. 652. 27 Justi, Die Grundfeste (Anm. 5), S. 639; Bergius, Art. „Zinsen“ (Anm. 23), S. 215; Krünitz, Art. „Geld“ (Anm. 5), S. 27. 28 Krünitz, Art. „Geld“ (Anm. 5), S. 27: „Wer in Deutschland zehntausend Thaler Capitalien hat, der kann von denen Interessen leben, und braucht nicht zu arbeiten. Allein die Interessen von zweytausend Pfund Sterling sind in England vor niemand zum Unterhalt zureichend; mithin, ungeachtet er eben so viel, und gewisser maßen mehr, als zehntausend Thaler in Deutschland besitzet, so muß er doch dabey Gewerbe treiben; wenn er sich unterhalten will“; nahezu identisch: Justi, Die Grundfeste (Anm. 5), S. 639; Bergius, Art. „Zinsen“ (Anm. 23), S. 215. 29 Dazu unten III., 2. 30 Justi, Staatswirthschaft (Anm. 14), S. 319 f.; Pfeiffer, Lehrbegrif (Anm. 17), Teilband 2, S. 31 f. – Vgl. zur Herleitung der Arbeitspflicht aus dem Staatszweck: Klaus 26

II. Die Schädlichkeit hoher Zinsen

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Erreichung des Gemeinwohl- bzw. Glückseligkeitsziels leisten, wovon man auch diejenigen nicht ausnahm, die der Arbeit zur Unterhaltserzielung gar nicht bedurften.31 Der Müßiggänger steuerte folglich aus dem Blickwinkel der absolutistisch-kameralistischen Staatstheorie nichts zum Fortkommen des Staates bei, so dass er als „unnützes und pflichtvergessenes, und nicht selten schädliches Glied desselben“32 betrachtet wurde. Da er sich auf Kosten der fleißigen Bürger ein Auskommen verschaffe, sollte der Fürst dieses staatszweckwidrige Verhalten unterbinden und die Zahl der keiner Erwerbstätigkeit nachgehenden Untertanen so weit wie möglich reduzieren.33

2. Zinshöhe und positive Handelsbilanz Hohe Darlehenszinsen waren den Kameralisten nicht nur deshalb ein Dorn im Auge, weil sie aus ihrer Sicht die Geldeigner zum Müßiggang verleiteten. Hinzu kamen Nachteile für den Staat im Handel mit anderen Nationen. Dieser galt nur dann als erfolgreich, wenn die Summe der exportierten Produkte die der importierten überstieg, so dass sich eine positive Handelsbilanz ergab. Zu deren Erzielung sah man es indes als unzureichend an, allein die Wareneinfuhr einzuschränken; vielmehr wurde darüber hinaus auch eine Erhöhung der Ausfuhr von Landesprodukten für erforderlich gehalten.34 Um dem einheimischen Erzeugnis im Ausland zahlreiche Abnehmer verschaffen zu können, müsse es aber nicht nur in hinreichender Anzahl gefertigt werden, sondern überdies eine hervorragende Qualität aufweisen und zu einem günstigen Preis erhältlich ___________ Wohlrab, Armut und Staatszweck. Die politische Theorie der Armut im deutschen Naturrecht des 18. und 19. Jahrhunderts, Goldbach 1997, S. 23 ff.; ferner: Peter Preu, Polizeibegriff und Staatszwecklehre. Die Entwicklung des Polizeibegriffs durch die Rechtsund Staatswissenschaften des 18. Jahrhunderts, Göttingen 1983, S. 252. 31 Johann Heinrich Zedler, Art. „Zins, Zinse, Abzins“, in: ders. (Hg.), Grosses vollständiges Universal-Lexikon Aller Wissenschaften und Künste, Bd. 62, Leipzig und Halle 1749 (Nachdruck: Graz 1964), Sp. 970-998, hier: Sp. 978; Darjes, CameralWissenschaften (Anm. 5), S. 454 f.; Justi, Staatswirthschaft (Anm. 14), S. 319 f.; Pfeiffer, Lehrbegrif (Anm. 17), Teilband 2, S. 31 f. 32 Pfeiffer, Lehrbegrif (Anm. 17), Teilband 2, S. 32. 33 Roggendorf, Verhältniß der Stände (Anm. 1), S. 18, 48 f.; Pfeiffer, Grundriß der Staatswirtschaft (Anm. 5), S. 17-20. Die Schädlichkeit des Müßiggängers für den Staat stellten zudem heraus: Darjes, Cameral-Wissenschaften (Anm. 5), S. 454 f.; Andreas von Schacki, Abhandlung von dem Einfluße der Policey auf die allgemeine Glückseligkeit eines Staates, Burghausen 1773, S. 9; Butschek, Abhandlung von der Polizey (Anm. 4), Sätze aus den sämmtlichen politischen Wissenschaften. Aus der Polizey. 14. – Vgl. zur Wendung der Kameralisten gegen den Müßiggang: Raupach, Politik und Ökonomie (Anm. 19), S. 264 f. 34 Justi, Die Grundfeste (Anm. 5), S. 516 f. und 519 f.; Johann Georg Leuchs, Grundriß der Policeywissenschaft zum Gebrauch seiner Vorlesungen, Nürnberg 1784, S. 29; Sonnenfels, Grundsätze (Anm. 4), S. 522.

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Kap. 1: Die Bekämpfung des Wuchers

sein.35 Diese Anforderungen waren nach der kameralistischen Wirtschaftstheorie nur bei niedrigen Zinsen vorzufinden,36 weil dann ausgeschlossen sei, dass es zur Herstellung einer ausreichenden Warenmenge von guter Qualität an Arbeitskräften fehle, die sich der Hervorbringung vielfältiger Güter und deren fortwährender Verbesserung widmeten. Bei hohen Darlehenszinsen nahm man hingegen – wie gezeigt – an, dass viele Untertanen dem Müßiggang nachgingen,37 so dass ansehnliche Zinsgewinne der Kreditgeber aus zeitgenössischer Perspektive der unerlässlichen Voraussetzung eines vorteilhaften Außenhandels widersprachen: „Wenn ein Land die allgemeine Handlungs-Bilanz gewinnen will; so muß es sehr arbeitsam und fleißig seyn.“38 Die Sicherung einer genügenden Quantität und Qualität der Landesprodukte scheiterte bei hohen Darlehenszinsen nach Ansicht der Kameralisten aber nicht nur an der dezimierten Zahl von Arbeitskräften. Zudem befürchteten sie, dass die in Landwirtschaft, Handwerk und Handel tätigen Untertanen dann von Investitionen in ihren Gewerbezweigen absahen. Diese brachten ihnen nämlich, so gab man zu bedenken, bei hohem Zinsfuß keinerlei Nutzen, da die erwarteten Mehrgewinne aus den zu finanzierenden Verbesserungen dann nicht ihnen, sondern zum weitaus größten Teil in Form der Zinsen ihren Kreditgebern zugute kämen.39 Nachdrücklich wandte sich Sonnenfels daher gegen „diese unerschwinglichen Geldzinse“, die „allen Fleiß und Aemsigkeit ersticket, [...] alles zu Geldsammlern gemacht, und dadurch der Arbeitsamkeit ihre Stütze, der Geschicklichkeit ihren Sporn, der Handlung ihren Fond entzogen haben“40. Seine ___________ 35 Achenwall, Die Staatsklugheit (Anm. 12), S. 92, 115, 118; Johann Christian Förster, Versuch einer Einleitung in die Cameral- Policey- und Finanzwissenschaften, Halle 1771, S. 269; Butschek, Abhandlung von der Polizey (Anm. 4), Sätze aus den sämmtlichen politischen Wissenschaften. Aus der Handlungspolitik. 7; Pfeiffer, Allgemeine Policeiwissenschaft (Anm. 24), S. 356 f. 36 Justi, Die Grundfeste (Anm. 5), S. 639; Bergius, Art. „Zinsen“ (Anm. 23), S. 214 ff.; ders., Art. „Circulation des Geldes“ (Anm. 17), S. 90; Krünitz, Art. „Geld“ (Anm. 5), S. 27; Pfeiffer, Allgemeine Policeiwissenschaft (Anm. 24), S. 392 f. 37 S.o. unter II., 1. 38 Justi, Policeywissenschaft (Anm. 22), S. 175; vgl. auch: ders., Staatswirthschaft (Anm. 14), S. 317 f.; Pfeiffer, Lehrbegrif (Anm. 17), Teilband 2, S. 31. – Vgl. zur Erforderlichkeit einer ausreichenden Zahl an Arbeitskräften für die Erzielung einer positiven Handelsbilanz: Martin Fuhrmann, Bevölkerungs- und Ehepolitik in der deutschen politischen und ökonomischen Theorie. Aufgeklärter Absolutismus und Frühliberalismus (ca. 1750 - ca. 1820), in: Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte, 2000, S. 31-51, hier: S. 34; Wohlrab, Armut (Anm. 30), S. 27; Blaich, Die Epoche (Anm. 8), S. 81; Joseph John Spengler, Mercantilist and physiocratic growth theory, in: Berthold Frank Hoselitz (Hg.), Theories of economic growth, New York und London 1965, S. 3-64 und 299-334, hier: S. 37. 39 Bergius, Art. „Zinsen“ (Anm. 23), S. 215; Krünitz, Art. „Geld“ (Anm. 5), S. 27; Lamprecht, Versuch eines vollständigen Systems (Anm. 6), S. 652. 40 Sonnenfels, Herabsetzung der Interesse (Anm. 23), S. b 2; ähnlich: ders., Grundsätze (Anm. 4), S. 440: „Die Aemsigkeit wird von der Last der Zinsen unterdrückt, und

II. Die Schädlichkeit hoher Zinsen

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Anprangerung wucherischer Zinserträge der Darlehensgeber fußte mithin auf der Überzeugung, dass sie nur zu Lasten der dem Staat dienlichen arbeitsamen Untertanen erlangt wurden: Denn „niemand verlangt sein Geld zur Verbesserung der Felder (setzen wir hinzu, zu Fabriken, Manufakturen,) anzuwenden, daß er durch Wucher höher nutzen kann“41. Während demnach bei hohen Zinsen eine dem auswärtigen Handelserfolg abträgliche Verringerung der Menge und Güte der Landesprodukte drohe, hielten die Kameralisten einen niedrigen Zinssatz für äußerst hilfreich zur Unterstützung des Handels.42 Er sichere der Wirtschaft viele arbeitsame Untertanen und schaffe die Voraussetzung dafür, „die Ländereien zu verbessern, nichtweniger Manufakturen und Fabriken eine neue Lebhaftigkeit zu geben“43. Der Vorteil niedriger Darlehenszinsen für die Absatzfähigkeit der Landesfabrikate zeige sich zudem bei deren Preis, da man das günstigere Produkt bei gleichwertiger Qualität stets dem teureren vorziehe.44 Eine Ware ließ sich nach Auffassung der Kameralisten aber nur dann preiswert anbieten, wenn ihre Fertigung nicht mit hohen Kosten einherging; diese Voraussetzung sahen sie ausschließlich bei niedrigen Zinsen als erfüllt an. Überstieg das landesübliche Zinsniveau hingegen die mit einer Erwerbstätigkeit erzielbaren Gewinne, so setze der über hinreichend eigenes Geld verfügende Gewerbetreibende dieses künftig nur noch zur Darlehensvergabe ein und für den verbleibenden, der zum Betrieb seines Gewerbes auf fremde Kapitalien angewiesen war, verteuere ein solcher Zinssatz erheblich die von ihm hergestellten Waren. Deren Preis erhöhe sich nämlich um den Betrag der Zinsen, der an den Kreditgeber zu erbringen war und vom Darlehensnehmer dementsprechend einen im Preis seines Produkts zu berücksichtigenden Ausgabeposten bilde.45 Für den Staat entstehe dar___________ nicht für einen Stand, sondern für ein Mittel, für einen Uebergang zu einem glücklicheren Stande angesehen. Dieser ist die Klasse der Kapitalisten, das ist, derjenigen, die nicht arbeiten, und sich von dem Schweiße der arbeitenden Klassen bereichern“; Bergius, Art. „Zinsen“ (Anm. 23), S. 215. 41 Sonnenfels, Abhandlungen (Anm. 1), S. 106; Roggendorf, Verhältniß der Stände (Anm. 1), S. 16. 42 Achenwall, Die Staatsklugheit (Anm. 12), S. 141; Förster, Versuch (Anm. 35), S. 276; Pfeiffer, Grundriß der Staatswirtschaft (Anm. 5), S. 81 und 83; Leuchs, Grundriß der Policeywissenschaft (Anm. 34), S. 10; Lamprecht, Versuch eines vollständigen Systems (Anm. 6), S. 395-398; ders., Entwurf einer Encyklopädie (Anm. 12), S. 268; Rößig, Polizeywissenschaft (Anm. 19), S. 488 f. und 498. 43 Pfeiffer, Grundriß der Staatswirtschaft (Anm. 5), S. 84. 44 Justi, Staatswirthschaft (Anm. 14), S. 211; ders., Die Grundfeste (Anm. 5), S. 565; Pfeiffer, Allgemeine Policeiwissenschaft (Anm. 24), S. 357. 45 Justi, Die Grundfeste (Anm. 5), S. 565 f.; Sonnenfels, Grundsätze (Anm. 4), S. 437 ff. Die Erhöhung des Warenpreises durch die zu zahlenden Darlehenszinsen beklagten auch: Bergius, Art. „Circulation des Geldes“ (Anm. 17), S. 90; ders., Art. „Zinsen“ (Anm. 23), S. 215; Franz Joseph Bob, Von dem Systeme der Polizeywissenschaft und dem Erkenntnißgrundsatz der Staatsklugheit und ihrer Zweige, Freiburg i. Br. 1779,

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Kap. 1: Die Bekämpfung des Wuchers

aus die missliche Folge, dass er wegen der höheren Preise der Konkurrenz mit anderen Nationen, in denen der landesübliche Zinssatz niedriger ausfiel, nicht standhalten könne und seine Handelsbilanz deshalb passiv bleibe.46 Gerade ein reger Handel mit anderen Staaten, der zu einer positiven Handelsbilanz führte, bildete aber für die ökonomische Theorie zur Zeit des Ancien Régime der „beste und wirksamste Weg, neue Geldsummen in den Umlauf zu bringen“47. Es galt ihn somit, „wenn es möglich ist, bis an das äußerste Ende der Welt zu treiben“48, um durch Erhöhung der im Umlauf befindlichen Geldsummen die Zinsen zu senken. Niedrige Zinsen und ein erfolgreicher Außenhandel bedingten sich danach also gegenseitig: Ein vorteilhafter auswärtiger Handel schien den Zeitgenossen ohne moderate Zinsen undenkbar, ebenso wie diese – angesichts der dazu erforderlichen Geldquantität – aus ihrer Sicht maßgeblich auf einem florierenden Handel mit anderen Nationen beruhten.49

3. Zinshöhe und Bevölkerungsmehrung „Alle diese üble Folgen, welche die hohen Zinsen einem Staate verursachen, zusammen genommen, haben dann am Ende noch diese schädliche Wirkung, daß sie die Bevölkerung des Staats verhindern“,50 schrieb Bergius im Jahre 1774, nachdem er zuvor den Zuwachs an Müßiggängern und die Schwächung des auswärtigen Handels beklagt hatte. Im ausbleibenden Bevölkerungswachstum sah er somit das letzte Glied einer nachteiligen Reaktionskette, die ihren Ausgangspunkt in übermäßigen Darlehenszinsen fand. Gerade diese Konsequenz erschien ihm indes in besonderem Maße besorgniserregend, da für Ber___________ Aus der Handlungswissenschaft. 28; Krünitz, Art. „Geld“ (Anm. 5), S. 26; Pfeiffer, Grundsätze der Universal-Cameral-Wissenschaft (Anm. 18), S. 547; Lamprecht, Versuch eines vollständigen Systems (Anm. 6), S. 652. 46 Bergius, Art. „Zinsen“ (Anm. 23), S. 215 f.; Sonnenfels, Grundsätze (Anm. 4), S. 438 f. 47 Justi, Die Grundfeste (Anm. 5), S. 648 und Bergius, Art. „Circulation des Geldes“ (Anm. 17), S. 93; in diese Richtung auch: Krünitz, Art. „Geld“ (Anm. 5), S. 22; Pfeiffer, Grundsätze der Universal-Cameral-Wissenschaft (Anm. 18), S. 205. – Vgl. zur Funktion der aktiven Handelsbilanz als Mittel zur Steigerung der Geldmenge: Sandl, Ökonomie des Raumes (Anm. 13), S. 194 f.; Raupach, Politik und Ökonomie (Anm. 19), S. 296 f.; Blaich, Die Epoche (Anm. 8), S. 85 ff. 48 Darjes, Cameral-Wissenschaften (Anm. 5), S. 536. 49 Moser, Regierungs-Kunst (Anm. 16), S. 16: „Die Circulation des Geldes ist um so stärcker oder schwächer, je besser oder schlechter es mit Handel und Wandel, besonders mit allen Arten von Manufacturen und Fabriquen [...] in einem Lande stehet“; Justi, Policeywissenschaft (Anm. 22), S. 189: „Blühende Commercien und Gewerbe setzten zwar die gute Beschaffenheit der Circulation des Geldes schon voraus; und beyde haben einen so grossen Einfluss in einander, daß eines ohne das andere unmöglich statt finden kann“. 50 Bergius, Art. „Zinsen“ (Anm. 23), S. 216.

II. Die Schädlichkeit hoher Zinsen

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gius – ebenso wie für seine Zeitgenossen – die „wahre Stärke eines Staats“ in der Anzahl seiner Einwohner lag.51 Auf deren Zunahme müsse sich folglich die „erste Sorge einer weisen Regierung“52 richten, so dass der Regent zum aktiven Eingreifen in die Bevölkerungsentwicklung aufgefordert war, um dem Staat eine zahlreiche Einwohnerschaft zu sichern. Als Grundlage des vom Staat anzustrebenden Bevölkerungsanstiegs galt den Kameralisten ein hinlänglicher ökonomischer Wohlstand, die sog. Nahrung. Sofern sich der Einzelne imstande sehe, eine Familie zu unterhalten, so begründeten sie den Stellenwert guter Nahrung für die Einwohnerzahl, gründe er diese auch.53 Bei hohen Darlehenszinsen gestalte es sich jedoch für die Untertanen als äußerst schwierig, die zur Versorgung einer Familie nötige materielle Lebensgrundlage zu erwirtschaften. Denn einträgliche Gewinne erzielten unter diesen Umständen aus Sicht der Kameralisten allein Darlehensgeber, während alle anderen Bürger kaum ihr Auskommen finden würden.54 Es verwundert daher nicht, dass hohe landesübliche Zinsen nach ihrer Auffassung zu den schwerwiegendsten Hemmnissen eines blühenden Nahrungsstandes zählten.55 Dieser Mangel guter Nahrung schlage sich, so gab man zu bedenken, im Rückgang von Eheschließungen und Familiengründungen56 sowie in einer erhöhten Auswanderung57 nieder. Den Untertanen bleibe damit lediglich die Wahl, entweder von einer Verehelichung samt Nachkommenschaft abzusehen oder den ___________ 51

Johann Heinrich Ludwig Bergius, Art. „Bevölkerung“, in: ders. (Hg.), Policeyund Cameral-Magazin, Bd. 1, Frankfurt a.M. 1767, S. 293-302, hier: S. 293, worauf ders., Art. „Zinsen“ (Anm. 23), S. 216 erneut hinwies. – Vgl. zur Bedeutung der Bevölkerungszahl im Kameralismus: Martin Fuhrmann, Die Politik der Volksvermehrung und Menschenveredlung. Der Bevölkerungsdiskurs in der politischen und ökonomischen Theorie der deutschen Aufklärung, in: Aufklärung, 2001, S. 243-282, hier: S. 246 ff.; ders., Bevölkerungs- und Ehepolitik (Anm. 38), S. 33-37; ferner: Caren Möller, Medizinalpolizei. Die Theorie des staatlichen Gesundheitswesens im 18. und 19. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 2005, S. 135 ff.; Sandl, Ökonomie des Raumes (Anm. 13), S. 275; Preu, Polizeibegriff (Anm. 30), S. 57. 52 Bergius, Art. „Bevölkerung“ (Anm. 51), S. 293. 53 Loen, Entwurf (Anm. 10), S. 3 und 37; Justi, Die Grundfeste (Anm. 5), S. 205 f.; Roggendorf, Verhältniß der Stände (Anm. 1), S. 9 f.; Pfeiffer, Allgemeine Policeiwissenschaft (Anm. 24), S. 59 f.; ders., Grundsätze der Universal-Cameral-Wissenschaft (Anm. 18), S. 337 f.; Lamprecht, Versuch eines vollständigen Systems (Anm. 6), S. 225. 54 Sonnenfels, Herabsetzung der Interesse (Anm. 23), S. a 3 und b 2; ders., Grundsätze (Anm. 4), S. 437-440; Bergius, Art. „Zinsen“ (Anm. 23), S. 215 f. 55 Justi, Die Grundfeste (Anm. 5), S. 639; ders., Policeywissenschaft (Anm. 22), S. 209; Bergius, Art. „Circulation des Geldes“ (Anm. 17), S. 90; Krünitz, Art. „Geld“ (Anm. 5), S. 27; Pfeiffer, Allgemeine Policeiwissenschaft (Anm. 24), S. 393; ders., Grundsätze der Universal-Cameral-Wissenschaft (Anm. 18), S. 547. 56 Bob, Polizeywissenschaft (Anm. 45), Aus der Handlungswissenschaft. 28; Sonnenfels, Grundsätze (Anm. 4), S. 442. 57 Bergius, Art. „Zinsen“ (Anm. 23), S. 216; Sonnenfels, Grundsätze (Anm. 4), S. 442.

Kap. 1: Die Bekämpfung des Wuchers

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Staat zu verlassen, um nicht darauf verzichten zu müssen.58 Darüber hinaus nahm man an, dass fremde Untertanen angesichts der schlechten Nahrung nicht in ein Land einwanderten, das hohe Darlehenszinsen aufwies.59 Im Gegensatz dazu begünstigten niedrige landesübliche Zinssätze nach kameralistischer Auffassung eine Vergrößerung der Bevölkerung: Unter diesen Umständen sei es „leicht, Familien anzubauen, die Ehen vermehren sich“60. Einer wachsenden Population wurde zudem ihrerseits eine zinssenkende Wirkung zugeschrieben, da sie Menge und Umlaufgeschwindigkeit des Geldes im selben Maße steigen lasse, wie sich die Einwohnerzahl erhöhe.61 Die vorteilhafte Einwirkung auf beide zinsbestimmende Faktoren beruhte aus Sicht der Zeitgenossen auf der größeren Anzahl von Bedürfnissen, die es bei zunehmender Bevölkerung zu befriedigen galt. Dies erfordere eine Steigerung der Warenproduktion, so dass Landwirtschaft, gewerbliche Fertigung und Handel – nicht zuletzt wegen der erhöhten Anzahl von Arbeitskräften – auflebten. Das einheimische Erzeugnis stoße aufgrund des Emporkommens dieser Erwerbszweige, so erwartete man optimistisch, nicht nur im In-, sondern auch im Ausland auf reißenden Absatz, der dem Staat eine positive Handelsbilanz – mit der Folge einer Erhöhung der zirkulierenden Geldmenge – sichere.62 Daneben beschleunigte eine starke Population nach Ansicht der Kameralisten auch den Geldumlauf; Johann Heinrich Gottlob von Justi, der am Wiener Theresianum und dann an der Universität Göttingen Kameralistik lehrte, erschien der „volkreiche Zustand eines ___________ 58

Sonnenfels, Abhandlungen (Anm. 1), S. 105; Roggendorf, Verhältniß der Stände (Anm. 1), S. 15. 59 Bergius, Art. „Zinsen“ (Anm. 23), S. 216. 60 Sonnenfels, Grundsätze (Anm. 4), S. 464; in diese Richtung auch: Justus Christoph Dithmar, Einleitung in die Oeconomische Policei- und Cameral-Wissenschaften, Frankfurt a.d.O. 1745 (Nachdruck: Glashütten im Taunus 1971), S. 137 und Johann Heinrich Gottlob von Justi, Vorschlag von Verbindung der Feuerassecuranzsocietäten mit einer Leihebanco auf die Häuser, in: ders., Neue Wahrheiten zum Vortheil der Naturkunde und des gesellschaftlichen Lebens der Menschen, Bd. 5, Leipzig 1754, S. 561-582, hier: S. 576 f., die öffentlichen Kreditanstalten als Maßnahme zur Erreichung niedriger Zinsen – s.u. III., 1. b) – positive Wirkungen für die Bevölkerungsentwicklung beimaßen. 61 Justi, Staatswirthschaft (Anm. 14), S. 159 f. und 163; Bergius, Art. „Bevölkerung“ (Anm. 51), S. 293. 62 Vgl. Justi, Staatswirthschaft (Anm. 14), S. 160; Bergius, Art. „Bevölkerung“ (Anm. 51), S. 293; Roggendorf, Verhältniß der Stände (Anm. 1), S. 11; Lamprecht, Versuch eines vollständigen Systems (Anm. 6), S. 212 ff.; Joseph von Sonnenfels, Grundsätze der Polizey, Handlung und Finanz, Bd. 1, 8. Aufl., Wien 1819, S. 25. – Vgl. zur Abhängigkeit des Produktionsumfangs von der Bevölkerungszahl: Martin Fuhrmann, Volksvermehrung als Staatsaufgabe? Bevölkerungs- und Ehepolitik in der deutschen politischen und ökonomischen Theorie des 18. und 19. Jahrhunderts, Paderborn (u.a.) 2002, S. 28 ff.; Osterloh, Joseph von Sonnenfels (Anm. 1), S. 98 f.; Napp-Zinn, Johann Friedrich von Pfeiffer (Anm. 18), S. 40.

III. Die Eindämmung des Zinswuchers als Aufgabe des Staates

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Staats“ sogar als der „vornehmste Grund von der Lebhaftigkeit des Umlaufs“63. Denn zur Befriedigung der größeren Anzahl von Bedürfnissen einer wachsenden Bevölkerung müsse man häufiger Waren gegen Geld eintauschen, so dass der Geld- und Warenumlauf an Schnelligkeit gewinne.64 Der von den Zeitgenossen angenommene Zusammenhang zwischen Bevölkerungsentwicklung und Zinshöhe zeigte sich auch beim Umfang der Einkünfte des Landesherrn, da diese, so lautete deren Forderung, nicht unerschwinglich hoch bemessen sein durften.65 Vielmehr sollte der „Gewinnst der Unterthanen“ als „Regulativ bey den öffentlichen Abgaben“66 dienen, so dass sich die Kammer des Fürsten bei einem hohen landesüblichen Zinssatz, der ausschließlich Darlehensgebern zu Wohlstand verhelfe, nur unerheblich fülle.67 Im Unterschied dazu lagen bei niedrigen Darlehenszinsen – die aus kameralistischer Sicht dem Staat eine florierende Ökonomie und eine starke Population bescherten – die Voraussetzungen für umfangreiche Staatseinnahmen vor,68 die man im „blühenden Nahrungswesen eines volkreichen Staats“69 erblickte. Auch unter fiskalischen Gesichtspunkten bestand somit ein obrigkeitliches Interesse an der Verhinderung wucherischer Darlehensverträge.

III. Die Eindämmung des Zinswuchers als Aufgabe des Staates III. Die Eindämmung des Zinswuchers als Aufgabe des Staates

Die Kameralisten zogen aus den zahlreichen Nachteilen, die dem Staat nach ihrer Auffassung bei hohen Darlehenszinsen entstanden, die Folgerung, dass der Regent für ein niedriges Zinsniveau sorgen sollte, wie man es bei den führenden europäischen Handelsmächten zur Zeit des Ancien Régime – England ___________ 63 Justi, Die Grundfeste (Anm. 5), S. 644. – Vgl. zum Zusammenhang zwischen Bevölkerungsmehrung und Lebhaftigkeit des Umlaufs bei Justi: Sommer, Die österreichischen Kameralisten (Anm. 18), S. 235 f. 64 Justi, Staatswirthschaft (Anm. 14), S. 159 f.; Bergius, Art. „Bevölkerung“ (Anm. 51), S. 293; Pfeiffer, Grundriß der Staatswirtschaft (Anm. 5), S. 15; Johann Christian Fabricius, Anfangsgründe der öconomischen Wissenschaften, 2. Aufl., Kopenhagen 1783, S. 294. 65 Justi, Staatswirthschaft (Anm. 14), S. 156; Sonnenfels, Herabsetzung der Interesse (Anm. 23), S. a 3; Schacki, Einfluße der Policey (Anm. 33), S. 27 f.; Pfeiffer, Lehrbegrif (Anm. 17), Teilband 1, S. 44. 66 Förster, Versuch (Anm. 35), S. 300. 67 Sonnenfels, Herabsetzung der Interesse (Anm. 23), S. a 3. 68 Pfeiffer, Grundriß der Staatswirtschaft (Anm. 5), S. 92 f. 69 Achenwall, Die Staatsklugheit (Anm. 12), S. 199; ähnlich auch: Förster, Versuch (Anm. 35), S. 300 f. – Vgl. zum Einfluss der Bevölkerungszahl auf die Höhe der Staatseinkünfte: Möller, Medizinalpolizei (Anm. 53), S. 136 f.; Fuhrmann, Bevölkerungs- und Ehepolitik (Anm. 38), S. 35; Erhard Dittrich, Die deutschen und österreichischen Kameralisten, Darmstadt 1974, S. 107.

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Kap. 1: Die Bekämpfung des Wuchers

und Holland – bereits verwirklicht sah.70 Denn auf diesem – in den deutschen Staaten erst noch zu erreichenden – Ideal mäßiger Zinsen beruhe, so stellte der Begründer der „Oekonomischen Encyklopädie“ Johann Georg Krünitz fest, die wirtschaftliche Prosperität Englands: „Die geringen Interessen in England sind unstreitig eins der größten Unterstützungsmittel von ihrem Flore der Landwirthschaft und der Commerzien.“71 Da die ökonomische Blüte Hollands ebenfalls auf den dortigen niedrigen Zinssatz zurückgeführt wurde,72 gilt es im Folgenden zu untersuchen, welche Mittel die deutschen Fürsten ergreifen sollten, um dem Vorbild Englands bzw. Hollands erfolgreich nachzueifern (1.). Zudem ist danach zu fragen, wie man diese staatlichen Eingriffe in das Wirtschaftsgeschehen rechtfertigte (2.).

1. Maßnahmen zur Verhinderung des Wuchers Eine erfolgreiche Unterbindung wucherischer Rechtsgeschäfte versprachen sich die Zeitgenossen nicht von einer einzelnen obrigkeitlichen Maßnahme. Vielmehr wurde dazu in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein Bündel von Vorkehrungen diskutiert, mit denen der Herrscher auf die Höhe der Darlehenszinsen Einfluss nehmen sollte.

a) Wuchergesetze Zur Verwirklichung des Ideals niedriger Zinsen forderten die Kameralisten zunächst den Gesetzgeber zum Tätigwerden auf: Er sollte „allgemeine Verordnungen wider unerlaubte[n] Wucher“ erlassen, „daß nicht welche auf übertriebene Zinsen Gelder ausleihen“73. Im Unterschied zum heutigen Wucherbegriff ___________ 70 Die landesübliche Zinshöhe in England und Holland bezifferten die Kameralisten mit Sätzen zwischen zwei und dreieinhalb Prozent, vgl. Wilhelm von Schröder, Fürstliche Schatz- und Rent-Cammer, Leipzig 1721, S. 227; Justi, Die Grundfeste (Anm. 5), S. 566; Bergius, Art. „Zinsen“ (Anm. 23), S. 215; Joseph von Sonnenfels, Uiber Wucher und Wuchergesetze, Wien 1789, S. 25. 71 Krünitz, Art. „Geld“ (Anm. 5), S. 27; fast wortgleich: Justi, Die Grundfeste (Anm. 5), S. 639; Bergius, Art. „Zinsen“ (Anm. 23), S. 216. – Vgl. zur Vorbildwirkung Englands bzw. Hollands: Thomas Simon, „Gute Policey“. Ordnungsleitbilder und Zielvorstellungen politischen Handelns in der Frühen Neuzeit, Frankfurt a.M. 2004, S. 413; Blaich, Die Epoche (Anm. 8), S. 85; Spengler, growth theory (Anm. 38), S. 32 und 34; Sommer, Die österreichischen Kameralisten (Anm. 18), S. 99. 72 Schröder, Schatz- und Rent-Cammer (Anm. 70), S. 227; Zincke, Leipziger Sammlungen (Anm. 7), S. XXXIX; Fabricius, Anfangsgründe (Anm. 64), S. 362. 73 Lamprecht, Versuch eines vollständigen Systems (Anm. 6), S. 402; in diese Richtung auch: ders., Entwurf einer Encyklopädie (Anm. 12), S. 268 f.; Johann Heinrich Zedler, Art. „Wucher“, in: ders. (Hg.), Grosses vollständiges Universal-Lexikon Aller

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sah man dabei die Überschreitung eines gesetzlich bestimmten Höchstzinses als Wucher an,74 so dass sich die Frage stellt, ab welchem Prozentsatz Darlehenszinsen als wucherisch gelten sollten. Trotz der missliebigen Folgen, die hohe Zinsen nach zeitgenössischer Vorstellung für den Staat nach sich zogen, wurde die Normierung eines sehr niedrigen Maximalzinses – entsprechend dem holländischen und englischen Vorbild – abgelehnt.75 Gegen dessen schlichte Übernahme polemisierte daher Justi: Eine bloßes Kopieren des Vorbilds, das die Besonderheiten des jeweiligen Staates außer Acht ließ, erschien ihm „eben so ungereimt, als wenn ein einfältiger Holländischer Patriot denen Staaten vorschlagen wollte, daß sie die Lebensmittel auf eben den Preiß setzen sollten, als sie in Ungarn sind“76. Bei einer zu niedrigen Festsetzung befürchtete man nämlich, dass die Geldeigner nicht gewillt sein würden, ihre Kapitalien Kreditsuchenden gegen diese mäßigen Zinsen zur Verfügung zu stellen. Vielmehr verleite sie die geringe zu erwartende Gegenleistung zur Geldanlage in anderen Staaten mit der Aussicht auf höhere Zinsgewinne. Um dieser Konsequenz zu entgehen, sollte statt der sofortigen Festsetzung eines sehr niedrigen Zinssatzes eine langsame und schrittweise Verringerung des normierten Höchstsatzes erfolgen.77 Als Rechtsfolge der Überschreitung des gesetzlichen Zinsmaximums forderten die Kameralisten, dass „die Uebertreter aufs schärfste bestrafet werden“78. ___________ Wissenschaften und Künste, Bd. 59, Leipzig und Halle 1749 (Nachdruck: Graz 1963), Sp. 691-732, hier: Sp. 693; ders., Art. „Zins, Zinse, Abzins“ (Anm. 31), Sp. 977 f.; Justi, Die Grundfeste (Anm. 5), S. 657; Bergius, Art. „Circulation des Geldes“ (Anm. 17), S. 90; Johann Georg Krünitz, Art. „Credit“, in: ders. (Hg.), Oekonomische Encyklopädie, oder allgemeines System der Staats- Stadt- Haus- und Landwirthschaft, Bd. 8, Berlin 1776, S. 424-455, hier: S. 432; Pfeiffer, Allgemeine Policeiwissenschaft (Anm. 24), S. 400; ders., Grundsätze der Universal-Cameral-Wissenschaft (Anm. 18), S. 478 f. 74 Hans-Wolfgang Strätz, Art. „Wucher“, in: Adalbert Erler u.a. (Hg.), Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 5, Berlin 1998, Sp. 1538-1539, hier: Sp. 1538; Helmut Coing, Europäisches Privatrecht, Bd. 1: Älteres Gemeines Recht (1500 bis 1800), München 1985, S. 479 f.; Peter Landau, Die Gesetzgebungsgeschichte des § 247 BGB. Zugleich ein Beitrag zur Geschichte der Einführung der Zinsfreiheit in Deutschland, in: Gerhard Kleinheyer und Paul Mikat (Hg.), Beiträge zur Rechtsgeschichte. Gedächtnisschrift für Hermann Conrad, Paderborn (u.a.) 1979. S. 385-408, hier: S. 386 f. 75 Zincke, Leipziger Sammlungen (Anm. 7), S. XXXVIII f.; Justi, Die Grundfeste (Anm. 5), S. 566; Bergius, Art. „Zinsen“ (Anm. 23), S. 218; Lamprecht, Versuch eines vollständigen Systems (Anm. 6), S. 652. 76 Justi, Die Grundfeste (Anm. 5), S. 566. 77 Zincke, Leipziger Sammlungen (Anm. 7), S. XXXVIII f.; Justi, Die Grundfeste (Anm. 5), S. 566; Bergius, Art. „Zinsen“ (Anm. 23), S. 218; Lamprecht, Versuch eines vollständigen Systems (Anm. 6), S. 652. 78 Pfeiffer, Lehrbegrif (Anm. 17), Teilband 2, S. 28; zudem: Justi, Gesammlete Politische und Finanzschriften (Anm. 5), S. 532; Bergius, Art. „Circulation des Geldes“ (Anm. 17), S. 90. – Auf den ersten Blick scheint mit der Forderung nach einer strengen Bestrafung der Wucherer die Ansicht Hommels, nach dem der „Wucher nur ein Polizei-

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Allerdings reichte ihnen die bloße Strafandrohung des Gesetzgebers nicht aus, damit die Zuwiderhandelnden auch tatsächlich dieser Sanktion unterlagen, „da die Wucherer tausenderley listige Wendungen und Deckmäntel bey ihrem Verfahren hervor zu suchen wissen, um die Gesetze unnütze zu machen“79. Man schien also zu befürchten, dass die geforderten strafbewehrten Zinstaxen unterlaufen werden könnten, wie dies Lamprecht deren Vorgängerregelung, dem mittelalterlichen kanonischen Zinsverbot, attestierte. „Gesetzt die Gesetze verböten die Zinsen“, heißt es bei ihm im Jahre 1784, „so würde, wie auch die Erfahrung gelehrt hat, der erfinderische Geist der Menschen doch andere Mittel ersinnen, zu eben diesem Endzweck zu gelangen“80. In der Tat hatte das kanonische Zinsverbot, bevor es in den deutschen Staaten während der Frühen Neuzeit durch gesetzliche Höchstzinsen ersetzt wurde,81 nicht die gewünschte Beachtung gefunden.82 Die auf die Bibel gestützte strikte Untersagung aller Zin___________ verbrechen, nicht aber ein wirkliches genannt zu werden verdiene“ (Karl Ferdinand Hommel, Philosophische Gedanken über das Criminalrecht, Breslau 1784 (Nachdruck: Hildesheim [u.a.] 1998), S. 150), unvereinbar. Er begründete seine Einordnung mit der geringeren Strafwürdigkeit dieser gesetzwidrigen Handlung gegenüber peinlichen Verbrechen, die zum einen auf dem Einverständnis des Darlehensnehmers mit der wucherischen Zinsforderung beruhe: „Er will; also geschieht ihm kein Unrecht“ (ebd.). Zum anderen könne, solange es dem „Kaufmann erlaubt [ist], seine Waare so hoch als nur möglich an Mann zu bringen“, der Wucher nicht als Bestandteil der Strafjustiz angesehen werden, denn „Geld ist gewissermaaßen ja ebenfalls Waare“ (ebd.). Hommel stützte damit seine Auffassung auf Argumente, die – wie noch zu zeigen ist – auch für die Ablehnung von Wuchergesetzen herangezogen wurden. Allerdings liegt in seiner Zuweisung des Wuchers zu den Polizeivergehen kein solcher dem ersten Anschein nach zu vermutender Widerspruch, weil es in der politischen Theorie des aufgeklärten Absolutismus an einer klaren Trennung der Aufgabenbereiche von Polizei und Kriminaljustiz fehlte – instruktiv dazu: Louis Pahlow, Justiz und Verwaltung. Zur Theorie der Gewaltenteilung im 18. und 19. Jahrhundert, Goldbach 2000, S. 44-50. 79 Justi, Staatswirthschaft (Anm. 14), S. 283 f.; in die gleiche Richtung geht auch ders., Feuerassecuranzsocietäten (Anm. 60), S. 574 sowie die Äußerung Pfeiffers, Lehrbegrif (Anm. 17), Teilband 2, S. 28, dass die Wucherer über „mancherlei listige Wendungen, und betrügerische Kunstgriffe“ verfügen, um „den Geldbedürftigen Unterthanen das Mark aus den Knochen [zu] saugen“. 80 Lamprecht, Versuch eines vollständigen Systems (Anm. 6), S. 651. 81 Jochen Dilcher, Die Zins-Wucher-Gesetzgebung in Deutschland im 19. Jahrhundert. Eine entwicklungsgeschichtliche Betrachtung unter besonderer Berücksichtigung wirtschaftlicher und wirtschaftspolitischer Faktoren, Frankfurt a.M. (u.a.) 2002, S. 139 f.; Coing, Privatrecht (Anm. 74), S. 479 f.; Kurt Peschke, Art. „Wucher“, in: Ludwig Elster u.a. (Hg.), Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Bd. 8, 4. Aufl., Jena 1928, S. 1081-1108, hier: S. 1088. 82 Thomas Dehesselles, Policey, Handel und Kredit im Herzogtum Braunschweig Wolfenbüttel in der Frühen Neuzeit, Frankfurt a.M. 1999, S. 109; Hermann Lange, Das kanonische Zinsverbot in den Consilien des Alexander Tartagnus, in: Marcus Lutter u.a. (Hg.), Recht und Wirtschaft in Geschichte und Gegenwart. Festschrift für Johannes Bärmann zum 70. Geburtstag, München 1975, S. 99-112, hier: S. 102; Werner Ogris, Der mittelalterliche Leibrentenvertrag, Wien und München 1961, S. 105; Peschke, Art. „Wucher“ (Anm. 81), S. 1087 f.

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sen, die dazu führte, dass den Christen nur unentgeltliche Darlehensverträge erlaubt waren,83 erwies sich nämlich in der gängigen Kreditpraxis als nicht durchsetzbar: So schloss man entgegen dem kanonischen Zinsverbot häufig entgeltliche Darlehensverträge, die von den Kontrahenten in mannigfaltige Umgehungsgeschäfte gekleidet wurden, um formal nicht in Konflikt mit dem Zinsverbot zu geraten.84 Wohl zur Vermeidung solcher Erfahrungen auch bei den Zinstaxen riefen die Kameralisten die Obrigkeit dazu auf, „alle dienliche Aufmerksamkeit an[zu]wenden, um [die Wucherer, K.L.] hinter den Decken hervor zu ziehen, unter welche sie sich verbergen“85. Es sollten demnach vom Staat nicht nur Wuchergesetze erlassen, sondern zusätzliche Anstrengungen unternommen werden, die eine Verhängung der gesetzlich vorgesehenen Strafen bei Verstößen gegen das Zinsmaximum gewährleisteten. Damit es erst gar nicht zur Übertretung der Zinstaxe kam, durfte der Staat nach Auffassung der Kameralisten die Steuerung der zinsbestimmenden Faktoren – Menge und Umlaufgeschwindigkeit des Geldes86 – keinesfalls vernachlässigen. Denn sie hielten die Normierung eines Zinsmaximums nur dann für eine Erfolg versprechende Maßnahme auf dem Weg zu niedrigen Darlehenszinsen, wenn die zwei Determinanten der Zinshöhe mit der getroffenen Festsetzung übereinstimmten.87 Dazu sollten beide vom Fürsten in Richtung Zinssen___________ 83 Vgl. dazu: John Thomas Noonan, The scholastic analysis of usury, Cambridge 1957; ferner: Lawrin David Armstrong, Usury and Public Debt in Early Renaissance Florence: Lorenzo Ridolfi on the Monte Comune, Toronto 2003, S. 56-65; Hans-Peter Schwintowski, Legitimation und Überwindung des kanonischen Zinsverbots. Bankentwicklungsgeschichtliche Wirkungszusammenhänge, in: Norbert Brieskorn (u.a.), Vom mittelalterlichen Recht zur neuzeitlichen Rechtswissenschaft. Bedingungen, Wege und Probleme der europäischen Rechtsgeschichte. Winfried Trusen zum 70. Geburtstag, Paderborn (u.a.) 1994, S. 261-270, hier: S. 263 ff.; Hans Georg Schachtschabel, Der gerechte Preis. Geschichte einer wirtschaftsethischen Idee, Berlin 1939, S. 60-66. Vgl. zudem Harald Siems, Handel und Wucher im Spiegel frühmittelalterlicher Rechtsquellen, Hannover 1992, v.a. S. 500-591 zu den frühmittelalterlichen Quellen zum kanonischen Zinsverbot. 84 Vgl. zu diesen Umgehungsgeschäften: Max Neumann, Geschichte des Wuchers in Deutschland bis zur Begründung der heutigen Zinsengesetze (1654.), Halle 1865 (Nachdruck: Berlin 1969), S. 440-453. Vgl. ferner: Ernst Klein, Deutsche Bankengeschichte, Bd. 1: Von den Anfängen bis zum Ende des alten Reiches (1806), Frankfurt a.M. 1982, S. 31 f. 85 Justi, Staatswirthschaft (Anm. 14), S. 284; ebenso: Sonnenfels, Grundsätze der Polizey (Anm. 61), S. 398. 86 S.o. unter I. 87 Rößig, Polizeywissenschaft (Anm. 19), S. 498: „Die Niedrigkeit der Zinsen überhaupt im Staate wird bewirkt, durch die gehörige Geldmenge, durch den vortheilhaften Umlauf derselben, durch blühende Gewerbe, durch Zinsgesetze, welche aber nur bey Voraussetzung der erstern Umstände wirksam sind“; ebenso warnte Lamprecht, Versuch eines vollständigen Systems (Anm. 6), S. 654 davor, sich zur Bekämpfung des Wuchers ausschließlich auf die entsprechenden gesetzlichen Regelungen zu stützen und die dazugehörigen weiteren Maßnahmen außer Acht zu lassen: „Werden diese Mittel nicht an-

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kung gelenkt werden, so dass man ihn aufforderte, eine Verringerung der im Wirtschaftskreislauf zirkulierenden Geldsummen tunlichst zu vermeiden und statt dessen möglichst viel Geld – vor allem durch die Erzielung einer positiven Handelsbilanz – diesem neu zu verschaffen. Überdies sollte der Landesherr für die Lebhaftigkeit des Geldumlaufs Sorge tragen.88

b) Vergabe zinsgünstiger Darlehen Zur Unterbindung wucherischer Darlehensverträge verließen sich die Staatswissenschaftler indes nicht darauf, dass die Erhöhung der Menge und Umlaufgeschwindigkeit des Geldes zusammen mit Wuchergesetzen dem Kreditwilligen in jedem Fall die gesuchte geringverzinsliche Anleihe bescheren würde. Zusätzlich plädierten sie dafür, die Möglichkeiten zum Erhalt des begehrten Geldes mit Hilfe des Staates zu erweitern, damit ein Kreditsuchender, der kein Darlehen zu erschwinglichen Zinsen fand, nicht einem Wucherer in die Hände fiel. Diese obrigkeitliche Hilfe sollte indes nicht jedem Bürger mit Geldsorgen zuteil werden. Vielmehr galten in erster Linie Eigentümer landwirtschaftlich genutzter Güter, Handwerker und Handelsleute als unterstützungswürdig, sofern sie die Darlehenssumme zum Voranbringen ihrer Erwerbszweige benötigten.89 Denn deren ausreichende Versorgung mit Geld bildete nach zeitgenössischer Vorstellung die Grundlage jedes wirtschaftlichen Aufschwungs und kam somit letztlich dem Staat selbst wieder zugute. Indes variierten die Empfehlungen, woher die zinsgünstigen Anleihen stammen sollten. Vereinzelt wurde die Gewährung von Krediten durch den Herrscher selbst gefordert.90 Den hiergegen denkbaren Einwand fehlender fi___________ gewendet; so werden auch die Gesetze, die die Anzahl der Zinsen bestimmen, unwirksam sein. Diese Gesetze sind aber verknüpft mit jenen Mitteln nicht unnöthig, indem sie in einzelnen Fällen einen übertriebenen Wucher zu verhindern nützlich sind“; vgl. ferner: Justi, Die Grundfeste (Anm. 5), S. 566 f.; Bergius, Art. „Zinsen“ (Anm. 23), S. 218. 88 Philipp Jacob Friedrich Döhler, Gründliche Entdeckung einer wohleinzurichtenden und glückseeligen Republik, Regensburg 1744, S. 427; Moser, Regierungs-Kunst (Anm. 16), S. 11 und 14; Justi, Die Grundfeste (Anm. 5), S. 156, 158 f., 259; Butschek, Abhandlung von der Polizey (Anm. 4), Sätze aus den sämmtlichen politischen Wissenschaften. Aus der Handlungspolitik. 23; Pfeiffer, Grundsätze der Universal-CameralWissenschaft (Anm. 18), S. 461; Lamprecht, Versuch eines vollständigen Systems (Anm. 6), S. 683. 89 Justi, Feuerassecuranzsocietäten (Anm. 60), S. 572 ff.; ders., Die Grundfeste (Anm. 5), S. 620 f., 625 f., 629; Johann Heinrich Ludwig Bergius, Art. „Leihebanke. Leihhaus“, in: ders. (Hg.), Policey- und Cameral-Magazin, Bd. 6, Frankfurt a.M. 1771, S. 181-198, hier: S. 188; Jakob Friedrich von Bielfeld, Lehrbegriff der Staatskunst, Bd. 1, Breslau und Leipzig 1777, S. 463; Pfeiffer, Lehrbegrif (Anm. 17), Teilband 2, S. 28. 90 Jung, Staats-Polizey-Wissenschaft (Anm. 23), S. 232. Philippi, Staat (Anm. 7), S. 252 empfahl dem Landesherrn – letztlich um seines eigenen Vorteils willens – die

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nanzieller Mittel des Landesherrn wies Johann Heinrich Jung, Professor für Finanz- und Kameralwissenschaften in Marburg, lapidar zurück: „wenn er schlecht regiert, (und das thut er, wenn er nicht so viel hat, als er braucht;) so muß er auch mit den Folgen zufrieden seyn“91. Verfügte der Fürst also nicht über das zur Darlehensvergabe notwendige Geld, bildete dies für Jung Ausdruck schlechter Staatsleitung, so dass er sich mit dem Vorkommen hoher Zinsen und wucherischer Verträge in seinem Land abzufinden habe. Joachim Georg Darjes, Juraprofessor an der Universität Frankfurt an der Oder, schlug demgegenüber als Antwort auf die Frage, woher das erforderliche Geld zur Darlehensgewährung zu nehmen sei, die vermögenden Landeseinwohner vor. Um arbeitswilligen, aber mittellosen Untertanen Geld zu verschaffen, befürwortete er die Gründung eines „Policeykollegiums“, das die Kreditvergabe unter den Untertanen koordinieren sollte. Zu diesem Zweck forderte er die Einführung einer Pflicht zur Anzeige jedes abgeschlossenen Darlehensvertrages bei dem Kollegium. Wenn es zu dem Entschluss kam, dass ein anderer als der vom Kreditgeber ausgewählte Darlehensnehmer vorrangiger des Geldes bedurfte, wies Darjes dem „Policeykollegium“ die Befugnis zum Austausch des Kreditnehmers zu. Es sollte also die Kompetenz erhalten, den Darlehensgeber zur Kündigung des Kontrakts und Rückforderung des ausbezahlten Geldes von seinem Vertragspartner zu zwingen, damit der vom „Policeykollegium“ bestimmte Kreditsuchende diesen Betrag erhalten konnte.92 Die Auswahl der Person des Darlehensnehmers war damit nicht mehr der Entscheidung des Kreditgebers vorbehalten, sondern oblag mit dem „Policeykollegium“ einem Hoheitsträger. Doch vermochte sich Darjes ebenfalls nicht mit seinem Vorschlag durchzusetzen; statt dessen plädierte die Mehrheit seiner Zeitgenossen für die Einrichtung öffentlicher Kreditanstalten. Diese Banken sollten gegen Stellung einer Sicherheit Darlehen gegen moderate Zinsen vergeben.93 Einige von deren Be___________ Gewährung zinsloser bzw. zinsgünstiger Kredite, sofern er noch über hinreichende Geldressourcen verfügte: „Wenn ein großer Monarch Gelder der Schatzkammer [...] den Kaufleuten, ohne Zinsen, oder gegen geringe Zinsen, zu Errichtung gewisser Fabriken, Manufacturen, oder überhaupt zur Handlung, vorschießt: so hilft selbiger nicht nur dadurch seinen Unterthanen auf; sondern vergrößert auch, durch den Umtrieb des Geldes, seine eigenen Einkünfte“. 91 Jung, Staats-Polizey-Wissenschaft (Anm. 23), S. 232. 92 Darjes, Cameral-Wissenschaften (Anm. 5), S. 461 ff. 93 So z.B.: Bielfeld, Staatskunst (Anm. 89), S. 258, 463; Lamprecht, Entwurf einer Encyklopädie (Anm. 12), S. 269; Rößig, Polizeywissenschaft (Anm. 19), S. 498. – Vgl. zur Umsetzung dieser Forderung nach öffentlichen Kreditanstalten in den deutschen Einzelstaaten: Klein, Bankengeschichte (Anm. 84), S. 166-177, 187-190, 201-235, 241245; ferner: Dehesselles, Policey, Handel und Kredit (Anm. 82), S. 117-121; Hermann Kellenbenz, Deutsche Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1, München 1977, S. 364-367; Gustaf

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fürwortern empfahlen zudem, das Darlehen nicht in Edelmetallmünzen, sondern in Papiergeld zu gewähren, um mit Hilfe der Bank zugleich die Quantität des umlaufenden Geldes zu erhöhen.94 Die geldvermehrende Wirkung einer solchen Kreditvergabe resultierte für sie daraus, dass den ausgegebenen Banknoten nicht in vollem Umfang eine Deckung in Gold- und Silberbeständen gegenüberstehen sollte. Denn nicht alle Banknoteninhaber würden, so nahm man an, ihr Papiergeld in die Edelmetallwährung eintauschen wollen, so dass eine geringere Deckung ausreiche. Darüber hinaus sorge die zur Kreditgewährung vorausgesetzte Beibringung von Sicherheiten dafür, dass dem Papiergeld ein entsprechender Gegenwert zugrunde lag.95 Für Johann Friedrich von Pfeiffer, der Kameralwissenschaften an der Mainzer Universität lehrte, bedurfte es daher nur zwei Millionen Währungseinheiten an Bargeldbeständen, um fünf Millionen Einheiten Banknoten über die Darlehensvergabe in Umlauf setzten zu können.96 Ähnlich betonte auch Lamprecht, dass wenigstens die Hälfte des ausgegebenen Papiergeldes nicht durch Gold- und Silberrücklagen gesichert sein brauche.97 In Höhe der ungedeckten Papiergeldausgabe sollte also die Bank die im Wirtschaftskreislauf zirkulierende Geldmenge vergrößern und auf diesem Wege einen wesentlichen zinsbestimmenden Faktor beeinflussen.98 Sie bewirkte dadurch aus Sicht der Kameralisten im selben Maße eine Zinssenkung wie bei einer entsprechend erhöhten Quantität an Edelmetallgeld.99 Die Vergabe zinsgünstiger Darlehen zur Unterstützung der Wirtschaft durch eine öffentliche Anstalt, die den kreditierten Betrag in Papiergeld ausgab, stellte indes keine Neuerrungenschaft des 18. Jahrhunderts dar. Diese Forderung ___________ Klemens Schmelzeisen, Polizeiordnungen und Privatrecht, Münster und Köln 1955, S. 542 ff. 94 Pfeiffer, Allgemeine Policeiwissenschaft (Anm. 24), S. 388 f.; Bob, Polizeywissenschaft (Anm. 45), Aus der Handlungswissenschaft. 26; Lamprecht, Versuch eines vollständigen Systems (Anm. 6), S. 384 f. und 656 ff.; Sonnenfels, Grundsätze (Anm. 4), S. 464 ff.; ders., Grundsätze der Polizey, Handlung und Finanz, Bd. 3, 8. Aufl., Wien 1822, S. 444 f. – Vgl. zu Pfeiffers Befürwortung des Papiergeldes: Dreissig, Geld- und Kreditlehre (Anm. 8), S. 102 ff. 95 Pfeiffer, Allgemeine Policeiwissenschaft (Anm. 24), S. 386 und 388 f.; Lamprecht, Versuch eines vollständigen Systems (Anm. 6), S. 657; Sonnenfels, Grundsätze der Finanz (Anm. 94), S. 443 ff. 96 Pfeiffer, Allgemeine Policeiwissenschaft (Anm. 24), S. 329. Wenig später (S. 386) ging er von einem noch geringeren Deckungsverhältnis aus: „wenn z.B. dergleichen Zettelbank eine Million baar Geld und für eine Million Pfänder, theils an unbeweglichen, theils an beweglichen Gütern hat, so kann sie wenigstens für drey Millionen Banknoten machen“. 97 Lamprecht, Versuch eines vollständigen Systems (Anm. 6), S. 656 f. 98 S.o. unter I. zu den zinsbestimmenden Faktoren. 99 Pfeiffer, Allgemeine Policeiwissenschaft (Anm. 24), S. 329 und 386; ders., Grundriß der Staatswirtschaft (Anm. 5), S. 97; Sonnenfels, Grundsätze der Finanz (Anm. 94), S. 445.

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erhob bereits Wilhelm von Schröder in seinem Hauptwerk „Fürstliche Schatzund Rent-Cammer“, das erstmals 1686 erschien und am Ende des 17. sowie in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wiederholt neu aufgelegt wurde.100 Schröder, der für einige Jahre selbst in Wien eine Manufaktur betrieb,101 wies dem Regenten darin die Aufgabe zu, „unter dem namen eines LandsFürstlichen wechsels“ eine Bank zu gründen, die bei Bereitstellung einer beweglichen Sache als Pfand Kredite gegen fünf- bzw. sechsprozentige Verzinsung vergeben sollte.102 Das Darlehen wollte er in Gestalt eines Wechselzettels, wie Schröder das Papiergeld nannte, ausbezahlt wissen, der nach seiner Prognose die gleiche Akzeptanz wie die Edelmetallwährung finden würde.103 Auch noch in den Schriften ab der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde sein Vorschlag wiederholt aufgegriffen, allerdings mit geteilter Resonanz: Während Zincke104 und Dithmar105 die Bildung von Kreditanstalten nach dem Schröder’schen Vorbild befürworteten, stießen diese bei Justi106 auf Ablehnung. Er bemängelte zum einen, dass bei der Bank zu hinterlegende bewegliche Sachen als Kreditsicherheit dienen sollten, da deren Verwahrung enorme Kosten verursache, die Kreditvergaben zu niedrigen Zinsen entgegenstünden.107 Zweitens berief er sich auf das Interesse des Darlehensnehmers an der Geheimhaltung seiner Geldnot, das er bei Schröders Bank gefährdet sah. Da der Kreditsuchende aus Justis Sicht durch das Aufsuchen der Bank – was selten verschwiegen ___________ 100

Schröder, Schatz- und Rent-Cammer (Anm. 70), S. 232 und 234-269. – Vgl. zu Schröders Bankprojekt: Simon, „Gute Policey“ (Anm. 71), S. 408 f.; Raupach, Politik und Ökonomie (Anm. 19), S. 299; Dreissig, Geld- und Kreditlehre (Anm. 8), S. 93 ff.; Sommer, Die österreichischen Kameralisten (Anm. 18), S. 100 ff.; Valentin Doering, Die Ansichten deutscher Kameralisten des 18. Jahrhunderts über das Kredit- und Bankwesen, Bamberg 1913, S. 128-133. 101 Vgl. zur Biographie Schröders: Georg Zwanowetz, Der österreichische Merkantilismus bis 1740, in: Institut für Österreichkunde (Hg.), Die Wirtschaftsgeschichte Österreichs, Wien 1971, S. 87-104, hier: S. 99 f. 102 Schröder, Schatz- und Rent-Cammer (Anm. 70), S. 238 f. Auf S. 241 spricht er indes nur noch von sechs Prozent jährlich zu entrichtender Zinsen. 103 Schröder, Schatz- und Rent-Cammer (Anm. 70), S. 241. 104 Zincke, Leipziger Sammlungen (Anm. 7), S. XXXVII. 105 Dithmar, Policei- und Cameral-Wissenschaften (Anm. 60), S. 201 f. 106 Vgl. Justi, Feuerassecuranzsocietäten (Anm. 60), S. 572 f. und ders., Die Grundfeste (Anm. 5), S. 622-625. – Justis Kritikpunkte deckten sich dabei im Wesentlichen mit den von Paul Jacob Marperger, Beschreibung der Banquen, Halle und Leipzig 1717 (Nachdruck: Frankfurt a.M. 1969), S. 376-382 am Anfang des 18. Jahrhunderts geäußerten Bedenken. 107 Justi, Die Grundfeste (Anm. 5), S. 623; Justi bemängelte indes das Entstehen zu hoher Unkosten, die ihm mit der Gewährung zinsgünstiger Kredite unvereinbar schienen, nicht nur an Schröders Bankprojekt, sondern auf S. 630 auch an den bisher bestehenden Kreditanstalten. – Vgl. zu diesem Kritikpunkt Justis: Dreissig, Geld- und Kreditlehre (Anm. 8), S. 96; Doering, Kredit- und Bankwesen (Anm. 100), S. 130 f.

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Kap. 1: Die Bekämpfung des Wuchers

bleibe – seinen finanziellen Engpass öffentlich dartun müsste, bezweifelte er, dass sich viele Gewerbetreibende zur Abhilfe ihrer Geldsorgen bei der Schröder’schen Bank melden würden. Um sich und ihr Gewerbe nicht in öffentlichen Verruf zu bringen, erschien es ihm wahrscheinlicher, dass die Bank unter dem zu unterstützenden Personenkreis nicht den gewünschten Zuspruch erhielt.108 Zum dritten wandte sich Justi gegen die Ausgabe des Darlehensbetrages in Form von Papiergeld: Es sei keineswegs, wie von Schröder behauptet, ein der baren Münze gleichwertiges Zahlungsmittel, so dass er allenfalls unter Inkaufnahme erheblicher Wertverluste mit dessen Annahme rechnete.109 Justi beschränkte sich jedoch nicht auf diese Kritik, sondern stellte mit der Verbindung von Kreditanstalt und Feuerversicherung auch selbst ein Bankprojekt vor, mit dem er die drei Unzulänglichkeiten, die er dem Schröder’schen Vorschlag attestierte, vermeiden wollte.110 Dementsprechend lehnte er als Kreditsicherheit von der Bank zu verwahrende Mobilien ab, um die sonst anfallenden Aufbewahrungskosten einzusparen. Statt dessen sollten die in der Feuerassekuranz versicherten Gebäude als Kreditsicherheit dienen,111 da die zu unterstützenden Gewerbetreibenden nach Justis Einschätzung in der Regel Eigentümer eines bebauten – seltener hingegen eines unbebauten – Grundstücks waren.112 Doch nicht nur bei diesem Ausgabeposten sah er die von ihm befürwortete Bank, die auch bei anderen Autoren Zustimmung fand,113 als weniger kostenintensiv als die Schröder’sche an. Durch die Angliederung der Bank an die in einigen Staaten schon existierenden Feuerversicherungsanstalten114 entstünden nämlich auch kaum Aufwendungen für Besoldungen, so pries Justi die ___________ 108 Justi, Die Grundfeste (Anm. 5), S. 624, was er wiederum i.V.m. S. 737 ebenfalls gegen die bereits bestehenden öffentlichen Kreditanstalten einwandte. 109 Justi, Feuerassecuranzsocietäten (Anm. 60), S. 573; ders., Die Grundfeste (Anm. 5), S. 623. 110 Vgl. Justi, Feuerassecuranzsocietäten (Anm. 60); ders., Die Grundfeste (Anm. 5), S. 625-635. – Die Einführung einer mit der Feuerversicherung verbundenen Kreditanstalt ist bereits 1685 vorgeschlagen, aber nicht realisiert worden: Vgl. O. Meinardus, Beiträge zur Geschichte der Handelspolitik des Großen Kurfürsten, in: Historische Zeitschrift, Bd. 66, 1891, S. 444-495, hier: S. 489; Ernst Klein, Johann Heinrich Gottlob Justi und die preußische Staatswirtschaft, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 1961, S. 145-202, hier: S. 188. 111 Justi, Feuerassecuranzsocietäten (Anm. 60), S. 568; ders., Staatswirthschaft (Anm. 14), S. 286. Ders., Die Grundfeste (Anm. 5), S. 627 f. und 633 bezog auch bestimmte bewegliche Sachen als Kreditsicherheit ein, die aber stets beim Darlehensnehmer verbleiben und nicht bei der Bank als Pfand niedergelegt werden sollten. 112 Justi, Feuerassecuranzsocietäten (Anm. 60), S. 573. 113 Bergius, Art. „Leihebanke. Leihhaus“ (Anm. 89), S. 184; Friedrich Jakob Floerken, Art. „Leihbank“, in: Johann Georg Krünitz (Hg.), Oekonomische Encyklopädie, oder allgemeines System der Staats- Stadt- Haus- und Landwirthschaft, Bd. 75, Berlin 1798, S. 521-639, hier: S. 532. 114 Justi, Feuerassecuranzsocietäten (Anm. 60), S. 566.

III. Die Eindämmung des Zinswuchers als Aufgabe des Staates

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Vorzüge seines Vorschlags, weil er deren Bedienstete zusätzlich mit den Bankaufgaben betrauen wollte.115 Justi widmete sich dabei so gewissenhaft den Möglichkeiten zur Kostenreduzierung, die er bei Schröder vermisste, damit die von ihm empfohlene Bank tatsächlich Darlehen gegen eine mäßige fünfprozentige Verzinsung vergeben könnte.116 Denn selbstverständlich sei dies mit Blick auf die in einigen deutschen Staaten bereits bestehenden öffentlichen Anstalten keineswegs: Vielmehr verliehen diese, so beklagte Justi, die Gelder wegen zu hoher Unterhaltungskosten überwiegend gegen – von ihm alles andere als moderat empfundene – Zinsen von bis zu acht Prozent. Sie verfehlten dadurch in seinen Augen den Zweck ihrer Errichtung, der Wirtschaft zinsgünstige Kredite zu verschaffen.117 Hingegen erwartete Justi eine rege Inanspruchnahme der von ihm vorgeschlagenen Bank durch die Gewerbetreibenden, zumal sie bei Umsetzung seiner Empfehlung davon entbunden wären, sich zum Erhalt des begehrten Kredites eigens zur Bank zu begeben. Denn eine solche Art und Weise der Kreditvergabe bildete für ihn eine Schwachstelle sowohl der bislang ausgeführten als auch der von Schröder konzipierten Kreditanstalten, weil Darlehensnehmer dabei ein Kundwerden ihrer Geldknappheit befürchten müssten. Um dies zu verhindern, plädierte Justi dafür, die Darlehen zusammen mit der Einziehung der Versicherungsbeiträge zu gewähren, die wegen des von ihm geforderten Beitrittszwangs zur Feuerassekuranz ohnehin jeder Eigentümer eines bebauten Grundstücks zu erbringen habe.118 Er gestaltete damit die Kreditvergabe so aus, dass für Außenstehende nicht ersichtlich werden sollte, ob man nur den Versicherungsbeitrag entrichtete oder zugleich ein Darlehen erhielt. Dieses wollte er außerdem – um auch seinen dritten Kritikpunkt an Schröders Vorschlag beim eigenen Bankprojekt zu vermeiden – nicht in Papiergeld, sondern in der Edelmetallwährung auszahlen. Die dafür erforderlichen Gelder sollten aus verzinslichen Anlagen vermögender Untertanen bei der Bank stammen.119 Dazu würden sich genügend Geldeigner bereit finden, so nahm Justi an, da deren Vermögen bei der von ihm befürworteten Bank, die nur Kredite gegen Hypotheken auf bebaute Grundstücke vergab, sicher angelegt sei. Den Wert dieser Kreditsicherheiten schütze nämlich die Versicherung der Gebäude gegen Feuerschäden, so dass bei deren Abbrennen die Geldeigner nicht „ihr Capital gleichfalls in die ___________ 115

Justi, Feuerassecuranzsocietäten (Anm. 60), S. 570; ders., Die Grundfeste (Anm. 5), S. 630. 116 Justi, Feuerassecuranzsocietäten (Anm. 60), S. 570; ders., Die Grundfeste (Anm. 5), S. 630. 117 Justi, Feuerassecuranzsocietäten (Anm. 60), S. 570; ähnlich: ders., Die Grundfeste (Anm. 5), S. 630, wo er von sieben- bis achtprozentiger Zinsforderungen der bisherigen Banken spricht. 118 Justi, Feuerassecuranzsocietäten (Anm. 60), S. 566 f. und 571. 119 Justi, Staatswirthschaft (Anm. 14), S. 286; ders., die Grundfeste (Anm. 5), S. 630.

Kap. 1: Die Bekämpfung des Wuchers

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Asche suchen“120 müssten.121 Vielmehr gewährleistete für Justi die Entschädigungsleistung der Assekuranzanstalt bei Eintritt des Versicherungsfalls, dass die Anleger dadurch nicht um ihr Geld kamen.122

c) Verbesserung des Kreditsicherungsrechts und der Rechtspflege Der Schutz der Geldgeber prägte nicht nur Justis Plädoyer für das eigene Bankprojekt. Um in den vermögenden Untertanen den Entschluss zur Darlehensvergabe ohne wucherische Zinsen zu wecken und aufrechtzuerhalten, musste ebenfalls aus Sicht seiner Zeitgenossen garantiert sein, dass diese die kreditierte Summe zuzüglich Zinsen stets zurückerhielten. „Die Sicherheit ist das Hauptwerk, worauf es [...] bey dem Creditwesen am meisten ankommt“123, konstatierte daher z.B. Bergius. Ähnlich bemerkte Lamprecht: „Je mehr man sich darauf verlassen kann, daß man sicher und ohne viele Umstände zu den Seinigen wieder kommen kann, je leichter werden sich welche entschliessen, Credit zu geben.“124 Über die Wiedererlangung der eigenen Gelder blieben jedoch nach Auffassung der Kameralisten diejenigen Darlehensgeber im Unklaren, die sich zur Sicherheit nicht eine bewegliche Sache verpfänden, sondern eine Hypothek bestellen ließen. Denn es bestünden noch keineswegs allerorts öffentliche Bücher, so begründeten sie das aus ihrer Sicht zu behebende Defizit, in denen die Rechtslage an Liegenschaften und damit auch deren Belastung mit Grundpfandrechten vollständig dokumentiert wurde. Ohne diese bringe aber Darlehensgebern der Erwerb einer Hypothek nicht den angestrebten Nutzen als Kreditsicherheit, da sie befürchten müssten, dass bereits anderen Gläubigern das___________ 120

Justi, Feuerassecuranzsocietäten (Anm. 60), S. 565. Justi, Feuerassecuranzsocietäten (Anm. 60), S. 569: „Der Grund einer Banco, in welche Gelder gegen Verzinsung eingeleget werden sollen, ist, daß die Banco-Gläubiger eine vollkommene Sicherheit ihrer Capitalien vor sich sehen. Diese Sicherheit ist hier überflüßig vorhanden [...], weil sie auf Häuser geliehen werden, die durch diese Anstalten, sie mögen abbrennen oder nicht, die allersichersten Grundstücken geworden sind“; ders., Die Grundfeste (Anm. 5), S. 629. 122 Justi, Die Grundfeste (Anm. 5), S. 632. 123 Johann Heinrich Ludwig Bergius, Art. „Grund- und Hypothekenbuch“, in: ders. (Hg.), Policey- und Cameral-Magazin, Bd. 4, Frankfurt a.M. 1769, S. 170-200, hier: S. 170. 124 Lamprecht, Versuch eines vollständigen Systems (Anm. 6), S. 402 f.; in diese Richtung auch: Justi, Staatswirthschaft (Anm. 14), S. 276 und 279; ders., Gesammlete Politische und Finanzschriften (Anm. 5), S. 531 f.; Krünitz, Art. „Credit“ (Anm. 72), S. 430. – Vgl. zum Einfluss der Sicherheit der Geldeigner auf deren Neigung zur Kreditgewährung: Sibylle Hofer, „So haben Wir zu Beförderung des Credits vor nöthig befunden (...)“ – Kreditsteuerung durch Konkursrecht in der frühen Neuzeit, in: Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte 2004, S. 177-188, hier: S. 178 f. 121

III. Die Eindämmung des Zinswuchers als Aufgabe des Staates

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selbe Recht am gleichen Grundstück zustand.125 Damit Geldeigner nicht aus Angst vor dem Verlust ihrer Kapitalien daraufhin ganz von Darlehensvergaben absahen, forderte man die Einführung von Grund- bzw. Hypothekenbüchern, die Auskunft über die bestehenden Belastungen am Grundstück geben sollten.126 Zudem setzten sich die Kameralisten für einen Vorrang des im Hypothekenbuch eingetragenen Rechts gegenüber den daraus nicht ersichtlichen Grundpfandrechten ein.127 Der Darlehensgeber sollte also durch einen Blick in öffentliche Bücher Gewissheit erlangen können, ob der Kreditsuchende tatsächlich Eigentümer einer nicht schon mit Grundpfandrechten belasteten Immobilie war. Die Gewährleistung der Sicherheit der Kreditgeber vor dem Verlust ihrer Gelder war für die Kameralisten zudem von Nöten, wenn der Darlehensnehmer den erhaltenen Betrag samt Zinsen nicht zum vereinbarten Termin zurückzahlte. Denn „langwierige und geldfressende Processe“ schreckten Geldeigner ebenso wie fehlende Hypothekenbücher von Kreditgewährungen ab und bewogen sie statt dessen, „ihr Geld lieber im Kasten müßig liegen [zu] lassen, als sich solcher Gefahr damit aus[zu]setzen“128. Zur Entkräftung derartiger Bedenken sollte dem Darlehensgeber für diesen Fall ein gut eingerichtetes Justizwesen zur Seite stehen, das eine rasche und effektive Durchsetzung seiner Ansprüche sicherstellte. Dazu forderte man sowohl eine Verringerung der Prozessdauer in darlehensvertraglichen Streitigkeiten als auch eine unnachgiebige Anhaltung des Darlehensnehmers zur Zahlung.129 Einer schnellen und zuverläs___________ 125 Bergius, Art. „Grund- und Hypothekenbuch“ (Anm. 123), S. 170 f. und 179; Lamprecht, Versuch eines vollständigen Systems (Anm. 6), S. 404. 126 Dithmar, Policei- und Cameral-Wissenschaften (Anm. 60), S. 207; Krünitz, Art. „Credit“ (Anm. 73), S. 433; Lamprecht, Versuch eines vollständigen Systems (Anm. 6), S. 404. – Vgl. dazu: Hofer, Kreditsteuerung (Anm. 124), S. 185-188 sowie zur Forderung nach Grund- bzw. Hypothekenbüchern am Beispiel Bayerns im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert: Michael Stolleis, Das Bayerische Hypothekengesetz von 1822, in: Helmut Coing und Walter Wilhelm (Hg.), Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 3: Die rechtliche und wirtschaftliche Entwicklung des Grundeigentums und Grundkredits, Frankfurt a.M. 1976, S. 240-272, hier: S. 240-259. 127 Bergius, Art. „Grund- und Hypothekenbuch“ (Anm. 123), S. 176; Lamprecht, Versuch eines vollständigen Systems (Anm. 6), S. 404. 128 Justi, Staatswirthschaft (Anm. 14), S. 283. Ähnlich auch Pfeiffer, Lehrbegrif (Anm. 17), Teilband 2, S. 28 f.: Mit zeit- und kostenintensiven Gerichtsverfahren „vermehret man freilich die Einkünfte, der Richter und Advocaten; allein man schwäche zugleich den Credit; niemand begehrt sein Geld in ein Land zu geben, um sich Verdruß dafür einzukaufen, oder wohl gar wie es nicht selten geschiehet, das Opfer der Chikane zu werden“. 129 Dithmar, Policei- und Cameral-Wissenschaften (Anm. 60), S. 207 und 218; Darjes, Cameral-Wissenschaften (Anm. 5), S. 505 f.; Johann Jacob Moser, Von der Landeshoheit in Cameral-Sachen, Frankfurt und Leipzig 1773 (Nachdruck: Osnabrück 1967), S. 471 f.; Scheidemantel, Staatsrecht (Anm. 5), S. 124; Pfeiffer, Lehrbegrif (Anm.

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sigen Rechtsdurchsetzung bedürfe es umso mehr, wenn der zahlungssäumige Schuldner zu den Gewerbetreibenden zählte: Die gegen ihn bestehenden darlehensvertraglichen Ansprüche sollten unverzüglich sowie gegebenenfalls unter Einsatz harter Zwangsmittel durchgesetzt werden.130 Die schärferen Maßnahmen bei diesem Personenkreis verdeutlichen erneut das Ziel, das man mit der Bekämpfung des Wuchers insgesamt verfolgte, nämlich die Versorgung der Wirtschaft mit zinsgünstigen Darlehen. Dies rechtfertigte für die Zeitgenossen eine härtere Behandlung der Gewerbetreibenden, damit nicht gerade diese ohne erschwingliche Kredite blieben. Um die Geldeigner zur Darlehensvergabe zu veranlassen, wurden überdies „stränge Gesetze wider die muthwilligen, und durch Verschwendung, oder unordentliche Wirthschaft verursachten, Banqueroutte“131 gefordert. Es sollte also dem Schuldner die Herbeiführung der eigenen Zahlungsunfähigkeit untersagt werden, da diese zu Lasten seiner Geldgeber ging.

2. Die Legitimation der Staatstätigkeit zur Verhinderung wucherischer Verträge Da nicht nur eine verbesserte Rechtsdurchsetzung, sondern – wie bereits gezeigt – auch Zinstaxen zum Maßnahmekatalog der absolutistischkameralistischen Staatswissenschaften zählten, mit denen die Obrigkeit wucherischen Vertragsinhalten entgegenwirken sollte, stellt sich die Frage, wie eine solche Staatstätigkeit legitimiert wurde. Dabei hegten die Zeitgenossen nicht den geringsten Zweifel an der Berechtigung des Gesetzgebers zur Festschreibung der maximalen Zinshöhe, obwohl dadurch er und nicht die Kontrahenten über das dem Darlehensgeber gebührende Entgelt entschied. Diese Auffassung wird verständlich, wenn man die Intention der vorliberalen politischen Theorie nicht aus dem Blick verliert: Sie bestand in der Rechtfertigung der absolutistischen Herrschaftsansprüche der Fürsten, die insbesondere mit Hilfe der natur___________ 17), Teilband 2, S. 28; Lamprecht, Versuch eines vollständigen Systems (Anm. 6), S. 402. 130 Dithmar, Policei- und Cameral-Wissenschaften (Anm. 60), S. 122 ff.; Justi, Die Grundfeste (Anm. 5), S. 656; Johann Heinrich Ludwig Bergius, Art. „Credit“, in: ders. (Hg.), Policey- und Cameral-Magazin, Bd. 2, Frankfurt a.M. 1768, S. 124-128, hier: S. 127; Krünitz, Art. „Credit“ (Anm. 73), S. 430; Pfeiffer, Allgemeine Policeiwissenschaft (Anm. 24), S. 400; ders., Grundsätze der Universal-Cameral-Wissenschaft (Anm. 18), S. 478. 131 Justi, Die Grundfeste (Anm. 5), S. 657; ähnlich: Bergius, Art. „Credit“ (Anm. 130), S. 127; Krünitz, Art. „Credit“ (Anm. 73), S. 431; Pfeiffer, Allgemeine Policeiwissenschaft (Anm. 24), S. 400; Lamprecht, Entwurf einer Encyklopädie (Anm. 12), S. 268 f.

III. Die Eindämmung des Zinswuchers als Aufgabe des Staates

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rechtlichen Staatszwecklehre vorgenommen wurde.132 Diese sah den vom Herrscher zu realisierenden Staatszweck im Gemeinwohl (salus publica) bzw. in der Glückseligkeit und wies ihm zugleich die Befugnis zur Ausfüllung der bewusst weit und nur wenig präzise gefassten Begriffe zu.133 Als Mittel zur Herstellung und Aufrechterhaltung der salus publica bzw. der Glückseligkeit sollte dem Herrscher die „gute Policey“ dienen, so dass der erheblichen Ausdehnung des Staatszwecks zwangsläufig ein immenser polizeilicher Aufgabenbereich entsprach. Stellvertretend für viele seiner Zeitgenossen hob der Nürnberger Advokat Johann Georg Leuchs diesen Zusammenhang hervor: „Wenn der Haubtgrundsatz des Policeywesens, die genaueste Verbindung der Wolfart einzelner Familien, mit dem gemeinschafftlichen Besten oder der Glückseeligkeit des gesammten Staats ist; so zeigt sich der weitlaeuffige Umfang derselben von selbst.“134 Dem Fürsten wurden dementsprechend mittels der „guten Policey“ unzählige Eingriffsbefugnisse in fast allen Lebensbereichen des Bürgers an die Hand gegeben, so dass seine Machtfülle kaum Begrenzungen unterliegen sollte.135 ___________ 132 Vgl. Jan Rolin, Der Ursprung des Staates. Die naturrechtlich-rechtsphilosophische Legitimation von Staat und Staatsgewalt im Deutschland des 18. und 19. Jahrhunderts, Tübingen 2005, S. 62 f. und 68 ff.; Diethelm Klippel, Naturrecht als politische Theorie. Zur politischen Bedeutung des deutschen Naturrechts im 18. und 19. Jahrhundert, in: Hans Erich Bödeker und Ulrich Herrmann (Hg.), Aufklärung als Politisierung – Politisierung der Aufklärung, Hamburg 1987, S. 267-293, hier: S. 267 f. und 271 f.; ferner: Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1, München 1988, S. 276 f. 133 Instruktiv hierzu: Diethelm Klippel, Der liberale Interventionsstaat. Staatszweck und Staatstätigkeit in der deutschen politischen Theorie des 18. und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Heiner Lück (Hg.), Recht und Rechtswissenschaft im mitteldeutschen Raum, Köln u.a. 1998, S. 77-103, hier: S. 80-84; Ulrich Engelhardt, Zum Begriff der Glückseligkeit in der kameralistischen Staatslehre des 18. Jahrhunderts (J. H. G. v. Justi), in: Zeitschrift für Historische Forschung, 1981, S. 37-79, hier: S. 47-50; Ulrich Scheuner, Die Staatszwecke und die Entwicklung der Verwaltung im deutschen Staat des 18. Jahrhunderts, in: Gerd Kleinheyer und Paul Mikat (Hg.), Beiträge zur Rechtsgeschichte. Gedächtnisschrift für Hermann Conrad, Paderborn (u.a.) 1979, S. 467-489, hier: S. 481 ff. 134 Leuchs, Grundriß der Policeywissenschaft (Anm. 34), S. 7 f. 135 Vgl. Diethelm Klippel, Familienpolizei. Staat, Familie und Individuum in Naturrecht und Polizeiwissenschaft um 1800, in: Sibylle Hofer u.a. (Hg.), Perspektiven des Familienrechts. Festschrift für Dieter Schwab zum 70. Geburtstag, Bielefeld 2005, S. 125-141, hier: S. 136 ff.; Peter Blickle, Gute Polizei oder Sozialdisziplinierung, in: Theo Stammen u.a. (Hg.), Politik – Bildung – Religion. Hans Maier zum 65. Geburtstag, Paderborn (u.a.) 1996, S. 97-107, hier: S. 98; Keith Tribe, Polizei, Staat und die Staatswissenschaften bei J. H. G. von Justi, in: Bertram Schefold u.a. (Hg.), Vademecum zu einem Klassiker des Kameralismus. Johann Heinrich Gottlob von Justis „Grundsätze der Policey-Wissenschaft“, Düsseldorf 1993, S. 107-139, hier: S. 118 ff.; Franz-Ludwig Knemeyer, Art. „Polizei“, in: Otto Brunner u.a. (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 4, Stuttgart 1978, S. 875-897, hier: S. 884 ff.

Kap. 1: Die Bekämpfung des Wuchers

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Ein wesentliches Tätigkeitsfeld, das dem Landesherrn seine polizeiliche Kompetenz eröffnete, bildete das Gebiet der Wirtschaft. Ökonomische Zusammenhänge wurden mithin zur Zeit des Ancien Régime nicht als Eigengesetzlichkeiten unterliegende Abläufe betrachtet, die sich obrigkeitlichen Reglementierungen entzogen. Ganz im Gegenteil: In der Lenkung der Wirtschaft erblickte man einen entscheidenden Bestandteil des staatlichen Aufgabenbereichs zur Erreichung des Staatszwecks.136 Damit fielen auch die Mittel, für deren Ergreifung die Kameralisten zur Verhinderung des Zinswuchers plädierten, in die polizeiliche Zuständigkeit des Regenten. „Guter Policey“ entsprach daher die Normierung von Höchstzinsen137 ebenso wie die Sorge für eine ausreichende Geldmenge im Wirtschaftskreislauf und für deren rasche Zirkulation als Grundlage niedriger Zinsen.138

IV. Die Einwände der Kameralisten gegen Lockes Ablehnung zinssenkender Gesetze IV. Die Einwände der Kameralisten

Im Unterschied zu den Kameralisten, denen ökonomischer Fortschritt nur durch obrigkeitliche Intervention erreichbar schien, so dass sie zur Mäßigung darlehensvertraglicher Zinsforderungen Wuchergesetze befürworteten, ließ sich für John Locke ein moderates Zinsniveau nicht per Gesetz verordnen.139 Locke ___________ 136

Vgl. Sandl, Ökonomie des Raumes (Anm. 13), S. 168 f.; Klippel, Der liberale Interventionsstaat (Anm. 133), S. 87 f.; ders., „Libertas commerciorum“ und „VermögensGesellschaft“. Zur Geschichte ökonomischer Freiheitsrechte in Deutschland im 18. Jahrhundert, in: Günter Birtsch (Hg.), Grund- und Freiheitsrechte im Wandel von Gesellschaft und Geschichte. Beiträge zur Geschichte der Grund- und Freiheitsrechte vom Ausgang des Mittelalters bis zur Revolution von 1848, Göttingen 1981, S. 313-335, hier: S. 316-319; Horst Dreitzel, Justis Beitrag zur Politisierung der deutschen Aufklärung, in: Hans Erich Bödeker und Ulrich Herrmann (Hg.), Aufklärung als Politisierung – Politisierung der Aufklärung, Hamburg 1987, S. 158-177, hier: S. 171; Dieter Grimm, Soziale, wirtschaftliche und politische Voraussetzungen der Vertragsfreiheit, in: Bruno Paradisi (Hg.), La formazione storica del Diritto moderno in Europa. Atti del terzo Congresso internazionale della Società italiana di storia del Diritto, Bd. 3, Florenz 1977, S. 1221-1248, hier: S. 1222 f.; Andreas Kaiser, Zum Verhältnis von Vertragsfreiheit und Gesellschaftsordnung während des 19. Jahrhunderts insbesondere in den Auseinandersetzungen über den Arbeitsvertrag, Berlin 1973, S. 22 f. 137 Vgl. Georg Heinrich Zincke, Art. „Policey“, in: ders. (Hg.), Allgemeines Oeconomisches Lexikon, Bd. 2, 2. Aufl., Leipzig 1744, Sp. 2266-2272, hier: Sp. 2271 f.; ders., Anfangsgründe der Cameralwissenschaft, Bd. 1, Leipzig 1755, S. 306-310; Moser, Cameral-Sachen (Anm. 129), S. 482. 138 Vgl. Moser, Regierungs-Kunst (Anm. 16), S. 11, 16; Justi, Die Grundfeste (Anm. 5), S. 538; Immanuel Karl Heinrich Börner, Sämmtliche Kameral-Wissenschaften nach ihren ersten Grundsätzen, Halle 1773, S. 114, 121; Pfeiffer, Allgemeine Policeiwissenschaft (Anm. 24), S. 357; Lamprecht, Entwurf einer Encyklopädie (Anm. 12), S. 266 f. 139 John Locke, Some Considerations of the Consequences of the Lowering of Interest, and Raising the Value of Money [1692], in: Patrick Hyde Kelly (Hg.), Locke on

IV. Die Einwände der Kameralisten

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wandte sich aus diesem Grund gegen einen 1690 im House of Commons eingebrachten Gesetzesentwurf, der die Herabsetzung des normierten Zinsmaximums von sechs auf vier Prozent vorsah. Um auf die Beratungen im Parlament Einfluss zu nehmen und dessen Mitglieder zum Votum gegen den Entwurf zu bewegen, veröffentlichte er unter dem Titel “Some Considerations of the Consequences of the Lowering of Interest, and Raising the Value of Money” seine Bedenken gegenüber dem geplanten gesetzgeberischen Schritt.140 Bei dessen Umsetzung befürchtete er schwerwiegende ökonomische Nachteile,141 die für ihn darin bestanden, dass die Senkung der Zinstaxe um zwei Prozent der Landesökonomie die benötigten Kredite entziehe. Denn aufgrund der verminderten Gewinnaussicht sah Locke weniger Geldeigner zur Kreditvergabe bereit, bei der sie stets das Risiko eingingen, den gezahlten Betrag vom Darlehensnehmer später nicht zurückzuerhalten. Anstatt sich das geringfügige vom Gesetzgeber zugestandene Entgelt durch Überlassung der Kapitalien an andere zu verschaffen, ziehe der Geldeigner daraufhin eine sichere Verwahrung seines Vermögens vor. Das vom Parlament anvisierte Gesetz schreckte also aus seiner Sicht von Darlehensvergaben ab, so dass den Gewerbetreibenden dann zum Schaden des gesamten Staates weniger Kredite zur Verfügung stünden.142 “Whatsoever [...] hinders the Lending of Money”, warnte daher Locke, “injures Trade: And so the reducing of Money, to Four per Cent. which will discourage Men from Lending, will be a Loss to the Kingdom, in stopping so much of the Current of Money, which turns the Wheels of Trade”143.

___________ Money, Bd. 1, London 1991, S. 203-342, hier: S. 211: “The first thing to be consider’d, is, Whether the Price of The Hire of Money can be regulated be Law. And to that I think [...] it cannot”. 140 Vgl. zur Entstehungsgeschichte des Werkes: Patrick Hyde Kelly, General introduction: Locke on Money, in: ders. (Hg.), Locke on Money, Bd. 1, London 1991, S. 1162, hier: S. 1-20, 39 f., 47-56. 141 Locke, Some Considerations (Anm. 139), z.B. S. 212, 220 f., 242. 142 Locke, Some Considerations (Anm. 139), S. 215 ff., 220 f. – Zur Abneigung der Geldeigner gegenüber der Darlehensgewährung bei niedriger Zinstaxe vgl. Walter Euchner, John Locke zur Einführung, Hamburg 1996, S. 139; Walter Eltis, John Locke: Philosoph und Ökonom, in: Bertram Schefold u.a. (Hg.), Vademecum zu einem Klassiker der merkantilistischen Geldtheorie. John Lockes „Some Considerations of the Consequences of the Lowering of Interest, and Raising the Value of Money“, Düsseldorf 1993, S. 45-87, hier: S. 60 und 63; Birger P. Priddat, Das Geld und die Vernunft. Die vollständige Erschließung der Erde durch den vernunftgemäßen Gebrauch des Geldes. Über John Lockes Versuch einer naturrechtlich begründeten Ökonomie, Frankfurt a.M. (u.a.) 1988, S. 133-139; Karen Iversen Vaughn, John Locke, economist and social scientist, Chicago and London 1980, S. 57 f., 62, 115. 143 Locke, Some Considerations (Anm. 139), S. 224.

Kap. 1: Die Bekämpfung des Wuchers

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Überdies sichere ein solches Gesetz auch den Kreditsuchenden, die trotz der reduzierten Anzahl von Darlehen eines davon erhielten, die begehrten Gelder nicht zu Zinsen von maximal vier Prozent, da sich die Zinshöhe keiner obrigkeitlichen Festsetzung füge. Der Gesetzgeber vermochte es somit nach Lockes Auffassung nicht, die Kontrahenten “skill’d in the Power they have over their own Goods, and the ways of Conveying them to others”144 von der Entscheidung zugunsten höherer Zinsen abzuhalten. Deren Vereinbarung über den “Price of the Hire of Money”145 richte sich statt dessen – ebenso wie bei jedem anderen Gut – nach dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage.146 Ergab sich daraus ein höherer Zinssatz als der gesetzmäßige, veranlasse dies die verbleibenden Darlehensgeber und ihre Vertragspartner, so nahm Locke an, zur Missachtung des Gesetzes. Denn ließ sich bereits bei “Wine or Silks, or other unnecessary Commodities” eine vom Marktpreis abweichende Taxe nur schwerlich durchsetzen, erschien es ihm bei der Zinstaxe gänzlich aussichtslos: “For Money being an universal Commodity, and as necessary to Trade, as Food is to Life, every body must have it, at what Rate they can get it”147. Dies beweise nicht zuletzt der Staat selbst bei seinen Kreditaufnahmen, wenn er sich, wie Locke die gängige Praxis beschrieb, nicht an seine eigenen Zinsfestsetzungen hielt, sondern den Geldeignern höhere Zinsen anbot, um an das benötigte Geld zu gelangen.148 Der Staat müsse dementsprechend mit dem Vorhaben scheitern, den Vertragsparteien vorzuschreiben, welche Gegenleistung für die Kreditgewährung als adäquat zu erachten sei, wie es Locke zufolge schon vor der in Aussicht stehenden Höchstzinssenkung zu beobachten war.149 Vielmehr wissen sich die Kontrahenten, so gab er zu bedenken, über das gesetzliche Zinsmaximum ge___________ 144

Locke, Some Considerations (Anm. 139), S. 211. Locke, Some Considerations (Anm. 139), S. 211. 146 Locke, Some Considerations (Anm. 139), S. 211, 214, 217 f., 243 f. – Vgl. zu diesem von Locke als “Natural Interest” bezeichneten Zins: Karen Iversen Vaughn, John Locke als politischer Denker, in: Bertram Schefold u.a. (Hg.) Vademecum zu einem Klassiker der merkantilistischen Geldtheorie. John Lockes „Some Considerations of the Consequences of the Lowering of Interest, and Raising the Value of Money“, Düsseldorf 1993, S. 129-162, hier: S. 152-155; Eltis, Philosoph und Ökonom (Anm. 142), S. 60 ff.; Hans Christoph Binswanger, „Geld regiert die Welt“ – John Lockes Geld- und Zinstheorie auf der Grundlage des Merkantilismus, in: Bertram Schefold u.a. (Hg.) Vademecum zu einem Klassiker der merkantilistischen Geldtheorie. John Lockes „Some Considerations of the Consequences of the Lowering of Interest, and Raising the Value of Money“, Düsseldorf 1993, S. 89-127, hier: S. 115 f.; Kelly, Locke on money (Anm. 140), S. 72 ff. 147 Locke, Some Considerations (Anm. 139), S. 214. 148 Locke, Some Considerations (Anm. 139), S. 288: “But can it be expected, when the Publique gives Seven, oder Eight, or Ten per Cent, that private Men, whose Security is certainly not better, shall have ist for four?” 149 Locke, Some Considerations (Anm. 139), S. 297. 145

IV. Die Einwände der Kameralisten

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schickt hinwegzusetzen, ohne dass es zur Verhängung einer auf Wucher stehenden Strafe komme.150 Der Darlehensgeber kalkuliere gleichwohl die Eingehung des zusätzlichen – wenn auch unwahrscheinlichen – Risikos, als Wucherer bestraft zu werden, bei der Bemessung seiner Zinsforderung mit ein. Folglich erhöhe das geplante zinsreduzierende Gesetz gerade die Gegenleistung, die der Kreditwillige tatsächlich zu erbringen habe, weil man letztlich ihm diese mit der Gesetzesmissachtung verbundene Gefahr in Form höherer Zinsen aufbürde.151 “So that your Act”, appellierte Locke zur Abstimmung gegen die Verminderung des Höchstzinses in Anbetracht der sonst drohenden Folgen, “will serve only to increase the Arts of Lending, but not at all lessen the Charge of the Borrower”152. Die Mitglieder des House of Commons zeigten sich indes von Lockes Vorbringen unbeeindruckt und sprachen sich für den Gesetzesentwurf zur Senkung des Zinsmaximums aus, wenngleich sie es nicht wie ursprünglich ins Auge gefasst auf vier, sondern nur auf fünf Prozent reduzieren wollten.153 Für Pfeiffer war diese Entscheidung zugunsten einer niedrigeren Zinstaxe „voller nüzliche[r] Weisheit“154, die Locke mit seiner Wendung gegen den Gesetzesentwurf verkannt habe. Pfeiffer bekräftigte daher in der Auseinandersetzung mit dessen Zinstheorie die gängige kameralistische Forderung nach einer staatlichen Wuchergesetzgebung, die alles andere als eine wirtschaftsschädigende Maßnahme darstelle, wie Locke behauptet hatte. Vielmehr bilde ein mäßiger gesetzlicher Höchstzins, so korrigierte er den Engländer, die Grundlage einer vorteilhaften ökonomischen Entwicklung des Staates und erfolge somit „zum Besten des

___________ 150 Locke, Some Considerations (Anm. 139), S. 211: “[T]he Skilful, I say, will always so manage it, as to avoid the Prohibition of your Law, and keep out of its Penalty”. 151 Locke, Some Considerations (Anm. 139), S. 214-217, 297. – Vgl. dazu Vaughn, Denker (Anm. 146), S. 154; dies., Locke (Anm. 142), S. 60 ff., 115; Kelly, Locke on money (Anm. 140), S. 74; Douglas Vickers, Studies in the Theory of Money 1690-1776, Philadelphia and New York 1959, S. 46 f. 152 Locke, Some Considerations (Anm. 139), S. 219. 153 Vgl. Eltis, Philosoph und Ökonom (Anm. 142), S. 73 f.; Kelly, Locke on money (Anm. 140), S. 19 f.; William Letwin, The origins of scientific economics. English economic thought 1660-1776, London (u.a.) 1963, S. 167. – Im House of Lords fand demgegenüber, so Kelly und Letwin, der Gesetzesentwurf keine Zustimmung. 154 Pfeiffer, Berichtigungen (Anm. 9), S. 260. – Pfeiffer lehnte sich bei seinen Einwänden gegen Lockes Auffassung stark an die deutsche Übersetzung des Werks des italienischen Merkantilisten Antonio Genovesi, Lezioni di commercio o sia d’economia civile, Bd. 2, Bassano 1769 (dt. Übersetzung: August Witzmann, Grundsätze der bürgerlichen Oekonomie, Leipzig 1774), S. 227-233 an. Den Argumenten des in Neapel lehrenden Professors der Staatswirtschaft stimmte außerdem Karl von Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen der von dem Herrn Hofrathe von Keeß herausgegebenen Abhandlung: Ueber die Aufhebung der Wuchergesetze, Wien 1791, S. 28 zu.

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Kap. 1: Die Bekämpfung des Wuchers

Publikums“155. Er befördere die Absatzfähigkeit der Landesprodukte, da diese sich zu weitaus günstigeren Preisen als bei hohen landesüblichen Zinsen anbieten ließen. Zudem rege ein niedriges Zinsmaximum, so pries Pfeiffer nochmals dessen Vorzüge, zur Inanspruchnahme von Krediten an, um die erhaltenen Gelder in Gewerbe und Landwirtschaft zum Nutzen des Staates einzusetzen.156 Vor diesem Hintergrund erwies es sich aus seiner Sicht für den englischen Staat als äußerst nachteilig – und rechtfertigte somit ebenfalls das Parlamentsvotum –, dass das benachbarte Holland zu jener Zeit über ein weitaus geringeres Zinsmaximum als sechs Prozent verfügte. Dies beeinträchtige den „Geist der Industrie“ in England, der unter der starken Konkurrenz leide, und bewege zudem viele holländische Geldeigner zur zinsertragreicheren Kreditvergabe in England, so dass dem englischen Geldumlauf über die Zinszahlungen seiner Darlehensnehmer jährlich beträchtliche Summen an das Ausland verloren gingen.157 Pfeiffer folgte damit dem Standpunkt, den insbesondere Josiah Child und Thomas Culpeper in der englischen Zinskontroverse des 17. Jahrhunderts eingenommen und sich mit dieser Begründung vehement für eine Verminderung des Höchstzinses ausgesprochen hatten.158 Locke, der sich in seinem Werk gegen deren Argumente wandte,159 bezweifelte hingegen, dass sich durch ein solches Gesetz der Zinsfuß in England auf das holländische Niveau bringen lasse, da Holland seinen niedrigen Zinssatz nicht dem Einschreiten des Gesetzgebers verdanke.160 Die Kameralisten überzeugten solche Einwände aber ebenso wenig wie die Parlamentarier: So ergriff auch Sonnenfels nicht für Locke, sondern für dessen Gegner, namentlich Culpeper und Child Partei. Die negativen Auswirkungen hoher Zinsen veranlassten, so Sonnenfels, schon diese, „ihren Landesleuten, die Verringerung der Zinsen, als einen undurchdringlichen Damm wider den Wucher, und alle den Wucher begleitenden Uebel anzuprei___________ 155 Pfeiffer, Berichtigungen (Anm. 9), S. 259; ders., Grundsätze der UniversalCameral-Wissenschaft (Anm. 18), S. 485. 156 Pfeiffer, Berichtigungen (Anm. 9), S. 259 f.; ders., Grundsätze der UniversalCameral-Wissenschaft (Anm. 18), S. 485; ähnlich auch: Johann Schwabe, Was ist Wucher? ja was war Wucher? und was wird Wucher ewig seyn? auch ohne positive Gesetze, Wien 1789, S. 62. 157 Pfeiffer, Berichtigungen (Anm. 9), S. 258 und 260 f.; ders., Grundsätze der Universal-Cameral-Wissenschaft (Anm. 18), S. 485 f. 158 Vgl. zu deren Anschauungen: Kelly, Locke on money (Anm. 140), S. 7 f., 128; Letwin, The origins (Anm. 153), S. 3 ff., 10 ff.; Graham Shardalow Lee Tucker, Progress and profits in British economic thought 1650-1850, Cambridge 1960, S. 9-14. 159 Kelly, Locke on money (Anm. 140), S. 9, 16, 128, 130; Letwin, The origins (Anm. 153), S. 155-158, 166 f.; Maurice Cranston, John Locke, New York 1957, S. 118 f., 350. Lockes Wendung gegen Culpeper und Child betonen ferner: Vickers, Theory of Money (Anm. 151), S. 45 f.; Maria Lückeroth, Die geld- und kredittheoretischen Ansichten John Lockes und David Humes, Bonn 1953, S. 37. 160 Locke, Some Considerations (Anm. 139), S. 285-288.

V. Das Fortleben des kanonischen Zinsverbots bei Philippi

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sen. England [...], daß ihren Rathschlägen Gehör gegeben, genießet in einer blühenden Handlung, die Belohnung seiner Gelehrigkeit“161. Demnach erteilten die Kameralisten dem Plädoyer Lockes für den Verzicht auf zinssenkende Gesetze zugunsten sich frei durch die Marktkräfte bildender Zinssätze eine klare Absage. Sie sahen statt dessen in der Haltung seiner Kritiker und des englischen Parlaments ihre eigene Theorie bestätigt, nach der ein vom Staat herzustellendes mäßiges Zinsniveau ökonomische Prosperität garantierte. Die Ursache für die Ablehnung, die Locke unter den Kameralisten erfuhr, liegt im scharfen Gegensatz zwischen seinen dem Liberalismus verpflichteten Lehren auf der einen und den Forderungen der zeitgenössischen deutschen politischen und ökonomischen Theorie auf der anderen Seite. Lockes Ideal einer Zurückdrängung der obrigkeitlichen Einflussnahme auf die Landesökonomie, das die Entscheidungsfreiheit des wirtschaftlich agierenden Individuums zu stärken suchte, erwies sich nämlich als unvereinbar mit der politischen Stoßrichtung der deutschen Autoren, die auch auf dem Gebiet der Wirtschaft den größtmöglichen Ausbau der Fürstenmacht bezweckten.162 Es verwundert daher nicht, dass die Veröffentlichungen Lockes insgesamt im theoretischen Diskurs des Ancien Régime nur wenig Anklang fanden. Deren Rezeption begann in Deutschland vielmehr erst am Ende des 18. Jahrhunderts, als sich allmählich liberale Ideen gegenüber der absolutistisch-kameralistischen Staatsund Wirtschaftstheorie durchsetzten.163

V. Das Fortleben des kanonischen Zinsverbots bei Philippi V. Das Fortleben des kan onischen Z insverbots bei Philippi

Auch der preußische Kriegsrat und Polizeidirektor zu Berlin Johann Albrecht Philippi verwarf Lockes Forderung nach einer Abkehr von zinssenkenden Wuchergesetzen. Allerdings wandte er sich nicht minder gegen die Normierung von Zinstaxen, für die sich die Staatswissenschaftler der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts überwiegend aussprachen, weil ihm ein solches gesetzgeberisches Einschreiten zur Erzielung merklicher ökonomischer Fortschritte unzureichend schien. Um ein Aufblühen der Wirtschaft zum Besten des Staates zu ermögli___________ 161 Sonnenfels, Abhandlungen (Anm. 1), S. 107; ebenso: Roggendorf, Verhältniß der Stände (Anm. 1), S. 17. 162 S.o. unter III. 2. sowie Rolin, Der Ursprung des Staates (Anm. 132), S. 65-68; Klippel, Interventionsstaat (Anm. 133), S. 80 f.; in diese Richtung auch: Walter Euchner, Einleitung des Herausgebers, in: John Locke, Two Treatises of Government, London 1690 (dt. Übersetzung: Hans Jörn Hoffmann, Zwei Abhandlungen über die Regierung, 4. Aufl., Frankfurt a.M. 1989), S. 9-59, hier: S. 11. 163 Vgl. Diethelm Klippel, Politische Freiheit und Freiheitsrechte im deutschen Naturrecht des 18. Jahrhunderts, Paderborn 1976, S. 129 f.; ferner: Rolin, Der Ursprung des Staates (Anm. 132), S. 113.

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chen, müsse der Gesetzgeber, so Philippi, die Zinsen nicht nur auf ein niedriges Niveau festsetzen, sondern deren Vereinbarung gänzlich untersagen.164 Optimistisch prognostizierte er, dass bei Befolgung seines Rates „wir alsdenn glücklichere Regenten, reichere Staaten, bessern Ackerbau, größern Handel, wenigere Müßiggänger; und kurz, die schönsten Zeiten haben würden“165. Denn diese Maßnahme, so verteidigte er seine Empfehlung unter Berufung auf zwei Stellen aus der Bibel, die im Mittelalter als wesentliche Textgrundlagen für das kanonische Zinsverbot gedient hatten,166 sei „vordem sehr bewährt befunden worden; und Gott selbst hat [sie], so zu reden, in Vorschlag gebracht“167. Philippi strebte somit zum Zwecke der Stärkung der Landesökonomie eine Rückkehr zur strengen theologischen Doktrin an, die Darlehensgebern keine Gegenleistung für die Kreditgewährung zugestand. Trotz der erheblichen positiven Wirkung, die er seiner Empfehlung beimaß, ahnte er, dass sie wohl überwiegend ablehnende Reaktionen hervorrufen würde.168 Die Befürchtung sollte Realität werden – Philippis Vorschlag, das kanonische Zinsverbot aufrechtzuerhalten, stieß durchweg auf Kritik.169 Einige Zeitgenossen hielten die Ablehnung sämtlicher Darlehenszinsen sogar für derart abwegig, dass sie sich nicht einmal inhaltlich mit dieser Ansicht auseinander setzten. So stellte z.B. Pfeiffer herablassend klar: „Ich werde mich nicht so weit wegwerfen, daß ich die Träume derjenigen zu widerlegen mich bemühen sollte, ___________ 164 Philippi, Staat (Anm. 7), S. 197 f. bezeichnete das Zinsverbot als „ein herrliches Mittel, ja wirklich das allerbeste und sicherste, den Handel und Wandel recht hoch zu bringen“. 165 Philippi, Staat (Anm. 7), S. 198. 166 Philippi, Staat (Anm. 7), S. 198 zitierte aus dem alten Testament das 5. Buch Mose, Cap. 23, V. 20 f.: „Du sollst an deinem Bruder nicht wuchern, weder mit Geld, noch mit Speise, noch mit allem, womit man wuchern kann. An den Fremden magst du wuchern, heißt es im alten Testament.“ Er führte zudem das Lukasevangelium, Cap. 6, V. 34 des neuen Testaments an: „Allein, was steht beym Lucas geschrieben? Wenn ihr leihet von denen ihr hoffet zu nehmen, was Danks habt ihr davon? denn die Sünder leihen den Sündern auch“. 167 Philippi, Staat (Anm. 7), S. 197 f. 168 Philippi, Staat (Anm. 7), S. 197: „Aber was werden die meisten Leser dabey denken? Werden sie nicht glauben, ich schriebe im Traume; werden sie nicht denken, ich schreibe, ohne zu denken; werden sie nicht sagen, ich urtheile, wie der Blinde von der Farbe; werden sie wenigstens mich nicht auslachen?“ 169 Ausdrücklich gegen Philippi wandten sich: Bergius, Art. „Zinsen“ (Anm. 23), S. 213 f.; Johann Baptist Anzmann, Betrachtungen über Wucher und Mittel gegen denselben nach politischen und rechtlichen Grundsätzen, Mainz 1793, S. 35 f. Allgemein gegen ein Zinsverbot bezogen Stellung: Zedler, Art. „Zins, Zinse, Abzins“ (Anm. 31), Sp. 971, 977, 982-987; ders., Art. „Wucher“ (Anm. 73), Sp. 696; Pfeiffer, Grundsätze der Universal-Cameral-Wissenschaft (Anm. 18), S. 482 f.; Lamprecht, Versuch eines vollständigen Systems (Anm. 6), S. 650 ff.; Hommel, Philosophische Gedanken (Anm. 78), S. 151 f.; Schwabe, Wucher (Anm. 156), S. 37 f.; Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen (Anm. 154), S. 14 f.; Sonnenfels, Grundsätze (Anm. 4), S. 445 ff.

V. Das Fortleben des kanonischen Zinsverbots bei Philippi

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welche den Zins vom Gelde verwerfen“170. Darauf wollte auch Sonnenfels tunlichst verzichten, um nicht einer von denjenigen zu sein, die „einer so ungereimten Meinung noch zu unsern Zeiten die Ehre erweist, sie einer Widerlegung würdig zu finden“171. Philippi musste sich also vorwerfen lassen, eine längst überholte Auffassung abermals zur Diskussion zu stellen, zumal auch die von ihm dafür angegebenen Gründe seine Zeitgenossen keineswegs überzeugten. So ging für sie die Berufung auf die Bibel zur Rechtfertigung eines Zinsverbots fehl, da sich ihr bei zutreffender Exegese kein solches entnehmen lasse.172 Diese kategorische Ablehnung einer Legitimation des Zinsverbots mit Bibelzitaten erscheint in Anbetracht der vorwiegend rationalen Begründung von Machtstrukturen im theoretischen Diskurs des Ancien Régime verständlich. Unter dem Einfluss der Aufklärung wurde in der Neuzeit die Ausübung von Herrschaft nicht mehr wie im Mittelalter in erster Linie auf die göttliche Offenbarung gestützt, sondern auf eine vertragliche Grundlage gestellt und mithin säkularisiert.173 Angesichts der Distanzierung von der Bibel als maßgeblicher Erkenntnisquelle zugunsten der menschlichen Vernunft musste ein dezidiert religiös begründetes Zinsverbot Widerspruch provozieren. Überdies warnten Philippis Gegner vor den schädlichen Auswirkungen eines völligen Verzichts auf Darlehenszinsen für die Staatswirtschaft. Denn kein rational abwägender Geldeigner, so gaben sie zu bedenken, stelle lediglich aus altruistischen Motiven seine Kapitalien anderen zeitweilig zur Verfügung und nehme dabei entschädigungslos die Unsicherheit in Kauf, den ausbezahlten Betrag später nicht zurück zu erhalten. Ohne finanzielle Anreize, die ihn anlockten, Kreditsuchenden ein Darlehen zu gewähren, ziehe er es vielmehr vor, sein Geld ungenutzt zu verwahren.174 Damit erhielten Landwirtschaft, Handel und ___________ 170

Pfeiffer, Grundsätze der Universal-Cameral-Wissenschaft (Anm. 18), S. 482 f.; ähnlich: Schwabe, Wucher (Anm. 156), S. 37: „Ich glaube jene Theologen, welche gar keine Zinsen als gerecht ansehen, sind nicht der Mühe werth zu widerlegen“. 171 Sonnenfels, Grundsätze (Anm. 4), S. 446. 172 Zedler, Art. „Zins, Zinse, Abzins“ (Anm. 31), Sp. 971, 977 und 982-987; ders., Art. „Wucher“ (Anm. 73), Sp. 696; Lamprecht, Versuch eines vollständigen Systems (Anm. 6), S. 650 f. 173 Vgl. dazu: Dietmar Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte. Vom Frankenreich bis zur Wiedervereinigung Deutschlands, 5. Aufl., München 2005, S. 202, 206 f., 237 f.; Diethelm Klippel, Von der Aufklärung der Herrscher zur Herrschaft der Aufklärung, in: Zeitschrift für Historische Forschung, 1990, S. 193-210, hier: S. 198 f.; ders., Politische Theorien im Deutschland des 18. Jahrhunderts, in: Aufklärung, 1987, Heft 2: Aufklärung als Prozeß, S. 57-88, hier: S. 64 f. und 73; Scheuner, Staatszwecke (Anm. 133), S. 476-479. 174 Bergius, Art. „Zinsen“ (Anm. 23), S. 213; Lamprecht, Versuch eines vollständigen Systems (Anm. 6), S. 651; Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 169), S. 35 f.

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Gewerbe bei einem Festhalten am Zinsverbot, so nahm man an, nicht die benötigten Kredite. Philippis Maßnahme verfehle demzufolge gänzlich ihr Ziel: Statt der erhofften Ankurbelung der Wirtschaft durch die Abschaffung entgeltlicher Darlehensverträge befürchteten die Kritiker eines Zinsverbots schwerwiegende ökonomische Nachteile. „Man braucht kein Weltweiser, kein Staatskundiger zu seyn, um zu begreifen, daß nicht, nach völlig aufgehobenen Zinsen, sogleich alle Räder des Commerzes stille stehen“, lautete daher die pessimistische Einschätzung des Leipziger Juraprofessors Karl Ferdinand Hommel, „so daß der Staat in eine völlige Auszehrung und Schwindsucht verfallen muß“175. Zur Abwendung solcher gravierenden Folgen ermahnte man Philippi zur strikten Unterscheidung zwischen Darlehenszinsen und Wucher: „Will demnach jemand wider die Capitalisten und Rentirer eifern; so muß er seinen Zorn nur wider diejenigen ausschütten, welche ihre Capitalien gegen hohe Interessen ausleihen.“176

VI. Die natürliche Vertrags- und Eigentumsfreiheit nach Achenwall und Pütter VI. Die natürliche Vertrags- und Eigentumsfreiheit

Während Philippi die Ausbedingung von Darlehenszinsen gänzlich verboten wissen wollte, schienen die Göttinger Juraprofessoren Gottfried Achenwall und Johann Stephan Pütter auf den ersten Blick dem anderen Extrem, also einer vom Staat nicht regulierten Zinshöhe, zugeneigt zu sein. Eine unterschiedliche Höhe von Leistung und Gegenleistung – und somit auch übermäßige Darlehenszinsen – galt ihnen nämlich nicht als Ausdruck eines korrekturbedürftigen Vertragsinhalts, obwohl jeder Partner eines gegenseitigen Vertrages mit dessen Abschluss bezwecke, ebenso viel zu erhalten, wie er seinerseits weggab.177 Denn für die angestrebte Gleichheit der vertraglichen Hauptleistungspflichten war aus Achenwalls und Pütters Sicht nicht deren objektiver Wert, sondern die ___________ 175 Hommel, Philosophische Gedanken (Anm. 78), S. 152; ferner: Bergius, Art. „Zinsen“ (Anm. 23), S. 213 f.; Lamprecht, Versuch eines vollständigen Systems (Anm. 6), S. 651 f.; Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 169), S. 39 und 100; Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen (Anm. 154), S. 14 f. 176 Bergius, Art. „Zinsen“ (Anm. 23), S. 214. 177 Gottfried Achenwall und Johann Stephan Pütter, Elementa Iuris Naturae, Göttingen 1750 (dt. Übersetzung: Anfangsgründe des Naturrechts, hg. von Jan Schröder, Frankfurt a.M. und Leipzig 1995), S. 126. Vgl. zu den beiden Professoren und dem von ihnen verfassten Naturrechtslehrbuch: Jan Schröder, Gottfried Achenwall, Johann Stephan Pütter und die „Elementa Iuris Naturae“, in: Gottfried Achenwall und Johann Stephan Pütter, Elementa Iuris Naturae, Göttingen 1750 (dt. Übersetzung: Anfangsgründe des Naturrechts, hg. von Jan Schröder, Frankfurt a.M. und Leipzig 1995), S. 331-351; Preu, Polizeibegriff (Anm. 30), S. 141-146.

VI. Die natürliche Vertrags- und Eigentumsfreiheit

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subjektive Beurteilung durch die Kontrahenten maßgeblich,178 da jedem der beiden kraft seines Eigentumsrechts die Befugnis zukomme, den Wert der von ihm angebotenen Leistung selbst zu bestimmen.179 Diese bewerte sein Vertragspartner als gleichwertig zu der von ihm im Gegenzug zu erbringenden Leistung, indem er sich auf den Kontrakt einließ, so dass im Zustandekommen der vertraglichen Einigung die Erklärung liege, dass die Parteien von einem ausgewogenen Verhältnis der beiderseitigen Hauptleistungspflichten ausgingen.180 Die Konsequenz aus der damit prinzipiell anerkannten Eigentums- und Vertragsfreiheit zogen Achenwall und Pütter anhand des im römischen Kaufrecht entwickelten Rechtsinstituts der laesio enormis,181 das dem Verkäufer ein Recht zur Lösung vom Vertrag zubilligte, wenn der Kaufpreis weniger als die Hälfte des Werts der Kaufsache betrug.182 Eine solche zur Anwendung der laesio enormis berechtigende Wertdifferenz schied bei ihnen – wegen der in jedem Vertragsschluss gesehenen subjektiven Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung – von vornherein aus. Folglich kenne das Naturrecht, so lautete ihre Schlussfolgerung, die laesio enormis nicht.183 Da das gemeine Recht deren Anwendungsbereich nicht auf das Kaufrecht begrenzt, sondern auch auf andere gegenseitige Verträge ausgedehnt hatte,184 stellt sich indes die Frage, ob Achenwall und Pütter mit der Ablehnung der laesio enormis zugleich obrigkeitlichen Wucherverboten die Grundlage entzogen. Entscheidend für deren Beantwortung ist, dass sie die aus der Eigentums- und Vertragsfreiheit resultierende Befugnis der Kontrahenten zur Bestimmung von Leistung und Gegenleistung – also beim Darlehensvertrag der geschuldeten Zinsen – zunächst einmal für den Naturzustand (status naturalis) anerkannten. ___________ 178 Achenwall / Pütter, Elementa (Anm. 177), S. 126. – Zur subjektiven Wertermittlung vgl. Michael Plohmann, Ludwig Julius Friedrich Höpfner (1743-1797). Naturrecht und positives Recht am Ende des 18. Jahrhunderts, Berlin 1992, S. 170 f. 179 Vgl. Achenwall / Pütter, Elementa (Anm. 177), S. 124. 180 Achenwall / Pütter, Elementa (Anm. 177), S. 126: „Qui igitur contrahunt, declarant, se aequale iudicare, quod mutuo transferunt“. 181 Achenwall / Pütter, Elementa (Anm. 177), S. 126. 182 Vgl. zur laesio enormis im römischen Recht: Max Kaser und Rolf Knütel, Römisches Privatrecht, 18. Aufl., München 2005, S. 206 f.; Christoph Becker, Die Lehre von der laesio enormis in der Sicht der heutigen Wucherproblematik. Ausgewogenheit als Vertragsinhalt und § 138 BGB, Köln (u.a.) 1993, S. 40-43, 113 f. 183 Achenwall / Pütter, Elementa (Anm. 177), S. 126. – Schröder, Achenwall, Pütter (Anm. 177), S. 342 betont die Bedeutung dieser Aussage als „bemerkenswertes und in die Zukunft weisendes Votum für die Vertragsfreiheit“. 184 Vgl. zur Ausweitung des Anwendungsbereichs der laesio enormis: Becker, Die Lehre von der laesio enormis (Anm. 182), S. 61-77; Wolfgang Georg Schulze, Die laesio enormis in der deutschen Privatrechtsgeschichte, Münster 1973, S. 40-48 und 66-72; ferner: Coing, Privatrecht (Anm. 74), S. 415.

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Kap. 1: Die Bekämpfung des Wuchers

Wuchergesetze entbehrten aber nur dann ihrer Berechtigung, wenn die für den status naturalis formulierten Rechte auch im Staat Geltung beanspruchen sollten.185 Für einen solchen Fortbestand der natürlichen Vertrags- und Eigentumsfreiheit im Staat setzten sich Achenwall und Pütter indes nicht ein; vielmehr blieb deren Gewährung im bürgerlichen Zustand bei ihnen ein freiwilliges Zugeständnis des Fürsten.186 Zur Begründung verwiesen sie in ihrem gemeinsamen Werk auf die gängigen zeitgenössischen Vorstellungen der naturrechtlichen Staatsvertrags- und Staatszwecklehre.187 Der zum Eintritt in den Staat führende Abschluss des Staatsvertrags diente dementsprechend auch bei Achenwall und Pütter als Legitimationsgrundlage des Freiheitsverlustes: Mit dem Verlassen des Naturzustands behalte der Einzelne nicht seine natürliche Freiheit, sondern gebe diese durch Eingehung des Unterwerfungsvertrags preis. Die staatsvertragliche Schmälerung der natürlichen Freiheit erfolge dabei in dem Umfang, wie es die Realisierung des Staatszwecks der salus publica erfordere.188 Angesichts der enormen Reichweite der salus publica189 erwies sich diese als gravierendes Hindernis individueller Freiheit, zumal über deren Inhalt und Umfang – wie Achenwall und Pütter mehrmals klarstellten – der Herrscher entschied.190 Ihr Votum für die Vertrags- und Eigentumsfreiheit erstreckte sich also nicht auf den status civilis, den sie freiheitsfeindlich konzipierten, sondern beschränkte sich auf den status naturalis. Als 1750 die „Elementa Iuris Naturae“ erstmalig erschienen, standen ihre beiden Verfasser mit dieser Ansicht nicht allein, sondern teilten die Auffassung namhafter Naturrechtler des ausgehenden 17. und der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Ebenso wie Achenwall und Pütter hatten sich nämlich etwa Christian Thomasius191 und dessen Schüler Nicolaus Hieronymus Gundling192 ___________ 185 Ähnlich anhand der Handels- und Gewerbefreiheit: Klippel, „Libertas commerciorum“ (Anm. 136), S. 320 ff. 186 Vgl. Achenwall / Pütter, Elementa (Anm. 177), S. 216, 226, 266. – Die nach Achenwall und Pütter bestehende Dispositionsbefugnis des Regenten über die natürliche Freiheit betont auch Schröder, Achenwall, Pütter (Anm. 177), S. 347. 187 Vgl. zur zeitgenössischen Ausgestaltung der Staatsvertrags- und Staatszwecklehre: Rolin, Der Ursprung des Staates (Anm. 132), S. 65-70; Klippel, Politische Freiheit (Anm. 163), S. 43-50, 57 f., 61-64; Werner Conze, Christian Meier, Jochen Bleicken, Gerhard May, Christof Dipper, Horst Günther und Diethelm Klippel, Art. „Freiheit“, in: Otto Brunner u.a. (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 2, Stuttgart 1975, S. 425-542, hier: S. 473476; Jürgen Schlumbohm, Freiheit – Die Anfänge der bürgerlichen Emanzipationsbewegung in Deutschland im Spiegel ihres Leitwortes, Düsseldorf 1975, S. 84 ff. 188 Achenwall / Pütter, Elementa (Anm. 177), S. 216. 189 Dazu s.o. unter III., 2. 190 Achenwall / Pütter, Elementa (Anm. 177), S. 216, 226, 266. 191 Vgl. Christian Thomasius, Institutiones jurisprudentiae divinae, 7. Aufl., Halle 1720 (Nachdruck: Aalen 1963), S. 213-220 ; ferner: ders., Dissertatio juridica inauguralis, de aequitate cerebrina L. II. C. de rescind. vendit. et ejus usu practico, Halle 1706,

VI. Die natürliche Vertrags- und Eigentumsfreiheit

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für eine freie Vereinbarung von Leistung und Gegenleistung im status naturalis ausgesprochen, ohne ihre Erhaltung im status civilis zu fordern. Dabei äußerte sich Gundling – anders als Achenwall und Pütter – auch explizit zur Zinshöhe bei Darlehensverträgen, indem er klarstellte, dass es zwar nicht naturrechtswidrig sei, „wenn ich 20. pro Cent nehme, da es einer dem andern versprochen“. In Bezug auf die Anerkennung dieser Zinsfreiheit im Staat fragte er jedoch rhetorisch: „wo kan aber die Civitas und das Commercium bestehen, wenn die usurae so hoch gesetzet werden?“193 Gundling rechtfertigte damit – unter Verweis auf die drohenden Folgen bei gleicher Freiheit in status naturalis und status civilis – die Einführung von Zinstaxen im Staat als Regentenrecht. Denn hohe Zinsen schadeten, wie gezeigt, aus absolutistisch-kameralistischer Sicht der wirtschaftlichen Entwicklung und somit wegen der Erforderlichkeit einer florierenden Ökonomie für die Realisierung des Staatszwecks dem gesamten Staat.194 Allerdings überließen nicht sämtliche Naturrechtler bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts – übereinstimmend mit Thomasius und Gundling – den Kontrahenten zumindest im status naturalis die freie Vereinbarung der vertraglichen Hauptleistungspflichten. Statt dessen betonten z.B. Hugo Grotius195, Samuel Pufendorf196 und Christian Wolff197, dass bei entgeltlichen Verträgen bereits ___________ Cap. 2, §§ 26-30. – Zur fehlenden Bindungswirkung der natürlichen Vertragsfreiheit für die staatliche Gesetzgebung bei Thomasius: Klaus Luig, Römisches Recht, Naturrecht, Nationales Recht, Goldbach 1998, S. 250 f.; ders., Der gerechte Preis in der Rechtstheorie und Rechtspraxis von Christian Thomasius (1655-1728), in: Bruno Paradisi (Hg.), Diritto e potere nella storia europea, Florenz 1982, S. 775-803, hier: S. 778-782; Becker, Die Lehre von der laesio enormis (Anm. 182), S. 36 f.; Peter Landau, Hegels Begründung der Vertragsrechts, in: Manfred Riedel (Hg.), Materialien zu Hegels Rechtsphilosophie, Bd. 2, Frankfurt a.M. 1975, S. 176-197, hier: S. 187. 192 Vgl. Nicolaus Hieronymus Gundling, Ausführlicher Discours über das Natur- und Völcker-Recht, Frankfurt und Leipzig 1734, S. 285 ff., 294, 315, 344; ders., Ius naturae ac gentium, 3. Aufl., Halle 1736, S. 262 f., 292 f. – Vgl. zur Unterscheidung zwischen status naturalis und status civilis bei Gundling hinsichtlich der Bestimmung der prägenden kontraktuellen Pflichten: Diethelm Klippel, Das „natürliche Privatrecht“ im 19. Jahrhundert, in: ders. (Hg.), Naturrecht im 19. Jahrhundert. Kontinuität – Inhalt – Funktion – Wirkung, Goldbach 1997, S. 221-250, hier: S. 227 ff.; Becker, Die Lehre von der laesio enormis (Anm. 182), S. 38. 193 Gundling, Ausführlicher Discours (Anm. 192), S. 346 f. Vgl. auch ders., Ius naturae (Anm. 192), S. 296. 194 Zur Verbindung von Wirtschaft und Staatszweck: III., 2. 195 Hugo Grotius, De jure belli ac pacis libri tres, Paris 1625 (dt. Übersetzung: Walter Schätzel, Drei Bücher vom Recht des Krieges und des Friedens, Tübingen 1950), S. 247 ff. – Vgl. dazu: Becker, Die Lehre von der laesio enormis (Anm. 182), S. 32; Landau, Hegels Begründung (Anm. 191), S. 186. 196 Samuel Pufendorf, De jure naturae et gentium libri octo, Lund 1672 (dt. Übersetzung: Johann Nicolai Hertii und Johann Barbeyrac, Acht Bücher vom Natur- und Völckerrechte, Frankfurt a.M. 1711, Nachdruck: Hildesheim [u.a.] 1998), S. 53 und 62 f.;

Kap. 1: Die Bekämpfung des Wuchers

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das Naturrecht – und nicht erst das staatlich gesetzte Recht – die objektive Gleichheit der auszutauschenden Leistungen fordere. Aus ihrer Sicht manifestierten nämlich die Parteien mit Abschluss eines gegenseitigen Vertrages den Willen, sich einander nichts unentgeltlich zuzuwenden, sondern ein nach objektiven Maßstäben bemessenes Äquivalent für das von ihnen Versprochene zu erlangen. Entsprach die zustande gekommene Vereinbarung nicht diesem Gleichheitspostulat, lasse sich folglich der Vertrag nur aufrechterhalten, wenn dem übervorteilten Kontrahenten ein Ausgleich gewährt und dadurch nachträglich die Gleichheit wiederhergestellt wurde.198 Abweichende Rechtsfolgen bei einer ungleichen Höhe von Leistung und Gegenleistung sah hingegen Christian Wolff vor, dem insoweit eine Sonderstellung zukommt. Nach seiner Ansicht durften die Vertragschließenden zwar vom Gleichheitserfordernis abweichen; in diesem Fall liege aber, so Wolff, kein gegenseitiger, sondern ein gemischter Vertrag vor, der Elemente des entgeltlichen und unentgeltlichen Vertrags in sich vereint.199

VII. Die Zinstaxen der Obrigkeitsstaaten des Ancien Régime VII. Die Zinstaxen der Obrig keitsstaaten des Ancien Régime

Da die zwischen den Naturrechtlern des 17. und 18. Jahrhunderts diskutierte Ausgestaltung des Gleichheitserfordernisses ausschließlich den status naturalis, nicht aber den Umfang staatlicher Regelungsbefugnisse betraf, legitimierten auch sie – ebenso wie die Kameralisten – die Kompetenz der Fürsten zum Erlass von Wuchergesetzen. Von ihr machten die deutschen Territorialstaaten in der Praxis rege Gebrauch, so dass sich in zahlreichen Polizeiordnungen Vorschriften zum Zinswucher finden. Diese erklärten bei Überschreitung des festgesetzten Zinsmaximums den geschlossenen Vertrag für nichtig und ordneten die Einziehung eines Teils oder der gesamten Darlehenssumme zugunsten der

___________ ders., De officio hominis et civis juxta legem naturalem libri duo, Lund 1673 (dt. Übersetzung: Klaus Luig, Über die Pflicht des Menschen und des Bürgers nach dem Gesetz der Natur, Frankfurt a.M. und Leipzig 1994), S. 121. – Zum Wertverhältnis im gegenseitigen Vertrag bei Pufendorf vgl. Landau, Hegels Begründung (Anm. 191), S. 186 f. 197 Christian Wolff, Grundsätze des Natur- und Völckerrechts worinn alle Verbindlichkeiten und alle Rechte aus der Natur des Menschen in einem beständigen Zusammenhange hergeleitet werden, Halle 1754 (Nachdruck: Meisenheim/Glan 1980), S. 372 f. 198 Grotius, De jure belli (Anm. 195), S. 249; Pufendorf, De jure naturae (Anm. 196), S. 53 und 63; ders., De officio hominis (Anm. 196), S. 121. 199 Christian Wolff, Jus naturae methodo scientifica pertractatum, Bd. 4, Halle 1744, S. 634 f.; ders., Grundsätze (Anm. 197), S. 372. – Vgl. zur Konstruktion des gemischten Vertrages bei Wolff: Landau, Hegels Begründung (Anm. 191), S. 187.

VII. Die Zinstaxen der Obrigkeitsstaaten des Ancien Régime

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Obrigkeit an.200 Zu der Geldstrafe kamen nach einigen Polizeiordnungen noch Leibes- oder Freiheitsstrafen hinzu.201 Die territorialstaatlichen Polizeiordnungen weisen zudem nicht nur bei den angedrohten Sanktionen, sondern auch bei der Bestimmung des Zinsmaximums vielfach Gemeinsamkeiten auf, da sie im Wesentlichen entweder der Reichsgesetzgebung202 des 17. Jahrhunderts oder dem rezipierten römischen Recht203 folgten. Auf Reichsebene normierte § 174 des Jüngsten Reichsabschieds aus dem Jahre 1654 eine Zinstaxe von fünf Prozent und orientierte sich dabei an den Reichspolizeiordnungen von 1530, 1548 und 1577.204 Diese verboten zwar noch die Ausbedingung jeglicher Darlehenszinsen, gestatteten aber die Vereinbarung einer maximal fünfprozentigen Rente beim Rentenkauf, auf den die Geldgeber seit dem Mittelalter bevorzugt anstelle von Darlehensverträgen zurückgriffen, weil darauf das kanonische Zinsverbot keine Anwendung fand.205 ___________ 200

Vgl. dazu die bei Zedler, Art. „Wucher“ (Anm. 73), S. 722 f. und Gustav Ludwig Theodor Marezoll, De usuraria pravitate quaestiones, Leipzig 1837, S. 32-35 angeführten Polizeiordnungen. Vgl. auch Gustaf Klemens Schmelzeisen, Polizei- und Landesordnungen, Bd. 1, Köln und Graz 1968, S. 655 f. und 733. 201 Zedler, Art. „Wucher“ (Anm. 73), Sp. 723. Vgl. ferner: Peschke, Art. „Wucher“ (Anm. 81), S. 1088; Constantin R. Isopescul-Grecul, Das Wucherstrafrecht, Leipzig 1906, S. 139. 202 Vgl. – neben Marezoll, De usuraria (Anm. 200), S. 34 f. – zu Beispielen für einzelstaatliche Polizeiordnungen, die sich an der Reichsgesetzgebung orientierten: Schmelzeisen, Polizei- und Landesordnungen (Anm. 200), S. 655 f. und 733; ders., Polizeiordnungen (Anm. 93), S. 481 f. 203 Vgl. Coing, Privatrecht (Anm. 74), S. 479; Landau, Gesetzgebungsgeschichte (Anm. 74), S. 386 f.; Winfried Trusen, Die Anfänge öffentlicher Banken und das Zinsproblem. Kontroversen im Spätmittelalter, in: Marcus Lutter u.a. (Hg.), Recht und Wirtschaft in Geschichte und Gegenwart. Festschrift für Johannes Bärmann zum 70. Geburtstag, München 1975, S. 113-131, hier: S. 131. 204 Textauszüge der genannten Reichspolizeiordnungen finden sich bei: Gottlieb Hufeland, Ist es durch die Reichsgesetze allgemein verboten, höhere Zinsen als fünf von hundert zu nehmen?, in: Beyträge zur Berichtigung und Erweiterung der positiven Rechtswissenschaften, Bd. 1, Jena 1792, S. 23-50, hier: S. 29 f.; Marezoll, De usuraria (Anm. 200), S. 28 f. Vollständig abgedruckt sind die entsprechenden Regelungen der Reichspolizeiordnung von 1577 bei: Schmelzeisen, Polizei- und Landesordnungen (Anm. 200), S. 62 ff.; Karl Kroeschell, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2, 8. Aufl., Opladen 1992, S. 289 ff. 205 Vgl. dazu: Dilcher, Zins-Wucher-Gesetzgebung (Anm. 81), S. 138 ff.; Peter Landau, Art. „Zins“, in: Adalbert Erler u.a. (Hg.), Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 5, Berlin 1998, Sp. 1707-1713, hier: Sp. 1710; Peschke, Art. „Wucher“ (Anm. 81), S. 1087. Vgl. überdies zum Rentenkauf und dessen Einsatz unter Geltung des kanonischen Zinsverbots: Schwintowski, Legitimation und Überwindung (Anm. 83), S. 263, 267, 269 f.; Winfried Trusen, Zum Rentenkauf im Spätmittelalter, in: Josef Fleckenstein u.a. (Hg.), Festschrift für Hermann Heimpel, Göttingen 1972, S. 140-158; Ogris, Leibrentenvertrag (Anm. 82), S. 104-108.

Kap. 1: Die Bekämpfung des Wuchers

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Ein Prozent mehr als die an der Gesetzgebung des Reiches anknüpfenden Polizeiordnungen erlaubten die Partikularrechte, die den grundsätzlich nach dem Corpus iuris civilis geltenden Höchstzins von sechs Prozent übernahmen.206 Ausnahmen von diesem Regelsatz sah das justinianische Gesetzgebungswerk für besondere Personenkreise und bei spezifischen Umständen des Darlehensgeschäfts vor. Danach erlaubte man Angehörigen der höchsten Stände nur maximal vier Prozent Zinsen, während Gewerbetreibenden bis zu acht Prozent zugestanden wurden. Angesichts der großen Gefahr, der sich der Kreditgeber beim Seedarlehen207 aussetzte, das zur Verfügung gestellte Kapital später nicht samt Zinsen zurückzuerhalten, ließ man bei diesem Zinsen von maximal zwölf Prozent zu.208 Ähnlich wie das Corpus iuris civilis differenzierten zum Teil auch die territorialstaatlichen Polizeiordnungen bei der Höhe der Zinstaxe nach Personengruppen, wovon regelmäßig Kaufleute und Juden profitierten. So setzte der Braunschweiger Landesherr 1698 das auch noch im 18. Jahrhundert geltende Zinsmaximum auf grundsätzlich fünf Prozent fest, während Kaufleuten und Juden sechs Prozent erlaubt waren.209 In diesen Partikularrechten behielten damit die Juden ihre Sonderstellung, die sie bereits im Mittelalter innehatten, als man sie häufig – im Unterschied zu den strikt an das kanonische Zinsverbot gebundenen Christen – Zinsen nehmen ließ.210 Allerdings stießen solche Zinsprivilegien für Juden bei den Autoren der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nicht auf positive Resonanz, sondern galten ___________ 206

Auf die Geltung des sechsprozentigen Höchstsatzes in einigen Territorien weist auch Hufeland, Reichsgesetze (Anm. 204), S. 25 hin. 207 Für Seedarlehen forderten auch einige Kameralisten der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wegen des dabei stark erhöhten Risikos für den Darlehensgeber, sein Geld zu verlieren, eine Ausnahmeregelung – so: Justi, Die Grundfeste (Anm. 5), S. 658; Pfeiffer, Allgemeine Policeiwissenschaft (Anm. 24), S. 400 f.; ders., Grundsätze der Universal-Cameral-Wissenschaft (Anm. 18), S. 479. 208 Kaser / Knütel, Römisches Privatrecht (Anm. 182), S. 173 und 196; Dilcher, ZinsWucher-Gesetzgebung (Anm. 81), S. 137. 209 Dehesselles, Policey, Handel und Kredit (Anm. 82), S. 115. 210 Unterschiedlich fiel aber die Begründung für die Sonderstellung der Juden zur Zeit des kanonischen Zinsverbots aus: Während sich nach Dilcher, Zins-WucherGesetzgebung (Anm. 81), S. 139; Landau, Art. „Zins“ (Anm. 205), Sp. 1710; Werner Ogris, Art. „Darlehen“, in: Adalbert Erler u.a. (Hg.), Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 1, Berlin 1971, Sp. 662-664, hier: Sp. 663; Peschke, Art. „Wucher“ (Anm. 81), S. 1087, die Geltung des kanonischen Zinsverbots von vornherein nicht auf Juden erstreckte, widersprach dieser Annahme vor allem Hans-Jörg Gilomen, Wucher und Wirtschaft im Mittelalter, in: Historische Zeitschrift, Bd. 250, 1990, S. 265301, hier: S. 271-286, und führte verzinsliche Kredite der Juden auf Ausnahmeprivilegien und Dispense zurück, vgl. ferner: Schwintowski, Legitimation und Überwindung (Anm. 83), S. 263; Lange, Das kanonische Zinsverbot (Anm. 82), S. 105; Trusen, Die Anfänge öffentlicher Banken (Anm. 203), S. 114.

VIII. Fazit

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ihnen als „sonderbare, und mit der Weisheit der Regierungen wenig verträgliche Sache“211. Diese ablehnende Haltung beruhte maßgeblich darauf, dass sie Juden geradezu als Inbegriff des wuchernden Darlehensgebers betrachteten, so dass sich etwa Johann Heinrich Zedler im Jahre 1749 veranlasst sah, dem durch Juden begangenen Wucher einen eigenen Artikel in seinem Lexikon zu widmen.212 Der preußische Geheimrat Jakob Friedrich von Bielfeld verwendete gar die Begriffe „Jude“ und „Wucherer“ synonym.213 Eine allzu große Milde des Gesetzgebers diesem Personenkreis gegenüber musste daher die Skepsis der Zeitgenossen hervorrufen. Deren Vorbehalte gegenüber einer Begünstigung jüdischer Kreditgeber in der Wuchergesetzgebung sind insofern besonders beachtlich, als die politische Theorie zur Zeit des Ancien Régime die Legitimation landesherrlicher Machtfülle beabsichtigte und demgemäß kritische Äußerungen zur obrigkeitlichen Herrschaftsausübung Seltenheitswert besaßen.

VIII. Fazit VIII. Fazit

Die Verhinderung wucherischer Darlehensverträge bildete in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts einen zentralen Bestandteil der von den Staatswissenschaftlern geforderten obrigkeitlichen Tätigkeit auf dem Gebiet der Wirtschaft. 1. Wucherische Zinsen kamen aus Sicht der Zeitgenossen zustande, wenn es an einer schnellen Zirkulation einer mit der Warenmenge übereinstimmenden Summe Geldes fehlte. Sobald die Landesökonomie hingegen diesen Anforderungen entspreche, falle der landesübliche Zinssatz niedrig aus. Man sah mithin die Geldquantität und die Geschwindigkeit des Geldumlaufs als die maßgeblichen Einflussgrößen an, von denen die Höhe der Darlehenszinsen abhing. 2. Ergab sich aufgrund einer zu geringen Geldmenge oder Geschwindigkeit der Geldzirkulation ein hoher Zinsfuß, bringe dies dem Staat – so die Sorge der ___________ 211 Johann Heinrich Zedler, Art. „Wucher, (Juden-) Jüdischer Wucher, oder Wucher der Juden“, in: ders. (Hg.), Grosses vollständiges Universal-Lexikon Aller Wissenschaften und Künste, Bd. 59, Leipzig und Halle 1749 (Nachdruck: Graz 1963), Sp. 732-737, hier: Sp. 732: „Der Ursprung dieser Benennung aber rühret eigentlich von den Juden her, weil solche nicht allein zu allen Zeiten dem Wucher eyfrigst ergeben gewesen, sondern es auch noch insgemein mehr, als andere Völcker sind“; ders., Art. „Wucher“, Sp. 694: „Man beschuldiget gemeiniglich die Juden des Wuchers, und nennet deshalber solchen unrechtmäßigen Gewinn Juden-Wucher“ sowie Sp. 699 f.; Justi, Die Grundfeste (Anm. 5), S. 657 f.; in diese Richtung auch: Moser, Cameral-Sachen (Anm. 129), S. 481 f. 212 Zedler, Art. „Wucher, (Juden-) Jüdischer Wucher, oder Wucher der Juden“ (Anm. 211). 213 Bielfeld, Staatskunst (Anm. 89), S. 463.

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Kap. 1: Die Bekämpfung des Wuchers

Staatswissenschaftler – erhebliche Nachteile. Dazu zählten sie erstens den Verlust von Arbeitskräften, da jeder über ausreichend Geld zur Kreditgewährung verfügende Bürger seine Arbeit niederlege, sobald er seinen Lebensunterhalt allein mit Zinsgewinnen aus der Darlehensvergabe bestreiten könne. Zweitens gefährdeten wucherische Zinssätze für die Zeitgenossen die Erreichung einer positiven Handelsbilanz. Nach kameralistischer Auffassung verteuerten diese nämlich die Waren und erschwerten deren qualitative Verbesserung, weil es in den einzelnen Erwerbszweigen unter solchen Umständen sowohl an erforderlichen Investitionen als auch an arbeitswilligen Untertanen fehle. Zudem befürchtete man bei hohen Zinsen das Ausbleiben eines Zuzugs von Fremden sowie – mit Blick auf die einheimische Bevölkerung – zahlreiche Auswanderungen in Staaten mit florierender Wirtschaft, für die niedrige Darlehenszinsen kennzeichnend seien. Damit standen hohe Zinsen nach zeitgenössischer Vorstellung drittens auch dem Ziel der Bevölkerungsmehrung entgegen. 3. Mit Blick auf diese drohenden Nachteile hielten die Autoren der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein staatliches Eingreifen, das insbesondere im Erlass strafbewehrter Höchstzinsfestsetzungen bestehen sollte, zur Herstellung eines moderaten Zinsniveaus für erforderlich. Seine theoretische Fundierung fand der obrigkeitliche Zugriff auf den Inhalt von Darlehensverträgen in der eudämonistischen Staatszwecklehre des vorliberalen Naturrechts, die den Zweck der Staatsgründung mit dem umfassenden und ausfüllungsbedürftigen Begriff der salus publica bzw. der Glückseligkeit umschrieb. Auf diesem Wege wollte man dem Herrscher einen nahezu unbeschränkten Handlungsspielraum eröffnen, der auch die Regulierung der darlehensvertraglichen Zinshöhe umfasste. 4. Eine derartige Befugnis sprach John Locke dem englischen Staat ab, der nicht die Zinsen – wie am Ende des 17. Jahrhunderts geplant – per Gesetz herabsetzen, sondern die Bestimmung ihrer Höhe dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage überlassen sollte. Seine liberale Forderung erwies sich allerdings als unvereinbar mit der deutschen politischen und ökonomischen Theorie, die dem Fürsten weitreichende Herrschaftsansprüche zugestand. Es verwundert daher nicht, dass Locke bei den deutschen Autoren zur Zeit des Ancien Régime Ablehnung erfuhr. 5. Auf die Kritik der deutschen Staatswissenschaftler stieß allerdings nicht nur Lockes, sondern nicht minder Philippis Empfehlung zur Zinswuchergesetzgebung. Denn anders als seinen Zeitgenossen reichte Philippi die Festsetzung von Zinstaxen zur Stärkung der Landesökonomie nicht aus. Dieses Ziel schien ihm vielmehr nur durch Rückbesinnung auf das kanonische Zinsverbot erreichbar, mit dem man im Mittelalter jegliche Darlehenszinsen unabhängig von deren Höhe als wucherisch verworfen hatte. 6. Im Gegensatz zu Philippi, der gegenüber der Mehrheitssicht ein strikteres obrigkeitliches Eingreifen befürwortete, schienen Achenwall und Pütter auf den

VIII. Fazit

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ersten Blick geradezu interventionsfeindlich gesonnen zu sein. Ebenso wie bereits Thomasius und Gundling vor ihnen sprachen sie sich nämlich zugunsten der freien Vereinbarung von Leistung und Gegenleistung durch die Vertragschließenden im Naturzustand aus. Jedoch gewährten sie diese naturrechtlich begründete Freiheit dem Einzelnen nicht im status civilis, sondern rechtfertigten deren Fehlen im Staat mit dem Hinweis auf Staatsvertrag und Staatszweck. Auch Achenwall und Pütter stellten demnach die Befugnis des Regenten zum Erlass von Wuchergesetzen nicht in Frage. 7. Der Forderung nach strafbewehrten Höchstzinsfestsetzungen, wie sie die absolutistisch-kameralistische Theorie prägte, entsprachen die Polizeiordnungen der deutschen Staaten mit ihren Bestimmungen zum Wucher. Darin gestattete man üblicherweise die Ausbedingung einer maximal fünf- bzw. sechsprozentigen Verzinsung und ahndete Verstöße gegen das Zinsmaximum im Wesentlichen mit einer Geldstrafe.

Kapitel 2

Die Kritik Benthams und Turgots an obrigkeitlichen Zinsreglementierungen „Niemand hat bisher daran gezweifelt, daß der Wucher eine im Finstern schleichende und würgende moralische Pest sey“,1 bemerkte Heimbert Johann Hinze 1790, so dass ein Einschreiten des Gesetzgebers gegen den Wucher vor Erscheinen von Jeremy Benthams “Defence of usury” im Jahre 1787 einhellige Zustimmung gefunden habe. Hinze, der an der Helmstädter Universität Kameralwissenschaften lehrte, zeigte sich daher sichtlich empört über Benthams Ablehnung von Wuchergesetzen, die er als „bloße Schulübung des Witzes“ diskreditierte, mit der Bentham die „evidente Wahrheit“ leugne.2 Ebenfalls im Jahre 1790 stellte auch Johann Arnold Günther fest, dass der Engländer der erste Kritiker gesetzlicher Zinsreglementierungen sei: „Ich wüßte nicht“, konstatierte er mit Blick auf die 1788 veröffentlichte deutsche Übersetzung3 von dessen “Defence of usury”, „daß vor dem vor 2 Jahren aufgetretenen Bentham irgend jemand die Sache von der rechten Seite angesehen hätte“4. Diese richtige Ansicht – also die Forderung nach Abschaffung der Wuchergesetze, um den Kontrahenten des Darlehensvertrags die Bestimmung der Zinshöhe zu überlassen –, vertrete aber nicht nur Bentham. Daneben verwies er auf Turgots «Mémoires sur le prêt a intérêt et sur le commerce des fers» von 1789,

___________ 1 Heimbert Johann Hinze, Einige Materialien zur Beantwortung der Preisfragen: Was ist Wucher? und durch welche Mittel kann demselben, ohne Strafgesetze, am besten Einhalt geschehen?, in: Braunschweigisches Magazin, 1790, Sp. 81-108, hier: Sp. 88. 2 Hinze, Einige Materialien (Anm. 1), Sp. 88 f. 3 Johann August Eberhard, Professor der Philosophie an der Universität Halle, publizierte die deutsche Übersetzung 1788 in Halle unter dem Titel: Vertheidigung des Wuchers, worin die Unzuträglichkeit der gegenwärtigen gesetzlichen Einschränkungen der Bedingungen beim Geldverkehr bewiesen wird. 4 Johann Arnold Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung über Wucher und Wucher-Gesetze und über die Mittel, dem Wucher ohne Straf-Gesetze Einhalt zu thun; in politischer, justizmäßiger und mercantilistischer Rücksicht, Hamburg 1790, S. 268.

I. Die Kontroverse zwischen Jeremy Bentham und Adam Smith

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das Günther auszugsweise ins Deutsche übertrug.5 Denn in dessen Ausführungen sah Günther seine eigene Auffassung bestätigt, so dass er das „Urtheil eines Geschäftsmannes vom ersten Range“6, wie er dem ehemaligen französischen Finanzminister Turgot seine Ehrerbietung erwies, einem breiteren Publikum zugänglich machen wollte. Ebenso wie Günther beriefen sich, wie noch zu zeigen ist, weitere Gegner staatlicher Wuchergesetze im späten 18. und im 19. Jahrhundert sowohl auf Bentham als auch auf Turgot und rezipierten deren Argumente, während sie Locke, der bereits erheblich früher als Bentham – nämlich schon am Ende des 17. Jahrhunderts – Kritik an Wuchergesetzen geübt hatte,7 nicht diese Beachtung schenkten. Dementsprechend avancierten auch Bentham – wie Hinzes Äußerung beispielhaft belegt – und Turgot zu den erklärten Widersachern der Autoren, die sich zugunsten einer gesetzlichen Zinsregulierung aussprachen. Beide prägten mithin entscheidend den Fortgang der Diskussion über Wuchergesetze in der deutschen politischen und ökonomischen Theorie, so dass im Folgenden ihre Einwände gegen ein obrigkeitliches Eingreifen im Kreditwesen zu untersuchen sind (I. und II.).

I. Die Kontroverse zwischen Jeremy Bentham und Adam Smith I. Die Kontroverse zwischen Jeremy Bentham und Adam Smith

Die Verwirklichung der “greatest happiness of the greatest number”8 galt den Utilitaristen, zu deren prominentesten Autoren Jeremy Bentham gehört, als oberste Maxime menschlichen Handelns. Da diese kaum vom Glückseligkeitspostulat der politischen Theorie des aufgeklärten Absolutismus abwich,9 über___________ 5 Vgl. Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 4), S. 394-416 zur deutschen Übersetzung. 6 Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 4), S. 395. 7 S.o. unter Kap. 1, IV. 8 Jeremy Bentham, A fragment on government, London 1776, S. II. – Vgl. zu dieser utilitaristischen Handlungsanweisung und ihrem Ursprung: Michael Hauskeller, Versuch über die Grundlagen der Moral, München 2001, S. 18 ff. und 267; Gerhard Göhler und Ansgar Klein, Politische Theorien des 19. Jahrhunderts, in: Hans-Joachim Lieber (Hg.), Politische Theorien von der Antike bis zur Gegenwart, München 1991, S. 259656, hier: S. 369 und 454 ff.; John Rowland Dinwiddy, Bentham, Oxford und New York 1990, S. 21-28; Raymond Gillespie Frey, Art. “utilitarianism”, in: David Miller (Hg.), The Blackwell Encyclopaedia of Political Thought, Oxford 1987, S. 530-533, hier: S. 530; John Plamenatz, Preface, in: Elie Halévy, La formation du radicalisme philosophique, Paris 1901 und 1904 (engl. Übersetzung: Mary Morris, The growth of philosophic radicalism, London 1972), S. VII-XVII, hier: S. IX f. 9 Auf diese Verbindung zwischen Glückseligkeitsbegriff im absolutistischen Obrigkeitsstaat und dem Utilitarismus Benthams weist auch Ulrich Engelhardt, Zum Begriff der Glückseligkeit in der kameralistischen Staatslehre des 18. Jahrhunderts (J. H. G. v. Justi), in: Zeitschrift für Historische Forschung, 1981, S. 37-79, hier: S. 70 f. hin.

Kap. 2: Die Kritik Benthams und Turgots

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rascht es auf den ersten Blick, dass Bentham nicht zu den Befürwortern, sondern zu den Gegnern eines gesetzgeberischen Einschreitens gegen den Wucher zählte. Die Ähnlichkeit der Ziele zwischen Utilitarismus und vorliberaler politischer Theorie besteht indes lediglich in begrifflicher Hinsicht: Während nämlich die Beförderung der Glückseligkeit im Fürstenstaat des Ancien Régime in der Verantwortung des Regenten lag,10 favorisierten die Utilitaristen grundsätzlich die durch keine staatlichen Reglementierungen eingeschränkte Freiheit des Individuums zur Glücksmaximierung. Denn jeder wisse grundsätzlich selbst am Besten, so bekräftigte Bentham auch in seiner Abhandlung zum Wucher, was zu seinem Vorteil gereiche.11 Folglich konnte aus seiner Sicht der Gesetzgeber nicht anstelle des Kreditsuchenden beurteilen, ab welcher Zinshöhe sich die Eingehung des Darlehensvertrags nicht mehr als lohnenswert erwies. Mit der Festsetzung eines Zinsmaximums maße sich also der Staat eine Entscheidungsbefugnis an, die nicht ihm, sondern den Parteien des Darlehensvertrags zustehe: “no man of ripe years and of sound mind, acting freely, and with his eyes open, ought to be hindered, with a view to his advantage, from making such bargain, in the way of obtaining money, as he thinks fit: nor, [...] any body hindered from supplying him, upon any terms he thinks proper to accede to.”12 Den Vertragschließenden sollte es demnach frei stehen, die Modalitäten der Kreditvergabe eigenverantwortlich auszuhandeln. Sprach der Gesetzgeber den Kontrahenten dieses Recht durch den Erlass von Zinstaxen ab, lag darin für Bentham eine obrigkeitliche Bevormundung, die Erwachsenen ein Gängelband anlege.13 Daher schienen ihm insbesondere Strafgesetze gegen den Wucher unhaltbar, weil das vermeintliche Opfer – der Darlehensnehmer – dem Wuchergeschäft freiwillig zugestimmt hatte.14 ___________ 10

S.o. unter Kap. 1, III., 2. Jeremy Bentham, Defence of usury; shewing the impolicy of the present legal restraints on the terms of pecuniary bargains, London 1787, S. 16 f. und 37: “It is not often that one man is a better judge for another, than that other is for himself, even in cases where the adviser will take the trouble to make himself master of as many of the materials for judging, as are within the reach of the person to be advised. But the legislator is not, can not be, in the possession of any one of these materials. – What private, can be equal to such public folly?” – Vgl. zu dieser utilitaristischen Devise: Dinwiddy, Bentham (Anm. 8), S. 28 und 32; Lionel Robbins, The theory of economic policy, 2. Aufl., London (u.a.) 1978, S. 13; Plamenatz, Preface (Anm. 8), S. X f. 12 Bentham, Defence of usury (Anm. 11), S. 2; ähnlich S. 117. 13 Bentham, Defence of usury (Anm. 11), S. 10, 12, 17 f. 14 Bentham, An introduction to the principles of morals and legislation, London 1789, S. 250: “Usury, which, if it must be an offence, is an offence committed with consent, that is, with the consent of the party supposed to be injured, cannot merit a place in the catalogue of offences, unless the consent were either unfairly obtained or unfreely: in the first case, it coincides with defraudment; in the other, with extortion”. 11

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Bentham wandte sich indes ebenso wie andere Utilitaristen nicht gegen jede Einschränkung individueller Freiheit; vielmehr sah man diese als gerechtfertigt an, wenn sie für die Mehrzahl der Normunterworfenen vorteilhaftere Wirkungen als die Freiheit hervorbrachte.15 Jedoch erfüllten Wuchergesetze in seinen Augen nicht die genannte Voraussetzung, da von diesen keine positiven, sondern ausschließlich negative Folgen ausgehen würden.16 Mit der Normierung eines Zinsmaximums erreiche der Gesetzgeber nämlich nicht sein Ziel, die Position der Darlehensnehmer auf Kosten ihrer Vertragspartner zu stärken, was Bentham wegen der vollständigen Ausblendung der Belange der Darlehensgeber von vornherein missbilligte.17 Statt dessen wirke sich die Reglementierung der Zinshöhe tatsächlich zu Lasten der Kreditwilligen aus, denen die Einhaltung des Gesetzes den Weg zum begehrten Geld versperre, sobald ihnen Darlehensgeber keine optimale Kreditwürdigkeit attestierten. Gegen die geringen Zinsen, die der Gesetzgeber als Gegenleistung für die Kreditvergabe erlaube, entschließe sich nämlich kein Geldeigner dazu, ihrem finanziellen Engpass abzuhelfen.18 Der erfolglos Kreditsuchende verfüge sodann regelmäßig über keine andere Alternative zur Erlangung des benötigten Geldes, so gab Bentham zu bedenken, als die ihm verbliebenen Habseligkeiten schnellstmöglich zu versetzen. Im Rahmen solcher überstürzter Verkäufe lasse sich aber oftmals nur ein Erlös weit unter dem Verkehrswert realisieren, so dass es für Bentham gerade die Wuchergesetze waren, die den Geldbedürftigen ruinierten, indem sie ihm die Zahlung über dem Zinsmaximum liegender Zinsen untersagten und ihn damit in andere Formen der Geldbeschaffung drängten.19 Während die Befolgung der gesetzlichen Zinstaxe nach seiner Auffassung zahlreiche Darlehenswillige vom Krediterhalt ausschloss, erweise sich deren Umgehung – die laut Bentham in Weißrussland, wo er seine “Defence of usu___________ 15

Wilhelm Hofmann, Politik des aufgeklärten Glücks. Jeremy Benthams philosophisch-politisches Denken, Berlin 2002, S. 167, 180 f., 213 ff.; John S. McClelland, A history of western political thought, London und New York 1996, S. 452, 456, 461 ff.; Dinwiddy, Bentham (Anm. 8), S. 27, 29, 101; Werner Stark, Introduction, in: ders. (Hg.), Jeremy Bentham’s economic writings. Critical edition based on his printed works an unprinted manuscripts, Bd. 3, New York 1954, S. 7-59, hier: S. 33; Elie Halévy, La formation du radicalisme philosophique, Paris 1901 und 1904 (engl. Übersetzung: Mary Morris, The growth of philosophic radicalism, London 1972), S. 108 f. 16 Bentham, Defence of usury (Anm. 11), S. 45-61; ders., Defence of a Maximum [1801], in: Werner Stark (Hg.), Jeremy Bentham’s economic writings. Critical edition based on his printed works an unprinted manuscripts, Bd. 3, New York 1954, S. 247302, hier: S. 257 f. 17 Vgl. zu Benthams Ablehnung dieses Ziels: Bentham, Defence of usury (Anm. 11), S. 102-109. 18 Bentham, Defence of usury (Anm. 11), S. 45 ff.; ders., Defence of a Maximum (Anm. 16), S. 285. 19 Vgl. Bentham, Defence of usury (Anm. 11), S. 47-53.

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ry” verfasste, gang und gäbe war20 – für sie als nicht minder nachteilig: Sie bekämen dann zwar ein Darlehen, aber nur gegen Zahlung höherer Zinsen als bei Abschaffung der Wuchergesetze.21 Unter deren Geltung fassten hingegen aus Benthams Sicht weniger Geldeigner den Entschluss zur Darlehensvergabe, weil sich eine solche Kapitalnutzung gegen die niedrigen gesetzmäßigen Zinsen oftmals kaum lohne. Die verringerte Anzahl der Darlehensgeber erlaube es den verbleibenden, ihre Zinsforderungen zu überspannen, da es an Konkurrenten fehle, auf die der Kreditsuchende ausweichen könne, wenn ihm die angebotenen Kreditbedingungen nicht passten.22 Zudem ließen sich, so Bentham, die übrig bleibenden Kreditgeber ihr Handeln gegen die Rechtsordnung, das stets mit der Gefahr des Entdecktwerdens verknüpft war, durch zusätzliche Prozente an Zinsen vergüten: Denn die Zinsen sollen Darlehensgeber für sämtliche Risiken entschädigen, die ihnen die vorübergehende Weggabe ihrer Gelder einbrachte, und damit auch für das Risiko, als Wucherer bestraft zu werden.23 Derartige Auswirkungen diagnostizierte Adam Smith – dessen Widerlegung sich Bentham im weitaus umfangreichsten Teil seines Werkes widmete24 – indes nur bei vollständigen Zinsverboten oder zu niedrig festgesetzten Zinstaxen. Wuchergesetze dieses Inhalts empfand der schottische Nationalökonom als unsachgerecht, so dass sich deren Mängel, so meinte Smith, in einer Gesetzesumgehung samt Erhöhung des vom Darlehensnehmer tatsächlich zu erbringenden Entgelts widerspiegeln.25 Im Übrigen stand er aber obrigkeitlichen Wuchergesetzen ganz und gar nicht ablehnend gegenüber; vielmehr betrachtete Smith diese als notwendig, um eine die ganze Staatswirtschaft schädigende Konzentration der erhältlichen Darlehen in den Händen von Geldverschwendern und von ihm als “projectors” diskreditierten Unternehmern zu verhindern. 26 Jeder ___________ 20 Bentham, Defence of usury (Anm. 11), S. 70 f.: “In the country in which I am writing, the whole system of laws on this subject is perfectly, and very happily, inefficacious. The rate fixed by law is 5 per cent.: many people lend money; and nobody at that rate”. Anonymus, Rezension über Bentham, Defense of usury, shewing the impolicy of the present legal restraints on the terms of pecuniary bargains, in: Allgemeine LiteraturZeitung, 1788, Sp. 457-460, hier: Sp. 459 bestätigte diese Beobachtungen Benthams für das Reich. – Vgl. zur Entstehungsgeschichte der “Defence of usury”: Werner Stark, Introduction, in: ders. (Hg.), Jeremy Bentham’s economic writings. Critical edition based on his printed works an unprinted manuscripts, Bd. 1, New York 1952, S. 11-78, hier: S. 22-26. 21 Bentham, Defence of usury (Anm. 11), S. 53 f.; ders., Defence of a Maximum (Anm. 16), S. 285. 22 Vgl. Bentham, Defence of usury (Anm. 11), S. 45 f., 54 f. 23 Bentham, Defence of usury (Anm. 11), S. 54 f. 24 Vgl. Bentham, Defence of usury (Anm. 11), S. 129-192. 25 Adam Smith, An inquiry into the nature and causes of the wealth of nations, London 1776, Bd. 1, S. 434 f. 26 Smith, An inquiry (Anm. 25), Bd. 1, S. 435. Anonymus, Rezension über Bentham, Defense of usury, shewing the impolicy of the present legal restraints on the terms of

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Darlehensgeber ziehe nämlich beim Fehlen angemessener Zinsreglementierungen den Kreditwilligen vor, der sich zur Zahlung der höchsten Gegenleistung bereit erklärte. Solide Geschäftsleute, bei denen der Kreditgeber nicht Gefahr laufe, sein Kapital zu verlieren, verpflichteten sich aber, so nahm Smith an, nicht zur Erbringung immenser Zinssätze, die sich aus dem Einsatz der begehrten Gelder überhaupt nicht erwirtschaften ließen.27 Maximale Zinserträge versprachen nach seiner Auffassung lediglich unseriöse “prodigals and projectors”, da niemand solchen Schuldnern, bei denen man sich der Kapitalrückzahlung nicht gewiss sein könne, sein Geld ohne Kompensation durch einen verlockend hohen Gewinn anvertraue. Folglich erhalte gerade der verlässliche Unternehmer, von dem sich Smith im Gegensatz zu den “prodigals and projectors” eine sinnvolle Verwendung des gesuchten Geldes versprach, kein Darlehen. Er könne mit den Zinsforderungen der übrigen Nachfragenden nicht mithalten und bemühe sich daher regelmäßig vergebens, einen Kredit zu bekommen.28 Um eine solche Darlehensverteilung zu vermeiden, empfahl Smith die Normierung eines Zinsmaximums. Es sollte für die zeitgenössischen englischen Verhältnisse fünf Prozent29 betragen und damit knapp über dem Marktzins liegen, den Kreditgeber in der Regel von ihren Vertragspartnern verlangten, wenn diese die größtmögliche Sicherheit der Darlehensrückzahlung gewährleisteten.30 Folgte der Gesetzgeber bei der Höchstzinsfestsetzung dem Bemessungskriterium, blieben aus seiner Sicht unsichere “prodigals and projectors” auf dem Kreditmarkt chancenlos, da sich kein Darlehensgeber für eine mäßige fünfprozentige Verzinsung dem Risiko aussetze, sein Geld möglicherweise nicht wiederzuerhalten. Statt dessen gelangten durch die gesetzliche Begrenzung der Zinshöhe, so stellte Smith deren Vorzüge heraus, ausschließlich seriö___________ pecuniary bargains, in: Oberdeutsche allgemeine Litteraturzeitung, 1789, Sp. 865-868, hier: Sp. 867 f. sah diese Befürchtung des Schotten als unbegründet an. – Auf die Zielsetzung von Smiths Forderung nach Zinstaxen verweisen: Donald Winch, Riches and poverty. An intellectual history of political economy in Britain, 1750-1834, Cambridge 1996, S. 156; George John Stigler, Der Ökonom und der Staat, in: Horst Claus Recktenwald (Hg.), Ethik, Wirtschaft und Staat. Adam Smiths politische Ökonomie heute, Darmstadt 1985, S. 222-235, hier: S. 224; Samuel Hollander, The economics of Adam Smith, London (u.a.) 1973, S. 257; Jacob Viner, Adam Smith und Laissez-faire, in: Horst Claus Recktenwald (Hg.), Ethik, Wirtschaft und Staat. Adam Smiths politische Ökonomie heute, Darmstadt 1985, S. 72-109, hier: S. 105. 27 Smith, An inquiry (Anm. 25), Bd. 1, S. 435. 28 Smith, An inquiry (Anm. 25), Bd. 1, S. 435. 29 Smith, An inquiry (Anm. 25), Bd. 1, S. 435: “In a country, such as Great Britain, where money is lent to government at three per cent. and to private people upon good security at four, and four and a half, the present legal rate, five per cent. is, perhaps, as proper as any”. 30 Smith, An inquiry (Anm. 25), Bd. 1, S. 434: “This rate ought always to be somewhat above the lowest market price, or the price which is commonly paid for the use of money by those who can give the most undoubted security”.

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se Darlehenssuchende, bei denen der Darlehensgeber sein Geld in sicheren Händen wusste, zu den nachgefragten Krediten.31 Smiths Haltung zur Wuchergesetzgebung verdeutlicht, dass sich die Rolle des Staates in der Konzeption des schottischen Nationalökonomen nicht in der Garantie eines uneingeschränkten Wettbewerbs der Wirtschaftsakteure erschöpfte. Abgesehen von der Gewährleistung der Landesverteidigung und eines effektiven Justizwesens nahm er den Staat nämlich auch zur Vermeidung von Defiziten in Anspruch, die sich bei einem freien Spiel der Marktkräfte ergaben.32 Sein Votum für Zinstaxen blieb dementsprechend nicht der einzige Fall, in dem Smith eine staatliche Intervention in den Wirtschaftskreislauf begrüßte. Zum Schutz der einheimischen Wirtschaft schloss er z.B. Importabgaben auf ausländische Produkte nicht von vornherein aus;33 zudem befürwortete er etwa eine Besteuerung des Exportes von Wolle, um die Staatseinnahmen zu steigern.34 Smith propagierte also keineswegs die grenzenlose ökonomische Freiheit des Individuums;35 er entsprach damit nicht dem Bild eines strikten Doktrinärs des Laissez-faire, wie ihn seine Rezipienten36 im 19. Jahrhundert ___________ 31 Smith, An inquiry (Anm. 25), Bd. 1, S. 435: “Where the legal rate of interest [...] is fixed but a very little above the lowest market rate, sober people are universally preferred, as borrowers, to prodigals and projectors”. 32 Smith, An inquiry (Anm. 25), Bd. 2, S. 289. – Zu den Staatsaufgaben nach Smith: Viner, Adam Smith (Anm. 26), S. 92-109; im Anschluss an Viner: Heinz Joachim Müllenbrock, Adam Smith (1723-1790), in: Bernd Heidenreich (Hg.), Politische Theorien des 19. Jahrhunderts. Konservatismus, Liberalismus, Sozialismus, 2. Aufl., Wiesbaden 2002, S. 229-238, hier: S. 237 f.; Eberhard Wille und Martin Gläser, Staatsaufgaben bei Adam Smith, in: Horst Claus Recktenwald (Hg.), Ethik, Wirtschaft und Staat. Adam Smiths politische Ökonomie heute, Darmstadt 1985, S. 262-286, hier: S. 276 ff. 33 Smith, An inquiry (Anm. 25), Bd. 2, S. 44-47. 34 Diesen Staatseingriff enthielt die erste Ausgabe noch nicht, wohl aber spätere Auflagen: Adam Smith, An inquiry into the nature and causes of the wealth of nations, Bd. 2, 4. Aufl., Dublin 1785, S. 166. 35 So auch: Viner, Adam Smith (Anm. 26), S. 93 f. und 107 f.; im Anschluss an Viner: Müllenbrock, Adam Smith (Anm. 32), S. 236 f.; Donald Winch, Adam Smith’s politics, Cambridge (u.a.) 1978, S. 14; Hans Medick, Naturzustand und Naturgeschichte der bürgerlichen Gesellschaft. Die Ursprünge der bürgerlichen Sozialtheorie als Geschichtsphilosophie und Sozialwissenschaft bei Samuel Pufendorf, John Locke und Adam Smith, Göttingen 1973, S. 222-232, 237 f., 283 ff.; John M. Letiche, Adam Smith and David Ricardo on economic growth, in: Berthold Frank Hoselitz (Hg.), Theories of economic growth, New York und London 1965, S. 65-88, hier: S. 70. 36 Vgl. zur Smith-Rezeption: Keith Tribe, The German Reception of Adam Smith, in: ders. (Hg)., A Critical Bibliography of Adam Smith, London 2002, S. 120-152; ders., Governing Economy. The Reformation of German Economic Discourse 1750-1840, Cambridge (u.a.) 1988, S. 133-148; Harald Winkel, Die deutsche Nationalökonomie im 19. Jahrhundert, Darmstadt 1977, S. 7-36; Wilhelm Treue, Adam Smith in Deutschland. Zum Problem des „Politischen Professors“ zwischen 1776 und 1810, in: Werner Conze (Hg.), Deutschland und Europa. Historische Studien zur Völker- und Staatenordnung

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darstellten.37 Dennoch hält sich dieser rezeptionsgeschichtlich verzerrte Eindruck, der die nicht wenigen Eingriffsbefugnisse übergeht, die der Schotte dem Staat zubilligte, bis in die Gegenwart. Smith wird jedoch nicht nur zu Unrecht mit einem nahezu staatsfreien Wirtschaftsgeschehen in Verbindung gebracht;38 die Palette der Einordnungen umfasst mit der Überbetonung von Smiths staatsinterventionistischer Seite auch das andere Extrem.39 Obwohl sich bei ihm die Staatsaufgaben nicht auf das unerlässliche Minimum dezimiert fanden, darf doch nicht verkannt werden, dass er sich im Grundsatz dafür aussprach, die Steuerung ökonomischer Prozesse den Regelungsmechanismen des Marktes zu überlassen.40 Von dieser Grundtendenz wich der renommierte Nationalökonom somit bei seinen Ausführungen zum Zinswucher ab und erntete daraufhin bei Jeremy Bentham vehemente Kritik. Er bezweifelte die Annahme Smiths, dass der Staat durch Festsetzung eines moderaten Zinsmaximums Verschwender vom Krediterhalt ausschließe, weil jeder Darlehensgeber ihnen sein Geld nur zu höheren Zinsen anvertraue.41 Denn sie wäre allenfalls dann zutreffend, so Bentham, wenn Kreditgeber stets genau wüssten, ob es sich bei den Kreditsuchenden um Verschwender handele oder nicht. Dies sei allerdings gerade nicht der Fall: Der Geldeigner könne die Verschwendereigenschaft überhaupt nicht beurteilen, weil ihm die dazu erforderlichen Informationen – über die Einnahmen und die Ausgaben des Kreditnachfragenden – regelmäßig fehlten,42 so dass sich durch ___________ des Abendlandes. Festschrift für Hans Rothfels, Düsseldorf 1951 (Nachdruck: Goldbach 1993), S. 101-133. 37 Vgl. Müllenbrock, Adam Smith (Anm. 32), S. 235 ff.; Wille / Gläser, Staatsaufgaben (Anm. 32), S. 265 f.; Winch, Adam Smith’s politics (Anm. 35), S. 14; Medick, Naturzustand und Naturgeschichte (Anm. 35), S. 172 f. 38 So z.B. besonders deutlich William Dyer Grampp, Economic liberalism, Bd. 2, New York 1965, S. 15 f., 33. 39 Bei Ronald L. Meek, Smith, Marx, & after, London 1977, S. 3-17 äußert sich diese Überbetonung beispielsweise darin, dass er deutliche Verbindungslinien im Denken von Smith und Marx sieht. – Vgl. zur Einordnung des Schotten zwischen ökonomischer Freiheit und Staatsintervention insbesondere: Winch, Adam Smith’s politics (Anm. 35), S. 13-27; ferner: Wille / Gläser, Staatsaufgaben (Anm. 32), S. 272-279. 40 So auch beispielsweise: Müllenbrock, Adam Smith (Anm. 32), S. 237 f.; Lionel Robbins, The theory of economic policy, 2. Aufl., London (u.a.) 1978, S. 37 f.; Graham Shardalow Lee Tucker, Progress and profits in British economic thought 1650-1850, Cambridge 1960, S. 63 f. 41 Vgl. Bentham, Defence of usury (Anm. 11), S. 20, 136. – Für Anonymus, Rezension über Bentham, Defense of usury, shewing the impolicy of the present legal restraints on the terms of pecuniary bargains, in: Nürnbergische gelehrte Zeitung, 1789, S. 282285, hier: S. 283 bewies hingegen die alltägliche Erfahrung, dass Verschwender – entsprechend der Argumentation Smiths – nur gegen höhere als mäßige gesetzmäßige Zinsen Kredite bekämen. 42 Bentham, Defence of usury (Anm. 11), S. 21.

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Wuchergesetze auch nicht eine Darlehensgewährung an Verschwender unterbinden lasse. Wollte der Staat dies erreichen, bedurfte es aus Benthams Sicht einer Entmündigung von Verschwendern, die jeder Übernahme rechtsgeschäftlicher Verbindlichkeiten entgegenstand.43 Damit verbleibt die Frage, ob Wuchergesetze zumindest “projectors” vom Kreditmarkt verdrängten, wie Smith es annahm. Doch welchem Personenkreis missgönnte Smith unter dieser Bezeichnung den Darlehenserhalt? Innerhalb seines Votums für gesetzliche Zinsreglementierungen beschrieb er “prodigals and projectors” als Kreditsuchende, von denen eine zweckmäßige Verwendung des Darlehens nicht zu erwarten sei, und stellte sie den soliden Darlehensnehmern gegenüber, denen er die Kredite statt dessen zuwenden wollte.44 Indes wandte sich der Verfasser des “Wealth of Nations” in diesem Werk noch ein weiteres Mal den “projectors” zu und verstand sie dabei als Unternehmer, die sich um die Einführung von Neuheiten im Wirtschaftsprozess bemühten.45 Ausschließlich auf das letztgenannte Begriffsverständnis bezog sich Bentham, um die von Smith erhobene Forderung nach moderaten Zinstaxen zu entkräften.46 Bentham stimmte zwar Smith insoweit zu, dass “projectors” nur dann in den Genuss von Darlehen zur Umsetzung ihrer innovativen Vorhaben kämen, wenn sie Kreditgebern hohe Zinsen als Gegenleistung versprachen. Denn die Finanzierung von Neuheiten erweise sich stets als risikoreicher als die altbewährter Gewerbezweige, so dass man sich mit der Überlassung seines Geldes an solche Darlehensnehmer einer enormen Gefahr aussetze, es nicht zurückzubekommen.47 Dieses Risiko nehme aber, so betonte auch Bentham, kein rational abwägender Darlehensgeber gegen maximal fünf Prozent Zinsen, die Smith als gesetzlichen Höchstzins befürwortete, auf sich. Vielmehr halte er sich unter solchen Umständen von Kreditsuchenden, die sein Geld zur Umsetzung geplanter Neuerungen einzusetzen beabsichtigten, tunlichst fern.48 Dadurch drohten ___________ 43

Bentham, Defence of usury (Anm. 11), S. 30 f. Smith, An inquiry (Anm. 25), Bd. 1, S. 435: “If the legal rate of interest in Great Britain, for example, was fixed so high as eight or ten per cent., the greater part of the money which was to be lent would be lent to prodigals and projectors, who alone would be willing to give this high interest. Sober people, who will give for the use of money no more than a part of what they are likely to make by the use of it, would not venture into the competition. A great part of the capital of the country would thus be kept out of the hands which were most likely to make a profitable and advantageous use of it, and thrown into those which were most likely to waste and destroy it”. 45 Vgl. Smith, An inquiry (Anm. 25), Bd. 1, S. 141 f. 46 Bentham, Defence of usury (Anm. 11), S. 132, 137 ff., 146 ff. 47 Bentham, Defence of usury (Anm. 11), S. 139 f. 48 Bentham, Defence of usury (Anm. 11), S. 141 f. sowie 166 f.: “[...] to limit the legal interest to a rate at which the carriers on of the oldest and best-established and least hazardous trades are always glad to borrow, is to give the monopoly of the moneymarket to those traders, as against the projectors of new-imagined trades, not one of 44

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jedoch dem Staat, so gab Bentham zu bedenken, fatale Auswirkungen. Blieben nämlich die von Smith als “projectors” diffamierten Gewerbetreibenden ohne Kredite, so gefährde dies die gesamte gesellschaftliche Fortentwicklung, weil geistreiche Erfindungen dann oft aus finanziellen Gründen unterbleiben müssten.49 Der Personenkreis, dessen Benachteiligung Smith bei der Kreditvergabe anstrebte, stiftete also nach Auffassung seines Kritikers der Gesellschaft gerade den größten Nutzen. “Projectors” zählte dieser nämlich zur “most meritorious race of men”50, die Bentham wegen ihrer Verdienste um die Hervorbringung von Innovationen als besonders unterstützungswürdig galten. Ihnen sollten Kredite daher auch nicht entzogen, sondern zugeführt werden, um der Umsetzung von Neuerrungenschaften nicht im Wege zu stehen.51 Denn “whatever is now the routine of trade”, mahnte er Smith zum Überdenken seiner Ablehnung der “projectors” an, “was not, at its commencement, project”52? Derartige Einwände ließen Smith nicht unbeeindruckt: Angesprochen auf Benthams “Defence of usury” soll Smith gegenüber einem Freund seines Kritikers zugegeben haben, dass wohl dieser und nicht er selbst im Recht sei.53 Als Bentham davon erfuhr, begnügte er sich mit dem mündlichen Eingeständnis jedoch nicht, sondern versuchte den schottischen Nationalökonomen zur öffentlichen Aufgabe seiner Meinung zu bewegen. Er bat ihn daher in einem Brief54 um die Erlaubnis, sein nunmehriges Bekenntnis zu Benthams Ansicht in einer ___________ which, were it only from the circumstances of its novelty, must [...] appear more hazardous than the old”. 49 Vgl. Bentham, Defence of usury (Anm. 11), S. 144 ff. und 155; ders., Defence of a Maximum (Anm. 16), S. 285. – Anonymus, Rezension über Bentham, Defense of usury, shewing the impolicy of the present legal restraints on the terms of pecuniary bargains, in: Tübingische gelehrte Anzeigen, 1789, S. 198-199, hier: S. 199 teilte Benthams Votum für die „Projectmacher“. 50 Bentham, Defence of usury (Anm. 11), S. 132. 51 Vgl. Bentham, Defence of usury (Anm. 11), S. 145 f. und 167 ff. 52 Bentham, Defence of usury (Anm. 11), S. 144 f. 53 Stark, Introduction (Anm. 20), S. 26 f.; James Bonar, Art. „Bentham, Jeremy“, in: Henry Higgs (Hg.), Palgrave’s dictionary of political economy, Bd. 1, London 1926, S. 131-133, hier: S. 131; Halévy, La formation (Anm. 15), S. 113; Jacob Viner, Introduction. Guide to John Rae’s Life of Adam Smith, in: John Rae, Life of Adam Smith, London und New York 1895 (Nachdruck: New York 1965), S. 5-145, hier: S. 18. – Als unzweifelhaft stellten den Übertritt von Smith zu Benthams Ansicht dar: Laurence J. Lafleur, Introduction: Jeremy Bentham and the principles, in: Jeremy Bentham, An introduction to the principles of morals and legislation, 2. Aufl., London 1823 (Nachdruck: New York 1980), S. VII-XV, hier: S. IX; John Rae, Life of Adam Smith, London und New York 1895 (Nachdruck: New York 1965), S. 318, 422 ff.; Sigmund Feilbogen, James Steuart und Adam Smith, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 1889, S. 218-260, hier: S. 247. 54 Jeremy Bentham, [Letter] To Dr. Smith, in: Werner Stark (Hg.), Jeremy Bentham’s economic writings. Critical edition based on his printed works an unprinted manuscripts, Bd. 1, New York 1952, S. 188 ff.

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Neuauflage seiner 1787 erstmals veröffentlichten Monographie zum Wucher publizieren zu dürfen. Mit dieser verfolgte er das Ziel, die gerade in Irland diskutierte Herabsetzung des gesetzlichen Zinsmaximums zu verhindern.55 Da dem Votum des Schotten eine enorme Autorität zukomme, so begründete Bentham seine briefliche Anfrage, würde eine zustimmende Antwort die Chancen des Vorhabens deutlich steigern.56 Die erhoffte Reaktion blieb allerdings aus: Als Smith den Brief wenige Tage vor seinem Tod erhielt, ließ er dem Absender lediglich ein Exemplar seiner Werke zukommen, ohne erneut zur Wucherfrage Stellung zu nehmen.57

II. Turgots Votum für eine freie Vereinbarung der Darlehenszinsen II. Turgots Votum für eine freie Vereinbarung der Darlehenszinsen

Um Smith zur öffentlichen Distanzierung von seinem Plädoyer für staatliche Wuchergesetze zu überreden, verließ sich Bentham nicht allein auf die Überzeugungskraft der Einwände, die er in seiner Abhandlung zum Wucher gegen die Normierung gesetzlicher Zinsmaxima erhoben hatte. In seinem Brief an Smith legte er nämlich besonderen Wert auf die Feststellung, dass nicht nur er selbst die Berechtigung von Wuchergesetzen bestreite, sondern diese Ansicht durchaus auf Gleichgesinnte – wie Anne Robert Jacques Turgot – stoße.58 Schließe sich Smith ihnen an, würde das Renommee des Schotten ebenso wie dasjenige Turgots erheblich dazu beitragen, so prognostizierte Bentham am Ende seines Schreibens noch optimistisch, den in der “Defence of usury” niedergelegten Grundsätzen zur Durchsetzung zu verhelfen.59 Bentham setzte also maßgeblich auf die Stimme des französischen Physiokraten Turgot, um seiner Wuchergesetze ablehnenden Auffassung Nachdruck zu verleihen. Als die physiokratische Lehre Mitte des 18. Jahrhunderts in Frankreich als Gegenbewegung zum Merkantilismus und seinen zahlreichen ___________ 55

Jeremy Bentham, [Proposed] Preface [to the second edition], in: Werner Stark (Hg.), Jeremy Bentham’s economic writings. Critical edition based on his printed works an unprinted manuscripts, Bd. 1, New York 1952, S. 191-194, hier: S. 191 f.; ders., To Dr. Smith (Anm. 54), S. 189. 56 Bentham, To Dr. Smith (Anm. 54), S. 189: “As the world judges, one upon examination and nine hundred and ninety-nine upon trust, the declaration of your opinion upon any point of legislation would be worth, I won’t pretend to say how many votes: but the declaration of your opinion in favour of a side to which conviction and candour had brought you over from the opposite one, would be worth at least twice or thrice as many”. 57 Stark, Introduction (Anm. 20), S. 27; Viner, Guide to John Rae’s Life of Adam Smith (Anm. 53), S. 18 f. 58 Bentham, To Dr. Smith (Anm. 54), S. 188. 59 Bentham, To Dr. Smith (Anm. 54), S. 189 f.

II. Turgots Votum für eine freie Vereinbarung der Darlehenszinsen

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Staatseingriffen in die Wirtschaft entstand,60 hatte es indessen noch nicht danach ausgesehen, dass von dieser einmal Kritik an gesetzlichen Zinsbeschränkungen ausgehen würde. Denn der Begründer des Physiokratismus, François Quesnay, billigte zum Schutz der Landwirtschaft – die den Physiokraten als Grundlage allen gesellschaftlichen Reichtums galt, weil sie als einziger Wirtschaftszweig neue Werte hervorbringe61 – durchaus die Festsetzung eines Maximalzinssatzes. Auf diesem Wege wollte er ausschließen, dass die Höhe der Darlehenszinsen die agrarwirtschaftlich erzielbaren Erträge überschreiten konnte, damit der Landwirtschaft nicht die benötigten Gelder fehlten.62 Quesnay übernahm also mit seinem Votum für eine Staatsintervention bei der Zinsbemessung das sonst von den Physiokraten zugunsten des freien Spiels der Marktkräfte abgelehnte merkantilistische Programm. Allerdings fand Quesnay mit dieser Abkehr vom freien Wettbewerb unter den übrigen Physiokraten – mit Ausnahme von Victor de Riqueti Mirabeau – keine Gefolgschaft; sie hielten auch im Kreditwesen an der den Physiokratismus prägenden Forderung fest, dass ökonomische Prozesse von staatlicher Intervention frei bleiben sollten.63 ___________ 60 Martin Fuhrmann, Volksvermehrung als Staatsaufgabe? Bevölkerungs- und Ehepolitik in der deutschen politischen und ökonomischen Theorie des 18. und 19. Jahrhunderts, Paderborn (u.a.) 2002, S. 115 f. und 118 f.; Ulrich Muhlack, Physiokratie und Absolutismus in Frankreich und Deutschland, in: Zeitschrift für Historische Forschung, 1982, S. 15-46, hier: S. 23 und 40-43; Fritz Hartung, Der Aufgeklärte Absolutismus, in: Karl Otmar Freiherr von Aretin (Hg.), Der Aufgeklärte Absolutismus, Köln 1974, S. 5476, hier: S. 58 f.; Folkert Hensmann, Staat und Absolutismus im Denken der Physiokraten, Frankfurt a.M. 1976, S. 24-29 und 44 f.; Fritz Valjavec, Die Entstehung der politischen Strömungen in Deutschland 1770-1815, München 1951 (Nachdruck: Kronberg/Ts. 1978), S. 59 ff. – Vgl. zu den gegensätzlichen politischen Positionen von Merkantilismus und Physiokratismus auch Diethelm Klippel, Der Einfluss der Physiokraten auf die Entwicklung der liberalen politischen Theorie in Deutschland, in: Der Staat. Zeitschrift für Staatslehre, öffentliches Recht und Verfassungsgeschichte, 1984, S. 205226, hier: S. 206-212. 61 Muhlack, Physiokratie und Absolutismus (Anm. 60), S. 22 f.; Fuhrmann, Volksvermehrung (Anm. 60), S. 117; Jochen Hoffmann, Jakob Mauvillon. Ein Offizier und Schriftsteller im Zeitalter der bürgerlichen Emanzipationsbewegung, Berlin 1981, S. 171; Ronald L. Meek, The economics of physiocracy, London 1962, S. 19 f., 379-383. 62 M. Nisaque [François Quesnay], Observations sur l’intérêt de l’argent [1766], in: August Oncken (Hg.), François Quesnay. Œuvres économiques et philosophiques, Frankfurt 1888 (Nachdruck: Aalen 1965), S. 399-406. – Quesnay ließ die Abhandlung unter seinem Pseudonym „M. Nisaque“ veröffentlichen, vgl. August Oncken, Introduction, in: ders. (Hg.), François Quesnay. Œuvres économiques et philosophiques, Frankfurt 1888 (Nachdruck: Aalen 1965), S. IX-XXVII, hier: S. XXI. Vgl. zu Quesnays Votum für eine Zinsreglementierung: Marguerite Kuczynski, François Quesnay. Ökonomische Schriften., Bd. 2, 1. Halbband, Berlin 1976, S. 49-53; Irene Oswalt, Das Laissez-faire der Physiokraten, Freiburg 1961, S. 138 ff.; ferner: Gerhard Stavenhagen, Geschichte der Wirtschaftstheorie, 4. Aufl., Göttingen 1969, S. 41; August Oncken, Geschichte der Nationalökonomie, Leipzig 1902 (Nachdruck: Aalen 1971), S. 465. 63 Vgl. Oswalt, Das Laissez-faire (Anm. 62), S. 138; Kuczynski, François Quesnay (Anm. 62), S. 53 f.

Kap. 2: Die Kritik Benthams und Turgots

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Zur Begründung verwies Turgot in erster Linie auf das Eigentumsrecht, das die Befugnis enthalte, mit dem Seinigen nach Belieben zu verfahren. Da der Geldeigner aus diesem Grund nicht zur Kreditvergabe gezwungen werden könne, so argumentierte Turgot, dürfe man ihm ebenso wenig deren Modalitäten vorschreiben, falls er sich zu dieser Eigentumsnutzung entschließt. Ihm sollte also – gleichermaßen wie dem Verkäufer oder Vermieter, die auch ihr Eigentum einem anderen zur Verfügung stellten – das Recht zustehen, für die Überlassung seines Kapitals eine beliebig hohe Gegenleistung zu verlangen, wenn sein Vertragspartner sie ihm freiwillig bewilligte. Gesetzliche Zinsreglementierungen, die im Merkantilismus einen wesentlichen Eckpfeiler der wirtschaftspolizeilichen Staatstätigkeit ausmachten,64 verletzten folglich aus Turgots Sicht das Eigentumsrecht der Darlehensgeber.65 Diese Auffassung teilte auch der deutsche „Hauptphysiokrat“66 Johann August Schlettwein: Für ihn entsprach es der natürlichen Ordnung, „daß ein Geldbesitzer sein Geld sowol ohne Zinsen, als auf jährliche Zinsen auszulehnen berechtigt ist, und daß die Bestimmung der Größe der Zinsen nur von dem Geldvorlehner, und Geldentlehner abhängen muß“67. Dieser natürlichen Ordnung durfte der Herrscher den Physiokraten zufolge nicht zuwiderhandeln, sondern er war ganz im Gegenteil zu deren Umsetzung verpflichtet, um dem Einzelnen die für den ordre naturel ausgesprochenen Rechte auch im Staat – im ordre positif – zu erhalten.68 ___________ 64

S.o. Kap. 1, III., 1. a) für den Kameralismus, die deutsche Ausprägung des Merkantilismus. 65 Vgl. Anne Robert Jacques Turgot, Réflexions sur la formation et la distribution des richesses, o.O. 1788, S. 94 ff.; ders., Mémoires sur le prêt a intérêt et sur le commerce des fers, Paris 1789, S. 32-35: Turgot richtete sich darin gegen jede Ausgestaltung von Wuchergesetzen, also sowohl gegen Zinsverbote als auch Zinstaxen – wie schon Oncken, Geschichte (Anm. 62), S. 464 betonte –, wohl da in Frankreich das Zinsverbot erst im Zuge der Revolutionsgesetzgebung beseitigt wurde, während in vielen anderen europäischen Staaten zur gleichen Zeit Zinstaxen galten. – Zur französischen Wuchergesetzgebung vgl. Jochen Dilcher, Die Zins-Wucher-Gesetzgebung in Deutschland im 19. Jahrhundert. Eine entwicklungsgeschichtliche Betrachtung unter besonderer Berücksichtigung wirtschaftlicher und wirtschaftspolitischer Faktoren, Frankfurt a.M. (u.a.) 2002, S. 140; Kurt Peschke, Art. „Wucher“, in: Ludwig Elster u.a. (Hg.), Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Bd. 8, 4. Aufl., Jena 1928, S. 1081-1108, hier: S. 1088 f. 66 So lautete der Untertitel einer Arbeit über Schlettwein: Alfred Krebs, J. A. Schlettwein. Der „deutsche Hauptphysiokrat“, Leipzig 1909. 67 Johann August Schlettwein, Grundfeste der Staaten oder die politische Oekonomie, Gießen 1779 (Nachdruck: Frankfurt a.M. 1971), S. 355. – Ähnlich argumentierte auch Viktor Barkhausen, Soll man gegen die sogenanten wucherlichen Kontrakte Geseze geben?, in: Deutsches Museum, 1785, Bd. 2, S. 236-241, hier: S. 237, der Zinstaxen als rechtswidrig verwarf, „weil sie das Eigenthum angreifen, und dem Bürger vorschreiben, wie hoch er dasjenige nuzen soll, was ihm doch eigenthümlich zugehöret“. 68 Fuhrmann, Volksvermehrung (Anm. 60), S. 116-119; Klippel, Der Einfluss der Physiokraten (Anm. 60), S. 214 ff.; Muhlack, Physiokratie und Absolutismus (Anm. 60),

II. Turgots Votum für eine freie Vereinbarung der Darlehenszinsen

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Das Eigentumsrecht der Darlehensgeber blieb allerdings nicht der einzige Einwand, den Turgot – wie auch Schlettwein – gegen eine obrigkeitliche Intervention im Kreditwesen durch Wuchergesetze erhob. Überdies verwies er auf die Handels- und Gewerbefreiheit, die auch die unbeschränkte Zinsvereinbarung umfasse: «Le Commerce de l’argent seroit libre comme doit l’être tout Commerce.»69 Von der Gewährleistung dieser Freiheit, die es jedem Wirtschaftsteilnehmer erlaube, eigenverantwortlich und unbehelligt von Reglementierungen seine Interessen wahrzunehmen, versprachen sich die Physiokraten sowohl für den Einzelnen als auch für den gesamten Staat die besten Ergebnisse.70 Turgot sah dementsprechend das Sinken des landesüblichen Zinssatzes als notwendige Folge eines Absehens von Wuchergesetzen zugunsten einer freien Zinsvereinbarung an: «L’effet de cette liberté seroit la concurrence; & l’effet de cette concurrence seroit le bas prix de l’intérêt»71. Denn auf diesem Wege verringere sich der Zinssatz um den Betrag, den Darlehensnehmer ihren Vertragspartnern zur Kompensation der Gefahr zahlen müssten, bei Übertretung der gesetzlichen Zinsreglementierung als Wucherer bestraft zu werden.72 Zudem erwartete Turgot, dass bisher ungenutzt verwahrtes Geld zur Darlehensvergabe zum Einsatz komme, sobald der Gesetzgeber den Geldeignern nicht mehr die maximal erlaubte Zinshöhe vorschreibe.73 Diese Angebotserweiterung führe ebenfalls zur Verminderung der Zinshöhe, da sich dem ordre naturel entsprechend der Preis einer Ware – und damit auch der Zins als Preis für die zeitweilige Überlassung von Geld – nach dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage ___________ S. 26 ff.; Siegfried Wendt, Geschichte der Volkswirtschaftslehre, 2. Aufl., Berlin 1968, S. 31. 69 Turgot, Mémoires (Anm. 65), S. 79; Schlettwein, Grundfeste der Staaten (Anm. 67), S. 357. – Vgl. zur Verbindung von Eigentumsrecht sowie Handels- und Gewerbefreiheit bei den deutschen Physiokraten Klippel, Der Einfluss der Physiokraten (Anm. 60), S. 211; für Turgot betont dies Oncken, Geschichte (Anm. 62), S. 463. 70 Diesen Gleichlauf von Einzel- und Gesamtinteresse betonen: Fuhrmann, Volksvermehrung (Anm. 60), S. 117; Hans Erich Bödeker, „Menschenrechte“ im deutschen publizistischen Diskurs vor 1789, in: Günter Birtsch (Hg.), Grund- und Freiheitsrechte von der ständischen zur spätbürgerlichen Gesellschaft, Göttingen 1987, S. 392-433, hier: S. 409; Hoffmann, Jakob Mauvillon (Anm. 61), S. 173 und 189; Andreas Kaiser, Zum Verhältnis von Vertragsfreiheit und Gesellschaftsordnung während des 19. Jahrhunderts insbesondere in den Auseinandersetzungen über den Arbeitsvertrag, Berlin 1973, S. 32 f. 71 Turgot, Mémoires (Anm. 65), S. 79; Schlettwein, Grundfeste der Staaten (Anm. 67), S. 357: „Es kommt immer im Zirkul die politische Hauptmaxim wieder zurück, durch uneingeschränckte Gewerbs- und Handelsfreyheit die Masse der Producte, und die Menge der Arbeiten, und Dienste, und hierdurch auch die Masse und den Umlauf des Geldes zu vermehren, um das Geld auf die geringstmöglichen Zinsen herunter zu setzen“. 72 Vgl. Turgot, Mémoires (Anm. 65), S. 79 f. 73 Turgot, Mémoires (Anm. 65), S. 80.

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Kap. 2: Die Kritik Benthams und Turgots

richte.74 Berücksichtigung im Zins fand zudem nach Turgot – wie auch nach dem deutschen Physiokraten Jakob Mauvillon – das vom Geldeigner mit der Kreditgewährung eingegangene Risiko des Kapitalverlustes: Dabei erhöhe sich der von seinem Vertragspartner aufzubringende Zinssatz umso mehr, je weniger der Darlehensgeber darauf vertrauen konnte, sein Geld später wieder zurückzuerhalten.75 Da der Grad des eingegangenen Verlustrisikos aber wesentlich davon abhänge, wem man sein Kapital anvertraue und dementsprechend bei jedem Kreditvertrag unterschiedlich hoch ausfalle, schied es für Turgot von vornherein aus, die zulässige Höhe der Darlehenszinsen per Gesetz einheitlich für alle Darlehensverträge festzusetzen.76 Verzichte der Staat dennoch nicht auf Wuchergesetze, so hindere er die Bürger zu deren Nachteil an der Verfolgung der eigenen Interessen, indem er ihnen Vertragsinhalte auch entgegen dem übereinstimmenden Willen der Vertragschließenden untersage. Der Gesetzgeber schade damit beiden Kontrahenten des Kreditvertrags, so stellte Turgot klar, weil man weder beim Darlehensgeber noch beim Darlehensnehmer annehmen könne, dass sie einen Vertrag eingingen, ohne sich davon Vorteile zu versprechen.77 Den Einwand, dass allein das Geldbedürfnis den Darlehensnehmer zum Vertragsabschluss dränge, so dass ihm der Vertrag keinerlei Nutzen bringe, ließ Turgot nämlich nicht gelten: Vielmehr erachtete er die Befreiung aus einer drückenden finanziellen Notlage gerade als den größten Vorteil, den ein Kredit verschaffen könne.78 Dieser bleibe Kreditsuchenden unter Geltung von Wuchergesetzen hingegen häufig versagt, wenn sie in den Augen der Geldeigner nicht das nötige Maß an Sicherheit der Kapitalrückzahlung gewährleisteten, so dass man mit der Kreditvergabe an sie ein durch die gesetzmäßigen Zinsen nicht hinreichend abgegoltenes Risiko

___________ 74 Turgot, Réflexions (Anm. 65), S. 89 und 99 f.; ders., Mémoires (Anm. 65), S. 29 f. und 75. – Zur Ablehnung von Wuchergesetzen bei Turgot zugunsten einer Bestimmung durch Angebot und Nachfrage: Peter D. Groenewegen, A Re-Interpretation of Turgot’s Theory of Capital and Interest, in: Mark Blaug (Hg.), Richard Cantillon (1680-1734) and Jacques Turgot (1727-1781), Aldershot (u.a.) 1991, S. 142-155, hier: S. 143 ff. und 149; Douglas Dakin, Turgot and the Ancien Régime in France, New York 1965, S. 293; Oncken, Geschichte (Anm. 62), S. 463 ff. 75 Vgl. Turgot, Mémoires (Anm. 65), S. 30, 76; Jakob Mauvillon, Physiokratische Briefe an den Herrn Professor Dohm. Oder Vertheidigung und Erläuterungen der wahren Staatswirthschaftlichen Gesetze die unter dem Nahmen des Physiokratischen Systems bekannt sind, Braunschweig 1780 (Nachdruck: Königstein/Ts. 1979), S. 43. 76 Turgot, Mémoires (Anm. 65), S. 75 f. 77 Turgot, Mémoires (Anm. 65), S. 30 f., 35. 78 Turgot, Mémoires (Anm. 65), S. 35: «Et, si l’on répond que c’est le besoin qui le force à se soumettre à cette condition, est-ce que ce n’est pas un avantage que la satisfaction d’un véritable besoin? est-ce que ce n’est pas le plus grand de tous?»

II. Turgots Votum für eine freie Vereinbarung der Darlehenszinsen

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eingehen würde.79 Turgot sah daher eine Unterversorgung der Wirtschaft mit Krediten als notwendige Folge von Zinsreglementierungen an, da die zu finanzierenden Unternehmungen regelmäßig mit nicht unerheblichen Risiken verbunden seien, das Geld einzubüßen. Diese Risiken standen für Turgot aber außer Verhältnis zu niedrigen gesetzmäßigen Zinsen, so dass der Staat mit deren Festschreibung zahlreiche Vorhaben in der Wirtschaft zum Scheitern verurteile.80 Wollte sich der Darlehensgeber hingegen – unter Umgehung des Wuchergesetzes – eine dem eingegangenen Risiko angemessene Gegenleistung ausbedingen, müsse er damit rechnen, dass ihn sein Vertragspartner später wegen Wuchers anzeigte, um sich seinen Zahlungsverpflichtungen zu entziehen. In Angoulême – einer Stadt der Provinz Limoges, deren Intendant Turgot war, als er seine Monographie zum Wucher verfasste81 – sei dies, so gab er zu bedenken, tatsächlich vorgefallen, als sich einige Darlehensnehmer außerstande sahen, die erhaltene Darlehenssumme mitsamt der vereinbarten Zinsen zurückzuzahlen. Statt sich an ihr gegebenes Versprechen zu halten, denunzierten sie in ihrer prekären finanziellen Lage ihre damaligen Geldgeber bei der Obrigkeit,82 so schilderte Turgot den Fall, der zu einer drastischen Verknappung der in der Provinz erhältlichen Kredite geführt habe. Denn aus Angst, wegen Wuchers bestraft zu werden, schrecke seitdem fast jeder Geldeigner davor zurück, seine Kapitalien anderen als Darlehen anzuvertrauen. Den Gewerbetreibenden fehle es dementsprechend an den benötigten Geldern, so dass die gesamte Region unter einer schwerwiegenden Wirtschaftskrise leide.83 Damit solche Anzeigen von Kreditnehmern, in denen sie ihre Vertragspartner des Wuchers bezichtigten, mitsamt den nachteiligen ökonomischen Folgen zukünftig ausblieben, schien Turgot nur ein Mittel Erfolg versprechend: die Abschaffung der Wuchergesetze

___________ 79 Turgot, Mémoires (Anm. 65), S. 76 f.: «Fixer par une loi le taux de l’intérêt, c’est priver de la ressource de l’emprunt quiconque ne peut offrir une sûrete proportionnée à la modicité de l’intérêt fixé par la Loi». 80 Turgot, Mémoires (Anm. 65), S. 77. 81 Veröffentlicht wurde die Monographie hingegen erst 1789 und damit fast zwanzig Jahre nachdem Turgot das Manuskript fertig gestellt hatte, vgl. zur Entstehungsgeschichte des Werkes Peter D. Groenewegen, Introduction, in: ders. (Hg.), The economics of A. R. J. Turgot, Den Haag 1977, S. IX-XXXVI, hier: S. XXVII ff. – Zur Biographie Turgots vgl. Dakin, Turgot and the Ancien Régime (Anm. 74), v.a. S. 20-117 zu seiner Zeit als Intendant von Limoges; ferner: Robert Perry Shepherd und Gustave Schelle, Anne Robert Jacques Turgot (1727-1781), in: Horst Claus Recktenwald (Hg.), Geschichte der politischen Ökonomie, Stuttgart 1971, S. 90-95. 82 Vgl. Turgot, Mémoires (Anm. 65), S. 1 f., 6-9. – Vgl. dazu: Groenewegen, Introduction (Anm. 81), S. XXVII f.; Peschke, Art. „Wucher“ (Anm. 65), S. 1088 f. 83 Turgot, Mémoires (Anm. 65), S. 14 f.

Kap. 2: Die Kritik Benthams und Turgots

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zugunsten der freien Vereinbarung der Darlehenszinsen durch die Vertragschließenden.84

III. Fazit III. Fazit

1. Die Entscheidung über die Höhe der Darlehenszinsen war für Bentham allein Angelegenheit der Vertragsparteien, so dass Wuchergesetze, mit denen der Gesetzgeber dem Bürger die maximal zulässige Zinshöhe vorschrieb, in seinen Augen die individuelle Freiheit verletzten. Behalte man diese dennoch bei, stifte der Staat nicht nur keinen Nutzen, sondern schade sogar dem Darlehenssuchenden: Denn unter Geltung von Wuchergesetzen müsse er entweder ganz auf einen Kredit verzichten oder erhalte ihn zumindest nur unter deutlich nachteiligeren Bedingungen als bei deren Außerkraftsetzung. Dies hatte Adam Smith, dessen Votum zugunsten von Wuchergesetzen Bentham zu widerlegen strebte, nur angenommen, wenn der Gesetzgeber ein völliges Zinsverbot aussprach oder das Zinsmaximum unter dem bei sicherer Geldanlage üblichen Marktzins ansetzte. Hingegen verteidigte Smith für die englischen Verhältnisse die Festsetzung einer Zinstaxe in Höhe von fünf Prozent, da bei höheren Zinsen nicht solide Darlehenssuchende, sondern unseriöse “prodigals and projectors” in den Genuss von Krediten kämen. Bentham entgegnete ihm, dass ein fünfprozentiges Zinsmaximum schon deshalb nicht der Kreditvergabe an Verschwender vorbeugen könne, weil für Darlehensgeber überhaupt nicht ersichtlich sei, ob der bei ihnen um einen Kredit Nachfragende zu dieser Gruppe zählte. Zudem erschien Bentham die Benachteiligung der von Smith als “projectors” herabgewürdigten Gewerbetreibenden bei der Verteilung der verfügbaren Kredite alles andere als erstrebenswert. In ihnen sah er nämlich geistreiche Erfinder, denen es die Kredite nicht wegzunehmen, sondern zur Sicherung eines stetigen Fortschritts gerade zuzuführen gelte. 2. Vom physiokratischen Standpunkt aus lehnte Turgot Wuchergesetze ab: Er hielt sie für unvereinbar mit dem Eigentumsrecht der Darlehensgeber, weil Wuchergesetze dem Geldeigner eine dessen Willen entsprechende Nutzung des Seinigen bei der Vergabe von Krediten verwehrten. Die freie Vereinbarung der Darlehenszinsen sah er indes nicht nur als notwendige Konsequenz der Eigentumsgarantie an; sie ergebe sich zudem aus der Handels- und Gewerbefreiheit. Ließ der Staat dem Bürger die geforderte Freiheit im Kreditwesen, verschaffte er nach Turgots Auffassung sowohl der Gesamtheit als auch dem Einzelnen den größten Nutzen, da nicht ein gesetzgeberisches Eingreifen, sondern die freie Konkurrenz die Grundlage eines moderaten Zinsniveaus bilde. ___________ 84

Vgl. Turgot, Mémoires (Anm. 65), S. 16 f., 81-84, 92 ff., 98.

Kapitel 3

Die Wucherpreisfrage Josephs II. von 1789 Die Preisfrage „Was ist Wucher, und durch welche Mittel ist demselben ohne Strafgesetze am besten Einhalt zu thun?“, die Joseph II. per Hofdekret vom 16. März 1789 stellte,1 „wird in die Jahrbücher der Welt“, so heißt es bei dem österreichischen Hof- und Gerichtsadvokaten Johann Schwabe, „zu seinem ewigen Ruhm“ eingehen.2 Anders als dieses überschwängliche Lob für den Initiator des Wettbewerbs vermuten lässt, waren Preisfragen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts jedoch keine Rarität. Ganz im Gegenteil: Sie bildeten im aufgeklärt-absolutistischen Fürstenstaat ein beliebtes Mittel, um ein breites Publikum zum Nachdenken über aktuelle Probleme zu ermuntern und vielfältige Lösungsvorschläge zu erhalten.3 Dementsprechend abwechslungsreich waren die Aufgaben, mit denen in ganz Europa Akademien und Sozietäten, Regenten sowie auch einzelne Bürger an die Öffentlichkeit herantraten.4 Die Baseler „Aufmunterungsgesellschaft“ beispielsweise ließ 1779 die Zweckmäßigkeit von Aufwandsgesetzen in einer ___________ 1 Veröffentlicht wurde die Preisfrage in der Wiener Zeitung Nr. 24 vom 25. März 1789, S. 713. 2 Johann Schwabe, Was ist Wucher? ja was war Wucher? und was wird Wucher ewig seyn? auch ohne positive Gesetze, Wien 1789, S. 23. 3 Regula Ludi, Die Fabrikation des Verbrechens. Zur Geschichte der modernen Kriminalpolitik 1750-1850, Tübingen 1999, S. 162; Friedrich-Wilhelm Henning, Handbuch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands, Bd. 1, Paderborn (u.a.) 1991, S. 796, 940; Stephani Schmidt, Die Abhandlung von der Criminal=Gesetzgebung von Hanns Ernst von Globig und Johann Georg Huster. Eine 1782 von der Ökonomischen Gesellschaft Bern gekrönte Preisschrift, Berlin 1990, S. 28; Hans-Heinrich Müller, Akademie und Wirtschaft im 18. Jahrhundert. Agrarökonomische Preisaufgaben und Preisschriften der Preußischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 1975, S. 8, 47 ff. 4 Vgl. zu den Urhebern der Preisfragen: Ludi, Die Fabrikation des Verbrechens (Anm. 3), S. 162 f.; Schmidt, Abhandlung (Anm. 3), S. 28 f.; Andreas Kraus, Vernunft und Geschichte. Die Bedeutung der deutschen Akademien für die Entwicklung der Geschichtswissenschaft im späten 18. Jahrhundert, Freiburg (u.a.) 1963, S. 226 sowie zu den Themenbereichen der Preisfragen: Hans-Jürgen Lüsebrink, Kriminalität und Literatur im Frankreich des 18. Jahrhunderts. Literarische Formen, soziale Funktionen und Wissenskonstituenten von Kriminalitätsdarstellung im Zeitalter der Aufklärung, Wien 1983, S. 175 f.; Müller, Akademie und Wirtschaft (Anm. 3), S. 60 f. und 71 f.

Kap. 3: Die Wucherpreisfrage Josephs II. von 1789

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Preisfrage untersuchen.5 Zwei Jahre zuvor hatte die Berner Ökonomische Gesellschaft auf diesem Wege die Fachkundigen außerhalb der Bürokratie zu Fragen der Strafgesetzgebung zu Rate gezogen.6 Auch Themen von enormer politischer Brisanz wurden in Preisfragen zur Debatte gestellt: Auf Anregung der russischen Zarin Katharina II. fragte 1766 die Freie Ökonomische Gesellschaft von St. Petersburg, ob die Leibeigenschaft beizubehalten oder aufzuheben sei.7 Ebenfalls auf Betreiben des Regenten – in diesem Fall Friedrichs II. – forderte die Preußische Akademie der Wissenschaften 1780 zu Antworten auf die Frage nach der Zweckdienlichkeit des Volksbetrugs durch den Fürsten auf.8 Die regste Beteiligung unter den Preisfragen des 18. Jahrhunderts erfuhr die 1780 von einem Mannheimer Bürger angestoßene Aufgabe, die nach Maßnahmen zur Verhütung des Kindsmordes fragte: Auf sie gingen etwa 400 Zuschriften ein.9 Für andere als beliebt geltende Preisfragen lässt sich demgegenüber mit jeweils knapp unter 50 Abhandlungen eine deutlich geringere Teilnehmerzahl verzeichnen.10 Die Wucherpreisfrage übertraf nach Einschätzung des Altonaer ___________ 5

Diethelm Klippel, Luxus und bürgerliche Gesellschaft. Samuel Simon Wittes Schrift „Über die Schicklichkeit der Aufwandsgesetze“ (1782), in: Dieter Schwab u.a. (Hg.), Staat, Kirche, Wissenschaft in einer pluralistischen Gesellschaft. Festschrift zum 65. Geburtstag von Paul Mikat, Berlin 1989, S. 327-344, hier: S. 327. 6 Vgl. dazu Niklaus Röthlin, Die Verbesserung des Strafrechts nach Montesquieu und Beccaria – Voltaire und die Berner Preisfrage von 1777, in: Zeitschrift der SavignyStiftung für Rechtsgeschichte / Germanistische Abteilung, 2004, S. 238-282; Ludi, Die Fabrikation des Verbrechens (Anm. 3), S. 161-165; Schmidt, Abhandlung (Anm. 3); Kurt Guggisberg, Daniel von Fellenberg (1736-1801). Beiträge zur bernischen Kulturgeschichte, in: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde, 1951, S. 55-95, hier: S. 75-79. 7 Leonid D. Širokorad, Deutsche Einflüsse auf die russische Wirtschaftswissenschaft im Kontext der russischen Bildungspolitik im 18. und frühen 19. Jahrhundert, in: Heinz Rieter u.a. (Hg.), Deutsche und russische Ökonomen im Dialog. Wissenstransfer in historischer Perspektive, Marburg 2005, S. 11-46, hier: S. 23-27; Joachim Zweynert, Eine Geschichte des ökonomischen Denkens in Rußland 1805-1905, Marburg 2002, S. 53. 8 Vgl. zu Zustandekommen und Ausgang der Preisfrage: Hans Adler, Nützt es dem Volke, betrogen zu werden? Est-il utile au Peuple d’être trompé?, Stuttgart und Bad Cannstatt 2007, S. XIII-LXX; Werner Krauss, Est-il utile de tromper le peuple? Ist der Volksbetrug von Nutzen? Concours de la classe de philosophie spéculative de l’Académie des Sciences et des Belles-Lettres de Berlin pour l’année 1780, Berlin 1966, S. 1-6; ders., Eine politische Preisfrage im Jahre 1780, in: ders. (Hg.), Studien zur deutschen und französischen Aufklärung, Berlin 1963, S. 63-71. 9 Kerstin Michalik, Kindsmord. Sozial- und Rechtsgeschichte der Kindstötung im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert am Beispiel Preußen, Pfaffenweiler 1997, S. 295; Otto Ulbricht, Kindsmord und Aufklärung in Deutschland, München 1990, S. 217; Beat Weber, Die Kindmörderin im deutschen Schrifttum von 1770-1795, Bonn 1974, S. 17. 10 Ludi, Die Fabrikation des Verbrechens (Anm. 3), S. 163 verweist ebenso wie Schmidt, Abhandlung (Anm. 3), S. 32 für die strafrechtliche Preisfrage der Berner Ökonomischen Gesellschaft auf 46 in die Preisverteilung eingegangene Einsendungen; Adler, Nützt es dem Volk, betrogen zu werden? (Anm. 8), S. XIII zählt 42 Beiträge für die preußische Preisfrage von 1780.

Kap. 3: Die Wucherpreisfrage Josephs II. von 1789

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Privatgelehrten Hans Schröder bei weitem diese Zahl: Schenkt man seinen 1857 publizierten Angaben Glauben, so erfuhr sie mit 250 Wettstreitern eine enorme Resonanz.11 Davon gingen für die vorliegende Darstellung der Theoriegeschichte des Zinswuchers ausschließlich die im Zusammenhang mit der Wucherpreisfrage veröffentlichten Abhandlungen in die Auswertung ein, da nur diese Einfluss auf den Fortgang der Diskussion über Wucher und Wuchergesetze ausüben konnten. Eine Rezeption von Vorschlägen und Argumentationskonzepten der Wettbewerbsteilnehmer scheidet hingegen bei den Einsendungen zur Preisfrage, die nicht als gedruckte Quellen verfügbar sind, von vornherein aus, so dass sie außer Betracht bleiben. Die genannten Beispiele bis hin zur josephinischen Preisfrage zum Wucher lassen erkennen, in welcher Fülle und Themenvielfalt derartige Wettbewerbe im aufgeklärten Absolutismus ausgeschrieben wurden, um das Wissen der gelehrten Öffentlichkeit zum Nutzen des Staates einzusetzen.12 Diesen Aufrufen folgten sowohl der akademische Nachwuchs als auch erfahrene Praktiker und renommierte Gelehrte, so dass selbst die bedeutendsten Persönlichkeiten des 18. Jahrhunderts – wie z.B. Immanuel Kant und Jean-Jacques Rousseau – zum Teilnehmerkreis von Preisfragen zählten. 13 Von den Beiträgen sachkundiger Untertanen erwartete sich auch ein anonymer Teilnehmer der Wucherpreisfrage überzeugende Lösungen: Er begrüßte, dass mit deren Ausschreibung „endlich das wahre Mittel in wichtigen, zweifelhaften Fällen eine gute Entscheidung zu fassen, nämlich das Publikum um seine Meinung zu fragen“14, gewählt wurde. Damit stellt sich jedoch zunächst die Frage, welche Gründe Joseph II. zu diesem Schritt veranlassten. Sie ergeben sich mit Blick auf die österreichische Wuchergesetzgebung, die man 1787 durch Abschaffung der strafrechtlichen Sanktionen bei Überschreitung der Zinstaxe reformierte (I.). Einige Teilnehmer ___________ 11

Hans Schröder, Lexikon der hamburgischen Schriftsteller bis zur Gegenwart, Bd. 3, Hamburg 1857, S. 4; auch zu finden in Bernhard Fabian, Deutsches Biographisches Archiv, München (u.a.) 1982, Mikrofiche Nr. 436, S. 74; die Wiener Zeitung Nr. 21 vom 14. März 1792, S. 656, in der die Auflösung der Preisfrage verkündet wurde, sprach lediglich allgemein von „sehr zahlreich aus dem In- und Auslande eingelaufenen Preisschriften“. – Zweifel an der Richtigkeit der von Schröder genannten Teilnehmerzahl lassen sich zwar wegen der von ihm im selben Satz falsch bezifferten Höhe des Preisgeldes erheben. Angesichts der gegenüber anderen Preisfragen merklich größeren Zahl an publizierten Schriften sowie der unüblich hohen Prämie, die dem Gewinner tatsächlich winkte, erscheint seine Angabe indes durchaus plausibel. 12 Vgl. Müller, Akademie und Wirtschaft (Anm. 3), S. 48, 52-55; Kraus, Vernunft und Geschichte (Anm. 4), S. 225. 13 Cornelia Buschmann, Die philosophischen Preisfragen und Preisschriften der Berliner Akademie der Wissenschaften im 18. Jahrhundert, in: Wolfgang Förster (Hg.), Aufklärung in Berlin, Berlin 1989, S. 165-228, hier: S. 165; Müller, Akademie und Wirtschaft (Anm. 3), S. 50 ff.; Kraus, Vernunft und Geschichte (Anm. 4), S. 226. 14 Anonymus, Gedanken über die Preisfrage: Was ist Wucher? Und wie kann ohne Strafgesetze demselben Einhalt gethan werden?, Wien 1789, S. 3.

Kap. 3: Die Wucherpreisfrage Josephs II. von 1789

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der Preisfrage sprachen daraufhin nicht nur Wucherstrafgesetzen die Berechtigung ab, sondern verneinten insgesamt eine Befugnis des Staates, den Kontrahenten die maximale Höhe der Darlehenszinsen vorzuschreiben. Die deutliche Mehrheit der Autoren verteidigte hingegen die Festsetzung von gesetzlichen Höchstzinsen als Regentenrecht (II.). Die Vorschläge der Wettbewerbsteilnehmer beschränkten sich indes nicht auf die Befürwortung bzw. Ablehnung von Zinstaxen. Vielmehr bildete ihre Haltung dazu nur einen Bestandteil eines umfassenden Programms an Vorkehrungen, von dem sie sich eine Eindämmung des Wuchers versprachen (III.). Einige dieser Empfehlungen hielt auch der österreichische Monarch für Erfolg versprechend, so dass sie im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts Eingang in die Gesetzgebung fanden (IV.). Abschließend ist die Frage zu stellen, wessen Lösungskonzept im Rahmen der Preisentscheidung am meisten überzeugen konnte und daraufhin prämiert wurde (V.).

I. Die österreichische Wuchergesetzgebung im aufgeklärten Absolutismus I. Die österreichische Wuchergesetzgebung

Obgleich das Anregen einer Preisfrage durch Joseph II., um das Räsonnement der gelehrten Öffentlichkeit auf das Thema Wucher zu lenken, nach dem eben Gesagten keine Besonderheit darstellte, unterschied sich diese durchaus von anderen. Während üblicherweise dem Verfasser des siegreichen Beitrags fünfzig oder hundert Dukaten zugedacht wurden,15 lockte hier ein Preisgeld von fünfhundert Dukaten für die „beste schriftliche Ausarbeitung [...], welche nach politischen und justizmäßigen Rücksichten für wirklich anwendbar erkennet werden wird“16 zur Teilnahme. Ein derart enormer finanzieller Anreiz lässt erahnen, wie dringend der Kaiser 1789 nach Erfolg versprechenden Mitteln gegen wucherische Rechtsgeschäfte suchte. Zudem legt die Formulierung der Fragestellung, die Strafgesetze als Maßnahme gegen den Wucher ausdrücklich ausschloss, die Vermutung nahe, dass strafrechtliche Sanktionen diesen bisher nicht effektiv verhindert hatten. Daher ist im Folgenden die österreichische Wuchergesetzgebung im aufgeklärten Absolutismus in den Blick zu nehmen (1. und 2.), die Joseph II. mit dem Verzicht auf eine Bestrafung des Wuchers im Patent von 1787 grundlegend reformierte, so dass nach dessen Ursachen und Auswirkungen zu fragen ist (3.).

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Müller, Akademie und Wirtschaft (Anm. 3), S. 51; Kraus, Vernunft und Geschichte (Anm. 4), S. 225 bezeichnete 50 Dukaten als durchschnittliche Preishöhe und wertete daher auf S. 301 einen ausgelobten Preis von 150 Dukaten bereits als ungewöhnlich hoch. 16 Wiener Zeitung Nr. 24 vom 25. März 1789, S. 713.

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1. Das theresianische Wucherpatent von 1751 Ebenso wie in anderen deutschen Staaten griff man auch in der Habsburgermonarchie auf strafbewehrte Höchstzinsfestsetzungen zurück, um dem Zustandekommen wucherischer Verträge entgegenzuwirken.17 Bezüglich der Höhe des Zinsmaximums orientierte sich der aufgeklärt-absolutistische Fürstenstaat unter Maria Theresia sowohl an der Gesetzgebung des Reiches von 1654 als auch am Corpus iuris civilis, indem es auf „5. oder höchstens 6.“18 Prozent festgesetzt wurde. Das Überschreiten der Zinstaxe bildete allerdings nicht die einzige Tatbestandsvariante, die das Gesetz vom 26. April 1751 als Wucher sanktionierte. Daneben umfasste sein Wucherbegriff auch einen umfangreichen Katalog von Absprachen, die sich zur Überwindung der Zinsreglementierung eigneten.19 Viele von ihnen kamen bereits unter Geltung des kanonischen Zinsverbots häufig zur Anwendung und wurden aus diesem Grund schon durch die Reichspolizeiordnungen des 16. Jahrhunderts untersagt,20 an die Maria Theresia mit ihrem Wucherpatent anknüpfen konnte. Zu den darin kasuistisch aufgezählten Vereinbarungen21 gehörte z.B. der Vorausabzug der Zinsen vom Kapital, bei dem der Darlehensgeber seinem Vertragspartner nicht den gesamten in der Vertragsurkunde ausgewiesenen Kreditbetrag, sondern nur eine vorab um die Zinsen verminderte Summe gewährte. Indem der Kreditgeber aber später den vollen im Darlehensvertrag genannten Geldbetrag – einschließlich des von ihm niemals ausgezahlten Teils – zurückforderte, ermöglichte ihm dieser Vorausab-

___________ 17

Vgl. zu den Partikularrechten der Einzelstaaten Kap. 1, VII. Franz Alois von Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz vom Jahr 1803, in: Jährlicher Beytrag zur Gesetzkunde und Rechtswissenschaft in den Oesterreichischen Erbstaaten, Bd. 2 und 3, Wien 1807 und 1808, S. 158-189 (Bd. 2) und S. 1-93 (Bd. 3), hier: Bd. 2, S. 165. Vgl. zum Zinsmaximum des theresianischen Wucherpatents auch Wilhelm Berliner und Richard Engländer, Das Österreichische Wuchergesetz, Wien 1911, S. 11; Leo Geller und Josef Peter Geller, Das österreichische Wucherstrafrecht, Wien 1908, S. 23; Constantin R. Isopescul-Grecul, Das Wucherstrafrecht, Leipzig 1906, S. 140. 19 Berliner / Engländer, Wuchergesetz (Anm. 18), S. 9 f.; Hermann Blodig, Der Wucher und seine Gesetzgebung, Wien 1892, S. 18 f.; Alphons von Domin-Petrushevecz, Neuere österreichische Rechtsgeschichte, Wien 1869, S. 138 f. 20 Vgl. dazu: Karl Wilhelm Ernst Heimbach, Art. „Wucher“, in: Julius Weiske (Hg.), Rechtslexikon für Juristen aller teutschen Staaten enthaltend die gesammte Rechtswissenschaft, Bd. 15, Leipzig 1861, S. 54-66, hier: S. 60 f.; Max Neumann, Geschichte des Wuchers in Deutschland bis zur Begründung der heutigen Zinsengesetze (1654.), Halle 1865 (Nachdruck: Berlin 1969), S. 440-453. Vgl. zudem: Gustaf Klemens Schmelzeisen, Polizeiordnungen und Privatrecht, Münster und Köln 1955, S. 487-499. 21 Abgedruckt bei: Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 18), Bd. 2, S. 165 f.; Berliner / Engländer, Wuchergesetz (Anm. 18), S. 11 ff.; Geller, Wucherstrafrecht (Anm. 18), S. 23 ff.; Isopescul-Grecul, Wucherstrafrecht (Anm. 18), S. 140 f. 18

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zug auch die Erzielung von Zinsgewinnen über dem gesetzlich erlaubten Maß.22 Bei Zuwiderhandlungen gegen das Wuchergesetz sollte das gesamte Darlehen mitsamt der Zinsen dem Fiskus zufallen. Darin lag nicht nur eine Geldstrafe für den Darlehensgeber, der sein Kapital zuzüglich der ausbedungenen Zinsen einbüßte; vielmehr war zugleich sein Vertragspartner von dieser Anordnung betroffen, da er auf den ihm zur Verfügung gestellten Kreditbetrag verzichten musste.23 Dem erkennenden Richter wurden darüber hinaus eine Reihe weiterer Sanktionen gegen den Darlehensnehmer an die Hand gegeben, die das Gesetz bezeichnenderweise im ersten Paragraphen und damit noch vor der Bestrafung des Darlehensgebers regelte. Danach drohten dem Kreditnehmer Leibesstrafen und Arrest; zudem konnte sein Vermögen einem Verwalter unterstellt und die Prodigalitätserklärung, also die öffentliche Erklärung als Verschwender, ausgesprochen werden.24 Die letztgenannte Sanktion erschwerte künftige Verstöße des Darlehensnehmers gegen das Wuchergesetz, da sie mit dem Verlust der vollen Geschäftsfähigkeit einherging. Der Kreditnehmer stand sodann unter Vormundschaft und konnte sich somit in Zukunft weder zu wucherischen noch zu gesetzlich gestatteten Rechtsgeschäften selbst wirksam verpflichten.25 Zu den gegen ihn nach Ermessen des Richters zu verhängenden Strafen zählten auch solche, die das gesellschaftliche Ansehen beeinträchtigten, wie z.B. das Verbot des Hofes auf eine gewisse Zeit oder die Aberkennung bisher innegehabter Ehrenstellen.26 Diesen Strafen sollten Kreditnehmer aber dann nicht unterliegen, wenn sie sich aus „wahrer Noth“ auf den Vertrag eingelassen hatten. Denn unter solchen Umständen, so heißt es im Gesetzestext selbst, seien „die unschuldig in der Noth sich Befindende weit mehr bemitleidigungswürdig, als strafbar“27. Der vom Wuchergesetz als Ausnahme konzipierte Fall war gegeben, wenn der zur ___________ 22 Vgl. Gottlieb Hufeland, Ist es durch die Reichsgesetze allgemein verboten, höhere Zinsen als fünf von hundert zu nehmen?, in: Beyträge zur Berichtigung und Erweiterung der positiven Rechtswissenschaften, Bd. 1, Jena 1792, S. 23-50, hier: S. 30 ff.; Neumann, Geschichte des Wuchers (Anm. 20), S. 441 f. Ferner: Schmelzeisen, Polizeiordnungen und Privatrecht (Anm. 20), S. 488. 23 Vgl. Berliner / Engländer, Wuchergesetz (Anm. 18), S. 9 ff.; Geller, Wucherstrafrecht (Anm. 18), S. 21 f.; Carl Chorinsky, Der Wucher in Oesterreich, Wien 1877, S. 10. 24 Geller, Wucherstrafrecht (Anm. 18), S. 21; Isopescul-Grecul, Wucherstrafrecht (Anm. 18), S. 141; Chorinsky, Wucher (Anm. 23), S. 10. 25 Vgl. allgemein zu den Rechtsfolgen der Prodigalitätserklärung: Andreas Roth, Art. „Verschwender“, in: Adalbert Erler u.a. (Hg.), Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 5, Berlin 1998, Sp. 810-812, hier: Sp. 811. 26 Berliner / Engländer, Wuchergesetz (Anm. 18), S. 10; Geller, Wucherstrafrecht (Anm. 18), S. 21 f. 27 Abgedruckt bei Geller, Wucherstrafrecht (Anm. 18), S. 21.

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Aufnahme des Kredites führende finanzielle Engpass nicht aus einem unbedachten Umgang mit Geld herrührte.28 Zudem konnte der Richter von einer Bestrafung absehen oder sie mildern, wenn der Darlehensnehmer minderjährig bzw. zumindest jugendlichen Alters war und sich zum Vertragsschluss hatte überreden lassen.29 Lag bei ihm ein solcher Umstand vor, der zum Ausschluss oder zur Verringerung seiner Strafe führte, wirkte sich dies in der Person des Kreditgebers strafschärfend aus.30 Aber auch in den verbleibenden Fällen sollte der Darlehensgeber stets eine härtere Bestrafung als sein Vertragspartner erfahren, wenngleich mit denselben Sanktionsarten – d.h. angefangen von Leibesbis hin zu Ehrenstrafen –, die das Gesetz auch für den Darlehensnehmer vorsah.31 Das 1751 erlassene Gesetz definierte jedoch nicht nur Tatbestand und Rechtsfolge des Wuchers, sondern kannte auch eine Vorkehrung, mit der man erreichen wollte, dass der Obrigkeit begangene Gesetzesverstöße zur Kenntnis gelangten. Dazu setzte der Gesetzgeber für die Anzeige jedes wucherischen Rechtsgeschäfts eine ansehnliche Belohnung aus, deren konkrete Höhe von der Geldsumme abhing, die der Staat in Form des Darlehens samt Zinsen einzog. Betrug diese nicht mehr als viertausend Gulden, winkte dem Anzeiger die Hälfte davon als Belohnung, andernfalls erhielt er ein Drittel.32

2. Die Zinssteuerpatente von 1766 und 1768 Hinsichtlich der Höhe des Zinsmaximums erfuhr das Wucherpatent aus dem Jahre 1751 eine maßgebliche Änderung durch das Interessensteuerpatent vom 1. Mai 1766. Danach blieb eine sechsprozentige Verzinsung zwar weiterhin erlaubt, jedoch mussten alle über vier Prozent betragenden Darlehenszinsen an den Staat als Steuer abgeführt werden.33 Dem Darlehensgeber brachte es somit keinen Vorteil, sich eine über vier Prozent liegende Zinsforderung auszubedin___________ 28 Vgl. Berliner / Engländer, Wuchergesetz (Anm. 18), S. 10; Geller, Wucherstrafrecht (Anm. 18), S. 21; Domin-Petrushevecz, Rechtsgeschichte (Anm. 19), S. 139. 29 Berliner / Engländer, Wuchergesetz (Anm. 18), S. 10. 30 Berliner / Engländer, Wuchergesetz (Anm. 18), S. 11. 31 Berliner / Engländer, Wuchergesetz (Anm. 18), S. 11; Geller, Wucherstrafrecht (Anm. 18), S. 22; Isopescul-Grecul, Wucherstrafrecht (Anm. 18), S. 141 f.; Chorinsky, Wucher (Anm. 23), S. 10. 32 Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 18), Bd. 2, S. 166. Vgl. auch Berliner / Engländer, Wuchergesetz (Anm. 18), S. 11; Geller, Wucherstrafrecht (Anm. 18), S. 22; Isopescul-Grecul, Wucherstrafrecht (Anm. 18), S. 142. 33 Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 18), Bd. 2, S. 167. Ebenso: Chorinsky, Wucher (Anm. 23), S. 12.

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gen, so dass die Einführung der Zinssteuer in ihrer Wirkung einer Senkung der Zinstaxe auf vier Prozent gleichkam.34 Offiziell wurde dieser Schritt mit den positiven Folgen gerechtfertigt, die von niedrigen Zinsen nach kameralistischer Vorstellung für den gesamten Staat ausgingen: So betonte der österreichische Gesetzgeber drei Jahre nach Ende des Siebenjährigen Krieges in der Präambel des Patentes optimistisch, „daß der glücklich hergestellte Friede es möglich mache, den Staatsangehörigen jene wichtigen Vortheile zuzuwenden, welche ein verhältnißmäßig niederer Zinsfuß durch die Erhöhung des Werthes der Landgüter, durch die allgemeine Belebung des Fleißes und durch die Ermöglichung der Concurrenz mit dem Fleiße anderer Nationen, zur Wohlfahrt des gesammten Staates gewährt“35. Während dies den Eindruck erweckt, dass der Staat den Untertanen freigiebig die Wohltat moderater Darlehenszinsen angedeihen ließ, dürften die erheblichen Staatsschulden nach dem Krieg und die daraus resultierende drückende Zinsenlast der wahre Grund für die gesetzgeberische Maßnahme gewesen sein.36 Zur Entlastung des Staatshaushalts erklärte man daher einseitig, öffentliche Anleihen künftig nur noch mit vier Prozent zu verzinsen. Wollte sich ein Gläubiger des Staates auf diese oktroyierte Vertragsänderung nicht einlassen, verblieb ihm nur die Möglichkeit, die kreditierten Gelder zurückzufordern. Für diesen Fall wurde ihm aber zugleich die Alternative einer zinsertragreicheren Geldanlage bei anderen Kreditsuchenden genommen, so dass ihm ein Zurückziehen seiner Kapitalien, um sie anderweitig unterzubringen, nichts nutzte.37 Denn man reduzierte nicht nur den Zinssatz der Staatsschulden, sondern erstreckte den vierprozentigen Zinsfuß durch das 1766 erlassene Patent generell auf alle Darlehensverträge.38 ___________ 34

Vgl. Berliner / Engländer, Wuchergesetz (Anm. 18), S. 15. Die Präambel ist abgedruckt bei Theobald Rizy, Ueber Zinstaxen und Wuchergesetze, Wien 1859, S. 89; vgl. auch Berliner / Engländer, Wuchergesetz (Anm. 18), S. 15. 36 Den Zusammenhang des Interessensteuerpatents und der kriegsbedingten Geldknappheit der Habsburgermonarchie betont: Valentin Urfus, Die Wuchergesetzgebung in Österreich zwischen Josephinismus und Liberalismus, in: Nikolaus Grass und Werner Ogris (Hg.), Festschrift Hans Lentze, Innsbruck und München 1969, S. 575-585, hier: S. 577. Vgl. zur angespannten Haushaltslage Österreichs unter Maria Theresia ferner: Gustav Otruba, Staatshaushalt und Staatsschuld unter Maria Theresia und Joseph II., in: Richard Georg Plaschka u.a. (Hg.), Österreich im Europa der Aufklärung. Kontinuität und Zäsur in Europa zur Zeit Maria Theresias und Josephs II., Bd. 1, Wien 1985, S. 197249, hier: S. 197-210; ders., Wirtschaft und Wirtschaftspolitik im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus, in: Institut für Österreichkunde (Hg.), Die Wirtschaftsgeschichte Österreichs, Wien 1971, S. 105-133, hier: S. 105-108. 37 Berliner / Engländer, Wuchergesetz (Anm. 18), S. 15. Vgl. zudem die Verteidigung des Interessensteuerpatents durch Joseph von Sonnenfels, Schreiben an einen Freund in Klagenfurt über die Herabsetzung der Interesse, Wien 1766, S. b 2 und 3. 38 Rizy, Ueber Zinstaxen (Anm. 35), S. 89 f. Vgl. auch: Geller, Wucherstrafrecht (Anm. 18), S. 25. 35

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Auch Kaufleute, die noch im Wucherpatent von 1751 von den darin getroffenen Anordnungen ausgenommen waren,39 unterlagen folglich der 1766 eingeführten Steuerpflicht für Darlehenszinsen, sobald diese die vierprozentige Grenze überstiegen. Erst das Patent vom 10. September 1768 befreite sie von der Zinssteuer unter der Voraussetzung, dass die Zinsforderung nicht hypothekarisch gesichert war und höchstens sechs Prozent betrug.40

3. Die Abschaffung der Strafbarkeit des Zinswuchers durch Joseph II. Schon am Beginn seiner alleinigen Regentschaft – nach dem Tod seiner Mutter Maria Theresia im Jahre 1780 – sah sich Joseph II. angesichts wiederholter Berichte über das vermehrte Zustandekommen wucherischer Verträge mit der Frage nach deren Verhinderung konfrontiert.41 Zwar ordnete er 1781 dazu zunächst die erneute Veröffentlichung des Wucherpatents von 1751 an.42 Bereits im folgenden Jahr forderte er jedoch die Kompilationskommission, die man 1753 zu Gesetzgebungsarbeiten eingerichtet hatte,43 zur Beratung über die geltenden Wuchergesetze und zur Ausarbeitung gegebenenfalls für notwendig gehaltener Reformvorschläge auf. In ihrem daraufhin ergangenen Gutachten sprach sich die Kommission mehrheitlich für die Abschaffung sämtlicher Wucherbestimmungen aus. Zumindest aber sollten diese – insoweit herrschte unter den Kommissionsmitgliedern Einigkeit – einer gründlichen Reform unterzogen werden.44 Der Staatsrat, dem Joseph II. regelmäßig Gesetzesentwürfe zur Abstimmung zuleitete,45 versagte indes beiden Kommissionsanträgen seine Zu___________ 39

Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 18), Bd. 2, S. 166. Vgl. ferner: Berliner / Engländer, Wuchergesetz (Anm. 18), S. 13. 40 Vgl. Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 18), Bd. 2, S. 167. Ferner: Chorinsky, Wucher (Anm. 23), S. 12. 41 Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 18), Bd. 2, S. 167 f. Im Anschluss an Zeiller: Berliner / Engländer, Wuchergesetz (Anm. 18), S. 16. 42 Geller, Wucherstrafrecht (Anm. 18), S. 26; Carl von Hock und Hermann Ignaz Bidermann, Der österreichische Staatsrath (1760-1848), Wien 1879 (Nachdruck: Wien 1972), S. 293. 43 Vgl. Gernot Kocher, Höchstgerichtsbarkeit und Privatrechtskodifikation. Die Oberste Justizstelle und das allgemeine Privatrecht in Österreich von 1749-1811, Wien (u.a.) 1979, S. 79 f.; Michael Friedrich von Maasburg, Geschichte der obersten Justizstelle in Wien (1749-1848), Prag 1879, S. 252; Philipp Harras von Harrasowsky, Geschichte der Codification des österreichischen Civilrechtes, Wien 1868 (Nachdruck: Frankfurt a.M. 1968), S. 38 ff. 44 Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 18), Bd. 2, S. 169. Vgl. zum Votum der Kompilationskommission überdies: Berliner / Engländer, Wuchergesetz (Anm. 18), S. 17 f.; Geller, Wucherstrafrecht (Anm. 18), S. 26. 45 Zur Rolle des Staatsrats in der österreichischen Zivilgesetzgebung: Kocher, Höchstgerichtsbarkeit (Anm. 43), S. 79 f., 84 f., 100; Harrasowsky, Geschichte der Codification (Anm. 43), S. 143.

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stimmung; der österreichische Monarch folgte daraufhin dem Votum der Staatsräte und beließ es bei den bestehenden Regelungen.46 Als die Kompilationskommission 1784 ihre Empfehlung wiederholte, wurde sie erneut zurückgewiesen.47 Beim dritten Anlauf der Kommission fand aber schließlich doch ihr auf die Aufhebung der geltenden Wuchergesetze gerichtetes Vorbringen beim Kaiser Gehör, der diese mit Patent vom 29. Januar 178748 außer Kraft setzte. Allerdings waren damit ausschließlich die bisher bei einer Überschreitung des Zinsmaximums drohenden Strafen beseitigt, wie sie das theresianische Gesetz von 1751 vorgesehen hatte. An Zinstaxen selbst hielt man hingegen fest und knüpfte an deren Missachtung zivilrechtliche Sanktionen.49 Denn im Unterschied zum Votum der Kompilationskommission50 gegen alle gesetzlichen Zinsbeschränkungen versagte das Wucherpatent von 1787 dem Darlehensgeber die gerichtliche Zuerkennung der ausbedungenen Zinsen, wenn diese mehr als fünf Prozent betrugen. Bei Krediten, denen eine hypothekarische Sicherheit zugrunde lag, waren – statt fünf Prozent – sogar nur Zinsvereinbarungen von maximal vier Prozent einklagbar; bei Darlehensverträgen unter Gewerbetreibenden unterlagen hingegen Zinsforderung bis zu sechs Prozent der gerichtlichen Geltendmachung.51 Das josephinische Wucherpatent modifizierte also ausschließlich die Rechtsfolgen, die Zuwiderhandlungen gegen die beibehaltenen gesetzlichen Zinsmaxima nach sich zogen. Das reichte indes, um sich von der gängigen staatlichen Gesetzgebung im Ancien Régime abzuheben, die auf solche Übertretungen ___________ 46 Berliner / Engländer, Wuchergesetz (Anm. 18), S. 18 f.; Geller, Wucherstrafrecht (Anm. 18), S. 26 f.; Hock / Bidermann, Staatsrath (Anm. 42), S. 195 f. 47 Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 18), Bd. 2, S. 169 f. Ebenso: Chorinsky, Wucher (Anm. 23), S. 15. 48 Abgedruckt bei: Berliner / Engländer, Wuchergesetz (Anm. 18), S. 19. – Nicht eingeführt wurde dieses Patent in Galizien: Jochen Dilcher, Die Zins-WucherGesetzgebung in Deutschland im 19. Jahrhundert. Eine entwicklungsgeschichtliche Betrachtung unter besonderer Berücksichtigung wirtschaftlicher und wirtschaftspolitischer Faktoren, Frankfurt a.M. (u.a.) 2002, S. 141; Josef Kaserer, Das Gesetz vom 19. Juli 1877 zur Abhilfe wider unredliche Vorgänge bei Creditgeschäften (Wuchergesetz), Wien 1877, S. 26. 49 Berliner / Engländer, Wuchergesetz (Anm. 18), S. 19; Geller, Wucherstrafrecht (Anm. 18), S. 27 f.; Domin-Petrushevecz, Neuere österreichische Rechtsgeschichte (Anm. 19), S. 139. 50 Vgl. Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 18), Bd. 2, S. 168 ff. Zum Standpunkt der Kompilationskommission vgl. ferner: Berliner / Engländer, Wuchergesetz (Anm. 18), S. 17 ff. 51 Berliner / Engländer, Wuchergesetz (Anm. 18), S. 19; Geller, Wucherstrafrecht (Anm. 18), S. 27; Domin-Petrushevecz, Neuere österreichische Rechtsgeschichte (Anm. 19), S. 139.

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Strafen setzte.52 Zu diesen gehörte im österreichischen Recht bis zum Jahre 1787 auch die Prodigalitätserklärung. Joseph II. verzichtete auf sie aber nicht nur als Sanktion in seinem Wucherpatent, sondern verfügte am 22. Januar 1788 deren gänzliche Abschaffung. Mit dem Hofdekret vom 8. April 1788 hob er zudem die Wirkung bereits ausgesprochener Prodigalitätserklärungen auf.53 Diese Reformen verfehlten jedoch ihr Ziel: Statt des erhofften Absinkens der landesüblichen Zinsfußes kamen dem Kaiser stetig neue Meldungen über Zinssteigerungen zur Kenntnis. Am 20. Dezember 1788 wies er daraufhin die Oberste Justizstelle – der neben Aufgaben als österreichisches Höchstgericht auch eine einflussreiche Stellung im Rahmen der Gesetzgebung zukam54 – an, zusammen mit der Kompilationskommission Vorschläge zur Bekämpfung des Wuchers auszuarbeiten. Eine Rückkehr zu Strafgesetzen sollte aber nach der Vorgabe des Monarchen als Empfehlung zur Verhinderung des Zinswuchers von vornherein ausgeschlossen sein.55 Um die Beratungen von Oberster Justizstelle und Kompilationskommission in die von ihm gewünschte Richtung zu lenken, stellte der Kaiser zudem selbst einige denkbare Maßnahmen zur Diskussion. So regte er an, gegenüber wuchernden Kreditgebern ehrverletzende Sanktionen zu verhängen. Auch sei bei Darlehensverbindlichkeiten in Form des Wechsels eine Versagung gerichtlichen Rechtsschutzes zu erwägen, wenn Ausstellung des Wechsels und Auszahlung der Darlehensvaluta nicht bei einer staatlichen Behörde erfolgten.56 Die beiden angesprochenen Gremien verwarfen indes die von Joseph II. zur Debatte gestellten Maßregeln. Seinen erstgenannten Vorschlag wiesen sie bereits als in sich widersprüchlich zurück: Ehrbeeinträchtigende Anordnungen gegenüber wuchernden Darlehensgebern könne man nur im Rahmen eines ___________ 52 Diese Sonderstellung Österreichs im 18. Jahrhundert betonen: Dilcher, ZinsWucher-Gesetzgebung (Anm. 38), S. 140 f.; Peter Landau, Die Gesetzgebungsgeschichte des § 247 BGB. Zugleich ein Beitrag zur Geschichte der Einführung der Zinsfreiheit in Deutschland, in: Gerhard Kleinheyer und Paul Mikat (Hg.), Beiträge zur Rechtsgeschichte. Gedächtnisschrift für Hermann Conrad, Paderborn (u.a.) 1979, S. 385-408, hier: S. 387; Blodig, Wucher (Anm. 19), S. 19. – Zu den Strafsanktionen in den Wucherbestimmungen der anderen deutschen Staaten vgl. Kap. 1, VII. 53 Berliner / Engländer, Wuchergesetz (Anm. 18), S. 20; Geller, Wucherstrafrecht (Anm. 18), S. 28; Domin-Petrushevecz, Neuere österreichische Rechtsgeschichte (Anm. 19), S. 135. 54 Kocher, Höchstgerichtsbarkeit (Anm. 43), S. 78-104; Maasburg, Geschichte der obersten Justizstelle (Anm. 43), S. 251 und 256 ff. 55 Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 18), Bd. 2, S. 170 f. Vgl. dazu außerdem: Berliner / Engländer, Wuchergesetz (Anm. 18), S. 20; Geller, Wucherstrafrecht (Anm. 18), S. 28 f. 56 Vgl. Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 18), Bd. 2, S. 170 f. Zeillers Ausführungen schlossen sich an: Geller, Wucherstrafrecht (Anm. 18), S. 29; Chorinsky, Wucher (Anm. 23), S. 19.

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Strafverfahrens treffen, das als Konsequenz der kaiserlichen Ablehnung von Strafgesetzen aber gerade nicht stattfinden sollte. Als gravierende Behinderung des Geschäftsverkehrs lehnten sie zudem die für Wechsel vorgeschlagenen Einschränkungen ab. Uneinig waren sich Oberste Justizstelle und Kompilationskommission jedoch bei Beratschlagung der Ursachen des gestiegenen Zinsniveaus, so dass auch ihre Empfehlungen zur Bewältigung des Wucherproblems divergierten. Während die Oberste Justizstelle für die Zinserhöhung die Straffreiheit des Wuchers verantwortlich machte, verwies die Kompilationskommission auf die ungünstigen Rahmenbedingungen, unter denen die Aufhebung der Wucherstrafen erfolgt sei: Nicht das Patent von 1787 habe die Zinssteigerung bewirkt, sondern die zur selben Zeit getroffenen Anordnungen, die zur Anlage zahlreicher Fideikommiss- sowie Pupillar- und Stiftungsgelder in den Staatskassen verpflichteten. Denn dadurch wurden, so betonten die Mitglieder der Kompilationskommission, dem Geldumlauf erhebliche Beträge entzogen, die vorher zur Darlehensvergabe zur Verfügung gestanden hätten. Sie schlugen daher eine Erhöhung der im Umlauf befindlichen Geldmenge vor, um dem Zustandekommen wucherischer Darlehensverträge entgegenzuwirken.57 Als Reaktion auf die unterschiedlichen Auffassungen seiner beiden Beratergremien über die richtige Vorgehensweise zur Verhinderung wucherischer Verträge trat Joseph II. mit der Preisfrage „Was ist Wucher, und durch welche Mittel ist demselben ohne Strafgesetze am besten Einhalt zu thun?“ an die Öffentlichkeit heran.58

II. Die Recht- und Zweckmäßigkeit gesetzlicher Maximalzinsen II. Die Recht- und Zweckmäßig keit gesetzlicher Maximalzinsen

Uneinigkeit über den Nutzen von Wuchergesetzen herrschte nicht nur unter den kaiserlichen Ratgebern, sondern ebenfalls unter den Wettbewerbsteilnehmern. Die Mehrheit von ihnen setzte sich zugunsten der Beibehaltung gesetzlicher Zinsreglementierungen ein;59 teilweise fanden sogar Strafgesetze als Vor___________ 57

Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 18), Bd. 2, S. 171 f. Vgl. auch: Berliner / Engländer, Wuchergesetz (Anm. 18), S. 20 f.; Geller, Wucherstrafrecht (Anm. 18), S. 29. 58 Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 18), Bd. 2, S. 172. Im Anschluss an Zeiller: Geller, Wucherstrafrecht (Anm. 18), S. 29. 59 Joseph von Sonnenfels, Uiber die Aufgabe: Was ist Wucher? und: welches sind die besten Mittel demselben ohne Strafgesetze Einhalt zu thun?, Wien 1789; Giulio Marchese Gravisi, Preisabhandlung über Wucher und dessen kurfürstliche Zinsenordnung. Als ein Beitrag zum allgemein natürlichen Staatsrechte und Polizey vollständig ausgeführet, Wien 1789; Schwabe, Was ist Wucher? (Anm. 2); Friedrich von Entnersfeld, Wettschrift über die Preis-Frage: Was ist Wucher und durch welche Mittel ist demselben ohne Strafgesetze Einhalt zu thun?, Wien 1790; Karl Friedrich Wiesiger, Beantwortung der Fragen: Was ist Wucher? Ist es gut ihn zu hemmen? und wodurch kann er gehemmt

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kehrung gegen den Wucher Zuspruch,60 obwohl die Formulierung der Aufga___________ werden?, Berlin 1790; Heimbert Johann Hinze, Einige Materialien zur Beantwortung der Preisfragen: Was ist Wucher? und durch welche Mittel kann demselben, ohne Strafgesetze, am besten Einhalt geschehen?, in: Braunschweigisches Magazin, 1790, Sp. 81108 (auch abgedruckt in: ders., Auswahl einzelner Abhandlungen über verschiedene Gegenstände der Landwirthschaft, Polizey und des Cammerwesens, Helmstedt 1801); Anonymus, Beyträge zur Beantwortung der Frage: Wie ist Wucher ohne Strafgesetze aus einem Staate zu verbannen?, Dresden und Leipzig 1791; Anonymus, Patriotische Winke, Wünsche und Vorschläge gegen den übermäßigen Wucher in einer Reihe von Briefen, Frankfurt a.M. 1791; Nikolaus Paulsen, Rathschlag über den Wucher und über die Meinungen der Hofräthe von Keeß und von Sonnenfels, Wien 1791; Anonymus, Abhandlung über den Wucher, zur Beantwortung der darüber in Wien aufgestellten Preisfrage, in: Journal von und für Deutschland, 1792, S. 289-318; Joseph Paul von Weinbrenner, Patriotische Gedanken und Vorschläge, über den gehemmten Ausfuhr-Handel in den Deutschen und Hungarischen Provinzen des Erzhauses Oestreich, über NationalIndustrie, Manufakturen und Fabriken, und über die Mittel beyden aufzuhelfen, 2. Aufl., Wien 1792, S. 87-90; Giambattista Vasco, L’ usura libera. Risposta al quesito proposto da Giuseppe II. imperadore dedicata all’ immortale memoria di lui, Mailand 1792 lehnte ausschließlich Strafgsesetze gegen den Zinswucher ab, während er eine zivilrechtliche Regelung billigte; Johann Theodor Roth, Auszug aus einer im Monat April 1790. nach Wien gesendeten Abhandlung über die Frage: „Was ist Wucher, und durch welche Mittel ist demselben ohne Strafgesetze am besten Einhalt zu thun?“, in: Journal von und für Deutschland, 1792, S. 811-820; ders., Juristisch-politische Abhandlung über den Wucher und die Mittel demselben ohne Strafgesetze Einhalt zu thun – auch eine Beantwortung der Wiener Preißfrage, Nürnberg 1793; Johann Baptist Anzmann, Betrachtungen über Wucher und Mittel gegen denselben nach politischen und rechtlichen Grundsätzen, Mainz 1793; Adam Friedrich Erdmann Noscovius, Beantwortung der Frage: Was ist Wucher? Und: durch welche Mittel ist demselben ohne Strafgesetze am Besten Einhalt zu thun? Eine Concurrenz-Schrift, als Sr. kaiserlich-königliche Majestät, Joseph der Zweite, diese Frage gegen den 1sten May 1790 zu beantworten, aufgegeben hatte, solches aber nicht erlebte, Stendal 1796; Anonymus, Ueber die Zulässigkeit des Geldwuchers. Mit Seitenblicken auf neue Mittel den Umlauf der Münze zu befördern, in: ders., Eines alten Mannes Morgenträume über Wucher, Umlauf der Münze, Brodpreis, Schulund Erziehungswesen, Leipzig 1803, S. 4-30. – Gegen Wuchergesetze sprachen sich aus: Anonymus, Gedanken über die Preisfrage (Anm. 14); Johann Friedrich Fischer von Rieselbach, Freymüthige Gedanken über Wucher und Wuchergesetze; nebst dem Vorschlag zu einem entscheidenden Mittel, den Wucher ohne Strafgesetze zu beschräncken, Wien 1790; Johann Arnold Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung über Wucher und Wucher-Gesetze und über die Mittel, dem Wucher ohne Straf-Gesetze Einhalt zu thun; in politischer, justizmäßiger und mercantilistischer Rücksicht, Hamburg 1790; Anonymus, Was ist Wucher? und durch welche Mittel, die nach politischen und justitzmäßigen Rüksichten für wirklich anwendbar erkannt werden könnten, ist dem Geldwucher ohne Strafgesetze, am besten Einhalt zu thun?, Wien 1791, der sich allerdings bei seiner Ablehnung der Wuchergesetze nur auf Strafgesetze bezieht; Karl Heinrich Lang, Ein Votum über den Wucher, von einem Manne sine Voto, Nördlingen 1791. 60 Wiesiger, Beantwortung der Fragen (Anm. 59), S. 79; Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 279; vgl. auch: Sonnenfels, Uiber die Aufgabe (Anm. 59), S. 27 f., 30 ff. Andere Befürworter der Zinsmaxima ließen die Rechtsfolgen von Zuwiderhandlungen offen, wie etwa Christian Gottlieb Gmelin, Rezension über Entnersfeld, Wettschrift über die Preis-Frage: Was ist Wucher und durch welche Mittel ist demselben ohne Strafgesetze Einhalt zu thun?, in: Allgemeine deutsche Bibliothek, 1792, S. 66-68, hier: S. 67 bemängelte.

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benstellung das explizit ausschloss. Mit dem Plädoyer für Wuchergesetze verbanden einige dieser Teilnehmer die Kritik an Jeremy Bentham,61 den der Ratskonsulent und Syndikus Johann Theodor Roth als den schärfsten Gegner von Zinstaxen ansah.62 Selbst Bentham wisse jedoch keine stichhaltigen Gründe für die von ihm geforderte Abkehr von Wuchergesetzen anzugeben, so urteilte Roth, sondern verwerfe ein solches staatliches Einschreiten im Kreditwesen mit „zum Theil scheinbaren, zum Theil sehr paradoxen Gegengründen“63. Drastischer fiel der Widerspruch von Heimbert Johann Hinze aus: Alle „Befremdung“ über Benthams Haltung entfalle, schrieb er 1790, „so bald man sich erinnert, daß es selbst dem überführten Straßenräuber nie an einem Defensor mangelt, und daß auch die ärgsten Uebel zu allen Zeiten hie oder da in einem paradoxsüchtigen Denker ihren Vertheidiger und Lobredner gefunden haben. Mit vieler Mühe und Kunst hat freilich jener Engländer die Häßlichkeit des Wuchers mit den dicksten Farben überstrichen: aber sie schimmert dennoch unter denselben hervor, und bleibt jedem Augs, welches Wahrheit und Gerechtigkeit kennet, sichtbar.“64 Der Bruch Benthams mit der tradierten Auffassung über Wuchergesetze veranlasste also zum Teil massive polemische Angriffe von Seiten der Befürworter eines solchen gesetzgeberischen Eingreifens. Hingegen führten Johann Arnold Günther und Franz Georg von Keeß zur Bekräftigung ihrer Ablehnung gesetzlicher Zinsreglementierungen die insoweit übereinstimmende Ansicht von Bentham und Turgot an.65 Keeß handelte sich indes mit seinem Votum gegen Wuchergesetze, das er seit Anfang der 1780er Jahre als Referent der Kompilationskommission vertreten hatte,66 bei Joseph von Sonnenfels, der zu den Befürwortern solcher Gesetze unter den Teilnehmern der Preisfrage zählte, deutliche Kritik ein.67 Er erblickte im Unterschied zu Roth nicht in Bentham, sondern in Keeß den vehementesten Verfechter der Gegenauffassung, weil dieser es geschafft habe, dass man in der Habsburger___________ 61 Kritik an Bentham übten: Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 47, 64-68, 83 f.; Hinze, Einige Materialien (Anm. 59), Sp. 88; Paulsen, Rathschlag über den Wucher (Anm. 59), Vorrede zu Keeß. S.o. unter Kap. 2, I. zu Benthams Votum für eine freie Vereinbarung der Zinsen durch die Kontrahenten. 62 Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 83. 63 Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 84. 64 Hinze, Einige Materialien (Anm. 59), Sp. 88. 65 Franz Georg von Keeß, Ueber die Aufhebung der Wuchergesetze, Wien 1791, Vorrede; Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 170, 268 f., 273 zu Bentham – Günther stimmte ihm in der Wendung gegen Wuchergesetze zu, nicht aber in der Begründung, da er diese als zu oberflächlich empfand – und S. 394 f. zu Turgot, dem er auch in der Argumentation beipflichtete. – S.o. unter Kap. 2, II. zu der Kritik von Turgot an gesetzlichen Zinsreglementierungen. 66 Zur Ablehnung der geltenden Wuchergesetze durch die Kompilationskommission s.o. unter I., 3. 67 Joseph von Sonnenfels, Uiber Wucher und Wuchergesetze, Wien 1789, S. 3-8.

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monarchie auf eine Bestrafung des Zinswuchers verzichte. Denn Joseph II. wäre 1788 zur Wiedereinführung eines Wucherstrafgesetzes bereit gewesen, meinte Sonnenfels, wenn nicht Keeß’ Ablehnung staatlicher Wucherverbote den „beinahe schon ausgestreckten Arm der Gesetzgebung zurück[ge]halten“ und damit die „Raubsucht des Wuchers durch eine Art von Duldung“ forthin begünstigt hätte.68 Daher trage auch sein „Gegner“69 Keeß, der in der Tat bei Joseph II. in hohem Ansehen stand,70 die Verantwortung für den finanziellen Ruin der Darlehensnehmer, die während der Straffreiheit des Wuchers an wuchernde Kreditgeber gerieten.71 Derartige Provokationen gegenüber dem Referenten der Kompilationskommission, mit dem Sonnenfels noch wenige Jahre zuvor an der Kodifizierung des Straf- und Strafprozessrechts einträchtig zusammengearbeitet hatte,72 verfehlten nicht ihre Wirkung: Wie von Sonnenfels beabsichtigt, rechtfertigte dieser öffentlich seine Kritik an Wuchergesetzen mit zwei Abhandlungen aus den Jahren 1789 und 1791,73 denen eine Erwiderung von Sonnenfels folgte.74 Allerdings ließ sich Keeß dadurch nicht, wie Sonnenfels noch 1789 gehofft hatte,75 zur Änderung seiner Meinung über Wuchergesetze bewegen. Da Sonnenfels zudem keine Gelegenheit hatte, die ihm von Joseph II. übertragene Aufgabe der stilistischen Überarbeitung von Gesetzesvorlagen – die er selten auf rein sprachliche Korrekturen beschränkte, sondern re___________ 68

Sonnenfels, Uiber Wucher und Wuchergesetze (Anm. 67), S. 5. Joseph von Sonnenfels, Zu Herrn Hofraths von Keeß Abhandlung: Ueber die Aufhebung der Wuchergesetze, Wien 1791, S. 11. 70 Gernot Kocher, Art. „Franz Georg Ritter von Kees“ (1747-1799), in: Wilhelm Brauneder (Hg.), Juristen in Österreich 1200-1980, Wien 1987, S. 93-97, hier: S. 95 f.; Karl Heinz Osterloh, Joseph von Sonnenfels und die österreichische Reformbewegung im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus, Lübeck und Hamburg 1970, S. 170; vgl. zum Einfluss von Keeß auf die österreichische Gesetzgebung: Maasburg, Geschichte der obersten Justizstelle (Anm. 43), S. 119-123. 71 Sonnenfels, Uiber Wucher und Wuchergesetze (Anm. 67), S. 5 f. 72 Vgl. zur gemeinsamen Arbeit der beiden Hofräte: Osterloh, Joseph von Sonnenfels (Anm. 70), S. 166 f.; Werner Ogris, Joseph von Sonnenfels als Rechtsreformer, in: Helmut Reinalter (Hg.), Joseph von Sonnenfels, Wien 1988, S. 11-95, hier: S. 45 f. 73 Franz Georg von Keeß, Anmerkungen über die Vorstellung des Herrn Hofraths v. Sonnenfels über Wucher und Wuchergesetze, Wien 1789; ders., Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 65). 74 Sonnenfels, Zu Herrn Hofraths von Keeß Abhandlung (Anm. 69). – Auch Dritte bezogen in dem Disput der beiden Hofräte Partei: Karl von Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen der von dem Herrn Hofrathe von Keeß herausgegebenen Abhandlung: Ueber die Aufhebung der Wuchergesetze, Wien 1791 und Paulsen, Rathschlag über den Wucher (Anm. 59) schlossen sich weitestgehend den Ansichten Sonnenfels’ an. Dessen Vortum für Wuchergesetze unterstützte auch Anonymus, Rezension über Sonnenfels, Uiber Wucher und Wuchergesetze, in: Tübingische gelehrte Anzeigen, 1789, S. 646647, hier: S. 646. 75 Sonnenfels, Uiber Wucher und Wuchergesetze (Anm. 67), S. 6 f. 69

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gelmäßig auch auf den Gesetzesinhalt ausdehnte76 – zur Einflussnahme auf dessen Wuchergesetzgebung zu nutzen, versuchte er dies durch die Abfassung einer Preisschrift zu erreichen.77

1. Die (Un-)Möglichkeit einer angemessenen Höchstzinsfestsetzung Gegen die von seinem Rivalen Sonnenfels gepriesenen Wuchergesetze wandte Keeß ein, dass der Staat mit deren Normierung die zwischen den einzelnen Kreditverträgen bestehenden Unterschiede nivelliere. Denn unter Geltung der Wuchergesetze spiele es für die Höhe der dem Kreditgeber zugestandenen Verzinsung z.B. keine Rolle, ob er sein Geld einem mehr oder minder zuverlässigen Vertragspartner anvertraut, es auf lange oder kurze Zeit weggibt und größere oder kleinere Beträge verleiht. Vielmehr unterwerfe der Gesetzgeber, so monierte Keeß, alle Darlehensverträge demselben Zinsmaximum und verhindere damit, dass solche einzelfallabhängigen Umstände bei der Bemessung der Zinsen in gebührendem Maße Berücksichtigung finden.78 Ihm schien es folglich „ungereimt, wenn ein Gesetz für Millionen Menschen den erlaubten Gewinn bei Darleihungen auf einen Punkt fixiren will, indessen der denkende Schiedsmann sich in größter Verlegenheit befände, wenn er dem nehmlichen Entlehner unter ungleichen Umständen gleiche Zinsen bestimmen sollte“79. Ebenso wie für Keeß entzog sich auch für andere Gegner von Wuchergesetzen die Höhe der Darlehenszinsen einer gesetzlichen Generalisierung. Sie sahen es als „schlechterdings unmöglich“ an, „einen allgemeinen festen [...] Maastab [zu] bestimmen“, der die Grenze zwischen mäßigen und übermäßigen Zinsen markiert.80 Diese liege statt dessen, wollte man die Besonderheiten des ___________ 76

Hock / Bidermann, Staatsrath (Anm. 42), S. 126-129, 279, 304, 317, 552; Osterloh, Joseph von Sonnenfels (Anm. 70), S. 171 ff., 179 f., 237 f.; Ogris, Joseph von Sonnenfels (Anm. 72), S. 46 f. 77 Vgl. zu Sonnenfels’ Vorstellungen zur Eindämmung des Zinswuchers: Osterloh, Joseph von Sonnenfels (Anm. 70), S. 189-195. 78 Keeß, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 65), S. 54: „Können dann die Interessen in gleichem Verhältnisse seyn, A. möge 2000 oder 20000 Gulden suchen; er möge 20000 Gulden das erstemal oder schon zum Zehntenmale verlangen; er möge sie auf sechs Monate, oder auf sechs Jahre ausborgen; er möge als ein ordentlicher zuverlässiger Mann, oder von zerrütteter Haushaltung bekannt seyn; er möge Unterstützung von Verwandtschaft erwarten können, oder Niemanden Vermöglichen angehören; es möge ihm die Hoffnung einer Erbschaft bevorstehen, oder schon verschwunden seyn; er möge Unterpfand oder keines biethen? Selbst die Unterpfänder unterliegen Modifikationen, nach denen sich die Billigkeit der Vortheile des Darleihers mit allem Grunde richten kann und soll“. 79 Keeß, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 65), S. 53 f. 80 Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 267; ähnlich: Anonymus, Gedanken über die Preisfrage (Anm. 14), S. 5: „Aber zu bestimmen, ob 4

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jeweiligen Kreditgeschäfts nicht außer Acht lassen, bei ganz unterschiedlich hohen Zinsforderungen. „Ist der Wucher ein Uebermaas“, fragte daher der Hofsekretär Karl Heinrich Lang, „wo existirt denn das Maas? wo hört es auf, und wo fängt es an?“81 Die Befürworter von Wuchergesetzen gaben zwar diese Grenzlinie zwischen moderaten und wucherischen Zinsen häufig mit Höchstsätzen von fünf bzw. sechs Prozent an und übernahmen damit die bisher in der Gesetzgebung gebräuchlichen Zinsmaxima.82 Aber auch sie strebten oftmals nicht – anders als es die Argumentation der Kritiker von Wuchergesetzen nahe legt – die Festsetzung eines einheitlichen Zinsmaximums für sämtliche Darlehensverträge an. Davon ausgenommen bleiben sollten Kaufleute, die man entweder überhaupt nicht an eine Zinstaxe binden oder diese zumindest höher ansetzen wollte,83 da sie sich üblicherweise mit der Darlehenssumme einen weitaus größeren Nutzen als andere Bürger zu verschaffen wüssten. Es erschien einigen Autoren daher gerechtfertigt, den Kreditgeber an diesem erhöhten Gewinn, den der Einsatz seines Geldes dem Kaufmann ermöglichte, teilhaben zu lassen.84

___________ oder 20 vom Hundert, rechtmäßige Zinse, oder Wucher sey, war, und ist Niemand im Stande“; Lang, Ein Votum über den Wucher (Anm. 59), S. 2 f. 81 Lang, Ein Votum über den Wucher (Anm. 59), S. 3; in diese Richtung auch: Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 194: „Der Grad also, wo der Preis der Geld-Prämie aufhört, gerecht zu sein, und wo er anfängt, wucherhaft zu werden, ist in jedem einzelnen Fall verschieden. Und es läßt sich daher für denselben keine allgemeine Grenze festsetzen“ und S. 266. 82 Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 140 und Roth, Juristischpolitische Abhandlung (Anm. 59), S. 107: fünf Prozent. Schwabe, Was ist Wucher? (Anm. 2), S. 49 befürwortete einen Höchstzins von fünf Prozent, wenn der Kreditvergabe keine Sicherheit zugrunde lag, andernfalls sollten lediglich vier Prozent erlaubt sein. Nach Sonnenfels, Zu Herrn Hofraths von Keeß Abhandlung (Anm. 69), S. 34 und 40, Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen (Anm. 74), S. 124 f. sowie Paulsen, Rathschlag über den Wucher (Anm. 59), S. 83 sollten, wenn der Darlehensvergabe eine Sicherheit zugrunde lag, fünf Prozent, sonst sechs Prozent Zinsen gestattet sein (auf S. 292 schlug Paulsen indes gesetzliche Höchstzinsen zwischen vier und sechs Prozent vor). Eine weitaus höhere Zinstaxe nannten nur Weinbrenner, Patriotische Gedanken (Anm. 59), S. 90, nach dem bei fehlender hypothekarischer Sicherheit sechs bis acht Prozent erlaubt sein sollten und Entnersfeld, Wettschrift (Anm. 59), S. 65, der das Zinsmaximum mit mindestens acht Prozent ansetzen wollte. 83 Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 141, 146 und Sonnenfels, Zu Herrn Hofraths von Keeß Abhandlung (Anm. 69), S. 24, 27, 47 f. wollten die Kaufleute überhaupt nicht der Zinstaxe unterwerfen. Einen höheren Maximalzins für Kaufleute forderten: Entnersfeld, Wettschrift (Anm. 59), S. 60; Schwabe, Was ist Wucher? (Anm. 2), S. 49; Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 108 f.; Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen (Anm. 74), S. 41 f. 84 Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 108 f.; Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen (Anm. 74), S. 41 f.

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Eine andere Einschränkung des personalen Anwendungsbereichs favorisierte der Treuenbriezener Justizassessor Karl Friedrich Wiesiger: Augenscheinlich in Anlehnung an die deutsche Ausgabe der “Defence of usury”, in der die von Bentham als “projectors”85 in Schutz genommenen Unternehmer, die sich der Etablierung von Neuerungen widmeten, mit „Projectmacher“ übersetzt wurden,86 sollten laut Wiesiger „Projektenmacher“ und Arme nicht dem Wuchergesetz unterliegen.87 Zur Begründung verwies er darauf, dass diese Personengruppen unter Geltung moderater Zinstaxen nie in den Genuss von Darlehen kämen, weil sie den Kreditgebern keinerlei Sicherheit für die Rückzahlung des Geldes bieten könnten. Um ihnen die Chance zum Krediterhalt nicht ganz zu nehmen, plädierte Wiesiger dafür, „Projektenmachern“ und Armen die Zahlung über dem gesetzlichen Zinsmaximum liegender Darlehenszinsen – als Ausgleich für die erhebliche Verlustgefahr, die der Geldeigner einging, wenn er ihnen seine Kapitalien anvertraute – zu gestatteten.88 Für alle anderen Bürger bestehe indessen kein Anlass, „sich über die Verordnungen wider den Wucher zu beschweren“, da Wiesiger den darin festgelegten Höchstzins für sie als durchaus zweckmäßig erachtete.89 Den Umfang des vom Kreditgeber zu tragenden Verlustrisikos, mit dem Wiesiger die Ausnahmeregelung für „Projektenmacher“ und Arme rechtfertigte, erhoben andere Befürworter von Wuchergesetzen zum Kriterium für eine Staffelung der Zinsmaxima. Anstatt einer einzigen Zinstaxe schlugen sie die Festsetzung mehrerer Höchstsätze vor: Je größer das den Darlehensgeber treffende Risiko ausfiel, sein Geld nicht zurückzubekommen, desto höher war die Zinsklasse, in den sie diesen einstuften. Dabei sahen sie Zinsen zwischen vier und zwölf Prozent vor;90 sie rezipierten somit die Zinsspanne, die bereits das ___________ 85

Siehe zur Verteidigung der “projectors” durch Bentham: Kap. 2, I. Johann August Eberhard, Vertheidigung des Wuchers, worin die Unzuträglichkeit der gegenwärtigen gesetzlichen Einschränkungen der Bedingungen beim Geldverkehr bewiesen wird, Halle 1788, z.B. S. 85. 87 Wiesiger, Beantwortung der Fragen (Anm. 59), S. 12 f. – Jeremy Bentham, Defence of usury; shewing the impolicy of the present legal restraints on the terms of pecuniary bargains, London 1787, S. 32-36 zählte neben “projectors” auch Arme zu dem Personenkreis, dem Wuchergesetze besonders zum Nachteil gereichten, so dass auch in Bezug auf die von Wiesiger geforderte Ausnahmestellung der Armen die Vorbildwirkung Benthams nahe liegt. 88 Wiesiger, Beantwortung der Fragen (Anm. 59), S. 12 f. 89 Wiesiger, Beantwortung der Fragen (Anm. 59), S. 13. 90 Anonymus, Ueber die Zulässigkeit des Geldwuchers (Anm. 59), S. 12 ff. betrachtete Gold, Silber oder Juwelen als die beste Kreditsicherheit, so dass man hier nur maximal vier Prozent Zinsen verlangen dürfe. Bestand die Kreditsicherheit z.B. in einer Hypothek auf liegende Güter oder der Hinterlegung fabrizierter Waren sollten höchstens acht Prozent Zinsen zulässig sein. Gravisi, Preisabhandlung (Anm. 59), 2. Teil, S. 78115. – Die Ablehnung eines einzigen gesetzlichen Zinsmaximums zugunsten mehrerer durch Gravisi begrüßte auch Anonymus, Rezension über Gravisi, Preisabhandlung über 86

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Corpus iuris civilis kannte, das die vom Kreditgeber übernommene Gefahr ebenfalls nicht unberücksichtigt ließ, indem es ihm den Höchstzins von zwölf Prozent beim risikoreichen Seedarlehen zugestand.91 Mehrere Höchstzinsfestsetzungen wollte auch Roth einführen: Statt eines einheitlichen Zinsmaximums für die gesamte Habsburgermonarchie sprach er sich für den Erlass unterschiedlich hoher Taxen in den einzelnen österreichischen Provinzen aus.92 Auf diesem Wege wollte er den „unendlichen vielen Ereignissen, Umständen und Particulärverhältnissen“ gerecht werden, die aus seiner Sicht die Zinshöhe beeinflussten, aber „in einer Provinz so – in der andern aber wieder anders seyn können“93. Zur angemessenen Berücksichtigung der Unterschiede zwischen den einzelnen Darlehensverträgen reichte es hingegen anderen Anhängern staatlicher Wuchergesetze aus, wenn man darin die Möglichkeit einer Befreiung vom Zinsmaximum vorsah. Da der Gesetzgeber nämlich mit dessen Normierung nur den gewöhnlichen Kreditverhältnissen Rechnung trage, sollte es den Kontrahenten in den verbleibenden besonders gelagerten Fällen offen stehen, bei der Obrigkeit die Erlaubnis zur Vereinbarung höherer Zinsen nachzusuchen.94 Das Votum zugunsten eines gesetzgeberischen Einschreitens gegen den Wucher bedeutete also bei einigen Wettbewerbsteilnehmern keineswegs, dass für alle innerhalb eines Staates abgeschlossenen Darlehensverträge dieselbe Zinstaxe gelten sollte. Auf das Argument der Gegenansicht, dass „gar keine vernünftige Bestimmung der Procente möglich“ sei, räumte daher Wiesiger ein: „ich gestehe es sehr gern, daß kein Gesetzgeber eine allgemein gute, richtige und zweckmäßige Bestimmung der Zinsen geben kann“95, weil dies für ihn nur gegen ein einheitliches Zinsmaximum, nicht aber gegen Wuchergesetze als solche sprach. Derartige Zugeständnisse blieben hingegen aus beim Einwand der Kritiker von Wuchergesetzen, dass es sich mit den Veränderungen des Zinsniveaus im Laufe der Zeit nicht vereinbaren lasse, einen Höchstzins statisch per Gesetz festzusetzen.96 Den Verfechtern von Zinstaxen schien indes ___________ Wucher und dessen kurfürstliche Zinsenordnung. Als ein Beitrag zum allgemein natürlichen Staatsrechte und Polizey vollständig ausgeführet, in: Allgemeine Literatur-Zeitung, 1791, Sp. 474-476, hier: Sp. 475. 91 Siehe Kap. 1, VII. 92 Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 81 f. 93 Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 82. 94 Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 48, 140 f., 144 f.; Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen (Anm. 74), S. 65 f. und 144 f. 95 Wiesiger, Beantwortung der Fragen (Anm. 59), S. 11. 96 Diesen Einwand erhoben: Lang, Ein Votum über den Wucher (Anm. 59), S. 4 und 154; Keeß, Anmerkungen (Anm. 73), S. 35; ders., Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 65), S. 44; in diese Richtung auch: Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 266 f.

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deren flexible Anpassung an neue Rahmenbedingungen durchaus möglich, da man – ebenso wie bei anderen Gesetzen – künftigen Entwicklungen durch Novellierungen ausreichend Beachtung schenken könne. Nur das Unterlassen solcher Angleichungen des Zinsmaximums bewirke, so entgegneten sie, „daß das Gesetz fehlerhaft wäre“, indem es trotz „der natürlichen Veränderlichkeit der Verhältnisse einen unveränderlich beständigen Maasstab vorschreiben wollte“; nicht aber folge aus der Wandelbarkeit des Zinsfußes, dass „die veränderliche[n] Verhältnisse keiner Gesetzgebung fähig wären“97.

2. Die Missachtung der Wuchergesetze Die Forderung nach Abschaffung der Wuchergesetze begründeten deren Gegner zudem damit, dass sich die alltägliche Kreditpraxis ohnehin nicht nach diesen Zinsreglementierungen richte.98 Sofern der Darlehenssuchende zu den gesetzmäßigen Zinsen keinen Kredit bekomme, erkläre er sich eben zu wucherischen Vertragsinhalten bereit, um doch noch an das begehrte Geld zu gelangen. Überdies könnten viele Kreditgeber, so meinte man, der verlockenden Aussicht einer Steigerung ihrer Zinsgewinne über das zulässige Maß hinaus nicht widerstehen,99 so dass sich durch Wuchergesetze die Vereinbarung höherer als der maximal erlaubten Zinsen nicht verhindern lasse. Die Höchstzinsfestsetzung bewirke daher nur die „Erzeugung einer Menge von wucherhaften Kunstgriffen, um dem Zwang des Gesetzes auszuweichen“100. Diese Gesetzesmissachtung betreffe, so konstatierte Keeß, nicht nur Darlehensgeschäfte der Bürger: Vielmehr hielten sich nach seiner Auffassung selbst die öffentlichen Kreditinstitute einiger Provinzen der österreichischen Monarchie nicht an das geltende Zinsmaximum, sondern vergaben Darlehen nur gegen mehr als zehn

___________ 97 Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 51; ebenso zur Anpassungsfähigkeit der Zinstaxen: Roth, Auszug (Anm. 59), S. 814: „Mit Unrecht behauptet man, daß die Festsetzung eines allgemeinen billigen Zinnsfußes unmöglich sey: denn möglich und ausführbar, wie auch nöthig und nützlich kann ein Gesetz vom Zinnsfuß immer seyn, wenn es gleich, wie alle andern bürgerlichen, peinlichen und Polizeygesetze, Veränderungen unterworfen ist, und auf eine immerwährende Dauer keinen Anspruch machen kann“; ähnlich: ders., Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 82 f.; Wiesiger, Beantwortung der Fragen (Anm. 59), S. 11; Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen (Anm. 74), S. 159 f. 98 Rieselbach, Freymüthige Gedanken (Anm. 59), S. 15 und 20 f.; Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 271; Keeß, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 65), S. 55 f.; ders., Anmerkungen (Anm. 73), S. 31 f. 99 Rieselbach, Freymüthige Gedanken (Anm. 59), S. 20 f.; Keeß, Anmerkungen (Anm. 73), S. 31 f. 100 Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 269.

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Prozent Zinsen, so dass sie bei weitem den gesetzlichen Höchstwert überschritten.101 Aus Sicht der Kritiker von Wuchergesetzen nahm jedoch nicht allein deren häufige Umgehung dem gesetzgeberischen Tätigwerden die Berechtigung. Hinzu kämen die „unüberwindliche[n] Schwierigkeiten“102, den Normverstoß zu beweisen und damit die gesetzlich vorgesehenen Rechtsfolgen zur Anwendung zu bringen.103 Denn in der Vergangenheit, so betonte man, „war es beinahe unmöglich, jemand andern des begangenen Wuchers rechtskräftig zu überweisen, als denjenigen, der aus Unkunde des Gesetzes mit blöder Offenherzigkeit zu Werke gegangen war“, während die Überschreitung der Zinstaxe ansonsten ungeahndet geblieben sei.104 Mit Wuchergesetzen konnte der Staat also in den Augen ihrer Gegner weder die gewünschte Verhaltenssteuerung erreichen noch die darin vorgesehenen Sanktionen bei Zuwiderhandlungen verhängen, so dass man ihre Beibehaltung als sinnlos ansah. Die Verfechter von Wuchergesetzen konterten auf den Einwand mit dem Hinweis darauf, dass kein Gesetz vor Verstößen gefeit bleibe und somit niemals vollständige Wirksamkeit beanspruchen könne. Da diese Unzulänglichkeit mithin auf jedes Gesetz zutreffe, lasse sich aus der Missachtung der Zinstaxen auch kein tragfähiges Argument für deren Aufhebung gewinnen, wollte man nicht sogleich alle Gesetze außer Kraft setzen.105 Dementsprechend rief man dazu auf, bei Wuchergesetzen keinen strengeren Maßstab anzulegen: „So wenig die Strafgesetze gegen einen Dieb zu mißbilligen sind, weil sie vielleicht ___________ 101

Keeß, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 65), S. 14 f.; Lang, Ein Votum über den Wucher (Anm. 59), S. 169, 174 bezifferte den Zinssatz, den die bestehenden Banken nahmen, mit sieben bis acht Prozent. Auch Befürworter von Wuchergesetzen – wie Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen (Anm. 74), S. 39 f. und Paulsen, Rathschlag über den Wucher (Anm. 59), S. 123 ff. – sahen die bei staatlichen Kreditanstalten zu zahlenden Zinsen als zu hoch an; sie zogen allerdings daraus nur den Schluss, dass es einer Verbesserung der Banken bedürfe, um diese in die Lage zu versetzen, das Ziel ihrer Errichtung, nämlich die Vergabe zinsgünstiger Darlehen, zu erreichen. – Zum Kritikpunkt der überhöhten Zinsforderungen der bestehenden öffentlichen Banken siehe bereits Kap. 1, III., 1. b). 102 Lang, Ein Votum über den Wucher (Anm. 59), S. 155. 103 Keeß, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 65), S. 31; ders., Anmerkungen (Anm. 73), S. 29 f.; Rieselbach, Freymüthige Gedanken (Anm. 59), S. 15 f.; Lang, Ein Votum über den Wucher (Anm. 59), S. 155 f. 104 Keeß, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 65), S. 31. 105 Sonnenfels, Wucher und Wuchergesetze (Anm. 67), S. 93 f.; Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen (Anm. 74), S. 81: „Man kann nicht sagen, das Gesetz erreiche seinen Zweck nicht, weil es nicht alle Uebel entfernt; sonst müsten alle Gesetze abgeschaft werden: weil dies, mehr oder weniger, das Loos aller Gesetze ist; keines hindert alle Verbrechen, gegen die es erlassen wird. Soll man das Uebel dulden, weil es nicht ausgerottet werden kann, so muß auch Mord und Diebstahl als straflos erklärt werden“ (ähnlich S. 166 f.).

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Kap. 3: Die Wucherpreisfrage Josephs II. von 1789

einen oder den anderen Dieb nur listiger gemacht haben; eben so wenig sind angemessene Wuchergesetze zu verwerfen, wenn schon irgend ein schlauer Wucherer solche zum Drucke seines Nebenmenschen mißbraucht haben sollte.“106 Solange die Anhänger der Gegenansicht also nicht allgemein aus der Übertretung eines Gesetzes die Notwendigkeit zu dessen Abschaffung folgerten, konnte laut den Befürwortern von Wuchergesetzen für diese nichts anderes gelten. Aus ihrer Sicht ließ sich zudem der Umgehungseinwand, auf den sich die Kritiker der Zinstaxen stützten, ohnehin nur aufrechterhalten, wenn man nicht nur sämtliche Gesetze aufhob, sondern auch außerhalb der Gesetzgebung von jeglichem Eingreifen absah, sobald dieses kein optimales Ergebnis versprach. Dem Staat die Befugnis streitig zu machen, durch Festsetzung eines gesetzlichen Zinsmaximums zumindest einige Wuchergeschäfte zu unterbinden, heiße nämlich nichts anderes, als dass auch „der Arzt den Kranken müsse sterben lassen, wenn er ihn nicht vollkommen gesund stellen kann“107. Statt alle Bemühungen zu unterlassen, sollte also auch der Gesetzgeber dann tätig werden, wenn er das angestrebte Ziel – die Verhinderung des Wuchers – nur fördern, nicht aber gänzlich zu verwirklichen vermochte, um wenigstens diesen Teilerfolg zu erreichen.108 Folglich hielten die Befürworter von Wuchergesetzen die Forderung nach deren Abschaffung für nicht minder abwegig, als dem Rettungswilligen bei einem um sich greifenden Feuer ein Einschreiten mit der Begründung zu versagen, dass er nicht mehr alles in Sicherheit bringen könne.109 Indes verwarfen die Autoren, die sich für ein gesetzgeberisches Eingreifen im Kreditwesen einsetzten, den Einwand der Gegenansicht nicht vollständig, ___________ 106 Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen (Anm. 74), S. 100; in diese Richtung auch: Sonnenfels, Zu Herrn Hofraths von Keeß Abhandlung (Anm. 69), S. 23: „Jeder bestrafte Missethäter, jeder Untersuchte, der die Untersuchung zu vereiteln, verschmitzt genug ist, wird ein unwidersprechlicher Beweis, daß die Strafgesetze bey weiten nicht eine vollkommene Wirkung haben: Wer geht darum hin, und sagt den Gesetzgebern: Hebt die Richterstühle auf, sie sind unnütz! schafft die Strafgesetze ab, ihr seht, daß es ihnen an Wirkung mangelt“. 107 Sonnenfels, Zu Herrn Hofraths von Keeß Abhandlung (Anm. 69), S. 23; in diese Richtung auch: ders., Wucher und Wuchergesetze (Anm. 67), S. 94; Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen (Anm. 74), S. 99. 108 Vgl. Sonnenfels, Zu Herrn Hofraths von Keeß Abhandlung (Anm. 69), S. 23; ders., Wucher und Wuchergesetze (Anm. 67), S. 94; Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen (Anm. 74), S. 77 und 138. 109 Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen (Anm. 74), S. 99; Sonnenfels, Wucher und Wuchergesetze (Anm. 67), S. 94; ein ähnliches Beispiel bringt Paulsen, Rathschlag über den Wucher (Anm. 59), S. 164: „Dieß also darum, weil es [das Wuchergesetz, K.L.] die Zahl der Wucherer nur verminderte, ohne den Wucher selbst zu verbannen, aufzuheben, hieße eben so viel als da man Z. B. den Schleichhandel nicht verbannen kann, sind alle Kontrabandverbote unnütz, und weil man nicht zwey zugleich retten kann, ließe man sie beide umkommen“.

II. Die Recht- und Zweckmäßigkeit gesetzlicher Maximalzinsen

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sondern gaben die Schwierigkeit zu, Verstöße gegen das Wuchergesetz zu beweisen.110 Damit dessen Anwendung nicht mehr – wie es in der Vergangenheit zu oft der Fall gewesen sei – am Nachweis der Zuwiderhandlung scheitere, brachten sie Vorschläge zur Verbesserung der Beweislage an. So sollte nach der Empfehlung von Entnersfeld und Bonelli sowohl der Abschluss des Darlehensvertrages als auch die Auszahlung der kreditierten Summe unter Hinzuziehung zweier Zeugen,111 nach anderen Verfechtern von Wuchergesetzen vor Gericht112 oder einem eigens hierfür zu schaffenden Amt113 erfolgen. Nur Kaufleute nahm man, um eine Behinderung ihrer Geschäftstätigkeit zu vermeiden, von der Pflicht zur Wahrung dieser Formerfordernisse aus.114 Bei den Gegnern der Wuchergesetze stießen allerdings solche Bemühungen zur Überwindung der Beweisschwierigkeiten auf dieselben Bedenken, zu deren Entkräftung sie vorgebracht wurden: Statt die Einhaltung der Zinstaxen bzw. im Fall von deren Missachtung die Nachweisbarkeit des Normverstoßes sicherzustellen, rege man mit solchen Formvorschriften lediglich die Entstehung zahlreicher neuer Strategien auch zu deren Umgehung an.115 Denn die Zeugen, ___________ 110

Anonymus, Beyträge zur Beantwortung der Frage (Anm. 59), S. 48; Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 83 f. und 135 ff.; Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 69 und 173; Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen (Anm. 74), S. 82. 111 Entnersfeld, Wettschrift (Anm. 59), S. 61; Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen (Anm. 74), S. 85, 197 wollte neben dem Einsatz der beiden Zeugen auch ein Schriftformerfordernis für Darlehensverträge einführen. 112 Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 255 f. und 266; Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 159 f. ließ den Kontrahenten die Wahl zwischen Aufsuchung des Gerichts oder des Amtes. 113 Paulsen, Rathschlag über den Wucher (Anm. 59), S. 66, 69, 215; ders., Wider die Wucherey, Wien 1789, S. 39; Anonymus, Ueber die Zulässigkeit (Anm. 59), S. 16 f.; Gravisi, Preisabhandlung (Anm. 59), 2. Teil, S. 67-75. – Skeptisch gegenüber diesem Vorschlag Gravisis: Wilhelm Jacobs, Rezension über Gravisi, Preisabhandlung über Wucher und dessen kurfürstliche Zinsenordnung. Als ein Beitrag zum allgemein natürlichen Staatsrechte und Polizey vollständig ausgeführet, in: Allgemeine deutsche Bibliothek, 1791, S. 301-303, hier: S. 303. 114 Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen (Anm. 74), S. 85; Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 159; Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 256. 115 Keeß, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 65), S. 56; Lang, Ein Votum über den Wucher (Anm. 59), S. 157; Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 287; Anonymus, Rezension über Anonymus, Eines alten Mannes Morgenträume über Wucher, Umlauf der Münze, Brodpreis, Schul- und Erziehungswesen, in: Neue allgemeine deutsche Bibliothek, 1803, S. 113-115 bezweifelte die Wirksamkeit dieser wie aller weiteren Empfehlungen in dem rezensierten Werk und schloss sich ganz der Auffasung von Günther an. – Bereits Bentham, Defence of usury (Anm. 87), S. 71 wies die Wirkungslosigkeit dieser Maßnahmen anhand seiner Beobachtungen in Weißrussland nach: “[...] for a thousand roubles, the borrower, in his written contract, obliges himself to pay at the end of the year one thousand and fifty. Before witnesses, he recei-

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der Richter oder Amtswalter sollten ausschließlich bei Vertragsschluss und Valutierung des Darlehens zugegen sein: „Aber sie wissen nicht, was die Kontrahenten vorher unter sich verabredet, sie wissen nicht, was vielleicht der Schuldner an dem empfangenen Geld heimlich wieder hat zurück geben müssen [...] kurz, sie werden von all den listigen Wendungen sich nichts träumen lassen, deren der Wucherer tausende in einer Stunde erdenkt“116. Kritik ernteten die Befürworter von Zinstaxen aber nicht nur mit ihren eigenen Empfehlungen zur Verbesserung der Beweislage. Gleiches galt für die von ihnen zumeist verteidigten finanziellen Anreize für Denunzianten, wie sie das Wucherpatent von 1751 vorgesehen hatte. Auf diese Prämien wollten sie nicht verzichten, um die Anzeigebereitschaft unter den Bürgern zu erhöhen und dadurch die Zahl der unentdeckt bleibenden Gesetzesverstöße zu senken.117 Gegen die Aussetzung von Belohnungen wandte man hingegen ein, dass die Richtigkeit der in der Anzeige gemachten Angaben keineswegs gesichert sei. Vielmehr verleite die Aussicht auf solche finanziellen Vorteile geradezu zum Missbrauch dieser Regelungen und störe zudem das gesellschaftliche Zusammenleben.118

3. Die Auswirkungen von Zinstaxen auf die Wirtschaft Unterschiedlich beurteilten Befürworter und Gegner von Wuchergesetzen auch die Frage, ob sich ein wirtschaftlicher Fortschritt nur mit oder ohne diese erreichen lasse. Für deren Kritiker erwies sich jede vom Gesetzgeber verfügte Beschränkung – und damit auch Zinstaxen – als der ökonomischen Weiterentwicklung abträglich. Ein Aufblühen der Landesökonomie schien ihnen nur unter der Bedingung völliger Freiheit der Wirtschaftsakteure, nicht zuletzt im Aushandeln der Zinshöhe, denkbar: „Wenn Emsigkeit und Handel aufleben sol-

___________ ves his thousand roubles: and, without witnesses, he immediately pays back his 30 roubles, or his 40 roubles, or whatever the sum may be, that is necessary to bring the real rate of interest to the rate verbally agreed on”; vgl. auch Anne Robert Jacques Turgot, Mémoires sur le prêt a intérêt et sur le commerce des fers, Paris 1789, S. 95 ff. 116 Lang, Ein Votum über den Wucher (Anm. 59), S. 157. 117 Für solche Prämien stimmten: Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 265 i.V.m. 267; Sonnenfels, Wucher und Wuchergesetze (Anm. 67), S. 95; Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen (Anm. 74), S. 73 ff.; Anonymus, Beyträge zur Beantwortung der Frage (Anm. 59), S. 89. – Eine Ausnahme bildet Paulsen, Rathschlag über den Wucher (Anm. 59), S. 155 f., der sich zwar für Wuchergesetze, aber gegen eine Belohnung der Denunzianten aussprach. 118 Keeß, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 65), S. 28; Anonymus, Was ist Wucher? (Anm. 59), S. 80 f.

II. Die Recht- und Zweckmäßigkeit gesetzlicher Maximalzinsen

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len, darf es daher keine Wuchergesetze geben; denn nichts ist dem Handel mehr nachtheilig als Zwang“119. Den wirtschaftlichen Nachteil erblickte man darin, dass der Unternehmer häufig keinen Kredit zu den gesetzmäßigen Zinsen finde, weil die vom Gesetzgeber vorgesehene Gegenleistung nicht ausreiche, um Geldeigner zur Darlehensvergabe zu bewegen.120 Daraufhin müsse sich der Darlehenssuchende zum Erhalt des begehrten Geldes auf eine Umgehung der Zinstaxe einlassen, die dazu führe, dass er letztlich mehr Zinsen zu zahlen habe, als es ohne Wuchergesetze der Fall gewesen wäre.121 Grund für die Zinssteigerung sei, dass der Darlehensgeber sich durch die Vereinbarung eines über dem Zinsmaximum liegenden Zinssatzes der Gefahr aussetze, den Sanktionen des Wuchergesetzes zu unterliegen. Dieses Risiko nehme er aber nicht entschädigungslos auf sich, sondern lasse es sich mit den Zinsen vergüten.122 Zinstaxen versorgten deshalb aus Sicht ihrer Gegner nicht die Gewerbetreibenden mit erschwinglichen Krediten, sondern maximierten die Zinsgewinne der Darlehensgeber auf Kosten der Landesökonomie. Diese „versinkt in Schläfrigkeit und Lethargie“123, weil den Wirtschaftsakteuren die erforderlichen Gelder nicht gegen angemessene Zinsen zur Verfügung stünden. Eine solche Schädigung der Wirtschaft befürchteten hingegen die Anhänger von Wuchergesetzen, wenn der Staat nicht durch Festsetzung eines moderaten Zinsmaximums dem Zustandekommen hoher Zinsen entgegenwirke.124 Mit seinem Eingreifen sorge er nämlich dafür, dass die Untertanen weder ihre Arbeitskraft noch ihr Geld Landwirtschaft, Gewerbe und Handel entziehen. Dies drohe allerdings, so rekurrierte man auf die gängigen Argumentationsmuster ___________ 119 Keeß, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 65), S. 44; ähnlich: Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 271: „Nicht gerne, und nur aus Noth, schmiegt sich der Gang der Industrie in die Fesseln des Zwangs“. 120 Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 269 ff. 121 Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 271 f.; Keeß, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 65), S. 36: „Zwanggesetze sind, wie die Erfahrung im Allgemeinen lehrt, zur Erhaltung eines billigen Ebenmasses in dem Werthe der Dinge nie so wirksam, als die Freyheit. Bei Darleihungen aber wirken Zwanggesetze nur, daß entweder gar nicht, oder mit überspannten Bedingungen, nie aber, daß nach der Absicht der Gesetze um geringe Zinsen dargeliehen wird“. 122 Keeß, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 65), S. 36 f.; Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 271 f. 123 Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 270. 124 Vgl. zur Rechtfertigung der Zinstaxen aus ökonomischen Gründen: Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 164-167; Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen (Anm. 74), S. 15 f., 134 f., 176-180; Paulsen, Rathschlag über den Wucher (Anm. 59), S. 83, 188, 217; Schwabe, Was ist Wucher? (Anm. 2), S. 38-42 und 62 ff.; Sonnenfels, Uiber die Aufgabe (Anm. 59), S. 16-30 und 100-104; Anonymus, Beyträge zur Beantwortung der Frage (Anm. 59), S. 27 f. und 91 f.

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des Kameralismus125 unter Verweis auf dessen Autoritäten – namentlich Justi126 und Sonnenfels127 –, sobald sich die Vergabe verzinslicher Darlehen als gewinnbringender erweise als eine Tätigkeit in den genannten Erwerbszweigen. Die Zahl der Untertanen, die sich als Kreditgeber dem Müßiggang widmeten, nehme dann erheblich zu,128 was Landwirtschaft, Gewerbe und Handel zusehends in Verfall geraten lasse. Unter diesen Umständen könnten die Landesprodukte, so warnte man eindringlich vor den Folgen hoher Zinsen, nicht mehr preisgünstig angeboten werden, so dass der Staat letztlich außerstande sei, im Handelswettbewerb mit anderen Nationen mitzuhalten und dementsprechend über keine positive Handelsbilanz verfüge.129 Mit seinem Tätigwerden hemmte der Staat also aus Sicht der Befürworter von Wuchergesetzen keineswegs die wirtschaftliche Entwicklung, sondern stellte gerade sicher, dass „der Wucher nicht, gleich den Geyern auf einem mit Leichen besäten Schlachtfelde, über de[m] Fleiß schwebte“130. Im Zustandekommen einer negativen Handelsbilanz sah man zudem nicht den einzigen Nachteil, den der Gesetzgeber durch Zinstaxen abwende: Gleichzeitig verhindere er dadurch die Entstehung von Armut, deren Bekämpfung nach der absolutistisch-kameralistischen Staatstheorie zu den Aufgaben des Fürsten zählte. Denn ohne gesetzliche Zinsreglementierung bestünde die Gefahr, so gaben Roth und Bonelli zu bedenken, dass Kreditsuchende an wuchernde Darlehensgeber gerieten und dadurch ihre letzte Habe verloren, so dass sie fortan ihren Mitbürgern und dem Staat zur Last fallen würden.131

___________ 125

S.o. unter Kap. 1, II. Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 166. 127 Anonymus, Beyträge zur Beantwortung der Frage (Anm. 59), S. 27 ff., 91 f.; Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 165 ff.; Schwabe, Was ist Wucher? (Anm. 2), S. 43. 128 Schwabe, Was ist Wucher? (Anm. 2), S. 38-41, 63 f.; Sonnenfels, Uiber die Aufgabe (Anm. 59), S. 24-27; Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 165 f. 129 Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 166 f.; Sonnenfels, Wucher und Wuchergesetze (Anm. 67), S. 17; Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen (Anm. 74), S. 176 ff.; Schwabe, Was ist Wucher? (Anm. 2), S. 40 f. 130 Sonnenfels, Uiber die Aufgabe (Anm. 59), S. 103. 131 Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 169; Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen (Anm. 74), S. 178; Anonymus, Rezension über Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung über Wucher und Wucher-Gesetze und über die Mittel, dem Wucher ohne Straf-Gesetze Einhalt zu thun; in politischer, justizmäßiger und mercantilistischer Rücksicht, in: Allgemeine deutsche Bibliothek, 1794, S. 20-28, hier: S. 23 sah darin die einzige Rechtfertigung für Wuchergesetze. – Vgl. zur Einordnung der Armutsbekämpfung als obrigkeitliche Aufgabe in der vorliberalen Theorie: Klaus Wohlrab, Armut und Staatszweck. Die politische Theorie der Armut im deutschen Naturrecht des 18. und 19. Jahrhunderts, Goldbach 1997, S. 21 ff. und 26 ff. 126

II. Die Recht- und Zweckmäßigkeit gesetzlicher Maximalzinsen

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4. Die Rechte der Darlehensvertragsparteien als Eigentümer Die in den Preisschriften ausgetragene Debatte über die Berechtigung staatlicher Wuchergesetze erstreckte sich nicht nur auf die Auswirkungen, die man dem gesetzgeberischen Eingreifen – insbesondere auf dem Gebiet der Wirtschaft – zuschrieb. Hinzu kam die Frage nach der Rechtmäßigkeit von Wuchergesetzen, die deren Gegner – ebenso wie Turgot132 – unter Berufung auf das dem Darlehensgeber133 zustehende Eigentumsrecht verneinten,134 weil dieses seinem Inhaber die Befugnis verleihe, die ihm gehörenden Sachen bestmöglich zu nutzen. Zur Dispositionsgewalt des Geldeigentümers zähle somit auch die Vereinbarung von Zinsen in ihm beliebender Höhe, wenn er seine Kapitalien einem anderen zeitweilig überlassen wollte, so dass in Zinstaxen, die dem Gebrauch des Geldes nach seinem Gutdünken Schranken setzten, ein Verstoß gegen die Rechtsposition des Kreditgebers als Eigentümer liege.135 Jedoch ließ sich die Ablehnung gesetzlicher Zinsmaxima nur dann mit dem Eigentumsrecht des Darlehensgebers am Geld begründen, sofern das Eigentumsobjekt ausschließlich dem Bürger zur freien Verfügung – und nicht zugleich dem Staat – zugeordnet wurde.136 Dieses später als liberal bezeichnete ___________ 132

Dazu Kap. 2, II. Laut Keeß, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 65), S. 46 verstoßen gesetzliche Zinsmaxima zudem gegen das Eigentumsrecht des Darlehensnehmers. Denn wenn ihm die Rechtsordnung erlaube, dem Darlehensgeber den als Zinsen versprochenen Geldbetrag zu schenken und damit unentgeltlich zukommen zu lassen, müsse es ihm erst recht gestattet sein, sich als Gegenleistung dafür die zeitweilige Kapitalüberlassung auszubedingen. – „Mit den Begriffen der natürlichen Vernunft läßt sich nun kein zureichender Grund finden, warum A. von seinem Vermögen an B. hundert Dukaten ohne alle Veranlassung dahin geben könne, und warum ihm verbothen seyn soll, 100 Dukaten dahin zu geben, wenn B. ihm dadurch eine Gefälligkeit erwiesen hätte, daß er ihm aus seinem Vermögen tausend Gulden auf ein Jahr zu seinem Gebrauche geliehen hat“. 134 Anonymus, Was ist Wucher? (Anm. 59), S. 21; Lang, Ein Votum über den Wucher (Anm. 59), S. 153 f.; Anonymus, Gedanken über die Preisfrage (Anm. 14), S. 5; Keeß, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 65), S. 48; ders., Anmerkungen (Anm. 73), S. 15. 135 Anonymus, Gedanken über die Preisfrage (Anm. 14), S. 5: Indem die Gewährleistung des Eigentums auch das Nutzungsrecht umfasst, „ist jeder, dessen Vermögen in baarem Gelde besteht, befugt, wenn er es ausleihen will, so hohe Zinsen zu verlangen, als er nur bekommen kann“; Anonymus, Was ist Wucher? (Anm. 59), S. 21: Der Darlehensgeber muss „das Recht und die Freiheit genießen, von seinem Eigenthum den vortheilhaftesten Gebrauch zu machen“; Lang, Ein Votum über den Wucher (Anm. 59), S. 153 f. 136 Vgl. zum liberalen Eigentumsbegriff: Dieter Schwab, Art. „Eigentum“, in: Otto Brunner u.a. (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politischsozialen Sprache in Deutschland, Bd. 2, Stuttgart 1975, S. 65-115, hier: S. 94 f., 98; ders., Arbeit und Eigentum. Zur Theorie ökonomischer Grundrechte im 19. Jahrhundert, in: ders., Geschichtliches Recht und moderne Zeiten, Heidelberg 1995, S. 61-100, hier: S. 66. 133

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Kap. 3: Die Wucherpreisfrage Josephs II. von 1789

Eigentumsverständnis legten in der Tat die Autoren zugrunde, die sich gegen Wuchergesetze aussprachen, und stießen damit bei deren Befürwortern auf Widerspruch. So erschien dem Hofrat Friedrich von Entnersfeld die Eigentumsauffassung, die dem Kreditgeber als „Herr von [s]einem Gelde“137 auch die Forderung übermäßiger Zinsen gestattete, mit Blick auf die Folgen unhaltbar: Gestehe man nämlich dem wuchernden Darlehensgeber die Berufung auf das Eigentumsrecht zu, so warnte er, müsste es ebenfalls als dessen legitime Ausübung gelten, wenn der Bürger „mit seinem Gelde Banditen erkaufen, mit seinem Gifte Brünne anstecken, mit seinem Lichte Dörfer, oder Städte anzünden“138 wollte. Ähnlich wie Entnersfeld wandte sich auch der politische Schriftsteller Nikolaus Paulsen entschieden gegen die Doktrin des Privateigentums und Turgot als deren Verfechter: „Frankreich war immer ein galantes und intrigantes, nie aber ein moralisches, noch finanzliches Muster“, bemerkte er abschätzig und führte zum Beweis die Französische Revolution an, die sich aus dem „türgottschen Wuchersystem“ erklären lasse.139 Denn nach Turgot gehöre es, so kritisierte ihn Paulsen, „zur Freyheit des Eigenthümers, daß jeder mit dem Seinen machen könne, was er will, folglich auch mit seinem Gifte, folglich auch mit seinem Gewehre, womit erst die List, dann die Gewalt den Schwächern bewaffnet, und diese Stärke ein Recht heißt“140. Für Paulsen und Entnersfeld bedurfte es also einer Einschränkung der Eigentumsnutzung, wollte man nicht dem Bürger geradezu einen Freibrief zur Schädigung anderer mit den ihm gehörenden Sachen erteilen und jedes Unrecht als rechtmäßige Ausübung von Eigentümerbefugnissen deklarieren. Über die von beiden Wettbewerbsteilnehmern geforderten Schranken verfügte der absolutistische Eigentumsbegriff, den folglich die Anhänger der Wuchergesetze vertraten.141 Dieser kannte im Unterschied zur liberalen Auffassung kein Eigentum, das sich der obrigkeitlichen Einflussnahme entzog. Vielmehr waren Staatsgewalt (imperium) und Eigentum (dominium) in der politischen Theorie des Ancien Régime auf das engste miteinander verwoben: Kraft des dem Fürsten zukommenden Obereigentumsrechts (dominium eminens), das ei___________ 137

Entnersfeld, Wettschrift (Anm. 59), S. 18. Entnersfeld, Wettschrift (Anm. 59), S. 18. 139 Paulsen, Rathschlag über den Wucher (Anm. 59), Vorrede zu Keeß. 140 Paulsen, Rathschlag über den Wucher (Anm. 59), Vorrede zu Keeß. 141 Vgl. Sonnenfels, Wucher und Wuchergesetze (Anm. 67), S. 30 ff., 35 f. und 82 f.; Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen (Anm. 74), S. 24 und 135. Roth, Juristischpolitische Abhandlung (Anm. 59), S. 58 f. und 67 f. erkannte ebenfalls das Obereigentumsrecht des Regenten an, wenngleich er die Kompetenz des Fürsten zum Erlass von Zinstaxen – anders als Sonnenfels – nicht auf dieses, sondern auf andere Herrscherrechte gestützt wissen wollte; ähnlich wie Roth bemängelte Anonymus, Rezension über Sonnenfels, Uiber Wucher und Wuchergesetze, in: Allgemeine Literatur-Zeitung, 1791, Sp. 466-469, hier: Sp. 467, dass Sonnenfels zur Legitimation der Zinstaxen auf das dominum eminens des Herrschers verwies. 138

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nen Ausschnitt seiner Herrschaftsbefugnisse bildete, konnten sämtliche Güter der Untertanen einer staatlichen Einwirkung unterliegen, soweit es die Realisierung des Staatszwecks erforderte.142 Da dieser in der salus publica bzw. Glückseligkeit bestand, also denkbar umfangreich war,143 wies das Eigentumsrecht seinem Inhaber in der absolutistischen Staatstheorie keinen Dispositionsbereich frei von obrigkeitlicher Reglementierung zu. Dementsprechend sahen die Befürworter von Wuchergesetzen den Geldeigner nicht in seinem Eigentumsrecht beeinträchtigt an, wenn ihm der Staat die maximal zulässige Zinshöhe bei der Darlehensvergabe vorschrieb.144 Sie verneinten jedoch nicht nur eine Rechtsverletzung des Kreditgebers durch Wuchergesetze, sondern beanspruchten nicht minder als die sich auf den liberalen Eigentumsbegriff stützenden Kritiker von Wuchergesetzen das Eigentumsargument für ihre Ansicht und stellten dabei auf den Darlehensnehmer ab.145 Diesem drohe, so entgegnete man den Anhängern einer freien Zinsvereinbarung, bei einer über dem gesetzlichen Zinsmaximum liegenden Zinshöhe ein Verstoß gegen das Eigentumsrecht. Denn sobald die vom Kreditnehmer zu erbringende Verzinsung den Nutzen übersteige, den ihm das zur Verfügung gestellte Geld einbrachte, müsse er zur Erfüllung der Zinsforderung eigene Eigentumsobjekte aufopfern. Der wuchernde Darlehensgeber verringere also den Eigentumsbestand seines Vertragspartners;146 er wurde daher mit einem Räuber verglichen, ___________ 142 Vgl. Schwab, Art. „Eigentum“ (Anm. 136), S. 95 ff.; Diethelm Klippel, „Libertas commerciorum“ und „Vermögens-Gesellschaft“. Zur Geschichte ökonomischer Freiheitsrechte in Deutschland im 18. Jahrhundert, in: Günter Birtsch (Hg.), Grund- und Freiheitsrechte im Wandel von Gesellschaft und Geschichte. Beiträge zur Geschichte der Grund- und Freiheitsrechte vom Ausgang des Mittelalters bis zur Revolution von 1848, Göttingen 1981, S. 313-335, hier: S. 322. 143 Zur Staatszwecklehre im Ancien Régime: Kap. 1, III., 2. 144 Schwabe, Was ist Wucher? (Anm. 2), S. 51 und 53; Sonnenfels, Wucher und Wuchergesetze (Anm. 67), S. 30 ff., 35 f., 82 f.; Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 58-61, 66 ff.; Paulsen, Rathschlag über den Wucher (Anm. 59), S. 55 f.; Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen (Anm. 74), S. 24; Entnersfeld, Wettschrift (Anm. 59), S. 18. 145 Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 60 f., 66 f., 140 f., 152; Paulsen, Rathschlag über den Wucher (Anm. 59), S. 42 und 213; Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen (Anm. 74), S. 8. 146 Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen (Anm. 74), S. 8: „Der Wucherer begehrt mehr, als der Gebrauch des Geldes jemals abwerfen kann, mehr als der Schuldner je empfangen hat: er entzieht also dem Borger das Seinige, reißt fremdes Gut an sich, und verletzet ihn“; Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 60 f.: „Wenn nun jemand ein Kapital aufnimmt, sich damit jährlich acht vom Hundert schaft, und dem Darleiher für die Ueberlaßung des Geldes fünf Procente Zinnß entrichtet, so kann dieser zufrieden seyn, und jener ist nicht verkürzet werden, weil ihme für seine Bemühung das Geld nutzbar zu machen, doch noch eine Belohnung übrig geblieben ist. – Wenn hingegen der Fall umgewendet ist, und der Entlehner an Zinnßen mehr bezahlen muß, als ihme die Nutzung des Geldes eingebracht hat; so verliert er nicht nur den Lohn für seine

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dem man „sein Hab, und Gut entgegen tragen [muss], um dessen Raubgierde zu befriedigen“147. Dies verhindere der Gesetzgeber durch sein Eingreifen, mit dem er sich aus Sicht der Verfechter von Zinstaxen schützend vor das Eigentum des Darlehensnehmers stellte.

5. Die Freiheit der Vertragschließenden Wuchergesetze empfanden deren Gegner jedoch nicht nur als unvereinbar mit dem Eigentumsrecht der Kreditgeber, sondern ebenfalls mit der Vertragsfreiheit der Kontrahenten; die Forderungen nach Freiheit und Schutz des Privateigentums gingen also bei ihnen eine enge Verbindung ein, die sich insgesamt als charakteristisch für die liberale politische Theorie erweist, die im Privateigentum das Ergebnis der Freiheitsausübung des Einzelnen sah.148 Als solche Freiheitsausübung galt den Kritikern von Wuchergesetzen auch die Bemessung der Zinsen durch die Vertragschließenden, so dass der Staat den Inhalt ihrer freiwillig eingegangenen Vereinbarung keiner Zinsreglementierung unterwerfen dürfe. Vielmehr schließe die Willensübereinstimmung der Kontrahenten über die von ihnen gewollte Zinshöhe eine staatliche Eingriffsbefugnis von vornherein aus.149 Zur Begründung führte man – übereinstimmend mit der Auffassung Benthams150 – an, dass der einzelne Vertragspartner stets am besten selbst die ihm durch die Kreditgewährung vermittelten Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen wisse. Es sollte folglich auch den Vertragschließenden überlassen bleiben, die Höhe der Darlehenszinsen zu bestimmen. Denn „wer, außer den Contrahenten selbst“, fragte Johann Arnold Günther rhetorisch, kann „über den individuellen Werth des durch die Anleihe zu erlangenden Endzwecks, urtheilen, wo alles auf individuelle Verhältnisse, und selbsteigenes Abwägen und ___________ Mühe, sondern leidet überdies noch an seinem eigenen Vermögen den empfindlichsten Einbuß“. 147 Entnersfeld, Wettschrift (Anm. 59), S. 19; das Gleichnis von Wucher und Raub findet sich ferner bei: Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen (Anm. 74), S. 6 f., 9, 197; Sonnenfels, Wucher und Wuchergesetze (Anm. 67), S. 5, 14, 36, 50, 94 f., ders., Uiber die Aufgabe (Anm. 59), S. 32; Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 79; Paulsen, Rathschlag über den Wucher (Anm. 59), Vorrede sowie S. 42, 191, 213. 148 Vgl. zum Zusammenwirken von Freiheits- und Eigentumsidee in der liberalen politischen Theorie: Schwab, Arbeit und Eigentum (Anm. 136), S. 65-77; ders., Art. „Eigentum“ (Anm. 136), S. 74-84. 149 Vgl. Lang, Ein Votum über den Wucher (Anm. 59), S. 154; Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 268; Keeß, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 65), S. 48 ff. 150 S.o. unter Kap. 2, I.

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Würdigen dieser Verhältnisse, ankömmt“151? Setze sich der Gesetzgeber darüber durch die Normierung von Höchstzinsen hinweg, liege in dem „fremde[n] Urtheil über diese Verhältnisse“, so gab Günther zu bedenken, der „gewaltsamste Eingrif in Privat-Freiheit und Menschenrecht des Bürgers“152. Ähnlich wie er lehnte auch der Hofsekretär Karl Heinrich Lang Wuchergesetze als „wider den Zweck der bürgerlichen Freiheit“ ab, da ihm zufolge die „Gesetze der Vernunft und des natürlichen Rechts“ keine Beschränkungen der Zinshöhe anerkannten.153 Mit der Sicherung der Freiheit des Einzelnen bzw. seiner Menschenrechte führten beide Wettbewerbsteilnehmer Begriffe an, die seit dem Ende des 18. Jahrhunderts auf breiter Front Eingang in das deutsche Naturrecht fanden. Unter dem Einfluss der amerikanischen und französischen Menschenund Bürgerrechtserklärungen sowie den Schriften englischer und französischer Staatstheoretiker formulierten die Naturrechtler nämlich umfassende Systeme von Rechten des Individuums.154 Diese entsprachen liberalen politischen Ideen und enthielten – soviel sei hier vorweggenommen – auch das freie Aushandeln der Vertragsinhalte und damit insbesondere der Höhe der Darlehenszinsen.155 Die für Wuchergesetze eintretenden Autoren teilten diese Freiheitsauffassung nicht: Ebenso wie sie gegen die liberale Definition des Privateigentums protestierten und mit dem tradierten absolutistischen Eigentumsbegriff antworteten, erntete auch das liberale Freiheitsverständnis bei ihnen Kritik. Denn die Eingehung eines Wuchergeschäfts, so bemängelten sie, stelle sich auf Seiten des Darlehensnehmers nicht als Akt individueller Freiheitsausübung dar. Vielmehr beuge sich dieser jeder Bedingung des Kreditgebers, sie mochte noch so unvorteilhaft für ihn sein, nur um an das begehrte Geld zu gelangen.156 Ein sol___________ 151

Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 268; ähnlich: Keeß, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 65), S. 49: „Uiberhaupt ist wohl nichts natürlicher, als daß jeder seine Vortheile besser kenne, und für dieselben wache, als die Gesetze sie zu kennen und zu schätzen vermögen“. 152 Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 268. 153 Lang, Ein Votum über den Wucher (Anm. 59), S. 153 f. 154 Vgl. Diethelm Klippel, Das deutsche Naturrecht am Ende des Alten Reiches, in: Georg Schmidt-von Rhein und Albrecht Cordes (Hg.), Altes Reich und neues Recht. Von den Anfängen der bürgerlichen Freiheit, Wetzlar 2006, S. 27-40, hier: S. 34 f.; ders., Politische Freiheit und Freiheitsrechte im deutschen Naturrecht des 18. Jahrhunderts, Paderborn 1976, S. 120-123. 155 Siehe Kap. 4, I. 156 Sonnenfels, Wucher und Wuchergesetze (Anm. 67), S. 40 f. sowie 86 f.: „Der Entlehnende hatte die Wahl, sagen sie – hatte die Freyheit, das Anlehn nicht zu nehmen, wenn ihm die Forderungen des Gläubigers nicht anstanden. Wie wenig taugt metaphysische Spitzfindigkeit zu der Einfachheit der Gesetzgebung! In einem verriegelten Zimmer, unter dessen offenen Fenstern ein tiefer Fluß vorbeiströmt, fordert mir mit Waffen und Drohungen jemand eine Verschreibung ab, durch welche ich ihm die Hälfte meines Vermögens schenke. Ich habe die Wahl, durch das Fenster mich in den Fluß zu stürzen, um nicht zu schreiben: aber ich wählte das letztere. Der Richter wird ohne Zweifel mei-

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ches Fügen unter die Vorgaben des Geldgebers könne man keinesfalls als Vertragsfreiheit ausgeben, sondern beruhe auf einem „Mißbegrif von Freyheit“157. Der Kreditsuchende erkläre nämlich sein Einverständnis zu den wucherischen Vertragsbedingungen nicht freiwillig, sondern gezwungenermaßen, weil seine finanzielle Situation ihm keine andere Möglichkeit lasse, als das Darlehen um jeden Preis aufzunehmen.158 Obwohl man diese Zwangslage nicht äußerlich sehe, unterscheide sie sich – so heißt es anschaulich bei Sonnenfels – nur unwesentlich von dem Fall, dass ihm der Darlehensgeber mit vorgehaltener Pistole drohe, „die Hirnschale zu zerschmettern“159, sofern er sich nicht auf dessen Forderungen einlasse. „Bloß die Pistole, das Zwangsmittel, dessen der Gläubiger sich in dem gewählten Beispiele gebraucht“, versicherte Sonnenfels, „ist von demjenigen, von dem Zwange der Umstände unterschieden, welcher den Borger unterjochet“160. Verzichte der Gesetzgeber trotz dieser – einem freiwilligen Handeln des Darlehensnehmers entgegenstehenden – finanziellen Zwangslage auf Zinstaxen, sei ein erheblicher Anstieg der Darlehenszinsen die Folge, da jeder Kreditgeber dann seine Zinsforderungen zu erhöhen suche und ___________ ne ausgestellte Schenkungsurkunde als rechtsgiltig anerkennen. Denn, stellte ich sie nicht aus, da ich die Freyheit hatte, mich eher zu ersäufen, als sie auszustellen?“; Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen (Anm. 74), S. 6, 9, 142; Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 41 ff., 46 f., 66; auch für Entnersfeld, Wettschrift (Anm. 59), S. 17 und Vasco, L’ usura libera (Anm. 59), S. 148-152, 156 f. stand der Verweis auf die Vertragsfreiheit einer gesetzlichen Zinsreglementierung nicht entgegen. 157 Paulsen, Rathschlag über den Wucher (Anm. 59), Vorrede zu Keeß sowie S. 136: „Mißbegriffen vom freyen Willen“; ähnlich: Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 84 und ders., Auszug (Anm. 59), S. 814: „Mißbrauch der Freyheit“. 158 Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen (Anm. 74), S. 9: „Der Schuldner ist zu so einem Versprechen gezwungen worden; denn es war keine andere Wahl, als darben und zu Grunde zu gehen, oder dem Wucherer, bey einem Schimmer der Hofnung sich zu helfen, alles zuzusagen“ sowie S. 10 und 119; Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 46 f.: „Das Gesetz kann also dem Willen des freihandelnden vernünftigen Menschen den Anschlag des zu entbehrenden Nutzens, oder die Bestimmung der Entschädigung sicher überlassen. Aber bei der Geldleihe handelt oft der Wille des vernünftigen Menschen nicht frei; er bedarf also der Hilfe des Gesetzes wider den Zwang“; Paulsen, Rathschlag über den Wucher (Anm. 59), Vorrede und S. 42, 57, 191, 213; Gravisi, Preisabhandlung (Anm. 59), 1. Teil, S. 112. 159 Sonnenfels, Wucher und Wuchergesetze (Anm. 67), S. 40. 160 Sonnenfels, Wucher und Wuchergesetze (Anm. 67), S. 40. Ein ähnlich anschauliches Gleichnis liefert Entnersfeld, Wettschrift (Anm. 59), S. 17: „Die Wucherer [...] nöthigen freylich Niemand zu ihnen die Zuflucht zu nehmen, aber dringende Umstände nöthigen die Leute dieses zu thun, ja die ganze Rechtfertigung läuft gerade dahinaus: Ein Passagier kommt mit leeren Magen voll des Hungers in ein Gasthaus, der Wirth setzt ihm nicht nur unverdauliche, ungesunde, sondern sogar giftige Speisen vor; der Reisende wird hievon krank oder stirbt wohl gar, allein der Gastgeb entschuldiget sich damit: Er habe den Fremden nicht gezwungen bey ihm zuzusprechen, noch weniger von diesen Speisen zu genießen, der Gast habe es freywillig gethan, und er Wirth sey darum unschuldig“.

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sich dabei bedenkenlos die Geldverlegenheit seiner Vertragspartner zunutze mache. Die von der Gegenansicht gepriesene alleinige Entscheidung der Kontrahenten über die Zinshöhe führe also dazu, „daß der Darleiher für den Gebrauch des Geldes von dem Entlehner so viel nehmen darf, als er kriegen kann“161. Ohne Wuchergesetze, so befürchtete man demzufolge, diktiere der Kreditgeber dem Geldsuchenden die Vertragsbedingungen, um seine Zinsgewinne zu maximieren.

6. Wuchergesetze und Rechtsgleichheit Während die Befürworter von Wuchergesetzen ein angemessenes Zinsniveau bei deren Aufhebung in Gefahr sahen, hielten es deren Gegner für ungerechtfertigt, dass man ausschließlich die Entlohnung der Darlehensgeber reglementiere.162 Denn: „Die ganze Welt sucht zu verdienen wie sie kann“, so heißt es bei einem anonym gebliebenen Wettbewerbsteilnehmer, „und Niemand im Staate hat ein Wort dagegen einzuwenden“163. Diese allgemein gebilligte Absicht, sich den größtmöglichen finanziellen Vorteil zu verschaffen, versage der Gesetzgeber lediglich Kreditgebern. „Nur allein der Unglükliche, der baares Geld als sein einziges Eigenthum besizt, soll die Hände in den Schooß legen“ – so beklagte dieser Teilnehmer der Preisfrage die Ausnahmestellung der Darlehensgeber – und „zufrieden sein, vier oder fünf vom hundert zu verdienen, unterdessen andre, geschüzt sogar von der Macht der Gesetze, zwanzig und fünfzig bei ihren Gewerben verdienen dürfen“164. Das „Argument der Aehnlichkeit“ verwehre es aber dem Staat, Darlehensgebern durch Wuchergesetze die Befugnis zur Gewinnmaximierung abzusprechen und sie gleichzeitig anderen Untertanen einzuräumen.165 Die verlangte Gleichheit bestand somit in einer gleichen Ausstattung des Bürgers mit Rechten und zählte mit diesem Inhalt zum Katalog liberaler Forderungen, die seit dem Ende des 18. Jahrhunderts die deutsche politische Theorie prägten.166 ___________ 161 Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 85; ähnlich: Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 66. 162 Vgl. Anonymus, Was ist Wucher? (Anm. 59), S. 14-21; Keeß, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 65), S. 48. 163 Anonymus, Was ist Wucher? (Anm. 59), S. 20. 164 Anonymus, Was ist Wucher? (Anm. 59), S. 20 f. 165 Anonymus, Was ist Wucher? (Anm. 59), S. 21. 166 Vgl. Martin Reulecke, Gleichheit und Strafrecht im deutschen Naturrecht des 18. und 19. Jahrhunderts, Tübingen 2007, S. 198-217; Diethelm Klippel, Das „natürliche Privatrecht“ im 19. Jahrhundert, in: ders. (Hg.), Naturrecht im 19. Jahrhundert. Kontinuität – Inhalt – Funktion – Wirkung, Goldbach 1997, S. 221-250, hier: S. 237 f.; ders., Politische Freiheit und Freiheitsrechte im deutschen Naturrecht des 18. Jahrhunderts, Paderborn 1976, S. 162 f.; Jürgen Schlumbohm, Freiheit – Die Anfänge der bürgerlichen

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Neben dem Verfasser der eben zitierten anonym veröffentlichten Preisschrift riefen auch weitere Autoren, die Wuchergesetze ablehnten, den Staat zur Einräumung gleicher Rechtspositionen für alle Bürger auf und verbanden ihre Forderung nach dem Schutz von Eigentum und Freiheit des Einzelnen mit dem Gleichheitspostulat. So betonte Keeß, dass der Gesetzgeber Eigentumsrecht und Freiheit der Kontrahenten bei anderen Vertragsarten durchaus achte, indem er die Höhe der dabei erzielten Gewinne keinen Beschränkungen unterwerfe. Folglich dürfe der Staat die anderen Bürgern gewährte Vertragsfreiheit und unbeschränkte Eigentumsnutzung nicht dem Darlehensgeber durch Statuierung von Höchstzinsen verweigern.167 Ähnlich bestand für einen anonymen Autor kein Grund, den Darlehensgeber von der Garantie des Privateigentums auszuschließen. Auch ihm solle das Recht zur gewinnträchtigsten Verwendung seines Eigentums zukommen, „so wie es dem Ackersmanne erlaubt ist, seine Getreider, dem Kaufmanne seine Waaren, dem Handwerker seine Arbeit so gut als möglich zu verkaufen, ohne daß man sie eines Wuchers, oder einer unerlaubten Handlung zu beschuldigen, berechtiget ist“168. Er betrachtete es damit als Pflicht des Staates, jedem Bürger gleichermaßen die Chance zur Erwirtschaftung des höchstmöglichen Einkommens offen zu halten, die er unter Geltung von Wuchergesetzen nicht als gegeben sah. Die Verteidiger der Wuchergesetze bestritten hingegen, dass es in anderen Wirtschaftsbereichen an Reglementierungen der Verdienstmöglichkeiten fehle, so dass sich bereits der Ausgangspunkt der Gegenansicht als unzutreffend erweise. Vielmehr bestehe geradezu eine Vielzahl von Restriktionen, angefangen von Vorschriften über Maß und Gewicht der Handelswaren bis hin zu Preistaxen für Grundnahrungsmittel, so dass von einer Benachteiligung der Kreditgeber keine Rede sein könne. Angesichts dieser Fülle von Vorschriften, die den Gewerbetreibenden Gewinngrenzen auferlegten, sei es nicht einsichtig, dem Staat aus Gründen der Gleichheit eine Normierung der maximalen Zinshöhe zu versagen.169 Sonnenfels und Wiesiger hoben zudem hervor, dass der Gesetzgeber – anders als von Keeß behauptet – keineswegs nur bei Darlehensverträgen den Kontrahenten vorschreibe, wie hoch die von ihnen vereinbarten Leistungs___________ Emanzipationsbewegung in Deutschland im Spiegel ihres Leitwortes, Düsseldorf 1975, S. 91-96 und 158 f.; Otto Dann, Art. „Gleichheit“, in: Otto Brunner u.a. (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 2, Stuttgart 1975, S. 997-1046, hier: S. 1014. 167 Keeß, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 65), S. 48. 168 Anonymus, Gedanken über die Preisfrage (Anm. 14), S. 5. 169 Sonnenfels, Wucher und Wuchergesetze (Anm. 67), S. 34 ff.; Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen (Anm. 74), S. 135; Paulsen, Rathschlag über den Wucher (Anm. 59), S. 195; Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 62; Wiesiger, Beantwortung der Fragen (Anm. 59), S. 16.

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pflichten ausfallen dürfen. Gleiches gelte auch beim Kaufvertrag, wo das Rechtsinstitut der laesio enormis Übervorteilungen verhindern soll.170 Doch selbst ohne solche anderweitigen Gewinnbeschränkungen scheide eine Ungleichbehandlung der Kreditgeber unter Verweis auf die in Landwirtschaft, Handel und Gewerbe erzielbaren Erträge von vornherein aus.171 Denn die mit „viel Mühe, Fleiß und Aemsigkeit“172 erwirtschafteten Einkünfte in diesen Erwerbszweigen ließen sich, so argumentierten die Befürworter von Wuchergesetzen, nicht mit den Gewinnen müßiggehender Darlehensgeber auf eine Stufe stellen. Der Unterschied zwischen Arbeit und Müßiggang legitimierte also nach ihrer Auffassung eine abweichende Gewinnspanne: Indem der Kreditgeber ohne nennenswerten Aufwand zu Einnahmen gelange, sollte er sich im Gegenzug mit den moderaten gesetzmäßigen Zinsen begnügen. Demgegenüber hielt man hohe Einkommen in Landwirtschaft, Handel und Gewerbe für gerechtfertigt, weil darin die Belohnung für beschwerliche Arbeit liege.173 Den Verfasser einer anonym veröffentlichten Preisschrift überzeugte dieser Einwand nicht: Da man dem fleißigen Bürger in der bestehenden Gesellschaftsordnung nie erhebliche Gewinne zubillige, erschien ihm der Hinweis auf den vernachlässigenswerten Aufwand, mit dem Kreditgeber ihre Zinsgewinne realisierten, zur Entkräftung des Gleichheitsverstoßes ungeeignet.174 Wollte man nämlich die vom Einzelnen aufgebrachte Mühe zum Regulativ der Einkommenshöhe erheben, „so muß man auch sogleich alle Staaten von oberst zu unterst kehren. Dann muß der arbeitende Bauer die Einkünfte seines müßigen Edelmanns beziehen. Dann gebührt der Gewinn des Innhabers einer Fabrik seinen Arbeitsleuten; und dann muß der Kaufmann seinen Nutzen mit seinen Ladendienern und mit seinem Comtoir theilen“175. Eine konsequente Einnahmeverteilung anhand der dazu übernommenen Anstrengungen, wie es für ihn die Argumentation mit dem fehlenden Arbeitsaufwand der Kreditgeber nahe legte, münde somit letztlich in eine – von ihm missbilligte – grundlegende Umgestal___________ 170

Wiesiger, Beantwortung der Fragen (Anm. 59), S. 16; Sonnenfels, Wucher und Wuchergesetze (Anm. 67), S. 34. 171 Schwabe, Was ist Wucher? (Anm. 2), S. 61 f. und 64 ff.; Roth, Juristischpolitische Abhandlung (Anm. 59), S. 62 f.; Sonnenfels, Wucher und Wuchergesetze (Anm. 67), S. 32. 172 Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 63. 173 Sonnenfels, Wucher und Wuchergesetze (Anm. 67), S. 32: „Der Ertrag des Feldbaus kann wohl mit Geldzinsen auf keine Art in eine Reihe gestellet werden. Die vergrösserte Fruchtbarkeit eines Grundstückes ist der Lohn des Kenntnisses, des Fleisses, des vermehrten Kulturaufwandes“; Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 62 ff.; Schwabe, Was ist Wucher? (Anm. 2), S. 61 f. und 64 ff. 174 Anonymus, Was ist Wucher? (Anm. 59), S. 21 f. 175 Anonymus, Was ist Wucher? (Anm. 59), S. 22.

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tung der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse.176 Diese jedoch suchten auch die an Wuchergesetzen festhaltenden Autoren tunlichst zu vermeiden, wie am deutlichsten Paulsens Polemik gegen die Französische Revolution bei der Frage nach dem zutreffenden Eigentumsverständnis zeigt.177

III. Maßnahmen zur Verhinderung des Wuchers außerhalb von Zinstaxen III. Maßnahmen zur Verhinderung des Wuchers

Das Votum für die Abschaffung oder Beibehaltung von Zinstaxen bildete bei den Teilnehmern der Preisfrage nur eine, wenngleich wesentliche Maßnahme zur Bekämpfung wucherischer Rechtsgeschäfte. Im Folgenden ist daher nach den Vorkehrungen zu fragen, die sie anstelle von Wuchergesetzen bzw. zu deren Ergänzung vorschlugen.178 Dass man diesen einen nicht zu unterschätzenden Stellenwert einräumte, zeigt sich insbesondere in der Preisschrift Johann Arnold Günthers: Denn obwohl er darin Wuchergesetzen übereinstimmend mit Bentham und Turgot jegliche Berechtigung absprach, fanden beide Autoren nicht seine uneingeschränkte Zustimmung. Er monierte, dass Bentham und Turgot ausschließlich die Aufhebung der Wuchergesetze zugunsten der freien Zinsvereinbarung durch die Vertragschließenden forderten, nicht aber auf zusätzliche Mittel zur Gewährleistung eines niedrigen Zinsniveaus sannen.179 Ohne diese hielt Günther aber den Verzicht auf Zinstaxen für wenig Erfolg versprechend, um dem Zustandekommen wucherischer Rechtsgeschäfte entgegenzusteuern; vielmehr drohe sogar eine Verschlechterung der bisherigen Lage, wenn man sich mit der Außerkraftsetzung der Wuchergesetze begnüge.180

1. Öffentliche Kreditanstalten als zinsgünstige Alternative zu privaten Darlehensgebern Abgesehen von Zinstaxen wurden unter den Mitteln zur Bekämpfung wucherischer Rechtsgeschäfte am häufigsten öffentliche Kreditanstalten angeführt. ___________ 176 Anonymus, Was ist Wucher? (Anm. 59), S. 22: „Es dürfte eine sehr tragikomische Revolution in einem jeden heutigen Staate entstehen, wo der arbeitende Theil sich einfallen ließe, ernsthafte Ansprüche auf den vollkommenen Gewinn für seinen Fleiß zu machen. – Dergleichen Ideen sollte man gar nicht laut werden lassen. Sie haben für hitzige und unruhige Köpfe zu viel Aufreitzendes und Feuerfangendes“. 177 S.o. unter II., 4. 178 Einen kursorischen Überblick über diese Empfehlungen liefert bereits Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 18), Bd. 2, S. 175-178. 179 Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 170 ff. und 395 f. 180 Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 170 ff.

III. Maßnahmen zur Verhinderung des Wuchers

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Zahlreiche Wettbewerbsteilnehmer plädierten für deren Einrichtung durch die Obrigkeit und strebten die flächendeckende Verbreitung dieser Banken im gesamten Staatsgebiet an.181 Dadurch wollten sie verhindern, dass Darlehenssuchende auf vermögende Untertanen als Geldgeber angewiesen waren und aus diesem Grund jede Kreditbedingung bereitwillig akzeptierten. Statt dessen sollte ihnen der Ausweg offen stehen, die begehrten Gelder bei einer der öffentlichen Anstalten gegen eine moderate Gegenleistung, die regelmäßig mit Zinsen in Höhe von vier bis sechs Prozent angegeben wurde, zu erlangen.182 Während die Forderung nach staatlichen Banken im absolutistischkameralistischen Wucherdiskurs die Bereitstellung zinsgünstiger Kredite allein für die Wirtschaft bezweckte, hielt man in den Preisschriften an dieser Beschränkung des Kreises potentieller Darlehensnehmer überwiegend nicht fest. Vielmehr sollte jedem Kreditwilligen die Möglichkeit eingeräumt werden, in ___________ 181 Sonnenfels, Uiber die Aufgabe (Anm. 59), S. 35-72; Anonymus, Gedanken über die Preisfrage (Anm. 14), S. 8 ff.; Entnersfeld, Wettschrift (Anm. 59), S. 48-57; Wiesiger, Beantwortung der Fragen (Anm. 59), S. 21, 73-79; Hinze, Einige Materialien (Anm. 59), Sp. 92 f.; Rieselbach, Freymüthige Gedanken (Anm. 59), S. 39-48; Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 302, 309-315; Anonymus, Beyträge zur Beantwortung der Frage (Anm. 59), S. 59-67; Paulsen, Rathschlag über den Wucher (Anm. 59), S. 61 ff.; Anonymus, Was ist Wucher? (Anm. 59), S. 41-56; Lang, Ein Votum über den Wucher (Anm. 59), S. 178-182; Anonymus, Abhandlung über den Wucher (Anm. 59), S. 299; Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 211-219; Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 198-209; Noscovius, Beantwortung der Frage (Anm. 59), S. 30-34; Anonymus, Ueber die Zulässigkeit des Geldwuchers (Anm. 59), S. 22; vgl. auch Vasco, L’ usura libera (Anm. 59), S. 215-218, der ebenfalls Leihbanken billigte. – Nur Schwabe, Was ist Wucher? (Anm. 2), S. 75 sprach sich unter Hinweis auf die damit verbundenen Kosten gegen solche Banken aus. Anonymus, Rezension über Noscovius, Beantwortung der Frage: Was ist Wucher? Und: durch welche Mittel ist demselben ohne Strafgesetze am Besten Einhalt zu thun? Eine Concurrenz-Schrift, als Sr. kaiserlich-königliche Majestät, Joseph der Zweite, diese Frage gegen den 1sten May 1790 zu beantworten, aufgegeben hatte, solches aber nicht erlebte, in: Neue allgemeine deutsche Bibliothek, 1797, S. 367-370, hier: S. 368 f. hielt die Forderung nach öffentlichen Kreditanstalten, ebenso wie die meisten anderen von Noscovius auch, hingegen für schlichtweg überflüssig, da diese hinreichend bekannt sei und zudem in den meisten Staaten bereits ihre Umsetzung gefunden habe. Einen Mangel an neuen Vorschlägen konstatierte auch Anonymus, Rezension über Roth, Juristischpolitische Abhandlung über den Wucher und die Mittel demselben ohne Strafgesetze Einhalt zu thun – auch eine Beantwortung der Wiener Preißfrage, in: Ergänzungsblätter zur Allgemeinen Literatur-Zeitung, 1805, Sp. 190-191, hier: S. 190. 182 Sonnenfels, Uiber die Aufgabe (Anm. 59), S. 45: vier Prozent; Rieselbach, Freymüthige Gedanken (Anm. 59), S. 40, 46: bei Bestehen einer Kreditsicherheit vier, sonst sechs; Paulsen, Rathschlag über den Wucher (Anm. 59), S. 63: viereinhalb bei hypothekarischem Kredit, sonst fünf; Anonymus, Abhandlung über den Wucher (Anm. 59), S. 299 und Lang, Ein Votum über den Wucher (Anm. 59), S. 181: fünf; Entnersfeld, Wettschrift (Anm. 59), S. 50: bei Bestehen einer Kreditsicherheit fünf, sonst sechs; Anonymus, Was ist Wucher? (Anm. 59), S. 50 und Vasco, L’ usura libera (Anm. 59), S. 216 f.: sechs. – Allein Wiesiger, Beantwortung der Fragen (Anm. 59), S. 76, der je nach Kreditsicherheit zwischen acht und neun vorschlägt, fällt aus diesem Rahmen.

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den Genuss eines geringverzinslichen Darlehens zu kommen.183 Neben der Sicherstellung einer ausreichenden Anzahl an Kreditanstalten und dem Verzicht auf Einschränkungen des Begünstigtenkreises maßen die Wettbewerbsteilnehmer der Geheimhaltung von deren Inanspruchnahme einen erheblichen Stellenwert bei. Denn aus ihrer Sicht nahmen die meisten Geldsuchenden eher wucherische Zinsen in Kauf, als öffentlich ihre Geldknappheit bekannt werden zu lassen. Damit die Unterstützungsbedürftigen nicht diese Banken aus Angst davor mieden, dass ihre Mitbürger von den Geldsorgen erfahren könnten, sollten deren Bedienstete einer strikten Verschwiegenheitspflicht unterliegen.184 Aufmerksamkeit schenkte man zudem der Frage, woher der Staat das für die Errichtung einer Kreditanstalt in jeder größeren Stadt erforderliche Geld nehmen sollte. Angesichts der zu jener Zeit desolaten Haushaltslage185 Österreichs verwundert es nicht, dass die Teilnehmer der Preisfrage verstärkt nach Möglichkeiten suchten, mit denen sich diese obrigkeitliche Aufgabe finanzieren ließ. Dabei zählte z.B. der Verkauf von Ämtern186 durch den Staat ebenso zum ___________ 183 Das Nichtbestehen einer Einschränkung betonten ausdrücklich: Rieselbach, Freymüthige Gedanken (Anm. 59), S. 39 f.: „Hiebei müßte jedoch in Ansehung des Entlehners, keine Ausnahme statt finden; sondern [...] jeder, der sich als beständiger Einwohner im Staate auszuweisen vermag, müste [...] Geld erborgen können. Denn, sollte hierinfalls eine Ausnahme statt finden, daß nämlich nicht an jedermann [...] dargeliehen werden wollte, so bliebe noch immer der drückendeste Theil der Wucherei, das ist jener, der eben die dürftigste Klasse der Menschen betrift, unbeschränkt“; Anonymus, Abhandlung über den Wucher (Anm. 59), S. 299; Wiesiger, Beantwortung der Fragen (Anm. 59), S. 73; ähnlich zudem Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 214 f. und Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 311 f. – Eine Ausnahme bilden Sonnenfels, Uiber die Aufgabe (Anm. 59), S. 35, 41 und Paulsen, Rathschlag über den Wucher (Anm. 59), S. 61, die weiterhin nur die Wirtschaft unterstützt wissen wollten, um Wucherkontrakte zu verhindern. 184 Anonymus, Was ist Wucher? (Anm. 59), S. 55; Noscovius, Beantwortung der Frage (Anm. 59), S. 33; Anonymus, Beyträge zur Beantwortung der Frage (Anm. 59), S. 59; Paulsen, Wucherey (Anm. 113), S. 51. Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 215 forderte nur die Möglichkeit der Geheimhaltung der Banknutzung, ohne konkrete Vorkehrungen zu benennen. Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 208 f. wollte dem Kreditsuchenden eine anonyme Inanspruchnahme der Bank gestatteten. 185 Vgl. dazu Otruba, Wirtschaft und Wirtschaftspolitik (Anm. 36), S. 107 ff., 120 f.; ferner: Harm-Hinrich Brandt, Der österreichische „Staatsbankrott“ von 1811. Rechtliche Problematik und politische Konsequenzen, in: Gerhard Lingelbach (Hg.), Staatsfinanzen – Staatsverschuldung – Staatsbankrotte in der europäischen Staaten- und Rechtsgeschichte, Köln (u.a.) 2000, S. 55-65, hier: S. 58; Peter Berger, Finanzwesen und Staatswerdung. Zur Genese absolutistischer Herrschaftstechnik in Österreich, in: Herbert Matis (Hg.), Von der Glückseligkeit des Staates. Staat, Wirtschaft und Gesellschaft in Österreich im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus, Berlin 1981, S. 105136, hier: S. 113, 126; Max Reinitz, Das österreichische Staatsschuldenwesen von seinen Anfängen bis zur Jetztzeit, München und Leipzig 1913, S. 33, 40. 186 Anonymus, Ueber die Zulässigkeit des Geldwuchers (Anm. 59), S. 22 f., 26-29.

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Repertoire ihrer Empfehlungen wie die Nutzung des Vermögens der Kirchen,187 um das zur Kreditvergabe benötigte Geld zusammenzubringen. „Die Kirchen sind ohnehin oft reicher“, rechtfertigte der Verfasser der anonym erschienenen Preisschrift seinen Vorschlag, als es „nöthig und ersprießlich ist“, zumal die von ihm befürwortete Verwendung der Kirchengelder in seinen Augen am besten der mildtätigen Intention des Christentums entsprach.188 Nach dem Mainzer Juraprofessor und Hofgerichtsrat Johann Baptist Anzmann sollten demgegenüber die ein- und auswanderungswilligen Untertanen zur Kasse gebeten werden, um einige der Kosten des Bankbetriebs zu begleichen. Da ihnen die Obrigkeit die Befugnis einräume, das Staatsgebiet zu verlassen bzw. in dieses zu ziehen, hielt er es für angemessen, dass der Staatskasse im Gegenzug eine Abgabe zufloss.189 Andere Wettbewerbsteilnehmer wollten bei der Darlehensgewährung auf solche Gelder zurückgreifen, die gutsituierte Bürger zuvor bei der Bank anlegen und dafür Zinsen erhalten sollten.190 Hingegen warb Sonnenfels dafür, dass von ihm als immens kostenträchtig eingestufte Bankvorhaben – er bezifferte den Finanzbedarf mit vierzig Millionen Gulden – durch den Druck von Papiergeld, den sog. Bankozetteln, in derselben Höhe zu realisieren.191 Der Kreditwillige sollte dementsprechend, ebenso wie dies bereits Schröder am Ende des 17. Jahrhunderts befürwortet hatte,192 die von der Bank bewilligte Summe nicht in Edelmetallmünzen, sondern in Papiergeld ausbezahlt bekommen. Als ausreichende Deckung seiner Bankozettel betrachtete Sonnenfels dabei die Hypothek bzw. Pfandsicherheit, die der Darlehenssuchende der öffentlichen Anstalt einräumen müsse, wollte er einen Kredit ___________ 187

Anonymus, Beyträge zur Beantwortung der Frage (Anm. 59), S. 62 ff. Anonymus, Beyträge zur Beantwortung der Frage (Anm. 59), S. 63. 189 Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 205. 190 Lang, Ein Votum über den Wucher (Anm. 59), S. 181 f.; Noscovius, Beantwortung der Frage (Anm. 59), S. 30 f.; Entnersfeld, Wettschrift (Anm. 59), S. 49; Paulsen, Rathschlag über den Wucher (Anm. 59), S. 61, 63; Wiesiger, Beantwortung der Fragen (Anm. 59), S. 21; Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 216 f. – Anonymus, Rezension über Wiesiger, Beantwortung der Fragen: Was ist Wucher? Ist es gut ihn zu hemmen? und wodurch kann er gehemmt werden?, in: Allgemeine deutsche Bibliothek, 1792, S. 381-382, hier: S. 382 äußerte sich gegen diese Finanzierungsform, da sie das Geld außerhalb der Bank rar mache und dadurch dem Wucher noch Vorschub leiste. 191 Sonnenfels, Uiber die Aufgabe (Anm. 59), S. 36 f. und 40. Als Reaktion auf die Finanzpolitik Josephs II. zur Bestreitung der Militärausgaben, die durch den Türkenkrieg veranlasst wurden, erhöhte er diesen nach seiner Empfehlung in Bankozetteln in Umlauf zu setzenden Betrag später auf fünfzig Millionen, vgl. Osterloh, Joseph von Sonnenfels (Anm. 70), S. 192 f. – Laut Rieselbach, Freymüthige Gedanken (Anm. 59), S. 41 f. reichten fünf Millionen Gulden (wobei er allerdings Edelmetallgeld favorisierte) zur Finanzierung des Bankbetriebs, so dass ihm die Angabe von fünfzig Millionen als erheblich überhöht erschien. 192 S.o. unter Kap. 1, III. 1. b). 188

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erhalten.193 Auf diesem Wege komme der Staat nicht nur kostengünstig zu den Kreditbeträgen für die Bank, sondern schaffe zugleich die Grundlage für eine Tilgung seiner bisher angefallenen Schulden. Denn die vom Darlehensnehmer an die Kreditanstalt gezahlten Zinsen wollte er abzüglich der Unterhaltungskosten der Bank zum Abbau der Staatsschulden einsetzen, so dass die Habsburgermonarchie innerhalb von sechzig Jahren, so erwartete Sonnenfels enthusiastisch, schuldenfrei wäre.194 Weitaus weniger begeistert zeigte sich der österreichische Monarch, der den Vorschlag als „Hirngespinst“195 verwarf. Auch bei anderen Wettbewerbsteilnehmern, die sich mit der Empfehlung auseinander setzten konnten, da Sonnenfels seinen Beitrag zur Preisfrage lange vor Verstreichen der Bearbeitungsfrist veröffentlichte,196 stieß diese kaum auf positive Resonanz:197 Ihnen erschien die geforderte Menge an Bankozetteln von vierzig Millionen, die der Staat über die Darlehensvergabe der Bank in Umlauf setzten sollte, deutlich zu hoch.198 Denn Sonnenfels’ Mitbewerber in der Wucherpreisfrage hielten den Einsatz von Papiergeld nur dann für zweckmäßig, wenn es nicht „ohne alle Grenze noch Einschränkung fabrikmäßig producirt“199, sondern in moderater Anzahl dem Wirtschaftskreislauf zugeführt wurde. Diese Voraussetzung sah man dann als gewahrt an, wenn der Staat jederzeit den Umtausch der Bankozettel in die Edelmetallwährung garantieren konnte; andernfalls verfalle das Papiergeld an Wert.200 Gerade diese Folge befürchtete man also bei einer erheblichen Ver___________ 193 Sonnenfels, Uiber die Aufgabe (Anm. 59), S. 53 ff. – Anonymus, Rezension über Sonnenfels, Uiber die Aufgabe: Was ist Wucher? und: welches sind die besten Mittel demselben ohne Strafgesetze Einhalt zu thun?; in: Allgemeine Literatur-Zeitung, 1791, Sp. 469-474, hier: Sp. 472 f. bezweifelte, dass diese von Sonnenfels vorgeschlagene Deckung zureicht. 194 Sonnenfels, Uiber die Aufgabe (Anm. 59), S. 55-59. 195 Vgl. Osterloh, Joseph von Sonnenfels (Anm. 70), S. 193 f. 196 Das Vorwort ist datiert auf den 10. Juni 1789, als knapp drei Monate nach Bekanntgabe der Aufgabenstellung vergangen waren. – Nach Osterloh, Joseph von Sonnenfels (Anm. 70), S. 192 ist die Monographie auch noch im Juni publiziert worden. 197 Lang, Ein Votum über den Wucher (Anm. 59), S. 164 ff.; Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 308 ff.; Paulsen, Rathschlag über den Wucher (Anm. 59), S. 274 f., 282 ff.; Rieselbach, Freymüthige Gedanken (Anm. 59), S. 41 ff. – Zum Teil zustimmend äußerte sich hingegen Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 211-214. 198 Vgl. Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 310; Rieselbach, Freymüthige Gedanken (Anm. 59), S. 42 f.; Paulsen, Rathschlag über den Wucher (Anm. 59), S. 75, 274 f., 282 ff.; Lang, Ein Votum über den Wucher (Anm. 59), S. 164 ff. und 200. 199 Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 304. 200 Vgl. Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 302, 304 und 310. – Ohne Bezugnahme auf Sonnenfels betonten dies: Hinze, Einige Materialien (Anm. 59), Sp. 93; Entnersfeld, Wettschrift (Anm. 59), S. 55 ff.

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mehrung der Bankozettel, wie sie Sonnenfels befürwortete, zumal es schon bisher vorgekommen sei, so versicherte Entnersfeld, dass Staatskassen das Papiergeld nicht in bare Münze einzuwechseln vermochten.201 Ähnlich wie er stellte auch Paulsen bereits zum damaligen Zeitpunkt, also ohne die Ausgabe der von Sonnenfels vorgeschlagenen vierzig Millionen Bankozettel, eine „kleine Uebermenge“ davon im Umlauf fest.202 Bei einer erheblichen Aufstockung der Quantität würde das Papiergeld folglich, so warnte man, noch stärker als bisher an Wert einbüßen.203 Wirtschafts- und finanzpolitische Untersuchungen zur Geschichte der Habsburgermonarchie unter Maria Theresia und Joseph II. bestätigen diese Auffassung der Wettbewerbsteilnehmer. Da Österreich bereits 1762 mit der Ausgabe von Papiergeld begonnen hatte und die kursierende Menge in den folgenden Jahrzehnten erhöhte,204 verfügte man zur Zeit der Preisfrage bereits über ausgiebige Erfahrungen mit Papiergeld. Diese fielen nicht immer zum Besten des Staates aus: Vielmehr zeigten sich bereits, wie auch von Paulsen und Entnersfeld angenommen, Hinweise für einen Wertverlust des Papiergeldes. Um das Vertrauen der Untertanen in die Stabilität der Banknoten nicht zu gefährden, hielt Joseph II. daher ab den 1780er Jahren deren Ausgabe vor der Bevölkerung geheim.205 Er war mit diesem Vorhaben jedoch, wie die Eindrücke Entnersfelds und Paulsens beweisen, zumindest bei einigen Bürgern keineswegs erfolgreich.

2. Ausgabensenkung Während Sonnenfels die bestehende Schuldenlast des Staates zu dezimieren suchte, wollten andere Autoren die Untertanen von der Begründung neuer Schulden abhalten, damit wucherische Zinsvereinbarungen künftig nicht mehr zu Stande kommen konnten. Denn je weniger Darlehensverträge man insgesamt abschließe, so lautete ihre Überlegung, desto geringer falle unweigerlich ___________ 201

Entnersfeld, Wettschrift (Anm. 59), S. 55 f. Paulsen, Rathschlag über den Wucher (Anm. 59), S. 274. 203 Paulsen, Rathschlag über den Wucher (Anm. 59), S. 274 und 282 ff.; Entnersfeld, Wettschrift (Anm. 59), S. 55 f. befürchtete dies bei einer über acht Millionen Gulden liegenden Summe an Bankozetteln. 204 Roman Sandgruber, Österreich 1650-1850, in: Wolfram Fischer u.a. (Hg.), Handbuch der europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 4, Stuttgart 1993, S. 619687, hier: S. 684; Otruba, Staatshaushalt (Anm. 36), S. 208 f. und 213 ff.; ders., Die Wirtschaftspolitik Maria Theresias und Josephs II., in: Herbert Matis (Hg.), Von der Glückseligkeit des Staates. Staat, Wirtschaft und Gesellschaft in Österreich im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus, Berlin 1981, S. 77-103, hier: S. 81. 205 Otruba, Staatshaushalt (Anm. 36), S. 214 f.; ders., Die Wirtschaftspolitik (Anm. 204), S. 82. 202

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auch die Zahl wucherischer Kontrakte aus.206 Um dieses Ziel zu erreichen, setzten viele Preisschriften auf ein Eingreifen des Gesetzgebers, der den zulässigen Umfang von Ausgaben vorschreiben und dadurch sicherstellen sollte, dass die dem Einzelnen zur Verfügung stehenden Finanzmittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts ausreichten.207 Derartige Gesetze bildeten in den Obrigkeitsstaaten des 18. Jahrhunderts keine Seltenheit, sondern stellten ein häufig gebrauchtes Mittel zur Steuerung der Geldverwendung durch die Untertanen dar. Für nahezu jeden denkbaren Ausgabeposten normierte der Landesherr im Ancien Régime dementsprechend das erlaubte Maß und sah Strafen für den Übertretungsfall vor.208 Auch bei einigen Teilnehmern der Wucherpreisfrage fiel die Liste der empfohlenen Reglementierungen, mit denen sie Kreditaufnahmen vorzubeugen gedachten, recht umfangreich aus. So sollten Lotterien abgeschafft und das Spielen um Geld gänzlich verboten oder zumindest die erlaubten Spielverluste durch den Gesetzgeber beschränkt werden.209 Zudem plädierte man für eine Verringerung der Zahl der Feiertage, „weil ein Festtag ohne Kuchen und Braten von Vielen gar nicht gefeiert wird“210 und ein solcher Festtagsschmaus zu hohe Unkosten verursache, die Bürger zur Eingehung von Darlehensverträgen bewe___________ 206 Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 228; Entnersfeld, Wettschrift (Anm. 59), S. 22 f. und 30; Wiesiger, Beantwortung der Fragen (Anm. 59), S. 35. 207 Vgl. v.a. Entnersfeld, Wettschrift (Anm. 59), S. 22-30, 36-39, 41 ff.; Wiesiger, Beantwortung der Fragen (Anm. 59), S. 35 und 40-52. 208 Diethelm Klippel, Art. „Aufwandsgesetze“, in: Friedrich Jaeger (Hg.), Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 1, Stuttgart und Weimar 2005, Sp. 840-844, hier: Sp. 840 f.; Neithard Bulst, Zum Problem städtischer und territorialer Kleider-, Aufwands- und Luxusgesetzgebung in Deutschland (13.- Mitte 16. Jahrhundert), in: André Gouron (Hg.), Renaissance du pouvoir législatif et genèse de l’Etat, Montpellier 1988, S. 29-57, hier: S. 33; Michael Stolleis, Luxusverbote und Luxussteuern in der frühen Neuzeit, in: ders., Pecunia nervus rerum. Zur Staatsfinanzierung in der frühen Neuzeit, Frankfurt a.M. 1983, S. 9-61, hier: S. 9; Schmelzeisen, Polizeiordnungen (Anm. 20), S. 288 f. 209 Gegen Lotterien: Anonymus, Abhandlung über den Wucher (Anm. 59), S. 296; Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 230; Entnersfeld, Wettschrift (Anm. 59), S. 38 f.; Wiesiger, Beantwortung der Fragen (Anm. 59), S. 42 f.; Noscovius, Beantwortung der Frage (Anm. 59), S. 49 f. sprach sich für Abschaffung des Geldeinsatzes beim Lotto aus. Hinsichtlich anderer Spiele: Paulsen, Wucherey (Anm. 113), S. 29 ff.; ders., Rathschlag über den Wucher (Anm. 59), S. 65; Wiesiger, Beantwortung der Fragen (Anm. 59), S. 44 ff.; Noscovius, Beantwortung der Frage (Anm. 59), S. 4650; Entnersfeld, Wettschrift (Anm. 59), S. 36 ff.; Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 230; vgl. außerdem Vasco, L’ usura libera (Anm. 59), S. 239. – Zur Reglementierung des Spiels in der Frühen Neuzeit vgl. Josef Pauser, „Verspilen / ist kein Spil / noch Schertz“. Geldspiel und Policey in den österreichischen Ländern der Frühen Neuzeit, in: Karl Härter (Hg.), Policey und frühneuzeitliche Gesellschaft, Frankfurt a.M. 2000, S. 179-233; Stolleis, Luxusverbote (Anm. 208), S. 31 ff. 210 Wiesiger, Beantwortung der Fragen (Anm. 59), S. 41.

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ge.211 Um dies zu verhindern, sollte der Staat zudem nicht nur Volksfest- und Wirtshausbesuche seiner Untertanen einschränken,212 sondern auch das erlaubte Maß an Ausgaben bei Hochzeiten, Taufen und Begräbnissen festsetzen, da der Gastgeber sonst bei diesen Anlässen seine soziale Stellung zu demonstrieren suche, ohne die Kosten zu bedenken.213 Doch bildete der finanzielle Aspekt nicht der einzige Beweggrund, der für ein obrigkeitliches Einschreiten gegen übermäßigen Spiel- und Alkoholgenuss, häufige Feiertage und ausgedehnte Festlichkeiten angeführt wurde. Zur Vergeudung von Geld für solche Zwecke kam für einige Anhänger von Aufwandsgesetzen unter den Wettbewerbsteilnehmern ein Verlust wertvoller Zeit hinzu: Statt diese sinnvoll mit Arbeit zuzubringen, schwelge der Untertan allzu oft im Müßiggang, der in Übereinstimmung mit den absolutistisch-kameralistischen Staatswissenschaften214 als schädlich qualifiziert wurde.215 Neben diesen Anlässen zum Geldausgeben, die zumeist das gesellige Beisammensein betrafen, war den Befürwortern von Aufwandsgesetzen auch übergebührlicher Kleideraufwand ein Dorn im Auge, so dass sie zum Erlass von Kleiderordnungen aufriefen.216 Hinter dieser Forderung stand für Anzmann ___________ 211 Wiesiger, Beantwortung der Fragen (Anm. 59), S. 40 f. – Vgl. zu diesem Regelungsgegenstand der Aufwandsgesetze: Benno König, Luxusverbote im Fürstbistum Münster, Frankfurt a.M. 1999, S. 186 ff. 212 Vgl. Entnersfeld, Wettschrift (Anm. 59), S. 40-43; Wiesiger, Beantwortung der Fragen (Anm. 59), S. 41 f. – Zur Reglementierung der Feste und des Alkoholausschankes: Michael Stolleis, „Von dem grewlichen Laster der Trunckenheit“. Trinkverbote im 16. und 17. Jahrhundert, in: Gisela Völger (Hg.), Rausch und Realität. Drogen im Kulturvergleich, Bd. 1, Köln 1981, S. 98-105; ferner: ders., Luxusverbote (Anm. 208), S. 22-31; König, Luxusverbote (Anm. 211), S. 44 ff. 213 So bemerkte Wiesiger, Beantwortung der Fragen (Anm. 59), S. 48 f., dass „die Erfahrung für die Güte solcher Einschränkung [spricht], weil selten einer sein Vermögen dabei zu Rathe zieht. In der Regel frägt der Geringere, zuweilen auch der Höhere blos: wie feierte der, der mit mir gleiches Standes ist, seine Hochzeit? hat dieser zweihundert Thaler daran gewandt, so muß ich es auch thun, und sollte es meinen lezten Heller kosten; oder, es heißt: mein Nachbar war ein bloßer Bürger und er ließ für seine verstorbene Frau einen Sarg mit acht Handgriffen machen, und traktirte eine Begleitung von funfzehn Personen; ich bin Stadtverordneter, der Sarg meiner Frau muß mit sechzehn Handgriffen versehen sein, ihr Gefolge muß aus dreißig Personen bestehen“. – Vgl. dazu: König, Luxusverbote (Anm. 211), v.a. S. 25-43 und 196-201; Stolleis, Luxusverbote (Anm. 208), S. 18-22; ferner: Michael Frank, Exzeß oder Lustbarkeit? Die policeyliche Reglementierung und Kontrolle von Festen in norddeutschen Territorien, in: Karl Härter (Hg.), Policey und frühneuzeitliche Gesellschaft, Frankfurt a.M. 2000, S. 149-178. 214 S.o. unter Kap. 1, II., 1. zur Ablehnung des Müßigganges im Ancien Régime. 215 Wiesiger, Beantwortung der Fragen (Anm. 59), S. 40 ff.; Entnersfeld, Wettschrift (Anm. 59), S. 36 und 42 f.; Vasco, L’ usura libera (Anm. 59), S. 239. – Vgl. zur Reduzierung des Müßigganges als Motiv der Aufwandsgesetze: Pauser, Geldspiel und Policey (Anm. 209), S. 223 f.; König, Luxusverbote (Anm. 211), S. 186 f. 216 Entnersfeld, Wettschrift (Anm. 59), S. 26-29; Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 13 f., 183-187 und 191; Rieselbach, Freymüthige Gedanken

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nicht allein die Sorge, dass sich Bürger andernfalls finanziell übernehmen und daraufhin Kredite benötigen könnten. Vielmehr treffe ohne Kleiderordnungen zugleich den Staat ein gravierender Nachteil, sobald die von den Untertanen erworbenen kostspieligen Gewänder aus dem Ausland stammten, weil sodann das als Gegenleistung zu zahlende Entgelt dorthin floss.217 Er befürchtete also ebenfalls den Verlust erheblicher Geldbeträge an andere Staaten, wenn der Gesetzgeber nicht verhindere, dass der „deutsche Genius“ zum fremden Kleiderluxus griff und sich damit „am Gängelbande der Mode wie ein Kind von allen fremden Nazionen [...] herumführen läßt“218. Im Gegensatz zu Anzmann, für den die Fertigung der luxuriösen Kleiderwaren im Ausland deren ohnehin vorhandene Schädlichkeit nur verstärkte,219 wollten einige seiner Mitbewerber ausschließlich den vom Ausland stammenden Luxus unterbinden. Nur die Einführung fremder Luxusgüter bewerteten sie nämlich als abträglich für die Landesökonomie, da dies einer positiven Handelsbilanz entgegenstehe, während die Herstellung solcher Waren im Inland geradezu die Wirtschaft ankurbele. Denn dadurch fanden, so priesen sie die Vorteilhaftigkeit der im Inland erzeugten Prachtwaren als die „eigentliche Seele aller bürgerlichen Betriebsamkeit“220, viele Landesprodukte einen Abnehmer und stärkten so die einheimische Ökonomie.221 ___________ (Anm. 59), S. 26; Noscovius, Beantwortung der Frage (Anm. 59), S. 41 f.; Wiesiger, Beantwortung der Fragen (Anm. 59), S. 50 f. hielt Kleiderordnungen nur für weibliche Dienstboten ausreichend. – Vgl. zu dieser Regelungsmaterie von Polizeiordnungen insbesondere Liselotte Constanze Eisenbart, Kleiderordnungen der deutschen Städte zwischen 1350 und 1700. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte des deutschen Bürgertums, Göttingen (u.a.) 1962; außerdem: König, Luxusverbote (Anm. 211), S. 5662. 217 Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 186 f.; ähnlich allgemein für Luxus: Entnersfeld, Wettschrift (Anm. 59), S. 27 f. 218 Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 186. 219 Zur Ablehnung des inländischen Luxus: Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 13. 220 Anonymus, Was ist Wucher? (Anm. 59), S. 84; in diese Richtung auch: Sonnenfels, Wucher und Wuchergesetze (Anm. 67), S. 62: „Der Prachtaufwand vermehret die Erwerbungswege, ist die Quelle des Unterhalts für einen grossen, für den ganzen Theil der arbeitenden Klasse, welcher bei dem blossen Bedürfnisaufwande nicht beschäftiget seyn würde“. 221 Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 201 f.; Anonymus, Was ist Wucher? (Anm. 59), S. 84; Sonnenfels, Wucher und Wuchergesetze (Anm. 67), S. 62 f.; ders., Grundsätze der Polizey, Handlung und Finanz, 8. Aufl., Bd. 2, Wien 1822, S. 14 ff. – Vgl. zu dieser differenzierten Beurteilung von in- und ausländischen Luxusgütern: Klippel, Art. „Aufwandsgesetze“ (Anm. 208), Sp. 842 f.; ders., Luxus (Anm. 5), S. 330 f.; Neithard Bulst, Vom Luxusverbot zur Luxussteuer. Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Aspekte von Luxus und Konsum in der Vormoderne, in: Michael Prinz (Hg.), Der lange Weg in den Überfluss. Anfänge und Entwicklung der Konsumgesellschaft seit der Vormoderne, Paderborn (u.a.) 2003, S. 47-61, hier: S. 52 und 56 f.; Ro-

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Ganz auf Kleiderordnungen und die Festlegung eines Höchstmaßes bei anderen Ausgabeposten verzichtete hingegen nur ein Wettbewerbsteilnehmer: Johann Arnold Günther sprach sich statt dessen – ebenso wie vor ihm bereits die deutschsprachigen Physiokraten222 – für eine verbesserte Bildung der Bürger in puncto „Geld-Wirthschaft“ aus.223 Diese sei bislang sträflich vernachlässigt worden, konstatierte Günther und betrachtete es als notwendige Folge eines solchen Defizits, dass der Einzelne auch Ausgaben tätige, die sein Budget überhaupt nicht zuließ.224 Um dem künftig zuvorzukommen, müsse der Bürger von klein auf lernen, die Höhe seiner Ausgaben nach seinen Einnahmen zu bemessen und von Erwerbungen abzusehen, die nicht im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten lagen, sondern für ihn nur durch ein Darlehen bezahlbar waren.225 Diese Bildungsmaßnahmen sollten nicht nur den männlichen Abkömmlingen der höheren Stände, sondern allen Heranwachsenden zuteil werden. Denn eine „unwirthschaftliche verschwenderische Gattinn“, so rechtfertigte er die Einbeziehung der Mädchen, bringe selbst den Finanzetat des „frugalsten und industriösesten Mannes“ früher oder später ins Ungleichgewicht und führe unausweichlich zur Kreditaufnahme.226 Nicht minder wichtig hielt er diese Kenntnisse für die niederen Stände, deren Schulunterricht sich aber bisher, so bemängelte Günther, auf „bloß mechanische Uebungen im Schönschreiben und in der Rechnungs-Fertigkeit“227 beschränke.228 In Zukunft sollte daher zusätzlich die bedachte Haushaltung mit den eigenen finanziellen Mitteln gelehrt

___________ man Sandgruber, Massenproduktion und Ausdehnung des Marktes. Am Beispiel des Textilienmarktes in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in: Herbert Matis (Hg.), Von der Glückseligkeit des Staates. Staat, Wirtschaft und Gesellschaft in Österreich im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus, Berlin 1981, S. 211-233, hier: S. 219-225. 222 Zur physiokratischen Sicht, die Bildung und nachahmungswürdige Beispiele gegenüber Aufwandsgesetzen präferierte, vgl. Klippel, Luxus (Anm. 5), S. 339 f. 223 Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 319-335. Christian Ulrich Detlev von Eggers, Ueber den Wucher und die Mittel demselben Einhalt zu thun, in: Deutsches Magazin, 1795, S. 543-605, hier: S. 568 f., der die Abhandlung zwar nach eigenen Angaben 1788 und damit vor Ausschreibung der Preisfrage schrieb, aber sich gleichwohl stark an ihre Aufgabenstellung anlehnte, wollte die Aufwandsgesetze durch das gute Beispiel des Regenten ersetzen und dadurch die Untertanen zu dessen Übernahme veranlassen. 224 Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 320 ff. und 325 ff. 225 Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 328-333. 226 Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 325 für die höheren Stände. – Ähnlich auch auf S. 326 f. für den Mittelstand und die niedrigsten Stände. 227 Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 333. 228 Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 326 f., 333 f.

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werden, die dem Bürger überdies auch außerhalb der Schule – durch Bücher und Schauspiele – zu vermitteln sei.229 Obwohl Günther der Einzige unter den Teilnehmern der Preisfrage blieb, der in der Erziehung zur Sparsamkeit das alleinige Mittel gegen übermäßige Ausgaben erblickte, finden sich ähnliche Vorschläge auch bei den Anhängern von Aufwandsgesetzen. Sie sprachen sich ebenfalls dafür aus, die Untertanen durch entsprechenden Unterricht, Lesebücher und Schauspiele, aber auch durch Ermahnungen der örtlichen Obrigkeiten und Kirchenvorsteher zum wirtschaftlichen Umgang mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Geld anzuhalten und vor einer leichtfertigen Eingehung von Schulden zu warnen.230 Allerdings maßen sie diesen Vorkehrungen im Unterschied zu Günther keine normersetzende, sondern eine die staatliche Reglementierung ergänzende Funktion bei. Um die Effektivität der Aufwandsgesetze noch zu erhöhen, appellierten deren Befürworter zudem an die höheren Stände, durch demonstrativen Verzicht auf Luxus den niederen Ständen mit gutem Beispiel voranzugehen. Denn sobald sie kostspieligen Anschaffungen entsagten, so nahm man optimistisch an, folge ihnen auch der Angehörige der niedrigeren Stände bereitwillig.231

3. Schutz von Verschwendern, Minderjährigen und Beamten Gegenüber Verschwendern, Minderjährigen und Beamten, die in den Augen der Wettbewerbsteilnehmer besonders häufig von wucherischen Vertragsinhalten betroffen waren,232 reichten ihnen indes die eben genannten Vorkehrungen zur Verminderung der Zahl der Kreditgeschäfte nicht aus. Vielmehr schlug man für diese Personengruppen zusätzliche Maßnahmen vor, die gewährleisten sollten, dass sie nicht einem wuchernden Darlehensgeber in die Hände fielen. Als ___________ 229

Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 333 ff. Entnersfeld, Wettschrift (Anm. 59), S. 31 f.; Noscovius, Beantwortung der Frage (Anm. 59), S. 43, 47, 52 f.; Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 185; Rieselbach, Freymüthige Gedanken (Anm. 59), S. 26 f. 231 Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 185: „Spielen Große mit Flittergold, wie soll sich der Geist unter ihnen einen edlern Schwung geben? wird die Größe in eitelm Prunk gesucht, wie kann vernünftige Frugalität bei der Stufenreihe der untern Stände in Hochschätzung kommen?“ sowie 188 f.: „[...] wie schön wird sie [die Bürgerin, K.L.] das reinliche aber dauerhafte weiße Leinenzeug finden, wenn sich die Dame von Ansehen darin putzet“; Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 230; Paulsen, Wucherey (Anm. 113), S. 31 f. und 44 f.; Noscovius, Beantwortung der Frage (Anm. 59), S. 42 f. und 46 f. 232 Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 25, 250-253, 256 f. (Minderjährige und Verschwender); Wiesiger, Beantwortung der Fragen (Anm. 59), S. 35 (Minderjährige), Anonymus, Was ist Wucher? (Anm. 59), S. 86 (Beamte); Schwabe, Was ist Wucher? (Anm. 2), S. 16, 21 und 78 (Beamte). 230

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Ursache des gesteigerten Handlungsbedarfs sah man bei Verschwendern deren ausschweifenden Lebensstil an, den „Unwirthschaftlichkeit und Verschleuderung des Seinigen“233 präge, so dass sie geradezu das Gegenteil des von den Teilnehmern der Wucherpreisfrage anvisierten Ideals des sparsamen Bürgers verkörperten. Um ihrem Hang zu übermäßigen Ausgaben ein Ende zu bereiten, plädierte selbst Günther, der im Übrigen von Aufwandsgesetzen absah, für ein Einschreiten des Gesetzgebers, das Verschwendern die Fähigkeit zur Eingehung wirksamer rechtsgeschäftlicher Verbindlichkeiten nehmen sollte.234 Es wurde mithin die Wiedereinführung der Prodigalitätserklärung angestrebt, die noch unter Maria Theresia zum Strafkatalog des Wuchergesetzes gezählt hatte.235 Joseph II. schaffte diese – obwohl nahezu alle Territorialrechte der deutschen Staaten im 18. Jahrhundert den Entmündigungsgrund der Verschwendung kannten236 – im Jahre 1788 ab.237 Während Verschwender aufgrund des ständigen Geldbedarfs nach Auffassung der Wettbewerbsteilnehmer zu den üblichen Vertragspartnern wuchernder Kreditgeber gehörten, treffe dies auf Minderjährige wegen deren geschäftlicher Unerfahrenheit zu.238 Damit diese sich nicht im Abschluss wucherischer Rechtsgeschäfte äußern konnte, sollte es ihnen ebenso wenig wie Verschwendern möglich sein, selbst wirksam Darlehensverträge abzuschließen.239 Zwar normierten das im Grundsatz bereits die bestehenden Partikularrechte der deutschen Staaten, indem sie – übereinstimmend mit dem römischen Recht – zur Wirksamkeit solcher Verträge von Minderjährigen das Einverständnis des ___________ 233 Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 360; ähnlich: Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 256 f. 234 Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 344 und 359 f.; Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 256 f.; Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen (Anm. 74), S. 192 f. Nur allgemein Vorkehrungen gegen Verschwender fordern, ohne konkrete Mittel zu benennen: Rieselbach, Freymüthige Gedanken (Anm. 59), S. 26; Paulsen, Rathschlag über den Wucher (Anm. 59), S. 83 f. 235 S.o. unter I., 1. 236 Roth, Art. „Verschwender“ (Anm. 25), Sp. 811; Beispiele für obrigkeitliche Verordnungsbestimmungen gegen Verschwender liefert Schmelzeisen, Polizeiordnungen (Anm. 20), S. 131 f. 237 Dazu I. 3. 238 Vgl. Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 251; Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 344. 239 Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen (Anm. 74), S. 192 f.; Anonymus, Gedanken über die Preisfrage (Anm. 14), S. 10; Wiesiger, Beantwortung der Fragen (Anm. 59), S. 70; Anonymus, Beyträge zur Beantwortung der Frage (Anm. 59), S. 75. – Rieselbach, Freymüthige Gedanken (Anm. 59), S. 24 f., Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 251 und Vasco, L’ usura libera (Anm. 59), S. 162 betonten, dass bereits das geltende Recht einen wirksamen Darlehensvertragsschluss durch Minderjährige verhindere.

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Vormunds verlangten.240 Von dieser Regel kannten indes, so gaben ein anonymer Teilnehmer der Wucherpreisfrage und Wiesiger zu bedenken, einige Partikularrechte – darunter das österreichische Recht – eine dem römischen Recht fremde Ausnahme: Danach führte die Minderjährigkeit eines Kontrahenten auch bei fehlender Einschaltung des Vormundes nicht zur Ungültigkeit des geschlossenen Vertrags, wenn er sich seinem gutgläubigen Vertragspartner gegenüber bewusst als volljährig ausgegeben hatte.241 Aus Sicht der beiden Autoren nutzten Darlehensgeber diese Bestimmung durchweg aus, um mit minderjährigen Kreditsuchenden wirksame – und häufig wucherische – Verträge zustande zu bringen. Denn hierzu genüge es, wenn der Kreditgeber auf die Aufnahme einer Volljährigkeitserklärung des minderjährigen Darlehensnehmers in die Vertragsurkunde hinwirke, um sich später sowohl auf die eigene Gutgläubigkeit als auch auf die durch seinen Vertragspartner verübte Täuschung berufen zu können. Zur Unterbindung dieser Vorgehensweise plädierten beide Wettbewerbsteilnehmer für die Abschaffung derartiger Regelungen: Minderjährige sollte vielmehr auch dann den Schutz der Gesetze – mit der Folge der Unwirksamkeit der von ihnen geschlossenen Darlehensverträge – genießen, wenn sie sich als volljährig geriert hatten.242 Wuchernde Darlehensgeber griffen bisher, so beklagten einige Teilnehmer der Preisfrage, aber nicht nur auf wahrheitswidrige Volljährigkeitserklärungen mit Erfolg zurück, um ihre minderjährigen Vertragspartner als volljährig erscheinen zu lassen und sich dadurch wirksame Vertragsansprüche gegen sie zu verschaffen. Gleiches erreiche man nämlich durch die Vorausdatierung der Vertragsurkunde auf den Zeitpunkt, in dem der bei Vertragsschluss tatsächlich noch minderjährige Darlehensnehmer volljährig wurde. Auch diesen Weg, die zum Schutz von Minderjährigen erlassenen Bestimmungen zu umgehen, sollte der Staat Kreditgebern zukünftig versperren.243 Während man mit dieser Forderung die Einhaltung des geltenden Minderjährigenrechts sicherstellen wollte, votierte Günther für dessen grundlegende Neukonzeption, um Kreditsuchende jugendlichen Alters vor Wuchergeschäften zu bewahren. Denn für ihn resultierte die Anfälligkeit dieser Gruppe von Darlehensnehmern für wucherische Verträge daraus, dass der Gesetzgeber vielen He___________ 240 Hans-Georg Knothe, Die Geschäftsfähigkeit der Minderjährigen in geschichtlicher Entwicklung, Frankfurt a.M. und Bern 1983, S. 148 ff. 241 Wiesiger, Beantwortung der Fragen (Anm. 59), S. 64; Anonymus, Beyträge zur Beantwortung der Frage (Anm. 59), S. 46 f. – Vgl. dazu: Knothe, Die Geschäftsfähigkeit der Minderjährigen (Anm. 240), S. 157 f. 242 Anonymus, Beyträge zur Beantwortung der Frage (Anm. 59), S. 46 f. und 75 f.; Wiesiger, Beantwortung der Fragen (Anm. 59), S. 62-70. 243 Anonymus, Gedanken über die Preisfrage (Anm. 14), S. 10 f.; Gravisi, Preisabhandlung (Anm. 59), 2. Teil, S. 92 f.

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ranwachsenden zu früh die Volljährigkeit einräume. Man entlasse sie mit Erreichen des Volljährigkeitsalters aus der Obhut ihrer Vormünder, so bemängelte Günther, unabhängig davon, ob sie einem selbständigen Auftreten im Rechtsverkehr schon gewachsen waren oder nicht.244 Die Volljährigkeit sollte also nicht eher erlangt werden, bevor der Einzelne tatsächlich imstande war, seine Angelegenheiten alleine zu regeln. Dieser Anforderung entspreche die gesetzlich vorgesehene Beendigung der Minderjährigkeit durch das Erreichen einer bestimmten Altersstufe nicht, weil sie die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des jungen Bürgers vollkommen unberücksichtigt lasse.245 Günther wollte daher an die Stelle einer starren Altersgrenze als Voraussetzung der Volljährigkeit eine vom Staat vorzunehmende Prüfung setzten, mit der festzustellen war, ob der jeweilige Jugendliche über einen hinreichenden Reifegrad verfügte, der ein bedachtes rechtsgeschäftliches Handeln erwarten ließ.246 Sie sollte im 24. Lebensjahr – das seit der Regierungszeit Maria Theresias in den deutschen Erblanden der Habsburgermonarchie auch das gesetzliche Volljährigkeitsalter bildete247 – von Amts wegen eingeleitet, aber bereits ab dem 18. Lebensjahr auf Antrag durchgeführt werden können. Günthers Ziel bestand also darin, Heranwachsenden mit einem verzögerten geistigen Reifeprozess im Vergleich zur gewöhnlichen Entwicklung die Erlangung der Volljährigkeit über das 24. Lebensjahr hinaus vorenthalten zu können. Sie waren nach seiner Auffassung zum eigenverantwortlichen rechtsgeschäftlichen Tätigwerden noch nicht in der Lage und dementsprechend auch besonders gefährdet, sich auf Wucherkontrakte einzulassen.248 Allerdings stieß Günthers Konzept zum Schutz Jugendlicher vor wucherischen Verträgen überwiegend auf Ablehnung,249 zu der er selbst die Vorlage ___________ 244

Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 343 ff. Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 343-346. 246 Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 348 ff. 247 Ursula Flossmann, Österreichische Privatrechtsgeschichte, 3. Aufl., Wien und New York 1996, S. 43; Knothe, Die Geschäftsfähigkeit der Minderjährigen (Anm. 240), S. 144. 248 Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 344: Erlangt der noch unreife Heranwachsende aufgrund der bisher geltenden Gesetze die volle Geschäftsfähigkeit, so sei er derjenige, der „auch bei den gründlichsten Anstalten, dem Wucher zu steuern, dennoch dem Wuchrer in die Hände fällt, und daß er durch unbesonnenes Verzehren, leichsinniges Aufborgen, und unüberlegte Eingehung verderblicher Contracte, auf alle Weise vervortheilt, und nicht selten ohne Rettung zu Grunde gerichtet wird“. 249 Nur Anonymus, Rezension über Günther, Versuch einer vollständigen Untersuchung über Wucher und Wucher-Gesetze und über die Mittel, dem Wucher ohne StrafGesetze Einhalt zu thun; in politischer, justizmäßiger und mercantilistischer Rücksicht, in: Würzburger gelehrte Anzeigen, 1791, S. 196-200, hier: S. 200 bezeichnete es als „vortrefflichen Vorschlag“; ablehnend äußerten sich demgegenüber: Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 121 f., 124, 143, 163 f.; Anonymus, Rezension über 245

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lieferte. Er rechnete nämlich mit dem Vorwurf, dass die Ablegung einer staatlichen Prüfung zum Erhalt der Volljährigkeit die Rechte des heranwachsenden Bürgers auf Freiheit und Eigentum missachte.250 Ein anonymer Rezensent verwarf dann auch prompt Günthers Vorschlag mit genau diesem Argument: Der Staat sei nicht befugt, dem Einzelnen im Fall des Nichtbestehens der Prüfung die Verfügungsgewalt über das Seinige länger vorzuenthalten und von ihm zu verlangen, sich weiterhin den Entscheidungen eines Vormunds unterzuordnen.251 Zur Entkräftung dieses von ihm erwarteten Einwands verwies Günther auf die Rechtmäßigkeit der Entmündigung, die in seinen Augen die weitaus schwerwiegendere Maßnahme darstellte. Sehe man darin keinen Verstoß gegen Freiheit und Eigentum des Bürgers, der auf diesem Wege die mit der Volljährigkeit erworbene Fähigkeit zur selbständigen Vornahme von Rechtsgeschäften einbüßte, müsse das erst recht für die von ihm befürwortete Prüfung gelten. Denn dem noch nicht zur Volljährigkeit gereiften jungen Bürger werde dadurch – anders als bei der Entmündigung – keine schon ausgeübte Befähigung genommen, sondern lediglich eine bislang überhaupt noch nicht erlangte zeitweilig vorenthalten.252 Bedenken erhob man indes nicht nur gegen die Recht-, sondern auch gegen die Zweckmäßigkeit der von Günther empfohlenen Reform des Minderjährigenrechts. So wandte Anzmann ein, dass der Rechtsverkehr Gewissheit über den Eintritt der Volljährigkeit benötige, die nur ein einheitlicher Volljährigkeitszeitpunkt, nicht aber das Günther’sche Modell gewährleiste.253 Er äußerte darüber hinaus Zweifel an der Ausführbarkeit des Vorschlags: Die Bewertung des intellektuellen Reifestandes sämtlicher Heranwachsender durch die Obrig___________ Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung über Wucher und WucherGesetze und über die Mittel, dem Wucher ohne Straf-Gesetze Einhalt zu thun; in politischer, justizmäßiger und mercantilistischer Rücksicht, in: Allgemeine Literatur-Zeitung, 1791, Sp. 479-485, hier: Sp. 483 ff.; Gustav Wilhelm Hugo, Ueber Wucher und Wuchergesetze. Einige Beyträge zu Herrn Lic. Günthers Schrift über diesen Gegenstand, in: Civilistisches Magazin, 1797, S. 137-195, hier: S. 190-195. 250 Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 349. 251 Anonymus, Rezension über Günther (Anm. 249), Sp. 483 f.: „Mit welchem Rechte kann der Staat seinem jungen Bürger, der die Jahre erreicht hat, wo Geist und Körper sich entwickelt haben, wo die Natur selbst ihn gleichsam emancipirt hat, die Disposition über sein Eigenthum noch länger vorenthalten, und ihm eine besondre Legitimation über seine Fähigkeit dazu abfodern? Ist es nicht genug, daß er fast den dritten Theil seines Lebens in einem Stande der Abhängigkeit, wo seine natürliche Freyheit durch den Willen und oft durch die Willkühr andrer beschränkt wird, zubringen muß“? 252 Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 349. 253 Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 121 f.: Die Gesetze bestimmen den Zeitpunkt „der Mündig- und Großjährigkeit, nicht als wenn es in der Gewalt der Gesetze stünde, den Augenblick zu bestimmen, an welchem der zu verbindlichen Handlungen nöthige Grad der Vernunft in dem Menschen einkehre, sondern um der sonst ewigen Ungewißheit des gesellschaftlichen Zwecks wegen Gränzen zu setzen“.

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keit erschien ihm nämlich nur in einem räumlich eng begrenzten Rahmen praktikabel, während ein derartiges Verfahren in jedem größeren Staat letztlich in einer „bloße[n] Formalität“ ende.254 In einer Rezension zu Günthers Preisschrift wurde zudem das Fehlen geeigneter Kriterien geltend gemacht, um die geistige Reifeentwicklung zweifelsfrei beurteilen zu können. Solcher Maßstäbe bedürfe es aber, damit der staatlichen Entscheidung über die Erteilung der Volljährigkeit nicht der Vorwurf der Willkürlichkeit anhafte.255 Für den Göttinger Juraprofessor Gustav Wilhelm Hugo bestand die Schwierigkeit der von Günther favorisierten individuellen Prüfung bereits darin, wie der Obrigkeit die hierfür erforderlichen zuverlässigen Informationen zur Kenntnis gelangen sollten. Denn die Menschen, die den Heranwachsenden am besten einzuschätzen vermochten – seine Eltern – sah er nicht als gewillt an, dem eigenen Sprössling das Fehlen der nötigen Reife zu attestieren und von Außenstehenden erwartete sich Hugo keine sachdienlichen Auskünfte.256 Angesichts dieser Einwände sprachen sich Günthers Kritiker für eine Beibehaltung des altersmäßig festgelegten Volljährigkeitstermins aus.257 Abgesehen von Jugendlichen und Verschwendern unterwarfen sich nach Auffassung der Wettbewerbsteilnehmer vor allem Beamte wucherischen Zinsen, da ihre schlechte Besoldung sie oftmals zu Kreditaufnahmen dränge, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können.258 Damit die Staatsdiener auf diesem Wege nicht an wuchernde Darlehensgeber gerieten, vertraten die Autoren zwei ganz unterschiedliche Lösungsansätze. Zum Teil plädierten sie dafür, Beamten die Eingehung von Schulden durch Kreditverbote zu untersagen bzw. ihnen Beschränkungen, die in Abhängigkeit von der Besoldungshöhe den maximalen Darlehensbetrag vorschrieben, aufzuerlegen.259 Andere strebten eine Verbesserung der finanziellen Situation der Staatsdiener an: Eine Anhebung ihrer Besoldungen durch den Staat oder zumindest die Gewährung von Vorschüs-

___________ 254

Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 163 f. Anonymus, Rezension über Günther (Anm. 249), Sp. 484 f. 256 Hugo, Ueber Wucher (Anm. 249), S. 194. 257 Hugo, Ueber Wucher (Anm. 249), S. 193 ff.; Anonymus, Rezension über Günther (Anm. 249), Sp. 484; Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 124 f. und 143. 258 Anonymus, Was ist Wucher? (Anm. 59), S. 86 f.; Anonymus, Gedanken über die Preisfrage (Anm. 14), S. 11 ff.; Entnersfeld, Wettschrift (Anm. 59), S. 33. – Dem widersprach Lang, Ein Votum über den Wucher (Anm. 59), S. 110: Die Beamten „empfangen ja ihre durchaus ansehnliche Besoldungen richtig und könnten gar wohl ihr Haushalten so einrichten, daß sie nichts zu leihen nöthig hätten“. 259 Schwabe, Was ist Wucher? (Anm. 2), S. 93 f.; Gravisi, Preisabhandlung (Anm. 59), 2. Teil, S. 99; Entnersfeld, Wettschrift (Anm. 59), S. 32. 255

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sen auf den Sold sollte der Geldverlegenheit der Beamten abhelfen und sie von wuchernden Kreditgebern fernhalten.260

4. Die Verringerung der Zahl wuchernder Darlehensgeber Die in den Preisschriften empfohlenen Mittel setzten indes nicht nur auf Seiten der Darlehensnehmer an, um dem Abschluss wucherischer Darlehensverträge entgegenzuwirken. Hinzu kamen Maßnahmen zur Senkung der Anzahl wuchernder Darlehensgeber, die sich viele von einer Verbesserung der moralischen Erziehung der Untertanen versprachen.261 Denn im Zustandekommen wucherischer Verträge zeige sich ein Mangel der Kreditgeber an sittlichem Empfinden, den Erziehungsmaßnahmen ausräumen sollten.262 Deren Umsetzung sah man in erster Linie als Aufgabe der Kirche an und rief sie aus diesem Grund dazu auf, den Untertanen in Predigten nachdrücklich moralische Werte einzuschärfen.263 Damit insbesondere die jungen Bürger des Staates nicht zu gewissenlosen Wucherern heranwuchsen, sollten sie zusätzlich im Schulunterricht zur Tugendhaftigkeit angeleitet werden.264 An den Nutzen einer solchen verstärkten moralischen Unterweisung der Untertanen glaubten jedoch nicht alle Teilnehmer der Preisfrage: Eine Preisschrift aus dem Jahre 1791 diskreditierte sie vielmehr als Empfehlung von „philosophischen Theoristen“265, die an der Wirklichkeit völlig vorbeigehe. Deren Autor bezweifelte nämlich, dass die Ein___________ 260 Anonymus, Was ist Wucher? (Anm. 59), S. 87; Lang, Ein Votum über den Wucher (Anm. 59), S. 201; Anonymus, Gedanken über die Preisfrage (Anm. 14), S. 11 ff. 261 Paulsen, Rathschlag über den Wucher (Anm. 59), S. 67; Entnersfeld, Wettschrift (Anm. 59), S. 63 f.; Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 161; Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 182 und 188-194; Noscovius, Beantwortung der Frage (Anm. 59), S. 26 f.; Schwabe, Was ist Wucher? (Anm. 2), S. 75 f.; ähnlich nannte Keeß, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 65), S. 58 f. eine gute Erziehung zur Tugendhaftigkeit als Voraussetzung niedriger Zinsen. Vgl. zum Nutzen einer moralischen Erziehung auch Anonymus, Patriotische Winke (Anm. 59), S. 54 ff. und 76. 262 Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 182: „Wenn durch zweckmäsige Erziehungs- und andere Anstalten der Wille des Menschen gebessert, und seinen bösen und schädlichen Neigungen ihre verderbliche Kraft benommen wird; so werden alle diejenigen, welche eine so gute moralische Bildung erhalten haben, weit entfernt seyn, wuchern zu wollen“; Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 161; Entnersfeld, Wettschrift (Anm. 59), S. 63 f. 263 Entnersfeld, Wettschrift (Anm. 59), S. 64; Schwabe, Was ist Wucher? (Anm. 2), S. 75 f.; in diese Richtung auch Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 190-193 und Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 161, indem sie die Bedeutung der Religion zur Behebung moralischer Defizite betonen. 264 Schwabe, Was ist Wucher? (Anm. 2), S. 75 f.; Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 194; Noscovius, Beantwortung der Frage (Anm. 59), S. 26 f. will auch Erwachsene einbeziehen. 265 Anonymus, Was ist Wucher? (Anm. 59), S. 88.

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prägung sittlicher Tugenden tatsächlich zum Rückgang des Zinswuchers führe.266 Doch selbst wenn man diesen Erziehungserfolg annehmen wollte, so fügte er hinzu, sei davon keine Abhilfe beim aktuellen Wucherproblem zu erwarten, da sich Menschen nicht von heute auf morgen, sondern allenfalls in mehreren Generationen besserten.267 Diese Abhilfe erhofften sich die Verfechter solcher Erziehungsmaßnahmen aber nicht ausschließlich von deren Durchführung, da der Mangel an moralischen Werten für sie nicht die einzige Ursache darstellte, die aus Darlehensgebern Wucherer machte. Weitere betrafen die Juden, die man als Begründer des Wucherhandels – mit dem sie sodann „auch andere Völker, insonderheit Christen, als eine epidemische Krankheit angesteckt“268 hätten – und als dessen Hauptvertreter betrachtete.269 Die Entwicklung des Zinswuchers zur Domäne der Juden beruhte aus Sicht der Wettbewerbsteilnehmer darauf, dass ihnen in den meisten deutschen Staaten einerseits der Zugang zu vielen Erwerbstätigkeiten verschlossen bleibe und man ihnen andererseits höhere Abgaben als anderen Einwohnern des Staats abverlange.270 Daher erschien es den Autoren nicht verwunderlich, dass sich die Juden in den wenigen ihnen zur Einkommenserzielung offen stehenden Wegen – dem Kreditgewerbe und dem Handel – den größtmöglichen Verdienst zu verschaffen suchten.271 Den durch Juden verübten Wucher sah man somit als Ausdruck von deren finanziell auswegloser Lage an: Bei schlecht laufendem Handel seien sie nämlich, so Wiesiger, „zu wucherli___________ 266 Anonymus, Was ist Wucher? (Anm. 59), S. 88: Der Vorschlag hat den „Fehler, daß er für keinen wirklichen, sondern nur für einen eingebildeten Staat gehört“; das Argument übernimmt Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen (Anm. 74), S. 194. 267 Anonymus, Was ist Wucher? (Anm. 59), S. 88 konstatierte, „daß die Ausführung eines solchen Vorschlags, wenn wirklich dessen Möglichkeit denkbar wäre, wenigstens einen Zeitraum von einem Jahrhundert erforderte“; ebenso: Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen (Anm. 74), S. 194. 268 Noscovius, Beantwortung der Frage (Anm. 59), S. 55. 269 Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 165: „Kein Volk ist dem Wucher mehr ergeben als das jüdische“; Wiesiger, Beantwortung der Fragen (Anm. 59), S. 31: Die Juden „haben die Gewerbe der Uebervortheilung so weit getrieben, daß sie zum Sprüchwort geworden sind, denn man nennt einen Zinsenfuß jüdisch, wenn man sagen will, daß er widerrechtlich hoch sei, und so viel ist wenigstens den Gerichtshöfen bekannt, daß die meisten Wuchrer Juden sind“ und S. 61: „Vorzüglich macht der Auswurf der jüdischen Nation dieses ehrlose Geschäft des Wuchers noch jetzt zu seinem Hauptgeschäft“; vgl. ferner: Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 243 f.; Schwabe, Was ist Wucher? (Anm. 2), S. 16. – Ähnlich auch schon: Eggers, Ueber den Wucher (Anm. 223), S. 575. 270 Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 245 f.; Wiesiger, Beantwortung der Fragen (Anm. 59), S. 32; Noscovius, Beantwortung der Frage (Anm. 59), S. 55. 271 Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 245 f.; Noscovius, Beantwortung der Frage (Anm. 59), S. 55; Wiesiger, Beantwortung der Fragen (Anm. 59), S. 32.

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chen Geschäften zu schreiten gezwungen [...], wenn sie nicht Reisende auf der Landstraße plündern oder in Häuser einbrechen wollen“272. Um dem zuvorzukommen, sollte der Staat verhindern, dass die Juden weiterhin auf die Ausbedingung hoher Darlehenszinsen zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts angewiesen waren und ihnen die Betätigung in mehr Wirtschaftszweigen als bisher gestatten.273 Während Roth und Wiesiger an diese Erlaubnis keine Bedingungen knüpften, wollten andere Teilnehmer der Wucherpreisfrage sie nicht ohne Weiteres gewähren. So mussten den Juden aus Sicht von Anzmann zunächst einmal christliche Moralvorstellungen beigebracht und sie dadurch zu „unschädlichen Gliedern der Gesellschaft“274 umerzogen werden, bevor man ihre soziale Stellung aufwerten und sie zu den Erwerbstätigkeiten zulassen könne, die Christen ausübten. Er hielt es deswegen für voreilig, wenn man sogleich ein „Klaglied über die harte Behandlung der Juden anstimmen“275 und diesen nach seiner Einschätzung unerlässlichen Zwischenschritt überspringen wollte. Erst wenn die „Auswüchse“276 des jüdischen Glaubens beseitigt und christliche Wertanschauungen bei ihnen gefestigt seien, hielt er es für angebracht, sie auch in allen Erwerbszweigen der Christen zuzulassen.277 Dann aber bestehe für sie, so resümierte Anzmann, kein Anlass mehr zum Abschluss wucherischer Darlehensverträge: „Steht den Juden der Weg zum Ackerbau, zu den Handwerkern, zu Künsten und Wissenschaften offen, warum sollten sie nicht lieber darin, als in dem schändlichen Wucher ihren Unterhalt suchen, zu welchen sie oft durch Ausschließung ehrbarer Erwerbarten genöthiget werden?“278 Ebenso wie Anzmann wollte auch der Stendaler Prediger Adam Friedrich Erdmann Noscovius die „Theilnehmung der Juden an bürgerli___________ 272

Wiesiger, Beantwortung der Fragen (Anm. 59), S. 32. Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 245 f.; Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 171 f.; Noscovius, Beantwortung der Frage (Anm. 59), S. 55; Paulsen, Wucherey (Anm. 113), S. 45; Wiesiger, Beantwortung der Fragen (Anm. 59), S. 32, zustimmend: Anonymus, Rezension über Wiesiger, Beantwortung der Fragen: Was ist Wucher? Ist es gut ihn zu hemmen? und wodurch kann er gehemmt werden?, in: Allgemeine Literatur-Zeitung, 1791, Sp. 485-486, hier: Sp. 485; Eggers, Ueber den Wucher (Anm. 223), S. 550 f. und 573-576. – Schwabe, Was ist Wucher? (Anm. 2), S. 93 f. sprach sich demgegenüber dafür aus, dass den Juden der Geldhandel erschwert werde, um dem durch sie verübten Wucher entgegenzuwirken. 274 Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 166. 275 Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 172. 276 Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 171. 277 Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 165 f. und 171 f. – Das Abhängigmachen der Rechtsverbesserung der Juden von solchen einschränkenden Voraussetzungen war im 18. und 19. Jahrhundert keineswegs unüblich, vgl. Rainer Erb und Werner Bergmann, Die Nachtseite der Judenemanzipation. Der Widerstand gegen die Integration der Juden in Deutschland 1780-1860, Berlin 1989, S. 28-36. 278 Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 172. 273

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chen Freiheiten und Beschäftigungen“279 nicht sofort eingeführt wissen. Vielmehr forderte Noscovius dies erst für die nachfolgende Generation; die zeitliche Verschiebung rechtfertigte er damit, dass die Juden angesichts ihrer bisherigen Erwerbsmöglichkeiten noch nicht an die Arbeit, sondern statt dessen an den Müßiggang gewöhnt seien.280 Anders als Anzmann und Noscovius genügte Roth eine Ausweitung der den Juden erlaubten Erwerbstätigkeiten nicht, um sie von wucherischen Kreditgeschäften abzubringen. Hinzukommen sollte sowohl eine Verringerung der von ihnen zu leistenden Abgaben als auch – weit über die bloße Anhebung ihrer wirtschaftlichen Situation hinausgehend –, dass man ihnen die von Christen genossenen bürgerlichen Rechte nicht mehr vorenthielt.281 So weit ging allerdings selbst Joseph II. nicht, dessen Judengesetzgebung die Wettbewerbsteilnehmer als vorbildlich lobten, da sie bereits weitaus mehr als die der anderen Staaten ihren Forderungen nach einem Abbau von Benachteiligungen der Juden gegenüber Christen gerecht werde.282 Diesen Abbau verwirklichte der österreichische Monarch in der Tat, so dass die jüdische Bevölkerung in der Habsburgermonarchie deutlich weniger Diskriminierungen als in anderen Obrigkeitsstaaten des 18. Jahrhunderts unterlag.283 Im Zuge der Reformbestrebungen erweiterte man auch die ihnen erlaubten Berufe,284 damit sich die Juden als Arbeitskräfte in der einheimischen Wirtschaft für den aufgeklärt-absolutistischen Staat als nützlich erwiesen.285 Auf die Juden als Einnahmequelle wollte hingegen auch ___________ 279

Noscovius, Beantwortung der Frage (Anm. 59), S. 55. Noscovius, Beantwortung der Frage (Anm. 59), S. 54 f. 281 Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 245 und 249: Die „verstärkte Neigung der Juden zur Betrügerey und zum Wucher, wird bloß durch die allgemeine bürgerliche Verbesserung der jüdischen Nation, insonderheit aber dadurch vertilget werden können, daß man die Juden der Bekleidung gewisser Ehrenstellen, Ablegung gültiger Zeugnisse u. s. w. für fähig erklärt, und ihnen überhaupt die Rechte des Bürgers nicht mehr versagt“; in diese Richtung auch kurz vor der Preisfrage: Eggers, Ueber den Wucher (Anm. 223), S. 574 f. 282 Wiesiger, Beantwortung der Fragen (Anm. 59), S. 32; Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 247. 283 Rudolf Hoke, Österreichische und Deutsche Rechtsgeschichte, 2. Aufl., Wien (u.a.) 1996, S. 264-268; Christoph Link, Die Verwaltung in den einzelnen Territorien, in: Kurt G. A. Jeserich u.a. (Hg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 1: Vom Spätmittelalter bis zum Ende des Reiches, Stuttgart 1983, S. 468-552, hier: S. 539-542; ferner: Dietmar Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte. Vom Frankenreich bis zur Wiedervereinigung Deutschlands, 5. Aufl., München 2005, S. 251 f. 284 Hoke, Rechtsgeschichte (Anm. 283), S. 268; Josef Karniel, Zur Auswirkung der Toleranzpatente für die Juden in der Habsburgermonarchie im josephinischen Jahrzehnt, in: Peter F. Barton (Hg.), Im Zeichen der Toleranz, Wien 1981, S. 203-220, hier: S. 203 ff. 285 Vgl. Wolfgang Häusler, Toleranz, Emanzipation und Antisemitismus. Das österreichische Judentum des bürgerlichen Zeitalters (1782-1918), in: Anna Drabek u.a. (Hg.), Das österreichische Judentum. Voraussetzungen und Geschichte, 3. Aufl., Wien 280

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Joseph II. nicht verzichten, so dass er das von ihnen für die Aufenthaltsbefugnis im Staatsgebiet zu entrichtende Schutzgeld beibehielt,286 das Roth zu den übermäßigen Abgabenlasten der Juden zählte, deren Senkung er anstrebte.287

5. Die Begrenzung der Wechselfähigkeit auf den Handelsstand Auch zur Unterbindung des durch Juden verübten Wuchers sahen die Wettbewerbsteilnehmer dringenden Reformbedarf beim Wechsel, dem bereits die Kirche argwöhnisch gegenüberstand, weil sich dieser besonderer Beliebtheit erfreut hatte, um Kreditgebern entgegen dem kanonischen Zinsverbot Darlehenszinsen zu gewähren.288 Sie ließen sich nämlich unauffällig im Wechselkurs verbergen, wenn man den Wechsel nicht seinem Entstehungszweck entsprechend zur Begleichung von Verbindlichkeiten in fremder Währung einsetzte, sondern – als sog. eigener bzw. trockener Wechsel – alle Zahlungen nur zwischen den beiden Parteien des Wechselvertrages in ein und derselben Währung erfolgen sollten. Die Kursfestsetzung erfüllte somit beim eigenen Wechsel nicht die ihr sonst zukommende Funktion, das Umrechnungsverhältnis zwischen den unterschiedlichen Währungen auszudrücken, sondern bestimmte die Höhe der Darlehenszinsen.289 Angesichts solcher Erfahrungen mit dem Wechsel unter Geltung des kanonischen Zinsverbots verwundert es nicht, dass er auch in das Blickfeld der Teil___________ und München 1988, S. 83-140, hier: S. 83-87; Gernot Kocher, Rechtsverständnis und Rechtsreformen im aufgeklärten Absolutismus Österreichs, in: Erich Zöllner (Hg.), Österreich im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus, Wien 1983, S. 54-70, hier: S. 69 f.; Karniel, Toleranzpatente (Anm. 284), S. 210 f. 286 Hoke, Rechtsgeschichte (Anm. 283), S. 268. 287 Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 245. 288 Neumann, Geschichte des Wuchers (Anm. 20), S. 428-432. Vgl. Kurt von Pannwitz, Die Entstehung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung, Frankfurt a.M. (u.a.) 1999, S. 26, 32, 38-44, 49, 51; ferner: Mathias Schmoeckel, Rechtsgeschichte der Wirtschaft, Tübingen 2008, S. 99; Giuseppe Felloni, Kredit und Banken in Italien, 15.-17. Jahrhundert, in: Michael North (Hg.), Kredit im spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Europa, Köln und Wien 1991, S. 9-23, hier: S. 16; Ernst Klein, Deutsche Bankengeschichte, Bd. 1: Von den Anfängen bis zum Ende des alten Reiches (1806), Frankfurt a.M. 1982, S. 38. 289 Raymond de Roover, What Is Dry Exchange? A Contribution to the Study of English Mercantilism, in: Julius Kirshner (Hg.), Business, Banking, and Economic Thought in Late Medieval and Early Modern Europe, Chicago und London 1974, S. 183-199, hier: S. 185 und 194-199; ders., New Interpretations of the History of Banking, in: Julius Kirshner (Hg.), Business, Banking, and Economic Thought in Late Medieval and Early Modern Europe, Chicago und London 1974, S. 200-238, hier: S. 210213; vgl. ferner: Pannwitz, Entstehung (Anm. 288), S. 42 f., 49, 51; Felloni, Kredit und Banken (Anm. 288), S. 12.

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nehmer der Wucherpreisfrage geriet. So stellte der eigene Wechsel für Anzmann noch immer „blos der Deckmantel des Wuchers“290 dar, mit dem sich Darlehensgeber mühelos Gewinne weit über dem gesetzlichen Zinsmaximum verschaffen konnten. Allerdings änderte sich die Erklärung, die man für diese wucherbegünstigende Wirkung des Wechsels angab: Sie wurde nunmehr darin gesehen, dass der Wechsel einen Vorausabzug der Zinsen von der überlassenen Darlehenssumme absichere. Denn das Wechselrecht halte den Schuldner unter Androhung von Arrest zur sofortigen Begleichung der im Wechsel verbrieften Forderung an und versage ihm dadurch die Geltendmachung von Einwendungen. Sobald man den Darlehensvertrag in die Wechselform kleide, verliere also der Darlehensnehmer das Recht, sich gegenüber dem Rückzahlungsbegehren seines Vertragspartners in Höhe des im Wechsel angegebenen Darlehensbetrags darauf zu berufen, diesen nie vollständig erhalten zu haben. Auch in einem solchen Fall müsse der Darlehensnehmer die gesamte nach dem Inhalt des Wechselbriefs geschuldete Kreditsumme zurückzahlen, so dass das Wechselrecht seinem Vertragspartner die Möglichkeit zur Erzielung wucherischer Gewinne – durch einen entsprechend hohen Vorausabzug – eröffne.291 Damit der Wechsel nicht auf diesem Wege wuchernden Kreditgebern zur Durchsetzung ihrer Forderungen verhalf, strebte man eine Einschränkung der Wechselfähigkeit an: Sie sollte nicht mehr jedem Bürger, sondern lediglich dem Kaufmann zukommen.292 Nur in seiner Person sah man nämlich die durch den Wechsel – wegen seines strengen, den Gläubiger schützenden Einwendungsausschlusses – erleichterte Erlangung von Krediten als vorteilhaft an. Diese benötige der Kaufmann zur Fortführung seiner Erwerbstätigkeit, so dass ihm dementsprechend die Fähigkeit gebühren sollte, Wechselverbindlichkeiten einzugehen. Ein solches Kreditbedürfnis sprach man hingegen anderen Untertanen bei gehöriger Einteilung ihrer finanziellen Mittel ab, so dass ihnen der leichte Erhalt eines Darlehens, den der Wechsel versprach, nicht nutze, sondern ___________ 290

Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 173. Vgl. Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 153 und 155; Anonymus, Beyträge zur Beantwortung der Frage (Anm. 59), S. 78 f.; Roth, Juristischpolitische Abhandlung (Anm. 59), S. 254; Lang, Ein Votum über den Wucher (Anm. 59), S. 145 f. 292 Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 253 ff.; Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 153 f. und 158; Anonymus, Beyträge zur Beantwortung der Frage (Anm. 59), S. 76 ff.; ohne die obige Begründung, sondern nur allgemein mit der Verhinderung wucherischer Kontrakte rechtfertigte Sonnenfels, Zu Herrn Hofraths von Keeß Abhandlung (Anm. 69), S. 34 diese Forderung. – Mit Lang, Ein Votum über den Wucher (Anm. 59), S. 145 f. billigte auch ein Kritiker der Wuchergesetze die Begrenzung der Wechselfähigkeit auf Kaufleute, da in allen anderen Fällen „immer eine wahrscheinliche Vermuthung“ verbleibe, dass der Darlehensnehmer „die Valuta bei weitem nicht gänzlich erhalten“. 291

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vielmehr schade: Denn die Fähigkeit zur Ausstellung von Wechseln berge für sie nur die Gefahr, an einen wuchernden Darlehensgeber zu geraten.293

6. Verzicht auf Anlagepflichten und Staatskredite Als Mittel gegen den Zinswucher griffen die Wettbewerbsteilnehmer zudem eine Empfehlung auf, die 1788 – und damit kurz vor der Preisfrage – von der Kompilationskommission an den Kaiser gerichtet worden war: Darin riet die Kommission zur Erhöhung der zirkulierenden Geldmenge, da die von Joseph II. statuierten Verpflichtungen zur Geldanlage beim Staat aus ihrer Sicht zu viele Kapitalien aus dem Umlauf gezogen hatten und es aufgrund dessen in der Habsburgermonarchie zu einem Anstieg des landesüblichen Zinsniveaus gekommen sei.294 Betroffen von den Anlagepflichten, die bei der Kompilationskommission auf Ablehnung stießen, waren neben Stiftungs- und Fideikommissgeldern auch die Kapitalien minderjähriger Waisen, die sog. Pupillargelder. Deren Einziehung rechtfertigte der Monarch – neben finanzpolitischen Erwägungen – mit der Waisen drohenden Gefahr des Vermögensverlustes, wenn ihr Vormund das Geld zur Kreditvergabe verwende. Um dies zu vermeiden, ordnete er die sichere Verwahrung der Pupillargelder in öffentlichen Kassen an;295 gleiches verfügte der österreichische Regent für Stiftungskapitalien.296 In die Staatskasse gingen zudem Fideikommissgelder ein, nachdem Joseph II. 1785 jedem Inhaber eines Familienfideikommisses, das in einem Grundstück bestand (sog. Realfideikommiss) die Befugnis gewährt hatte, es in ein auf Geld lautendes Fideikommiss umzuwandeln, um das Grundstück zu seinem freien Eigentum zu machen. Die Ausübung dieser Befugnis setzte bei schuldenfreien Realfideikommissen lediglich voraus, dass deren Inhaber einen dem objektiven Wert des Fideikommissgutes entsprechenden Geldbetrag beim Staat niederlegte.297 ___________ 293 Anonymus, Beyträge zur Beantwortung der Frage (Anm. 59), S. 76 ff.; Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 153-158; Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 254 f. 294 S.o. unter I. 3. sowie Keeß, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 65), S. 42. 295 Vgl. Philipp Harras von Harrasowsky, Der Codex Theresianus und seine Umarbeitungen, Bd. 4, Wien 1886, S. 104 ff. 296 Harrasowsky, Der Codex Theresianus (Anm. 295), S. 104. 297 Otto Fraydenegg und Monzello, Zur Geschichte des österreichischen Fideikommißrechtes, in: Berthold Sutter (Hg.), Reformen des Rechts. Festschrift zur 200-JahrFeier der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz, Graz 1979, S. 777808, hier: S. 789; Ignaz Beidtel, Geschichte der österreichischen Staatsverwaltung, Bd. 1, Innsbruck 1896 (Nachdruck: Frankfurt a.M. 1968), S. 319 f.; DominPetrushevecz, Rechtsgeschichte (Anm. 19), S. 124.

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Die dadurch bewirkte Ansammlung von Geld in den Staatskassen, das vorher im Wirtschaftskreislauf zirkulierte, war allerdings nicht nur der Kompilationskommission ein Dorn im Auge: Ihrer Kritik an der Pflicht zur Anlegung von Pupillar-, Stiftungs- und Fideikommissgeldern beim Staat schlossen sich auch einige Teilnehmer der Preisfrage an.298 Denn auf dem Wege verliere der Wirtschaftskreislauf, so gab man zu bedenken, beträchtliche Geldsummen, die Gravisi auf fast die Hälfte der bisher umlaufenden Geldmenge schätzte.299 Gerade die der Anlagepflicht unterliegenden Kapitalien habe man aber häufig zur Darlehensvergabe an Grundeigentümer genutzt und damit vor allem Landwirten über finanzielle Engpässe hinweggeholfen.300 Das Fehlen dieser Gelder führe also zugleich zu einer merklichen Verringerung der zur Verfügung stehenden Kredite, die sich in steigenden Zinsen widerspiegele. Um dem entgegenzuwirken, sollte der Staat die Pupillar-, Stiftungs- und Fideikommissgelder wieder in Umlauf setzten, anstatt sie weiterhin in öffentlichen Kassen zurückzuhalten.301 Zum Schutz der Kapitalien vor Verlust reiche es nämlich, so betonte Schwabe, wenn die Kreditgewährung durch eine Hypothek gesichert erfolge und die Höhe dieser Belastung nicht mehr als die Hälfte oder zwei Drittel des Grundstückswerts ausmache.302 Schwabe und andere Autoren brachten Familienfideikommisse aber nicht nur aufgrund solcher Anlagepflichten beim Staat mit einem Anstieg von Darlehenszinsen und wucherischen Rechtsgeschäften in Verbindung. Zum selben Ergebnis führe es, so warnte man, wenn der Gesetzgeber Kreditaufnahmen auf Realfideikommisse in weitem Umfang zulasse und mit der Gestattung des Einsatzes solcher Grundstücke als Kreditsicherheit zur erhöhten Inanspruchnahme ___________ 298

Unter den Gegner der Wuchergesetze sprachen sich gegen diese Anlagepflichten aus: Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 284 f.; Lang, Ein Votum über den Wucher (Anm. 59), S. 198 f. Unter den Befürwortern von Wuchergesetzen: Gravisi, Preisabhandlung (Anm. 59), 2, Teil, S. 25, 28 f.; Sonnenfels, Wucher und Wuchergesetze (Anm. 67), S. 68 ff., 73; Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen (Anm. 74), S. 187 f.; Schwabe, Was ist Wucher? (Anm. 2), S. 20 f., 71 f., 75, 80-84. 299 Gravisi, Preisabhandlung (Anm. 59), 2. Teil, S. 25; weniger konkret sprach Sonnenfels, Uiber die Aufgabe (Anm. 59), S. 12 von „so grossen dem allgemeinen Kreislaufe entgehenden Summen“ und Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen (Anm. 74), S. 187 von „unendlichen Summen“. 300 Schwabe, Was ist Wucher? (Anm. 2), S. 20; Sonnenfels, Wucher und Wuchergesetze (Anm. 67), S. 70 f. 301 Sonnenfels, Wucher und Wuchergesetze (Anm. 67), S. 68-73; Schwabe, Was ist Wucher? (Anm. 2), S. 74 f. und 80-84; Gravisi, Preisabhandlung (Anm. 59), 2, Teil, S. 25, 28 f.; Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 284 f.; Lang, Ein Votum über den Wucher (Anm. 59), S. 198 f. – Nach Roth, Juristischpolitische Abhandlung (Anm. 59), S. 216 f. und Anzmann, Betrachtungen über Wucher (Anm. 59), S. 204 f. sollten diese Gelder dadurch im Wirtschaftskreislauf zirkulieren, dass sie die geforderten öffentlichen Kreditinstitute als Darlehen vergaben. 302 Schwabe, Was ist Wucher? (Anm. 2), S. 81 f.

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von Darlehen beitrage. Man strebte daher eine Begrenzung der mit Fideikommissen eingegangenen Schulden an, deren Begründung ausschließlich zum Zwecke der Verbesserung dieser Güter zulässig sein sollte.303 Während einige Partikularrechte bereits eine solche Regelung enthielten – nicht wenige schränkten die Verschuldung der Familienfideikommisse sogar noch weitaus strenger auf das zu deren Erhaltung unabdingbare Maß ein304 –, fehlte sie im österreichischen Recht. Statt dessen hatte Joseph II. im Jahre 1787 die dingliche Belastung der Realfideikommisse bis zu einem Drittel ihres Wertes unabhängig von der geplanten Verwendung der kreditierten Gelder erlaubt.305 Eine Begrenzung der Kreditaufnahme hielt man jedoch nicht nur bei Fideikommissinhabern, sondern gleichermaßen beim Staat für notwendig, der aus Sicht einiger Wettbewerbsteilnehmer zu häufig auf fremdes Geld zurückgriff und es dadurch den Untertanen erschwere, Kredite gegen moderate Zinsen zu finden. Dies gelte vor allem dann, wenn der Staat in dringenden Finanzverlegenheiten deutlich höhere Zinssätze als sonst bewillige.306 Denn der Bürger müsse zum Erhalt des begehrten Geldes stets mehr Zinsen als der Staat anbieten, weil letzterer wegen der bei öffentlichen Anleihen größer ausfallenden Sicherheit für den Kreditgeber, die zur Verfügung gestellte Darlehenssumme bei Fälligkeit ihrer Rückzahlung tatsächlich wiederzuerhalten, sonst als Darlehensnehmer vorgezogen werde.307 Damit die Suche der Untertanen nach Krediten daraufhin nicht erfolglos verlaufe, forderte man den Regenten auf, den Geldeignern nicht zu lukrative Zinsgewinne in Aussicht zu stellen und überdies soweit wie möglich auf Staatsanleihen zu verzichten.308

___________ 303 Vgl. Schwabe, Was ist Wucher? (Anm. 2), S. 20, 73 f., 85; Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen (Anm. 74), S. 174; Keeß, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 65), S. 42. 304 Vgl. zu diesen Regelungen außerhalb Österreichs: Jörn Eckert, Der Kampf um die Familienfideikommisse in Deutschland. Studien zum Absterben eines Rechtsinstitutes, Frankfurt a.M. (u.a.) 1992, S. 102 f. 305 Eckert, Der Kampf um die Familienfideikommisse (Anm. 304), S. 156; Beidtel, Staatsverwaltung (Anm. 297), S. 319. 306 Sonnenfels, Wucher und Wuchergesetze (Anm. 67), S. 66 f.; Lang, Ein Votum über den Wucher (Anm. 59), S. 124 f.; Weinbrenner, Patriotische Gedanken (Anm. 59), S. 77-86; Schwabe, Was ist Wucher? (Anm. 2), S. 45. 307 Lang, Ein Votum über den Wucher (Anm. 59), S. 125; Gravisi, Preisabhandlung (Anm. 59), 2. Teil, S. 91. 308 Lang, Ein Votum über den Wucher (Anm. 59), S. 198; Sonnenfels, Wucher und Wuchergesetze (Anm. 67), S. 66 f. und 72 f.

III. Maßnahmen zur Verhinderung des Wuchers

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7. Darlehensgeberfreundliches Justizwesen und Hypothekenrecht Da man das niedrigere Zinsniveau bei öffentlichen Anleihen gegenüber privaten auf die größere Sicherheit der Darlehensrückzahlung zurückführte, verwundert es nicht, dass sich die Teilnehmer der Wucherpreisfrage bemühten, bei Krediten der Bürger eine vergleichbare Sicherheit wie bei denen des Staates zu schaffen. Dazu forderten sie in erster Linie ein schnell und verlässlich arbeitendes Justizwesen, das dem Kreditgeber in absehbarer Zeit zu seinem Recht verhelfen sollte, wenn sein Vertragspartner die Rückzahlung des überlassenen Geldes samt Zinsen unterlassen hatte.309 Denn in einem Staat, wo Verfahrensbeschleunigung und Berechenbarkeit des Prozessausgangs die leitenden Grundsätze der Rechtspflege bilden, seien dem Darlehensgeber „geringre Procente [...] lieber, als höhere Procente in einem Staat, wo die Gesetze ein verworrenes Chaos sind, wo die Gerechtigkeit schläft, und wo es dem zahlflüchtigen Schuldner gelingen kann, sich gegen die klaren Anrechte seines Gläubigers Schutz und Nachsicht zu erschleichen oder zu erkaufen“310. Ein gut eingerichtetes Justizwesen vermittele also Darlehensgebern ein gesteigertes Maß an Sicherheit, das den Kreditsuchenden in niedrigeren Zinsen zugute komme. Bestehe für die Kreditgeber hingegen Anlass zur Sorge, dass im Fall der Zahlungsverweigerung ihrer Vertragspartner ein schleppendes Gerichtsverfahren mit ungewissem Ausgang auf sie warte, kompensierten sie diese Unsicherheit, so nahm man an, durch höhere Zinsforderungen.311 Damit sich Kreditgeber mit niedrigen Zinsen zufrieden gaben, sollte ihrem Schutzbedürfnis zudem im Hypothekenwesen Rechnung getragen werden.312 ___________ 309 Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 317 f.; Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 226 f.; Hinze, Einige Materialien (Anm. 59), Sp. 94 f.; vgl. auch Anonymus, Patriotische Winke (Anm. 59), S. 58 f. 310 Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 319; ähnlich allgemein für eine höhere Sicherheit: Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 222 f.: „Wenn der Gläubiger beym Ausleihen seiner Gelder, zureichend versichert ist, daß ihme dieselben auf Verlangen wieder zurückbezahlt werden; so wird er – eben wegen der nicht vorhandenen Gefahr, sein Geld zu verlieren, dasselbe unter viel billigern Bedingnissen überlassen, als wenn er befürchten muß, daß der Entlehner zur bestimmten Zeit entweder nicht wird bezahlen wollen, oder nicht wird bezahlen können. Dieser Umstand schwächt das Zutrauen des Darleihers gegen den Entlehner, und verursachet, daß ersterer dem letztern entweder gar kein Geld leiht, oder doch nicht anderst, als unter äusserst lästigen und harten Bedingnissen“. 311 Hinze, Einige Materialien (Anm. 59), Sp. 94 f.; Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 222 f. und 226 f.; Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 318 f.; Keeß, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 65), S. 58. 312 Die zinssenkende Wirkung eines gut eingerichteten Hypothekenwesens betonten: Vasco, L’ usura libera (Anm. 59), S. 168-171, 210; Keeß, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 65), S. 58; Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 304 f.; Anonymus, Rezension über Lang, Ein Votum über den Wucher, von einem Manne sine voto, in: Allgemeine Literatur-Zeitung, 1791, Sp. 476-479, hier: Sp. 478.

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Kap. 3: Die Wucherpreisfrage Josephs II. von 1789

Im Einzelnen forderte man dazu – übereinstimmend mit der kameralistischen Wirtschaftstheorie – Grund- bzw. Hypothekenbücher, mit denen sich die an Liegenschaften bestehenden Rechtsverhältnisse zuverlässig wiedergeben ließen.313 Dies blieb nicht die einzige Gemeinsamkeit mit den schon vor der Preisfrage empfohlenen Maßnahmen zur Bekämpfung des Zinswuchers durch Stärkung des hypothekarischen Kredits, da manche Wettbewerbsteilnehmer zu dem Zweck ebenfalls den Nutzen von Feuerversicherungsanstalten betonten. Die Hypothekenbestellung an bebauten Grundstücken gewährte Kreditgebern nämlich in ihren Augen keine ausreichende Sicherheit, wenn sie mit Niederbrennen der darauf errichteten Gebäude hinfällig wurde. Vor dieser Gefahr sollten den Darlehensgeber und Hypothekengläubiger Feuerassekuranzen schützen, die ihm bei Eintritt des Versicherungsfalls den Wert der Kreditsicherheit in Form von Ausgleichszahlungen für die abgebrannten Bauwerke erhielten.314 Die Argumentation der Wettbewerbsteilnehmer erinnert demnach stark an diejenige Justis, mit der er sich Mitte des 18. Jahrhunderts für eine Verbindung von öffentlichen Kreditanstalten und Feuerassekuranzen eingesetzt hatte.315

IV. Der Einfluss der Preisschriften auf die österreichische Gesetzgebung IV. Der Einfluss der Preisschriften auf die österreichische Gesetzgebu ng

Als am 1. Mai 1790 die Frist zur Einreichung von Preisschriften ablief, war Joseph II., der Initiator der Preisfrage, bereits verstorben. Sein Nachfolger wurde Leopold II., der als Großherzog der Toskana bewiesen hatte, dass er physiokratischen Ideen sehr zugeneigt war316: Diese prägten zahlreiche Reformpro___________ 313

Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 133), S. 304 f.; Keeß, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 65), S. 58. Bonelli, Zweckmäßige Berichtigungen (Anm. 74), S. 187 erschien die Forderung nach Grund- und Hypothekenbüchern indessen überflüssig, da diese in der Habsburgermonarchie bereits erfüllt sei. – Demgegenüber sah Vasco, L’ usura libera (Anm. 59), S. 168-171 in der Einführung einer Anzeigepflicht für die bestehenden Hypotheken bei der Obrigkeit das gegenüber Grundbzw. Hypothekenbüchern vorzugswürdige Mittel. 314 Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 59), S. 225; Anonymus, Beyträge zur Beantwortung der Frage (Anm. 59), S. 55 ff.; Günther, Versuch einer vollständigeren Untersuchung (Anm. 59), S. 305. 315 Siehe Kap. 1, III., 1. b). 316 Vgl. zur Vorbildwirkung der Physiokraten für den Kaiser: Adam Wandruszka, Leopold II., 2 Bände, Wien und München 1963 und 1965, Bd. 1, S. 261-271, 371 f., 375; ferner: Helga Peham, Leopold II. Herrscher mit weiser Hand, Graz (u.a.) 1987, S. 100104 und 133; Rudolf Hoke, Art. „Leopold II.“, in: Adalbert Erler u.a. (Hg.), Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 2, Berlin 1978, Sp. 1849-1852, hier: Sp. 1850; Heinz Holldack, Die Reformpolitik Leopolds von Toskana, in: Historische Zeitschrift, Bd. 165, 1942, S. 23-46, hier: S. 26 f., 30 f. und 35.

IV. Der Einfluss der Preisschriften auf die österreichische Gesetzgebung

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jekte, mit denen Leopold II. sein Großherzogtum modernisierte.317 Obwohl sich die Physiokraten überwiegend gegen obrigkeitliche Zinsreglementierungen aussprachen,318 wollte Leopold II. nicht nur die bestehenden gesetzlichen Zinsmaxima beibehalten, sondern begann sogar damit, den von Joseph II. im Jahre 1787 angeordneten Verzicht auf eine Bestrafung des Wuchers zu revidieren. Die Ursache für diesen scheinbaren Gesinnungswandel Leopolds II. liegt in der – von seiner Regierungszeit als Großherzog der Toskana völlig verschiedenen – Ausgangslage, die er 1790 in der Habsburgermonarchie nach dem Tod seines Bruders vorfand. Die josephinischen Reformen stießen auf vehemente Ablehnung, die sich in Ungarn und den österreichischen Niederlanden bis hin zum offenen Aufruhr ausweitete. Um ein Auseinanderbrechen der Monarchie mitsamt des Verlustes dieser beiden Territorien für die österreichische Krone zu verhindern, hatte daher bereits Joseph II. am Ende seines Lebens mit der Rücknahme des eigenen Reformwerks begonnen. Leopold II. setzte diesen Kurs fort, so dass nur wenige der von seinem Vorgänger geschaffenen Neuerungen erhalten blieben. Im Rahmen seiner Politik der behutsamen Befriedung der Habsburgermonarchie stellte Leopold II. so im Wesentlichen die Zustände wieder her, die unter Maria Theresia gegolten hatten.319 Als sich kurz nach seinem Regierungsantritt die Anzeigen über die Zunahme wucherischer Zinshöhen mehrten, beauftragte Leopold II. die neugegründete Hofkommission in Gesetzessachen – die an die Stelle der von ihm aufgelösten Kompilationskommission trat320 – mit der Erstellung von Lösungsvorschlägen.321 Dem angewiesenen Gremium gehörten die Mitglieder der früheren Kompilationskommission nicht an, so dass insbesondere Keeß, der als deren Referent nachdrücklich für die Abschaffung der Wuchergesetze geworben hatte, seine bisherige einflussreiche Position verlor.322 Die personelle Neubeset___________ 317

Zu den Reformen Leopolds vgl.: Wandruszka, Leopold II. (Anm. 316), Bd. 1, S. 270-278, 310-315, 368-390 und Bd. 2, S. 140-148, 173-179; ferner: Peham, Leopold II. (Anm. 316), S. 90-151; Holldack, Die Reformpolitik (Anm. 316), S. 23-46. 318 S.o. unter Kap. 2, II. 319 Hoke, Rechtsgeschichte (Anm. 283), S. 257, 275-278; ders., Art. „Leopold II.“ (Anm. 316), Sp. 1851; Heinz Duchhardt, Das Zeitalter des Absolutismus, 2. Aufl., München 1992, S. 135; Link, Die Verwaltung (Anm. 283), S. 544-547; Friedrich Walter, Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte von 1500-1955, Wien (u.a.) 1972, S. 114-118; Wandruszka, Leopold II. (Anm. 317), Bd. 2, S. 220 ff., 254-261. 320 Kocher, Art. „Franz Georg Ritter von Kees“ (Anm. 70), S. 96; Osterloh, Joseph von Sonnenfels (Anm. 70), S. 175; Harrasowsky, Geschichte der Codification (Anm. 43), S. 153. 321 Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 18), Bd. 2, S. 173. Vgl. zudem: Geller, Wucherstrafrecht (Anm. 18), S. 30. 322 Kocher, Art. „Franz Georg Ritter von Kees“ (Anm. 70), S. 96; Osterloh, Joseph von Sonnenfels (Anm. 70), S. 170 und 175.

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Kap. 3: Die Wucherpreisfrage Josephs II. von 1789

zung der Gesetzgebungskommission spiegelte sich auch im Inhalt ihrer Empfehlungen wider, da sie nunmehr für die Wiedereinführung eines Strafgesetzes gegen den Wucher plädierte. Leopold II. schloss sich diesem Votum an und veranlasste im Mai 1790 die Ausarbeitung eines entsprechenden Gesetzesentwurfs.323 Damit schien auch bei der Behandlung des Zinswuchers eine Rückkehr zu den theresianischen Zuständen besiegelt. Dem fertig gestellten Entwurf eines Wucherstrafgesetzes versagte indes Leopold II. am 9. Januar 1791 mit Hinweis auf die noch ausstehende Beurteilung der eingereichten Preisschriften seine Zustimmung,324 so dass es bei der Geltung des josephinischen Wucherpatents von 1787 – und damit beim Verzicht auf die Strafbarkeit des Zinswuchers – blieb. Zu einem erneuten Versuch, strafrechtliche Sanktionen gegen den Wucher wieder in Kraft zu setzten, kam es nämlich während der kurzen Regentschaft Leopolds II. bis 1792 nicht mehr. Er beschränkte sich statt dessen auf Maßnahmen, von denen er sich auch ohne Bestrafung des Wuchers dessen Eindämmung versprach. Diese stimmten mit Vorschlägen überein, die sich ebenso in einigen Preisschriften finden. Entsprechend der Forderung vor allem der Befürworter von Wuchergesetzen unter den Wettbewerbsteilnehmern325 verengte Leopold II. mit Patent vom 25. Februar 1791 den Anwendungsbereich des Wechselrechts bei trockenen Wechseln auf Kaufleute und Fabrikanten.326 Denn der Einsatz trockener Wechsel außerhalb dieses Personenkreises habe, so rechtfertigte der österreichische Monarch die Neuregelung, nur zur wahrheitswidrigen Wiedergabe der getroffenen Vereinbarungen – insbesondere der tatsächlichen Darlehenssumme – im Wechsel geführt. Um dieser Praxis entgegenzusteuern, sollte die Eingehung solcher Wechselverbindlichkeiten nur noch dem Handelsstand offen stehen.327 Ferner kehrte Leopold II. im Patent vom 22. Februar 1791 zur Prodigalitätserklärung zurück,328 die sein Vorgänger drei Jahre zuvor aufgehoben hatte.329 ___________ 323 Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 18), Bd. 2, S. 173. Vgl. ferner: Berliner / Engländer, Wuchergesetz (Anm. 18), S. 23; Geller, Wucherstrafrecht (Anm. 18), S. 30; Chorinsky, Wucher (Anm. 23), S. 20. 324 Vgl. Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 18), Bd. 2, S. 173 ff. Im Anschluss an Zeiller: Geller, Wucherstrafrecht (Anm. 18), S. 30; Chorinsky, Wucher (Anm. 23), S. 20. 325 S.o. unter III., 5. 326 Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 18), Bd. 2, S. 174. So überdies: Isopescul-Grecul, Wucherstrafrecht (Anm. 18), S. 144; Chorinsky, Wucher (Anm. 23), S. 20; Domin-Petrushevecz, Rechtsgeschichte (Anm. 19), S. 206. – Das Patent ist abgedruckt in der Wiener Zeitung Nr. 22 vom 16. März 1791, S. 658 f. 327 Wiener Zeitung Nr. 22 vom 16. März 1791, S. 658. 328 Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 18), Bd. 2, S. 174. Im Anschluss an Zeiller: Geller, Wucherstrafrecht (Anm. 18), S. 30. 329 Siehe dazu I., 3.

V. Die Entscheidung über den Gewinner des Wettbewerbs

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Das österreichische Recht kannte damit wieder den Entmündigungsgrund der Verschwendung, an dem – neben Roth und Bonelli – auch Günther festhielt, bei dem ein gesetzgeberisches Eingreifen sonst oft auf Ablehnung stieß.330 Zur Anwendung kommen sollte die Prodigalitätserklärung, so ordnete der Gesetzgeber an, bei volljährigen Bürgern, die sich durch ihren unbedachten Umgang mit Geld zur eigenständigen Verwaltung ihres Vermögens außerstande gezeigt hatten. Damit sie zukünftig nicht mehr in der Lage waren, sich und ihre Familien durch die leichtfertige Eingehung von Schulden finanziell zu ruinieren, stellte der Staat ihnen einen Kurator zur Seite.331 Im gleichen Patent, in dem der österreichische Monarch die Prodigalitätserklärung wieder in Kraft setzte, lockerte er auch zum Teil die von Joseph II. verfügten – und von den Teilnehmern der Wucherpreisfrage ausnahmslos kritisierten – Anlagepflichten bei öffentlichen Kassen.332 Zumindest hinsichtlich der Pupillargelder entsprach Leopold II. nämlich deren Forderung, die Pflicht zur Hinterlegung der Fideikommiss-, Pupillar- und Stiftungsgelder beim Staat aufzuheben. Die Kapitalien minderjähriger Waisen durfte man daraufhin zwar weiterhin beim Staat belassen, allerdings bestand nunmehr auch die Möglichkeit zur deren Vergabe als Darlehen, wenn eine ausreichende Sicherheit des Mündelvermögens gewährleistet war. Das wurde dann bejaht, wenn der Kreditgewährung eine Hypothekenbestellung zugrunde lag und die hypothekarische Belastung bei bebauten Grundstücken nicht die Hälfte des Wertes – bei unbebauten Grundstücken nicht zwei Drittel – überstieg.333

V. Die Entscheidung über den Gewinner des Wettbewerbs V. Die Entscheidun g über den Gewinner des Wettbewerbs

Als Leopold II. im Februar 1791 diese Patente erließ, mit denen er die Wechselfähigkeit einschränkte, gegen Verschwender vorging und die Anlage von Pupillargeldern auch außerhalb öffentlicher Kassen gestattete, war eine Entscheidung über den Gewinner der Wucherpreisfrage noch nicht gefallen. Erst im Januar 1791 hatte man dazu eine Hofkommission eingesetzt,334 die reichlich ein Jahr später in der Wiener Zeitung vom 14. März 1792 das Ergeb-

___________ 330

S.o. unter III., 3. Wiener Zeitung Nr. 25 vom 26. März 1791, S. 779. 332 Siehe zu den Einwänden: III., 6. 333 Wiener Zeitung Nr. 25 vom 26. März 1791, S. 778; Harrasowsky, Der Codex Theresianus (Anm. 295), S. 107. 334 Die Wiener Zeitung Nr. 21 vom 14. März 1792, S. 656 berichtete von einer „eigends angeordnete[n] Hofkommißion“, um die Preisschriften zu beurteilen. Vgl. auch Osterloh, Joseph von Sonnenfels (Anm. 70), Fn. 19 auf S. 195. 331

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Kap. 3: Die Wucherpreisfrage Josephs II. von 1789

nis ihrer Beratungen bekannt gab.335 Zu dem Zeitpunkt waren die meisten der insgesamt zur Preisfrage veröffentlichten Schriften bereits im Druck erschienen; dies veranlassten einige Teilnehmer noch 1789. Viele Autoren folgten ihnen in den Jahren 1790 und 1791,336 so dass sich die Frage stellt, warum sie nicht – entsprechend dem üblichen Verfahrensgang – die Verkündung des Preisträgers abwarteten,337 sondern ihre Abhandlungen vorab der Öffentlichkeit zugänglich machten. Der einzige Wettbewerbsteilnehmer, der seinen Entschluss zur frühzeitigen Publikation im Jahre 1791 explizit rechtfertigte, verwies lediglich auf den seit Ende der Einreichungsfrist am 1. Mai 1790 bereits verstrichenen Zeitraum, in dem keine Entscheidung über den Fortgang der Preisfrage ergangen sei. Für deren Ausbleiben machte er die „Zeitumstände“ verantwortlich, ohne jedoch näher darauf einzugehen, welche Ereignisse er konkret im Blick hatte.338 Für seinen Mitbewerber Entnersfeld scheint der zwischenzeitliche Tod Josephs II. im Jahre 1790 ausschlaggebend gewesen zu sein: Er äußerte zwar die Erwartung, dass Leopold II. an den Preisfragen seines Vorgängers festhalten werde, zog es aber dennoch vor, mit seiner Preisschrift noch 1790 an die Öffentlichkeit zu treten.339 Im selben Jahr tat dies auch Johann Arnold Günther, dem die Hofkommission knapp zwei Jahre später – ungeachtet der bereits erfolgten Drucklegung seines Beitrags – die ausgelobten 500 Dukaten zuerkannte und ihn zum Gewinner der Preisfrage kürte.340 Der Preis wurde damit einem Teilnehmer zugesprochen, der nicht nur Wucherstrafgesetze – von deren Wiedereinführung Leopold II. zeitgleich mit Einsetzung dieser Hofkommission im Januar 1791 abgesehen hatte341 –, sondern jegliche Form der gesetzlichen Zinsreglementierung ablehnte. Günther konnte sich dabei sowohl auf seine juristischen Fachkenntnisse als Doktor der Rechte als auch auf einen weiten praktischen Erfahrungsschatz in Bezug auf die verschiedenen Ursachen der Entstehung und Bekämpfung von Armut stützen, die er als Leiter einer Hamburger Armenanstalt erwarb und in ___________ 335

Wiener Zeitung Nr. 21 vom 14. März 1792, S. 656. Vgl. zu den Veröffentlichungsdaten Fn. 59. 337 Regelmäßig erschienen solche Abhandlungen erst nach Bekanntgabe der Preisentscheidung: Die darin mit einem Preis bedachten Beiträge wurden, so die gängige Vorgehensweise, vom Initiator der Preisfrage in Druck gegeben, zum Teil ergänzt um weitere als veröffentlichungswürdig eingestufte Arbeiten. Einige Wettbewerbsteilnehmer, deren Zuschriften nicht prämiert wurden, publizierten diese dann auf eigene Faust, vgl. Adler, Nützt es dem Volk, betrogen zu werden? (Anm. 8), S. XIII, LII; Ludi, Die Fabrikation des Verbrechens (Anm. 3), S. 164; Schmidt, Abhandlung (Anm. 3), S. 32 f.; Ulbricht, Kindsmord (Anm. 9), S. 217 f. 338 Anonymus, Was ist Wucher? (Anm. 59), S. 4 f. 339 Vgl. Entnersfeld, Wettschrift (Anm. 59), S. 5 f. 340 Wiener Zeitung Nr. 21 vom 14. März 1792, S. 656. 341 S.o. unter IV. zu der von Leopold II. zunächst anvisierten, aber letztlich nicht vollzogenen Rückkehr zu einem Wucherstrafgesetz. 336

VI. Fazit

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zahlreichen Veröffentlichungen unter Beweis stellte. Darunter bildete die 1792 preisgekrönte Abhandlung zur Wucherpreisfrage, mit der er sich für die freie Zinsvereinbarung unter den Kontrahenten einsetzte und somit von der – Wuchergesetze befürwortenden – Mehrheitsauffassung unter den Wettbewerbsteilnehmern abwich, seine wohl bekannteste Publikation. Im selben Jahr wurde Günther aufgrund seiner Verdienste zum Senator der Stadt Hamburg ernannt.342

VI. Fazit VI. Fazit

Mit Ausschreibung der Preisfrage „Was ist Wucher, und durch welche Mittel ist demselben ohne Strafgesetze am besten Einhalt zu thun?“ regte Joseph II. eine umfangreiche Debatte über die Berechtigung von Wuchergesetzen an. 1. Er selbst versprach sich, wie bereits die Fragestellung des Wettbewerbs nahe legt, von Strafgesetzen keine wirksame Verhinderung des Zinswuchers, so dass er im Patent von 1787 – auf wiederholtes Anraten der Kompilationskommission unter Keeß hin – die geltenden Wuchergesetze außer Kraft setzte, die eine Bestrafung des Wuchers vorgesehen hatten. Im Gegensatz zu anderen Staaten des 18. Jahrhunderts, in denen eine Überschreitung des gesetzlichen Zinsmaximums mit Strafen geahndet wurde, zog diese in Österreich fortan ausschließlich zivilrechtliche Sanktionen nach sich. Als sich jedoch der mit dem gesetzgeberischen Schritt erhoffte Erfolg einer Zinssenkung nicht einstellte, suchte der österreichische Monarch durch die im März 1789 angestoßene Preisfrage den Rat den gelehrten Öffentlichkeit. 2. Der Minderheit unter den Wettbewerbsteilnehmern ging der von Joseph II. 1787 verfügte Verzicht auf Wucherstrafgesetze noch nicht weit genug, so dass sie – oftmals mit Einwänden, die sich bereits bei Bentham und Turgot fanden – eine Abkehr von jeglichen gesetzlichen Zinsbeschränkungen forderten. Denn Zinstaxen verletzten aus ihrer Sicht die Rechte der Bürger, schadeten der Wirtschaft und blieben größtenteils ohnehin von den Vertragschließenden unbeachtet, so dass sich deren Beibehaltung nicht rechtfertigen lasse. Dem widersprach die Mehrheit der Autoren, die an den tradierten absolutistischkameralistischen Erwägungen festhielt, um die Befugnis des Staates zur Festsetzung gesetzlicher Höchstzinsen zu legitimieren. 3. Die Teilnehmer der Preisfrage suchten indes Abhilfe gegen wucherische Rechtsgeschäfte nicht ausschließlich in der Abschaffung bzw. Beibehaltung gesetzlicher Zinsmaxima, sondern ergänzten ihr Votum für oder gegen diese um vielfältige Maßnahmen. Unter diesen stand die Forderung nach öffentlichen ___________ 342 Vgl. zu der Biographie Günthers: Fabian, Deutsches Biographisches Archiv (Anm. 11), S. 66-89; Schröder, Lexikon (Anm. 11), S. 3-14.

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Kap. 3: Die Wucherpreisfrage Josephs II. von 1789

Kreditanstalten, die den Untertanen gegen erschwingliche Zinsen über finanzielle Engpässe hinweghelfen sollten, an erster Stelle. Angestrebt wurde zudem, die Ausgaben der Bürger so weit zu vermindern, dass sie mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Geld ihr Auskommen fanden: Denn auf diesem Wege erübrige sich von vornherein die Inanspruchnahme eines Kredits, mit der auch die Gefahr wucherischer Zinsen entfalle. Erwiesen sich Darlehensaufnahmen dennoch als notwendig, sollte eine verbesserte Erziehung zur Moralität und die Erweiterung der Erwerbsmöglichkeiten der Juden dafür sorgen, dass Darlehensgeber die Geldknappheit ihrer Mitbürger nicht zur Verschaffung hoher Zinsforderungen ausnutzten. Dies verhindere der Staat überdies, wenn er nur Kaufleuten die Ausstellung von Wechseln gestatte und Mängel im Justiz- und Hypothekenwesen abstelle. Hinzukommen müsse aber auch ein Verzicht des Staates darauf, umfangreiche Geldsummen in öffentliche Kassen zu ziehen und durch erhebliche eigene Anleihen die Zahl der den Bürgern zur Verfügung stehenden Kredite zu dezimieren. 4. Diese Kritik an den von Joseph II. verfügten Anlagepflichten beim Staat blieb zumindest hinsichtlich der Pupillargelder nicht wirkungslos, da sein Nachfolger Leopold II. die Verpflichtung 1791 in Bezug auf die Kapitalien minderjähriger Waisen abschaffte. Während seiner Regentschaft fanden zudem weitere in den Preisschriften angeregte Mittel zur Bekämpfung wucherischer Rechtsgeschäfte ihre Umsetzung in der österreichischen Gesetzgebung. So schränkte Leopold II. die Wechselfähigkeit auf den Handelsstand ein und kehrte zur Entmündigung der Verschwender zurück, die einige Wettbewerbsteilnehmer als die einzig Erfolg versprechende Maßnahme erachteten, um diese an übermäßigen Ausgaben zu hindern. Am Wucherpatent seines Vorgängers von 1787 nahm Leopold II. hingegen keine Änderungen vor, obwohl er zunächst dessen Ersetzung durch ein strafrechtliches Wucherverbot angestrebt hatte. 5. Als die Frist zur Einsendung von Preisschriften am 1. Mai 1790 ablief, sollte es noch fast zwei Jahre dauern, bevor die Entscheidung über das Ergebnis des Wettbewerbs kundgemacht wurde. Den Preis von 500 Dukaten erhielt schließlich 1792 Johann Arnold Günther, obwohl seine Abhandlung zu diesem Zeitpunkt – wie die vieler seiner Konkurrenten – schon im Druck erschienen war.

Kapitel 4

Der Zinswucher in der politischen Theorie an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert Mit dem Niedergang des Ancien Régime vollzogen sich wesentliche Veränderungen in der deutschen politischen Theorie: Sie stellte sich seit dem letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts vorwiegend nicht mehr in den Dienst der fürstlichen Herrschaftsambitionen.1 Im Zuge dieses Wandlungsprozesses entfielen auch die Legitimationsgrundlagen – also die freiheitsfeindlichen Konzeptionen von Staatsvertrag und Staatszweck –, aus denen man bislang das Recht des Landesherrn zur Reglementierung der Zinshöhe abgeleitet hatte.2 Zum einen stieß der Staatszweck der salus publica bzw. der Glückseligkeit auf vehemente Kritik, weil er der Interventionsbefugnis des Regenten keine nennenswerten Grenzen zog. Denn die nahezu endlose Liste von Eingriffskompetenzen, die vorher der Obrigkeit zugestanden worden war, erwies sich als unvereinbar mit den nunmehr in die Staatstheorie eingehenden liberalen Grundanschauungen. Darin rückte man die Freiheit des Individuums in den Mittelpunkt und lehnte folglich die absolutistische Staatszwecklehre als Fundament einer obrigkeitlichen Bevormundung des Bürgers ab.3 An die Stelle des verworfenen ___________ 1 Diethelm Klippel, Das deutsche Naturrecht am Ende des Alten Reiches, in: Georg Schmidt-von Rhein und Albrecht Cordes (Hg.), Altes Reich und neues Recht. Von den Anfängen der bürgerlichen Freiheit, Wetzlar 2006, S. 27-40, hier: S. 32 f.; ders., Der liberale Interventionsstaat. Staatszweck und Staatstätigkeit in der deutschen politischen Theorie des 18. und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Heiner Lück (Hg.), Recht und Rechtswissenschaft im mitteldeutschen Raum, Köln u.a. 1998, S. 77-103, hier: S. 93; Jan Rolin, Der Ursprung des Staates. Die naturrechtlich-rechtsphilosophische Legitimation von Staat und Staatsgewalt im Deutschland des 18. und 19. Jahrhunderts, Tübingen 2005, S. 98 f.; Peter Preu, Polizeibegriff und Staatszwecklehre. Die Entwicklung des Polizeibegriffs durch die Rechts- und Staatswissenschaften des 18. Jahrhunderts, Göttingen 1983, S. 224. 2 S.o. Kap. 1, III., 2. und VI. 3 Ulrich Scheuner, Die Staatszwecke und die Entwicklung der Verwaltung im deutschen Staat des 18. Jahrhunderts, in: Gerd Kleinheyer und Paul Mikat (Hg.), Beiträge zur Rechtsgeschichte. Gedächtnisschrift für Hermann Conrad, Paderborn (u.a.) 1979, S. 467-489, hier: S. 486 ff.; Matthias Bohlender, Metamorphosen des Gemeinwohls. Von der Herrschaft guter polizey zur Regierung durch Freiheit und Sicherheit, in: Her-

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Kap. 4: Der Zinswucher in der politischen Theorie

Gemeinwohl- und Glückseligkeitsziels trat daher in der liberalen politischen Theorie der Schutz der Rechte des Einzelnen als neuer Staatszweck.4 Einer unbeschränkten Vereinbarung der Darlehenszinsen durch die Kontrahenten stand in der vorliberalen politischen Theorie zum anderen der Inhalt des Staatsvertrags entgegen. Da sich die absolutistische Machtfülle des Fürsten nur durch einen korrespondierenden Freiheitsverzicht der Untertanen erreichen ließ, verlor der Einzelne mit dem Eintritt in den Staat seine natürliche Freiheit. Dieses tradierte Staatsvertragstheorem wurde liberalen Vorstellungen entsprechend umgestaltet, so dass die Freiheitsrechte des Individuums nicht mehr per Staatsvertrag entzogen werden konnten. Nunmehr galten die Rechte des Bürgers, deren Wahrung zur obersten Aufgabe des Staates erhoben wurde, nämlich weitgehend als unveräußerlich.5 Ebenso wie die Physiokraten6 eine Verkürzung individueller Rechte im Staat ausschlossen, indem sie den Herrscher zur Realisierung der natürlichen Ordnung verpflichteten, erreichte man dieses Ergebnis seit Ende des 18. Jahrhunderts durch die Neuausrichtung der Staatsvertragsund Staatszwecktheorie. Mit der Abkehr von der freiheitslimitierenden Staatsvertrags- und Staatszweckbestimmung stellt sich die Frage, ob die in Wuchergesetzen liegende erhebliche Einflussnahme auf den Inhalt von Darlehensverträgen in der politischen Theorie um 1800 noch zu den obrigkeitlichen Aufgaben zählte. Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst die naturrechtliche Beurteilung wucherischer Rechtsgeschäfte in den Blick zu nehmen, die – soviel sei vorweggenommen – das klare Plädoyer zugunsten der Eigentums- und Vertragsfreiheit prägte. Dementsprechend sahen es die zeitgenössischen Naturrechtler zumeist ausschließlich als Sache der Vertragsparteien an, die Höhe der Darlehenszinsen festzulegen (I.). Allerdings zogen sie daraus überwiegend nicht den Schluss, dass sich der Gesetzgeber einer Zinsregulierung zu enthalten habe, sondern ge___________ fried Münkler und Harald Bluhm (Hg.), Gemeinwohl und Gemeinsinn. Historische Semantiken politischer Leitbegriffe, Berlin 2001, S. 247-274, hier: S. 248 f. und 265 ff. 4 Diethelm Klippel, Politische Freiheit und Freiheitsrechte im deutschen Naturrecht des 18. Jahrhunderts, Paderborn 1976, S. 131-134; ders., Verfaßte Freiheit. Die Entdeckung der Freiheitsrechte als Verfassungsprinzip im 18. und 19. Jahrhundert, in: PaulJoachim Heinig u.a. (Hg.), Reich, Regionen und Europa in Mittelalter und Neuzeit. Festschrift für Peter Moraw, Berlin 2000, S. 149-169, hier: S. 165; Jan Schröder, „Naturrecht bricht positives Recht“ in der Rechtstheorie des 18. Jahrhunderts?, in: Dieter Schwab u.a. (Hg.), Staat, Kirche, Wissenschaft in einer pluralistischen Gesellschaft. Festschrift zum 65. Geburtstag von Paul Mikat, Berlin 1989, S. 419-433, hier: S. 424; Rolin, Der Ursprung des Staates (Anm. 1), S. 128 f. 5 Klippel, Politische Freiheit (Anm. 4), S. 124-127; ders., Die Theorie der Freiheitsrechte am Ende des 18. Jahrhunderts in Deutschland, in: Heinz Mohnhaupt (Hg.), Rechtsgeschichte in den beiden deutschen Staaten (1988-1990), Frankfurt a.M. 1991, S. 348-386, hier: S. 369; Schröder, „Naturrecht bricht positives Recht“ (Anm. 4), S. 424. 6 S.o. Kap. 2, II.

I. Die naturrechtliche Legitimation der Zinsfreiheit

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standen ihm im Gegenteil die Befugnis zum Erlass von Wuchergesetzen zu. Trotz des Bekenntnisses zur naturrechtlichen Zinsfreiheit als Folge der Eigentums- und Vertragsfreiheit blieben also in der zeitgenössischen politischen Theorie Einwände gegen eine staatliche Wuchergesetzgebung größtenteils aus (II.). Auf Freiheit und Eigentum der Bürger stützten sich indes nicht nur die Befürworter einer – zumindest nach Naturrecht – freien Zinsvereinbarung; vielmehr ließ sich mit beiden Rechten auch die gegenteilige Position und damit die Notwendigkeit begründen, den Zinsvereinbarungen der Vertragschließenden Grenzen zu ziehen (III.). Diese Notwendigkeit sah auch der preußische und – in noch stärkerem Maße – der österreichische Gesetzgeber, der im Jahre 1803 die mit dem Patent von 1787 getroffene Entscheidung gegen Wucherstrafgesetze revidierte, während der in den Rheinbundstaaten rezipierte Code civil von 1804 keine Zinsreglementierung enthielt (IV.).

I. Die naturrechtliche Legitimation der Zinsfreiheit I. Die naturrechtliche Legitimation der Zinsfreiheit

Seit dem ausklingenden 18. Jahrhundert nahm man mehrheitlich an, dass sich aus dem Naturrecht keine Schranken für die Höhe der Darlehenszinsen ergeben. „Das Naturrecht kennt keinen Wucher“7, lautete daher die prägnante Devise, mit der jede Zinshöhe, über die sich die Kontrahenten vertraglich einigten, als erlaubt erklärt wurde. Zur Begründung verwiesen die Naturrechtler auf die Freiheit der Vertragschließenden und die Befugnisse des Geldeigentümers (1.). Manche von ihnen richteten sich dabei ausdrücklich gegen Grotius und Wolff, die in der objektiv ermittelten Gleichheit der beiderseitigen Leistungspflichten die unerlässliche Voraussetzung aller gegenseitigen Verträge gesehen hatten (2.). Diese als unzutreffend eingestufte Auffassung von Grotius und ___________ 7

Karl Theodor Gutjahr, Entwurf des Naturrechts, Leipzig 1799, S. 98; nahezu identisch: Karl Heinrich von Gros, Lehrbuch der philosophischen Rechtswissenschaft oder des Naturrechts, Tübingen 1802, S. 120; Franz Alois von Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz vom Jahr 1803, in: Jährlicher Beytrag zur Gesetzkunde und Rechtswissenschaft in den Oesterreichischen Erbstaaten, Bd. 2 und 3, Wien 1807 und 1808, S. 158-189 (Bd. 2) und S. 1-93 (Bd. 3), hier: Bd. 2, S. 161; ähnlich: Karl Heinrich Heydenreich, System des Naturrechts nach kritischen Prinzipien, 2 Bände, Leipzig 1794 und 1795, Bd. 2, S. 134; Johann Christoph Hoffbauer, Naturrecht aus dem Begriffe des Rechts entwickelt, 2. Aufl., Halle 1798, S. 172; Johann Philipp Achilles Leisler, Populäres Naturrecht, Frankfurt a.M. 1799, S. 96; Johann Christian Friedrich Meister, Lehrbuch des Natur-Rechtes, Frankfurt a.d.O. 1809, S. 288; Theodor Maximilian Zachariä, Lehrbuch eines civilistischen Cursus, Leipzig 1810, S. 58; Andreas Metz, Grundriß der Practischen Philosophie, Würzburg 1827, S. 92; ähnlich auch schon: Ludwig Julius Friedrich Höpfner, Naturrecht des einzelnen Menschen, der Gesellschaften und der Völker, Gießen 1780, S. 80. – Für Höpfner betont dies auch Michael Plohmann, Ludwig Julius Friedrich Höpfner (1743-1797). Naturrecht und positives Recht am Ende des 18. Jahrhunderts, Berlin 1992, S. 157.

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Wolff beruhte aus Sicht deren Kritiker auf einer mangelnden Unterscheidung zwischen naturrechtlichen und lediglich moralischen Pflichten, die man folglich tunlichst zu vermeiden strebte (3.).

1. Eigentumsrecht und Vertragsfreiheit Die Höhe der vom Darlehensnehmer zu erbringenden Zinsen hing im Naturrecht nach der überwiegenden Zahl der Autoren allein von der Vereinbarung der Kontrahenten ab.8 Denn zu den Rechten des Kreditgebers als Eigentümer der Darlehenssumme gehöre es, für deren Überlassung eine Gegenleistung in beliebigem Umfang zu verlangen.9 Ließ sich ein Kreditsuchender aus freien Stücken auf das Zinsbegehren ein, müsse er sich entsprechend dem Grundsatz „volenti non fit injuria“ später an dem von ihm ebenfalls gewollten Vertragsinhalt festhalten lassen. Seine Zustimmung verschaffte dem Geldeigner somit nach Auffassung der Naturrechtler einen Anspruch auf die ausbedungenen Zin___________ 8 Vgl. Ludwig Heinrich Jakob, Philosophische Rechtslehre oder Naturrecht, Bd. 1, Halle 1795, S. 225; Karl Ludwig Pörschke, Vorbereitungen zu einem populären Naturrechte, Königsberg 1795, S. 184; Günther Heinrich von Berg, Ueber Wucher und Wucherverbote, in: Staatswissenschaftliche Versuche, Bd. 2, Lübeck und Leipzig 1795, S. 169-210, hier: S. 187 und 190; Johann Gottlieb Buhle, Lehrbuch des Naturrechts, Göttingen 1798, S. 146 f.; Hoffbauer, Naturrecht (Anm. 7), S. 172; Johann Christian Christoph Rüdiger, Lehrbegriff des Vernunftrechts und der Gesetzgebung, Halle 1798, S. 404; Leisler, Populäres Naturrecht (Anm. 7), S. 96; Gros, Lehrbuch (Anm. 7), S. 120; Daniel Christoph Reidenitz, Naturrecht, Königsberg 1803, S. 85; Christian Weiß, Lehrbuch der Philosophie des Rechtes, Leipzig 1804, S. 187; Johann Gebhard Ehrenreich Maaß, Grundriß des Naturrechts, Leipzig 1808, S. 227 und 236; Zachariä, Lehrbuch (Anm. 7), S. 58; Franz Xaver Kretzer von Kreuth, Leitfaden zum Vortrage über das natürliche Privatrecht, Neustadt 1810, S. 47; Franz Alois von Zeiller, Das natürliche Privat-Recht, 3. Aufl., Wien 1819, S. 190; Franz von Egger, Das natürliche Privat-Recht nach dem Lehrbuche des Hofrathes F. Edlen von Zeiller über dasselbe, Wien und Triest 1815, S. 221 f.; Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Die Staatswissenschaften im Lichte unsrer Zeit, Bd. 1, Leipzig 1823, S. 100; Metz, Grundriß (Anm. 7), S. 92; Carl von Rotteck, Lehrbuch des Vernunftrechts und der Staatswissenschaften, Bd. 1, 2. Aufl., Stuttgart 1840 (Nachdruck: Aalen 1964), S. 241, 244 und Bd. 3, Stuttgart 1834 (Nachdruck: Aalen 1964), S. 465 f. 9 Augustin Schelle, Praktische Philosophie, Bd. 2, Salzburg 1785, S. 152 und 162 f.; Pörschke, Vorbereitungen (Anm. 8), S. 158 f., 181, 184 f.; Leopold Friedrich Fredersdorff, System des Rechts der Natur auf bürgerliche Gesellschaften, Gesetzgebung und das Völkerrecht angewandt, Braunschweig 1790 (Nachdruck: Goldbach 1999), S. 77, 82 f., 262; Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 7), Bd. 2, S. 160 f.; ders., Privat-Recht (Anm. 8), S. 185 und 190; Kretzer von Kreuth, Leitfaden (Anm. 8), S. 44 und 47; vgl. auch Ludwig Julius Friedrich Höpfner, Rezension über Roth: Juristisch-politische Abhandlung über den Wucher und die Mittel demselben ohne Strafgesetze Einhalt zu thun – auch eine Beantwortung der Wiener Preißfrage, in: Neue allgemeine deutsche Bibliothek, Anhang zu den Jg. 1797-1803, 1799, S. 550-552, hier: S. 551.

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sen, da es dem Kreditwilligen freigestanden habe, das Darlehensangebot auszuschlagen, wenn ihm die Bedingungen nicht zusagten.10 Darlehenszinsen gleich welcher Höhe wurden also als naturrechtmäßig angesehen, weil sie der übereinstimmende freie Wille der Vertragschließenden legitimierte. Dementsprechend entfiel diese Rechtfertigung und mit ihr auch die Naturrechtmäßigkeit der vereinbarten Verzinsung, wenn sich der Darlehensnehmer unfreiwillig zu deren Erbringung bereit erklärt hatte. Davon könne bei einem Geschäftsfähigen aber nur dann die Rede sein, wenn der Kreditgeber ihn zur Eingehung des Vertrags entweder durch Hervorrufung eines Irrtums in betrügerischer Absicht oder unter Anwendung von Zwang veranlasste.11 Hingegen schließe, so betonte Franz Alois von Zeiller, der zu den Redaktoren des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs zählte, ein dringendes Geldbedürfnis die Freiwilligkeit nicht aus, wie dies noch die Verfechter gesetzlicher Zinstaxen im Rahmen der Wucherpreisfrage angenommen hatten. Er forderte daher nachdrücklich die genaue Unterscheidung von Geldknappheit und Zwang: „Nur vermenge man mit dem letzteren Umstande“ – dem Zwang – „den Fall nicht, da ein Geldbesitzer die zufällige Zwangslage des Entlehners benutzt, um sich größere Zinsen zu bedingen, welche zu verwilligen, oder, in der Hoffnung einer minder lästigen Hülfe, zu versagen, er noch immer der freyen Entschließung des letzteren überläßt.“12 Doch zeigt der Aufruf Zeillers nicht nur, dass aus seiner Sicht die finanzielle Bedrängnis des Darlehensnehmers keinen Ausschlussgrund für ein freiwilliges rechtsgeschäftliches Handeln bildete. Vielmehr billigte er Darlehensgebern sogar die Befugnis zu, auf diesen Umstand mit einer Steigerung der Zinsforderung zu reagieren, weil den Kreditsuchenden die Freiheit bleibe, das zu den Zinsen angebotene Geld abzulehnen. Ähnlich wie Zeiller ermutigte der Göttin___________ 10

Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 7), Bd. 2, S. 161; ders., Privat-Recht (Anm. 8), S. 136, 185, 190 f.; Egger, Das natürliche Privat-Recht (Anm. 8), S. 216 i.V.m. 221 f.; Maaß, Grundriß des Naturrechts (Anm. 8), S. 71 f., 227 und 236; Kretzer von Kreuth, Leitfaden (Anm. 8), S. 44 und 47. 11 Schelle, Philosophie (Anm. 9), S. 163; Berg, Ueber Wucher (Anm. 8), S. 177; Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 7), Bd. 2, S. 161 und Bd. 3, S. 15; Egger, Das natürliche Privat-Recht (Anm. 8), S. 222; Kretzer von Kreuth, Leitfaden (Anm. 8), S. 48; vgl. auch Höpfner, Rezension über Roth (Anm. 9), S. 551. 12 Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 7), Bd. 2, S. 161; ähnlich verwarf auch ders., Privat-Recht (Anm. 8), S. 191 f. den Vergleich des wuchernden Darlehensgebers mit einem Räuber, wie ihn die Teilnehmer der Preisfrage Josephs II. gezogen hatten: „Man vermenge jedoch damit“ – mit den Ausnahmen von der Freiwilligkeit – „nicht den Drang der Umstände, worein der Entlehner durch eigene oder fremde Schuld oder durch Unglücksfälle versetzet worden ist. Wer aus der ihm bekannten, kummervollen Lage des Entlehners den Vortheil zeiht, seine Forderungen zu überspannen, ist ein unbilliger, sittlich böser Mensch; aber mit dem Räuber, der dem Andern die Börse abnöthiget, kann er nicht verglichen werden“.

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ger Juraprofessor Günther Heinrich von Berg die Kreditgeber regelrecht dazu, dringende Geldsorgen ihrer Vertragspartner zinserhöhend zu berücksichtigen. Denn ebenso wie „der Kaufmann den Preis seiner Waaren nicht bloß nach dem Einkaufspreise, sondern nach dem Werthe derselben, den sie gerade haben, und nach dem Bedürfniß der Kaufenden, bestimmt“, sei es auch dem Geldeigner nicht verwehrt, dass er „auf das Bedürfniß dessen, der bey ihm ein Darleihen sucht, Rücksicht nimmt“13. Ihm sollte es also unbenommen bleiben, für sein Geld eine höhere Verzinsung zu fordern, wenn er bemerkte, dass sein Gegenüber auf den Krediterhalt angewiesen war, da der ausbedungene Zinssatz auch in dem Fall „auf den gegenseitigen Unterhandlungen und der freywilligen Uebereinkunft beider Theile“14 beruhe. 

2. Die Gleichheit von Leistung und Gegenleistung Im Zusammenhang mit dem Votum zugunsten der freien Zinsvereinbarung wurde in den um 1800 veröffentlichten Naturrechtskompendien die bereits zur Zeit des Ancien Régime geführte Diskussion über das Wertverhältnis von Leistung und Gegenleistung aufgegriffen.15 Ausgangspunkt dieser Diskussion blieb auch im liberalen Naturrecht die Erkenntnis, dass es nicht der Absicht der Parteien eines gegenseitigen Vertrages entspreche, sich unentgeltlich Vorteile zu verschaffen. Bei solchen Verträgen – so heißt es etwa bei dem Juristen Franz Xaver Kretzer von Kreuth – lasse sich mithin „nicht vermuthen, daß ein Theil den andern beschenken wolle“16. Vielmehr gehe jeder der beiden Kontrahenten den gegenseitigen Vertrag ein, weil er „doch wenigstens eben so viel zu empfangen Willens seye, als er überträgt“17. Allerdings divergierten die Folgerungen, die man aus diesem Ansatz zog. Um eine Begünstigung der einen Partei zu Lasten der anderen zu vermeiden, wurde im absolutistischen Naturrecht zum Teil angenommen, dass ein gegenseitiger Vertrag nur dann Bestand haben könne, wenn die beiderseitigen Leistungspflichten den gleichen objektiven Wert aufwiesen. Diese in erster Linie ___________ 13

Berg, Ueber Wucher (Anm. 8), S. 188. Berg, Ueber Wucher (Anm. 8), S. 189. 15 Zur Diskussion im absolutistischen Naturrecht siehe Kap. 1, VI. 16 Kretzer von Kreuth, Leitfaden (Anm. 8), S. 43. 17 Kretzer von Kreuth, Leitfaden (Anm. 8), S. 43; ähnlich auch: Ernst Ferdinand Klein, Grundsätze der natürlichen Rechtswissenschaft nebst einer Geschichte derselben, Halle 1797 (Nachdruck: Königstein/Ts. 1979), S. 145; Zeiller, Privat-Recht (Anm. 8), S. 183 f.; Egger, Das natürliche Privat-Recht (Anm. 8), S. 213 f.; vgl. ebenfalls: Karl Anton von Martini, Lehrbegriff des Natur- Staats- und Völkerrechts, Bd. 2, Wien 1784 (Nachdruck: Aalen 1969), S. 108 und 115; ders., Erklärung der Lehrsätze über das Naturrecht, Bd. 2, Wien 1787, S. 254 f. 14

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von Grotius, Pufendorf und Wolff vertretene Auffassung widersprach indes der seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert überwiegend propagierten freien Zinsvereinbarung, die für die Zeitgenossen nur eine Ausprägung eines alle gegenseitigen Verträge durchziehenden Prinzips bildete: Danach sollte den Kontrahenten – als Folge der Eigentums- und Vertragsfreiheit – die Befugnis zustehen, die auszutauschenden Leistungen ohne jegliche Einschränkungen zu bestimmen.18 Dementsprechend sahen sich nicht wenige Autoren nunmehr zu der Klarstellung veranlasst, dass die naturrechtliche Wirksamkeit eines gegenseitigen Vertrags keineswegs die objektive Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung erfordere.19 Zum Teil griffen sie dabei ausdrücklich Grotius und Wolff wegen deren abweichender Ansicht an und stellten sich auf die Seite von Thomasius und Gundling, die prominentesten Repräsentanten der Gegenansicht im vorliberalen Naturrecht.20 Ebenso wie diese waren auch die Naturrechtler um die Jahrhundertwende der Auffassung, dass es für die Gleichwertigkeit allein auf das subjektive Urteil der Kontrahenten ankomme: „Die Gleichheit des Werthes der gegen einander umgesetzten Sachen hänget bloß von der Meinung beyder Theile ab und gehöret daher nicht zur Gültigkeit des Vertrags“21. Folglich stehe das Naturrecht auch gravierenden objektiven Wertabweichungen zwischen den übernommenen Leistungspflichten nicht entgegen, soweit sich beide Vertragspartner damit ein___________ 18 Vgl. Schelle, Philosophie (Anm. 9), S. 152, 162 f.; Pörschke, Vorbereitungen (Anm. 8), S. 158 f., 181 f., 184 f.; Maaß, Grundriß des Naturrechts (Anm. 8), S. 227, 236; Kretzer von Kreuth, Leitfaden (Anm. 8), S. 43 f., 47; Zeiller, Privat-Recht (Anm. 8), S. 185 f., 190 f.; Egger, Das natürliche Privat-Recht (Anm. 8), S. 118 f., 216 f., 221 f.; vgl. auch: Hoffbauer, Naturrecht (Anm. 7), S. 166, 172; Gutjahr, Entwurf (Anm. 7), S. 93, 98. 19 Schelle, Philosophie (Anm. 9), S. 152 f.; Rüdiger, Lehrbegriff des Vernunftrechts (Anm. 8), S. 402; Gottlob Ernst Schulze, Leitfaden der Entwickelung der philosophischen Prinzipien des bürgerlichen und peinlichen Rechts, Göttingen 1813, S. 187; Zeiller, Privat-Recht (Anm. 8), S. 186 f.; Egger, Das natürliche Privat-Recht (Anm. 8), S. 216 f.; Rotteck, Lehrbuch des Vernunftrechts (Anm. 8), Bd. 1, S. 241; so auch schon: Höpfner, Naturrecht (Anm. 7), S. 76 f. – Zur Haltung Höpfners vgl. Plohmann, Ludwig Julius Friedrich Höpfner (Anm. 7), S. 170 f. 20 Vgl. Ludwig Gottfried Madihn, Grundsätze des Naturrechts, Bd. 1, Frankfurt a.d.O. 1789, S. 153 f.; Rüdiger, Lehrbegriff des Vernunftrechts (Anm. 8), S. 402 f.; Anton Bauer, Lehrbuch des Naturrechts, Marburg 1808, S. 170 f.; Zeiller, Privat-Recht (Anm. 8), S. 186 f.; so ebenfalls bereits: Höpfner, Naturrecht (Anm. 7), S. 77. 21 Rüdiger, Lehrbegriff des Vernunftrechts (Anm. 8), S. 402; ferner: Zeiller, PrivatRecht (Anm. 8), S. 186; Egger, Das natürliche Privat-Recht (Anm. 8), S. 216 f.; ähnlich bereits: Martini, Lehrbegriff (Anm. 17), S. 115: „Da jedoch in dem natürlichen Stande, die Preise der Sachen von eines jeden Willkuhre abhangen, und niemand schuldig ist, in Schätzung seiner Sache sich nach dem Urtheile anderer zu richten: so werden diejenigen Sachen gleich seyn, welche die Verträger für solche halten. Denn diese haben das Recht, der Sache, die sie hindangeben, einen gleichen Werth zu setzen, als jene hat, die sie dagegen erlangen“.

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verstanden erklärt hatten. Denn „alles, was ich mit meinem Willen in die Stelle des Gegebenen nehme, es mag merkantilisch, auch noch so sehr verschiedenen Werthes seyn“, stellte der Königsberger Philosoph Karl Ludwig Pörschke im Jahre 1795 fest, „ist ein vollkommenes Aequivalent. Wer, wie der einbildungsreiche Dichter alle Schätze Asiens für ein Haar seiner Lycimnia hingäbe, bleibt rechtlich so reich, wie er war; das Empfangene mag einem andern, oder auch selbst ihm beym Aufwachen, noch so verächtlich vorkommen, er hat den vollen Werth für sein baares Geld in dem Haare empfangen“22. Die Willensübereinstimmung der Parteien dokumentiere mithin, dass sie die beiderseitigen Leistungen als wertgleich betrachteten. Dies galt aus Sicht der Naturrechtler wiederum – wie schon beim Darlehensvertrag gesehen – nur dann nicht, wenn einer der Kontrahenten den gegenseitigen Vertrag aufgrund der bewussten Erzeugung eines Irrtums oder des Einsatzes von Zwang beim anderen zustande gebracht und dadurch dem vereinbarten Vertragsinhalt seine Berechtigung genommen hatte. 23

3. Die Trennung von Recht und Moral Einige Naturrechtler stellten nicht nur klar, dass sie die Forderung nach einer objektiven Wertgleichheit der beiderseitigen Leistungen im gegenseitigen Vertrag, für die sich z.B. Grotius und Wolff ausgesprochen hatten, keineswegs teilten. Hinzu kam z.B. in Anton Bauers 1808 erschienenen „Lehrbuch des Naturrechts“ der gegen Grotius und Wolff gerichtete Vorwurf, dass diese mit ihrer anders lautenden Auffassung „ethische und rechtliche Principien auffallend verwechselt“24 hätten. Es verwundert daher nicht, dass bei der Frage nach der Naturrechtmäßigkeit hoher Zinsforderungen häufig das Verhältnis von Naturrecht und Ethik bzw. Moral zur Sprache kam.25 ___________ 22

Pörschke, Vorbereitungen (Anm. 8), S. 181. Vgl. Schelle, Philosophie (Anm. 9), S. 152; Klein, Grundsätze (Anm. 17), S. 145; Zeiller, Privat-Recht (Anm. 8), S. 186; Egger, Das natürliche Privat-Recht (Anm. 8), S. 217 f., 152-160, 169-172; so auch schon: Martini, Lehrbegriff (Anm. 17), S. 113 und 115; ders., Erklärung der Lehrsätze (Anm. 17), S. 255. 24 Bauer, Lehrbuch (Anm. 20), S. 171; ähnlich: Zeiller, Privat-Recht (Anm. 8), S. 187: „Groot und Wolf vermengen hier, wie bey mehreren andern Fragen, die Moral mit dem Rechte“; vgl. auch Johann Friedrich Herbart, Analytische Beleuchtung des Naturrechts und der Moral, Göttingen 1836, S. 70 und 73 f. 25 Vgl. Schelle, Philosophie (Anm. 9), S. 163 f.; Buhle, Lehrbuch (Anm. 8), S. 146 f.; Heydenreich, System des Naturrechts (Anm. 7), Bd. 2, S. 134; Pörschke, Vorbereitungen (Anm. 8), S. 184 f.; Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 7), Bd. 2, S. 158 ff.; ders., Privat-Recht (Anm. 8), S. 190; Egger, Das natürliche PrivatRecht (Anm. 8), S. 221; Kretzer von Kreuth, Leitfaden (Anm. 8), S. 47; so auch schon Höpfner, Naturrecht (Anm. 7), S. 80. 23

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Recht und Moral wollten nämlich die zeitgenössischen Naturrechtler genau voneinander abgegrenzt wissen,26 da die Beurteilung wucherischer Kreditzinsen nach naturrechtlichen und moralischen Prinzipien keineswegs gleich ausfalle. Denn während das „äußerliche Zwangsrecht“27 – also das Naturrecht – wegen der Eigentums- und Vertragsfreiheit den Zinsforderungen der Darlehensgeber keine Grenze setze, bestehe diese auf dem Gebiet der Moral durchaus.28 „Der Begriff des Wuchers“ war demgemäß für den Göttinger Philosophieprofessor Johann Gottlieb Buhle nur ein „moralischer, und kein rechtlicher“29, so dass der nach Maximierung seiner Zinsgewinne strebende Kreditgeber keine naturrechtliche, sondern lediglich eine – nicht zwangsweise durchsetzbare30 – moralische Pflicht gegenüber seinem Vertragspartner verletze. Der Darlehensgeber brauche sich folglich zur Wahrung der Naturrechtsordnung nicht darum zu kümmern, so meinte Pörschke, welche Folgen der eingegangene Kontrakt für den Kreditsuchenden nach sich ziehe: Ob dieser etwa aufgrund der seinem Vertragspartner zugestandenen Verzinsung in Armut zu verfallen drohe, spiele für das Naturrecht keine Rolle, sondern lasse sein Verhalten allenfalls als unbillig erscheinen. Aus diesem Grund erwies sich für Pörschke geradezu jeder als „Beleidiger des Ausborgenden“, der für diesen wegen der vermeintlich zu hohen Zinsforderung des Kreditgebers Partei ergriff, weil er damit den freiwillig erklärten Willen des Darlehensnehmers zugunsten eben dieses Vertragsinhalts missachte.31 Denn „was hart und unbillig ist“, so konstatierte auch Zeiller, „kann noch nicht als eine Ungerechtigkeit erklärt werden“32. Sollte man hinge___________ 26 So z.B. Zeiller, Privat-Recht (Anm. 8), S. 190: „Jedermann denkt sich bey dem Worte Wucher große, übermäßige Zinsen, die einem Gesetze, entweder dem Rechtsoder doch dem Tugendgesetze zuwider laufen, mithin entweder widerrechtlich oder doch unbillig sind“; ferner: ders., Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 7), Bd. 2, S. 158 ff.; Egger, Das natürliche Privat-Recht (Anm. 8), S. 221. – Vgl. zum Verhältnis von Naturrecht und Moral: Diethelm Klippel, Ideen zur Revision des Naturrechts. Die Diskussion zur Neubegründung des deutschen Naturrechts um 1780, in: Jahrbuch für Recht und Ethik. Annual Review of Law and Ethics, 2000, S. 73-90, hier: S. 75-79. 27 Schelle, Philosophie (Anm. 9), S. 163; ähnlich: Höpfner, Naturrecht (Anm. 7), S. 80; Pörschke, Vorbereitungen (Anm. 8), S. 185. 28 Vgl. v.a. Schelle, Philosophie (Anm. 9), S. 152 und 163 f.; Pörschke, Vorbereitungen (Anm. 8), S. 184 f.; Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 7), Bd. 2, S. 159 ff. 29 Buhle, Lehrbuch (Anm. 8), S. 146 f.; so auch Heydenreich, System des Naturrechts (Anm. 7), Bd. 2, S. 134: „Das Naturrecht kennt also den Wucher nicht, nur die Ethik“. 30 Vgl. Buhle, Lehrbuch (Anm. 8), S. 12-15; ferner z.B. Gros, Lehrbuch (Anm. 7), S. 22 zu diesem Unterscheidungskriterium zwischen rechtlichen und moralischen Pflichten: Die „Moral schreibt der innern Freyheit Geseze vor; das Naturrecht bringt die äußere Freyheit [...] unter Geseze, und zwar unter Zwangsgeseze“. 31 Pörschke, Vorbereitungen (Anm. 8), S. 185. 32 Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 7), Bd. 2, S. 160; ähnlich auch Schelle, Philosophie (Anm. 9), S. 152: „Man handelt unbillig, wenn man jemanden

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Kap. 4: Der Zinswucher in der politischen Theorie

gen diesen grundlegenden Unterschied zwischen Unrecht und Unbilligkeit aus dem Blick verlieren und vergessen, dass sich der Zinsschuldner freiwillig auf den Vertrag eingelassen hatte, drohe „eine nicht ganz zweckmäßige Erhebung der moralischen Grundsätze zu vollkommenen Pflichten“33. Aus Sicht der Naturrechtler wirkte sich auf diese Moralvorstellungen insbesondere die Haltung der Kirche aus, wie sie beim Darlehensvertrag im kanonischen Zinsverbot ihren Ausdruck gefunden hatte.34 Das Naturrecht blieb also bei einem Verzicht auf eine gewissenhafte Unterscheidung zwischen den verschiedenen Pflichtenebenen von Recht und Moral, so schien man zu befürchten, nicht frei von theologischem Einfluss.  Dieser entfiel in der Tat nicht sogleich gänzlich mit der Ersetzung der Offenbarung als Erkenntnisquelle durch die Vernunft an der Schwelle vom scholastischen Naturrecht des Mittelalters zum säkularisierten Naturrecht der Neuzeit. Insbesondere der in den Kompendien des Vernunftrechts an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert kritisierte Hugo Grotius, den man häufig als Begründer des säkularisierten Naturrechts anführt, verzichtete nicht völlig auf religiös fundierte Argumentationsmuster, sondern wurde noch stark durch die spanische Spätscholastik geprägt.35 Christian Thomasius, mit dem die Naturrechtler um 1800 sympathisierten, sei es indes gelungen, so urteilt Dietmar Willoweit, den Prozess der Säkularisierung des Naturrechts zum Abschluss zu bringen, „indem er es endgültig von der Vorstellung eines göttlichen Rechts trennte“36. Zu dieser – wenngleich nicht unbestritten gebliebenen37 – Einschätzung einer vollständigen Ausklammerung theologischer Erwägungen aus dem Naturrecht bereits bei Thomasius mag nicht zuletzt beigetragen haben, dass ___________ eine Sache um ein geringes abnöthiget; wenn er aber doch einwilliget, so handelt man nicht ungerecht“. 33 Berg, Ueber Wucher (Anm. 8), S. 192. 34 Schelle, Philosophie (Anm. 9), S. 163 f.; Zeiller, Privat-Recht (Anm. 8), S. 190 f.; vgl. auch Pörschke, Vorbereitungen (Anm. 8), S. 185, der „Moral und Religion“ als Begriffspaar dem „äußern Rechte“ gegenüberstellte. 35 Vgl. z.B. Hans Schlosser, Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, 10. Aufl., Heidelberg 2005, S. 95 f.; Ulrich Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, 4. Aufl., München 2004, S. 196 f.; Stephan Meder, Rechtsgeschichte, Köln (u.a.), 2002, S. 206 f. und 209 ff. im Anschluss an Gerhard Wesenberg und Gunter Wesener, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. Aufl., Wien (u.a.) 1985, S. 140 ff. Instruktiv zum Einfluss der spanischen Spätscholastiker auf Grotius: Hans Thieme, Natürliches Privatrecht und Spätscholastik, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung, 1953, S. 230-266. 36 Dietmar Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte. Vom Frankenreich bis zur Wiedervereinigung Deutschlands, 5. Aufl., München 2005, S. 202. 37 Vgl. Martin Reulecke, Gleichheit und Strafrecht im deutschen Naturrecht des 18. und 19. Jahrhunderts, Tübingen 2007, S. 56-67.

II. Naturrecht und staatliche Wuchergesetze

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man gemeinhin die deutliche Differenzierung zwischen Recht und Moral als dessen Verdienst ansieht.38

II. Naturrecht und staatliche Wuchergesetze II. Naturrecht und staatliche Wuchergesetze

Die zeitgenössischen Naturrechtler bemühten sich indes nicht nur bei Recht und Moral um eine exakte Abgrenzung, sondern strebten diese auch innerhalb des Rechts zwischen Naturrecht auf der einen und staatlich gesetztem Recht auf der anderen Seite an. Blickt man allerdings auf die gravierenden Änderungen in der Staatszweck- und Staatsvertragstheorie seit Ende des 18. Jahrhunderts, so lassen sich von einer solchen Unterscheidung – anders als bei derjenigen zwischen rechtlichen und moralischen Verpflichtungen – kaum abweichende Ergebnisse erwarten. Schließlich bestand der Staatszweck nunmehr in der Sicherung der Rechte des Einzelnen, die er im Gegensatz zum vorliberalen Naturrecht nicht mehr mit Abschluss des Staatsvertrags einbüßen sollte. Daher könnte man meinen, dass die freie Vereinbarung der Darlehenszinsen durch die Kontrahenten nicht nur für das Naturrecht, sondern auch für das staatliche Recht beansprucht und infolge dessen eine obrigkeitliche Wuchergesetzgebung abgelehnt wurde. Für diese Vermutung spricht zudem, dass einige Kompendien des Vernunftrechts ganz vom Modell des Naturzustandes abrückten, so dass ihre Verfasser die Naturrechtssätze direkt für den Bürger im Staat – und nicht für einen vorstaatlichen Naturzustand – formulieren konnten. Dadurch entfiel die Gegenüberstellung von status naturalis und status civilis, die in der politischen Theorie des Ancien Régime stets die Verringerung der Rechte des Untertanen im Staat nach sich gezogen hatte,39 so dass auch die Gefahr für die individuelle Freiheit gebannt schien.40 ___________ 38

So Martin Kühnel, Das politische Denken von Christian Thomasius, Berlin 2001, S. 58-65; Hans-Ludwig Schreiber, Der Begriff der Rechtspflicht, Berlin 1966, S. 13-23; ferner: Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1, München 1988, S. 285 ff.; Hinrich Rüping, Die Naturrechtslehre des Christian Thomasius und ihre Fortbildung in der Thomasius-Schule, Bonn 1968, S. 104 und 118; Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. Aufl., Göttingen 1967, S. 316 und 318; vgl. zur Unterscheidung von Recht und Moral bei der Festsetzung von Leistung und Gegenleistung: Klaus Luig, Der gerechte Preis in der Rechtstheorie und Rechtspraxis von Christian Thomasius (1655-1728), in: Bruno Paradisi (Hg.), Diritto e potere nella storia europea, Florenz 1982, S. 775-803, hier: S. 778 f. – Kritisch hierzu mit Blick auf das Strafrecht: Reulecke, Gleichheit und Strafrecht (Anm. 37), S. 63 ff. 39 Siehe dazu Kap. 1, VI. 40 Vgl. Rolin, Der Ursprung des Staates (Anm. 1), S. 114-119; Diethelm Klippel, Naturrecht als politische Theorie. Zur politischen Bedeutung des deutschen Naturrechts im 18. und 19. Jahrhundert, in: Hans Erich Bödeker und Ulrich Herrmann (Hg.), Aufklärung als Politisierung – Politisierung der Aufklärung, Hamburg 1987, S. 267-293, hier: S. 273 f.

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Kap. 4: Der Zinswucher in der politischen Theorie

Dennoch bleibt die Erwartung einer Ablehnung von Wucherverboten sowohl im Naturrecht als auch im staatlichen Recht zumeist unerfüllt. Statt dessen wurde die Berechtigung gesetzlicher Höchstzinsfestsetzungen überwiegend nicht in Frage gestellt, so dass Autoren wie der Braunschweiger Justizrat und Polizeidirektor Leopold Friedrich Fredersdorff und Berg, die diese unter Verweis auf Freiheit und Eigentum der Bürger bestritten,41 Ausnahmen blieben. Gegen ein Eingreifen des Gesetzgebers sprach aus deren Sicht zudem, dass die Besonderheiten des jeweiligen Kreditgeschäfts bei der Bemessung von Zinstaxen oftmals unberücksichtigt bleiben müssten, obwohl diese für die Angemessenheit der Kreditgebern als Gegenleistung für die Überlassung ihrer Gelder gebührenden Zinsen entscheidend seien.42 So hielt es Fredersdorff z.B. für ungerechtfertigt, Darlehensgebern selbst dann nur die geringen gesetzlichen Zinsen zuzubilligen, wenn sie mit der Kreditvergabe ein beachtliches Risiko eingingen, ihr Geld zu verlieren, oder es ihren Vertragspartnern zu lukrativen Gewinnen verholfen hatte.43 Die „Erfahrung lehret es auch“, fügte er hinzu, „wie unzulänglich die Gesetze sind, höhre Zinsnehmung, als der festgesetzten, zu vermeiden. Selten kommt die Ueberschreitung aus“44. Ähnlich beklagte der Hallenser Philosophieprofessor Johann Christian Christoph Rüdiger mit Blick auf die im Preußischen Allgemeinen Landrecht vorgesehene Zinsreglementierung,45 dass die staatliche Gesetzgebung nicht von derartigen „gekünstelten Vorschriften“ ablasse, wenngleich sie sowohl „verkehrt und hart als vergeblich ___________ 41 Vgl. Berg, Ueber Wucher (Anm. 8), S. 187-192 und 203; Fredersdorff, System des Rechts der Natur (Anm. 9), S. 261 f., 330, 471, vgl. ferner S. 77, 82 f., 295. Zehn Jahre später wandte sich Leopold Friedrich Fredersdorff, Practische Anleitung zur LandPolicey aus allgemeinen Grundsätzen mit Hinweisung auf die Fürstl. Braunschw. Wolfenbüttelschen Landes-Gesetze, Pyrmont 1800, S. 258 indes zur „Erhaltung des Eigenthums und des Vermögens der Landleute“ (S. 10 f.) nicht mehr gegen die Festsetzung eines gesetzlichen Zinsmaximums, obgleich die Obrigkeit auf diesem Wege nicht sicherstelle, so räumte er ein, dass der Kreditsuchende eine geringverzinsliche Anleihe erhielt, denn: „Ob dann ein Capitalist für die bestimmten Zinsen ausleihen wolle, hängt von seiner Willkühr ab.“ – Solche bei Fredersdorff nicht selten zu konstatierenden gegensätzlichen Stellungnahmen spiegeln sich auch in seiner unterschiedlich ausfallenden Einordnung durch die rechtshistorische Forschung wider: Während ihn z.B. Dietrich Berding, Leopold Friedrich Fredersdorff (1737-1814). Ein Jurist zwischen Tradition und Revolution, in: Leopold Friedrich Fredersdorff, System des Rechts der Natur auf bürgerliche Gesellschaften, Gesetzgebung und das Völkerrecht angewandt, Braunschweig 1790 (Nachdruck: Goldbach 1999), S. VII-XIX, hier: S. XIII-XVII in erster Linie in das liberale Naturrecht verortet, zählt Preu, Polizeibegriff (Anm. 1), S. 253 ihn zu den Autoren, die „in der kameralistischen Tradition verbleiben“. 42 Vgl. Berg, Ueber Wucher (Anm. 8), S. 190 f.; Fredersdorff, System des Rechts der Natur (Anm. 9), S. 262-265. 43 Fredersdorff, System des Rechts der Natur (Anm. 9), S. 262-265. 44 Fredersdorff, System des Rechts der Natur (Anm. 9), S. 265 f. 45 S.u. IV., 1.

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und leicht zu hintergehen sind“46. Anstatt zulässige Vertragsinhalte vorzuschreiben, sollte sich der Gesetzgeber, so forderte er an anderer Stelle, auf den Schutz der Willensfreiheit der Kontrahenten beschränken und auf diesem Wege die naturrechtlich erlaubte freie Vereinbarung von Leistung und Gegenleistung im staatlich gesetzten Recht absichern.47 Diesen inhaltlichen Gleichlauf von Naturrecht und staatlicher Gesetzgebung strebte Rüdiger indes nicht nur bei der Frage nach der Berechtigung von Wucherverboten an. Vielmehr rief er den Gesetzgeber generell dazu auf, sich bei seinem Tätigwerden das Naturrecht „zur Richtschnur [zu] nehmen“48. Noch weiter ging Fredersdorff, der dem Gesetzgeber nicht nur nahe legte, Abweichungen zum Naturrecht weitgehend zu vermeiden, sondern ihn auch strikt daran band: „Wenn also die bürgerlichen Gesetze gut und gerecht seyn sollen, so müssen sie Anordnungen seyn, die in der genauesten Verbindung mit dem Rechte der Natur stehen.“49 Selbst geringfügigen Unterschieden stand Fredersdorff daher argwöhnisch gegenüber, so dass sich bereits beim „mindeste[n] Widerspruch“ zum Naturrecht die staatliche Gesetzgebung als „fehlerhaft und ungerecht“ erweise.50 Diese sollte also die vernunftrechtlichen Vorgaben nicht einfach übergehen dürfen, wie man es dem Gesetzgeber bis zum Ende des 18. Jahrhunderts zugebilligt hatte,51 sondern sich streng an die im Naturrecht entwickelten Grundsätze halten. Ein derart formulierter Geltungsanspruch des Naturrechts, richtungweisend für das staatlich gesetzte Recht zu sein, blieb an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert keine Seltenheit, sondern wurde des Öfteren in den Naturrechtskompendien erhoben, um deren liberale Gewährleistungen auch in der obrigkeitlichen Gesetzgebung zur Geltung zu verhelfen.52 Doch führte er keineswegs ___________ 46

Rüdiger, Lehrbegriff des Vernunftrechts (Anm. 8), S. 405. Vgl. Rüdiger, Lehrbegriff des Vernunftrechts (Anm. 8), S. 402 f.; vgl. auch Robert von Mohl, System der Präventiv-Justiz oder Rechts-Polizei, Tübingen 1834, S. 324 f. 48 Rüdiger, Lehrbegriff des Vernunftrechts (Anm. 8), S. 9 f. – vgl. auch S. 11: „Das willkührliche Satzungsrecht, ist daher seinem Gehalt nach, meistens einstimmig, [...] mit dem natürlichen Vernunftrecht“. 49 Fredersdorff, System des Rechts der Natur (Anm. 9), S. 167. 50 Fredersdorff, System des Rechts der Natur (Anm. 9), S. 167. 51 Vgl. Diethelm Klippel, Vernünftige Gesetzgebung. Die Philosophie der bürgerlichen Gesetzgebung im 19. Jahrhundert, in: Winfried Speitkamp und Hans-Peter Ullmann (Hg.), Konflikt und Reform. Festschrift für Helmut Berding, Göttingen 1995, S. 198-215, hier: S. 202; ders., Naturrecht als politische Theorie. Zur politischen Bedeutung des deutschen Naturrechts im 18. und 19. Jahrhundert, in: Hans Erich Bödeker und Ulrich Herrmann (Hg.), Aufklärung als Politisierung – Politisierung der Aufklärung, Hamburg 1987, S. 267-293, hier: S. 275; ferner: Schröder, „Naturrecht bricht positives Recht“ (Anm. 4), S. 422 ff. 52 Vgl. Diethelm Klippel, Die Philosophie der Gesetzgebung. Naturrecht und Rechtsphilosophie als Gesetzgebungswissenschaft im 18. und 19. Jahrhundert, in: Barbara Dö47

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Kap. 4: Der Zinswucher in der politischen Theorie

zwangsläufig dazu, dass mit dem Plädoyer für eine freie Zinsvereinbarung im Naturrecht auch die Kritik einer dem entgegenstehenden staatlichen Wuchergesetzgebung einherging. So bildete für Kretzer von Kreuth das Naturrecht zwar „die Grundlage des positiven Rechts“, das zumeist lediglich hinsichtlich der „Art der Bekanntmachung“ und der „beigeruckten Zwangsmittel als positiv zu betrachten“ sei, während es dem Inhalt nach regelmäßig bloß „natürliche Rechtsgesetze“ wiedergebe.53 Dennoch billigte er dem Staat ungeachtet seines Votums für die naturrechtliche Zinsfreiheit die Befugnis zu, den Vereinbarungen der Vertragsparteien über Leistung und Gegenleistung per Gesetz Schranken zu ziehen.54 Ähnlich wie Kretzer von Kreuth hielt auch Buhle das Bekenntnis zur Leitfunktion des Naturrechts – er sah darin den „Probirstein jedes positiven Staatsrechts“55 – nicht davon ab, dem Gesetzgeber freie Hand zu lassen, ob er die maximale Höhe der Darlehenszinsen normieren wollte oder nicht. Mit Blick auf die im Naturrecht fehlende Begrenzung der Zinsvereinbarungen der Vertragsparteien bemerkte er nämlich, dass der „Begriff des Wuchers“ zwar ursprünglich „kein rechtlicher Begriff“ sei. „Er kann aber im Staate“, so fuhr er in seinem 1798 veröffentlichten „Lehrbuch des Naturrechts“ fort, durch den Erlass von Wuchergesetzen „zu einem rechtlichen gemacht werden“56. Ebenso wie Buhle und Kretzer von Kreuth äußerten die meisten Naturrechtler keine Bedenken gegenüber einer staatlichen Wuchergesetzgebung, obwohl sie zuvor die Naturrechtmäßigkeit der frei vereinbarten Darlehenszinsen unabhängig von deren Höhe vehement verteidigt hatten.57 Manche Naturrechtskompendien enthielten sich aber nicht nur jeglicher Kritik gegenüber einem derartigen gesetzgeberischen Einschreiten, sondern schienen den Staat sogar dazu ermutigen zu wollen. So konstatierte Augustin Schel___________ lemeyer und Diethelm Klippel (Hg.), Gesetz und Gesetzgebung im Europa der frühen Neuzeit, Berlin 1998, S. 225-247, hier: S. 234 ff.; ders., Naturrecht und Rechtsphilosophie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Otto Dann und Diethelm Klippel (Hg.), Naturrecht – Spätaufklärung – Revolution, Hamburg 1995, S. 270-292, hier: S. 275 f.; Schröder, „Naturrecht bricht positives Recht“ (Anm. 4), S. 432. 53 Kretzer von Kreuth, Leitfaden (Anm. 8), S. 4 f. 54 Kretzer von Kreuth, Leitfaden (Anm. 8), S. 45. 55 Buhle, Lehrbuch (Anm. 8), S. 211. 56 Buhle, Lehrbuch (Anm. 8), S. 146 f. 57 Vgl. Schelle, Philosophie (Anm. 9), S. 164; Heydenreich, System des Naturrechts (Anm. 7), Bd. 2, S. 134 f.; Gros, Lehrbuch (Anm. 7), S. 120; Weiß, Lehrbuch der Philosophie (Anm. 8), S. 187; Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 7), Bd. 2, S. 161 ff.; ders., Privat-Recht (Anm. 8), S. 185; Egger, Das natürliche PrivatRecht (Anm. 8), S. 216 f.; Meister, Lehrbuch (Anm. 7), S. 288 f.; Pölitz, Die Staatswissenschaften (Anm. 8), S. 100; allgemein für alle gegenseitigen Verträge betonten dies: Madihn, Grundsätze (Anm. 20), S. 153 f.; Gottlieb Hufeland, Lehrsätze des Naturrechts und der damit verbundenen Wissenschaften, Jena 1790, S. 257 und 287; Kretzer von Kreuth, Leitfaden (Anm. 8), S. 45; Herbart, Analytische Beleuchtung (Anm. 24), S. 73 f.

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le, Professor der Philosophie an der Salzburger Universität, dass es durchaus „nützlich und nothwendig seyn könne in den Staaten durch positive Gesetze, wodurch dem Wucher Gränzen gesetzt werden, der Moral zu Hilfe zu kommen“58. Die Trennung von Recht und Moral schloss also für ihn keineswegs ein Tätigwerden des Gesetzgebers aus, mit dem die moralische Verpflichtung des Darlehensgebers, sich mit angemessenen Zinsen zufrieden zu geben, zu einer Pflicht des positiven Rechts gemacht wurde. Dagegen erhob auch Zeiller keine Einwände: Vielmehr empfand er es geradezu als „chimärische Vorstellung“, dem Staat die Befugnis zur Normierung von Wuchergesetzen mit Verweis auf das Eigentumsrecht der Darlehensgeber abzusprechen.59 Solche Gesetze dürfe man daher – ebenso wie andere Reglementierungen der vertraglichen Leistungspflichten – erlassen, „um allen Bürgern den nöthigen Unterhalt, den Erwerb und den Verkehr zu sichern“60. Im Gegensatz vor allem zu Fredersdorff verurteilte Zeiller aber auch nicht kategorisch jede Abweichung des positiven Rechts vom Naturrecht, sondern beließ es eher wertungsneutral bei der Feststellung, dass sich beide nicht stets inhaltlich deckten.61 Deutlich relativierte ebenfalls der Frankfurter Juraprofessor Johann Christian Friedrich Meister den Geltungsanspruch des Naturrechts, indem die staatliche Gesetzgebung bei ihm erst dann auf Ablehnung stieß, wenn sie „in einem wesentlichen Widerspruch mit den unwandelbaren Wahrheiten des Natur-Rechtes stehet“62. Unter dieser Erheblichkeitsschwelle liegende Abweichungen blieben bei ihm also unbeanstandet, so dass Meister keinen Anlass zur Kritik sah, wenn Naturrecht und staatlich gesetztes Recht die Frage nach der Gebotenheit von Zinsbeschränkungen unterschiedlich beantworteten.63 Neben dem verschieden stark akzentuierten Stellenwert des Naturrechts für das staatlich gesetzte Recht, der sich zumindest bei einigen Autoren in der Haltung zu Wuchergesetzen niederschlug, spielte dafür auch die Reichweite der staatsvertraglichen Sicherung individueller Rechte eine Rolle. Denn manche Naturrechtler um 1800 stellten die Rechte des Einzelnen nicht in ihrem ganzen Umfang als unveräußerlich hin, sondern sahen bei einigen Rechten in gewissem Maße durchaus Spielraum für staatliche Eingriffsbefugnisse.64 Auf diese Ein___________ 58 Schelle, Philosophie (Anm. 9), S. 164; in diese Richtung auch: Herbart, Analytische Beleuchtung (Anm. 24), S. 73 f. 59 Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 7), Bd. 2, S. 181 f. 60 Zeiller, Privat-Recht (Anm. 8), S. 185; vgl. auch ders., Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 7), Bd. 2, S. 161 f. 61 Vgl. Zeiller, Privat-Recht (Anm. 8), S. 34 f.; dazu: Egger, Das natürliche PrivatRecht (Anm. 8), S. 27 f. 62 Meister, Lehrbuch (Anm. 7), S. 85. 63 Vgl. Meister, Lehrbuch (Anm. 7), S. 288 f. 64 Vgl. dazu: Klippel, Die Theorie der Freiheitsrechte (Anm. 5), S. 369; ders., Politische Freiheit (Anm. 4), S. 126.

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Kap. 4: Der Zinswucher in der politischen Theorie

schränkung des Prinzips der Unveräußerlichkeit stützte sich der Jenaer Juraprofessor Gottlieb Hufeland, um trotz der von ihm für das Naturrecht angenommenen freien Vereinbarung von Leistung und Gegenleistung zur Berechtigung staatlicher Wuchergesetze zu gelangen.65 Während er nämlich z.B. das Recht auf Leben und die Gewissensfreiheit zu den unveräußerlichen Rechten zählte, die dem staatlichen Zugriff vollständig entzogen waren, dürfe der Gesetzgeber den Erwerb materieller Güter hingegen durchaus reglementieren.66 Dieser Vorbehalt, der sich ähnlich auch bei einigen anderen Naturrechtlern fand,67 erwies sich bei Hufeland als recht weitreichend, da er nicht nur den Erlass von Formvorschriften abdeckte, die beim Eigentumserwerb einzuhalten waren, sondern auch zur Regulierung von Preisen durch Taxen im Allgemeinen wie durch Wuchergesetze beim Darlehensvertrag im Besonderen ermächtigte.68 Die Veränderungen der Staatszweck- und Staatsvertragslehre unter liberalen Vorzeichen reichten somit auch in Hufelands Naturrechtskompendium von 1790 – ebenso wie bei der Mehrzahl seiner Zeitgenossen – nicht aus, um die unbeschränkte Zinsvereinbarung durch die Vertragsparteien auch gegenüber dem Staat einzufordern.

III. Gegenentwürfe zur naturrechtlich begründeten Zinsfreiheit III. Gegenentwürfe zur natürrechtlich begründeten Zinsfreiheit

Obwohl die in den Naturrechtslehrbüchern um 1800 mehrheitlich propagierte freie Vereinbarung der Darlehenszinsen zumeist nicht auf die staatliche Gesetzgebung erstreckt wurde, zeugte sie zumindest von dem Bewusstsein der Autoren, dass sich ein obrigkeitliches Einschreiten gegen den Wucher stets mit dem Einwand einer Verletzung des Eigentumsrechts der Darlehensgeber und der Vertragsfreiheit beider Kontrahenten auseinanderzusetzen hatte. Das Eigentums- und Freiheitsargument mündete jedoch nicht zwangsläufig in die jedenfalls für das Naturrecht häufig erhobene Forderung nach einer freien Zinsvereinbarung. Vielmehr wurde auch das gegenteilige Ergebnis, d.h. eine Beschränkung der bei Kreditgeschäften zulässigen Zinshöhe, mit Freiheit und Eigentum der Bürger gerechtfertigt (1. und 2.). Andere Autoren verwiesen zur Begrenzung der Zinsforderungen der Darlehensgeber auf die objektiv bestimmte Gleichheit von Leistung und Gegenleistung, die bei den meisten ihrer Zeitgenossen – wie bereits gesehen – auf energischen Widerspruch stieß (3.).

___________ 65

Vgl. Hufeland, Lehrsätze des Naturrechts (Anm. 57), S. 67 f., 249, 252-257, 287. Hufeland, Lehrsätze des Naturrechts (Anm. 57), S. 68, 253-257. 67 Vgl. Buhle, Lehrbuch (Anm. 8), S. 88 ff.; Kretzer von Kreuth, Leitfaden (Anm. 8), S. 45; ferner: Heydenreich, System des Naturrechts (Anm. 7), Bd. 1, S. 48 und 198. 68 Hufeland, Lehrsätze des Naturrechts (Anm. 57), S. 257. 66

III. Gegenentwürfe zur naturrechtlich begründeten Zinsfreiheit

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1. Wucher und „Eigenthums-Sicherheits-Polizey“ Während die Zinsfreiheit in den Naturrechtskompendien – insbesondere in denen des natürlichen Privatrechts – regelmäßig als Folge der Eigentums- und Vertragsfreiheit anerkannt wurde, vermittelt ein Blick in die staats- und polizeiwissenschaftlichen Abhandlungen ein differenzierteres Bild. Zwar finden sich auch hier Autoren, die wie der Regierungsrat Friedrich Wilhelm Emmermann die Bekämpfung des Wuchers aus dem polizeilichen Aufgabenbereich herausnahmen, weil darin ein „nicht zu rechtfertigender Eingriff in die Eigenthums-Rechte“69 liege. Andere staats- und polizeiwissenschaftliche Veröffentlichungen zählten demgegenüber die Verhinderung von wucherischen Rechtsgeschäften auch weiterhin – anknüpfend an die absolutistisch-kameralistische Tradition – zum Zuständigkeitsbereich der landesherrlichen Polizei,70 obwohl dafür auf den ersten Blick wegen des Wandels der Staatszwecklehre am Ende des 18. Jahrhunderts die Legitimationsgrundlage zu fehlen scheint. Denn auch die Autoren, die ein gesetzgeberisches Einschreiten gegen den Wucher weiterhin dem polizeilichen Aufgabenbereich zuordneten, sahen den Staatszweck weder im Gemeinwohl- noch Glückseligkeitspostulat, sondern in der Sicherung der Rechte des Bürgers.71 So lehnte etwa Georg Heinrich Henrici den Gemeinwohlbegriff ab, ___________ 69

Friedrich Wilhelm Emmermann, Die Staats-Polizei in Beziehung auf den Zweck des Staats und seine Behörden, Wiesbaden 1819, S. 153; vgl. z.B. auch: Georg Joachim Göschen, Ueber das Princip, die Gränzen und den Umfang der Policei, Leipzig 1808, S. 150-153; Mohl, System der Präventiv-Justiz (Anm. 47), S. 325 f. 70 Vgl. Carl Daniel Heinrich Bensen, Versuch eines systematischen Grundrisses der reinen und angewandten Staatslehre für Kameralisten, Bd. 2, Erlangen 1799, S. 116; Aloys Eisenhuth, Polizey oder Staats-Einwohner-Ordnungen für Sicherheit und Wohlfahrt im Allgemeinen, Bd. 1, Neumarkt 1808, S. 339-346; Georg Heinrich Henrici, Grundzüge zu einer Theorie der Polizeiwissenschaft, Lüneburg 1808, S. 301 f.; Georg Sedlmayr, Bemerkungen über den Staatsverein, und die wesentlichen Rechte der höchsten Gewalt nach Grundsätzen des allgemeinen Staatsrechtes, Salzburg 1809, S. 190; Wilhelm Joseph Behr, Neuer Abriß der Staatswissenschaftslehre zum Gebrauche für Vorlesungen nebst einem Versuche des Grundrisses einer Constitution für Monarchien, Bamberg und Würzburg 1816, S. 143; ders., Allgemeine Polizei-Wissenschaftslehre oder pragmatische Theorie der Polizei-Gesetzgebung und Verwaltung, Bd. 1, Bamberg 1848, S. 171-175. 71 Vgl. z.B. Carl Daniel Heinrich Bensen, Versuch eines systematischen Grundrisses der reinen und angewandten Staatslehre für Kameralisten, Bd. 1, Erlangen 1798, S. 33 und Bd. 2 (Anm. 70), S. 6 ff.; Behr, Neuer Abriß der Staatswissenschaftslehre (Anm. 70), S. 5 f., 125; ders., Allgemeine Polizei-Wissenschaftslehre (Anm. 70), S. 22. – Vgl. zur liberalen Staatszwecklehre bei Behr: Louis Pahlow, Die Theorie der „Düarchie“. Eine Einführung in Leben und Werk von Wilhelm Joseph Behr, in: Wilhelm Joseph Behr, Neuer Abriß der Staatswissenschaftslehre zum Gebrauche für Vorlesungen nebst einem Versuche des Grundrisses einer Constitution für Monarchien, Bamberg und Würzburg 1816 (Nachdruck: Goldbach 2001), S. VII-XXI, hier: S. X ff.

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Kap. 4: Der Zinswucher in der politischen Theorie

da er eine Generalermächtigung für jede nur denkbare Staatstätigkeit enthalte: „Das Gemeinwohl ist ein weitschichtiger Begriff, unter den sich mit einigem Scharfsinn zur Noth alles verstecken läßt, was ihm nicht offenbar widerspricht.“72 „Keine Glückseligkeit!“, so wehrte sich zudem Carl Daniel Heinrich Bensen gegen eine solche Staatszweckdefinition aufgrund deren Unbestimmtheit: „Sie ist keines Princips und also keiner Gesetzgebung fähig, indem es nicht einmal einen allgemeinen Erfahrungsbegriff von ihr giebt.“73 Mit der Kritik an der Bestimmung des Staatszwecks, wie sie die politische Theorie des Absolutismus vorgenommen hatte, verbanden diese Autoren im Grundsatz ebenso wie ihre Zeitgenossen die Forderung nach einer Einschränkung staatlicher Interventionsbefugnisse: Deren Grenze markierte nämlich auch für sie der Staatszweck, so dass ein Eingreifen der Polizei dort ausschied, wo es nicht zur Aufrechterhaltung der Rechte des Individuums erforderlich war.74 Das aber wirft die Frage auf, wie sich die Diskontinuität zwischen vorliberaler und liberaler Staatszwecktheorie mit der Kontinuität einer polizeilichen Wucherbekämpfung vereinbaren lässt. Schließlich bestand zwischen „guter Policey“ und Staatszweck im Obrigkeitsstaat des 18. Jahrhunderts ein untrennbarer Zusammenhang, da diese die Mittel zur Erreichung des Gemeinwohls bzw. der Glückseligkeit bereitstellte.75 Nach der liberalen Staatstheorie fielen hingegen Maßnahmen gegen den Zinswucher nur dann in das Tätigkeitsfeld der Polizei, wenn dadurch eine Rechtsverletzung abgewehrt wurde. Diese Voraussetzung sahen indes manche Staatswissenschaftler an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert bei übermäßigen Zinsforderungen der Darlehensgeber mit Blick auf das Eigentum der Bürger als erfüllt an.76 Sie gingen somit davon aus, dass wucherische Zinsen die Eigentumsrechte der Darlehensnehmer verkürzten und deshalb dem Staatszweck widersprachen. Solchen Rechtsverletzungen sollte die obrigkeitliche Polizei daher sowohl durch den Erlass von Wuchergesetzen als auch durch die Errichtung von Kreditanstalten entgegenwirken, so dass sich im Gewand der „Eigenthums-Sicherheits-Polizey“77 die gleichen Vorkehrungen ___________ 72

Henrici, Polizeiwissenschaft (Anm. 70), S. 122. Bensen, Versuch eines systematischen Grundrisses (Anm. 71), Bd. 1, S. 33. 74 Vgl. zum polizeilichen Aufgabenbereich: Bensen, Versuch eines systematischen Grundrisses (Anm. 70), Bd. 2, S. 7-24; Sedlmayr, Bemerkungen über den Staatsverein (Anm. 70), S. 185; Behr, Neuer Abriß der Staatswissenschaftslehre (Anm. 70), S. 124 ff.; ders., Allgemeine Polizei-Wissenschaftslehre (Anm. 70), S. 40 f. 75 S.o. unter Kap. 1, III., 2. 76 Vgl. Bensen, Versuch eines systematischen Grundrisses (Anm. 70), Bd. 2, S. 114 ff.; Eisenhuth, Polizey (Anm. 70), S. XVII f.; Henrici, Polizeiwissenschaft (Anm. 70), S. 301 f.; Sedlmayr, Bemerkungen über den Staatsverein (Anm. 70), S. 190; Behr, Neuer Abriß der Staatswissenschaftslehre (Anm. 70), S. 143. 77 Eisenhuth, Polizey (Anm. 70), S. XVII; ähnlich: Henrici, Polizeiwissenschaft (Anm. 70), S. 301. 73

III. Gegenentwürfe zur naturrechtlich begründeten Zinsfreiheit

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wiederfanden, die auch die Kameralisten zum polizeilichen Zuständigkeitsbereich gezählt hatten.78 Die kategorische Wendung gegen den Staatszweck der salus publica bzw. Glückseligkeit wegen der diesem immanenten Tendenz einer Ausuferung der Staatstätigkeit schloss also bei einigen Autoren keineswegs aus, dass auch unter Geltung der liberalen Staatszwecklehre das kameralistische Programm der „guten Policey“ in einzelnen Punkten aufrechterhalten wurde. Zu diesen Autoren gehört auch der bayerische Beamte Aloys Eisenhuth, der als Maßnahme der „Eigenthums-Sicherheits-Polizey“ die Normierung einer Zinstaxe in Höhe von fünf Prozent forderte.79 Bei deren Missachtung sollte der Kreditgeber die bezogenen Zinsen, soweit sie das Zinsmaximum überschritten, nicht nur als Geldstrafe zugunsten der staatlichen Armenkasse erbringen, sondern denselben Betrag auch dem Darlehensnehmer zurückzahlen und ihm somit zur Aufhebung der zugefügten Eigentumsverletzung „dasjenige, um welches er ihn wirklich verkürzt hat, wieder ersetzen, und denselben völlig entschädigen“80. Die gleiche Rechtsfolge sah Eisenhuth für Geschäfte vor, mit denen die Vertragschließenden, „unter welchem Namen und Schein es auch seyn mag“81, die Höchstzinsfestsetzung zu umgehen suchten. Damit solche gesetzwidrigen Vereinbarungen nicht unbemerkt von der Obrigkeit zustande kommen konnten, rief er zudem die Angehörigen seines eigenen Berufsstandes – die Beamten – zur Beobachtung der Kreditgeber auf. Wenn ihnen dabei ein wucherisches Rechtsgeschäft bekannt wurde, sollten sie unverzüglich eine Untersuchung des Vorfalls in die Wege leiten und so den Eintritt der gesetzlich vorgesehenen Sanktionen gewährleisten.82  Eisenhuth beschränkte sich aber nicht auf Maßnahmen zur Erleichterung der Aufklärung begangener Rechtsverletzungen, sondern versuchte zudem Gesetzesmissachtungen vorzubeugen. Dies versprach er sich von der Schaffung staatlicher Kreditanstalten, die Darlehenssuchenden die begehrten Gelder gegen moderate Zinsen zur Verfügung stellen sollten.83 Allerdings zählten solche „wohl eingerichtete[n] Credit-Institute und Leihhäuser“ bei Eisenhuth stets nur zu den „mittelbaren Hülfsmitteln, welche dem Gewerb der Wucherer steu___________ 78 Vgl. Bensen, Versuch eines systematischen Grundrisses (Anm. 70), Bd. 2, S. 114 ff.; Eisenhuth, Polizey (Anm. 70), S. XVII f. und 339-346; Henrici, Polizeiwissenschaft (Anm. 70), S. 301 f.; Behr, Neuer Abriß der Staatswissenschaftslehre (Anm. 70), S. 143, vgl. auch S. 136 i.Vm. 132 ff.; ders., Allgemeine PolizeiWissenschaftslehre (Anm. 70), S. 171-175; ferner: Sedlmayr, Bemerkungen über den Staatsverein (Anm. 70), S. 190. 79 Eisenhuth, Polizey (Anm. 70), S. 341. 80 Eisenhuth, Polizey (Anm. 70), S. 342. 81 Eisenhuth, Polizey (Anm. 70), S. 339. 82 Eisenhuth, Polizey (Anm. 70), S. 343. 83 Vgl. Eisenhuth, Polizey (Anm. 70), S. 343 ff.

Kap. 4: Der Zinswucher in der politischen Theorie

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ern“84, während der Erlass von Wuchergesetzen für ihn die in erster Linie gegen den Wucher zu ergreifende Maßnahme blieb.85 Ähnlich stellte auch der Würzburger Staatsrechtsprofessor Wilhelm Joseph Behr klar, dass den geforderten öffentlichen Kreditanstalten nur eine Zinstaxen ergänzende, keineswegs aber eine diese ersetzende Funktion zukommen könne.86 Behr betrachtete sie daher nur als „mitwirkende Stützen“87 zur Erreichung eines mäßigen Zinsniveaus, zumal sich das Angebot dieser Banken an Krediten von vornherein nicht in dem Umfang ausweiten lasse, um jedem Kreditwilligen einen von ihnen – anstelle privater Darlehensgeber – zu gewähren.88 In ihrer Bedeutung zur Bekämpfung des Wuchers rangierten aber nach Behrs Auffassung nicht nur staatliche Kreditinstitute deutlich hinter gesetzlichen Zinsmaxima. Gleiches galt sowohl für eine verbesserte Rechtspflege, da sie keineswegs die bisher wuchernden Darlehensgeber, sondern nur die ohnehin gesetzestreuen zur Minderung ihrer Zinsforderungen veranlasse, als auch für Reformen im Kreditsicherungsrecht, die aus seiner Sicht das Manko aufwiesen, dass sie lediglich Darlehenssuchenden nutzten, die über solche Sicherheiten verfügten.89 Gerade die damit nicht erfassten Darlehensnehmer waren es aber, so gab Behr zu bedenken, die „der Schutzwehre gegen den Wucher am meisten bedürfen“90.

2. Adam Müllers konservatives Freiheits- und Eigentumsverständnis Nicht nur mit dem Programm der „Eigenthums-Sicherheits-Polizey“ ließen sich weitgehende staatliche Eingriffsbefugnisse im Kreditwesen legitimieren; auch Adam Müller zeigte, dass dem Argument der Wahrung des Eigentumsrechts ebenso wie der Freiheit der Bürger nicht notwendigerweise eine interventionsfeindliche Richtung innewohnte. Bei Müller beruht dies auf einer Kritik des liberalen Freiheits- und Eigentumsbegriffs, den er politisch in der Französischen Revolution91 und ökonomisch im englischen Wirtschaftsliberalismus92 verkörpert sah. Damit war er keine Ausnahme, da gerade die Entwick___________ 84

Eisenhuth, Polizey (Anm. 70), S. 343. Vgl. Eisenhuth, Polizey (Anm. 70), S. 339. 86 Vgl. Behr, Allgemeine Polizei-Wissenschaftslehre (Anm. 70), S. 172 f. 87 Behr, Allgemeine Polizei-Wissenschaftslehre (Anm. 70), S. 175. 88 Behr, Allgemeine Polizei-Wissenschaftslehre (Anm. 70), S. 172 f. 89 Vgl. Behr, Allgemeine Polizei-Wissenschaftslehre (Anm. 70), S. 172 f. 90 Behr, Allgemeine Polizei-Wissenschaftslehre (Anm. 70), S. 172. 91 Vgl. Adam Heinrich Müller, Die Elemente der Staatskunst, 3 Bände, Berlin 1809 (Nachdruck: Hildesheim 2006), Bd. 1, S. 208, 236-239; Bd. 3, S. 124 f. 92 Vgl. Müller, Staatskunst (Anm. 91), Bd. 3, z.B. S. 27 ff. – Vgl. zu Müllers Kritik am Wirtschaftsliberalismus, den er in Smith repräsentiert sah: Andreas Groh, Die Gesellschaftskritik der Politischen Romantik. Eine Neubewertung ihrer Auseinanderset85

III. Gegenentwürfe zur naturrechtlich begründeten Zinsfreiheit

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lung in Frankreich am Ende des 18. Jahrhunderts zum Inbegriff eines falschen Verständnisses von Freiheit und Eigentum in zahlreichen konservativen Schriften wurde.93 Deren Verfasser rückten im Unterschied zum Freiheitsbegriff der Liberalen, der die Forderung nach einem grundsätzlich schrankenlosen Gewährenlassen des Individuums enthielt, die Grenzen der Freiheit in den Vordergrund. „Freiheit ohne Gegenfreiheit ist nichts“94, heißt es demgemäß in Müllers „Elemente der Staatskunst“, die er als außeruniversitäre Vorlesung in den Jahren 1808/09 hielt. Das von den Liberalen propagierte Ideal einer weitgehend unbegrenzten individuellen Freiheit erschien ihm somit keineswegs erstrebenswert. Diese Auffassung teilte als einer von vielen auch Friedrich Gentz, mit dem Müller Zeit seines Lebens eine enge Freundschaft pflegte: Auch aus dessen Sicht stellte Freiheit nämlich „kein absoluter, sondern ein Verhältnisbegriff“95 dar. Um die so verstandene Freiheit zu verwirklichen, rief man den Staat zur Ziehung von Grenzen auf; das Mittel hierzu sah Müller im Gesetz. Der Gesetzgeber sollte mithin die widerstreitenden Positionen, also die Freiheit des einen Bürgers mit der Gegenfreiheit des anderen – wie sie für Müller z.B. im Verhältnis von Darlehensnehmer und Darlehensgeber aufeinander trafen – zum Ausgleich bringen.96 Freiheit resultierte nach zeitgenössischem konservativem Verständnis folglich nicht aus einem Verzicht auf staatliches Eingreifen, sondern bildete geradezu das Ergebnis obrigkeitlicher Lenkung: „Die wahre Ga-

___________ zung mit den Vorboten von Industrialisierung und Modernisierung, Bochum 2004, S. 145-148, 165 f.; Ernst Hanisch, Der „vormoderne“ Antikapitalismus der Politischen Romantik. Das Beispiel Adam Müller, in: Richard Brinkmann (Hg.), Romantik in Deutschland, Stuttgart 1978, S. 132-146, hier: S. 136 ff.; Ernst Klein, Die Auseinandersetzungen Adam Müllers mit den wirtschaftstheoretischen und wirtschaftspolitischen Auffassungen seiner Zeit, in: Albrecht Langner (Hg.), Katholizismus, konservative Kapitalismuskritik und Frühsozialismus bis 1850, München (u.a.), 1975, S. 99-122, hier: S. 100-103. 93 Vgl. Diethelm Klippel, Die Theorie der Freiheitsrechte am Ende des 18. Jahrhunderts in Deutschland, in: Heinz Mohnhaupt (Hg.), Rechtsgeschichte in den beiden deutschen Staaten (1988-1990), Frankfurt a.M. 1991, S. 348-386, hier: S. 376-383; ders., Politische Freiheit (Anm. 4), S. 170-174; Jürgen Schlumbohm, Freiheit – Die Anfänge der bürgerlichen Emanzipationsbewegung in Deutschland im Spiegel ihres Leitwortes, Düsseldorf 1975, S. 59-73; Ursula Vogel, Konservative Kritik an der bürgerlichen Revolution, Darmstadt und Neuwied 1972, S. 156-168. 94 Müller, Staatskunst (Anm. 91), Bd. 1, S. 187; in diese Richtung auch: ders., Die Lehre vom Gegensatze [1804], in: Jakob Baxa (Hg.), Adam Müller. Ausgewählte Abhandlungen, 2. Aufl., Jena 1931, S. 213-280, hier: S. 245. 95 Friedrich Gentz, Abhandlungen zur Französischen Revolution [1793], in: Hermann Klenner (Hg.), Über die Französische Revolution, Berlin 1991, S. 401-582, hier: S. 408. 96 Müller, Staatskunst (Anm. 91), Bd. 1, S. 188 ff.

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rantie der Freiheit liegt nur in dem, was der Freiheit direct entgegensteht, in dem Gesetze.“97 Das bezog Müller nicht nur auf das einzelne Vertragsverhältnis, sondern auf sämtliche wirtschaftliche Beziehungen, so dass er liberale Vorstellungen einer staatsfreien Ökonomie als „Freiheitsschwindel“98 abwertete. Diesen verband Müller mit den Lehren Adam Smiths, der ihm – ebenso wie anderen Zeitgenossen des 19. Jahrhunderts – als bedingungsloser Verfechter des Laissez-faire erschien.99 Der „Anglomanie“ und ihrem „Märchen von der freien Konkurrenz“100 setzte Müller das konservative Freiheitsmodell als Grundlage einer obrigkeitlichen Intervention in das Wirtschaftsgeschehen entgegen. Danach fiel die Herstellung und Bewahrung eines Gleichgewichts zwischen den wirtschaftlichen Kräften, zu denen er „Land, Arbeit, physisches Capital“ sowie „geistiges Capital“ zählte,101 in den Zuständigkeitsbereich des Staates.102 Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, sollte der Staat auch aktiv auf einen angemessen Zinssatz hinwirken, da hohe Zinsen nach Müllers Auffassung dem zu erreichenden Gleichgewicht der wirtschaftlichen Kräfte widersprachen.103 Zur Verwirklichung derartiger Ordnungsvorstellungen auf dem Gebiet der Wirtschaft galt es für Müller neben dem liberalen Freiheitsideal auch den zweiten „natürlichen Alliierten jener Staatswirtschaft“104, die nach einer Zurückdrängung des Staates aus der Wirtschaft strebte, zu überwinden. Er bestand ihm ___________ 97

Müller, Staatskunst (Anm. 91), Bd. 3, S. 124; vgl. auch Bd. 1, S. 208. – Vgl. zu Müllers Freiheitsverständnis: Groh, Gesellschaftskritik (Anm. 92), S. 182 f.; Peter Paul Müller-Schmid, Adam Müller (1779-1829), in: Bernd Heidenreich (Hg.), Politische Theorien des 19. Jahrhunderts. Konservatismus, Liberalismus, Sozialismus, 2. Aufl., Wiesbaden 2002, S. 109-138, hier: S. 117 ff.; Günter Birtsch, Aspekte des Freiheitsbegriffs in der deutschen Romantik, in: Richard Brinkmann (Hg.), Romantik in Deutschland, Stuttgart 1978, S. 47-58, hier: S. 54 f. 98 Müller, Staatskunst (Anm. 91), Bd. 3, S. 125, vgl. auch S. 211-215; ähnlich z.B. auch Franz von Baader, Über das sogenannte Freiheits- oder das passive Staatswirtschaftssystem [1802], in: Hans Grassl (Hg.), Gesellschaftslehre, München 1957, S. 5968, hier: S. 66. 99 Müller, Staatskunst (Anm. 91), Bd. 2, S. 200 ff. – Vgl. zum Smith-Bild Müllers: Hanisch, Der „vormoderne“ Antikapitalismus (Anm. 92), S. 136 ff. 100 Adam Heinrich Müller, Versuche einer neuen Theorie des Geldes [1816], in: Albert Josef Klein (Hg.), Adam Müller. Nationalökonomische Schriften, Lörrach 1983, S. 43-253, hier: S. 127. 101 Müller, Staatskunst (Anm. 91), Bd. 3, S. 45, vgl. z.B. auch S. 35. 102 Vgl. Müller, Staatskunst (Anm. 91), Bd. 3, S. 12 f., 35, 115, 120-125, 175 f. 103 Vgl. Müller, Staatskunst (Anm. 91), Bd. 2, S. 348 f., Bd. 3, S. 35, 148 ff. sowie im Allgemeinen S. 131 f., wo Müller die „Bildung eines lebendigen ökonomischen Gleichgewichts, welches sich in den schönen und richtigen Verhältnissen der Bedürfnisse des Lebens unter einander, also in den richtigen Preisen derselben, offenbart“ als „Geschäft der Regierung“ einordnete. 104 Müller, Theorie des Geldes (Anm. 100), S. 124.

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zufolge im römischen Recht mitsamt seines „Zentralbegriffs vom absoluten Privateigentum“105, den Müller mit zahlreichen negativen Wertungen versah: Vom „Teufel, oder dem absoluten Privateigentume“106 ist bei ihm ebenso die Rede wie von dem „Wahn“107 oder der „verderbliche[n] Formel“108 einer solchen Eigentumsauffassung. Diese scharfe Kritik wird verständlich, wenn man bedenkt, dass das römische Recht dem Eigentümer die ausschließliche und im Wesentlichen unbegrenzte Verfügungsgewalt zuwies und somit nur wenige Schranken kannte,109 die das konservative Denken aber gerade prägten. Müller wandte sich daher gegen die mit dem Postulat des absoluten Privateigentums verbundene Verengung der Eigentümerstellung auf das Individuum und dessen umfassender Rechtsposition: Denn für ihn gehörte das Eigentumsobjekt niemals nur dem Einzelnen, sondern stets zugleich der ganzen staatlich verfassten Gesellschaft.110 Die Befugnisse des Bürgers an seiner Sache sah er dementsprechend als begrenzt durch die Rechte der Gesamtheit an, so dass diesem nur die Stellung eines Nießbrauchers zukomme.111 Anders als das Begriffsverständnis des römischen Rechts, das klar zwischen dem Eigentum als Vollrecht und beschränkt dinglichen Rechten unterschied,112 vermischte Müller also diese Kategorien, da es aus seiner Sicht kein absolutes Privateigentum geben konnte. Ebenso wie beim Freiheitsbegriff lag folglich sein Hauptaugenmerk nicht auf den Befugnissen, die mit der Eigentümerstellung einhergingen und von vielen Naturrechtlern zur Begründung der natürlichen Zinsfreiheit herangezogen wurden, sondern wiederum auf den Schranken des Eigentums. ___________ 105

Müller, Theorie des Geldes (Anm. 100), S. 125. – Vgl. zu Müllers Ablehnung der liberalen Eigentumsdoktrin und seinem eigenen Eigentumsideal: Groh, Gesellschaftskritik (Anm. 92), S. 173 f.; Gerhard Göhler und Ansgar Klein, Politische Theorien des 19. Jahrhunderts, in: Hans-Joachim Lieber (Hg.), Politische Theorien von der Antike bis zur Gegenwart, München 1991, S. 259-656, hier: S. 330 f.; Hanisch, Der „vormoderne“ Antikapitalismus (Anm. 92), S. 135 ff., Klein, Die Auseinandersetzungen Adam Müllers (Anm. 92), S. 103 f. 106 Müller, Theorie des Geldes (Anm. 100), S. 127 f. 107 Müller, Theorie des Geldes (Anm. 100), S. 128. 108 Müller, Theorie des Geldes (Anm. 100), S. 246. 109 Vgl. Schlosser, Grundzüge (Anm. 35), S. 63; Max Kaser und Rolf Knütel, Römisches Privatrecht, 18. Aufl., München 2005, S. 109. 110 Müller, Staatskunst (Anm. 91), Bd. 2, S. 183; ders., Theorie des Geldes (Anm. 100), S. 57 f., 67 und 101 f. 111 Müller, Staatskunst (Anm. 91), Bd. 1, S. 226 ff.; ders., Theorie des Geldes (Anm. 100), S. 58. 112 Diese strikte Unterscheidung im römischen Recht betonen: Dieter Schwab, Art. „Eigentum“, in: Otto Brunner u.a. (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 2, Stuttgart 1975, S. 65-115, hier: S. 70; ferner: Dietmar Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte. Vom Frankenreich bis zur Wiedervereinigung Deutschlands, 5. Aufl., München 2005, S. 128.

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Gerade beim Geldkapital, auf dessen Vermehrung der Wirtschaftsliberalismus einseitig ausgerichtet sei,113 zeigten sich für Müller am deutlichsten die Unzulänglichkeiten des am römischen Recht anknüpfenden liberalen Eigentumsbegriffs. Die liberale Doktrin des Privateigentums lasse sich nämlich nicht mit der Funktion des Geldes als Zahlungsmittel vereinbaren: Indem das Geld beim Austausch gegen Güter oder Dienste stets im Verhältnis zwischen mehreren Personen wirke, könne es von vornherein nicht, so argumentierte Müller, nur einem der Beteiligten zur alleinigen Verfügung zustehen.114 Vielmehr erfordere es die Zahlungsfunktion des Geldes, dass seinem Eigentümer „nur ein Nießbrauch, eine Art von vorübergehendem Lehnseigenthum“115 zukomme. Müller brachte damit nicht nur seine Ablehnung des liberalen Eigentumsverständnisses zum Ausdruck, sondern zeigte zugleich, dass er das Vorbild für seine Eigentumsauffassung im mittelalterlichen Lehnswesen erblickte.116 Dieses beruhte auf der Lehre vom geteilten Eigentum, die dem Grund- bzw. Lehnsherrn die Verfügungsbefugnis an der Sache als Obereigentum (dominium directum) zusprach und dem Lehnsmann lediglich das Untereigentum (dominium utile) als das Recht zur Nutzung der Sache einräumte.117 In Anlehnung an die mittelalterliche Feudalverfassung blieb somit dem Einzelnen nach Müllers Eigentumsbegriff nur die Rolle des Untereigentümers, so dass dieser nicht, wie die Anhänger der natürlichen Zinsfreiheit meinten, nach Belieben mit der Sache verfahren dürfe.

3. Die Weiterentwicklung des Gleichheitserfordernisses Doch auch unter Zugrundelegung der liberalen Doktrin des Privateigentums wurde die Bestimmung der vertraglichen Leistungspflichten – und damit auch der Höhe der Darlehenszinsen – nicht zwangsläufig den Kontrahenten überlas___________ 113 Müller, Staatskunst (Anm. 91), Bd. 3, S. 28-31, 49-52. – Diesen Kritikpunkt hoben hervor: Groh, Gesellschaftskritik (Anm. 92), S. 147, 170; Klein, Die Auseinandersetzungen Adam Müllers (Anm. 92), S. 103; ferner: Albert Josef Klein, Einleitung, in: ders. (Hg.), Adam Müller. Nationalökonomische Schriften, Lörrach 1983, S. IX-XIX, hier. S. IX. 114 Vgl. Müller, Theorie des Geldes (Anm. 100), S. 65 ff.; ferner: ders., Staatskunst (Anm. 91), Bd. 3, S. 40. 115 Müller, Staatskunst (Anm. 91), Bd. 2, S. 186. 116 Vgl. auch Müller, Staatskunst (Anm. 91), Bd. 1, S. 236: „Die wahre lebende Natur des Eigenthums, so wie ich sie beschrieben habe, ist ein Gewinn des Mittelalters.“ – Die Vorbildwirkung der mittelalterlichen Eigentumsregelung betonen auch: Göhler und Klein, Politische Theorien (Anm. 106), S. 331 f.; Klein, Die Auseinandersetzungen Adam Müllers (Anm. 92), S. 104; Groh, Gesellschaftskritik (Anm. 92), S. 173. 117 Vgl. Schwab, Art. „Eigentum“ (Anm. 112), S. 70 ff.; ferner: Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte (Anm. 112), S. 128; Schlosser, Grundzüge (Anm. 35), S. 63 f.

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sen. Vielmehr bewies die Vertragslehre Hegels das Gegenteil:118 Der gegenseitige Vertrag diente darin der wechselseitigen Eigentumsübertragung zwischen den Vertragschließenden, sei es an einer Sache wie z.B. beim Kauf und Tausch, ihrer Gebrauchsmöglichkeit – wofür Hegel den Miet- und Darlehensvertrag anführte – oder der eigenen Arbeitskraft gegen Verschaffung einer entsprechenden Gegenleistung.119 Dieser Zweck schien Hegel jedoch nur erreichbar, wenn die Wahl der auszutauschenden Eigentumsobjekte nicht den Kontrahenten freigestellt blieb, sondern gewährleistet war, dass das vertraglich hinzuerworbene Eigentum denselben Wert verkörperte wie das aufgegebene.120 Denn als „voller Eigentümer der Sache“, so rechtfertigte Hegel seine Forderung nach einer Wertgleichheit zwischen Übertragenem und Empfangenem im gegenseitigen Vertrag, „bin ich es ebenso von ihrem Werte“121. Dessen Bestimmung lehnte er zwar an das Bedürfnis nach Erhalt des Eigentumsobjekts des Vertragspartners an, zog daraus allerdings nicht die Folgerung, dass die Einschätzung der Kontrahenten für die Bedürfnis- und damit auch für die Wertermittlung maßgeblich sein sollte. Statt dessen ging Hegel von einer Verallgemeinerungsfähigkeit der Bedürfnisse aus, die sich in deren objektivem Wert niederschlug.122 Mit dem Zustandekommen der vertraglichen Einigung sollte demzufolge lediglich der Eigentumsträger wechseln, nicht aber der objektive Wert des Eigentumsbestandes beider Kontrahenten Veränderungen er___________ 118

Vgl. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Berlin 1821 (Nachdruck: Hamburg 1995), S. 58 zu dessen Votum für das Privateigentum. 119 Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Philosophie des Rechts. Nach der Vorlesungsnachschrift von H. G. Hotho 1822/23, in: Karl-Heinz Ilting, Vorlesungen über Rechtsphilosophie 1818-1831, Bd. 3, Stuttgart und Bad Cannstatt 1974, S. 272, 275-278; ferner: ders., Grundlinien (Anm. 118), S. 79, 81, 84 ff. – Vgl. zur Verknüpfung von Vertrags- und Eigentumsrecht bei Hegel: Peter Landau, Hegels Begründung der Vertragsrechts, in: Manfred Riedel (Hg.), Materialien zu Hegels Rechtsphilosophie, Bd. 2, Frankfurt a.M. 1975, S. 176-197, hier: S. 180 f.; Julius Binder, Der obligatorische Vertrag im System der Hegelschen Rechtsphilosophie, in: Baltus Wigersma (Hg.), Verhandlungen des dritten Hegelkongresses, Tübingen und Haarlem 1934, S. 37-59, hier: S. 48 ff.; Karl Larenz, Hegel und das Privatrecht, in: Baltus Wigersma (Hg.), Verhandlungen des zweiten Hegelkongresses, Tübingen und Haarlem 1932, S. 135-148, hier: S. 141. 120 Vgl. Hegel, Grundlinien (Anm. 118), S. 81; Eduard Gans, Naturrecht und Universalrechtsgeschichte. Vorlesungen nach G.W.F. Hegel, Berlin 1833 (Nachdruck: Tübingen 2005), S. 98. – Vgl. zu der von Hegel geforderten Wertgleichheit: Landau, Hegels Begründung (Anm. 119), S. 181-185; Erwähnung findet sie zudem bei: Dieter Schwab, Arbeit und Eigentum. Zur Theorie ökonomischer Grundrechte im 19. Jahrhundert, in: ders., Geschichtliches Recht und moderne Zeiten, Heidelberg 1995, S. 61-100, hier: S. 76; Birger P. Priddat, Hegel als Ökonom, Berlin 1990, S. 185; Ludwig Raiser, Vertragsfreiheit heute, in: Juristenzeitung 1958, S. 1-8, hier: S. 2. 121 Hegel, Grundlinien (Anm. 118), S. 71. 122 Hegel, Grundlinien (Anm. 118), S. 70 f. und 344. – Zur Wertbestimmung bei Hegel vgl. Landau, Hegels Begründung (Anm. 119), S. 182.

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fahren, so dass „jeder mit seinem und des anderen Willen aufhört, Eigentümer zu sein, es bleibt und es wird“123. Dem widersprach eine Differenz im Wert von Leistung und Gegenleistung, die Hegel als Unrecht in Form des Betruges qualifizierte, da sich der Wille der Kontrahenten nicht allein auf den Eigentumswechsel, sondern auf den Austausch gleichwertiger Eigentumsobjekte richte. 124 Durfte aber das Eigentum als Wertträger nach seiner Auffassung durch den Vertragsschluss keine Einbuße erleiden, so war der Kontrahent, zu dessen Lasten von der Gleichwertigkeit abgewichen wurde, „um den Werth betrogen“125. Im Gegensatz zur Mehrzahl seiner Zeitgenossen, bei denen das bis auf Grotius zurückreichende objektive Gleichheitserfordernis auf Ablehnung stieß, knüpfte Hegel also an dieses an und formte es als Instrument zur Wahrung der wertmäßigen Eigentumszuordnung aus. Vor ihm hatte bereits Heinrich Stephani die Gleichheit von Leistung und Gegenleistung mit der Funktion des Eigentumsschutzes verbunden: „Jeder Tausch ist ungerecht“, so verteidigte er im Jahre 1795 das Gleichheitserfordernis, „wenn ich für das Eigentum des andern, welches a+b beträgt, nur so viel von dem Meinigen dargegen gebe, was a aufwiegt. Das dem andern abgenommene b bleibt dem andern in ewige[m] Anspruche, weil ich es ihm nicht ersetzt habe“126. Um eine Eigentumsverkürzung eines der beiden Vertragschließenden zugunsten des anderen zu vermeiden, mussten die übernommenen Leistungsverpflichtungen also Stephani und Hegel zufolge objektiv gleichwertig sein.127 Ein Eigentumszuwachs ließ sich somit nach Hegels Konzeption der Vertragslehre rechtmäßigerweise – d.h. ohne sich des Betrugs schuldig zu machen – nur durch Abschluss einseitiger Verträge realisieren,128 bei denen nach dem übereinstimmenden Willen der Kontrahenten nur einer von ihnen Eigentum erwer___________ 123 Hegel, Grundlinien (Anm. 118), S. 79 sowie ähnlich S. 81: „Indem jeder im reellen Vertrage dasselbe Eigentum behält, mit welchem er eintritt und welches er zugleich aufgibt, so unterscheidet sich jenes identisch bleibende, als das im Vertrage an sich seiende Eigentum, von den äußerlichen Sachen, welche im Tausche ihren Eigentümern verändern“; ders., Philosophie des Rechts (Anm. 119), S. 272: Der zweiseitige Vertrag ist dadurch gekennzeichnet, dass jeder der Kontrahenten „Eigenthum aufgiebt und erwirbt, und im Aufgeben Eigenthümer bleibt“. 124 Hegel, Philosophie des Rechts (Anm. 119), S. 272: „Jeder bleibt so reich im Vertrage als vorher, wenn es nicht Betrug ist, oder die Schenkung; wir sprechen aber von einem realen Vertrage“; vgl. auch ders., Grundlinien (Anm. 118), S. 89 f. 125 Hegel, Philosophie des Rechts (Anm. 119), S. 289. 126 Heinrich Stephani, Vorlesungen über die wichtigsten Gegenstände der Moralpolitik, Göttingen 1795, S. 43. 127 Stephani, Vorlesungen (Anm. 126), S. 42 ff.; zum Gleichheitsgebot – ohne auf die Eigentumsschutzfunktion abzustellen – auch ders., Grundlinien der Rechtswissenschaft oder des sogenannten Naturrechts, Erlangen 1797, S. 110-114 und 124. 128 Hegel, Philosophie des Rechts (Anm. 119), S. 272.

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ben sollte.129 Außerhalb gegenseitiger Verträge zeigte sich demgemäß auch bei ihm die für den liberalen Eigentumsbegriff typische Abhängigkeit der Entstehung und Fortdauer der Eigentümerstellung vom Willen des Einzelnen, also seiner Freiheit. Denn auch Hegel sah im Eigentum das Ergebnis individueller Freiheitsausübung, so dass sich „vom Standpunkte der Freiheit aus das Eigentum als das erste Dasein derselben“130 erweise. Dem Einzelnen sollte es daher frei stehen, auf sein Eigentum – auch zugunsten eines anderen – zu verzichten, das sich dieser durch Betätigung seines Willens zur Eigentumsbegründung zu eigen machen könne.131 Im Rahmen einseitiger Verträge sah Hegel mithin keine Einschränkung in Bezug auf den zu übertragenden Gegenstand vor, während beim gegenseitigen Vertrag die erforderliche Wertgleichheit der Eigentumsobjekte verhinderte, dass die Verbindung von Freiheit und Eigentum mit der Folge einer im Belieben der Vertragschließenden stehenden Vereinbarung der Leistungspflichten zum Tragen kam. Hegel und Stephani blieben nicht die Einzigen, die sich entgegen der seit dem Ende des 18. Jahrhunderts überwiegenden Auffassung auf die objektiv bestimmte Gleichheit als Voraussetzung jedes gegenseitigen Vertrages zurückbesannen. Vielmehr fand der naturrechtliche Gedanke der Gleichheit von Leistung und Gegenleistung vor allem seit etwa 1820 wieder Anhänger;132 bezogen auf den Darlehensvertrag folgte aus diesem Gleichheitspostulat für Adolph Karl August Eschenmayer, dass dem Darlehensnehmer ein Recht zur Zinsreduktion zustehe, wenn sich sein Vertragspartner übermäßige Zinsen ausbedungen hatte. Mit der geforderten Gleichheit ließen sich nämlich, so Eschenmayer, nur erschwingliche Zinsen in Einklang bringen.133 Bei einem Verstoß gegen das Gleichheitsgebot lag es hingegen aus Sicht des Heidelberger Juristen Karl David August Röder nahe, „dass der Verkürzte, wenn auch nicht durch Betrug oder Selbstbetrug zu dem Vertrag verführt, doch durch eine wahre Nothlage dazu gezwungen worden sei“134. Die Gleichheit der ___________ 129 Hegel, Grundlinien (Anm. 118), S. 81; ders., Philosophie des Rechts (Anm. 119), S. 272 und 275 f. 130 Hegel, Grundlinien (Anm. 118), S. 58. – Vgl. zur Verbindung von Freiheit und Eigentum bei Hegel: Schwab, Arbeit und Eigentum (Anm. 120), S. 65-71 und 75; ders., Art. „Eigentum“ (Anm. 112), S. 81 f.; Larenz, Hegel (Anm. 119), S. 139 f. 131 Hegel, Grundlinien (Anm. 118), S. 57 f., 62, 72. 132 Karl Salomo Zachariä von Lingenthal, Anfangsgründe des philosophischen Privatrechts, Leipzig 1804, S. 160 f.; ders., Vierzig Bücher vom Staate, Bd. 3, Heidelberg 1826, S. 187; Gustav Ludwig Theodor Marezoll, Lehrbuch des Naturrechts, Gießen 1819, S. 242-246; Adolph Karl August Eschenmayer, Normal-Recht, Bd. 2, Stuttgart und Tübingen 1820, S. 101 f.; Karl David August Röder, Grundzüge des Naturrechts oder der Rechtsfilosofie, Bd. 2, Heidelberg 1846, S. 342 f. 133 Eschenmayer, Normal-Recht (Anm. 132), S. 102. 134 Röder, Grundzüge des Naturrechts (Anm. 132), S. 343.

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beiderseitigen Leistungspflichten sollte also vor einer Ausnutzung der Notlage eines Vertragspartners durch den anderen schützen, da sich kaum ein Vertragschließender aus freien Stücken mit erheblichen wertmäßigen Abweichungen von Leistung und Gegenleistung einverstanden erkläre. Mit ähnlicher Begründung hatte sich vor Röder bereits der Giessener Juraprofessor Theodor Marezoll für das naturrechtliche Gleichheitserfordernis ausgesprochen: Dieses billige – mit Blick auf Darlehensverträge – dem Kreditgeber nur eine moderate Verzinsung für die Überlassung seiner Gelder zu, um zu verhindern, dass „der Zinsschuldner, der aus Noth das Capital für jeden Preis aufnehmen muß, dabei zu Grunde geht“135. Durch das Gleichheitsgebot wollte er also Kreditwillige, die auf das Geld dringend angewiesen waren, davor bewahren, sich zu dessen Erlangung notgedrungen den überspannten Bedingungen der Geldeigner beugen zu müssen. Mit dem Hinweis auf die Not des Darlehensnehmers, die seinem Kreditgeber nicht zu unangemessen hohen Zinsgewinnen verhelfen sollte, ließ sich aber nicht nur die Forderung nach objektiver Gleichheit von Leistung und Gegenleistung rechtfertigen. Statt dessen diente sie bei dem Hallenser Philosophieprofessor Gottlob Wilhelm Gerlach dazu, die Einheit von Naturrecht und Moral zu begründen,136 die in den Naturrechtskompendien an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert – wie bereits gesehen – auf kategorische Ablehnung gestoßen war. Während Gerlachs Zeitgenossen also Recht und Moral bei der Beurteilung hoher Darlehenszinsen gewissenhaft auseinander hielten,137 beeinflusste der Maßstab der Billigkeit in dessen 1824 erschienenen „Grundriß der philosophischen Rechtslehre“ den Inhalt der Naturrechtssätze. Deshalb verstießen wucherische Zinsvereinbarungen, mit denen der Darlehensgeber „aus der Noth des Andern Gewinn ziehen will“138, nach Auffassung von Gerlach gegen das natürliche Privatrecht. Die Zinsforderungen der Kreditgeber sollte demnach bereits das Naturrecht – und nicht erst das staatlich gesetzte Recht – beschränken, damit diese sich nicht finanzielle Engpässe ihrer Vertragspartner zur Zinsmaximierung zunutze machen konnten.139  Um die Durchsetzung des naturrechtlichen Wucherverbots sicherzustellen, sprach sich Gerlach aber zusätzlich für entsprechende staatliche Gesetze aus.140 Demgegenüber führte bei Marezoll und Röder das Votum für eine objektive Gleichheit von Leistung und Gegenleistung im Naturrecht nicht dazu, dass sie ___________ 135

Marezoll, Lehrbuch (Anm. 132), S. 245. Gottlob Wilhelm Gerlach, Grundriß der philosophischen Rechtslehre, Halle 1824, S. 215 f. 137 S.o unter I. 3. 138 Gerlach, Grundriß (Anm. 136), S. 215. 139 Gerlach, Grundriß (Anm. 136), S. 215 f. 140 Gerlach, Grundriß (Anm. 136), S. 216. 136

IV. Der Wucher in den Kodifikationen um 1800

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auch Wuchergesetze befürworteten. Ganz im Gegenteil: Sie bezweifelten, dass sich auf diesem Wege der hinter dem naturrechtlichen Gleichheitsgebot stehende Schutzzweck verwirklichen ließ, da sie Wuchergesetze als wenig geeignet ansahen, um Darlehensnehmer vor überhöhten Zinsforderungen zu bewahren.141 Gebe sich nämlich der Kreditgeber mit den gesetzmäßigen Zinsen nicht zufrieden, so müsse der Kreditsuchende aufgrund seiner finanziellen Notlage eben eine höhere – und damit gegen die Wuchergesetze verstoßende – Gegenleistung versprechen.142 Hinzu komme, dass der Geldgeber die Gesetzesumgehung zinssteigernd berücksichtige, die Marezoll deshalb für wahrscheinlich hielt, weil es sich schwerlich in einem gesetzlichen Höchstzins angeben lasse, welche Gegenleistung bei allen Darlehensverträgen als angemessen zu erachten sei. Vielmehr hänge dies – neben dem Verhältnis der Darlehenssuchenden zu den Anbietenden – davon ab, ob der Kreditgeber sein Geld in die Hände eines mehr oder weniger sicheren Kreditwilligen legte.143 Das hatte aus Sicht von Marezoll zur Folge, dass die niedrige Zinsfestsetzung der Wuchergesetze von vornherein nicht für alle Bürger – und insbesondere nicht für Arme, die ihren Vertragspartnern keinerlei Sicherheit bieten konnten – passe, so dass sie sich zum Erhalt des begehrten Kredits notgedrungen auf eine Gesetzesumgehung einlassen müssten. „Nicht selten leiden daher unter solchen Beschränkungen“, so lautete Marezolls Resümee über Wuchergesetze, „die Armen am meisten“144. Er setzte damit ebenso wie Röder, dem Wuchergesetze zur Bekämpfung des Wuchers weit weniger Erfolg versprechend schienen als die Einrichtung von Kreditanstalten,145 die seit dem Ende des 18. Jahrhunderts überwiegend festzustellende Tendenz fort, die im Naturrecht entwickelten Prinzipien nicht auf das staatliche Recht zu übertragen.

IV. Der Wucher in den Kodifikationen um 1800 IV. Der Wucher in den Kodifikationen um 180 0

Obwohl die zeitgenössischen Autoren zumeist nicht die Übernahme der naturrechtlichen Beurteilung des Wuchers in die staatliche Gesetzgebung forderten und dies zum Teil sogar ablehnten, müsste es dennoch, wenn man die in der Literatur häufig gebrauchte Bezeichnung „Naturrechtskodifikationen“146 beim ___________ 141

Marezoll, Lehrbuch (Anm. 132), S. 246 f.; ihm folgte Röder, Grundzüge des Naturrechts (Anm. 132), S. 343 und 268 f. 142 Marezoll, Lehrbuch (Anm. 132), S. 247; Röder, Grundzüge des Naturrechts (Anm. 132), S. 343. 143 Marezoll, Lehrbuch (Anm. 132), S. 246 f. 144 Marezoll, Lehrbuch (Anm. 132), S. 247. 145 Röder, Grundzüge des Naturrechts (Anm. 132), S. 268 f. 146 Gerhard Köbler, Lexikon der europäischen Rechtsgeschichte, München 1997, S. 394 führt sie sogar als Stichwort; vgl. auch: Stephan Meder, Rechtsgeschichte, Köln

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Wort nimmt, um 1800 zur Kodifizierung naturrechtlicher Grundsätze gekommen sein. Denn das Preußische Allgemeine Landrecht (1.), der Code civil (2.) und das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (3.) werden üblicherweise unter diesem Begriff zusammengefasst, der den Eindruck vermittelt, dass ein Großteil des naturrechtlichen Programms darin Eingang in die Gesetzgebung gefunden habe. Dieser Eindruck täuscht indes, da das Naturrecht zwar dezidiert die Forderung nach Kodifikationen erhob,147 aber der Inhalt der sog. „Naturrechtskodifikationen“ mehr dem römischen Recht entstammt.148

1. Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten Bereits Carl Gottlob Svarez, der zu den Redaktoren des Preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794 gehörte, wies Befürchtungen, dieses könnte inhaltlich stark unter naturrechtlichem Einfluss stehen und damit „hauptsächlich nicht der justinianeischen Compilation abgeborgte“149 Bestimmungen enthalten, entschieden zurück. Vielmehr sei „die Grundlage des neuen Preußischen Gesetzbuchs noch so sehr römisch“, bekräftigte Svarez, „daß Labeo und Capito, daß Sever und die Antonine die meisten Materialien dazu geliefert ha___________ (u.a.), 2002, S. 231 f.; Rainer Schröder, Die Strafgesetzgebung in Deutschland in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Michael Stolleis (Hg.), Die Bedeutung der Wörter. Festschrift für Sten Gagnér zum 70. Geburtstag, München 1991, S. 403-420, hier: S. 403 f. Ähnliche Formulierungen bei: Hans Schlosser, Kodifikationen im Umfeld des Preußischen Allgemeinen Landrechts. Der französische Code civil (1804) und das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (1811), in: Detlef Merten und Waldemar Schreckenberger (Hg.), Kodifikation gestern und heute. Zum 200. Geburtstag des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten, Berlin 1995, S. 63-82, hier: S. 63 ff., 79 f.; Klaus Luig, Das Privatrecht des ALR und seine Stellung unter den Naturrechtsgesetzbüchern der Aufklärung, in: Günter Birtsch und Dietmar Willoweit (Hg.), Reformabsolutismus und ständische Gesellschaft. Zweihundert Jahre Preußisches Allgemeines Landrecht, Berlin 1998, S. 255-271, hier: S. 255; Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. Aufl., Göttingen 1967, S. 322, 324. 147 Claudia Schöler, Deutsche Rechtseinheit. Partikulare und nationale Gesetzgebung (1780-1866), Köln (u.a.) 2004, S. 134 f.; Diethelm Klippel, Das „natürliche Privatrecht“ im 19. Jahrhundert, in: ders. (Hg.), Naturrecht im 19. Jahrhundert. Kontinuität – Inhalt – Funktion – Wirkung, Goldbach 1997, S. 221-250, hier: S. 246. 148 Vgl. Reulecke, Gleichheit und Strafrecht (Anm. 37), S. 188 f.; Klippel, Die Philosophie der Gesetzgebung (Anm. 52), S. 229; für das ALR: Christoph Link, Aufgeklärtes Naturrecht und Gesetzgebung – vom Systemgedanken zur Kodifikation, in: Günter Birtsch und Dietmar Willoweit (Hg.), Reformabsolutismus und ständische Gesellschaft. Zweihundert Jahre Preußisches Allgemeines Landrecht, Berlin 1998, S. 21-46, hier: S. 21 f., 31 f. Trotz Anerkennung des Begriffs der „Naturrechtskodifikationen“ betonen den starken Einfluss des gemeinen Rechts: Meder, Rechtsgeschichte (Anm. 146), S. 231 f.; Luig, Das Privatrecht des ALR (Anm. 146), S. 269. 149 Zit. n. Andreas Schwennicke, Die Entstehung der Einleitung des Preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794, Frankfurt a.M. 1993, S. 132.

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ben“150. Den im Corpus iuris civilis für den Regelfall vorgesehenen Höchstzinsfuß von sechs Prozent übernahm die Kodifikation gleichwohl nur für Kaufleute,151 während sich Nichtkaufleute mit einer maximal fünfprozentigen Verzinsung – dem Regelsatz des ALR152 – begnügen mussten. Zu der Sonderregelung für Kaufleute kam auch eine für Juden hinzu, die sich nach dem preußischen Gesetzbuch Zinsforderungen von bis zu acht Prozent ausbedingen durften, so dass ihnen ein deutlich höheres Kreditentgelt als Christen zugestanden wurde.153 Die Besserstellung der Juden durch den Gesetzgeber bei der Höhe der erlaubten Darlehenszinsen erfreute sich allerdings in den Naturrechtskompendien der Jahrhundertwende keiner besonderen Beliebtheit: So bewertete sie Berg 1795 als kontraproduktiv, um Juden von Wuchergeschäften abzubringen. Statt sie daran zu hindern, beklagte Berg, erleichtere es der Staat den Juden geradezu, ihrem „unzähmbare[n] Wuchergeist“154 nachzugehen, wenn er ihnen eine solche Ausnahmestellung einräumte.155 Diese ließ sich aus seiner Sicht nicht mit den höheren Abgaben und geringeren Erwerbsmöglichkeiten der Juden im Vergleich zu Christen rechtfertigen, da ihnen inzwischen durchaus Alternativen zum Kreditgewerbe offen stünden, um ein Einkommen zu erzielen.156 Jedoch hielt er die Juden nicht für gewillt, sich auf ehrbarem Wege ein Auskommen zu verschaffen: Denn ein „Jude kann nicht leben“, bemerkte Berg abschätzig, „wenn er nicht wuchert und betrügt“157, so dass der Gesetzgeber sie dabei nicht ___________ 150 Zit. n. Schwennicke, Die Entstehung (Anm. 149), S. 132. – Vgl. auch Link, Aufgeklärtes Naturrecht (Anm. 148), S. 31 f. 151 Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794, hg. von Hans Hattenhauer, 3. Aufl., Neuwied (u.a.) 1996, I 11 § 805. 152 ALR (Anm. 151), I 11 § 804. – Vgl. zu den Zinstaxen des ALR: Fritz Blaich, Zinsfreiheit als Problem der deutschen Wirtschaftspolitik zwischen 1857 und 1871, in: Schmollers Jahrbuch für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, 1971, S. 269-306, hier: S. 272. 153 ALR (Anm. 151), I 11 § 805. – Vgl. zur Stellung der Juden im ALR: Anke Breitenborn, Randgruppen im Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794, Berlin 1994, S. 114-129; dies., Die Minderheitenproblematik in den preußischen Staaten und das ALR, in: Günter Birtsch und Dietmar Willoweit (Hg.), Reformabsolutismus und ständische Gesellschaft. Zweihundert Jahre Preußisches Allgemeines Landrecht, Berlin 1998, S. 321-340, hier: S. 327-332. 154 Günther Heinrich von Berg, Ueber Judenwucher; insbesondere über die Mittel, das Landvolk gegen denselben zu schützen, in: Staatswissenschaftliche Versuche, Bd. 2, Lübeck und Leipzig 1795, S. 211-274, hier: S. 218. 155 Berg, Ueber Judenwucher (Anm. 154), S. 243 f. 156 Berg, Ueber Judenwucher (Anm. 154), S. 223 f. und 231 ff. 157 Berg, Ueber Judenwucher (Anm. 154), S. 231. – Kritisch zu den oft harschen Stellungnahmen Bergs zum Wucher der Juden äußerten sich: Anonymus, Rezension über Berg, Staatswissenschaftliche Versuche, in: Annalen der Philosophie und des philosophischen Geistes, 1795, Sp. 1175-1178, hier: Sp. 1177 f.; Anonymus, Rezension über

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noch durch die Gestattung eines höheren Zinsmaximums unterstützen sollte. Ebenso wie Berg setzte sich auch Eisenhuth dafür ein, die zulässige Zinshöhe nicht von der Religionszugehörigkeit abhängig zu machen, sondern Juden wie Christen denselben Wucherbestimmungen zu unterwerfen.158 Von diesem Grundsatz machte er allerdings eine gewichtige Ausnahme: Während Eisenhuth für christliche Darlehensgeber, die zum wiederholten Male des Wuchers überführt wurden, nur eine Erhöhung der Strafe forderte, sollten jüdische Delinquenten im Wiederholungsfall zusätzlich dazu den Schutz der Obrigkeit verlieren, der ihren Aufenthalt im Staatsgebiet absicherte.159  Die von Berg und Eisenhuth verlangte Gleichstellung von Juden und Christen bei der Höhe des Zinsmaximums verwirklichte das ALR lediglich in zwei Fällen. Zum einen dann, wenn Juden die Rechte christlicher Kaufleute genossen, so dass die Kehrseite dieser Begünstigung darin bestand, dass sie auch nur die Zinsen nehmen durften, die Christen erlaubt waren und ihnen somit Zinsgewinne in Höhe von acht Prozent verwehrt blieben.160 Zum anderen büßten Juden ihr Zinsprivileg – gleichermaßen wie Kaufleute – ein, sofern der Kredit hypothekarisch gesichert war, da ihnen der preußische Gesetzgeber hier nur eine fünfprozentige Verzinsung zubilligte.161 Wurde gleichwohl ein höherer Zinssatz verabredet, erklärte das ALR die getroffene Vereinbarung für unwirksam, so dass der Darlehensnehmer die über dem gesetzlichen Zinsmaximum liegenden und dennoch von ihm gezahlten Zinsen zurückfordern konnte.162 Eine Bestrafung seines Vertragspartners, die in der Zahlung der gesamten Kreditsumme mitsamt Zinsen an den Fiskus bestand, sah man jedoch nur unter der zusätzlichen Voraussetzung vor, dass er bei Missachtung der Zinstaxe „den übermäßigen Vortheil unter irgend einem andern Namen oder Geschäfte zu verbergen sucht[e]“163. Während die offene Überschreitung des Höchstzinses also straflos blieb, kam zu der zivilrechtlichen Sanktion eine strafrechtliche hinzu, wenn der Kreditgeber – etwa durch Vorausabzug der Zinsen vom Kapital – auf die Verschleierung des Gesetzesverstoßes hingewirkt hatte.164 Hingegen drohte ihm trotz Vereinbarung einer das Zinsmaximum übersteigenden Verzinsung dann weder eine Geldstrafe noch die Nichtigkeit des Darlehensvertrags, wenn sein Vertragspartner Großkaufmann ___________ Berg, Staatswissenschaftliche Versuche, in: Gothaische gelehrte Zeitungen, 1795, S. 897-902, hier: S. 899. 158 Eisenhuth, Polizey (Anm. 74), S. 339-342. 159 Eisenhuth, Polizey (Anm. 74), S. 342. 160 ALR (Anm. 151), I 11 § 806. 161 ALR (Anm. 151), I 11 § 808. 162 ALR (Anm. 151), II 20 §§ 1271 f. 163 ALR (Anm. 151), II 20 § 1273. 164 ALR (Anm. 151), I 11 §§ 815 ff. i.V.m. II 20 § 1278.

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war, dem das Darlehen auf höchstens ein halbes Jahr ohne Kreditsicherheit gewährt wurde. Denn der preußische Gesetzgeber entband solche Verträge von der Einhaltung einer Zinstaxe, so dass die Bestimmung der Zinshöhe insoweit uneingeschränkt den Kontrahenten oblag.165

2. Der Code civil und seine Rezeption in den Rheinbundstaaten Die im ALR für Großkaufleute vorgesehene Ausnahmeregelung einer freien Zinsvereinbarung erhob der 1804 in Kraft getretene Code civil166 zum Grundsatz, indem er auf eine Zinsreglementierung verzichtete und damit stets den Vertragschließenden die Entscheidung über die Höhe der vom Darlehensnehmer zu erbringenden Verzinsung überließ. Allerdings währte die Zinsfreiheit nur drei Jahre: Bereits mit dem Wuchergesetz vom 3. September 1807167 sah das französische Recht wieder ein Zinsmaximum vor, das für Handelsgeschäfte auf sechs, im Übrigen auf fünf Prozent festgesetzt wurde. Seine Überschreitung verlieh dem Darlehensnehmer hinsichtlich der übersteigenden Zinsen einen Rückzahlungsanspruch gegenüber seinem Vertragspartner, dem der Gesetzgeber zudem eine Geldstrafe androhte, wenn er gewohnheitsmäßig dem Wucher nachging.168 ___________ 165 ALR (Anm. 151), I 11 § 807 i.V.m. II 8 § 692. – Vgl. zu dieser Bestimmung: Jochen Dilcher, Die Zins-Wucher-Gesetzgebung in Deutschland im 19. Jahrhundert. Eine entwicklungsgeschichtliche Betrachtung unter besonderer Berücksichtigung wirtschaftlicher und wirtschaftspolitischer Faktoren, Frankfurt a.M. (u.a.) 2002, S. 151. 166 Vgl. zum Text des Art. 1907 Code civil – der als einzige Einschränkung der Zinsvereinbarungen der Vertragsparteien die Einhaltung der Schriftform forderte – in der zweisprachigen Ausgabe für Westfalen: Napoleons Gesetzbuch. Einzig officielle Ausgabe für das Königreich Westphalen, Straßburg 1808 (Nachdruck: Frankfurt a.M. 2001), S. 815, 817. 167 Abgedruckt bei: Eduard Levita, Ueber Zinsen und Zinswucher, sowie die in der neuesten Zeit in Pfalz-Bayern eingeleiteten sogenannten Wucherproceduren, in: Der Gerichtssaal, 1854, Bd. 1, S. 179-203, hier: S. 188; Heinrich Jaques, Die Wuchergesetzgebung und das Civil- und Strafrecht. Eine Abhandlung zur Reform der Legislation überhaupt und der österreichischen insbesondere, Wien 1867, S. 125 f.; Richard Förtsch und Albert Leoni (Hg.), Sammlung der in Elsaß-Lothringen in Geltung gebliebenen französischen Strafgesetze, Bd. 2, Straßburg 1876, S. S. 227 f. 168 Vgl. Peter Landau, Die Gesetzgebungsgeschichte des § 247 BGB. Zugleich ein Beitrag zur Geschichte der Einführung der Zinsfreiheit in Deutschland, in: Gerhard Kleinheyer und Paul Mikat (Hg.), Beiträge zur Rechtsgeschichte. Gedächtnisschrift für Hermann Conrad, Paderborn (u.a.) 1979. S. 385-408, hier: S. 387; ders., Art. „Zins“, in: Adalbert Erler u.a. (Hg.), Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 5, Berlin 1998, Sp. 1707-1713, hier: Sp. 1710 f.; Kurt Peschke, Art. „Wucher“, in: Ludwig Elster u.a. (Hg.), Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Bd. 8, 4. Aufl., Jena 1928, S. 1081-1108, hier: S. 1089 f., 1094; Richard Schmidt, Wucher und Ausbeutung (§§ 301-302c RStrGB. und Nebengesetze), in: Karl Birkmeyer (Hg. u.a.), Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts, Besonderer Teil, Bd. 8, Berlin

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Die freie Vereinbarung der Darlehenszinsen, wie sie der Code civil 1804 anerkannte, galt demnach in Frankreich bereits nicht mehr, als sich in den unter napoleonischem Protektorat stehenden Rheinbundstaaten die Bemühungen zur Einführung der Kodifikation verdichteten. Sie erfolgte schließlich im Königreich Westfalen, den Herzogtümern Arenberg und Anhalt-Köthen sowie den Großherzogtümern Berg, Frankfurt und Baden,169 das den Code civil 1810 in einer mit zahlreichen Zusätzen versehenen deutschen Übersetzung als Badisches Landrecht in Kraft setzte.170 Unter diesen Staaten nahm Baden eine Sonderstellung in der Wuchergesetzgebung ein, da man dem Umschwenken Napoleons von der Zinsfreiheit zur Zinsreglementierung bei der Rezeption seines Gesetzbuchs Rechnung tragen und es somit nicht unverändert übernehmen wollte.171 Der badische Staatsrat Johann Nikolaus Friedrich Brauer, der die Übersetzung und Modifizierung der französischen Kodifikation für das Großherzogtum vornahm, sah sich daher vor die Aufgabe gestellt, „zwischen der alten und neuen französischen Gesezgebung“ – also dem Code civil von 1804 und dem Wuchergesetz von 1807 – „einen annähernden Mittelweg zu finden“172. Dazu beließ es das Badische Landrecht im Grundsatz bei der im Code civil 1804 vorgesehenen Zinsfreiheit,173 die aus Brauers Sicht in Frankreich nur deshalb nicht von Erfolg gekrönt war, sondern zu einem Zinsanstieg führte, weil sich das Land von den einschneidenden revolutionären Umwälzungen noch nicht erholt habe. Solange dies der Fall war, schien ihm die Rückkehr zur gesetzlichen Zinsregulierung in Frankreich gerechtfertigt, da die infolge der Revolution eingetretenen instabilen Verhältnisse vorübergehend die „Zulassung ___________ 1906, S. 161-292, hier: S. 170 f., 210; ferner: Dilcher, Zins-Wucher-Gesetzgebung (Anm. 165), S. 141. 169 Vgl. zur Übernahme des Code civil in diesen Staaten: Werner Schubert, Französisches Recht in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts, Köln und Wien 1977, S. 98-150, 193-209, 292-311; ferner: Barbara Dölemeyer, Kodifikationen und Projekte, in: Helmut Coing (Hg.), Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. 3, 2. Teilband, München 1982, S. 1440-1625, hier: S. 14431453, 1457 ff. 170 Vgl. dazu: Elisabeth Fehrenbach, Traditionale Gesellschaft und revolutionäres Recht. Die Einführung des Code Napoléon in den Rheinbundstaaten, 3. Aufl., Göttingen 1983, S. 104-114; Schubert, Französisches Recht (Anm. 169), v.a. S. 209 ff., 218-236; ferner: Barbara Dölemeyer, Nachwort, in: Karl Dietrich Wolff (Hg.), Napoleons Gesetzbuch. Einzig officielle Ausgabe für das Königreich Westphalen, Straßburg 1808 (Nachdruck: Frankfurt a.M. 2001), S. 1056-1095, hier: S. 1058. 171 Vgl. Code Napoléon mit Zusäzen und Handelsgesezen als Land-Recht für das Großherzogthum Baden, Karlsruhe 1809 (Nachdruck: Frankfurt a.M. 1986), Zusätze a) bis f) zu Art. 1907; Johann Nikolaus Friedrich Brauer, Erläuterungen über den Code Napoléon und die Großherzoglich Badische bürgerliche Gesezgebung, Bd. 3, Karlsruhe 1810 (Nachdruck: Frankfurt a.M. 1986), S. 670-674. 172 Brauer, Erläuterungen (Anm. 171), S. 673. 173 Vgl. Badisches Landrecht (Anm. 171), Art. 1907.

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eines Uebels nöthig machen“, so konstatierte Brauer mit Blick auf das 1807 erlassene französische Wuchergesetz, „um ein Grösseres zu verdrängen“174. In Baden bestehe demgegenüber kein solcher Grund zur Beibehaltung von Wuchergesetzen, die sich für Brauer zudem nicht mit dem Eigentumsrecht der Darlehensgeber vereinbaren ließen. Hinzu komme, dass sich die Kreditgeber ohnehin nicht an derartige Festsetzungen hielten, so dass er ein Vorschreiben der maximal zulässigen Zinshöhe durch den Gesetzgeber nicht nur als unrechtmäßig, sondern auch als unzweckmäßig empfand.175 Das bedeutete allerdings nicht, dass die Zinsvereinbarungen der Vertragschließenden überhaupt keinen Einschränkungen unterliegen sollten. Vielmehr setzte Brauer durchaus auf gesetzgeberische Korrektive, um in Baden den „Reiz zu unverhältnißmäßigen Zinssteigerungen“, der sich in Frankreich während des Fehlens von Wuchergesetzen gezeigt und 1807 deren Wiedereinführung veranlasst habe, „entfernt zu halten“176. Das Badische Landrecht erlaubte daraufhin zwar jede Zinshöhe, statuierte aber zugleich für den Kreditgeber bei einer höheren als sechsprozentigen Verzinsung eine Reihe von Rechtsnachteilen, die ihn dazu veranlassen sollten, sich mit niedrigeren Zinsen zu begnügen.177 Tat der Darlehensgeber dies nicht, durfte er weder die Rechte aus einer hypothekarischen noch in einem Pfand bestehenden Kreditsicherheit geltend machen und verlor zudem eine etwaige Vorrangstellung gegenüber anderen Gläubigern des Darlehensnehmers.178 Überdies versagte ihm das Badische Landrecht, die vereinbarten Zinsen aus der Konkursmasse zu fordern, sobald sie das sechsprozentige Maximum überschritten.179 Denn die Durchsetzung der Zinsforderung dürfe nicht, so rechtfertigte Brauer die Regelung, zu Lasten anderer Gläubiger des Darlehensnehmers gehen.180 Die im Badischen Landrecht vorgesehene Verschlechterung der Rechtsstellung des Kreditgebers, wenn er sich mehr als sechs Prozent an Zinsen ausbedungen hatte, diente indes nicht nur dem Gläubigerschutz, sondern sollte auch die Interessen des Darlehensnehmers wahren. Ab dieser Zinshöhe räumte ihm nämlich der badische Gesetzgeber ein monatliches Kündigungsrecht ein, damit der Darlehensnehmer nicht länger als nötig an den Kontrakt gebunden war, der ___________ 174

Brauer, Erläuterungen (Anm. 171), S. 671. Brauer, Erläuterungen (Anm. 171), S. 670 ff. 176 Brauer, Erläuterungen (Anm. 171), S. 673. 177 Vgl. Badisches Landrecht (Anm. 171), Zusätze c) bis e) zu Art. 1907. – Vgl. dazu: Dilcher, Zins-Wucher-Gesetzgebung (Anm. 165), S. 160; Constantin R. IsopesculGrecul, Das Wucherstrafrecht, Leipzig 1906, S. 156. 178 Vgl. Badisches Landrecht (Anm. 171), Zusatz c) zu Art. 1907. 179 Badisches Landrecht (Anm. 171), Zusatz d) zu Art. 1907; vgl. auch Christoph Trefurt, System des Badischen Zivilrechts, Karlsruhe 1824, S. 302. 180 Vgl. Brauer, Erläuterungen (Anm. 171), S. 673. 175

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ihn zur Zahlung hoher Zinsen verpflichtete. Sein Vertragspartner durfte demgegenüber nur mit der weitaus längeren Frist von einem halben Jahr das Vertragsverhältnis beenden.181

3. Spezialgesetz und Kodifikation: das österreichische Wucherpatent von 1803 und das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Die von Brauer mit dem Badischen Landrecht verbundene Hoffnung, dass sich hohe Zinsen eher durch ein Mehr an Freiheit als durch strenge Wucherverbote verhindern ließen,182 erwies sich für den österreichischen Gesetzgeber, der aus demselben Beweggrund 1787 von einer Bestrafung des Zinswuchers abgerückt war, bereits als gescheitert. Diese Lockerung der Wuchergesetzgebung habe nämlich genau das Gegenteil des Beabsichtigten bewirkt, heißt es eingangs des unter Franz II. erlassenen Wucherpatents vom 2. Dezember 1803, und statt niedriger Zinsen nur „ungemäßigte Gewinnsucht“183 verbreitet. Der österreichische Monarch war folglich 1803 weit davon entfernt, die Wuchergesetze außer Kraft zu setzten, sondern kehrte vielmehr im Gegenteil zu einem massiven gesetzgeberischen Einschreiten – einschließlich strafrechtlicher Sanktionen – gegen den Zinswucher zurück, bei dem ihm in weiten Teilen das theresianische Wucherpatent von 1751 zum Vorbild diente.184 Der Rückkehr zur aufgeklärt-absolutistischen Wuchergesetzgebung Maria Theresias stand das Patent aus dem Jahre 1787 entgegen, so dass Franz II. es im ersten Paragraphen seines Wucherpatents außer Kraft setzte.185 Dieses legte das Zinsmaximum auf fünf Prozent, wenn die Darlehensgewährung durch Hypo___________ 181 Badisches Landrecht (Anm. 171), Zusatz e) zu Art. 1907; Brauer, Erläuterungen (Anm. 171), S. 673 f. Vgl. zum Kündigungsrecht: Dilcher, Zins-Wucher-Gesetzgebung (Anm. 165), S. 160; Isopescul-Grecul, Wucherstrafrecht (Anm. 177), S. 156; ferner: Landau, Die Gesetzgebungsgeschichte (Anm. 168), S. 387 f., ders., Art. „Zins“, in: Adalbert Erler u.a. (Hg.), Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 5, Berlin 1998, Sp. 1707-1713, hier: Sp. 1711, der allerdings den Zinssatz, dessen Überschreitung dem Darlehensnehmer das Kündigungsrecht verlieh, unzutreffend mit fünf – statt sechs – Prozent angab. 182 Vgl. Brauer, Erläuterungen (Anm. 171), S. 672 ff. 183 Zit. n. Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 7), Bd. 3, S. 5 und Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 167), S. 97. 184 Vgl. zur Vorbildwirkung des Wucherpatents Maria Theresias: Wilhelm Berliner und Richard Engländer, Das Österreichische Wuchergesetz, Wien 1911, S. 30; Leo Geller und Josef Peter Geller, Das österreichische Wucherstrafrecht, Wien 1908, S. 31; Isopescul-Grecul, Wucherstrafrecht (Anm. 177), S. 145; Hermann Blodig, Der Wucher und seine Gesetzgebung, Wien 1892, S. 21; Carl Chorinsky, Der Wucher in Oesterreich, Wien 1877, S. 25, 29. 185 § 1: Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 7), Bd. 3, S. 6; Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 167), S. 97.

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thek oder Faustpfand abgesichert war, sowie auf sechs Prozent beim Fehlen solcher Kreditsicherheiten fest.186 Ähnlich dem theresianischen Wucherpatent listete der Gesetzgeber zudem eine Reihe von Vereinbarungen auf, die sich zur Umgehung der Höchstzinsfestsetzung einsetzen ließen und dementsprechend ebenfalls untersagt wurden.187 Bei einem Verstoß gegen die Zinstaxe, die den Vertrag – außer bei Handelsgeschäften, die dieser nicht unterlagen188 – unwirksam machte,189 drohte dem Darlehensgeber als Strafe der Verlust sämtlicher ausbedungener Zinsen.190 Zu der Geldstrafe kamen insbesondere Arrest und entehrende Strafen hinzu, wenn die Zuwiderhandlung gegen das Zinsmaximum unter erschwerenden Umständen erfolgte. Als solche galten – neben dem wiederholten und gewerbsmäßigen Wucher – sowohl der finanzielle Ruin des Darlehensnehmers durch die Tat als auch deren Begehung unter Ausnutzung seiner Verstandesschwäche oder seines Leichtsinns, insbesondere bei minderjährigen oder sonst unter Vormundschaft stehenden Kreditwilligen.191 Hingegen war eine Bestrafung der Darlehensnehmer, die im Wucherpatent Maria Theresias noch die Regel bildete, nunmehr ausschließlich für den Fall vorgesehen, dass sie ihr unwirtschaftlicher Umgang mit Geld häufig Kredite in Anspruch nehmen ließ. Dadurch trugen sie nämlich aus Sicht des Gesetzgebers erheblich zur Ausbreitung des Zinswuchers bei, der vielfach – so heißt es im Gesetzestext – erst durch „muthwillige Anleiher Veranlassung und Nahrung erhält“192, so dass diese folglich bestraft werden sollten. Um vom Abschluss wucherischer Rechtsgeschäfte Kenntnis zu erhalten, verzichtete Franz II. aber auf eine Belohnung ihrer Anzeige, die einige Teilnehmer der Wucherpreisfrage als Kritikpunkt an der bisherigen österreichi___________ 186

§ 4: Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 7), Bd. 3, S. 21; Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 167), S. 98. 187 Vgl. §§ 8 ff. zu den Umgehungsvereinbarungen: Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 7), Bd. 3, S. 27-35; Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 167), S. 99 f. 188 § 2: Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 7), Bd. 3, S. 8 f.; Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 167), S. 98; vgl. auch Gross, Ueber die Behandlung des Verbrechens des Wuchers in einigen der neuern Criminalgesetzbücher und Entwürfe dazu, in: Archiv des Criminalrechts, 1851 (N.F.), S. 254-278, hier: S. 258. 189 Vgl. § 1: Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 7), Bd. 3, S. 6; Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 167), S. 97. 190 § 13: Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 7), Bd. 3, S. 54; Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 167), S. 100 f. 191 §§ 16 f.: Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 7), Bd. 3, S. 57 ff.; Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 167), S. 101 f. – Nach § 15 des Wucherpatentes tritt zudem die Arreststrafe an die Stelle der Geldstrafe, wenn der Kreditgeber diese nicht zu begleichen vermag. 192 Zit. n. Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 7), Bd. 3, S. 60; Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 164), S. 102. Vgl. auch Berliner / Engländer, Wuchergesetz (Anm. 184), S. 30.

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Kap. 4: Der Zinswucher in der politischen Theorie

schen Wuchergesetzgebung angeführt hatten.193 Franz II. entsprach dieser Kritik, indem er die Prämien für Denunzianten strich und sich statt dessen darauf verließ, dass die Anzeigebereitschaft redlicher Bürger auch ohne finanzielle Anreize besteht: Der „Gesetzgeber einer edlen Nation setzt in alle wohldenkende[n] Bürger das billige Zutrauen“, heißt es nämlich im Wucherpatent, ohne eine Belohnung für die Anzeige eines Wuchergeschäfts in Aussicht zu stellen, „daß sie zur Entdeckung dieses gemeinschädlichen Uebels beytragen werden“194. Regelungen zum Zinswucher fanden sich aber nicht nur im Wucherpatent von 1803, sondern auch in den am Anfang des 19. Jahrhunderts erlassenen Kodifikationen auf dem Gebiet des Straf- und Zivilrechts. Das „Strafgesetz über die Verbrechen und schweren Polizei-Übertretungen“ vom 3. September 1803, dessen polizeirechtlicher Teil auf Sonnenfels zurückgeht,195 beschränkte sich allerdings auf die Einordnung des Zinswuchers als gegen das Eigentum gerichtete Polizeiübertretung und überließ alles weitere dem Wucherpatent.196 Demgegenüber enthielt das ABGB selbst einige Wucherbestimmungen, wenngleich sich diese an das Patent von 1803 anlehnten, so dass sowohl dessen Zinsmaximum197 von fünf bzw. sechs Prozent als auch einige der bereits darin verbotenen Umgehungsgeschäfte198 in die neun Jahre später in Kraft getretene Privatrechtskodifikation eingingen. Daher verwundert es auch nicht, dass das ABGB auf eigene Rechtsfolgenanordnungen für wucherische Darlehensverträge verzichtete und insoweit auf das Wuchergesetz von 1803 verwies.199

___________ 193

Zu dieser Kritik der Wettbewerbsteilnehmer siehe Kap. 3., II., 2. Zit. n. Zeiller, Ueber das Oesterreichische Wuchergesetz (Anm. 7), Bd. 3, S. 67. Vgl. ferner Geller, Wucherstrafrecht (Anm. 184), S. 31. 195 Werner Ogris, Joseph von Sonnenfels als Rechtsreformer, in: Helmut Reinalter (Hg.), Joseph von Sonnenfels, Wien 1988, S. 11-95, hier: S. 46; Michael Friedrich von Maasburg, Geschichte der obersten Justizstelle in Wien (1749-1848.), Prag 1879, S. 117. 196 Joseph Kudler, Erklärung des Strafgesetzes über schwere Polizey-Uebertretungen, mit Berücksichtigung der auf dasselbe sich beziehenden, später erlassenen Gesetze und Erläuterungen, Bd. 1, 4. Aufl., Wien 1836, § 233 (S. 463). Vgl. zudem: Chorinsky, Wucher (Anm. 184), S. 22. 197 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch für die gesammten deutschen Erbländer der Oesterreichischen Monarchie, Wien 1811, § 994. – Vgl. zur Ausrichtung der Wucherbestimmungen des ABGB am Wucherpatent: Blodig, Wucher (Anm. 184), S. 21; ferner: Dilcher, Zins-Wucher-Gesetzgebung (Anm. 165), S. 152 f. 198 ABGB (Anm. 197), §§ 993, 996 ff. 199 ABGB (Anm. 197), § 1000. 194

V. Fazit

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V. Fazit V. Fazit

Freiheit und Eigentum: Um diese beiden Rechte kreiste in der politischen Theorie an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert sowohl das Votum für als auch gegen Wucherverbote. 1. Zur Begründung der Naturrechtmäßigkeit der Darlehenszinsen – unabhängig von deren Höhe – verwies man häufig auf die Stellung des Darlehensgebers als Eigentümer, die ihm die Befugnis vermittele, für die zeitweilige Überlassung seines Geldes beliebig hohe Zinsen zu verlangen. Dem Darlehensnehmer geschehe dadurch kein Unrecht, sofern er sich freiwillig – und nicht infolge betrügerischer Täuschung oder Zwang – auf dessen Zinsbegehren eingelassen hatte. Viele Naturrechtler sahen es daher beim Darlehensvertrag ebenso wie bei jedem anderen Vertrag ausschließlich als Sache der Kontrahenten an, Leistung und Gegenleistung zu bestimmen. Das hieß allerdings nicht, dass sie jegliche Zinshöhe guthießen: Nur gehörte die Verpflichtung des Kreditgebers zur Mäßigung seiner Zinsforderung in ihren Augen nicht dem Naturrecht, sondern dem Gebiet der Moral an, die strikt voneinander abgegrenzt wurden. 2. Dem Bekenntnis zur natürlichen Zinsfreiheit folgte aber in der Regel nicht die Ablehnung staatlicher Wuchergesetze. Vielmehr überließen es die Naturrechtler zumeist dem Gesetzgeber, ob er diese zur Verhinderung wucherischer Rechtsgeschäfte erlassen wollte und ermutigten ihn gelegentlich sogar zur Entscheidung für ein solches Eingreifen. Dieser weite Ermessensspielraum, den man dem Gesetzgeber zugestand, erklärt sich bei manchen Autoren daraus, dass sie die Bindungswirkung des Naturrechts für das staatlich gesetzte Recht insgesamt schwächer als die wenigen Kritiker staatlicher Wuchergesetze ausgestalteten. Zudem beeinflusste die Haltung der Naturrechtler zur Wuchergesetzgebung, ob sie eine Veräußerlichkeit individueller Rechte gänzlich ausschlossen oder sie in begrenztem Umfang weiterhin zuließen, da sich mit der letztgenannten Auffassung ebenfalls ein staatliches Einschreiten gegen den Zinswucher – trotz der Ablehnung von Wucherverboten im Naturrecht – legitimieren ließ. 3. Auf Freiheit und Eigentum rekurrierten aber nicht nur die Autoren, die den Vertragschließenden im Naturrecht die Vereinbarung der Darlehenszinsen unbeschränkt gestatten wollten, sondern nicht minder die Anhänger der Gegenansicht. So beriefen sich einige Naturrechtler auf das Eigentumsrecht des Darlehensnehmers, um den vorliberalen Aufgabenbereich der Polizei zur Bekämpfung des Wuchers – also in erster Linie Wuchergesetze und öffentliche Kreditanstalten – auch unter Geltung der liberalen Staatszwecklehre beizubehalten, die das Gemeinwohl- bzw. Glückseligkeitspostulat des Absolutismus durch die Sicherung der Rechte des Bürgers ersetzte. Ein weites Tätigkeitsfeld räumte dem Staat auf wirtschaftlichem Gebiet auch Adam Müller mit seiner Kritik am

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Kap. 4: Der Zinswucher in der politischen Theorie

liberalen Freiheits- und Eigentumsbegriff ein, dem er sein konservatives Begriffsverständnis, bei dem die Schranken des Rechts im Vordergrund standen, gegenüberstellte. Doch bedurfte es nicht der Abkehr von der liberalen Eigentumsdoktrin, um die gängige Begründung für eine freie Vereinbarung von Leistung und Gegenleistung im Naturrecht in Frage zu stellen, wie Hegel bewies. Er sah nämlich in der Sicherung des Privateigentums beider Vertragspartner den Zweck gegenseitiger Verträge, der sich für ihn – ebenso wie für Stephani – nur durch eine objektive Wertgleichheit der kontraktuellen Leistungen erreichen ließ. 4. Unterschiedlicher Auffassung über die Berechtigung von Wuchergesetzen waren aber nicht nur die Naturrechtler, sondern auch die Gesetzgeber Preußens, Frankreichs und Österreichs. Während Frankreich nämlich im Code civil von Wuchergesetzen zunächst Abstand nahm und Preußen die Wucherstrafbarkeit im Allgemeinen Landrecht zumindest einschränkte, kehrte man in der Habsburgermonarchie unter Franz II. mit dem Wucherpatent von 1803 zu einem strikten strafrechtlichen Einschreiten gegen den Zinswucher zurück.

Kapitel 5

Wuchergesetze in der Nationalökonomie der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts „Von dem freien volkswirthschaftlichen Standpunkte aus betrachtet kann es keinen Wucher geben“, konstatierte Eduard Baumstark 1835 und folgerte daraus, dass man den Darlehensvertragsparteien nicht die maximal zulässige Zinshöhe vorschreiben dürfe.1 Seine Auffassung unterschied sich damit allein durch den ökonomischen Blickwinkel von der Mehrheitssicht der Naturrechtler um 1800, die den Wucher im Naturrecht nicht als Grenze vertraglicher Zinsvereinbarungen anerkannten, sondern es den Kontrahenten überließen, die Darlehenszinsen – gleich welcher Höhe – zu bestimmen.2 Während die Naturrechtler aber zumeist davon absahen, dies auch auf das staatlich gesetzte Recht zu übertragen und daher Wuchergesetzen häufig nicht ablehnend gegenüberstanden,3 wandte sich die Wirtschaftstheorie entschieden gegen gesetzliche Zinsreglementierungen. Die Anschauungen von deren Autoren prägte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Auseinandersetzung mit der klassischen englischen Nationalökonomie, allen voran mit Adam Smith, so dass die wirtschaftshistorische Forschung die deutschen Ökonomen häufig als Smithianer oder Kritiker Smith’scher Positionen einteilt.4 So wird z.B. Johann Friedrich Eusebius Lotz, der dem Staat ähnlich wie Baumstark die Kompetenz zum Erlass „sogenannte[r] Wuchergesetze“ absprach, mit denen „man dem vermeintlichen Wucher ___________ 1 Eduard Baumstark, Kameralistische Encyclopädie, Heidelberg und Leipzig 1835 (Nachdruck: Glashütten im Taunus 1975), S. 633. 2 S.o. unter Kap. 4, I. 3 S.o. unter Kap. 4, II. 4 Vgl. Karl-Heinz Schmidt, Die wirtschaftliche Entwicklung und die nationalökonomischen Auffassungen zur Rolle des Staates in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Harald Scherf (Hg.), Studien zur Entwicklung der ökonomischen Theorie VI, Berlin 1988, S. 65-104, hier: S. 81-93; Harald Winkel, Die deutsche Nationalökonomie im 19. Jahrhundert, Darmstadt 1977, S. 10-19, 35 f.; ferner: Johannes Burkhardt und Birger P. Priddat, Geschichte der Ökonomie, Frankfurt a.M. 2000, S. 861 ff.; Karl Brandt, Geschichte der deutschen Volkswirtschaftslehre, 2 Bände, Freiburg i.Br. 1992 und 1993, Bd. 1, S. 160 f., 176, 185.

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Kap. 5: Wuchergesetze in der Nationalökonomie

der Kapitalisten steuern will“5, von Harald Winkel dann als „echter Smithianer“ bezeichnet, „wenn er dem Staat jegliches Eingreifen in das Wirtschaftsleben verwehrt“6. Da die Einordnung als Smithianer mithin aussagt, dass sich dieser Autor zugunsten der Freiheit der Wirtschaftsakteure bekannte und deshalb einen Rückzug des Staates aus dem Bereich der Ökonomie verlangte, erweist sie sich zumindest beim Thema Wucher als wenig weiterführend: Denn Smith entsprach mit seinem Votum für Wuchergesetze insoweit selbst nicht dem Programm einer Zurückdrängung der Staatsintervention auf dem Gebiet der Wirtschaft.7 Dieses wurde in Deutschland allerdings nicht unverändert aufgenommen: Abweichungen ergaben sich durch die Einbeziehung historischer Erfahrungswerte und ethischer Maßstäbe, mit denen man ab den 1830er Jahren vermehrt die grundsätzliche Forderung der klassischen Nationalökonomie nach unbeschränktem Wettbewerb relativierte und zum Teil auch korrigierte.8 Allerdings führte dies in der Regel nicht dazu, dass man die etwa von Lotz und Baumstark verneinte Berechtigung von Wuchergesetzen nunmehr anerkannte; vielmehr stieß ein solches staatliches Eingreifen auch weiterhin auf Kritik.9 Unter den massiven Einwänden, die in den staatswirtschaftlichen Abhandlungen gegen Wuchergesetze erhoben wurden (I.), befand sich auch ein aus der liberalen politischen Theorie bereits bekanntes Argument: Auch für manche Ökonomen ließ sich nämlich eine gesetzliche Zinsregulierung nicht mit dem Eigentumsrecht der Darlehensgeber in Einklang bringen, da es nicht Sache des Staates, sondern des Eigentümers sei zu entscheiden, gegen welche Gegenleistung er das ihm Gehörige einem anderen überlassen wollte. Der Staat begehe folglich eine Eigentumsverletzung, wenn er dem Geldeigentümer diese Entscheidung mit dem Festhalten an Wuchergesetzen verwehre.10 Das Votum der ___________ 5 Johann Friedrich Eusebius Lotz, Handbuch der Staatswirthschaftslehre, Bd. 2, Erlangen 1822, S. 257; auch Leopold Krug, Abriß der Staatsökonomie oder Staatswirthschaftslehre, Berlin 1808 (Nachdruck: Aalen 1970), S. 70 und Ludwig Timotheus von Spittler, Vorlesungen über Politik, Stuttgart und Tübingen 1828, S. 412 sprachen vom „sogenannten Wucher“. 6 Winkel, Die deutsche Nationalökonomie (Anm. 4), S. 18. 7 Siehe Kap. 2, I. zur Befürwortung staatlicher Wuchergesetze durch Smith. 8 Vgl. dazu: Brandt, Geschichte (Anm. 4), Bd. 1, S. 210 ff. und Bd. 2, S. 29-32, 4668; Schmidt, Die wirtschaftliche Entwicklung (Anm. 4), S. 96-101; Winkel, Die deutsche Nationalökonomie (Anm. 4), S. 34 f., 65-68, 82-99. 9 Ausnahmen blieben insoweit Friedrich Jakob Schmitthenner und Carl Wolfgang Christoph Schüz, die Wuchergesetze billigten, s.u. III. 10 August Ferdinand Lueder, Ueber Nationalindustrie und Staatswirthschaft, Bd. 2, Berlin 1802, S. 460 f.; Theodor Anton Heinrich von Schmalz, Handbuch der Staatswirthschaft, Berlin 1808, S. 192 f.; ders., Staatswirthschaftslehre in Briefen an einen teutschen Erbprinzen, Bd. 1, Berlin 1818, S. 234; Johann Paul Harl, Vollständiges Handbuch der Staatswirthschaft und Finanz, Bd. 1, Erlangen 1811, S. 276; Spittler, Vorlesungen (Anm. 5), S. 413. – Dagegen hielt es Karl Heinrich Rau, Lehrbuch der politischen Oekonomie, Bd. 1 und 2, Heidelberg 1826 und 1828 (Nachdruck: Hildesheim u.a.

I. Die Ablehnung von Zinstaxen

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Nationalökonomen gegen Wuchergesetze hatte allerdings nicht zur Folge, dass sie jegliches staatliche Eingreifen im Kreditwesen zu beseitigen anstrebten. Denn in gewissem Umfang galt ihnen die Einwirkung auf die Höhe der Darlehenszinsen durch den Staat durchaus als erstrebenswert (II.). Den dabei vom Staat zu schaffenden Rahmen für eine günstige Zinsentwicklung erklärten einige Wirtschaftswissenschaftler sogar zur Bedingung für die Abschaffung der Wuchergesetze (III.). Zu deren Aufhebung kam es indes zu dieser Zeit nicht; vielmehr nahm man ganz im Gegenteil in die während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstehenden Kodifikationen auf dem Gebiet des Strafrechts durchweg entsprechende Wucherverbote auf (IV.).

I. Die Ablehnung von Zinstaxen I. Die Ablehnung v on Zin staxen

Mit den Kameralisten des 18. Jahrhunderts verband die Ökonomen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Sorge um eine hinreichende Ausstattung der Wirtschaft mit Krediten zu moderaten Zinsen. Diese Sorge schien durchaus berechtigt, wie ein Blick in die Wirtschaftsgeschichte zeigt. Zwar steckte die Industrialisierung Deutschlands in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts noch in der Anfangsphase, so dass auch der Geldbedarf der Unternehmer bei weitem nicht den Umfang aufwies, den er etwa ab der Jahrhundertmitte mit dem Durchbruch der Industriellen Revolution erreichen sollte. Dennoch ließen sich auch die Pionierunternehmen der frühindustriellen Gesellschaft nur schwer ausschließlich mit eigenen finanziellen Mitteln aufbauen und aufrechterhalten. Mangels Erfahrungswerten mit den von ihnen eingeführten technischen Errungenschaften barg jedoch eine Kreditvergabe an sie ein nicht zu unterschätzendes Risiko, das nicht jeder Darlehensgeber bereit war, auf sich zu nehmen.11 Damit die Unternehmer bei der Suche nach Krediten nicht erfolglos blieben, schlug die zeitgenössische Wirtschaftstheorie aber einen anderen Weg ein als zur Zeit des Ancien Régime. Im Gegensatz zu den Kameralisten, die in Wuchergesetzen ein wesentliches Mittel sahen, um Gewerbetreibenden zu zinsgünstigen Krediten zu verhelfen, stellten sich die Ökonomen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahezu geschlossen auf den Standpunkt, dass sich dieses Ziel nur durch deren Abschaffung erreichen lasse. Aus ihrer Sicht war nämlich der Gesetzgeber außerstande, den Vertragsparteien ein Zinsmaximum vorzuschreiben, das in der Kreditpraxis tatsächlich Beachtung fand, da sich die Zins___________ 1997), hier: Bd. 2, S. 365 f. nicht für rechtswidrig, wenn der Staat den Geldeigner an einer gewinnträchtigeren Geldnutzung hinderte. 11 Vgl. dazu Hermann Kellenbenz, Deutsche Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2, München 1981, S. 74, 79, 142 ff.; Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 2: Von der Reformära bis zur industriellen und politischen „Deutschen Doppelrevolution“. 1815-1845/49, 3. Aufl., München 1996, S. 26, 95-100.

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Kap. 5: Wuchergesetze in der Nationalökonomie

höhe ausschließlich nach ökonomischen Grundsätzen richte, die man mit Wuchergesetzen vergeblich außer Kraft zu setzen suche (1.). Der Staat stifte damit jedoch nicht nur keinerlei Nutzen, sondern schade mit seiner Intervention geradezu den Kreditwilligen, die als Folge von Wuchergesetzen einen höheren Zinssatz bezahlen müssten als bei deren Außerkraftsetzung (2.). Das Festhalten der Gesetzgebung an Zinstaxen trotz dieser negativen Auswirkungen erklärte man mit der verbreiteten Fehlvorstellung, dass hohe Zinsen stets der Landesökonomie abträglich seien (3.). Solche Argumente wurden dabei nicht nur in nationalökonomischen Veröffentlichungen vorgebracht – sie fanden überdies Eingang in einige polizeiwissenschaftliche und in dem geltenden Recht gewidmete Abhandlungen, die zusehends die Einwände der Wirtschaftswissenschaftler aufgriffen.12

1. Die Gesetzmäßigkeiten der Wirtschaft Entscheidend gegen ein gesetzliches Zinsmaximum, an dem die staatliche Wuchergesetzgebung anknüpfte, sprach nach Auffassung zahlreicher Ökonomen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, dass es zwangsläufig mit der marktgerechten Zinshöhe in Widerspruch gerate. Denn um Abweichungen zwischen Marktzins und Zinstaxe möglichst zu vermeiden, könne der Gesetzgeber zwar den gerade aktuellen Stand von Angebot und Nachfrage, der wie den Preis jeder Ware auch den Preis der vorübergehenden Kapitalnutzung und mithin die Zinshöhe beeinflusse,13 bei seiner Höchstzinsfestsetzung zugrunde legen. Doch selbst dann stimme der gesetzliche Maximalzins, so gab man zu bedenken, allenfalls kurzzeitig mit dem marktangemessenen überein, da das Verhältnis zwi___________ 12

Vgl. etwa: Johann Friedrich Eusebius Lotz, Ueber den Begriff der Polizei und den Umfang der Staatspolizeigewalt, Hildburghausen 1807, S. 466-470; Georg Joachim Göschen, Ueber das Princip, die Gränzen und den Umfang der Policei, Leipzig 1808, S. 150 f.; Ludwig Heinrich Jakob, Grundsätze der Policeygesetzgebung und der Policeyanstalten, Bd. 2, Halle und Leipzig 1809, S. 521 ff.; Robert von Mohl, System der Präventiv-Justiz oder Rechts-Polizei, Tübingen 1834, S. 325 f.; Anton Barth, Vorlesungen über sämmtliche Hauptfächer der Staats- und Rechtswissenschaft, Bd. 6: Vorlesungen über Polizey-Wissenschaft und Polizeyrecht, Augsburg 1840, S. 579-582; Hesse, Bemerkungen über Strafverbote gegen Wucher, im Hinblick auf die neueren teutschen Gesetzgebungen, in: Archiv des Criminalrechts, 1841 (N.F.), S. 113-135 und 269-291, hier: S. 114-117 und 123-131. 13 Statt vieler: Ludwig Heinrich Jakob, Grundsätze der National-Oekonomie oder National-Wirthschaftslehre, Halle 1805 (Nachdruck: Hildesheim [u.a.] 2004), S. 125; Schmalz, Handbuch (Anm. 10), S. 83 f.; Johann Friedrich Eusebius Lotz, Revision der Grundbegriffe der Nationalwirthschaftslehre, in Beziehung auf Theuerung und Wohlfeilheit, und angemesssene Preise und ihre Bedingungen, Bd. 1 und 3, Koburg und Leipzig 1811 und 1813 (Nachdruck: Dillenburg 2000), hier: Bd. 3, S. 157 f.; Barth, Vorlesungen (Anm. 12), S. 579.

I. Die Ablehnung von Zinstaxen

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schen gesuchten und erhältlichen Darlehen im Zeitablauf nicht konstant bleibe, sondern häufigen Veränderungen unterliege. An diese lasse sich kein Wuchergesetz sogleich anpassen, so dass es innerhalb kürzester Zeit nicht mehr den sich wandelnden Marktgegebenheiten entspreche.14 Das ignoriere indes der Gesetzgeber, wenn er gegen den Zinswucher einschreite und damit zu Unrecht – so Theodor Anton Heinrich von Schmalz – von der Beständigkeit der wirtschaftlichen Verhältnisse ausgehe: „Alles in der Welt wäre veränderlich, und nur der Zinsenfuß nicht?“15 Ähnlich monierte auch Ludwig Timotheus von Spittler, dass der Staat glaube, mit der Normierung von Zinsmaxima „feste, Jahr aus Jahr ein geltende Taxen machen“ zu können, obwohl für die Höhe des Zinsfußes „drei sehr veränderliche Bestimmungs-Gründe“ maßgeblich seien.16 Zu den von ihm angesprochenen zinsbestimmenden Faktoren zählte neben dem Verhältnis zwischen angebotenen und nachgefragten Krediten die vom Darlehensgeber zu tragende Gefahr, sein Kapital zu verlieren, wenn es ihm sein Vertragspartner zuzüglich Zinsen nicht wie geschuldet zurückzahlte. Je größer das – auf Seiten des Kreditwilligen in erster Linie von seiner persönlichen Verlässlichkeit, der gestellten Kreditsicherheit und der Art der geplanten Geldverwendung abhängige – Risiko ausfiel, desto mehr erhöhe sich auch der Zins um eine „Assecuranzprämie“17, die dem Darlehengeber die Unsicherheit über den Wiedererhalt seines Geldes abgelten sollte.18 Zudem finde im Zinsfuß auch der Arbeitsaufwand Be___________ 14

Vgl. Krug, Abriß der Staatsökonomie (Anm. 5), S. 68 f.; Schmalz, Staatswirthschaftslehre (Anm. 10), S. 234 f.; Spittler, Vorlesungen (Anm. 5), S. 413 f.; Joseph Kudler, Ueber Gesetze, welche die Forderung von Capital-Zinsen im Privatverkehre beschränken, in: Sitzungsberichte der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Classe, Bd. 7, Wien 1851, S. 490-518, hier: S. 499; vgl. auch Lotz, Nationalwirthschaftslehre (Anm. 5), Bd. 1, S. 326, der dieses Argument der Veränderlichkeit nicht auf Zinstaxen beschränkt, sondern auf alle Taxen bezieht. 15 Schmalz, Staatswirthschaftslehre (Anm. 10), S. 235. 16 Spittler, Vorlesungen (Anm. 5), S. 413. 17 Friedrich Carl Fulda, Grundsäze der ökonomisch-politischen oder Kameralwissenschaften, Tübingen 1816, S. 133; Wilhelm Roscher, Die Grundlagen der Nationalökonomie, Stuttgart und Tübingen 1854, S. 352; ähnlich z.B. auch: Harl, Handbuch der Staatswirthschaft und Finanz (Anm. 10), S. 277; Schmalz, Staatswirthschaftslehre (Anm. 10), S. 228. 18 Vgl. Gottlieb Hufeland, Neue Grundlegung der Staatswirthschaftskunst, durch Prüfung und Berichtigung ihrer Grundbegriffe von Gut, Werth, Preis, Geld und Volksvermögen, mit ununterbrochner Rücksicht auf die bisherigen Systeme, Bd. 1, Gießen und Wetzlar 1807 (Nachdruck: Dillenburg 2000), S. 330 ff.; Heinrich Storch, Cours d`économie politique, St. Petersburg 1815 (dt. Übersetzung: Karl Heinrich Rau, Handbuch der National-Wirthschaftslehre, Bd. 2, Hamburg 1819 [Nachdruck: Dillenburg 1998]), S. 20 f.; Fulda, Grundsäze (Anm. 17), S. 133; Rau, Lehrbuch (Anm. 10), Bd. 1, S. 170 f.; Adolph Friedrich Johann Riedel, Nationalöconomie oder Volkswirthschaft, Bd. 2, Berlin 1839, S. 373 f.; Carl Wolfgang Christoph Schüz, Grundsätze der NationalOeconomie, Tübingen 1843, S. 298 f., 301; Joseph Kudler, Die Grundlehren der Volks-

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Kap. 5: Wuchergesetze in der Nationalökonomie

rücksichtigung, der dem Geldeigner im Zusammenhang mit der Kreditvergabe entstand. Dieser war aus Sicht der zeitgenössischen Wirtschaftstheorie gleichermaßen wie die im Zins enthaltene „Assecuranzprämie“ den Umständen des Einzelfalls unterworfen: Da es den Kreditgeber etwa deutlich mehr Mühe koste, viele kleinere Geldbeträge anstatt einer größeren Summe zu vergeben, oder das Darlehen nicht für mehrere Monate bzw. Jahre, sondern stets nur für kürzere Zeitabstände zur Verfügung zu stellen, sollte ihm dann auch eine höhere Gegenleistung gebühren.19 Fielen demnach zwei der zinsbestimmenden Faktoren bei jedem Kreditgeschäft unterschiedlich groß aus, so ließ sich für die Ökonomen auch die maximal zulässige Zinshöhe im Ganzen nicht durch Wuchergesetze generalisieren.20 Ebenso wenig wie nach ihrer Ansicht die Höhe der Darlehenszinsen einer gesetzlichen Verallgemeinerung offen stand, sahen sie den Gesetzgeber dazu in der Lage, den von ihm festgelegten Maximalzins gegen den Zinssatz durchzusetzen, der sich aus dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage, ergänzt um die Risiko- und Müheabgeltung, ergab. Die Zinsfestsetzungen der Wuchergesetze wurden daher wegen der unvermeidbaren Abweichung vom Marktzins als „eigenmächtige und willkürliche Normen“21 betrachtet, mit denen der Staat die ökonomischen Eigengesetzlichkeiten missachtete. Das „natürliche Prinzip“22 der Zinsbestimmung könne man jedoch nicht mit Erfolg gesetzlichen Zwängen unterwerfen, so dass sich der Kreditverkehr diesen unentwegt widersetze und dadurch die staatlichen Bemühungen zur Einflussnahme auf die Darlehenszinsen zunichte mache.23 „Positive Gesetze sind [...] lächerlich, wenn sie den Na___________ wirthschaft, 2 Bände, Wien 1846, Bd. 1, S. 120 f.; ders., Ueber Gesetze (Anm. 14), S. 501 ff.; Roscher, Nationalökonomie (Anm. 17), S. 327, 352, 354. 19 Vgl. Rau, Lehrbuch (Anm. 10), Bd. 1, S. 69, 170 und Bd. 2, S. 364; Spittler, Vorlesungen (Anm. 5), S. 414; Riedel, Nationalöconomie (Anm. 18), S. 375; Hesse, Strafverbote gegen Wucher (Anm. 12), S. 116 f. 20 Vgl. Spittler, Vorlesungen (Anm. 5), S. 414; Roscher, Nationalökonomie (Anm. 17), S. 354; ferner: Harl, Handbuch der Staatswirthschaft und Finanz (Anm. 10), S. 277. 21 Lotz, Nationalwirthschaftslehre (Anm. 13), Bd. 1, S. 321; auch Johann Paul Harl, Grundlinien einer Theorie des Staates (der Staats-Wissenschafts-Lehre), des Geldes und der Staats-Wirthschaft, wie auch der Erziehung und des Unterrechts, Erlangen 1805, S. 36, 41, ders., Handbuch der Staatswirthschaft und Finanz (Anm. 10), S. 276 brachte gesetzliche Maximalzinsen mit Willkür in Verbindung. 22 Krug, Abriß der Staatsökonomie (Anm. 5), S. 69; ähnlich sprach Jakob, Grundsätze (Anm. 12), S. 522 von dem „natürlichen Preise“ der Kapitalüberlassung. 23 Vgl. Johann Georg Büsch, Abhandlung von dem Geldumlauf in anhaltender Rücksicht auf die Staatswirtschaft und Handlung, Bd. 2, 2. Aufl., Hamburg und Kiel 1800 (Nachdruck: Glashütten im Taunus 1975), S. 650 ff., 679; Krug, Abriß der Staatsökonomie (Anm. 5), S. 70; Schmalz, Handbuch (Anm. 10), S. 193; Storch, Cours (Anm. 18), S. 25; Karl Heinrich Rau, Zusätze zu Heinrich Storch, Cours d`économie politique, St. Petersburg 1815 (dt. Übersetzung: Karl Heinrich Rau, Handbuch der NationalWirthschaftslehre, Bd. 3, Hamburg 1820 [Nachdruck: Dillenburg 1998]), S. 394; ders.,

I. Die Ablehnung von Zinstaxen

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turgesetzen entgegen wirken sollen“ – so diskreditierte demgemäß August Wilhelm von Leipziger im Jahre 1813 die Normierung von Zinsschranken als von vornherein zum Scheitern verurteiltes Vorhaben. Denn: „Was sich nach den natürlichen Gesetzen entwikkelt und bestimmt, steht unerschütterlich fest“24. Gegen die ökonomischen Gesetzmäßigkeiten, von denen die Zinshöhe abhing, kämpfe der Staat also vergebens an, so dass er aufhören sollte, dies durch die Beibehaltung von Wuchergesetzen zu versuchen.

2. Die Erhöhung der Darlehenszinsen Die staatliche Kontrolle der Zinshöhe wies – abgesehen von der fehlenden Normbefolgung durch die Vertragsparteien – für die Nationalökonomen noch einen weiteren Haken auf: Sie entspreche nicht mehr den zeitgemäßen ökonomischen Gegebenheiten. Wenn der Unternehmer beträchtliche Gewinne mit dem ihm überlassenen Geld realisieren könne, bestehe nämlich kein Grund, dem Darlehensgeber einen angemessenen – die niedrig angesetzte Zinstaxe notwendigerweise übersteigenden – Anteil daran zu versagen. Vielmehr sollte ihn der Unternehmer an dem lukrativen Geschäft beteiligen dürfen, zu dessen Zustandekommen er mit der Kreditgewährung beigetragen habe.25 Da Wuchergesetze ihm aber nur ein geringfügiges Entgelt zubilligten, selbst wenn sein Geld dem Darlehensnehmer zu ansehnlichen Gewinnen verhalf, widersprachen diese aus Sicht der Wirtschaftstheorie der Rolle des Darlehensgebers in einer aufblühenden Landesökonomie. Man bewertete sie daher als überkommene Re___________ Lehrbuch (Anm. 10), Bd. 2, S. 364 f.; Johann Schön, Die Staatswissenschaft geschichtsphilosophisch begründet, Breslau 1831, S. 276; ders., Neue Untersuchung der Nationalökonomie und der natürlichen Volkswirthschaftsordnung, Stuttgart und Tübingen 1835, S. 309; Baumstark, Kameralistische Encyclopädie (Anm. 1), S. 634; Barth, Vorlesungen (Anm. 12), S. 580; Kudler, Volkswirthschaft (Anm. 18), Bd. 2, S. 365 f., 368; Roscher, Nationalökonomie (Anm. 17), S. 352, 354; vgl. auch Schüz, National-Oeconomie (Anm. 18), S. 304, der diesen Umgehungseinwand allerdings auf zu niedrig festgesetzte Zinstaxen beschränkte. 24 August Wilhelm von Leipziger, Geist der National-Oekonomie und Staatswirthschaft, für National-Repräsentanten, Geschäftsmänner, und die, die es werden wollen, Bd. 1, Berlin 1813, S. 46. 25 Vgl. Schmalz, Staatswirthschaftslehre (Anm. 10), S. 235: „Ein Kaufmann leihet von mir Geld zu einer Speculation und sagt mir offenherzig, daß er 100 Procent mit meinem Gelde dabei gewinnen werde. Ist irgend eine Unbilligkeit darin, daß er mir 50 Procent für dieß Darlehn giebt, die Hälfte dessen, was er mit Meinem Gelde gewinnt, zumalen ich es verlieren könnte, wenn seine Speculation fehl schlüge?“; Leipziger, Geist der National-Oekonomie (Anm. 24), S. 46: „Kann der Unternehmer [mit dem Geld] funfzig verdienen, so wird er dem Kapitalisten gern funfzehn bis zwanzig abgeben, sind damit nur fünf zu verdienen, so wird er dem Kapitalisten nur zwei abgeben können“; Schön, Neue Untersuchung der Nationalökonomie (Anm. 23), S. 309; Kudler, Ueber Gesetze (Anm. 14), S. 499.

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Kap. 5: Wuchergesetze in der Nationalökonomie

likte längst vergangener Zeitalter, in denen – wie vor allem unter Geltung des mittelalterlichen kanonischen Zinsverbots – die wirtschaftliche Entwicklung noch nicht weit vorangeschritten war. Nach Ansicht der Nationalökonomen verdankten Wuchergesetze ihre Entstehung somit letztlich dem Umstand, dass in früheren Epochen die Darlehensaufnahme durch Gewerbetreibende die Ausnahme blieb und statt dessen „Noth-Schulden“26 zur Bestreitung des Lebensunterhalts vorherrschten.27 Der damalige Gesetzgeber habe aus diesem Grund auch nur die Kredite in den Blick genommen, die nicht zu erwerbswirtschaftlichen Zwecken nachfragt wurden. Inzwischen stelle sich aber das RegelAusnahme-Verhältnis umgekehrt dar, so dass Kreditgesuche der Unternehmer die deutlich überwiegende Mehrheit bildeten. Folglich passten, so nahm man an, die vor dem Hintergrund ganz anderer Zeitumstände konzipierten Wuchergesetze für die veränderten Verhältnisse nicht mehr.28  Schreibe der Gesetzgeber dennoch den Kreditwilligen – also in erster Linie Gewerbetreibenden – vor, wie viel Zinsen ihnen die Erlangung fremden Geldes wert sein dürfe, verbessere er ihre Situation keineswegs, sondern verschlimmere sie noch. Denn auf diesem Wege reduziere der Staat nicht das vom Darlehensnehmer zu erbringende Entgelt, sondern erhöhe es entgegen dem Gesetzeszweck.29 Solche Gesetze, bemerkte daher Leopold Krug in seinem 1808 veröffentlichten „Abriß der Staatsökonomie“ polemisch, „verdienen den Namen Wuchergesetze mehr darum: weil sie Wucher erzeugen, als weil sie ihn verhindern“30. Sie begünstigten demnach aus seiner Sicht, die auch Krugs Zeitgenossen teilten, geradezu die Entstehung wucherischer Zinshöhen – und dies aus zwei Gründen. ___________ 26

Von „Nothschulden“ bzw. „Nothschuldner“ sprachen etwa: Schmalz, Handbuch (Anm. 10), S. 192 f.; ders., Cameralwissenschaften (Anm. 27), S. 301; Rau, Lehrbuch (Anm. 10), Bd. 2, S. 367; Schüz, National-Oeconomie (Anm. 18), S. 299; Kudler, Volkswirthschaft (Anm. 18), Bd. 2, S. 353 f., 356, 370. 27 Vgl. Schmalz, Handbuch (Anm. 10), S. 192; ders., Encyclopädie der Cameralwissenschaften, 2. Aufl., Königsberg 1819 (Nachdruck: Dillenburg 2003), S. 301; Riedel, Nationalöconomie (Anm. 18), S. 390 f.; Hesse, Strafverbote gegen Wucher (Anm. 12), S. 114; Roscher, Nationalökonomie (Anm. 17), S. 346 f., 356. 28 Vgl. Schmalz, Handbuch (Anm. 10), S. 192; Riedel, Nationalöconomie (Anm. 18), S. 390 ff. 29 Vgl. Hufeland, Staatswirthschaftskunst (Anm. 18), S. 330 f.; Schmalz, Handbuch (Anm. 10), S. 193 f.; Jakob, Grundsätze (Anm. 12), S. 522; Harl, Handbuch der Staatswirthschaft und Finanz (Anm. 10), S. 277; Leipziger, Geist der National-Oekonomie (Anm. 24), S. 46 f.; Storch, Cours (Anm. 18), S. 25 f.; Lotz, Staatswirthschaftslehre (Anm. 5), S. 257-260; Spittler, Vorlesungen (Anm. 5), S. 414; Schön, Neue Untersuchung der Nationalökonomie (Anm. 22), S. 307-310; Barth, Vorlesungen (Anm. 12), S. 580 ff.; Kudler, Volkswirthschaft (Anm. 18), Bd. 2, S. 366 f.; Roscher, Nationalökonomie (Anm. 17), S. 352 und 354; vgl. auch Schüz, National-Oeconomie (Anm. 18), S. 304 mit Blick auf ein zu niedriges gesetzliches Zinsmaximum. 30 Krug, Abriß der Staatsökonomie (Anm. 5), S. 70.

I. Die Ablehnung von Zinstaxen

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Zum einen verminderten Wuchergesetze, so beklagten die Ökonomen, das Kreditangebot: Zu den moderaten gesetzmäßigen Zinsen seien weniger Kapitalisten bereit, anderen ihre Gelder zur Verfügung zu stellen, als wenn es ihnen frei stünde, auch höhere Zinsen zu verlangen.31 Sobald nämlich der gesetzliche Höchstzins den im Einzelfall marktgerechten Zinssatz unterschreite, verzichte der rechtstreue Geldeigner auf die Kreditvergabe, um nicht gegen die Wuchergesetze zu verstoßen. Dadurch beschränke sich die Zahl der Darlehensanbieter auf diejenigen, die sich nur wenig um die Einhaltung der geltenden Gesetze kümmerten.32 Zum anderen wirkten sich Wuchergesetze nach Auffassung der Wirtschaftstheoretiker deshalb zinssteigernd aus, weil sie die vom Darlehensnehmer mit der „Assecuranzprämie“ zu vergütenden Gefahren vermehrten, die das Kreditgeschäft für Darlehensgeber mit sich bringe. Denn zu dem Risiko, später vergeblich auf die Rückzahlung des dem Vertragspartner anvertrauten Geldes zu warten, komme unter Geltung von Wuchergesetzen die Gefahr hinzu, den darin vorgesehenen Strafen zu unterliegen. Diese Gefahr nehme kein Kreditgeber unentgeltlich auf sich, sondern erhöhe daraufhin seine Zinsforderung,33 die umso mehr ansteige, je härter der Staat gegen den Wucher einschreite: „Je strenger die Strafen, desto höher also die Zinsen“34. Darunter leide vor allem die Landesökonomie, deren Fortentwicklung der Gesetzgeber mit der Beibehaltung von Wuchergesetzen als „gewaltsam angelegte Fesseln“35 gefährde, weil der Unternehmer dann kein Darlehen zu angemessenen Zinsen finde. Statt dessen bekomme er das benötigte Geld wegen des insgesamt geringeren Kreditangebots allenfalls gegen Zahlung einer – im Vergleich zur Situation ohne Wuchergesetze – deutlich erhöhten Gegenleistung.36 ___________ 31 Vgl. Krug, Abriß der Staatsökonomie (Anm. 5), S. 70; Jakob, Grundsätze (Anm. 12), S. 521 f.; Spittler, Vorlesungen (Anm. 5), S. 414; Schön, Neue Untersuchung der Nationalökonomie (Anm. 23), S. 309; Barth, Vorlesungen (Anm. 12), S. 580; Kudler, Volkswirthschaft (Anm. 18), Bd. 2, S. 362 f. 32 Krug, Abriß der Staatsökonomie (Anm. 5), S. 70; Schmalz, Handbuch (Anm. 10), S. 194; Leipziger, Geist der National-Oekonomie (Anm. 23), S. 46; Schön, Neue Untersuchung der Nationalökonomie (Anm. 23), S. 309. 33 Vgl. Hufeland, Staatswirthschaftskunst (Anm. 18), S. 330 f.; Krug, Abriß der Staatsökonomie (Anm. 5), S. 70; Jakob, Grundsätze (Anm. 12), S. 522 f.; Harl, Handbuch der Staatswirthschaft und Finanz (Anm. 10), S. 277; Storch, Cours (Anm. 18), S. 25 f.; Spittler, Vorlesungen (Anm. 5), S. 414; Mohl, System der Präventiv-Justiz (Anm. 12), S. 326; Riedel, Nationalöconomie (Anm. 18), S. 391; Hesse, Strafverbote gegen Wucher (Anm. 12), S. 129; Kudler, Volkswirthschaft (Anm. 18), Bd. 2, S. 367; ders., Ueber Gesetze (Anm. 14), S. 511; Roscher, Nationalökonomie (Anm. 17), S. 352. 34 Schmalz, Handbuch (Anm. 10), S. 194. 35 Lotz, Staatspolizeigewalt (Anm. 12), S. 470. 36 Vgl. Jakob, Grundsätze (Anm. 12), S. 521 ff.; Harl, Handbuch der Staatswirthschaft und Finanz (Anm. 10), S. 276 f.; Lotz, Staatswirthschaftslehre (Anm. 5), S. 257; Spittler, Vorlesungen (Anm. 5), S. 413 f.; Rau, Lehrbuch (Anm. 10), Bd. 2, S. 364 ff.; Kudler, Volkswirthschaft (Anm. 18), Bd. 2, S. 363.

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Kap. 5: Wuchergesetze in der Nationalökonomie

Nicht besser als den Gewerbetreibenden erging es aus Sicht der Ökonomen auch „Noth-Schuldnern“, denen man eher den Kreditwunsch abschlage, als ihnen das zur Bestreitung des Lebensunterhalts benötigte Geld zu den gesetzmäßigen Zinsen anzuvertrauen. Schließlich biete ein solcher Darlehenssuchender seinem Vertragspartner kaum Sicherheit für die Rückzahlung der zur Verfügung gestellten Kreditsumme. Dieses Defizit an Sicherheit dürfe er aber dem Darlehensgeber unter Geltung von Wuchergesetzen nicht durch einen entsprechend erhöhten Zinssatz ausgleichen, so dass der Gesetzgeber mit seinem Vorgehen gegen den Zinswucher „Noth-Schuldnern“ den Krediterhalt immens erschwere.37

3. Zinshöhe und wirtschaftlicher Wohlstand Obwohl Wuchergesetze damit nach Auffassung der Nationalökonomen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts jeder Gruppe von Darlehenssuchenden zum Nachteil gereichten, hatte ein solches gesetzgeberisches Eingreifen in der vorliberalen politischen und ökonomischen Theorie einhellige Zustimmung erfahren. Die bisherige Befürwortung von Zinstaxen beruhte für sie nicht unerheblich auf dem Irrglauben, dass die Höhe der Darlehenszinsen den Indikator wirtschaftlicher Prosperität bilde und dabei die ökonomische Lage eines Landes umso positiver einzuschätzen sei, je niedriger die Zinsen standen.38 In der Tat hatten, wie bereits gezeigt, die Kameralisten fortwährend gepredigt, dass in moderaten Zinsen der Schlüssel zum wirtschaftlichen Fortschritt liege, auf den der Fürst durch Erlass von Wuchergesetzen hinwirken sollte.39 Im Gegensatz zu dieser im Ancien Régime herrschenden Sichtweise löste man sich im 19. Jahrhundert von der Vorstellung, dass ein niedriges Zinsniveau per se erstrebenswert sei und ein hohes den besorgniserregenden Zustand der Landesökonomie anzeige. Statt dessen gingen die Ökonomen nunmehr davon aus, dass allein der Zinshöhe keine Aussagekraft hinsichtlich des wirtschaftlichen Zustands eines Staates zukomme.40 Hohe Zinsen wiesen für sie lediglich ___________ 37

Schmalz, Staatswirthschaftslehre (Anm. 10), S. 235 f.; vgl. ferner: ders., Handbuch (Anm. 10), S. 193; Riedel, Nationalöconomie (Anm. 18), S. 391. 38 So explizit Krug, Abriß der Staatsökonomie (Anm. 5), S. 69 f.: „Da ein niedriger Zinsfuß in der Regel Folge des Wohlstandes und Reichthums ist, so wurde hier auch häufig die Folge für die Ursach genommen, und man glaubte die Nazion reicher zu machen, wenn man den Zinsfuß durch Gesetze erniedrigte“. 39 S.o. unter Kap. 1, II. und III., 1. a). 40 Hufeland, Staatswirthschaftskunst (Anm. 18), S. 341 f.: „Es zeugt übrigens von keiner sehr großen Einsicht, wenn man geradezu entweder dem hohen oder dem niedrigen Zinsfuß den ausschließenden Vorzug ertheilt. Jeder hat seine unstreitigen Vortheile“. Ferner: Schmalz, Handbuch (Anm. 10), S. 195; Leipziger, Geist der NationalOekonomie (Anm. 24), S. 45; Johann Friedrich Gottfried Eiselen, Die Lehre von der

I. Die Ablehnung von Zinstaxen

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auf eine das Kreditangebot übersteigende Nachfrage hin, während sich bei niedrigen Zinsen jenes Verhältnis umgekehrt darstelle; allerdings bleibe in beiden Fällen offen, welche Gründe zu dieser Entwicklung führten. Dementsprechend hielt man nicht den Prozentsatz der Darlehenszinsen als solchen für ausschlaggebend, sondern die Ursachen, auf denen das – in der Zinshöhe sich manifestierende – Verhältnis von Angebot und Nachfrage beruhte. Sowohl ein hoher als auch ein niedriger landesüblicher Zinsfuß könne folglich auf das Florieren der Wirtschaft hindeuten, so dass die Zinshöhe keinen Rückschluss auf den Wohlstand eines Staates erlaube.41 In den nationalökonomischen Veröffentlichungen fand sich daher wiederholt der Aufruf, niedrige Darlehenszinsen nicht automatisch mit wirtschaftlicher Blüte gleichzusetzen und hohe pauschal als negativ zu deklarieren: „Man halte nur weder hohe Zinsen an sich für ein Unglück, noch niedrige Zinsen an sich für ein Glück. Beide können aber Folgen des National-Glücks, oder des National-Unglücks seyn.“42 Ebenso verurteilte Joseph Kudler es in seinen „Grundlehren der Volkswirthschaft“ als „arge Voreiligkeit, bloß aus der Thatsache eines hohen oder niedern Zinsfusses schon einen Schluß auf den üblen oder gedeihlichen Zustand eines Landes zu ziehen, und ihm, wie es so häufig geschieht, schon darüber Glück zu wünschen, weil die Zinsen niedrig stehen, und es zu bedauern, wenn der Zinsfuß hoch ist“43. Zwar gaben die zeitgenössischen Wirtschaftswissenschaftler zu, dass der Zustand wirtschaftlicher Blüte regelmäßig mit niedrigen Zinssätzen einhergehe, weil dann zumeist mehr Gelder als in Krisenzeiten zur Darlehensvergabe bereit stünden.44 Zwingend war dies aus ihrer Sicht aber keineswegs. Denn lukrative Zinserträge der Darlehensgeber beruhten, so gaben sie zu bedenken, nicht notwendigerweise auf einem dezimierten Kreditangebot. Vielmehr lasse sich ein hoher Zinsfuß auch auf eine florierende Landesökonomie zurückführen, deren stetiger Kapitalbedarf es mit sich bringe, dass das Kreditangebot mit der erheblichen Nachfrage nicht Schritt halten könne.45 Umgekehrt spiegele sich in nied___________ Volkswirthschaft in ihren allgemeinen Bedingungen und in ihrer besondern Entwickelung oder wissenschaftliche Darstellung der bürgerlichen Gesellschaft als Wirthschaftssystem, Halle 1843, S. 328 f. 41 Vgl. Krug, Abriß der Staatsökonomie (Anm. 5), S. 70; Leipziger, Geist der National-Oekonomie (Anm. 23), S. 45; Eiselen, Die Lehre von der Volkswirthschaft (Anm. 40), S. 329; Schön, Neue Untersuchung der Nationalökonomie (Anm. 23), S. 106; Kudler, Volkswirthschaft (Anm. 18), Bd. 1, S. 122 ff. 42 Schmalz, Handbuch (Anm. 10), S. 195. 43 Kudler, Volkswirthschaft (Anm. 18), Bd. 1, S. 122. 44 Vgl. Krug, Abriß der Staatsökonomie (Anm. 5), S. 69; Harl, Handbuch der Staatswirthschaft und Finanz (Anm. 10), S. 257 f.; Fulda, Grundsäze (Anm. 17), S. 133 f.; Schmalz, Staatswirthschaftslehre (Anm. 10), S. 232 f. 45 Vgl. Schön, Neue Untersuchung der Nationalökonomie (Anm. 23), S. 106; Eiselen, Die Lehre von der Volkswirthschaft (Anm. 38), S. 329; Schüz, National-Oeconomie

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Kap. 5: Wuchergesetze in der Nationalökonomie

rigen Zinsen keineswegs immer ein stetiger wirtschaftlicher Fortschritt wider, da für dieses Zinsniveau nicht ein hohes Kreditangebot verantwortlich sein müsse. Als Ursache komme ebenfalls eine verminderte Nachfrage in Betracht, die eintrete, sobald Unternehmer aufgrund geringer Ertragserwartungen ihrer Gewerbe auf Darlehensaufnahmen verzichteten. Das von den Kameralisten propagierten Ideal niedriger Zinsen konnte also aus Sicht der zeitgenössischen Wirtschaftstheorie auch bedeuten, dass sich das Geld nicht sonderlich gewinnbringend in den Unternehmen anlegen ließ. So gesehen erschienen erschwingliche Kreditbedingungen alles andere als erstrebenswert: „Es sind nicht immer die besten Zeiten, wenn der Zins-Fuß in einem Lande niedrig steht. Es ist ein Zeichen, daß die Industrie und der Handel flauer gehen, daß die Nachfrage nach Capitalien gering ist, und viele Capitalien todt liegen.“46 Niedrige Zinsen erwiesen sich also nicht ohne weiteres als vorteilhafter gegenüber hohen, sondern nur dann, wenn sie durch ein großes Darlehensangebot veranlasst waren. Umgekehrt hielt man hohe Zinsen für unschädlich, wenn sie als Folge starker Nachfrage eintraten.47 Signalisierte aber ein hoher Zinsfuß nicht zwangsläufig eine missliebige ökonomische Entwicklung, so bestehe auch kein Grund, dass der Gesetzgeber diesen durch Zinstaxen zu vermindern versuchte. Das geeignete Mittel zur Zinssenkung stelle statt dessen die freie Konkurrenz dar: Denn ein Anstieg der Darlehenszinsen wirkte aus Sicht der Ökonomen als „mächtiger Sporn zur Sparsamkeit“48, der jeden darauf sinnen lasse, Geld zur Seite zu legen, um es dann als Darlehen zu vergeben. Zudem locke die Aussicht beträchtlicher Zinsgewinne die bereits über ansehnliche Kapitalrücklagen verfügenden Bürger an, diese zur Kreditgewährung einzusetzen. Hohe Zinsen führten also, so nahm man an, zur Angebotserweiterung und trugen damit das Regulativ zu ihrer Reduzierung in sich selbst.49 Greife hingegen der Staat durch Wuchergesetze in dieses Geschehen ein, so störe er den Ausgleichsmechanismus: Da sich rechtmäßigerweise kein hoher Zinsfuß bilden könne, fehle es nämlich an Anreizen zur vermehrten Kreditvergabe, die bei ungehindertem Ablauf der Marktprozesse bald das Darlehensangebot vergrößert ___________ (Anm. 18), S. 299 f.; Kudler, Volkswirthschaft (Anm. 18), Bd. 1, S. 123; ders., Ueber Gesetze (Anm. 14), S. 499. 46 Barth, Vorlesungen (Anm. 12), S. 579; in diese Richtung auch: Kudler, Volkswirthschaft (Anm. 18), Bd. 1, S. 123; Schmalz, Handbuch (Anm. 10), S. 195. 47 Schmalz, Handbuch (Anm. 10), S. 195; Kudler, Volkswirthschaft (Anm. 18), Bd. 1, S. 122 ff.; vgl. auch: Hufeland, Staatswirthschaftskunst (Anm. 18), S. 342. 48 Riedel, Nationalöconomie (Anm. 18), S. 388; ähnlich: Rau, Lehrbuch (Anm. 10), Bd. 1, S. 172: „Der Antrieb zum Uebersparen neuer Capitale pflegt aber allerdings desto stärker zu seyn, je höhere Zinsrente man zu hoffen hat“. 49 Schmalz, Staatswirthschaftslehre (Anm. 10), S. 229 f.; Kudler, Volkswirthschaft (Anm. 18), Bd. 2, S. 369; Krug, Abriß der Staatsökonomie (Anm. 5), S. 70 f.

II. Die Rolle des Staates im Kreditwesen

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hätten.50 Mit Reglementierung der Zinshöhe begebe sich der Staat mithin der einzig wirksamen Maßnahme, um vor allem seinen Unternehmern günstige Kredite zu verschaffen: den ungestörten Wettbewerb zwischen Darlehensanbietenden und -suchenden.

II. Die Rolle des Staates im Kreditwesen II. Die Rolle des Staates im Kreditwesen

Der eindringliche Appell an den Gesetzgeber, die Wuchergesetze aufzuheben, führte jedoch nicht dazu, dass die Wirtschaftstheorie der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts überhaupt keinen obrigkeitlichen Handlungsbedarf im Kreditwesen gegeben sah. Vielmehr sollte der Staat die Voraussetzungen schaffen, unter denen der ungehinderte Ablauf der Marktprozesse niedrige Zinssätze hervorbringe. Dazu zählte man das Einwirken auf die Determinanten der Darlehenszinsen (1.), die Sorge für staatliche Kreditanstalten (2.) und eine verbesserte Schulbildung, welche die Forderung nach möglichst einfach gestalteten Darlehensverträgen ergänzte (3.).

1. Die Beeinflussung der zinsbestimmenden Faktoren Während es die Ökonomen als aussichtsloses Vorhaben bewerteten, wenn der Staat durch Wuchergesetze auf niedrige Zinsen hinzuwirken suchte, hielten sie eine Einflussnahme auf das Verhältnis von Angebot und Nachfrage nach Krediten sowie den Umfang der Mühe- und „Assecuranzprämie“ für durchaus Erfolg versprechend. Sie riefen daher den Staat auf, bei den drei Determinanten der Zinshöhe die Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die einem niedrigen Zinsniveau entgegenstanden.51 Oberste Priorität maßen sie dabei der Verringerung der Gefahr des Kapitalverlustes bei, die man im Zuge der Kreditgewährung einging: Damit der Darlehensgeber nicht infolge dieses von ihm zu tra___________ 50

Krug, Abriß der Staatsökonomie (Anm. 5), S. 70 f.: „Der hohe Stand der Zinsen in einem Lande [...] erleichtert dann die Hervorbringung neuer, oder die Herbeibringung fremder Kapitale; ein Gesetz, das diesen Zinsfuß herabsetzt, vermindert den erstern und verhindert den letztern Vortheil, und die Nazion wird länger in dem Zustande des Mangels an Kapitalen erhalten, als sie ohne dies Gesetz geblieben seyn würde“; Eiselen, Die Lehre von der Volkswirthschaft (Anm. 40), S. 329: Ein nicht von den wirtschaftlichen Verhältnissen, sondern durch staatliche Festsetzung gebildeter Zinsfuß „würde dann immer ein erzwungener sein und nachtheilig wirken, weil er [...] wenn er künstlich niedrig wäre, die Neigung, Kapitale zu sammeln, vermindern würde“; ferner: Riedel, Nationalöconomie (Anm. 18), S. 390 und 393. 51 Besonders deutlich wird dies bei Spittler, Vorlesungen (Anm. 5), S. 413 f. und 420-422, der jedem Zinselement die vom Staat diesbezüglich zu ergreifenden Maßnahmen anfügte.

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Kap. 5: Wuchergesetze in der Nationalökonomie

genden Risikos seine Zinsforderung erhöhe, sollte der Staat ihm Gewissheit bieten, dass sein gegen den Darlehensnehmer gerichteter Anspruch auf Rückzahlung des überlassenen Geldes mitsamt Zinsen nicht unerfüllt blieb.52 Ein Blick auf die dazu konkret vorgeschlagenen Maßnahmen zeigt, dass die zeitgenössische Wirtschaftstheorie das kameralistische Programm53 zur Bekämpfung des Zinswuchers – abgesehen von der Forderung nach Wuchergesetzen – nicht vehement verurteilte, sondern im Gegenteil einige Elemente hieraus übernahm. Auch den Nationalökonomen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts schien nämlich eine Senkung der Kreditgeber treffenden Risiken nur in Ländern möglich, in denen das Hypotheken- und Justizwesen keine Unzulänglichkeiten aufwies. Daraus folgte für sie – übereinstimmend mit der Wirtschaftstheorie des Ancien Régime – die Notwendigkeit von Hypothekenbüchern und einer wirksamen staatlichen Rechtspflege, deren Inanspruchnahme dem Kläger weder einen unzumutbaren Zeit-, noch Kostenaufwand aufbürdete.54 Überdies setzte man sich sowohl im 18. als auch im 19. Jahrhundert für zweckmäßige „Bankerottgesetze“ ein, die den Schutz des Darlehensgebers bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit seines Vertragspartners sicherstellen sollten.55  Sobald der Staat diesen Anforderungen gerecht werde, mit denen ein wesentlicher Teil der sonst aus Kreditgeschäften folgenden Risiken entfalle, trug er nach Auffassung der Wirtschaftswissenschaftler entscheidend zur Verminde___________ 52 Harl, Handbuch der Staatswirthschaft und Finanz (Anm. 10), S. 260; Lotz, Nationalwirthschaftslehre (Anm. 13), Bd. 1, S. 316 ff.; Storch, Cours (Anm. 18), S. 23; Kudler, Volkswirthschaft (Anm. 18), Bd. 1, S. 120 f. 53 S.o. unter Kap. 1, III., 1. 54 Vgl. Friedrich Ludwig Walther, Versuch eines Systems der CameralWissenschaften, Bd. 4, Gießen 1798, S. 121-124; Büsch, Abhandlung von dem Geldumlauf (Anm. 23), S. 651, 653; ders., Abhandlung von den Banken, ihrem wesentlichen Unterschiede, und den Folgen desselben in deren Gebrauch und Direction, in: ders., Sämtliche Schriften über Banken und Münzwesen, Hamburg 1824 (Nachdruck: Vaduz/Liechtenstein 1985), S. 1-152, hier: S. 133; Christian von Schlözer, Anfangsgründe der Staatswirthschaft oder die Lehre von dem Nationalreichthume, 2 Bände, Riga 1805 und 1807, Bd. 1, S. 104 und Bd. 2, S. 75, 78; Hufeland, Staatswirthschaftskunst (Anm. 18), S. 332; Lotz, Staatspolizeigewalt (Anm. 12), S. 463 ff.; ders., Nationalwirthschaftslehre (Anm. 13), Bd. 1, S. 314-318; Schmalz, Handbuch (Anm. 10), S. 169 f.; Harl, Handbuch der Staatswirthschaft und Finanz (Anm. 10), S. 260; Storch, Cours (Anm. 18), S. 23; Rau, Lehrbuch (Anm. 10), Bd. 1, S. 170; Spittler, Vorlesungen (Anm. 5), S. 413 f. und 420 f.; Johann Friedrich Gottfried Eiselen, Handbuch des Systems der Staatswissenschaften, Breslau 1828, S. 229 f.; ders., Die Lehre von der Volkswirthschaft (Anm. 40), S. 327; Baumstark, Kameralistische Encyclopädie (Anm. 1), S. 626, 634, 678; Riedel, Nationalöconomie (Anm. 18), S. 373 ff.; Barth, Vorlesungen (Anm. 12), S. 571 f.; Kudler, Volkswirthschaft (Anm. 18), Bd. 1, S. 120 f. und Bd. 2, S. 378 f. 55 Walther, Cameral-Wissenschaften (Anm. 52), S. 123; Schlözer, Anfangsgründe (Anm. 54), Bd. 2, S. 75; Spittler, Vorlesungen (Anm. 5), S. 413 und 421; Baumstark, Kameralistische Encyclopädie (Anm. 1), S. 626, 634, 678.

II. Die Rolle des Staates im Kreditwesen

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rung der Zinsen bei.56 Aus Sicht von Adolph Friedrich Johann Riedel, der an der Berliner Universität Nationalökonomie lehrte, wirkte sogar „in einem Lande fast nichts“ auf die Herabsetzung des Zinsniveaus „so wohlthätig ein, als ein gutgeordnetes Hypothekenwesen und eine prompte Rechtspflege“57. Denn erstens nehme mit dem – vom Darlehensgeber zu tragenden – Risiko des Kapitalverlustes auch die ihm zu zahlende „Assecuranzprämie“ als derjenige Bestandteil der Zinsen ab, der für Gefahrübernahmen entschädigte.58 Die auf diesem Wege veranlasste Zinssenkung hielt Gottlieb Hufeland für keineswegs marginal: Vielmehr sei der bei effektiver Rechtsdurchsetzung lediglich von unsoliden Kreditwilligen geforderte Zinssatz in Staaten mit Reformbedarf auf dem Gebiet selbst von verlässlichen Darlehensnehmern zu zahlen.59 Zusätzlich zur Verringerung der „Assecuranzprämie“ führe eine stetige Verbesserung von Justizwesen und Hypothekenordnung – zweitens – wegen des dadurch vergrößerten Kreditangebots zu niedrigeren Zinsen. Während der vermögende Bürger nämlich bei Mängeln in diesen Bereichen von Darlehensvergaben aus Sorge um den Zurückerhalt seiner Gelder absehe, stelle er diese beim Fehlen von Missständen in Rechtspflege und Kreditsicherungsrecht bereitwillig anderen zur Verfügung.60 Die Entscheidung über die Kreditvergabe betrachtete man somit als abhängig davon, ob der Geldeigner auf die Durchsetzbarkeit der ihm als Darlehensgeber zustehenden Ansprüche vertrauen könne. Ohne diese Sicherheit vergrößere er nicht mit zinsmindernder Wirkung das Darlehensangebot. Doch sollte sich die staatliche Einflussnahme nicht auf den Umfang des Kreditangebots sowie die „Assecuranzprämie“ beschränken, sondern ebenfalls den dritten zinsbestimmenden Faktor einbeziehen, der die Abgeltung des Arbeitsaufwands der Darlehensgeber betraf. Denn soweit der Gesetzgeber „lästige und unnöthige Formalitäten“61 an den Abschluss von Darlehensverträgen knüpfe, erhöhe sich dieser Aufwand und daraufhin auch die insgesamt vom Kredit___________ 56 Vgl. z.B. Büsch, Abhandlung von dem Geldumlauf (Anm. 23), S. 653; Rau, Lehrbuch (Anm. 10), Bd. 1, S. 170. 57 Riedel, Nationalöconomie (Anm. 18), S. 374. 58 Vgl. Schlözer, Anfangsgründe (Anm. 54), Bd. 1, S. 104 und Bd. 2, S. 75; Hufeland, Staatswirthschaftskunst (Anm. 18), S. 331 f.; Harl, Handbuch der Staatswirthschaft und Finanz (Anm. 10), S. 259 ff.; Storch, Cours (Anm. 18), S. 23; Lotz, Nationalwirthschaftslehre (Anm. 13), Bd. 1, S. 314-318; Rau, Lehrbuch (Anm. 10), Bd. 1, S. 170; Spittler, Vorlesungen (Anm. 5), S. 413 f., 420 f.; Riedel, Nationalöconomie (Anm. 18), S. 373 ff.; Kudler, Volkswirthschaft (Anm. 18), Bd. 1, S. 120 f. 59 Hufeland, Staatswirthschaftskunst (Anm. 18), S. 332. 60 Vgl. Schmalz, Handbuch (Anm. 10), S. 194; Spittler, Vorlesungen (Anm. 5), S. 420 f.; allgemein für den Marktpreis aller Wirtschaftsgüter: Lotz, Nationalwirthschaftslehre (Anm. 13), Bd. 1, S. 314. 61 Spittler, Vorlesungen (Anm. 5), S. 422.

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Kap. 5: Wuchergesetze in der Nationalökonomie

suchenden zu erbringenden Zinsen. Um die Aufwandsprämie zu begrenzen, die der Kreditgeber als Teil der Zinsen einstrich, sollte der Staat daher soweit wie möglich auf die Festsetzung von Formerfordernissen im Zusammenhang mit Darlehensverträgen verzichten.62

2. Die Errichtung staatlicher Kreditanstalten Die vom Staat im Kreditwesen zu treffenden Vorkehrungen setzten indes nicht nur bei den eben erwähnten drei Determinanten der Zinshöhe an. Hinzu kam mit der Empfehlung zur Gründung staatlicher Kreditinstitute ein Mittel, das bereits die Kameralisten63 vorgeschlagen und die Teilnehmer der Preisfrage64 Josephs II. zur Verhinderung des Zinswuchers sogar favorisiert hatten. Diese Vorrangstellung verloren öffentliche Kreditanstalten allerdings bei den Ökonomen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts an die Forderung nach einer zweckmäßigen Ausgestaltung des Justiz- und Hypothekenwesens, die deutlich an Beliebtheit gewann und zur bevorzugten Maßnahme gegen übermäßige Zinssätze wurde.65 Bei Schmalz stießen Bankgründungen auf Initiative der Obrigkeit – selbst wenn man damit das Ziel verfolgte, Kreditsuchenden zinsgünstige Kredite zu verschaffen – sogar auf Kritik, da dies nicht Sache des Staates, sondern der Wirtschaftsakteure sei. Dementsprechend galten ihm Kreditinstitute nur dann als nützlich, wenn sie auf dem „bloßen Privatwillen“66 beruhten und mithin Ausdruck eines bestehenden Kreditbedürfnisses der privaten Wirtschaftsteilnehmer waren,67 während er ihre Errichtung durch den Staat für „wenigstens überflüssig, wenngleich unschädlich“68 hielt. Staatliche Kreditanstalten büßten aber nicht nur an Zuspruch gegenüber anderen Maßnahmen zur Begünstigung niedriger Zinsen ein; Änderungen ergaben sich auch bei deren Zweck und Adressatenkreis. Während die Kameralisten die ___________ 62 Spittler, Vorlesungen (Anm. 5), S. 416 und 422; Eiselen, Staatswissenschaften (Anm. 54), S. 229; Baumstark, Kameralistische Encyclopädie (Anm. 1), S. 634. 63 Dazu Kap. 1, III., 1. b). 64 Zur Forderung nach staatlichen Kreditinstituten im Rahmen der Wucherpreisfrage siehe Kap. 3, III., 1. 65 Für die Errichtung von Kreditanstalten sprachen sich aus: Walther, CameralWissenschaften (Anm. 54), S. 122; Büsch, Abhandlung von den Banken (Anm. 54), S. 132; Schlözer, Anfangsgründe (Anm. 54), Bd. 2, S. 74; Rau, Zusätze (Anm. 22), S. 394; ders., Lehrbuch (Anm. 10), Bd. 2, S. 367-370 und 380 f.; Spittler, Vorlesungen (Anm. 5), S. 421; Riedel, Nationalöconomie (Anm. 18), S. 391 f.; Barth, Vorlesungen (Anm. 12), S. 575-579; Schüz, National-Oeconomie (Anm. 18), S. 304; Kudler, Volkswirthschaft (Anm. 18), Bd. 2, S. 370; Roscher, Nationalökonomie (Anm. 17), S. 356. 66 Schmalz, Staatswirthschaftslehre (Anm. 4), S. 210. 67 Vgl. Schmalz, Staatswirthschaftslehre (Anm. 4), S. 208 ff. 68 Schmalz, Handbuch (Anm. 10), S. 194.

II. Die Rolle des Staates im Kreditwesen

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Vorzüge öffentlicher Kreditinstitute als Unterstützungsmittel der Landesökonomie gepriesen hatten und diese nach den meisten Preisschriften zur Wucherpreisfrage jedem Kreditsuchenden offen stehen sollten, zählte man solche Banken ab den 1820er Jahren zunehmend zu den Einrichtungen des staatlichen Armenwesens: Nicht Gewerbetreibende, sondern Bürger, denen Geld zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts fehlte, sollten auf diesem Wege in den Genuss zinsgünstiger Darlehen kommen.69 Die Notwendigkeit zur Errichtung öffentlicher Kreditanstalten folgte für die Wirtschaftswissenschaftler der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts daraus, dass bei „Nothschulden“ – anders als bei Krediten zu erwerbswirtschaftlichen Zwecken – in der Regel kein marktgerechter Zinssatz zustande komme, sondern der Darlehensnehmer üblicherweise weitaus mehr an Zinsen zahle.70 Während der Unternehmer nämlich auf Darlehensaufnahmen verzichte, sobald sich die Zinsen nicht aus den Gewinnen begleichen ließen, die er mit dem fremden Geld zu erzielen erwartete, akzeptiere der „Nothschuldner“ auch die nachteiligsten Vertragsbedingungen, weil er auf die Gewährung des Kredits angewiesen war.71 Der Gewerbetreibende verfüge also über die Möglichkeit zur Ablehnung eines angebotenen Darlehens, die dem „Nothschuldner“ fehle. Damit auch ihm eine Alternative zur Annahme des Vertragsangebots bleibe, sollte der Staat ihm diese durch die Errichtung von Kreditinstituten eröffnen.72 ___________ 69 Vgl. Rau, Lehrbuch (Anm. 10), Bd. 2, S. 367-370 und 380 f.; Riedel, Nationalöconomie (Anm. 18), S. 391 f.; vgl. ferner: Schüz, National-Oeconomie (Anm. 18), S. 304; ders., Art. „Wuchergesetze“, in: Carl von Rotteck und Carl Theodor Welcker (Hg.), Das Staats-Lexikon. Encyklopädie der sämmtlichen Staatswissenschaften für alle Stände, Bd. 12, Altona 1848, S. 809-812, hier: S. 812; Kudler, Volkswirthschaft (Anm. 18), Bd. 2, S. 370; Roscher, Nationalökonomie (Anm. 17), S. 356. 70 Rau, Lehrbuch (Anm. 10), Bd. 1, S. 178 und Bd. 2, S. 367; Riedel, Nationalöconomie (Anm. 18), S. 391 f.; Roscher, Nationalökonomie (Anm. 17), S. 183-186, 352, 356; ähnlich konstatierte Schüz, National-Oeconomie (Anm. 18), S. 298, dass bei Anleihen aus Not die höchsten Zinsen zu zahlen sind. 71 Rau, Lehrbuch (Anm. 10), Bd. 1, S. 178: „Das Unterscheidende liegt darin, daß Derjenige, welcher zu borgen sucht, um ein dringendes Bedürfniß zu befriedigen oder eine unverschiebliche Ausgabe zu bestreiten, sich durch die Forderung eines sehr hohen Zinsen nicht abhalten lassen kann, den Vertrag einzugehen, während Derjenige, der nur borgen will um einen Gewinn zu machen, in einem solchen Falle von dem Angebote zurück treten würde“ und Bd. 2, S. 367; vgl. ferner: ders., Zusätze (Anm. 23), S. 394; Kudler, Volkswirthschaft (Anm. 18), Bd. 2, S. 355; Roscher, Nationalökonomie (Anm. 17), S. 185 f., 356. Auch Baumstark, Kameralistische Encyclopädie (Anm. 1), S. 634 betonte diesen Zusammenhang, wenngleich er sich nicht für staatliche Kreditanstalten aussprach: „Der Wucher ist am leichtesten möglich bei Anleihen aus Noth, am wenigsten bei Anleihen zu Gewerbszwecken, weil der Unternehmer niemals mehr zu geben geneigt ist, als er selbst Zins einzunehmen vermag“. 72 So explizit Rau, Lehrbuch (Anm. 10), Bd. 2, S. 369: Der Einzelne soll „mit Hülfe besonderer Leihanstalten der Nothwendigkeit überhoben werden, von Wucherern gegen unbillige Bedingungen borgen zu müssen“.

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Kap. 5: Wuchergesetze in der Nationalökonomie

Ohne die durch staatliches Eingreifen zu schaffende Ausweichmöglichkeit erhalte er nur gegen eine merklich höhere Gegenleistung als Gewerbetreibende das begehrte Darlehen, gerade weil er es so dringend bedurfte. Denn die Höhe der Darlehenszinsen beeinflusse – ebenso wie den Preis jedes anderen Wirtschaftsguts – nicht allein die Zahl der Anbietenden und Nachfragenden, sondern auch die Intensität, mit der diese den Geschäftsabschluss anstrebten.73 Es wirkte sich also aus Sicht der Befürworter staatlicher Kreditanstalten zinssteigernd aus, wenn der Kreditwillige das Geld händeringend benötigte. Hinzu komme, dass die Bürger bei nicht zu erwerbswirtschaftlichen Zwecken gesuchten Darlehen sehr auf die Geheimhaltung ihres finanziellen Engpasses bedacht seien. Zur Wahrung des gesellschaftlichen Ansehens, „um nicht als unordentlicher Mensch, als Schuldenmacher zu erscheinen“74, entspreche es landläufigen Gepflogenheiten, die Aufnahme eines Darlehens möglichst im Verborgenen zu halten. Kaum ein Geldeigner erfahre daraufhin von dem bestehenden Kreditbedarf, so dass die Scheu davor, dass die eigenen Geldsorgen publik werden könnten, mit einem deutlich geringer ausfallenden Darlehensangebot und damit notwendigerweise mit höheren Zinsen einhergehe.75 Der „ausbedungene Preis, Statt ein Marktpreis zu seyn“ richtete sich daher für Karl Heinrich Rau, der an der Heidelberger Universität Nationalökonomie lehrte, hier „bloß nach der Noth des Borgenden und der rücksichtslosen Gewinnsucht des Kapitalisten“76. Derartigen Abweichungen vom Marktzins sollten also öffentliche Kreditanstalten entgegenwirken,77 so dass man dem Staat dort eine Interventionsbefugnis in das Wirtschaftsgeschehen einräumte, „Wo diese wahrhaft freie Concurrenz nicht besteht“78, die eine Übereinstimmung der ausbedungenen Darlehenszinsen mit dem Marktniveau sicherstelle. ___________ 73

Roscher, Nationalökonomie (Anm. 17), S. 185: „Nur da gilt die Preisregel, wo der Anbietende und der Nachfragende gleich sehr zum Tausche bereit sind“. Angewendet auf den Darlehensvertrag, S. 186: „Ueberhaupt sind völlig besitzlose Arbeiter, die keine Woche lang ohne Arbeitslohn existiren könnten, den großen Kapitalisten gegenüber gar oft in der Lage, sich Nothpreise gefallen zu lassen“; ferner: Rau, Lehrbuch (Anm. 10), Bd. 2, S. 367. 74 Kudler, Volkswirthschaft (Anm. 18), Bd. 2, S. 358. 75 Kudler, Volkswirthschaft (Anm. 14), Bd. 2, S. 358: „Es liegt auf flacher Hand, daß dem Geldbedürftigen dadurch [durch die Geheimhaltung, K.L.] der Markt ungemein verengt werde, und er sich oft weit ungünstigeren Bedingungen unterziehen muß, als hätte er frei auf dem Capital-Markte handeln können“; Roscher, Nationalökonomie (Anm. 17), S. 156: „Die wahre Concurrenz, welche den natürlichen Preis am besten treffen würde, fehlt hier um so mehr, je häufiger die Schuldner der Geheimhaltung bedürfen“; ferner: Rau, Lehrbuch (Anm. 10), Bd. 2, S. 367. 76 Rau, Lehrbuch (Anm. 10), Bd. 2, S. 367. 77 Vgl. Rau, Lehrbuch (Anm. 4), Bd. 2, S. 367; Riedel, Nationalöconomie (Anm. 18), S. 391 f.; Roscher, Nationalökonomie (Anm. 17), S. 356. 78 Roscher, Nationalökonomie (Anm. 17), S. 183.

II. Die Rolle des Staates im Kreditwesen

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Das durch Kreditinstitute auszugleichende Defizit eines unzulänglichen Wettbewerbs bei „Nothschulden“ prägte für einige Ökonomen ab dem zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts zugleich die Umstände, die sie als wucherkonstituierend ansahen. So erblickte Rau im Jahre 1828 das wesentliche im „Begriff des Wuchers bei Darleihen“ darin, „die Noth anderer Menschen zu einem unverhältnißmäßig hohen Gewinne zu mißbrauchen“79. „Wenn man den Begriff des Wuchers richtig auffaßt“, heißt es ähnlich bei Kudler, „so besteht er im Borggeschäfte in der gewinnsüchtigen Benützung des Nothstandes des Anleihers durch den Darleiher, um von ihm Vortheile zu erlangen, die man sonst nicht erreicht hätte“80. Anders als Rau und Kudler wollte Georg Friedrich Roscher, Professor für Nationalökonomie in Leipzig, diese Definition nicht auf den Darlehensvertrag beschränkt wissen. Vielmehr lag aus seiner Sicht bei jedem Leistungsaustausch Wucher vor, „wo absichtlich, wohl gar betrügerisch Nothpreise herbeigeführt oder gesteigert werden“81, weil ein Vertragspartner auf den Abschluss des Rechtsgeschäfts angewiesen war. Damit fand etwa zur selben Zeit wie in der politischen auch in der ökonomischen Theorie die Forderung Eingang, dass es dem Kreditgeber zu verwehren sei, sich die Notsituation seines Vertragspartners durch übermäßige Zinsgewinne zunutze zu machen. Während daraus für manche Autoren die Naturrechtswidrigkeit des Zinswuchers folgte,82 strebten die Ökonomen ab den 1820er Jahren die Verhinderung solcher Verträge durch Errichtung staatlicher Kreditanstalten an, die dem „Nothschuldner“ gegen angemessene Zinsen über sein Finanzproblem hinweghelfen sollten.

3. Bildung der Jugend und Verständlichkeit der Vertragsinhalte Das Zustandekommen über dem Marktniveau liegender Zinsvereinbarungen bildete für die zeitgenössische Wirtschaftstheorie aber nicht ausschließlich das Resultat fehlender anderer Gelegenheiten des Kreditsuchenden, das benötigte Geld zu erhalten. Überdies machte man für dieses Ergebnis auch eine unzureichende Bildung der Bürger verantwortlich, die sich vor allem darin äußere, dass Darlehensnehmer oftmals überhaupt nicht in der Lage seien, den Umfang der von ihnen übernommenen Zinsverpflichtung zu erkennen. Sobald der Vertrags___________ 79

Rau, Lehrbuch (Anm. 10), Bd. 2, S. 366. Kudler, Volkswirthschaft (Anm. 18), Bd. 2, S. 350; ähnlich: ders., Ueber Gesetze (Anm. 14), S. 503, wo er als „Wucher im wahren Sinne“ den „eigennützigen Missbrauche der Nothlage Anderer“ bezeichnete. 81 Roscher, Nationalökonomie (Anm. 17), S. 186; im Abschnitt zu den Darlehenszinsen verweist er auf S. 352 auf diese Definition. 82 S.o. unter Kap. 4, III., 3. 80

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Kap. 5: Wuchergesetze in der Nationalökonomie

text die Höhe der Gegenleistung, die dem Kreditgeber für die Überlassung der Gelder gebühren sollte, in nicht ganz unkomplizierten Regelungen ausdrücke, wisse der Zinsschuldner nämlich in vielen Fällen gar nicht, worauf er sich einließ.83 Um zu verhindern, dass Darlehensgeber diesen Mangel an Bildung ihrer Vertragspartner ausnutzten und sich daraufhin überhöhte Zinsen ausbedungen, maßen die Nationalökonomen der Anhebung des Bildungsstandards eine nicht zu unterschätzende Bedeutung bei. Ohne eine verbesserte Bildung, so prognostizierte Spittler, „helfen alle übrigen Anstalten fast wenig oder nichts, und es ist unbegreiflich, wie schädlich Unwissenheit hier wirkt“84. Die beklagten Defizite im Bildungswesen standen demnach in seinen Augen sämtlichen Bemühungen zur Erreichung eines angemessenen Zinsniveaus entgegen. Zur Behebung dieser Unzulänglichkeit forderte man den Staat auf, im „Jugendunterrichte über die Darleihegeschäfte für Aufklärung“85 zu sorgen und dabei zugleich den Heranwachsenden den sparsamen Umgang mit Geld beizubringen. Die Schüler sollten lernen, über Einnahmen und Ausgaben genau Buch zu führen und – abgesehen von notwendigen Anschaffungen – auf Ausgaben zu verzichten, die sie sich nach diesen Berechnungen nicht leisten konnten.86 Die Ökonomen strebten mithin eine Verminderung der Kredite an, die zur Finanzierung des Lebensunterhalts aufgenommen wurden, und wollten die jungen Bürger für die verbleibenden Fälle mit dem notwendigen Grundwissen im Kreditwesen ausstatten. Denn durch Vermittlung solcher Kenntnisse schütze der Staat den Bürger besser vor nachteiligen Kreditbedingungen, so betonte Kudler, als mit gesetzlichen Zinsreglementierungen. Daher „ließe sich eine Gesetzgebung, welche mit einem Wuchergesetze abhelfen wollte, mit Aeltern vergleichen, die es zu umständlich finden, ihre Kinder unterrichten zu lassen“, und es statt dessen vorzogen, dass sie „bei ihren Handlungen sich ihr ganzes Leben hindurch nach den von den Aeltern einzuholenden Zwangsanweisungen zu richten [haben]. Angemessener erscheint es jedenfalls“, so lautete Kudlers Resümee, „die Unterthanen so weit zu bilden, daß sie hierin ihren Vortheil wahrzunehmen im Stande sind“87. Eine Erhöhung des Bildungsniveaus machte also für ihn Wuchergesetze, die Kudler als obrigkeitliche Bevormundungen emp___________ 83 Vgl. Rau, Lehrbuch (Anm. 10), Bd. 2, S. 367; Schüz, Art. „Wuchergesetze“ (Anm. 69), S. 812; Roscher, Nationalökonomie (Anm. 17), S. 356. 84 Spittler, Vorlesungen (Anm. 5), S. 422; ähnlich: Rau, Lehrbuch (Anm. 10), Bd. 2, S. 369. 85 Baumstark, Kameralistische Encyclopädie (Anm. 1), S. 634; in diese Richtung auch: Kudler, Ueber Gesetze (Anm. 14), S. 517. 86 Vgl. Walther, Cameral-Wissenschaften (Anm. 54), S. 121 f. sowie Rau, Lehrbuch (Anm. 10), Bd. 2, S. 369. – Nach Spittler, Vorlesungen (Anm. 5), S. 422 f. könne der Staat zur Verwirklichung dieser Bildungsziele „nur anregen, aufmuntern, mittelbar einwirken“, während deren Umsetzung Sache der Familien der Heranwachsenden sei. 87 Kudler, Volkswirthschaft (Anm. 18), Bd. 2, S. 358.

III. Vorbehalte gegenüber der Zinsfreigabe

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fand, schlichtweg überflüssig, da er den hinreichend gebildeten Menschen zum eigenverantwortlichen rechtsgeschäftlichen Handeln imstande sah. Bis zur Erreichung eines solchen Bildungsstandards setzten die Wirtschaftswissenschaftler auf Maßnahmen, die verhindern sollten, dass sich die noch zu konstatierenden Bildungsdefizite in überhöhten Zinsvereinbarungen niederschlugen. Um dies zu erreichen, forderte man den Staat auf, darauf hinzuwirken, dass Kreditverträge möglichst einfach und klar abgefasst wurden.88 Dazu gehörte für die Ökonomen insbesondere, dass der Gesetzgeber Vertragsbestimmungen untersagte, die geeignet waren, dem Kreditnehmer den Überblick über seine darin geregelten Pflichten zu erschweren.89 Nur wenn der Vertrag die Zinshöhe eindeutig und demnach selbst für den unkundigsten Bürger verständlich bezeichnete, ließ sich aus ihrer Sicht ausschließen, dass eine geringe Bildung der Darlehensnehmer ihren Vertragspartnern zu übermäßigen Zinsforderungen verhalf.

III. Vorbehalte gegenüber der Zinsfreigabe III. Vorbehalte gegenüber der Zinsfreigabe

Für Spittler war die geforderte Steigerung des Bildungsniveaus nicht nur ein Mittel, um niedrige Darlehenszinsen zu befördern. Vielmehr hielt er diese Maßnahme für derart wichtig, dass er sie zur Voraussetzung für die Abschaffung der Wuchergesetze erhob, da er den gesetzgeberischen Schritt erst dann als Erfolg versprechend ansah, wenn die Bürger die notwendigen Kenntnisse in ökonomischen Grundfragen erworben hatten.90 Ebenso wie Spittler befürwortete auch der Breslauer Professor für Staatswissenschaften Johann Schön die Aufhebung der Wuchergesetze – anders als die meisten Nationalökonomen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts – nicht vorbehaltlos. Er warnte daher vor einer übereilten Entscheidung gegen gesetzliche Zinsreglementierungen, weil ihm in diesem Fall ein Anstieg des landesüblichen Zinssatzes unvermeidbar schien: „In allen Dingen hängt sich das Böse an das Gute, und bei der Freigebung der Zinscontracte verführt die natürliche Gewinnsucht die Capitalisten, ihre Gelder zurückzuhalten und höhere Zinsen zu fordern.“91 Damit die Ab___________ 88 Vgl. Walther, Cameral-Wissenschaften (Anm. 52), S. 122; Rau, Lehrbuch (Anm. 10), Bd. 2, S. 369; Spittler, Vorlesungen (Anm. 5), S. 418 f.; Baumstark, Kameralistische Encyclopädie (Anm. 1), S. 634; Kudler, Volkswirthschaft (Anm. 18), Bd. 2, S. 369 f.; Roscher, Nationalökonomie (Anm. 17), S. 356. 89 Roscher, Nationalökonomie (Anm. 17), S. 356; vgl. auch: Rau, Lehrbuch (Anm. 10), Bd. 2, S. 369. 90 Spittler, Vorlesungen (Anm. 5), S. 422; in diese Richtung auch: Walther, CameralWissenschaften (Anm. 54), S. 121 f. 91 Schön, Neue Untersuchung der Nationalökonomie (Anm. 23), S. 310. Wenige Jahre vorher fehlten bei Schön, Die Staatswissenschaft (Anm. 23), S. 276 – wenngleich nur

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Kap. 5: Wuchergesetze in der Nationalökonomie

schaffung der Wuchergesetze nicht in einer Zunahme von Darlehensverträgen mit überhöhter Verzinsung mündete, sollte der Staat ausreichend Geld zur Kreditvergabe gegen Zahlung der bisher gesetzmäßigen Zinsen bereitstellen und es Darlehensgebern dadurch unmöglich machen, ihre Zinsgewinne zu steigern. Erst wenn sie einsahen, dass sich wegen der staatlichen Konkurrenz kein Kreditsuchender fand, der auf ihre Forderungen einging, würden sie sich, so nahm Schön an, mit niedrigeren Zinsen begnügen. Bis dahin aber galt ihm die vom Staat betriebene Angebotserweiterung als unerlässlich zur Erreichung eines angemessenen Zinsniveaus.92 Bevor der Staat nicht über die Gelder verfüge, um für eine hinreichende Ausdehnung des Kreditangebots zu sorgen, riet Schön entschieden von einer Änderung der Gesetzeslage ab. Denn in der leichtfertigen Außerachtlassung dieser Sicherheitsvorkehrung vermutete er die Ursache dafür, dass sich die Abschaffung der ehedem geltenden Wuchergesetze in einigen Ländern als Misserfolg herausgestellt und – statt der erhofften Senkung der Darlehenszinsen – deren Erhöhung bewirkt habe.93 Eine dauerhafte Beibehaltung der Wuchergesetze, wie sie Adam Smith gefordert hatte, lehnte er zur zukünftigen Vermeidung solcher Erfahrungen hingegen ab: „Sonderbarer Weise erklärte sich A. Smith für ein enges Zinsenlimito“, heißt es nämlich bei Schön sichtlich irritiert über dieses Votum des schottischen Nationalökonomen, „weil sonst – Schwindler den soliden Unternehmern die Capitale wegangelten“94. Zwar führte die Erweiterung des ökonomischen Systems um historische Erfahrungswerte bei Schön somit nicht dazu, dass er die Forderung nach Abschaffung der Wuchergesetze zugunsten der freien Zinsvereinbarung durch die Kontrahenten revidierte. Allerdings hielt Schön diese auch nicht unmodifiziert aufrecht, sondern schloss sich dem Ruf nach Zinsfreiheit nur unter der Bedingung einer vom Staat zu bewirkenden Vergrößerung des Kreditangebots an. Wirtschaftsgeschichtliche Forschungen zählen Schön daher nicht zu Unrecht zu den Vorläufern der sog. älteren historischen Schule,95 deren Anhänger das Konzept des freien Wettbewerbs, wie es die klassische Nationalökonomie prägte, der geschichtlichen Überprüfung unterzogen und daraufhin zumindest zum Teil abänderten.96 ___________ in einer kursorischen Kritik aller obrigkeitlichen Taxen – noch solche Bedenken: „Das Gesetz hat nichts Eiligeres zu thun, als diese verkehrten Maassregeln einzuziehen“. 92 Schön, Neue Untersuchung der Nationalökonomie (Anm. 23), S. 310. 93 Schön, Neue Untersuchung der Nationalökonomie (Anm. 23), S. 310. 94 Schön, Neue Untersuchung der Nationalökonomie (Anm. 23), S. 309. 95 Vgl. Brandt, Geschichte (Anm. 4), Bd. 1, S. 212 und Bd. 2, S. 29 f., 48; ferner: Winkel, Die deutsche Nationalökonomie (Anm. 4), S. 89; Marie-Elisabeth Vopelius, Die altliberalen Ökonomen und die Reformzeit, Stuttgart 1968, S. 119. 96 Vgl. zur älteren historischen Schule: Brandt, Geschichte (Anm. 4), Bd. 2, S. 46-68; Winkel, Die deutsche Nationalökonomie (Anm. 4), S. 82-89, 92-99.

III. Vorbehalte gegenüber der Zinsfreigabe

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Schön blieb nicht der Einzige, der die bisher zum Rückzug des Staates aus dem Kreditwesen ergangenen Gesetze mit negativen Erfahrungen in Verbindung brachte. Mit Blick auf das josephinische Patent von 1787 konstatierte auch Roscher, der als Begründer der älteren historischen Schule gilt,97 dass sich die Abkehr von den damaligen Wucherbestimmungen in der Habsburgermonarchie „nicht unter allen Umständen bewährt“98 habe. Vielmehr sei gerade nach Erlass des Wucherpatents, so schrieb zudem Rau im Jahre 1828, eine Zinserhöhung eingetreten, die zu vermehrten Klagen über dieses Gesetz Josephs II. geführt habe.99 Obwohl Rau entsprechende Klagen auch über die Zinsregelung im Badischen Landrecht verzeichnete,100 befürwortete er zumindest einen der darin enthaltenen Zusätze zur Einschränkung der Zinsfreiheit: Ergänzend zur Aufhebung der Wucherverbote sollte der Gesetzgeber, so empfahl Rau, den von hohen Zinsen betroffenen Darlehensnehmern ein monatliches Kündigungsrecht einräumen.101 Er hatte dabei in erster Linie Darlehensverträge zu nicht erwerbswirtschaftlichen Zwecken im Blick, bei denen den Kreditwilligen aufgrund ihrer drückenden finanziellen Notlage keine Zeit verblieb, ein zinsgünstiges Angebot abzuwarten. Ließen sie sich daraufhin auf Zinssätze ein, die nicht nur unerheblich über dem Marktzins lagen, den ein sicherer Schuldner zu zahlen hatte, sollten sie sich wenigstens innerhalb eines Monats von den eingegangenen Vertragspflichten lösen dürfen.102 Ungleich einschneidender als diese Anknüpfung an die badische Rechtslage stellte sich indes das Mittel dar, das Rau als ultima ratio vorsah. Falls nach Abschaffung der bestehenden Wuchergesetze – trotz verbesserter Bildung und vereinfachter Kreditverträge, staatlicher Kreditinstitute und monatlicher Kündigungsmöglichkeit – wucherische Rechtsgeschäfte nicht ausblieben oder sich die Errichtung der erforderlichen Zahl von Kreditanstalten als unausführbar er___________ 97 So Winkel, Die deutsche Nationalökonomie (Anm. 4), S. 93, wenngleich er Roschers Beitrag für die historische Schule – ebenso wie Gerhard Stavenhagen, Geschichte der Wirtschaftstheorie, 4. Aufl., Göttingen 1969, S. 196 – im Wesentlichen nur in einer Ergänzung der Wirtschaftstheorie um geschichtliche Erfahrungswerte sah, vgl. S. 93 ff. – Brandt, Geschichte (Anm. 4), Bd. 2, S. 54 kritisierte dies als eine Unterbewertung des Verdienstes von Roscher und verwies auch auf inhaltliche Unterschiede zur klassischen Nationalökonomie. 98 Roscher, Nationalökonomie (Anm. 17), S. 356. 99 Rau, Lehrbuch (Anm. 10), Bd. 2, S. 366 ff.; ders., Zusätze (Anm. 23), S. 394. 100 Rau, Lehrbuch (Anm. 10), Bd. 2, S. 368. 101 Rau, Lehrbuch (Anm. 10), Bd. 2, S. 368 ff. 102 Vgl. Rau, Lehrbuch (Anm. 10), Bd. 2, S. 367: „Bei Nothschulden aber ist der Borgende von einem dringenden Bedürfniß angetrieben; er muß auf schleunige Hilfe [...] großen Werth legen“ und 369.

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Kap. 5: Wuchergesetze in der Nationalökonomie

wies, plädierte er für die Wiedereinführung einer Zinstaxe.103 Diese wollte er jedoch deutlich höher als bisher in der staatlichen Gesetzgebung üblich ansetzen, weil man sonst Kreditgebern nur dann eine angemessene Gegenleistung zugestehe, wenn sie ihr Geld äußerst zuverlässigen Kreditwilligen unter vernachlässigenswertem Aufwand überließen. Um auch die Fälle in der Gesetzgebung hinreichend zu berücksichtigen, in denen das Risiko – wie beim Fehlen von Kreditsicherheiten – oder der Aufwand des Darlehensgebers größer ausfiel, erwies sich für Rau ein fünf- oder sechsprozentiger Höchstzins als unhaltbar. Statt dessen sollte das Zinsmaximum grundsätzlich neun Prozent betragen und noch höher sowohl bei kleinen Darlehenssummen als auch bei kurzen Überlassungsfristen ausfallen, da solche Verträge aus Sicht von Rau den Kreditgeber deutlich mehr Mühe kosteten.104 Ihm zufolge entsprach dieser neunprozentige Regelsatz dem Doppelten des Marktzinses, den man Darlehenssuchenden bei guter Sicherheit – und korrespondierend dazu geringem Risiko des Darlehensgebers, sein Geld später nicht zurückzuerhalten –, abverlangte.105 Indem Rau demnach auf den Zinssatz abstellte, den sichere Darlehensnehmer üblicherweise zahlten, legte er dieselbe Bezugsgröße für die Festsetzung des Zinsmaximums zugrunde, die auch Adam Smith106 gewählt hatte; er zog jedoch – anders als der schottische Nationalökonom – nicht ihren ein-, sondern ihren zweifachen Betrag heran. Gegen den einfachen Maßstab, den die Zinstaxe nach Smith nur knapp übersteigen sollte, um Gelder wegen des sonst zu erwartenden Ausbleibens der Kreditrückzahlung nicht “prodigals and projectors”, sondern sicheren Darlehenssuchenden zukommen zu lassen, hegte er dieselben Bedenken wie Bentham. Ebenso wie dieser befürchtete nämlich auch Rau, dass zu den “projectors” gehörende Gewerbetreibende, die Kredite zur Ausführung viel versprechender Neuerungen benötigten, auf diese unter Geltung des von Smith geforderten Zinsmaximums verzichten müssten. Daher hielt Rau es für vorzugswürdig, den vermögenden Bürgern die Entscheidung zu überlassen, ob sie ihr Geld für solche risikoreichen oder lieber für risikoarme Vorhaben zur Verfügung stellen wollten.107 Denn im Gegensatz zu Smith maß er der Zinsreglementierung nicht die Funktion bei, bestimmte Gruppen von Kreditsuchenden vom Erhalt des begehrten Geldes so weit wie möglich auszuschließen. Vielmehr sollte sich das gesetzgeberische Einschreiten aufgrund der Höhe des von Rau befürworteten Zinsmaximums bei den meisten Darlehensverträgen überhaupt nicht bemerkbar machen und mithin die Vereinbarungen der Kontrahenten im Allgemeinen nicht beschränken, son___________ 103

Rau, Lehrbuch (Anm. 10), Bd. 2, S. 370. Rau, Lehrbuch (Anm. 10), Bd. 2, S. 370 f.; ders., Zusätze (Anm. 23), S. 394. 105 Rau, Lehrbuch (Anm. 10), Bd. 2, S. 370. 106 Vgl. zum Standpunkt von Smith und Bentham: Kap. 2, I. 107 Vgl. Rau, Lehrbuch (Anm. 10), Bd. 2, S. 370. 104

III. Vorbehalte gegenüber der Zinsfreigabe

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dern nur eine äußerste Grenze ziehen, um maßlos überhöhte Zinsforderungen zu unterbinden.108 Obwohl Rau demnach von einer eher geringfügigen Eingriffsintensität des von ihm ins Auge gefassten Gesetzes ausging, stieß sein Vorschlag überwiegend auf Ablehnung.109 So warf ihm Mohl offenbare Inkonsequenz vor, weil sich Rau einerseits gegen die bestehenden Zinstaxen aussprach, aber andererseits – beim Fehlschlagen anderer Maßnahmen – solche gerade forderte.110 Zudem bezweifelten seine Kritiker, dass sich die Zielsetzung, auch risikoreicheren Kreditgeschäften bei der Höchstzinsfestsetzung angemessen Rechnung zu tragen, überhaupt verwirklichen ließ. Im Unterschied zu Rau, der dieses Vorhaben selbst immerhin als schwierig einschätzte,111 bewerteten sie es als unmöglich,112 da man nicht ausschließen könne, so wandte wiederum Mohl ein, dass die vom Kreditgeber übernommene Gefahr im Einzelfall doch größer ausfalle als von Rau bei der Bemessung des Zinsmaximums berücksichtigt.113 Ähnlich wie für Rau standen hingegen auch für Carl Wolfgang Christoph Schüz, der in Tübingen Staatswirtschaft lehrte, nur zu niedrige Zinstaxen, die aus seiner Sicht bisher die staatliche Wuchergesetzgebung geprägt hatten, im „Widerstreit mit den Gesetzen des Verkehrs“114, so dass er die Bestimmung der Höhe der Darlehenszinsen im Regelfall den Marktkräften überlassen wollte.115 Ein gesetzliches Zinsmaximum, das höher als der übliche Marktzins bemessen war, sah er indessen als „unverwerflich“ an, weil es „den rechtlichen Verkehr mit Kapitalien nicht hemmt, dagegen zum Besten von weniger gebildeten, aus Noth borgenden Personen gegen eine unmässige Zinssteigerung ankämpft“116. Schüz, der in der wirtschaftshistorischen Forschung wegen seiner Ablehnung eines kompromisslosen Strebens der Wirtschaftsakteure nach Eigennutz als

___________ 108 Rau, Lehrbuch (Anm. 10), Bd. 2, S. 370: „Auf diese Weise würden nur die ganz unverhältnißmäßigen Zinsforderungen verhütet“. 109 So bei Lotz, Staatswirthschaftslehre (Anm. 5), S. 260; Mohl, System der Präventiv-Justiz (Anm. 12), S. 329; Anonymus, Wuchergeseze und Zinstaxen, in: Austria, 1856, S. 305-315, hier: S. 307. 110 Mohl, System der Präventiv-Justiz (Anm. 12), S. 329. 111 Rau, Lehrbuch (Anm. 10), Bd. 2, S. 370. 112 Lotz, Staatswirthschaftslehre (Anm. 3), S. 260; Mohl, System der Präventiv-Justiz (Anm. 12), S. 329. 113 Mohl, System der Präventiv-Justiz (Anm. 12), S. 329. 114 Schüz, National-Oeconomie (Anm. 18), S. 304. – Diese Zinstaxen verwarf er dann auch mit den gängigen Einwänden, vgl. S. 298-304 und unter I. 115 Schüz, National-Oeconomie (Anm. 18), S. 304. 116 Schüz, National-Oeconomie (Anm. 18), S. 304; vgl. auch ders., Art. „Wuchergesetze“ (Anm. 69), S. 812.

Kap. 5: Wuchergesetze in der Nationalökonomie

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Verfechter einer ethisch-sittlichen Richtung der Nationalökonomie gilt,117 billigte dem Staat damit – zur Vermeidung eines ungezügelten Gewinnstrebens bei „Nothschulden“ – ein Eingriffsrecht mittels Wuchergesetzen zu. Im Unterschied zu Rau konzipierte er dieses nicht nur als ultima ratio für den Fall, dass sich die freie Vereinbarung der Darlehenszinsen als Misserfolg herausstellen sollte, wenngleich Schüz klarstellte, dass er zugunsten von „Nothschuldnern“ die Errichtung öffentlicher Kreditanstalten für Erfolg versprechender als Wuchergesetze hielt.118 Ganz verzichten wollte er dennoch nicht auf Zinsreglementierungen zum Schutz solcher Darlehensnehmer, die ebenfalls für den Gießener Staatsrechtler Friedrich Jakob Schmitthenner eine staatliche Wuchergesetzgebung rechtfertigten. Zwar schien es ihm einerseits angemessen, die Bestimmung der Höhe der Darlehenszinsen wie jeden anderen Preis den Vereinbarungen der Vertragschließenden zu überlassen.119 Jedoch drohe dadurch andererseits die Gefahr, dass sich „der Nachfragende in Fällen der Noth [...] nur zu oft unbilligen Forderungen unterwerfen muß“120. Dem letztgenannten Aspekt maß Schmitthenner letztlich das größere Gewicht bei, so dass ihm zum Schutz des Darlehensnehmers bei „Nothschulden“ ein gesetzliches Zinsmaximum erforderlich schien.121 Bei ihm verdichteten sich also – ebenso wie bei Schüz – die Vorbehalte gegenüber einer Zinsfreigabe zu einem verhaltenen Votum für die Beibehaltung staatlicher Wuchergesetze.

IV. Der Zinswucher in der Strafgesetzgebung der deutschen Staaten bis zur Jahrhundertmitte IV. Der Zinswucher in der Strafgesetzgebu ng

Während sich die Wirtschaftswissenschaftler größtenteils – mit Ausnahme von Rau, Schüz und Schmitthenner – schlechthin gegen Wuchergesetze aussprachen, setzten die deutschen Staaten weiterhin auf ein solches Eingreifen des Gesetzgebers. So wurden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in zahlrei___________ 117

Vgl. Burkhardt / Priddat, Ökonomie (Anm. 4), S. 893-899; Birger P. Priddat, Die andere Ökonomie. Eine neue Einschätzung von Gustav Schmollers Versuch einer „ethisch-historischen“ Nationalökonomie im 19. Jahrhundert, Marburg 1995, S. 120127; ferner: Martin Fuhrmann, Volksvermehrung als Staatsaufgabe? Bevölkerungs- und Ehepolitik in der deutschen politischen und ökonomischen Theorie des 18. und 19. Jahrhunderts, Paderborn (u.a.) 2002, S. 229 ff.; Brandt, Geschichte (Anm. 4), Bd. 1, S. 210; Schmidt, Die wirtschaftliche Entwicklung (Anm. 4), S. 100; Vopelius, Die altliberalen Ökonomen (Anm. 95), S. 130 f. 118 Schüz, National-Oeconomie (Anm. 18), S. 304. 119 Friedrich Jakob Schmitthenner, Grundlinien der Geschichte der Staatswissenschaften, der Ethnologie, des Naturrechtes und der Nationalökonomie, 2. Aufl., Gießen 1839. S. 434 f. 120 Schmitthenner, Grundlinien (Anm. 119), S. 435. 121 Schmitthenner, Grundlinien (Anm. 119), S. 435.

IV. Der Zinswucher in der Strafgesetzgebung

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chen deutschen Staaten Kodifikationen auf dem Gebiet des Strafrechts in Kraft gesetzt,122 die Wucherparagraphen enthielten.123 Den Anfang machte 1813 das Königreich Bayern mit seinem auf Paul Johann Anselm von Feuerbach zurückgehenden Strafgesetzbuch, das im folgenden Jahr vom Großherzogtum Oldenburg übernommen wurde.124 Bei einem Blick in Feuerbachs Strafrechtslehrbuch erscheint es indes keineswegs als selbstverständlich, dass auch die bayerische Kodifikation das Verbrechen des Wuchers kannte: Denn die Verletzung der Zinstaxe strafrechtlich zu ahnden, empfand er als „mit den Regeln der Staatsklugheit nicht leicht zu vereinigender Ueberrest des Hasses gegen Zinsen überhaupt“125. Feuerbach blieb dabei unter den Juristen, die sich mit dem geltenden Recht bzw. mit geplanten Gesetzgebungsvorhaben der deutschen Staaten auseinander setzten, nicht der Einzige, der eine Sanktionierung des Zinswuchers als überkommenes Relikt des kanonischen Zinsverbots abwertete. Auch Mohl verurteilte diese Vorschriften in seinen Anmerkungen zum württembergischen Polizeistrafgesetzbuch aus dem Jahre 1839 als „Nachhall der mittelalterlichen Ansichten über die Sündlichkeit eines Zinsenbezuges“126, die er am liebsten beseitigt wissen wollte.127 Nicht anders ging es Jodocus Donatus Hubertus Temme: „Der durch das Canonische Recht zuerst aufgestellte religiöse Gesichtspunkt eines strafbaren Zinswuchers paßt nicht mehr“, konstatierte er in seiner Kritik zum Entwurf des preußischen Strafgesetzbuchs von 1843, der am Tatbestand des Wuchers festhielt, „wie er für das Strafrecht wohl nie gepaßt hat“128. ___________ 122

Vgl. zu den Kodifikationsbemühungen der deutschen Staaten im Strafrecht: Claudia Schöler, Deutsche Rechtseinheit. Partikulare und nationale Gesetzgebung (17801866), Köln (u.a.) 2004, S. 227 ff.; Rainer Schröder, Die Strafgesetzgebung in Deutschland in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Michael Stolleis (Hg.), Die Bedeutung der Wörter. Festschrift für Sten Gagnér zum 70. Geburtstag, München 1991, S. 403-420. 123 Vgl. dazu den kursorischen Überblick über die Wucherstrafgesetzgebung der einzelnen deutschen Staaten bei Jochen Dilcher, Die Zins-Wucher-Gesetzgebung in Deutschland im 19. Jahrhundert. Eine entwicklungsgeschichtliche Betrachtung unter besonderer Berücksichtigung wirtschaftlicher und wirtschaftspolitischer Faktoren, Frankfurt a.M. (u.a.) 2002, S. 155 f.; ausführlicher: Constantin R. Isopescul-Grecul, Das Wucherstrafrecht, Leipzig 1906, S. 156-160. 124 Vgl. zur bayerischen Strafrechtskodifikation: Petra Overath, Tod und Gnade. Die Todesstrafe in Bayern im 19. Jahrhundert, Köln (u.a.) 2001, S. 50-54; ferner: Reinhard Heydenreuter, Kriminalgeschichte Bayerns, Regensburg 2003, S. 273-279. 125 Paul Johann Anselm von Feuerbach, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts, 12. Aufl., Gießen 1836, S. 398. 126 Robert von Mohl, Das württembergische Polizei-Strafgesetz vom 2. Oct. 1839, in: Archiv des Criminalrechts, 1840 (N.F.), Beilage-Heft zu 1840, S. 74. 127 Mohl, Polizei-Strafgesetz (Anm. 126), S. 78. 128 Jodocus Donatus Hubertus Temme, Critik des Entwurfs des Strafgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, Bd. 2, Berlin 1843 (Nachdruck: Goldbach 1997), S. 376 – wäh-

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Kap. 5: Wuchergesetze in der Nationalökonomie

Feuerbachs Bedenken, die Mohl und Temme teilten, schlugen sich in der von ihm verfassten Kodifikation zwar nicht in einer völligen Abkehr von der Strafbarkeit des Zinswuchers nieder. Allerdings war danach auch nicht jedes Zuwiderhandeln gegen das gesetzliche Zinsmaximum strafbar. Dies galt vielmehr nur für „verkleidete, wucherliche Contracte“, bei denen die ausbedungene Verzinsung mitsamt der Darlehenssumme – und damit die dem Kreditgeber für die Überlassung seines Geldes gewährte Gegenleistung – nicht klar aus dem geschlossenen Vertrag ersichtlich war.129 Ähnlich wie nach dem Preußischen Allgemeinen Landrecht130 sollten also nur die Fälle dem Strafrecht unterliegen, die nach außen hin den Eindruck eines rechtmäßigen Kreditgeschäfts vermittelten, obwohl die vereinbarte Zinsforderung tatsächlich über dem gesetzlich erlaubten Höchstsatz lag. Das bayerische Strafgesetzbuch erfasste diese Fälle als „betrüglichen Wucher“131 und unterstellte sie dementsprechend der auf Betrug stehenden Strafe. Geschah die Vereinbarung höherer Zinsen hingegen „unversteckt“132, sollte sie ausschließlich mit Mitteln des Privat- und Polizeirechts sanktioniert werden, so dass in weiten Teilen Bayerns das fünfprozentige Zinsmaximum des Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis aus dem Jahre 1756 galt,133 während man in der ab 1816 zu Bayern gehörenden Rheinpfalz – durch Einführung des französischen Wuchergesetzes von 1807134 – zumindest Kaufleuten ein Prozent mehr an Zinsen zugestand.135 ___________ rend Mohl aber Wuchergesetze generell ablehnte, richtete sich Temme nur gegen Wucherstrafgesetze, da er die zivilrechtlichen Bestimmungen für ausreichend hielt. 129 So Art. 261 f. des bayerischen Strafgesetzbuchs, abgedruckt bei Heinrich Jaques, Die Wuchergesetzgebung und das Civil- und Strafrecht. Eine Abhandlung zur Reform der Legislation überhaupt und der österreichischen insbesondere, Wien 1867, S. 114 (die folgende Seite nennt die entsprechenden Bestimmungen der oldenburgischen Kodifikation) und Johann Friedrich Merckel, Ueber den Zins-Wucher, nach dem in der bair. Pfalz geltenden franz. Gesetz vom 3. Sept. 1807 in Vergleichung mit anderen Gesetzgebungen, Heidelberg 1855, S. 94. 130 Dazu unter Kap. 4, IV., 1. 131 So die Überschrift des Art. 261, siehe dazu Anm. 129. 132 So Art. 261 der bayerischen Kodifikation, vgl. Anm. 129. 133 Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis, München 1756, II, 3. Kap., § 21 i.V.m. IV, 2. Kap., § 3; vgl. auch Wiguläus Xaver Aloys von Kreittmayr, Anmerkungen über den Codicem Maximilianeum Bavaricum Civilem, Bd. 2, München 1761, S. 545 f. 134 S.o. unter Kap. 4, IV., 2. zum Wuchergesetz vom 1807. 135 Vgl. Eduard Levita, Ueber Zinsen und Zinswucher, sowie die in der neuesten Zeit in Pfalz-Bayern eingeleiteten sogenannten Wucherproceduren, in: Der Gerichtssaal, 1854, Bd. 1, S. 179-203, hier: S. 186, 188 f.; Merckel, Ueber den Zins-Wucher (Anm. 129); Melchior Stenglein, Commentar über das Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern und das Gesetz über die Einführung des Strafgesetzbuches und des PolizeiStrafgesetzbuches, Bd. 1, München 1861 (Nachdruck: Frankfurt a.M. 1989), S. 29 (Fn. 1); zur Geltung des französischen Rechts in der Rheinpfalz: Georg Michael von Weber, Darstellung der sämmtlichen Provinzial- und Statutar-Rechte des Königreichs Bayern, Bd. 1, Augsburg 1838, S. XVII, XX; Paul Roth, Bayrisches Civilrecht, Bd. 1,

IV. Der Zinswucher in der Strafgesetzgebung

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Ebenso wie das Strafgesetzbuch Bayerns beließ es auch das Württembergs von 1839 für die Überschreitung der Zinstaxe bei den Rechtsfolgen des Zivilund Polizeirechts, soweit diese sich nicht als „betrüglicher Wucher“ darstellte.136 Dadurch entging der Darlehensgeber der Bestrafung wie ein Betrüger; ihm drohte jedoch nach dem württembergischen Polizeistrafgesetzbuch137 aus demselben Jahr eine Geldbuße, wenn er sich höhere Zinsen als sechs Prozent ausbedungen hatte. Anders als nach der bayerischen Kodifikation reichte es demgegenüber zur Erfüllung des Wucherstraftatbestandes – abgesehen vom Verstoß gegen das Zinsmaximum – nicht aus, dass die vom Darlehensnehmer zu erbringenden Zinsen nicht eindeutig aus dem Vertrag hervorgingen. Hinzu kommen musste nach der Strafrechtskodifikation Württembergs die Absicht des Kreditgebers, auf diesem Wege seinen Vertragspartner über den Umfang der eingegangenen Zinsverbindlichkeit zu täuschen.138 Der württembergischen oder bayerischen Definition des „betrüglichen Wuchers“ schlossen sich in den vierziger und fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts die Gesetzgeber der anderen deutschen Staaten an. Allerdings umriss diese Definition nicht stets – entsprechend dem Vorbild der beiden süddeutschen Staaten – den Umfang des strafrechtlichen Wucherverbots. Statt strafbarkeitskonstituierend – wie z.B. auch im Kriminalgesetzbuch des Königreichs Hannover (1840) – wirkte sie etwa in den Kodifikationen von Braunschweig (1840), Hessen (1841), Sachsen-Altenburg (1841) und Sachsen (1855) nur strafschärfend, weil darin weiterhin bereits die Überschreitung des Maximalzinses die Strafbarkeit auslöste.139

___________ Tübingen 1871, S. III. – Vgl. dazu auch: Fritz Blaich, Zinsfreiheit als Problem der deutschen Wirtschaftspolitik zwischen 1857 und 1871, in: Schmollers Jahrbuch für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, 1971, S. 269-306, hier: S. 272; ferner: Barbara Dölemeyer, „Nie alterndes Modell“ oder „antiquarische Rumpelkammer“? – Die Wertung der Zivilgesetzbücher Kreittmayrs in den bayerischen Kodifikationsdiskussionen des 19. Jahrhunderts, in: Richard Bauer und Hans Schlosser (Hg.), Wiguläus Xaver Aloys Freiherr von Kreittmayr 1705-1790, München 1991, S. 329-352, hier: S. 330. 136 Die Wucherregelung des württembergischen Strafgesetzbuchs – Art. 355 – ist zu finden bei: Hesse, Strafverbote gegen Wucher (Anm. 12), S. 270; Gross, Ueber die Behandlung des Verbrechens des Wuchers in einigen der neuern Criminalgesetzbücher und Entwürfe dazu, in: Archiv des Criminalrechts, 1851 (N.F.), S. 254-278, hier: S. 261; Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 129), S. 117. 137 Vgl. zu dessen Wucherbestimmungen: Hesse, Strafverbote gegen Wucher (Anm. 12), S. 282 ff.; Theobald Rizy, Ueber Zinstaxen und Wuchergesetze, Wien 1859, S. 199; Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 129), S. 138 f. 138 Vgl. Anm. 136. 139 Die Bestimmungen dieser Staaten zum Zinswucher finden sich bei Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 129), S. 115-119, 123 ff.; die in Braunschweig und Hannover geltenden auch bei Hesse, Strafverbote gegen Wucher (Anm. 12), S. 278 f., 281.

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Kap. 5: Wuchergesetze in der Nationalökonomie

Derselbe Unterschied zeigte sich bei der Behandlung der gewerbsmäßigen oder wiederholten Begehung des Wuchers: Während dies in einigen Staaten wie beispielsweise in Sachsen-Altenburg nur zur Straferhöhung führte,140 war nach der preußischen Kodifikation von 1851 die gewohnheitsmäßige Überschreitung des Zinsmaximums – sofern diese nicht versteckt erfolgte – zur Begründung der Strafbarkeit des Darlehensgebers wegen Wuchers erforderlich.141 Das Strafgesetzbuch Preußens, das somit den gewohnheitsmäßigen und den „betrüglichen Wucher“ unter Strafe stellte, blieb nicht das Einzige, das mehrere Tatbestandsalternativen des Wucherdeliktes kannte. Gleiches galt auch für die Strafrechtskodifikationen der Thüringischen Staaten (1850)142 und Badens (1851)143: Danach wurde die Ausbedingung übermäßiger Zinsen als Wucher bestraft, wenn der Darlehensgeber dazu entweder den Notstand bzw. den Leichtsinn seines Vertragspartners ausgenutzt oder zur Täuschung des Darlehensnehmers den Vertrag so abgefasst hatte, dass dieser die genaue Zinshöhe nicht klar wiedergab.144 Die in den Thüringischen Staaten und Baden Mitte des 19. Jahrhunderts vollzogene Verengung des strafrechtlichen Wuchertatbestandes durch das Kriterium der Ausnutzung der Not oder des Leichtsinns des Darlehensnehmers ___________ 140 Abgedruckt sind diese Regelungen im Strafgesetzbuch Sachsen-Altenburgs bei Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 129), S. 116; ebenso führte in Hessen (ebd., S. 118), Nassau (S. 120), Thüringen (S. 122) und Sachsen (S. 124) die Gewerbsmäßigkeit zu einer härteren Bestrafung. Gleiches galt für den Wiederholungsfall auch in Baden (S. 120) und Thüringen (S. 122). 141 Siehe zum preußischen Wucherparagraphen: Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 129), S. 123. 142 Der Artikel zum Wucher findet sich sowohl bei Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 129), S. 121 f. als auch bei Leo Geller und Josef Peter Geller, Das österreichische Wucherstrafrecht, Wien 1908, S. 35 f. 143 Abgedruckt ist die in Baden geltende Wucherbestimmung bei Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 129), S. 119 f.; Gross, Ueber die Behandlung des Verbrechens des Wuchers (Anm. 136), S. 263 f.; Karl Wilhelm Ernst Heimbach, Art. „Wucher“, in: Julius Weiske (Hg.), Rechtslexikon für Juristen aller teutschen Staaten enthaltend die gesammte Rechtswissenschaft, Bd. 15, Leipzig 1861, S. 54-66, hier: S. 63; außerdem bei: Dilcher, Zins-Wucher-Gesetzgebung (Anm. 123), S. 94 f. und Geller, Wucherstrafrecht (Anm. 142), S. 34. – Zwar wurde das Gesetzbuch bereits 1845 veröffentlicht, in Kraft trat es indes erst sechs Jahre später, vgl. Rainer Schröder, Kodifikationsgeschichte Strafrecht. Großherzogtum Baden, in: ders. (Hg.), Entwürfe für das Strafgesetzbuch des Großherzogtums Baden Karlsruhe 1836 und 1839, Frankfurt a.M. 1989, S. VIIXXXVII, hier: S. XII und XV f. 144 Das badische Strafgesetzbuch bestrafte überdies denjenigen wegen Wuchers, der „bei Darlehen und anderen belasteten Verträgen sich übermäßige Vortheile bedingt“ und dabei seinem minderjährigen oder aus sonstigen Gründen nicht voll geschäftsfähigen Vertragspartner mit dem Rechtsgeschäft, das „er mit ihm ohne Mitwirkung des Vormundes, Pflegers oder Beistandes eingegangen hat, einen wirklichen Vermögensnachtheil zufügte“.

IV. Der Zinswucher in der Strafgesetzgebung

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hatte Friedrich Julius Heinrich von Soden bereits 1783 gefordert. Zwar solle der Staat verhindern, heißt es in seinem „Geist der teutschen Criminal-Geseze“, dass der Geldeigner bei der Kreditvergabe die „Noth des Armen oder den Leichtsinn und die Unerfahrenheit der Jugend mißbraucht“145, da sich der Darlehensnehmer sonst in solchen Situationen sonst zur Zahlung der höchsten Zinsforderungen bereit erkläre.146 Außerhalb dieser Fälle fehlte es für Soden hingegen an einem rechtfertigenden Grund für staatliche Wuchergesetze, die Kreditgebern vorschrieben, wie hoch der finanzielle Nutzen ausfallen durfte, den sie sich mit ihrem Geld über die Vergabe von Darlehen verschafften.147 Zur Wahrung des Eigentumsrechts der Darlehensgeber sollten daher die Gesetze „den Begrif des Wuchers schlechterdings auf die Fälle einschränken, wo der Darleyher [...] die dringende Noth, oder die Jugend des Entlehners erweislich misbraucht hat; weil es im ersten Fall eine Art von Zwang, im zweyten Verführung ist“148. Lagen diese Voraussetzungen vor, so dass „nach dem Geist der Legislazion Wucher existirt, ist dieser allerdings sehr strafbar“, stellte Soden klar, und wollte ihn „nach der mehr, oder mindern Beschädigung“, die der Darlehensnehmer dadurch erlitt, sanktioniert wissen.149 Seine Ablehnung von Wuchergesetzen, die sich nicht darauf beschränkten, die Ausnutzung von Not, Unerfahrenheit oder Leichtsinn des Darlehensnehmers zu untersagen, konnte sich indes im zeitgenössischen Diskurs nicht durchsetzen. Dementsprechend blieb eine Rezension aus dem Jahre 1791 zu Günthers preisgekrönter Abhandlung zur Preisfrage Josephs II., in der ihr Verfasser ebenso wie Soden eine differenzierte Haltung zu Wuchergesetzen einnahm, die Ausnahme. Der anonyme Rezensent stimmte darin zwar grundsätzlich Günthers Votum gegen Wuchergesetze zu, sah diese aber dort als notwendig an, „wo der Gläubiger aus der Verlegenheit seines Schuldners und dessen Noth übermäßigen Vortheil zieht“150. Ohne ein Einschreiten des Gesetzgebers akzeptiere der Kreditsuchende nämlich in dieser Situation jede Zinshöhe, um an das benötigte Geld zu gelangen.151 Folglich „möchte es, wenn auch sonst der gesetzliche Maßstab abgeschaft wird, doch gut seyn, dem Gläubiger gewisse ___________ 145 Friedrich Julius Heinrich von Soden, Geist der teutschen Criminal-Geseze, Bd. 2, Dessau 1783, S. 244. 146 Soden, Criminal-Geseze (Anm. 145), S. 243. 147 Soden, Criminal-Geseze (Anm. 145), S. 243 ff. 148 Soden, Criminal-Geseze (Anm. 145), S. 244. 149 Soden, Criminal-Geseze (Anm. 145), S. 245. 150 Anonymus, Rezension über Günther, Versuch einer vollständigen Untersuchung über Wucher und Wucher-Gesetze und über die Mittel, dem Wucher ohne Straf-Gesetze Einhalt zu thun; in politischer, justizmäßiger und mercantilistischer Rücksicht, in: Würzburger gelehrte Anzeigen, 1791, S. 196-200, hier: S. 200. 151 Anonymus, Rezension über Günther (Anm. 150), S. 199 f.

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Kap. 5: Wuchergesetze in der Nationalökonomie

Schranken zu setzen, wie weit er die Noth seines Schuldners benutzen dürfe“152. Der gängigen Auffassung entsprach es demgegenüber, wie bisher gesehen, die Berechtigung von Wuchergesetzen nicht von subjektiven Beweggründen, die den Darlehensnehmer zur Kreditaufnahme veranlassten, abhängig zu machen. Vielmehr sprach man sich insgesamt für oder gegen diese aus, so dass die von Soden geforderte Verengung des Wucherbegriffs in der Gesetzgebung bei Johann Theodor Roth auf Kritik stieß.153 Denn aus seiner Sicht vermochte die Ausnutzung von Not, Unerfahrenheit und Leichtsinn des Darlehensnehmers „das Verbrechen der Wucherey nur zu vergrößern, ohne den Begriff desselben zu erschöpfen“154. Aber auch Soden selbst berief sich in einer späteren Veröffentlichung nicht mehr auf die von ihm 1783 eingeführte Unterscheidung und wandte sich statt dessen in seinem 1810 publizierten Band der „NationalOekonomie“ generell gegen Wuchergesetze. Deren Normierung sah er mit Blick auf die Eigentümerbefugnisse der Darlehensgeber nunmehr stets als „unrechtliche Sorgfalt für den Leichtsinn und die Unerfahrenheit“155 an, die mit einer Beeinträchtigung der Landesökonomie einhergehe. Zur Vermeidung dieser misslichen Auswirkungen sollte der Staat den Wirtschaftsabläufen freien Lauf lassen, anstatt die zulässige Höhe der Darlehenszinsen per Gesetz – das ohnehin häufig unbeachtet bleibe – zu bestimmen.156 Wenngleich Soden 1810 sein Votum zugunsten von Wuchergesetzen revidierte, die ein Verbot der Ausnutzung von Notlage, Unerfahrenheit oder Leichtsinn des Darlehensnehmers zur Verschaffung überhöhter Zinsforderungen aussprachen, knüpften die Strafgesetzbücher Badens und der Thüringischen Staaten an diese Kriterien – mit Ausnahme der Unerfahrenheit – an. Während aber die thüringische Kodifikation jede über sechs Prozent betragende Verzinsung als zu hoch einstufte,157 oblag die Grenzziehung zwischen mäßiger und übermäßiger Gegenleistung nach dem in Baden geltenden Strafrecht, dessen Wucherparagraph nicht nur für Darlehens-, sondern auch für andere gegenseitige Verträge galt, dem Richter. Er werde bei der Frage, wann ein „Uebermaß anzunehmen sei“, eine „richtigere Entscheidung“ treffen, heißt es in den Anmerkungen der Gesetzgebungskommission zum badischen Entwurf, „als der ___________ 152

Anonymus, Rezension über Günther (Anm. 150), S. 200. Johann Theodor Roth, Juristisch-politische Abhandlung über den Wucher und die Mittel demselben ohne Strafgesetze Einhalt zu thun – auch eine Beantwortung der Wiener Preißfrage, Nürnberg 1793, S. 152 f. 154 Roth, Juristisch-politische Abhandlung (Anm. 153), S. 153. 155 Friedrich Julius Heinrich von Soden, Die Nazional-Oekonomie, Bd. 4, Leipzig 1810 (Nachdruck: Dillenburg 2000), S. 49. 156 Soden, Nazional-Oekonomie (Anm. 155), S. 47 ff. und 55 ff. 157 Vgl. Anm. 142. 153

V. Fazit

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Gesetzgeber, wenn er ein bestimmtes Maß ein für allemal festsetzt“158. Denn im Zinsfuß sah die Kommission ebenso wie die zeitgenössische Wirtschaftstheorie keine konstant bleibende Größe, die sich reglementieren ließ, zumal man eine solche Bestimmung ohnehin umgehe. Aus diesem Grund sprach sie sich nicht nur für das richterliche Ermessen anstelle einer gesetzlichen Zinstaxe, sondern auch gegen Wuchergesetze aus, die bereits die Überschreitung einer bestimmten Zinshöhe als Wucher bestraften. Darin liege nämlich kein strafwürdiges Unrecht, solange nicht ein zusätzlicher Umstand wie die Ausnutzung des Notstands oder Leichtsinns des Kreditwilligen zum Zwecke der Gewinnsteigerung hinzukomme.159 Die Strafgesetzbücher der deutschen Staaten kannten damit in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vier unterschiedliche Tatbestandsmerkmale des Wucherdelikts: den Verstoß gegen das Zinsmaximum, den „betrüglichen Wucher“, das gewohnheitsmäßige Zuwiderhandeln gegen die Zinstaxe und die Ausnutzung von Notlage oder Leichtsinn des Vertragspartners zur Ausbedingung einer überhöhten Gegenleistung. Zu diesen Unterschieden bei den Tatbestandsvoraussetzungen der Wuchergesetze kamen solche bei deren Anwendungsbereich hinzu, indem man in einigen Staaten Ausnahmen für Kaufleute anerkannte.160 Zudem verzichtete das sächsische Strafgesetzbuch – übereinstimmend mit dem Polizeistrafgesetzbuch Württembergs – auf Sanktionen bei Überschreitung des Zinsmaximums, wenn es entweder um die Aufnahme von Darlehen durch den Staat bzw. deren Vergabe durch öffentliche Kreditanstalten ging oder von Seiten des Staats zuvor die Erlaubnis erteilt wurde, bei diesem Vertrag höhere Zinsen zu vereinbaren.161

V. Fazit V. Fazit

Während die Opposition gegen Wuchergesetze in der politischen Theorie um 1800 nur schwach ausgeprägt war, lehnte die Wirtschaftstheorie der ersten ___________ 158 Anmerkungen der Gesetzgebungscommission zum Entwurf eines Strafgesetzbuchs für das Großherzogthum Baden [1839], in: Rainer Schröder (Hg.), Entwürfe für das Strafgesetzbuch des Großherzogtums Baden Karlsruhe 1836 und 1839, Frankfurt a.M. 1989, S. 143. 159 Anmerkungen der Gesetzgebungscommission (Anm. 158), S. 142 f. 160 So z.B. die Strafgesetzbücher von Braunschweig, Sachsen-Altenburg und Sachsen, vgl. Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 129), S. 116 f., 125. 161 Abgedruckt sind diese Bestimmungen bei Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 129), S. 125, 138 f.; das württembergische Polizeistrafgesetzbuch überdies bei: Hesse, Strafverbote gegen Wucher (Anm. 12), S. 283 f.; Rizy, Ueber Zinstaxen (Anm. 137), S. 199.

228

Kap. 5: Wuchergesetze in der Nationalökonomie

Hälfte des 19. Jahrhunderts ein solches Einschreiten des Gesetzgebers zumeist entschieden ab. 1. Die Höhe der Darlehenszinsen ließ sich nämlich aus Sicht der zeitgenössischen Wirtschaftswissenschaftler nicht durch staatliche Normsetzung steuern, sondern unterliege feststehenden ökonomischen Zusammenhängen, denen der Gesetzgeber vergeblich entgegenzuwirken suche. Daher komme es zwangsläufig zur Missachtung der Höchstzinsfestsetzung, sobald diese nicht mit dem marktgerechten Zinsfuß übereinstimme, der sich aus dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage sowie einer Gefahr- und Müheabgeltung ergebe. Greife der Staat dennoch in das Wirtschaftsgeschehen durch Normierung eines Zinsmaximums ein, trage er keineswegs zur Senkung der Zinsen bei, sondern verschlimmere geradezu die Kreditbedingungen, die sich jeder Darlehensnehmer gefallen lassen müsse. Hinzu komme, dass sich ein – mit Wuchergesetzen angestrebter – niedriger landesüblicher Zinssatz nicht unbedingt als vorzugswürdig gegenüber einem hohen erweise. Denn nach Auffassung der Zeitgenossen konnten beide sowohl auf eine Krise als auch auf einen Aufschwung der Landesökonomie hindeuten, so dass ihnen ein niedriges Zinsniveau nicht in jedem Fall als erstrebenswertes Zeichen wirtschaftlicher Prosperität galt. 2. Die Ablehnung von Wuchergesetzen brachte es indes nicht mit sich, dass man generell einer Tätigkeit des Staates auf dem Gebiet des Kreditwesens argwöhnisch gegenüberstand. Vielmehr ließ sich das nach Auffassung der Nationalökonomen grundsätzlich weiterhin wünschenswerte Ergebnis eines moderaten Zinsniveaus nicht ohne Zutun des Staates erreichen, wenngleich es sich auf die Gestaltung der Rahmenbedingungen beschränken sollte, unter denen die freie Konkurrenz erschwingliche Zinssätze zustande bringe. Dazu forderte man den Staat auf, für eine effektive Rechtsdurchsetzung und eine zweckmäßige Ausgestaltung des Hypothekenwesens zu sorgen. Zudem sollten staatliche Kreditanstalten dem „Nothschuldner“ offen stehen, damit er das dringend benötigte Geld gegen mäßige Zinsen erlangen konnte. Für erforderlich hielt man auch eine Anhebung des Bildungsniveaus sowie das Hinwirken auf eine klare und verständliche Abfassung von Darlehensverträgen, um Kreditsuchenden den Umfang der eingegangenen Zinsverbindlichkeit deutlich vor Augen zu führen. 3. Anders als es die energische Verurteilung der bestehenden Wuchergesetze in vielen nationalökonomischen Veröffentlichungen erwarten ließ, drangen jedoch nicht alle ihre Verfasser auf deren schnellstmögliche Beseitigung. Einige Wirtschaftswissenschaftler mahnten ganz im Gegenteil zu einem bedachten Vorgehen bei deren Aufhebung, damit sich diese nicht in einem Anstieg der landesüblichen Darlehenszinsen niederschlug. Zu solchen Befürchtungen bewogen sie die wenig positiven Erfahrungen, die man vor allem in Österreich mit der Außerkraftsetzung der ehedem geltenden Wucherpatente gemacht habe. Bei Rau führte dies dazu, dass er die Rückkehr zu einem gesetzlichen Zinsma-

V. Fazit

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ximum nicht ausschloss, falls sich die Abschaffung der Wuchergesetze als Misserfolg herausstellen sollte; Schüz und Schmitthenner billigten die Beibehaltung von Wuchergesetzen sogar ohne diese einschränkende Voraussetzung. 4. Die Forderung zahlreicher Ökonomen nach Außerkraftsetzung der Wuchergesetze blieb indes unerfüllt, da die Kodifikationen der deutschen Staaten auf dem Gebiet des Strafrechts, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden, entsprechende Straftatbestände aufnahmen. Allerdings wichen diese Wucherbestimmungen – wie sich bereits in den um 1800 fertig gestellten Gesetzbüchern abgezeichnet hatte – nunmehr inhaltlich stärker voneinander ab, so dass in vielen deutschen Staaten die Überschreitung des gesetzlichen Zinsmaximums nicht mehr zur Begründung der Strafbarkeit wegen Wuchers ausreichte. Einige Kodifikationen stellten nämlich nur den „betrüglichen Wucher“ unter Strafe, der preußische Gesetzgeber zusätzlich den gewohnheitsmäßigen Wucher, während das badische und thüringische Strafgesetzbuch die Ausnutzung von Notstand oder Leichtsinn des Vertragspartners zur Tatbestandsvoraussetzung des Wuchers erhob.

Kapitel 6

Die Debatte über die Berechtigung von Wuchergesetzen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Als die meisten deutschen Staaten seit den 1830er Jahren Kodifikationen auf dem Gebiet des Strafrechts erließen, in denen Wucherregelungen nicht fehlten, begann England mit deren allmählicher Beseitigung, die im Jahre 1854 zum Abschluss gelangte. Spanien, einige Kantone der Schweiz, Belgien und die Niederlande sowie Sardinien, dessen Regelung später Italien insgesamt übernahm, zogen noch in den fünfziger und sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts nach und verzichteten ebenfalls auf Gesetze, die den Vertragsparteien die maximale Höhe der Darlehenszinsen vorschrieben. Andere eidgenössische Kantone sahen dies ebenso wie 1857 Norwegen – das bereits 1842 von Wuchergesetzen abgerückt war, sie aber 1851 wieder eingeführt hatte –, Dänemark (1855) und Schweden (1864) zumindest für nicht hypothekarisch gesicherte Kredite vor,1 während Frankreich sich der europäischen Entwicklung zur Zinsfreigabe verschloss und 1850 sein Wuchergesetz von 1807 sogar noch verschärfte.2 ___________ 1 Die genannten Bestimmungen sind – mit Ausnahme der norwegischen und schweizerischen Wucherregelungen, die nur für nicht hypothekarisch gesicherte Kredite die Zinsreglementierung aufhoben – abgedruckt bei Heinrich Jaques, Die Wuchergesetzgebung und das Civil- und Strafrecht. Eine Abhandlung zur Reform der Legislation überhaupt und der österreichischen insbesondere, Wien 1867, S. 128-136, vgl. auch die Erläuterungen Jaques’ zu diesen Gesetzen auf S. 38-42. Vgl. zudem Levin Goldschmidt, Gutachten zur Gesetzgebungsfrage, betreffend die Aufhebung der Wuchergesetze, in: Verhandlungen des Sechsten Deutschen Juristentages, Bd. 1, Berlin 1865, S. 227-271, hier: S. 244 f., 249 ff.; Karl Ludwig Julius von Lilienthal, Die Wuchergesetzgebung in Deutschland unter Berücksichtigung der Entwicklung derselben im preussischen Staate, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 1880 (N.F.), S. 140-161 und 366385, hier: S. 157; zur Wuchergesetzgebung in der Schweiz: Walther Munzinger, Referat über die Wucherfrage im Rahmen der Verhandlungen des schweizerischen Juristenvereins zu Aarau den 5. October 1866, in: Zeitschrift für schweizerisches Recht, 1867 (Bd. 15), S. 41-78, hier: S. 56-60; Joseph Leonz Weibel, Die rechtliche Behandlung des Wuchers, in: Zeitschrift für schweizerisches Recht, 1884 (Bd. 3, N.F.), S. 585-638, hier: S. 599 f. 2 Das französische Gesetz von 1850 ist abgedruckt bei: Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 126 f.; Richard Förtsch und Albert Leoni (Hg.), Sammlung der in El-

Kap. 6: Die Debatte über die Berechtigung von Wuchergesetzen

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Zahlreiche deutsche Staaten folgten hingegen ab der Jahrhundertmitte dem zuletzt vor allem von Ökonomen ausgehenden Ruf nach Abschaffung der Wuchergesetze.3 So wurde mit Einführung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung, die allen Geschäftsfähigen auch die Wechselfähigkeit zugestand, die sechsprozentige Zinstaxe in Württemberg im Jahre 1849 obsolet, da dessen Polizeistrafgesetzbuch alle Wechselfähigen von deren Einhaltung entband.4 Unter dem Eindruck der von 1857 bis 1859 währenden Weltwirtschaftskrise schaffte zudem das Großherzogtum Oldenburg die geltenden Zinsbeschränkungen ab.5 Obgleich Oldenburg weniger als andere Staaten von dem ökonomischen Abschwung betroffen gewesen sei, so heißt es dazu in den Gesetzesmotiven, habe dieser eine nicht unerhebliche Steigerung des Zinsniveaus bewirkt, „welche das gesetzlich erlaubte Maß entweder überschritten oder doch jenen demselben sehr nahe gebracht hat“6. Der oldenburgische Gesetzgeber nahm dies zum Anlass, die Wuchergesetze nicht nur vorübergehend bis zur Überwindung der Krise außer Kraft zu setzen, sondern entschied sich ohne zeitliche Begrenzung für eine freie Zinsvereinbarung durch die Vertragschließenden. Damit sollte ein ___________ saß-Lothringen in Geltung gebliebenen französischen Strafgesetze, Bd. 2, Straßburg 1876, S. 228 ff. – Vgl. zur Sonderstellung Frankreichs in der europäischen Wuchergesetzgebung der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Richard Schmidt, Wucher und Ausbeutung (§§ 301-302c RStrGB. und Nebengesetze), in: Karl Birkmeyer u.a. (Hg.), Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts, Besonderer Teil, Bd. 8, Berlin 1906, S. 161-292, hier: S. 171 f. und 211-215; ferner: Constantin R. Isopescul-Grecul, Das Wucherstrafrecht, Leipzig 1906, S. 161 f. 3 Vgl. zur Aufhebung der Wuchergesetze in den deutschen und europäischen Staaten auch: Jochen Dilcher, Die Zins-Wucher-Gesetzgebung in Deutschland im 19. Jahrhundert. Eine entwicklungsgeschichtliche Betrachtung unter besonderer Berücksichtigung wirtschaftlicher und wirtschaftspolitischer Faktoren, Frankfurt a.M. (u.a.) 2002, S. 233237; Stephan Buchholz, Einzelgesetzgebung, in: Helmut Coing (Hg.), Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. 3, 2. Teilband, München 1982, S. 1626-1773, hier: S. 1762; Peter Landau, Die Gesetzgebungsgeschichte des § 247 BGB. Zugleich ein Beitrag zur Geschichte der Einführung der Zinsfreiheit in Deutschland, in: Gerhard Kleinheyer und Paul Mikat (Hg.), Beiträge zur Rechtsgeschichte. Gedächtnisschrift für Hermann Conrad, Paderborn (u.a.) 1979. S. 385-408, hier: S. 388. 4 Goldschmidt, Gutachten (Anm. 1), S. 257; Anton Randa, Zur Lehre von den Zinsen und der Conventionalstrafe. Mit Rücksicht auf das österreichische Gesetz vom 14. Juni 1868 und das norddeutsche Bundesgesetz vom 14. November 1867, Wien 1869, S. 3; Friedrich Maximilian Schober, Das Bundesgesetz vom 14. November 1867, Leipzig 1872, S. 47. – Vgl. dazu: Dilcher, Zins-Wucher-Gesetzgebung (Anm. 3), S. 201 f. 5 Großherzoglich Oldenburgisches Gesetz vom 18. Juni 1858, betreffend die Aufhebung der Beschränkungen des vertragmäßigen Zinsfußes, in: Zeitschrift für das gesammte Handelsrecht, 1859, S. 102-109, hier: S. 102; der Gesetzestext findet sich ebenfalls bei: Julius Albert Gruchot, Glossen zum Allgemeinen Land-Recht, in: Beiträge zur Erläuterung des Preußischen Rechts, des Handels- und Wechselrechts durch Theorie und Praxis, 1869, S. 221-306, hier: S. 226. 6 Großherzoglich Oldenburgisches Gesetz (Anm. 5), S. 105.

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Kap. 6: Die Debatte über die Berechtigung von Wuchergesetzen

„schwankender Zustand“ vermieden werden, so die Motive, „bei dem das Gesetz sich gewissermaßen vor der mächtigeren Gewalt des Verkehrs zurückzieht, nachdem es erkannt hat, es könne demselben in dieser Beziehung keine Schranken ziehen, um dieselben später wieder aufzurichten, wo sie dem großen Verkehr nicht mehr schaden, aber den kleinen beengen und bedrängen“7. Man empfand es mithin als widersprüchlich, wenn der Gesetzgeber zunächst durch Abschaffung der Wuchergesetze zugebe, dass er sich gegenüber den wirtschaftlichen Gegebenheiten als machtlos erwiesen hat, und dennoch später unter günstigeren ökonomischen Rahmenbedingungen wieder Zinsreglementierungen einführte. Dies sah man allerdings in Preußen8 anders, das seine Wuchergesetze 1857/58 – wie zuvor schon einmal in den Jahren 1809/10 – aufgrund der Weltwirtschaftskrise übereinstimmend mit der Gesetzgebung Bremens9 und Sachsen-Weimar-Eisenachs10 zunächst vorübergehend suspendierte. Im Gegensatz zu den beiden letztgenannten Staaten, in denen aus der vorübergehenden Regelung eine endgültige wurde, galten in Preußen nach Ablauf der auf drei Monate befristeten Zinsfreiheit wieder die gesetzlichen Wucherverbote. Daran änderten auch die ein Jahr nach dem Verstreichen dieser Frist einsetzenden Bemühungen der preußischen Regierung um eine unbefristete Aufhebung der Wuchergesetze zunächst nichts. Denn diesen war anfangs kein Erfolg beschieden: Ein entsprechender Gesetzesentwurf, der 1860 in den preußischen Landtag eingebracht wurde, fand nur die Zustimmung des Abgeordnetenhauses, nicht aber die des Herrenhauses. Im Jahre 1866, als eine Kreditverknappung die Lage auf dem preußischen Geldmarkt zusehends verschlechterte, nahm die Regierung indes einen erneuten Anlauf zur endgültigen Abschaffung der Wuchergesetze. Dazu holte sie nicht erst das vorherige Einverständnis beider Kammern des preußischen Landtages ein – sowohl Abgeordneten- als auch Herrenhaus erteilten es aber nachträglich –, sondern verfügte die Außerkraftsetzung der Zinsreglementierungen im Verordnungswege für solche Kreditgewährungen, denen keine Hypothekenbestellung zugrunde lag.11 ___________ 7

Großherzoglich Oldenburgisches Gesetz (Anm. 5), S. 107. Abgedruckt ist die preußische Suspensionsvorschrift (wie auch die Verordnung von 1866) bei Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 136 f. Ferner bei: Dilcher, Zins-Wucher-Gesetzgebung (Anm. 3), S. 240, 249; Thomas Bark, Vertragsfreiheit und Staat im Kapitalismus. Ökonomische und politische Grundlagen der Wucher- und Zinsgesetzgebung in Preußen-Deutschland 1850-1900, Berlin 1978, S. 187, 196 f. 9 Vgl. Pauli, Die Aufhebung der Wuchergesetze in Bremen, in: Zeitschrift für das gesammte Handelsrecht, 1859, S. 325-328. 10 Vgl. zur dortigen Gesetzgebung Goldschmidt, Gutachten (Anm. 1), S. 259 f. 11 Vgl. zur preußischen Wuchergesetzgebung: Dilcher, Zins-Wucher-Gesetzgebung (Anm. 3), S. 152 und 238-250; Buchholz, Einzelgesetzgebung (Anm. 3), S. 1763; Landau, Gesetzgebungsgeschichte (Anm. 3), S. 389-394; Fritz Blaich, Zinsfreiheit als Prob8

Kap. 6: Die Debatte über die Berechtigung von Wuchergesetzen

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Bei allen Darlehensverträgen gestattete man den Kontrahenten hingegen in Sachsen-Coburg (1860), Lübeck (1862), Frankfurt und Sachsen (1864) die freie Vereinbarung der Darlehenszinsen.12 Wenige Jahre vorher hatte zumindest der sächsische Gesetzgeber noch dezidiert den gegenteiligen Standpunkt eingenommen und sich im Entwurf zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Königreich Sachsen von 1860 zugunsten eines im Regelfall sechs Prozent betragenden Zinsmaximums entschieden.13 Dieses fehlte in der endgültigen Fassung der 1863 erlassenen Zivilrechtskodifikation, die nur den Verweis aufnahm, dass besondere Gesetze die zulässige Höhe der Darlehenszinsen bestimmen. Mit dem Verweis war allerdings schon bei Inkrafttreten des Sächsischen Bürgerlichen Gesetzbuchs im Jahre 1865 keine Einschränkung der Zinsvereinbarungen der Parteien verbunden, da man zuvor mit dem Gesetz vom 24. Oktober 1864 sämtliche Wuchergesetze außer Kraft gesetzt hatte.14 Auch das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch von 1861 überließ den Vertragsparteien die Festlegung der Zinsen, wenn der Zinsschuldner die Kaufmannseigenschaft besaß.15 Mit der sukzessiven Einführung der handelsrechtlichen Kodifikation in den einzelnen deutschen Staaten setzte sich somit die schon bisher von einigen Partikularrechten anerkannte Unanwendbarkeit der Wuchergesetze auf Kaufleute nunmehr allgemein durch.16 Ebenfalls 1861 schritt das Königreich Bayern zur Freigabe der Darlehenszinsen, die allerdings deutlich verhaltener als in anderen deutschen Staaten ausfiel. Denn das neue bayerische Strafgesetzbuch, das die Kodifikation Feuerbachs aus dem Jahre 1813 ablöste, enthielt zwar keinen Straftatbestand des Wuchers mehr; jedoch stellte der Gesetzgeber in dessen Einführungsgesetz ausdrücklich klar, dass man die zivilrechtlichen Wucherregelungen weiterhin beizubehalten gedachte.17 ___________ lem der deutschen Wirtschaftspolitik zwischen 1857 und 1871, in: Schmollers Jahrbuch für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, 1971, S. 269-306, hier: S. 277 ff. und 299 ff. 12 Abgedruckt sind die Gesetze der genannten Staaten bei Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 137-142. 13 Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Sachsen, Dresden 1860 (Nachdruck: Frankfurt a.M. 1986), § 694, Satz 2. 14 Landau, Gesetzgebungsgeschichte (Anm. 3), S. 395. 15 Geregelt in Art. 292 II ADHGB. – Vgl. dazu: Dilcher, Zins-Wucher-Gesetzgebung (Anm. 3), S. 237 f.; Blaich, Zinsfreiheit (Anm. 11), S. 283 ff. 16 Vgl. zur Ausnahmestellung der Kaufleute in der bisherigen Gesetzgebung zuletzt Kap. 5, IV. 17 Art. 2 Ziff. 5) Einführungsgesetz, zu finden bei: Melchior Stenglein, Commentar über das Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern und das Gesetz über die Einführung des Strafgesetzbuches und des Polizei-Strafgesetzbuches, Bd. 1, München 1861 (Nachdruck: Frankfurt a.M. 1989), S. 23 f.; Ludwig Weis, Das Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern sammt dem Gesetze vom 10. November 1861 zur Einführung des Strafge-

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Kap. 6: Die Debatte über die Berechtigung von Wuchergesetzen

Im Zuge dieser gesetzgeberischen Reformbestrebungen rückten die Wuchergesetze auch in den Blickpunkt des theoretischen Diskurses: Zahlreiche Monographien, die sich mit der Berechtigung staatlicher Zinsreglementierungen auseinander setzten, erschienen ab der Mitte des 19. Jahrhunderts, um den Gang der Gesetzgebung zu beeinflussen. Die Aktualität des Themas spiegelte sich jedoch nicht nur in einer intensiven publizistischen Reformdebatte wieder. Vielmehr prägte es ebenfalls die Zusammenkünfte von Berufs- und Interessenverbänden, die wie etwa der Kongress Deutscher Landwirte 1879 und im folgenden Jahr die Generalversammlung der Steuer- und Wirtschaftsreformer – um nur zwei Beispiele herauszugreifen – zur Wuchergesetzgebung Stellung bezogen.18 Bereits im August 1867 hatte sich zudem der Deutsche Juristentag der Frage angenommen, ob Wuchergesetze aufgehoben oder beibehalten werden sollten.19 Die der Diskussion zugrunde liegenden Gutachten, die zum einen von Levin Goldschmidt als Repräsentanten der Wissenschaft, zum anderen vom sächsischen Advokaten Wilhelm Michael Schaffrath als Vertreter der Rechtspraxis stammten, beantworteten sie einhellig zugunsten der Abschaffung der Wuchergesetze.20 Auch im Übrigen überwogen zu dieser Zeit zunächst die Kritiker der Wuchergesetze; gegen Ende des 19. Jahrhunderts mehrte sich indes die Zahl der Befürworter. Im Folgenden ist daher den Argumenten nachzugehen, die man in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts für und wider ein solches gesetzgeberisches Eingreifen im Kreditwesen anführte (I.). Um einer staatlichen Wuchergesetzgebung die Berechtigung abzusprechen, nahm man häufig die in den einzelnen deutschen Staaten bisher geltenden Strafgesetze gegen den Wucher in den Blick. Für diese fehlte es nämlich aus Sicht der Gegner von Wuchergesetzen bereits an einem Regelungsbedürfnis; hinzu kam in ihren Augen die mangelnde Bestimmtheit der Tatbestandsmerkmale, wenn der Gesetzgeber die ___________ setzbuchs und des Polizeistrafgesetzbuchs, Bd. 2, Nördlingen 1865, S. 314, vgl. auch die Erläuterungen auf S. 317 f. 18 Die auf beiden angesprochenen Zusammenkünften gehaltenen Vorträge wurden später veröffentlicht: Carl von Thüngen-Roßbach, Die Wucher- und Wechselfrage, Berlin 1879 referierte zu diesem Thema auf dem 10. Kongress Deutscher Landwirte in Berlin am 25. Februar 1879, Julius von Mirbach-Sorquitten, Zur Währungs- und Wucherfrage, Berlin 1880, S. 32 auf der am 16. Februar 1880 abgehaltenen GeneralVersammlung der Steuer- und Wirtschaftsreformer. – Vgl. zur Haltung weiterer Berufsund Interessenverbände zur Wuchergesetzgebung: Blaich, Zinsfreiheit (Anm. 11), S. 279-283. 19 Zweite Sitzung der ersten und zweiten Abtheilung am 28. August 1867, in: Verhandlungen des Sechsten Deutschen Juristentages, Bd. 3, Berlin 1868, S. 82-129, hier: S. 82-117. 20 Vgl. Goldschmidt, Gutachten (Anm. 1); Wilhelm Michael Schaffrath, Gutachten zur Gesetzgebungsfrage, betreffend die Aufhebung der Wuchergesetze, in: Verhandlungen des Sechsten Deutschen Juristentages, Bd. 1, Berlin 1865, S. 395-421.

I. Gesetzliche Zinsbeschränkung versus Zinsfreiheit

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Ausnutzung von Not oder Leichtsinn des Darlehensnehmers zum Anknüpfungspunkt für eine Strafbarkeit wegen Wuchers wählte. Dieser Einwand treffe ebenso auf Wuchergesetze zu, die den verschleierten oder gewohnheitsmäßigen Wucher unter Strafe stellten. Anders als man es erwarten würde, bezweifelten aber nicht nur Anhänger der Zinsfreiheit die Vereinbarkeit einer staatlichen Wuchergesetzgebung mit dem Bestimmtheitserfordernis: Auch Befürworter von Wuchergesetzen erhoben gegen deren Ausgestaltung in einigen deutschen Staaten den Vorwurf der Unbestimmtheit (II.). Angesichts dieser Kritik stellt sich umso mehr die Frage, welche Tatbestandsvoraussetzungen die Wuchergesetze aus Sicht ihrer Befürworter zukünftig aufweisen und für welche Vertragsarten sie anwendbar sein sollten (III.). Die Forderung nach Wuchergesetzen wurde selten isoliert erhoben, sondern stand regelmäßig im Zusammenhang mit der Begrenzung der Wechselfähigkeit: Deren schrankenlose Ausdehnung war den Verfechtern staatlicher Wuchergesetze nämlich ein Dorn im Auge, da ihnen der Wechsel geradezu prädestiniert erschien, um diese mühelos zu umgehen (IV.). Demgegenüber standen die Anhänger der Zinsfreiheit zumeist nicht nur Wuchergesetzen, sondern jeglicher staatlicher Intervention im Kreditwesen argwöhnisch gegenüber, die zur Steuerung der Zinsvereinbarungen der Parteien ergriffen wurde (V.).

I. Gesetzliche Zinsbeschränkung versus Zinsfreiheit I. Gesetzliche Zin sbeschränkung versus Zinsfreiheit

Blickt man im Einzelnen auf die Begründungen, die zur Legitimation der Forderung nach Abschaffung bzw. Beibehaltung von Wuchergesetzen dienten, so fällt auf, dass es den Autoren in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht mehr genügte, ihre Ansicht auf eine plausible theoretische Grundlage zu stellen. Vielmehr gewann es zunehmend an Bedeutung, diese mit praktischen Erfahrungswerten, die unter Geltung der Wuchergesetze bzw. zu Zeiten einer freien Vereinbarung der Darlehenszinsen durch die Vertragschließenden gesammelt wurden, zu untermauern (1.). Um die Überzeugungskraft der eigenen Auffassung zu steigern, rezipierte man außerdem die Argumentation namhafter Befürworter bzw. Kritiker der Wuchergesetze. Als solche galten den Zeitgenossen insbesondere Adam Smith und Jeremy Bentham, deren Auseinandersetzung um die Kreditvergabe an Verschwender und „Projektenmacher“21 weiterhin bei der Frage, ob die Außerkraftsetzung oder Fortgeltung der Wuchergesetze vorzugswürdiger sei, zur Sprache kam (2.). Verschwender und „Projektenmacher“ blieben indes nicht die einzige Gruppe von Darlehensnehmern, der in der Debatte über die Berechtigung von Wuchergesetzen besondere Aufmerksamkeit ___________ 21 Vgl. zu den Ansichten von Smith und Bentham, insbesondere zu deren Verständnis des Begriffs “projectors”, den die Autoren der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Regel mit „Projektenmacher“ übersetzten: Kap. 2, I.

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Kap. 6: Die Debatte über die Berechtigung von Wuchergesetzen

geschenkt wurde. Gleiches galt für Landwirte, denen die Befürworter von Wuchergesetzen zinsgünstige Kredite verschaffen wollten (3.). Verzichte der Staat hingegen auf eine Intervention im Kreditwesen, befürchteten sie – abgesehen von Nachteilen für die Grundeigentümer – eine schwerwiegende Schädigung des Rechtsempfindens der Bevölkerung; dies drohte indes aus Sicht der Gegner von Wuchergesetzen bei deren Beibehaltung (4.). Anlass zur Kritik an Wuchergesetzen bot letzteren zudem, dass diese nicht ausnahmslos für alle Darlehensverträge Geltung beanspruchten, sondern einigen Darlehensvertragsparteien die freie Vereinbarung der Zinshöhe zugestanden wurde (5.).

1. Lehren aus der Geschichte der Zinswuchergesetzgebung Ersichtlich widerwillig setzte sich der konservative preußische Justizrat Herrmann Wagener im Jahre 1866 mit dem gegen Wuchergesetze erhobenen Einwand auseinander, dass sich nicht die Intervention des Gesetzgebers, sondern die freie Vereinbarung der Darlehenszinsen durch die Vertragschließenden historisch bewährt habe. Denn von einer Berufung auf „einzelne Erfahrungen und [...] statistische Daten“ versprach er sich kaum Erkenntnisgewinne bei der Beantwortung der Frage, ob man Wuchergesetze aufheben oder beibehalten sollte, weil in solchen geschichtlichen Bezügen „Jeder zu finden pflegt, was er sucht“22. Wageners Zeitgenossen teilten seine Einschätzung zumeist nicht: Vielmehr spielten historische Argumentationsansätze zur Rechtfertigung des Votums für oder gegen staatliche Wuchergesetze seit der Mitte des 19. Jahrhunderts eine erhebliche Rolle.23 Die Hinwendung zur Geschichte prägte aber nicht nur die Debatte über die Berechtigung von Wuchergesetzen, sondern durchzog im 19. Jahrhundert ganze Wissenschaftsdisziplinen:24 Mit dem Aufstieg der Historischen Rechtsschule wurde die Rechtswissenschaft nach geschichtlicher Methode betrieben;25 in der Wirtschaftstheorie verknüpfte die his___________ 22

Herrmann Wagener, Art. „Wucher und Zinsen“, in: ders. (Hg.), Staats- und Gesellschafts-Lexikon, Bd. 22, Berlin 1866, S. 434-452, hier: S. 444. 23 Ähnlich wie Wagener relativierte indessen auch Julius Glaser, Ueber die Aufhebung der Wuchergesetze, in: Jahrbücher für Gesellschafts- und Staatswissenschaften, 1864, S. 506-531, hier: S. 511 den Aussagewert historischer Erfahrungswerte, obwohl er auf diese dennoch nicht verzichten wollte: „Die Erfahrungen der Geschichte nun werden von jeder der beiden Parteien zu ihren Gunsten angerufen. [...] Angesichts dieses unentschiedenen Kampfes mit Gründen und Gegengründen bleibt dem unparteiischen Urtheiler nur übrig, die Resultate der Erfahrung in dieser Frage als unsicher und schwankend zu erklären und deshalb von dem Zeugniß der Geschichte zu abstrahiren“. 24 Zum geschichtlichen Denken in den verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen vgl. Annette Wittkau, Historismus, Göttingen 1982, S. 11-107. 25 Vgl. z.B. Adolf Laufs, Rechtsentwicklungen in Deutschland, 6. Aufl., Berlin 2006, S. 226-237; Michael Stolleis, Die Historische Schule und das öffentliche Recht, in: ders.

I. Gesetzliche Zinsbeschränkung versus Zinsfreiheit

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torische Schule nationalökonomische Prinzipien mit geschichtlichen Erfahrungswerten.26 Auch das Naturrecht blieb – entgegen einer verbreiteten Forschungsperspektive – nicht unbeeinflusst vom historischen Denken, sondern griff zumindest in einigen Punkten durchaus auf Geschichtserkenntnisse zurück.27 Angesichts der darin zum Ausdruck kommenden Erstarkung der Geschichtswissenschaft im 19. Jahrhundert verwundert es nicht, dass auch in der Diskussion über die Abschaffung bzw. Beibehaltung der Wuchergesetze verstärkt historische Betrachtungen angestellt wurden.28 So verfolgten manche Autoren die Geschichte der Zinswuchergesetzgebung bis in die Antike zurück, um die Erfahrungen, die unter gesetzlichen Zinsbeschränkungen oder dem Verzicht auf diese gemacht wurden, als historische Bestätigung ihrer eigenen Auffassung über die Berechtigung von Wuchergesetzen heranzuziehen.29 Die Befürworter der Wuchergesetze beklagten dementsprechend deren Fehlen in der frühen römischen Gesetzgebung, worin sie die Ursache für die zu jener Zeit hohen Zinsen erblickten.30 Belehrt durch die „aus der ursprünglichen Zinsfreiheit erwachsenen öffentlichen und privaten Leiden hat das Römische Recht“, so meinte Peter Franz Reichensperger, Zentrumsab___________ (Hg.), Die Bedeutung der Wörter. Festschrift für Sten Gagnér zum 70. Geburtstag, München 1991, S. 495-508. 26 S.o. unter Kap. 5, III. 27 Vgl. dazu, auch mit Nachweisen zur Gegenansicht: Jan Rolin, Der Ursprung des Staates. Die naturrechtlich-rechtsphilosophische Legitimation von Staat und Staatsgewalt im Deutschland des 18. und 19. Jahrhunderts, Tübingen 2005, S. 101-109; Diethelm Klippel, Die Historisierung des Naturrechts. Rechtsphilosophie und Geschichte im 19. Jahrhundert, in: Jean François Kervégan und Heinz Mohnhaupt (Hg.), Recht zwischen Natur und Geschichte. Le droit entre nature et histoire, Frankfurt a.M. 1997, S. 103-124, hier: S. 106-112. 28 Zur Heranziehung von Erfahrungswerten in der Wucherdebatte vgl. Dilcher, ZinsWucher-Gesetzgebung (Anm. 3), S. 222 ff. und 227 f. 29 Hingegen lehnten Schaffrath, Gutachten (Anm. 20), S. 415; Schober, Bundesgesetz (Anm. 4), S. 32 und Karl Theodor Eheberg, Ueber den gegenwärtigen Stand der Wucherfrage, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirthschaft im Deutschen Reich, 1880, Heft 1, S. 55-78, hier: S. 55 f. ein Eingehen insbesondere auf die römische Gesetzgebung ab, da sich die maßgeblichen wirtschaftlichen Verhältnisse in der Zwischenzeit entscheidend verändert hätten, so dass keine gemeinsame Vergleichsgrundlage mit der aktuellen Diskussion gegeben sei. Vgl. auch Friedrich vom Mährenschutz, Die Wuchergesetze sind ebenso „demoralisirend, gemeinschädlich und verwerflich,“ als eines mündigen Volkes unwürdig, Frankfurt a.M. 1861, S. 25. 30 Theobald Rizy, Ueber Zinstaxen und Wuchergesetze, Wien 1859, S. 36; Peter Franz Reichensperger, Gegen die Aufhebung der Zinswuchergesetze, Berlin 1860, S. 17; Glaser, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 23), S. 507. – Zwei Kritiker der Wuchergesetze, Karl Braun und Max Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze vom Standpunkte der Volkswirthschaft, der Rechtswissenschaft und der legislativen Politik beleuchtet, Mainz 1856, S. 100 f., bemühten sich daher zur Verteidigung ihrer Ansicht um den Beweis, dass nicht der Verzicht auf Wuchergesetze, sondern u.a. das noch nicht ausgebildete Hypothekenwesen die damaligen hohen Zinsen verursacht habe.

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geordneter im preußischen Landtag und im Reichstag, „die praktische Nothwendigkeit der Zinsbeschränkungen niemals mehr verkannt“31. Diese hätten jedoch keineswegs niedrigere Darlehenszinsen bewirkt, so konterten die Gegner von Wuchergesetzen, sondern häufig genug nur Anlass zur Gesetzesumgehung gegeben: Widersprachen nämlich die Zinsreglementierungen den ökonomischen Gegebenheiten, so seien sie bei den Römern unbeachtet geblieben.32 Dem Römischen Reich habe folglich nicht das Einsetzen der Wuchergesetzgebung, so betonten deren Kritiker, sondern erst das Aufblühen der Wirtschaft sinkende Darlehenszinsen beschert.33 Diese positive Entwicklung sei indes unter Justinian abrupt beendet worden: Mit der Festlegung des Zinsmaximums auf sechs Prozent „krönt endlich Justinian“, heißt es etwa bei Goldschmidt, „die rückschreitende Bewegung“ im römischen Recht „in dieser späteren Zeit der tiefsten staatlichen und wirthschaftlichen Zerrüttung“34. Justinians „legislativen Experimente“ galten ihm daher als die „ersten Schritte auf dem abschüssigen Wege, dessen Ziel das Kanonische Verbot alles Zinsennehmens bezeichnet“35. Es bewies für die Verfechter der Zinsfreigabe nicht minder deutlich als die römische Geschichte, dass sich die Zinsvereinbarung der Vertragschließenden keiner obrigkeitlichen Reglementierung unterwerfen lasse. Statt unentgeltlicher Kreditverträge seien nur Umgehungen des Verbots mitsamt einer Erhöhung des üblichen Zinsfußes zu beobachten gewesen,36 so dass „selbst im Vaterlande des canonischen Rechts, in ___________ 31

Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), S. 18. Vgl. Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 103-106, 109 f., 115; Albert Berndt, Die Wucher-Gesetze und ihre Aufhebung, Berlin 1857, S. 15 ff.; Karl Pfeifer, Gegen die Schrift des Dr. Theobald Rizy: Ueber Zinstaxen und Wuchergeseze, Stuttgart 1859, S. 24 f. 33 Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 112: „Mit der steigenden volkswirthschaftlichen Kultur ermäßigte sich der Zinsfuß, ohne daß man ihm durch s.g. ‚Wuchergesetze‘ dabei nachhalf“; vgl. zudem Goldschmidt, Gutachten (Anm. 1), S. 228 f.; ders., Art. „Wucher und Wuchergesetze“, in: Johann Caspar Bluntschli und Karl Brater (Hg.), Deutsches Staats-Wörterbuch, Bd. 11, Stuttgart und Leipzig 1870, S. 219-229, hier: S. 221. 34 Goldschmidt, Gutachten (Anm. 1), S. 229; fast identisch: ders., Art. „Wucher und Wuchergesetze“ (Anm. 33), S. 221 f.; vgl. auch: Braun / Wirth, Die Zins-WucherGesetze (Anm. 30), S. 112 f. – Zu den Höchstzinsfestsetzungen des Corpus iuris civilis s.o. unter Kap. 1, VII. 35 Goldschmidt, Gutachten (Anm. 1), S. 230; ähnlich: ders., Art. „Wucher und Wuchergesetze“ (Anm. 33), S. 222 und Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 113, nach denen Justinians Zinsgesetzgebung „offenbar von dem mildthätigen, dem Zinsennehmen überhaupt feindseligen Geiste des Christenthums beseelt ist“. 36 Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 117 ff.; Max Wirth, Grundzüge der National-Oekonomie, Bd. 2, 2. Aufl., Köln 1861, S. 331 f.; Berndt, Wucher-Gesetze (Anm. 32), S. 22 ff.; Goldschmidt, Gutachten (Anm. 1), S. 230 f.; ders., Art. „Wucher und Wuchergesetze“ (Anm. 33), S. 223; vgl. auch Mährenschutz, Die Wuchergesetze (Anm. 29), S. 5 f. – Unter den Anhängern der Wuchergesetze maßen Ri32

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Italien“, die Darlehenszinsen im Mittelalter „zu immer größerer Höhe heranw[u]chsen“37. Während sich die Gegner von Wuchergesetzen zur Bekräftigung ihrer Auffassung auf die negativen Erfahrungen mit dem kanonischen Zinsverbot stützten, verwiesen die Befürworter auf das Wucherpatent Josephs II. Sie sahen in diesem nämlich die Forderung nach Abschaffung der Wuchergesetze verwirklicht, die sich jedoch für die Habsburgermonarchie alles andere als vorteilhaft erwiesen und nur zur Steigerung der Zinsgewinne der Darlehensgeber Gelegenheit geboten habe. Das österreichische Patent aus dem Jahre 1787 empfanden sie mithin als die Verwirklichung eines „großen national-ökonomischen Dramas“38, dem erst im Jahre 1803 mit dem Erlass eines neuen Wuchergesetzes ein Ende bereitet worden sei.39 Demgegenüber stellten die Kritiker von Wuchergesetzen klar, dass Joseph II. diese nie vollständig außer Kraft setzte, sondern nur auf eine Bestrafung des Zinswuchers verzichtete, so dass von einer Umsetzung ihrer Forderungen und deren Misserfolg von vornherein keine Rede sein könne.40 Hinzu kam aus ihrer Sicht, dass dieser gesetzgeberische Schritt unter ungünstigen Rahmenbedingungen in einem „an Kapital und Unternehmungsgeist gleich armen und von jeher an einem zerrütteten Finanzsystem ___________ zy, Ueber Zinstaxen (Anm. 30), S. 49 und Glaser, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 23), S. 508 dem kanonischen Zinsverbot einen schädlichen Einfluss auf das Kreditwesen bei, während Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), S. 21 aus dem „vielhunderjährigen Bestande“ des Zinsverbots den Schluss zog, dass es dem „wirklichen Bedürfnisse der Völker entsprochen haben müsse“. 37 Berndt, Wucher-Gesetze (Anm. 32), S. 23 f. 38 Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), S. 23. 39 Rizy, Ueber Zinstaxen (Anm. 30), S. 101 f. und 165; Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), S. 22 f.; Glaser, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 23), S. 510; Hermann Roesler, Grundsätze der Volkswirthschaftslehre, Rostock 1864, S. 497; Thüngen-Roßbach, Wucher- und Wechselfrage (Anm. 18), S. 7; Eheberg, Stand der Wucherfrage (Anm. 29), S. 57. – Vgl. zur österreichischen Wuchergesetzgebung unter Joseph II.: Kap. 3, I., 3. 40 Schaffrath, Gutachten (Anm. 20), S. 416: „Ist es bei einer solchen, die ganze civilrechtliche Wirksamkeit der Wuchergesetze aufrechthaltenden Vorschrift etwa ein Wunder, wenn man den Eintritt der erfreulichen Wirkungen, welche als die sichere Folge einer solchen Maßregel in Aussicht gestellt worden waren, vergebens erwartete?“; ferner: Pfeifer, Gegen die Schrift des Dr. Theobald Rizy (Anm. 32), S. 14 f. und 26; Goldschmidt, Gutachten (Anm. 1), S. 245; ders., Art. „Wucher und Wuchergesetze“ (Anm. 33), S. 225; Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 39; Schober, Bundesgesetz (Anm. 4), S. 33 f. – Berndt, Wucher-Gesetze (Anm. 32), S. 28, 30 f., 33, 94 sah demgegenüber die Dauer der Reform von 1787 bis 1803 als nicht lang genug an (ähnlich urteilte er auch für die Zinsfreigaben in Frankreich und Norwegen), um zu einer endgültigen Beurteilung ihres Nutzens gelangen zu können, und erntete damit bei Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), S. 27 heftige Kritik. Berndts Auffassung teilte hingegen Mährenschutz, Die Wuchergesetze (Anm. 29), S. 25.

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krankenden Lande, wie Oesterreich“41 erfolgt sei, das sich ohnehin nicht als Vergleichsmaßstab in der aktuellen Wucherdebatte eigne, da sich die wirtschaftlichen Verhältnisse inzwischen grundlegend verändert hätten.42 Unter Rechtfertigungsdruck brachte die Anhänger einer freien Vereinbarung der Darlehenszinsen aber nicht nur die österreichische, sondern auch die französische Gesetzgebung, die ebenfalls ihre anfängliche Entscheidung gegen Wuchergesetze nach kurzer Zeit revidierte. Denn Frankreich führte die im Code civil fehlende gesetzliche Zinsreglementierung bereits 1807 wieder ein, nachdem zwischenzeitlich – so konstatierten sowohl Befürworter als auch Gegner der Wuchergesetze43 – ein Anwachsen der Zinsen zu verzeichnen war. Dieses werteten einige für Wuchergesetze eintretenden Autoren als klaren Beweis des Scheiterns der Zinsfreiheit in der Praxis, der die Beibehaltung eines staatlichen Einschreitens gegen den Zinswucher nahe lege.44 Die Kritiker von Wuchergesetzen verwahrten sich entschieden gegen derartige Schlussfolgerungen, weil die Ursache für das gestiegene Zinsniveau nicht in deren Außerkraftsetzung, sondern in den instabilen Verhältnissen nach der Französischen Revolution liege.45 Die Befürworter von Wuchergesetzen hielten dagegen, dass – ebenso wie vorher in Österreich und Frankreich – auch in Norwegen „inmitten der ruhigsten, normalsten Zustände“46 die 1842 verfügte Außerkraftsetzung der Wuchergesetze höhere Darlehenszinsen und daraufhin im Jahre 1851 die Rückkehr zu ___________ 41

Goldschmidt, Gutachten (Anm. 1), S. 245. Goldschmidt, Gutachten (Anm. 1), S. 245; Schober, Bundesgesetz (Anm. 4), S. 33 f.; auf die erschwerenden Verhältnisse, unter denen das Wucherpatent Josephs II. erlassen wurde, beriefen sich zudem: Anonymus, Wuchergeseze und Zinstaxen, in: Austria, 1856, S. 305-315, hier: S. 314; Schaffrath, Gutachten (Anm. 20), S. 416 f. 43 So unter den Befürwortern der Wuchergesetze: Rizy, Ueber Zinstaxen (Anm. 30), S. 161; Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), S. 24 und 26; Glaser, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 23), S. 510; Roesler, Volkswirthschaftslehre (Anm. 39), S. 497. Gegner: Goldschmidt, Gutachten (Anm. 1), S. 246; Munzinger, Wucherfrage (Anm. 1), S. 68. 44 Vgl. Rizy, Ueber Zinstaxen (Anm. 30), S. 155-163 und 165; Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), S. 24 ff.; Glaser, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 23), S. 510; Roesler, Volkswirthschaftslehre (Anm. 39), S. 497; ferner: Johann Friedrich Merckel, Ueber den Zins-Wucher, nach dem in der bair. Pfalz geltenden franz. Gesetz vom 3. Sept. 1807 in Vergleichung mit anderen Gesetzgebungen, Heidelberg 1855, S. 20. – Zur Zinsfreigabe in Frankreich s.o. unter Kap. 4, IV., 2. 45 Munzinger, Wucherfrage (Anm. 1), S. 68; ferner: Goldschmidt, Gutachten (Anm. 1), S. 246; Schober, Bundesgesetz (Anm. 4), S. 34. – Zumindest ein Befürworter von Wuchergesetzen, nämlich Eheberg, Stand der Wucherfrage (Anm. 29), S. 57 f., schloss sich dieser Erklärung an und wollte daher nicht auf das Beispiel Frankreichs als Argument für Wuchergesetze zurückgreifen. 46 Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), S. 26. 42

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gesetzlichen Zinsbeschränkungen veranlasst habe.47 Da man die Wuchergesetze in Norwegen aber bereits 1857 erneut abschaffte, konnten die vermeintlichen Nachteile der Zinsfreiheit, so erwiderten deren Verfechter, keineswegs so gravierend gewesen sein.48 Vielmehr bilde die norwegische Gesetzgebung ein aktuelles Beispiel dafür, dass inzwischen immer mehr Staaten – allen voran England – von Wuchergesetzen Abstand nahmen. Dass sich diese Entscheidung in England bewährt habe, erschien ihnen angesichts der schrittweisen Aufgabe der Wuchergesetze im Zeitraum von 1833 bis 1854 unzweifelhaft: Die Engländer wären nicht zur nächsten Stufe der Zinsfreigabe übergegangen, wenn sich die vorausgegangene als Fehler herausgestellt hätte.49 Demgegenüber rieten die Anhänger der Gegenansicht nachdrücklich davon ab, das nahezu dem „Ideale eines nationalökonomischen Musterstaates“ entsprechende England mit seiner Abkehr von Wuchergesetzen zum Vorbild für alle anderen „minder begünstigte[n] Staaten“50 zu erklären. Angesichts der wirtschaftlichen Unterschiede ließen sich ihrer Auffassung nach die in England gemachten Erfahrungen – die zudem keineswegs so positiv ausgefallen seien, wie es die Kritiker der Wuchergesetze darstellten51 – von vornherein nicht auf andere Staaten übertragen.52 Die nunmehr zu beobachtenden negativen Entwicklungen seien hingegen unter Geltung der Wuchergesetze stets ausgeblieben, da England gerade zu dieser Zeit die größten ökonomischen Erfolge verbucht und sich dadurch die Stellung als „das reichste und blühendste Land der Erde“53 gesichert habe. Mit einem staatlichen Eingreifen im Kreditwesen schien somit ein nachhaltiger wirt___________ 47 Rizy, Ueber Zinstaxen (Anm. 30), S. 165 f.; Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), S. 26 f.; Roesler, Volkswirthschaftslehre (Anm. 39), S. 497; Glaser, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 23), S. 511: „Stürmische Klagen über allgemeine wucherliche Bedrückung zwangen jedoch die Regierung im Jahre 1851 zu abermaliger Einführung der Wuchergesetze“. 48 Goldschmidt, Gutachten (Anm. 1), S. 244 f.; Schaffrath, Gutachten (Anm. 20), S. 419; Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 39; Schober, Bundesgesetz (Anm. 4), S. 36 f. 49 Goldschmidt, Gutachten (Anm. 1), S. 249; Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 40; Schober, Bundesgesetz (Anm. 4), S. 53. Auch Pfeifer, Gegen die Schrift des Dr. Theobald Rizy (Anm. 32), S. 28 und Berndt, Wucher-Gesetze (Anm. 32), S. 41 f. gingen vom Erfolg der Aufhebung der Wuchergesetze in England aus. 50 Rizy, Ueber Zinstaxen (Anm. 30), S. 187 f. 51 Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), S. 29 f.; Friedrich Heinrich Geffcken, Zur Wucherfrage, in: Allgemeine konservative Monatsschrift für das christliche Deutschland, 1879, S. 44-57, 120-130, hier: S. 50; vgl. auch: Rizy, Ueber Zinstaxen (Anm. 30), S. 185 f.; Roesler, Volkswirthschaftslehre (Anm. 39), S. 497. 52 Rizy, Ueber Zinstaxen (Anm. 30), S. 185, 187-190; Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), S. 29. 53 Rizy, Ueber Zinstaxen (Anm. 30), S. 179, vgl. auch S. 173-178; ähnlich: ders., Zur Wucherfrage, in: Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart, 1881, S. 774-784, hier: S. 781 f.; Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), S. 29; Glaser, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 23), S. 519 f.

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schaftlicher Aufschwung erreichbar, so dass aus Sicht der Verfechter von Wuchergesetzen nicht zuletzt das englische Beispiel – ebenso wie dasjenige Österreichs, Frankreichs und Norwegens – entschieden gegen deren Außerkraftsetzung sprach.

2. Die Auseinandersetzung mit Smith und Bentham Erleichtert konstatierte Reichensperger 1860, dass die „großen Lehren der Geschichte“, die für ihn die Beibehaltung der Wuchergesetze nahe legten, „wenigstens nicht an allen Nationalökonomen spurlos vorübergegangen sind“54. Gerade die „bedeutendsten deutschen Vertreter jener Wissenschaft, Rau und Roscher“55 ließen sie nicht außer Acht, so Reichensperger, indem sie durchaus Bedenken gegen den Verzicht auf Wuchergesetze anmeldeten.56 Ebenso wie Reichensperger verwiesen auch andere Befürworter von Wuchergesetzen auf Rau und Roscher als die renommiertesten zeitgenössischen Wirtschaftswissenschaftler, um der im 19. Jahrhundert in erster Linie von der Nationalökonomie ausgehenden Kritik an Wuchergesetzen die Grundlage zu entziehen.57 Rau und Roscher sahen nämlich wegen der von ihnen als Misserfolg bewerteten Abschaffung der Wucherstrafgesetze unter Joseph II. einer freien Zinsvereinbarung zumindest nicht uneingeschränkt optimistisch entgegen.58 Diese bei beiden anklingenden Zweifel rückte man nunmehr – unter Ausblendung von Raus und Roschers grundsätzlichem Votum gegen Wuchergesetze – in den Vordergrund und setzte sie als Argument für deren Beibehaltung ein. „Unsere bewährtesten Oekonomisten, Rau [...] und Roscher [...] stimmen darin überein“, betonte daher etwa Hermann Roesler, Ordinarius für Staatswissenschaften an der Rostocker Universität, „daß die Aufhebung der Zinsgesetze nicht durchaus ___________ 54

Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), S. 30. Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), S. 30. 56 Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), S. 30 f. und 59 f. 57 Vgl. Rizy, Ueber Zinstaxen (Anm. 30), S. 15, 18-24, 28 f., 218, 242; ders., Wucherfrage (Anm. 53), S. 782 f.; Roesler, Volkswirthschaftslehre (Anm. 39), S. 497; Eheberg, Stand der Wucherfrage (Anm. 29), S. 60: „Merkwürdiger Weise berief man sich zu Gunsten der Aufhebung der Wuchergesetze damals allgemein auf die Lehren der Nationalökonomie als die herrschenden, fast ausnahmslos geltenden, obwohl Rau und Roscher eine Beseitigung der Wuchergesetze keineswegs als unter allen Umständen segensreich erklärt hatten“, 67 f.; Leopold Caro, Der Wucher. Eine socialpolitische Studie, Leipzig 1893, S. 31 f. – Schaffrath, Gutachten (Anm. 20), S. 395 f. kritisierte, dass man sich gerade auf Rau und Roscher zur Bekräftigung des Plädoyers für Wuchergesetze stützte, da diese aus seiner Sicht prinzipiell die gegenteilige Auffassung vertraten. Vgl. ferner: Karl Knies, Geld und Credit, Bd. 2, 1. Teilband, Berlin 1876 (Nachdruck: Leipzig 1931), S. 360 f. 58 S.o. Kap. 5, III. 55

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rathsam sei und sich nicht unter allen Umständen bewährt habe“59. Der Vizepräsident des österreichischen Oberlandesgerichts Theobald Rizy rechnete Rau sogar zu den Befürwortern von Wuchergesetzen60 und verschwieg damit wohlweislich, dass Rau nur dann ein gesetzliches Zinsmaximum einführen wollte, wenn die Freigabe der Darlehenszinsen wucherische Verträge nicht zu verhindern vermochte. Rau und Roscher blieben nicht die einzigen Autoritäten, die man zur Entkräftung der Forderung nach Aufhebung der Wuchergesetze anführte. Dasselbe galt für Adam Smith, der, „wie sehr er auch überall das ungehemmte Walten der auf die Gütererzeugung einfließenden Momente [...] bevorwortet“, schrieb Rizy im Jahre 1859, „dennoch die gesetzliche Beschränkung des Zinsfußes anzutasten sich nicht entschließen konnte“61. Ohne ein solches Eingreifen des Gesetzgebers, so befürchteten einige Verteidiger der Wuchergesetze im Anschluss an Adam Smith, gelangten Kredite nicht in die Hände solider Kapitalsuchender, sondern unseriöser Verschwender und „Projektenmacher“62, weil sie den Geldeignern die höchsten Zinsgewinne in Aussicht stellten. Wuchergesetze fungierten folglich „gleich einem Schutzzoll für die soliden Unternehmungen“63, damit die Geldeigner nicht dem Reiz immenser Zinsforderungen erlagen und daraufhin ihre Kapitalien vorrangig Verschwendern bzw. „Projektenmachern“ anvertrauten.64 Diese Steuerung der Auswahl des Kreditempfängers durch den Ge___________ 59

Roesler, Volkswirthschaftslehre (Anm. 39), S. 497. Vgl. Rizy, Ueber Zinstaxen (Anm. 30), S. 28 f. 61 Rizy, Ueber Zinstaxen (Anm. 30), S. 170; lobend auf Smith verweist z.B. auch Karl von Vogelsang, Zur Wucherfrage [1879], in: Erwin Bader, Karl v. Vogelsang. Die geistige Grundlegung der christlichen Sozialreform, Wien 1990, S. 268-275, hier: S. 268: „Der anständige Liberalismus, wie er uns in der Person des geistvollen Adam Smith [...] entgegentritt [...] gibt zu, dass der Natur Schranken gezogen werden dürften und müssten“. – Vgl. zur Verteidigung der Wuchergesetze durch Smith: Kap. 2, I. 62 Die zitierte Variante legten – als Übersetzung des von Smith benutzten und von Bentham übernommenen Begriffs “projectors” – etwa Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), S. 35 ff. und Goldschmidt, Gutachten (Anm. 1), S. 241 zugrunde. Demgegenüber hielt sich z.B. Rizy mit Verwendung der Schreibweise „Projectmacher“ exakt an die deutsche Übersetzung von Benthams “Defence of usury”, die Johann August Eberhard 1788 unter dem Titel „Vertheidigung des Wuchers, worin die Unzuträglichkeit der gegenwärtigen gesetzlichen Einschränkungen der Bedingungen beim Geldverkehr bewiesen wird“ veröffentlicht hatte – vgl. Rizy, Ueber Zinstaxen (Anm. 30), S. 233 f. 63 Roesler, Volkswirthschaftslehre (Anm. 39), S. 496. 64 Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), S. 13 ff., 35 ff., 41; Roesler, Volkswirthschaftslehre (Anm. 39), S. 492-496; Wagener, Art. „Wucher und Zinsen“ (Anm. 22), S. 446 f.; vgl. außerdem Heinrich Pesch, Zinsgrund und Zinsgrenze, in: Zeitschrift für katholische Theologie, 1888, S. 36-74, 393-418, hier: S. 418. – Zur Diskussion der Befürworter und Gegner von Wuchergesetzen über den Krediterhalt von Verschwendern und „Projektenmachern“ vgl. Blaich, Zinsfreiheit (Anm. 11), S. 287 f.; zur Vorbildwirkung Adam Smiths für Reichensperger vgl. zudem Hermann Wendorf, 60

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Kap. 6: Die Debatte über die Berechtigung von Wuchergesetzen

setzgeber hielt man für notwendig, da die verfügbare Anzahl von Krediten nicht ausreiche, um der Nachfrage gerecht zu werden.65 Dem entgegneten einige Kritiker von Wuchergesetzen, dass nicht einmal hinreichend klar sei, wen deren Befürworter unter der Bezeichnung Verschwender und „Projektenmacher“ vom Krediterhalt ausschließen wollten. Deren bloße Charakterisierung als unsolide Darlehensnehmer, die unter Geltung eines moderaten Zinsmaximums keine Kredite bekämen, empfanden sie als viel zu ungenau, um ein gegen Verschwender und „Projektenmacher“ gerichtetes Einschreiten des Gesetzgebers zu rechtfertigen.66 Zudem schade die Beibehaltung der Wuchergesetze gerade soliden Darlehenssuchenden, indem sie die Zahl der angebotenen Kredite verringere.67 Denn gesetzestreue Geldeigner seien beim Bestehen von Wucherverboten eher geneigt, ihr Vermögen ungenutzt zu verwahren, als es gegen die niedrigen gesetzmäßigen Zinsen zur Kreditgewährung zu verwenden und sich dadurch dem Risiko des Kapitalverlustes auszusetzen. Deren Gelder kämen jedoch zur Darlehensvergabe zum Einsatz und vergrößerten mit zinssenkender Wirkung das Kreditangebot, sobald sich der Staat jeder Zinsreglementierung enthalte.68 Den Befürwortern von Wuchergesetzen schien diese Argumentation hingegen sowohl unplausibel, da jeder rational handelnde Geldeigner lieber geringere Zinsgewinne realisiere, als darauf ___________ Die Fraktion des Zentrums (Katholische Fraktion) im preussischen Abgeordnetenhause 1859 bis 1867, Erfurt 1914, S. 58 f. 65 Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), S. 33 und 35. 66 Vgl. Schaffrath, Gutachten (Anm. 20), S. 404 sowie Munzinger, Wucherfrage (Anm. 1), S. 67. – Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), S. 37 verteidigte hingegen explizit diese von den Gegnern der Wuchergesetze als zu wenig aussagekräftig kritisierte Definition. 67 Vgl. Hermann Rentzsch, Der Staat und die Volkswirthschaft. Eine Parallele zwischen den leitenden Grundsätzen der bestehenden Gesetzgebungen und den zeitgemäßen Forderungen der Volkswirthschaftslehre, Leipzig 1863, S. 140 f.; Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 17 ff.; Munzinger, Wucherfrage (Anm. 1), S. 67; N. H. Neumann, Die Aufhebung des Proletariats mit Rücksicht auf Credit-Gesetze, WucherGesetze und Armen-Verwaltung, 2. Aufl., Berlin 1877, S. 38 f. – Für den Krediterhalt von Verschwendern und „Projektenmachern“ spiele es hingegen keine Rolle, so auch Pfeifer, Gegen die Schrift des Dr. Theobald Rizy (Anm. 32), S. 18 f. und Heinrich Jaques, [Diskussionsbeitrag als Referent im Rahmen der zweiten Sitzung der ersten und zweiten Abteilung am 28. August 1867], in: Verhandlungen des Sechsten Deutschen Juristentages, Bd. 3, Berlin 1868, S. 82-102 und 112-116, hier: S. 93 ff., ob Wuchergesetze bestanden oder nicht. 68 Vgl. Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 86 ff. und 206-210; Wirth, National-Oekonomie (Anm. 36), S. 328 f.; Berndt, Wucher-Gesetze (Anm. 32), S. 55 und 71; ders., Der Kredit für den ländlichen Grundbesitz, Berlin 1858, S. 53; Goldschmidt, Gutachten (Anm. 1), S. 241 ff.; Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 17 ff.; Neumann, Wucher-Gesetze (Anm. 67), S. 37 ff. – Vgl. dazu: Dilcher, Zins-Wucher-Gesetzgebung (Anm. 3), S. 226 und 228.

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ganz zu verzichten,69 als auch in sich widersprüchlich: Wenn vielen Geldeignern nämlich die gesetzmäßigen Zinsen nicht zureichten, wie es die Anhänger der Gegenansicht behaupteten, dann könne doch nur die Aussicht höherer Zinsforderungen sie zur Darlehensvergabe bewegen. Ein höheres Zinsniveau schlossen aber aus ihrer Sicht die Gegner von Wuchergesetzen von vornherein dadurch aus, dass sie deren Außerkraftsetzung mit der Erwartung niedrigerer Darlehenszinsen verbanden.70 Der Verzicht auf Wuchergesetze bewirke daher keine Veränderungen im Umfang des Kreditangebots, sondern beeinflusse nur die Entscheidung über die Person des Geldsuchenden, die in den Genuss des Darlehens kommen sollte. Indem dies bereits Adam Smith, der „Schöpfer der modernen Nationalökonomie“71, angenommen habe, dem man schwerlich vorwerfen könne, dass sein Votum den „von ihm selbst eruirten nationalökonomischen Grundsätze[n]“72 widerspreche, wiesen die Befürworter von Wuchergesetzen wirtschaftliche Einwände vehement zurück. Smiths Rechtfertigung einer staatlichen Zinsregulierung sahen indessen manche ihrer Kritiker nicht mehr als zeitgemäß an. So bestritt Schaffrath, dass Smiths nationalökonomisches Konzept in diesem Punkt noch „den gegenwärtigen Stand der Wissenschaft wiederspiegele“, weil die Anerkennung der Zinsfreiheit gerade zu den „nothwendigen Folgerungen aus den von ihm selbst aufgestellten Principien“ – nämlich denen des unbeschränkten Wettbewerbs – zähle.73 Goldschmidt empfand es sogar als unzumutbar, erneut den Gegenbeweis „auf die längst zur Genüge widerlegte Aeußerung A. Smith’s“74 über die Kreditvergabe an Verschwender und „Projektenmacher“ anzutreten, den zuerst ___________ 69

Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), S. 41; Glaser, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 23), S. 513 f.: „Mag es immerhin hier und da einen Sonderling, einen Filz geben, welcher aus närrischer Besorgniß, sein Capital einzubüßen, dasselbe verschließt, und dabei gern auf die Genüsse verzichtet, welche ihm eine rentable Anlage seines Capitals verschaffen würde, aber die Zahl dieser Narren ist unzweifelhaft so gering, daß ihr Erscheinen auf dem Darlehnsmarkte gewiß nicht den allergeringsten Einfluß auf den Darlehnszinsfuß ausüben würde“, 518. 70 Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), S. 47: Die von den Gegnern der Wuchergesetze behauptete Bereitstellung von mehr Krediten bei deren Außerkraftsetzung „kann ja als eine eben, auf Ermäßigung des Zinsfußes hinwirkende Steigerung des Angebotes nicht einmal gelten, da ja jene fiktiven Kapitalien sich schon jetzt nicht mit dem erlaubten Zinse von 5 und 6 pCt. begnügen, denselben vielmehr schlechthin verschmähen, mithin nach Aufhebung der Wuchergesetze doch wohl noch weniger dazu dienen können, den Zinsfuß unter jenen Satz herabzudrücken“; Glaser, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 23), S. 514 f.; Wagener, Art. „Wucher und Zinsen“ (Anm. 22), S. 444 f. 71 Rizy, Ueber Zinstaxen (Anm. 30), S. 170 und 246. 72 Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), S. 15. 73 Schaffrath, Gutachten (Anm. 20), S. 396 und ergänzte: „Mit nicht viel geringerem Rechte hätten sie sich auf Aristoteles berufen können“. 74 Goldschmidt, Gutachten (Anm. 1), S. 238.

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Bentham – nach Lorenz von Stein der „Vater aller Logik gegen die Wuchergesetze“75 – erbracht hatte. Dessen Einwände gegen Smith fanden sich auch in der Diskussion über gesetzliche Zinsreglementierungen während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wieder und brachten Benthams Rezipienten den Vorwurf ein, schlechte Kopien ihres englischen Vorbilds zu sein, die „sich darauf beschränkt haben, seine sophistischen Beweisführungen zu wiederholen“76 und seine Argumente „mit einer an das plagium grenzenden Treue“77 gedankenlos zu übernehmen. Übereinstimmend mit Bentham hielten dementsprechend einige zeitgenössische Gegner von staatlichen Wuchergesetzen diese nicht für das geeignete Mittel, um Verschwender am Krediterhalt zu hindern; dies lasse sich nur durch die Bestellung eines Kurators erreichen.78 Zudem ergriffen sie nicht weniger energisch als Bentham Partei für die von Smith gescholtenen „Projektenmacher“ und verwiesen auf inzwischen bedeutende Erfinder wie Stephenson und Watt, die – bevor sich ihre Errungenschaften durchsetzten – zu dieser Gruppe von Darlehenssuchenden gehört hätten. Wenn Wuchergesetze – der Absicht Smiths entsprechend – den Kapitalzufluss an solche „Projektenmacher“ abschnitten, drohe eine Senkung des „Unternehmungsgeist[es] auf das Niveau der Mittelmäßigkeit“79, da Erfinder zumeist nicht über genügend eigene Gelder zur Realisierung ihrer Vorhaben verfügten, so dass sie auf finanzielle Unterstützung anderer angewiesen seien. Diese versage ihnen aber der Gesetz___________ 75

Lorenz von Stein, Rezension über Karl Braun und Maximilian Wirth: Die ZinsWucher-Gesetze vom Standpunkte der Volkswirthschaft, der Rechtswissenschaft und der legislativen Politik beleuchtet, in: Magazin für Rechts- und Staatswissenschaft mit besonderer Rücksicht auf das Österreichische Kaiserreich, 1856, S. 399-424, hier: S. 403 f. – Später wandelte sich indes Steins Haltung zu Wuchergesetzen: Während er im Jahre 1856 allgemein die Aufhebung der Wuchergesetze forderte, befürwortete er im Jahre 1880 durchaus ein solches gesetzgeberisches Eingreifen, sofern es nicht an die Überschreitung eines gesetzlichen Zinsmaximums anknüpfte, vgl. ders., Der Wucher und sein Recht, Wien 1880, S. 8, 195 f. 76 Glaser, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 23), S. 510; auch andere Anhänger von Wuchergesetzen führten die Forderung nach deren Aufhebung auf Bentham zurück: vgl. Eheberg, Stand der Wucherfrage (Anm. 29), S. 59 f.; Weibel, Die rechtliche Behandlung (Anm. 1), S. 594 f.; Caro, Wucher (Anm. 57), S. 31 f., 39, 43. 77 Rizy, Ueber Zinstaxen (Anm. 30), S. 234; ders., Wucherfrage (Anm. 53), S. 779: In den Abhandlungen der Kritiker von Wuchergesetzen finde sich lediglich eine „einfache Reproduction der alten Schulauszüge aus jenen bekannten 13 Briefen [...], mit welchen der alte Bentham im Jahre 1787 die Vertheidigung des Wuchers so mannhaft übernommen hatte“. 78 Anonymus, Wuchergeseze (Anm. 42), S. 306; Braun / Wirth, Die Zins-WucherGesetze (Anm. 30), S. 94, 137 f., 149; Berndt, Wucher-Gesetze (Anm. 32), S. 63 f.; Wirth, National-Oekonomie (Anm. 36), S. 332; Arwed Emminghaus, Art. „Wucher“, in: Hermann Rentzsch (Hg.), Handwörterbuch der Volkswirthschaftslehre, Leipzig 1866, S. 1054-1057, hier: S. 1056; Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 26-30; Heinrich Contzen, National-Oekonomie, Leipzig 1878, S. 864. 79 Schaffrath, Gutachten (Anm, 20), S. 406.

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geber mit der Beibehaltung der Wuchergesetze, die sich somit häufig als fortschrittshemmend auswirke.80  Derartige Sorgen um die Finanzierbarkeit von Erfindungen bewertete hingegen Julius Glaser, der sich zugunsten staatlicher Wuchergesetze aussprach, als völlig unbegründet. Vielmehr belege das Beispiel Englands, das sich gerade unter Geltung der Wuchergesetze als führende Wirtschaftsnation etabliert habe, die Unstimmigkeit des erhobenen Einwands. Denn kein Darlehensgeber schlage einem unbemittelten Erfinder den Kreditwunsch ab, so Glaser, wenn dieser das Kapital zur Umsetzung einer Erfolg versprechenden Neuerung anwenden wollte.81 Solche geistreichen Erfinder suche man aber, so wandte Reichensperger ein, in der Regel vergebens unter den Kreditnachfragenden, die nur zu einem höheren als dem von Smith empfohlenen gesetzlichen Maximalzins an das begehrte Geld kämen. Statt dessen seien darunter weitaus mehr Darlehenssuchende, die nicht eine der Landesökonomie nützliche Verwendung der Gelder anstrebten, so dass er keinen Grund sah, „Projektenmacher“ in Schutz zu nehmen,82 wie es einige Kritiker von Wuchergesetzen im Anschluss an Bentham taten. Bentham erfuhr indes den vehementesten Widerspruch nicht von Seiten der Befürworter der Wuchergesetze, sondern von Friedrich Weißmann als einem ihrer Gegner. Dazu schloß er sich dem Urteil von Karl Marx über Bentham an: Marx, den Weißmann zu seinem „Gewährsmann“ erkor,83 sah in der griffigen Formel „Freiheit, Gleichheit, Eigenthum, und Bentham“84 die Säulen der zu überwindenden kapitalistischen Produktionsweise, wie sie am deutlichsten in England ihren Ausdruck gefunden habe, so dass ihm der „Urphilister Jeremias Bentham“ und sein verfehlter, am „englischen Spießbürger“ und dessen rationaler Interessenwahrnehmung ausgerichteter Utilitarismus auch „nur in Eng-

___________ 80 Wilhelm Roscher, Die Grundlagen der Nationalökonomie, Stuttgart und Tübingen 1854, S. 355; Albert Eberhard Friedrich Schäffle, Die Nationalökonomie oder Allgemeine Wirtschaftslehre, Leipzig 1861, S. 192; Munzinger, Wucherfrage (Anm. 1), S. 67; Contzen, National-Oekonomie (Anm. 78), S. 864; vgl. auch Mährenschutz, Die Wuchergesetze (Anm. 29), S. 22 ff. 81 Glaser, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 23), S. 519 f. 82 Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), S. 37 f. 83 Friedrich Weißmann, Die Wucher-Frage, Chur 1880, S. 19 und daher immer wieder auf Marx Bezug nahm, z.B. auf S. 100, 102 f. 84 Karl Marx, Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie, Bd. 1, 2. Aufl., Hamburg 1872, in: ders. und Friedrich Engels, Gesamtausgabe, 2, 6, 1, Berlin 1987, S. 191. – Vgl. zu Marx’ Wendung gegen Bentham: Wilhelm Hofmann, Politik des aufgeklärten Glücks. Jeremy Benthams philosophisch-politisches Denken, Berlin 2002, S. 44 ff.; John Rowland Dinwiddy, Radicalism and reform in Britain, 1780-1850, London und Rio Grande 1992, S. 421-435.

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land ‚fabricirbar’“85 schien. Bentham galt Marx daher, so zitierte ihn Weißmann im Jahre 1880 eifrig, als das „nüchtere, pedantische, schwarzlederne Orakel des gemeinen Bürgerverstandes des 19. Jahrhundert’s“86 und schließlich, wie es in Marx’ „Kapital“ bissig heißt, als „Genie in der bürgerlichen Dummheit“87. Trotz dieser massiven Kritik an Bentham glaubte Weißmann nicht, dass sich wucherische Rechtsgeschäfte selbst „mit noch so scharfsinnigen“88 Wuchergesetzen, wie es die Gegner des englischen Utilitaristen im Übrigen annahmen, wirksam verhindern ließen. Ein derartiges gesetzgeberisches Einschreiten beseitige nämlich ebenso wenig wie die freie Konkurrenz die Ursache des Wuchers, die Weißmann in der „Natur der Verhältnisse und Wirthschaftsgrundsätze“ erblickte, „welche den wirthschaftlich Ohnmächtigen dem Mächtigen überantwortet, den Einen zum Wucherobjekt, den Andren zum Wucherer“89 mache.90 Um der darin liegenden Fehlentwicklung entgegenzuwirken, strebte er eine grundsätzliche Neuausrichtung der Wirtschaft weg vom Prinzip des freien Wettbewerbs und der ihm zugrunde liegenden liberalen Eigentumsauffassung an. Denn: „Die Wucherfrage ist Eigenthumsfrage durch und durch“, konstatierte Weißmann, „und wird eine offene bleiben müssen, so lange die naturgemäße allgemeine Lösung der letzteren außen steht.“91 Dies ignorierten in seinen Augen die Befürworter von Wuchergesetzen wie Reichensperger, weil das von ihnen angestrebte staatliche Tätigwerden das Privateigentum nicht prinzipiell antaste, sondern sich auf die Abstellung der handgreiflichsten Missstände beschränke, die dessen Anerkennung hervorrufe.92 Einschneidende Veränderungen in der Eigentumsordnung wollte der von Weißmann angegriffene Reichensperger in der Tat tunlichst vermeiden: Die sozialistische Forderung nach einer Ersetzung des Privat- zugunsten des Kollektiveigentums verurteilte er – ebenso „wie die ganze s. g. Doctrin der Umsturzpartei“ – harsch als „Ausgeburt eines Fiebertraums, der, wenn verwirklicht, nichts Anderes herbeiführen könnte, als die allgemeine Gleichheit des Elends, ___________ 85

Weißmann, Die Wucher-Frage (Anm. 83), S. 17 f. nach Marx, Kapital (Anm. 84), S. 558 f. 86 Weißmann, Die Wucher-Frage (Anm. 83), S. 17, der an der zitierten Stelle das Original – Marx, Kapital (Anm. 84), S. 558 – leicht modifiziert wiedergibt. Darin heißt es nämlich in Bezug auf Bentham wörtlich: „dieß nüchtern pedantische, schwatzlederne Orakel des gemeinen Bürgerverstandes des 19. Jahrhunderts“. 87 Weißmann, Die Wucher-Frage (Anm. 83), S. 18 im Anschluss an Marx, Kapital (Anm. 87), S. 559. 88 Weißmann, Die Wucher-Frage (Anm. 83), S. 20. 89 Weißmann, Die Wucher-Frage (Anm. 83), S. 20. 90 Vgl. Weißmann, Die Wucher-Frage (Anm. 83), S. 19 f. 91 Weißmann, Die Wucher-Frage (Anm. 83), S. 23 f. 92 Vgl. Weißmann, Die Wucher-Frage (Anm. 83), S. 24.

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der Unfreiheit, der Verwilderung“93. Der Eintritt dieser Folgen drohe indes bei einem Verzicht auf Wuchergesetze, so warnte nicht nur Reichensperger, da man auf dem Wege den Sozialisten steigenden Zulauf von Seiten der unter hohen Zinsen leidenden Darlehensnehmer verschaffe.94 Sobald der Gesetzgeber die Kreditsuchenden schutzlos stelle, indem er nicht mehr gegen den Wucher einschreite, gewähre er folglich dem Sozialismus Auftrieb und begründe dadurch die Gefahr revolutionärer Umwälzungen, die keineswegs als fern liegende Möglichkeit, sondern vielmehr als ernstzunehmende Bedrohung empfunden wurde. Der Ruf nach Veränderungen im Sinne des Sozialismus – insbesondere mit Blick auf die Eigentumsordnung – bilde nämlich „schon längst nicht mehr die Stimme eines einzelnen Mannes, Proudhon’s, sondern die Stimme eines an Zahl und Gefährlichkeit wachsenden Bruchteils der Europäischen Bevölkerung“95. Pierre-Joseph Proudhons frühsozialistisches Eigentumsverständnis, das in die prägnante Gleichsetzung von (Individual-)Eigentum und Diebstahl mündete,96 diente unter den Befürwortern der Wuchergesetze nicht nur zur Distanzierung von sozialistischen Revolutionsbestrebungen, die man durch die Beibehal___________ 93

Peter Franz Reichensperger, Die Zins- und Wucherfrage, Berlin 1879, S. 14. – Vgl. zur Kritik des Zentrums und Reichenspergers als einer seiner Abgeordneten am Sozialismus: Franz Josef Stegmann und Peter Langhorst, Geschichte der sozialen Ideen im deutschen Katholizismus, in: Helga Grebing (Hg.), Geschichte der sozialen Ideen in Deutschland, Essen 2000, S. 599-862, hier: S. 669 ff.; Blaich, Zinsfreiheit (Anm. 11), S. 290. 94 Vgl. Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), S. 61 und 63; Franz Xaver von Funk, Zins und Wucher. Eine moraltheologische Abhandlung mit Berücksichtigung des gegenwärtigen Standes der Cultur und der Staatswissenschaften, Tübingen 1868, S. 251 f. 95 Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), S. 61 – sowie auch S. 63: „Die untern [...] Volksklassen werden die gefährlichsten Feinde jedes Staatswesens, das ihnen den nothwendigen Schutz versagt“ und ders., Zins- und Wucherfrage (Anm. 93), S. 14; zudem: Funk, Zins und Wucher (Anm. 94), S. 252: Indem bei einem Absehen von Wuchergesetzen „die Gewalt auf den Thron erhoben ist, so muß folgerichtig von dem Theil der Menschheit, dem der Rechtsschutz entzogen ist, früher oder später eine gewaltthätige Reaction ausgehen, eine Reaction, die sich unter Umständen zur Revolution gestalten wird und zwar zu der socialen Revolution, deren Eintritt von tiefer blickenden Geistern schon zu wiederholten Malen vorausgesagt wurde. Das ist die letzte Consequenz der Wucherfreiheit“; Pesch, Zinsgrund (Anm. 64), S. 415 f.; in diese Richtung auch: Geffcken, Wucherfrage (Anm. 51), S. 53; Albert Maria Weiß, Apologie des Christenthums vom Standpunkte der Sittenlehre, Bd. 4, Freiburg i.Br. 1884, S. 543. 96 Instruktiv zu Proudhons Eigentumsbegriff im Besonderen und der sozialistischen Wendung gegen ein Privateigentum an Produktionsmitteln im Allgemeinen: Dieter Schwab, Arbeit und Eigentum. Zur Theorie ökonomischer Grundrechte im 19. Jahrhundert, in: ders., Geschichtliches Recht und moderne Zeiten, Heidelberg 1995, S. 61-100, hier: S. 77-90; ders., Art. „Eigentum“, in: Otto Brunner u.a. (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 2, Stuttgart 1975, S. 65-115, hier: S. 105-113.

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tung eines gesetzgeberischen Einschreitens gegen den Wucher abwenden wollte. Vielmehr wurde es in abgewandelter Form zugleich herangezogen, um eine Abgrenzung zum liberalen Eigentumsbegriff zu ermöglichen, der den Anhängern staatlicher Wuchergesetze nicht minder als der sozialistische ein Dorn im Auge war. Als „Diebstahl an Gott, an der Gesellschaft, am Staate“ wertete dementsprechend Karl von Vogelsang, der vom Standpunkt der katholischen Soziallehre aus argumentierte, das „absolute Eigentum, durch welches keine politischen und socialen Pflichten bedingt werden“97, so dass es seinem Inhaber die unbeschränkte Verfügungsgewalt einräumte. Diese wollte auch der Kathedersozialist Adolph Wagner beschränkt wissen, ohne aber eine gänzliche Abkehr vom Privateigentum zu vollziehen: „Selbst Proudhon’s ‚berüchtigtes‘ Wort: ‚Eigenthum ist Diebstahl‘“ weise daher „einen richtigen Kern“ auf, wenn man es lediglich auf die Fälle wie beispielsweise die Zinsvereinbarung beim Darlehensvertrag beziehe, in denen der liberale Eigentumsbegriff der Einschränkung – im Beispielsfall durch Wuchergesetze – bedürfe.98 Karl Braun und Max Wirth, die sich als Verfechter der liberalen Eigentumsdoktrin eindringlich für eine Abschaffung der Wuchergesetze einsetzten,99 sahen hingegen keine Notwendigkeit, zwischen Einschränkung und Aufhebung des Privateigentums zu unterscheiden. Statt dessen diskreditierten beide in ihrem gemeinsamen Werk jede Schmälerung eigentumsrechtlicher Positionen, die dem Rechtsinhaber – wie im Kreditwesen beim Bestehen von Wuchergesetzen – die Befugnis zur unbeschränkten Verfügung über das Seinige nahm, als kommunistisch.100 Damit die „socialistischen Sekten, welche Bresche in’s Eigenthum schießen wollen“101, mit diesem Vorhaben nicht durchdrangen, riefen sie den Staat zum Schutz des Eigentums auf, der auch ein Absehen von Wuchergesetzen erfordere.102 Den Vorwurf der Eigentumsverletzung ließ Rizy, der für ein gesetzgeberisches Eingreifen im Kreditwesen plädierte, nicht gelten: ___________ 97

Zit. n. Erwin Bader, Christliche Sozialreform, Freiburg (u.a.) 1991, S. 59. – Statt der liberalen Doktrin des nahezu unbeschränkten Privateigentums befürwortete Vogelsang, Wucherfrage (Anm. 61), S. 270 ff. die Eigentumsauffassung Adam Müllers (siehe dazu: Kap. 4, III., 2.). 98 Adolph Wagner, Grundlegung der politischen Oekonomie, Bd. 2, 3. Aufl., Leipzig 1894, S. 329 ff., vgl. auch S. 99-103, 333 ff. und 343 f. – Vgl. zu den angesprochenen Fällen, in denen Wagner einen unbeschränkten Gebrauch des Privateigentums ablehnte: Katharina Hoppe, Eigentum, Erbrecht und Vertragsfreiheit. Die Reformvorstellungen des Nationalökonomen Adolph Wagner (1835-1917), Berlin 2003, S. 145-149. 99 Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 29 f. i.V.m. 37, vgl. auch S. 5; ähnlich z.B. Berndt, Wucher-Gesetze (Anm. 32), S. 81 f. – Vgl. zur Eigentumsauffassung des Liberalismus: Schwab, Arbeit und Eigentum (Anm. 96), S. 65-77; ders., Art. „Eigentum“ (Anm. 96), S. 74-83. 100 Vgl. Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 37. 101 Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 36. 102 Vgl. Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 31 und 36 f.

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Er wehrte sich energisch dagegen, „den Wuchergesetzen wegen dieser vermeintlichen Angriffe auf das Eigenthum einen Beigeschmack von Communismus anzudichten“103. Denn eine staatliche Wuchergesetzgebung ziehe lediglich der Eigentumsausübung die unabdingbaren Schranken und enthalte dementsprechend keinen widerrechtlichen Verstoß gegen das Eigentumsrecht, so dass sie sich auch nicht mit sozialistischen bzw. kommunistischen Eigentumsidealen auf eine Stufe stellen lasse.104 Sowohl Befürworter als auch Gegner der Wuchergesetze distanzierten sich also vom sozialistischen Programm und warfen der Gegenseite die Förderung von dessen Umsetzung vor, um sie in Misskredit zu bringen und für die eigene Auffassung zu werben.

3. Der Schutz der Landwirtschaft Ebenso deutlich wie einige Anhänger staatlicher Wuchergesetze von sozialistischen Forderungen Abstand wahrten, ergriffen sie Partei für solide Darlehenssuchende, zu denen sie in erster Linie die Eigentümer landwirtschaftlich genutzter Grundstücke zählten.105 Damit dieser Gruppe von Kreditnehmern – anstelle von Verschwendern und „Projektenmachern“ – zinsgünstig Darlehen zur Verfügung standen, schien ihnen die Beibehaltung von Wuchergesetzen unerlässlich. Unter deren Geltung favorisiere sie nämlich der Geldeigner gegenüber anderen Kreditsuchenden, weil er beim Landwirt, gesichert durch eine Hypothek an dessen Grundstück, keine Gefahr eingehe, sein Geld zu verlieren. Er finde deshalb in den moderaten gesetzmäßigen Zinsen eine angemessene Gegenleistung für die Darlehensvergabe, mit der er sich allerdings beim Fehlen von Wuchergesetzen nicht mehr begnüge.106 Dann strebe er nach höheren Zins___________ 103

Rizy, Ueber Zinstaxen (Anm. 30), S. 223. Rizy, Ueber Zinstaxen (Anm. 30), S. 223 f.; vgl. zur Zurückweisung des Vorwurfs der Eigentumsverletzung ferner: Glaser, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 23), S. 520; Pesch, Zinsgrund (Anm. 64), S. 415 ff. – In diese Richtung betonte auch Heinrich Maurus, Die Grundsätze der Volkswirthschaftslehre vom Standpunkte der socialen Reform, Heidelberg 1868, S. 219, dass den Wuchergesetzen – im Gegensatz zur Zinsfreiheit – die „bessere Einsicht [...] über die Nothwendigkeit, das moderne Kapitalseigenthum hinsichtlich gewisser möglicher Uebergriffe einzuschränken“, immanent sei, obwohl er kurz zuvor noch deren „Ungerechtigkeit und Unzweckmäßigkeit“ beklagt hatte. 105 Vgl. zur Zugehörigkeit des Landmanns zu den soliden Kreditsuchenden z.B.: Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), S. 41 f. und Wagener, Art. „Wucher und Zinsen“ (Anm. 22), S. 445 ff., für den die „sicheren Hypothekposten“, die er mit der Kreditvergabe an die Landwirtschaft in Verbindung bringt, die Anleihen von der „unzweifelhaftesten Sicherheit“ darstellen und damit zum „soliden Verkehr“ gehören. 106 Vgl. Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), S. 41 f. und 45; Glaser, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 23), S. 525 und 530 f.; Roesler, Volkswirthschaftsleh104

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forderungen, zu deren Bezahlung aber sein bisheriger Darlehensnehmer außerstande sei, da die agrarwirtschaftlich erzielbaren Erträge aus Sicht der Befürworter von Zinsreglementierungen deutlich hinter den Gewinnen in Industrie und Handel zurückblieben.107 Sie befürchteten mithin, dass sich eine Aufhebung der Wuchergesetze zu Lasten des Landwirts auswirke: Mit den lukrativen Zinsangeboten der Handels- und Gewerbetreibenden könne er langfristig angesichts seines geringeren Einkommens schwerlich mithalten, so dass er sich entweder vergeblich um den Erhalt eines Kredits bemühe oder dazu Zinsen in einer Höhe bewilligen müsse, die sein wirtschaftliches Leistungsvermögen bei weitem überschritten. Der Gesetzgeber besiegele folglich den finanziellen Ruin zahlreicher Grundeigentümer, so warnte man, sobald er sich zur Außerkraftsetzung der Wuchergesetze entschließe.108 Diese Argumentation ging indes aus dem Blickwinkel der Kritiker der Wuchergesetze von verkehrten Prämissen aus. So sahen sie es als unzutreffende Behauptung an, dass sich die Landwirtschaft nicht als gewinnbringend genug darstelle, um Darlehensgebern nötigenfalls auch höhere Kreditzinsen als die mäßigen gesetzlichen Maximalsätze zu zahlen. Vielmehr lasse sich auch in diesem Erwerbszweig – bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung von Grund und Boden – ein ansehnlicher Verdienst realisieren, der nicht unbedingt geringer als in Handel und Industrie ausfallen müsse.109 Ebenso wie die vermeintlich niedrigen Erträge in der Landwirtschaft bezweifelte man die Annahme, dass der Geldeigner stets den Darlehenssuchenden vorziehe, der ihm die höchsten Zinsen bot. Für nicht wenige Kreditgeber trete nämlich bei der Wahl ihres Vertragspartners das – von den Befürwortern der Wuchergesetze als allein maßgeblich hingestellte – Kriterium der Zinsmaximierung hinter das Bestreben zur möglichst risikoarmen Geldanlage zurück. Daher finde man durchaus Geldeig___________ re (Anm. 39), S. 495 f.; Wagener, Art. „Wucher und Zinsen“ (Anm. 22), S. 445 ff.; Geffcken, Wucherfrage (Anm. 51), S. 54 f. 107 So stellte Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), S. 42 klar, dass „das in Grund und Boden angelegte Kapital notorisch nicht mehr, als 4, höchstens 5 pCt. abzuwerfen im Stande ist“; Glaser, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 23), S. 528 ging sogar davon aus, dass sich der Ertrag „heut zu Tage höchstens auf 3 ½ Procent“ beläuft; laut Geffcken, Wucherfrage (Anm. 51), S. 123 vermochte der „rein ländliche Betrieb im Durchschnitt ohne Schädigung keinesfalls über 7 pCt. Hypothekarzinsen zahlen“. Vgl. zudem: Wagener, Art. „Wucher und Zinsen“ (Anm. 22), S. 445; Mirbach-Sorquitten, Währungs- und Wucherfrage (Anm. 18), S. 32. 108 Glaser, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 23), S. 529: „Wenn also eine Steigerung des Hypothekenzinsfußes den Ruin des größten Theils der Grundbesitzer zur Folge haben muß, so ist es die Pflicht der Staatsbehörde, sich einer jeden Maßregel zu widersetzen, welche möglicherweise jene Steigerung herbeiführen könnte“; vgl. ferner Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), S. 42; Wagener, Art. „Wucher und Zinsen“ (Anm. 22), S. 446; Geffcken, Wucherfrage (Anm. 51), S. 123. 109 Schaffrath, Gutachten (Anm. 20), S. 406 f.; vgl. auch: Mährenschutz, Die Wuchergesetze (Anm. 29), S. 27 f.; Berndt, Wucher-Gesetze (Anm. 32), S. 72.

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ner, die gewillt seien, auf ein paar Prozente an Zinsen zugunsten einer größeren Sicherheit ihrer Kapitalien, wie sie eine Hypothek am Grundstück des Darlehensnehmers gewährleiste, zu verzichten.110 Das hieß allerdings nicht, dass die Gegner der Wuchergesetze jeglichen Schutz des Landwirts im Kreditwesen als überflüssig erachteten. Nur versprach man sich diesen nicht von Wucherverboten,111 sondern setzte statt dessen – wie auch einige Anhänger der Gegenansicht ergänzend zum gesetzgeberischen Eingreifen – auf die Bildung ländlicher Kreditanstalten bzw. deren Verbesserung, soweit sie in einigen Staaten schon bestanden.112 Erst nachdem man auf diesem Wege für eine Unterstützung der Landwirtschaft gesorgt habe, sollte der Staat aus Sicht Albert Berndts die Wuchergesetze aufheben, da die Entscheidung zugunsten der Zinsfreigabe „für den Landbau noch besondere temporäre Nachtheile“ – also eine vorübergehende Erhöhung des Marktzinses – „im Gefolge haben kann“113. Um solche möglicherweise auftretenden „Uebergangskrisen“ zu bewältigen, schienen Berndt die geforderten Kreditinstitute, die dem Land-

___________ 110

Vgl. Berndt, Wucher-Gesetze (Anm. 32), S. 70; Carl von Saenger, Welchen Einfluß hat die Aufhebung der Wuchergesetze auf die Landwirthschaft?, Bromberg 1859, S. 15 f.; Renard, Die Aufhebung der Zinsbeschränkungen, in: Vierteljahrschrift für Volkswirtschaft, Politik und Kulturgeschichte, 1866, S. 68-77, hier: S. 71 f. 111 So gewährt ein gesetzliches Zinsmaximum z.B. aus Sicht von Goldschmidt, Gutachten (Anm. 1), S. 266 „dem Grundbesitz nicht allein keinen Schutz, sondern verschlimmert vielmehr dessen Lage in bedenklichster Weise“; Emminghaus, Art. „Wucher“ (Anm. 78), S. 1057: „Die heutzutage allgemein laut werdende Klage über Capitalmangel im landwirthschaftlichen Gewerbe hat ihren Grund zum guten Theile mit in dem Institut der Wuchergesetze“; Renard, Aufhebung der Zinsbeschränkungen (Anm. 110), S. 70; vgl. überdies Berndt, Wucher-Gesetze (Anm. 32), S. 65-73; Saenger, Landwirthschaft (Anm. 110), S. 14 f. 112 Unter den Kritikern der Wuchergesetze plädierten für solche Kreditanstalten: Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 228 f.; Wirth, NationalOekonomie (Anm. 36), S. 333 f.; Stein, Rezension über Karl Braun und Maximilian Wirth (Anm. 75), S. 423 f.; Berndt, Wucher-Gesetze (Anm. 32), S. 69-81; ders., Der Kredit (Anm. 68), S. 53 f., 93 ff.; Saenger, Landwirthschaft (Anm. 110), S. 18 f.; Lewald, Nochmals zur Aufhebung der Wuchergesetze, in: Deutsche Gerichts-Zeitung 1866, S. 63. – Bei den Befürwortern: Roesler, Volkswirthschaftslehre (Anm. 39), S. 496; Eheberg, Stand der Wucherfrage (Anm. 29), S. 63, 78; Mirbach-Sorquitten, Währungs- und Wucherfrage (Anm. 18), S. 32; Adolf Buchenberger, Agrarwesen und Agrarpolitik, Bd. 2, Leipzig 1893, S. 228. Glaser, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 23), S. 527 f. lehnte hingegen die „landschaftlichen Credit-Anstalten“ als „Keim der heutigen allgemeinen Verschuldung des Grundbesitzes“ ab. Denn die „Leichtigkeit, womit man sich landschaftliche Pfandbriefe verschaffte, die Billigkeit des Credits, die Untilgbarkeit der Darlehen waren eine mächtige Versuchung zu leichtfertigem Schuldenmachen“. 113 Berndt, Wucher-Gesetze (Anm. 32), S. 69; eine zeitweilige Zinssteigerung betrachtete ähnlich auch Saenger, Landwirthschaft (Anm. 110), S. 16 als möglich.

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wirt gerade in Zeiten steigender Zinsen mit geringverzinslichen Anleihen aushelfen sollten, von eminenter Wichtigkeit.114 Allerdings stieß sein Vorschlag, mit der Zulassung der freien Zinsvereinbarung bis zur flächendeckenden Ausbreitung ländlicher Kreditanstalten zu warten, unter den Kritikern der Wuchergesetze nicht nur auf Zustimmung,115 sondern auch auf entschiedene Ablehnung. Gegen eine verzögerte Aufhebung der Wuchergesetze wandte man ein, dass der in Aussicht gestellte Zinsanstieg in den deutschen und europäischen Staaten, die bereits keine gesetzlichen Zinsreglementierungen mehr kannten, weder bei hypothekarisch gesicherten Krediten noch bei anderen Anleihen eingetreten sei.116 Folglich bestehe auch kein Grund, so Goldschmidt, das Votum gegen diese von der vorherigen Einrichtung bzw. grundlegenden Reform der in seinen Augen „noch sehr mangelhaften ländlichen Kreditanstalten“ abhängig zu machen, zumal die Beseitigung der konstatierten Defizite erhebliche Zeit in Anspruch nehmen würde.117 Die größtmögliche Unterstützung, die der Staat dem Landwirt gewähren konnte, lag folglich für Goldschmidt in der unverzüglichen Außerkraftsetzung der Wuchergesetze.

4. Wuchergesetze und Rechtsbewusstsein Ein längeres Festhalten an Wuchergesetzen betrachtete Goldschmidt schon deshalb als wenig empfehlenswert, da sie aus seiner Sicht zu den „notorisch seit Jahrtausenden und noch täglich straflos umgangenen“ Gesetzen zählten.118 Anders als man erwarten würde, stieß dies unter den Anhängern der Gegenansicht kaum auf Protest. Vielmehr gaben sie unumwunden zu, „daß manche oder viele ___________ 114

Berndt, Wucher-Gesetze (Anm. 32), S. 69, 72 ff. Ähnlich wie Berndt äußerte sich auch Friedrich Spiethoff, Das Wucherthum und dessen Bekämpfung durch die Vorschuß- und Credit-Vereine, 5. Aufl., Düsseldorf 1868, S. 5 f. und 9 f., der die Wuchergesetze erst nach Verbreitung sog. „Creditvereine“, zu deren Begünstigten er neben dem Landmann aber auch kleinere Gewerbetreibende und Handwerker zählte, abgeschafft wissen wollte; vgl. auch Braun / Wirth, Die ZinsWucher-Gesetze (Anm. 30), S. 231, die zumindest für eine Übergangsphase ebenfalls eine Beibehaltung der Wuchergesetze im Interesse der Grundeigentümer billigten. 116 Goldschmidt, Gutachten (Anm. 1), S. 241-244, 250, 256-264, 266; vgl. ferner: ders., Art. „Wucher und Wuchergesetze“ (Anm. 33), S. 228; Renard, Aufhebung der Zinsbeschränkungen (Anm. 110), S. 71 ff. – Die von Goldschmidt angegebenen Erfahrungswerte bestätigen auch Pfeifer, Gegen die Schrift des Dr. Theobald Rizy (Anm. 32), S. 35 f., 47; Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 41-45 und Schober, Bundesgesetz (Anm. 4), S. 46-55. 117 Goldschmidt, Gutachten (Anm. 1), S. 266. 118 Goldschmidt, Gutachten (Anm. 1), S. 238. – Zu den gängigsten Umgehungsformen vgl. z.B. Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 190-204. 115

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oder die meisten Wucherfälle [...] der gerichtlichen Konstatirung entgehen“119. Dadurch verliere das gesetzgeberische Eingreifen aber keineswegs seine Berechtigung, weil sich diese nach Auffassung der Befürworter von Wuchergesetzen nicht anhand der Relation zwischen bekannt gewordenen und unentdeckt gebliebenen Gesetzesverstößen oder anhand der Zahl der wegen Wuchers Verurteilten messen ließ. Selbst „wenn gar kein Wucherfall zur Bestrafung käme“, riet daher Wagener entschieden von einer Aufhebung der Wuchergesetze ab, da „obrigkeitliche Verbote und Strafgesetze, betreffend unmoralische oder gemeinschädliche Handlungen, schon wegen der darin liegenden Reprobation von Wichtigkeit sind“120. Der Gesetzgeber sollte also klar Stellung gegen wucherische Rechtsgeschäfte beziehen und sie mit dem Makel der Rechtswidrigkeit versehen. Hafte dieser dem Wucher nämlich nicht mehr an, setze sich der Staat mit dem Rechtsempfinden der Bevölkerung in Widerspruch, indem ein Verhalten, das allen rechtschaffenen Bürgern als verächtlich gelte, zulässig wäre. 121 Sodann müsste auch der Richter, so warnten die Verfechter von Wuchergesetzen vor den Folgen der freien Zinsvereinbarung, „im Namen des Rechts die schändlichsten wucherischen Forderungen als zu Recht bestehend durch Urteil“122 zusprechen und auf diesem Wege einer „himmelschreiende[n] Ungerechtigkeit“123 zur Durchsetzung verhelfen. Der Staat stellte sich mithin in ihren Augen auf Seiten des Unrechts, wenn er der Geltendmachung überhöhter Zinssätze nicht durch Wuchergesetze einen Riegel vorschieben und sie entgegen der ___________ 119 Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), S. 71. Ähnlich ließ Rizy, Ueber Zinstaxen (Anm. 30), S. 241 keinen Zweifel am Nutzen von Wuchergesetzen aufkommen, auch wenn „die wegen Wuchers ergehenden Strafurtheile weder nach Tausenden noch nach Hunderten [...] zu zählen“ sind – denn: „wer möchte wohl die Wirksamkeit der Wuchergesetze nach diesem Zahlenverhältniße beurtheilen?“ 120 Wagener, Art. „Wucher und Zinsen“ (Anm. 22), S. 445. 121 Vgl. Rizy, Ueber Zinstaxen (Anm. 30), S. 229 f. und 241 f.; Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), S. 71; Wagener, Art. „Wucher und Zinsen“ (Anm. 22), S. 445; Geffcken, Wucherfrage (Anm. 51), S. 52 f.; Thüngen-Roßbach, Wucher- und Wechselfrage (Anm. 18), S. 15 f.; Eheberg, Stand der Wucherfrage (Anm. 29), S. 69; Mirbach-Sorquitten, Währungs- und Wucherfrage (Anm. 18), S. 28; Buchenberger, Agrarwesen (Anm. 112), S. 221. 122 Hugo Thiel, Korreferat über die Wucherfrage und die Frage der ländlichen Kreditorganisation, in: Verhandlungen der am 28. und 29. September 1888 in Frankfurt a. M. abgehaltenen Generalversammlung des Vereins für Socialpolitik, Leipzig 1889, S. 41-64, hier: S. 62; ähnlich auch: Thüngen-Roßbach, Wucher- und Wechselfrage (Anm. 18), S. 16, der beklagte, dass unter Geltung der Zinsfreiheit „der Richter, der Vertreter von Recht und Gerechtigkeit, sich dazu hergeben muß, der Schurkerei gegen die Armuth zu Hilfe zu kommen“; Friedrich Adolf Trendelenburg, Naturrecht auf dem Grunde der Ethik, 2. Aufl., Leipzig 1868 (Nachdruck: Aalen 1969), S. 243: „Das sittliche Ansehen der Rechtspflege wird gefährdet, wenn sie gezwungen ist, Verträge mit dem bösesten Inhalt zu vollstrecken und gleichsam zu bestätigen“ – ihm zustimmend: Funk, Zins und Wucher (Anm. 94), S. 243 f. 123 Geffcken, Wucherfrage (Anm. 51), S. 53.

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herrschenden Rechtsüberzeugung mit ihrer gerichtlichen Zuerkennung explizit gutheißen würde. Die Kritiker der Wuchergesetze sahen diese demgegenüber nicht als Ausdruck des Rechtsgefühls der Bürger, sondern geradezu als Widerspruch dazu an. Denn unter deren Geltung avanciere das rechtskonforme Verhalten – die Einhaltung des normierten Zinsmaximums – zur Ausnahme und das Zuwiderhandeln zur Regel, so dass der Staat mit dem Festhalten an Wuchergesetzen schwerlich zur Stärkung des allgemeinen Rechtsempfindens beitrage. Statt dessen gebe er den Vertragsparteien nur Anlass, auf immer neue Strategien zur Umgehung der Zinsbeschränkungen zu sinnen, mit denen sich beide gemeinsam „zur Lüge und zum Trug gegen das Gesetz und gegen den Richter“124 verbündeten, um den Sanktionen der Wuchergesetze zu entgehen. Deren Aufrechterhaltung dränge also zum einverständlichen Übergehen der Rechtsordnung, dem der Staat durch Außerkraftsetzung der Wuchergesetze ein Ende bereiten sollte.125 Andernfalls schwinde nicht nur die Achtung vor dem Wuchergesetz, sondern insgesamt vor der staatlichen Gesetzgebung, die den Bürger nicht mehr von Normverstößen abhalte, wenn er diese gegen Zinsbeschränkungen schon oft genug straflos begangen habe.126 Wuchergesetze konterkarierten aber in den Augen ihrer Gegner nicht nur das Rechtsbewusstsein wegen ihrer häufigen Umgehung. Überdies verleite eine Wuchergesetzgebung die Kreditsuchenden zur Eingehung von Darlehensverträgen in der betrügerischen Absicht, die versprochenen Zinsen niemals zu bezahlen. Mit der Verhängung von Sanktionen gegen wuchernde Darlehensgeber eröffne der Staat ihnen nämlich die gern wahrgenommene Gelegenheit, so gab man ähnlich wie bereits Turgot127 zu bedenken, sich der freiwillig eingegange___________ 124 Hesse, Bemerkungen über Strafverbote gegen Wucher, im Hinblick auf die neueren teutschen Gesetzgebungen, in: Archiv des Criminalrechts, 1841 (N.F.), S. 113-135 und 269-291, hier: S. 130. 125 Vgl. Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 216 f.; Schaffrath, Gutachten (Anm. 20), S. 410 f.; Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 29 f.; ders., Diskussionsbeitrag als Referent (Anm. 67), S. 98. 126 Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 218: „Weil aber die große Masse der Bevölkerung nicht unterscheidet zwischen den Gründen, warum ein Gesetz unwirksam ist, sondern sich nur an die Thatsache hält, daß es allgemein übertreten wird, so folgert sie aus der Uebertretbarkeit des einen Gesetzes auf die Verletzbarkeit aller und findet in der Schwäche eines unnatürlichen Gesetzes einen willkommenen Vorwand zur Uebertretung der natürlichsten und vernünftigsten“; Goldschmidt, Gutachten (Anm. 1), S. 239: „Solche Gesetze aber, welche wesentlich straflos umgangen werden, sind ein sittlicher Krebsschaden, ganz geeignet, die Achtung vor dem Gesetz überhaupt zu vernichten“; ferner: Berndt, Wucher-Gesetze (Anm. 32), S. 89 f. 127 S.o. unter Kap. 2, II. – Auf Turgot beriefen sich auch manche Gegner der Wuchergesetze, wenngleich nicht unmittelbar in diesem Zusammenhang, vgl. z.B. Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 4; Schaffrath, Gutachten (Anm. 20),

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nen Verbindlichkeit später durch Einschaltung der Kriminaljustiz, d.h. durch Anzeige ihres Vertragspartners wegen Wuchers, zu entledigen.128 Die Beibehaltung der Wuchergesetze barg also für deren Kritiker die Gefahr, erst verwerfliche Verhaltensweisen hervorzurufen, anstatt sie zu bekämpfen. Als solche galt ihnen der Bruch der getroffenen Zinsvereinbarung durch den Darlehensnehmer, wenn er seinem Vertragspartner als Dank für die einst gewährte Hilfe aus finanziellen Schwierigkeiten ein Strafverfahren wegen Wuchers anhänge.129 Hinzu komme, dass gerade die Aussage des Darlehensnehmers in der Regel das wichtigste Beweismittel in dem angestrengten Strafprozess wegen Wuchers bilde, wo man ihn als Zeugen zulasse, weil nicht er – sondern der Staat – in dem Verfahren die Rolle des Anklägers einnehme. Jedoch verfüge der Kreditnehmer, so warnte man vor den Folgen dieser Gerichtspraxis, allenfalls nach rein formaler Betrachtung nicht über die Beteiligteneigenschaft, während er tatsächlich als „Zeuge in eigener Sache“130 mit allen „Interessen, Leidenschaften und Gesinnungen eines Anklägers“131 auftrete. Schließlich habe er selbst ein erhebliches finanzielles Interesse an der Verurteilung seines Vertragspartners wegen Wuchers, so dass der Beweiswert seiner Aussage den Verfechtern einer freien Zinsvereinbarung mehr als zweifelhaft erschien.132 Aus deren Sicht durfte es al___________ S. 411; Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 28; Munzinger, Wucherfrage (Anm. 1), S. 69. 128 Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 163 und 216 f.; Mährenschutz, Die Wuchergesetze (Anm. 29), S. 18 ff.; Schaffrath, Gutachten (Anm. 20), S. 411 f.; Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 29 f.; ders., Diskussionsbeitrag als Referent (Anm. 67), S. 98; vgl. zudem: Hesse, Strafverbote gegen Wucher (Anm. 124), S. 122 und 130 f.; Berndt, Wucher-Gesetze (Anm. 32), S. 92 f.; Goldschmidt, Gutachten (Anm. 1), S. 240. 129 So sahen es Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 216 als anstößig an, dass Wuchergesetze den Darlehensnehmer bewogen „aus dem Uebermaß wirklichen oder erheuchelten Dankes in das Uebermaß des Undankes zu verfallen“ und dazu „die Kriminaljustiz zu mißbrauchen“. Denn mit solchen Gesetzen lasse man es zu, an die Stelle der geschuldeten Zinsen eine „Kriminalstrafe für Denjenigen zu setzen, der ihm aus der brennendsten Verlegenheit geholfen und vielleicht seinen Untergang abgewendet hat“; ähnlich: Berndt, Wucher-Gesetze (Anm. 32), S. 93; vgl. außerdem: Jaques, Diskussionsbeitrag als Referent (Anm. 67), S. 98 f.; Schaffrath, Gutachten (Anm. 20), S. 411 f. – Wegen der mit Wuchergesetzen einhergehenden Möglichkeit zur Zahlungsverweigerung konstatierte auch Friedrich Oskar von Schwarze, Reichsgesetz, betreffend den Wucher vom 24. Mai 1880, Erlangen 1881, S. V f.: „Die Unmoralität des Geldwuchers ist oft nicht stärker als die Unmoralität des Schuldners, welcher seiner gesetzlich begründeten Verpflichtung durch Denunciationen sich zu entziehen versucht“. 130 Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 163; Berndt, WucherGesetze (Anm. 32), S. 90. 131 Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 166. 132 Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 163-173; Berndt, WucherGesetze (Anm. 32), S. 90 f. Vgl. auch: Merckel, Ueber den Zins-Wucher (Anm. 44), S. 79 ff.

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so keine Wuchergesetze geben, um die staatliche Rechtsordnung mit dem Rechtsempfinden der Bevölkerung in Einklang zu bringen.

5. Die fehlende Allgemeinverbindlichkeit der Wuchergesetze Am offenkundigsten trat für die Gegner der Wuchergesetze deren Unhaltbarkeit dadurch zutage, dass sie nicht bei sämtlichen Darlehensverträgen zur Anwendung gelangten. Insbesondere der Staat zögere bei seinen Anleihen nicht, so gaben sie zu bedenken, sich auf wucherische Vertragsinhalte einzulassen.133 Vielmehr gehe er bei der Übertretung der eigenen Gesetze „mit gutem Beispiel voran“134, indem er seinen Kreditgebern – und zwar keineswegs in seltenen Ausnahmefällen, sondern mit steter Regelmäßigkeit135 – erheblich mehr als den von ihm eingeführten Maximalzinssatz zugestehe.136 Darin lag für die Autoren, die sich gegen Wuchergesetze aussprachen, ein klares Eingeständnis von deren fehlender Berechtigung durch den Staat. Da er sich selbst fortwährend außerstande sehe, bei der Aufnahme von Krediten die von ihm erlassenen Gesetze zu befolgen, dürfe der Staat allerdings die Einhaltung der Zinsschranken auch nicht von den Untertanen verlangen, wollte er sich nicht dem Vorwurf der Inkonsequenz aussetzen. Diese treibe der Staat aber geradezu auf die Spitze, indem er seine Geldgeber für Verdienste um das Vaterland – d.h. für die Gewährung von Wucherkrediten – mit Orden auszeichnete, während er den Darlehensgebern seiner Bürger bei demselben Verhalten strafrechtliche Konse___________ 133

Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 126, 130, 201; Berndt, Wucher-Gesetze (Anm. 32), S. 89; Pfeifer, Gegen die Schrift des Dr. Theobald Rizy (Anm. 32), S. 18; Joseph Albert Wild, Was ist Zinswucher?, München 1860, S. 18 ff.; Mährenschutz, Die Wuchergesetze (Anm. 29), S. 14; Wirth, National-Oekonomie (Anm. 36), S. 330; Rentzsch, Der Staat (Anm. 67), S. 142; Schaffrath, Gutachten (Anm. 20), S. 408; Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 36; ders., Diskussionsbeitrag als Referent (Anm. 67), S. 98; Schober, Bundesgesetz (Anm. 4), S. 21; Wilhelm Röhrich, Empfiehlt sich die Wiedereinführung von Zinstaxen und Wuchergesetzen und die Beschränkung der allgemeinen Wechselfähigkeit?, Stuttgart 1879, S. 30; so auch schon: Adolph Friedrich Johann Riedel, Nationalöconomie oder Volkswirthschaft, Bd. 2, Berlin 1839, S. 393; Carl Wolfgang Christoph Schüz, Grundsätze der NationalOeconomie, Tübingen 1843, S. 304; Joseph Kudler, Die Grundlehren der Volkswirthschaft, 2 Bände, Wien 1846, Bd. 2, S. 365. 134 Wirth, National-Oekonomie (Anm. 36), S. 330; ähnlich bereits: Riedel, Nationalöconomie (Anm. 133), S. 393. 135 Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 201; Jaques, Diskussionsbeitrag als Referent (Anm. 67), S. 98. 136 Vgl. zu den üblichen Gewinnspannen bei Staatsanleihen aus Sicht der Zeitgenossen: Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 201; Wild, Zinswucher (Anm. 133), S. 18; Mährenschutz, Die Wuchergesetze (Anm. 29), S. 14; Wirth, National-Oekonomie (Anm. 36), S. 330.

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quenzen androhte.137 Der Staat nehme folglich ein „tyrannisches Privilegium“138 in Anspruch, wenn er sich selbst von der Beachtung der Wuchergesetze entband und die von ihm genossene freie Vereinbarung der Darlehenszinsen seinen Bürgern vorenthielt. Die Forderung nach Gleichbehandlung von Staat und Untertanen im Kreditwesen überging einigen Befürwortern von Wuchergesetzen zufolge jedoch die wesentlichen Unterschiede zwischen beiden Darlehensnehmern.139 Denn der Zweck der Wuchergesetze, Kreditsuchende vor Verträgen zu bewahren, die deren finanziellen Ruin heraufbeschworen, liege bei öffentlichen Anleihen niemals vor, da sie der Allgemeinheit nicht zum Schaden, sondern – ganz im Gegenteil – zum Besten gereichten.140 Hinzu komme, so Reichensperger, dass der Staat in dringenden Geldsorgen auch ein wucherisches Kreditangebot unausweichlich annehmen müsse, um nicht neben seinem eigenen Fortbestand auch den davon abhängigen der Rechte und Interessen der Bürger leichtfertig zu gefährden.141 Ihm entgegneten einige Kritiker der Wuchergesetze, dass sich die Situation bei öffentlichen und privaten Krediten keineswegs als grundverschieden darstelle, sondern der Untertan nicht minder als der Staat in finanzielle Bedrängnis geraten könne, die ihm keine Alternative zur Eingehung eines wucherischen Kredits lasse. Daher empfanden sie es als ungerechtfertigt, wenn man dem Bürger diesen Ausweg versperre und dem Staat hingegen zugestehe.142 Während sie somit die Diskrepanz in der Behandlung öffentlicher und privater Kredite durch Abschaffung der Wuchergesetze beseitigt wissen wollten, ermahnten manche von deren Befürwortern den Staat zum Verzicht auf wucherische Darlehensverträge, da „nur solche Staaten mit Aussicht auf Erfolg Zins___________ 137 Pfeifer, Gegen die Schrift des Dr. Theobald Rizy (Anm. 32), S. 18; Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 36; ders., Diskussionsbeitrag als Referent (Anm. 67), S. 98. 138 Pfeifer, Gegen die Schrift des Dr. Theobald Rizy (Anm. 32), S. 18. 139 Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), S. 68 betonte, dass bei Staatskrediten „ganz andere Momente Platz greifen, als bei jedem Privatgeschäfte“; vgl. auch Glaser, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 23), S. 524; Wagener, Art. „Wucher und Zinsen“ (Anm. 22), S. 448. 140 Vgl. Glaser, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 23), S. 524; Wagener, Art. „Wucher und Zinsen“ (Anm. 22), S. 448. 141 Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), S. 68 f.: Der Staat lasse sich nicht auf eine über dem gesetzlichen Zinsmaximum liegende Zinsforderung ein, „weil er will, sondern weil er muß, und er muß in einem ganz andern Sinne des Wortes, als jeder Private, nemlich absolut, – darum, weil mit seinem Bestande alle Rechte und Interessen der Privaten bedroht sind. Der Staat kann darum auch in die Lage kommen, selbst mit dem offenen Verbrechen, dem Aufruhr paktiren zu müssen, weil ihm nicht der Schutz zur Seite steht, den er in normalen Verhältnissen dem Privaten gewährt“. 142 Schaffrath, Gutachten (Anm. 20), S. 408; Schober, Bundesgesetz (Anm. 4), S. 21 f.; vgl. ferner: Weißmann, Die Wucher-Frage (Anm. 83), S. 31.

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maximen erlassen können, welche selbst nie Schulden machen zu höherer Verzinsung“143. Indes kamen die Wuchergesetze, so konstatierten deren Gegner, keineswegs nur in der öffentlichen Kreditpraxis nicht zum Tragen. Von deren Einhaltung dispensiere der Staat ebenso wie sich selbst auch Banken, so dass sie sich ungestraft über das Zinsmaximum hinwegsetzen konnten.144 Damit gerate aber die Entscheidung für Wuchergesetze zunehmend ins Wanken: Das „Princip der Zinsbeschränkungen“ hielt man inzwischen für so „durchlöchert“ von Ausnahmen, dass nur noch „zusammenhangslose Ueberreste davon übrig geblieben sind“145. Erwiesen sich aber Zinsschranken ohnehin für viele Darlehensverträge bereits als obsolet, ließen sie sich, so argumentierten die für ihre Abschaffung eintretenden Autoren, auch für die verbleibenden Normunterworfenen nicht mehr aufrechterhalten.146 Zu diesen zählten noch Nichtkaufleute, da der Gesetzgeber – zuletzt im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch – Kaufleuten in Bezug auf Wuchergesetze eine Sonderstellung eingeräumt habe, die deren ausnahmslose Geltung für alle Untertanen verhindere.147 Gegen eine einseitige „Begünstigung der Handelswelt“148 sprach jedoch bereits, so nahm man an, dass sie unweigerlich Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Kaufleuten und dazu nicht gehörigen Bürgern hervorrufe.149 Zudem schien es dem Wiener Hofund Gerichtsadvokaten Heinrich Jaques ungereimt, „daß ein und dieselbe ___________ 143 Alois von Liechtenstein, Die Wucherfrage, Wien 1877, S. 15; vgl. überdies: Georg Ratzinger, Die Volkswirthschaft in ihren sittlichen Grundlagen, Freiburg i.Br. 1881, S. 310. 144 Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 130; Berndt, WucherGesetze (Anm. 32), S. 88 f.; Pfeifer, Gegen die Schrift des Dr. Theobald Rizy (Anm. 32), S. 62 ff.; Wirth, National-Oekonomie (Anm. 36), S. 330; Mährenschutz, Die Wuchergesetze (Anm. 29), S. 14 f.; Schaffrath, Gutachten (Anm. 20), S. 408 f.; Schober, Bundesgesetz (Anm. 4), S. 22 f. – Diese Ausnahmestellung der Banken kritisierte mit Liechtenstein, Wucherfrage (Anm. 143), S. 15 auch ein Befürworter von Wuchergesetzen, indem er forderte, dass Zinstaxen „allgemein, für’s große Bankgeschäft so gut wie für den letzten Winkelwucherer im polnischen Dorfe“ gelten sollten. 145 Schaffrath, Gutachten (Anm. 20), S. 408; fast wortgleich übernommen bei: Schober, Bundesgesetz (Anm. 4), S. 21. 146 Vgl. Berndt, Wucher-Gesetze (Anm. 32), S. 89; Goldschmidt, Gutachten (Anm. 1), S. 252 f. 147 Vgl. Kudler, Volkswirthschaft (Anm. 133), Bd. 2, S. 356; Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 126; Berndt, Wucher-Gesetze (Anm. 32), S. 88 f.; Rentzsch, Der Staat (Anm. 67), S. 141 f.; Goldschmidt, Gutachten (Anm. 1), S. 252 f.; Schaffrath, Gutachten (Anm. 20), S. 409; Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 36; Schober, Bundesgesetz (Anm. 4), S. 23 und 38 ff. 148 Rentzsch, Der Staat (Anm. 67), S. 142. 149 Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 130 f.; Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 35; vgl. auch Goldschmidt, Gutachten (Anm. 1), S. 252 f.

I. Gesetzliche Zinsbeschränkung versus Zinsfreiheit

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Handlung, wenn von einem gewöhnlichen Privatmann begangen, eine strafwürdige Verletzung der Rechtsordnung, und, wenn sie von einem Handelsmanne in kaufmännischen Geschäften geübt werde, zulässig und straflos sei“150. Nicht die Person des Handelnden, sondern die Qualität des Verhaltens sollte also nach seiner Auffassung über dessen Strafbarkeit bzw. Straffreiheit entscheiden, die dementsprechend eine einheitliche Beurteilung erfordere. Dieser stand allerdings, so beklagten sowohl einige Befürworter als auch Gegner der Wuchergesetze, im sächsischen Strafgesetzbuch aus dem Jahre 1855 – ebenso wie vorher schon im Polizeistrafgesetzbuch Württembergs von 1839151 – die Bestimmung entgegen, dass die Obrigkeit in einzelnen Fällen eine Befreiung von der Einhaltung des Zinsmaximums aussprechen konnte. Für Rudolf Ortmann, einem Anhänger von Wuchergesetzen, hatte sich diese Vorschrift in Sachsen nicht bewährt,152 zumal für solche Ausnahmen, so betonte der königlich bayerischer Appellationsrat Johann Friedrich Merckel, bei einer angemessenen Festsetzung der Zinstaxe von vornherein kein Bedürfnis bestehe.153 Nicht minder ablehnend äußerten sich die Kritiker von Wuchergesetzen gegenüber Dispensmöglichkeiten, die sie als ebenso willkürlich wie die Normierung eines Zinsmaximums empfanden.154 Immerhin erkenne aber der sächsische Gesetzgeber mit der Aufnahme einer solchen Ausnahmeregelung an, so hielten ihm Braun und Wirth zumindest im Ausgangspunkt zugute, dass sich das „Prinzip der ganzen bisherigen Wuchergesetzgebung, nämlich die Fixierung eines Zinsfußes für alle Fälle“ als „Irrthum“155 erweise. Dieser entfalle indes nicht mit dem Verzicht auf eine gleichmäßige Gesetzesanwendung, wie es das Strafgesetzbuch für das Königreich Sachsen vorsah.156 Statt dessen hätte der sächsische Gesetzgeber, so meinten Braun und Wirth, die als Ausnahme konzipierte Befreiung von der Beachtung des Höchstzinses als Grundsatz anerkennen und „demgemäß die ganze Wuchergesetzgebung über den Haufen werfen müssen“157, um dem Vorwurf der Willkürlichkeit zu entgehen. Mit Anerkennung einer Dispensmöglichkeit schuf der Staat hingegen aus ihrer Sicht nur die gesetzliche Grundlage für unzählige Ausnahmen, die Wuchergesetzen die Berechtigung nahmen. ___________ 150

Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 36. S.o. unter Kap. 5, IV. zu beiden Gesetzbüchern. 152 Rudolf Ortmann, Die Wucherfrage, in: Archiv für Gemeines Deutsches und für Preußisches Strafrecht, 1879, S. 409-416, hier: S. 411. 153 Merckel, Ueber den Zins-Wucher (Anm. 44), S. 107. 154 Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 158 ff.; Röhrich, Empfiehlt sich die Wiedereinführung (Anm. 133), S. 29 f.; vgl. ferner: Schaffrath, Gutachten (Anm. 20), S. 409; Schober, Bundesgesetz (Anm. 4), S. 23 f. 155 Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 160. 156 Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 159 f. 157 Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 160. 151

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Kap. 6: Die Debatte über die Berechtigung von Wuchergesetzen

II. Die Diskussion über die Wucherstrafgesetze der deutschen Staaten seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts II. Die Dis kuss ion über die Wucherstrafgesetze der deutschen Staaten

Die Gesetzgebung der deutschen Staaten beeinflusste nicht nur in Gestalt der soeben erwähnten württembergischen und sächsischen Ausnahmebestimmung von der Geltung der Wuchergesetze die Kontroverse über deren Berechtigung. Anlass zu lebhaften Auseinandersetzungen boten zudem die einzelnen Tatbestandsmerkmale, an die der jeweilige Gesetzgeber im 19. Jahrhundert eine Bestrafung wegen Wuchers knüpfte, da sich diese oftmals nicht mehr im Überschreiten des festgesetzten Höchstzinses erschöpften. Die zusätzlichen Voraussetzungen unterschieden sich allerdings, so gaben die Gegner von Wuchergesetzen zu bedenken, von Staat zu Staat, so dass sie Klarheit darüber vermissten, worin das strafwürdige Element beim Zinswucher eigentlich liegen sollte. Denn die Gewissheit darüber ging in ihren Augen verloren, wenn man in manchen Staaten nur den „betrüglichen Wucher“ pönalisierte, in anderen dagegen – wie z.B. nach dem Strafgesetzbuch der Thüringischen Staaten158 – auch die Ausnutzung von Not oder Leichtsinn des Darlehensnehmers als Wucher bestraft wurde. In der unterschiedlichen Beurteilung der strafbarkeitskeitsbegründenden Umstände des Zinswuchers erblickten die Verfechter einer freien Zinsvereinbarung ein untrügliches Zeichen, dass sich der Gesetzgeber selbst nicht mehr über das mit Wucherparagraphen zu sanktionierende Unrecht im Klaren war.159 Ihm wurde also „eine gewisse Unentschiedenheit und Unsicherheit über das strafbare Kriterium des Wuchers“160 vorgeworfen, die zum „Mangel eines rechtlichen Fundaments der criminalrechtlichen Behandlung“161 wucherischer Darlehensverträge führe. Dies blieb nicht der einzige Kritikpunkt, den man dem Staat bei der Abfassung der Wucherbestimmungen zur Last legte. Hinzu komme, dass von vornherein kein Bedarf bestanden habe, regelnd einzugreifen, weil bereits andere ___________ 158 S.o. unter Kap. 4, IV., 3. und 5, IV. zu den Wucherstrafgesetzen der deutschen Staaten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. 159 So am deutlichsten Jaques, Diskussionsbeitrag als Referent (Anm. 67), S. 99, der konstatierte, „daß die verschiedenen Strafgesetzgebungen die verschiedensten Bestimmungen über die Strafbarkeit des Wuchers enthalten, ein Beweis, daß die Gesetzgebung selbst keine Gewißheit darüber habe, wann der Wucher strafbar sei und wann nicht“; ähnlich ders., Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 35 f.: „Ueberblickt man dieses Kaleidoskop legislativer Bestimmungen, so gewinnt man, schon von aller Deduction abgesehen, die Ueberzeugung, daß ein festes und klares Rechtsbewußtsein über die Strafbarkeit des Wuchers nicht bestanden habe, geschweige denn mehr bestehen könne [...]. Wie wäre es sonst möglich, daß z.B. während die Einen den einfachen Wucher strafen, die Anderen erst in der gewohnheitlichen Betreibung desselben die Bedingung der Strafbarkeit erkennen?“ 160 Berndt, Wucher-Gesetze (Anm. 32), S. 43, vgl. ferner S. 34 f. und 88. 161 Hesse, Strafverbote gegen Wucher (Anm. 124), S. 279, vgl. auch S. 289 f.

II. Die Diskussion über die Wucherstrafgesetze der deutschen Staaten

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Gesetze – weitaus zuverlässiger – den mit Wucherstrafgesetzen angestrebten Schutz gewährten (1.). Viele von diesen räumten zudem, so monierten nicht nur die jede gesetzliche Zinsreglementierung ablehnenden Autoren, dem richterlichen Ermessen einen zu weiten Spielraum ein und machten die Bestrafung des Darlehensnehmers von schwer handhabbaren Kriterien abhängig (2. und 3.).

1. Das Vorliegen eines Regelungsbedürfnisses Die Tendenz zur Einschränkung der Wucherstrafbarkeit, die in der einzelstaatlichen Gesetzgebung der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf breiter Front durch die Aufnahme weiterer, über die Missachtung des Zinsmaximums hinausgehender Tatbestandsvoraussetzungen zu beobachten war, empfanden die Gegner von Wuchergesetzen alles andere als begrüßenswert. Sie galt ihnen nicht, wie man auf den ersten Blick vermuten könnte, als Schritt in die richtige Richtung – also den gänzlichen Verzicht auf ein gesetzgeberisches Einschreiten –, sondern erhöhte nur die Zahl ihrer Einwände gegen eine staatliche Wuchergesetzgebung. Für diese fehle bereits ein Normsetzungsbedürfnis, wenn der Gesetzgeber die verdeckte Ausbedingung einer übermäßigen Zinsforderung zum Anknüpfungspunkt der Bestrafung wegen Wuchers wählte. Wollte der Darlehensgeber dadurch seinen Vertragspartner über die wahre Höhe der ausbedungenen Zinsen täuschen, genügten aus ihrer Sicht nämlich die Betrugsvorschriften völlig, um sein Handeln strafrechtlich zu ahnden. Belasse es der Staat dennoch bei Wuchergesetzen, die den „betrüglichen Wucher“ sanktionierten, halte er an Normen fest, die – so meinte man – gegenüber der Betrugsstrafbarkeit keinen eigenständigen Anwendungsbereich aufwiesen und damit schlichtweg überflüssig waren.162 ___________ 162 Albert Friedrich Berner, Lehrbuch des Deutschen Strafrechtes, Leipzig 1857 (Nachdruck: Goldbach 1999), S. 401: „Hat durch die Verdeckung der wirklich ausbedungenen Zinsen der Schuldner selbst getäuscht werden sollen, so würde man die Strafbestimmungen über Betrug anwenden können. Es ist also gar kein Bedürfniß vorhanden, diesen Fall als „betrüglichen Wucher“ in den Gesetzen besonders zu bedrohen“; Goldschmidt, Gutachten (Anm. 1), S. 271: „Soweit [...] die selbstverständlich strafbare betrügerische Ausbeutung der Kreditbedürftigen durch Täuschung derselben über Betrag und Modalitäten der Schuld – insbesondere, aber nicht allein, in Form des s. g. verdeckten oder verkleideten Wuchers – in Frage steht, reichen die allgemeinen Strafgesetze gegen den Betrug vollkommen aus, der Art, daß selbst eine besondere Hervorhebung dieses Betrugsfalls durchaus nicht erforderlich scheint“; ferner: Hesse, Strafverbote gegen Wucher (Anm. 124), S. 272 f.; Karl Eduard Morstadt, Ausführlicher kritischer Commentar zu Feuerbach’s Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts, Schaffhausen 1855 (Nachdruck: Goldbach 1997), S. 711; Anonymus, Wuchergeseze (Anm. 42), S. 307; Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 144 f., 233 f.; Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 30 f. und 36 f.; ders., Diskussionsbeitrag als Referent (Anm. 67), S. 100; Munzinger, Wucherfrage (Anm. 1), S. 78.

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Kap. 6: Die Debatte über die Berechtigung von Wuchergesetzen

Einige Befürworter von Wuchergesetzen entgegneten darauf, dass keineswegs in jedem als Wucher zu bestrafenden Fall zugleich die Voraussetzungen des Betrugs gegeben seien. Denn dieser verlange die Hervorrufung eines Irrtums durch Täuschung,163 die sich jedoch bei einem Darlehensnehmer von niedrigem Bildungsstand von vornherein erübrige, weil er überhaupt keine konkreten Vorstellungen über den Umfang der eingegangenen Zinsverbindlichkeit habe: „Denjenigen, der die Bedeutung der wahren Angabe, die ihm gemacht wird, nicht zu erfassen vermag, Denjenigen, der nicht rechnen kann“, konstatierte daher Glaser mit Blick auf solche Darlehensnehmer, „den braucht man nicht zu betrügen, weil er bereit ist, Alles zu unterschreiben, was ihm vorgelegt wird“164. Folglich entfiel die Notwendigkeit eines gesetzlichen Wucherverbotes aus seiner Sicht nicht, wie dies die Gegenansicht behauptete, wegen der bestehenden Strafbarkeit des Betrugs. Allerdings gerieten bei den Verfechtern der Zinsfreigabe nicht nur die einzelstaatlichen Kodifikationen, die den „betrüglichen Wucher“ unter Strafe stellten, ins Visier der Kritik. Gleiches galt für jene Wuchergesetze, die der Gesetzgeber zugunsten – wegen Minderjährigkeit, Verschwendung oder Geistesschwäche – nicht voll geschäftsfähiger Darlehensnehmer erlassen hatte. Denn zum Schutz der Verschwender hielt man eine staatliche Wuchergesetzgebung von vornherein für unzureichend, weil sie wegen ihres auf Darlehensverträge beschränkten Regelungsumfangs diese nicht davon abhalten könne, sich durch andere Rechtsgeschäfte finanziell zugrunde zu richten. Um dem zuvorzukommen, bestünde die „richtige legislative Vorkehrung“ statt in Wucherstrafgesetzen darin, Verschwender zu entmündigen und einem Kurator zu unterstellen, ___________ Vgl. überdies Lilienthal, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 148, der zwar Wuchergesetze befürwortete, eine Bestrafung des „betrüglichen Wuchers“ in dieser Form aber ebenfalls wegen des Betrugsdelikts nicht für erforderlich hielt. – Strafte der Gesetzgeber als „betrüglichen Wucher“ hingegen die fehlende Erkennbarkeit der wahren Zinshöhe aus dem geschlossen Darlehensvertrag, um sie vor Dritten zu verbergen, verstoße er gegen die Privatautonomie, da die Vertragsparteien, so Braun / Wirth, Die Zins-WucherGesetze (Anm. 30), S. 144 f., nicht verpflichtet seien, den Inhalt ihrer Vereinbarungen anderen offen zu legen; Kritik an derartigen Regelungen übte auch Lilienthal, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 148. 163 Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), S. 70; Julius Glaser, Rede, gehalten im Hause der Abgeordneten am 28. April 1877, in: ders., Gesammelte kleinere juristische Schriften, Bd. 1, 2. Aufl., Wien 1883 (Nachdruck: Aalen 1980), S. 240-258, hier: S. 253 f.; Weibel, Die rechtliche Behandlung (Anm. 1), S. 606 ff.; Buchenberger, Agrarwesen (Anm. 112), S. 222 f.; die Entbehrlichkeit von Wuchergesetzen aufgrund der bestehenden Betrugsvorschriften bestritten auch: Funk, Zins und Wucher (Anm. 94), S. 246 ff. und Konrad Johannes Kaeubler, Was ist strafbarer Wucher?, Leipzig 1881, S. 19 f. 164 Glaser, Rede (Anm. 163), S. 254 i.V.m. 251 f. – zustimmend: Reichensperger, Zins- und Wucherfrage (Anm. 93), S. 79; Weibel, Die rechtliche Behandlung (Anm. 1), S. 608.

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wie es zivilrechtliche Bestimmungen bereits vorsahen.165 Ebenso betrachtete man den Schutz der Geistesschwachen und Minderjährigen ausschließlich als Aufgabe des bürgerlichen Rechts, die es bei geistigen Gebrechen Volljähriger wiederum mit der Bestellung eines Kurators und bei Minderjährigen dadurch erfülle, dass es den ohne Hinzuziehung des Vaters oder sonstigen gesetzlichen Vertreters abgeschlossenen Verträgen die Wirksamkeit versage. Wucherische Kreditverträge dieser Personengruppen brauche man mithin angesichts des hinreichenden Schutzes im bürgerlichen Recht nicht zusätzlich auf dem Gebiet des Strafrechts mit Wuchergesetzen zu sanktionieren.166 Für Jaques schien es daher schwer vorstellbar, welcher Personenkreis noch des Schutzes durch Wuchergesetze bedurfte, den nicht schon andere Gesetze in ausreichendem Maße gewährten. Schließlich müssten die dazu gehörigen Bürger, so Jaques, „im Besitz ihrer Geisteskräfte, großjährig und dispositionsberechtigt“ sowie keiner „Irreführung bezüglich des Zinsenmaßes“ erlegen und dennoch „aus Mangel an Erfahrung und der nöthigen Geistesstärke unfähig sein“, ihre Interessen beim Abschluss von Kreditverträgen selbst wahrzunehmen.167 Übrig blieben damit aus seiner Sicht nur „Zwitterkategorien“168, bei denen die Rechtsordnung die Fähigkeit zum eigenverantwortlichen Handeln grundsätzlich anerkannte, sie den Untertanen aber andererseits – für Jaques ungerechtfertigterweise – ausschließlich im Kreditwesen mit Wuchergesetzen, die deren Vertragspartnern mit Bestrafung drohten, wieder absprach.169 Wuchergesetze wurden somit als unnötige gesetzliche Wiederholungen empfunden, die sich zugunsten solcher Darlehensnehmer auswirken sollten, die schon hinreichend den Schutz der Rechtsordnung genossen.

___________ 165 So Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 26-30; vgl. auch: Anonymus, Wuchergeseze (Anm. 42), S. 306; Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 94, 137 f., 149; Berndt, Wucher-Gesetze (Anm. 32), S. 63 f.; Wirth, NationalOekonomie (Anm. 36), S. 332; Emminghaus, Art. „Wucher“ (Anm. 78), S. 1056; Contzen, National-Oekonomie (Anm. 78), S. 864; ähnlich bereits: Karl Heinrich Rau, Lehrbuch der politischen Oekonomie, Bd. 2, Heidelberg 1828 (Nachdruck: Hildesheim u.a. 1997), S. 366. 166 Vgl. Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 30; ders., Diskussionsbeitrag als Referent (Anm. 67), S. 99; ferner für die Minderjährigen: Berndt, Wucher-Gesetze (Anm. 32), S. 61. 167 Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 31. 168 Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 31. 169 Jaques, Diskussionsbeitrag als Referent (Anm. 67), S. 99: Damit „bleiben also nur Diejenigen übrig, welche nicht minderjährig und auch nicht geistesschwach im juristischen Sinne sind, die sich also auf der schmalen Grenze befinden, bezüglich deren das Gesetz sagt, daß diese Personen wohl im Stande sind, mit freiem Entschluß Verträge zu schließen, daß sie aber doch gegen Uebervortheilung durch Strafgesetze zu schützen seien“; vgl. auch ders., Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 31.

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Kap. 6: Die Debatte über die Berechtigung von Wuchergesetzen

2. Die Ausnutzung von Not und Leichtsinn des Darlehensnehmers Angriffen ausgesetzt war ein gesetzgeberisches Tätigwerden zur Verhinderung des Zinswuchers zudem dann, wenn die erlassenen Wucherverbote die Ausnutzung von Not oder Leichtsinn des Kreditsuchenden ahndeten.170 Beide Tatbestandsmerkmale wiesen nämlich aus Sicht der Kritiker von Wuchergesetzen keine festen Konturen auf und galten ihnen mithin als zu vage und unbestimmt,171 so dass ihnen eine griffige Unterscheidung, „wo die vernünftige Calculation aufhört und der Leichtsinn anfängt, wo das einfache Bedürfniß endet und die wirkliche Noth beginnt“172, von vornherein ausgeschlossen schien. So hielt z.B. Berndt den Begriff der Not für „so relativ, von so dehnbarer Natur, daß er bei allen Darlehnsnehmern seine Stätte findet“173. „Denn es leiht Niemand Geld“, so wurde die jedem Kreditgesuch mehr oder minder immanente Notlage begründet, „der es nicht ‚nöthig‘ hat“174. Nicht weniger Abgrenzungs-

___________ 170

Im Laufe der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts traten bei den im Folgenden angegebenen Autoren häufig neben Not und Leichtsinn noch weitere Beweggründe des Darlehensnehmers zur Kreditaufnahme hinzu, die – wie etwa die Unerfahrenheit – Eingang in die obrigkeitliche Wuchergesetzgebung fanden (siehe Kap. 7, II.), ohne dass sich dadurch ihre Argumentation in der Sache änderte. 171 Hesse, Strafverbote gegen Wucher (Anm. 124), S. 274 f.; Anonymus, Wuchergeseze (Anm. 42), S. 306; Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 149 ff.; Berndt, Wucher-Gesetze (Anm. 32), S. 64; Schaffrath, Gutachten (Anm. 20), S. 414; Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 32 f.; Munzinger, Wucherfrage (Anm. 1), S. 78; Röhrich, Empfiehlt sich die Wiedereinführung (Anm. 133), S. 30; Weißmann, Die Wucher-Frage (Anm. 83), S. 44 und 83. – Vgl. zur theoriegeschichtlichen Entwicklung des Bestimmtheitserfordernisses von Gesetzen, insbesondere auf dem Gebiet des Strafrechts, und seiner Umsetzung durch den Gesetzgeber: Bernd Mertens, Gesetzgebungskunst im Zeitalter der Kodifikationen, Tübingen 2004, S. 354-375; HansLudwig Schreiber, Gesetz und Richter. Zur geschichtlichen Entwicklung des Satzes nullum crimen, nulla poena sine lege, Frankfurt a.M. 1976. 172 Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 151; ähnlich: Schaffrath, Gutachten (Anm. 20), S. 414: „Es ist unmöglich, eine juristisch haltbare Grenze zwischen dem freigegebenen Gebiete des Bedürfnisses und dem mit dem Interdikte belegten Gebiete der Noth abzustecken. Nicht minder unsicher ist die Grenze zwischen der anerkannten Bewegungsfreiheit im bürgerlichen Verkehr und dem vergönnten Leichtsinn“. 173 Berndt, Wucher-Gesetze (Anm. 32), S. 64; ähnlich: Braun / Wirth, Die ZinsWucher-Gesetze (Anm. 30), S. 151 ff. 174 Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 151; auf diese Erklärung verwiesen auch: Berndt, Wucher-Gesetze (Anm. 32), S. 64: „[...], denn ohne eine gewisse Noth, ohne eine gewisse Nothwendigkeit, sei es auch Rücksichten für seine Person oder für sein Geschäft oder Gewerbe, schreitet keiner [...] zur Contrahirung eines Darlehns“; Röhrich, Empfiehlt sich die Wiedereinführung (Anm. 133), S. 30: „[...] der Begriff Noth ist sehr bedingt, wer nicht fremden Capitals benöthigt ist, wird gewiss keines anleihen“.

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schwierigkeiten bereite der Begriff des Leichtsinns,175 zumal es sich überhaupt kaum mit Sicherheit feststellen lasse, welche inneren Beweggründe den Darlehensnehmer zur Kreditaufnahme veranlassten. Deren Erforschung bürde man aber dem Kreditgeber auf und mache ihn auf diesem Wege zum Vormund seines Vertragspartners, wenn seine Bestrafung von den Motiven, die den Darlehensnehmer bei der Eingehung des Kontrakts leiteten, abhängen sollte.176 Mit dem Abstellen auf die Ausbeutung der Not oder des Leichtsinns des Kreditsuchenden versäume es also der Gesetzgeber, so beanstandeten die Gegner von Wuchergesetzen, dem Rechtsanwender konkrete Kriterien zur Ausfüllung des Wuchertatbestandes an die Hand zu geben. Aufgrund dieses Mangels an Bestimmtheit sei dem Ermessen des Richters bei der Beurteilung von Rechtsstreitigkeiten keine Grenze gesetzt, so dass man die Entscheidung über das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines wucherischen Rechtsgeschäfts „dem blinden Zufalle preisgiebt“177. Eine weitgehende richterliche Einschätzungsprärogative sahen sie also als gleichbedeutend mit Willkür an, da es nicht mehr in der Entscheidungsgewalt des Gesetzgebers, sondern in der des Richters liege, was zur Strafbarkeit wegen Wuchers führte.178 Denn das „Gesetz sagt ihm nicht: diese und diese bestimmte objective Thathandlung ist Wucher, frage nun, ob sie im vorliegenden Falle vorhanden ist; das Gesetz verlangt vielmehr von ihm, daß er nach seinem Ermessen von Fall zu Fall bestimme, was Wucher sei“179. Man befürchtete mithin, dass sich für den Ausgang von Rechtsstreitigkeiten weniger die Lage des Sachverhalts als die Person des Richters und dessen individuelle Ansichten als ausschlaggebend erwiesen. Dies galt nach Auffassung der Kritiker von Wuchergesetzen umso mehr, wenn der Gesetzgeber nicht nur die subjektiven Beweggründe, die den Darlehensnehmer zur Inanspruchnahme fremden Geldes bewogen, zum Maßstab der Strafbarkeit wegen ___________ 175 Vgl. Anonymus, Wuchergeseze (Anm. 42), S. 306; Braun / Wirth, Die ZinsWucher-Gesetze (Anm. 30), S. 151; Schaffrath, Gutachten (Anm. 20), S. 414; Munzinger, Wucherfrage (Anm. 1), S. 67. 176 Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 151 f.; vgl. auch Gross, Ueber die Behandlung des Verbrechens des Wuchers in einigen der neuern Criminalgesetzbücher und Entwürfe dazu, in: Archiv des Criminalrechts, 1851 (N.F.), S. 254-278, hier: S. 267 sowie Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 31, der sich gegen die Anknüpfung an solche Beweggründe des Darlehensnehmers aussprach, da sie „so wenig äußerlich erkennbar, so wenig palpabel sind“. 177 Schaffrath, Gutachten (Anm. 20), S. 414. 178 So konstatierte Jaques, Diskussionsbeitrag als Referent (Anm. 67), S. 99, „daß der Staat, indem er zu Gunsten der im Nothstand Befindlichen, der Leichtsinnigen und Verstandesschwachen Wucherstrafgesetze aufstellt, sich auf das Gebiet der Willkür begibt, indem es dabei lediglich in dem Arbitrium der Richter liegt, zu erkennen, ob im gegebenen Falle ein strafbarer Wucher vorliege oder nicht“; ferner: ders., Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 48 ff.; Schaffrath, Gutachten (Anm. 20), S. 414: „Das richterliche Ermessen würde sich als richterliche Willkür darstellen“. 179 Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 50.

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Wuchers erklärte, sondern zusätzlich – wie nach dem badischen Strafgesetzbuch – von der Festsetzung eines Höchstzinses absah. Damit bleibe nämlich auch die Abgrenzung zwischen mäßigen und übermäßigen Zinsen dem Richter vorbehalten, so dass es zu Lasten der Rechtssicherheit sodann gänzlich an festen Anhaltspunkten im Wuchertatbestand fehle.180 Friedrich Heinrich Geffcken, der an der Universität Straßburg Staatswissenschaften lehrte, wies den Einwand fehlender Bestimmtheit von Wuchergesetzen, die es untersagten, Not oder Leichtsinn des Kreditsuchenden zur Ausbedingung übermäßiger Zinsen auszunutzen, mit der lapidaren Feststellung zurück, dass ein solches Verbot keineswegs „von Kautschuk“ sei. Ganz im Gegenteil: Der Gesetzgeber umschreibe darin die als Wucher zu erfassenden Fälle „durchgängig so klar“, dass Geffcken jede Ungewissheit darüber, ob das in Rede stehende Geschäft ein wucherisches sei, von vornherein für ausgeschlossen hielt.181 Im Unterschied zu ihm begnügten sich andere Befürworter von Wuchergesetzen nicht mit apodiktischen Behauptungen, um den Vorwurf der Unbestimmtheit zu entkräften, sondern griffen entschieden die Argumentation der Gegenansicht an, die umfangreiche richterliche Entscheidungsbefugnisse mit dem Verdikt der Willkür versah. Dagegen spreche bereits, dass man dem Richter bei einer ganzen Reihe von Delikten – insbesondere bei dem der Beleidigung – weitaus weniger präzise Tatbestandsmerkmale vorgebe und ihm dennoch eine sachgerechte Urteilsfindung zutraue. Folglich bestehe kein Anlass, ihm bei der Beurteilung, ob Darlehensverträge einen wucherischen Inhalt aufwiesen, dieses sonst geschenkte Vertrauen in eine verständige Würdigung der Sachlage abzusprechen und geradezu „von der Voraussetzung richterlicher Thorheit auszugehen“182. Vielmehr liege der richterlichen Rechtsanwendung auch beim Wucherbegriff ein „einsichtsvolles Ermessen“183 zugrunde, von dem man sich zudem Vorteile gegenüber einem vom Gesetzgeber bis ins kleinste Detail geregelten Wucherverbot versprach. Gab das Wuchergesetz dem richterlichen Ermessen genügend Raum, erschwere es nämlich Darlehensgebern, auf ___________ 180 Vgl. Hesse, Strafverbote gegen Wucher (Anm. 124), S. 274; Goldschmidt, Gutachten (Anm. 1), S. 270; Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 32 f. und 48 f.; Weißmann, Die Wucher-Frage (Anm. 83), S. 44 und 83 f. 181 Geffcken, Wucherfrage (Anm. 51), S. 128. 182 Reichensperger, Zins- und Wucherfrage (Anm. 93), S. 80; ferner: Eheberg, Stand der Wucherfrage (Anm. 29), S. 76; Weibel, Die rechtliche Behandlung (Anm. 1), S. 606 f. 183 Eheberg, Stand der Wucherfrage (Anm. 29), S. 76; für die Sachgerechtigkeit richterlicher Ermessensentscheidungen in Wuchersachen warben auch: ders., Die Wucherfrage in Theorie und Praxis seit 1880, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirthschaft im Deutschen Reich, 1884, Heft 3, S. 97-145, hier: S. 122 sowie Thüngen-Roßbach, Wucher- und Wechselfrage (Anm. 18), S. 15, der sich optimistisch zeigte, dass die Richter „in jedem einzelnen Falle leicht das Vorhandensein des Wuchers festzustellen wissen“.

II. Die Diskussion über die Wucherstrafgesetze der deutschen Staaten

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Wege zu seiner Umgehung zu sinnen, da sie bei einer solchen flexibleren Regelung stets Gefahr laufen müssten, letztlich doch als Wucherer bestraft zu werden.184 Allerdings teilten keineswegs alle Befürworter von Wuchergesetzen diese Einschätzung; einige von ihnen standen nicht minder als die Anhänger der gegenteiligen Auffassung solchen Bestimmungen argwöhnisch gegenüber, welche die Bestrafung des Darlehensgebers auf innere Beweggründe seines Vertragspartners wie Not oder Leichtsinn stützten. Damit verstoße der Gesetzgeber gegen die „Fundamentalregel“, so konstatierte der Wiener Strafrechtsprofessor und spätere österreichische Justizminister Julius Glaser 1867, dass „jede Strafnorm deutlich genug sein müsse, um den Unterthanen bei ihrem Thun und Lassen zur Richtschnur zu dienen“185. Sobald der Richter die Zinsforderung als übermäßig einstufe, lasse sich nämlich – weil man in den Begriffen Not und Leichtsinn vergeblich etwas „Sicheres und Faßbares“ suche – nicht absehen, ob er den Kreditgeber wegen Wuchers verurteilen würde oder nicht.186 Richterliche Entscheidungen büßten somit auch nach Auffassung einiger Befürworter von Wuchergesetzen ihre Vorhersehbarkeit ein, wenn sich der Gesetzgeber bei der Normierung der Voraussetzungen des Wuchers auf wenig exakte Begriffe zurückzog. Denn: „Jeder bewucherte Schuldner ist entweder nothleidend oder leichtsinnig“, so heißt es bei Leopold Caro, „da er doch sonst nicht einen Vertrag eingehen würde, der ihn früher oder später unbedingt ruiniren muß“187. Stelle der Staat gleichwohl auf solche inneren Motive des Darlehensnehmers in seiner Wuchergesetzgebung ab, beeinträchtige er zudem die rechtsberatende Tätigkeit von Anwälten und Notaren, die in diesem Fall mangels Berechenbar-

___________ 184

Friedrich August Mahla, Der Wucher auf dem Lande in der bayerischen Rheinpfalz, in: Verein für Socialpolitik, Der Wucher auf dem Lande, Leipzig 1887 (Nachdruck: Vaduz/Liechtenstein 1989), S. 113-119, hier: S. 114 f.; Thiel, Korreferat über die Wucherfrage (Anm. 122), S. 62. 185 Julius Glaser, Die Aufhebung der Zinstaxe und die Abänderung des Wuchergesetzes, in: Allgemeine österreichische Gerichts-Zeitung, 1867, S. 1-3, 6-7, 9-11, 13-16, hier: S. 2; Zustimmung fand er damit bei Caro, Wucher (Anm. 57), S. 39 und 64 f. Vgl. außerdem Ortmann, Wucherfrage (Anm. 152), S. 412 f. und Ratzinger, Die Volkswirthschaft (Anm. 143), S. 308. – Im Jahre 1877 verteidigte Glaser, Rede (Anm. 163) indes als Justizminister Österreichs den Entwurf eines Wuchergesetzes, der gerade – wie von ihm zehn Jahre zuvor noch harsch kritisiert – auf die subjektiven Beweggründe des Darlehensnehmers zur Kreditaufnahme abstellte. Vgl. zur ambivalenten Haltung Glasers auch Isopescul-Grecul, Wucherstrafrecht (Anm. 2), S. 179 f. 186 Glaser, Abänderung des Wuchergesetzes (Anm. 185), S. 7 und 14. 187 Caro, Wucher (Anm. 57), S. 144; ähnlich auch schon Lilienthal, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 380: „Was nun die besondere Lage des Schuldners anlangt, so ist kaum ein Fall denkbar, in dem Jemand hohe Zinsen anders als aus Noth, Leichtsinn oder Unerfahrenheit versprochen hätte“.

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Kap. 6: Die Debatte über die Berechtigung von Wuchergesetzen

keit des Prozessausgangs keine verlässlichen Rechtsauskünfte mehr erteilen könnten.188

3. Gewohnheitsmäßiger und verschleierter Wucher Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit hegte man indes nicht nur bei Wuchergesetzen, in denen die Ausnutzung von Not oder Leichtsinn des Darlehensnehmers zum Zwecke der Zinssteigerung verboten wurde. Gleiches gelte, so mahnten sowohl Befürworter als auch Gegner staatlicher Wucherverbote, wenn der Gesetzgeber – wie im Strafgesetzbuch Preußens von 1851189 – nicht jede Überschreitung des Zinsmaximums, sondern nur die gewohnheits- bzw. gewerbsmäßige Vornahme solcher Kreditgeschäfte pönalisierte, dann aber offen ließ, unter welchen Umständen dies anzunehmen sei. Dadurch stelle man es nämlich wiederum dem richterlichen Ermessen anheim, die Voraussetzungen des alles andere als eindeutigen Tatbestandsmerkmals der Gewohnheitsmäßigkeit – synonym verwendete man den Begriff der Gewerbsmäßigkeit190 – festzulegen und somit insbesondere zu bestimmen, wie viele Wucherfälle dazu erforderlich sein sollten.191 Ob es dabei auf die Zahl wucherischer Darlehensverträge oder auf die bewucherter Darlehensnehmer ankomme, bleibe folglich nicht minder ungewiss wie die Antwort auf die Frage, inwieweit frühere Verstöße nach geraumer Zeit verjährten und deshalb bei der Beurteilung der Gewohnheitsmäßigkeit einer späteren Zuwiderhandlung gegen die Zinstaxe außer Betracht zu bleiben hatten. Beklagt wurde also das Fehlen einer gesetzlichen Regelung, die solche – mit der gewohnheitsmäßigen Begehungsweise als Voraussetzung strafbaren Wuchers verbundene – Unklarheiten ausräumte.192 Zweifel an der Stichhaltigkeit dieses Einwands mangelnder gesetzlicher Bestimmtheit ergaben sich für den Darmstädter Oberappellationsgerichtsrat Hesse ___________ 188 Stanislaus Poray von Madeyski, Die neue Wuchergesetzgebung vom Standpunkte des Notariates, in: Zeitschrift für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit in Oesterreich, 1879, S. 273-275, 281-284, 289-293, 331-332, hier: S. 275; ferner: Glaser, Abänderung des Wuchergesetzes (Anm. 185), S. 2. 189 S.o. Kap. 5, IV. 190 Berndt, Wucher-Gesetze (Anm. 32), S. 90; Berner, Lehrbuch (Anm. 162), S. 400; Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 34. 191 Vgl. unter den Befürwortern der Wuchergesetze: Merckel, Ueber den ZinsWucher (Anm. 44), S. 26-29; Mahla, Der Wucher auf dem Lande (Anm. 184), S. 113; unter deren Kritikern: Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 140 f.; Berndt, Wucher-Gesetze (Anm. 32), S. 90; vgl. auch Berner, Lehrbuch (Anm. 162), S. 400. 192 Merckel, Ueber den Zins-Wucher (Anm. 44), S. 26, 28 f.; Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 141 ff.; Berndt, Wucher-Gesetze (Anm. 32), S. 90; Mahla, Der Wucher auf dem Lande (Anm. 184), S. 113.

II. Die Diskussion über die Wucherstrafgesetze der deutschen Staaten

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bereits aufgrund der Tatsache, dass der Gesetzgeber den Begriff der Gewerbsmäßigkeit nicht nur beim Wucher, sondern auch bei einigen anderen Delikten verwandte, so dass sich deren Inhalt augenscheinlich ermitteln lasse.193 Bei solchen anderen Straftatbeständen wirke die Gewerbsmäßigkeit aber, so konterten Anhänger der Gegenansicht, nicht strafbarkeitsbegründend, sondern – was den entscheidenden Unterschied ausmache – lediglich strafschärfend. Denn eine an sich straflose Handlung könne nicht durch bloße Wiederholung in eine strafbare umschlagen, so dass man es als in sich widersprüchlich empfand, getreu dem Sprichwort „Einmal ist kein Mal“ die einmalige Übertretung des Zinsmaximums ungestraft durchgehen zu lassen, die mehrmalige aber strafrechtlich zu verfolgen.194 Vielmehr erhöhe die Gewohnheits- bzw. Gewerbsmäßigkeit ausschließlich die Strafwürdigkeit eines ohnehin schon strafbaren Verhaltens und sollte daher nur auf Ebene des Strafmaßes Berücksichtigung finden.195 Gegen die Anknüpfung an die Gewohnheitsmäßigkeit als Tatbestandsvoraussetzung spreche zudem, so gab Merckel – ein Befürworter von Wuchergesetzen – zu bedenken, dass der mit einem einzelnen wucherischen Darlehensvertrag angerichtete Schaden viel größer ausfallen könne, als der durch mehrere solcher Rechtsgeschäfte verursachte. Daher lag es nach seiner Auffassung im allgemeinen Interesse, ein Überschreiten des gesetzlichen Höchstzinses von Anfang zu ahnden und nicht erst dann, wenn dies zur Gewohnheit geworden sei.196 Ebenso wie die Einschränkung der Wucherstrafbarkeit auf die Fälle der Gewohnheitsmäßigkeit blieben auch Wuchergesetze, die eine Überschreitung des ___________ 193 So Hesse, Strafverbote gegen Wucher (Anm. 124), S. 277 f. mit Blick auf das französische Wuchergesetz, gegen das derselbe Vorwurf erhoben wurde; vgl. auch Jodocus Donatus Hubertus Temme, Critik des Entwurfs des Strafgesetzbuchs für die Preußischen Staaten, Bd. 2, Berlin 1843 (Nachdruck: Goldbach 1997), S. 376 und Heinrich Leopold von Strampff, Kritische Briefe über den Entwurf des Strafgesetzbuches für die Preußischen Staaten, Berlin 1844 (Nachdruck: Goldbach 1997), S. 423, die ebenfalls das Kriterium der Gewerbsmäßigkeit in der Wuchergesetzgebung verteidigten. 194 Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 36; ähnlich: ders., Diskussionsbeitrag als Referent (Anm. 67), S. 99. 195 Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 140: „Wiederholung kann Straf-Schärfungsgrund sein, sie kann aber niemals ein Verbrechen erst bilden, welches bei derselben Handlung, einmal vorgenommen, nicht vorhanden sein würde“; ferner unter den Gegnern der Wuchergesetze: Berner, Lehrbuch (Anm. 162), S. 400 f.; Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 36. Unter den Befürwortern der Wuchergesetze: Merckel, Ueber den Zins-Wucher (Anm. 44), S. 97; Lilienthal, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 148 f.; vgl. auch Stein, Der Wucher (Anm. 75), S. 164 f. – Gegen diese Argumentation wandte sich Temme, Critik des Entwurfs (Anm. 193), S. 376. 196 Merckel, Ueber den Zins-Wucher (Anm. 44), S. 95, 97 f.; in diese Richtung auch Stein, Der Wucher (Anm. 75), S. 164 f.: Beschränkt man die Wucherstrafbarkeit auf die Fälle der Gewerbsmäßigkeit, „so begeht man den unlösbaren Widerspruch zu sagen, daß tausend Wuchergeschäfte von tausend Leuten betrieben kein Wucher sein sollen, während hundert Wuchergeschäfte von Einem Wucherer betrieben, etwa bei dem sechzigsten Geschäft anfangen zum Wucher zu werden“.

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gesetzlichen Zinsmaximums unter Strafe stellten, wenn dies von den Vertragsparteien verschleiert wurde, nicht vom Vorwurf fehlender Eindeutigkeit verschont. Auch der Begriff der Verschleierung wurde nämlich als „ein sehr relativer“ eingeschätzt, weil er angesichts der zahlreichen Möglichkeiten zur Umgehung der Höchstzinsfestsetzung unweigerlich kaum lösbare Abgrenzungsschwierigkeiten darüber hervorrufe, „was Schleier und was wirkliches Geschäft sei“197. Daher tendiere der Staat ausschließlich bei Untertanen, die bereits als wuchernde Kreditgeber berüchtigt waren, nicht aber bei bisher unbescholtenen Bürgern dazu, hinter einem gewinnträchtigen Geschäft – oft zu Unrecht – ein wucherisches zu vermuten und strafrechtlich zu verfolgen.198 Wegen der unüberschaubaren Vielzahl von Wegen, die Zinstaxe zu umgehen, nehme man also Verdachtsmomente in Abhängigkeit von der Person des möglichen Delinquenten wahr, so dass „bei der Verfolgung vermeintlich verschleierter Wucherfälle die Gefahr nahe liegt“, so warnten Braun und Wirth, „daß die Gleichheit vor dem Gesetz bei Seite gesetzt“199 wird. Damit sich die Wuchergesetze nicht in der Praxis zum Sonderrecht für diejenigen Bürger entwickelten, denen der Ruf des Wucherers schon anhaftete, rieten sie mithin entschieden von der Anknüpfung an das Kriterium der Verschleierung ab.

III. Die Empfehlungen der Befürworter von Wuchergesetzen an den Gesetzgeber III. Die Empfehlungen der Befürworter von Wuchergesetzen

Angesichts der wenig positiven Resonanz, die den seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlassenen strafrechtlichen Wucherverboten zuteil wurde, stellt sich die Frage, wie die Befürworter von Wuchergesetzen das staatliche Eingreifen im Kreditwesen ausgestalten (1. sowie 2.) und auf welche Vertragsarten sie es beziehen wollten (3.). ___________ 197 Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 148; vgl. auch Merckel, Ueber den Zins-Wucher (Anm. 44), S. 2 f. und 7 f. 198 Merckel, Ueber den Zins-Wucher (Anm. 44), S. 87: „Macht irgend Jemand, der nicht in dem Rufe steht, ein Gewohnheitswucherer zu sein, [...] einen [beträchtlichen] Gewinn, so ist Niemand versucht zu glauben, daß dieser Gewinn ein wucherischer sei. Steht er aber in dem Rufe eines Gewohnheitswucherers, und ist er deßfalls in Untersuchung gezogen, so ist man geneigt, jeden bedeutenden Gewinn, den er aus einem Vertragsverhältniß gezogen, als einen wucherischen zu betrachten“. – Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 148 f. schlossen sich dieser Auffassung an. 199 Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 149; gegen diese Ungleichbehandlung hatte sich bereits Merckel, Ueber den Zins-Wucher (Anm. 44), S. 88 mit seiner Forderung gewandt, „daß bei der Frage, ob eine wucherische Handlung vorliege oder nicht, nicht einzig und allein der Charakter des Beschuldigten, sondern hauptsächlich in Betracht kommen muß, ob in das betreffende Vertragsverhältniß wucherische Zinsen einer bestehenden oder zu begründenden Darlehnsschuld des Bewucherten eingekleidet worden sind oder nicht“.

III. Die Empfehlungen der Befürworter von Wuchergesetzen

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1. Straf- und zivilrechtliche Wucherbestimmungen Von der vehementen Kritik an der Gesetzgebung, soweit sie den verschleierten, gewohnheitsmäßigen oder unter Ausnutzung innerer Beweggründe des Darlehensnehmers begangenen Wucher unter Strafe stellte, zeigte sich insbesondere Reichensperger unbeeindruckt, der auf keines der drei Kriterien verzichten wollte. So warb er 1860 für die Beibehaltung des Wuchertatbestandes im preußischen Strafgesetzbuch,200 der Darlehensgebern bei verschleierter oder gewohnheitsmäßiger Zuwiderhandlung gegen das Zinsmaximum sowohl Geldals auch Freiheits- und Ehrenstrafen androhte.201 Knapp zwanzig Jahre später strebte er – zusätzlich zu den Fällen des gewohnheitsmäßig begangenen und verschleierten Wuchers – eine Bestrafung des Kreditgebers an, wenn er sich in „gewinnsüchtiger Absicht“ über dem gesetzlichen Höchstsatz liegende Zinsen versprechen ließ, obwohl er wusste, dass den Kreditsuchenden Not, Leichtsinn oder Unerfahrenheit zur Eingehung des Vertrages veranlassten. Ergänzend zu diesen strafrechtlichen Bestimmungen setzte sich Reichensperger – im Reichstag mit einem eigenen Gesetzesentwurf – dafür ein, dem Darlehensnehmer bei Überschreitung der Zinstaxe einen Anspruch auf Rückgewähr der danach zuviel gezahlten Zinsen einzuräumen.202 Reichensperger wollte also wucherischen Kreditverträgen – ebenso wie viele andere Befürworter von Wuchergesetzen –, sowohl mit den Mitteln des Strafals auch des Zivilrechts entgegenwirken.203 Hingegen genügte dem Berliner Philosophieprofessor Friedrich Adolf Trendelenburg ein Einschreiten des Ge___________ 200 Die Wuchervorschrift der preußischen Strafrechtskodifikation ist zu finden bei: Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 123. 201 Vgl. Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), Vorwort; an allen drei genannten Kriterien wollte etwa auch Thüngen-Roßbach, Wucher- und Wechselfrage (Anm. 18), S. 7 i.V.m. 14 f. festhalten. 202 §§ 3 und 6 f. von Reichenspergers Gesetzesentwurf aus dem Jahre 1879, abgedruckt bei Röhrich, Empfiehlt sich die Wiedereinführung (Anm. 133), S. 20 f. und Schwarze, Reichsgesetz (Anm. 129), S. 96 f. Vgl. auch Reichensperger, Zins- und Wucherfrage (Anm. 93), S. 13, 75 ff. – Zu seinen weiteren Vorschlägen im Entwurf siehe Kap. 7, II. 203 Straf- und zivilrechtliche Wucherregelungen strebten – neben Reichensperger – an: Rizy, Ueber Zinstaxen (Anm. 30), S. 237 ff. und 246 ff.; Leo Geller, Zur Wucherfrage, in: Gerichtshalle, 1879, S. 419-420, 423-424, 427-428, 431-432, 437-438, 443-444, hier: S. 443 f.; Madeyski, Die neue Wuchergesetzgebung (Anm. 188), S. 273; ThüngenRoßbach, Wucher- und Wechselfrage (Anm. 18), S. 26; Raban von Canstein, Vorschlag zur Wuchergesetzfrage, in: Allgemeine österreichische Gerichts-Zeitung, 1880, S. 5-6, 9-10, 13-15, hier: S. 10 und 14; Mirbach-Sorquitten, Währungs- und Wucherfrage (Anm. 18), S. 27 und 41; Stein, Der Wucher (Anm. 75), S. 195; Ratzinger, Die Volkswirthschaft (Anm. 143), S. 309 f.; Weibel, Die rechtliche Behandlung (Anm. 1), S. 608611, 614 f., 618 f.; Pesch, Zinsgrund (Anm. 64), S. 418.

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setzgebers auf dem Gebiet des Strafrechts,204 da er das Privatrecht nicht für die Verhängung von Sanktionen gegenüber wuchernden Darlehensgebern, sondern dafür zuständig befand, den übereinstimmenden Willen der Kontrahenten zur Geltung zu bringen. Dass der Zivilrichter unter diesen Umständen in die Lage kommen könnte, dem Darlehensgeber Zinsen von immenser Höhe zuerkennen zu müssen, schien Trendelenburg nicht zu befürchten. Denn er ging davon aus, dass die Kontrahenten bei ihren Zinsvereinbarungen die drohenden strafrechtlichen Konsequenzen nicht außer Acht ließen.205  Die auch von Trendelenburg geforderte Normierung eines Wucherstraftatbestandes sah man ganz überwiegend als unentbehrlich an,206 wenngleich mit unterschiedlichen Begründungen. Für Karl Theodor Eheberg, der in Würzburg Staatswissenschaften lehrte, bedurfte es der Strafgesetzgebung schon deshalb, weil er den Wucher als gemeingefährliche Handlung betrachtete, die sich nicht in der Schädigung des einzelnen übervorteilten Darlehensnehmers erschöpfe. Durch wucherische Rechtsgeschäfte drohe also zugleich der Allgemeinheit Schaden, den der Gesetzgeber, so glaubte Eheberg, nicht durch ein rein zivilrechtliches Vorgehen abzuwenden vermochte.207 Glaser verwies hingegen zur Legitimation eines strafrechtlichen Eingreifens auf die unter Geltung des josephinischen Wucherpatents von 1787 gesammelten Erfahrungen. Diese bewiesen aus seiner Sicht nämlich zur Genüge, dass eine Beschränkung auf zivilrechtliche Regelungen keineswegs zur Eindämmung des Zinswuchers führe, sondern dazu das Strafrecht erforderlich sei.208 Genau umgekehrt schätzte der konservative Reichstagsabgeordnete Julius von Mirbach-Sorquitten die Wirkung von Wuchergesetzen auf beiden Rechtsgebieten ein: Eine deutliche Zurückdrängung wucherischer Kreditverträge lasse sich nur erreichen, wenn der Gesetzgeber im Zivilrecht deren Unwirksamkeit anordnete; eine Bestrafung wuchernder Darlehensgeber hielt er für weitaus weniger Erfolg verspre-

___________ 204

Trendelenburg, Naturrecht (Anm. 122), S. 243. Trendelenburg, Naturrecht (Anm. 122), S. 243: „Es würde nicht hindern, wenn in einem solchen Falle, wie auch sonst, die Aufgabe des Privatrechts und Strafrechts verschieden wäre. Wo das Privatrecht die Sache nach der Norm des Vertrages, dem gemeinsamen Willen der Parteien, entschiede, fasste das Strafrecht die Person, den Wucherer, und die Rückwirkung auf sittliche Umsicht bei Schliessung der Verträge würde nicht ausbleiben“. 206 Eine Ausnahme bildete insoweit Karl Walcker, Handbuch der Nationalökonomie, Bd. 1, Leipzig 1882, S. 238, der dem Darlehensgeber nur die Einklagung der ausbedungenen Zinsen versagen wollte, wenn diese über dem – vom Gesetzgeber festzusetzenden – Zinsmaximum lagen, so dass er ausschließlich ein zivilrechtliches Vorgehen gegen den Wucher anstrebte. 207 Vgl. Eheberg, Stand der Wucherfrage (Anm. 29), S. 75. 208 Vgl. Glaser, Rede (Anm. 163), S. 241 f., 245 f., 253, 257. 205

III. Die Empfehlungen der Befürworter von Wuchergesetzen

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chend.209 Gleichwohl wollte er nicht auf einen Wucherparagraphen im Strafrecht verzichten, den er als notwendig ansah, um dem Rechtsempfinden der Bevölkerung Genugtuung zu verschaffen. Diesen Zweck erfüllte aus seiner Sicht – die der gängigen Auffassung unter den Befürwortern eines staatlichen Einschreitens gegen den Zinswucher entsprach210 – also nicht jedes Wuchergesetz, sondern nur ein Wucherstrafgesetz.211 Sowohl die straf- als auch die zivilrechtliche Wucherregelung sollte, so Mirbach-Sorquitten, die Festsetzung eines gesetzlichen Zinsmaximums enthalten, da es eine bedenkliche Rechtsunsicherheit hervorrufe, wenn man dem Ermessen des Richters die Entscheidung über die zulässige Höhe der Darlehenszinsen überlasse. „Richterliche Erkenntnisse bereiten ja bisweilen“, so bemerkte er dazu abschätzig, „ganz hübsche Ueberraschungen“212. Nicht minder ablehnend standen auch einige andere Befürworter von Wuchergesetzen einer Bestimmung des Höchstzinses durch den Richter gegenüber, so dass sie die Rechtsprechung insoweit eng an das Gesetz binden wollten. Dieses müsse dementsprechend Zinstaxen vorsehen,213 die man jedoch am Ende des 19. Jahrhunderts zumeist nicht mehr so niedrig, wie es bisher in der Wuchergesetzgebung üblich war, anzusetzen beabsichtigte.214 Der tradierte Höchstsatz von sechs Prozent Zinsen schien Mirbach-Sorquitten daher nur noch bei hypothekarisch gesicherten Anleihen ratsam, während er sonst dem Darlehensgeber eine bis zu zwölfprozentige Verzinsung zugestehen wollte.215 Ähnlich setzte sich Bismarck 1880 ___________ 209 Mirbach-Sorquitten, Währungs- und Wucherfrage (Anm. 18), S. 28 f.; in diese Richtung auch Pesch, Zinsgrund (Anm. 64), S. 418: „Civilrecht und Criminalrecht müssen hier Hand in Hand gehen, ja der Civilgesetzgebung fällt der Löwenanteil im Kampfe gegen wucherische Aussaugung der Lebenskraft unseres Volkes zu“. 210 Vgl. Rizy, Ueber Zinstaxen (Anm. 30), S. 229 f. und 241 f.; Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), S. 71; Wagener, Art. „Wucher und Zinsen“ (Anm. 22), S. 445; Trendelenburg, Naturrecht (Anm. 122), S. 243 f.; Thüngen-Roßbach, Wucherund Wechselfrage (Anm. 18), S. 15 f. – S.o. unter I., 4. zur Legitimation einer staatlichen Wuchergesetzgebung mit dem Rechtsempfinden der Bevölkerung. 211 Mirbach-Sorquitten, Währungs- und Wucherfrage (Anm. 18), S. 28. 212 Mirbach-Sorquitten, Währungs- und Wucherfrage (Anm. 18), S. 29. 213 Vgl. Glaser, Abänderung des Wuchergesetzes (Anm. 185), S. 14; ders., Rede (Anm. 163), S. 246; Madeyski, Die neue Wuchergesetzgebung (Anm. 188), S. 275; Thüngen-Roßbach, Wucher- und Wechselfrage (Anm. 18), S. 14; Ortmann, Wucherfrage (Anm. 152), S. 411 ff.; Geffcken, Wucherfrage (Anm. 51), S. 123; Ratzinger, Die Volkswirthschaft (Anm. 143), S. 208, 301 ff., 307 ff.; Walcker, Nationalökonomie (Anm. 206), S. 238; Pesch, Zinsgrund (Anm. 64), S. 39. 214 Vgl. Thüngen-Roßbach, Wucher- und Wechselfrage (Anm. 18), S. 14; Ortmann, Wucherfrage (Anm. 152), S. 411 und 415; Geffcken, Wucherfrage (Anm. 51), S. 123; Mirbach-Sorquitten, Währungs- und Wucherfrage (Anm. 18), S. 29 und 41. Reichensperger, Zins- und Wucherfrage (Anm. 93), S. 74 wollte hingegen das Zinsmaximum weiterhin gering – nämlich auf sechs bzw. maximal sieben Prozent – ansetzen. 215 Mirbach-Sorquitten, Währungs- und Wucherfrage (Anm. 18), S. 29 und 41.

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Kap. 6: Die Debatte über die Berechtigung von Wuchergesetzen

im Reichstag – allerdings erfolglos – für die Normierung eines Höchstzinses von acht Prozent bei Kreditvergaben, denen eine Hypothekenbestellung zugrunde lag, und fünfzehn Prozent im Übrigen ein.216 Noch weiter ging der Dresdener Landgerichtsrat Rudolf Ortmann, der eine Anhebung des Zinsmaximums auf fünfundzwanzig Prozent propagierte, um Darlehensgebern die Ausbedingung einer angemessenen Gegenleistung auch dann zu ermöglichen, wenn der Darlehensnehmer nicht zu den sichersten Schuldnern zählte, denen man sein Geld gegen geringe Zinsen anvertraue.217 Jedoch stieß sein Vorschlag bei dem Strafrechtler Karl Ludwig Julius von Lilienthal auf Kritik, der den von Ortmann angestrebten Höchstzins für entschieden zu hoch hielt. Dadurch nehme man dem Wuchergesetz von vornherein nahezu jeden Anwendungsfall, prognostizierte Lilienthal, und damit zugleich die erhoffte positive Wirkung.218 Andere Befürworter staatlicher Wuchergesetze standen der Normierung eines festen Zinsmaximums gleich welcher Höhe skeptisch gegenüber und strebten statt dessen eine flexiblere Regelung an,219 die für den Grazer Juraprofessor Raban von Canstein eine Ausrichtung der Wuchergesetzgebung am – je nach Kreditsicherheit zu ermittelnden – ortsüblichen Zinsfuß erforderte.220 Bei dessen Überschreitung um mehr als das Doppelte sollte der Darlehensnehmer nur zur Zahlung der ortsüblichen – und nicht der vereinbarten – Zinsen verpflichtet sein, ab der Überschreitung um mehr als das Dreifache sollte der Darlehensgeber zusätzlich einer Geld- oder Freiheitsstrafe unterliegen.221 Demgegenüber wollte Leopold Caro ein einheitliches Zinsmaximum durch Wuchergesetze ersetzen, die dem Richter die Befugnis zur Abänderung des zwischen den Vertragsparteien vereinbarten Zinssatzes einräumten. Dieses Änderungsrecht befürwortete Caro nicht nur zur Zinssenkung, sondern gleichermaßen in die andere Richtung: So plädierte er für eine Erhöhung der dem Kreditgeber geschuldeten Gegenleistung, wenn sich sein Vertragspartner mit dem überlassenen Geld einen größeren – als der ausbedungenen Verzinsung entsprechenden – Nutzen zu verschaffen vermochte. Ließ sich indessen mit dem erhaltenen Kapital von vornherein nicht ein Gebrauchswert realisieren, der in angemessenem Verhältnis zu der vom Darlehensnehmer versprochenen Zinsforderung stand, sollte der ___________ 216

Vgl. zu Bismarcks Antrag: Lilienthal, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 383; Schwarze, Reichsgesetz (Anm. 129), S. 7; Caro, Wucher (Anm. 57), S. 68. 217 Ortmann, Wucherfrage (Anm. 152), S. 410 f. und 415. 218 Lilienthal, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 383. 219 Trendelenburg, Naturrecht (Anm. 122), S. 242 f.; Canstein, Wuchergesetzfrage (Anm. 203), S. 5 f. und 9; Caro, Wucher (Anm. 57), S. 129; gegen die Festsetzung eines Zinsmaximums wandten sich auch Eheberg, Stand der Wucherfrage (Anm. 29), S. 7073; Buchenberger, Agrarwesen (Anm. 112), S. 208. 220 Vgl. Canstein, Wuchergesetzfrage (Anm. 203), S. 5 f., 9 f., 14. 221 Canstein, Wuchergesetzfrage (Anm. 203), S. 10 und 14.

III. Die Empfehlungen der Befürworter von Wuchergesetzen

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Richter diese anteilig herabsetzen.222 Caros Ziel bestand also darin, mit Hilfe der richterlichen Änderungsbefugnis den Gebrauchsvorteil des Geldes, den es in der Hand des Darlehensnehmers erlangte, mit der von ihm für die Gebrauchsüberlassung zu zahlenden Gegenleistung in Übereinstimmung zu bringen.223 Allerdings stieß er damit bei Lilienthal auf Widerspruch: Das von Caro zum Anknüpfungspunkt der Zinsbemessung gewählte Kriterium entziehe sich der Handhabung, da Lilienthal der Nutzen, den der Gebrauch des Geldes vermittelte, kaum exakt quantifizierbar schien.224 Zudem bezweifelte er sowohl die Rechtmäßigkeit einer einseitigen Befugnis der Rechtsprechung zur Abänderung des Vertragsinhalts als auch die Befolgung der richterlichen Entscheidung durch die Vertragsparteien. Lilienthal hielt es vielmehr für wahrscheinlicher, dass es der Kreditgeber zu erreichen wisse, sich die gewünschte Zinshöhe nötigenfalls auch gegen den Spruch des Richters zu verschaffen.225  Hingegen stimmte Trendelenburg im Ansatz mit Caro überein, indem er solche Zinsen als wucherisch ansah, die außer Verhältnis mit dem aus der Kapitalüberlassung für den Darlehensnehmer resultierenden Vorteil standen, so dass „nur der Darleihende gewinnt und der Borgende nothwendig zusetzt“226. Strafbarer Wucher liege daher, so Trendelenburg, in der „habgierige[n] Ausbeutung fremder Noth“227, die ihm im besonderen Maße strafwürdig erschien, wenn der Darlehensgeber diese geschäftsmäßig betrieb. In welchem Fall demnach Wucher gegeben war, sollte der Gesetzgeber aber nicht selbst durch Festsetzung ___________ 222

Caro, Wucher (Anm. 57), S. 123 f. und 129 f. Vgl. Caro, Wucher (Anm. 57), S. 123, wo er die Forderung erhob, „daß im Darlehensvertrag der Zins nach dem voraussichtlichen Ertrag des Kapitals und zwar auf die Weise festgesetzt werden soll, daß seine Grenzen nach oben und unten vom Grundsatz der Leistungsfähigkeit bez. -möglichkeit bestimmt werde“. Die „angemessene Höhe des Zinses“ habe sich daher, so heißt es auf S. 135, „strenge an die jeweilige Produktivität des Kapitals anzupassen, mit ihr parallel zu laufen [...] in dem Sinne, daß, wo das Kapital größere Fruchtbarkeit besitze, es auch höhere Zinsen abwerfen dürfe und solle – wo es dagegen nur ein geringes oder gar kein Erträgnis abwerfe, auch der Zins dem entsprechend sich verringern oder ganz ausbleiben müsse“. 224 Karl Ludwig Julius von Lilienthal, Rezension über Caro, Der Wucher. Eine socialpolitische Studie, in: Deutsche Litteraturzeitung, 1893, Sp. 563-565, hier: Sp. 564: „Wer eine Summe Geldes zum eigenen Unterhalte bedarf, zieht einen Nutzen aus den aufgenommenen Darlehen, der so gross sein kann, dass ein prozentualer Ausdruck dafür kaum möglich ist, z.B. für einen Angestellten, der, heute mittellos, in einem Vierteljahre in eine hochbezahlte Stelle eintreten soll. Ebenso bei Fälligkeit einer Ehrenschuld, die der Schuldner nicht auf einem Brette bezahlen kann, während eine ratenweise Abtragung sehr wohl möglich wäre. Die ganze bürgerliche Stellung steht für ihn auf dem Spiele, das ganz unproduktive Darlehen gewährt ihm den höchsten denkbaren Nutzen – wie hoch darf da der Zinsfuss sein?“ 225 Lilienthal, Rezension über Caro (Anm. 224), Sp. 565. 226 Trendelenburg, Naturrecht (Anm. 122), S. 242; ihm zustimmend: Ratzinger, Die Volkswirthschaft (Anm. 143), S. 213 f. 227 Trendelenburg, Naturrecht (Anm. 122), S. 243. 223

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Kap. 6: Die Debatte über die Berechtigung von Wuchergesetzen

eines Zinsmaximumsregeln, sondern der Beurteilung im Einzelfall überlassen, für die Trendelenburg eine Entscheidung durch Geschworene vorschlug.228 Diese gewährleiste nämlich – anders als eine gesetzliche Zinstaxe – ein Eingehen auf die konkreten Umstände des Einzelfalls, von denen der Nutzen, den „das arbeitende Kapital erwerben kann“, und somit zugleich auch „der billige Antheil des Darleihers an dem Erwerb“ seines Vertragspartners mittels der Kreditsumme abhängt. Verzichte der Staat hingegen auf einen solchen individuellen Maßstab zugunsten eines starren und allgemein gültigen Zinsmaximums, fördere er nur die Umgehung des Wuchergesetzes, so warnte Trendelenburg, die der Darlehensgeber zur weiteren Erhöhung seiner Zinsforderung nutze.229

2. Wuchergesetze in der katholischen Moraltheologie Ähnlich wie bei Trendelenburg fiel auch die Definition des Wuchers bei einigen Autoren aus, die sich vom theologischen Standpunkt der Frage nach der Berechtigung gesetzlicher Zinsreglementierungen näherten: So verstand etwa Magnus Jocham, Professor der Moraltheologie am königlichen Lyzeum in Freising, darunter „jede Bereicherung durch Mißbrauch der Noth des Nächsten“230; der Domkapitular Johann Evangelist Pruner sprach von Wucher als der „Benützung der Not des Nächsten“231. Dies verwundert auf den ersten Blick, da zu ihren Vorbildern Thomas von Aquin und andere mittelalterliche Scholastiker gehörten, die entsprechend dem kanonischen Zinsverbot jedes Nehmen von Dar___________ 228

Trendelenburg, Naturrecht (Anm. 122), S. 243. Trendelenburg, Naturrecht (Anm. 122), S. 242 f. 230 Magnus Jocham, Moraltheologie oder die Lehre vom christlichen Leben nach den Grundsätzen der katholischen Kirche, Bd. 3, Sulzbach 1854, S. 495; ähnlich auch: Funk, Zins und Wucher (Anm. 94), S. 209: „Wucher ist Ausbeutung der Noth des Nächsten zu eigenem Gewinn“; vgl. zudem Victor Cathrein, Moralphilosophie, Bd. 2, 2. Aufl., Freiburg i.Br. 1893, S. 318 und 321. – Augustin Lehmkuhl, Zins und Wucher vor dem Richterstuhle der Kirche und der Vernunft, in: Stimmen aus Maria-Laach, 1879, S. 225-242, 384-394, 470-487, hier: S. 391 f. und Ratzinger, Die Volkswirthschaft (Anm. 143), S. 210 ff., 215 – dem sich Pesch, Zinsgrund (Anm. 64), S. 38 f. anschloss – meldeten indes Kritik an dieser Begriffsbestimmung an, da Not und Armut des Darlehensnehmers zwar häufig, aber nicht bei jedem als wucherisch zu charakterisierenden Vertrag vorhanden seien. Der Einwand veranlasste Victor Cathrein, Die Aufgaben der Staatsgewalt und ihre Grenzen, Freiburg i.Br. 1882, S. 61 f. zu der Klarstellung, dass nicht nur „große Armuth“ dem Begriff der Not unterfalle, sondern dieser weiter auszulegen sei, so dass eine augenblickliche Notlage auch „reiche Leute heimsuchen“ könne, die aus Sicht von Lehmkuhl und Ratzinger durch diese Definition nicht erfasst waren. 231 Johann Evangelist von Pruner, Lehrbuch der katholischen Moraltheologie, Freiburg i.Br. 1875, S. 607. 229

III. Die Empfehlungen der Befürworter von Wuchergesetzen

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lehenszinsen als Wucher angesehen hatten.232 Gleichwohl zog die Anknüpfung an die christliche Naturrechtslehre des Mittelalters, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Renaissance erlebte,233 zumeist nicht eine Übernahme des kanonischen Zinsverbots nach sich. Gegen dessen Fortgeltung wurde eingewandt, dass die Bibel Zins und Wucher nur dort gleichsetze, wo von einer Darlehensvergabe an Arme und durch „Noth Bedrängte“234, die das Geld dringend zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts bedurften, die Rede ist. Die Heilige Schrift untersage somit nicht das Zinsnehmen schlechthin, sondern nur unter der Voraussetzung, dass sich der Darlehensgeber auf diesem Wege „die Noth des Nächsten zu schnödem Gewinne“ zunutze mache,235 woran es bei Krediten zu erwerbswirtschaftlichen Zwecken fehle. Solche Darlehen, die man in Aussicht auf die Erzielung von Gewinnen aufnimmt, seien aber – anders als im Mittelalter, das eine derartige gewinnbringende Verwendung des Geldes kaum gekannt habe – inzwischen die Regel, für die man demzufolge das Zinsnehmen als erlaubt betrachtete.236 ___________ 232

Vgl. zur Ablehnung des Zinsnehmens im scholastischen Naturrecht des Mittelalters die unter Kap. 1, III, 1. a) angegebenen Nachweise. 233 Vgl. dazu: Alexander Hollerbach, Das Verhältnis der katholischen Naturrechtslehre des 19. Jahrhunderts zur Geschichte der Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie, in: ders. (Hg.), Katholizismus und Jurisprudenz. Beiträge zur Katholizismusforschung und zur neueren Wissenschaftsgeschichte, Paderborn (u.a.) 2004, S. 258-277; ders., Das christliche Naturrecht im Zusammenhang des allgemeinen Naturrechtsdenkens, in: ders. (Hg.), Katholizismus und Jurisprudenz. Beiträge zur Katholizismusforschung und zur neueren Wissenschaftsgeschichte, Paderborn (u.a.) 2004, S. 231-257, hier: S. 246-249; Anton Rauscher, Katholische Sozialphilosophie im 19. Jahrhundert, in: Emerich Coreth u.a. (Hg.), Christliche Philosophie im katholischen Denken des 19. und 20. Jahrhunderts, Bd. 1, Graz (u.a.) 1987, S. 752-766, hier: S. 758 ff.; Karl-Heinz Kleber, Einführung in die Geschichte der Moraltheologie, Passau 1985, S. 73 f.; Hans Maier, Katholische Sozial- und Staatslehre und neuere deutsche Staatslehre, in: Archiv des öffentlichen Rechts, 1968, S. 1-36, hier: 1-16; Gerhard Hammerstein, Die Entwicklung des Naturrechtsgedankens in der katholischen Rechtsphilosophie des neunzehnten Jahrhunderts, Freiburg i.Br. 1950, S. 70-106. 234 Funk, Zins und Wucher (Anm. 94), S. 205. 235 Funk, Zins und Wucher (Anm. 94), S. 98 i.V.m. 205 f.; vgl. auch S. 215-218; zudem: Pruner, Moraltheologie (Anm. 231), S. 602 f.; Franz Xaver Linsenmann, Lehrbuch der Moraltheologie, Freiburg i.Br. 1878, S. 556 f. i.V.m. 560 f. 236 Vgl. zur Rechtfertigung des Zinsnehmens mit solchen wirtschaftlichen Erwägungen: Funk, Zins und Wucher (Anm. 94), S. 27 ff., 112 ff., 215, 267; Linsenmann, Lehrbuch (Anm. 235), S. 558-566; Ratzinger, Die Volkswirthschaft (Anm. 143), S. 270 f., 274, 300; Anonymus, Ein Beitrag zur Zins-Frage, Würzburg und Wien 1884, S. 9 f., 1316, 20; Augustin Lehmkuhl, Deutung oder Mißdeutung der kirchlichen Vorschriften über Zins und Wucher, in: Stimmen aus Maria-Laach, 1885, S. 1-16, hier: S. 2 f., 8, 11 f.; Pesch, Zinsgrund (Anm. 64), S. 37, 52 f., 60, 70-73; Cathrein, Moralphilosophie (Anm. 230), S. 318-321; in diese Richtung auch: Ferdinand Probst, Katholische Moraltheologie, Bd. 2, Tübingen 1850, S. 144 f.; Karl Werner, System der christlichen Ethik, Bd. 3, Regensburg 1852 (Nachdruck: Frankfurt a.M. 1970), S. 381 f., 384 f.; Ernst von Moÿ de Sons, Grundlinien einer Philosophie des Rechts aus katholischem Standpunkte,

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In der Rechtmäßigkeit der Ausbedingung von Darlehenszinsen liege, so stellte man klar, kein Widerspruch zum kanonischen Zinsverbot. Denn dieses bilde nur die Ausprägung des Wucherbegriffs für die wirtschaftlichen Verhältnisse bis zum Ende des Mittelalters, als Kreditaufnahmen zu gewerblichen Zwecken noch Seltenheitswert besaßen. Folglich musste zu jener Zeit nahezu jede Zinsvereinbarung als wucherisch gelten, während das unter den nunmehrigen ökonomischen Gegebenheiten, in denen die Inanspruchnahme fremden Geldes dem Darlehensnehmer oftmals ansehnliche Gewinne verschaffe, nicht mehr der Fall sei. Mit dem grundlegenden Wandel der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen seit Ausgang des Mittelalters habe also auch die konkrete Ausgestaltung des kirchlichen Wucherverständnisses eine gravierende Änderung – nämlich vom Zinsverbot zur Erlaubtheit des Zinsversprechens – erfahren.237 Dadurch erwies sich der Wucherbegriff aus der gängigen Sicht der zeitgenössischen Moraltheologen als anpassungsfähig gegenüber den herrschenden ökonomischen Gegebenheiten. Den Vorwurf, die Kirche habe mit Einführung eines Zinsverbots dem wirtschaftlichen Fortschritt gravierende Hindernisse in den Weg gelegt, wies man daher entschieden zurück. Diesen Vorwurf erhob vor allem Wilhelm Endemann, Juraprofessor in Jena und energischer Verfechter der freien Zinsvereinbarung: „Den Zins abschneiden“, so wetterte er gegen das kanonische Zinsverbot, „ist ein Rückschritt zu Ansichten, die nur primitiven Zuständen eigen sein können“238. Es verbanne die Menschheit auf die tiefste Stufe der wirtschaftlichen Entwicklung und begründe mithin einen „Rückgriff zur Naturalwirthschaft“239, die unter der Herrschaft der Römer bereits überwunden ___________ Bd. 1, Wien 1854, S. 109 f.; Albert Stöckl, Lehrbuch der Philosophie, Bd. 2, 2. Aufl., Mainz 1869, S. 486 f. – Vgl. zu Lehmkuhls Rechtfertigung des Zinsnehmens zudem: Stegmann / Langhorst, Katholizismus (Anm. 93), S. 650. 237 Vgl. v.a. Pruner, Moraltheologie (Anm. 231), S. 603 f.; Lehmkuhl, Zins und Wucher (Anm. 230), S. 392 f.; Anonymus, Zins-Frage (Anm. 236), S. 16 f.; Pesch, Zinsgrund (Anm. 64), S. 72 f.; Cathrein, Moralphilosophie (Anm. 230), S. 324 f. 238 Wilhelm Endemann, Die Bedeutung der Wucherlehre, Berlin 1866, S. 15. – Vgl. zu seiner Ablehnung des kanonischen Zinsverbots: Christoph Bergfeld, Nationalökonomie und Handelsrecht bei Wilhelm Endemann, in: Jean François Kervégan und Heinz Mohnhaupt (Hg.), Wirtschaft und Wirtschaftstheorien in Rechtsgeschichte und Philosophie, Frankfurt a.M. 2004, S. 163-184, hier: S. 176-181. 239 Wilhelm Endemann, Die nationalökonomischen Grundsätze der canonistischen Lehre, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 1863, S. 26-47, 154-181, 310367, 537-576, 679-730, hier: S. 725. – Grundsätzliche Zustimmung fand dieses Werk bei Max Neumann, Geschichte des Wuchers in Deutschland bis zur Begründung der heutigen Zinsengesetze (1654.), Halle 1865 (Nachdruck: Berlin 1969), S. VI, der ebenfalls – wenngleich merklich gemäßigter als Endemann – das Beharren der Kirche auf dem Zinsverbot trotz der in seinen Augen entgegenstehenden wirtschaftlichen Entwicklung kritisierte, vgl. S. 512-519, 568-572.

III. Die Empfehlungen der Befürworter von Wuchergesetzen

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schien.240 Ihm entgegnete der Jesuit Augustin Lehmkuhl, dass die tatsächliche wirtschaftliche Situation im Mittelalter eben dieser niedrigen Stufe entsprochen habe: „Oder sollen wir die ungeheueren Industrie- und Verkehrsmittel, die im 19. Jahrhundert Dampf und Electricität geschaffen haben, um ein paar Jahrhunderte zurückdatiren?“241 Die Kirche hätte also in der mittelalterlichen Wuchergesetzgebung Zukünftiges, nämlich den wirtschaftlichen Aufschwung der Neuzeit, vorwegnehmen und entgegen den damaligen ökonomischen Gegebenheiten die Ausbedingung von Darlehenszinsen gestatten müssen, um sich der Kritik Endemanns zu entziehen.242  Nicht minder unzutreffend wie die Ansicht Endemanns hielt Lehmkuhl es indes, Darlehenszinsen noch im 19. Jahrhundert die Berechtigung abzusprechen, wie dies insbesondere der Wiener Publizist Karl von Vogelsang tat. 243 Zins und Wucher blieben für Vogelsang weiterhin gleichbedeutende Begriffe, da er das kanonische Zinsverbot – entgegen der vorherrschenden Auffassung in der katholischen Naturrechtslehre – als feststehenden Rechtssatz ansah, der keinem Bedeutungswandel bei einer Änderung der Wirtschaftsverhältnisse unterliege.244 Vogelsang beklagte daher „die sich häufenden Verläugnungen der ___________ 240 Vgl. Endemann, Die nationalökonomischen Grundsätze (Anm. 239), S. 724-728; ders., Wucherlehre (Anm. 238), S. 14 f. 241 Lehmkuhl, Zins und Wucher (Anm. 230), S. 230 i.V.m. 227 ff.; gegen Endemann (und Neumann) ergriffen zudem Partei: Funk, Zins und Wucher (Anm. 94), S. 93-97; Ratzinger, Die Volkswirthschaft (Anm. 143), S. 232 f., 272 f., 281-285; 296-299, 307; Cathrein, Moralphilosophie (Anm. 230), S. 326. – Vgl. auch die herablassende Erwiderung von Wilhelm Endemann, Studien in der romanisch-kanonistischen Wirthschaftsund Rechtslehre bis gegen Ende des siebenzehnten Jahrhunderts, 2 Bände, Berlin 1874 und 1883, Bd, 1, S. 3 f. und Bd. 2, S. 421 f. auf Funks Kritik an seinem Standpunkt. 242 Vgl. Funk, Zins und Wucher (Anm. 94), S. 93-96; Lehmkuhl, Zins und Wucher (Anm. 230), S. 241; Ratzinger, Die Volkswirthschaft (Anm. 143), S. 273, 296 f., 307; Cathrein, Moralphilosophie (Anm. 230), S. 325. 243 Vgl. zur Kritik an Vogelsang: Lehmkuhl, Deutung oder Mißdeutung (Anm. 236), S. 9-16. 244 Für Karl von Vogelsang, Zins und Wucher. Ein Separatvotum in dem vom deutschen Katholikentage eingesetzten socialpolitischen Comité, Wien 1884, S. 71 waren „die Begriffe Darlehen und Wucher naturrechtlich-dogmatischen Charakters, daher nicht abhängig von der größeren oder geringeren Entwicklung des Verkehrs- und Wirthschaftslebens eines einzelnen Volkes oder eines bestimmten Zeitalters, sondern für alle Völker und Zeiten gleichmäßig giltig“; vgl. auch S. 27, 31, 48, 55 f., 76 und 91. Vogelsangs Ansicht teilte im Wesentlichen auch Liechtenstein, Wucherfrage (Anm. 143), S. 3 f., 8 ff. und 14 ff., dem sich M. Klonkavius, Die Wucherfrage, Amberg 1878, S. III f., 16 anschloss; ähnlich wie Vogelsang lehnte es zudem Weiß, Apologie des Christenthums (Anm. 95), S. 458 f., 462-465, 515 ab, dem kanonischen Zinsverbot nur Geltungskraft für die wirtschaftlichen Verhältnisse des Mittelalters beizumessen. – Vgl. zu Vogelsangs Verwerfung aller Darlehenszinsen und den Reaktionen darauf in der katholischen Soziallehre des 20. Jahrhunderts: Stegmann / Langhorst, Katholizismus (Anm. 93), S. 647 f.; Bader, Sozialreform (Anm. 97), S. 69 f. und 75 f.; ders., Karl v.

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kirchlichen Zinslehre in zahlreichen katholischen Werken“245, deren Abkehr vom kanonischen Zinsverbot er als verwerfliches Zugeständnis an den Wirtschaftsliberalismus wertete. Auf diesem Wege trage der Katholizismus selbst dazu bei, dass inzwischen „der kapitalistische Geist der Welt über den Geist Gottes auf Erden zu triumphiren scheint“246. Lehmkuhl dagegen erachtete es als unverständlich, wie Vogelsang unter Berufung auf die „alten kirchlichen Gesetze“247 die einschneidenden Veränderungen in der Wirtschaft schlichtweg übergehen und Darlehensgebern das Recht absprechen konnte, durch Vereinbarung von Zinsen an den lukrativen Gewinnen teilzuhaben, die sich mit Hilfe ihres Geldes inzwischen erzielen ließen. Damit missachte er nämlich, so Lehmkuhl, dass „jene kirchlichen Vorschriften der thatsächlichen Verhältnisse wegen“ ihre Geltungskraft einbüßten, sofern – wie im Fall des kanonischen Zinsverbots – die diesem zugrunde liegenden Umstände zur Zeit der Normentstehung keine Gemeinsamkeiten mehr zu den geltenden Verhältnissen aufwiesen.248 Dass – wie Lehmkuhl – die Mehrzahl der katholischen Moraltheologen von der Berechtigung der Darlehenszinsen für die ökonomischen Verhältnisse der Neuzeit ausging, bedeutete allerdings nicht, dass sie deren Vereinbarung in jeder Höhe billigten. Im Gegenteil: „Es kann schließlich nur zum Verderben sein“, warnte 1868 Franz Xaver von Funk, Professor für Kirchengeschichte an der Tübinger Universität, „wenn der Wucher von der staatlichen Behörde ignorirt und aus der Reihe der strafbaren Handlungen gestrichen wird“249. Uneinigkeit herrschte jedoch bei der Frage, wie das geforderte Einschreiten der staatlichen Gesetzgebung gegen den Wucher konkret aussehen sollte. Dazu schien Funk die Normierung eines Zinsmaximums verzichtbar, da dessen Überschreitung nicht zum maßgeblichen Wucherbegriff des „Mißbrauches der Noth des Menschen zur Quelle schmutzigen Gewinnes“250 gehöre. Pruner relativierte ___________ Vogelsang. Die geistige Grundlegung der christlichen Sozialreform, Wien 1990, S. 207210. 245 Vogelsang, Zins und Wucher (Anm. 244), S. 31. 246 Vogelsang, Zins und Wucher (Anm. 244), S. 20; zudem S. 14 f., wo er Pruner – einem Anhänger der Gegenansicht – vorwirft, „bequem mit dem Strome der ganzen kapitalistischen Zeitrichtung [zu] schwimmen“ und 27. – Vgl. zur Ablehnung des ökonomischen Liberalismus bei Vogelsang: Bader, Karl v. Vogelsang (Anm. 244), S. 99-120; ferner: ders., Sozialreform (Anm. 97), S. 60; Stegmann / Langhorst, Katholizismus (Anm. 93), S. 646, 713 f. 247 Lehmkuhl, Deutung oder Mißdeutung (Anm. 236), S. 12. 248 Lehmkuhl, Deutung oder Mißdeutung (Anm. 236), S. 11 f. 249 Funk, Zins und Wucher (Anm. 94), S. 248. 250 Funk, Zins und Wucher (Anm. 94), S. 231 i.V.m. 230, 248, 269. – Wollte der Gesetzgeber Zinstaxen beibehalten, plädierte er (S. 233, 235 ff., 241 f.) für die Anhebung des Höchstsatzes und die Einfügung einer Ausnahmebestimmung, dass dessen Überschreitung dann straflos sein sollte, wenn die höhere Zinsforderung nicht durch Ausnut-

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dies – unter Verweis auf Funk – dahingehend, dass er in der „Ueberschreitung des gesetzlichen Zinsfußes nur ein und zwar nicht das Hauptmoment dessen, was man ‚Wucher‘ nennt“251, erblickte. Hingegen sah z.B. Victor Cathrein in seiner „Moralphilosophie“ die gebotene gesetzgeberische Intervention gegen den Wucher ausschließlich in Höchstzinsfestsetzungen.252 Im Jahre 1882 hatte es Cathrein indessen noch für zwingend erforderlich gehalten, dem Richter bei der Entscheidung in Wuchersachen „eine gewisse Weite“ einzuräumen, da sich in zahlreichen Fällen „allgemeingiltige, strenge Normen über die Grenze des berechtigten Zinses kaum aufstellen lassen“, aber dennoch „jeder Billigdenkende nach der concreten Sachlage urtheilen wird, es liege unerlaubter Wucher vor“253. Damit die Rechtsprechung von dieser erheblichen Einschätzungsprärogative einen sachgerechten Gebrauch machte, sah es Cathrein als Aufgabe des Staates an, „für einen rechtlich gesinnten, sittlich und religiös hochstehenden Richterstand zu sorgen“254.

3. Der Anwendungsbereich der Wuchergesetze Eng verbunden mit der Diskussion über die vom Gesetzgeber zu normierenden Voraussetzungen des Wuchers war die Frage, für welche Vertragsarten dieses Gesetz gelten soll. Für Funk ergab sich die Antwort darauf direkt aus der Wucherdefinition: Da er nicht in der Überschreitung eines vom Gesetzgeber bestimmten Zinsmaximums, sondern in der Ausnutzung der Notlage des Vertragspartners das wucherkonstituierende Merkmal erblickte, schien ihm eine Beschränkung des Wucherverbots auf Darlehensverträge ungerechtfertigt. Vielmehr weise der so umschriebene Wucherbegriff keinen spezifischen Bezug zum Darlehen auf, so dass „der Wucher sich auf das Gesammtgebiet der materiellen Verträge erstreckt“255 und somit etwa auch beim Kauf- oder Mietvertrag vorliegen könne.256 Ähnlich betonte im Jahre 1854 Jocham, dass es keinen Un___________ zung der Notlage des Darlehensnehmers, sondern wegen der „individuellen ökonomischen Verhältnisse“ zustande kam. 251 Pruner, Moraltheologie (Anm. 231), S. 602. 252 Cathrein, Moralphilosophie (Anm. 230), S. 318, 321; vgl. auch Stöckl, Lehrbuch (Anm. 236), S. 487 und Weiß, Apologie des Christenthums (Anm. 95), S. 544, die eine gesetzliche Zinstaxe befürworteten, während Ratzinger, Die Volkswirthschaft (Anm. 143), S. 301 ff., 307 ff. die Einführung unterschiedlicher Zinsmaxima für die einzelnen Produktionszweige mit Ausnahme des Handelsstandes propagierte. 253 Cathrein, Die Aufgaben der Staatsgewalt (Anm. 230), S. 62. 254 Cathrein, Die Aufgaben der Staatsgewalt (Anm. 230), S. 62. 255 Funk, Zins und Wucher (Anm. 94), S. 202. 256 Funk, Zins und Wucher (Anm. 94), S. 194-202, 206, 212; vgl. außerdem: Karl Marlo, Untersuchungen über die Organisation der Arbeit oder System der Weltökonomie, Bd. 3, 2. Aufl., Tübingen 1885, S. 26 f., 464. – Ähnlich wollte auch Walcker, Nati-

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terschied mache, ob man sich die Notlage des anderen beim Abschluss von Darlehens- oder sonstigen zweiseitigen Verträgen wie z.B. Kaufverträgen zunutze mache. Denn auch der Verkäufer, der einen „übermäßigen Preis auf seine Waare schlägt, wo der Nächste in seiner Noth sie eben haben muß und nirgends anders bekommen kann“, gab Jocham zu bedenken, „eignet sich diese Mehrbezahlung durch Wucher an“257. Das bedeutet allerdings nicht, dass alle Befürworter von Wuchergesetzen, die damit die Ausnutzung der Notlage des Vertragspartners verbieten wollten, sich zugleich für eine solche Ausdehnung des Anwendungsbereichs auf alle gegenseitigen Verträge aussprachen: Im Gegensatz zu Jocham und Funk bezog sich etwa Rizy in seiner Begriffsbestimmung zum Wucher ausschließlich auf Darlehensverträge.258 Gegen eine Einbeziehung anderer Vertragsarten in den Wucherbegriff wandte sich zudem Mirbach-Sorquitten, dem es undenkbar schien, ihn beispielsweise auch auf Kaufverträge zu erstrecken: „Natürlich muß materiell ein Darlehnsgeschäft vorliegen“, stellte er daher klar, weil der Gesetzgeber den Bürger mit Wucherbestimmungen „doch nicht gegen jedes unvortheilhafte Geschäft, z.B. ein unvortheilhaftes Kaufgeschäft, schützen kann“259. Caro betrachtete hingegen die von Mirbach-Sorquitten propagierte Einschränkung auf Darlehensverträge als einen der „Hauptmängel“ der Wuchergesetze, da sie sich seit jeher durch eine ganze Reihe „verschleierter Wucherfälle gerächt“ habe.260 Anders als man angesichts dieser Warnung vor einer Begrenzung der Wucherverbote auf Darlehensverträge erwarten würde, strebte aber auch Caro nicht deren Erweiterung auf sämtliche gegenseitige Verträge an. Vom Anwendungsbereich der Wuchergesetze sollten Zug um Zug erfüllte Verträge ausgeschlossen bleiben, da ein Schuldner, der sich – wie z.B. beim Kaufvertrag im Fall der sofortigen Kaufpreiszahlung – imstande sah, seiner Leistungsverpflichtung zur selben Zeit wie sein Vertragspartner nachzukommen und mithin über die dazu erforderlichen Mittel verfügte, nicht des Schutzes durch Wuchergesetze bedürfe. Diesen hielt Caro indes bei solchen Verträgen für erforderlich, bei denen der Austausch von Leistung und Gegenleistung nicht gleichzeitig erfolgte, weil ein solches zeitliches Auseinanderfallen in seinen Augen stets – und nicht lediglich ___________ onalökonomie (Anm. 206), S. 236 „im weitesten Sinne“ von Wucher „bei jedem enormen Mißverhältniß zwischen Leistung und Gegenleistung sprechen“, wenngleich er nicht wie Funk Wuchergesetze befürwortete, die an die Ausnutzung der Not eines Vertragspartners – oder andere subjektive Beweggründe – anknüpften. Statt dessen setzte Walcker sich für Zinstaxen ein (S. 238), um dem Wucher bei Darlehensverträgen entgegenzuwirken. 257 Jocham, Moraltheologie (Anm. 230), S. 495. 258 Rizy, Ueber Zinstaxen (Anm. 30), S. 24 und 237. 259 Mirbach-Sorquitten, Währungs- und Wucherfrage (Anm. 18), S. 29; vgl. auch Eheberg, Die Wucherfrage (Anm. 183), S. 136 f. 260 Caro, Wucher (Anm. 57), S. 61-65.

IV. Wucher und allgemeine Wechselfähigkeit

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beim Darlehensvertrag – für den Schuldner die Gefahr barg, einer Übervorteilung zu unterliegen.261 Dementsprechend unterschied er neben dem „Zinswucher“, worunter er die Übervorteilung bei Darlehens-, Miet- oder Pachtverträgen verstand, auch den „Lohnwucher“ zu Lasten des Arbeitnehmers und den „Preiswucher“ bei solchen Kaufverträgen, bei denen infolge eines gewährten Zahlungsaufschubs der Kaufpreis erst später zu entrichten war.262

IV. Wucher und allgemeine Wechselfähigkeit IV. Wucher und allgemeine Wechselfähigkeit

Die angestrebten gesetzgeberischen Bemühungen zur Verhinderung des Wuchers würden aber vereitelt, so warnten die Befürworter von Wuchergesetzen, wenn man nicht zugleich mit dem Vorgehen gegen den Wucher den Wechselverkehr einschränke, „da der Wechsel das bequemste und sicherste Mittel bildet, auch die strengsten Wuchergesetze zu umgehen“263. Sie standen damit dem Wechsel nicht minder skeptisch gegenüber als bereits die Kirche unter Geltung des kanonischen Zinsverbots und einige Teilnehmer der Wucherpreisfrage Josephs II., die mit diesem ebenfalls die Gefahr einer mühelosen Umgehung der Wuchergesetze verbunden hatten.264 Solche Befürchtungen hegte man auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wegen des wechselrechtlich angeordneten Ausschlusses von Gegenrechten, der es Darlehensnehmern unmöglich mache, sich gegen die Inanspruchnahme aus dem Wechsel mit dem Einwand zur Wehr zu setzen, dass die im Wechsel verbriefte Forderung gegen das Wuchergesetz verstoße.265 Daraufhin erwiesen sich Wuchergesetze aber nicht nur für deren Befürworter, sondern auch für manche von deren Gegnern als unvereinbar mit einem freien Wechselverkehr, der dem Darlehensnehmer den Wuchereinwand nahm: „Hört man ihn mit dieser Einrede des Wuchers nicht, so macht man das Wuchergesetz völlig illusorisch“; im umgekehrten Fall der Zulassung einer solchen Verteidigung mache der Staat hingegen, so gaben Braun und Wirth zu bedenken, „die Wechselgesetze und den ganzen Wechselverkehr illusorisch“266. Anders als Braun und Wirth, die diesen Widerspruch durch die Abschaffung der Wuchergesetze zugunsten der freien Vereinbarung der Darlehenszinsen auflö___________ 261

Vgl. Caro, Wucher (Anm. 57), S. 145-148. Caro, Wucher (Anm. 57), S. 148 f. 263 Thüngen-Roßbach, Wucher- und Wechselfrage (Anm. 18), S. 13; vgl. auch: Wagener, Art. „Wucher und Zinsen“ (Anm. 22), S. 448; Mirbach-Sorquitten, Währungsund Wucherfrage (Anm. 18), S. 29 f. 264 Siehe dazu Kap. 3, III., 5. 265 Reichensperger, Zins- und Wucherfrage (Anm. 93), S. 83 f.; vgl. auch Stein, Der Wucher (Anm. 75), S. 106 f.; Buchenberger, Agrarwesen (Anm. 112), S. 209. 266 Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 129. 262

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Kap. 6: Die Debatte über die Berechtigung von Wuchergesetzen

sen wollten,267 setzten die Kritiker der Zinsfreiheit auf Seiten des Wechsels an. Die Ausdehnung der Wechselfähigkeit auf alle Bürger, wie sie die Allgemeine Deutsche Wechselordnung aus dem Jahre 1848 vorsah, hielten sie dementsprechend für einen Fehler: Auf diesem Wege leiste der Gesetzgeber selbst dem Wucher Vorschub und mache jede Wuchergesetzgebung hinfällig.268 Sie plädierten daher – ebenso wie es einige Teilnehmer der Wucherpreisfrage bereits am Ende des 18. Jahrhunderts getan hatten269 – für eine Einschränkung der Wechselfähigkeit, die sie zumeist lediglich im Handelsregister eingetragenen Gewerbetreibenden einräumen wollten.270 Nur ihnen gegenüber bestehe nämlich das Bedürfnis zur Zulassung des Wechsels, der ein „unentbehrliches Triebrad“271 des Handelsverkehrs bilde, dem einfachen Bürger hingegen zum Schaden gereiche, weil er mangels Vertrautheit mit den wechselrechtlichen Besonderheiten die Tragweite der Eingehung einer Wechselverbindlichkeit überhaupt nicht überblicke. Gewähre der Gesetzgeber ihm dennoch die Befugnis zur Ausstellung von Wechseln, liefere man ihn somit im Kreditwesen wuchernden Darlehensgebern aus, die diese Unbeholfenheit im Umgang mit dem Wechsel, so meinten die Gegner der allgemeinen Wechselfreiheit, bedenkenlos zu nutzen ___________ 267

Vgl. Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 129 f., 198 f. i.V.m.

203 f. 268 Gegen die allgemeine Wechselfähigkeit sprachen sich daher aus: Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), S. 62 f.; Wagener, Art. „Wucher und Zinsen“ (Anm. 22), S. 447 f.; Geffcken, Wucherfrage (Anm. 51), S. 123 ff.; Ortmann, Wucherfrage (Anm. 152), S. 415; Thüngen-Roßbach, Wucher- und Wechselfrage (Anm. 18), S. 13, 27; Lilienthal, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 385; Mirbach-Sorquitten, Währungsund Wucherfrage (Anm. 18), S. 27, 29 f., 41; Ratzinger, Die Volkswirthschaft (Anm. 143), S. 305, 310; vgl. außerdem: Eheberg, Die Wucherfrage (Anm. 183), S. 143 f.; Buchenberger, Agrarwesen (Anm. 112), S. 209 f. Vgl. zur Kritik an der allgemeinen Wechselfähigkeit speziell wegen der Einbeziehung des Landmanns: Johann Karl Rodbertus-Jagetzow, Für den Kredit der Grundbesitzer, Berlin 1847, S. 13 ff. – Obwohl auch Stein, Der Wucher (Anm. 195), S. 106-109 davon ausging, dass die Verwendung von Wechseln das Zustandebringen wucherischer Rechtsgeschäfte ungemein erleichtere, wandte er sich – ebenso wie Geller, Wucherfrage (Anm. 203), S. 444 und Walcker, Nationalökonomie (Anm. 206), S. 243 f. – gegen die Einschränkung der allgemeinen Wechselfähigkeit, da er sonst gravierende Nachteile „für das wirthschaftliche Gesammtleben“ befürchtete. 269 S.o. Kap. 3, III., 5. 270 Wagener, Art. „Wucher und Zinsen“ (Anm. 22), S. 447 f.; Geffcken, Wucherfrage (Anm. 51), S. 124; Mirbach-Sorquitten, Währungs- und Wucherfrage (Anm. 18), S. 30, 41; Ratzinger, Die Volkswirthschaft (Anm. 143), S. 310. Thüngen-Roßbach, Wucherund Wechselfrage (Anm. 18), S. 13 f. und Reichensperger, Zins- und Wucherfrage (Anm. 93), S. 85 waren auch der zusätzlichen Einbeziehung der größeren Grundbesitzer in den Kreis der Wechselfähigen nicht abgeneigt. – Weibel, Die rechtliche Behandlung (Anm. 1), S. 616 f. wollte demgegenüber durch die Aufhebung des im Wechselrecht geltenden Einwendungsausschlusses für Nichtkaufleute verhindern, dass der Wechsel „Hauptwaffe des Wucherers“ bleibt. 271 Geffcken, Wucherfrage (Anm. 51), S. 124.

IV. Wucher und allgemeine Wechselfähigkeit

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wüssten.272 Deren Schutzreden für den „geschäftsunkundigen, lebensunerfahrenen Bauer, Kleinbürger und Handwerker“273 ließ Röhrich im Jahre 1879 nicht mehr gelten. Obwohl er einräumte, dass aus der Unwissenheit einiger Bevölkerungskreise von den Eigenheiten des Wechselrechts zahlreiche Missstände entstanden seien,274 dürfe man diese Kenntnisse drei Jahrzehnte nach Einführung der Wechselordnung durchaus bei allen Bürgern voraussetzen. Denn „wer von einem Gesetze, welches seit einem Menschenalter besteht, noch keine Vorstellung hat“, so wies Röhrich die mit Blick auf die Wuchergesetzgebung erhobene Kritik an der allgemeinen Wechselfähigkeit harsch zurück, „dem ist nicht zu helfen“275. Zudem erweise sich der Wechsel von eminenter Wichtigkeit für das „ganze Verkehrsleben“ und damit nicht nur für die Rechtsgeschäfte des Kaufmanns und des Fabrikanten, denen die Gegenansicht überwiegend die Wechselfähigkeit vorbehalten wollte.276 Vereinzelt sprachen aber auch Befürworter von Wuchergesetzen Landwirten und Handwerkern nicht gänzlich ein Bedürfnis für Wechselgeschäfte ab und suchten daher nach weniger einschneidenden Maßnahmen als der Aberkennung der Wechselfähigkeit, um zu einer Einschränkung des Wechselverkehrs zu gelangen.277 Ortmann zog zu diesem Zweck eine Anhebung des Mindestalters zur Erlangung der Wechselfähigkeit von bisher 21 auf 25 Jahre in Erwägung,278 während Eheberg Bauern und Handwerkern die Wechselfähigkeit weder per Gesetz zugestehen noch versagen, sondern von deren eigener Entscheidung abhängig machen wollte.279 Dabei ging er optimistisch davon aus, dass beide ___________ 272 Vgl. Geffcken, Wucherfrage (Anm. 51), S. 124 f.; Reichensperger, Zins- und Wucherfrage (Anm. 93), S. 83 ff.; Thüngen-Roßbach, Wucher- und Wechselfrage (Anm. 18), S. 9 f., 13; Mirbach-Sorquitten, Währungs- und Wucherfrage (Anm. 18), S. 30; Buchenberger, Agrarwesen (Anm. 112), S. 209. 273 Reichensperger, Zinswuchergesetze (Anm. 30), S. 63; ähnlich beklagte Weibel, Die rechtliche Behandlung (Anm. 1), S. 617 die Geltung des wechselrechtlichen Einwendungsausschlusses „für das einfältigste Bäuerlein“. 274 Röhrich, Empfiehlt sich die Wiedereinführung (Anm. 133), S. 31; vgl. auch: Thomsen, [Diskussionsbeitrag als Referent im Rahmen der zweiten Sitzung der dritten und vierten Abteilung am 10. September 1880], in: Verhandlungen des Fünfzehnten deutschen Juristentages, Bd. 2, Berlin 1881, S. 306-323, hier: S. 310 f. 275 Röhrich, Empfiehlt sich die Wiedereinführung (Anm. 133), S. 31. 276 Vgl. Röhrich, Empfiehlt sich die Wiedereinführung (Anm. 133), S. 31; überdies: Thomsen, Diskussionsbeitrag (Anm. 274), S. 315-318, dem sich Karl Geiershöfer, Das geltende deutsche Wucherrecht mit besonderer Berücksichtigung des Gesetzes vom 19. Juni 1893, Nürnberg 1894, S. 34 f. anschloss. 277 Ortmann, Wucherfrage (Anm. 152), S. 415 konstatierte, dass „weder die Landwirthschaft noch das Handwerk des Wechselkredits mehr entbehren kann“; so auch: Eheberg, Stand der Wucherfrage (Anm. 29), S. 77, während ders., Die Wucherfrage (Anm. 183), S. 142 ff. den Bedarf nach dem Wechsel weitaus geringer einschätzte. 278 Ortmann, Wucherfrage (Anm. 152), S. 415. 279 Eheberg, Die Wucherfrage (Anm. 183), S. 143 f.

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Kap. 6: Die Debatte über die Berechtigung von Wuchergesetzen

freiwillig auf die Wechselfähigkeit weitgehend verzichten würden: Erst wenn dem Bauer oder Handwerker keine andere Alternative zum Krediterhalt mehr verbleibe, als einen Wechsel auszustellen, begebe er sich „mit äußerstem Widerstreben“280 zu Gericht, das zur Vornahme der Eintragung in das Wechselregister zuständig sein sollte, an die Eheberg die Erlangung der Wechselfähigkeit knüpfte. Auf eine solche zurückhaltende Inanspruchnahme der Wechselfähigkeit vertraute Eheberg, weil er in der gerichtlichen Registrierung den nach Möglichkeit gemiedenen Schritt erblickte, „alle Welt wissen zu machen“281, dass man in nahezu ausweglosen finanziellen Schwierigkeiten steckte. Kein Bauer oder Handwerker entscheide sich daher leichtfertig für diese schwerwiegende Maßnahme; vielmehr werde er sich auf „dem Wege zum Gericht und in der Amtsstube [...] zu wiederholten Malen die Frage vorlegen, ob er wirklich zum Wechsel greifen soll“282. Komme er dennoch zu dem Entschluss, dass er der Wechselfähigkeit bedürfe, setzte Eheberg auf die rechtliche Unterweisung durch den Richter, die der Aufnahme in das Wechselregister vorangehen sollte, um die „häufig sehr unklaren Vorstellungen über Wechsel und Wechselrecht“283 zu korrigieren und den Eintragungswilligen doch noch umzustimmen. Auf diesem Wege erübrigte sich aus seiner Sicht eine gesetzliche Vorenthaltung der Wechselfähigkeit für weite Bevölkerungskreise, da ihm deren Ziel zumindest zum Teil auch durch das mildere Mittel des freiwilligen Wechselverzichts erreichbar schien.284 Doch wurde ihm nicht minder als anderen Befürwortern von Wuchergesetzen entgegen gehalten, dass sich deren Umgehung nicht durch eine Begrenzung der allgemeinen Wechselfähigkeit verhindern lasse. Denn selbst wenn dem wuchernden Darlehensgeber dazu das Wechselrecht zukünftig nicht mehr offen stehen sollte, verblieben ihm, so wandte man ein, genügend weitere Alternativen, die Wuchergesetze sanktionslos zu missachten. Indem der Gesetzgeber diese nicht alle versperren könne, würde eine Beschränkung des Wechselverkehrs keineswegs die Einhaltung von Wucherverboten begünstigen, sondern hätte lediglich zur Folge, dass wuchernde Darlehensgeber auf andere Möglichkeiten zur Gesetzesumgehung auswichen.285 Die Befürchtung einer mangelnden Beachtung der Wuchergesetze in der alltäglichen Kreditpraxis ließ sich somit aus Sicht der Verfechter der allgemeinen Wechselfreiheit nicht durch deren Beschränkung ausräumen. ___________ 280

Eheberg, Die Wucherfrage (Anm. 183), S. 143. Eheberg, Die Wucherfrage (Anm. 183), S. 143. 282 Eheberg, Die Wucherfrage (Anm. 183), S. 143. 283 Eheberg, Die Wucherfrage (Anm. 183), S. 143. 284 Eheberg, Die Wucherfrage (Anm. 183), S. 143 f. 285 Weißmann, Die Wucher-Frage (Anm. 83), S. 34; Thomsen, Diskussionsbeitrag (Anm. 274), S. 312. 281

V. Die Reichweite der angestrebten Zinsfreigabe

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V. Die Reichweite der angestrebten Zinsfreigabe V. Die Reichweite der angestrebten Zin sfreigabe

Ebenso wie für die Befürworter von Wuchergesetzen stellte sich auch für deren Gegner die Frage nach einer Ergänzung ihres Votums um weitere Maßnahmen: Strebten die Erstgenannten zusätzlich eine Zurückdrängung des Wechselverkehrs an, diskutierten Letztere, ob man die bisher in der Gesetzgebung bei einem Verzicht auf Zinsreglementierungen gebräuchlichen Korrektive beibehalten sollte. Solche Korrektive hatte zuerst das 1810 in Kraft getretene Badische Landrecht286 eingeführt, indem es die Entscheidung zugunsten der freien Zinsvereinbarung dadurch abmilderte, dass dem Darlehensgeber bei Ausbedingung höherer Zinsen als sechs Prozent eine Reihe von Rechtsnachteilen drohten: Er durfte dann für seine darlehensvertraglichen Ansprüche keine Kreditsicherheit in Anspruch nehmen und büßte eine etwaige Vorrangstellung gegenüber anderen Gläubigern des Darlehensnehmers ein. Zudem versagte ihm das Badische Landrecht die Geltendmachung einer über sechs Prozent liegenden Zinsforderung im Fall des Konkurses seines Vertragspartners und erleichterte dem Darlehensnehmer die Kündigung, bei dem dieser nur eine einmonatige, der Kreditgeber hingegen eine sechsmonatige Kündigungsfrist einhalten musste. Die badische Regelung, mit der ihr Urheber Johann Nikolaus Friedrich Brauer die Darlehensgeber zur Mäßigung ihrer Zinsforderungen veranlassen wollte, übernahmen auch einige Staaten, die sich Mitte des 19. Jahrhunderts zur Aufhebung der Wuchergesetze entschlossen. So gewährten die sächsische (1864) und preußische (1866) Gesetzgebung – außerhalb Deutschlands auch diejenige Sardiniens (1857), die mit dem Codice civile von 1865 auf ganz Italien erstreckt wurde – dem Darlehensnehmer ein Kündigungsrecht, sofern er sich zur Zahlung über dem gesetzlichen Höchstsatz liegender Zinsen verpflichtet hatte.287 Das sardische Gesetz enthielt überdies außerhalb des Handelsverkehrs – wie es der Code civil von 1804 und die ihn rezipierenden deutschen Staaten für sämtliche Darlehensverträge vorgesehen hatten – eine Verpflichtung zur schriftlichen Niederlegung der Zinsvereinbarung. Ähnlich dem badischen Landrecht erwartete den Darlehensgeber zudem seit 1858 in Bremen eine ___________ 286

S.o. Kap. 4, IV., 2. Die genannten Vorschriften sind abgedruckt bei Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 131 f., 136 ff. sowie kurz erläutert auf S. 41 ff. Vgl. zur Einführung des Kündigungsrechts in Sardinien, Sachsen und Preußen: Landau, Gesetzgebungsgeschichte (Anm. 3), S. 390-397. – Ebenso wie im Königreich Sachsen und in Preußen setzte man 1867 auch in Sachsen-Meiningen die Wuchergesetze mit der Maßgabe außer Kraft, dass dem Darlehensnehmer bei einer höheren als sechsprozentigen Verzinsung ein Kündigungsrecht zustehen sollte, vgl. dazu Paul Hinschius, Das Gesetz für den Norddeutschen Bund, betreffend die vertragsmäßigen Zinsen, und seine Einwirkung auf das bisherige Civilrecht, in: Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtspflege in Preussen, 1868, S. 14-67 und 336-337, hier: S. 336 f. 287

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Kap. 6: Die Debatte über die Berechtigung von Wuchergesetzen

Schlechterstellung im Konkurs gegenüber anderen Gläubigern seines Vertragspartners, wenn er sich nicht mit moderaten Zinsen begnügen wollte.288 Bei den Gegnern der Wuchergesetze stießen derartige Vorschriften indessen überwiegend auf Bedenken.289 So empfand es Schaffrath in seinem Gutachten zum Deutschen Juristentag als inkonsequent, sich zugunsten der Abschaffung der Wuchergesetze zu entscheiden und gleichzeitig andere Beschränkungen zum Ausgleich einzuführen.290 Mit diesen könne man sich daher allenfalls, so bemerkte Schaffrath skeptisch, „zur Noth und im Interesse einer einheitlichen Gesetzgebung“291, deren Förderung der Deutsche Juristentag zu seinem obersten Ziel erhoben hatte,292 einverstanden erklären. Goldschmidt, der zu diesem Juristentag bekanntlich ebenfalls ein Gutachten in der Wucherfrage beisteuerte, zeigte sich demgegenüber weniger kompromissbereit und lehnte ein solches staatliches Eingreifen – mit Ausnahme kurzfristiger Übergangsregelungen – entschieden ab. Zur Begründung verwies er darauf, dass die Beeinträchtigung der Rechte der Kreditgeber z.B. als Konkurs- oder Hypothekengläubiger einen Zinsanstieg nach sich ziehe. Denn der Darlehensgeber lasse sich das durch diese rechtliche Benachteiligung erhöhte Risiko, dass seine vertraglichen Ansprüche unerfüllt blieben, von seinem Vertragspartner gebührend entlohnen.293

___________ 288 Vgl. zu dieser Bestimmung im Gesetz Bremens: Pauli, Die Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 9), S. 326 f.; Schober, Bundesgesetz (Anm. 4), S. 51. 289 Kritisch äußerten sich: Anonymus, Wuchergeseze und Zinstaxen, in: Austria, 1856, S. 305-315, hier: S. 306; Goldschmidt, Gutachten (Anm. 1), S. 266 ff.; ders., Art. „Wucher und Wuchergesetze“ (Anm. 33), S. 229; Renard, Aufhebung der Zinsbeschränkungen (Anm. 110), S. 74 f.; Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 91 ff.; ders., Diskussionsbeitrag als Referent (Anm. 67), S. 115 f.; Lewald, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 112), S. 63; Maximilian Joseph Ruhwandl, Zur Aufhebung der Wuchergesetze, in: Deutsche Gerichts-Zeitung 1866, S. 39; vgl. auch Schaffrath, Gutachten (Anm. 20), S. 420 f. – Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 132 hegten nur vom „Standpunkt einer definitiven und bleibenden Gesetzgebung aus beurtheilt“ Zweifel an einer Einschränkung der Zinsfreiheit, wie sie das badische Landrecht vorsah. Nur langfristig gesehen würden diese nämlich die „Probe juristischer Folgerichtigkeit schwerlich aushalten“, während Braun und Wirth die badischen Bestimmungen als Übergangsregelung durchaus begrüßten. 290 Schaffrath, Gutachten (Anm. 20), S. 420 f. 291 Schaffrath, Gutachten (Anm. 20), S. 420. 292 Statut des Deutschen Juristentages, in: Verhandlungen des Sechsten Deutschen Juristentages, Bd. 1, Berlin 1865, § 1: „Der Zweck des Deutschen Juristentages ist [...] auf den Gebieten des Privatrechts, des Processes und des Strafrechts den Forderungen nach einheitlicher Entwickelung immer größere Anerkennung zu verschaffen, die Hindernisse, welche dieser Entwickelung entgegenstehen, zu bezeichnen und sich über Vorschläge zu verständigen, die Rechtseinheit zu fördern“. 293 Vgl. Goldschmidt, Gutachten (Anm. 1), S. 266 ff., dem sich Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 91 anschloss.

V. Die Reichweite der angestrebten Zinsfreigabe

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Mit einer weiteren Anhebung des Zinsniveaus rechneten einige Kritiker von Wuchergesetzen zudem, wenn der Gesetzgeber zugleich mit deren Außerkraftsetzung dem Darlehensnehmer, der das benötigte Geld nicht zu moderaten Zinsen erhalten hatte, ein Kündigungsrecht einräumte. Machte er hiervon Gebrauch, müsse der Kreditgeber nämlich wiederum Zeit und Mühe investieren, um sein Geld anderweitig anzulegen – zur Kompensation dieses drohenden Aufwands erhöhe er dann seine Zinsforderung.294 Die Privilegierung des Kreditnehmers durch den Staat wirke sich also im Ergebnis zu seinen Lasten aus, so dass „aus der Rechtswohlthat immer nur ein Geldnachtheil wird“295. In der Abwendung finanzieller Nachteile für den Darlehensnehmer lag aber gerade der Beweggrund des preußischen und sächsischen Gesetzgebers zur Anordnung eines solchen Kündigungsrechts, für das sich auch der Berliner Kammergerichtsrat Otto Heinrich Leopold von Plathner einsetzte. Auf diesem Wege wollte man verhindern, dass Geldeigner bei hohen marktüblichen Zinsen die Kreditsuchenden in mehrjährige Vertragsverbindungen drängten, um möglichst lange in den Genuss lukrativer Zinsforderungen zu kommen. Den Darlehensgebern sollte also durch ein Kündigungsrecht ihrer Vertragspartner die Möglichkeit genommen werden, sich eine zeitweilige, mit hohen Darlehenszinsen einhergehende Wirtschaftslage zur dauerhaften Sicherung von Zinsen in dieser Höhe zunutze zu machen.296 „Speziell im Interesse des kleineren Landmannes und kleineren Handwerkers“ hielt Plathner ein solches Gesetz „für ein dringendes Gebot“297. Zur Legitimation eines staatlichen Einschreitens gegen den Wucher – sei es in Form von Wuchergesetzen, durch Begrenzung der Wechselfähigkeit oder mit Hilfe eines Kündigungsrechts – verwies man also immer wieder auf denselben als besonders schutzbedürftig eingestuften Personenkreis. ___________ 294 Vgl. Renard, Aufhebung der Zinsbeschränkungen (Anm. 110), S. 74 f.; ferner: Goldschmidt, Gutachten (Anm. 1), S. 267 f.; ders., Art. „Wucher und Wuchergesetze“ (Anm. 33), S. 229; Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 91 f.; Schober, Bundesgesetz (Anm. 4), S. 62. 295 Renard, Aufhebung der Zinsbeschränkungen (Anm. 110), S. 75. 296 Vgl. Otto Heinrich Leopold von Plathner, Zur Aufhebung der Wuchergesetze, in: Deutsche Gerichts-Zeitung 1866, S. 25 f., 43, 67 f. Im Rahmen der Diskussion des Juristentages votierte zudem der Magdeburger Rechtsanwalt Block nur unter der Bedingung der Kündbarkeit von Darlehensverträgen nach Ablauf eines Jahres, die vertraglich nicht abdingbar sein sollte, für die Abschaffung der Wuchergesetze auch bei hypothekarisch gesicherten Krediten (Zweite Sitzung der ersten und zweiten Abteilung am 28. August 1867, in: Verhandlungen des Sechsten Deutschen Juristentages, Bd. 3, Berlin 1868, S. 82-129, hier: S. 106). – Zu den Beweggründen des preußischen Gesetzgebers zur Einführung des Kündigungsrechts: Kgl. Preuß. Verordnung vom 12. Mai 1866 über die vertragsmäßigen Zinsen, in: Zeitschrift für das gesammte Handelsrecht, 1866, S. 128-131, hier: S. 129 f.; Renard, Aufhebung der Zinsbeschränkungen (Anm. 110), S. 73. Vgl. dazu sowie zur Begründung des sächsischen Gesetzgebers: Landau, Gesetzgebungsgeschichte (Anm. 3), S. 392 f. und 395 f. 297 Plathner, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 296), S. 26.

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Kap. 6: Die Debatte über die Berechtigung von Wuchergesetzen

Plathner setzte sich jedoch damit dem Vorwurf aus, „in der wohlgemeinten Fürsorge für den nicht definirbaren ‚kleineren Landmann und kleineren Handwerker’ ein[en] Rest des alten Bevormundungssystems“298 aufrechtzuerhalten, das den angestrebten Schutz der Darlehensnehmer nicht vermittele. Dieser lasse sich mithin nicht durch die Gesetzgebung erreichen, so erwiderte der Berliner Rechtsanwalt Lewald auf Plathners Empfehlung zur Normierung eines Kündigungsrechts, sondern nur durch Maßnahmen wie z.B. die Ausbreitung von Kreditinstituten.299 Gegen Plathners Vorschlag sprach nach Auffassung des Münchner Advokaten Maximilian Joseph Ruhwandl zudem, dass dieser die Festsetzung eines Zinsmaximums voraussetzte, dessen Überschreitung dem Darlehensnehmer ein Recht zur vorzeitigen Vertragsbeendigung verlieh. Da der den Marktverhältnissen entsprechende Zinssatz aber im Zeitablauf nicht konstant bleibe, sondern oftmals erheblichen Schwankungen unterliege, hielt er es für unmöglich, in einer „fixen Norm“ anzugeben, wann die vereinbarte Verzinsung als zu hoch gelten und deswegen dem Darlehensnehmer zum Ausgleich ein Kündigungsrecht gebühren sollte.300 Ruhwandl griff somit zur Kritik des von Plathner propagierten Kündigungsrechts auf das Argument der fehlenden Beständigkeit der als angemessen anzusehenden Zinshöhe zurück, mit dem man seit Ende des 18. Jahrhunderts auch für die Abschaffung der Wuchergesetze warb.301 Bedenken gegen eine Begünstigung des Darlehensnehmers bei der Beendigung des Vertragsverhältnisses wurden zudem in rechtlicher Hinsicht geäußert: So empfand es Jaques als gleichheitswidrig, wenn der Gesetzgeber nur einer Vertragspartei ein Kündigungsrecht zugestand, es hingegen der anderen – dem Kreditgeber – vorenthielt. Wollte der Staat aber zur Vermeidung eines solchen Gleichheitsverstoßes beiden Kontrahenten ein Kündigungsrecht einräumen, schade er vor allem, so warnte Jaques vor einer solchen Regelung, dem Darlehensnehmer. Denn in diesem Fall müsste er bei einem Anstieg des marktüblichen Zinsniveaus mit der Kündigung seitens seines Vertragspartners rechnen und daraufhin zum Erhalt eines neuen Kredits regelmäßig höhere Zinsen als bei dem gekündigten Vertrag akzeptieren.302 ___________ 298

Lewald, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 112), S. 63. Lewald, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 112), S. 63. 300 Ruhwandl, Aufhebung der Wuchergesetze (Anm. 289), S. 39. 301 S.o. unter Kap. 3, II., 1. 302 Jaques, Diskussionsbeitrag als Referent (Anm. 67), S. 116: „Räumen wir das kurzzeitige Kündigungsrecht dem Schuldner allein ein, so liegt hierin eine nicht zu rechtfertigende Ungerechtigkeit gegen den Gläubiger, da man dem Einen ein Recht gewährt, das man dem Andern entzieht. Geben Sie es Beiden, so werden Sie Beiden einen schlechten Dienst leisten, den schlechtesten aber dem, der es kontrahirt, denn er kömmt in die Lage gewärtigen zu müssen, daß das Darlehen gekündigt wird, und er in schwierigeren Zeiten ein neues Darlehen zu einem höheren Zinsfuß aufnehmen muß“. 299

VI. Fazit

293

Jaques stand indes nicht nur gesetzlichen Benachteiligungen der Kreditgeber argwöhnisch gegenüber, sondern wandte sich – übereinstimmend mit Goldschmidt – ebenfalls gegen die Normierung einer Verpflichtung zur Wahrung der Schriftform bei Darlehensverträgen. Zur Untermauerung ihrer Position verwiesen beide sowohl auf die negativen Erfahrungen, die man mit derartigen Formvorschriften in der Praxis gesammelt habe, als auch auf die im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch für Rechtsgeschäfte der Kaufleute vorgesehene Formfreiheit.303 Wesentlich zu ihrer ablehnenden Haltung schien also beizutragen, dass einem entsprechenden Formzwang von vornherein lediglich ein auf Nichtkaufleute begrenzter Anwendungsbereich und somit keine Allgemeinverbindlichkeit für alle Darlehensverträge zukäme, deren Fehlen sie ebenfalls an Wuchergesetzen bemängelten. Doch teilten nicht alle Gegner von Wuchergesetzen diese Sichtweise: Anders als Jaques und Goldschmidt befürworteten Braun und Wirth die Einführung eines Schriftformerfordernisses für Darlehensverträge, das die Kontrahenten zur eindeutigen Wiedergabe der ausbedungenen Zinsen und der Kreditsumme anhielt. Auf diesem Wege wollten sie „ehrlich Spiel“304 unter den Vertragspartnern befördern und damit betrügerischen Täuschungen vorbeugen, denen Wuchergesetze in ihren Augen merklich Vorschub leisteten. Ihre Geltung verhindere nämlich regelmäßig eine wahrheitsgetreue Offenlegung des gewollten Vertragsinhalts und führe statt dessen zum Abschluss von Kreditverträgen mit „tückischen Winkelzügen“305, um der gesetzlichen Reglementierung auszuweichen. Zur Wiederherstellung der Redlichkeit im Kreditwesen hielten es Braun und Wirth daher für erforderlich, ergänzend zur Außerkraftsetzung der Wuchergesetze die Schriftform bei Darlehensverträgen verbindlich anzuordnen.306

VI. Fazit VI. Fazit

Parallel zu den Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzenden Bestrebungen vieler deutscher und europäischer Staaten zur Aufhebung der Wuchergesetze kam es auch in der politischen und ökonomischen Theorie zu einer ausgedehnten Diskussion darüber, ob die Höhe der Darlehenszinsen den Vertragsparteien überlassen bleiben oder vom Gesetzgeber beschränkt werden sollte. 1. In konservativen Kreisen betrachtete man die gesetzgeberischen Reformbestrebungen argwöhnisch und suchte ihnen mit einem entschiedenen Votum ___________ 303

Jaques, Die Wuchergesetzgebung (Anm. 1), S. 92 f. im Anschluss an Goldschmidt, Gutachten (Anm. 1), S. 268. 304 Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 234. 305 Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 234. 306 Vgl. Braun / Wirth, Die Zins-Wucher-Gesetze (Anm. 30), S. 232 und 234.

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Kap. 6: Die Debatte über die Berechtigung von Wuchergesetzen

für eine staatliche Wuchergesetzgebung entgegenzuarbeiten. Um den Gesetzgeber von der Notwendigkeit einer Fortgeltung der Wuchergesetze zu überzeugen, verwiesen diese Autoren vor allem auf die negativen Erfahrungen, die man seit jeher mit deren Abschaffung gesammelt habe. Doch auch die Kritiker von Wuchergesetzen, die sich in erster Linie unter den Liberalen fanden, wussten Erfahrungstatsachen beizubringen, die deren längere Beibehaltung nicht als ratsam erscheinen ließen. Suchten die Befürworter von Wuchergesetzen diese mit dem Renommee Adam Smiths zu entkräften, der sich ebenfalls zugunsten einer solchen Staatstätigkeit ausgesprochen hatte, so konterten deren Gegner mit den Argumenten, die dem Schotten von Jeremy Bentham entgegengesetzt worden waren. Die nach Adam Smith den unsoliden Kreditsuchenden vorzuenthaltenden Kredite wollten die Anhänger von Wuchergesetzen durch das staatliche Eingreifen in erster Linie den Landwirten zuwenden, da sie nur zur Zahlung mäßiger Darlehenszinsen in der Lage und daher auf eine solche Unterstützung angewiesen seien. Demgegenüber setzten die Autoren, die für die Abschaffung der Wuchergesetze warben, nur auf die Errichtung neuer und die Reform bestehender Kreditanstalten, um dem Landmann zu zinsgünstigen Krediten zu verhelfen. Denn die Wuchergesetze nutzten der Bauernschaft aus ihrer Sicht ebenso wenig wie allen anderen Darlehenssuchenden und leisteten lediglich einen Beitrag zur Schwächung des Rechtsempfindens. Zudem sprach für sie gegen Wuchergesetze, dass sich der Staat selbst nicht zu deren Einhaltung verpflichtet fühle und außerdem eine Reihe weiterer Ausnahmen von deren Geltung gestatte, die eine Aufrechterhaltung gegenüber den verbleibenden Normadressaten ungerechtfertigt erscheinen lasse. 2. Kontrovers beurteilt wurde nicht nur die Berechtigung von Wuchergesetzen im Allgemeinen, sondern auch deren konkrete Ausgestaltung in der Strafgesetzgebung seit Beginn des 19. Jahrhunderts im Besonderen. Den Gegnern von Wuchergesetzen galt nämlich dieses gesetzgeberische Tätigwerden auf dem Gebiet des Strafrechts – vor allem die Bestrafung des „betrüglichen Wuchers“ neben den bestehenden Betrugsvorschriften – als unnütze Wiederholung bereits vorhandener Regelungen, während die Anhänger der Gegenansicht durchaus einen eigenständigen Anwendungsbereich für Wucherstrafgesetze sahen. Allerdings wurde nicht nur das Bedürfnis nach einer staatlichen Wuchergesetzgebung von vielen Zeitgenossen in Abrede gestellt; zudem warf man dem Gesetzgeber die Wahl unbestimmter Kriterien vor, wenn er als Wucher die Ausnutzung von Not oder Leichtsinn des Darlehensnehmers unter Strafe stellte. Denn damit überlasse der Gesetzgeber die Ausfüllung dieser Begriffe – Gleiches konstatierte man für die Bestrafung der gewerbsmäßigen oder verschleierten Übertretung des Zinsmaximums als Wucher – dem richterlichen Ermessen, anstatt deren Inhalt selbst verbindlich festzulegen. 3. Anders als man es erwarten könnte, erhoben aber nicht nur Kritiker der Wuchergesetze den Einwand der Unbestimmtheit, sondern auch einige Befür-

VI. Fazit

295

worter, so dass deren Vorschläge für ein gesetzgeberisches Einschreiten gegen den Wucher äußerst unterschiedlich ausfielen. Darunter fand sich nämlich sowohl das Votum für subjektive Tatbestandsmerkmale als auch die Empfehlung, die Strafbarkeit wegen Wuchers ausschließlich an objektiv zu ermittelnde Kriterien zu knüpfen. Ähnlich galt die Normierung eines Zinsmaximums manchen Verfechtern von Wuchergesetzen als deren unerlässliche Voraussetzung, während andere diese entschieden ablehnten und sich für weniger starre Zinsbegrenzungen einsetzten. Insbesondere herrschte diese Uneinigkeit in der katholischen Moraltheologie der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die das Zinsnehmen überwiegend nicht mehr entsprechend dem kanonischen Zinsverbot kategorisch verwarf. Vielmehr sah man für die wirtschaftlichen Verhältnisse der Neuzeit einen mäßigen Zinsbezug als rechtmäßig an, so dass sich die Frage nach der Grenze zwischen mäßigen und wucherischen Zinsen nunmehr auch in der katholischen Moraltheologie stellte. Nicht minder umstritten wie die vom Gesetzgeber zu normierenden Voraussetzungen des Wuchers war der Anwendungsbereich der Wucherverbote und damit die Frage, ob diese weiterhin nur für Darlehensverträge oder auch für andere gegenseitige Verträge gelten sollten. 4. Mehr Einigkeit herrschte hingegen unter den Befürwortern von Wuchergesetzen über die Notwendigkeit einer Einschränkung der allgemeinen Wechselfähigkeit, wie sie die Allgemeine Deutsche Wechselordnung vorgesehen hatte. Denn der Wechsel erleichtere Darlehensgebern die Umgehung von Wucherverboten, so dass man gern auf ihn zurückgreife. Um diese missliche Konsequenz zu vermeiden, strebte man eine Verengung des Anwendungsbereichs des Wechselrechts an, das nicht mehr jedem voll geschäftsfähigen Bürger offen stehen sollte. 5. Die Frage nach ergänzenden Maßnahmen stellte sich jedoch nicht nur den Befürwortern, sondern gleichermaßen den Gegnern von Wuchergesetzen: Seit dem Badischen Landrecht war es nämlich gebräuchlich, die Entscheidung zugunsten der freien Zinsvereinbarung durch die Festlegung einer Reihe von Rechtsnachteilen zu relativieren, denen der Darlehensgeber unterliegen sollte, wenn er sich nicht mit moderaten Zinsen zufrieden gab. Den Kritikern von Wuchergesetzen schienen diese gesetzgeberischen Ersatzmaßnahmen allerdings wenig zweckmäßig, da sie aus ihrer Sicht das Zinsniveau eher erhöhten anstatt es dem Gesetzeszweck entsprechend abzusenken.

Kapitel 7

Die Wuchergesetzgebung im Norddeutschen Bund und im Deutschen Reich bis zum Ausgang des 19. Jahrhunderts Die von vielen deutschen und europäischen Staaten um 1850 vollzogenen Reformen auf dem Gebiet der Wuchergesetzgebung leiteten nicht nur einen umfangreichen publizistischen Diskurs über die Berechtigung eines solchen gesetzgeberischen Einschreitens im Kreditwesen ein, der die gesamte zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts durchzog.1 Vielmehr kam die Diskussion über den Nutzen von Wucherverboten während dieser Zeit auch auf Ebene der Gesetzgebung nicht zum Stillstand; dort führte dies zunächst zur Fortsetzung der schon Mitte des 19. Jahrhunderts zu beobachtenden Tendenz, auf Wuchergesetze zu verzichten und mithin die Zinsvereinbarungen der Darlehensvertragsparteien keinen staatlichen Beschränkungen zu unterwerfen. Kurz nachdem sich im August 1867 der sechste Deutsche Juristentag einstimmig für die Aufhebung der Wuchergesetze ausgesprochen hatte,2 beschloss nämlich der Reichstag des Norddeutschen Bundes die Abkehr von gesetzlichen Zinsreglementierungen. Das wirft die Frage auf, ob auch im Reichstag des Norddeutschen Bundes Widerstand gegenüber der Zinsfreigabe ausblieb oder ob es anders als auf dem sechsten Deutschen Juristentag eine Opposition zu überwinden galt. Zudem ist zu fragen, ob die Außerkraftsetzung der Wucherverbote mit der Einführung anderer gesetzlicher Korrektive verbunden wurde, um Darlehensgeber zur Mäßigung ihrer Zinsforderungen zu veranlassen: Denn diese seit dem Badischen Landrecht3 gebräuchliche Vorgehensweise stieß unter den Gegnern ___________ 1

S.o. unter Kap. 6. Obwohl auch Rizy, der 1859 ein entschiedenes Votum zugunsten von Wuchergesetzen veröffentlicht hatte (siehe dazu Kap. 6), an den Beratungen des Juristentages teilnahm, sprach sich dieser einstimmig für die Aufhebung der Wuchergesetze aus (Zweite Sitzung der ersten und zweiten Abtheilung am 28. August 1867, in: Verhandlungen des Sechsten Deutschen Juristentages, Bd. 3, Berlin 1868, S. 82-129, hier: S. 117). Wohl aufgrund der durchgehend von Kritik an Wuchergesetzen geprägten Wortmeldungen auf dem Juristentag verzichtete Rizy nämlich darauf, einen Gegenantrag – gerichtet auf die Beibehaltung dieses gesetzgeberischen Einschreitens – zu stellen (S. 102-106, 112). 3 Vgl. Kap. 4, IV., 2. 2

Kap. 7: Die Wuchergesetzgebung bis zum Ausgang des 19. Jahrhunderts

297

von Wuchergesetzen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts häufig auf vehemente Kritik (I.).4 Allerdings sollte die den Vertragschließenden 1867 gewährte Zinsfreiheit nicht von langer Dauer sein: Noch bevor sich die deutsche Wirtschaft ab dem Herbst 1879 langsam von der seit 1873 währenden zweiten Weltwirtschaftskrise zu erholen begann, lagen dem Reichstag Gesetzesentwürfe zur Wiedereinführung eines Wucherverbots vor, das im folgenden Jahr auch erlassen wurde. Die „Gründerkrise“ als längste und zugleich schwerwiegendste ökonomische Krise des 19. Jahrhunderts, die mit erheblichen Preisstürzen, Lohnverfall und steigenden Arbeitslosenzahlen einherging, ließ das Deutsche Reich somit nicht nur etwa in Form von Schutzzöllen wirtschaftsprotektionistische Maßnahmen ergreifen, sondern bewirkte ebenfalls die Rückkehr zur Wuchergesetzgebung.5 Während einige deutsche Staaten zur Überwindung der ersten Weltwirtschaftskrise von 1857 bis 1859 die Wuchergesetze abgeschafft hatten,6 stellte sich die Situation also nunmehr genau umgekehrt dar: Unter dem Eindruck der zweiten Weltwirtschaftskrise setzte das Deutsche Reich wieder auf ein gesetzgeberisches Eingreifen im Kreditwesen, um die Folgen des ökonomischen Abschwungs zu bewältigen. Angesichts der Vielzahl unterschiedlicher Vorschläge, die von den Autoren der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an den Gesetzgeber zur inhaltlichen Ausgestaltung des Wuchertatbestands gerichtet wurden,7 stellt sich in erster Linie die Frage, an welche Voraussetzungen dieser den Wucherbegriff 1880 knüpfte. Ebenso ist zu fragen, ob man die staatliche Wuchergesetzgebung – wie es deren Befürworter überwiegend forderten8 – mit einer Einschränkung der allgemeinen Wechselfähigkeit verband (II.). Nach Inkrafttreten des „Gesetzes, betreffend den Wucher“ im Jahre 1880 dauerten die Reformbemühungen fort, wenngleich die Entscheidung zugunsten derartiger Reglementierungen nicht mehr zur Debatte stand: Statt um die Berechtigung von Wuchergesetzen drehte sich die Diskussion in der Folgezeit darum, ob diese auch außerhalb des Kreditwesens gelten sollten. Nicht zuletzt wegen der stark divergierenden Ansichten der zeitgenössischen Autoren 9 zu der damit angesprochenen Frage des Anwendungsbereichs der Wucherbestimmun___________ 4

Siehe zu dieser Kritik an gesetzgeberischen Korrektiven: Kap. 6, V. Vgl. zur zweiten Weltwirtschaftskrise: Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3: Von der „Deutschen Doppelrevolution“ bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges. 1849-1914, München 1995, S. 100-105, 547-567; ferner: FriedrichWilhelm Henning, Handbuch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands, Bd. 2, Paderborn (u.a.) 1996, S. 792-813; Hermann Kellenbenz, Deutsche Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2, München 1981, S. 307 f., 314. 6 Siehe dazu Kap. 6, vor I. 7 S.o. unter Kap. 6, III. 8 Dazu: Kap. 6, IV. 9 S.o. unter Kap. 6, III., 3. 5

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Kap. 7: Die Wuchergesetzgebung bis zum Ausgang des 19. Jahrhunderts

gen ist im Folgenden zu untersuchen, wie der Gesetzgeber zu dieser Frage sowohl 1893 im Zuge der Novellierung des Wuchergesetzes von 1880 (III.) als auch bei den Arbeiten am Bürgerlichen Gesetzbuch (IV.) Stellung bezog.

I. Die Zinsfreigabe im Norddeutschen Bund I. Die Zinsfreigabe im Norddeutschen Bu nd

Im Reichstag des Norddeutschen Bundes regte der nationalliberale Abgeordnete Eduard Lasker im September 1867 die Entscheidung gegen Wuchergesetze mit Einbringung eines Gesetzesentwurfs an, der in § 1 vorsah, die Festlegung der Höhe der Darlehenszinsen uneingeschränkt den Vertragschließenden zu überlassen und alle dem entgegenstehenden zivil- und strafrechtlichen Zinsreglementierungen außer Kraft zu setzen.10 In § 2 gewährte Laskers Entwurf dem Darlehensnehmer, der nicht Kaufmann war und sich zur Zahlung höherer Zinsen als sechs Prozent verpflichtet hatte, ein vertraglich nicht abdingbares Kündigungsrecht. Eine bundeseinheitliche Kündigungsvorschrift sollte damit allerdings nicht verbunden sein: Denn § 5 ließ den Mitgliedsstaaten des Norddeutschen Bundes freie Hand, die Kündigungsbefugnis des Darlehensnehmers abweichend von § 2 zu regeln, diese also entweder an andere Voraussetzungen zu binden oder gänzlich auszuschließen.11 ___________ 10

Laskers Gesetzesentwurf findet sich bei: Friedrich Maximilian Schober, Das Bundesgesetz vom 14. November 1867, Leipzig 1872, S. 58 f.; Ernst Bezold, Reichsgesetz, betreffend die vertragsmäßigen Zinsen, vom 14. November 1867, in: ders. (Hg.), Die Gesetzgebung des Deutschen Reiches mit Erläuterungen, Bd. 1, Erlangen 1879, S. 3-44, hier: S. 4 f. 11 Umstritten war allerdings in der Folgezeit unter Geltung des unverändert aus dem Entwurf Laskers übernommenen § 5, ob es zum Wegfall des bundesgesetzlichen Kündigungsrechts schon ausreiche, dass die Landesgesetzgebung ein solches nicht vorsah – so etwa Paul Hinschius, Das Gesetz für den Norddeutschen Bund, betreffend die vertragsmäßigen Zinsen, und seine Einwirkung auf das bisherige Civilrecht, in: Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtspflege in Preussen, 1868, S. 14-67 und 336-337, hier: S. 66; Gustav Mandry, Der civilrechtliche Inhalt der Reichsgesetze, 4. Aufl., Freiburg i.Br. (u.a.) 1898, S. 413 – oder ob es dazu eines ausdrücklichen Ausschlusses des Kündigungsrechts durch den Landesgesetzgeber bedurfte, so Carl Georg von Wächter, Pandekten, Bd. 2, Leipzig 1881, S. 303; Otto Stobbe, Handbuch des Deutschen Privatrechts, Bd. 3, Berlin 1878, S. 302. Vgl. zum Kündigungsrecht zudem: Friedrich Oskar von Schwarze, Bemerkungen zu dem Bundesgesetze vom 14. Nov. 1867, betreffend die vertragsmäßigen Zinsen, in: Zeitschrift für Rechtspflege und Verwaltung zunächst für das Königreich Sachsen, 1868, S. 289-302, hier: S. 296 ff. – Zum umstrittenen Regelungsgehalt des § 5 auch: Peter Landau, Die Gesetzgebungsgeschichte des § 247 BGB. Zugleich ein Beitrag zur Geschichte der Einführung der Zinsfreiheit in Deutschland, in: Gerhard Kleinheyer und Paul Mikat (Hg.), Beiträge zur Rechtsgeschichte. Gedächtnisschrift für Hermann Conrad, Paderborn (u.a.) 1979, S. 385-408, hier: S. 399 f.; ferner: Jochen Dilcher, Die Zins-Wucher-Gesetzgebung in Deutschland im 19. Jahrhundert. Eine entwicklungsgeschichtliche Betrachtung unter besonderer Berücksichtigung wirtschaftlicher und wirtschaftspolitischer Faktoren, Frankfurt a.M. (u.a.) 2002, S. 256.

I. Die Zinsfreigabe im Norddeutschen Bund

299

Obwohl in der Einräumung eines Kündigungsrechts zugunsten des Darlehensnehmers der wesentliche Unterschied zwischen Laskers Gesetzesentwurf und dem Gegenentwurf12 Wilhelm Endemanns lag, gehörte Lasker nicht zu den vehementen Befürwortern der Kündigungsregelung: Er machte vielmehr keinen Hehl daraus, dass er die Vorschrift nur deswegen in seinen Gesetzesentwurf aufnahm, um die Chancen zu steigern, dass dieser das Gesetzgebungsverfahren erfolgreich passierte.13 Dasselbe hatte Lasker schon einmal – allerdings erfolglos – als Abgeordneter des preußischen Landtags versucht, da ihm die Verordnung von 1866, die den Vertragschließenden nur beim Fehlen einer hypothekarischen Kreditsicherheit die freie Zinsvereinbarung gestattete, nicht weit genug ging. Er brachte daher Anfang des Jahres 1867 im preußischen Landtag einen Gesetzesentwurf ein, der die Zinsfreiheit auf hypothekarisch gesicherte Darlehen ausdehnte und im Abgeordnetenhaus eine breite Mehrheit fand. Um diese auch im Herrenhaus zu gewinnen, hatte Lasker auf Anraten eines Regierungsvertreters seinen ursprünglichen Entwurf, der für Darlehensnehmer kein Kündigungsrecht enthalten hatte, um ein solches ergänzt. Dennoch stieß sein Gesetzesvorhaben im Herrenhaus auf Widerstand, so dass Lasker sein Ziel, die Zinsfreigabe bei sämtlichen Darlehensverträgen zu erwirken, nicht mehr im preußischen Landtag, sondern wenig später auf Ebene des Norddeutschen Bundes weiterverfolgte.14  Dort sollte er damit mehr Erfolg haben, wenngleich man im Reichstag des Norddeutschen Bundes neben dem Gegenentwurf von Endemann, den dieser später zurückzog,15 auch andere abweichende Anträge diskutierte. So kam von Seiten der Sozialdemokraten der Vorschlag, zumindest bei kleinen Darlehen unter 100 Talern ein gesetzliches Zinsmaximum von sechs Prozent beizubehalten und dessen Überschreitung als Wucher zu bestrafen.16 Ebenfalls wurde an___________ 12

Abgedruckt bei: Schober, Bundesgesetz (Anm. 10), S. 66; Bezold, Reichsgesetz (Anm. 10), S. 5. 13 So billigte Lasker später dezidiert die Nichteinführung des Bundesgesetzes in Bayern, wo man dem Darlehensnehmer kein solches Kündigungsrecht zugestehen wollte, unter Hinweis darauf, dass er „im Jahre 1867 gezwungen gewesen [sei], dem Zinsgesetze mehrere [...] schlimme Punkte einzufügen, – lediglich um es nur durch den Norddeutschen Reichstag zu bringen und ihm die Zustimmung des Bundesraths zu gewinnen“, zit. n. Bezold, Reichsgesetz (Anm. 10), S. 12. – Vgl. zu Laskers Haltung zum Kündigungsrecht: Dilcher, Zins-Wucher-Gesetzgebung (Anm. 11), S. 252; Landau, Gesetzgebungsgeschichte (Anm. 11), S. 398. 14 Vgl. Landau, Gesetzgebungsgeschichte (Anm. 11), S. 394 f.; ferner: Dilcher, ZinsWucher-Gesetzgebung (Anm. 11), S. 250 f.; Fritz Blaich, Zinsfreiheit als Problem der deutschen Wirtschaftspolitik zwischen 1857 und 1871, in: Schmollers Jahrbuch für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, 1971, S. 269-306, hier: S. 301. 15 Schober, Bundesgesetz (Anm. 10), S. 58; Bezold, Reichsgesetz (Anm. 10), S. 29. 16 Dieser Antrag des Sozialdemokraten Johann Baptist von Schweitzer ist abgedruckt bei Schober, Bundesgesetz (Anm. 11), S. 65; vgl. dazu auch Bezold, Reichsgesetz (Anm. 10), S. 24. – Vgl. ferner: Dilcher, Zins-Wucher-Gesetzgebung (Anm. 11), S. 252 f.;

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Kap. 7: Die Wuchergesetzgebung bis zum Ausgang des 19. Jahrhunderts

geregt, die Wuchergesetze erst nach vorheriger Einrichtung von Banken zugunsten der Grundeigentümer aufzuheben.17 Eine Abänderung von Laskers Gesetzesentwurf bewirkten die Empfehlungen allerdings nicht: Vielmehr wurde dieser mit kleineren Modifikationen vom Reichstag „mit einer an Einstimmigkeit grenzenden Majorität“18 angenommen und am 14. November 1867 als „Gesetz, betreffend die vertragsmäßigen Zinsen“19 erlassen. Dieses führte man im Zuge der Reichsgründung auch in den süddeutschen Staaten unter Ausschluss Elsass-Lothringens und Bayerns ein.20 Während in Elsass-Lothringen damit weiterhin das französische Wuchergesetz aus dem Jahre 1807 in der modifizierten Fassung von 1850 galt,21 wollte die bayerische Regierung durch Verzicht auf die Einführung des Bundesgesetzes die gerade neu geschaffene eigene Regelung bewahren.22 Kurz bevor Lasker auf Ebene des Norddeutschen Bundes die Aufhebung der Wuchergesetze anregte, hatte Bayern nämlich selbst die Arbeit an einem entsprechenden Gesetz aufgenommen ___________ Landau, Gesetzgebungsgeschichte (Anm. 11), S. 399; Blaich, Zinsfreiheit (Anm. 14), S. 298. 17 Vgl. Bezold, Reichsgesetz (Anm. 10), S. 25-29. Außerdem: Dilcher, Zins-WucherGesetzgebung (Anm. 11), S. 253 f. 18 So der Präsident des Reichstags des Norddeutschen Bundes, zit. n. Schober, Bundesgesetz (Anm. 10), S. 60. – Vgl. S. 55-60 und 65-69 zur Entstehungsgeschichte des Gesetzes sowie: Bezold, Reichsgesetz (Anm. 10), S. 3, 24-30. Vgl. ferner: Dilcher, ZinsWucher-Gesetzgebung (Anm. 11), S. 252-256; Landau, Gesetzgebungsgeschichte (Anm. 11), S. 398 f.; Blaich, Zinsfreiheit (Anm. 14), S. 298, 301. 19 Abgedruckt bei: Anton Randa, Zur Lehre von den Zinsen und der Conventionalstrafe. Mit Rücksicht auf das österreichische Gesetz vom 14. Juni 1868 und das norddeutsche Bundesgesetz vom 14. November 1867, Wien 1869, S. 43 f.; Schober, Bundesgesetz (Anm. 10), S. 58 f.; Bezold, Reichsgesetz (Anm. 10), S. 5 ff. In Auszügen auch bei: Dilcher, Zins-Wucher-Gesetzgebung (Anm. 11), S. 255; Thomas Bark, Vertragsfreiheit und Staat im Kapitalismus. Ökonomische und politische Grundlagen der Wucher- und Zinsgesetzgebung in Preußen-Deutschland 1850-1900, Berlin 1978, S. 199 f. 20 Vgl. zur Einführung des Bundesgesetzes in den süddeutschen Staaten: Bezold, Reichsgesetz (Anm. 10), S. 8 ff. Zudem: Dilcher, Zins-Wucher-Gesetzgebung (Anm. 11), S. 256. 21 Richard Förtsch und Albert Leoni (Hg.), Sammlung der in Elsaß-Lothringen in Geltung gebliebenen französischen Strafgesetze, Bd. 2, Straßburg 1876, S. 222 f.; Julius Kahn, Die Reichs-Wuchergesetze vom 24. Mai 1880 und 19. Juni 1893, Bamberg 1895, S. 87. Vgl. auch Klaus Luig, Vertragsfreiheit und Äquivalenzprinzip im gemeinen Recht und im BGB. Bemerkungen zur Vorgeschichte des § 138 II BGB, in: Christoph Bergfeld u.a. (Hg.), Aspekte europäischer Rechtsgeschichte. Festgabe für Helmut Coing, Frankfurt a.M. 1982, S. 171-206, hier: S. 179; Richard Schmidt, Wucher und Ausbeutung (§§ 301-302c RStrGB. und Nebengesetze), in: Karl Birkmeyer u.a. (Hg.), Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts, Besonderer Teil, Bd. 8, Berlin 1906, S. 161-292, hier: S. 209 (Fn. 6). 22 Abgedruckt ist das bayerische Gesetz vom 5. Dezember 1867 bei: Randa, Zur Lehre von den Zinsen (Anm. 19), S. 44; Bezold, Reichsgesetz (Anm. 10), S. 7 f.

II. Die Wiedereinführung eines Wuchergesetzes (1880)

301

und im Dezember 1867 abgeschlossen, wenngleich dieses im Unterschied zum Bundesgesetz Darlehensnehmern kein Kündigungsrecht zubilligte.23 Auch die süddeutschen Staaten außerhalb Elsass-Lothringens vollzogen somit die Abkehr von Zinsreglementierungen, so dass im Reichsstrafgesetzbuch von 1871, mit dem der Reichsgesetzgeber das Strafgesetzbuch des Norddeutschen Bundes übernahm, ein Wuchertatbestand fehlte.24

II. Die Wiedereinführung eines Wuchergesetzes (1880) II. Die Wiedereinführung eines Wuchergesetzes (1880)

Am Ende der 1870er Jahre drangen jedoch Abgeordnete sowohl im Reichstag als auch in einigen Landtagen auf Beseitigung der Zinsfreiheit, die das „Gesetz, betreffend die vertragsmäßigen Zinsen“ von 1867 vorsah: So wurde Kritik an diesem im hessischen Landtag laut; im preußischen Abgeordnetenhaus richtete der Zentrumsabgeordnete Burghard von Schorlemer-Alst 1878 die Anfrage an die Regierung, ob sie angesichts des überhand nehmenden Wuchers gewillt sei, im Bundesrat auf den Erlass gesetzlicher Zinsreglementierungen und auf eine Einschränkung der Wechselfähigkeit hinzuwirken. Nicht zuletzt weil ihm die Mehrheit der Abgeordneten aber die Unterstützung versagte, erhielt seine Anfrage nicht die gewünschte bejahende Antwort. Mehr Erfolg hatte der 1879 im bayerischen Landtag vom Zentrumspolitiker Schels initiierte Antrag, die Regierung aufzufordern, sich im Bundesrat für die Ergreifung legislativer Maßnahmen gegen den Wucher einzusetzen.25 Der Anstoß zur Wiedereinführung eines Wuchergesetzes ging mithin verstärkt vom politischen Katholizismus in Gestalt der Zentrumspartei aus, die damit die – erstmals im Mittelalter in Form des kanonischen Zinsverbots erhobene – Forderung der Kirche nach Zinsreglementierungen aufrechterhielt. Die Abkehr von Wuchergesetzen galt aber nicht nur Zentrumsabgeordneten in den ___________ 23 Vgl. zur Sonderstellung Bayerns: Bezold, Reichsgesetz (Anm. 10), S. 10-13. Ferner: Dilcher, Zins-Wucher-Gesetzgebung (Anm. 11), S. 257 f. 24 Vgl. Ralph Meyer im Hagen, Die deutsche Wuchergesetzgebung 1880-1976, Kiel 1991, S. 14; Luig, Vertragsfreiheit (Anm. 21), S. 178; Schmidt, Wucher (Anm. 21), S. 179. 25 Vgl. zu diesen Bestrebungen zur Beseitigung der Zinsfreiheit: Carl von ThüngenRoßbach, Die Wucher- und Wechselfrage, Berlin 1879, S. 7 f.; Friedrich Weißmann, Die Wucher-Frage, Chur 1880, S. 9-12; Karl Ludwig Julius von Lilienthal, Die Wuchergesetzgebung in Deutschland unter Berücksichtigung der Entwicklung derselben im preussischen Staate, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 1880 (N.F.), S. 140-161 und 366-385, hier: S. 367 f.; Joseph Leonz Weibel, Die rechtliche Behandlung des Wuchers, in: Zeitschrift für schweizerisches Recht, 1884 (Bd. 3, N.F.), S. 585638, hier: S. 604; Wilhelm Henle, Die Wuchergesetze vom 24. Mai 1880 und 19. Juni 1893, München 1894, S. 1 ff. – Vgl. dazu: Dilcher, Zins-Wucher-Gesetzgebung (Anm. 11), S. 270 f.

302

Kap. 7: Die Wuchergesetzgebung bis zum Ausgang des 19. Jahrhunderts

Landtagen als korrekturbedürftiger Widerspruch zum Votum der katholischen Kirche gegen eine freie Zinsvereinbarung durch die Vertragsparteien. Vielmehr traf dies gleichermaßen auf die Zentrumsfraktion im Reichstag zu, wo sich Reichensperger in seinem Gesetzesentwurf für die Rückkehr zur Wuchergesetzgebung einsetzte, um die kirchlichen Ordnungsvorstellungen im Kreditwesen zu verwirklichen.26 Neben Reichensperger brachte auch Hans Hugo von KleistRetzow von der Deutschkonservativen Partei – zusammen mit den Abgeordneten von Flottwell und von Marschall – einen Gesetzesentwurf im Reichstag ein, mit dem sie ebenfalls die Ersetzung der Zinsfreiheit durch ein Wuchergesetz anstrebten.27 Beide Entwürfe wurden nach ihrer ersten Lesung zur Beratung einer Kommission unter Leitung des sächsischen Generalstaatsanwalts Friedrich Oskar von Schwarze überwiesen,28 der 1867 an der gegenläufigen Entscheidung zugunsten der Zinsfreigabe durch Änderungsvorschläge an Laskers Gesetzesentwurf mitgewirkt hatte.29 In ihrem daraufhin verfassten Bericht stellte die Kommission fest, dass sich die mit der Abschaffung der Wuchergesetze verbundene Erwartung eines moderaten Zinsniveaus nicht erfüllt habe. Statt zur Senkung der landesüblichen Zinsen sei es zu deren Steigerung gekommen, so dass die „Klagen und Beschwerden über die wucherliche Ausbeutung in einer ganz auffälligen Weise zugenommen haben“30. Als Benachteiligte dieser Entwicklung betrachtete die Kommission in erster Linie „den kleinen Gewerbsmann und den kleinen Grundbesitzer“31. Beide schütze nämlich der Gesetzgeber mit der Einräumung eines Kündigungsrechts, wie es das „Gesetz, betreffend die vertragsmäßigen ___________ 26

Reichenspergers Gesetzesentwurf ist abgedruckt bei: Wilhelm Röhrich, Empfiehlt sich die Wiedereinführung von Zinstaxen und Wuchergesetzen und die Beschränkung der allgemeinen Wechselfähigkeit?, Stuttgart 1879, S. 20-23; Friedrich Oskar von Schwarze, Reichsgesetz, betreffend den Wucher vom 24. Mai 1880, Erlangen 1881, S. 96-99. 27 Ihr Entwurf ist zu finden bei: Röhrich, Empfiehlt sich die Wiedereinführung (Anm. 26), S. 36 f.; Schwarze, Reichsgesetz (Anm. 26), S. 95 f. 28 Schwarze, Reichsgesetz (Anm. 26), S. 4 f.; Henle, Die Wuchergesetze (Anm. 25), S. 3 ff.; Emil Koffka, Die Reichs-Wuchergesetze vom 24. Mai 1880 und 19. Juni 1893, Berlin 1894, S. 2. – Vgl. dazu: Dilcher, Zins-Wucher-Gesetzgebung (Anm. 11), S. 271275; Meyer im Hagen, Wuchergesetzgebung (Anm. 24), S. 16 f. 29 Vgl. zu den Änderungsvorschlägen von Schwarze an Laskers Entwurf zum Bundesgesetz von 1867: Schober, Bundesgesetz (Anm. 10), S. 58 f.; Bezold, Reichsgesetz (Anm. 10), S. 29 f. 30 Zit. n. Henle, Die Wuchergesetze (Anm. 25), S. 7; ähnlich wiedergegeben auch bei Rudolf Ortmann, Die Wucherfrage, in: Archiv für Gemeines Deutsches und für Preußisches Strafrecht, 1879, S. 409-416, hier: S. 409 f. – Vgl. zum Kommissionsbericht auch: Dilcher, Zins-Wucher-Gesetzgebung (Anm. 11), S. 276; Meyer im Hagen, Wuchergesetzgebung (Anm. 24), S. 17 f.; Luig, Vertragsfreiheit (Anm. 21), S. 186 f.; Constantin R. Isopescul-Grecul, Das Wucherstrafrecht, Leipzig 1906, S. 195 f. 31 Zit. n. Henle, Die Wuchergesetze (Anm. 25), S. 8.

II. Die Wiedereinführung eines Wuchergesetzes (1880)

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Zinsen“ von 1867 als Korrektiv zu den weggefallenen Zinsbeschränkungen vorsah, schon deshalb nur unzureichend vor einem Missbrauch der Zinsfreiheit, weil es fast nie zur Anwendung gelange.32 Ähnlich fiel zumeist auch die Einschätzung einiger Befürworter von Wuchergesetzen aus: So genügten Carl von Thüngen-Roßbach im Jahre 1879 die seit Erlass des Bundesgesetzes von 1867 gesammelten Erfahrungen völlig, um das „vollkommen Unhaltbare des jetzigen Zustandes und die absolute Nothwendigkeit der Wiedereinführung von Wuchergesetzen“33 zu belegen. Denn „von allen Seiten ertönen die Nothschreie nach gesetzlicher Hilfe gegen die immer furchtbarer werdenden Ausschreitungen des Wuchers“34. Derartige Forderungen wollte auch Eheberg ab dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise im Jahre 1873 vernommen haben, da der Verzicht auf gesetzliche Zinsreglementierungen seitdem vor allem den „kleinen Bürger- und Bauernstand [...] in einer Weise bedrücke, wie dies unter der Herrschaft der früheren Zinswuchergesetze unerhört gewesen sei“35. Angesichts der dargelegten Folgen plädierte die Reichstagskommission für eine Rückkehr zu Wuchergesetzen, da mit einer Ausräumung der eingetretenen Missstände ohne staatliches Eingreifen nicht zu rechnen sei.36 Dazu sollte der Gesetzgeber – wie es der Entwurf Kleist-Retzows vorgesehen hatte – nur auf dem Gebiet des Strafrechts tätig werden, während zivilrechtliche Wucherregelungen, die Reichensperger zusätzlich befürwortete, nicht die Zustimmung der Kommission fanden.37 Dies galt ebenfalls für seine weiteren Vorschläge, so dass Reichensperger auch mit der Empfehlung, als Grundlage der Wuchergesetzgebung ein Zinsmaximum zu normieren, nicht die Kommission überzeugen konnte. Aus deren Sicht sprach hiergegen bereits die Erfahrung, die hinreichend bewiesen habe, dass die Festsetzung von Zinstaxen „mit der Entwickelung und den Bedürfnissen des Geldverkehrs nicht vereinbar“38 sei. Statt der Überschreitung eines Höchstzinssatzes sollte daher das unter Ausbeutung von ___________ 32

Zit. n. Henle, Die Wuchergesetze (Anm. 25), S. 10 f. Thüngen-Roßbach, Wucher- und Wechselfrage (Anm. 25), S. 6. 34 Thüngen-Roßbach, Wucher- und Wechselfrage (Anm. 25), S. 6. 35 Karl Theodor Eheberg, Ueber den gegenwärtigen Stand der Wucherfrage, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirthschaft im Deutschen Reich, 1880, Heft 1, S. 55-78, hier: S. 61. 36 Zit. n. Henle, Die Wuchergesetze (Anm. 25), S. 11. 37 Schwarze, Reichsgesetz (Anm. 26), S. 5; Henle, Die Wuchergesetze (Anm. 25), S. 12 und 31. – Vgl. dazu: Dilcher, Zins-Wucher-Gesetzgebung (Anm. 11), S. 277; Meyer im Hagen, Wuchergesetzgebung (Anm. 24), S. 18 f.; Luig, Vertragsfreiheit (Anm. 21), S. 187. 38 Zit. n. Henle, Die Wuchergesetze (Anm. 25), S. 12. – Lediglich im Pfandleihgewerbe billigte die Kommission obrigkeitlich festgelegte Zinstaxen (vgl. S. 6 f. und 29 ff.). 33

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Notlage, Leichtsinn oder Unerfahrenheit erfolgende Verschaffen von Vermögensvorteilen strafbarkeitsbegründend sein, soweit diese den üblichen Zinsfuß derart überschritten, dass sie im auffälligen Missverhältnis zur Leistung standen.39 Auf die Ablehnung der Mehrheit der Kommissionsmitglieder stieß auch die Forderung Reichenspergers, ergänzend zur Wiedereinführung von Wuchergesetzen die Wechselfähigkeit zu beschränken.40 Auf sie könne nämlich inzwischen auch der Landwirt und der Handwerker, die Reichensperger vom Wechselverkehr grundsätzlich ausgeschlossen wissen wollte, nicht mehr verzichten, so dass ihnen die Befugnis zur Ausstellung von Wechseln zu erhalten sei. 41 Allerdings räumte die Reichstagskommission durchaus ein, dass sich die allgemeine Wechselfähigkeit zum Zustandebringen wucherischer Verträge einsetzen lasse. Doch dürfe der „Mißbrauch derselben zu Gunsten wucherlicher Geschäfte“ nicht dazu führen, sie – angesichts der „Nützlichkeit, ja Unentbehrlichkeit des Wechsels für den Verkehr“42 – grundsätzlich in Frage zu stellen. Statt die Wechselfähigkeit auf die im Handelsregister Eingetragenen einzugrenzen, wollte die Kommission daher ausschließlich dem Missbrauch der allgemeinen Wechselfähigkeit entgegenwirken. Dazu schlug sie die Einführung eines Qualifikationstatbestands vor, der den Wucher mit härterer Strafe bedrohte, wenn er unter Einsatz eines Wechsels begangen wurde.43 Zudem sollte sich die Bestrafung des Darlehensgebers erhöhen, wenn er sich die übermäßigen Zinsen verschleiert zusichern ließ oder dem Wucher gewerbs- bzw. gewohnheitsmäßig nachging.44 Wegen Ablaufs der Sitzungsperiode kamen diese Vorschläge der Kommission, die sie im Zuge der Beratung der Anträge von Reichensperger und Kleist-

___________ 39 Vgl. Henle, Die Wuchergesetze (Anm. 25), S. 6, 14 f. und 18-23. – Vgl. auch: Luig, Vertragsfreiheit (Anm. 21), S. 187; Schmidt, Wucher (Anm. 21), S. 180. 40 Schwarze, Reichsgesetz (Anm. 26), S. 5 und 99-102; Henle, Die Wuchergesetze (Anm. 25), S. 24 f. 41 Schwarze, Reichsgesetz (Anm. 26), S. 100; Henle, Die Wuchergesetze (Anm. 25), S. 25. 42 Zit. n. Schwarze, Reichsgesetz (Anm. 26), S. 100. 43 Vgl. Henle, Die Wuchergesetze (Anm. 25), S. 23 ff.; ferner: Schwarze, Reichsgesetz (Anm. 26), S. 75, 100 ff.; Gustav Freudenstein, Das Reichs-Wuchergesetz vom 24. Mai 1880 nebst dem Preußischen Gesetz, betreffend das Pfandleihgewerbe vom 17. Mai 1881, sowie den Vorschriften über das unerlaubte Creditgeben an Minderjährige, Minden 1882, S. 87 f. 44 Vgl. Henle, Die Wuchergesetze (Anm. 25), S. 6. Ferner: Dilcher, Zins-WucherGesetzgebung (Anm. 11), S. 279; Meyer im Hagen, Wuchergesetzgebung (Anm. 24), S. 20.

II. Die Wiedereinführung eines Wuchergesetzes (1880)

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Retzow in einem eigenen Gesetzesentwurf niedergelegt hatte,45 allerdings 1879 nicht mehr im Reichstag zur Debatte. Als der Reichstag im folgenden Jahr erneut zur Beratung zusammentrat, wurde ihm ein Gesetzesentwurf zugeleitet, auf den sich inzwischen der Bundesrat verständigt hatte.46 Dieser übernahm in weiten Teilen den Kommissionsentwurf und wich nur bei den Rechtsfolgen, die der Wucher nach sich ziehen sollte, davon ab. So verschärfte der Bundesratsentwurf das Strafmaß und folgte zudem nicht der Empfehlung der Kommission, auf die Normierung zivilrechtlicher Folgen wucherischer Rechtsgeschäfte zu verzichten. Dem Kommissionsentwurf wurde daher eine Regelung beigefügt, die wucherische Darlehensverträge für ungültig erklärte und dem Kreditgeber in diesem Fall die Pflicht auferlegte, die erhaltenen Zinsen zurückzugewähren.47 Mit geringfügigen Modifikationen versehen fand dieser Entwurf die Zustimmung von Reichstag und Bundesrat, so dass er am 24. Mai 1880 als „Gesetz, betreffend den Wucher“48 erlassen wurde, dessen strafrechtliche Regelungen in das Reichsstrafgesetzbuch (§§ 302 a-d) eingingen.49 Das Deutsche Reich blieb damit nicht der einzige Staat, der seine Entscheidung gegen Wuchergesetze in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts revidierte. Auch in Österreich, das 1868 von einem gesetzgeberischen Eingreifen gegen den Zinswucher abgesehen hatte,50 kehrte man 1877 für einzelne Landesteile, die als besonders betroffen vom Wucher galten,51 sowie im Jahre 1881 ___________ 45

Abgedruckt bei Henle, Die Wuchergesetze (Anm. 25), S. 5 ff. sowie bei: Dilcher, Zins-Wucher-Gesetzgebung (Anm. 11), S. 278 f.; Meyer im Hagen, Wuchergesetzgebung (Anm. 24), S. 19 f. 46 Dilcher, Zins-Wucher-Gesetzgebung (Anm. 11), S. 279; Meyer im Hagen, Wuchergesetzgebung (Anm. 24), S. 20; Luig, Vertragsfreiheit (Anm. 21), S. 187. 47 Vgl. Schwarze, Reichsgesetz (Anm. 26), S. 6; Henle, Die Wuchergesetze (Anm. 25), S. 33 f. – Vgl. dazu: Dilcher, Zins-Wucher-Gesetzgebung (Anm. 11), S. 279 ff.; Meyer im Hagen, Wuchergesetzgebung (Anm. 24), S. 20 f.; Isopescul-Grecul, Wucherstrafrecht (Anm. 30), S. 198. 48 Abgedruckt z.B. bei: Schwarze, Reichsgesetz (Anm. 26), S. 1 ff.; Koffka, Die Reichs-Wuchergesetze (Anm. 28), S. 127 ff.; Julius Kahn, Die Reichs-Wuchergesetze vom 24. Mai 1880 und 19. Juni 1893, Bamberg 1895, S. 14 ff. 49 Vgl. Dilcher, Zins-Wucher-Gesetzgebung (Anm. 11), S. 281 f.; Meyer im Hagen, Wuchergesetzgebung (Anm. 24), S. 21 f.; Isopescul-Grecul, Wucherstrafrecht (Anm. 30), S. 199 f. 50 Abgedruckt ist das österreichische Gesetz von 1868 bei: Randa, Zur Lehre von den Zinsen (Anm. 19), S. 42 f. 51 Dies waren die Königreiche Galizien und Lodomerien, das Großherzogtum Krakau und das Herzogtum Bukowina, für die das Gesetz vom 19. Juli 1877 galt, vgl. dazu: Josef Kaserer, Das Gesetz vom 19. Juli 1877 zur Abhilfe wider unredliche Vorgänge bei Creditgeschäften (Wuchergesetz), Wien 1877. – Auch zeitgenössische Veröffentlichungen stellten die erhebliche Verbreitung des Wuchers in diesen Landesteilen der Habsburgermonarchie heraus, so etwa: Julius Platter, Der Wucher in der Bukowina, Jena 1878 und Leopold Caro, Der Wucher. Eine socialpolitische Studie, Leipzig 1893, S. 176-284 für Galizien.

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für die gesamte Monarchie zu Wuchergesetzen zurück, die inhaltlich dem im Deutschen Reich in Kraft getretenen ähnelten.52 Entsprechend verlief die Entwicklung zudem in einigen Kantonen der Schweiz, die sich Mitte des 19. Jahrhunderts ganz oder auf nicht hypothekarisch gesicherte Kredite beschränkt gegen Wuchergesetze entschieden hatten. Während aber das deutsche Gesetz von 1880 nur beim Abschluss von Darlehensverträgen und bei der Stundung von Geldforderungen galt, fand etwa das Züricher Wuchergesetz von 1883 allgemein „im geschäftlichen Verkehr“ Anwendung und nannte dafür die „Gewährung oder Verlängerung von Kredit“ nur exemplarisch.53

III. Die Novellierung des Wuchergesetzes (1893) III. Die Novellierung des Wuchergesetzes (189 3)

Im Deutschen Reich sollte es hingegen ein Jahrzehnt länger dauern, bis es zur Ausweitung des Anwendungsbereichs der Wucherbestimmungen über Kreditgeschäfte hinaus kam, die 1888 der „Verein gegen den Wucher im Saargebiet“ mit einer Petition an den Reichstag anregte. Darin plädierte man für eine Ausdehnung der Wuchergesetzgebung – entsprechend dem badischen Strafgesetzbuch von 185154 – auf alle gegenseitigen Verträge, da es gerade in ländlichen Gebieten vermehrt zu wucherischen Geschäften gekommen sei, die das geltende Wuchergesetz von 1880 nicht als solche erfasse.55 ___________ 52

Abgedruckt ist dieses Wuchergesetz mitsamt der Materialien, die seine Entstehungsgeschichte dokumentieren, bei: Josef Kaserer, Das Gesetz vom 28. Mai 1881 betreffend Abhilfe wider unredliche Vorgänge bei Creditgeschäften (allgemeines Wuchergesetz), Wien 1881. Der Text des österreichischen Gesetzes von 1881 findet sich auch bei: Leo Geller und Josef Peter Geller, Das österreichische Wucherstrafrecht, Wien 1908, S. 101-117. – Vgl. zur österreichischen Wuchergesetzgebung zwischen 1868 und 1881: Wilhelm Berliner und Richard Engländer, Das Österreichische Wuchergesetz, Wien 1911, S. 37-43; Geller, Wucherstrafrecht (Anm. 52), S. 38 ff.; IsopesculGrecul, Wucherstrafrecht (Anm. 30), S. 151, 176-188; ferner: Dilcher, Zins-WucherGesetzgebung (Anm. 11), S. 258, 268 f. 53 Vgl. Weibel, Die rechtliche Behandlung (Anm. 25), S. 600, 604 f., 620 f.; zur Wucherbestimmung des Züricher Strafgesetzbuchs auch: Rudolf Benz, Das Strafgesetzbuch für den Kanton Zürich nebst dem Gesetz betreffend den Vollzug der Freiheitsstrafen und dem Gesetz betreffend den Wucher, Zürich 1886, S. 143-147. In Auszügen finden sich einige dieser eidgenössischen Kantonsgesetze zudem abgedruckt bei: Dilcher, ZinsWucher-Gesetzgebung (Anm. 11), S. 93 f. 54 Vgl. dazu Kap. 5, IV. 55 Vgl. Karl Ludwig Julius von Lilienthal, Der Wucher auf dem Lande, in: Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft, 1888, S. 157-221, hier: S. 201 f.; Fritz Friedmann, Das Reichswuchergesetz in der Fassung der Wuchergesetznovelle vom 19. Juni 1893, Berlin 1894, S. 73; Henle, Die Wuchergesetze (Anm. 25), S. 65; Koffka, Die Reichs-Wuchergesetze (Anm. 28), S. 3. Zudem: Dilcher, Zins-Wucher-Gesetzgebung (Anm. 11), S. 304 f.; Isopescul-Grecul, Wucherstrafrecht (Anm. 30), S. 206 f.; Schmidt, Wucher (Anm. 21), S. 182.

III. Die Novellierung des Wuchergesetzes (1893)

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Hinsichtlich der Ausbreitung des Wuchers im ländlichen Raum konnte sich der „Verein gegen den Wucher im Saargebiet“ auf umfangreiche empirische Erhebungen stützen, die der „Verein für Socialpolitik“ – in dem sich Konservative, Kathedersozialisten und Liberale zusammenfanden, um sozialpolitische Reformen auf den Weg zu bringen56 – zum „Wucher auf dem Lande“ angestellt und 1887 veröffentlicht hatte. In den publizierten Gutachten, die der Frage nachgingen, in welchem Maße die Bauernschaft in den einzelnen Gebieten des Reiches von Wucherverträgen betroffen war, wurde nämlich jede Übervorteilung des Landmanns bei der Eingehung zweiseitiger Rechtsgeschäfte, sei es beim An- bzw. Verkauf von Viehbeständen oder beim Verkauf der Ernte, als Wucher bezeichnet. Demgemäß sprachen die Gutachter – wie auch schon der vom „Verein für Socialpolitik“ herausgegebene Fragebogen über die zu begutachtenden Sachverhalte57 – nicht nur vom „Geld- und Kreditwucher“, sondern beispielsweise auch vom „Viehwucher“ und „Waarenwucher“.58 Allerdings zogen sie daraus – anders als der „Verein gegen den Wucher im Saargebiet“ in seiner Petition an den Reichstag – zumeist nicht den Schluss, dass auch das Wuchergesetz von 1880 um diese Fälle ergänzt werden sollte.59 Auf der nächsten, ein Jahr nach Einreichung dieser Petition abgehaltenen Generalversammlung des „Vereins für Socialpolitik“ distanzierten sich sogar manche seiner Mitglieder recht deutlich von den Bestrebungen des „Vereins gegen den Wucher im Saargebiet“, den Anwendungsbereich des Wuchergesetzes auf sämtliche gegenseitige Verträge auszudehnen. Dagegen wandte der Mainzer Rechtsanwalt Ludwig Fuld ein, dass das Gesetz von 1880 zur effektiven Bekämpfung des Wuchers im Wesentlichen ausreiche, sobald man die noch zu konstatierenden Defizite bei dessen Anwendung – die Rechtsprechung legte ___________ 56

Vgl. zu Zusammensetzung und Zielen des „Vereins für Socialpolitik“: MarieLouise Plessen, Die Wirksamkeit des Vereins für Socialpolitik von 1872-1890, Berlin 1975; Dieter Lindenlaub, Richtungskämpfe im Verein für Sozialpolitik, 2 Bände, Wiesbaden 1967; ferner: Harald Winkel, Die deutsche Nationalökonomie im 19. Jahrhundert, Darmstadt 1977, S. 164-170. 57 Verein für Socialpolitik, Der Wucher auf dem Lande, Leipzig 1887 (Nachdruck: Vaduz/Liechtenstein 1989), S. V ff. – Vgl. zur Wucherenquete des Vereins v.a. Lilienthal, Wucher auf dem Lande (Anm. 55), S. 162-205. 58 Vgl. z.B. Adolf Buchenberger, Der Wucher auf dem Lande im Großherzogthum Baden, in: Verein für Socialpolitik, Der Wucher auf dem Lande, Leipzig 1887 (Nachdruck: Vaduz/Liechtenstein 1989), S. 17-52, hier: S. 21-47. – Vgl. zu den vom „Verein für Socialpolitik“ als wucherisch bezeichneten Rechtsgeschäften: Dilcher, Zins-WucherGesetzgebung (Anm. 11), S. 289-300. 59 Ausnahmen unter den 27 Berichten blieben die für das Großherzogtum Hessen und die Rheinprovinz, die sich generell zugunsten eines erweiterten Anwendungsbereichs des Wuchergesetzes aussprachen, während dies in dem für die Trierer Gegend erstellten Gutachten nur in Bezug auf einzelne Geschäfte gefordert wurde, vgl. Verein für Socialpolitik, Der Wucher (Anm. 57), S. 81, 187, 200.

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es aus seiner Sicht zu eng aus – beseitige.60 Zudem würde eine Erstreckung der für das Kreditwesen konzipierten Bestimmungen auf alle gegenseitigen Verträge den „historischen Boden des Wucherbegriffs vollständig verlassen“ und, so warnte der Breslauer Professor für Nationalökonomie und Statistik August von Miaskowski, „den Richter zu einer Art Censor für den gesamten wirtschaftlichen Verkehr machen“61. Denn er stünde in diesem Fall vor der „unlösbare[n] Aufgabe“62, bei allen Vertragsarten die Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung beurteilen zu müssen, obwohl es dazu außerhalb von Darlehensverträgen, bei denen der landesübliche Zinsfuß einen hinreichenden Anhaltspunkt liefere, an jeglichem Maßstab fehle. Miaskowski befürchtete daher eine „tiefgreifende Erschütterung der gesamten Produktion und des gesamten Verkehrs“63, wenn sich die Petition als erfolgreich erweise. In der mit ihr befassten Reichstagskommission wurde zwar ebenfalls Kritik an der vom „Verein gegen den Wucher im Saargebiet“ vorgeschlagenen Novellierung des Wuchergesetzes laut,64 jedoch übergab der Reichstag letztlich die Petition dem Reichskanzler zur Erwägung, ob eine Erweiterung des gesetzgeberischen Eingreifens gegen den Wucher ratsam sei.65 Dies bejahte der vom Bundesrat ausgearbeitete Gesetzesentwurf zur Ergänzung des Wuchergesetzes von 1880, den der Reichskanzler Ende des Jahres 1892 im Reichstag einbrachte.66 Empirische Studien wie die des „Vereins für Socialpolitik“ zur Verbreitung des Wuchers unter Landwirten und die dazu von einigen Regierungen der ___________ 60 Ludwig Fuld, [Diskussionsbeitrag im Rahmen der ersten Sitzung], in: Verhandlungen der am 28. und 29. September 1888 in Frankfurt a. M. abgehaltenen Generalversammlung des Vereins für Socialpolitik, Leipzig 1889, S. 88-91, hier: S. 89 f. 61 August von Miaskowski, Referat über die Wucherfrage und die Frage der ländlichen Kreditorganisation, in: Verhandlungen der am 28. und 29. September 1888 in Frankfurt a. M. abgehaltenen Generalversammlung des Vereins für Socialpolitik, Leipzig 1889, S. 4-40, hier: S. 14. – Seinem Votum gegen eine Ausdehnung der staatlichen Wuchergesetzgebung auf alle gegenseitigen Verträge schloss sich Ernst Barre, Der ländliche Wucher, Berlin 1890, S. 48 f. an. 62 Miaskowski, Referat über die Wucherfrage (Anm. 61), S. 14. 63 Miaskowski, Referat über die Wucherfrage (Anm. 61), S. 14; ähnlich auch im Jahre 1888 Lilienthal, Wucher auf dem Lande (Anm. 55), S. 218, der bei einer Ausdehnung der Wuchergesetzgebung auf alle Vertragsarten eine „unglaubliche Hemmung des berechtigten Geschäftsverkehrs“ erwartete, da sich die Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung etwa beim Kaufvertrag überhaupt nicht bestimmen lasse. 64 Vgl. Koffka, Die Reichs-Wuchergesetze (Anm. 28), S. 4. 65 Vgl. z.B. Henle, Die Wuchergesetze (Anm. 25), S. 65; Koffka, Die ReichsWuchergesetze (Anm. 28), S. 7. – Vgl. auch: Dilcher, Zins-Wucher-Gesetzgebung (Anm. 11), S. 305; Isopescul-Grecul, Wucherstrafrecht (Anm. 30), S. 206. 66 Vgl. Karl Geiershöfer, Das geltende deutsche Wucherrecht mit besonderer Berücksichtigung des Gesetzes vom 19. Juni 1893, Nürnberg 1894, S. 6. Ferner: Dilcher, Zins-Wucher-Gesetzgebung (Anm. 11), S. 306; Meyer im Hagen, Wuchergesetzgebung (Anm. 24), S. 25; Isopescul-Grecul, Wucherstrafrecht (Anm. 30), S. 207.

III. Die Novellierung des Wuchergesetzes (1893)

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Einzelstaaten in die Wege geleiteten Untersuchungen hätten nämlich die Notwendigkeit bewiesen, so die Begründung des Gesetzesentwurfs, die Begrenzung des Wucherverbots auf Kreditgeschäfte aufzugeben, weil sie nicht alle „Formen wucherlicher Ausbeutung“ erfasse.67 Daher sollte das Wuchergesetz zukünftig auch bei anderen gegenseitigen Verträgen zur Anwendung gelangen, sofern ein Vertragspartner Notlage, Leichtsinn oder Unerfahrenheit des anderen gewohnheits- oder gewerbsmäßig zur Ausbedingung einer Gegenleistung ausnutzte, die im auffälligen Missverhältnis zur Leistung stand.68 Auf die Einschränkung der gewohnheits- oder gewerbsmäßigen Begehungsweise, die in der Petition des „Vereins gegen den Wucher im Saargebiet“ fehlte, legte man in der Gesetzesbegründung besonderen Wert, um den Vorwurf auszuräumen, dass ein erweiterter Geltungsbereich der Wucherbestimmung zur Beeinträchtigung des Geschäftsverkehrs führe. Dieser Einwand lasse sich, so heißt es in der Begründung zum Gesetzesentwurf, nur gegen eine völlige Gleichstellung von Darlehens- und anderen Verträgen in der Wuchergesetzgebung erheben, weil dann jedem lukrativen Geschäftsabschluss die Gefahr immanent wäre, zivilund strafrechtlichen Sanktionen wegen Wuchers zu unterliegen. Gelte das Wuchergesetz hingegen mit Ausnahme von Darlehensverträgen nur unter der weiteren Voraussetzung der Gewerbs- oder Gewohnheitsmäßigkeit, erweise sich die Befürchtung einer Schädigung des Geschäftsverkehrs als unberechtigt.69 Einige Mitglieder der Kommission, die der Reichstag nach der ersten Lesung des Gesetzesentwurfs zu dessen weiterer Beratung einsetzte, überzeugte diese Argumentation indes nicht: In ihren Augen gewährleistete das zusätzliche Tatbestandsmerkmal der gewohnheits- oder gewerbsmäßigen Begehungsweise keineswegs, dass nicht jedes äußerst gewinnbringende Geschäft in den Verdacht des Wuchers geriet.70 Denn bereits das Wuchergesetz von 1880 enthalte „unbestimmte, flüssige und dehnbare Begriffe“71, deren Verwendung – zu Lasten der Rechtssicherheit – mehrere Auslegungsergebnisse zulasse. Bei Einbeziehung sämtlicher gegenseitiger Verträge in die Wuchergesetzgebung drohe ___________ 67

Die Materialien zur Wuchergesetznovelle vom 19. Juni 1893, in: Archiv für Strafrecht, 1893, S. 230-262, hier: S. 232 f.; vgl. auch Caro, Wucher (Anm. 51), S. 295 f. 68 Dies sollte laut Art. I des Gesetzesentwurfs als § 302 e in das Reichsstrafgesetzbuch aufgenommen werden, vgl. Materialien zur Wuchergesetznovelle (Anm. 67), S. 231; Caro, Wucher (Anm. 51), S. 298 f. 69 Materialien zur Wuchergesetznovelle (Anm. 67), S. 236; Caro, Wucher (Anm. 51), S. 303 f.; Friedmann, Das Reichswuchergesetz (Anm. 55), S. 81 f. 70 Materialien zur Wuchergesetznovelle (Anm. 67), S. 238 f.; Koffka, Die ReichsWuchergesetze (Anm. 28), S. 7 ff. – Vgl. zu den Kommissionsberatungen: Dilcher, Zins-Wucher-Gesetzgebung (Anm. 11), S. 309-312; Meyer im Hagen, Wuchergesetzgebung (Anm. 24), S. 26 ff.; Isopescul-Grecul, Wucherstrafrecht (Anm. 30), S. 208 ff.; Schmidt, Wucher (Anm. 21), S. 184 f. 71 So der Kommissionsbericht, abgedruckt bei: Materialien zur Wuchergesetznovelle (Anm. 67), S. 238; Koffka, Die Reichs-Wuchergesetze (Anm. 28), S. 8.

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eine Verstärkung dieser Unsicherheit, da es außerhalb des Kreditwesens an jeglichem objektiv bestimmbaren Anhaltspunkt wie dem üblichen Zinsfuß fehle, um eine gleichmäßige Gesetzesanwendung sicherzustellen. Statt dessen würde man mit der anvisierten Reform dem Richter die Schätzung des Wertes von Leistung und Gegenleistung mit kaum vorhersehbarem Ergebnis überlassen. 72 Unter Geltung des geplanten Gesetzes wäre dies, so warnten einige Kommissionsmitglieder, kein selten eintretender Fall: Sie erwarteten nämlich, dass zahlreiche Schuldner, die im Nachhinein einen Vertragsschluss bereuten, dann versuchen würden, sich von den eingegangenen Verbindlichkeiten durch Anzeige der Vertragspartner wegen Wuchers zu befreien.73 Daher wollten sie sich allenfalls mit einer geringfügigen Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Wuchergesetzes von 1880 auf solche Rechtsgeschäfte einverstanden erklären, die laut den entsprechenden Untersuchungen – allen voran des „Vereins für Socialpolitik“ – besonders häufig zur Übervorteilung des Landmanns genutzt wurden.74  Gegen eine derartige punktuelle Erweiterung des gesetzlichen Wucherverbots hatte sich hingegen die Regierung in ihrer Begründung zum Gesetzesentwurf ausgesprochen, weil sie diese zur Bekämpfung des Wuchers für ungeeignet hielt: Statt die Zahl wucherischer Geschäfte zu verringern, dränge man dadurch den Wucher lediglich in andere, vom Gesetzgeber nicht erfasste Vertragsformen, so dass nur die Einbeziehung aller gegenseitiger Verträge den gewünschten Erfolg verspreche.75 Demgegenüber bestand für die Gegner des Gesetzesentwurfs dessen Wirkung lediglich darin, dass „jeder redliche Geschäftsmann mit Bangen an den Abschluß eines ihm lukrativen Geschäftes gehen“ und aus Angst vor einer Bestrafung wegen Wuchers auch von zahlreichen rechtmäßigen Vertragsabschlüssen Abstand nehmen würde.76 Weder diese von einigen Kommissionsmitgliedern am Regierungsentwurf geäußerte Kritik noch die ebenfalls aus den Kommissionsberatungen hervorgegangene Empfehlung, den Wuchertatbestand bei Darlehens- und anderen ge-

___________ 72 Materialien zur Wuchergesetznovelle (Anm. 67), S. 238 f.; Koffka, Die ReichsWuchergesetze (Anm. 28), S. 8. 73 Vgl. Materialien zur Wuchergesetznovelle (Anm. 67), S. 239; Koffka, Die ReichsWuchergesetze (Anm. 28), S. 9. 74 Materialien zur Wuchergesetznovelle (Anm. 67), S. 239; Koffka, Die ReichsWuchergesetze (Anm. 28), S. 9. 75 Vgl. zur Begründung des Gesetzesentwurfs: Materialien zur Wuchergesetznovelle (Anm. 67), S. 235 f.; Caro, Wucher (Anm. 51), S. 302; Friedmann, Das Reichswuchergesetz (Anm. 55), S. 81. 76 Materialien zur Wuchergesetznovelle (Anm. 67), S. 239; Koffka, Die ReichsWuchergesetze (Anm. 28), S. 8 f.

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genseitigen Verträgen an dieselben Voraussetzungen zu binden,77 konnte sich indes im weiteren Gesetzgebungsverfahren durchsetzen. Vielmehr schlossen sich die Reichstagsabgeordneten bei der Frage nach dem Anwendungsbereich des Wucherverbots mehrheitlich dem Gesetzesentwurf von 1892 an: Daraufhin unterlagen mit Gesetz vom 19. Juni 189378 alle gegenseitigen Verträge – außerhalb des Kreditwesens jedoch nur unter der zusätzlichen Voraussetzung der gewohnheits- oder gewerbsmäßigen Begehungsweise – dem Wuchergesetz von 1880.79

IV. Die Wucherregelung des Bürgerlichen Gesetzbuchs IV. Die Wucherregelung des Bürgerlichen Gesetzbuch s

Die Wuchergesetze von 1880 und 1893 spielten bei den Beratungen zum Bürgerlichen Gesetzbuch eine entscheidende Rolle, da sie die Frage nach dem Bedürfnis für eine eigenständige Wucherbestimmung in der Zivilrechtskodifikation hervorriefen. Mit Blick darauf, dass der Reichsgesetzgeber gerade erst das staatliche Einschreiten gegen den Wucher neu geregelt hatte, wurde ein solches Bedürfnis nämlich lange Zeit während der Kodifikationsarbeiten verneint, so dass es sowohl Kübel in seinem Teilentwurf zum Obligationenrecht (1.) als auch die erste Kommission (2.) nicht minder wie die zweite (3.) bei dem geltenden Wucherrecht belassen wollte. Statt der Aufnahme eines Wucherparagraphen in das Bürgerliche Gesetzbuch galt deren Aufmerksamkeit der Frage, ob es nicht nur beim Wuchergesetz von 1880, sondern auch beim Kündigungsrecht, das man Darlehensnehmern im „Gesetz, betreffend die vertragsmäßigen Zinsen“ von 1867 eingeräumt hatte, bleiben sollte. Zur Verschiebung der Gewichtung kam es erst 1896 in der vom Reichstag eingesetzten Kommission, deren Beratungen sich in erster Linie nicht mehr um das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers, sondern um die Einfügung einer eigenständigen Wucherregelung in das Bürgerliche Gesetzbuch drehten. Dies ruft sowohl die Frage her___________ 77 Materialien zur Wuchergesetznovelle (Anm. 67), S. 247; Henle, Die Wuchergesetze (Anm. 25), S. 81 f. 78 Abgedruckt z.B. bei: Geiershöfer, Das geltende deutsche Wucherrecht (Anm. 66), S. 9 ff.; Friedmann, Das Reichswuchergesetz (Anm. 55), S. 3-7. 79 Vgl. Henle, Die Wuchergesetze (Anm. 25), S. 89 f., 94, 102. Ferner: Meyer im Hagen, Wuchergesetzgebung (Anm. 24), S. 28 f.; Isopescul-Grecul, Wucherstrafrecht (Anm. 30), S. 209 ff. – Zudem verbot das Wuchergesetz den Ausschank alkoholischer Getränke bei öffentlichen Versteigerungen und statuierte für den Gläubiger, soweit er gewerblich Kreditgeschäfte tätigte, grundsätzlich eine Verpflichtung zur jährlichen Rechnungserteilung gegenüber seinem Schuldner über die noch offenen Forderungen, um diesem den Überblick über die ausstehenden Verbindlichkeiten zu erleichtern. Beide Maßnahmen, die auf den ersten Blick wenig mit Wucher zu tun haben, waren in der Wucherenquete des „Vereins für Socialpolitik“ zum Schutz des Landmanns vor Übervorteilungen im Geschäftsverkehr angeregt worden, vgl. Verein für Socialpolitik, Der Wucher (Anm. 57), S. VII.

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vor, wer die Aufnahme einer solchen Vorschrift in die Kodifikation vorschlug, als auch, ob diese die Mehrheit der Kommissions- und Reichstagsmitglieder für sich gewinnen konnte. Zudem interessiert im Zusammenhang mit der Diskussion im Reichstag, welche Einwände man der Forderung nach einer Wucherbestimmung im Bürgerlichen Gesetzbuch entgegensetzte (4.). 

1. Der Redaktorentwurf von Kübel Angesichts der 1880 auch auf zivilrechtlichem Gebiet wieder einsetzenden Wuchergesetzgebung sah Franz Philipp von Kübel, dem die Ausarbeitung des Teilentwurfs für das Schuldrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs oblag, im Jahre 1882 keine Veranlassung, von den zwei Jahre zuvor getroffenen Regelungen abzuweichen. In seinen Teilentwurf zum „Gegenstand der Verträge“ nahm er daher in § 14 lediglich die Vorschrift auf, dass den Vertragschließenden die Festlegung der Zinshöhe überlassen bleibt, „soweit nicht reichsgesetzliche Bestimmungen über den Wucher entgegenstehen“80. Anders als man angesichts dieses Verweises auf das Wuchergesetz von 1880 vermuten könnte, zählte Kübel jedoch nicht zu dessen entschiedenen Befürwortern: Er bemerkte eher im Gegenteil, dass sich „gegen fragliche Normirung Bedenken erheben lassen“81. Zu deren Ausräumung hielt es Kübel zwei Jahre nach Inkrafttreten des Wuchergesetzes jedoch noch für verfrüht, weil erst einmal abzuwarten sei, wie sich die Bestimmungen in der Rechtspraxis bewährten. Sollte sich dabei die Not___________ 80 Franz Philipp von Kübel, Vorlage Nr. 11 „Gegenstand der Verträge“ [1882], § 14, in: Werner Schubert (Hg.), Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches. Recht der Schuldverhältnisse, Teil 1: Allgemeiner Teil, Berlin und New York 1980, S. 230. Ebenfalls abgedruckt in: Horst Heinrich Jakobs und Werner Schubert (Hg.), Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs in systematischer Zusammenstellung der unveröffentlichten Quellen. Recht der Schuldverhältnisse I, Berlin und New York 1978, S. 73. Im Besonderen Teil zum Obligationenrecht verwies Kübel kurz in seiner Begründung zum Darlehensvertragsrecht auf diese Bestimmung, vgl. Franz Philipp von Kübel, Vorlage Nr. 6 „Darlehn“, in: Werner Schubert (Hg.), Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches. Recht der Schuldverhältnisse, Teil 2: Besonderer Teil, Berlin und New York 1980, S. 544. – Vgl. zu Kübel und seinem unvollendeten Entwurf zum Obligationenrecht: Werner Schubert, Einleitung, in: ders. (Hg.), Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches. Recht der Schuldverhältnisse, Teil 1: Allgemeiner Teil, Berlin und New York 1980, S. IX-XVIII, hier: S. XI-XVIII; Horst Heinrich Jakobs und Werner Schubert (Hg.), Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs in systematischer Zusammenstellung der unveröffentlichten Quellen. Materialien zur Entstehungsgeschichte des BGB, Berlin und New York 1978, S. 43 ff. – Diese Bestimmung in Kübels Teilentwurf übersieht Luig, Vertragsfreiheit (Anm. 21), S. 198, wenn er behauptet, dass sich Kübel zur Frage der Zinsfreiheit bzw. Zinsreglementierung nicht explizit geäußert habe. 81 Kübel, Vorlage Nr. 11 (Anm. 80), Begründung zu § 14, S. 284.

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wendigkeit einer Reform herausstellen, wollte sie Kübel außerhalb des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der „Reichsspezialgesetzgebung“ verwirklicht wissen, da die Wuchergesetzgebung häufigen Veränderungen unterliege und somit mangels Beständigkeit nicht in die Kodifikation gehöre.82 Während Kübel an den zivilrechtlichen Regelungen des Wuchergesetzes von 1880 trotz der angedeuteten Kritik festhielt, wehrte er sich vehement gegen eine Wiedereinführung von Zinstaxen. Die Erfahrung mit derartigen „unnatürlichen Schranken“83 habe nämlich gezeigt, dass diese – statt den Wucher zu verhindern – nur zur Gesetzesumgehung und zum Anstieg des Zinsniveaus führten. Dementsprechend empfand er es als „Mißgriff“, wollte man zu dem im Jahre 1867 „nach langem Kampfe verlassenen Prinzip zurückkehren“84 und erneut ein Zinsmaximum normieren.85 Doch stieß das bei Kübel aufgrund der Abkehr von Zinstaxen lobend erwähnte Gesetz des Norddeutschen Bundes bei ihm auch auf Widerspruch. Dieser betraf die Ermächtigung der Einzelstaaten, von dem im Bundesgesetz vorgesehenen Kündigungsrecht des Darlehensnehmers abzuweichen: Kübel sah keinen sachlichen Grund, insoweit auf eine Rechtsvereinheitlichung zu verzichten. Zu deren Herstellung wollte er das 1867 auf Bundesebene eingeführte Kündigungsrecht ganz streichen, da es ohnehin allenfalls in seltenen Fällen als „Schutzmittel des Kreditbedürftigen gegen Ausbeutung“86 wirke. Vielmehr schade es geradezu dem Darlehensnehmer, der seinem Vertragspartner wegen der ihm gewährten Möglichkeit zur frühzeitigen Vertragsbeendigung häufig höhere Darlehenszinsen zugestehen müsse. Wollte der Gesetzgeber den Kreditsuchenden schützen, sollte er daher – so empfahl Kübel – besser das Wuchergesetz von 1880 als ein wenig zweckmäßiges Kündigungsrecht beibehalten.87

2. Die erste Kommission und die Kritik ihres Entwurfs Kübels Votum folgte die erste Kommission: Sie beließ es in § 358 bei dem Verweis auf das Wuchergesetz von 1880 und sprach sich für die Aufhebung des „Gesetzes, betreffend die vertragsmäßigen Zinsen“ von 1867 in Art. 21 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch aus, um dem Darlehensnehmer das Kündigungsrecht bei einer höheren als sechsprozentigen Verzin___________ 82

Kübel, Vorlage Nr. 11 (Anm. 80), Begründung zu § 14, S. 284. Kübel, Vorlage Nr. 11 (Anm. 80), Begründung zu § 14, S. 282. 84 Kübel, Vorlage Nr. 11 (Anm. 80), Begründung zu § 14, S. 283. 85 Vgl. Kübel, Vorlage Nr. 11 (Anm. 80), Begründung zu § 14, S. 281-284. 86 Kübel, Vorlage Nr. 11 (Anm. 80), Begründung zu § 14, S. 285. 87 Vgl. Kübel, Vorlage Nr. 11 (Anm. 80), Begründung zu § 14, S. 284 f. 83

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sung zu nehmen.88 Denn: „Wohlthätige Wirkungen der Bestimmung“, heißt es in den Motiven zum ersten Entwurf über das Kündigungsrecht, „sind nicht bekannt“, so dass sie „ihren Zweck im Wesentlichen verfehlt“89 habe. Dem ersten Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuchs brachte diese Einschätzung indes scharfen Protest ein90: Aus Sicht des Tübinger Juraprofessors Gustav Hartmann stellte sie einen Rückschritt in die „Zeit der höchsten Blüthe des Manchesterthums“91 und für Otto von Gierke eine „nackte Behauptung“ dar, mit der die erste Kommission ohne plausible Begründung „eine vom bisherigen Reichsrecht selbst errichtete Schutzwehr gegen Schulddruck niederreißen will“92. Diese „wohlerwogene Einschränkung der Zinsfreiheit“93 durfte der Gesetzgeber somit nach Gierkes Auffassung nicht einfach beiseite schieben, selbst wenn sich die Annahme der Kommissionsmitglieder, dass positive Folgen der Kündigungsbefugnis bisher nicht zu verzeichnen seien, als zutreffend erweisen sollte. Vielmehr hielt er das erst dann für gerechtfertigt, wenn man den – in den Motiven zum ersten Entwurf fehlenden – Nachweis nachteiliger Wirkungen eines solchen Kündigungsrechts erbringen würde.94 Gegen die Abschaffung dieses Rechts des Darlehensnehmers wandten sich zudem die Interessenverbände

___________ 88 Vgl. zur Verweisnorm im ersten Entwurf: Benno Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. 1 und 2, Berlin 1899 (Nachdruck: Aalen 1979), hier: Bd. 2, S. XXXIII; Jakobs / Schubert, Recht der Schuldverhältnisse I (Anm. 80), S. 75. – Zur Regelung im Einführungsgesetz: Mugdan, Materialien (Anm. 88), Bd. 1, S. VI und 10; Horst Heinrich Jakobs und Werner Schubert (Hg.), Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs in systematischer Zusammenstellung der unveröffentlichten Quellen. Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch und Nebengesetze, 1. Teilband, Berlin und New York 1990, S. 26 und 433. 89 Abgedruckt in: Mugdan, Materialien (Anm. 88), Bd. 2, S. 108; vgl. auch Jakobs / Schubert, Recht der Schuldverhältnisse I (Anm. 80), S. 73 f. 90 Vgl. zu den Stellungnahmen zu dieser Bestimmung: Zusammenstellung der gutachtlichen Aeußerungen zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs gefertigt im Reichs-Justizamt, Bd. 2 und 6, Berlin 1890 und 1891 (Nachdruck: Osnabrück 1967), Bd. 2, S. 114 ff. und Bd. 6, S. 321-326. Vgl. ferner: Wilfried Halisch, Die sozialen Vorstellungen der Verfasser des Bürgerlichen Gesetzbuches, Würzburg 1959, S. 208 f. 91 Gustav Hartmann, Der Civilgesetzentwurf, das Aequitätsprincip und die Richterstellung, in: Archiv für die civilistische Praxis, 1888, S. 309-407, hier: S. 354. 92 Otto von Gierke, Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs und das deutsche Recht, Leipzig 1889, S. 200 f. – Gegen Gierkes Kritik an der Streichung des Kündigungsrechts wandte sich indessen Hermann Brückner, Der Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das deutsche Reich, in: Blätter für Rechtspflege in Thüringen und Anhalt, 1889, S. 97-129, hier: S. 105 übereinstimmend mit der Kommissionsbegründung, indem er konstatierte, dass ihm „ein heilsamer Erfolg, ja auch nur eine praktische Anwendung dieses Gesetzes nicht bekannt geworden“ sei. 93 Gierke, Der Entwurf (Anm. 92), S. 201. 94 Gierke, Der Entwurf (Anm. 92), S. 201.

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der Landwirte, allen voran das preußische Landesökonomiekollegium,95 was angesichts der in der Wucherdebatte der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts häufigen Bezugnahme auf schützenswerte Belange der Bauernschaft, um der freien Zinsvereinbarung Schranken zu ziehen,96 kaum verwundert. Der ablehnenden Haltung des Landesökonomiekollegiums schloss sich die preußische Regierung an, die – ebenso wie die Regierungen Hessens, Badens und Mecklenburgs – die Aufnahme eines Kündigungsrechts in den Entwurf zum Bürgerlichen Gesetzbuch nach dem Vorbild des Gesetzes von 1867 forderte.97 Der Verzicht auf das Kündigungsrecht blieb nicht der einzige Kritikpunkt, den sowohl einige Bundesregierungen als auch Wissenschaftler gegen den ersten Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuchs geltend machten. Vorsichtig äußerte die Regierung von Anhalt ihre Bedenken, indem sie es für wünschenswert erklärte, „die Vorschriften des Wuchergesetzes in geeigneter Weise zu verallgemeinern“98, damit sie nicht mehr nur auf Darlehensverträge Anwendung fanden, wie es der Kodifikationsentwurf wegen des Verweises auf das Wuchergesetz von 1880 vorsah. Gleiches strebte auch das preußische Landesökonomiekollegium übereinstimmend mit anderen Interessenvertretungen der Landwirte an, um diese vor den Gefahren wucherischer Übervorteilungen zu bewahren, die „sonst für die zum Theil rechtsunerfahrene und der Ausbeutung ausgesetzte ländliche Bevölkerung erwüchsen“99. Zur Vermeidung des Einwands, dass dies ___________ 95 Zusammenstellung der gutachtlichen Aeußerungen (Anm. 90), Bd. 6, S. 322-325. – Vgl. dazu: Landau, Gesetzgebungsgeschichte (Anm. 11), S. 401; zudem: Dilcher, ZinsWucher-Gesetzgebung (Anm. 11), S. 314; Luig, Vertragsfreiheit (Anm. 21), S. 198 f. Zum Einfluss von landwirtschaftlichen Interessenverbänden auf den Fortgang der Kodifikationsarbeiten insgesamt vgl.: Ursula Bähr, Die berufsständischen Sonderinteressen und das BGB, Heidelberg 1972, S. 23-61; ferner: Hans Schulte-Nölke, Das Reichsjustizamt und die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Frankfurt a.M. 1995, S. 307312; Werner Schubert, Das Bürgerliche Gesetzbuch von 1896, in: Herbert Hofmeister (Hg.), Kodifikation als Mittel der Politik, Wien (u.a.) 1986, S. 11-28, hier: S. 18. 96 Siehe Kap. 6, sowohl unter I., 3. als auch unter IV. und V. 97 Zusammenstellung der Aeußerungen der Bundesregierungen zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs gefertigt im Reichs-Justizamt, 2 Bände, Berlin 1891 (Nachdruck: Osnabrück 1967), Bd. 1, S. 47-50 und Bd. 2, S. 14. – Vgl. auch Landau, Gesetzgebungsgeschichte (Anm. 11), S. 401. 98 Zit. n. Aeußerungen der Bundesregierungen (Anm. 97), Bd. 1, S. 50. – Vgl. ebd. zudem die Stellungnahme der Regierung Elsass-Lothringens. 99 Zit. n. Zusammenstellung der gutachtlichen Aeußerungen (Anm. 90), Bd. 6, S. 322, vgl. auch S. 323 f. und Bd. 2, S. 115. Vgl. dazu Luig, Vertragsfreiheit (Anm. 21), S. 198 f. – Kritik an einer Beschränkung der Wuchergesetzgebung auf Darlehensverträge übte zudem etwa Anton Menger, Das bürgerliche Recht und die besitzlosen Volksklassen. Eine Kritik des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, 2. Aufl., Tübingen 1890, S. 149-152 vom sozialistischen Standpunkt zum Schutz der in der geltenden Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung „besitzlosen Volksklassen“: Um sie außerhalb des Kreditwesens nicht der Ausbeutung durch die besitzenden Klassen preiszugeben, hielt er die Erstreckung der Wuchergesetzgebung auch auf andere Ver-

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nicht eine von der angestrebten Zivilrechtskodifikation zu erfüllende Aufgabe, sondern – wie es die erste Kommission im Anschluss an Kübel befürwortet hatte – Sache von Spezialgesetzen sei, ergänzte die Regierung von Anhalt, dass im Bürgerlichen Gesetzbuch „der richtige Platz für die Regelung der Wucherfrage“100 liege. Deutlich vehementer als die Regierung von Anhalt beklagte Gierke, dass der erste Entwurf Voraussetzungen und Rechtsfolgen wucherischer Rechtsgeschäfte statt in der Zivilrechtskodifikation in „prinziplosen Anhangsgesetzen“101 normiert wissen wollte. An der Regelungstechnik des Entwurfs störte ihn jedoch nicht nur die Abdrängung des Wuchers in ein Spezialgesetz, sondern auch der Wortlaut dieser Verweisnorm auf das Wuchergesetz von 1880, die „in fast provozierender Weise“102 lautete: „Zinsen können zu jeder Höhe durch Vertrag bedungen werden, soweit nicht reichsgesetzliche Vorschriften über den Wucher entgegenstehen“103. Denn mit der Formulierung, wie sie die erste Kommission von Kübel übernahm, suggeriere man – so bemängelte Gierke –, dass die „schrankenlose Freiheit wucherlicher Ausbeutung dem Prinzip“104 entspreche, das lediglich in seltenen Ausnahmefällen eine Begrenzung durch das Wuchergesetz von 1880 erfahre. Damit proklamiere der Entwurf geradezu die „Wucherfreiheit“ als zu den „Grundrechten des Deutschen“105 gehörend. Korrekturbedarf in sprachlicher Hinsicht sah indes nicht nur Gierke: Auch Hartmann empfand den im ersten Entwurf gewählten Wortlaut als irreführend und wollte ___________ tragsarten für erforderlich, vgl. auch schon ders., Das Recht auf den vollen Arbeitsertrag in geschichtlicher Darstellung, Stuttgart 1886, S. 124-128. – Gegen eine Ausdehnung des Wuchergesetzes im Sinne Mengers sprach sich indes z.B. Ludwig von Bar, Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich, besonders in sozialpolitischer Beziehung, in: Die Nation, 1889/90, S. 399-403, hier: S. 402 f. aus, da ihm solche „wohlgemeinten Bevormundungstendenzen“ mit der individuellen Eigenverantwortung unvereinbar schienen. Zudem sei keineswegs sicher, so ergänzte Bar, dass eine Ausweitung des Anwendungsbereichs, die den Richter überdies vor zahlreiche Schwierigkeiten in der Gesetzesanwendung stellen würde, sich stets zugunsten der „Unvermögenden“ auswirke, wie es Menger annahm. 100 Zit. n. Aeußerungen der Bundesregierungen (Anm. 97), Bd. 1, S. 50. – Gottlieb Planck, Zur Kritik des Entwurfes eines bürgerlichen Gesetzbuches für das deutsche Reich, in: Archiv für die civilistische Praxis, 1889, S. 327-429, hier: S. 409 f. i.V.m. 406 f. und Karl Jacubezky, Bemerkungen zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, München 1892, S. 83 wollten die Frage der Erstreckung der Wuchergesetze auf andere Vertragsarten demgegenüber nicht in der Zivilrechtskodifikation entschieden wissen, sondern Spezialgesetzen überlassen. 101 Gierke, Der Entwurf (Anm. 92), S. 104. 102 Gierke, Der Entwurf (Anm. 92), S. 200. 103 Abgedruckt ist § 358 in: Mugdan, Materialien (Anm. 82), Bd. 2, S. XXXIII f.; Jakobs / Schubert, Recht der Schuldverhältnisse I (Anm. 80), S. 75. 104 Gierke, Der Entwurf (Anm. 92), S. 104. 105 Gierke, Der Entwurf (Anm. 92), S. 104.

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ihn daher durch eine Regelung ersetzen, die klarstellte, dass den Vertragschließenden keineswegs die Ausbedingung von Zinsen in jeder Höhe freistehe, sondern sie dabei lediglich nicht mehr an Zinstaxen gebunden seien.106 Die erforderliche Einschränkung der Vereinbarungen über Leistung und Gegenleistung sollte neben dem Wuchergesetz von 1880 eine für alle gegenseitigen Verträge geltende Bestimmung im Bürgerlichen Gesetzbuch übernehmen, die bei Ausnutzung von Unerfahrenheit, Leichtsinn oder Notlage eines Vertragspartners zur Verschaffung unverhältnismäßig hoher Vermögensvorteile dem Übervorteilten nach seiner Wahl entweder einen Anspruch auf Aufhebung oder auf Anpassung des Vertrages gewährte.107 Nur auf diesem Wege glaubte Hartmann dem Entwurf im Vertragsrecht einen „starken Tropfen sozialpolitischen Oeles“, den Gierke für das gesamte Bürgerliche Gesetzbuch verlangt habe, verleihen zu können.108

3. Die Vorkommission des Reichsjustizamtes und die zweite Kommission Die geforderte soziale Komponente trug in vielen Fällen die Vorkommission des Reichsjustizamtes109 in das Bürgerliche Gesetzbuch hinein,110 wenngleich die von ihr in den Jahren 1890 bis 1893 veranlassten Veränderungen am ersten Entwurf nicht in der von Hartmann für alle gegenseitigen Verträge gewünschten Regelung bestanden. Statt dessen revidierte die zur Vorbereitung der Arbeit der zweiten Kommission eingerichtete Vorkommission die Entscheidung gegen ein Kündigungsrecht des Darlehensnehmers, wenn er seinem Geldgeber mehr als sechs Prozent Zinsen zugestanden hatte.111 Den Anstoß dazu gab Hermann Struckmann112, der im Reichsjustizamt für die Auswertung der Beanstandungen zum ersten Entwurf zuständig war und mit seiner Empfehlung zur Normierung ___________ 106

Vgl. Hartmann, Der Civilgesetzentwurf (Anm. 91), S. 354 und 356. Hartmann, Der Civilgesetzentwurf (Anm. 91), S. 356; zustimmend: Gierke, Der Entwurf (Anm. 92), S. 201 f. – Hartmanns Empfehlung legte auch Otto Bähr in weiten Teilen der Wucherregelung in seinem Gegenentwurf zum Kommissionsentwurf zugrunde, vgl. Otto Bähr, Gegenentwurf zu dem Entwurfe eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Kassel 1892, S. 73. 108 Hartmann, Der Civilgesetzentwurf (Anm. 91), S. 357. – Tatsächlich forderte Otto von Gierke, Die soziale Aufgabe des Privatrechts, Berlin 1889 (Nachdruck: Frankfurt a.M. 1943), S. 10 indes einen „Tropfen sozialistischen Öles“. 109 Vgl. zur Rolle der Vorkommission des Reichsjustizamtes bei der Entstehung des BGB: Schulte-Nölke, Das Reichsjustizamt (Anm. 95); Jakobs / Schubert, Materialien zur Entstehungsgeschichte (Anm. 80), S. 50-57. 110 Vgl. Schulte-Nölke, Das Reichsjustizamt (Anm. 95), S. 312-324. 111 Mugdan, Materialien (Anm. 88), Bd. 2, S. 628 f. 112 Vgl. zu Hermann Struckmann und seiner Tätigkeit im Reichsjustizamt: Jakobs / Schubert, Materialien zur Entstehungsgeschichte (Anm. 80), S. 50 und 107 f. 107

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eines entsprechenden Kündigungsrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch die Mitglieder der Vorkommission überzeugte, die in diesem Punkt am Kodifikationsentwurf geäußerten Bedenken nicht zu übergehen.113 Daraufhin brachte Struckmann – entsprechend der üblichen Vorgehensweise114 – den seinem Antrag stattgebenden Beschluss der Vorkommission des Reichsjustizamtes in die zweite Kommission zur Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein,115 die 1891 ihre Tätigkeit aufgenommen hatte. Dort blieb sein Antrag nicht unangefochten, sondern führte zum Gegenantrag Karl Jacubezkys, der die Ergänzung des ersten Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs um eine dem Bundesgesetz von 1867 nachgebildete Kündigungsregelung kategorisch ablehnte. Allerdings konnte sich der bayerische Ministerialrat Jacubezky mit seinem Argument, dass dem Darlehensnehmer ein solches Recht zur vorzeitigen Vertragsbeendigung keineswegs zum Nutzen gereiche, sondern ihn häufig sogar noch mit höheren Darlehenszinsen belaste,116 in der zweiten Kommission nicht durchsetzen. Deren Mitglieder teilten nämlich die Ansicht Struckmanns: „Bei der herrschenden starken Strömung, welche auf eine Verstärkung des Schutzes des wirthschaftlich Schwächeren gehe und die auch in der Kritik des Entw. zum Ausdrucke gelangt sei, empfehle es sich nicht“ – so heißt in den Protokollen unter Verweis auf die Stellungnahmen des preußischen Landesökonomiekollegiums und der Regierungen Preußens, Badens, Hessens und Mecklenburgs –, „dieses bestehende Schutzmittel für den Schuldner fallen zu lassen“117. Dazu genüge es nämlich nicht, dem Kündigungsrecht sämtliche positive Auswirkungen abzusprechen, wie es die erste Kommission getan hatte. Vielmehr komme eine Abschaffung des Kündigungsrechts erst dann in Betracht, wenn dessen Geltung Nachteile hervorbringe, was die Mehrheit der Kommissionsmitglieder verneinte. Sie konstatierte im Gegenteil, dass im Kündigungsrecht ein „Mittel gegen den Mißbrauch der wirthschaftlichen Ueber-

___________ 113 Jakobs / Schubert, Recht der Schuldverhältnisse I (Anm. 80), S. 75 f. – Vgl. zu dieser Änderung des ersten Entwurfs durch die Vorkommission des Reichsjustizamtes: Schulte-Nölke, Das Reichsjustizamt (Anm. 95), S. 314 f. 114 Schulte-Nölke, Das Reichsjustizamt (Anm. 95), S. 169, 174, 188. 115 Jakobs / Schubert, Recht der Schuldverhältnisse I (Anm. 80), S. 76 f.; ferner: Mugdan, Materialien (Anm. 88), S. 628. – Vgl. ebd. zu den weiteren Anträgen, die in der zweiten Kommission zum Kündigungsrecht gestellt wurden. 116 Vgl. zum Antrag Jacubezkys: Jakobs / Schubert, Recht der Schuldverhältnisse I (Anm. 80), S. 77; ferner: Mugdan, Materialien (Anm. 88), Bd. 2, S. 628; sowie zu seinem Einwand gegen ein Kündigungsrecht des Darlehensnehmers auch: Jacubezky, Bemerkungen zu dem Entwurfe (Anm. 100), S. 81 f. – Vgl. dazu: Landau, Gesetzgebungsgeschichte (Anm. 11), S. 401 f. 117 Mugdan, Materialien (Anm. 88), Bd. 2, S. 628 f.

IV. Die Wucherregelung des Bürgerlichen Gesetzbuchs

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macht des Gläubigers gegenüber dem Schuldner“118 liege und befürwortete aus diesem Grund dessen Beibehaltung.

4. Die Debatte im Reichstag Während man über die Berechtigung eines Kündigungsrechts des Darlehensnehmers in der zweiten Kommission lebhaft debattierte, veranlasste die Verweisnorm auf das Wuchergesetz von 1880 keinerlei Diskussionen und wurde aus dem ersten Entwurf in den zweiten lediglich mit geringfügigen sprachlichen Modifikationen übernommen.119 Später rückte hingegen die Wucherregelung in den Mittelpunkt des Interesses, nachdem der Reichstag den Kodifikationsentwurf zur eingehenden Beratung einer Kommission überwiesen hatte. In dieser schlug im Februar 1896 der Zentrumsabgeordnete Adolf Gröber vor, im Bürgerlichen Gesetzbuch neben dem Verweis auf das Wuchergesetz von 1880 ein Zinsmaximum in Höhe von acht Prozent festzusetzen. Allerdings war seinem Anliegen, mit der Rückkehr zu gesetzlichen Zinstaxen den Nachweis des Wuchers zu erleichtern, in der Reichstagskommission kein Erfolg beschieden: Lediglich zwei ihrer einundzwanzig Mitglieder stimmten dafür. Nur drei Stimmen mehr erhielt Gröbers Vorschlag zur Absenkung des Zinssatzes, dessen Überschreitung dem Darlehensnehmer ein Kündigungsrecht verleihen sollte, von sechs Prozent – wie im zweiten Entwurf zum Bürgerlichen Gesetzbuch vorgesehen – auf fünf Prozent.120 Trotz der deutlichen Ablehnung, die seine beiden vorhergehenden Empfehlungen erfahren hatten,stellte Gröber noch einen dritten Antrag zur Wuchergesetzgebung: Darin plädierte er für die Ergänzung des Kodifikationsentwurfs um einen Bereicherungsanspruchs des Bewucherten, wenn dieser zur Erfüllung einer Verbindlichkeit, die unter Ausnutzung seiner Notlage, seines Leichtsinns ___________ 118 Mugdan, Materialien (Anm. 88), Bd. 2, S. 628. – Ähnlich sprach die Denkschrift des Reichsjustizamtes zur Reichstagsvorlage dem Kündigungsrecht die Eignung zu, „dem Schuldner gegen die Uebermacht des Gläubigers Schutz zu gewähren“ (S. 1234). Vgl. auch: Schubert, Das Bürgerliche Gesetzbuch (Anm. 95), S. 25; Landau, Gesetzgebungsgeschichte (Anm. 11), S. 402 f.; Claus-Wilhelm Canaris, Die Kreditkündigung gemäß § 247 BGB und der „Wandel der Normsituation“, in: Zeitschrift für Wirtschaftsund Bankrecht, 1978, S. 686-701, hier: S. 687; Halisch, Die sozialen Vorstellungen (Anm. 90), S. 209 f. 119 Mugdan, Materialien (Anm. 88), Bd. 2, S. 628. 120 Vgl. Mugdan, Materialien (Anm. 88), Bd. 2, S. 1272; Jakobs / Schubert, Recht der Schuldverhältnisse I (Anm. 80), S. 79; Michael Wolters, Die Zentrumspartei und die Entstehung des BGB, Baden-Baden 2001, S. 153 f. – Zum Antrag auf Wiedereinführung eines Höchstzinssatzes vgl. zudem: Katharina Hoppe, Eigentum, Erbrecht und Vertragsfreiheit. Die Reformvorstellungen des Nationalökonomen Adolph Wagner (1835-1917), Berlin 2003, S. 334.

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Kap. 7: Die Wuchergesetzgebung bis zum Ausgang des 19. Jahrhunderts

oder seiner Unerfahrenheit zustande gekommen war, eine Leistung erbracht hatte.121 Eine gesonderte Regelung der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung wucherischer Verträge schien indes Struckmann – der nicht nur der Vorkommission des Reichsjustizamtes angehörte, sondern auch an den Sitzungen der zweiten Kommission und der Reichstagskommission teilnahm – schlichtweg überflüssig. Denn die von Gröber gewünschte Rechtsfolge ergebe sich bereits aus der im Entwurf vorgesehenen Leistungskondiktion bei sittenwidrigem Handeln des Leistungsempfängers, sofern man davon ausgehe, dass ein wucherisches Rechtsgeschäft gegen die guten Sitten verstoße.122 Struckmanns Kritik veranlasste Gröber zur Umstellung seines Antrags, mit dem er nunmehr eine Bestimmung des Inhalts forderte, dass alle Rechtsgeschäfte – und nicht nur Darlehensverträge –, bei denen Notlage, Leichsinn oder Unerfahrenheit eines Vertragspartners durch den anderen zur Verschaffung einer Gegenleistung ausgenutzt wurden, die im auffälligen Missverhältnis zur eigenen Leistung stand, „als gegen die guten Sitten verstoßend anzusehen sind“123. Diesmal schloss sich auch die Reichstagskommission Gröber an, so dass dem Entwurf hinter § 134 I, der die Nichtigkeit sittenwidriger Rechtsgeschäfte anordnete, ein zweiter Absatz beigefügt wurde,124 der die gleiche Rechtsfolge insbesondere für wucherische Rechtsgeschäfte – unabhängig von der Vertragsart – vorsah.125 Zur Rechtfertigung der Aufnahme eines Wucherparagraphen in den Entwurf, der die zivilrechtlichen Regelungen des Wuchergesetzes von 1880 in der Fassung von 1893 ablösen sollte,126 führten die Kommissionsmit___________ 121 Vgl. zu Gröbers Vorschlag: Horst Heinrich Jakobs und Werner Schubert (Hg.), Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs in systematischer Zusammenstellung der unveröffentlichten Quellen. Recht der Schuldverhältnisse III, Berlin und New York 1983, S. 857. – Nicht nur im Rahmen der Wucherdebatte, sondern auch im Übrigen stellte Gröber eine Vielzahl von Anträgen in der Reichstagskommission: Vgl. dazu sowohl die Zusammenstellung der Empfehlungen von Gröber und anderer Zentrumsabgeordneter in den Kommissionsberatungen bei Wolters, Die Zentrumspartei (Anm. 120), S. 130-399 sowie S. 401, 411 f. 122 Jakobs / Schubert, Recht der Schuldverhältnisse III (Anm. 121), S. 858. 123 Zit. n. Jakobs / Schubert, Recht der Schuldverhältnisse III (Anm. 121), S. 858. 124 Gröber selbst wollte hingegen – trotz der Formulierung seines Antrags, der eine Einfügung der Wuchervorschrift in § 134 nahe legte – diese in § 130, der gegen ein gesetzliches Verbot verstoßende Rechtsgeschäfte für nichtig erklärte, normiert wissen: „Denn der Wucher verstößt nicht nur gegen die guten Sitten, sondern gegen eine Gesetzesvorschrift.“ Abgedruckt ist diese Stellungsnahme Gröbers im Reichstag bei Mugdan, Materialien (Anm. 88), Bd. 1, S. 1014; vgl. ferner: S. 970 sowie Horst Heinrich Jakobs und Werner Schubert (Hg.), Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs in systematischer Zusammenstellung der unveröffentlichten Quellen. Allgemeiner Teil, 1. Teilband, Berlin und New York 1985, S. 736 f. 125 Mugdan, Materialien (Anm. 88), Bd. 1, S. 969 f.; vgl. auch: Jakobs / Schubert, Recht der Schuldverhältnisse III (Anm. 121), S. 858. 126 Zur Außerkraftsetzung der zivilrechtlichen Vorschriften des Wuchergesetzes wurde Art. 45 a in den Entwurf zum Einführungsgesetz aufgenommen, vgl. dazu: Mugdan,

IV. Die Wucherregelung des Bürgerlichen Gesetzbuchs

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glieder an, dass man „eine so wichtige, ins Civilrecht tief eingreifende Vorschrift im BGB. nicht unerwähnt [...] lassen“127 dürfe. Dies gelte selbst dann, so stellten sie klar, wenn die Nichtigkeit wucherischer Verträge bereits aus der Sittenwidrigkeitsklausel des § 134 I folgen sollte.128 Diese Haltung der Reichstagskommission stieß jedoch im Plenum des Reichstags,129 wo über deren Änderungsvorschläge beraten und abgestimmt wurde, auf Widerspruch von Seiten der Liberalen und – zur Verwunderung der Befürworter eines im Bürgerlichen Gesetzbuch angeordneten Wucherverbots130 – auch der Konservativen. Da aus deren Sicht die Nichtigkeit wucherischer Rechtsgeschäfte – neben den spezialgesetzlichen Regelungen in den Wuchergesetzen aus den Jahren 1880 und 1893 – bereits aus § 134 I resultierte, sahen sie kein Bedürfnis, dieselbe Rechtsfolge erneut auszusprechen, so dass sie den eben erst eingefügten § 134 II wieder streichen wollten.131 Ein eigenständiger Wucherparagraph im Bürgerlichen Gesetzbuch galt ihnen aber nicht nur als unnütze Wiederholung; vielmehr berge die von der Reichstagskommission konzipierte Bestimmung sogar die Gefahr, ein Reurecht für die Vertragspartei zu schaffen, die ein schlechtes Geschäft gemacht hatte und sich dementsprechend der eingegangenen vertraglichen Bindung zu entziehen wünschte.132 Dafür genüge nämlich angesichts des Wortlauts der vorgeschlagenen Wucherregelung, den sie als zu weitreichend empfanden, der Nachweis eines „auffällig un___________ Materialien (Anm. 88), Bd. 1, S. 314 f.; Jakobs / Schubert, Allgemeiner Teil (Anm. 124), S. 736 f.; dies., Einführungsgesetz (Anm. 88), S. 30 und 982; Wolters, Die Zentrumspartei (Anm. 120), S. 369. 127 Mugdan, Materialien (Anm. 88), Bd. 1, S. 970. 128 Mugdan, Materialien (Anm. 88), Bd. 1, S. 970. 129 Vgl. zur Diskussion über den Wucherparagraphen im Reichstag: Holger Ruff, Sittenwidrige Rechtsgeschäfte in der späten Kaiserzeit. Die Entwicklung der reichsgerichtlichen Rechtsprechung zu § 138 BGB von 1900 bis 1914, Frankfurt a.M. (u.a.) 2007, S. 32 f.; Dilcher, Zins-Wucher-Gesetzgebung (Anm. 11), S. 97 f., 315 ff.; Meyer im Hagen, Wuchergesetzgebung (Anm. 24), S. 32 ff.; Luig, Vertragsfreiheit (Anm. 21), S. 200 f.; Helmut Schmidt, Die Lehre von der Sittenwidrigkeit der Rechtsgeschäfte in historischer Sicht, Berlin 1973, S. 140 f.; Halisch, Die sozialen Vorstellungen (Anm. 90), S. 210. 130 Vgl. die Stellungnahmen des Sozialdemokraten Stadthagens – abgedruckt bei Mugdan, Materialien (Anm. 88), Bd. 1, S. 1019 f. und Gröbers (S. 1013, 1021). Vgl. zur Erwiderung des damit angegriffenen konservativen Abgeordneten von Buchka: S. 1021 f. – Zur Parteizugehörigkeit der Redner im Plenum vgl. Jakobs / Schubert, Materialien zur Entstehungsgeschichte (Anm. 80), S. 115-124. 131 So Conrad Haußmann von der Deutschen Volkspartei – vgl. Mugdan, Materialien (Anm. 88), Bd. 1, S. 1010, 1018 –, Julius Lenzmann von der Freisinnigen Volkspartei (S. 1015) und Gerhard von Buchka, Abgeordneter der Deutsch-konservativen Partei (S. 1014 f. und 1022). Vgl. auch die Stellungnahme Albert Gebhards (S. 1017). 132 Vgl. die Ausführungen Haußmanns, zu finden bei Mugdan, Materialien (Anm. 88), Bd. 1, S. 1010 f., 1018; ferner: von Buchka (S. 1014 f.); Lenzmann (S. 1016).

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vortheilhaften Geschäfte[s]“133, während den subjektiven Voraussetzungen des § 134 II, also der Ausnutzung von Notlage, Leichtsinn oder Unerfahrenheit, keine tatbestandseinschränkende Wirkung zukomme. Denn der Richter sei geneigt, so argumentierte der Abgeordnete der Deutschen Volkspartei Conrad Haußmann, von der objektiven Voraussetzung des auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung auf das Vorliegen des subjektiven Merkmals zu schließen, wie es sich schon in der Rechtsprechung seit Inkraftsetzung des Wuchergesetzes von 1880 gezeigt habe.134 Er stand daher einer Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Wucherrechts auf alle gegenseitigen Verträge – ohne die einschränkende Tatbestandsvoraussetzung der Gewerbsbzw. Gewohnheitsmäßigkeit, die das Wuchergesetz von 1893 außerhalb des Kreditwesens vorsah – argwöhnisch gegenüber: Nehme man sie dennoch vor, „schwebt die Gefahr der Nichtigkeit über allen Geschäften, bei welchen irgendwie ein erhebliches Mißverhältniß zwischen Leistung und Gegenleistung in den Augen des Richters oder der Sachverständigen vorliegt“135. Als besonders misslich wurde es dabei empfunden, dass auch Kaufleute der intendierten Wucherregelung des § 134 II unterliegen sollten,136 über die Julius Lenzmann von der Freisinnigen Volkspartei aus diesem Grund resümierte: „Man kann sagen, sobald einer ein gutes Geschäft gemacht hat, ist es ein nichtiges Geschäft, und damit ruiniren sie einfach den Handel.“137 Gegen diese Angriffe verteidigte Gröber den von ihm initiierten Wucherparagraphen des § 134 II im Plenum des Reichstags und konterte auf die Kritik der fehlenden Ausnahmeregelung für Kaufleute daher polemisch: „Ja, sollen die Handelsleute von den guten Sitten dispensirt sein?“138 Auch den Einwand, dass es einer solchen Vorschrift wegen der Sittenwidrigkeitsklausel des § 134 I und dem Wuchergesetz von 1880 in der Fassung von 1893 nicht bedürfe, um zur Nichtigkeit wucherischer Rechtsgeschäfte zu gelangen, wies er ebenso wie der Sozialdemokrat Arthur Stadthagen entschieden zurück. Angesichts der zwischen 1867 und 1880 gesammelten Erfahrungen schien ihnen nämlich die Auslegung der guten Sitten durch die Rechtsprechung abhängig davon, ob Wucherstrafgesetze bestanden oder nicht. Anders lasse sich nicht erklären, warum in dieser Zeit fehlender strafrechtlicher Wucherbestimmungen auch die Zivilgerichte wucherische Vertragsinhalte aufrechterhalten und Kreditgebern die ausbedungenen Zinsen zuerkannt hätten, anstatt solchen Verträgen – unter Verweis ___________ 133

Haußmann, zit. n. Mugdan, Materialien (Anm. 88), Bd. 1, S. 1018. So Haußmann, in Mugdan, Materialien (Anm. 88), Bd. 1, S. 1010. 135 Haußmann, abgedruckt bei Mugdan, Materialien (Anm. 88), Bd. 1, S. 1010. 136 Vgl. Lenzmann – in Mugdan, Materialien (Anm. 88), Bd. 1, S. 1015 – sowie Haußmann (S. 1018). 137 Zit. n. Mugdan, Materialien (Anm. 88), Bd. 1, S. 1016. 138 Zit. n. Mugdan, Materialien (Anm. 88), Bd. 1, S. 1014. 134

V. Fazit

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auf die § 134 I vergleichbaren Regelungen in den Partikularrechten – die Wirksamkeit wegen Verstoßes gegen die guten Sitten abzusprechen. Um sicherzugehen, dass solche Erfahrungen künftig ausblieben, sollte die Zivilrechtskodifikation selbst die Nichtigkeit wucherischer Rechtsgeschäfte klar aussprechen und damit die zivilrechtliche Beurteilung des Wuchers nicht dem ungewissen Fortbestand von Spezialgesetzen überlassen.139 Die Mehrheit der Abgeordneten folgte diesem Appell Gröbers und Stadthagens,140 so dass die Wucherbestimmung im Kodifikationsentwurf blieb, der im Juli 1896 vom Reichstag angenommen wurde und am 1. Januar 1900 als Bürgerliches Gesetzbuch in Kraft trat. Darin ordnete der Gesetzgeber die Nichtigkeit wucherischer – ebenso wie diejenige sittenwidriger – Rechtsgeschäfte aber nicht mehr in § 134 an; vielmehr rückten beide Nichtigkeitstatbestände vier Paragraphen weiter nach hinten in § 138,141 dessen Absatz 2 auch noch heute die zivilrechtliche Regelung zum Wucher enthält.

V. Fazit V. Fazit

1. Mit dem „Gesetz, betreffend die vertragsmäßigen Zinsen“, das auf einen Gesetzesentwurf des nationalliberalen Abgeordneten Eduard Lasker zurückging, fiel 1867 auf Ebene des Norddeutschen Bundes die Entscheidung gegen Wuchergesetze. Dennoch erfüllte der Gesetzgeber auf diesem Wege nicht vollständig die Forderungen der meisten Verfechter der Zinsfreiheit, da Darlehensnehmern zum Ausgleich für die wegfallende Zinsreglementierung ein Kündigungsrecht zugestanden wurde, wenn sie mehr als sechs Prozent Zinsen für den Krediterhalt zahlten. Infolge der Reichsgründung kam es zur Ausdehnung des Geltungsbereichs dieses Gesetzes auch auf die süddeutschen Staaten, abgesehen von Elsass-Lothringen, wo französisches Recht Anwendung fand, und Bayern, das sich nahezu gleichzeitig wie der Norddeutsche Bund um die Abschaffung der Wuchergesetze bemühte und die eigene Regelung beibehalten wollte. 2. Knapp ein Jahrzehnt nach der Reichsgründung – am Ende der zweiten Weltwirtschaftskrise – wurde mit dem „Gesetz, betreffend den Wucher“ (1880) die Abkehr von gesetzlichen Wucherverboten revidiert. Während einige deutsche Staaten die erste Weltwirtschaftskrise durch Aufhebung der Wuchergeset___________ 139

Vgl. die Warnungen Stadthagens – bei Mugdan, Materialien (Anm. 88), Bd. 1, S. 1005, 1019 –, denen sich Gröber anschloss (S. 1014, 1020 f.); vgl. auch die Stellungnahme von Enneccerus (S. 1022 f.). 140 Mugdan, Materialien (Anm. 88), Bd. 1, S. 1023. 141 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung vom 1. Januar 1900, Berlin 1896 (Nachdruck: Goldbach 1997), S. 22.

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ze zu überwinden suchten, setzte man also nunmehr auf deren Wiedereinführung, nachdem sich vor allem Abgeordnete des katholischen Zentrums gegen die freie Vereinbarung der Zinshöhe zwischen den Vertragschließenden ausgesprochen hatten. Denn statt der von den Kritikern der Wuchergesetze in Aussicht gestellten niedrigen Zinsen sei es dadurch, so rechtfertigte man die Rückkehr zum gesetzgeberischen Eingreifen im Kreditwesen, zu einem Anstieg des Zinsniveaus gekommen. Auf Wuchergesetze in Gestalt von Zinstaxen wollte man indes nicht mehr zurückgreifen – vielmehr sollten als wucherisch solche Zinsen gelten, die im Missverhältnis zur Leistung standen und unter Ausnutzung von Notlage, Leichtsinn oder Unerfahrenheit des Kreditnehmers erzielt wurden. Entgegen der gängigen Forderung der Befürworter eines Wuchergesetzes verband man dessen Erlass im Jahre 1880 jedoch nicht mit einer Einschränkung der allgemeinen Wechselfähigkeit. 3. Die dem Wuchergesetz von 1880 – ebenso wie seinen Vorgängerregelungen in der Gesetzgebung der deutschen Einzelstaaten – immanente Beschränkung des Anwendungsbereichs auf Kreditverträge gab man mit dessen Novellierung im Jahre 1893 insoweit auf, als das Wucherverbot nunmehr unter der Voraussetzung der gewerbs- bzw. gewohnheitsmäßigen Begehungsweise auch für andere Vertragsarten galt. Damit reagierte der Reichsgesetzgeber auf Berichte des „Vereins für Socialpolitik“, die Übervorteilungen der Bauernschaft außerhalb des Kreditwesens schilderten und als Wucher deklarierten, wenngleich die Gutachter des Vereins daraus zumeist nicht den Schluss zogen, dass das 1880 erlassene Wuchergesetz auch auf diese Fälle Anwendung finden müsse. Dies tat aber der „Verein gegen den Wucher im Saargebiet“, der mit seiner Petition an den Reichstag den Anstoß zur Wuchergesetznovelle von 1893 gab, die allerdings mit Aufnahme des einschränkenden Tatbestandsmerkmals der Gewohnheits- bzw. Gewerbsmäßigkeit hinter der Forderung des Vereins nach einer Gleichstellung von Darlehens- und anderen gegenseitigen Verträgen in der Wuchergesetzgebung zurückblieb. 4. Eine solche Gleichstellung erreichte man erst im Zuge der Kodifikationsarbeiten am Bürgerlichen Gesetzbuch, obwohl es zunächst danach aussah, als ob es beim 1893 novellierten Wuchergesetz aus dem Jahre 1880 bleiben sollte. Denn der für das Obligationenrecht zuständige Redaktor Kübel beließ es in seinem Teilentwurf bei dem Verweis auf das Wuchergesetz von 1880; ihm schlossen sich die erste und zweite Kommission an. Erst in der vom Reichstag eingesetzten Kommission schlug 1896 der Zentrumsabgeordnete Gröber die Aufnahme einer eigenständigen Wucherbestimmung in den Kodifikationsentwurf vor, die letztlich als § 138 II in das Bürgerliche Gesetzbuch einging. Dieser sah die Nichtigkeit von Verträgen vor, bei denen zwischen Leistung und Gegenleistung infolge der Ausnutzung der Notlage, des Leichtsinns oder der Unerfahrenheit eines Vertragspartners ein auffälliges Missverhältnis besteht.

Zusammenfassung „Wucher“ und „Wuchergesetze“ bildeten von der zweiten Hälfte des 18. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts keine feststehenden Begriffe, sondern unterlagen im Verständnis der Zeitgenossen – und nicht zuletzt ebenfalls in der Gesetzgebung – einem fortwährenden Bedeutungswandel. Veränderungen lassen sich dementsprechend in der Theorie- und Gesetzgebungsgeschichte des Wuchers nicht nur bei der Frage feststellen, ob der Staat die Vereinbarungen der Vertragschließenden durch Wuchergesetze beschränken sollte, sondern dem vorgelagert stets auch, von welchem Gesetzesinhalt man zur Beantwortung dieser Frage ausging. I. In den absolutistisch-kameralistischen Staatswissenschaften befürwortete man entschieden den Erlass von Wuchergesetzen, die das Übertreten eines vom Gesetzgeber festgelegten Zinsmaximums mit Strafe bedrohten. Dies wurde für erforderlich gehalten, da hohe Zinsen als unvereinbar mit den im Ancien Régime propagierten Idealen einer positiven Handelsbilanz als Ausdruck ökonomischen Erfolges und einer großen – sowie möglichst arbeitsamen – Bevölkerung als Zeichen staatlicher Macht galten. Es ging also bei der Forderung nach einer staatlichen Wuchergesetzgebung nicht um den Schutz des einzelnen Darlehensnehmers vor übermäßigen Zinsforderungen ihrer Vertragspartner, sondern vielmehr um den Schutz des Staates vor den missliebigen Folgen hoher Darlehenszinsen. Die Kameralisten sahen es daher als Aufgabe des Fürsten an, durch „gute Policey“ die Erreichung eines niedrigen Zinsniveaus – insbesondere unter Rückgriff auf strafbewehrte Höchstzinsfestsetzungen – sicherzustellen. Die gänzliche Untersagung einer Vereinbarung von Darlehenszinsen, wie es das mittelalterliche kanonische Zinsverbot vorgesehen hatte, stieß bei ihnen hingegen nahezu einhellig auf Ablehnung, weil man dadurch gravierende – und durch eine staatliche Wuchergesetzgebung gerade abzuwendende – Nachteile für die Landesökonomie befürchtete. Die Forderung der Zeitgenossen nach Wuchergesetzen fand ihre Umsetzung in den Polizeiordnungen der deutschen Staaten, die Zinstaxen in Höhe von regelmäßig fünf bzw. sechs Prozent und Strafen für den Fall der Vereinbarung höherer Zinsen vorsahen. II. Demgegenüber lehnten Bentham und Turgot, deren Veröffentlichungen die Debatte über den Zinswucher in Deutschland bis zum Ende des 19. Jahrhunderts nachhaltig beeinflussten, gesetzliche Zinsregulierungen kategorisch ab. Denn diese widersprachen aus Benthams utilitaristischer Sicht der Freiheit der Vertragschließenden und schadeten dem Kreditsuchenden, der das begehrte

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Geld daraufhin entweder überhaupt nicht oder nur zu höheren Zinsen als beim Fehlen von Zinstaxen bekomme. Ebenso bekräftigte auch Turgot, dass sich ein niedriges Zinsniveau nur durch Verzicht auf Zinsreglementierungen erreichen lasse. Behalte man dennoch Wuchergesetzen bei, so gab der französische Physiokrat zu bedenken, liege darin ein Verstoß sowohl gegen die Handels- und Gewerbefreiheit als auch gegen das Eigentumsrecht der Darlehensgeber. III. Den ersten Höhepunkt erreichte die Diskussion über die Berechtigung von Wuchergesetzen mit der Preisfrage „Was ist Wucher, und durch welche Mittel ist demselben ohne Strafgesetze am besten Einhalt zu thun?“. Joseph II. stellte sie im März 1789, nachdem sein Reformpatent zur Wuchergesetzgebung vom Januar 1787, das in der Abschaffung der strafrechtlichen Sanktionen bei Zuwiderhandlungen gegen die Zinstaxe bestand, nicht den gewünschten Erfolg, nämlich eine Senkung der landesüblichen Zinsen bewirkt hatte. Unter den Teilnehmern der Preisfrage reichte einer Minderheit diese Außerkraftsetzung der Wucherstrafgesetze nicht aus, da sie jegliches Einschreiten des Gesetzgebers gegen den Wucher ablehnte. Zur Begründung verwiesen diese Autoren auf Freiheit, Eigentum und Gleichheit, die sie als verletzt ansahen, wenn der Staat den Vertragsparteien vorschrieb, wie hoch die Darlehenszinsen ausfallen durften, zumal man solche Festsetzungen in der alltäglichen Kreditpraxis ohnehin häufig missachte. Die weit überwiegende Zahl der Wettbewerbsteilnehmer sprach sich hingegen zugunsten gesetzlicher Zinsmaxima aus und rechtfertigte dies insbesondere mit den gängigen absolutistisch-kameralistischen Argumentationsmustern: Damit die Untertanen nicht zu Lasten der Landesökonomie den Müßiggang gegenüber einer dem Staat nützlichen Tätigkeit in Landwirtschaft, Gewerbe und Handel vorzogen, müsse der Staat den Vertragsparteien die maximal zulässige Zinshöhe vorschreiben und so die Zinsgewinne der Darlehensgeber beschränken. Allerdings reichte den Befürwortern von Zinstaxen deren Beibehaltung – ebenso wie den Gegnern deren Aufhebung – allein nicht aus, um den Abschluss wucherischer Darlehensverträge zu verhindern. Hinzu kommen sollte vor allem die Einrichtung öffentlicher Kreditanstalten, um Darlehenssuchenden das begehrte Geld gegen moderate Zinsen zu verschaffen, und eine Dezimierung der Untertanenausgaben, damit die Bürger zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts keiner Kredite bedurften, deren Aufnahme die Gefahr wucherischer Vertragsinhalte barg. IV. Obwohl die politische Theorie an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert eine Neuausrichtung erfuhr, die sich in der Ersetzung der Legitimationskonzepte des absolutistischen Obrigkeitsstaats durch liberale Paradigmen äußerte, führte dies nicht dazu, dass die Zeitgenossen nunmehr Wuchergesetzen ablehnend gegenüberstanden. Vielmehr stellten sie überwiegend die Befugnis des Staates zur Reglementierung der Zinshöhe weiterhin nicht in Frage, während sie bezogen auf das Naturrecht zumeist die Auffassung vertraten, dass die Eigentums- und Vertragsfreiheit eine unbeschränkte Vereinbarung der Darle-

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henszinsen durch die Kontrahenten gebiete. Trotz des Bruches mit den Grundanschauungen der vorliberalen politischen Theorie vollzogen die Autoren um 1800 diesen also überwiegend nicht mit Blick auf die Berechtigung von Zinstaxen, deren Erlass die wesentliche Maßnahme zur Verhinderung wucherischer Rechtsgeschäfte im Ancien Régime darstellte. V. Anders als im Naturrecht um 1800 stießen Zinstaxen in der Nationalökonomie der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf vehemente Kritik: Die Wirtschaftswissenschaftler sahen darin nahezu einhellig ein wenig Erfolg versprechendes Eingreifen in ökonomische Gesetzmäßigkeiten, da die Zinshöhe nicht staatlichen Gesetzen folge. Halte der Staat dennoch an gesetzlichen Zinsmaxima fest, verhelfe er nicht Darlehensnehmern zu zinsgünstigen Krediten, sondern bewirke geradezu das Gegenteil, nämlich eine Erhöhung der zu erbringenden Zinsen. Trotz der Ablehnung von Wuchergesetzen durch zahlreiche Ökonomen behielt der Gesetzgeber sie bei, so dass in die strafrechtlichen Kodifikationen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Wucherverbote eingingen. Allerdings genügte in vielen Staaten ein Überschreiten der Höchstzinsfestsetzung nicht mehr, um die Strafbarkeit wegen Wuchers zu begründen: Dazu musste nunmehr oftmals eine zusätzliche – und von Staat zu Staat differierende – Voraussetzung wie z.B. die Verschleierung der Zuwiderhandlung gegen die Zinstaxe oder die Ausnutzung von Not bzw. Leichtsinn des Darlehensnehmers hinzukommen. VI. Als einige deutsche und europäische Staaten Mitte des 19. Jahrhunderts die Wuchergesetze außer Kraft setzten, regten sie dadurch erneut eine umfangreiche Diskussion über deren Berechtigung an. Argumente für und gegen eine solche staatliche Intervention im Kreditwesen suchte man dabei sowohl mit Blick auf die bis dahin geltenden Wuchergesetze als auch aus geschichtlichen Erfahrungswerten mit der Zinsreglementierung und der Zinsfreiheit zu gewinnen. Zudem verwiesen die Befürworter von Wuchergesetzen vor allem auf das Renommee Adam Smiths, deren Gegner auf dasjenige Jeremy Benthams, um für ihre Auffassung zu werben. Eine Beibehaltung von Wuchergesetzen, für deren konkrete inhaltliche Ausgestaltung man in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Fülle von Vorschlägen diskutierte, reichte aber deren Anhängern allein nicht aus: Vielmehr schien ihnen ein wirksamer Schutz gegen wucherische Verträge nur dann erreichbar, wenn das gesetzgeberische Einschreiten gegen den Wucher, das auf dem Gebiet des Straf- und Zivilrechts erfolgen sollte, um eine Beschränkung der allgemeinen Wechselfähigkeit ergänzt wurde. Demgegenüber lehnten die Gegner von Wuchergesetzen nicht nur dieses, sondern jedes gesetzgeberische Eingreifen ab, das Kreditgeber dazu veranlassen sollte, sich mit moderaten Zinsen zu begnügen. VII. Das „Gesetz, betreffend die vertragsmäßigen Zinsen“ vom 14. November 1867 entsprach nur teilweise den Forderungen der Gegner gesetzlicher

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Zinsreglementierungen, da es die Entscheidung für die Zinsfreiheit im Norddeutschen Bund durch Einführung eines Kündigungsrechts zugunsten des Kreditnehmers relativierte, wenn dieser sich zur Zahlung von mehr als sechs Prozent Zinsen verpflichtet hatte. Bereits mit dem „Gesetz, betreffend den Wucher“ vom 24. Mai 1880 beendete indes der Reichsgesetzgeber die Phase der Zinsfreiheit. Diese Rückkehr zur Wuchergesetzgebung, die sowohl auf dem Gebiet des Straf- als auch Zivilrechts erfolgte, bedeutete allerdings keine Wiederkehr der Zinstaxen: Denn der Gesetzgeber knüpfte den Wucherbegriff nicht mehr – wie es bisher regelmäßig der Fall war – an die Überschreitung eines Zinsmaximums, sondern untersagte die Ausbedingung von Zinsen, die mit Blick auf den üblichen Zinsfuß im Missverhältnis zur Leistung standen und unter Ausnutzung von Notlage, Leichtsinn oder Unerfahrenheit des Darlehensnehmers erzielt wurden. Mit der 1893 erfolgten Novellierung des Wuchergesetzes verschaffte der Reichsgesetzgeber diesem auch außerhalb des Kreditwesens – jedoch nur unter der einschränkenden Voraussetzung der gewerbs- bzw. gewohnheitsmäßigen Begehungsweise – Anwendung. In § 138 II des Bürgerlichen Gesetzbuchs fiel diese Einschränkung weg, nachdem sich die Reichstagskommission 1896 für die Aufnahme einer Wucherbestimmung in den Kodifikationsentwurf ausgesprochen hatte, die für alle Vertragsarten dieselben Tatbestandsmerkmale vorsah.

Quellen- und Literaturverzeichnis I. Quellen 1. Gesetze, Materialien und Kommentare Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch für die gesammten deutschen Erbländer der Oesterreichischen Monarchie, Wien 1811. Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794, hg. von Hans Hattenhauer, 3. Aufl., Neuwied (u.a.) 1996. Anmerkungen der Gesetzgebungscommission zum Entwurf eines Strafgesetzbuchs für das Großherzogthum Baden [1839], in: Rainer Schröder (Hg.), Entwürfe für das Strafgesetzbuch des Großherzogtums Baden Karlsruhe 1836 und 1839, Frankfurt a.M. 1989. Benz, Rudolf: Das Strafgesetzbuch für den Kanton Zürich nebst dem Gesetz betreffend den Vollzug der Freiheitsstrafen und dem Gesetz betreffend den Wucher, Zürich 1886. Bezold, Ernst: Reichsgesetz, betreffend die vertragsmäßigen Zinsen, vom 14. November 1867, in: ders. (Hg.), Die Gesetzgebung des Deutschen Reiches mit Erläuterungen, Bd. 1, Erlangen 1879, S. 3-44. Brauer, Johann Nikolaus Friedrich: Erläuterungen über den Code Napoléon und die Großherzoglich Badische bürgerliche Gesezgebung, Bd. 3, Karlsruhe 1810 (Nachdruck: Frankfurt a.M. 1986). Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung vom 1. Januar 1900, Berlin 1896 (Nachdruck: Goldbach 1997). Code Napoléon mit Zusäzen und Handelsgesezen als Land-Recht für das Großherzogthum Baden, Karlsruhe 1809 (Nachdruck: Frankfurt a.M. 1986). Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis, München 1756. Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Sachsen, Dresden 1860 (Nachdruck: Frankfurt a.M. 1986). Förtsch, Richard /Leoni, Albert (Hg.): Sammlung der in Elsaß-Lothringen in Geltung gebliebenen französischen Strafgesetze, Bd. 2, Straßburg 1876. Freudenstein, Gustav: Das Reichs-Wuchergesetz vom 24. Mai 1880 nebst dem Preußischen Gesetz, betreffend das Pfandleihgewerbe vom 17. Mai 1881, sowie den Vorschriften über das unerlaubte Creditgeben an Minderjährige, Minden 1882. Friedmann, Fritz: Das Reichswuchergesetz in der Fassung der Wuchergesetznovelle vom 19. Juni 1893, Berlin 1894.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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über den

Codicem

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I. Quellen

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I. Quellen

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368

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Sachverzeichnis

Abgabenhöhe 37 Anlagepflichten von Geldern beim Staat 98, 144 ff. Anwendungsbereich des Wuchertatbestands siehe auch Not, Notlage des Darlehensnehmers als wucherkonstituierende Voraussetzung in der katholischen Moraltheologie der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts 213, 226 f., 283 ff., 306-311, 317, 320-323 Arbeitspflicht siehe auch Müßiggang 30 f. Armutsbekämpfung 112 „Assecuranzprämie“ siehe auch Risiko des Kapitalverlustes 199 f., 203, 209 „Bankerottgesetze“ 50, 208 Bankozettel siehe Papiergeld Bauernschaft, Schutz der 251-254, 286 ff., 291 f., 302 ff., 306-311, 314 f. Beamtenschaft 137 f., 173 Bestimmtheitsgrundsatz 266-270, 275, 309 f. Betrug 180 „Betrüglicher“ bzw. „verschleierter Wucher“ 186, 222 ff., 263 f., 271 f. Bevölkerungsmehrung 34-37 Beweisbarkeit von Normverstößen siehe auch Denunzianten, Belohnung von 107, 109 f., 173 Cambridge School 18

Denunzianten, Belohnung von siehe auch Beweisbarkeit von Normverstößen 93, 110, 191 f. Deutscher Juristentag 234, 290, 296 Eigentum siehe auch Eigentumsbegriff – dominium directum und dominium utile 178 – dominium eminens 114 f. – Zinsfreiheit und Eigentumsfreiheit 54, 60 f., 82, 113-116, 158, 160 f., 196 Eigentumsbegriff siehe auch Eigentum – absolutistischer 114 f. – liberaler 113 f. – sozialistischer 247-251 Ermessen, richterliches 266-270, 275, 309 f. Erziehung – zur Moralität 139 f. – zur Wirtschaftlichkeit 131 f., 214 f. Familienfideikommisse 98, 144 ff. Feiertage 128 f. Formerfordernisse bei Kreditverträgen 109, 209 f., 293 Französische Revolution 15 f., 114, 121 f., 174 f. Geldmenge und -umlauf 25-28, 34, 36 f., 41 f., 43 f., 52 Gemeinwohl (salus publica) siehe auch Glückseligkeit und „Policey, gute“ 30 f., 50 ff., 62, 155 f., 171 f.

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Sachverzeichnis

Gewerbsmäßigkeit bzw. Gewohnheitsmäßigkeit – als Tatbestandsmerkmal staatlicher Wuchergesetze 191, 224, 308-311 – und gesetzliche Bestimmtheit 270 f. Gleichgewicht zwischen Geld und Waren 28 Gleichheit von Leistung und Gegenleistung – objektive 60 f., 63 f., 160 f., 178183 – subjektive 60 f., 161 f. Glückseligkeit siehe auch Gemeinwohl (salus publica) und „Policey, gute“ 30 f., 50 ff., 155 f., 171 f. “Greatest happiness of the greatest number” 71 f. Grund- und Hypothekenbücher 48 f., 147 f., 208 f. Handels- und Gewerbefreiheit 83 Historische Rechtsschule 236 f. Historische Schule in der Nationalökonomie 216 f., 236 f. Hochzeiten, Taufen, Begräbnisse 129 Höhe der Zinstaxe – in der staatlichen Wuchergesetzgebung 64 ff., 91, 93 f., 96, 184187, 190 ff., 222 f., 226 f. – nach der Forderung der Zeitgenossen 38 f., 75, 103 ff., 173, 218 f., 275 f., 299 f., 319 Hortung und Schatzbildung 26 f. Juden – als Inbegriff wuchernder Darlehensgeber 67, 139 – Judengesetzgebung Josephs II. 141 f. – Privilegierung in der Wuchergesetzgebung 66 f., 185 f. – Verhinderung des von Juden verübten Wuchers 139 ff. Justizwesen 49 f., 147, 174, 208 f.

Kanonisches Zinsverbot 39 ff., 57-60, 65, 91 f., 142 f., 201 f., 238 f., 278283, 285 Kaufleute, Sonderregelungen für 66, 95 f., 103 f., 109, 185 ff., 191, 227, 260 f., 322 Kleiderordnungen 129 ff. Kompilationskommission 95-98, 101, 144 f., 149 f. Kreditinstitute (staatliche) – als Maßnahme zur Bekämpfung des Zinswuchers 42-48, 106 f., 122-127, 173 f., 210-213, 253 f. – Finanzierung 42-48, 124-127 – Geheimhaltung der Inanspruchnahme 45 ff., 124, 212 – Kreis der Nutzungsberechtigten 42, 123 f., 210 f. – und deren Verbindung mit der Feuerversicherung 46 ff., 148 Kündigungsrecht des Darlehensnehmers 189 f., 217, 289-293, 296-301, 311, 313 ff., 317 ff. Laesio enormis 61, 120 f. Leichtsinn – als Tatbestandsmerkmal staatlicher Wuchergesetze 191, 224-227, 303306, 319-323 – und gesetzliche Bestimmtheit 266270, 309 f. Lotterien 128 Minderjährigkeit des Darlehensnehmers – als Strafausschluss- bzw. Strafmilderungsgrund 93 – als Ursache der Anfälligkeit für wucherische Rechtsgeschäfte 133 – und Erforderlichkeit des Schutzes durch Wuchergesetze 264 f. – und Schutz vor wucherischen Verträgen 133-137 Missachtung der Wuchergesetze siehe auch Rentenkauf und Vorausabzug

Sachverzeichnis der Zinsen vom Kapital und Staatskredite 39-42, 54, 73 f., 106-110, 142 f., 182 f., 200 f., 238 f., 254 ff., 285-288, 304 Moraltheologie (katholische) 278-283 Müßiggang 29 ff., 111 f., 129 Nahrung, Nahrungsstand 35 f. „Naturrechtskodifikationen“ 183 f. Neue Ideengeschichte 18 Not, Notlage des Darlehensnehmers – als Ausdruck fehlender Gleichheit von Leistung und Gegenleistung 181 f. – als Strafausschließungsgrund 92 f. – als Tatbestandsmerkmal staatlicher Wuchergesetze 224-227, 303-306, 319-323 – als wucherkonstituierende Voraussetzung in der katholischen Moraltheologie der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts siehe auch Anwendungsbereich des Wuchertatbestands 278 f., 282 f. – im Verhältnis von Naturrecht und Moral 182 – „Nothschulden“ 201-204, 210-213, 219 f. – und Erforderlichkeit staatlicher Kreditinstitute 210-213 – und gesetzliche Bestimmtheit 266270, 309 f. Oberste Justizstelle 97 f. Ökonomische Folgen von Wuchergesetzen 28-34, 37 f., 52-57, 74-79, 81, 83-86, 110 ff., 197 f., 201 ff., 243-247, 251-254 Papiergeld siehe auch Kreditinstitute (staatliche), Finanzierung 43-48, 125 ff. Physiokraten 80-86 „Policey, gute“ siehe auch Gemeinwohl (salus publica) und Glückseligkeit – „Eigenthums-Sicherheits-Polizey“ 171-174

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– „Policeykollegium“ 43 – Polizeiordnungen des Reiches und der deutschen Staaten 64 ff. – und Umfang des staatlichen Aufgabenbereichs 51 f., 155 f. Positive Handelsbilanz 31-34, 112, 130 Preisfragen – Einfluss der Wucherpreisfrage auf die Gesetzgebung 148-151 – Gewinner der Wucherpreisfrage Josephs II. 152 f. – Initiatoren und Aufgabenstellungen 87 f. – Preisgeld 90 – Teilnehmerkreis und -zahl 88 f. – Veröffentlichung der eingesandten Beiträge 151 f. Pupillargelder 98, 144 f., 151 Raub 101, 115 f. Realfideikommiss siehe Familienfideikommisse Recht und Moral 162-165, 182 Rechtsbewusstsein 254-258, 275 Rechtsgleichheit 119-122, 292 Reichtum – relativer 26 – wahrer 26 f. Rentenkauf siehe auch Missachtung der Wuchergesetze und Vorausabzug der Zinsen vom Kapital 65 Risiko – der Bestrafung wegen Wuchers 54 f., 74, 83, 111, 203 – des Kapitalverlustes 66, 84 f., 104 f., 199, 203, 207 ff. Säkularisierung des Naturrechts 59, 164 f. Sattelzeit 14 Spielverbote/-beschränkungen 128 Staatskredite siehe auch Missachtung der Wuchergesetze 54, 94, 147, 258 ff. Staatsrat 95 f.

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Sachverzeichnis

status naturalis und status civilis 61 ff., 165 Stiftungsgelder 98, 144 f. Strafbarkeit des Darlehensnehmers wegen Wuchers 92, 191 Umfang des Kreditangebots und Wuchergesetzgebung 53, 59 f., 73 f., 83 ff., 111, 203, 244 f. Unerfahrenheit des Darlehensnehmers 303-306, 309 f., 319-323 (Un-)Veräußerlichkeit individueller Rechte 62, 156, 169 f. Utilitarismus 71 ff. Veränderlichkeit des Zinsniveaus und staatliche Gesetzgebung 105 f., 198 ff., 292 „Verein für Socialpolitik“ 306-311 „Verein gegen den Wucher im Saargebiet“ 306-311 Verschwender – als Hauptbetroffene wucherischer Darlehensverträge 132 f. – Prodigalitätserklärung 92, 96 f., 132 f., 150 f. – “prodigals and projectors” und Wuchergesetzgebung 74-79, 104, 216219, 243-247, 251, 264 f. Vertragsfreiheit 60 f., 72, 116-119, 158-162

Vorausabzug der Zinsen vom Kapital siehe auch Missachtung der Wuchergesetze und Rentenkauf 91 f., 143 Vorbildwirkung – der höheren Stände 132 – Englands 30, 37 f., 241 f. – Hollands 37 f. Wechsel – Beschränkung der Wechselfähigkeit 143 f., 150, 285-288, 304 – eigener/trockener 142, 150 – und Einwendungsausschluss siehe auch Vorausabzug der Zinsen vom Kapital 143, 285 f. – und kanonisches Zinsverbot 142 Weltwirtschaftskrise – erste (1857-1859) 231 f., 297 – zweite (1873-1879) 297, 303 Zentrumspartei und Wuchergesetzgebung 273, 301-305, 319-323 „Zeuge in eigener Sache“ 257 Zinserhöhung durch Wuchergesetze 54 f., 73 f., 83 f., 111, 182 f., 201-204, 238 f., 244 f. Zinshöhe und Warenpreise 33 f., 55 f., 112 Zwang, finanzielle Zwangslage 117 ff., 159 f.