Die Natur der Gefahr: Überschwemmungen am Ohio River im 19. und 20. Jahrhundert 9783666317064, 9783525317068, 9783647317069

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Die Natur der Gefahr: Überschwemmungen am Ohio River im 19. und 20. Jahrhundert
 9783666317064, 9783525317068, 9783647317069

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Umwelt und Gesellschaft

Herausgegeben von Christof Mauch, Helmuth Trischler und Frank Uekötter

Band 8

Vandenhoeck & Ruprecht

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Uwe Lübken

Die Natur der Gefahr Überschwemmungen am Ohio River im 19. und 20. Jahrhundert

Vandenhoeck & Ruprecht

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Gedruckt mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt beim Autor. Mit 25 Abbildungen Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-31706-8 ISBN 978-3-647-31706-9 (E-Book) Umschlagabbildung: »On Front Street«, mit freundlicher Genehmigung der Marietta College Library, Local History Archives, Marietta Flood Scenes Picture Postcards

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen / Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U. S. A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Satz: textformart, Göttingen | www.text-form-art.de Druck und Bindung: w Hubert & Co, Göttingen

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Inhalt

1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1.1 Die Konstruktion der Katastrophe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.2 Die Natur der Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 1.3 Flussregime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2. Das Ohio Valley als umkämpfter Ort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2.1 Entstehung und Hydrologie des Ohio River . . . . . . . . . . . . . 39 2.2 Native Americans im Ohio Valley . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2.3 »A Country Between«: Das Ohio Country von der Ankunft der Franzosen bis zur Amerikanischen Revolution . . . . . . . . . 48 3. »High Water« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 3.1 »To catch the rise«: Hochwasser als Chance . . . . . . . . . . . . . . 55 3.2 Überschwemmungen als konstantes Problem der ersten Stadtgründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 4. Die Flut von 1832 als erste regionale Hochwasserkatastrophe . . . . . 83 4.1 »These extraordinary changes«: Der Ohio River und die Transformation des Ohio Valley . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 4.2 Die Flut von 1832 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 5. »Normale« Fluten und die Desasterlücke zwischen 1832 und 1882 . . 102 5.1 Die »Invasion« der Überschwemmungsgebiete . . . . . . . . . . . . 102 5.2 Regulierung: »A Happy Mean Between Low Water and Flood« . . 109 5.3 »Normale« Fluten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 6. Die Doppelflut in den Jahren 1883 und 1884 . . . . . . . . . . . . . . . 122 6.1 Die Flut von 1883 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 6.2 Die Flut von 1884 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

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Inhalt

7. Containment der Natur: Levees und Reservoirs . . . . . . . . . . . . . 160 7.1 Levees Only – Hochwasserschutz im neunzehnten Jahrhundert . 160 7.2 Die Flut von 1907, die Pittsburgh Flood Control Commission und die Debatte über Reservoirs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 7.3 Infrastrukturelle Konflikte und die Flut von 1913 im Ohio Valley . 173 7.4 Die Conservancy Districts am Miami und Muskingum River . . . 190 7.5 Der Flood Control Act von 1936 als Höhepunkt des strukturellen Hochwasserschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . 201 8. Rückkehr des Verdrängten: Die Katastrophe von 1937 . . . . . . . . 206 8.1 Ursachen und Verlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 8.2 Die soziale Dimension der Flut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 8.3 Die New Deal Katastrophe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 9. Das poststrukturelle Zeitalter des Hochwasserschutzes . . . . . . . . 239 9.1 Watershed management: das »Abholzungsparadigma« und die Bedeutung des Einzugsgebietes der Flüsse für den Hochwasserschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 9.2 Floodplain Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 9.3 Überschwemmungen und displacement . . . . . . . . . . . . . . . 256 9.4 Das National Flood Insurance Program . . . . . . . . . . . . . . . . 278 10. Mehr Raum für die Flüsse? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 Archive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330

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1. Einleitung

To write history without putting any water in it is to leave out a large part of the story. Human experience has not been so dry as that. Donald Worster1

William C. Deveraux war am Boden zerstört. Jedes Mal, wenn der Chef­ meteorologe Cincinnatis seine neueste Hochwasserprognose veröffentlichte, wurde diese nur kurze Zeit später vom Ohio River regelrecht versenkt. Als der Fluss im Januar 1937 schließlich die bis dahin unvorstellbare Höhe von 80 Fuß, also mehr als 24 Meter, in der Queen City erreichte, lieferte der Wissenschaftler folgende lapidare Erklärung nach: »If we hadn’t had so much rain, there wouldn’t have been a flood«.2 Deveraux hatte Recht. Für nahezu drei Wochen wirkten im Januar des Jahres 1937 zwei stabile Hochdrucksysteme – eins über der Mitte der USA, das andere über dem Atlantik – wie ein Magnet für warme und feuchte Luft aus dem Süden, die dann über dem Einzugsgebiet des Ohio River kondensierte.3 Die Niederschlagsmengen, die diese »peculiar atmospheric condition« erzeugte, waren exzessiv.4 Eine Wetterstation in Tennessee meldete knapp 23 Zentimeter Niederschlag in nur drei Tagen und damit mehr als einige Gegenden der USA im gesamten Jahresdurchschnitt aufweisen konnten.5 Bevor dieser »strange month in the history of weather reporting« endete, waren insgesamt 165 Milliarden 1 Donald Worster, Rivers of Empire. Water, Aridity, and the Growth of the American West. New York 1985, 19. 2 Zitiert nach George P. Stimson, River on a Rampage. An Account of the Ohio River Flood of 1937, in: Bulletin of the Cincinnati Historical Society 22 (2/1964), 90–109 (109). Vgl. auch die Rede Stimsons vor dem Literary Club, Cincinnati, OH, am 5.3.1962: 79.99 – Call it 80. An Account of the Great Ohio Flood of 1937. Cincinnati and Hamilton County Public Library, Cincinnati, Ohio, Manuscript and Rare Books Division, Inland Rivers Library (IRL); David Welky, The Thousand-Year Flood. The Ohio-Mississippi Disaster of 1937. Chicago 2011. 3 American Red Cross, The Ohio-Mississippi Valley Flood Disaster of 1937. Report of Relief Operations of the American Red Cross, Washington, DC, 1938, 13. Für den meteorologischen Hintergrund der Flut von 1937 vgl. Bennett Swenson, Rivers and Floods, in: Monthly Weather Review 65 (February 1937), 71–78. 4 United States Weather Bureau, zitiert nach American Red Cross, Ohio-Mississippi Valley Flood Disaster of 1937, 10. 5 Factory Mutual Fire Insurance Companies, The Ohio Valley Flood, in: Factory Mutual Record 14 (March/April 1937), 1–16 (1).

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Tonnen Regen auf das Einzugsgebiet des Ohio niedergegangen  – genug, wie einige Experten ausrechneten, um die gesamte Fläche knapp 30 Zentimeter unter Wasser zu setzen.6 »This flood could not have been averted even if the entire Ohio River Valley had still been virgin forest and if every possible reservoir site had been developed and utilized to hold back the waters«, stellte das Amerikanische Rote Kreuz fest.7 Deveraux lag also gar nicht so falsch, wenn er den Regen für die Flut verantwortlich machte. Die außergewöhnlichen Niederschlagsmengen waren allerdings nur eine Seite der Medaille. Die Überschwemmung von 1937 wäre nicht zu einer der zerstörerischsten Katastrophen in der Geschichte der Vereinigten Staaten geworden, wenn die extremen natürlichen Prozesse nicht auf eine Gesellschaft getroffen wären, die den Fluss seit anderthalb Jahrhunderten intensiv nutzte. In diesem Sinne war die Flutkatastrophe von 1937, wie andere Überschwemmungen am Ohio River auch, das Ergebnis von Ansiedlungsentscheidungen, die für die meisten Städte schon mehr als einhundert Jahre zurücklagen. Sie war ebenso Resultat des Ignorierens indigenen hydrologischen Wissens wie der Transformation vieler Städte von pioneer outposts zu Handelszentren und später industriellen Metropolen, und dem damit einhergehenden Wachstum des Schadenspotenzials in den Überschwemmungsgebieten. Nicht zuletzt war sie auch das Ergebnis der Marginalisierung bestimmter Bevölkerungsgruppen und deren Abdrängung in besonders gefährdete (Überschwemmungs-)Gebiete. Die Einsicht in die sozialen Konstruktionsbedingungen von Naturkatastrophen hat auch die historische Forschung inspiriert und in den letzten zwei Jahrzehnten zu einer ganzen Reihe von innovativen Arbeiten geführt.8 Im Mittelpunkt standen dabei aber zumeist einzelne Ereignisse. Die methodologische Isolation von Naturkatastrophen kann zwar bestimmte Fluten, Erdbeben, Vulkanausbrüche und ähnliche Ereignisse sehr gut und historisch tief erklären, sie führt aber nahezu zwangsläufig auch zu einem teleologischen Narrativ, in dem die Ursachenstränge nur auf das Ereignis gerichtet sind und erst die Folgen wieder davon wegführen. Dabei gehen wichtige Dimensionen der Katastrophengeschichte verloren, die nur durch eine longue durée-Analyse hervorgehoben werden können, die nicht nur auf die Gefahrenseite von Naturprozessen fokussiert, sondern auch und gerade deren Nutzen in Augenschein nimmt. Insbesondere die enge Verflechtung zwischen gesellschaftlicher Naturaneignung und Naturgefahr bleibt oft unterbelichtet. Diese Arbeit will daher zeigen, dass und wie der Umgang mit Naturkatastrophen und Naturgefahren in gesellschaftliche Prozesse eingebunden ist, und wie

6 American Red Cross, Ohio-Mississippi Valley Flood Disaster of 1937, 11. 7 Ebd., 30. 8 Vgl. unten Kapitel 1.1.

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sehr die Geschichte dieser Naturgefahren mit der Nutzung natürlicher Prozesse verwoben ist. Hierzu werden sowohl den Extremereignissen als auch der Nutzungsgeschichte des Ohio und seiner Zuflüsse Raum gegeben. Die Geschichte der Nutzung folgt aber grundsätzlich anderen Regeln und vor allem einem anderen Rhythmus als die Geschichte der Gefahr. Während die Nutzung der Ressource, also des Flusses, möglichst dauerhaft und gleichmäßig erfolgen soll, etwa für die Schifffahrt oder die Energiegewinnung, hat die Gefahr in ihrer konkreten Form sporadischen Charakter. Den kurzen Episoden der aktualisierten Gefahr stehen oft relativ lange Phasen ohne Extremereignisse gegenüber, die aber deswegen nicht weniger wichtig für den gesellschaftlichen Umgang mit Überschwemmungen sind. Für das gesellschaftliche Gefahrenmanagement ist gerade diese Spannung zwischen dauerhafter preparedness und sporadischem Ereignis von zentraler Bedeutung. Der dieser Studie zugrunde liegende zeitliche Analyserahmen von zweieinhalb Jahrhunderten, von der Mitte des achtzehnten bis zum Ende des zwanzigsten Jahrhunderts, erlaubt es darüber hinaus, verschiedene Phasen im Umgang mit Überschwemmungen am Ohio River auszumachen, die sich durch unterschiedliche »Regime« oder Modi des Gefahrenmanagements auszeichnen. Die primär agrarische Gesellschaft im späten achtzehnten und frühen neunzehnten Jahrhundert hatte einen anderen Umgang mit dem Fluss und den von ihm ausgehenden Gefahren als die urban-industrielle Gesellschaft einhundert Jahre später oder die post-industriellen Städte am Ohio heute. Zudem ermöglicht eine solch lange Betrachtung die Berücksichtigung von historischen Adaptions- und Maladaptionsprozessen. Die konkreten Auswirkungen einer Katastrophe hängen nämlich nicht zuletzt davon ab, welche Erfahrungen Gesellschaften mit vergangenen Katastrophen gemacht und welche Lehren sie daraus gezogen haben, was erinnert und was vergessen worden ist. Damit eng zusammenhängend spielen Frequenz und Sequenzen von Extremereignissen eine große Rolle. Es macht einen Unterschied, ob eine Stadt oder eine Region vor einer Überschwemmung eine disaster gap erfahren hat oder eine relative Fülle von Ereignissen, die eventuell Anpassungsprozesse initiiert und Entscheidungen legitimiert haben. Auch solche Häufungen lassen sich, ebenso wie deren Abwesenheit, nur durch einen lang angelegten Untersuchungsrahmen fassen. Der Ohio River bietet ein ideales Untersuchungsfeld für eine solche Analyse. Wie an vielleicht keinem anderen Fluss der USA prallten hier gesellschaftliche und natürliche Dynamik aufeinander. Der wichtigste Zufluss des Mississippi hat ein Einzugsgebiet von der Größe Frankreichs. Meteorologie und Topographie sorgen dafür, dass sich am Oberlauf des Ohio die Wassermassen in engen Tälern bis zu 24 Meter auftürmen können, während der Fluss am Unterlauf bei Überschwemmungen meilenweit über seine Ufer tritt. Die verschiedenen Gruppen der nordamerikanischen Indianer, die hier zu verschiedenen Zeiten, aber insgesamt schon 10.000 Jahre bevor die ersten Europäer kamen, sesshaft waren,

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hatten mit dieser Dynamik ebenso umzugehen wie später Franzosen, Briten, und US-Amerikaner verschiedenster ethnischer Zugehörigkeit. Für den jungen amerikanischen Nationalstaat in seinem Expansionsdrang war der Ohio eine natürliche Kommunikationsader, die eine halbwegs zuverlässige Verbindung zwischen den Appalachen im Osten und dem Mississippi im Westen herstellte. Tausende von Siedlern, Soldaten und Händlern nutzten den Fluss und ließen sich, zumindest für eine gewisse Zeit, an seinen Ufern nieder. Das Wachstum und das ökonomische Potenzial der ganzen Region war enorm. Cincinnati etwa wurde innerhalb weniger Jahrzehnte von einer Ansammlung weniger Blockhäuser zur Queen City, zur größten Stadt im neuen Westen, größer auch als Chicago, das erst später vom Siegeszug der Eisenbahnen profitierte, und dichter besiedelt als New York. Am Oberlauf entstanden in der zweiten Häfte des neunzehnten Jahrhunderts Industriemetropolen wie Pittsburgh, die weltweit bekannt und aufgrund der von ihnen ausgehenden Umweltbelastung berüchtigt waren. 1936 lebte ein Siebtel der US-amerikanischen Bevölkerung im Einzugsgebiet des Ohio. Für all diese Entwicklungen war der Fluss von zentraler Bedeutung. Er war »highway« für Menschen und Güter auf dem Weg in den Westen und Süden (und nach dem Siegeszug der Dampfschifffahrt auch verstärkt in umgekehrter Richtung), er war Trinkwasserquelle, Abwasserkanal und Energielieferant. An seinen Ufern wurden nicht zufällig, sondern ganz bewusst Städte gegründet, Fabriken errichtet und infrastrukturelle Korridore verlegt. Lange Zeit war die waterfront in vielen Städten ein Zentrum gesellschaftlichen und kulturellen Lebens. Mit der zunehmenden Verschmutzung der Flüsse, der Verbauung der flussnahen Gegenden durch die Erfordernisse zunächst der Eisenbahn und dann des individualisierten Massenverkehrs, und dem generellen ökonomischen Niedergang des Mittleren Westens in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts wandten sich jedoch immer mehr Städte vom Fluss ab. Erst in der jüngeren Vergangenheit lässt sich eine regelrechte Wiederentdeckung der wa­ terfront konstatieren, die nun auch als (zunehmend gentrifizierter) Raum für Erholung und Entertainment fungiert. Der Fluss war aber immer auch eine Quelle der Gefahr. Lange Zeit technisch kaum beherrschbar, traten der Ohio und seine Zuflüsse immer wieder über ihre Ufer und zerstörten nicht selten in wenigen Minuten, was in Jahren oder Jahrzehnten errichtet worden war. Überschwemmungen bedrohten die Landwirtschaft ebenso wie Handel und Gewerbe, urbane Wohngebiete und Straßen genauso wie Gas- und Wasserwerke. Diese beiden Aspekte, Nutzung und Gefahr des Flusses, sollten aber nicht separat analysiert werden sondern als eng miteinander verflochten. Ebenso wie die Nutzung des Flusses Vulnerabilität gegenüber Hochwassern überhaupt erst erzeugt, hat die Geschichte von Überschwemmungen auch Einfluss auf die Nutzung des Flusses. Flüsse sind, wie Verena Winiwarter und Martin Schmid hervorgehoben haben, »sozio-naturale Schau-

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plätze«, das heisst Orte, an denen sich gesellschaftliche Praktiken und natür­ liche Prozesse ko-evolutionär entwickeln.9 Nur mit einem solchen integrativen Konzept lässt sich die Geschichte von Naturgefahren und Naturkatastrophen adäquat untersuchen. Dementsprechend wird im Folgenden zunächst beleuchtet, wie Naturkatastrophen durch gesellschaftliche Prozesse konstruiert werden. Im zweiten Abschnitt wird dann der Natur Raum und Handlungsmacht gegeben, bevor diese beiden Aspekte schließlich wieder zusammengeführt werden.

1.1 Die Konstruktion der Katastrophe Let’s put it this way: if there were no permanent settlers in Ohio, there would be no ›flood problem‹. The water would come up around the trees and the Indians would withdraw to higher ground, and it would create no problem. But when you put thousands of people in permanent homes and factories worth millions of dollars down in a river valley, and the water comes up, you have a problem. Miles Dawson10

Naturkatastrophen gibt es nicht! So lautet mittlerweile das Credo eines Großteils der sozialwissenschaftlichen Desasterforschung. Das ist eine recht erstaunliche These für eine Forschungsrichtung, die sich zwar mit allen möglichen Formen von Katastrophen beschäftigt, aber eben auch mit Überschwemmungen, Erdbeben, Vulkanausbrüchen und anderen, so mag man glauben, Naturphänomenen. Es gibt aber, wie dieser Abschnitt zeigen wird, gute Gründe, die vermeintliche Natürlichkeit solcher Ereignisse zu relativieren.11 9 Verena Winiwarter / Martin Schmid, Umweltgeschichte als Untersuchung sozionaturaler Schauplätze? Ein Versuch Johannes Colerus »Oeconomia« umwelthistorisch zu interpretieren, in: Thomas Knopf (Hg.), Umweltverhalten in Geschichte und Gegenwart. Tübingen 2008, 158–173. 10 Ohio Water Commission, The Problem. Floods in Ohio. An Interview with Miles M. Dawson, Brigadier General U. S. A., Consulting Engineer (Based upon a study for The Ohio Water Commission). Columbus, OH, 1960, 3. 11 Explizit Ilan Kelman, Natural Disasters Do Not Exist (Natural Hazards Do Not Exist Either), Version 3, 9.7.2010, http://www.ilankelman.org/miscellany/NaturalDisasters. rtf (22.09.2013). Vgl. auch Nicole Ball, The Myth of the Natural Disaster, in: The Ecologist 5 (10/Dezember 1975), 368–369; Phil O’Keefe / Ken Westgate / Ben Wisner, Taking the naturalness out of natural disasters, in: Nature 260 (1976), 566–567; Neil Smith, There’s No Such Thing as a Natural Disaster, 11.06.2006, http://forums.ssrc.org/understandingkatrina/theresno-such-thing-as-a-natural-disaster/ (21.9.2013). Vgl. auch Theodore Steinberg, Acts of God. The Unnatural History of Natural Disaster in America. Oxford 2000; Janet N. Abramovitz, Unnatural Disasters (Worldwatch Paper 58), Washington, DC, 2001.

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Katastrophen, sowohl technische wie auch natürliche, haben sich lange Zeit der wissenschaftlichen Analyse entzogen. In religiösen Systemen wurden sie zumeist als wortwörtlich höhere Gewalt angesehen, in säkularen Deutungszusammenhängen als akzidentielle und damit nicht weiter zu hinterfragende Ereignisse.12 Erst im frühen zwanzigsten Jahrhundert begann die systematische Untersuchung von Katastrophen. Die erste empirische Studie über menschliches Verhalten angesichts einer Katastrophe geht auf Samuel Prince zurück, der 1920 eine detaillierte Analyse über den Zusammenstoß des mit Munition beladenen französischen Schiffes Mont Blanc mit einem belgischen Dampfer im Hafen von Halifax vorlegte.13 Auf diesem »Grundstein der Katastrophen­forschung«14 hat sich vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg eine Forschungstradition etabliert, die sich der Analyse von Desastern vor allem aus gesellschaftswissenschaftlicher Perspektive widmete. Die Schwerpunkte dieser Forschung lagen auf der systematischen Analyse sozialen Verhaltens in Notfallsituationen. Katastrophen wurden dabei als Abweichung von der Norm betrachtet, als unvorhersehbare und extreme Ereignisse, die plötzlich über soziale Gemeinschaften hereinbrachen. Kaum betrachtet wurden dagegen sozio-kulturelle Muster, die Wirkungsmächtigkeit von Katastrophen-Diskursen und die historische Dimension von Desastern.15 Diese Sichtweise änderte sich langsam mit einer Reihe neuer Arbeiten in den 1970er Jahren.16 Katastrophen wurden einer Neubetrachtung unterzogen und nun nicht mehr automatisch als externe Größen angesehen. Einen gro 12 Steinberg, Acts of God; François Walter, Katastrophen. Eine Kulturgeschichte vom 16. bis ins 21. Jahrhundert. Stuttgart 2010. 13 Samuel H. Prince, Catastrophe and Social Change. Based on a Sociological Study of the Halifax Disaster (Ph.D. Dissertation, New York, Columbia University, 1920). Vgl. auch Henry W. Fischer, Response to Disaster. Fact versus Fiction and its Perpetuation – The Sociology of Disaster. Lanham, New Oxford 21998, 9. 14 Gerhard Waldherr, Altertumswissenschaften und moderne Katastrophenforschung, in: Eckart Olshausen / Holger Sonnabend (Hg.) Naturkatastrophen in der Antiken Welt. Stuttgart 1998, 52–64 (59). 15 Vgl. v. a. Kenneth Hewitt (Hg.), Interpretations of Calamity. Boston, London 1983; Ian Burton / Robert W. Kates / Gilbert F. White, The Environment as Hazard. New York 21993; Susanna M. Hoffman / Anthony Oliver-Smith, Anthropology and the Angry Earth. An Overview, in: Anthony Oliver-Smith / Susanna Hoffman (Hg.) The Angry Earth. Disaster in Anthropological Perspective. New York, London 1999, 1–16 (1); Frances D’Souza, Disaster research – ten years on, in: Ekistics 51 (309/1984), 496–499; W. I. Torry, Hazards, hazes and holes. A critique of The Environment as Hazard and general reflections on disaster research, in: Canadian Geographer 23 (1979), 368–383; Alessa Johns, Introduction, in: dies. (Hg.), Dread­ful Visitations. Confronting Natural Catastrophe in the Age of Enlightenment. New York, London 1999, xi-xxv; Lars Clausen / Wolf R. Dombrowski, Einführung in die Soziologie der Katastrophe. Bonn 1983. 16 Für die Pionierarbeiten von Gilbert F. White schon in den 1940er Jahren vgl. u. Kapitel 9.2. Für Jean Jacques Rousseau als Vorläufer von White vgl. Kelman, Natural Disasters Do Not Exist, 1.

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ßen Anteil an der neueren Desasterforschung, die die soziale Konstruktion von »natür­lichen« Katastrophen in Rechnung stellt, hat die Anthropologie.17 Durch starke Berücksichtigung des nicht-westlichen Kontextes konnte insbesondere die räumliche und historische Diversität der Katastrophenerfahrung aufgezeigt werden.18 Mittlerweile ist es in der Katastrophenforschung ein Gemeinplatz, dass solche Ereignisse soziale und natürliche Komponenten haben, wobei letzteren zumeist nur initiale Bedeutung zugesprochen wird.19 So beginnt Neil Smith seine Reflektionen über die Folgen von Hurrikan Katrina mit den Sätzen: It is generally accepted among environmental geographers that there is no such thing as a natural disaster. In every phase and aspect of a disaster—causes, vulnerability, preparedness, results and response, and reconstruction—the contours of disaster and the difference between who lives and who dies is to a greater or lesser extent a social calculus.20

Vulnerabilität Mit der primären Verortung der Ursachen von Naturkatastrophen in den Strukturen der Gesellschaft rückten die Konzepte der Vulnerabilität und Resilienz in eine zentrale Position der Analyse.21 Zwar gibt es unzählige Definitionen dieser Begriffe mit verschiedener Schwerpunktsetzung,22 aber grundsätzlich lässt sich mit diesem Instrumentarium sehr gut erklären, warum bestimmte Teile 17 Vgl. Anthony Oliver-Smith, Peru’s Five-Hundred-Year Earthquake, in: Susanna M. Hoffman / Anthony Oliver-Smith (Hg.), Catastrophe and Culture. The Anthropology of Disaster. Santa Fe, NM, Oxford, 2002; Stephen Tobriner, Safety and Reconstruction of Noto a­ fter the Sicilian Earthquake of 1693, in: Johns (Hg.), Dreadful Visitations, 49–77. 18 Vgl. Hoffman / Oliver-Smith, Anthropology and the Angry Earth, 2–3; Greg Bankoff, Cultures of Disaster. Society and Natural Hazards in the Philippines. London, New York 2003. 19 Kathleen J. Tierney / Michael K. Lindell / Ronald W. Perry, Facing the Unexpected. Disaster Preparedness and Response in the United States. Washington, DC, 2001, 15. 20 Smith, There’s No Such Thing as a Natural Disaster. 21 Vgl. paradigmatisch Oliver-Smith, Peru’s Five-Hundred-Year Earthquake. 22 Vgl. z. B. Jürgen Weichselgartner / Mathias Deutsch, Die Bewertung der Verwundbarkeit als Hochwasserschutzkonzept. Aktuelle und historische Betrachtungen, in: Hydrologie und Wasserbewirtschaftung 46 (3/2002), 102–110 (106), für die Verwundbarkeit »den Zustand einer Person, Gesellschaft, Infrastruktur, System, oder […] eines bestimmten Raumes gegenüber einer spezifischen Naturgefahr […] mit einer bestimmten Ereignisstärke« bezeichnet. Vgl. aber auch Nick Brooks, Vulnerability, risk and adaptation. A conceptual framework, Tyndall Centre Working Paper No. 38, September 2003, 2: »Social scientists and climate scientists often mean different things when they use the term ›vulnerability‹; whereas social scientists tend to view vulnerability as representing the set of socio-economic factors that determine people’s ability to cope with stress or change […], climate scientists often view vulnerability in terms of the likelihood of occurrence and impacts of weather and climate related events.«

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der Bevölkerung Naturgefahren weitaus stärker ausgesetzt sind als andere. So hat ­Anthony Oliver-Smith gezeigt, wie sich die Vulnerabilität gegenüber natürlichen Extremereignissen in Peru seit der spanischen Eroberung im sechzehnten Jahrhundert immer weiter erhöht hat, da die Europäer nicht auf die langen Erfahrungen der indigenen Bevölkerung zurückgegriffen, sondern im Gegenteil die lokalen Präventions- und Bewältigungspraktiken mit dem Ausbau und der Rationalisierung ihres Herrschafts- und Ausbeutungssystems verdrängt haben. Auf diese Weise erscheinen die Folgen des desaströsen Erdbebens vom 31. Mai 1970, bei dem über 70.000 Menschen ums Leben kamen, als das Ergebnis eines fünf Jahrhunderte andauernden Prozesses. »Consequently, the society that confronted the major seismic event on the afternoon of May 31, 1970, was in many ways already a catastrophe«.23 Der Fokus auf die »Gemachtheit« von Katastrophen hat ein völlig neues Forschungsfeld eröffnet, auf dem es nun möglich war, die Folgen von natürlichen Extremereignissen aus den unterschiedlichsten Perspektiven zu analysieren und viele verschiedene Aspekte der »Gefahrenkonstruktion« zu beleuchten. Abhängig von Faktoren wie Alter, Geschlecht, ethnischem Hintergrund, rassistischen Kategorisierungen oder Religion haben unterschiedliche Personenkreise einen ungleichen Zugang zu finanziellen Ressourcen (wie etwa Versicherungen oder Hilfsfonds), staatlichem Schutz, Desastermobilität und anderen Hilfsmöglichkeiten, die einer Katastrophe vorbeugen oder zumindest deren Folgen mildern können. Ebenso wie Individuen oder Gruppen bewusst Risiken eingehen, werden andere Personenkreise Risiken ausgesetzt.24 Dieses differierende Maß an sozialer Vulnerabilität hat während einer Katastrophe zwangsläufig gesellschaftliche und politische Konflikte zur Folge. Dispute haben sich immer wieder an den Methoden des Hochwasserschutzes, an der Aufteilung der Kosten zwischen betroffenen und nicht betroffenen Staaten oder Regionen und an der Verteilung der Hilfsmittel entzündet. Während der Katastrophe zeigt die Ausrufung von »Ausnahmezuständen« immer wieder die Fragilität der gesellschaftlichen Ordnung unter Extrembedingungen. Schnell 23 Oliver-Smith, Peru’s Five-Hundred-Year Earthquake, 84. Vgl. auch Hoffman / OliverSmith, Anthropology and the Angry Earth, 2; Abramovitz, Unnatural Disasters, 23. 24 Vgl. Reuben Eldar, The needs of elderly persons in natural disasters. Observations and recommendations, in: Disasters 16 (1992), 355–358; Susanna M. Hoffman, The Regenesis of Traditional Gender Patterns in the Wake of a Disaster, in: Hoffman / Oliver-Smith (Hg.), The Angry Earth. New York, London 1999, 173–191; Elaine Enarson / Betty Hearn Morrow (Hg.), The Gendered Terrain of Disaster. Through the Women’s Eyes. Westport, CT, 1998; Santi Rozario, ›Disasters‹ and Bangladeshi Women, in: Ronit Lentin (Hg.), Gender and Catastrophe. London, New York 1997, 255–268; Margaret Kelleher, Woman as Famine Victim. The Figure of Woman in Irish Famine Narratives, in: ebd., 240–254; Betty Hearn Morrow / Brenda Phillips (Hg.), International Journal of Mass Emergencies and Disasters (Special Issue on Women and Disasters) 17 (1/1999), und allgemein Ben Wisner u. a., At Risk. Natural Hazards, People’s Vulnerability and Disaster. London 22004.

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kann sich eine Naturkatastrophe demnach in eine politische Krise verwandeln, wie nicht erst die Proteste gegen die skandalös späte Reaktion der amerikanischen Notstandsbehörden nach Hurrikan Katrina belegen. So verglich beispielsweise die Schlesische Zeitung am 23.  Juli 1903 nach schweren Überschwemmungen in Oberschlesien die generelle politische Situation im Deutschen Reich mit derjenigen in Frankreich vor der Revolution, »die schließlich dem Umsturz selbst die Pforten öffnete«.25 Reisen hochrangiger Politiker in die Krisenregion sollen Handlungsfähigkeit demonstrieren, Herrschaft konsolidieren und Vertrauen in die »coping capabilities« des Staates erzeugen. Was im einundzwanzigsten Jahrhundert zum festen Repertoire politischer Kultur in Krisenzeiten gehört, war allerdings zu anderen Zeiten nicht selbstverständlich. Präsident Lyndon B. Johnson begnügte sich 1964 damit – ähnlich wie George Bush bei seinem ersten Besuch der von Hurrikan Katrina heimgesuchten Regionen – die Überschwemmungsgebiete am Ohio zu überfliegen, während sich Präsident Calvin Coolidge 1927 trotz der verheerenden Situation am Mississippi einer solchen Geste ganz verweigert hatte.26 In den USA kommt neben und zusammen mit der klassenspezifischen Vulnerabilität der Geschichte rassistischer Praktiken und Diskurse eine besondere Bedeutung zu.27 Wie sich bei der Mississippi-Flut 1927, der Ohio-Flut zehn Jahre später und zuletzt bei Hurrikan Katrina gezeigt hat, sind African Ame­ ricans deutlich stärkeren Gefährdungen durch Naturgefahren ausgesetzt als andere Bevölkerungsteile. Auch nach der Flut zeigten sich rassistische Strukturen, etwa wenn, wie am Ohio 1937, Afroamerikaner in separierten, qualitativ minderwertigeren Zeltstädten untergebracht wurden als die euroamerikanische Bevölkerung.28 25 Reichskanzler Bülow telegrafierte daraufhin aus Norderney an das Auswärtige Amt: »Ich bitte Sie, die Nothstandsangelegenheit fortgesetzt im Auge zu behalten. Wie notwendig sofortiges Eingreifen in großem Stil war, geht aus dem Artikel der ›Schlesischen Zeitung‹ von vorgestern: ›Gleiches Maß für Alle‹ hervor.« 25.7.1903, 8 Uhr 50, Bundesarchiv Berlin, R43/2012. Für das Versprechen Napoleons III. ein Jahr nach der Überschwemmung der Rhône 1856, nicht nur die natürliche, sondern auch die politische Ordnung wiederherzustellen, vgl. Sara B. Pritchard, Confluence. The Nature of Technology and the Remaking of the Rhône. Cambridge, MA, 2011, 35. 26 Vgl. John M. Barry, Rising Tide. The Great Mississippi Flood of 1927 and How It Changed America. New York 1997, 286 ff. 27 Vgl. allgemein Robert D. Bullard, Dumping in Dixie. Race, Class, and Environmental Quality. Boulder, CO, 1990; Dianne D. Glave / Mark Stoll (Hg.), ›To Love the Wind and the Rain‹. African Americans and Environmental History. Pittsburgh, PA, 2006. 28 Vgl. Barry, Rising Tide, 286 ff.; Pete Daniel, Deep’n as It Come. The 1927 Mississippi River Flood. New York 1977. Für die segregierten Flüchtlingscamps 1937 am Ohio River vgl. exemplarisch Helen F. Dunn an I. Malinde Havey, American Red Cross (ARC), 20.3.1937, National Archives and Records Administration, College Park, Maryland (NARA) / Record Group (RG) 200 / DR 735 Ohio and Mississippi Valley Storm & Flood 1/37, B 1263, F »DR 735.11/5 Kentucky Region C, Health Activities«.

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Mittlerweile wird das Vulnerabilitätskonzept allerdings so inflationär zur Erklärung aller möglichen Arten von sozialer Ungerechtigkeit angewandt, dass es an Trennschärfe verloren hat und, nach Anthony Oliver-Smith, zahnlos geworden ist.29 Zudem wird durch die häufig praktizierte Charakterisierung bestimmter Regionen als »anfällig« gegenüber Naturgefahren die eigentliche Analyse durch einen stereotypisierten Diskurs überlagert, der den entsprechenden Staaten und Nationen kaum Handlungsmacht zuschreibt; und schließlich ist, wie Greg Bankoff deutlich gemacht hat, das Konzept der Vulnerabilität, trotz seiner gegenwärtigen Popularität, von den Sozialwissenschaften bislang nicht historisiert und von der Geschichtswissenschaft nicht konzeptionalisiert worden.30 Dieser Arbeit liegt ein Konzept von Vulnerabilität zu Grunde, das »Anfälligkeit« nicht nur aus asymmetrischen Machtkonstellationen und ungleichen sozialen Voraussetzungen ableitet, sondern auch aus ökonomischen Erfolgen und Anschlussmöglichkeiten. Gerade aus gut funktionierenden Relationen zwischen Natur und Gesellschaft haben sich oft Pfadabhängigkeiten entwickelt, die dann später, unter anderen Bedingungen, zum Problem werden konnten. Vulnerabilität hat, ebenso wie Resilienz, immer auch Prozesscharakter und somit eine eigene Geschichte. So haben Frerk Möller und Lars Clausen festgehalten, dass die »schleswig-holsteinische Schneekatastrophe 1978/79 […] erst [durch] die heutigen zentralisierten Versorgungsdienstleistungen und infrastrukturellen Abhängigkeiten« verheerende Ausmaße hat annehmen können. 30 Jahre vorher wäre sie einfach als »strenger Winter« hingenommen worden.31 Aber auch der umgekehrte Fall – die Eindämmung der desaströsen Effekte bestimmter Katastrophenarten durch effizientes Risikomanagement  – lässt sich historisch beobachten. Dies gilt zum Beispiel für Stadtbrände, die in vielen Teilen

29 Vgl. Displacement, Migration, and Environmental Change. An Interview with Anthony Oliver-Smith, geführt von Uwe Lübken und Franz Mauelshagen, in: Environmental Change and Migration in History, 182–199 (188): »Scholarship on vulnerability started forty years ago as an attempt to embed disasters in society rather than in nature. Today, the concept of vulnerability has been de-fanged; it has lost its critical edge.« 30 Vgl. Greg Bankoff, Time is of the Essence. Disasters, Vulnerability and History, in: International Journal of Mass Emergencies and Disasters 22 (3/2004), 23–42; ders., Vulnerability as a Measure of Change in Society, in: International Journal of Mass Emergencies and Disasters 21 (2/2003), 5–30; ders., Georg Frerks / Dorothea Hilhorst (Hg.), Mapping Vulnerability. Disasters, Development and People. London 2004. 31 Frerk Möller / Lars Clausen, Bestandsaufnahme im Bereich der Katastrophensozio­ logie, in: Erich Plate u. a. (Hg.), Naturkatastrophen und Katastrophenvorbeugung. Bericht des wissenschaftlichen Beirats der DFG für das Komitee für die ›International Decade for Natural Disaster Reduction‹. Weinheim 1993, 108–126 (108). Vgl. auch Uwe Lübken, ›Der große Brückentod‹. Überschwemmungen als infrastrukturelle Konflikte im 19. und 20. Jahrhundert, in: Saeculum. Jahrbuch für Universalgeschichte 58 (1/2007), 89–114.

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der Welt von einer Geißel der urbanen Bevölkerung zu einem beherrschbaren Risiko geworden sind.32 Naturkatastrophen werden nicht nur ökonomisch, politisch und sozial »vorbereitet«, sondern auch indivuell und kollektiv erfahren, verarbeitet und vermittelt. Eine große Bedeutung bei der Katastrophenkonstruktion kommt daher Interpretationen und Repräsentationen von Gefahr und Katastrophe zu. Die bedeutendste Entwicklung in Hinsicht auf die Wahrnehmung und Deutung von Naturkatastrophen in der westlichen Moderne ist ohne Zweifel die langsame, aber am Ende entschiedene Abwendung von religiösen Deutungsmustern von Desastern spätestens seit der Aufklärung und, damit einhergehend, die Einsicht, dass deren Ursachen erkannt und die Wirkungen bekämpft werden können. Auch wenn religiöse Interpretamente bei der Erfahrung und Wahrnehmung von Naturkatastrophen immer wieder Anwendung fanden, und stark religiös geprägte Gesellschaften natürlich nicht davon abgesehen haben, in natürliche Prozesse zu intervenieren, entstand doch ein Deutungsvakuum, das zu einem großen Teil  durch Wissenschaft und Technikgläubigkeit ausgefüllt wurde. Überschwemmungskatastrophen waren nun nicht mehr Ausdruck göttlichen Willens, sondern durch rationale Methoden erklärbar und verhinderbar.33 Gleichzeitig gestaltete sich der Umgang mit und die Verarbeitung von solchen Ereignissen seit der Aufklärung und dem zunehmenden Bedeutungsverlust religiöser Interpretationsmuster ausserordentlich schwer. Erst durch interpretative Strategien wird einer im Grunde bedeutungs- und sinnlosen Gewalt von den Überlebenden Sinn abgewonnen: »Writing about disaster, collecting and organizing these writings, reasserts the cultural project of signifying, accumulating and sequencing«, resümiert Ann Larabee.34 Eine »Katastrophenkultur« entsteht darüber hinaus auch durch die Vermittlung der Ereignisse durch die jeweils dominanten Leitmedien wie Zeitungen oder Film- und Fernsehdarstellungen. Aufschlussreich in Hinblick auf die Verarbeitung von Katastrophen kann auch die Analyse von fiktionalen Texten sein, 32 Vgl. Cornel Zwierlein, Der gezähmte Prometheus. Feuer und Sicherheit zwischen­ Früher Neuzeit und Moderne. Göttingen 2011; Greg Bankoff / Uwe Lübken / Jordan Sand (Hg.), Flammable Cities. Urban Conflagration and the Making of the Modern World. Madison, WI, 2012. Allgemein zur Resilienz gegenüber Naturkatastrophen vgl. Rebecca Solnit, A Paradise Built in Hell. The Extraordinary Communities that arise in Disasters. New York 2010; Lawrence J. Vale / Thomas J. Campanella (Hg.), The Resilient City. How Modern Cities Recover From Disaster. Oxford 2005. 33 Zum Verhältnis von Religion und Krise und auch für die Beharrlichkeit religiöser Interpretamente in der modernen Gesellschaft vgl. Manfred Jakubowski-Tiessen / Hartmut Lehmann (Hg.), Um Himmels Willen. Religion in Katastrophenzeiten. Göttingen 2003, und das Sonderheft »Religions, Natural Hazards, and Disasters« der Zeitschrift Religion 40 (2/2010). 34 Ann Larabee, Decade of Disaster. Urbana und Chicago, IL, 2000, 8.; Vgl. auch Maurice Blanchot, The Writing of Disaster. Lincoln, NE, London 1986.

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die Auskunft über den kulturellen Umgang mit Desastern geben.35 Umgekehrt stellt sich aber auch die Frage, inwieweit kulturelle Faktoren – etwa eine »Kultur des Untergangs«, wie sie Mike Davis in Bezug auf Kalifornien beschrieben hat  – den Umgang mit Katastrophen präjudizieren.36 Schließlich sollte nicht vergessen werden, dass die Katastrophe auch in ihrer »virtuellen« Form eine bedeutende Rolle spielt, als Potenzial und Prophezeiung, als Menetekel und Interpretament, als ein Schreckensszenario, mit dessen Invokation man Ressourcen mobilisieren und Wählerstimmen gewinnen kann.

Naturkatastrophen in der Geschichtswissenschaft Die einschlägigen sozialwissenschaftlichen und anthropologischen Arbeiten haben lange Zeit kaum Bezug auf Ereignisse genommen, die weiter als etwa 20 Jahre zurücklagen. Zwar wurde in soziologischen Schriften gelegentlich die Notwendigkeit einer historisch-kulturellen Auseinandersetzung mit Natur­ katastrophen eingeräumt.37 Solche Forderungen haben aber in der systemati­ schen Katastrophenforschung kaum Ergebnisse gezeitigt.38 Mit Christian Pfister konnte man festhalten: »Ganz allgemein fehlt es dieser Forschung an zeitlicher Tiefe«.39 Zu diesem Defizit hat allerdings auch die Vernachlässigung solcher Themen durch die Geschichtswissenschaft beigetragen. Nach einer oft zitierten These Arno Borsts aus dem Jahr 1981 lag diese Nichtbeachtung unter anderem darin begründet, dass es dem modernen Selbstgefühl zutiefst widerspreche, solche Ereignisse als dauernde Erfahrung der Gesellschaft und der Geschichte anzu­

35 Vgl. z. B. G. A. Starr, Defoe and Disasters, in: Johns (Hg.), Dreadful Visitations. New York, London 1999, 31–48. 36 Vgl. Mike Davis, Ecology of Fear. Los Angeles and the Imagination of Disaster. New York 1998. Vgl. auch Stephen Keane, Disaster Movies. The Cinema of Catastrophe. London, New York 2001. 37 Vgl. Möller / Clausen, Bestandsaufnahme im Bereich der Katastrophensoziologie, 109: »Das Verstehen der standortgebundenen Abhängigkeit und des historisch-gesellschaftlichen Gewordenseins von Begriff und Begreifen [der Katastrophe] ist eine Grundvoraussetzung für eine angemessene Modellbildung der jeweils von Katastrophen betroffenen Gesellschaften.« 38 Als Beispiel sei hier nur ein Sammelband aus dem Jahr 1998 angeführt, in dem die wichtigsten Katastrophenforscher mit Beiträgen vertreten sind (u. a. Enrico L. Quarantelli, Anthony Oliver-Smith und Kenneth Hewitt), und in dem allenfalls die Bedeutung der Geschichte der eigenen Disziplin angerissen wird, nicht aber die Geschichte von Katastrophen an sich. Enrico L. Quarantelli (Hg.), What is a Disaster? Perspectives on the Question. London, New York 1998. 39 Christian Pfister, Vorwort des Herausgebers, in: ders. (Hg.), Am Tag danach. Zur Bewältigung von Naturkatastrophen in der Schweiz, 1500–2000. Bern 2002, 7–10 (7). Vgl. auch Steinberg, Acts of God.

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nehmen: »Es isoliert Katastrophen in der Gegenwart und eliminiert sie aus der Vergangenheit, weil sie die Zukunft nicht definieren sollen.«40 Selbst die Umweltgeschichte hat sich lange Zeit hauptsächlich mit dem langsamen, langen und strukturellen Wandel der menschlichen Lebensumwelt beschäftigt. Natur und Umwelt erschienen Ökologen und Umwelthistorikern als nahezu statische Größen, die sich nur im Verlauf von Jahrhunderten, bestenfalls Jahrzehnten, änderten. Katastrophen erzeugten nur dann wissenschaftliche Aufmerksamkeit, wenn sie eine gewisse zeitliche Dauer und Konstanz besaßen.41 Diese Fokussierung auf den langsamen Wandel ließ allerdings ausser Acht, dass auch die Natur Ereignischarakter aufweist. Sturmfluten, Tornados und Erdbeben unterminieren die Vorstellung vom säkularen, schneckenartigen Tempo natürlicher Prozesse und fordern eine eigene, dieser Geschwindigkeit angemessene Betrachtungsweise. Auch in der Umweltgeschichte setzte sich diese Einsicht zunehmend durch. William Cronon hielt 1995 fest: […] recent scholarship has clearly demonstrated that the natural world is far more dynamic, far more changeable, and far more entangled with human history than popular beliefs about ›the balance of nature‹ have typically acknowledged. Many popular ideas about the environment are premised on the conviction that nature is a stable, holistic, homeostatic community capable of preserving its natural balance more or less indefinitely if only humans can avoid ›disturbing‹ it. This is in fact a deeply problematic assumption.42

Mittlerweile hat John Burnhams Charakterisierung von Naturkatastrophen als einem »neglected field« der Historiographie keine Gültigkeit mehr.43 Die An 40 Arno Borst, Das Erdbeben von 1348. Ein historischer Beitrag zur Katastrophen­ forschung, in: Historische Zeitschrift 233 (1981), 529–569 (532). Vgl. auch Roland Barthes’ philosophische Analyse der faits divers, also der Panoramaseiten in den Zeitungen, in die auch Naturkatastrophen ausgelagert werden, weil sie nicht in das gängige Klassifikationsschema passen, Structure du faits divers, in: Médiations. Revue des expressions contemporaines 1962, 27–36, 187–190. 41 Vgl. Rolando V. García / José C. Escudero, Drought and Man. Volume 2. The Constant Catastrophe. Malnutrition, Famines and Drought. Oxford, New York 1982. 42 William Cronon (Hg.), Uncommon Ground. Toward Reinventing Nature. New York 1995, 24. Vgl. auch Donald Worster, The Wealth of Nature. Environmental History and the Ecological Imagination. New York, Oxford 1993, 158: »In [Paul] Sears’s day ecology was basically a study of equilibrium, harmony and order; it had been so from its beginnings. Today, however, in many circles of scientific research, it has become a study of disturbance, disharmony, and chaos«. 43 Vgl. John C. Burnham, A Neglected Field. The History of Natural Disasters, in: Perspectives. The American Historical Association Newsletter 26 (4.4.1988), 22–24. Vgl. auch Christian Pfister, Naturkatastrophen und Naturgefahren in geschichtlicher Perspektive, in: ders., (Hg.), Am Tag danach. Bern 2002, 11–25, und ders., Strategien zur Bewältigung von Naturkatastrophen seit 1500, ebd., 210–255; Uwe Lübken, Zwischen Alltag und Ausnahmezustand. Ein Überblick über die historiographische Auseinandersetzung mit Naturkatastrophen, Werkstatt Geschichte 38 (12/2004), 55–64; ders. »Undiszipliniert. Ein Forschungsbericht zur Umweltgeschichte«, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/forum/2010-07-001 (22.09.2013).

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zahl der Publikationen, die sich mit der Geschichte von Erdbeben, Stürmen, Überschwemmungen und anderen Extremerereignissen beschäftigen, ist in den letzten 20 Jahren stark angewachsen. Die Thematik wurde zunächst vor allem in Sammelbänden, Themenheften und einzelnen Artikeln abgehandelt, dann aber zunehmend auch in Monographien.44 Das rasante Wachstum der historischen Analyse von Naturkatastrophen hat viele Ursachen, war aber sicherlich auch beeinflusst von Ereignissen wie der Elbeflut 2002, dem Tsunami in Südostasien im Jahr 2004, oder Hurrikan Katrina ein Jahr später. Zusätzlich trug die intensivierte Debatte um Klimawandel und globale Erwärmung dazu bei, dass das Interesse an der Geschichte von natürlichen Extremereignissen stark angestiegen ist. Geschichten einzelner Überschwemmungen fanden sich bis vor kurzem, wenn überhaupt, vor allem in lokalhistorischen Werken, persönlichen Erlebnisberichten, reich bebilderten Erinnerungsbänden oder semi-offiziellen Rückblicken auf bestimmte Schadensereignisse.45 Dort, wo Hochwassersequenzen Gegenstand der Untersuchung waren, erfolgte die Analyse meistens aus 44 Vgl. Christof Mauch / Christian Pfister (Hg.), Natural Disasters, Cultural Responses. Case Studies Toward a Global Environmental History. Lanham, MD, u. a., 2009; Dieter Groh / Michael Kempe / Franz Mauelshagen (Hg.), Naturkatastrophen. Beiträge zu ihrer Deutung, Wahrnehmung und Darstellung in Text und Bild von der Antike bis ins 20. Jahrhundert. Tübingen 2003; Jakubowski-Tiessen / Lehmann (Hg.), Religion in Katastrophenzeiten; Michael Kempe / Christian Rohr (Hg.), Environment and History 9 (2/2003), Special Issue: Coping with the Unexpected – Natural Disasters and Their Perception; Monika Gisler / Katja Hürlimann / Agnes Nienhaus (Hg.), Naturkatastrophen / Catastrophe naturelle, Themenheft der Zeitschrift Traverse (3/2003); Christian Pfister / Stephanie Summermatter (Hg.), Katastrophen und ihre Bewältigung. Perspektiven und Positionen. Bern, Stuttgart, Wien 2004; Gerrit Jasper Schenk / Jens Ivo Engels (Hg.), Historical Disaster Research. Concepts, Methods and Case Studies, Sonderausgabe der Zeitschrift Historical Social Research 32 (3/2007); Uwe Lübken / Christof Mauch (Hg.), Uncertain Environments. Natural Hazards, Risk, and Insurance in Historical Perspective, Themenheft von Environment and History (1/2011). Vgl. schließlich die Literaturüberblicke bei Christian Rohr, Extreme Naturereignisse im Ostalpenraum. Naturerfahrung im Spätmittelalter und am Beginn der Neuzeit. Köln, Weimar, Wien 2007, 19–49; Frank Uekötter, Umweltgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert. München 2007, 84–88; Lübken, Zwischen Alltag und Ausnahmezustand. Vgl. auch Benjamin Reilly, Disaster and Human History. Case Studies in Nature, Society and Catastrophe. Jefferson, NJ, 2009, und das sehr breit angelegte Werk von Walter, Katastrophen. Für die Geschichte von Hurrikanen vgl. Walter J. Fraser Jr., Lowcountry Hurricanes. Three Centuries of Storms at Sea and Ashore. Athens, GA, 2006; Louis A. Pérez, Winds of Change. Hurricanes and the Transformation of Nineteenth Century Cuba. Chapel Hill, NC, 2001; Matthew Mulcahy, Hurricanes and Society in the British Greater Caribbean, 1624–1783. Baltimore, MD, 2006. 45 Vgl. exemplarisch Roger Pickenpaugh, Rampage. The 1936 Flood from Chester to Marietta. Baltimore, MD, 2002; Trudy E. Bell, Forgotten Waters. Indiana’s Great Easter Flood of 1913, in: Traces of Indiana and Midwestern History 18 (Spring 2006), 4–15; Russell Beardon, Jefferson County’s Worst Disaster. The Flood of 1927, in: Arkansas Historical Quarterly 43 (4/1984), 324–338; Andreas Eiynck, Das Hochwasser 1946 im Emsland. Berichte, Bilder, Erinnerungen. Sögel 1997.

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rein hydro­logischer Perspektive.46 Einzelne Aspekte der Geschichte von Überschwemmungen wie etwa der Hochwasserschutz am Mississippi wurden durchaus bearbeitet, doch Arbeiten, die über einen langen Zeitraum hinweg die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Überschwemmungen analysierten, gab es einfach nicht.47 Dass man solche Ereignisse nicht nur unter rein chronikalischen Gesichtspunkten untersuchen kann, hat aber Manfred Jakubowski-Tiessen bereits 1992 gezeigt, indem er die Geschichte von Sturmfluten an der deutschen Küste auch unter kulturellen Aspekten, vor allem der Herausforderung solcher Katastrophen für eine noch stark religiös geprägte Gesellschaft, nachgezeichnet hat.48 Eine ähnliche Pionierrolle kommt für die amerikanische Geschichte ohne Zweifel John M. Barry zu, der in seinem 1997 erschienenen Werk Rising Tide die Ursachen und Auswirkungen der desaströsen Mississippi-Flut 1927 auf breiter Quellengrundlage geschildert hat.49 Solche Werke blieben allerdings isoliert und haben kaum zu weiterer Forschung angeregt. Das hat sich mittlerweile ebenfalls geändert. Überschwemmungen werden in fast jeder Flussgeschichte thematisiert, etwa in Mark Ciocs »Ökobiographie« des Rheins oder John O. Anfinsons Geschichte des Oberen Mississippi.50 Solide recherchierte historische Darstellungen einzelner Fluten 46 Vgl. etwa Heinz Schiller, Hochwasseruntersuchung Inn. Hochwasser der Jahresreihe 1840–1975. München 1977. Für eine Ausnahme in Aufsatzlänge vgl. Jürgen Weichselgartner, Hochwasser als soziales Ereignis. Gesellschaftliche Faktoren einer Naturgefahr, in: Hydro­ logie und Wasserbewirtschaftung 44 (3/2000), 122–131. 47 Arthur DeWitt Frank, The Development of the Federal Program of Flood Control on the Mississippi River. New York 1968 (11930); George S. Pabis, Delaying the Deluge. The­ Engineering Debate over Flood Control on the Lower Mississippi River, 1846–1861, in: Journal of Southern History 64 (3/1998), 421–454; Karen M. O’Neill, Rivers by Design. State Power and the Origins of U. S. Flood Control. Durham, NC, 2006. 48 Manfred Jakubowski-Tiessen, Sturmflut 1717. Die Bewältigung einer Naturkatastrophe in der Frühen Neuzeit. München 1992. 49 Barry, Rising Tide. Vgl. auch, weniger umfangreich, Daniel, Deep’n as It Come. 50 Marc Cioc, The Rhine. An Eco-Biography, 1815–2000. Seattle 2002; John O. Anfinson, The River We Have Wrought. A Histoy of the Upper Mississippi. Minneapolis, MN, London 2003. Vgl. auch Jenny Price, Remaking American Environmentalism. On the Banks of the L. A. River, in: Environmental History 13 (3/2008), 536–555; Philip V. Scarpino, Great River. An Environmental History of the Upper Mississippi, 1890–1950. Columbia, MO, 1985; Robert Kelley Schneiders, Unruly River. Two Centuries of Change along the Missouri. Lawrence, KS, 1999; Pritchard, Confluence; Matthew D. Evenden, Fish versus Power. An Environmental History of the Fraser River. Cambridge 2004; Michael F. Logan, The Lessening Stream. An Environmental History of the Santa Cruz River. Tucson, AZ, 2002; Dieter Schott, One City – Three Catastrophes. Hamburg from the Great Fire 1842 to the Great Flood 1962, in: Massard-Guillbaud / Platt / Schott (Hg.), Cities and Catastrophes. Frankfurt a. M. u. a. 2002, 185–204; Christof Mauch / Thomas Zeller (Hg.), Rivers in History. Perspectives on Waterways in Europe and North America. Pittsburgh, PA, 2008; David Blackbourn, The Conquest of Nature. Water, Landscape, and the Making of Modern Germany. New York 2006.

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sind aber immer noch ebenso selten wie Abhandlungen, die sich mit Überschwemmungen über einen längeren Zeitraum beschäftigen.51 Genau wie andere Flüsse hat auch der Ohio River, für den lange Zeit überhaupt keine aktuellen Untersuchungen zur Geschichte von Überschwemmungen (oder auch nur zur Geschichte des Flusses) vorlagen, in den letzten Jahren verstärkt Aufmerksamkeit erfahren. Insbesondere die »Jahrtausendflut« von 1937 ist verstärkt untersucht worden, etwa durch Rick Bells üppig illustriertes und auf Louisville, Kentucky, fokussiertes Werk »Rising Waters – Soaring­ Spirits«, vor allem aber durch David Welkys Monographie aus dem Jahr 2011, die die bislang facettenreichste Analyse einer Überschwemmung am Ohio River darstellt.52 Dieses Buch betritt aber Neuland, indem es nicht auf ein einzelnes Ereignis fokussiert, sondern die longue durée der Katastrophenerfahrung am Ohio River in den Blick nimmt.

51 Vgl. Deborah Pickman Clifford / Nicholas R. Clifford, ›The Troubled Roar of the­ Waters‹. Vermont in Flood and Recovery, 1927–1931. Durham, NH, 2007; Jared Orsi, Hazardous Metropolis. Flooding and Urban Ecology in Los Angeles. Berkeley, CA, 2004; Mikko Saikku, This Delta, This Land. An Environmental History of the Yazoo-Mississippi Floodplain. Athens, GA, London, 2005; Rohr, Extreme Naturereignisse im Ostalpenraum; Guido N. Poliwoda, Aus Katastrophen Lernen. Sachsen im Kampf gegen die Fluten der Elbe, 1784 bis 1845. Köln, Weimar, Wien 2007; Stéphane Castonguay, The Production of Flood as Natural Catastrophe. Extreme Events and the Construction of Vulnerability in the Drainage ­Basin of the St. Francis River (Quebec). Mid-nineteenth to Mid-Twentieth Century, in: Environmental History 12 (4/2007), 820–844; Georgina H. Endfield / Isabel Fernandez Tejedo / Sarah L. O’Hara, Conflict and Cooperation. Water, Floods, and Social Response in Colonial Guanajuato, Mexico, Environmental History 9 (2/2004), 221–247; Gregory S. Aldrete, Floods of the Tiber in Ancient Rome. Baltimore, MD, 2007; Benjamin Weil, The Rivers Come. Colonial Flood Control and Knowledge Systems in the Indus Basin, 1840s-1930s, in: Environment and History 12 (2006), 3–29. Für den Sacramento River in Kalifornien vgl. Philip Garone, The Fall and Rise of the Wetlands of California’s Great Central Valley. Berkeley, CA, 2011, 88–96; Craig E. Colten, Unnatural Metropolis. Wrestling New Orleans from Nature. Baton Rouge, LA, 2005; Ari Kelman, A River and Its City. The Nature of Landscape in New Orleans. Berkeley, CA, 2003; Rohan D’Souza, Drowned and Dammed. Colonial Capitalism and Flood Control in Eastern India. New Delhi 2006. 52 Rick Bell, The Great Flood of 1937. Rising Waters – Soaring Spirits, Louisville, Kentucky. Louisville, KY, 2007; Robert I. Kutak, The Sociology of Crisis. The Louisville Flood of 1937, in: Social Forces 17 (Okt. 1938), 66–72; Welky, Thousand-Year Flood; Patrick O’Daniel, Memphis and the superflood of 1937. High water blues. Charleston, SC, 2010. Vgl. auch Robert Reid (Hg.), Always A River. The Ohio River and the American Experience. Bloomington, IN, 1991.

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1.2 Die Natur der Gefahr Die jüngere Forschung hat deutlich gemacht, in welch vielfältiger Weise Naturkatastrophen von der Gesellschaft konstruiert werden. Diese Fokussierung auf die »Gemachtheit« von Gefahr und Katastrophe hat aber ironischerweise dazu geführt, dass natürliche Prozesse nur noch eine marginale Rolle in der Analyse von Naturkatastrophen spielen. Stürme, Erdbeben, Überschwemmungen, etc. werden oft nur noch als trigger betrachtet, als äußerer Anlass für Entwicklungen, deren Ursachen und Verlauf in gesellschaftlichen Strukturen angelegt sind. Eine solch radikal-konstruktivistische Sichtweise ignoriert aber die unzähligen Verflechtungen zwischen Natur und Gesellschaft, die nur bedingt auflösbar sind, und schreibt somit die traditionelle Dichotomie zwischen den beiden Sphären fort. Gerade die Geschichte von Flussüberschwemmungen lässt sich aber nicht schreiben, ohne auf die Wechselseitigkeit dieser Beziehung einzugehen. Nur weil die Gesellschaft vom Fluss profitierte, konnten Überschwemmungen überhaupt zu einem Problem werden. Nähe zum Wasser bedeutete eben nicht nur Exponiertheit gegenüber Naturgefahren, sondern bot auch und gerade ökonomische Anschlussmöglichkeiten. Das eine war ohne das andere oft nicht zu haben, und die Menschen am Ohio River waren sich dieser Wechselwirkung durchaus bewusst. Die konstruktivistische Literatur erweckt oft den Eindruck, man könne Überschwemmungen am besten dadurch vorbeugen, indem man ihnen einfach aus dem Weg geht bzw. sich ihnen nicht in den Weg stellt. Wenn nur alle Wohngebiete, Industrieanlagen, Straßen etc. aus den Überschwemmungsgebieten entfernt würden, dann gäbe es auch keine Schäden, Verletzten und Tote mehr.53 Dies ist sicherlich richtig, aber bezeichnenderweise war bislang noch keine Gesellschaft bereit, diesen Weg zu gehen. Der wichtigste Grund hierfür liegt darin, dass viele gesellschaftliche Praktiken und Institutionen (wie etwa industrielle Fertigungsprozesse oder die Energiegewinnung durch Wassermühlen) so eng mit dem Fluss verwoben waren, dass man entweder ganz auf sie hätte verzichten müssen oder Ersatz nur zu sehr hohen Kosten verfügbar war. Der Preis für eine solch radikale Lösung wäre sehr hoch, selbst in heutigen Zeiten, in denen Flüsse längst nicht mehr die Rolle spielen, die sie früher hatten. Historisch betrachtet ist eine solche Abkehr vom Fluss auch nie als realistische Option verhandelt worden. Das fluviale Gefahrenmanagement erscheint rückblickend als ein trial and error-Prozess, das funktional eher als »Spiel« erscheint, ein fortwährendes, wortwörtliches Vor und Zurück auf der Suche nach der günstigsten Kombination von erwarteter Gefahr und erhofftem Nutzen. Dabei konnten zu verschiedenen Zeiten völlig unterschiedliche Strategien opti 53 So zum Beispiel Kelman, Natural Disasters Do Not Exist.

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mal sein. Von dieser Warte aus betrachtet sind Überschwemmungen akzidentielle »Störungen«, die die jeweils dominanten Risikostrategien im Umgang mit der natürlichen Dynamik immer wieder einem Test unterziehen. Gerade weil gesellschaftliche Prozesse so eng mit natürlichen Prozessen verwoben sind, entstehen aus diesem Gemenge immer wieder Gefahren, die man durchaus als Naturgefahren bezeichnen sollte. Ziel dieser Arbeit ist es daher auch, die Natur wieder stärker in die Naturkatastrophenforschung einzuschreiben, natürlichen Prozessen dabei agency zuzusprechen, ohne in deterministische Argumenta­ tionsmuster abzugleiten. Wenn im vorigen Kapitel gezeigt worden ist, wie Naturkatastrophen gesellschaftlich konstruiert werden, dann soll im Folgenden ausgeführt werden, wie natürliche Gegebenheiten und Prozesse der Gesellschaft Chancen eröffnen und Grenzen aufzeigen.

Wasserwelten Keine Gesellschaft dieser Welt war oder ist ohne Wasser überlebensfähig. Die Gesundheit, der Wohlstand und die Sicherheit »of any and all societies« hängen zu einem großen Teil  davon ab, ausreichende Mengen an ausreichend sauberem Wasser zur richtigen Zeit an die richtigen Orte zu bringen, ohne dabei allzu viele Schäden zu verursachen, wie der Umwelthistoriker John McNeill treffend festgehalten hat.54 Diese Aufgabe ist, trotz oft naheliegender Wasserressourcen, alles andere als leicht zu bewältigen, denn 97 Prozent der Hydrosphäre, also der »Wasserwelt«, befinden sich als untrinkbares und zu großen Teilen unbrauchbares Salzwasser in den Ozeanen. Die Kraft der Sonne sorgt allerdings dafür, dass ein Bruchteil dieser gewaltigen Menge, etwa eine halbe Million Kubikkilometer pro Jahr, über den Weltmeeren verdunstet.55 Von den gesamten Süßwasserbeständen auf der Erde sind knapp 70 Prozent in den Polarkappen und Gletschern »gefangen« und stehen dem Wasserkreislauf somit nicht zur Verfügung, solange steigende Temperaturen diese Reserven nicht wieder freisetzen. Von dem Rest liegen wiederum 98 Prozent in mehr oder weniger tiefen Wasserschichten unter der Erde, so dass sich insgesamt nur 54 John R. McNeill, Something New under the Sun. An Environmental History of the Twentieth-Century World. New York, London, 2000, 118. Vgl. auch Terje Tvedt u. a., A History of Water, 3 Bde., New York 2006; Günther Garbrecht, Wasser. Vorrat, Bedarf und Nutzung in Geschichte und Gegenwart. Reinbek bei Hamburg 1985; Hartmut Böhme, Kulturgeschichte des Wassers. Frankfurt a. M. 1988; Ivan Illich, H 2O and the Waters of Forgetfulness. Dallas, TX, 1985; Leopold Schua / Roma Schua, Wasser. Lebenselement und Umwelt. Die Geschichte des Gewässerschutzes in ihrem Entwicklungsgang dargestellt und dokumentiert. Freiburg, München 1981. 55 Vgl. McNeill, Something New under the Sun, 119; Richard White, The Organic­ Machine. The Remaking of the Columbia River. New York 1995, 6.

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etwa 0,25 Prozent des weltweit verfügbaren Wassers in Flüssen und Seen befindet, also dort, wo es am leichtesten zugänglich ist.56 Der Niederschlag über dem Einzugsgebiet eines Flusses verdunstet zu einem kleinen Teil wieder in die Atmosphäre. Ein zweiter Teil fließt direkt über die Erdoberfläche in die Bäche und Flüsse und damit wieder in die Ozeane zurück; ein dritter Teil sickert in den Boden, wo er von Pflanzen und Baumwurzeln aufgenommen und nach der »Verarbeitung« wieder abgegeben wird (Evapotranspiration), und ein vierter Teil schließlich fließt ins Grundwasser.57 Insgesamt stehen jedem Menschen auf der Erde im Schnitt 2.000 Kubikmeter Wasser pro Jahr zur Verfügung, was im Prinzip mehr als ausreichend ist, jedoch durch die ungleiche weltweite Verteilung der Wasserressourcen und deren ineffiziente Nutzung immer wieder zu Problemen führt. Dies gilt nicht nur in globalem Maßstab, sondern auch innerhalb hinreichend großer Flächenstaaten.58 So verläuft mitten durch die USA eine Grenze, die weit weniger bekannt ist als die gängigen politischen Demarkationslinien. Östlich einer Linie, die sich grob von etwa der Mitte Texas’ bis hoch nach Kanada zieht, liegt die jährliche Niederschlagsmenge über 20 Zoll, also gut 50 Zentimeter (oder 500 Liter pro Quadratmeter), westlich davon liegt sie in den meisten Gebieten (teilweise deutlich) darunter. 20 Zoll ist nun keine willkürliche Zahl, sondern entspricht in etwa der­ jenigen Menge an Niederschlag, die pro Jahr erforderlich ist, um ohne Bewäs­ serung Landwirtschaft betreiben zu können. »At this fault the ways of live and living changed«, hielt Walter Prescott Webb schon 1931 fest.59 Dieser Mangel an Wasser und die daraus resultierenden gesellschaftlichen und politischen Konsequenzen standen im Mittelpunkt der umweltgeschichtlichen Reinterpretation der Geschichte des amerikanischen Westens. Maßgebend waren und sind hier die Arbeiten Donald Worsters, der, in Anlehnung an Karl August Wittfogel, diese Region als »hydraulische Gesellschaft« beschrieben hat. Der Westen müsse als »unique region of the United States« verstanden werden, »one that could be understood only in terms of its own arid environment and of its

56 Vgl. McNeill, Something New under the Sun, 119–120; Wilfried Brutsaert, Hydrology. An Introduction. Cambridge, New York 2005, 2–5. 57 Vgl. Alice Outwater, Water. A Natural History. New York 1996, 27. 58 Vgl. McNeill, Something New under the Sun, 119–120. Von mikroklimatischen Besonderheiten, die auch auf kleinstem Raum zu sehr verschiedenen Niederschlagsmengen führen können, wird hier ebenso abgesehen wie von einer näheren Erläuterung des immer größer werdenden Problems der Wasserknappheit. Vgl. zu Letzterem Diane Raines Ward, Water Wars. Drought, Flood, Folly, and the Politics of Thirst. New York 2002. 59 Walter Prescott Webb, The Great Plains. Boston 1931, 8. Vgl. auch Stephen S. Visher, Regionalization of the United States on a Precipitation Basis, in: Annals of the Association of American Geographers 32 (4/Dezember 1942), 355–370.

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people’s ingenuity in meeting that condition.«60 Von besonderer Bedeutung war für ihn dabei der Zusammenhang zwischen der Kontrolle von Wasserressourcen und der Ausübung und Konsolidierung politischer und gesellschaftlicher Macht. Generell impliziert die lange Zeit vorherrschende Fokussierung der US-amerikanischen Forschung auf den Wassermangel im ariden Westen jedoch, dass nur zu wenig, nicht aber zu viel Wasser ein Problem darstelle. Wie aus Worsters Metaphorik aber zumindest ansatzweise hervorgeht, stellt auch der Überfluss an Wasser eine gesellschaftliche Herausforderung dar, die nach  – allerdings grundlegend anderen  – Antworten verlangt. Die Entwässerung von Sümpfen und anderen wetlands und der Umgang mit Überschwemmungen kann dabei in Hinsicht auf die Dauerhaftigkeit des Problems und das institutionelle Arrangement zu dessen Lösung durchaus als funktionales Äquivalent der Irrigation im Westen angesehen werden, wie schon 1940 ein Mitarbeiter aus dem Depart­ ment of Agriculture feststellte: In the western areas of the United States where there is scarcity of water, it becomes a very important item; that is, the amount of water that can be held on the land governs to a great extent the production that can be obtained. […] On the other hand in those areas where there is a plethora of water the amount of production may be commensurate with the orderly way in which a large amount of the water which falls can be removed from the land without its destruction by erosion and scour. Unless these two aspects are fully recognized, a proper evaluation of our water control measures is not possible. We must recognize that private owners in the arid areas are interested in water conservation while owners in humid areas are interested in the orderly removal of much of their water from their land.61

Im Süden der USA war zum Beispiel trotz ständig auftretender Dürre­perioden der Überschuss an Wasser ein größeres Problem als dessen Mangel. Auch hier erforderten die Bedürfnisse der neuen Siedlungen und der expandierenden Plantagenwirtschaft massive Eingriffe in die natürliche hydrologische Dynamik. »The problem […] was primarily how to keep excess water off agricul 60 Worster, Rivers of Empire, 13; Karl A. Wittfogel, Oriental Despotism. A Comparative Study of Total Power. New Haven, CT, 1957. Vgl. auch Marc Reisner, Cadillac Desert. The American West and its Disappearing Water. New York 1986. 61 Print Hudson, The U. S. Department of Agriculture Flood Control Program. P ­ aper Read Before the Southwest Mississippi Basin »A« Subcommittee of the Water Resources Committee of the National Resources Planning Board«, Little Rock, AK, 18.3.1940, NARA, RG 16, Records of the Office of the Secretary of Agriculture / Office of Plant and Opera­ tions / Subject File of the Coordination of Flood Control Program, 1937–1942 (SFCFCP), B29, F »2-371 Water Resources Committee General«. Vgl. auch Donald J. Pisani, Beyond the Hundredth Meridian. Nationalizing the History of Water in the United States, in: Environmental History 5 (2000), 466–482, der argumentiert, »that water in the humid half of the nation posed as much of a challenge to those who would reorder nature as water in the arid and semiarid region.« (466)

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tural land rather than bring water to it«, wie Mikko Saikku festgehalten hat.62 Einige Gebiete, wie zum Beispiel der Great Black Swamp im Nordwesten des Staates Ohio, der sich über knapp 5.000 Quadratmeilen erstreckte, waren so schwer zu entwässern, dass sie noch am Ende des neunzehnten Jahrhunderts eine Barriere für die Besiedelung darstellten.63 Was den Kapitalaufwand und die Menge an eingesetzter technologischer Expertise anging, stand das »Wasserproblem« im Osten der USA dem im Westen des Landes in nichts nach. Folgerichtig fordert Donald J. Pisani, den 100. Längengrad als »scholarly demarcation« aufzugeben.64 Eine ausgeglichenere historische Betrachtung des Wassermanagements der USA könnte den Blick dafür schärfen, dass Überschwemmungen demselben hydro-meteorologischen Ursachenkomplex entstammen wie Be- und Entwässerungsprobleme. In allen Fällen geht es darum, den natürlichen Wasser­k reislauf so zu manipulieren, dass er den jeweiligen ökonomischen und sozialen Anforderungen entspricht. Allerdings stellen Überschwemmungen die von ihnen betroffenen Gesellschaften vor ganz andere Herausforderungen. Überspitzt formuliert stehen der »hydraulischen Gesellschaft« im Westen »Risikogesellschaften« an den Flussläufen im Osten gegenüber – von den präkolonialen indigenen Gesellschaften im Ohio Valley bis in die Gegenwart.65 Gerade die räumliche und zeitliche Konzentration des Hochwasserproblems machte dieses zu einer genuin anderen Herausforderung als diejenige, der sich hydraulische Gesellschaften ausgesetzt sahen. Das Überschwemmungsrisiko erforderte vor allem ein ständiges Abwägen der Vor- und Nachteile, die mit der Nutzung der Überschwemmungsgebiete des Flusses verbunden waren. »Complete prevention of floods is a physical impossibility«, hielt 1954 ein Standardwerk zum Hochwasserschutz fest. »We must buy our flood-plain occupancy at a price, and the price depends on the degree of flood control desired.«66

62 Saikku, This Delta, This Land, 139. Saikku erinnert daran, dass für Wittfogel auch Hochwasserschutzbauten zur hydraulischen Gesellschaft gehörten (ebd.). 63 Douglas R. Hurt, The Ohio Frontier. Crucible of the Old Northwest, 1720–1830. Bloomington, IN, 1996, 5. 64 Pisani, Beyond the Hundredth Meridian, 478. 65 Vgl. etwa Sally Anderson Chappell, Cahokia. Mirror of the Cosmos. Chicago 2002, 21; Jon Muller, Archaeology of the Lower Ohio River Valley. Orlando, FL, 1986, 243. 66 Luna Bergere Leopold / Thomas Maddock, Jr., The Flood Control Controversy. Big Dams, Little Dams, and Land Management. New York 1954, 14.  Vgl. auch Keith Richards (Hg.), River Channels. Environment and Process. Oxford 1987; Asit K. Biswas, History of Hydrology. Amsterdam, London 1970; Brutsaert, Hydrology. Beide Schreibarten von floodplain / flood plain sind gängig.

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Der Ort der Gefahr Diese »flood-plain occupancy« fordert vor allem deshalb einen so hohen Preis, weil Überschwemmungsgebiete aus hydrologischer Perspektive ein integraler Bestandteil des Flusses sind, eine Tatsache, die oft vergessen wird. »The ­average American has some unrealistic ideas about rivers and floods«, konstatierten Luna B. Leopold und Thomas Maddock 1954: »[…] man grows crops or has built buildings on an area which the river must at times cover with water. Man has encroached on a part of the river, and when he gets flooded out he berates the­ river for the destruction wrought.«67 Dementsprechend beschreibt die Verwendung der Begriffe »Flut« und »Überschwemmung« viel stärker gesellschaftliche Konventionen im Umgang mit Naturgefahren als vermeintlich exakte, wissenschaftlich klar definierbare Grenzen. »›Flood‹ is a highly anthropocentric term«, bemerkt Mark Cioc, »rooted in the human proclivity to think of a river as having a fixed length but no pre­scribed breadth, with the result that the floodplain is often used for farms and settlements as if it were not part of the river’s system.«68 Die Grenzwerte, ab denen »Hochwasser« herrscht, richten sich daher oft danach, ab welchem Pegel­stand Schaden an Häusern, Straßen, Fabriken, etc. erzeugt wird, so dass solche Marken weniger Extremwerte der natürlichen Dynamik repräsentieren als vielmehr das Ausmaß der gesellschaftlichen Nutzung der Überschwemmungsgebiete widerspiegeln, an die sich der Fluss, zumindest wird dies suggeriert, anzupassen hat.69 Aus ökologischer Perspektive sind Überschwemmungsgebiete Ökotone, also Übergangszonen zwischen zwei Ökosystemen (in diesem Fall dem terrestrischen und dem aquatischen), ähnlich der Baumgrenze in den Alpen oder dem Bereich zwischen Wald und Prärie. Gleichzeitig stellen Überschwemmungsgebiete, wie andere Übergangszonen auch, ein eigenes Ökosystem dar, das sich durch die mehr oder weniger regelmäßige Überflutung des Landes auszeichnet. Flora und Fauna in diesen Gebieten hängen in starkem Maße von Faktoren wie der Höhe des Wasserstandes oder der Regelmäßigkeit und Frequenz ab, mit der dieser changiert.70 67 Leopold / Maddock, Flood Control Controversy, 9. 68 Cioc, Rhine, 33. Vgl. dagegen aus hydrologischer Perspektive Leopold / Maddock, Flood Control Controversy, 14: »Where  a flood plain exists, therefore,  a flood is any flow which spreads out over the flood plain.« 69 Vgl. etwa Keith Smith / Graham Tobin, Human Adjustment to the Flood Hazard. London, New York 1979, 55. 70 Vgl. allgemein John Gillis, The Human Shore. Seacoasts in History. Chicago 2012; Uwe Lübken, ›Poor Dumb Brutes‹ or ›Friends in Need‹? Animals and River Floods, in: Dorothee Brantz (Hg.), Beastly Natures. Human-Animal Relations at the Crossroads of Cultural and Environmental History. Charlottesville, VA, 2010, 246–263 (248–249).

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In gesellschaftlicher Hinsicht schließlich ist die floodplain der Ort, an dem nahezu der gesamte von Fluten verursachte Schaden entsteht. Hier konkurriert die gesellschaftliche Nutzung des Flusses mit der hydrologischen Dynamik. Diese Konkurrenz zeigt sich am deutlichsten in der urbanen Nutzung der Überschwemmungsgebiete. Hier leben die meisten Menschen in der floodplain, hier sind die industriellen Anschlussmöglichkeiten des Flusses am größten, und hier sind die Infrastrukturen eng an die Wasserwege gekoppelt. Allerdings darf der Fokus auf die städtische Nutzung der Überschwemmungsgebiete nicht dazu verleiten, die Entwicklungen in kleineren Städten und den ländlichen Regionen zu vernachlässigen, wo oft andere Vulnerabilitäts- und Resilienzmuster anzutreffen sind. Bei einem hydrologischen Extremereignis sind allerdings nicht alle Überschwemmungsgebiete eines Flusses zur gleichen Zeit in gleichem Maße betroffen, was den methodischen Zugriff auf die Geschichte von Überschwemmungen, gerade bei großen Flusssystemen, erheblich erschwert. 1853 hielt Charles Ellet in seinem Standardwerk The Mississippi and Ohio Rivers fest, dass Hochwasser an einem Fluss wie dem Ohio mit einer Welle zu vergleichen sei, die immer nur an kurzen Abschnitten, niemals aber am ganzen Flussverlauf zu Überschwemmungen führe: »When there is a great rise at Pittsburg [sic], there is no perceptible rise […] at Louisville; and when the flood originating in Pittsburg has reached Louisville, the water has always subsided again at Pittsburg.«71 Darüber hinaus ist Flussgeschichte, wenn man sie als Umweltgeschichte betreibt, nie nur die Geschichte des Hauptstroms, sondern auch die seiner Zuflüsse. Zum Ohio River System gehören Allegheny und Monongahela ebenso wie der Miami und der Kentucky River (und wiederum deren Zuflüsse). Neben dem Hauptstrom und seinen Zuflüssen ist aus hydrologischer Perspektive das Einzugsgebiet der Flüsse die ohne Zweifel wichtigste Determinante des Hochwassergeschehens. Zusätzlich zur Größe der drainage area und meteorologischen Faktoren wie der Häufigkeit und Intensität von Niederschlägen haben Charakteristika wie Bodenbeschaffenheit, Baumbestand und Vegetation einen erheblichen Einfluss auf das Abflussregime, von dem letztlich die Pegelstände abhängen. Diese Eigenschaften dürfen jedoch nicht als exogene und über den Zeitverlauf konstante Größen betrachtet werden. Vielmehr waren und werden die Abflusseigenschaften im Einzugsgebiet erheblich von gesell 71 Charles Ellet, The Mississippi and Ohio Rivers. Containing Plans for the Protection of the Delta from Inundation; and Investigations of the Practicability and Cost of Improving the Navigation of the Ohio and Other Rivers by Means of Reservoirs. Philadelphia 1853, 296. Vgl. auch John M. Lansden, A History of the City of Cairo, Illinois. Chicago 1910, 72, über Cairo, Illinois: »It may also be remarked that while the rivers may be very high at St. Louis or at Cincinnati, Louisville or Evansville or even at Paducah, it does not follow that they will be high here at all. High water at those places seldom attracts attention here; and especially is this the case with the Mississippi River.«

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schaftlichen Kräften beeinflusst. Bevölkerungsdruck und die damit verbundene starke Besiedelung, Entwässerung, Entwaldung und Versiegelung weiter Teile der Landschaft haben dazu beigetragen, den Abfluss der Niederschläge zu beschleunigen.

Die Zeiten der Gefahr Methodisch vielleicht noch schwerer zu fassen als die räumliche Dimension von Überschwemmungen ist deren zeitliche Abfolge. Fluten am Ohio sind, wie an fast allen anderen Flüssen auch, sowohl Ausnahmeerscheinungen wie Alltagsphänomene. Während »Jahrhunderthochwasser« wie in den Jahren 1884 oder 1937 per definitionem nur sehr selten vorkamen (allerdings nicht notwendigerweise nur einmal pro Jahrhundert), war das Leben am Fluss auch geprägt von viel häufigeren »normalen« Überschwemmungen. Zwischen 1873 und 1913 zum Beispiel gab es kein einziges Jahr, an dem der Ohio nicht an einer Stelle über seine Ufer getreten wäre; in manchen Jahren geschah dies sogar fünfmal.72 Aus dieser Unsicherheit und Unwissenheit über die zeitliche Abfolge von »normalen« und außergewöhnlichen Überschwemmungen ergeben sich etliche Probleme, beispielsweise für die Landnutzung in den Überschwemmungsgebieten. Wie soll man etwa die jahrzehntelange Freihaltung riesiger Flächen für Retentionsbecken und spillways rechtfertigen, wenn der Ernstfall Jahr um Jahr nicht eintritt. Solche disaster gaps sind gerade historisch aus mehreren Gründen von großer Bedeutung. Sie schaffen Ruhe für die »normale« Entwicklung einer Region, ungestört von natürlichen Extremereignissen. Darüber hinaus erodiert die Gewöhnung an das Ausbleiben einer Katastrophe die Bewältigungskapazitäten und das Gefahrenwissen einer Gesellschaft, und sie lässt die Rufe nach development lauter werden.73 Auch Hochwasserschutzprojekte, bereits existierende ebenso wie geplante, verlieren an Legitimation. Schließlich tragen solche Desasterlücken auch dazu bei, den Erhalt von Schutzbauten zu vernachlässigen, wenn deren Funktionalität nicht bei regelmäßigen »Tests« geprüft wird.74 Ironischerweise wird so gerade das Ausbleiben von Überschwemmungen zu einem massiven Problem des Hochwasserschutzes. 72 Albert H. Horton / Howard J. Jackson, The Ohio Valley Flood of March-April 1913 (including Comparisons with Some Earlier Floods). Department of the Interior, United States Geological Survey (Water-Supply Paper 334). Washington, DC, 1913, 7. 73 Für New Orleans vor Hurrikan Katrina haben Craig Colten und Amy Sumpter hervorgehoben, dass »the pause between major storms permitted a loss of preparation for the expected«. Craig E. Colten / Amy R. Sumpter, Social Memory and Resilience in New Orleans, in: Natural Hazards 48 (2009), 355–364 (360). 74 Für die Schweiz vgl. Christian Pfister, Die ›Katastrophenlücke‹ des 20. Jahrhunderts und der Verlust traditionalen Risikobewusstseins, in: GAIA 18 (3/2009), 239–246.

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Auch ein anderer als der prognostizierte oder erwartete Verlauf einer Flut kann Probleme und Kosten verursachen. So konstatierte das Wall Street Journal 1901, nachdem der Ohio in Cincinnati nicht so stark angestiegen war wie befürchtet, dass zwar der Handel in der vorangegangenen Woche stark unter den Regenfällen und Überschwemmungen gelitten habe, […] worry, however, was the worst feature of the whole affair. So frightened were the manufacturers that preparations were made by the large majority for floods that had never before been reached with the result that the greatest damage was the moving of materials out of harm’s way and the loss of time and expense of such moving.«75

Wenn die Gefahr, ernsthaft geschädigt zu werden über lange Zeiträume gering erschien, nahm auch das Bedürfnis nach Absicherung ab.76 Umgekehrt er­ zeugen Sequenzen von heftigen Überschwemmungen in kurzer Zeit wie zum Beispiel die Rekordfluten am Ohio 1883 und 1884 oder 1936 und 1937 enormen Handlungsdruck. Für die Geschichte einer Region schließlich ist es nicht ohne Bedeutung, zu welchem Zeitpunkt in ihrer Entwicklung sie von einem desaströsen Naturereignis heimgesucht wurde. Die Regenmengen, die 1937 im Ohio Valley niedergingen und die Überschwemmungen erzeugten, die dem maximal möglichen Wasserstand sehr nahe kamen, hätten ebenso gegen Mitte des neunzehnten Jahrhunderts fallen können. Eine solche »maximum probable flood« zu diesem Zeitpunkt hätte aber sehr wahrscheinlich gravierende Auswirkungen auf Hochwasserschutz und Ansiedlungsstrategien gehabt. Die sich hier offenbarende Kontingenz spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle im Umgang mit Überschwemmungen.77

75 Wall Street Journal, 27. April 1901. 76 Vgl. beispielsweise den Bericht des Department of Housing and Urban Development aus dem Jahr 1965: »For numerous reasons, local efforts to prevent unwise use of floodprone areas are not completely successful. Largely because of the erratic timing of flood losses, most nonprofessional local people underestimate the hazard of flooding. If there has been no d ­ amaging flood for say, 10 years, there is a tendency to think there never will be one, although the hydrologist may well consider the area hazardous.« Insurance and other Programs for Financial Assistance to Flood Victims. A Report from the Secretary of the Department of Housing and Urban Development (HUD) to the President, as required by the Southeast Hurricane Disaster Relief Act of 1965 (Public Law 89–339, 89th Congress, H. R. 11539, 8.11.1965), 8.8.1966, 40, NARA, RG 311, Records of the Federal Emergency Management Agency (FEMA) / Entry (E) 2, B2. 77 Der Lokalhistoriker Samuel P. Hildreth schrieb 1838 über die erste von den euroamerikanischen Siedlern wahrgenommene Flut im Jahr 1772: »[…] had the bottom grounds been filled with inhabitants as at the present day [1838], it would have spread ruin and devastation over every town and hamlet on its borders.« Samuel P. Hildreth, A Brief History of the floods in the Ohio river, from 1772 to 1832, with observations on the events connected therewith, in: Journal of the Historical and Philosophical Society of Ohio 1 (1/1838), 43–63 (46).

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1.3 Flussregime Dieses asymmetrische Verhältnis von stetiger preparedness auf der einen, und plötzlicher, in manchen Fällen fast überfallartiger Gefährdung auf der anderen Seite, ist charakteristisch für die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Überschwemmungen. Im Unterschied zu vielen anderen Umweltproblemen ist beim Hochwasserschutz überhaupt nicht klar, wann und in welcher Intensität die Problemlage auftreten wird. Dieser Aspekt von Überschwemmungen hat einen stark aleatorischen Charakter. Zwar können aufgrund der Erkenntnisse der modernen Hydrologie die theoretischen Extremwerte eines Flusses ebenso wie die Wahrscheinlichkeit eines Extremereignisses seit geraumer Zeit ziemlich genau bestimmt werden; die konkrete Kombination von Zeitpunkt und Ausmaß einer Flut ist heute allerdings kaum genauer prognostizierbar als vor 150 Jahren. Damit wird aber die vom Rhythmus natürlicher Prozesse generierte Unsicherheit selbst zum Problem. »A standing fear is a destruction of the value of the real property, and a strain which business and credit cannot endure«, kommentierte etwa die Commercial Gazette die Ungewissheit, die sich bei Geschäftsleuten in Cincinnati nach der Flut von 1883 eingestellt hatte.78 Gerade die Unvereinbarkeit von sporadischem, unvorhersehbarem Verhalten der Natur mit der langfristigen gesellschaftlichen und politischen Planung machen Fluten zum Problem. Aus diesem Dilemma entstehen immer wieder Zielkonflikte und Legitimationsprobleme des Hochwasserschutzes. »­Action Dies gilt auch für andere Naturgefahren, deren zeitliche Abfolge ebenfalls keinen erkennbaren Regeln zu folgen scheint. 1912 fragte sich zum Beispiel der Lokalhistoriker John P. Young aus San Francisco, ob es ungünstig war, dass die Stadt erst 1906 dem Test eines schweren Erdbebens unterzogen wurde. Hätte die Westküstenmetropole bereits in ihren frühen Jahren ein solches Ereignis erfahren, als das Schadenspotenzial nicht annähernd so groß war, dann hätten die Bürger vielleicht Maßnahmen ergriffen, das Risiko schwerer Zerstörungen in der Zukunft zu minimieren. John P. Young, San Francisco. A History of the Pacific Coast Metropolis. San Francisco 1912, 170. Zu Frage, ob natürliche Extremereignisse statistisch wirklich zufällig verteilt sind, vgl. Philip E. Graves / Anne E. Bresnock, Are natural hazards temporally random?, in: Applied Geography 5 (1985), 5–12. 78 Zitiert in der Washington Post, 17.2.1883. Noch 1960 konstatierte ein ehemaliger In­ genieur des Army Corps of Engineers: »So far we have no way of predicting a flood, except that when it is obvious that a lot of rain is falling in a particular area, and the creeks start to rise, we know that there is going to be a flood crest. This could be next week. Given the proper circumstances of rainfall, that is, a given quantity over a particular area, all quite within the realm of possibility, we could have the greatest flood in Ohio’s history next week.« Interview mit Miles M. Dawson, in: Ohio Water Commission, The Problem, 4. Vgl. auch Max C. Tyler, An Engineer’s Appraisal of the Flood Problem, in: American Forestry Association, Flood Control. Papers Presented at the Sixty-Second Annual Meeting of the American Forestry Association, Cincinnati und Zanesville, OH,1937, 31–36 (32): »All our studies of precipitation and runoff indicate that greater floods than any of record may happen in any year.«

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on flood problems is easy to suspend or delay in favor of the immediate, more persistent problems«, hielt der Ingenieur Miles Dawson 1960 fest.79 Die Frequenz natürlicher Großereignisse scheint mit dem Rhythmus modern-bürokratischer Planung nur sehr schwer vereinbar zu sein.80 Diese Asymmetrie manifestiert sich auch im widersprüchlichen Charakter der Schutzbauten, die sich »nicht nur unter normalen Verhältnissen auf eine möglichst lange Sicht bewähren« müssen, »sondern vor allem in der meist verhältnismäßig kurzen Zeit extremer Katastrophenwasserführungen«. Obwohl diese Bauten die Hydrologie eines Flusses und die Landschaft oft auf Jahrzehnte hinaus prägen, werden sie, wie Siegfried Posegger hervorgehoben hat, »in ihren Ausmaßen und ihrer Anordnung weniger für die Dauer errichtet als oft nur für wenige Stunden der Bewährung.«81

Risikogesellschaften und Risikogeschichte Donald Worster hat in einem Vergleich von Hochwasserschutz auf der einen, und Bewässerungsmaßnahmen auf der anderen Seite festgestellt: »The difference is between holding an umbrella over your head when it rains and making the rain go somewhere else. The first is a momentary defense, the second a concerted attempt to control and defeat a threat once and for all«.82 Während diese Metaphorik den spontanen Charakter der Überschwemmungsgefahr sehr gut zu fassen vermag, so ignoriert sie gleichzeitig die permanenten Aspekte der Gefahrenabwehr. Naturgefahrenmanagement und Hochwasserschutz im Besonderen gleichen weniger einem Regenschirm, der nur dann zum Einsatz kommt, wenn die Gefahr auftritt, sondern sind vielmehr durch eine erstaunliche Dauerhaftigkeit geprägt. Planung, Konstruktion und physische Existenz von Hochwasserschutzbauten erreichen schnell die Dauer von Jahrzehnten. Johann Gottfried Tullas Rheinregulierung, die zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts begonnen wurde, und die primär dem Schutz vor Fluten diente, nahm, bis sie von seinen Nachfolgern fertiggestellt wurde, ein halbes Jahrhundert in Anspruch. Ebenso lange dauerte die Umsetzung des »comprehensive plan« 79 Interview mit Miles M. Dawson, in: Ohio Water Commission, The Problem, 1. 80 Vgl. James C. Scott, Seeing Like a State. How Certain Schemes to Improve the Human Condition Have Failed. New Haven, CT, London 1998. 81 Siegfried Posegger, Katastrophenjahre in Kärnten – Schutz und Hilfe bei Hochfluten, in: Landesregierung Kärnten (Hg.), Hochwasser und Raumplanung. Ursachen, Vorbeugung und Massnahmen (Referate, gehalten bei der I. Internationalen Tagung zur vorbeugenden Bekämpfung von Hochwasserschäden). Klagenfurt 1971, 15–19, (16). 82 Worster, Rivers of Empire, 20. Vgl. auch Robert W. Kates, Industrial Flood Losses. Damage Estimation in the Lehigh Valley (University of Chicago, Department of Geography Research Paper No. 98). Chicago, IL, 1965, 7, der Hochwasserschutz mit der Funktion eines Sprinklersystem in einer Fabrik vergleicht.

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am Ohio. Konzipiert nach der Flut von 1937, wurde erst 1978 der letzte Damm errichtet.83 Dämme und Deiche werden nach der Flut eben nicht einfach wieder ab­ gebaut. Der Regenschirm wird, um im Bild zu bleiben, auch über den Köpfen der Betroffenen gehalten, wenn es nicht regnet. Dass die Vorbeugung, Bekämpfung und Bewältigung von Überschwemmungen mehr als nur temporären Charakter hat, zeigt sich aber nicht nur am baulichen Hochwasserschutz, sondern auch an kulturellen Adaptionstrategien wie dem Erinnern oder dem Vergessen von Katastrophen, an Institutionen wie dem Roten Kreuz, an Maßnahmen zur Wiederaufforstung in den Einzugsgebieten, an der Stadt- und Landschafts­ planung und an der finanziellen Dimension des Hochwassermanagements, etwa in der Form von staatlichen Beihilfen oder Versicherungssystemen.84 So haftet alleine das National Flood Insurance Program mittlerweile für die gigantische Summe von 1.250 Milliarden Dollar.85 Der Umgang mit Überschwemmungen unterliegt somit einem expliziten oder impliziten Risikokalkül, das die erwartete Beeinträchtigung durch die natürliche Dynamik gegen den durch das Leben am Fluss gewonnenen Nutzen abwägt. Dieses Kalkül ist allerdings bei weitem nicht so rational, wie der Begriff implizieren mag. Die Erwartung, Bekämpfung und Verarbeitung von Hoch­ wasserkatastrophen ist vielmehr einer großen Zahl von Einflussfaktoren ausgesetzt, zu denen die Erfahrungswerte der lokalen Bevölkerung ebenso gehören wie der Technik- und Wissenschaftsdiskurs der Ingenieure und Hydrologen, die ökonomischen Interessen der Nutzer des Flusses oder geschlechtlich determinierte Vorstellungen vom »Kampf gegen die Natur«. Zudem differieren die Risikoarten nach sozialen Gruppen. »Vermutlich wird man auch zu berücksichtigen haben«, hat Niklas Luhmann festgestellt, »daß die Katastrophenschwelle sehr verschieden gezogen wird je nach dem, ob man am Risiko als Entschei-

83 Zu Tulla und den Folgen vgl. Christoph Bernhardt, Zeitgenössische Kontroversen über die Umweltfolgen der Oberrheinkorrektion im 19.  Jahrhundert, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 146 (1998), 293–319; ders., Im Spiegel des Wassers. Flussbau als europäische Umweltgeschichte am Beispiel des Oberrheins 1800–2000. Habilitationsschrift an der TU Darmstadt, 2 Bde., Berlin 2007. 84 Vgl. Marie Luisa Allemeyer, ›Kein Land ohne Deich…!‹ Lebenswelten einer Küstengesellschaft in der Frühen Neuzeit. Göttingen 2006. Für eine Übersicht über die Kosten, die Hochwasserschutz verursachen kann, vgl. die Aufstellung Funds Appropriated and Obligated for General Flood Control. Fiscal Years 1938–1942, in: Gilbert F. White, Human Adjustment to Floods. A Geographical Approach to the Flood Problem in the United States (Research Paper 29, Department of Geography, University of Chicago). Chicago 1945, 13. Für den Aufbau eines Hochwasserinformationssystems in Großbritannien vgl. Smith / Tobin, Human Adjustment to the Flood Hazard, 57–62. 85 Judith Kildow / Jason Scorse, End Federal Flood Insurance, New York Times, 29.11. 2012.

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der oder als von riskanten Entscheidungen Betroffener beteiligt ist«.86 Der Umgang mit Naturgefahren und Naturkatastrophen ist somit nur dann erklärbar, wenn aus der »Gefahrengeschichte« eine »Risikogeschichte« wird, wenn aus der oft eindimensionalen Fokussierung auf die Bedrohung eine relationale Analyse wird, die Nutzen und Gefahr des Flusses als eng miteinander verbunden und nicht als separate Phänomene behandelt. Die Geschichten von Fluss und Gesellschaft verlaufen ko-evolutionär.87 Ebenso wie die Gesellschaft den Fluss wortwörtlich in gewisse Bahnen gelenkt hat, wurde die Nutzung des Flusses durch dessen Dynamik geprägt. Mit Verena Winiwarter und Martin Schmid kann man Flüsse als »sozionaturale Schauplätze« analysieren – ein Konzept, das sowohl der Gesellschaft wie auch der Natur Handlungsmacht zuspricht.88 Gleichzeitig betont dieses Konzept die Bedeutung von »Vermächtnissen«, also des Gewordenseins einer bestimmten Auseinandersetzungsweise mit dem Fluss: Human practices in the past changed material arrangements in the riverscapes and these changed arrangements became constraints for later practices. Arrangements are inherited; they offer options for some and make other practices impossible.89

Die Koppelung von Fluss und Gesellschaft verlief über die Zeit eben nicht linear, sondern war geprägt von diesen »legacies«. Gleichzeitig sorgten markante Brüche immer wieder für eine Adjustierung des Verhältnisses von Natur und Gesellschaft. Gerade bei lang angelegten Flussgeschichten lässt sich oft eine Abfolge von »river regimes« konstatieren, verstanden als ein Set an Diskursen und materiellen Praktiken, das zu einer gewissen Zeit die Auseinandersetzung mit dem Fluss und damit auch den Umgang mit Überschwemmungen dominiert.90 Eine agrarisch geprägte Gesellschaft hat ein anderes Verständnis vom Fluss und 86 Niklas Luhmann, Soziologie des Risikos. Berlin 1991, 11. Zum Risikobegriff vgl. auch ders., Risiko und Gefahr, in: ders.: Soziologische Aufklärung, Bd. 5: Konstruktivistische Perspektiven. Opladen 1990, 131–70; Wisner u. a., At Risk; Wolfgang Bonß, Vom Risiko. Unsicherheit und Ungewißheit in der Moderne. Hamburg 1995; Mary Douglas / Aaron Wildavsky, Risk and Culture. An Essay on the Selection of Technological and Environmental Dangers. Berkeley, CA, 1982; Ulrich Beck, Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt a. M. 1986; ders., Weltrisikogesellschaft. Auf der Suche nach der verlorenen Sicherheit. Frankfurt a. M. 2007; Lübken / Mauch (Hg.), Uncertain Environments. 87 Vgl. hierzu allgemein Edmund Russell, Evolutionary History. Uniting History and Biology to Understand Life on Earth. New York 2011. 88 Winiwarter  /  Schmid, Umweltgeschichte als Untersuchung sozionaturaler Schauplätze? Vgl. auch Martin Knoll, Die Natur der menschlichen Welt. Siedlung, Territorium und Umwelt in der historisch-topografischen Literatur der Frühen Neuzeit. Bielefeld 2013. 89 Martin Schmid / Verena Winiwarter / Gertrud Haidvogl, Legacies from the past. The Danube’s riverine landscapes as socio-natural sites, in: Danube News. Bulletin of the International Association for Danube Research 21 (Juni 2010), 2–5 (2). 90 Zu »envirotechnical regimes« an der Rhône vgl. Pritchard, Confluence, 22–23. Cioc, Rhine, folgt einer ähnlichen Logik.

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vom Umgang mit Naturgefahren als eine urban-industrielle oder eine postmodern-ökologisch orientierte Gesellschaft. Die Vulnerabilität und Resilienz gegenüber Überschwemmungen hängt daher sehr stark davon ab, inwieweit die Gesellschaft in der Lage und willens ist, dieses »Regime« aufrecht zu erhalten und gegebenenfalls auszuweiten.91 Der Aufbau dieser Arbeit orientiert sich an der historischen Abfolge dieser Regime, wobei auch Gegendiskursen und »Ungleichzeitgkeiten« Beachtung geschenkt wird.

Methodik und Aufbau In methodischer Hinsicht folgt aus diesen Überlegungen, dass sich die Geschichte von Überschwemmungen in einem Flusssystem nicht schreiben lässt, ohne die vielfältigen Verflechtungen von natürlichen und sozialen Räumen zu beachten. Ein Fokus auf nur einen bestimmten Ort, wie etwa eine Stadt, würde zwangsläufig zu Unschärfen in Bezug auf andere wichtige Determinanten des Hochwassergeschehens führen.92 Nur eine multi-perspektivische Analyse, die natürliche und soziale Räume, die lokale, regionale, nationale und transnationale Zusammenhänge berücksichtigt, kann der Thematik gerecht werden. Dabei ist es nicht möglich, alle Orte im watershed des Ohio gleichermaßen zu behandeln. Dementsprechend »fließt« die Darstellung und legt zu unterschiedlichen Zeiten verschiedene geographische Schwerpunkte. Verankert wird sie dabei aber immer wieder in Cincinnati, lange Zeit die größte Stadt am Ohio und ein Ort, an dem sich natürliche, soziale und ökonomische Problemlagen bündelten. Auf diese Weise werden auch langfristige Entwicklungen an einem Ort erkennbar. Diese Vorgehensweise spiegelt sich auch in der Auswahl der Quellen und Archive wider, die zwar zwangläufig fokussiert, gleichzeitig aber ein möglichst großes Spektrum an Perspektiven, Erfahrungen und Lebenswirklichkeiten abbilden möchte. So wurden Archivalien kleinerer Städte wie Marietta, Ohio (Dawes Memorial Library) ebenso berücksichtigt wie die der Großstädte Cincinnati (Cincinnati Historical Society, University of Cincinnati) oder Louisville (Filson Historical Society), die Einzelstaatsperspektive (Ohio State Archives) 91 Schon 1936 hielt Sentor Robert F. Wagner fest: »Because of the multiple uses of water, for power, for transportation, for industry, for sanitation and consumption and because of the complex and far-reaching results when its control is neglected, the public welfare demands that this problem [flood control] be promptly and comprehensively met.« New York Times, 22.3.1936. 92 Vgl. hierzu analog für die urbane Feuergefahr, Lionel E. Frost / Eric L. Jones, The Fire Gap and the Greater Durability of Nineteenth-Century Cities, in: Planning Perspectives 4 (1989), 333–347 (334): »Studying a single location […] is like living all one’s life in the same town.«

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ebenso wie die der Bundesregierung (National Archives and Records Administration). Die Spannbreite der Quellen reicht dabei von offiziellen Regierungsdokumenten wie den Untersuchungen des United States Geological Survey über Sitzungsprotokolle von Handelskammern bis hin zu privaten Fluttagebüchern, die relativ häufig während einer Katastrophe geschrieben wurden. Diese Archivalien werden ergänzt durch eine sehr große Zahl an publizierten Quellen. Dazu zählen etwa Reiseberichte früher »Touristen«, wissenschaftliche Untersuchungen, Beiträge für zeitgenössische Journals, Fotobände oder Zeitungs­ artikel, deren Anzahl oft mit der Höhe des Wasserstandes korrespondiert, und die mit äußerster Vorsicht zu genießen sind. Generell besteht das Problem der Katastrophenhistoriographie in der Moderne nicht eben in einem Mangel an Quellen, sondern in deren Überfluss. Der zeitliche Rahmen der Untersuchung reicht vom Ende des achtzehnten bis ins späte zwanzigste Jahrhundert und deckt damit den Übergang von einer überwiegend agrarisch zu einer urban und industriell (und zunehmend postindustriell) geprägten Gesellschaft ab  – eine Entwicklung, deren Bedeutung für die Geschichte von Flüssen und Überschwemmungen gar nicht überschätzt werden kann. In Kapitel 2 wird zunächst die wechselhafte Geschichte des Ohio Valley geschildert – von den Eiszeiten, die den Verlauf des Ohio River massiv geprägt haben, bis in die zweite Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts, als das Ohiotal plötzlich von einer mehr oder weniger verlassenen Gegend zu einem intensiv umkämpften Ort wurde. Von entscheidender Bedeutung für die Zukunft der Region sollten sich aber weniger die imperialen Ambitionen der Briten und Franzosen als vielmehr der Landhunger der euroamerikanischen Siedler und die Gründung der Vereinigten Staaten erweisen. Von Beginn an erwies sich das Überschwemmungsgebiet des Ohio River dabei als ein riskanter Ort, der nicht nur ungeahnte wirtschaftliche Möglichkeiten bot, sondern dessen Nutzung auch etliche Gefahren mit sich brachte. Nahezu alle frühen Stadtgründungen hatten in den ersten Jahren ihrer Existenz mit Überschwemmungen zu kämpfen (Kapitel 3). Derartige Extremereignisse waren aber lange Zeit nur lokaler Natur. Mit der Flut im Jahr 1832 stellte der Ohio aber zum ersten Mal weitflächig neue Rekorde auf (Kapitel 4). Das fünfte Kapitel beschreibt zunächst die fundamentale Transformation des Ohio Valley im neunzehnten Jahrhundert durch Kommerzialisierung, Urbanisierung und Industrialisierung. Damit einher ging die rapide Intensivierung der Nutzung der Überschwemmungsgebiete des Ohio River, die eine regelrechte »Invasion« von Wohnhäusern, Fabriken und Infrastrukturen erlebten. Als Resultat dieser Entwicklungen wurden die Stimmen immer lauter, die nach einer Regulierung des Flusses verlangten. Dadurch sollten nicht nur Hindernisse für die Schifffahrt beseitigt, sondern auch ein regelmäßiger Strom erzeugt werden, der weder durch anhaltende Trockenperioden mit Niedrigwasser noch durch Hochwasser beeinträchtigt werden sollte. Der in diesem Kapitel behandelte

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Zeitraum von 1832 bis 1882 war zudem gekennzeichnet durch das Ausbleiben von katastrophalen Hochwasserereignissen. Zwar gab es eine ganze Reihe von »normalen« Fluten, aber die prägnante »disaster gap« erzeugte eine trügerische Sicherheit im Umgang mit der natürlichen Dynamik des Ohio River. Als der Ohio dann aber 1883 und 1884 Rekordwerte erzielte, zeigte sich in aller Deutlichkeit die Fragilität des neuen Arrangements. Nun reichten lokale Bewältigungskapazitäten nicht mehr aus, da die Schäden ungeahnte Höhen erreichten und plötzlich Zehntausende Menschen vom Wasser vertrieben wurden (Kapitel 6). Im siebten Kapitel wird geschildert, wie durch baulichen Hochwasserschutz, durch regelrechtes Containment der Flüsse, auf diese neuen Schadensmuster reagiert wurde  – vor allem am Mississippi, aber auch am Unterlauf des Ohio. Diese Maßnahmen waren lange Zeit geprägt von der levees only Doktrin des Army Corps of Engineers, also einer Fokussierung ausschließlich auf den Deichbau. Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts wurde diese Politik, nach langen ideologischen Kämpfen und mehreren verheerenden Überschwemmungen am Ohio und seinen Zuflüssen, durch den Bau von Rückhaltebecken ergänzt. Insgesamt zeigte sich der strukturelle Hochwasserschutz, der seinen Höhepunkt im Flood Control Act von 1936 fand, aber immer weniger in der Lage, die Schäden durch Überschwemmungen in den Griff zu bekommen. Vollends deutlich wurden diese Defizite bei der »Jahrtausendflut« des Ohio River im Jahr 1937, die zu diesem Zeitpunkt das zerstörerischste Naturereignis in der Geschichte der USA war. Dass diese Flut dennoch heute kaum bekannt ist – im Gegensatz etwa zur Johnstown Flood 1889, zum Erdbeben in San Francisco 1906 oder zu Hurrikan Katrina 2005 – liegt nicht zuletzt daran, dass sie (mit allen Einschränkungen) relativ gut bewältigt wurde (Kapitel 8). In der Nachkriegszeit wurde in den USA, wie im neunten Kapitel geschildert wird, immer mehr auf sogenannte nicht-strukturelle Maßnahmen zurückgegriffen. Hierzu zählte die Aufforstung in den Einzugsgebieten (und die Hoffnung auf »Speicherung« der Niederschläge)  ebenso wie Bau- und Landnutzungsvorschriften in den Überschwemmungsgebieten, die das Schadenspotenzial senken sollten. Mit dem National Flood Insurance Program schließlich wurde versucht, ein vorausschauendes Management der floodplains mit finanzieller Vorsorge zu verknüpfen. Die Arbeit endet mit einem Resümee, in dem die historischen Aspekte mit gegenwärtigen Entwicklungen wie der Wieder­ entdeckung der urbanen riverfront oder der oft erhobenen Forderung, den Flüssen mehr Raum zu geben, in Verbindung gebracht werden.

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2. Das Ohio Valley als umkämpfter Ort

2.1 Entstehung und Hydrologie des Ohio River Lange bevor sich Menschen an den Ufern des Ohio niederließen, war die Region einem globalen naturgeschichtlichen Prozess ausgesetzt, der die Landschaft ebenso wie den Verlauf des Flusses bis in die Gegenwart hinein geprägt hat: der Eiszeit, oder genauer, den Eiszeiten.1 Ein langfristiger Rückgang der Durchschnittstemperatur, dessen Ursachen nach wie vor umstritten sind, führte dazu, dass immer größere Niederschlagsmengen im Eis der Gletscher und Polkappen gespeichert wurden. Diese Eismassen wiederum drangen immer weiter über die Kontinentalmasse der nördlichen Hemisphäre vor.2 Wie gigantische Planierraupen ebneten die Gletscher auf ihrem Weg hügelige Landschaften und hinterließen nach ihrem Rückzug vor allem in den Flusstälern Sedimente und Geröll. Dabei handelte es sich nicht um einen singulären Vorgang, sondern um regelrechte, wenn auch sehr langsame, Wellen von Kaltzeiten, die vor ungefähr 2,5 Millionen Jahren begannen und vor etwa 20.000 Jahren ihr bisher letztes Maximum an Ausdehnung erreichten.3 Das bislang letzte großflächige Vordringen von Gletschern setzte vor etwa 100.000 Jahren ein und ist in Nordamerika als Wisconsin-, in Skandinavien und Nordeuropa als Weichsel- und im Alpenraum als Würm-Eiszeit bekannt.4 In Skandinavien war lediglich der westliche Teil  Jütlands eisfrei, das durch eine Landbrücke mit Großbritannien verbunden war. Auf dem nordamerikanischen Kontinent war Kanada fast ganz mit Eis bedeckt, in den heutigen USA der obere Mittlere Westen sowie Neuengland und Teile von Montana und 1 Vgl. allgemein Hansjürgen Müller-Beck, Die Eiszeiten. Naturgeschichte und Menschheitsgeschichte, München 2005. 2 Vgl. Evelyn C. Pielou, After the Ice Age. The Return of Life to Glaciated North America. Chicago, London 1991; Josef Klostermann, Das Klima im Eiszeitalter. Stuttgart 1999; Wolfgang Behringer, Kulturgeschichte des Klimas. Von der Eiszeit bis zur globalen Erwärmung. München 2007. 3 Vgl. Chris Wilson / Stephen Drury / Jenny L. Chapman, The Great Ice Age. Climate Change and Life. London 2000, 3; Pielou, After the Ice Age, 12. Behringer, Kulturgeschichte des Klimas, 33, weist darauf hin, dass wir immer noch in einer Eiszeit leben, einem Ausnahmezustand in der Geschichte unseres Planeten, »denn während mehr als 95 % der Erdgeschichte gab es hier kein permanentes Eis. Statistisch gesehen sind Warmzeiten das charakteristische Klima der Erde, also Zeiten, in denen es sehr viel wärmer war als heute.« 4 Weitere Bezeichnungen sind Pinedale (Rocky Mountains), Devensian (Großbritannien) und Midlandian glaciation (Irland).

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Das Ohio Valley als umkämpfter Ort

Washington. Die Auswirkungen auf die Flusssysteme der betroffenen Regionen waren enorm. So bildete sich in einem Becken zwischen den Rocky Mountains und den südlichen Ausläufern des Kordillerischen Inlandeises aus schmelzenden Gletschern der Lake Missoula. Dessen Wassermassen verschufen sich aber immer wieder Durchbruch durch einen mehrere Hundert Meter hohen Eisdamm und führten somit in unregelmäßigen Abständen zu den wohl gewaltigsten Fluten, die die Erde je gesehen hat.5 Nach dem Rückgang der Gletscher flossen etliche kanadische Flüsse an den Osthängen der Rocky Mountains nicht mehr in den Missouri, sondern in den Saskatchewan River und damit in die Hudson Bay.6 Weiter östlich sammelte sich das Schmelzwasser der Gletscher in den Großen Seen, während in Europa weite Teile Skandinaviens, befreit von dem Druck der Eismassen, wieder aus dem Meer auftauchten. Die Gletscher hinterließen mehr als 10.000 kleine Seen in Minnesota, sie drängten den Oberlauf des Missouri in eine südliche Richtung und den Mississippi nach Westen.7 Diese Prozesse lieferten im wahrsten Sinne des Wortes den Grobschliff der von der Vergletscherung betroffenen Landschaft, der bis heute großen Einfluss auf die regionale Topographie, Hydrologie und damit auch auf das Abflussregime der Flüsse hat.

Der Teays River Der Ohio ist zum großen Teil das direkte Ergebnis der Eiszeit. Genauer gesagt: er würde ohne dieses globale Phänomen überhaupt nicht existieren. In der präglazialen Zeit wurde das Ohio Valley von einem heute nicht mehr existierenden Strom entwässert, den Geologen Teays River genannt haben, ein »master stream of a prehistoric age, a precursor of rivers that flow today«.8 Dieser Fluss entsprang in den Appalachen North Carolinas, von wo aus er nach Nordwesten verlief, dort dem heutigen Flusstal des Ohio folgte, bevor er ab Wheelersburg, Ohio, nach Norden driftete. Hinter Chillicothe verlor sich seine Spur lange Zeit unter den Gletschermassen, doch heute weiss man, dass sich der Teays einen mäandernden Weg bis in den Golf von Mexiko bahnte, der zu dieser Zeit noch mit einem langen schmalen Arm bis in das südliche Illinois reichte. Der Mississippi, der viel weiter östlich als heute verlief, war lediglich ein Zufluss des Teays.9 5 Vgl. Pielou, After the Ice Age, 186–89; White, Organic Machine, 3–4. 6 Vgl. Pielou, After the Ice Age, 25–26. 7 Vgl. Raymond E. Janssen, The Teays River. Ancient Precursor of the East, in: Scientific Monthly 77 (6/Dezember 1953), 306–314 (314). 8 Ebd., 306. 9 Vgl. ebd., 307, 310–311; Richard E. Banta, The Ohio. New York 1949, 20–21.; George N. Coffey, Major Preglacial, Nebraskan and Kansan Glacial Drainages in Ohio, Indiana, and Illinois, in: Ohio Journal of Science 61 (5/1961), 295–313 (299–301).

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Abbildung 1: Verlauf des präglazialen Teays River und maximale Ausdehnung der Eisdecke (US National Park Service, bearbeitet von Martin Spenger und Pierre Lipperheide).

Dieses Entwässerungssystem wurde durch die vorrückenden Eisschilde, die an der Stelle des heutigen Cleveland etwa 2.400 Meter an Höhe erreichten und an der Grenze des Gletschers immer noch 300 Meter hoch waren, fast vollständig transformiert.10 Die Eismassen gelangten zwar nur an wenigen Stellen so weit nach Süden, dass sie den heutigen Verlauf des Ohio erreichten oder gar überschritten; sie blockierten aber den Abfluss von Teays, Monongahela, Allegheny und anderen Flüssen nach Norden und zwängten diese in eine Ost-WestRichtung. Auch standen die alten Flusstäler nach dem Rückzug der Gletscher nicht mehr zur Verfügung, da diese mit Sand, Gestein und anderem Geschiebe aufgefüllt worden waren.11 Der heutige Verlauf und die hydrologischen Charakteristika des Ohio sind zum großen Teil  das Ergebnis dieser geologischen Transformation.12 Ohne den Einfluss dieser Eismassen würden die Flüsse Monongahela und Allegheny, deren Zusammenfluss in Pittsburgh heute den Anfang des Ohio River bildet, nach wie vor in nördlicher Richtung in den St. Lawrence fließen.13

10 Vgl. George Knepper, Ohio and Its People. Kent, OH, London 1989, 3. 11 Vgl. Banta, Ohio, 22 f. 12 Vgl. Arthur E. Morgan / C. A. Bock, A History of Flood Control in Ohio, in: Ohio History 34 (4/Oktober 1925), 474–503 (476). 13 Vgl. Janssen, Teays River, 313.

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Das Ohio Valley als umkämpfter Ort

Abbildung 2: Das Einzugsgebiet des Ohio River (envirocast.net/Eric Leinberger).

Hydrologie, Meteorologie und Topographie im Ohio River Basin Der Ohio ist Teil  des Mississippi River Systems, das mehr als vierzig Prozent der Fläche der Vereinigten Staaten entwässert. Aus einem gewaltigen, mehr als 1,2 Millionen Quadratmeilen großen Becken, das sich zwischen den Rocky Mountains im Westen, der kanadischen Grenze im Norden und den Appalachen im Osten entspannt, führt dieses System die Niederschläge aus 31 Staaten wie in einem Trichter in den Unterlauf des Mississippi und von dort aus an New Orleans vorbei in den Golf von Mexiko. Das Einzugsgebiet des Ohio umfasst dagegen »lediglich« etwas mehr als 200.000 Quadratmeilen, was aber immer noch ungefähr der Fläche Frankreichs entspricht.14 Insgesamt fließt Wasser 14 Vgl. Leland R. Johnson, Engineering the Ohio«, in: Reid (Hg.), Always a River. Bloomington, IN, 1991, 180–209 (180); Christopher Morris, The Big Muddy. An Environmental History of the Mississippi and Its Peoples from Hernando de Soto to Hurricane Katrina. New York 2012, 2–8.

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Entstehung und Hydrologie des Ohio River  

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aus 14 Einzelstaaten in den Ohio – von New York im Nordosten bis nach Tennessee im Südwesten. Hydrologisch wird das Einzugsgebiet des Ohio begrenzt durch das Abflusssystem der Großen Seen im Norden, den Golf von Mexiko im Süden, durch die kontinentale Wasserscheide im Osten und den Oberen Mississippi im Westen.15 Drei distinkte Regionen prägen die Topographie im Einzugsgebiet des Ohio River und damit auch dessen Abflussregime. Das Appalachian Plateau im Osten erstreckt sich von den unvereist gebliebenen Regionen in Ohio, Pennsylvannia und New York bis nach Zentral-Ohio, den Osten Kentuckys und den mittleren Teil Tennessees. Hier dominieren felsige, mittelhohe Bergketten, enge Täler und Flüsse mit starkem Gefälle das Landschaftsgepräge. Das Interior Low Plateau liegt tiefer als das Appalachian Plateau und umfasst die ebenfalls nicht vom Eis erreichte hügelige Landschaft in Teilen Illinois’ und Indianas sowie die Gegenden südlich des Ohio River in Kentucky. In den Central Lowlands im Norden des Einzugsgebiets schließlich wurden die meisten Gebiete mindestens zweimal von Eisschilden bedeckt, die im Gefolge ihrer Expansion und ihres Rückzuges den Boden mit bis zu 60 Meter hohen und sehr fruchtbaren Schichten von Geschiebelehm bedeckt haben.16 Der Ohio hat keine eigene Quelle, sondern nimmt seinen Anfang in Pittsburgh am Zusammenfluss von Monongahela und Allegheny River, von wo aus er sich 981 Meilen, etwa 1.600 km, nach Westen schlängelt, bis er in Cairo,­ Illinois, in den Mississippi mündet. In der Rangliste der längsten nordamerikanischen Flüsse nimmt er damit nur die neunte Position ein, noch hinter dem Atchafalaya.17 In Bezug auf den Abflussmittelwert an der Mündung liegt der Ohio aber mit 7.957 m3/s (281.000 cubic feet per second (cfs)) auf dem nordamerikanischen Kontinent nur hinter dem Mississippi im Deltagebiet mit 16.792 m3/s (593.000 cfs), dessen Teil er allerdings ist, und dem St. Lawrence Strom mit 9.584 m3/s (348.000 cfs). Von den Zuflüssen des Mississippi hat schließlich nur der Missouri ein größeres Einzugsgebiet.18 Die Niederschlagscharakteristika im Ohio Valley werden stark vom Zustrom feucht-warmer Luftmassen aus den Tropen bestimmt. Treffen diese auf kalte Polarluft aus dem Norden, dann können die Niederschlagsmengen beträcht-

15 United States Water Resources Council, Ohio River Basin Comprehensive Survey  – Main Report and Development Program Formulation (House Document No. 92–148). Washington, DC, 1971, IV-1. 16 Vgl. ebd., IV-3-IV-4; Hurt, Ohio Frontier, 4; Knepper, Ohio and its People, 3–4. 17 Vgl. J. C. Kammerer, Largest Rivers in the United States. US Geological Survey, W ­ ater Fact Sheet OFR 87–242 rev. 1990. (http://pubs.usgs.gov/of/1987/ofr87-242/pdf/ofr87242.pdf) (21.7.2013). Die Gesamtlänge von 1.300 Meilen beinhaltet bei Kammerer mit dem Allegheny River den längsten Zufluss. 18 Ebd.

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lich sein.19 Die großen Regenmengen, die vor allem zwischen Januar und April über dem Einzugsgebiet des Ohio niedergehen, können für eine extrem große hydrologische Variabilität des Flusses sorgen. Kein anderer amerikanischer Fluss dieser Größe fluktuiert dermaßen in der Höhe des Wasserstandes wie der Ohio – in Cincinnati zum Beispiel zwischen weniger als einem halben Meter bei Niedrigwasser und bis zu mehr als 24 Metern bei extremem Hochwasser.20 »The Ohio flood range is the most terrible on the earth’s surface«, schrieb der Naturforscher und Journalist William Hosea Ballou schon 1885, offensichtlich noch sichtlich beeindruckt vom Schock der Doppelflut in den beiden Vorjahren. »The water waves generated by it surpass in height, size and power the greatest tidal waves of the ocean. All atmospheric destruction by tornado, simoon,21 whirlwind and waterspout, and all the damage done through subterranean upheavals by volcano and earthquake do not compare with the ravages of the floods of this river«. Ballou wies bei aller Übertreibung zu Recht auf den Umstand hin, dass das Einzugsgebiet des Ohio, im Gegensatz etwa zu dem des Mississippi, nahezu parallel zum Äquator verläuft, so dass die Schneemassen in den Bergen im Frühjahr nicht nach und nach abtauen, sondern in relativ kurzer Zeit. »At this time the Ohio is not a tributary of the Mississippi; the latter is its confluent« hielt Ballou fest. Its gigantic projectile of water […] is hurled on its mission of obliteration, sweeping before it cities, towns, forests, farms, levees, live stock, shipping and humanity.«22

2.2 Native Americans im Ohio Valley Vom Beginn der Ausbreitung paläoindianischer Gruppen in den Amerikas vor etwa 17.000 Jahren bis zur Ankunft der ersten Europäer im siebzehnten Jahrhundert haben mehrere Kulturen das Ohio Valley bevölkert,23 die sich im Hin 19 Charles F. Brooks / Alfred H. Thiessen, The Meteorology of Great Floods in the Eastern United States, in: Geographical Review 27 (2/April 1937), 269–290 (271). Im Staat Ohio beträgt der durchschnittliche Niederschlag 38 Zoll pro Jahr (97 Zentimeter) mit allerdings erheblichen lokalen Variationen. Vgl. Knepper, Ohio and Its People, 6; Hurt, Ohio Frontier, 5. 20 Pertinent Data Required for an Adequate Study of Flood Control for Cincinnati, Ohio, ohne Verfasser, 3.3.1939, University of Cincinnati / Archives and Rare Books Division (UC), Alfred Bettman Papers, pt. I, B7, F19, 5. 21 Ein heißer und trockener Wüstensturm. 22 William Hosea Ballou, Floods. Their History and Relations, in: The American Naturalist 19 (12/Dezember 1885), 1159–1162 (1160). Vgl. auch »Die Louisville-Überschwemmung in den Vereinigten Staaten und ihre Ursachen«, in: Meteorologische Mitteilungen 11 (18.3.1938), 173–174. 23 Zur Besiedlungsgeschichte des amerikanischen Doppelkontinents vgl. Arrell Morgan Gibson, The American Indian. Prehistory to the Present. Lexington, MA, 1980, 10–11; ­Pielou,

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blick auf Sesshaftigkeit, landwirtschaftliche Produktion und kulturelle Artefakte zum Teil erheblich unterschieden, für die aber alle das Leben am Fluss eine bedeutende Rolle spielte. Flusstäler, urteilt der Anthropolge George R. Milner, »tended to be the best places to live in the continental interior. A wide range of plants and animals could be found as one went from river margins, through wet floodplains, to the surrounding drier uplands«.24 Die markanteste Hinterlassenschaft mehrerer dieser Kulturen sind Tausende von Erdaufschüttungen, mounds, die als Begräbnisstätte dienten und rituelle sowie astronomische Funktionen hatten. Gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts wurde von einigen Wissenschaftlern die These vertreten, dass diese Erhebungen, die erstaunlich oft in einer floodplain lagen, auch als Rückzugsorte dienten, wenn der Fluss Hochwasser führte. So schrieb Ballou 1885: We find them [mounds] exclusively in riparian connection, where they were evidently intended for use in time of floods. These mounds were nowhere used to dwell in. None are found with entrances or hollowed out. When opened they either contain skeletons, implements, relics, pottery or nothing at all. […] The high mounds in the valleys served both to protect the dead from floods and as watchtowers in time of danger.25

Bis heute ist diese Frage nicht geklärt. Der Plausibilität einer Schutzfunktion der Erdhügel vor Überschwemmungen steht der Mangel an konkreten archäologischen Erkenntnissen gegenüber, die diese These stützen könnten.26 In der späten prähistorischen Phase, von etwa 1000 bis 1700 n. Chr., wurde das Ohiotal von einer Vielzahl von indianischen Bevölkerungsgruppen besiedelt, After the Ice Age, 189–192; Neal Salisbury, The Indians’ Old World. Native Americans and the Coming of Europeans, in: William and Mary Quarterly 53 (Juli 1996), 435–458 (438); Alfred W. Crosby, Ecological Imperialism. The Biological Expansion of Europe, 900–1900. Cambridge 22004, 16–17; George R. Milner, The Moundbuilders. Ancient Peoples of Eastern North America. London 2004, 22–25; Charles C. Mann, 1491. New Revelations of the Americas Before Columbus. New York 2005, 167–192. 24 Milner, Moundbuilders, 13. 25 Ballou, Floods, 1161–1162. 26 Vgl. Chappell, Cahokia, 21, die argumentiert, dass es schwer nachzuvollziehen sei, dass eine Gesellschaft, die sich im American Bottom niedergelassen hatte, einem 450 Quadrat­ kilometer großem Gebiet in der floodplain des Mississippi östlich von St. Louis, das mehr oder weniger permanent von Überschwemmungen bedroht war, nicht auch Hochwasseradaption im Auge hatte. »Placing palatial temples, public buildings, and the homes of the elite on specially crafted mounds had the additional benefit of being a partial adaptation to watery conditions or flooding. Scholars who say the Native Americans did not practice water management do not understand that the Mississippians did practice adaptive, though not controlling, water management.« Brian M. Butler dagegen, Direktor des Center for Archaeological Investigations der Southern Illinois University in Carbondale, hält lapidar fest: »Archaeologists do not think that the platform mounds had any particular flood-related purpose, such as raising certain structures above the flood.« Email an den Autor (18. Juni 2008).

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die, wie die meisten Gesellschaften im Osten des nordamerikanischen Konti­ nents, zunehmend von der Landwirtschaft lebten. Das Siedlungsgebiet erstreckte sich von der Mündung des Flusses Wabash in den Ohio (an der Grenze der heutigen Bundesstaaten Illinois und Indiana) bis in den Südwesten Pennsylvanias. Wirtschaftlicher Austausch, Kommunikation und Transport innerhalb des Ohio Valley sowie zwischen den dortigen Stämmen und anderen indigenen Kulturen erfolgte zum einen über intensiv genutzte Pfade, zum anderen über die Wasserwege.27 Der größte zusammenhängende Komplex, wie er aus archäologischen Ausgrabungen sichtbar geworden ist, liegt im zentralen Ohio Valley und erstreckt sich dabei vom westlichen Rand West Virginias bis in den Südosten Indianas sowie vom Süden Ohios bis ins nördliche Kentucky und wird als Fort Ancient bezeichnet.28 Zunächst eingeführt, um einige wenige Ausgrabungsstätten am Scioto River von denen der Hopewell Kultur zu differenzieren, wurde schnell deutlich, dass es sich bei den Fort Ancient-Siedlern um eine eigene Kultur handelte. Die von diesen Menschen bewohnte Region entspricht genau der Gegend, in der sich von 500 vor bis 400 n. Chr. die älteren Adena- und Hopewell-Bevölkerungen aufhielten. Wenn über die dazwischen liegende Periode auch wenig bekannt ist, so wird doch angenommen, dass sich in dieser Gegend stetig größere Bevölkerungsgruppen aufhielten, die einem langsamen kulturellen Wandel unterlagen.29 Ähnlich den frühen komplexen Gesellschaften in Asien und Afrika errichteten auch die Menschen der Adena-, Hopewell-, und der Mississippi-Kultur ihre Dörfer, Städte und zeremoniellen Stätten entlang der Ufer großer Flusssysteme, wie R. David Edmunds festgehalten hat: »While their Old World counterparts used the Tigris, Euphrates, Ganges, and the Nile, the ancient Americans utilized the Ohio, the Mississippi, and their tributaries«.30 Über das Ende der Fort Ancient Kultur ist wenig bekannt. An einigen Stellen übernahmen und überlagerten vermutlich später eingewanderte Gruppen wie die Shawnee die alten Siedlungsstätten.31 Auffällig ist jedoch, dass die Region nördlich und südlich des Ohio River, eine Region mit einem der reichhaltigsten Angebote an natürlichen Nahrungsressourcen auf dem ganzen Kontinent, 27 Vgl. James B. Griffin, Late Prehistory of the Ohio Valley, in: Bruce G. Trigger (Hg.), Handbook of North American Indians. Vol. 15: Northeast, Washington, DC, 1978, 547–559 (547). 28 Griffin, Late Prehistory of the Ohio Valley, 547. 29 Ebd., 551. 30 R. David Edmunds, A German Chocolate Cake, with White Coconut Icing. Ohio and the Native American World, in: Geoffrey Parker / Richard Sisson / William Russell Coil (Hg.), Ohio & the World. Essays toward a New History of Ohio. Columbus, OH, 2005, 23–40 (25). Für die Bedeutung von Flusstälern sogar für prä-agrarische Gesellschaften siehe Anthony N. Penna, The human footprint. A global environmental history. Malden, MA, 2010, 64. 31 Griffin, Late Prehistory of the Ohio Valley, 557.

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bei Ankunft der ersten Europäer fast menschenleer war. »Until the mid-seventeenth century«, hält Douglas Hurt fest, »the Ohio country remained a vast ›no man’s land,‹ occasionally marked by mysterious monuments of ancient peoples whose civilizations had disappeared long before.«32 Über die Gründe hierfür kann bislang nur spekuliert werden. Auf der einen Seite könnte dieses Vakuum Teil der Abfolge diverser indianischer Gesellschaften im Ohio Valley sein – auch in präkolumbianischer Zeit sind indigene Kulturen mehr oder weniger spurlos verschwunden. Andererseits ist ein Zusammenhang mit den auf dem amerikanischen Kontinent grassierenden verheerenden Krankheitswellen nicht unwahrscheinlich, die den europäischen Eroberern, Besatzern und Siedlern oft vorauseilten.33

Die Shawnee, Wyandot und Delaware Dieses Vakuum wurde jedoch ab den 1730er Jahren zunächst von drei ein­ wandernden Stämmen gefüllt, die ihrerseits durch die Macht- und Expansionspolitik der Iroquois, Franzosen und Briten aus ihren bisherigen Siedlungs- und Jagdgebieten vertrieben worden waren: die Shawnee, Wyandot und Delaware. Die Shawnee, deren Ursprünge noch diskutiert werden und die entweder in der Fort Ancient-Kultur oder an den Großen Seen vermutet werden, hatten ihr kulturelles Zentrum am Cumberland River, sie unterhielten aber auch Siedlungen am Susquehanna und am Delaware River in Pennsylvania, wo sie in Eintracht mit benachbarten Quakern lebten. Als die Iroquois in den 1720er Jahren damit begannen, ihre Kontrolle über andere indianische Stämme in Pennsylvania zu konsolidieren, zogen die Shawnee westwärts über den Ohio River.34 An der Mündung des Scioto in den Ohio gründeten sie ein Dorf, das als Sammelpunkt und als »quasi-Shawnee republic« diente. Pierre-Joseph Céloron de Blainville, Kommandeur verschiedener Forts der Franzosen, der Lower Shawnee Town im August 1749 besuchte, fand einen ansprechenden (»pleasant«) Ort mit etwa 60 Häusern vor, in dem nicht nur Shawnee, sondern auch Iroquois, Delaware 32 Hurt, Ohio Frontier, 6. Vgl. auch Edmunds, A German Chocolate Cake, 26: »… during much of the latter half of the seventeenth century, Ohio remained devoid of any significant Indian population«; Crosby, Ecological Imperialism, 212–213. 33 Vgl. hierzu vor allem Crosby, Ecological Imperialism; Mann, 1491. 34 Vgl. Hurt, Ohio Frontier, 10–11; Edmunds, A German Chocolate Cake, 26; Colin G. Calloway, The Shawnees and the war for America. New York 2007. Vgl. auch Jon Parmenter / Mark Power Robison, The Perils and Possibilities of Wartime Neutrality on the Edges of Empire. Iroquois and Acadians between the French and British in North America, 1744– 1760, in: Diplomatic History 31 (2, April 2007), 167–206. Für die Seneca vgl. auch Joy A. Bilharz, The Allegany Senecas and Kinzua Dam. Forced Relocation Through two ­Generations. Lincoln, NE, 1998, 6; für die Shawnee vgl. Stephen Warren, The Shawnees and their Neighbors, 1795–1870. Urbana, IL, 2005, 15–42.

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und Miami lebten, angezogen, wie er feststellte, von den vielversprechenden Märkten der Engländer.35 Schon hier zeigten sich allerdings auch die Nachteile einer mehr oder weniger permanenten Siedlung in unmittelbarer Flussnähe, denn Lower Shawnee Town wurde im Winter 1752/53 von einer Flut zerstört, so dass die Bewohner die Ansiedlung an der Stelle des heutigen Portsmouth, Ohio, neu aufbauten.36 Etwa zu der Zeit, als die Shawnee sich am Scioto und Muskingum ansiedelten, begann die Odyssee der Wyandot. Von den Iroquois aus dem südlichen Ontario an die Großen Seen nahe Detroit vertrieben, manövrierten sie dort politisch geschickt zwischen Franzosen und Briten, die beide die lokalen indianischen Gruppen für ihre jeweilige Politik zu instrumentalisieren versuchten. Die Verfolgung eigener Interessen veranlasste die Wyandot aber auch dazu, in den folgenden Jahrzehnten mehrfach ihren Ort zu wechseln, mal näher an den Franzosen, dann wieder stärker im britischen Einflussbereich. So führte sie ihr Weg zunächst an die Mündung des Cuyahoga River, von dort in die Täler des Tuscarawas und Muskingum auf der Ohio-Seite der Continental Divide, und schließlich zurück an die Sandusky Bay am Lake Erie. Die Delaware schließlich kamen aus dem gleichnamigen Flusstal im Osten der heutigen USA. Nachdem die Iroquois, unter deren Dominanz die Delaware standen, in den 1740er Jahren große Flächen des Landes der Delaware an Pennsylvania verkauft hatten, zogen letztere weiter in den westlichen Teil Pennsylvanias und in das Ohio Country. Dort arrangierten sie sich mit den Wyandot und Shawnee und befreiten sich aus der Dominanz der von den Iroquois angeführten Six Nations.37

2.3 »A Country Between«: Das Ohio Country von der Ankunft der Franzosen bis zur Amerikanischen Revolution Das Ohio Country – eine vage definierte Region westlich der Appalachen, die grob dem Upper Ohio Valley entspricht – war gegen Mitte des achtzehnten Jahrhunderts ein in mehrerer Hinsicht außergewöhnlicher Ort. Wie eine von Euro­ 35 Vgl. Hurt, Ohio Frontier, 12. Vgl. auch die Beschreibung von »Shannoah Town« durch Christopher Gist, einem der ersten Erkunder des Ohio Country, in: William M. Darlington (Hg.), Christopher Gist’s Journals, with Historical, Geographical and Ethnological Notes and Biographies of his Contemporaries. Pittsburgh, PA, 1893, 46, Eintrag vom 11.2.1751. 36 Vgl. Thomas Nuttall, Journal of Travels into the Arkansas Territory, during the year 1819, with Occasional Observations on the Manners of the Aborigines, Philadelphia, PA, 1821 (Early Western Travels, Vol. XIII, Cleveland, OH, 1907), 59; Hurt, Ohio Frontier, 13. Dieses Shawneetown ist nicht dieselbe Stadt wie die spätere Gründung von Euroamerikanern weiter flussabwärts am Ohio in Illinois. 37 Vgl. Hurt, Ohio Frontier, 13–18.

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päern noch relativ unberührte Insel lag das Ohio Country inmitten der kolonialen Gebiete der Briten und Franzosen. Die ersten Städte im zentralen Ohio Valley sind daher jüngeren Datums als diejenigen an seinen östlichen und westlichen Grenzen. Nach Florida kamen die ersten Europäer bereits 1513, selbst das viel weiter westlich gelegene Missouri hatte eine lange französische und spanische Geschichte, bevor sich die ersten euroamerikanischen Siedler dort niederließen. Für Kentucky and Ohio traf dies nicht zu. Gleichzeitig deutete sich im achtzehnten Jahrhundert immer stärker an, dass das Ohio Country schon bald Gegenstand imperialer Ambitionen werden würde.38 1752 machte Tanaghrisson, headman der Ohio Iroquois, einem franzö­ sischen Offizier gegenüber noch deutlich, das Ohio Country »belongs to neither one nor t’other« der kolonialen Mächte. Gleichzeitig räumte er aber ein, dass die Ohio Indians in einem »Country between« lebten. Damit beschrieb Tanaghrisson das zentrale Dilemma, mit dem sich die Native Americans im Ohio Country zu dieser Zeit konfrontiert sahen.39 In nur wenigen Jahrzehnten wandelte sich die selbstbewusste, aber prekäre Stellung der verschiedenen Stämme in dieser Region fundamental. Die Shawnee, Wyandot, Delaware, und andere Gruppen verloren ihre Landrechte und nicht selten ihr Leben und wurden letztlich aus dem Ohio Country nach Westen vertrieben. Gleichzeitig lieferte diese Region den Funken, der den letzten kolonialen Krieg zwischen Franzosen und Briten auf amerikanischem Boden entfachte und die Geschichte der Menschen in dieser Gegend entscheidend prägen sollte.40 Das französische Interesse an der Neuen Welt war zum großen Teil kommerzieller Natur. Handelsgesellschaften und die französische Krone waren mehr daran interessiert, vom Pelzhandel zu profitieren als neue Kolonien zu gründen. Daneben spielte das Bestreben der katholischen Kirche, die amerikanischen Indianer zu missionieren, eine bedeutende Rolle. »Thus, commerce and the cross lured Frenchmen toward the Ohio Country«.41 So war sehr wahrscheinlich der französische Aristokrat René Robert Cavelier, Sieur de La Salle, der 1669 an den Ohio reiste, der erste Europäer, der den Fluss zu sehen bekam. Für die Fran­

38 Vgl. Richard C. Wade, The Urban Frontier. Pioneer Life in Early Pittsburgh, ­Cincinnati, Lexington, Louisville, and St. Louis. Chicago, London 1959, 1; Walter Nugent / Malcolm J. Rohrbough, Foreword, in: Hurt, Ohio Frontier. Bloomington, IN, 1996, ix-xii (xi). 39 Michael N. McConnell, A Country Between. The Upper Ohio Valley and its Peoples, 1724–1774. Lincoln, NE, London 1992, 89. Für die Shawnee war das Ohio Country »Center of the Earth«, Edmunds, A German Chocolate Cake, 37. Vgl. auch Richard White, Middle Ground. Indians, Empires, and Republics in the Great Lakes Region, 1650–1815, Cambridge, New York 22011, vor allem Kapitel 6, The Clash of Empires, 223–268. 40 Vgl. McConnell, A Country Between, 1; Andrew R. L. Cayton, ›While we are in the World, We must Converse with the World‹, in: Parker / Sisson / Coil (Hg.), Ohio & the World. Columbus, OH, 2005, 1–21, (6). 41 Knepper, Ohio and its People, 24–25.

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zosen war die strategische Bedeutung des Ohio kaum zu unterschätzen, stellte la belle rivière doch eine offensichtliche Verbindung zwischen Neufrankreich am St. Lorenz Strom und französischen Ansprüchen in Louisiana am Unterlauf des Mississippi dar.42 Von besonderer Bedeutung für die kommerzielle und militärische Durchdringung des Ohio Country waren diejenigen Orte mit por­ tage, also einer möglichst kurzen Landverbindung zwischen den Großen Seen und dem Ohio-Mississippi River System. Von Le Boeuf am French Creek, der über den Allegheny in den Ohio führte, waren es nur fünfzehn Meilen bis zum Lake Erie. Konsequenterweise errichtete die französische Kolonialmacht an dieser Stelle ein Fort. Auch vom Cuyahoga, Sandusky und Maumee River, die alle in den Lake Erie fließen, war nur eine kurze portage erforderlich, um zu den nördlichen Zuflüssen des Ohio und damit zum Ohio-Mississippi River System zu gelangen.43 1749 entsandte der Gouverneur von Neufrankreich eine Expedition aus 250 Frankokanadiern und Native Americans an den Allegheny und Ohio, um französische Besitzansprüche zu bekräftigen, sowohl gegenüber den dort siedelnden Indianerstämmen als auch gegenüber britischen Händlern aus Virginia und den Carolinas, die sich im Ohio Country etabliert hatten. Célèron de Blainville, der Leiter dieser Expedition, vergrub an jeder Mündung eines Zuflusses eine Bleiplatte, auf der postuliert wurde, dass die Umgebung dem König von Frankreich gehöre. Um diesen Anspruch bekannt zu machen, verkündeten an Bäumen befestigte Plaketten von der vermeintlichen Besitzergreifung.44 Langfristig bedrohlicher als die Handelsrivalität zwischen England und Frankreich war für die Native Americans aber der Landhunger der anglo-amerikanischen Kolonien. Im selben Jahr, als Célèron de Blainville seine Bleiplatten im Ohio Valley vergrub, wurde in Virginia die erste systematische Unternehmung zur Errichtung einer dauerhaften Siedlung im Ohio Country auf die Beine gestellt. Durch eine königliche Charter und mit dem Segen der virginischen Kolonialregierung erhielt die von Spekulanten gegründete Ohio Com­ pany 1749 ein Stück Land um die Gegend am Zusammenfluss von Monongahela und Allegheny River, dem späteren Pittsburgh. Im Gegenzug musste sie dort 100 Familien ansiedeln und ein Fort zu deren Schutz errichten. Weitere Erkundungen, die von hier ihren Anfang nahmen, und der zunehmende Handel

42 Vgl. ebd., 25.  Vgl. auch Nugent / Rohrbough, »Foreword«, xi: »[T]he arrival of the French in the mid-1600s produced an extremely complex mix of accomodation, conflict, warfare, and mutual economic advantage.« 43 Vgl. Knepper, Ohio and Its People, 7; Hurt, Ohio Frontier, 5; Charles Morse Stotz, Outposts of the War for Empire. The French and English in Western Pennsylvania: Their Armies, their Forts, their People 1749–1764. Pittsburgh 2005; Samuel Adams Drake, The Making of the Ohio Valley States, 1660–1873. New York 1894, 45. 44 Vgl. Edmunds, A German Chocolate Cake, 28; Knepper, Ohio and its People, 27–28.

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mit den Native Americans erregten mehr und mehr den Unwillen der französischen Kolonialmacht.45 Zur ersten indirekten kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Briten und Franzosen im Ohio Country kam es, als am Morgen des 21. Juni 1752 Krieger der Ottawa, Ojibwa und Potawatomi Pickawillany attackierten. Das Dorf am Great Miami River war mit etwa 400 Familien die größte Siedlung der Miami in der Region und zugleich ein wichtiger Handelsposten der Briten. Mehrere Miami wurden bei dem Angriff getötet, darunter auch ihr Anführer Pianguisha.46 Der Angriff auf Pickawillany war zur Disziplinierung der Miami gedacht, die auf die kaum versteckten Drohungen und wiederholten Aufforderungen der Franzosen, an den Maumee und Wabash River zu ziehen, nicht reagiert hatten. Diese Strafaktion hatte allerdings weitreichende Folgen. Rück­ blickend begann an den Ufern des Miami River der ultimative Kampf zwischen Briten und Franzosen um die Vorherrschaft auf dem nordamerikanischen Kontinent.47 Im Frühjahr 1753 stellte der Generalgouverneur Neufrankreichs, ­Marquis de Duquesne, eine Armee von 1.500 Soldaten zusammen, um dem britischen Expansionsstreben zu begegnen. Die Franzosen errichteten zwei Forts am French Creek, drangen aber zunächst nicht bis zu den »Forks of the Ohio« vor, der Stelle, an der Monongahela und Allegheny zusammenfließen. Vor diesem Hintergrund entsandte der Vizegouverneur von Virginia, Robert Dinwiddie, einen gerade einmal 21 Jahre jungen Major der Miliz (militia) Virginias namens George Washington zum Oberbefehlshaber der französischen Truppen, um diese dazu aufzufordern, das Ohio Country, zu verlassen. Der wenig überraschenden französischen Weigerung, dieser Forderung nachzukommen, folgten drei Jahre französischer Dominanz im Ohio Country ebenso wie eine »Rückeroberung« von Briten aufgegebener Siedlungen durch die indianischen Stämme in der Region. 1758 jedoch wendete sich das Blatt, als General John ­Forbes Fort Duquesne, das spätere Pittsburgh, eroberte. Zwei Jahre später war mit der Eroberung Montréals der Krieg de facto entschieden.48 Mit der Unterzeichnung des Friedensvertrages von Paris 1763, der die Aus­ einandersetzungen zwischen Briten und Franzosen auf amerikanischem Boden 45 Vgl. Knepper, Ohio and its People, 28–29; Francis S. Philbrick, The Rise of the West, 1754–1830. New York 1965, 94–95; Kenneth P. Bailey, The Ohio Company of Virginia and the Westward Movement, 1748–1792. A Chapter in the History of the Colonial Frontier. Glendale, CA, 1939; Alfred Procter James, The Ohio Company, its Inner History. Pittsburgh, PA, 1959; Samuel M. Wilson, The Ohio Company of Virginia, 1748–1798. Lexington, KY, 1926. 46 Pianguisha ist bekannter unter den Namen, den die Franzosen (La Demoiselle) bzw. die Briten (»Old Briton«) ihm gegeben hatten. Vgl. Matt Schumann / Karl Schweizer (Hg.), The Seven Years War. A Transatlantic History. London 2008, 14; Hurt, Ohio Frontier, 20, 34; Knepper, Ohio and its People, 28. 47 Vgl. Hurt, Ohio Frontier, 35. 48 Vgl. Knepper, Ohio and its People, 29–31.

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Das Ohio Valley als umkämpfter Ort

beendete, hatte Frankreich, von zwei kleinen Inseln vor der Küste Neufundlands abgesehen, keine Präsenz mehr auf dem nordamerikanischem Kontinent. Von britischer Herrschaft über das Ohio Country konnte dennoch keine Rede sein. Noch bevor der Vertrag unterzeichnet wurde, leisteten die Native Ame­ ricans unter Führung des war chief der Ottawa Pontiac dem britischen Vordringen erbitterten Widerstand.49 Verunsichert über ihre Zukunft im Rahmen eines anglo-amerikanischen Imperiums und erzürnt über die Anmaßung der britischen Kolonialregierung, ein Territorium zu beanspruchen, das die Indianer als ihre Heimat betrachteten, gelang es der indianischen Konföderation, die Briten aus allen Forts zu vertreiben, mit der Ausnahme von Fort Detroit und Fort Pitt. Erst 1765, zwei Jahre nach der Unterzeichnung des Friedens von Paris, wurden alle französischen Forts an die Briten übergeben.50

Der Ohio River und die Besiedelung des Westens Trotz des Sieges über die Franzosen blieb das Ohio Country bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts eine instabile und stark umkämpfte Region, deren Status und Zukunft alles andere als sicher waren. Es war Heimat und Jagdgrund für mehrere indianische Stämme, es war Gegenstand von britischen imperialen Plänen und vor allem war es Objekt der Begierde für Landspekulanten und »auswanderungswillige« Menschen östlich der Appalachen: »Colonials and their associates in the Mother Country were always on the lookout for lands unoccupied by Europeans which could be secured cheaply, developed, and then sold at a profit to settlers«, hat George Knepper in seiner Geschichte Ohios festgehalten. »For generations the extensive lands east of the Appalachians provided a theater for their schemes, but the lure of Western lands had become­ irresistible by the early eighteenth century«.51 1763 versuchte die britische Regierung, der stetig wachsenden Zahl von weißen Siedlungen und Landnahmen im Ohio Country durch eine königliche Proklamation entgegenzuwirken, die es Siedlern untersagte, sich westlich der Appalachen niederzulassen. Doch diese Bemühungen, durch die räumli 49 Vgl. Gregory Evans Dowd, War under Heaven. Pontiac, the Indian Nations, and the British Empire. Baltimore, MD, London 2002; Edmunds, A German Chocolate Cake, 30; White, Middle Ground, 269–314. 50 Vgl. Schumann / Schweizer (Hg.), The Seven Years War, 10–26; Wade, Urban Frontier, 9; Knepper, Ohio and its People, 32–33. Zum Einfluss des Krieges auf das »Indianerbild« der Kolonisten vgl. Ulrike Kirchberger, Nordamerikanische Indianer und britische Kolonisten im Siebenjährigen Krieg, in: Sven Externbrink (Hg.), Der Siebenjährige Krieg (1756–1763). Ein europäischer Weltkrieg im Zeitalter der Aufklärung. Berlin 2011, 127–139. 51 Knepper, Ohio and its People, 29. Vgl. auch John D. Barnhart, Valley of Democracy. The Frontier versus the Plantation in the Ohio Valley, 1775–1818. Lincoln, NE, 1970, 20–33.

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»A Country Between«  

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che Trennung von Native Americans und Siedlern Frieden zu stiften scheiterten, »for trying to stop the westward movement of American colonials was like trying to make the tides stand still; it had not worked in the past, and it did not work this time despite British Army efforts to administer the rule«.52 Nach dem Ende des French and Indian War lebte die (illegale)  Siedlungstätigkeit wieder auf, und bereits 1770 stellte George Washington fest, die besten Ländereien am Ohio bis hinunter zur Mündung des Little Kanawha seien schon vergeben.53 Bis 1774 lebten etwa 50.000 Euroamerikaner an der Siedlungsgrenze jenseits der Appalachen, und die britische Armee hatte kaum Möglichkeiten, diesen Strom einzudämmen. Nach Ansicht von General Gage waren die Siedler dafür »too Numerous, too Lawless and Licentious ever to be restrained.«54 Zu Beginn der Revolution war die Gegend am Oberlauf des Flusses bereits so dicht besiedelt, dass sie auch zunehmend als Ausgangspunkt für die Einwanderung nach Kentucky diente. Zu einem Massenphänomen wurde diese Entwicklung aber erst nach dem Ende des Unabhängigkeitskrieges. Mit dem Frieden von Paris 1783 wurde der »Westen«, also die Region von Kanada bis zu den Floridas und bis zum Mississippi – eben dasjenige Territorium, das die Briten zwanzig Jahre zuvor von den Franzosen erhalten hatten – den neuen Vereinigten Staaten von Amerika übertragen.55 Von den dreizehn ehemaligen Kolonien hatten allerdings sieben sich zum Teil überschneidende territoriale Ansprüche zwischen den Alleghenies und dem Mississippi, die auf ihre kolonialen charters zurückgingen. Die meisten dieser Ansprüche wurden zwischen 1783 und 1787 der Bundesregierung übertragen. Die 1787 verabschiedete Northwest Ordinance schuf politische Strukturen in den neuen Gebieten und legte die Regeln des zukünftigen Übergangs der Territorien nördlich des Ohio in die Union fest. Gleichzeitig wurde die Sklaverei im North­ west Territory verboten und damit die Funktion des Ohio River als Grenze zwischen sklavenhaltenden und freien Staaten bis auf Weiteres festgeschrieben.56 52 Edmunds, A German Chocolate Cake, 30. Vgl. auch Knepper, Ohio and its People, 33; Hurt, Ohio Frontier, 55. 53 Vgl. Barnhart, Valley of Democracy, 28. 54 Zitiert nach Hurt, Ohio Frontier, 55. 55 Vgl. Barnhart, Valley of Democracy, 27–28. Knepper, Ohio and Its People, 35, schätzt, dass zu dieser Zeit etwa 30.000 euroamerikanische Siedler alleine im südwestlichen Teil Pennsylvanias und in der »panhandle«-Region des heutigen West Virginias lebten. Die Bevölkerungszahl der Native Americans im Ohio Country gibt Knepper mit ca. 20.000 an (vgl. auch ebd., 45). 56 Vgl. die Karte »State Land Claims and Cessions After 1783« bei Philbrick, Rise of the West, 118. Einigen Staaten wurden allerdings Exklaven im Westen zugesprochen. Auf diese Zuweisungen geht sowohl das »Western Reserve« Connecticuts wie auch der »Virginia Military District«, beide im Bundesstaat Ohio, zurück. Vgl. auch Knepper, Ohio and Its People, 50–51; David Stradling, Cincinnati. From River City to Highway Metropolis. Charleston, SC, Chicago, Portsmouth, NH, 2003, 9.

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Das Ohio Valley als umkämpfter Ort

Das größte Hindernis für den euroamerikanischen Siedler-Imperialismus war aber weiterhin der erbitterte Widerstand der Native Americans.57 Immer wieder kam es zu Massakern und Racheaktionen zwischen Indianern und Siedlern sowie regelrechten Schlachten mit der U. S.-Armee. Erst mit General Anthony Waynes Sieg in der Schlacht von Fallen Timbers 1794 und dem Treaty of Greenville im darauf folgenden Jahr, der die Indianer aus dem Süden und Osten Ohios verbannte, und der die Sicherheit der Siedler im Ohio Valley beträchtlich erhöhte, war dieser Widerstand gebrochen.58 Immer mehr Siedler zogen in den Westen, »anxious to clear and cultivate lands which had never known the axe or the plow«.59 In gerade einmal drei Generationen wurde aus dem Rinnsal von wenigen Siedlern ein Strom von vier Millionen Menschen, der über die Bergkette der Appalachen in den alten Westen zwischen den Großen Seen, dem Mississippi und dem Golf von Mexiko zog, und der die indigene Bevölkerung immer stärker verdrängte. Um die Mitte der 1820er Jahre befanden sich nur noch 2.350 American Indians in Ohio und 11.579 in Indiana und Illinois.60

57 Vgl. hierzu Rob Harper, State intervention and extreme violence in the revolutionary Ohio Valley, in: Journal of Genocide Research 10 (2/2008), 233–248; Norbert Finzsch, ›[…] Extirpate or remove that vermine‹. Genocide, biological warfare, and settler imperialism in the eighteenth and early nineteenth century, in: Journal of Genocide Research 10 (2/2008), 215–232; Patrick Wolfe, Settler Colonialism and the Elimination of the Native, in: Journal of Genocide Research 9 (4/2006), 387–409; Ian Tyrrell, Beyond the View from Euro-America. Environment, Settler Societies, and the Internationalization of American History, in: Bender (Hg.), Rethinking American History. Berkeley, Los Angeles, London, 2002, 168–191. 58 Vgl. Knepper, Ohio and Its People, 73–81; Wade, Urban Frontier, 25–26. 59 Knepper, Ohio and Its People, 81. 60 Nugent / Rohrbough, Foreword, xi; Warren, The Shawnees and their Neighbors, 47. Im unteren Ohio Valley, insbesondere in Indiana und Illinois westlich der Falls of the Ohio, ging die Besiedelung deutlich langsamer voran, weil hier die Beseitigung indianischer Landrechte mehr Zeit in Anspruch nahm. Vgl. Kim M. Gruenwald, River of Enterprise. The Commercial Origins of Regional Identity in the Ohio Valley, 1790–1850. Bloomington, Indianapolis, IN, 2002, xiv.

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3. »High Water«

Der Besiedelung des Ohiotals standen lange Zeit nicht nur die Politik der europäischen Kolonialmächte, Widerstand der indianischen Bevölkerung und ein fehlender Bevölkerungsdruck entgegen, sondern auch und vor allem natürliche Hindernisse. Insbesondere die Appalachian Mountains, die sich von Kanada bis nach Alabama erstrecken, machten jeglichen Verkehr, Transport und die Kommunikation über diese Barriere hinweg im Vergleich zu den ebeneren Gebieten im Osten ungleich aufwändiger und kostspieliger. »No longer than one hundred and forty years ago«, notierte der Historiker Samuel Adams Drake 1894, »the West really began at the eastern foot of the Alleghanies«.1 Hatten die Siedler aber erst einmal die Appalachen überwunden, dann konnten sie aus einer relativ großen Zahl von Einschiffungshäfen wählen, von denen sie ihre Reise gen Westen per Fluss fortsetzen konnten. Selbst in kleinen Ortschaften an den Zuflüssen des Ohio konnte man Boote und Proviant erwerben. Diese Boote glichen oft schwimmenden Farmen, auf denen sich die Familien den engen Raum mit ihren Tieren und dem Hausrat teilten. Nach dem Landgang der Siedler wurden die Boote zum Teil an Händler und Farmer weiter verkauft, die sie dazu nutzten, ihre Erzeugnisse den Ohio und Mississippi hin­ unter bis nach New Orleans zu verschiffen. Einige Neuankömmlinge zerlegten die Boote aber auch und nutzten die Materialien zum Bau einer cabin, denn zugesägtes Holz war, je weiter man nach Westen kam und sich von Sägemühlen entfernte, zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts immer noch eine Rarität.2

3.1 »To catch the rise«: Hochwasser als Chance Natürliche Voraussetzungen waren ein wichtiger Faktor für die Wahl des Ortes, an dem die Reise jenseits der Appalachen fortgesetzt werden sollte. Brownsville am Monongahela war zwar der geographisch nächste Anlaufpunkt für alle aus dem Osten kommenden Reisenden, doch nur, wenn der Fluss Hochwasser führte, konnte man sicher sein, die Stadt überhaupt wieder per Schiff verlassen zu können. Sicherer war in dieser Hinsicht Wheeling am Ohio, nur lag 1 Drake, The Making of the Ohio Valley States, 48. 2 Vgl. Gruenwald, River of Enterprise, 86; W. Wallace Carson, Transportation and Traffic on the Ohio and Mississippi Before the Steamboat, in: Mississippi Valley Historical Review 7 (1/Juni 1920), 26–38 (30).

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»High Water«

dieser Ort bereits 58 Meilen (93 Kilometer) westlich von Brownsville, eine Distanz, die nur auf dem Landweg und daher nur mit großen Mühen und Kosten überwunden werden konnte. Als wichtigster Einschiffhafen kristallisierte sich schon früh Pittsburgh heraus, das am Zusammenfluss von Monongahela und Allegheny gute Schiffbarkeit mit exzellenten infrastrukturellen Voraussetzungen verband.3 Ebenso wie Native Americans, Händler, Soldaten, Forschungsreisende und alle anderen Personen, die den Fluss als Transportweg nutzten, profitierten die durchreisenden Siedler von hohen Wasserständen. Hochwasser boten die seltene Gelegenheit, Stellen, die sonst nicht schiffbar waren, ohne große Mühen, wenn auch nicht ohne Gefahren, zu passieren. Die beste Zeit, den Ohio hinabzufahren, war während der Zeit des »high water« im Frühling und Frühsommer – etwa von Ende Februar bis Juni –, wenn der Abfluss von geschmolzenem Schnee und Eis sowie vermehrte Niederschläge eine relativ problemlose Navigation garantierten (so lange man nicht auf Sandbänke, Felsen oder Baumstämme traf). Auch im Herbst, von Oktober bis Anfang Dezember, wenn die Niederschläge in den Bergen noch nicht zu Schnee gefroren waren, herrschten oft noch gute Bedingungen für die Schifffahrt. Im Sommer dagegen, wenn der Wasserstand niedrig war und der Fluss sich langsam dahin wälzte, war die »Talfahrt« nur nach gelegentlichen starken Regenfällen möglich.4 »Throughout America these swellings of the rivers are called ›the freshes‹ and are of great importance to the more distant inhabitants«, notierte Johann David Schoepf, Sohn eines Kaufmanns aus dem Fichtelgebirge, der 1777 als Arzt mit den Truppen des englischen Königs George III nach Amerika gekommen war.5 Über The Point, die Landspitze in Pittsburgh zwischen Monongahela und Allegheny, wusste Schoepf zu berichten: The banks are 20–30 ft. high above the water; but this deep channel fills in the spring and autumn, and at times the river overflows. At such times, it is said, a frigate of 20 guns can pass clear of all obstacles down the river, which then has a depth of nearly 25 ft. throughout.6

Auf einen solchen »rise of the Ohio« hoffte auch Samuel S. Forman, der 1789 mit seiner Familie und 60 Sklaven nach Pittsburgh kam, um von dort aus nach Nat 3 Vgl. Carson, Transportation and Traffic, 27. 4 Vgl. Gruenwald, River of Enterprise, 64, 86 f.; Daniel Aaron, Cincinnati, Queen City of the West, 1819–1838. Columbus, OH, 1992, 22. 5 Johann David Schoepf, Travels in the Confederation [1783 and 1784] (übersetzt und hg. von Alfred J. Morrison), Philadelphia, PA, 1911, Vol. I, 47. 6 Ebd., Vol. II, 247–248. Für entsprechende Beobachtungen an den Falls of the Ohio bei Louisville siehe die Aufzeichnungen von Georges Henri Victor Collot, A Journey in North America, containing a Survey of the Countries Watered by the Mississippi, Ohio, Missouri, and other Affluing Rivers […]. Paris, 1826, 152.

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»To catch the rise«  

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chez am Mississippi weiterzureisen. Drei Wochen hatte der Tross gebraucht, um von Middletown Point in New Jersey über schlechte Straßen bis an die »forks of the Ohio« zu gelangen. Dort verkaufte Forman dann Pferde und Wagen und wartete darauf, dass der Fluss den nötigen Pegelstand erreichte, damit die Reise auf einem flatboat fortgesetzt werden konnte.7 Ähnliche Erfahrungen machte Christian Schultz, ein Investor von der Ostküste, der Anfang des neunzehnten Jahrhunderts das ökonomische Potenzial des Ohio ausloten wollte. Schultz war im September 1807 auf dem Weg vom French Creek über den Allegheny nach Pittsburgh, als er in einem kleinen Dorf nahe dem alten französischen Fort Le Boeuf übernachtete. Nach einer regnerischen Nacht notierte er: »… on Monday morning the whole little village was in confusion with the preparations made the preceding day for starting off with the first of the flood.«8 Wie groß die Strapazen werden konnten, wenn der erwartete »rise« ausblieb, zeigen die Erfahrungen, die John May im Sommer des Jahres 1789 machte, als der Bostoner Kaufmann zum zweiten Mal in den Westen aufbrach, um die Ländereien der Ohio Company of Associates in Augenschein zu nehmen. Im Juni wollte May den Monongahela hinab nach Pittsburgh reisen, aber etwa 50 Meilen vor der Stadt war der Wasserstand so niedrig, dass Stromschnellen nicht passiert werden konnten. Am 17. Juni notierte May: Rose at 1/2 past Three not satisfied but that our Boat might go Down the river, having picked up all the money in this nabourhood I want to move Down the River 12 miles / I procured Two experienced mint [men] to surrvey the rappids who return’d at eight oClock and pronounced them impossable. So that we are naild here untill the river rises / I seem afraid we should be cought in this way but could nott gitt readey to move sooner /9

Drei Tage später war der Pegelstand des Monongahela erneut gefallen,10 und auch Gewitter an den folgenden Tagen brachten keine Besserung. May notierte am 22. Juni verzweifelt: »[…] how long I am to remain a prisoner in the Monongahala River is verry uncertain but I am afraid quite to Long«.11 Am 2. Juli begann May sogar, eine Reise über Land nach Marietta in Betracht zu ziehen: »[…] if the River does not rise within three or four Days I belive I shall go«.12 7 Samuel S. Forman, Narrative of a Journey down the Ohio and Mississippi in 1789–90. Cincinnati, OH, 1888, 23. 8 Christian Schultz, Travels on an Inland Voyage Through the States of New York, Pennsylvania, Virginia, Ohio, Kentucky and Tennessee, and through the Territories of Indiana, Louisiana, Mississippi and New Orleans; performed in the years 1807 and 1808; including a tour of nearly six thousand miles, Ridgewood, NJ, 1968, 114, Eintrag vom 9. September 1807. 9 Dwight L. Smith (Hg.), The Western Journals of John May. Ohio Company Agent and Business Adventurer. Cincinnati, OH, 1961, 112. 10 Ebd., 113. 11 Ebd., 114. 12 Ebd., 117.

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»High Water«

Am 8. Juli machte sich May dann in der Tat zu Fuß auf den Weg und schlug sich in westlicher Richtung direkt zum Ohio River durch, wo er von einem Boot mit Soldaten an Bord genommen wurde.13 »High water« am Ohio und seinen Zuflüssen war also für die Reise und Navigation auf dem Fluss durchaus erwünscht und nicht selten sogar herbei gesehnt. »To catch the rise« war daher bis weit ins neunzehnte Jahrhundert hinein die Devise für alle angehenden Reisenden.14 Auch wenn der Strom über seine natürlichen Ufer trat, wenn also aus dem Hochwasser eine Überschwemmung wurde, hatte dies positive Auswirkungen, vor allem für die Landwirtschaft. Den Böden in den flachen bottoms entlang der Flüsse – Gegenden, die zudem leicht zu roden und zu kultivieren waren – wurden durch die regelmäßige Über­ flutung ständig neue Nährstoffe zugeführt.15 Aus diesem Grund waren die natürlichen Überschwemmungsgebiete auch ein bevorzugter Ort für die agrarische Produktion der Native Americans. Die Delaware zum Beispiel, die ohne Pflug auskommen mussten, bevorzugten das Schwemmland des Tuscarawas River als Ackerfläche, das sie mit Hacken aus Knochen, Stein oder Eisen bestellten. David Zeisberger, der Herrnhuter Missionar, der 1772 das Dorf Gnadenhütten im späteren Ohio für konvertierte Lenni Lenape (Delaware Indians) gegründet hatte, beobachtete in den 1770er Jahren: »This sort of land is chosen by the Indians for agricultural purposes not only because it is easily worked, but also because it yields abundant crops for many years.«16 Darüber hinaus zeichneten sich die bottomlands durch hohe Artenvielfalt aus und waren dementsprechende beliebte Jagdgebiete. In den Auen des Ohio und seiner Zuflüsse gab es nicht nur zahlreiche Wasservögel, sondern auch Hirsche, Elche, und Eichhörnchen. Zudem spülten Hochwasser oft Fische in kleine Tümpel, die nach dem Rückgang des Wassers nicht mehr in den Fluss fliehen konnten und somit leichte Beute waren.17 Auf der anderen Seite drohten im Fall von schweren Überschwemmungen natürlich auch massive Ernteausfälle, doch indianische Gesellschaften waren in der Lage, diese Defizite zumindest teilweise durch die Jagd und andere 13 Ebd., 119. 14 Carson, Transportation and Traffic, 31. Allerdings war es für die Kapitäne alles andere als einfach, bei steigenden Wasserständen Kurs zu halten, denn, anders als bei fallenden Pegeln, driftet das Boot ständig in Richtung der Ufer. Vgl. Ellet, The Mississippi and Ohio Rivers, 303. 15 Vgl. Morgan / Bock, A History of Flood Control in Ohio, 477. Vor allem die bottom­ lands im Allegheny Plateau boten »some of the best soils in the state. Since they were level, rich, and easily cleared, they were the first lands taken up by settlers, though no large cities developed in the unglaciated plateau.« Knepper, Ohio and its People, 4. 16 Zitiert nach Hurt, Ohio Frontier, 23. Vgl. auch Darrel E. Bigham, River of Opportunity. Economic Consequences of the Ohio, in: Reid (Hg.) Always a River, Bloomington, IN, 1991, 130–179. 17 Vgl. Muller, Archaeology of the Lower Ohio River Valley, 190.

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risiko-minimierende Strategien auszugleichen.18 Zu diesen risiko-minimierenden Strategien gehörte auch die räumliche Verteilung der Ackerflächen innerhalb der floodplain. Sally Anderson Chappell hat am Beispiel der Mississippians im American Bottom gezeigt, wie eine solche »natürliche Versicherung« funktionierte: The Indian farmers a thousand years ago planted their crops both on the floodplain of the Mississippi and around the smaller floodplains of the upland streams. This divided-risk strategy meant that if drought affected the uplands they could rely on the floodplain crops, or if severe flood affected the floodplain they could rely on the uplands.19

Von diesen natürlichen Vorzügen der Überschwemmungsgebiete profitierten auch die euroamerikanischen Siedler, und natürlich nicht nur am Ohio. So war die Gegend um den Zusammenfluss von Mississippi und Missouri – das »Ägypten Missouris«, wie ein Historiker später feststellen sollte20  – bei den Neuankömmlingen nicht zuletzt wegen ihres ertragreichen Bodens beliebt. Die Referenz zum Nilimperium war dabei äußerst angebracht, ging doch der hohe Nährstoffgehalt der Erde auf die regelmäßigen Überschwemmungen zurück.21 In Neuengland, wo die Böden um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts vielerorts bereits ausgelaugt waren, waren diejenigen Kolonisten, die Ländereien in Überschwemmungsgebieten hatten, im Vergleich zu ihren Nachbarn regelrecht gesegnet.22 Schon früh schlug sich diese Präferenz für flussnahes Land auch in den Bodenpreisen nieder. 1807 notierte Christian Schultz: The price of land along the Ohio, as you will readily suppose, depends on its quality and situation. Good improved bottom lands on the river, sell from two to ten dollars an acre; further back, from two to five dollars; but rough hilly lands, containing small portions of good land, may be bought in large tracts from one dollar down to fifty cents an acre.23 18 Vgl. Knepper, Ohio and Its People, 77; Chappell, Cahokia, 14; Muller, Archaeology of the Lower Ohio River Valley, 243. Für indigene Adaptionsstrategien am Paraná River in Argentinien im siebzehnten Jahrhundert vgl. Mariá del Rosario Prieto, The Paraná River Floods during the Spanish Colonial Period. Impact and Responses, in: Mauch / Pfister (Hg.), Natural Disasters, Cultural Responses. Lanham, MD, u. a., 2009, 285–303 (294–295). 19 Chappell, Cahokia, 14. Vgl. auch Muller, Archaeology of the Lower Ohio River Valley, 243, der auch darauf verweist, dass Farmer in der Region heute noch einen entsprechenden Risikoausgleich durch die Unterhaltung von Ländereien auf verschiedenen Niveaus haben. 20 Steinberg, Acts of God, 99. 21 Vgl. J. Donald Hughes, An Environmental History of the World. London, New York 2001, 38–42. 22 William Cronon, Changes in the Land. Indians, Colonists, and the Ecology of New England. New York 1983, 152. 23 Schultz, Travels on an Inland Voyage, 207, Eintrag vom 6. Oktober 1807. Vgl. auch Darlington (Hg.), Christopher Gist’s Journals, 47, Eintrag vom 17.2.1751.

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Lokales Wissen und Unwissen Über die Gefahren der Ansiedelung in Überschwemmungsgebieten, vor allem über das desaströse Potenzial des Flusses bei Fluten, machte man sich allem Anschein nach wenig Gedanken. Zu dieser Sorglosigkeit trug allerdings auch der Umstand bei, dass die Siedler, im Gegensatz zu den Native Americans, keine oder bestenfalls wenig Erfahrung mit der Geschichte der Flüsse hatten, an deren Ufern sie sich niederließen.24 Dementsprechend schwierig war es einzuschätzen, ob und wie oft eine bestimmte Stelle von Überschwemmungen betroffen sein könnte. Es gibt Hinweise darauf, dass Siedler in den Frontiergegenden am Ohio von Native Americans auf vergangene Hochwasserstände aufmerksam gemacht worden sind. In Berichten aus dem neunzehnten Jahrhundert wird immer wieder eine Geschichte kolportiert, derzufolge »Indians«, als Fort Washington nahe dem späteren Cincinnati errichtet wurde, auf Bäume verwiesen, an deren oberen Ästen ihre Vorfahren Kanus festgemacht hätten.25 Auch in Marietta gab es anscheinend solche »Hochwasserwarnungen«, wie eine lokalhistorische Untersuchung Ende des neunzehnten Jahrhunderts festhielt: The Indians who visited Marietta after peace had been declared, for the purpose of trading, seeing houses upon the low lands near the river, shook their heads ominously, and pointing to the spreading lower branches of the sycamores that lined the banks, said that they had seen the water reach them, and that some day the whites would see it equally high, also. The pioneers thought but little of these warnings, but the time came when some of them had occasion to remember the words of the Indians.26

Auch Reisende am Ohio wiesen gelegentlich auf die immensen Differenzen des Wasserstandes hin. 1807 bemerkte Christian Schultz: »It is astonishing to what a height the freshes generally rise on this river; and, to you, it will appear diffi 24 Vgl. für den Yazoo und Mississippi River Saikku, This Delta, This Land, 138: »In many ways, the annual flooding of the Delta bottomlands was an unpredictable process for the early settlers of European origin, resulting in heavy conomic losses but simultaneously boosting the productivity of the land.« 25 Vgl. Ebenezer Smith Thomas, Reminiscences of the Last Sixty-five Years. Hartford, CN, 1840, Bd. 2, 153. Vgl. auch Henry A. Ford / Kate B. Ford. (comp.), History of Cincinnati, Ohio, with Illustrations and Biographical Sketches. Cleveland, OH, 1881, 25. 26 History of Washington County, Ohio. Cleveland, OH, 1881, 423–424. Vgl. auch Hildreth, A Brief History of the floods in the Ohio river (46). Für gegenwärtige Beispiele der Anwendung indigenen Wissens zum Hochwasserschutz vgl. die Beiträge von Julie Dekens, Local Knowledge on Flood Preparedness in Eastern Terai of Nepal, 147–166, und Bach Tan Sinh / Louis Lebel / Nguyen Thanh Tung, Indigenous Knowledge and Decision Making in Vietnam. Living with Floods in An Giang Province, Mekong Delta, Vietnam, 445–457, beide in: Rajib Shaw / Anshu Sharma / Yukiko Takeuchi (Hg.), Indigenous Knowledge and Disaster Risk Reduction. From Practice to Policy. New York 2009.

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cult to believe that they frequently exceeded forty feet of perpendicular height.« Schultz kam zu diesem Schluss, nachdem er Treibholz hoch in den Bäumen am Ufer gesehen hatte, das dort offensichtlich nur durch ein Hochwasser hingelangt sein konnte.27 Derartige Hochwassermarken und Warnungen wurden jedoch von den Siedlern in der Regel nicht beherzigt. Wie die Siedler zeigten auch spätere Chronisten von Überschwemmungen am Ohio wenig Interesse am überlieferten Umweltwissen und beklagten statt dessen die vermeintliche Abwesenheit einer indigenen Überlieferung.28 Erst viel später wurde in konkreten Daten fassbar, was die euroamerikanischen Siedler bestenfalls erahnen konnten: das immense Hochwasserpotenzial des Ohio River. Im Dezember 1883 etwa wies der Fluss bei Cincinnati eine Höhe von nur 10 Fuß und sieben Zoll auf (etwas mehr als drei Meter). Zwei Monate später überschritt er die Marke von 71 Fuß (über 21 Meter), mehr als 18 Meter über dem Niedrigwasser vom Vorjahr.29 Die maximale Differenz zwischen extremem Niedrigwasser und dem historischen Höchststand des Ohio, der im Januar 1937 bei 80 Fuß (24,38 Meter) erreicht wurde, beträgt an dieser Stelle des Flussverlaufs sogar knapp 24 Meter. Über konkrete Fluten des Ohio in der späten Kolonialzeit ist relativ wenig bekannt – vor allem deshalb, weil es kaum Siedlungen und dementsprechend wenig Anlässe gab, über Hochwasserschäden zu berichten. Als gesichert gilt, dass Lower Shawnee Town im Winter 1753/54 vom Ohio zerstört und von den Shawnee aufgegeben wurde. Für Fort Pitt liegen für die Fluten in den Jahren 1762 und 1763 verlässliche Berichte vor.30 In Bezug auf Überschwemmungen in nicht besiedelten Gebieten ist die Überlieferung dagegen dürftig. Mehrere Quellen deuten allerdings darauf hin, dass der Ohio in den Jahren 1773 und 1774 sehr hohe Pegelstände aufwies. Ein angeblicher Pegelstand von bis zu 76 Fuß (23,17 Meter) – das wäre der zweithöchste jemals erreichte – ergab sich dabei aus einer Hochwassermarke, die Indianer an einem Baum unterhalb des späteren Fort Washington bei Cincinnati angebracht hatten.31 Drei Siedler aus Virginia, James, George und John McAfee, die den Fluss zu dieser Zeit erkundeten, be 27 Schultz, Travels on an Inland Voyage, 141, Eintrag vom 20.9.1807. 28 Vgl. zum Beispiel John L. Vance, The Great Flood of 1884 in the Ohio Valley. Gallipolis, OH, 1884, 3: »Nor is there any well defined tradition handed down by the aborigines of any such occurrence during the ages the country must have been occupied by them.« 29 Vgl. Charles Theodore Greve, Centennial History of Cincinnati and Representative Citizens. Chicago 1904, 994. 30 Vgl. Nuttall, Journal of Travels into the Arkansas Territory, 59; Hurt, Ohio Frontier, 13. 31 Vgl. Greve, Centennial History of Cincinnati, 994; Nathan C. Grover, Floods of the Ohio and Mississippi Rivers, January – February 1937. US Geological Survey Water-Supply Paper 838, Washington, DC, 1938, 2. Vgl. auch Tyler, An Engineer’s Appraisal of the Flood Problem, 31: »There is a legendary record of a stage of between seventy-five and seventy-six feet at Cincinnati in 1773, when there were few settlers in the valley. If it did reach that stage, the river discharge must have approximated that of the January, 1937, flood.«

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schrieben ihn als »full, bluff to bluff« und gaben das Projekt einer Ansiedlung in der Gegend des heutigen Cincinnati auf.32 Auch am Oberlauf des Ohio River scheint der Fluss 1774 weit über die Ufer getreten zu sein. Joseph und Samuel Martin, zwei Brüder, die im März 1774 am Big Kanawha River auf der Jagd waren, saßen wegen einer außergewöhnlich hohen Flut einige Zeit an der Mündung in den Ohio fest. Spätere Vergleiche mit noch existierenden Wasserstandsmarken am Wheeling Creek ergaben, dass der Pegel etwa dem im Jahr 1832 entsprochen haben könnte, also 64 Fuß und drei Zoll (19,58 Meter).33 Mit den Neugründungen der euroamerikanischen Siedler am Ohio und dessen Zuflüssen nahmen jedoch die Erfahrungen mit der Volatilität und der Zerstörungskraft des Flusses ebenso wie die Berichte darüber deutlich zu. Nahezu jede Ortschaft am Verlauf des Ohio, von Pittsburgh bis Cairo, machte bereits in den ersten Jahren ihrer Existenz Bekanntschaft mit den Nachteilen der ansonsten so profitablen Nähe zum Fluss.

3.2 Überschwemmungen als konstantes Problem der ersten Stadtgründungen Pittsburgh Das Potenzial des Ortes, an dem Monongahela und Allegheny zusammen­ fließen und den Ohio bilden, weckte schon früh Begehrlichkeiten, sowohl auf Seiten der Franzosen wie auch der Briten. George Washington, der 1753 für die virginische Regierung auf seinem Weg in das Ohiotal war, um den Franzosen die exklusiven Besitzansprüche der Briten zu übermitteln, notierte, als er an die Landspitze zwischen den beiden Flüssen kam: As I got down before the Canoe, I spent some Time in viewing the Rivers, and the Land in the Fork, which I think extremely well situated for  a Fort, as it has absolute Command of both Rivers. The Land at the Point is 20 or 25 feet above the common Surface of the Water; and a considerable Bottom of flat, well-timbered Land all around it, very convenient for Building.34 32 Vgl. Greve, Centennial History of Cincinnati, 994. 33 Vgl. Other Great Floods, in: Cincinnati Chamber of Commerce, The Great Flood in the Ohio. Cincinnati, OH, 1884, 122–25 (122); vgl. auch Floods in the Ohio, 227. 34 George Washington, The Journal of Major George Washington, sent by the Hon. ­Robert Dinwiddie, Esq., His Majesty’s Lieutenant-Governor, and Commander in Chief of Virginia, to the Commandant of the French Forces on Ohio. Williamsburg, VA, 1754, 4. Vgl. auch Hugh Cleland, George Washington in the Ohio Valley. Pittsburgh, PA, 1955. Ein gutes halbes Jahrhundert später kam Christian Schultz zu einer ähnlichen Einschätzung: »the natural advantages which this place possesses are so great, that it may justly be considered as the metropolis of the western country.« Schultz, Travels on an Inland Voyage, 124, Eintrag vom 9. September 1807.

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Abbildung 3: »Vue de Pittsburgh« von J. J. Boudier, 1796. Diese Darstellung Pittsburghs war Teil einer umfangreichen Karte, die für die Erkundungsfahrten von Victor Collot am Ohio River angefertigt worden war (Bibliothèque nationale de France).

Die französischen Kolonialbehörden teilten diese Einschätzung, besetzten den kleinen Posten des Pelzhändlers William Trent und bauten diesen in ein Fort um. Fort Duquesne, wie es nun zu Ehren des französischen Generalgouverneurs von Neufrankreich hieß, sollte zusammen mit den Befestigungen in Le Boeuf und Venango den französischen Anspruch im oberen Ohio Valley festigen. Das Fort fiel jedoch 1758, nach Beginn des French and Indian War, wieder in britische Hände, wurde erneut zerstört und durch Fort Pitt ersetzt, aus dem später Pittsburgh hervorging.35 Die unzweifelhaften Vorteile dieser natürlichen Lage wiesen aber gleichzeitig erhebliche Gefahren auf. Im Januar 1762 stieg das Wasser von Monongahela und Allegheny so stark an, dass die Festungswälle des Forts sich als zu schwach erwiesen, um den Wassermassen Stand zu halten und in den Ohio gespült wurden. Wasser drang in die Magazine ein und zerstörte die Munitionslager. Am 12. Januar 1762 schrieb der gebürtige Schweizer Henry Bouquet, Kommandeur des Forts, an General Amherst in New York: I have to inform your Excellency of the great damage this fort has sustained by an extraordinary Flood […] The 9th the Rivers run ten feet over the banks, which had not 35 Vgl. Wade, Urban Frontier, 9. Knepper, Ohio and Its People, 30. Vgl. auch Fred Anderson, Crucible of War. The Seven Years’ War and the Fate of Empire in British North America, 1754–1766. New York 2000; William A. Hunter, Forts on the Pennsylvania Frontier, 1753– 1758. Harrisburg, PA, 1960; Stotz, Outposts of the War for Empire.

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happened in any flood since this place was built. The water came upon us through the Drains, Gate and Sally Ports and boiled out the ground in several parts of the Area. I had the Battoes brought into the Fort, loaded them with Provisions, and as we had four feet of water in the Area and Nine in the Casemates, I sent part of the Garrison, which could be of no further service to the upper town upon a rising ground and kept only so many in the Fort as I could carry off in the Battoes should we be reduced to that extremity.36

Zwei Tage später traten die Schäden der Flut in aller Deutlichkeit zutage. Eine erst kurz zuvor fertig gestellte Barracke war ebenso wie alle Häuser an der Allegheney-Seite der Landspitze weggespült worden.37 Nur ein Jahr später, im März 1763, überstieg der Wasserstand selbst diese Marke und legte noch einmal anderthalb Fuß zu. Ein Händler beschrieb die Situation in der Siedlung nahe dem Fort wie folgt: »[the settlers] began to muster off, but ye dead Faith of Several prompt’d ’em to delay carrying away their Goods until ye Water was got so high that they had to break in ye Roofs or Gable Ends of ye Houses to get them away in Battoes.«38 1796, vier Jahre nachdem Fort Pitt aufgegeben worden war, reiste Georges Henri Victor Collot, ehemaliger Gouverneur von Guadeloupe und mutmaßlicher Spion Napoleons, den Ohio und Mississippi hinunter. Nachdem er Pittsburgh passiert hatte, schrieb er: »No traces remain of the old fort Duquesne, built formerly on the most advanced point of the slip of land which divides the Allegany [sic] river from the Monongahela, and on which the town of Pittsburgh is situated. The whole has been destroyed by time and the floods.«39 Die Siedlung, die um das Fort herum entstand und die später den Namen Pittsburgh erhalten sollte, wuchs bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts aufgrund der rivalisierenden politischen und militärischen Interessen in der Region sowie aufgrund der konstanten kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Native Americans zunächst nur langsam. Die natürlichen Gegebenheiten dieses Ortes boten jedoch so viele offensichtliche Vorteile, dass vielleicht keine andere Stadtgründung im Westen bessere Voraussetzungen hatte. »Nature itself had made the suggestion unmistakably«, hält der Historiker Richard C. Wade fest.40 Die Zuflüsse Allegheny und Monongahela stellten die Verbindung nach New York und Pennyslvania bzw. nach Virginia her (und über den French Creek und 36 Mary C. Darlington, History of Colonel Henry Bouquet and the Western Frontiers of Pennsylvania, 1747–1764. Ohne Ort, ca. 1920, 215–216. 37 Vgl. ebd., 216 f. 38 Zitiert nach Leland R. Johnson, Men, Mountains and Rivers. An Illustrated History of the Huntington District, U. S. Army Corps of Engineers, 1754–1974. Washington, DC, 1977, 141. Vgl. auch William Smith, An historical account of the expedition against the Ohio Indians in the year 1764. Dublin 1769, A3: »[T]he fortifications had been greatly damaged by the floods.« 39 Collot, A Journey in North America, 59. 40 Wade, Urban Frontier, 10.

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eine kurze portage sogar zum Erie See), während der Ohio den Weg in den Westen und Süden wies.41 Das Land zwischen diesen Flüssen bot optimale Bedingungen, um den Strom der Waren, Siedler, Soldaten, etc. zu kontrollieren. Zudem war die Stadt umgeben von knapp 200 Meter hohen Klippen auf der einen, und sanft ansteigenden Hügeln auf der anderen Seite.42 Der Ort erfüllte alle Bedingungen für eine erfolgreiche Stadtgründung: ein großes Potenzial an Wasserkraft, gute Zugangswege zur landwirtschaftlichen Produktion sowie zu den wachsenden Märkten im Westen und Süden.43 Pittsburgh profitierte vor allem von dem stetig wachsenden Handel zwischen den großen urbanen Zentren an der Ostküste, allen voran Baltimore und Philadelphia, und dem Ohio Valley. Die Stadt markierte für viele Händler und prospektive Siedler das Ende des Landweges über die Appalachen und den Beginn der Reise auf dem Fluss.44 Auf der anderen Seite führte dies aber auch dazu, dass viele Personen, die sich in der Stadt aufhielten, nur auf Durchreise waren und wenig Interesse am Aufbau der Stadt hatten. »They take this for a resting place or halfway house and think it vain to waste their labor making improvements … because, next year they shall go down the river«, wie die amerikanische Zensusbehörde festhielt.45 Allein im Jahr 1794 stoppten 13.000 Siedler in Pittsburgh, um sich mit neuen Waren und Proviant zu versorgen. Die meisten blieben nur für wenige Tage, einige für Wochen, fast niemand jedoch auf Dauer. Zu den »Transitreisenden« zählten auch Soldaten, die für die Kämpfe gegen ­Native Americans und Whiskeyrebellen in der Stadt stationiert worden waren.

Marietta und die Ohio Company of Associates Die erste legale, dauerhafte und von der neuen amerikanischen Bundesregierung autorisierte Siedlung nördlich des Ohio River entstand 1788 am Zusammenfluss von Ohio und Muskingum River.46 Marietta, benannt nach der 41 Edward K. Muller, River City, in: Joel A. Tarr (Hg.), Devastation and Renewal. An­ Environmental History of Pittsburgh and Its Region. Pittsburgh, PA, 2003, 41–63 (43). 42 Vgl. Wade, Urban Frontier, 10. 43 Vgl. ebd. 44 Vgl. Carson, Transportation and Traffic, 27. 45 Zitiert nach Wade, Urban Frontier, 11. 46 Vgl. Gruenwald, River of Enterprise, xiii; Wayne Jordan, The People of Ohio’s First County, in: Ohio History 49 (1/Januar 1940), 1–40; Frazer Dorian McGlinchey, ›A Superior Civilization‹. Appropriation, Negotiation, and Interaction in the Northwest Territory, in Daniel P. Barr (Hg.), The Boundaries Between Us. Natives and Newcomers Along the Frontiers of the Old Northwest Territory, 1750–1850. Kent, OH, 2006, 118–142 (118–119); Martin ­Register Andrews (comp.), History of Marietta and Washington County, Ohio, and Representative Citizens. Chicago 1902; Thomas J. Summers, History of Marietta. Marietta, OH, 1903; Drake, The Making of the Ohio Valley States.

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Abbildung 4: Karte von Marietta, OH, ca. 1788 (mit freundlicher Genehmigung der Marietta College Library).

französischen Königin Marie Antoinette, war unmittelbares Resultat der vom Kongress 1785 verabschiedeten Land Ordinance, mit der Ordnung in den Prozess der Aneignung der neuen Länder im Westen gebracht werden sollte. Bis dahin hatte die illegale Landnahme von squatters immer wieder für politische Probleme gesorgt, vor allem mit der dort lebenden indigenen Bevölkerung, während die legale Praxis der Besiedlung nach dem Muster der »indiscriminate line«, nach der ein Landbesitzer seinen legalen claim selbst abstecken konnte, die Landschaft in kaum zusammenhängende Teile zerschnitt. Mit der Land Ordi­ nance musste nun eine von der Regierung durchgeführte Vermessung (survey), die die Fläche in rechteckige und zusammenhängende Parzellen von jeweils 640 acres (259 Hektar) aufteilte, dem Verkauf der Länder und der Besiedlung vorangehen.47 Die städtebaulichen Folgen dieses Gesetzeswerkes sind noch heute im schachbrettartigen Grundriss vieler amerikanischer Städte zu sehen.48 47 Vgl. Knepper, Ohio and Its People, 55–56. 48 Vgl. Stradling, Cincinnati, 9; Knepper, Ohio and Its People, 55–59.

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Darüber hinaus wurde das Gebiet nördlich und westlich des Ohio River als federal land ausgewiesen. Damit endeten auch die Streitigkeiten zwischen den Einzelstaaten, deren reale und imaginierte Gebietsansprüche im Westen durch grants abgegolten wurden.49 Für die Bundesregierung fungierte der Nordwesten in der Folgezeit als »Landbank«, die die immense Verschuldung aus dem Krieg mit Großbritannien tilgen sollte. Aktiengesellschaften und Privatpersonen konnten ihre de facto wertlosen Zertifikate aus dem Unabhängigkeitskrieg nun gegen Land im Westen tauschen.50 Innerhalb einer einzigen Generation wurde das gesamte Territorium zwischen den Appalachen und dem Mississippi für die Besiedlung geöffnet und die indianischen Gruppen aus der Region vertrieben.51 Unter dieser Regelung wurde 1786 in Boston von einer Gruppe von Veteranen des Unabhängigkeitskrieges die Ohio Company of Associates gegründet, die ein Jahr später dem Kongress 600.000 Hektar Land zwischen dem Muskingum River und dem Scioto Valley im heutigen Bundesstaat Ohio abkaufte.52 Im April 1788 machten sich 48 Siedler auf den Weg, weitere 150 folgten bis zum Ende des Jahres. Die Besiedelung der Stadt nahm ihren Ausgang von der Landzunge direkt am Zusammenfluss von Ohio und Muskingum – »The Point«, oder, wie ein Historiker später festhalten sollte, »Plymouth Rock of the West«53 –, und setzte sich von dort aus in den Überschwemmungsgebieten entlang der beiden Flüsse fort. Im Norden und Osten des ursprünglichen Siedlungsgebietes setzte ein Höhenzug der Landnahme schnell natürliche Grenzen. Insgesamt erstreckte sich das spätere Stadtgebiet auf einem Rechteck, dessen südliche und westliche Grenzen eine bis anderthalb Meilen am Ohio und etwa eine halbe Meile am Muskingum entlang verliefen.54 Schon im ersten Winter machten die Siedler Bekanntschaft mit dem Hochwasserpotenzial des Ohio und des Muskingum River. James Backus, einer der ersten Siedler, war im April 1788 in Marietta angekommen. Als Agent der Ohio Company hatte er dort surveys durchgeführt und angeblich auch das erste Haus

49 Vgl. Philbrick, Rise of the West, 104–120. 50 Vgl. Patrick Griffin, Reconsidering the Ideological Origins of Indian Removal. The Case of the Big Bottom ›Massacre‹, in: Cayton / Hobbs (Hg.), The Center of a Great Empire. Athens, OH, 2005, 11–35 (14–15). 51 Vgl. Wade, Urban Frontier, 2. 52 Vgl. Andrew R. L. Cayton, The Contours of Power in a Frontier Town. Marietta, Ohio, 1788–1803, in: Journal of the Early Republic 6 (2/1986), 103–126 (103); Philbrick, Rise of the West, 124. 53 Reuben Gold Thwaites, Afloat on the Ohio. An Historical Pilgrimage of a Thousand Miles in a Skiff, from Redstone to Cairo. New York 1900, 87. 54 Vgl. Andrew R. L. Cayton / Paula R. Riggs, City Into Town. The City of Marietta, Ohio, 1788–1988. Marietta, OH, 1991, 29.

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in der Stadt gebaut, genau auf der Landspitze zwischen Muskingum und Ohio, The Point.55 Am 30. Januar 1789 notierte Backus in seinem Tagebuch: Wind southward and eastward. Went to the point. River very high, still rising very fast. By night water over both ends of great bridge and upon the second bridge by Miner’s a foot and-a-half deep, surrounding Fuller and Lent’s houses to a considerable distance. The river is upwards of thirty feet above low water mark.56

Ein Jahr nach Backus und den anderen 47 Siedlern machte sich Thomas Wallcut auf den Weg in den Westen, ein Ex-Offizier der Revolutionsarmee aus Boston, der seine gesamten Ersparnisse aus dem Gehalt als Aufseher eines Krankenhauses im Unabhängigkeitskrieg in die Ohio Company investiert hatte. In Marietta angekommen, führte er von Januar bis März 1790 ein journal, dessen Einträge deutlich machen, wie sehr die natürliche Dynamik des Flusses das Alltagsleben und vor allem den Handel und die Kommunikation der Stadt beeinflussten. Starker Frost hatte im Januar 1790 zu Eisbildung auf dem Muskingum und dem Ohio River geführt. Noch am 13. Februar 1790 war die Flussüberquerung sehr gefährlich und das lokale »exploration committee« musste seine geplante Erkundungsreise absagen. Gegen Mitte des Monats setzte allerdings Tauwetter ein, das das Eis schmelzen und die Flüsse schnell ansteigen ließ. Am 19. Februar wurde Wallcut von einem Nachbarn geweckt, der ihm mitteilte, das Wasser steige so schnell, dass es bald in die Häuser eindringen würde: »We soon had the tea-kettle on, and got our coffee boiled; and before we could get our breakfast done, the water came in so fast that the floor was afloat, and we stood in water to our buckles to drink the last dish«.57 Schon vorher hatten Wallcut und seine Gastgeber sämtliche Gegenstände, die vom Wasser beschädigt werden konnten, in das obere Stockwerk des Hauses gebracht. Auf dem Point lagen lediglich drei Gebäude auf so hohem Terrain, dass sie das Wasser nicht erreichen konnte.58 Einen Tag später hatte sich der Wasserstand bereits wieder so weit gesenkt, dass ein Boot, das auf dem Weg zum Miami River war, Briefe in Marietta abliefern konnte. Wenige Tage später wurde der Ohio jedoch wieder unbefahr 55 Vgl. William W. Backus, A Genealogical Memoir of the Backus Family with the Private Journals of James Backus, together with his Correspondence Bearing on the First Settlement of Ohio, at Marietta, in 1788. Norwich, CT, 1889, 15. 56 Tagebucheintrag in: Backus, A Genealogical Memoir of the Backus Family, 43. 57 Thomas Wallcut, Journal of Thomas Wallcut, in 1790 (with Notes by George Dexter). Cambridge, MA, 1879, 16 f. 58 Vgl. ebd., 17. Joseph Barker, der gegen Ende des Jahres 1789 zusammen mit seiner Frau und der Familie von William Dana aus Amherst, Massachusetts aufgebrochen war, um sich in Marietta niederzulassen, schrieb über dieselbe Flut: »The first f[l]ood after I came […] was about six feet in my house, where the Post Office now is. There was no other high flood for several Years – it was not until 1804 that the water came over my bottoms.« In: George Jordan Blazier (Hg.), Joseph Barker. Recollections of the First Settlement of Ohio. Marietta, OH, 1958, 21.

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bar, diesmal wegen starker Winde. Die Einwohner der Stadt nutzten die Zeit, um die Straßen vom Treibgut zu säubern und zerstörte Brücken zu reparieren.59 Überschwemmungen sollten sich als ein gewaltiger Standortnachteil für das »first settlement« erweisen. Schon in den Jahren unmittelbar vor der Landnahme durch die Anteilseigner der Ohio Company gab es anscheinend große Fluten. Glaubt man einigen Pionieren in Wheeling, stieg das Wasser des Ohio an der Stelle Mariettas 1772 angeblich fünf Fuß (1,52 Meter) höher als 1832, während der ersten großen Flut an weiten Teilen des Flusses im neunzehnten Jahrhundert. 1784 erreichte der Fluss laut dieser Quelle erneut die Höhe, die er erst 1832 wieder einnehmen sollte.60 Unabhängig von der Glaubwürdigkeit solcher Angaben steht fest, dass Marietta ein extrem prekärer und vulnerabler Ort war. Jedes Jahr im späten Frühling standen Teile der Siedlung für ein bis zwei Wochen unter Wasser.61 »It is not uncommon for a fresh to swell the river […] to such a degree as to inundate the town of Marietta with two feet of water«,62 bemerkte Christian Schultz, der die Stadt 1807 bereiste. Andrew Backus, der in Marietta wohnte, notierte neun Jahre später: »Marietta is situated on a very high bluff, notwithstanding which it is almost annually overflown, to the depth of eight or ten feet, especially the lower part of town.«63 Im ersten Vierteljahrhundert ihrer Existenz wurde die Stadt jedoch primär von »normalen« Überschwemmungen heimgesucht. Größere Desaster blieben ihr zunächst erspart, so dass, wie Ephraim Cutler erläuterte, »homes were planted near the river with no apprehension that they would be invaded by the floods.«64 Der Lokalhistoriker Samuel P. Hildreth, der 1806 nach Marietta gezogen war, betonte, dass es durchaus gute Gründe dafür gab, in unmittelbarer Ufernähe zu siedeln. Rückblickend schreibt er 1838 über die Zeit nach der Gründung der Stadt: »Small buildings were often erected on the low bottoms near the river, by the early settlers, for the convenience of fattening hogs, &c., and re­ mained there for years without molestation from the water«.65 1809 erreichte das Wasser zwar einige tiefer gelegene Straßen, richtete aber keine größeren

59 Vgl. Wallcut, Journal of Thomas Wallcut, 16–20. 60 History of Washington County, Ohio, 423. 61 Cayton / Riggs, City Into Town, 29. 62 Schultz, Travels on an Inland Voyage, 156, Eintrag vom 21.9.1807. 63 Andrew Backus, Tagebucheintrag vom 14.11.1816, in: Backus, Genealogical Memoir of the Backus Family, 6. Für Thomas Hutchins, der die Gegend für die Bundesregierung vermessen hatte, schien Marietta sogar hochwassersicher zu liegen. Im Jahr 1788 stellte er fest: »The Muskingum is a fine, gentle river, confined by high banks, which prevents its floods from overflowing the surrounding lands.« Zitiert nach Julia Perkins Cutler (Hg.), The Life and Times of Ephraim Cutler, Prepared from his Journals and Correspondence. Cincinnati, OH, 1890, 110. 64 Cutler (Hg.), The Life and Times of Ephraim Cutler, 110. 65 Hildreth, A Brief History of the floods in the Ohio river, 50.

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Schäden an.66 Vier Jahre später wurde jedoch zum ersten Mal deutlich, welche Gefahren der Ort, an dem Marietta errichtet worden war, mit sich brachte. Am 24. Januar 1813 gingen heftige Regenschauer auf die noch mit Schnee bedeckte Landschaft um Marietta nieder. Einen Tag später stieg das Wasser so schnell an, wie es bis dahin in der Stadt noch nicht beobachtet worden war – Ephraim Cutler spricht von bis zu sechs Fuß, also knapp zwei Meter, pro Stunde.67 Innerhalb von 24 Stunden war der Ohio »out of banks«:68 The rise was […] so sudden as to prevent us from getting our stock off to a place of safety. We drove the cattle to the hill early in the morning, but had to carry our sheep off in a boat about noon, and ferried the horses over in Mr. Cole’s flat that evening. We got the hogs into the house, in the course of the night, except eight or ten that were drowned. We also lost two sheep and two calves; one was drowned, and the others perished in consequence of the cold and snow.69

Ephraim Cutler war der Überzeugung, dass die Überschwemmung noch weitaus drastischer hätte ausfallen können: »If the cold had not set in, no doubt the rise would have been much greater. The river was low for the season of the year when the freshet commenced, and one remarkable circumstance was its rapid progress unattended by any extraordinary fall of rain.«70 Auf der anderen Seite sorgte gerade die Kälte für Probleme, nicht nur, weil sie etlichen Tieren das Leben kostete, sondern auch, weil sie zur Eisbildung auf dem Hauptstrom und vor allem in den überschwemmten Gebieten führte. Große Blöcke von Treibeis krachten gegen Häuser im unteren Teil Mariettas und zermalmten Obstbäume und Zäune.71 Insgesamt waren die Schäden dieser »Eisflut«, wie sie von den Bewohnern genannt wurde, zwar beträchtlich, aber immer noch gering im Vergleich mit den späteren großen Überschwemmungen 1832 und 1884.72 Zwei Jahre später war Marietta erneut von einer Überschwemmung betroffen, die sogar noch höher war als 1813. Dieses Mal war es vor allem der Muskin­ gum, der Hochwasser führte und Schaden anrichtete. Die Strömung des Flusses war so gewaltig, dass er an seiner Mündung Treibholz durch den Ohio bis an das virginische Ufer drückte. Die »bottom lands« der Siedler am Muskingum wurden komplett überschwemmt, und das Wasser riss kleine Häuser, 66 History of Washington County, Ohio, 423. 67 Cutler (Hg.), The Life and Times of Ephraim Cutler, 111. 68 History of Washington County, Ohio, 423. 69 Cutler (Hg.), The Life and Times of Ephraim Cutler, 111. John May bemerkte im Juni 1788 über den Muskingum: »[…] a thunder gust this aft. the river very low – in the center of Muskingum is a gravel bank which has now only 4 feet water on it – at 9 o clock the waters rising – at 12 rose 15 inches – and at 8 in the evening 4 feet seven inches – thus rapid is the rise and fall of this river.« Smith (Hg.), The Western Journals of John May, 50. 70 Cutler (Hg.), The Life and Times of Ephraim Cutler, 111. 71 Vgl. History of Washington County, Ohio, 423. 72 Vgl. Cutler (Hg.), The Life and Times of Ephraim Cutler, 111.

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Stallungen, Zäune, Heustapel und Tiere.73 Weitere kleine Fluten folgten in den kommenden Jahren, die allerdings die Bewältigungsroutinen nicht in Frage stellten. Nach wie vor bestand die wichtigste Mitigationsstrategie darin, alle wertvollen Gegenstände so gut und so schnell es ging aus dem Gefahrenbereich zu bringen. Im März 1818 schrieb ein Kontorist seinem Chef, der gerade eine Einkaufstour an der Ostküste machte: Before you receive this you will probably hear of the River having been high, it continued rising till [it] overflowed the Town, and several feet higher than the last fresh, measuring two feet on the store floor […] [T]he Goods I secured by hoisting part aloft and part on the counter, the water got off the floor this morning so that I have been able to clean out and get the principle part of the Goods to their places today […] [T] he pork and Bacon I secured likewise so that not any article sustained any damage by the water.74

Zwischen 1815 und 1832 erlebte Marietta keine schweren Überschwemmungen mehr. Dieses Ausbleiben von »Schadensereignissen« führte allem Anschein nach dazu, dass die Bewohner der Stadt die Gefahr, die von den beiden Flüssen ausging, unterschätzten oder schlicht vergaßen. Ein lokalhistorisches Werk bemerkte 1881 über diesen disaster gap: »The long period during which the Ohio had scarcely passed the measure of ›full bank‹ had caused people to well nigh forget that it was liable at any time to make a phenomenal rise and send its broad surging tide up around their houses and into their doors«.75 Besuchern und potentiellen Siedlern wurde allerdings, wenn sie zum »richtigen« Zeitpunkt ankamen, schnell deutlich, warum die Stadt zwischen Ohio und Muskingum vielleicht nicht der ideale Ort für den Aufbau einer neuen Existenz war. »We found Marietta under water, the boats sailing tro’ te streets,« schrieb der Rechtsanwalt William Greene aus Rhode Island im März 1824. Wegen der ständigen Fluten hatte er schon lange die Idee aufgegeben, sich in Marietta niederzulassen und sich statt dessen für Cincinnati entschieden. »What would induce me to take up my domicile in such a place«, fragte er lapidar.76

73 History of Washington County, Ohio, 423. 74 Waterman Palmer an John Mills, 6.3.1818, Marietta College Library, Special Collec­ tions (MC), Marietta, Ohio, Cutler Collection, zitiert nach Gruenwald, River of Enterprise, 65. 75 History of Washington County, Ohio, 423. 76 Zitiert nach Cayton / Riggs, City Into Town, 29.

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Cincinnati Cincinnatis Gründung  – nach Marietta die zweite dauerhafte Siedlung im Northwest Territory  – geht auf ein Geschäft zwischen John Cleves Symmes, Richter und Spekulant aus New Jersey, und dem Kontinentalkongress aus dem Jahr 1788 zurück. Gerade von einer Reise an den Ohio zurückgekehrt, nutzte Symmes seine politischen Kontakte – er saß selbst als Abgeordneter für New Jersey im Parlament  –, um für eine relativ geringe Summe eine Million acre Farmland zwischen dem Little und dem Big Miami River zu erwerben. Im selben Jahr noch ließen sich die ersten Siedler am östlichen Rand des Miami oder­ Symmes’s Purchase nieder, errichteten ein Fort und nannten die kleine Gemeinde Columbia. Der Ort schien geeignet, bot er doch am Zusammenfluss von Ohio und Little Miami River einfachen Zugang zum Wasser und an der Mündung reichlich ebenes Farmland.77 Kurze Zeit später, im Dezember 1788, gründete eine Gruppe von 26 Männern, die Symmes zuvor einen Teil seiner Ländereien abgekauft hatten, etwas weiter stromabwärts »Losantiville«.78 Der Name war eine wirre Kombination aus französischen, griechischen und lateinischen Elementen und bedeutete so viel wie »Stadt gegenüber der Mündung«. Zugleich verwies diese Kennzeichnung aber auch auf den genius loci, das heisst den komfortablen Zugang nach Kentucky über den Licking River auf der gegenüberliegenden Seite des Ohio. Matthias Denman, einer der Käufer, hatte sich überhaupt nur an dem Projekt beteiligt, weil er sich ein florierendes Geschäft von einem Fährunternehmen an dieser Stelle versprach.79 Eine dritte Stadtgründung auf dem Gebiet des Miami Purchase wurde von Symmes selbst durchgeführt. Im Januar 1789 gründete er an der Stelle, wo der Fluss in dieser Gegend am weitesten nach Norden vordrang, die Siedlung Northbend. Entgegen seinen Erwartungen nahm die Entwicklung Northbends aber nicht den erhofften positiven Verlauf. Ein Grund dafür waren die ständigen Überschwemmungen, mit denen die Neugründung zu kämpfen hatte.80 Ähnlich erging es den Siedlern in Columbia. Zwar standen dort bereits zwei Jahre nach der Gründung 50 cabins, eine Mühle, eine Kirche und eine Schule. Die Siedlung wurde jedoch immer wieder, insbesondere im Frühjahr, vom Ohio 77 Vgl. Wade, Urban Frontier, 22 f.; Stradling, Cincinnati, 10; Knepper, Ohio and Its People, 66–67. 78 1790 wurde die Stadt von Arthur St. Clair, dem Gouverneur des Nordwest-Territo­ riums, zu Ehren der Society of the Cincinnati, deren Präsident er war, in Cincinnati um­ getauft. Vgl. James Oliver Horton, Race and Region. Ohio, America’s Middle Ground, in: Parker / Sisson / Coil (Hg.), Ohio & the World, 43–69 (50–51). 79 Vgl. Wade, Urban Frontier, 23; Stradling, Cincinnati, 10. 80 Vgl. Stradling, Cincinnati, 11.

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Abbildung 5: Cincinnati im Jahr 1838 (Library of Congress, Geography and Map Division).

überschwemmt. Schon im ersten Winter nach der Ansiedelung stieg der Ohio so stark an, dass Symmes nur ein einziges Haus aus den Fluten herausragen sah. Die Soldaten retteten sich auf die Dachböden ihrer Blockhäuser, von denen sie mit Booten gerettet werden mussten.81 Im Mai 1789 stellte Symmes fest: »[T]he season was remarkable for the amazing height of the water in the Ohio, being many feet higher than had been known since the white people had come into Kentucky.«82 Aufgrund dieser Erfahrungen zogen die meisten Siedler im Verlauf der nächsten Jahre einige Meilen flussabwärts nach Losantiville / Cincinnati.83 Als Georges Henri Victor Collot 1796 Columbia passierte, konnte er dort gerade einmal noch vier bis fünf Häuser ausmachen.84 81 Vgl. Greve, Centennial History of Cincinnati, 994. 82 Zitiert nach Other Great Floods, 122. 83 Vgl. Wade, Urban Frontier, 23. Vgl. auch Floods in the Ohio, 227: »It is within the recollection of some now living, that four years after the settling of Losantiville (Cincinnati) there was a flood that covered the land on which Columbia now stands. The stage of water must have been sixty feet or more.« 84 Collot, A Journey in North America, 130. Auf ähnliche Weise profitierte Portsmouth, Ohio, im Scioto County, vom Niedergang des benachbarten Alexandria, das 1799 zu nah am Fluss angelegt worden war. »Alexandria went down (which it was bound to do on account of its location)«, schrieb James Keyes 1880. James Keyes, Pioneers of Scioto County. Being a short biographical sketch of some of the first settlers of Scioto County, Ohio, comprising such

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Nach David Stradling war gerade diese Resilienz gegenüber Fluten des Ohio ein wichtiger Standortvorteil der neuen Siedlung und ein Hauptgrund für ihren Erfolg im Wettbewerb mit den anderen Städten, oder eher Dörfern, in der unmittelbaren Nachbarschaft.85 Diese Widerstandsfähigkeit war allerdings relativ und bedeutete lediglich, dass die Stadt weniger oft als andere Ortschaften überschwemmt wurde.86 Am Ohio River konnte dies allerdings schon einen erheblichen Unterschied ausmachen, und so profitierte ausgerechnet Cincinnati, »one of the most flood-afflicted spots in the valley«, von dem Untergang der Nachbarstädte.87 Dabei besaß der Ort, an dem später Cincinnati entstehen sollte, auf den ersten Blick keinen so hervorstechenden strategischen Vorteil, wie ihn Pittsburgh am Zusammenfluss von Monongahela und Allegheny oder Louisville an den Falls of the Ohio aufwiesen. Zudem waren etliche Tümpel an den Mündungen des Little und des Great Miami River, die kaum Frischwasserzufuhr hatten, eine Brutstätte für Krankheiten. Dennoch waren Lage und Topographie dieses Ortes vielversprechend. Unmittelbar am Fluss lagen die bottoms, ein Landstreifen zwischen 200 und 800 Fuß Breite (etwa 60 bis 240 Meter) und nur sieben Fuß über der Normalhochwassermarke. Etwa 50 Fuß (15 Meter) über der Niederung befand sich ein circa vier Quadratmeilen (circa 10 Quadratkilometer) großes Plateau, hinter dem wiederum dicht bewachsene Hügel lagen.88 Die Landschaft hatte somit den Charakter eines natürlichen Amphitheaters, wie Charles ­Dickens 1842 feststellen sollte, als er den Ohio hinab reiste.89 Auch die ökonomischen Anschlussmöglichkeiten jenseits der Siedlungsgrenzen schienen ophistorical matter and anecdotes of the early settlement of the county as could be collected at the present time. Portsmouth, Ohio, 1880, 99. Vgl. auch Henry Howe, Historical Collections of Ohio in Two Volumes. Cincinnati, OH, 1902, Bd.2, 561: »Being situated upon low ground liable to inundations, its [Alexandria’s] population dwindled away so that the locality ceased to exist as a town«. 85 Stradling, Cincinnati, 11. 86 Vgl. etwa für die Flut von 1809 in Cincinnati den Brief von John Cleves Symmes an seinen Enkel Charles Wilkins Short, Cincinnati, 22.2.1809, Filson Historical Society, Louisville, Kentucky (FHS), Charles Wilkins Short Papers, Letters 1817–1859, F2: A chronological record of the families of Charles Wilkins Short and Mary Henry Churchill; compiled by C. W. Short, and Mary Churchill Richardson. Photocopy of typescript, 133–134. 87 Wade, Urban Frontier, 23. Columbia ist heute ein Stadtteil Cincinnatis. 1817 notierte Morris Birkbeck, Notes on a Journey in America, from the Coast of Virginia to the Territory of Illinois. London 41818, 77, als er durch die Stadt reiste: »Cincinnati, like most American towns, stands too low; it is built on the banks of the Ohio, and the lower part of it is not out of the reach of spring floods«. 88 Vgl. Aaron, Cincinnati, 17; Wade, Urban Frontier, 10. 89 Charles Dickens, American Notes for General Circulation. London 1850 (1. Auflage 1842), 112. Vgl. auch Ford and Ford, History of Cincinnati, 9. Den Ohio auf einem Dampschiff hinabzufahren gehörte für viele europäische Besucher zum Pflichtprogramm ihrer Nordamerikareise. Vgl. Horton, Race and Region, 52.

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timal. Im Norden der Stadt lagen die riesigen Farmgebiete Ohios und Indianas, deren Produkte, so hoffte man, an dieser Stelle verarbeitet und verschifft werden könnten, während auf der gegenüberliegenden Flussseite der Licking ­R iver eine direkte Verbindung mit den prosperierenden Blue Grass-Gebieten Kentuckys herstellte.90 Auch der französische Beobachter Collot war von dem Ort sichtlich beeindruckt, als er 1796 schrieb: The lands on both sides of the river are of the finest quality, and being more than sixty feet above the ordinary level of the water, are entirely out of the reach of inundation. From Cincinnati to Mill Creek is two miles and an [sic] half. In this space the heights, which generally run along the Ohio, fall off to the north and south, and leave a wide extent of level ground, the fertility of which continually invites emigrants to settle. Both sides of the river are already well inhabited. The navigation from Cincinnati to Mill Creek is excellent, with ten or twelve feet of water.91

Über diese Landschaft wurde, wie in so vielen Frontier-Städten, entsprechend der Land Ordinance von 1785 und ungeachtet der natürlichen Charakteristika, ein streng geometrisches Raster gelegt. Israel Ludlow, surveyor und Stadtplaner im Auftrag des Kontinentalkongresses und einer der Männer, die Symmes dieses Stück Land abgekauft hatten, legte sieben Blocks vom Fluss entfernt und auf einer Länge von sechs Blocks die Grundlagen Cincinnatis nach dem Vorbild von Philadelphia.92 Die Stadt wuchs zunächst sehr langsam, vor allem aufgrund der häufigen und heftigen Angriffe der Wyandot, Delaware und Shawnee. Die Errichtung von Fort Washington in umittelbarer Nähe der Stadt im August 1789 schuf zwar etliche neue Probleme zwischen Soldaten und Siedlern, sicherte aber letztlich die Existenz Cincinnatis. Nach der Schlacht von Fallen Timbers 1794 war der Widerstand der Indianer gebrochen, und die Expansion nahm deutlich an Geschwindigkeit auf. Um die Jahrhundertwende hatte die Siedlung etwa 750 Einwohner, in Hamilton County lebten aber schon 14.000 Menschen.93 Die Bewohner Cincinnatis lebten jedoch nicht nur am, sondern auch vom Fluss. Die Stadt war Lagerstätte sowohl für Erzeugnisse, die in der Umgebung verkauft wurden, als auch für Produkte auf ihrem Weg zum Mississippi. Schon 1802 veröffentlichten lokale Zeitungen Preislisten aus Natchez und New Orleans.94 Zudem wurde die Stadt Durchgangs- und Versorgungsstation für die Wellen von Siedlern, die die Appalachen über die Cumberland Road überquert hatten und die in Pittsburgh auf flatboats umgestiegen waren, »giving the young 90 Vgl. Wade, Urban Frontier, 22. 91 Collot, A Journey in North America, 133. 92 Vgl. ebd., 24; Stradling, Cincinnati, 10 f. 93 Vgl. Wade, Urban Frontier, 25 f.; Stradling, Cincinnati, 11–15. 94 Vgl. Wade, Urban Frontier, 26 f.

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city the atmosphere of a large hotel«.95 Bis weit ins neunzehnte Jahrhundert hinein lebte ein Großteil der Bevölkerung Cincinnatis nicht mehr als eine halbe Meile vom Fluss entfernt.96 Das ökonomische Potenzial der ufernahen Gegenden überwog anscheinend bei weitem die Gefahren, die vom Fluss ausgingen.

Gallipolis Überschwemmungen am Ohio River waren schon in der frühen Phase der Besiedlung nicht nur in ihrer materiellen Form eine Bedrohung, sondern auch dann, wenn sie das »Image« eines Ortes zu beschädigen drohten. Dies galt selbst für Städte, die »high and dry« situiert waren, wie das Beispiel Gallipolis zeigt. Die Gründung der »Gallierstadt« geht zurück auf einen Spekulationsdeal, der mehrere Hundert Franzosen in die Gegend zwischen dem Land der Ohio Company und dem Scioto River lockte – nach Ansicht eines Historikers »the most harrowing American real-estate swindle between John Law’s day and the Florida boom of the nineteen-twenties«.97 Auf der Flucht vor den Wirren der Französischen Revolution fanden die Auswanderer am Ohio jedoch zunächst heraus, dass ihre Urkunden wertlos waren, weil die Scioto Company, die den Franzosen die Anteile verkauft hatte, das Land gar nicht besaß. Diejenigen émigrés, die trotzdem in den Westen reisten, fanden dort zudem nicht das ihnen versprochene Paradies, sondern einen denkbar unwirtlichen Ort vor, der darüber hinaus auch noch auf dem Gebiet der Ohio Company lag. Einige Auswanderer zogen daraufhin etwas weiter stromabwärts in ein Gebiet, das der US-Kongress ihnen im sogenannten French Grant als Entschädigung zur Verfügung stellte; andere blieben in Gallipolis, wie sie ihr Dorf nun nannten, »an elegant way of saying Frenchtown«.98 Christian Schultz, der 1807 durch Gallipolis reiste, fällte ein vernichtendes Urteil über den Ort: »At present it is fast declining, most of the inhabitants having removed, in consequence of the sickliness of the place.« Das Land unmittelbar hinter der Stadt liege tief und zeichne sich durch etliche kleine Tümpel und Sümpfe aus, die ohne Zweifel eine Quelle von Krankheiten darstellten. »Whenever the river is high, and overflows its banks,  a considerable current sets through these ponds«, was man an der Menge an Treibholz an deren Ufern 95 Ebd., 26. 96 Joe William Trotter, River Jordan. African American Urban Life in the Ohio Valley. Lexington, KY, 1998, 9. Vgl. auch Walter Glazer, Cincinnati in 1840. The Social and Functional Organization of an Urban Community During the Pre-Civil War Period. Columbus, OH, 1999, 27. 97 Banta, Ohio, 13. Vgl. auch ebd., 196. 98 Knepper, Ohio and Its People, 69. Vgl. auch Philbrick, Rise of the West, 124 f.; Cayton, Contours of Power in a Frontier Town, 112 ff.

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ablesen könne. Das Land, auf dem der Ort selbst errichtet worden sei, stamme offensichtlich von Ablagerungen vergangener Überschwemmungen. »At present, by some change in the course of the current, it is fast washing away again; so that, in all probability, in fifty years to come, even the site of Galliopolis [sic] will be forgotten«, notierte Schultz. »Trees which have been buried for ages, are now seen exposed in every part of the bank, as it daily tumbles into the river«.99 Hier irrte sich Schultz (dessen Reisebeschreibungen ansonsten sehr akkurat sind, wie sich aus dem Abgleich mit anderen Quellen und wissenschaftlichen Werken ergibt) allerdings gewaltig. Ein Bürger von Gallipolis war derart erbost, dass er am 29. August 1816 eine polemische Gegendarstellung in der ortseigenen Zeitung American Standard verfasste. Diese Replik wurde dann vom Herausgeber des landesweit erscheinenden Weekly Register, Hezekiah Niles, auf den Wunsch von »many of his friends at Gallipolis« wiederabgedruckt. Der anonyme Bürger Gallipolis’, der Schultz’ Werk erst 1816 zu lesen bekommen hatte, machte den Reiseautor auf sein »maze of errors« aufmerksam. Zunächst habe die Stadt zum Zeitpunkt von Schultz’ angeblichem Besuch  – der Anonymus machte keinen Hehl daraus, dass er glaubte, Schultz sei nie in Gallipolis gewesen – genau so viele Häuser gehabt wie zu allen Zeiten zuvor und sei keineswegs im Niedergang.100 Dann sei das Land hinter der Stadt »high and dry as any other part of the town«, und es gebe weder einen Tümpel noch einen Sumpf in einem Umkreis von mehreren Meilen, in die auch nur ein Tropfen Wasser aus dem Ohio fließe. Auch das von Schultz beschriebene Treibholz könne keinesfalls aus dem Ohio kommen, denn die Stadt sei auf einer weiten Ebene mehr als 14 Fuß über der Hochwassermarke errichtet worden. »I am acquainted with the situation of almost every town on the banks of the Ohio; and shall be warranted in saying, that the streets of Gallipolis will be dry, when every other town will be entirely destroyed and swept away by the water.«101 99 Schultz, Travels on an Inland Voyage, 170–71, Eintrag vom 4.10.1807. 100 Niles’ Weekly Register, 21.9.1816, 54–55, hier 55. Reuben Gold Thwaites, der Historiker aus Madison, der 1894 den Ohio zusammen mit seiner Familie in einem Ruderboot hinabfuhr und auf diesem Weg auch nach Gallipolis kam, war anderer Meinung: »[…] the emigrants gradually died off, until now, so at least we were assured, but three families of descendants of the original Gauls are now living here. It was the American element, added by sturdy Germans, who in time took hold of the decayed French settlement, and built up the prosperous little town of six thousand inhabitants which we find to-day. It is a conservative town, with little perceptible increase in population […]«, Thwaites, Afloat on the Ohio, 132. Die Stadt existiert noch heute. 101 Niles’ Weekly Register, 21.9.1816, 54–55, hier 55. Hezekiah Niles, Herausgeber des in Baltimore erscheinenden Weekly Register, nutzte die Gelegenheit für eine Breitseite gegen »British government-writers«, wie er diese Reisenden nannte: »The probability is that n ­ either of these fellows ever were within many hundred miles of Gallipolis  – But that they were paid for making a book. Several chaps have lately travelled to the United States for the same­ purpose. Four of them landed at New York two or three weeks ago on a Monday, and left it for England again on the Thursday following, ›disgusted with the country,‹ whose books of tra-

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Die Geschichte sollte dem anonymen Bürger Gallipolis’ Recht geben und Schultz widerlegen, denn 1884, bei der schwersten Flut des Ohio River im neunzehnten Jahrhundert, war die Stadt einer der wenigen Flecken entlang des Stromes, die nicht oder nur wenig von der Katastrophe betroffen waren. »Being one of the oldest and most favorably known towns on the river«, bemerkte John Vance in seiner umfangreichen Beschreibung der Flut von 1884, »it is with pardonable pride that she rejoices in being the ONLY REALLY HIGH-WATER TOWN OF NOTE IN THE OHIO VALLEY. Providence so decreed, and so it is.« Was Vance mit dieser missverständlichen Bezeichnung meinte, war, dass­ »ninety-nine-hundreths« der Stadt »dry and high above the flood« lagen.102

Cairo Noch bemerkenswerter als die Topographie Gallipolis’ waren die natürlichen Voraussetzungen in Cairo, Illinois, an der Mündung des Ohio in den Mississippi. Aus guten Gründen erregte dieser Ort schon früh das Interesse von Militärs und Spekulanten. Am Zusammenfluss zweier gewaltiger Stöme, die das ganze Jahr über Schiffbarkeit und Zugang zu fast dem gesamten Gebiet zwischen Rocky Mountains und Appalachen garantierten, schien jede Neugründung eine blendende Zukunft zu haben. Die Gegend war schon 1810 vermessen worden, doch erst als die Kaskaskia und Peoria ihre Landrechte im September 1818 an die Territorialregierung abtraten, konnte der Verkauf und damit auch die Spekulation beginnen.103 Noch im selben Jahr erwarb John G. Comegys, ein Geschäftsmann aus Baltimore, beim Land Office in der Hauptstadt des ­Illinois Territory Kaskaskia, 1.800 acre (728 Hektar) auf der Landzunge zwischen den beiden Flüssen und versuchte, europäische Finanziers für sein Projekt der Gründung von Cairo zu gewinnen. Das Unternehmen scheiterte, wie so viele andere in dieser Gegend, an finanziellen Schwierigkeiten. Das größte Problem Cairos war aber nicht der Mangel an Kapital, sondern die Tatsache, dass die Gefährdungen durch Naturkräfte hier ebenso groß waren wie die Fantasien für die Zukunft der Stadt.104 vels we may expect with the spring importations of new goods and wares.« (Hervorhebung Niles) Niles war allerdings auch nicht ganz unparteiisch, hatte er doch auch »his very numerous subscibers« in Gallipolis im Sinne, ebd., 54. 102 Vance, Great Flood of 1884, 115 (Hervorhebung Vance). Vgl. auch ebd., 28, und 116: »It is therefore seen by the reader that when we say that Gallipolis is a ›high and dry‹ town, above the highest water ever known, it is no idle boast, but a literal fact, of which we should be justly proud.« 103 Lansden, A History of the City of Cairo, 30–31. 104 Vgl. ebd., 31; Herman R. Lantz, A Community in Search of Itself. A Case History of Cairo, Illinois. Carbondale, Edwardsville, IL, 1972, 7–8.

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Abbildung 6: Prekäre Lage. Cairo, Illinois, eingepfercht zwischen Ohio und Mississippi River. Zeichnung von H. Willbe, 1885 (Wikimedia Commons).

»The difficulty was obvious enough«, hielt ein früher Historiker Cairos fest, der jahrzehntelang in der Stadt gelebt hatte: »[A] great central position, great rivers coming together, draining an empire in extent, but almost annually claiming dominion over the intervening land they themselves had created.«105 Überschwemmungen waren hier nicht entfernte Möglichkeiten, sondern ein Ereignis, mit dem man ständig rechnen musste.106 Anstatt sich in eine blühende Metropole zu entwickeln, war Cairo zunächst bloß Lagerplatz für Brennholz, an dem die Dampfschiffe ihre Vorräte auffüllten.107 Zwei Jahrzehnte später, mittlerweile lebten immerhin 2.000 Menschen in Cairo, belebte das Projekt einer Eisenbahnlinie von Cairo nach Galena im Nordwesten des Staates Illinois die Hoffnungen auf eine große Zukunft der Stadt erneut. Die 1837 gegründete Cairo City and Canal Company, die für den Aufbau der notwendigen Infrastruktur auf The Point zuständig war, wozu auch der Schutz vor Überschwemmungen gehörte, scheiterte im Verlauf der nächsten Jahre aus verschiedenen Gründen. Erheblich zum Vertrauensverlust in die Profitabilität der Unternehmung trug aber die unsichere Lage der Stadt bei. Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts notierte der Historiker John M. Lansden: »We are impressed by nothing in all the history of those early years so much as by what seems to have 105 Lansden, A History of the City of Cairo, 32. 106 Paul F. Paskoff, Troubled Waters. Steamboat Disasters, River Improvements, and American Public Policy, 1821–1860. Baton Rouge, LA, 2007, 12–13. 107 Vgl. Lansden, A History of the City of Cairo, 40.

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been the views of the promoters of the enterprise here as to the slight depth of the water over the point when the rivers were at their highest.«108 Zwar müsse man in solchen Anpreisungen Übertreibungen in Rechnung stellen, denn die Erfahrung lehre, dass die Vorzüge eines Ortes übertrieben, dessen Nachteile jedoch oft verschwiegen würden, and hence we could hardly expect that they would represent the site of the city as low as it really was or that the rivers rose as high as they really do; but making all allowances possible, it still seems remarkably strange how, as far back as in 1836 and from thence up to 1850 and even later, it was represented in every way and manner that the site was not so low and that the rivers did not rise and overflow it to any considerable depth. It is true we have a far better knowledge of the actual situation than they could have had. None of them had ever seen any very high rivers.109

Die Folgen dieser Fehleinschätzungen (und bewussten Falschdarstellung) der lokalen Topographie waren gravierend. 1844 hielten die in der Zwischenzeit angelegten niedrigen Deiche das Wasser des Mississippi noch zurück, doch schon 1849 brach der Erdwall auf einer Länge von 500 Metern. Neun Jahre später wurde Cairo erneut überflutet. In beiden Fällen reichten schon relativ moderate Hochwasserstände des Mississippi, um die Vulnerabilität des Ortes in aller Deutlichkeit aufzuzeigen.110 108 Ebd., 54. Vgl. auch Welky, Thousand-Year Flood, 103–104. Für die Auseinander­ setzungen zwischen der Stadt Cairo und der Illinois Central Railroad Company über den adäquaten Schutz vor Überschwemmungen vgl. Cairo City Property, The Past, Present and Future of the City of Cairo, in North America. With Reports, Estimates and Statistics. Portland, ME, 1858. 109 Lansden, A History of the City of Cairo, 54. Für eine Auflistung von Überschwemmungen Cairos im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert vgl. Lantz, A Community in Search of Itself, 143–144. Im zweiten Jahrzehnt des neunzehnten Jahrhunderts war die »town-making mania« bereits so verbreitet, dass sie Gegenstand spöttischer Kritik wurde. So erschien 1819 im Augusta Chronicle eine nicht ganz ernst gemeinte Anzeige, die die Vorzüge der Stadt »Skunksburgh« anpries, und die im ganzen Westen schnell Verbreitung fand. Unterzeichnet war dieser »Prospekt« von Andrew Aircastle, Theory M’Vision und L. Moonlight, Jr. Vgl. Wade, Urban Frontier, 32–33. Die Fantasien vom schnellen Reichtum und den unerschöpflichen Möglichkeiten im amerikanischen Westen waren so groß, dass sie auch Anlass zu betrügerischen Unternehmungen gaben. So konnten einige angehende Siedler davon überzeugt werden, Land in der überhaupt nicht existierenden Stadt Nininger in Minnesota, an den Ufern des Mississippi, zu erwerben. Die Spekulanten, die Nininger erfunden hatten, hatten zur Überzeugung der Investoren eigens eine Zeitschrift kreiert, den Nininger Daily Bugle, die gefüllt war mit Anzeigen vermeintlich echter lokaler Unternehmen. Vgl. David E. Nye, America as Second Creation. Technology and Narratives of New Beginnings. Cambridge, MA, 2004, 286. 110 Vgl. Lansden, A History of the City of Cairo, 54. Der Artikel »Flood at Cairo«, Living Age 58 (17.7.1858), 200, schildert, wie sich etliche Flüchtlinge bei der Flut 1858 auf den levee gerettet haben. In gewisser Weise hat Charles Dickens dieses »Image« von Cairo verewigt, indem er die Eindrücke, die er 1842 auf seiner Reise durch die USA von der Stadt ge-

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Überschwemmungen am Ohio River und seinen Zuflüssen waren nicht auf die oben beschriebenen Städte beschränkt. Sie waren eher die Regel als die Ausnahme im urbanen Leben an diesem Fluss im späten achtzehnten und frühen neunzehnten Jahrhundert, und fast jede Siedlung hat in den ersten Jahren nach ihrer Gründung Bekanntschaft mit den »freshes« gemacht. So hatten auch Portsmouth, Ohio, Jeffersonville, Indiana, oder Shawneetown, Illinois, von Beginn an mit der Volatilität des Flusses zu kämpfen, die die Einwohner dieser Städte aufgrund ihrer mangelnden historischen Erfahrung nur schwer einschätzen konnten.111 Schon in der frühen Phase der Besiedlung des Ohio Valley hatten Überschwemmungen also markante Auswirkungen auf das Leben am und mit dem Fluss. Von Pittsburgh bis Cairo wurden die Siedler immer wieder mit der natürlichen Dynamik des Ohio River konfrontiert. Der Fluss zerstörte Häuser, vernichtete Ernten und tötete Tiere und (gelegentlich) auch Menschen. Mangelnde Erfahrung mit der lokalen Variabilität des Ohio und seiner Zuflüsse führte zu prekären Standortentscheidungen, und verfälschte Darstellungen der Topographie eines Ortes beeinflussten dessen Attraktivität für Siedler und Investoren. Wenn Hochwasser und Überschwemmungen den Siedlern im Ohio Valley also schon in dieser Frühzeit zu schaffen machten, darf darüber doch nicht vergessen werden, dass die Schäden relativ gering waren. So wurde die Überschwemmung von 1810 am Oberlauf des Ohio von den »Pionieren« nicht ohne Ironie als »pumpkin flood« bezeichnet, weil Kürbisse und squash den Ohio hin­unter wonnen hatte, als Vorlage für seine Charakterisierung des fiktiven Ortes Eden in seinem Roman Martin Chuzzlewit nahm. In seinen American Notes for General Circulation, London 31843, 108–09, bemerkte Dickens über Cairo: »[…] upon the morning of the third day, we arrived at a spot so much more desolate than any we had yet beheld, that the forlornest places we had passed, were, in comparison with it, full of interest. At the junction of the two rivers, on ground so flat and low and marshy, that at certain seasons of the year it is inundated to the house-tops, lies a breeding-place of fever, ague, and death; vaunted in England as a mine of Golden Hope, and speculated in, on the faith of monstrous representations, to many people’s ruin. A dismal swamp, on which the half-built houses rot away: cleared here and there for the space of a few yards; and teeming, then, with rank unwholesome vegetation, in whose baleful shade the wretched wanderers who are tempted hither, droop, and die, and lay their bones; the hateful Mississippi circling and eddying before it, and turning off upon its southern course a slimy monster hideous to behold; a hotbed of disease, an ugly sepulchre, a grave uncheered by any gleam of promise: a place without one single quality, in earth or air or water, to commend it: such is this dismal Cairo.« 111 Für Shawneetown vgl. History of Gallatin, Saline, Hamilton, Franklin and Williamson counties, Illinois, from the earliest time to the present: together with … biographical sketches, notes, reminiscences, etc. Chicago 1887, 103: »Shawneetown has suffered very much from floods at various times, from its earliest days to within a few years of the present time, but these vexatious and destructive visitations have not yet succeeded in depopulating the place.« Vgl. auch Birkbeck, Notes on a Journey in America, 33 ff. Für Jeffersonville siehe ebd., 78, für die frühe Geschichte Louisvilles vgl. unten, Kapitel 4.1.

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flossen und im Verlust dieser Lebensmittel der einzig nennenswerte Schaden bestand.112 Zudem überwogen die Vorteile eines natürlichen Kommunikations- und Transportkanals die negativen Begleiterscheinungen für die meisten Städte bei weitem. Hohe Wasserstände wurden sogar, zumindest von den Schiffern und Händlern, herbeigesehnt, da sie exzellente Möglichkeiten der Navigation in einem steinigen und mit Baumstümpfen übersäten Flussbett schufen. Erst als das Tal immer dichter besiedelt wurde und immer mehr Geschäftsleute und Gewerbebetriebe ihre Gebäude dicht am Fluss errichteten, um von der einfachen Versorgung mit Wasser und dem guten Zugang zu Transportwegen zu profitieren, wich derartige Gelassenheit zunehmender Besorgnis.

112 Diese »Kürbisflut« wird zum Beispiel erwähnt im Artikel »The Flood«, The Statesman (Pittsburgh), 15.2.1832. Vgl. auch »The Ohio Flood«, American Friend, and Marietta Gazette, 25.2.1832, und die Ausführungen Colonel Henry Bouquets: »1810. Pittsburgh November 11th – (Sunday) Monongahela and Allegheny rivers rose rapidly from sunset Saturday until Midnight Sunday. Water about 37 feet above its usual level. Measured four feet in depth on the ground floors of the houses on the corners of Wood and Water Streets. Penn and Liberty Streets were flooded. From the great quantities of Pumpkins floating during the inundation it is usually known as the Pumpkin Flood.« Darlington, History of Colonel Henry Bouquet, 217.

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4. Die Flut von 1832 als erste regionale Hochwasserkatastrophe

4.1 »These extraordinary changes«: Der Ohio River und die Transformation des Ohio Valley Im Jahr 1812 fuhr John J. Audubon zusammen mit seiner Frau, seinen zwei Kindern und zwei angemieteten Ruderern in einem Kanu den Ohio von Pennsylvania nach Kentucky hinunter. Genau zwanzig Jahre später, also im Jahr als der Ohio River an den meisten Stellen neue Rekordmarken setzte, erinnerte sich der berühmte Ornithologe, der jahrelang selbst an diesem Fluss gelebt hatte, an seine Eindrücke. Audubons Beschreibung ist ohne Zweifel romantisch verklärend, sie gibt aber dennoch ein zu dieser Zeit weit verbreitetes Verlustgefühl wieder, das den rapiden und intensiven Wandel des Flusses, der Überschwemmungsgebiete und des gesamten Ohio Valley in den ersten Dekaden des neunzehnten Jahrhunderts reflektiert. »We glided down the river, meeting no other ripple of the water than that formed by the propulsion of our boat«, erinnerte sich Audubon. »Leisurely we moved along, gazing all day on the grandeur and beauty of the wild scenery around us.« Er fühlte sich an manchen besonders weiten Stellen des Flusses an einen See erinnert und beschrieb Inseln verschiedenster Größe und Form, an deren Spitzen sich große Haufen von Treibholz durch die ständigen Überflutungen angesammelt hatten.1 Audubon bemerkte aber auch, zumindest im Rückblick, besorgniserregende Entwicklungen: »We foresaw, with great concern, the alterations that cultivation would soon produce along these delightful banks.«2 Hier und da war bereits die einsame Blockhütte eines squatters zu sehen – Vorbote der vordringenden »Zivilisation«. Auch der Bootsverkehr auf dem Ohio nahm zu. Die Audubons überholten etliche »flat-boats«, von denen viele mit Produkten beladen waren, die von den Zuflüssen ihren Weg zum Hauptstrom gefunden hatten. Andere, klei-

1 John J. Audubon, The Ohio, in: The Museum of Foreign Literature, Science, and Art 20 (117/März 1832), 334 f. Vgl. auch ders., A Flood of the Mississippi. New York Mirror. A Weekly Gazette of Literature and the Fine Arts, 9.2.1833: »I have floated on the Mississippi and Ohio when thus swollen, and have in different places visited the submersed lands of the interior, propelling a light canoe by the aid of a paddle. In this manner I have traversed immense portions of the country, overflowed by the waters of these rivers«. 2 Audubon, The Ohio, 334–35.

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nere Boote waren voll besetzt mit Emigranten »from distant parts« auf dem Weg in den Westen. »When I think of these times, and call back to my mind the grandeur and beauty of those almost uninhabited shores«, resümierte der Vogelkundler, when I reflect that all of this grand portion of our Union, instead of being in state of nature, is now more or less covered with villages, farms, and towns, where the din of hammers and machinery is constantly heard; that the woods are fast disappearing under the axe by the day, and the fire by night; that hundreds of steamboats are gliding to and fro, over the whole length of the majestic river, forcing commerce to take root and to prosper at every spot; when I see the surplus population of Europe coming to assist in the destruction of the forest, and transplanting civilization into its darkest recesses; – when I remember that these extraordinary changes have all taken place in the short period of twenty years, I pause, wonder, and, although I know all to be fact, can scarcely believe its reality.3

Auch wenn man die wirtschaftliche Entwicklung des Ohio Valley in den ersten Dekaden des neunzehnten Jahrhunderts in nüchterneren Worten als denjenigen Audubons beschreibt, bleibt sie äußerst beeindruckend. Die Geschwindigkeit und das Ausmaß der Transformation des Ohio Country waren selbst für amerikanische Verhältnisse außergewöhnlich, konstatiert Andrew R. L. Cayton, einer der besten Kenner der Geschichte dieser Region. »Within a lifetime, forests had become fields and villages had been linked by railroads and telegraph wires.«4 Der Motor dieser Transformation war zunächst das immense Bevölkerungswachstum. In den ersten Dekaden des neunzehnten Jahrhunderts fuhren Zehntausende Amerikaner und Menschen aus anderen Teilen der Welt den Ohio hinunter.5 Die Zahl der US-Bürger, die westlich der Appalachen lebte, stieg zwischen 1790 und 1820 immens an. Die Einwohnerzahl Kentuckys wuchs von 73.000 im Jahr 1790 auf mehr als 220.000 um die Jahrhundertwende. Das Wachstum verlangsamte sich danach ein wenig, doch um 1820 hatte der erste Bundesstaat westlich der Appalachen bereits 564.000 Einwohner. In Ohio war der Anstieg noch rasanter. Lebten auf dem Territorium des 1803 in die Union aufgenommenen Buckeye State um die Jahrhundertwende noch weniger als 50.000 Einwohner, so waren es im Jahr 1820 bereits 600.000.6 Da die meisten Siedler auf ihren Farmen über den eigenen Bedarf hinaus auch für den Markt produzierten, entwickelte sich schnell ein lebhafter Handel. Im frühen neunzehnten Jahrhundert war Mehl einer der wichtigsten Exportartikel, der den Ohio hinunter bis nach New Orleans verschifft wurde. Alleine 3 Ebd. 4 Andrew R. L. Cayton, The Significance of Ohio in the Early American Republic, in: Cayton / Hobbs (Hg.), The Center of a Great Empire, Columbus, OH, 2005, 1–9 (6). Vgl. auch Hurt, Ohio Frontier, xiii. 5 Vgl. Gruenwald, River of Enterprise, 82. 6 Vgl. ebd., 83.

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im Frühjahr 1802 passierten 85.000 Fässer die Falls of the Ohio. Daneben verschifften die »Westerner« Schweinefleisch und Whiskey und ab Ende der ersten Dekade auch Eisen, Glas, und Mühlsteine. Eingeführt wurden vor allem Zucker, Kaffee und Textilwaren.7 Mit dem Erwerb Louisianas von Frankreich 1803 hatte sich zudem das Territorium der USA über Nacht verdoppelt und damit weitere – zu diesem Zeitpunkt allerdings eher potenzielle – Absatzmärkte geschaffen. Von kaum zu überschätzender Bedeutung für den Handel sowie für den Erfolg und das Wachstum der Städte im Ohio Valley war die Existenz effizienter und zuverlässiger Transportwege. Das einzige Medium, das diese Bedingungen in den Gebieten jenseits der Appalachen bis zum Siegeszug der Eisenbahnen erfüllen konnte, waren die Flüsse. Straßen waren in der oft hügeligen Gegend in einem schlechten Zustand und fast nur im Sommer passierbar, wenn Regen oder Schnee deren Nutzung nicht unmöglich machten. Die Reise über Land war daher langsam und kostspielig.8 In Bezug auf Mobilität, Transport und Kommunikation waren die USA zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts weniger eine homogene Landmasse, die durch Flüsse getrennt war, als vielmehr ein Netz an natürlichen und künstlichen Wasserwegen, denen das Land im Weg stand, wie Donald J. Pisani festgestellt hat.9 Im regenreichen Osten der USA waren die hydrologischen Voraussetzungen für die Schifffahrt außergewöhnlich gut. Dies galt insbesondere für den Ohio River, der – abgesehen von Niedrigwasserperioden und den zu dieser Zeit üblichen Tücken der Flussnavigation wie Baumstümpfen oder Untiefen – nur ein einziges großes Navigationshindernis auf der gesamten Strecke von Pittsburgh bis Cairo aufwies: die Falls of the Ohio. Diese »Wasserfälle« sind eigentlich Stromschnellen, die bei hohen Wasserständen des Ohio kaum zu sehen und verhältnismäßig leicht zu navigieren waren. Bei niedrigen Wasserständen konnte man dagegen zwei Drittel des Flussbettes trockenen Fusses überqueren.10 Der Fluss fällt hier 22 Fuß (6,71 Meter) auf einer Länge von zwei Meilen (3,2 Kilometer). Über weite Strecken des Jahres mussten Händler, Siedler und alle anderen, die stromabwärts oder stromaufwärts weiter reisen wollten, diese Stelle auf dem Landweg umgehen. Hier eine Siedlung zu errichten war daher vielversprechend.11 Die Falls of the Ohio waren Native Americans, Trappern und Händlern seit langem bekannt. Eine permanente Siedlung wurde an dieser Stelle aber erst 1778 von George Rogers Clark errichtet, der, begleitet von circa 20 Familien, den 7 Vgl. ebd., 62, 89. 8 Vgl. Wade, Urban Frontier, 39. 9 Pisani, Beyond the Hundredth Meridian, 468. 10 Schultz, Travels on an Inland Voyage, 191, Eintrag vom 10.10.1807. 11 Vgl. Leland R. Johnson / Charles E. Parrish, Triumph at the Falls. The Louisville and Portland Canal. Louisville, KY, 2007; Ben Casseday, The History of Louisville from its­ Earliest Settlement till the Year 1852. Louisville, KY, 1852.

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Ort als militärischen Stützpunkt und als Ausgangsbasis für Kämpfe gegen die Briten im Westen anlegte.12 Louisville, wie die Stadt an dieser Stelle später heissen sollte, profitierte auch vom relativ frühen Beginn der Zuwanderung nach Kentucky, das sich schon 1792 von Virginia abgespalten hatte und als 15. Staat in die amerikanische Union eingegangen war. Als auch am Nordufer des Flusses Städte prosperierten, hatte die Stadt an den Falls einen Wettbewerbsvorteil und sich bereits einen Großteil des Handels angeeignet.13 Louisville lag »at the head of ascending and the foot of descending navigation,« wie ein zeitgenössischer Beobachter festgehalten hat. »[A]ll the wealth of the western country must pass through her hands.«14 Die Nutzung der Wasserwege war zwar, ebenso wie die Nutzung der Straßen, in vielfältiger Hinsicht von den Jahreszeiten und anderen Variablen abhängig, sie bot aber einen ungleich einfacheren und damit auch preiswerteren Weg in den Westen. Allerdings, und dies war ein gravierender Nachteil, galten diese Vorteile in viel stärkerem Maße für den Transport stromabwärts als den Fluss hinauf. So erreichten im Jahr 1807 mehr als 1.800 Schiffe New Orleans über den Mississippi, während lediglich elf in die andere Richtung verkehrten. Segel halfen wenig, und die Schiffe die Flüsse hinauf zu ziehen, erwies sich auf Dauer als zu kostspielig, um im großen Stil durchgeführt zu werden. Bis zum Aufkommen der Dampfschifffahrt etablierte sich daher ein Dreieckshandel, bei dem Händler aus dem Westen ihre Produkte wie auch die zerlegten Schiffe selbst in New Orleans verkauften und mit dem Erlös wiederum die Einfuhr von Manufakturwaren aus den Ostküstenstaaten finanzierten. 1811 passierten in sechs Monaten fast 1.200 Boote die Stromschnellen bei Louisville.15 Das Gewerbe spielte zu dieser Zeit im von der Landwirtschaft dominierten Ohio Valley eine untergeordnete, aber schon deutlich sichtbare Rolle. Zwar hatte der Krieg mit Großbritannien ab 1812 die amerikanischen Händler von den europäischen Märkten abgeschnitten, doch der stetig wachsende Binnenmarkt glich diese Verluste zumindest teilweise wieder aus. Neue Siedler waren auf die Erzeugnisse ihrer Nachbarn angewiesen, bis ihre eigene Farm ausreichend Ertrag abwarf, was ein Jahr oder länger dauern konnte. Auch die regelrecht explodierenden urbanen Märkte in Pittsburgh und Cincinnati entwickelten sich mehr und mehr zu Absatzmärkten für landwirtschaftliche und gewerbliche Waren aus der Region.16 Die meisten Handelszentren besaßen zudem Einrichtungen, die land- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse verarbeiteten wie Säge- und Getreidemühlen, 12 Vgl. Wade, Urban Frontier, 16 f.; Barnhart, Valley of Democracy, 28. 13 Vgl. Wade, Urban Frontier, 14. 14 Missouri Gazette, 21.3.1811, zitiert nach Wade, Urban Frontier, 64. 15 Vgl. Wade, Urban Frontier, 39–42. 16 Vgl. Gruenwald, River of Enterprise, 90.

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Distillerien oder kleine Fleisch verarbeitende Betriebe. Textilfabriken und Eisengießereien waren dagegen nur vereinzelt und verstreut über das gesamte Ohiotal zu finden.17 Eine Ausnahme war Pittsburgh, wo schon 1802 über 160 Personen in mehr als 40 Handwerken tätig waren, darunter Schuhmacher und Buchbinder ebenso wie Graveure, Stellmacher oder Schreiner. Der gewerbliche Bereich war hier also schon zu dieser Zeit recht ausdifferenziert. Zudem befanden sich in der schnell wachsenden Stadt bereits eine Brauerei, zwei Glasfabriken, eine Papierfabrik und etliche andere proto-industrielle Einrichtungen.18 Schon 1792 hatte der aus dem Elsass ausgewanderte George Anshutz wenige Meilen außerhalb der Stadt die erste Eisengießerei gegründet. Ein Jahrzehnt später nahmen die ersten Walzwerke ihren Betrieb auf, gefolgt von Nagelfabriken und Eisen­ hütten.19 Wenn das gegenwärtige Wachstum anhalte, notierte Christian Schultz auf seiner Durchreise 1807, dann könne Pittsburgh innerhalb von drei Jahrzehnten die größte Stadt im Binnenland der Vereinigten Staaten sein.20 Cincinnati hinkte Pittsburgh zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts weit hinterher, sollte die Stadt an den Forks of the Ohio aber in den nächsten Jahrzehnten in etlichen Bereichen überholen (und Schultz’ Prognose somit konterkarieren). 1802 mit einer charter ausgestattet und 1819 als Stadt inkor­poriert, war Cincinnati von ihren Anfängen an eng in die Südstaatenökonomie integriert. Auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses lag das sklavenhaltende Kentucky und via Ohio und Mississippi River war die Stadt mit New Orleans und dem Golf von Mexiko verbunden. Das Wachstum Cincinnatis war mehr als außergewöhnlich. Die Einwohnerzahl stieg von 2.500 im Jahr 1810 auf knapp 25.000 nur zwanzig Jahre später. Damit war die »Queen City of the West« bereits die siebtgrößte Stadt des ganzen Landes. Aus der Umgebung wurden Getreide, Schinken, Schweine, Fette, Butter, Wolle, Leinsamenöl und Bienenwachs angeliefert, während die Stadt selbst Whiskey, Möbel, Fässer, Hüte, Schuhe, Kerzen, und andere Gegenstände produzierte. Immer mehr gewann auch das Metall verarbeitende Gewerbe an Bedeutung. Die wichtigsten Märkte der Stadt waren die Plantagen im westlichen Teil des tiefen Südens.21 Gegen Ende der 1830er Jahre hatte Cincinnati die Merkmale einer Stadt, die sich ausschließlich dem Handel widmet, verloren und ihre wirtschaftlichen 17 Vgl. Edward K. Muller, Selective Urban Growth in the Middle Ohio Valley, 1800–1860, in: Geographical Review 66 (2/1977), 178–199 (185). 18 Vgl. Gruenwald, River of Enterprise, 91. 19 Vgl. Trotter, River Jordan, 11. 20 Schultz, Travels on an Inland Voyage, 125, Eintrag vom 9.9.1807. 21 Vgl. Muller, Selective Urban Growth in the Middle Ohio Valley, 182–183; United States Department of Commerce, Bureau of the Census, 1990 Census of Population and ­Housing. Population and Housing Unit Counts, United States. Washington, DC, 1993, 595. Vgl. auch Alan I. Marcus, Plague of Strangers. Social Groups and the Origins of City Services in­ Cincinnati, 1819–1870. Columbus, OH, 1991, 1. 

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Aktivitäten auf eine breitere Basis gestellt. Die Stadt war nicht mehr bloß Umschlagsplatz für die landwirtschaftlichen Produkte aus der Umgebung und hing damit nicht mehr so stark von den Fertiggütern und dem Geld der Ostküstenstädte ab. »Mechanics and artisans filled her workshops, and their v­ arious productions, featured in Cincinnati stores, drew visitors and buyers from  a wide area«.22 Eben diese Besucher waren gleichermaßen begeistert wie abgestoßen von den Folgen dieses exorbitanten Wachstums. Gustave de Beaumont, der Cincinnati zusammen mit Alexis de Tocqueville 1831 besuchte, schrieb in einem Brief an seinen Vater: »I don’t believe there exists anywhere on earth a town which has had a growth so prodigious. Thirty years ago the banks of the Ohio were a wilderness. Now there are 30,000 inhabitants in Cincinnati. During the last five years the population had doubled.« Auch Tocqueville zeigte sich sichtlich be­ eindruckt von der Stadt, […] which seems to want to rise too quickly for people to have any system or plan about it. Great buildings, thatched cottages, streets encumbered with debris, houses under construction, no names on the streets, no numbers on the houses, no outward luxury, but the image of industry and labour obvious at every step.23

Die britische Schriftstellerin Frances Trollope, die in den frühen 1830er Jahren zwei Jahre in Cincinnati lebte, war hingegen nicht gerade angetan von diesem omnipräsenten Geschäftssinn der Einwohner: »every bee in the hive is actively employed in search of that honey of Hybla, vulgarly called money;­ neither art, science, learning, nor pleasure can seduce them from its pursuit.«24 In Cincinnati, lamentierte außerdem der ebenfalls aus England ausgewanderte Elias Fordham, »business and politics engross the thoughts of the men […]. They live in their Stores and Countinghouses, and associate with their wives as little as may be.«25 Cincinnatis Wachstum spielte sich in den ersten vier Jahrzehnten fast ausschließlich in den bottoms ab, dem schmalen Streifen Land unmittelbar am Fluss. Erst in den 1830er Jahren erklommen die Cincinnatians das höher ge­ legene basin. Diese räumliche Konzentration der Bevölkerung, der business

22 Aaron, Cincinnati, 36 f. 23 Zitiert nach George Wilson Pierson, Tocqueville in America. Baltimore, MD, 1996, 552. 24 Frances Trollope, Domestic Manners of the Americans. Bd.1, New York 1927 (Nachdruck der fünften Auflage aus dem Jahr 1839, erste Auflage 1832), 36. 25 Frederic Austin Ogg (Hg.), Personal Narrative of Travels in Virginia, Maryland, Pennsylvania, Ohio, Indiana, Kentucky; and of a Residence in the Illinois Territory. 1817–1818, by Elias Pym Fordham. Cleveland, OH, 1906, 192–93, zitiert nach Gruenwald, River of Enterprise, 89.

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houses und der Infrastruktur in einem Gebiet in unmittelbarer Flussnähe hatte etliche Vorteile für eine vom Handel lebende Stadt, sie machte Cincinnati aber auch in einem hohen Maße anfällig gegenüber Hochwasserschäden, wie sich 1832 zeigen sollte.26

4.2 Die Flut von 1832 Die Flut von 1832 kam in ihrem Ausmaß für die Bewohner der Städte und Ortschaften im Ohio Valley völlig überraschend. In Pittsburgh produzierten Allegheny, Monongahela und der Ohio »a scene of waste, destruction and distress, never before witnessed here, and seldom experienced by people inhabitating regions subject to inundations«, wie eine lokale Zeitung konstatierte. »The waters were considerably higher than they were ever known to be before«.27 Auch die Einwohner Cincinnatis mussten sich von dem Glauben verabschieden, die größten Fluten des Ohio schon vor Jahrzehnten erlebt zu haben. »No such experience had come to the city since its settlement«, hielt Theodore Greve in seiner Stadtgeschichte 1904 fest, »and as a result the loss of property was very great and much suffering was entailed upon the people.«28 Ebenezer Smith Thomas, Herausgeber der Cincinnati Daily Evening Post, machte sich auch Sorgen über das Schicksal von Städten wie Marietta, Lawrenceburg oder Shawneetown, die in der Vergangenheit schon von »ordinary rises of the water« stark betroffen waren. »What must be their situation now that it has risen several feet higher than ever was known before?«29 Thomas wies auch auf das Problem der vermeintlichen Sicherheit hin, die sich aus der Interpretation vergangener Hochwasser ergeben hatte, ein Problem, das bis 1937 symptomatisch für den Umgang mit Überschwemmungen am Ohio bleiben sollte: »Severe losses have been sustained

26 Vgl. Glazer, Cincinnati in 1840, 30; Zane L. Miller, Boss Cox’s Cincinnati. Urban Politics in the Progressive Era. New York 1968, 3. 27 The Statesman (Pittsburgh), 15.2.1832, »The Flood«. 28 Greve, Centennial History of Cincinnati, 586. Vgl. auch Hildreth, A Brief History of the floods in the Ohio river, 57: »The farms, stripped of their fences, appeared one wide scene of desolation, which several years of prosperity will hardly repair. A great many cattle, hogs, and sheep were drowned, from their owners thinking that the water could not possibly be higher than at any former flood; and therefore trusting their stock on elevations which had been a little above the water in the floods of 1813–1815.« 29 Thomas, Reminiscences of the Last Sixty-five Years, Bd.2, 147 (Hervorhebung im Original). Hierbei handelt es sich nicht um das Shawneetown des gleichnamigen Indianerstammes, das 1753 von Hochwasser zerstört worden war, sondern um eine Stadt weiter flussabwärts in Illinois. Auch das »neue« Shawneetown musste jedoch letztlich dem Ohio ­R iver weichen und wurde nach der verheerenden Überschwemmung 1937 verlegt. Vgl. unten Kapitel 9.3.

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by some of our merchants on Front and Main streets, from having placed too much confidence in what was heretofore known as high water mark«.30 Neu war aber nicht nur der Pegelstand, sondern auch die Art und das Ausmaß der Schäden. Dieses Mal war es keine »pumpkin flood« mehr wie noch 1810. In zwei anonymen Briefen aus Cincinnati heisst es Mitte Februar 1832: »The distress in almost every direction is very great. […] This event must make many bankrupts; it must destroy great quantities of provisions between Pittsburgh and New Orleans. Some of our lower states must be literally swept of provision, live stock, etc.«31 Auch Ephraim Cutler, Abolitionist aus Amesville, Ohio, und Sohn von Manasseh Cutler, einem der Gründer der Ohio Com­ pany, betonte das große Ausmaß der Schäden: »[…] many Things contributed to make the Scenic [sic] awfully Sublime. […] All our thoughts wrougt up with the impending damages to property«.32 Von Pittsburgh bis nach Indiana, hielt der Lawrenceburgh Palladium fest, sei das Ausmaß der Zerstörung ohne historische Parallele im Westen.33 In Louisville notierte der Public Focus, dass alle Schichten und professions von der Zerstörung betroffen waren. Das Geschäftsleben der Stadt war fast völlig zum Erliegen gekommen, »the country merchants being unable to reach the city, and our farmers being unable to bring their products to market«.34 Zwei Männer in Cincinnati starben bei dem Versuch, Wasser aus einem Keller zu pumpen. Während sie bei der Arbeit waren, brach die Rückwand des Hauses zusammen, und die beiden ertranken in den eindringenden Wassermassen.35 Die Überschwemmung von 1832 offenbarte ex negativo auch die stark gestiegene Siedlungsdichte in den floodplains. In fast jeder Siedlung am Ohio und erst recht in den Städten mussten zahlreiche Einwohner vor den Fluten fliehen. Halbwegs zuverlässige Zahlen sind für diese Flut zwar kaum zu erhalten, aber die zeitgenössischen Beschreibungen machen mehr als deutlich, dass es sich kei 30 Thomas, Reminiscences of the Last Sixty-five Years, Bd.2, 152. 31 Extracts from letters dated Cincinnati, February 17 & 18 [1832], in: Farmers’ Cabinet 30 (26, 3.3.1832), hier zitiert nach Cincinnati Historical Society (CHS), Cincinnati, OH, Vertical File, Mss VF 327 Flood. 32 Ephraim Cutler’s Account of flood on the Ohio river, Feb. 1832, (hs.), MC, Cutler Papers, F »Cutler 1832«. Auch Salmon P. Chase konnte der Flut etwas Erhabenes abgewinnen: »The Ohio, now swelled to an immense flood, more than a mile from shore to shore and 70 feet in depth, rushed almost without a ripple. It was sublime. It was a power mighty terrible yet unostentatious. It was simple grandeur, a calm putting forth of gigantic energy.« John Niven (Hg.), The Salmon P. Chase Papers. Bd.1: Journals 1829–1872, 62, Eintrag vom 14.2.1832. 33 Thomas, Reminiscences of the Last Sixty-five Years, Bd.2, 161. 34 Louisville Public Focus, 27.2.1832, zitiert nach Thomas, Reminiscences of the Last Sixty-five Years, Bd.2, 163. Vgl. auch Casseday, The History of Louisville from its Earliest Settlement till the Year 1852, 185. 35 Vgl. Greve, Centennial History of Cincinnati, 587.

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neswegs um Einzelfälle, sondern um ein weit verbreitetes Phänomen an vielen Abschnitten des Flusses handelte. Ebenezer S. Thomas schätzte die Zahl der­ jenigen, die alleine in Cincinnati ihre Häuser räumen mussten, auf mindestens 500, ein späterer Beobachter sprach von Tausenden.36 »[T]he whole lower part of the city is inundated as far up as the Hill, boats are sailing in evry [sic] street«, hielt J. W. R. Bradford fest.37 Wer nicht rechtzeitig fliehen konnte oder die Flut aussitzen wollte, lief allerdings Gefahr, sich als Gefangener im eigenen Haus wiederzufinden. In Cincinnatis Mill Creek Bottom etwa harrten Frauen und Kinder auf den Dächern ihrer Häuser aus und warteten auf Versorgung und Rettung aus höher gelegenen Stadtteilen.38 Andere suchten ihr Heil in den Obergeschossen der Häuser. In Lawrenceburg, Indiana, erreichte das Wasser selbst die auf höherem Terrain gelegene High Street, so dass alle zweistöckigen Gebäude in dieser Gegend der Stadt mit mehreren, teilweise bis zu fünf, Familien gefüllt waren.39 Die Zuflucht im ersten Stock konnte allerdings auch zur tödlichen Falle, zu einem »watery grave«, werden, wenn die leichten Holzkonstruktionen einfach weggeschwemmt wurden, was bis weit ins zwanzigste Jahrhundert hinein relativ häufig passierte.40 Ein Beobachter in Cincinnati schätzte, dort seien mindestens 50 Häuser durch das Wasser umgestürzt worden.41 Etliche Hausbesitzer in der Stadt versuchten dieser Gefahr zu begegnen, indem sie ihre Häuser mit Seilen befestigten.42 Auch in Louisville, wo der Ohio 51 Fuß über die Niedrig­ wassermarke stieg, wurden fast alle frame buildings nahe des Flusses entweder zerstört oder weggetragen.43 Kaum eine zeitgenössische Quelle verzichtet darauf zu erwähnen, dass diese »deplatzierten« Häuser nicht einfach in den Fluten versanken, sondern wie Flöße oft meilenweit den Fluss hinab trieben. Ephraim Cutler sah in Marietta »many Buildings floating along«, manchmal drei, vier, oder sogar fünf im sel 36 Thomas, Reminiscences of the Last Sixty-five Years, Bd.2, 150; Greve, Centennial History of Cincinnati, 586 f. 37 J. W. R. Bradford, Cincinnati, an seine Tante Francis Corlis, Paris, KY, 19.2.1832, FHS, Corlis-Respess family papers. 38 Thomas, Reminiscences of the Last Sixty-five Years, Bd.2, 149. 39 Ebd., 161. 40 The Examiner (Washington, PA), 25.2.1832. 41 Thomas, Reminiscences of the Last Sixty-five Years, Bd.2, 150. 42 Brief aus Cincinnati »from a citizen of that place«, in: The Globe (Washington, DC), 28.2.1832. 43 Vgl. Casseday, The History of Louisville from its Earliest Settlement till the Year 1852, 185. Vgl. auch W. H. Harrison Jr. an Gen. James Findlay, North Bend, OH, 21.3.1832, zitiert nach Aaron, Cincinnati, 95: »[…] the River looked like  a Mediterranean sea  – None of us thank God were drowned, but the loss of property – the injury to dwellings – the necessity of thousands of people being compelled to fly to higher neighbors, produced a scene of misery & devastation the like of which I never wish to see again.«

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ben Augenblick.44 In Cincinnati konnte man angeblich stündlich Blockhütten und Holzhäuser vorbei ziehen sehen.45 Von der Mündung des Cumberland River in den Ohio berichtete ein »gentleman of unquestionable veracity« sogar von 96 auf dem Fluss treibenden Häusern an einem einzigen Tag.46 Nicht immer gelang es den Bewohnern, ihr Haus zu verlassen, bevor es weggetrieben wurde. In Cincinnati wurden, glaubt man zwei anonymen Briefen, mehrere Menschen aus vorbeitreibenden Häusern gerettet, darunter auch einige Kinder, die nicht sagen konnten, woher sie stammten.47 Für andere kam jede Hilfe zu spät. Oberhalb von Wheeling, West Virginia, wurde eine Familie mit zwei Kindern tot in einem gestrandeten Haus aufgefunden.48 Was von den Häusern übrig blieb türmte sich dann häufig, zusammen mit anderem Treibgut, an den Spitzen der damals noch reichlich im Ohio River vorhandenen Inseln meterhoch auf.49 In allen von der Flut betroffenen Städten konnten die Flutopfer auf nachbar­ ahmen schaftliche Hilfe zählen. Viele Bürger, die auf »high ground« lebten, n ganze Familien in ihre Häuser auf.50 In Blairsville, Pennsylvania, retteten die Bewohner der überschwemmten Häuser so viel von ihrem Besitz, wie sie eben konnten, verfrachteten dieses auf höher gelegenes Terrain und zitterten an einem »cheerless fire in the open air«. In Marietta errichteten die Flutflüchtlinge temporäre Hütten aus den Materialien, die gerade zur Hand waren.51 In Cincinnati zeigte sich die eben zugereiste Sarah King regelrecht begeistert über die Hilfsbereitschaft ihrer Mitbürger. »With all its faults, Cincinnati has more public spirit, and in the main, kind feelings towards the distressed, than any other town with which I am acquainted«.52 In den größeren Städten aber reichte spontane, rein nachbarschaftliche und unorganisierte Hilfe nicht mehr aus. Das Ausmaß der Schäden und vor allem die große Anzahl der Betroffenen erforderten festere Strukturen und eine Rationalisierung der Hilfsarbeit. In Pittsburgh wurden auf einer öffentlichen 44 Ephraim Cutler’s Account of flood on the Ohio river, Feb. 1832, (hs.), MC, Cutler Papers, F »Cutler 1832«. Vgl. auch Hildreth, A Brief History of the floods in the Ohio river, 55. 45 Extracts from letters dated Cincinnati, February 17 & 18 [1832], in: Farmers’ Cabinet 30 (26, 3.3.1832). Vgl. auch die Beschreibung in The Globe (Washington, DC), 28.2.1832. 46 Thomas, Reminiscences of the Last Sixty-five Years, Bd.2, 156. 47 Extracts from letters dated Cincinnati, February 17 & 18 [1832], in: Farmers’ Cabinet 30 (26, 3.3.1832). 48 Thomas, Reminiscences of the Last Sixty-five Years, Bd.2, 161. 49 Vgl. Hildreth, A Brief History of the floods in the Ohio river, 55. Nach der Flut des Ohio im Jahr 1907 stellten mehrere Personen beim lokalen Relief Committee Anträge auf Hilfe beim Wiederaufbau ihrer Häuser, die von umhertreibenden Baumstämmen weg­ gerissen worden waren. Vgl. Cincinnati Flood Relief Committee, Report of Cincinnati Flood Relief Committee, January and March 1907. Cincinnati, OH, 1907, 110. 50 Vgl. Hildreth, A Brief History of the floods in the Ohio river, 150–51. 51 The Examiner (Washington, PA), 25.2.1832. 52 Sarah King an Eleanor Worthington, Cincinnati, 27.2.1832, zitiert nach Aaron, Cincinnati, 95.

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Versammlung Komitees zur Linderung der Not und zur Dokumentierung der Schäden gegründet.53 Weiter stromabwärts, in Cincinnati, wurden am 15. Februar ebenfalls mehrere Ausschüsse ins Leben gerufen, die sich aus jeweils 15 Personen zusammensetzten. Deren Aufgabe war zum einen, wie in Pittsburgh, die Soforthilfe für Flutopfer einzuleiten. So wurde einem shelter com­ mittee die Verfügung über alle öffentlichen Gebäude übertragen und Schulen und Kirchen für die Flüchtlinge geöffnet.54 Daneben gab es aber auch einen Ausschuss, der unter anderem Diebstahl und Zerstörungen verhindern sollte, eine Maßnahme, die die Angst vor gesellschaftlichem Kontrollverlust in Zeiten der Krise andeutet.55 In Cincinnati zeigten sich 1832 in aller Deutlichkeit die Nachteile und Gefahren der Konzentration des urbanen Lebens in den bottoms. Ab dem 8. Februar begann der Fluss schnell anzusteigen. Bereits am Tag darauf mussten die ersten »store and coffee-house keepers« ihre Geschäfte in unmittelbarer Flussnähe räumen. Eine Woche später stand fast das gesamte Geschäftsviertel der Stadt unter Wasser. In Cromwell’s Cincinnati Hotel stand das Wasser 20 Zoll (51 Zentimeter) hoch, im Broadway Hotel 17 Zoll (43 Zentimeter).56 Die C ­ ommercial Bank verlegte ihren Geschäftsbetrieb auf den »Hill«, das höhere Plateau; »business in the lower plain is entirely suspended, except the business of saving the property in stores«, hielt ein Zeitzeuge fest.57 Beim Höchststand des Flusses waren zwischen 30 und 40 Quadratmeilen (etwa 78 bis 104 Quadratkilometer) der Stadt überschwemmt, prozentual weit mehr als bei späteren Fluten, da sich zu dieser Zeit der größte Teil der Stadt noch in den bottoms befand.58 Wie bei vorigen Fluten bestand auch 1832 die wichtigste Mitigationsstrategie der Händler, die ihre Geschäfts- und Lagerräume in den Überschwemmungsgebieten hatten, darin, dem Wasser auszuweichen. Salmon P. Chase, der spätere Finanzminister und Chief Justice des Supreme Court, beschrieb 1832 diese evasive Praxis am Beispiel von Cincinnati: »The river, like an animal eager in pursuit as its antagonist retires, pushed closely on and forced them [merchants] to remove their stores still farther to the second story.«59 Chases Metaphorik macht deutlich, dass Naturgewalten zu dieser Zeit noch, ganz anders als für die spätere containment-Strategie, als etwas Übermächtiges begriffen wurden, so dass nur die Wahl zwischen Rückzug oder, wortwörtlich, Untergang bestand. 53 Vgl. The Statesman (Pittsburgh), 15.2.1832, »The Flood«; Hildreth, A Brief History of the floods in the Ohio river, 57. 54 Vgl. Greve, Centennial History of Cincinnati, 587; Aaron, Cincinnati, 95. 55 Vgl. Greve, Centennial History of Cincinnati, 587. 56 Thomas, Reminiscences of the Last Sixty-five Years, Bd.2, 154. 57 Brief aus Cincinnati »from a citizen of that place«, in: The Globe (Washington, DC), 28.2.1832. 58 Vgl. Other Great Floods, 123; Floods in the Ohio, 227. 59 Niven (Hg.), Salmon P. Chase Papers, Bd.1, 62, Eintrag vom 14.2.1832. Kent, OH, 1993.

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1832 funktionierte allerdings die bis dahin bewährte Strategie, Lebensmittel, Handels-, Haushaltswaren und alle anderen vom Wasser zerstörbaren Güter einfach auf die oberen Regalbretter im selben Raum, in die oberen Etagen desselben Hauses, zu Freunden, Bekannten und Nachbarn im nicht überschwemmten Teil  der Stadt oder sogar auf Boote auszulagern, nur noch bedingt.60 Die meisten provision und grocery stores lagen in dem vom Wasser überfluteten Teil  der Stadt, und deren Besitzer hatten nicht genügend Zeit, ihre Waren zu retten, so dass Versorgungsengpässe entstanden.61 Die Preise für Feuerholz und Mehl zogen beträchtlich an, und viele Familien waren auf öffentliche Zuwendungen angewiesen.62 Diese Konsequenzen der Flut deuten an, dass nicht mehr nur wenige Personen oder Familien betroffen waren, dass die Folgen der Überschwemmung also über individuelle Betroffenheit hinausgingen, und dass sie vielmehr gesamtgesellschaftliche sozial-ökonomische Konsequenzen hatte. Episodisch finden sich für die Flut von 1832 auch schon Hinweise darauf, dass einige Bevölkerungskreise mehr unter diesen Konsequenzen zu leiden hatten als andere. In den am Beaver River in Pennsylvania gelegenen Ortschaften Bridgewater, Fallstown und Sharon hätten insbesondere die Armen unter der Überschwemmung zu leiden, wie ein Lokalhistoriker notierte: »the poor people residing on the banks have been stripped of every thing.[sic].«63

Markierungen Allerdings war die Nutzung der Überschwemmungsgebiete noch nicht so weit fortgeschritten, dass die Rückzugsstrategie an sich in Frage gestellt wurde. Zudem wäre in technologischer Hinsicht eine umfassende Regulierung des Ohio ohnehin noch nicht möglich gewesen. Die größte Herausforderung bestand daher in der Bewältigung eines Informationsproblems. Hätte man gewusst, wie 60 Für ein drastisches Beispiel solch amphibischer Strategien vgl. John J. Audubons Schilderung einer nicht näher spezifizierten Mississippi-Flut, Ornithological Biography. Or, An Account of the Habits of the Birds of the United States of America. Philadelphia 1832, 156: »Along the banks of the river the inhabitants have rafts ready made, on which they remove themselves, their cattle, and their provisions, and which they then fasten with ropes or grape vines to the larger trees, while they contemplate the melanchole spectacle presented by the current, as it carries off their houses and wood-yards piece by piece.« 61 Vgl. Greve, Centennial History of Cincinnati, 587. 62 Brief aus Cincinnati »from a citizen of that place«, in: The Globe (Washington, DC), 28.2.1832. Vgl. auch Hildreth, A Brief History of the floods in the Ohio river, 58; Ford / Ford (comp.), History of Cincinnati, 72. 63 Hildreth, A Brief History of the floods in the Ohio river, 59. Für Cincinnati vgl.­ Aaron, Cincinnati, 95: »Besides destroying the stores and immense amounts of business property, the [1832] flood wrecked large sections of the poorer districts and caused tremendous suffering.«

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hoch der Fluss steigen würde, »ample time was afforded to have p ­ laced every cent’s worth of moveable property beyond the reach of the water, and at  a­ trifling expense.« Erstaunlicherweise (und fälschlicherweise) sah Thomas aber dieses Informationsdefizit durch die Flut selbst beseitigt: »similar losses can never occur in future [sic], as the innumerable number of marks of high water which the present flood has established, will put everyone on his guard, long before it shall have reached to what has been heretofore considered »extreme high water«.64 An diesen Relationen zeigt sich die Bedeutung von legacies für die Geschichte von Flüssen und Flussgesellschaften, die ihr Verhältnis zur Gefahr stets neu aushandeln.65 Während disaster gaps tendenziell zum Vergessen vergangener Ereignisse und zur Erosion von Bewältigungskapazitäten führen, lösen Extremereignisse oft eine spontane Neukalibrierung des Risikomanagements aus.66 Genaue Messungen des Wasserstandes vorzunehmen oder gar Zeitreihen über historische Wasserstände zu erhalten, war dabei schwierig, denn ein Pegel, der die Aufzeichnung absoluter Zahlen erlaubte, wurde in Cincinnati erst 1858 installiert.67 Doch auch vor dem Beginn offizieller Hochwassermessungen gab es verschiedene Möglichkeiten, aktuelle Hochwasserstände zu historischen Überschwemmungen in Beziehung zu setzen. Wichtige Indikatoren waren persönliche Erfahrungen, kollektive Erinnerung und schriftlich festgehaltene Beschreibungen vergangener Hochwasser: »Some of our oldest inhabitants say it is four and a half feet higher than it was ever known to be«, war im Louisville Public Advertiser über die Flut von 1832 zu lesen.68 Besondere Kompetenz als Quelle für das Ausmaß und die Häufigkeit vergangener Überschwemmmungen 64 Ebd., 152. Bei der »Jahrhundertflut« 1884 stellte sich ein ähnliches Problem. Vance, Great Flood of 1884, 49, schrieb über die Einwohner der Stadt Buffalo am Kanawha River: »If the people had dreamed of the water reaching the height it did, they could have made ample preparation and saved themselves from all loss on household goods and stocks of merchandise, at least; but with stoves, provisions and bed clothing, and all other clothing, except what they had on their backs, under water, they came through the vale of suffering right side up.« 65 Vgl. Winiwarter / Schmid, Umweltgeschichte als Untersuchung sozionaturaler Schau­ plätze? 66 Zum kulturellen und sozialen Vergessen vgl. allgemein Günter Butzer / Manuela Günter, Kulturelles Vergessen. Medien, Rituale, Orte. Göttingen 2004; Esposito, Elena, Soziales Vergessen. Formen und Medien des Gedächtnisses der Gesellschaft. Frankfurt am Main 2002; Uwe Lübken, Historia Magistra Vitae, so the Saying Goes. Why Societies Do not Necessarily Learn from Past Disasters, in: Heike Egner / Marén Schorch / Martin Voss (Hg.), Learning and Calamities. Practices, Interpretations, Patterns. New York 2014. 67 Vgl. Floods in the Ohio, 227; Cincinnati Chamber of Commerce, The Great Flood in the Ohio. February 1883. Report of the Relief Committee of the Cincinnati Chamber of Commerce and of the Common Council of the City of Cincinnati. Flood of 1883. Cincinnati, OH, 1884, 102. 68 Louisville Public Advertiser, 18.2.1832, zitiert nach Thomas, Reminiscences of the Last Sixty-five Years, Bd.2, 162.

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wurde dabei den »river farmers« zugesprochen, »in as much as their interests have been at stake on these occasions«.69 Die Pegelstände selbst wurden dabei nicht in absoluten Zahlen, sondern in Relation zu alten Hochwassermarken angegeben. »Abgelesen« wurde der Wasserstand bis zum Beginn offizieller Hochwasseraufzeichnungen (und auch lange darüber hinaus) vor allem an markanten Gebäuden, die zum Teil  über Jahrzehnte hinweg als Messlatte fungierten. In Newport, Ohio, dienten zum Beispiel die Geschäfts- und Lagerräume von E. A. Jones als »the standard of measurement in determining the various heights to which the water has risen.« Am 12.  Februar 1832 stand dort das Wasser vier Fuß und zwei Zoll (1,27 Meter) über der Ladentheke. 15 Jahre später, im Dezember 1847, drang der Ohio das nächste Mal in Jones’ Geschäft ein, bedeckte aber gerade einmal den Boden. 1852 stieg das Wasser wieder über die Höhe der Theke, dieses Mal um fünf Zoll (12,7 Zentimeter), aber drei Fuß und acht Zoll (1,12 Meter) unter dem bisherigen Höchststand von 1832.70 In Cincinnati wurden am 18.  Februar 1832, als der Ohio seinen Höchststand erreichte, an verschiedenen Punkten wie etwa dem Fenstersims einer steam mill, Hochwassermarken befestigt.71 Aus diesen Anzeigern ließ sich später eine maximale Höhe des Wasserstandes von 64 Fuß und drei Zoll (19,51 Meter) re­konstruieren.72 Auch die Natur selbst hinterließ zumindest temporäre Hochwassermarken, beispielsweise durch eine Wasserlinie an überschwemmten Häusern oder durch Treibholz, das sich in den Ästen von Bäumen am Ufer angesammelt hatte, und das noch Monate später Durchreisenden wie Maximilian, Prinz von Wied, Aufschluss über die Höhe der Flut gab.73 An kleineren Orten wie Gallipolis, Ohio, behalf man sich noch 1884 mit anderen Markern. 1821 war dort von Captain Joseph W. DeVacht eine Steintreppe angelegt worden, die vom Ufer die Böschung hinunter bis fast zur Niedrigwasser-Marke führte. Markierungen an den Stufen dieser Treppe, die seitdem nicht verändert worden war, »furnish as reliable a record of the height of one flood above another as can be found along the river.« Nach der Flut von 1832 hatte DeVachts Vater eine Markierung in die entsprechende Stufe geritzt, 1847 tat es ihm sein Schwager gleich und in den Jahren 1883 und 1884 führte Julius Regnier, ein lokaler Einzelhändler, die Markierung durch. Aus insgesamt sechs auf 69 Paul Swift, Nantucket, an Samuel Prescott Hildreth, 27.11.1840, MC, Samuel Prescott Hildreth Papers, Bound Volumes, Bd.7, 249–50. 70 Die History of Washington County, Ohio, 572, benennt noch weitere Marken auf diesem Behelfspegel von den Hochwassern in den Jahren 1860, 1862, 1865, 1873 und 1874. 71 Thomas, Reminiscences of the Last Sixty-five Years, Bd.2, 149. 72 Vgl. Floods in the Ohio, 227; Greve, Centennial History of Cincinnati, 586. 73 Maximilian, Prinz von Wied, Travels in the Interior of North America. Translated from the German by Hannibal Evans Lloyd. Cleveland, OH, 1905, 150, Reiseabschnitt vom 8. bis zum 19.10.1832.

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diese Weise festgestellten Hochwasserständen konnte John Vance  – Chronist der Flut von 1884 und Bewohner Gallipolis’ – eine lokale Hochwasserreihe ableiten, ohne moderne Messinstrumente zur Verfügung gehabt zu haben.74 Vergangene Hochwasserereignisse und übertriebene Hochwasserstände wurden in der kollektiven Erinnerung auch in Form von Gerüchten, sensationellen Geschichten oder glatten Lügen tradiert.75 Insbesondere das Schicksal von Tieren bei Überschwemmungen gab immer wieder Anlass zur Verbreitung wortwörtlich unglaublicher Geschichten. »I have known«, schrieb John James Audubon über die Flut von 1832, »a cow swimming through a window elevated at least seven feet from the ground, and sixty-two above low-water mark«.76 Der Herausgeber des Free Enquirer, der dieselbe Flut von einem Dampfschiff aus beobachtete, wusste ähnlich Sensationelles zu berichten. Er sah »cattle stowed away in a boat which is moored half way up the barn.« Ein Mann habe sogar ein Gehege auf dem Dach seines überfluteten Hauses gebaut, in dem er drei bis vier Schweine und einige Hühner hielt. Offensichtlich war das Refugium aber nicht groß genug, um allen Tieren Schutz bieten zu können. Einige »fresh cowskins hanging above the door seemed evidence that the more unwieldly stock had (as an Irishman might express it) been slaughtered to save their lives«.77 Derartige Gerüchte, Falschmeldungen und erfundene Geschichten begleiteten fast jede Flut am Ohio River. 1937 war die Menge an wortwörtlich unglaublichen Erzählungen so groß, dass Frank A. Ropke von der American Legion in Louisville die Gründung eines Flood Liars Club ankündigte. »Some of the tales that will be told about this flood would make Noah’s beard curl […]. So open the gates of the temple and prepare for a large membership in your Liars Club«.78 Nach der Flut von 1832 wurde auch immer wieder kolportiert, selbst die größten Dampfschiffe hätten in Cincinnati ohne Probleme mehr als eine Meile auf der parallel zum Ohio verlaufenden Second Street oder der Front Street fah-

74 Vgl. Vance, Great Flood of 1884, 116–117. 75 Vgl. allgemein Jürgen Brokoff u. a. (Hg.), Die Kommunikation der Gerüchte. Göttingen 2008; Florian Altenhöner, Kommunikation und Kontrolle. Gerüchte und städtische Öffentlichkeiten in Berlin und London 1914 / 1918. München 2008. 76 Audubon, A Flood of the Mississippi. 77 Zitiert nach einem Brief an den Workingman’s Advocate, 21.3.1832. 78 Ropke, Commander, American Legion, Jefferson Post No. 15, Louisville, KY, an Bruce Dudley, Sports Editor, Courier-Journal and Louisville Times, 15.2.1937, FHS, American Legion, Jefferson Post No. 15. Vgl. auch Welky, Thousand-Year Flood, 142, und Jonathan Van Dyke Norman, Jr., Fluttagebuch, The 1937 Flood at Louisville, Eintrag vom 28.1.1937, FHS, Jonathan Van Dyke Norman, Jr. Papers: »If the people will discount wild stories and avoid panic, we may have the flood licked.« Viola MacDonald Morey, Fluttagebuch, Louisville, KY, Anfang Februar 1937, Eintrag vom 24.1.1937, FHS, Morey Family Papers: »We listened to the radio on an automobile parked at the curb, our only means of getting news. Rumors flew thick and fast.«

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ren können.79 Auch in und über Marietta kursierten entsprechende Gerüchte. Im Oktober 1832 berichtete Prinz Maximilian von Wied auf seiner Reise von Pittsburgh nach New Harmony, Indiana: »We everywhere heard accounts of the great flood in the Ohio, when the steam-boats were on a level with the second story of the houses in Marietta.«80 Solche Darstellungen wurden aber spätestens durch die noch höhere Flut im Jahr 1883 als Unwahrheiten enttarnt. Das Cincin­ nati Relief Committee konstatierte: That men and boys rowed skiffs through the Lower Market House, or that steamboats landed their passengers in the second story windows of the Broadway Hotel, during periods of former great floods, will never again be believed, even if some vivid imagination should beget such stories, and some reckless falsifier narrate them. They are all disproven by the flood of 1883.81

Allerdings haben derartige Geschichten einen wahren Kern und verdanken ihren Ursprung wahrscheinlich dem Umstand, dass tatsächlich etliche Schiffe – wenn auch keine großen Dampfer – in den Städten verkehrten. In Cincinnati wurde 1832 zum Beispiel der Fährverkehr über den Ohio aufrecht erhalten. Wegen der Flut mussten jedoch die Andockstellen der Passagier- und Pferde­f ähren bis hinauf zur Second Street verlegt werden. Das Dampfschiff Daniel Webster entlud seine Fracht sogar bei der Gießerei Tatem, auf der Plum Street noch oberhalb der Pearl Street.82 Weite Teile der Stadt glichen einem See, der an einigen Stellen über sieben Meter tief war. Die Bewohner Cincinnatis passten sich allerdings schnell an die nun stark eingeschränkten Transport- und Kommunika­ tionsbedingungen an, indem sie nahezu alles für die »Schifffahrt« einsetzten, was auf dem Wasser schwamm – von großen flat boats, die bis zu 1.000 ­barrel befördern konnten, bis zu einfachen Flößen und dem indianischen Rindenkanu. In den drei Tagen vor dem Höchststand der Flut wurden zudem circa 200 skiffs und andere einfache Boote in der Stadt neu gebaut, »which, if not as

79 Vgl. Greve, Centennial History of Cincinnati, 587. Vgl. auch den Bericht eines Augenzeugen aus Cincinnati in: The Globe (Washington, DC), 28.2.1832: »At 5 o’clock, I saw the steam-boat, Pearl, at anchor, broadside to the house, and in immediate contact with the posts and trees which are planted at the edge of the pavement. At the same time, a canoe was run into the hall of the Broadway Hotel.« 80 Maximilian, Prinz von Wied, Travels in the Interior of North America, 150. Ähnlich sensationelle, wenn auch vor dem Hintergrund der tatsächlichen hydrologischen Dynamik des Ohio River nicht komplett unglaubwürdige Geschichten wurden von John James Audubon wiedergegeben (auf den Maximilian ebd. auch verweist). Vgl. Audubon, Ornithological Biography, 155–159. 81 Ninth District Society of the Associated Charities of Cincinnati, Fourth Annual Report, from November 1, 1882, to November 1, 1883, Including a Summary of the Work Performed During The Great Flood With a History of its Rise and Fall. Cincinnati, OH, 1883, 33. 82 Thomas, Reminiscences of the Last Sixty-five Years, Bd.2, 152.

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splendid and rich in their appearance, were at least as useful, as the far famed gondolas of Venice«.83 Als das Wasser endlich zurückging, hinterließ es in Cincinnati und allen anderen von der Flut betroffenen Städten eine mehrere Zentimeter dicke Schicht aus Schlamm und Schlick auf allen Straßen und in den Häusern. Die Aufräumarbeiten wurden noch zusätzlich durch das kalte Wetter erschwert, das diese Sedimentschicht frieren ließ, wodurch sie noch mühsamer zu beseitigen war.84

Schäden Aufgrund der medialen Fokussierung auf die urbanen Konsequenzen der Flut ist nur wenig bekannt über Schäden im ländlichen Raum, auf den Acker­f lächen und den vereinzelten log cabins in Ufernähe. Dabei machten im weitesten Sinne agrarische Vermögenswerte selbst in den Städten noch einen Großteil des Schadenspotenzials aus. In Lawrenceburg, Indiana, etwa spülte die Flut vor allem Getreide, Heuballen und Zäune fort.85 Nur vereinzelt finden sich Beschreibungen des Schicksals einzelner Farmer wie Stephen Stone, der seinen Grundbesitz in der Nähe von Bridgewater, Pennsylvania, an der Mündung des Beaver Creek in den Oberlauf des Ohio hatte. Stone verlor sein altes Wohnhaus und die Stallungen ebenso wie ein kurz zuvor für 4.000 Dollar errichtetes Backsteinhaus.86 Überschwemmungen in der Stadt waren sichtbarer, und damit auch berichtbarer. Größere finanzielle Schäden waren im Ohio Valley vor allem dort zu verzeichnen, wo die Industrialisierung bereits Fuß gefasst hatte, also primär am Oberlauf des Ohio. In Pittsburgh wurden zum Beispiel neben etlichen Wohnhäusern und kommerziellen Einrichtungen auch Maschinen der Baumwollmanufakturen beschädigt. In Sharon, Pennsylvania, wurde eine Gießerei weggeschwemmt, im benachbarten Fallston eine Sensenfabrik zerstört.87 Immense Verluste von angeblich bis zu 50.000 Dollar hatten wie schon bei früheren Fluten die Eigentümer der Salzwerke an den Flüssen Conemaugh und Kiskementas zu verkraften: »Thousands of barrels of salt have been destroyed and many 83 Ebd., 151 f. (Hervorh. im Original). 84 Vgl. Greve, Centennial History of Cincinnati, 587. Für Sedimentationsprozesse auf dem Land vgl. Hildreth, A Brief History of the floods in the Ohio river, 56: »Immense quantities of sand were brought on to many farms lying in low bottoms; and in some places near the banks of the river, to the depth of two and three feet. Others were greatly enriched by deposits of mud, sand, and leaves, where trees or a bend in the river made eddy water or less force in the current.« 85 Thomas, Reminiscences of the Last Sixty-five Years, Bd.2, 162. 86 Ebd., 158. 87 Ebd., 157.

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of the salt establishments completely demolished. Houses, stables, salt-pans, fixtures and tools swept off by the resistless torrent«, hielt der Examiner aus Washington, Pennsylvania, fest.88 Samuel Hildreth, Arzt, Geologe und Lokalhistoriker aus Marietta, Ohio, schätzte allein den Wert des unbrauchbar gewordenen Salzes auf mehr als 40.000 Dollar.89 In Cincinnati entstanden große Schäden nicht nur in den Handelshäusern an der waterfront, sondern auch durch die Überflutung der Holzlager, die aus Transportgründen nahe am Fluss errichtet worden waren. »In several very extensive lumber yards«, hielt Thomas fest, »the lumber was raised by the water until it fell over, and floated in one promiscuous mass, making it impossible to distinguish to whom it belonged; in some instances, entire yards of lumber were swept off into the river and lost«.90 In Ansätzen zeigte sich 1832 auch bereits, was ab Ende des Jahrhunderts zu einem der größten Probleme im Umgang mit Überschwemmungen werden sollte: die Anfälligkeit von Infrastrukturen gegenüber der Volatilität des Flusses. Insbesondere Brücken waren ein »leichtes Opfer« bei hohen Wasserständen. Glaubt man einem Bericht in Sylvester’s Despatch, dann waren alle Brücken der state route zwischen Pittsburgh und dem Ort Beaver entweder vom Wasser weggetragen oder unpassierbar geworden. Es sei sehr wahrscheinlich, »that the communication between this city and the interior of Kentucky and Ohio will be interrupted and irregular for several days«.91 In Cincinnati wurde die Brücke über den Mill Creek ein Opfer der Fluten, ein »substantial covered building«, das das County 13.000 Dollar gekostet hatte. Die Brücke wurde in den Fluss gespült und fand sich weit stromabwärts auf der Six Mile Island nahe Louisville wieder.92 Großes Interesse fand auch das Schauspiel an der Aqueduct and Allegheny Bridge in Pittsburgh, einer überdachten Holzkonstruktion über den Allegheny River, die 1829 von Sylvanus Lothrop als Teil  des pennsylvanischen Kanal­ systems gebaut worden war. Angeblich beobachteten Tausende den »triumphalen Widerstand«, den die Brücke den harten Schlägen des Flusses im Februar 1832 leistete. Das Wasser stand einen Fuß über dem Boden der Brücke, und obwohl Treibholz ständig gegen die gesamte Länge des Aquädukts drückte, »it stood the fierce ordeal without sustaining the least injury«.93 88 The Examiner (Washington, PA), 25.2.1832. Vgl. auch Gruenwald, River of Enterprise, 93. 89 Hildreth, A Brief History of the floods in the Ohio river, 59. Vgl. auch ders., Salt Springs, Ohio Division of Geological Survey First Annual Report, ohne Ort, 1838, 54–62. 90 Thomas, Reminiscences of the Last Sixty-five Years, Bd.2, 150. 91 Sylvester’s Despatch, 13.2.1832, zitiert nach The Statesman (Pittsburgh), 15.2.1832, »The Flood«. 92 Thomas, Reminiscences of the Last Sixty-five Years, Bd.2, 152. Vgl. auch den Brief aus Cincinnati, in: The Globe (Washington, DC), 28.2.1832. 93 The Ohio Flood, American Friend, and Marietta Gazette, 25.2.1832.

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Die Ohioflut von 1832 zeigte nicht nur die physische Vulnerabilität des urbanen Ensembles in der floodplain auf, sie ließ auch die vorher so oft angepriesenen Standortvorteile der Städte am Ohio und dessen Zuflüssen in einem neuen Licht erscheinen. Ebenezer Smith Thomas beeilte sich jedenfalls, seiner Beschreibung der Flut in Cincinnati hinzuzufügen, dass dies nichts an den immer noch außerordentlichen natürlichen Vorzügen der Stadt ändere. Selbst die am tiefsten gelegenen Teile Cincinnatis seien nicht halb so anfällig gegen Überschwemmungen wie die meisten der Städte am Atlantik gegenüber Sturmfluten und Orkane.94

94 Thomas, Reminiscences of the Last Sixty-five Years, Bd.2, 155.

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5. »Normale« Fluten und die Desasterlücke zwischen 1832 und 1882

Für genau ein halbes Jahrhundert, von 1832 bis 1882, war das Ohio Valley zwar »normalen« Fluten ausgesetzt, blieb aber von großen, verheerenden Überschwemmungen verschont. In diesem Zeitraum fand eine fundamentale Intensivierung der Nutzung der Überschwemmungsgebiete statt, die nicht zuletzt von dieser »Ruhe« profitierte. Die floodplains des Ohio und seiner Zuflüsse wurden nicht nur in immer stärkerem Maße für kommerzielle Zwecke genutzt, dort wurde auch zunehmend Platz geschaffen für die dicht besiedelten Wohngebiete der Großstädte. Auch industrielle und infrastrukturelle Einrichtungen wie Eisenbahnlinien oder Straßen drängten mehr und mehr an den Fluss. Zu Beginn der 1880er Jahre wurde dieses »Ensemble« in drei aufeinander folgenden Jahren einem starken Belastungstest unterworfen, als der Ohio zunächst 1882 und dann vor allem bei den »Jahrhundertfluten« 1883 und 1884 in bislang ungekanntem Maße über seine Ufer trat.

5.1 Die »Invasion« der Überschwemmungsgebiete Von kaum zu überschätzender Bedeutung für die Transformation der Ohio Frontier in einen integralen Bestandteil der nationalen Ökonomie der USA waren eine Reihe von Innovationen im Transportbereich. Seit den 1830er Jahren wurden verstärkt Kanäle und turnpikes gebaut, die die Spezialisierung der agrarischen Produktion im Ohio Valley auf Weizen, Mais und Viehhaltung beförderten. Weitaus bedeutender für das noch einmal exorbitante Wachstum um die Mitte des Jahrhunderts war aber die Ankunft der Dampfmaschine in ihrer mobilen Form: als Dampfschiff auf den Flüssen und als Eisenbahn über Land.1

Kanäle, Dampfschiffe, Eisenbahnen Das erste steamboat, das den Ohio hinab fahren sollte, wurde 1811 in Pittsburgh von einer lokalen Werft des New Yorker Syndikats von Robert Fulton und Robert Livingston gebaut. Die New Orleans fuhr noch im selben Jahr den ganzen Fluss hinab und weiter auf dem Mississippi bis zu dessen Mündung in den

1 Vgl. Muller, Selective Urban Growth in the Middle Ohio Valley, 182.

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Golf von Mexiko – ein Kunststück, das viele für unmöglich gehalten hatten. Es dauerte eine Weile, bis die »Kinderkrankheiten« der Dampfschifffahrt (vor allem explodierende Kessel und die häufigen Unfälle) beseitigt und die Konstruktion der Schiffe den verschiedenen Zwecken, für die sie eingesetzt wurden, angepasst worden war, doch schon nach relativer kurzer Zeit hatte dieses neue Verkehrsmittel den Transport auf dem Ohio und allen anderen schiffbaren Flüssen revolutioniert.2 Kostete die Fahrt von Pittsburgh nach New Orleans vor der Ära der Dampfschifffahrt 60 Dollar, so bezahlte man für die gleiche Strecke auf einem Dampfer nur ein Zehntel dieses Preises. Auch Frachtkosten sanken erheblich. So reduzierte sich der Preis für 100 Pfund Fracht stromaufwärts von Cincinnati nach Pittsburgh von etwa sechs bis zehn Dollar auf nur noch zwei bis drei ­Dollar. Schon 1830 überstieg das von Dampfschiffen transportierte Handelsvolumen dasjenige, das traditionelle flatboats und keelboats zusammen transportierten.3 Insbesondere der Rücktransport der Schiffe stromaufwärts, der bislang mit Wind, Muskelkraft oder durch Zugtiere bewältigt werden musste (sofern die Schiffe nicht bereits an der Mündung zerlegt und verkauft worden waren), profitierte immens von der neuen Antriebsart. Brauchte ein herkömmlicher Lastkahn im besten Fall 78 Tage für die 1.500 Meilen von New Orleans nach Cincinnati, so schaffte ein Dampfschiff die Strecke von New Orleans nach Louisville, nur 90 Meilen südwestlich von Cincinnati, schon 1817 in nur 25 Tagen.4 Der Aufschwung der Dampfschifffahrt kam aber nicht nur den Handels­ interessen zugute. Zwischen 1811 und 1825 wurden allein in Cincinnati 26 steam boats gefertigt, nur Pittsburgh war mit 33 produzierten Schiffen noch produktiver. 1836 bauten die fünf Werften in der Queen City bereits 29 Boote in einem einzigen Jahr. Die Schiffsproduktion am Ohio war zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig geworden und zog verstärkten Bedarf an Produkten des Werkzeugmaschinenbaus, von Eisengießereien, Walzwerken und etlichen anderen gewerblichen Produktionsstätten nach sich.5 Ein Einwohner Cincinnatis forderte:

2 Vgl. Knepper, Ohio and Its People, 148; Bigham, River of Opportunity, 139; Paskoff, Troubled Waters; Louis C. Hunter, Steamboats on the Western Rivers. An Economic and Technological History. Cambridge, MA, 1949. 3 Vgl. Bigham, River of Opportunity, 139. Vgl. auch die Tabelle in United States Congress, Senate, 27th Congress, 3rd Session, Doc. No. 126, Improvement of Ohio and Mississippi Rivers. Memorial of a Number of Citizens of Cincinnati, Ohio, Praying the Removal of Obstructions in the Navigation of the Ohio and Mississippi Rivers, Washington, DC, 1843, 15. 4 Vgl. Trotter, River Jordan, 11. 5 Vgl. Knepper, Ohio and Its People, 148; Trotter, River Jordan, 12–13.

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»Normale« Fluten und die Desasterlücke zwischen 1832 und 1882

The name of Fulton should be cherished here with that of Washington: if the one conducted us to liberty, the other has given us prosperity – if the one broke the chains that bound us to a foreign country, the other has extended the channels of intercourse, and multiplied the ties which bind us to each other.6

Der stetig zunehmende Handel per steamboat beförderte auch den beachtlichen Ausbau des Kanalsystems, das sicherere und verlässlichere Navigation als die unregulierten Flüsse garantierte, und das ganz neue Verbindungen schuf. Der Erie-Kanal im Staat New York verband ab 1825 den Hudson und damit die Ostküste der USA mit den Großen Seen. Pennsylvania reagierte mit der Konstruktion eines Wasserweges zwischen Philadelphia und den Forks of the Ohio in Pittsburgh. Weiter westlich im Staat Ohio sorgten zwei weitere Verbindungen für einen direkten Wasserweg zwischen dem Ohio River und den Großen Seen: der Ohio-Erie und der Miami-Erie Kanal.7 Letzterer führte von Cin­cinnati zunächst bis Dayton, Ohio, und ab 1845 weiter bis nach Toledo am Lake Erie. Die großen Städte und Märkte im Osten der USA waren nun auf einem viel kürzeren Wasserweg als über den »Umweg« New Orleans zu erreichen.8 Aber auch der Verkehr auf dem Ohio selbst profitierte von künstlichen Wasserwegen, seit im Jahr 1830 eine Umgehung der Falls of the Ohio fertig gestellt worden war, die das mühsame Ent- und Beladen der Schiffe an dieser Stelle überflüssig machte.9 Trugen Kanäle und Dampfschiffe erheblich zum Anstieg des Handels und – indem sie den lokalen Produzenten neue Märkte erschlossen  – auch zum Wachstum der agrarischen wie gewerblichen Produktion im Ohio Valley bei, so begann ihr Stern jedoch bald wieder zu sinken. Der Hauptgrund für diesen rapiden Bedeutungsverlust lag im Aufkommen der Eisenbahn. Der Schienenverkehr hatte etliche Vorteile, mit denen der Transport auf Wasserwegen, selbst den Kanälen, nicht mithalten konnte. Schienen konnten fast überall verlegt werden, der Eisenbahnverkehr war unabhängig von Wasserläufen und schneller, preisgünstiger und flexibler als Lastkähne. Zudem verkehrte er das ganze Jahr über und war in der Regel nicht wie die Kanäle von Eisbildung oder Dürren betroffen.10 Zwischen 1841 und 1850 bekamen 76 Eisenbahngesellschaften eine Char­ ter vom Staat Ohio. Obwohl die meisten dieser Unternehmen aus finanziellen Gründen nie eine einzige Lokomotive in Bewegung setzen sollten, stieg die 6 James Hall, Statistics of the West. At the Close of the Year 1836. Cincinnati, OH, 1837, 217. Zitiert nach Glazer, Cincinnati in 1840, 27. 7 Vgl. Bigham, River of Opportunity, 141; Glazer, Cincinnati in 1840, 27. 8 Vgl. Jack Gieck, A Photo Album of Ohio’s Canal Era, 1825–1913. Kent, OH, 1992, 125; Trotter, River Jordan, 14; Knepper, Ohio and Its People, 149–159; Muller, Selective Urban Growth in the Middle Ohio Valley, 192. 9 Vgl. Johnson, Engineering the Ohio, 189. 10 Vgl. Knepper, Ohio and Its People, 161.

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Die »Invasion« der Überschwemmungsgebiete  

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Länge des Schienennetzes im »Buckeye State« von nur 299 Meilen (482 Kilometer) im Jahr 1850 auf 2.974 Meilen (4.786 Kilometer) zehn Jahre später. Damit stand Ohio landesweit an der Spitze, was die Länge neu verlegter Gleise betraf.11 Das Verkehrsnetz wurde immer engmaschiger. Schon bald durchzogen fünf Eisenbahnstrecken den Staat in ost-westlicher Richtung, drei Linien stellten die Verbindung zwischen dem Ohio und Lake Erie her.12 Das neue Transportmedium änderte auch die Entwicklungsmöglichkeiten für die Städte im Ohio­ Valley. Orte, die zwar weit entfernt von Wasserwegen, aber an den Kreuzungen großer Eisenbahnlinien lagen, profitierten von dieser Entwicklung. Hafenstädte wie Cincinnati dagegen wuchsen zwar weiter, verloren aber relativ an Bedeutung gegenüber Städten wie Cleveland oder Toledo, die stärker vom Eisenbahnboom und der neuen ökonomischen Geographie profitierten.13 Anhaltendes Bevölkerungswachstum, die deutlich verbesserten Transportmöglichkeiten und, damit eng zusammenhängend, die Erschließung neuer und größerer Märkte führten nun auch im Ohio Valley zu einem deutlichen Anstieg der gewerblichen Produktion. Die Weiterverarbeitung von Erzeugnissen aus der Land- und Forstwirtschaft blieb bedeutend. Fleischverarbeitung wurde sogar zu einem derart großen Wirtschaftszweig in Cincinnati, dass die Stadt um die Mitte des Jahrhunderts den Spitznamen »Porkopolis« trug.14 Diese Bezeichnung verdeckt allerdings andere Entwicklungen, die den Charakter der Stadt grundlegend änderten. Zwischen 1841 und 1851 stieg der Wert der jährlichen Industrieproduktion in der vermeintlichen »Schweinestadt« um mehr als das Dreifache von 17,7 Millionen auf 54,5 Millionen Dollar. Bereits 1860 war Cincinnati der größte Industriestandort im Westen und die Nummer drei landesweit. Für einen englischen Besucher waren die »manufacturing establishments« der Stadt »one of the wonders of the New World«.15 1840 versammelte sie mit 46.000 Einwohnern mehr als die Hälfte der Bürger Ohios, die in Orten mit über 2.500 Personen lebten. 1850 zählte die Stadt bereits 115.000 Einwohner und damit fast siebenmal so viele wie die nächst größeren Städte des Staates, Columbus und Cleveland, mit jeweils etwa 17.000 Einwohnern.16 In den späten 1880er Jahren war die Queen City mit insgesamt knapp 300.000 Einwohnern und durch-

11 Vgl. ebd., 160; Muller, Selective Urban Growth in the Middle Ohio Valley, 182. 12 Vgl. Muller, Selective Urban Growth in the Middle Ohio Valley, 192. 13 Vgl. Knepper, Ohio and Its People, 160; Muller, Selective Urban Growth in the Middle Ohio Valley, 192–193. 14 Vgl. Trotter, River Jordan, 13; Glazer, Cincinnati in 1840, 28. 15 Chamber’s journal of popular literature, science and arts. Edinburgh, 1854, 285. 16 Vgl. Robert M. Mennel, The Family System of Common Farmers. The Origins of Ohio’s Reform Farm, 1840–1858, in: Ohio History 89 (1980), 125–156 (126); Muller, Selective Urban Growth in the Middle Ohio Valley, 182–183; U. S. Department of Commerce, 1990 Census of Population and Housing, 595.

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schnittlich 37.143 Menschen pro Quadratmeile die am dichtesten besiedelte Stadt in den gesamten USA.17 Ein großer Teil dieses Bevölkerungswachstums kam durch Zuwanderung zustande, nicht nur aus den nordöstlichen Staaten der USA, sondern auch aus Europa. 1850 machten deutsche Einwanderer zwischen zehn und 15 Prozent der Bevölkerung Pittsburghs aus, in Cincinnati stieg ihr Anteil von fünf Prozent im Jahr 1820 auf geschätzte 15 bis 20 Prozent in den 1850er Jahren. 1860 hatten 60 Prozent der Stadtbevölkerung entweder deutschstämmige Eltern oder waren in Deutschland geboren. Over the Rhine, ein Stadtteil Cincinnatis nördlich des Miami-Kanals, wurde zur Hochburg deutsch-amerikanischen Lebens in der Stadt.18 Immer mehr Einwanderer suchten ihr Glück nicht mehr auf der eigenen Farm in den ländlichen Gebieten, sondern blieben in den Städten, wo sie Lohnarbeit im Handel oder in industriellen Betrieben fanden. Das sich auf diese Weise langsam herausbildende, vorwiegend weiße Proletariat wurde mehr und mehr zu einem Kennzeichen auch der river cities am Ohio. In Pittsburgh stieg die Zahl derjenigen, die in der Industrie oder industrieähnlichen Bereichen arbeiteten von lediglich 300 im Jahr 1803 über 3.000 im Jahr 1826 auf 8.900 im Jahr 1850 (im gesamten county waren es sogar 15.017). Geschätzte 33 Prozent der weißen, männlichen Arbeitskräfte gingen einer ungelernten Tätigkeit nach, weitere 30 Prozent arbeiteten in gelernten Berufen und 8,7 Prozent waren kleine Gewerbetreibende.19 Cincinnati zählte um die Mitte der 1840er Jahre 110 Industriebetriebe, die fast 1.300 Arbeiter beschäftigten. In der Queen City lebte um 1840 bereits fast die Hälfte der erwachsenen männlichen Bevölkerung in großen boarding­ houses, preiswerten Unterkunftsmöglichkeiten zumeist nahe am Ohio River.20 Auch hier wurde das Wachstum zum großen Teil von den Fabriken getragen. Zwar stieg die Zahl der im Handel und im Transportbereich Beschäftigten zwischen 1826 und 1840 deutlich von 1.300 auf 3.800 Personen. In Industrie und Handwerk waren zu diesem Zeitpunkt aber bereits 10.287 Arbeiter und Arbeiterinnen tätig. Zehn Jahre später arbeiteten knapp 30.000 Personen in Werkstätten und Fabriken und damit fast ebenso viele wie in Chicago, St. Louis, Pittsburgh und Louisville zusammen.21 Obwohl die vorwiegend weißen Frauen vor allem als Hausangestellte und Wäscherinnen arbeiteten, transformierte die Industrialisierung auch ihre Rolle im Wirtschaftsleben. Vor allem die Textilindustrie brachte große Zahlen von Frauen (und Kindern) in die Fabriken. In 17 Vgl. U. S. Department of Commerce, 1990 Census of Population and Housing, 594– 595; Knepper, Ohio and Its People, 316. 18 Vgl. Trotter, River Jordan, 17. 19 Vgl. ebd., 17–18. 20 Vgl. Glazer, Cincinnati in 1840, xvii. 21 Vgl. Trotter, River Jordan, 18.

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Cincinnati stellten sie 1850 bereits 60 Prozent der Arbeitskräfte in bestimmten Bereichen der Bekleidungsbranche. In Pittsburgh arbeiteten im selben Jahr bereits 1.500 Frauen in den Baumwollspinnereien der Stadt.22 Auch African Americans stellten einen immer größeren Anteil der ethnisch diversen Bevölkerung im Ohio Valley. Schon George Washington hatte 1753 versklavte und freie Schwarze für seine Exkursion an den Ohio River angeheuert, die die virginischen Truppen allerdings nur unbewaffnet als »drummers«, »trumpeters« oder in anderen unterrangigen Funktionen begleiten durften. In Pennsylvania war 1780 mit dem Gradual Abolition Act der »Import« von Sklaven untersagt und allen nach Verabschiedung des Gesetzes in Sklaverei geborenen Personen die Freiheit mit Vollendung des 28. Lebensjahres garantiert worden. Nach den Zensusbehörden lebten 1800 nur zehn Sklaven in Pittsburgh, 1810 waren alle 185 African Americans in der Stadt freie Menschen.23 Auch im Northwest Territory war mit der Northwest Ordinance von 1787 die Sklaverei verboten worden, doch war sie damit alles andere als auf dem Rückzug. Eli Whitneys Erfindung der Cotton Gin im Jahr 1793 machte die Baumwollproduktion auf den Plantagen im Süden ungleich effizienter und profi­ tabler, und auf amerikanischer Bundesebene wurde im selben Jahr das erste einer ganzen Reihe von Gesetzen erlassen, die die Rechte der »Besitzer« entflohener Sklaven stärkten. Südlich des Ohio River lagen Sklavenstaaten, deren Macht, Einfluss und Expansionsdrang stetig zunahmen.24 Der Ohio River war somit nicht nur ein wortwörtlich vebindendes Element, sondern auch eine gewaltige natürliche und politische Barriere. Er trennte in den frühen Jahren der Besiedlung Native Americans von den Besitz ergreifenden Euroamerikanern und später, bei aller Durchlässigkeit, zwei grundverschiedene ökonomische und kulturelle Systeme: die auf Sklaverei basierende Plantagenwirtschaft südlich des Flusses und eine diversifizierte Ökonomie im Norden, die auf free labor in der Landwirtschaft, im Handel und im Gewerbe basierte. Für African Americans war der Ohio bezeichnenderweise der River Jordan, ein Grenzfluss zwischen Sklaverei und Freiheit, dessen Überquerung versklavten Menschen völlig neue Möglichkeiten eröffnete. Nicht ohne Grund hieß die erste von Afroamerikanern gegründete baptistische Kirche in Evansville, Indiana, Freedom.25 Harriet Beecher Stowe hat dieser trennenden Funktion des Ohio River in ihrem Roman Uncel Tom’s Cabin symbolkräftigen Ausdruck verliehen. Aus Fluchtgeschichten, die damals unter Abolitionisten um den presbyterianischen Pfarrer John Rankin aus Ripley, Ohio, kursierten, hat Beecher Stowe

22 Vgl. ebd. 23 Vgl. ebd., 4–6. 24 Vgl. Horton, Race and Region. 25 Vgl. Bigham, River of Opportunity, 153–154; Trotter, River Jordan.

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den Charakter und die Biografie Elizas konstruiert, die in einer der bekanntesten Szenen des Romans über den gefrorenen Fluss in die Freiheit gelangt.26 Die Flucht in den Norden bedeutete dabei keinesfalls die Abwesenheit von Rassismus. Obwohl zunächst nur wenige Hundert African Americans in dem Territorium lebten, das 1803 unter dem Namen Ohio als Bundesstaat in die Union integriert werden sollte, fürchteten sich die weißen Einwohner des neuen Staates vor dem Einfluss entflohener Sklaven aus dem Süden. Die Verfassung Ohios verbot schwarzen Bürgern das aktive wie auch das passive Wahlrecht und hinderte sie daran, gegen Weiße vor Gericht auszusagen. In den folgenden Jahren erlassene »Black Laws«, die von Afroamerikanern etwa ein Zertifikat ihres Status’ als freie Personen verlangten, oder die ihnen den Zugang zur Staatenmiliz verwehrten, sollten den Zuzug aus dem Süden stoppen; in dieser Hinsicht waren die Maßnahmen allerdings nicht von Erfolg gekrönt. Im ersten Jahrzehnt des neunzehnten Jahrhunderts verfünffachte sich die schwarze Bevölkerung des Staates auf knapp 2.000. Im Jahr 1830 war die Zahl afroamerikanischer Ohio­ ans bereits auf fast 10.000 angestiegen, zehn Jahre später waren es über 17.000. Allerdings war dieses beachtliche Wachstum immer noch geringer als die Zunahme der Gesamtbevölkerung Ohios, die von 45.000 im Jahr 1800 auf knapp 1,5 Millionen 1840 anwuchs.27 Afroamerikaner kamen zum Teil auch mit ihren ehemaligen Sklavenhaltern in das Ohio Valley. Thomas Worthington aus Virginia zum Beispiel hatte seine Sklaven zwar befreit, beschäftigte diese aber nun in sklaverei-ähnlichen Arbeitsverhältnissen nördlich des Ohio River. Samuel Gist, ein anderer Sklavenhalter aus Virginia, befreite seine 900 Sklaven per Testamentsbeschluss nach seinem Tod und hatte für deren Ansiedlung in Ohio Vorkehrungen getroffen. 1819 erwarben die Verwalter von Gists Vermögen 2.200 acre Land (knapp 900 Hektar) in den Counties Brown und Highland, sehr zum Unwillen der lokalen weißen Bevölkerung. Wie sich herausstellen sollte, war der Landerwerb ein schlechtes Geschäft, denn große Teile dieses Landes standen das halbe Jahr lang unter Wasser.28 26 Vgl. Gruenwald, River of Enterprise, xi; Horton, Race and Region, 58–59. Heute wäre eine solche Flucht kaum noch möglich, da der Ohio, wie viele andere Flüsse auch, aufgrund der ständigen Einleitung von industriellen Abwässern nicht mehr zufriert. Eliza müsste also durch den Ohio schwimmen. 27 Vgl. Horton, Race and Region, 45–46; James Oliver Horton / Lois E. Horton, In Hope of Liberty. Culture, Community, and Protest Among Northern Free Blacks, 1700–1860. New York, Oxford 1997, 102–103; Henry Louis Taylor, Jr., City Building, Public Policy, the Rise of the Industrial City, and Black Ghetto-Slum Formation in Cincinnati, 1850–1940, in: ders. (Hg.), Race and the City. Work, Community, and Protest in Cincinnati, 1820–1970. Urbana, IL, 1993, 156–192 (158–161). 28 Vgl. Horton, Race and Region, 49–50. Für die Wanderung von African Americans während und nach dem Ende des Bürgerkrieges in die urbanen Zentren der Staaten Illinois, Indiana und Ohio vgl. Jack S. Blocker, A Little More Freedom. African Americans Enter the Urban Midwest, 1860–1930. Columbus, OH, 2008.

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Regulierung  

Cincinnati hatte 1830 etwa 1.000 afroamerikanische Einwohner. Auch in der Queen City befürchteten die weißen Einwohner, dass zugewanderte ehemalige Sklaven und freie Schwarze nur die Vorhut einer Invasion billiger Arbeitskräfte darstellten. Im August 1829 eskalierten die Spannungen in drei Tage andauernden gewalttätigen Auseinandersetzungen, nachdem 300 Euroamerikaner das vorwiegend von Schwarzen bewohnte und unmittelbar am Ohio gelegene Stadtviertel »Little Africa« attackiert hatten.29 Mehrere Hundert African Americans zogen aus der Stadt weg, die meisten aber blieben, und bis in die späten 1850er Jahre stieg ihre Zahl auf 3.237.30

5.2 Regulierung: »A Happy Mean Between Low Water and Flood« Die stark wachsende Bevölkerungszahl im Ohiotal und die damit einhergehende Urbanisierung, der stetig zunehmende Nah- und Fernhandel und die steigenden Anforderungen von Gewerbebetrieben erhöhten die Anreize und den Druck, die wirtschaftlichen Prozesse unabhängiger von der natürlichen Dynamik zu machen. Insbesondere die Schifffahrt, die immer stärker in Konkurrenz zu den von den »Launen der Natur« viel unabhängigeren Eisenbahnen stand, begriff die Volatilität des Ohio mehr und mehr als ein Problem.31 Führte der Fluss etwa im März des Jahres 1818 noch Hochwasser und überschwemmte viele Ortschaften in Ufernähe, so war der Wasserstand im Sommer dagegen schon wieder so niedrig, dass nur die kleinsten Boote den Fluss noch befahren konnten. »Our rivers are so low as to render navigation very difficult, and at this moment there is probably near a million worth of merchandize laying along our shores«, beschwerte sich ein Editor aus Pittsburgh.32Als die Niedrigwasserperiode 1818 endlich durch Regenfälle beendet wurde, waren bereits Waren im Wert von mehr als drei Millionen Dollar im Hafen von Pittsburgh verrottet, die nicht hatten ausgeliefert werden können. Im nächsten Jahr, als erneut große Trockenheit herrschte, berichtete ein Kapitän, er habe 35 Tage gebraucht, um von Pittsburgh nach Cincinnati zu gelangen, obwohl sein Boot nur 14 Zoll (circa 36 Zentimeter) Tiefgang aufwies. Fünfzigmal sei er auf Grund gelaufen, und er habe so hart wie noch nie in seinem Leben gearbeitet, um das Boot über die Untiefen zu stemmen. Diese Dürre und die daraus resultierende Rezession, stellt Leland R. Johnson fest, erschütterte Pittsburgh und die Hafenstädte am Ohio.33 Nur ein 29 Vgl. Horton, Race and Region, 55. 30 Vgl. ebd. 31 Vgl. Nye, America as Second Creation, 155–156. 32 Zitiert nach Johnson, Engineering the Ohio, 185. 33 Vgl. ebd., 185–86; Gruenwald, River of Enterprise, 65.

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Jahr später war die Schifffahrt erneut durch eine lange Trockenperiode schwer beeinträchtigt. Von April 1819 bis zum Februar des nächsten Jahres war der Fluss für den Verkehr von Dampfschiffen gesperrt.34 Knapp 20 Jahre später, im Jahr 1838, erlebte die Region »the season of greatest drought ever known west of the Alleghany range«. 120 Tage lang überstieg der Pegel bei Wheeling nicht die Marke von fünf Fuß (1,52 Meter).35 Die saisonalen Schwankungen waren an vielen Stellen des Flusses enorm. In den zehn Jahren zwischen 1839 und 1849 variierte der Pegelstand in Wheeling, West Virginia, zwischen Tiefstständen von elf bis 28 Zoll und jährlichen Höchstständen von 19 bis 38 Fuß, also insgesamt über elf Meter. Solch hohe Wasserstände waren zwar im Prinzip von Vorteil für die Navigation des Flusses, brachten aber auch etliche Probleme mit sich, vor allem für die neuen Dampfschiffe. Boote wurden von der starken Strömung weggetragen und verunglückten, oder sie strandeten hoch am Ufer. Holzplätze, die Tankstellen der Dampfschifffahrt, wurden weggeschwemmt und gepflasterte Anlandestellen waren unter einer Schicht von Schlamm begraben. Selbst wenn die Flussfahrt noch möglich war, war es bei sehr hohen Wasserständen schwierig, wenn nicht unmöglich, die Fracht zu löschen. Sogar die 12 oder 15 Fuß Wassertiefe (circa 3,5 bis 4,5 Meter), die die normalen »freshes« im Frühjahr mit sich brachten, waren mehr als die modernen Dampfschiffe erforderten. What counted with rivermen was not the depth of water brought by occasional floods but the number of months in the year during which steamboats of moderately efficient size could rely upon sufficient water to enable them to run and carry profitable cargoes.36

Das »natürliche« Verhalten der Flüsse entsprach somit immer weniger den neuen industriell-urban-kommerziellen Anforderungen. An die Stelle einer 34 Vgl. Aaron, Cincinnati, 22. 35 Ellet, The Mississippi and Ohio Rivers, 314. 36 Hunter, Steamboats on the Western Rivers, 219–220. Vgl. auch United States Congress, Senate, Doc. No. 126, Improvement of Ohio and Mississippi Rivers, 18–19: »When the waters are low, during the summer and autumn, this majestic river dwindles to a small stream, and becomes comparatively useless. Among the hills of Pennsylvania and Virginia, it is seen rippling over bars of gravel and ledges of rock, through which boats of the lightest burden with difficulty find a passage. Further down, a series of sand bars, extending in some places from shore to shore, and in others projecting from the margin of the river far into its bed, render its navigation almost impracticable. Steamboats, constructed for the purpose, and navigated by skillful pilots, ply at this season with difficulty. Many are grounded upon the bars, from which perilous situation some are relieved by great labor, attended with serious delay and expense, while others remain exposed to the elements during the remainder of the season, and are either lost or seriously injured. The larger boats are wholly useless during this part of the year; and, of the hundreds of noble vessels that are actively plying at other seasons, freighted with rich cargoes, the greater portion are now idle.«

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Regulierung  

zum Teil extrem dynamischen Hydrologie sollte eine neue Regelmäßigkeit treten, »a happy mean between low water and flood«, wie die New York Times 1895 treffend formulieren sollte.37 Das Idealbild des Flusses wurde in der Folgezeit mehr und mehr das eines Kanals, der das ganze Jahr zuverlässige Navigation garantierte. Paradigmatisch gab der Ingenieur Charles Ellet dieser Ansicht Ausdruck, der um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts eine Kanalisierung des Ohio und Mississippi mit Hilfe von Stauseen propagierte.38 Die Ufer beider Flüsse seien noch gesäumt von umgestürzten Bäumen, die schon beim nächsten Hochwasser in den Fluss gespült und dort gefährliche Hindernisse für die Schifffahrt darstellen würden, hielt Ellet fest. Doch schon in einigen wenigen Jahren könnten eben diese Ufer kultiviert und bis hinunter zur Wassergrenze verziert werden. »In the opinion of the writer, the grass will hereafter grow luxuriantly along the caving banks; all material fluctuations of the waters will be prevented, and the level of the river’s surface will become nearly stationary.« Böden, die zur Zeit noch ständigen Überschwemmungen ausgesetzt und daher wertlos seien, würden in Kürze reichen Ertrag abwerfen. Sandbänke lägen dann dauerhaft unter Wasser und der Konstruktion der Anlandestellen würde man die Fluktuationen des Wasserspiegels nicht mehr ansehen. Zudem würden die unteren Straßen aller Hafenstädte an diesen Flüssen an Wert gewinnen, da sie nun nicht mehr überflutet würden. The turbid waters will be arrested in the upper pools, and the Ohio first, and ultimately the Missouri and Mississippi, will be made to flow forever with a constant, deep, and limpid stream. […] The ocean steamers will not then be confined to tidewaters, but will be able safely to ascend the living streams to seaports on their borders, and the extent of the inland navigation will be limited only by the limit to the water which is supplied by the atmosphere.

Zur Erreichung dieser Ziele mussten die existierenden und, nach heutigen Maßstäben weitgehend unregulierten Flüsse allerdings fundamental umgestaltet werden. »Recasting the world’s rivers ranks among the signal environmental changes of the twentieth century«, hat John McNeill diese Entwicklung charakterisiert – ein Prozess, der an vielen Wasserwegen allerdings bereits im 37 Vagaries of the Ohio, New York Times, 24.11.1895. Allgemein zum Verhältnis von In­ dustrialisierung und hydrologischer Dynamik vgl. Penna, Human Footprint, 246: »[…] maintaining a steady stream and river flow could not be left to the vagaries of the weather. Storage ponds, reservoirs, races, and dams, became the mechanisms for regularizing the capacity of the mills to do their work, depite the fact that much of this work until the Middle Ages en­ tailed grain milling.« 38 Vgl. hierzu und für das Folgende Ellet, The Mississippi and Ohio Rivers, 303–304. Zu Ellets Reservoirplänen vgl. auch unten Kapitel 7.1 und Welky, Thousand-Year Flood, 20. Vgl. desweiteren allg. Martin Reuss, Seeing like an Engineer. Water Projects and the Mediation of the Incommensurable, in: Technology and Culture 49 (3/2008), 531–546.

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neunzehnten Jahrhundert oder noch früher einsetzte.39 An der schweizerischen Linth begann zum Beispiel die »Neuordnung der gesellschaftlichen Natur­ verhältnisse« bereits Ende des achtzehnten Jahrhunderts, ebenso an der Seine in Paris, und Johann Gottfried Tullas »Rektifikation« des Oberrheins setzte ab 1817 neue Maßstäbe in Bezug auf die Transformation von Flüssen. »With­ out major rectification work«, hat Mark Cioc festgehalten, »the Rhine would­ never have been able to provide the regular water flow needed for irrigation, urban services, and year-round transportation, or to keep pace with the everincreasing size of the new ships«.40

Lokale Regulierung In geringem Ausmaß hatten schon die frühen Siedler in die Hydrologie des Ohio eingegriffen, indem sie etwa den Fluss von »snags«, also im oder unter Wasser liegenden Baumstämmen, Steinen und Felsen befreiten oder kleine Dämme errichteten, um Energie für das Mahlen von Getreide, das Zusägen von Holz, den Antrieb von Spinnrädern und andere protoindustrielle Aktivitäten zu gewinnen.41 Systematischer wurden Bestrebungen, die Schifffahrt auf dem Ohio zu verbessern, im Jahr 1817 angegangen, als der Gouverneur von Ohio die Gründung eines gemeinsamen Ausschusses aller am Ohio liegenden Staaten initiierte, ein Unterfangen, das durch die Dürre in den Jahren 1818 und 1819 stark an Legitimation gewann. Als die Kommissionsmitglieder 1819 von Pittsburgh aus den Ohio hinabfuhren, wurde ihnen die Dringlichkeit ihrer Aufgabe deutlich vor Augen geführt. Sie sahen 30 Boote »worse than dead, ruinously expensive to their owners, lying in all directions, chiefly high and dry, some half in and half out of water, all sustaining incalculable injury from an exposure of six or eight months,­ waiting [sic] the returning flood«.42 Der Ausschuss empfahl den Regierungen der Einzelstaaten, jährlich 10.000 Dollar für die Verbesserung der Schifffahrt aufzuwenden, doch lediglich Pennsylvania kam dieser Empfehlung nach, vor 39 McNeill, Something New under the Sun, 182. Für Pittsburgh vgl. Muller, River City, 42: »With shift to an industrial economy after the mid-nineteenth century, the role of the­ rivers changed and in the minds of many Pittsburghers diminished to a subordinate one in the city’s economic world. Through technological means, the rivers were engineered and controlled, reduced in function to serve industry, and made less accessible, both physically and psychologically, to city residents«. 40 Cioc, Rhine, 37. Vgl. auch Daniel Speich, Helvetische Meliorationen. Die Neuordnung der gesellschaftlichen Naturverhältnisse an der Linth, 1783–1823. Zürich 2004; Isabelle Backouche, From Parisian River to National Waterway: The Social Functions of the Seine, ­1750–1850, in: Mauch / Zeller (Hg.), Rivers in History. Pittsburgh, PA, 2008, 26–40. 41 Vgl. Johnson, Engineering the Ohio, 180. 42 So der offizielle Kommissionsbericht, zitiert nach ebd., 186.

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allem um Pittsburghs Konkurrenzfähigkeit zum weiter stromabwärts gelegenen Wheeling in Virginia aufrecht zu erhalten, die in den beiden voran gegangenen Jahren aufgrund der niedrigen Wasserstände stark gelitten hatte.43 An einigen Nebenflüssen war es besser um die Schiffbarkeit bestellt, da diese von den Kanalbauten in den ersten Dekaden des neunzehnten Jahrhunderts profitierten. So wurde am Muskingum River schon 1816 ein Seitenkanal gebaut, der es ermöglichte, die Stromschnellen bei Zanesville zu umfahren.44 1834 wurde die erste Schleuse fertig gestellt, vier Meilen stromabwärts von Dresden, Ohio. Diese Maßnahmen reichten allerdings bei weitem nicht aus, um dem vermehrten Handelsaufkommen Rechnung zu tragen, weswegen der Staat Ohio zwei Jahre später beschloss, den gesamten Flussverlauf von Zanesville bis Marietta zu regulieren, ein Unternehmen, das bis 1841 durch ein System von elf Schleusen und zehn Dämmen abgeschlossen werden sollte  – eines der ersten Regulierungsprojekte in den USA überhaupt. Die Dämme wurden zu dieser Zeit noch zu großen Teilen aus Holz und Steinen errichtet, weswegen sie nicht nur durchlässig, sondern auch sehr anfällig gegenüber Fluten waren. Erst ab Ende des neunzehnten Jahrhunderts wurden diese Bauwerke zunehmend durch Betonkonstruktionen ersetzt.45 Trotz unzähliger Probleme war die Regulierung des Muskingum in wirtschaftlicher Hinsicht ein voller Erfolg. Für die Produktionskosten von über 1,6 Millionen Dollar wurde ein »slackwater navigation system« errichtet, das um einiges zuverlässiger war als jenes am Ohio River selbst. Bei niedrigen Pegelständen retteten sich viele Boote daher vom Hauptstrom in den Muskingum. Auf dem Höhepunkt dieser Entwicklung nahm der Staat Ohio im Jahr 1847 über 50.000 Dollar an Wegegebühren und dem Verkauf von »waterpower« ein, der jährliche Durchschnitt lag von 1843 bis 1853 über 40.000 Dollar, bis der Triumphzug der Eisenbahnen dieser Entwicklung Einhalt gebot. Stolz berichtete der Bürgermeister von Marietta dem amerikanischen Kriegsminister 1853, dass mehr Passagiere und Fracht den Ohio vom Muskingum aus erreichten als von irgendeinem anderen Zufluss oberhalb Cincinnatis.46

Nationale Regulierung Der Ohio selbst konnte allerdings von den Einzelstaaten nicht ohne Unterstützung der Bundesregierung reguliert werden. Kongressabgeordneten aus den Staaten am Ohio und Mississippi gelang es 1820, Bundesmittel für die Fort­ 43 Vgl. Johnson, Engineering the Ohio, 186. 44 Vgl. Johnson, Men, Mountains and Rivers, 52. 45 Vgl. ebd., 53. 46 Vgl. ebd., 54.

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führung von surveys der Flüsse zu erhalten, die die Einzelstaaten bereits begonnen hatten. Der hieraus zwei Jahre später resultierende Bericht empfahl, mit nationalen Steuermitteln Forschung über die Beseitigung von Baumstämmen (snags) zu fördern und hydraulische Experimente mit Buhnen (wing dams) durchzuführen, die das Flussbett vertiefen sollten.47 Unklar war jedoch, ob der Bund überhaupt die Kompetenz besaß, Flüsse zu regulieren. Seit der Gründung der Vereinigten Staaten war die bundesstaat­ liche Regulierung der Binnengewässer, und damit auch der Hochwasserschutz, ein verfassungsrechtliches Problem, das bis zur Verabschiedung des Flood Con­ trol Act 1936 immer wieder für Kontroversen sorgen sollte. Gemäß Artikel 1, Abschnitt 8 der amerikanischen Verfassung hat die Bundesregierung zwar das Recht, den zwischenstaatlichen Handel (»interstate commerce«) zu regulieren; was aber genau unter »commerce« zu verstehen sei, war Gegenstand hitziger Debatten. Teilweise Klarheit schaffte 1824 der Oberste Gerichtshof der USA in dem Urteil Gibbons v. Ogden, das dem Staat New York die Vergabe von Monopolrechten auf dem Hudson River an den Dampfschiff-Erfinder Robert F ­ ulton und seinen Finanzier Robert Livingston untersagte. Diese Praxis war illegal, so der Supreme Court, weil ein Einzelstaat nicht das Recht habe, die Bundes­ prärogative der Regulierung des zwischenstaatlichen Handels zu beschränken. Damit stand einer aktiven nationalen Unterstützung von »internal improvements«, wie sie die Abgeordneten aus dem Westen forderten, rechtlich nichts mehr im Wege.48 Im Mai 1824 verabschiedete der Kongress den ersten von unzähligen Rivers and Harbors Acts und bewilligte 75.000 Dollar, um die Schiffbarkeit des Ohio und des Mississippi stromabwärts von St. Louis zu verbessern. Noch im selben Jahr begann die Errichtung des ersten Dammes am Ohio River nahe Henderson, Kentucky.49 Beauftragt mit der Durchführung dieser Maßnahmen wurde das 1802 gegründete Army Corps of Engineers, dessen Aktivitäten zur Verbesserung der Schifffahrt schnell zum »most active program of central government intervention into the economy« werden sollten.50 Diesen ersten Bewilligungen folgten schnell weitere Initiativen des Kongresses. 1827 wurde im nächs­ ivers and Harbors Act Geld für die Beseitigung von Hindernissen für die ten R Schifffahrt bei jedem Pegelstand, also auch bei Niedrigwasser, bewilligt. Gleichzeitig wurde der berühmte Schiffsbauer und Flusskapitän Henry M. Shreve, 47 Vgl. Johnson, Engineering the Ohio, 187; O’Neill, Rivers by Design, 20–21. 48 O’Neill, Rivers by Design, 20–21. 49 Vgl. Johnson, Engineering the Ohio, 187–188; O’Neill, Rivers by Design, 20–21; Todd Shallat, Structures in the Stream. Water, Science, and the Rise of the U. S. Army Corps of Engineers. Austin, TX, 1994, 101; Leopold / Maddock, Flood Control Controversy, 98. 50 O’Neill, Rivers by Design, 13. Vgl. auch Johnson, Engineering the Ohio, 181; Rutherford H. Platt, From Flood Control to Flood Insurance. Changing Approaches to Floods in the United States, in: Environments 27 (1/1999), 67–78 (68).

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dessen snagboats in den folgenden Jahren das Bild des Flusses prägen sollten, mit der Durchführung des Programms beauftragt.51 Wie bedeutend diese Ausbesserungs- und Bereinigungsmaßnahmen waren, zeigte sich ex negativo, als Präsident Martin Van Buren während der wirtschaftlichen Depression 1838 alle Arbeiten am Ohio und anderen Flüssen einstellen ließ. In den folgenden drei Jahren wurden daher keine Baumstämme aus der Fahrlinie gezogen und keine Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt. In dieser Zeit sanken 136 steamboats. Der dadurch verursachte Schaden belief sich geschätzt auf eine Million Dollar.52 Aber auch in weniger turbulenten Zeiten blieb der Fluss eine gefährliche Wasserstraße. Noch 1843 klagten besorgte­ Bürger Cincinnatis: The Ohio river, though not obnoxious to the full force of the sarcasm of the distinguished Virginian who described it as frozen one-half of the year and dried up during the remainder,53 is subject to vicissitudes, which seriously affect the navigation, and demand the national attention, from the double consideration of the magnitude of the evil and the vastness of the means required for its correction. If the work can be done at all, in a manner worthy of the energies of a great people, and permanently advantageous, it must be done by the National Government.54

Um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts hatten sich die Erwartungen an den Fluss bereits deutlich gewandelt. Nun war man nicht mehr, wie noch die frühen Siedler, einfach froh über jede »Welle«, die einen stromabwärts trug. Nun wurden mehr und mehr seine Defizite beklagt, allen voran die Navigationshindernisse, zu deren Beseitigung man immer stärker die Bundesregierung in die Pflicht zu nehmen versuchte.

5.3 »Normale« Fluten Während die Bundesregierung und vor allem das Ingenieurskorps der Armee immer mehr Aufgaben zum Zwecke der »internal improvements« übernahmen, blieb der Hochwasserschutz von diesen Aktivitäten zum großen Teil ausgeklammert. Hochwasserschutzprojekte des Bundes galten vielen Politikern 51 Vgl. Johnson, Engineering the Ohio, 189. 52 Ebd., 190. Vgl. auch United States Congress, Senate, 27th Congress, 3rd Session, Improvement of Ohio and Mississippi Rivers, 20; Shallat, Structures in the Stream, 140–143; Knepper, Ohio and Its People, 148. 53 Gemeint ist Henry Clay, der, in Virginia geboren, später Senator und Abgeordneter des Repräsentantenhauses für Kentucky wurde, und der sich Anfang des neunzehnten Jahrhunderts entsprechend abschätzig über den Ohio geäußert hatte. 54 United States Congress, Senate, 27th Congress, 3rd Session, Improvement of Ohio and Mississippi Rivers, 18–19.

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trotz Gibbons v. Ogden als nicht verfassungskonform, weil der Nutzen von Deichen und Dämmen primär lokalen Grundeigentümern und Bürgern zukam, während die (grenzüberschreitenden) positiven Effekte, die solche Bauten für die Schifffahrt brachten, eher gering ausfielen. Ausnahmen von dieser Regel gab es vor allem am Mississippi, ein Fluss, der schon früh mehr als nur lokale oder regionale Bedeutung hatte, doch selbst hier wurde Hochwasserschutz nur unter dem Deckmantel der Verbesserung der Schifffahrt durchgeführt, sogar dann, wenn alle Kongressmitglieder wussten, dass es um die Abwehr von Überschwemmungen ging. Am Ohio dagegen wurde der erste von der Bundesregierung finanzierte und geplante Deich erst im zwanzigsten Jahrhundert gebaut.55 Gleichzeitig ging jedoch die »Invasion der Überschwemmungsgebiete« im Ohio Valley parallel zur Bevölkerungsentwicklung und dem Wachstum von Handel, Industrie und Gewerbe, rapide voran. Das Schadenspotenzial in den floodplains erhöhte sich enorm, doch dies schien kein allzu großes Problem zu sein, so lange Pegelstände wie 1832 nicht überschritten oder nur selten erreicht wurden. Ein halbes Jahrhundert lang, von 1832 bis 1883, ging diese Rechnung, oder genauer gesagt, diese Hoffnung auf. Rückblickend betrachtet war es jedoch nur eine Frage der Zeit bis zwei nicht miteinander zu vereinbarende Entwicklungen kollidieren würden: auf der einen Seite die ungehemmte und stetig intensivierte Nutzung eines Raumes, des Überschwemmungsgebietes, der de facto zum Fluss gehörte und nur scheinbar außerhalb seiner Grenzen lag, und auf der anderen Seite das Hochwasserverhalten des Ohio River, der, was die Siedler nicht wussten, sein Potenzial in den ersten hundert Jahren der euroamerikanischen Präsenz im Ohio Valley nicht einmal annähernd ausgeschöpft hatte. Dass die meisten Orte am Ohio seit 1832 von neuen Höchstständen des Flusses verschont geblieben sind, bedeutet allerdings nicht, dass es keine Überschwemmungen gegeben hätte. Im Gegenteil, die »normale« Flut war eher die Regel als die Ausnahme. In Cincinnati stieg der Ohio River in den Jahrzehnten vor der Doppelflut 1883/84 während der meisten Jahre zweimal oder öfter über die Marke von 45 Fuß und sechs Zoll (13,86 Meter), einem Pegelstand, ab dem die Bewohner und Händler der Commercial Row ihre Häuser verließen.56 Im Winter 1881/82 mussten die unmittelbar am Wasser lebenden und arbeitenden Bürger der Stadt sogar siebenmal die Erdgeschosse ihrer Häuser räumen.57 55 Vgl. Joseph L. Arnold, The Evolution of the 1936 Flood Control Act. Fort Belvoir, VA, 1988, 4–5. 56 Cincinnati Chamber of Commerce, The Great Flood in the Ohio. February 1883, 102. Allerdings gab erst die Flut im Jahr 1883 Anlass, diese »Normalität« als solche zu kennzeichnen. 57 Sydney D. Maxwell, Superintendent, The River Interests of the City of Cincinnati for the Commercial Year Ending August 31, 1882. Report to the Cincinnati Chamber of Commerce and Merchants’ Exchange. Cincinnati, OH, 1883, 4. Für ein Beispiel dieser Bewälti-

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Auch in Newport, Ohio, etwas oberhalb von Marietta gelegen, hatte man sich an häufige Überschwemmungen gewöhnt. Von 1832 bis 1874 mussten die Familien und Geschäftsleute, die nahe am Fluss lebten, insgesamt achtmal auf höheres Terrain ausweichen. »Although the destruction of property by the rampant river has at times been great, there have been few accidents to human life during the floods«, hielt eine Geschichte Washington Countys 1881 fest. »Persons have been drowned during the ordinary stages of water«.58 Die einzige Flut, die in dem halben Jahrhundert zwischen 1832 und 1883 der ersten Rekordflut nahe kam (und diese an einigen wenigen Stellen sogar übertraf), ereignete sich im Dezember 1847. »[T]he weather is so bad«, schrieb Eliza Kinkead in einem Brief aus Lexington, Kentucky. »It is snowing again. the last snow is not nearly gone yet. […] it has been raining or snowing all the time. And the damage done by the flood all through the State is incalculable.« Einige Farmer hätten alles verloren: ihre Ernte, das Heu, Hanf, Zäune und ihr Vieh.59 In Indiana wurde der Whitewater-Kanal, der erst wenige Jahre zuvor fertig gestellt worden war, durch die Flut erheblich beschädigt. Die Wiederaufbaukosten beliefen sich auf 100.000 Dollar.60 Aus Lawrenceburg, ebenfalls in Indiana, wurden mehrere Hundert Flutflüchtlinge mit Dampfern nach Cincinnati gebracht, wo sie Obdach erhielten, während etliche Einwohner von New Richmond, Ohio, auf den Hügeln der Umgebung campten oder in Häusern Zuflucht suchten, die nicht von der Flut betroffen waren.61 In Cincinnati selbst, die Stadt hatte mittlerweile 96.000 Einwohner, begann der Fluss am 10.  Dezember zu steigen und erreichte seinen Höchststand von 63 Fuß und sieben Zoll (19,40 Meter), nur acht Zoll (20 Zentimeter) unter dem Rekordwert von 1832, am 17.  Dezember. Eine solche Höhe sollte hier bis zur Doppelflut 1883 und 1884 nicht mehr erreicht werden.62 Obwohl die Überschwemmungen im Dezember 1847 auch in der Queen City mit viel Leid verbunden waren, wovon nicht zuletzt die Zahl von 20 eigens eingerichteten Ungungsroutine an einem anderen Fluss, dem St. Francis River in Kanada, vgl. Castonguay, The Production of Flood as Natural Catastrophe, 826: »As the water rose slowly but surely, those living in that »vulnerable« area scurried to move their belongings to the upper stories of their homes, while merchants emptied their basements until the water subsided. Once they completed that routine, people flocked to the river banks to view the seasonal spectacle of rising water and blocks of ice and logs racing down the river. Boats and canoes were used, not to flee but rather to visit neighbours, deliver mail and attend school or church.« 58 History of Washington County, Ohio, 572 (Hervorhebung U. L.). 59 Eliza Kinkead, Lexington, KY, an William S.  Bodley, Vicksburgh, MS, 20.12.1847, FHS, Bodley Family Papers, 1773–1939, F »Mss A B668e 40«. 60 Logan Esarey, A History of Indiana from Its Exploration to 1850. Indianapolis 1915, 375. Für die Schäden an dem Abschnitt, der Cincinnati mit dem Kanal verband vgl. Charles Cist, Sketches and Statistics of Cincinnati in 1851. Cincinnati, OH, 1851, 142–143. 61 Other Great Floods, 124. 62 Vgl. Floods in the Ohio, 227; Greve, Centennial History of Cincinnati, 719.

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terkünften für von der Flut Vertriebene zeugte, hatte man doch offensichtlich aus den Erfahrungen der Flut von 1832 gelernt: »[T]he flood of 1832 had been a warning which had been regarded by many and the city was not so seriously affected as before. Many of the business houses had moved to higher ground in the meantime«.63 Interessant in Bezug auf das Risikomanagement sind Überlegungen, die der stellvertretende City Surveyor Randal H. Rickey für den Umgang mit zukünftigen Überschwemmungen anstellte. A reoccurance may happen again under  a certain combination of circumstances. And prudence would dictate a suitable manner of constructing stores and other buildings with Strong foundations wall [sic] with a wide footing Laid in cement and the lower Story walls as far as high water mark of cut stone so as to withstand the effect of water. Also the introduction of Iron discharging Pipes from the Cellars Communicating with an Iron Main pipe laid in the Street to connect with the River or Sewers in such parts of the City as have been over flowed, said Pipes to be furnished with Proper ­Valves to Shut out the water.64

Eine solche Imprägnierung der Häuser war, in Ermangelung effektiven Hochwasserschutzes und vor dem Hintergrund noch relativ zahlreicher mobiler Vermögensgegenstände, in den Überschwemmungsgebieten durchaus sinnvoll, hatte aber kaum Chancen auf Realisierung. Zum einen sank das Gefahrenbewusstsein in den nächsten Jahrzehnten wieder, als der Ohio keine großen Überschwemmungen mehr verursachte, zum anderen hatte sich die Substanz des Schadenspotenzials bis zur Rekordflut 1883 derart gewandelt, dass ein Großteil des Sachkapitals nicht mehr ohne Weiteres aus der floodplain befördert werden konnte. Auch in Marietta, das im April 1860 den höchsten Wasserstand seit der »evermemorable« Flut von 1832 erlebte, war der Umgang mit Überschwemmungen noch primär von Ausweichpraktiken geprägt, durch die alle mobilen und wertvollen Gegenstände einfach über die Hochwassergrenze verlagert wurden.65 So machten sich die Bewohner der Front Street am Muskingum 1860 zum wiederholten Male daran, ihre Habseligkeiten in den ersten Stock ihrer Häuser oder zu Bekannten und Freunden auf höherem Grund zu bringen. Auch die Geschäftsleute am Point, der Landspitze zwischen Muskingum und Ohio­ River, brachten ihre Waren in Sicherheit. Einigen reichte der Ladentisch oder 63 Greve, Centennial History of Cincinnati, 719. Vgl. auch Other Great Floods, 124; Brief, Nicholas Longworth an Charles Cist, 19.12.1847, Cincinnati, OH, hs., CHS, Vertical File, Mss VF 3031. 64 Randal H. Rickey, Acting City Surveyor, Report of High Water Points, 17.1.1848, in: Record of Flood of 1847. Report of High Water Points. Record of Bench Marks in City. River Stages 1858 to 1873«, 10–11, CHS, Vertical File, Mss VF 3622. 65 Vgl. Marietta Intelligencer, 14.4.1860, »The Flood«.

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höhere Regale, andere trugen ihre Güter in den ersten Stock oder lagerten sie sogar auf Booten aus. Die Livery Stable keepers brachten alle Pferde, Kühe und Schweine, die in ihrer Obhut waren, ebenso wie alle Fahrzeuge in Sicherheit. Am Mittwoch, dem 11. April 1860 um sechs Uhr abends floss das Wasser, das aus dem Muskingum River in die Stadt drückte, direkt in den Ohio und zwei Stunden später stand der ganze Point unter Wasser. Erneut war an diesem hochwasserträchtigen Ort die Risikokalkulation vieler Bewohner nicht aufgegangen: »Those who had been content with placing their goods on counters in the afternoon, were obliged in the night to remove them the second time«, bilanzierte der Marietta Intelligencer.66 1860 zeigte sich in Marietta aber auch deutlicher als bei vorigen Fluten die zunehmende Stratifizierung der Gesellschaft und die ungleiche Verteilung von Naturrisiken auf verschiedene Bevölkerungsteile. Der Ausdruck »Unterschicht« bekam dabei eine völlig neue Bedeutung, wenn eine der lokalen Zeitungen feststellte: There has been a good deal of suffering among the poorer classes, who occupied low tenements on low ground. The rise was so rapid that many were unable to move out before they were inundated. Others have been cooped up in the second stories or ­attics, with scanty supplies of provisions and fuel.67

Auch an anderen Flüssen wurde das rapide Ansteigen des Wassers vor allem den unteren Schichten der Bevölkerung zum Verhängnis. Als im April 1872 der Kentucky River in nur sechs Stunden um 15 Fuß (4,57 Meter) anstieg, notierte ein Beobachter: »[…] over 20,000 saw logs, the property of poor people, floated off and lost; above Irvine, Estill County, most of those residing on the river­ bottoms were driven from their homes by the rising flood«.68 Wie abhängig die »river interests« am Ohio selbst gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts noch von der natürlichen Dynamik des Flusses waren, und wie begrenzt die Erfolge beim Versuch der Herstellung eines »happy mean«, einer »glücklichen Mitte« zwischen Hoch- und Niedrigwasser zu dieser Zeit noch ausfielen, macht ein Bericht deutlich, der im August 1882, also unmittelbar vor der Doppelflut in den beiden folgenden Wintern, für die Handels­ kammer von Cincinnati angefertigt worden war. Im Rückblick auf das vergangene Handelsjahr wurde zunächst die Außergewöhnlichkeit der Tatsache konstatiert, dass man sowohl den höchsten wie auch den niedrigsten Wasserstand des Ohio seit Beginn der Aufzeichnungen 1858 zu verzeichnen hatte. Im gleichen Atemzug wurde aber mit Freude festgehalten: »It brought also a period 66 Ebd. 67 Ebd. 68 Lewis Collins / Richard H. Collins, Collins’ Historical Sketches of Kentucky. The History of Kentucky. Covington, KY, 1878, Bd.I, 228.

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of navigable waters of unusual duration« – eine der wenigen guten Nachrichten in diesem durch Ernteausfälle und Streiks gekennzeichneten Jahr.69 Das Handelsjahr 1881/82 war mit extrem niedrigen Wasserständen eröffnet worden. Schon seit Juli konnten nur noch kleine Boote den Ohio befahren. Am 18. September wurde mit 23 Zoll (58,42 Zentimeter) der historische Tiefstand des Flusses bei Cincinnati gemessen. Im September und Oktober belief sich der durchschnittliche Pegelstand auf gerade einmal dreieinhalb Fuß (etwa ein Meter). Ab November stieg der Wasserstand dann aber konstant an, von 40 Fuß (12,2 Meter) im Dezember auf 48 Fuß (14,6 Meter) im Januar bis hin zu 58 Fuß (17,7 Meter) am 21.  Februar 1882, dem dritthöchsten Pegelstand überhaupt, übertroffen nur von den Fluten 1832 und 1847. Für die Schifffahrt waren dies überaus erfreuliche Nachrichten. Ein Repräsentant der lokalen Handelskammer stellte fest: »[F]or ten months, business was never interfered with by  a want of water, navigation during that period having been uninterrupted from Pittsburgh to the Gulf, and for the largest class of steamers connected with our trade«. Fast schon enthusiastisch fügte er hinzu: »There were two coal-boat stages each month in ten months, and, doubtless, the largest aggregate run of coal was made on the Ohio River in the history of its ­navigation.«70 »Hohes Wasser« war, zumindest aus Sicht der Handels- und Schifffahrtsinteressen, immer noch primär ein Mittel zur Überwindung von Navigationshindernissen. Nur dann, wenn die Brücken nicht mehr durchfahren oder Hindernisse im Strom wegen zu hoher Wasserstände nicht mehr erkennbar waren, wurde Hochwasser zu einem Problem.71 In den nächsten beiden Wintern sollte der Ohio allerdings so hohe Pegelstände erreichen, dass es selbst für die Binnenschiffer zu viel des Guten wurde. Überschwemmungen wurden, genau so wie Niedrigwasser, als Teil der natürlichen Dynamik und Variabilität angesehen, an denen grundsätzlich nichts zu ändern war. Solche hydrologischen Extremereignisse wurden nicht geliebt, aber hingenommen, zumal die Schäden, trat der Fluss doch einmal über die Ufer, immer noch relativ gering waren. Die Flut von 1832 schien eine benchmark gesetzt zu haben, an der man das Risikomanagement orientieren und für die Zukunft planen konnte. Das Verhältnis der Siedler zum Fluss war, so schien es, im Großen und Ganzen harmonisch, man hatte sich mit den Launen des Ohio arrangiert. In den Dekaden nach der Doppelflut von 1883 und 1884 änderten sich diese Einschätzungen jedoch gewaltig. »In the Ohio River and in the Mississippi­ River below Cairo, Ill., years without floods are exceptional,« stellte das ­United 69 Maxwell, The River Interests of the City of Cincinnati … 1882, 3. 70 Ebd., 4. 71 Ebd., 3.

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States Weather Bureau 1913 nach einer ganzen Sequenz von verheerenden Überschwemmungen fest. Fluten schienen nun nicht mehr die Ausnahme, sondern die Norm zu sein.72 »[D]anger from flood is ever present on the Ohio« urteilten zwei Mitarbeiter des United States Geological Survey im selben Jahr. »In every year for more than 40 years the river passed the danger line at some of the six stations selected«.73 Die beiden Jahrhundertfluten in den 1880er Jahren markierten also nicht nur außergewöhnliche hydro-meteorologische Ereignisse, sondern auch den Auftakt einer Phase des intensiven Aufeinandertreffens von natürlicher Volatilität und massiv erhöhter gesellschaftlicher Vulnerabilität.

72 Vgl. United States Weather Bureau, The Ohio and Mississippi Floods of 1912. Washington, DC, 1913, 11 (Hervorh. U. L.). Regelrechte Flutkatastrophen ereigneten sich, mit unterschiedlichen regionalen Schwerpunkten, unter anderen in den Jahren 1903, 1907, 1912 und 1913. 73 Horton / Jackson, Ohio Valley Flood of March-April 1913, 16. Die Pegelstellen waren Pittsburgh, Wheeling, Marietta, Cincinnati, Evansville, und Paducah. Vgl. auch ebd., 7: »In no year since 1873 has [the] Ohio River failed, at some point along its course, to overflow its banks and flood large areas of adjoining bottom lands, and in some years this flooding has been five times repeated«. Vgl. darüber hinaus die Rede von George P. Stimson, 79.99 – Call it 80, und George R. Marth, Hydrologist, to J. Cecil Alter, Senior Meteorologist, U. S. Department of Commerce, Weather Bureau Office, Cincinnati, OH, »Ohio River Floods at Cincinnati, OH: Frequency and Duration, 1859 to 1946«, ohne Datum, UC, Municipal Reference Library, Vertical Files (US-04–09), V4311m, Floods, Cincinnati Area: »The Ohio River at Cincinnati, for example, has been at flood stage (52 feet or higher) on 60 occasions during the period from 1859 to 1946. Floods usually occurred at intervals of one to four years. From 1915 to 1922, however, the Ohio reached or exceeded flood stage every year while there was not a single flood during the interval from 1871 to 1874.«

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6. Die Doppelflut in den Jahren 1883 und 1884

Am 7. Januar 1883 versammelten sich Vertreter von 15 deutsch-amerikanischen Organisationen, darunter Mitglieder des Liederkranzes, der German Machinists und des Independent Schuetzen Corps, in der »Turn Hall«, East Fourth Street, des New Yorker Turn Vereins. Ziel der Veranstaltung war weder die Verhandlung einer politischen Agenda, auf die sich die heterogenen Organisationen ohnehin kaum hätten einigen können, noch die Pflege der Geselligkeit, sondern einzig und allein das Sammeln von Spenden. Zugutekommen sollten die Summen den Opfern der Überschwemmungen am Rhein, die seit Anfang Dezember 1882 etliche Landstriche und viele Städte verwüsteten.1 Auch in anderen amerikanischen Städten wurde transatlantische Solidarität geübt. In Philadelphia fand eine gut besuchte Zusammenkunft in den Amtsräumen des Bürgermeisters statt, bei der Sympathiebekundungen abgegeben und ein Hilfskomitee von 15 Personen gegründet wurde. Dr. E. Merewitz vom German Demokrat [sic] spendete spontan 1.000 Dollar; weitere Zuwendungen ergaben noch einmal die gleiche Summe.2 Die Spendentätigkeiten der großen deutsch-amerikanischen community in Cincinnati wurden sogar an höchster Stelle wahrgenommen. Am 30.  Januar 1883 brachte Reichskanzler Bismarck in einem Schreiben an den deutschen Konsul in Cincinnati, Dr. von Mohl, den Dank des Kaisers zum Ausdruck. Seine Majestät habe mit großer Freude zur Kenntnis genommen, welch enge Bande die amerikanischen Bürger deutscher Abstammung zu ihrer Heimat bewahrt hätten – eine Verbindung, die voll und ganz dem freundschaftlichen deutsch-amerikanischem Verhältnis entspräche.3 Noch im Mai 1883 bezeichnete der Abgeordnete Heinrich Marquardsen im Reichstag die finanziellen Opfer der Deutsch-Amerikaner unter starkem Applaus als »one of the fairest laurels in German-American history«.4 Insgesamt wurden knapp 100.000 Dollar über den Atlantik geschickt.5 1 Vgl. Aid for the German Sufferers, New York Times, 8.1.1883. 2 Vgl. New York Times, 12.1.1883. 3 Vgl. Cincinnati Commercial Gazette, 24.2.1883. Vgl. auch New York Times, 19.1.1883, die von über 10.000 Dollar Spenden aus Cincinnati zusätzlich zu den Erlösen von mehreren Benefizveranstaltungen spricht. 4 Vgl. New York Times, 10.5.1883. 5 The Premature Floods, New York Times, 6.2.1883. Diese Summe enthielt natürlich auch Spenden von Amerikanern ohne deutsche Abstammung. Vgl. auch Uwe Lübken, Explorations into the History of Floods and Flood Control in Germany and the United States, in: Cora Lee Kluge / Antje Petty (Hg.), Paths Crossing. Excursions in German-American Studies. New York u. a. 2010, 149–162.

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Ab Anfang Februar 1883 boten sich den amerikanischen Zeitungen jedoch immer mehr Gelegenheiten, die Berichte vom Rhein und von der Donau, die ebenfalls über die Ufer getreten war, durch Nachrichten aus dem eigenen Land zu ergänzen. »The danger line is already passed in the extreme eastern valleys of the great region drained by the Ohio and Mississippi Rivers«, schrieb die New York Times am 6. Februar 1883. Noch hielten sich die Schäden allerdings in Grenzen und beträfen vor allem diejenigen, die die damit verbundenen Lasten besser tragen könnten als die »poor peasants« am Rhein und an der Donau: »The story of our sudden floods cannot rival in interest the accounts we were lately receiving from Cologne and Raab, where the inundations convered many square miles of territory«.6 Nur acht Tage später hatte sich die Situation aber dramatisch gewandelt; nun war in derselben Zeitung zu lesen: Nobody can tell what the present loss will be, but it has already mounted up into millions in Cincinnati alone. Add the losses at points further down the river and we speedily get a total which makes the destructive work of the recent floods along the Rhine and Danube seem insignificant.7

Nun flossen Spendengelder, wenn auch in bescheidenerem Umfang, in umgekehrter Richtung. Selbst die deutsche Kaiserin sandte 1.000 Reichsmark in die Vereinigten Staaten.8 Nachdem der Ohio River fast 50 Jahre lang keine Rekordmarken mehr gesetzt hatte, wurden die Bewohner des Ohio Valley in den Jahren 1883 und 1884 gleich zweimal mit den jeweils schwersten Überschwemmungen des Jahrhunderts konfrontiert. In der Zwischenzeit hatten sich allerdings neue Vulnerabilitätsmuster herausgebildet, die nicht nur am Ohio, sondern an vielen industrialisierten Flüssen zu erkennen waren, und die mehr und mehr zum Problem werden sollten.9 Obwohl mittlerweile extrem stark industrialisiert und kommerzialisiert, war die Navigation auf und der Handel am Fluss immer noch zum großen Teil von kaum kontrollierter natürlicher Dynamik abhängig. Das Projekt einer Kana­ lisierung des Ohio mit einer angestrebten Mindesttiefe von neun Fuß hatte zwar 1879 begonnen, wurde aber erst 1929 fertiggestellt, als der 53. Damm nahe der Mündung des Ohio in den Mississippi in Betrieb genommen wurde.10 Gleichzeitig sah sich die Region von 1882 bis 1884 drei schweren Überschwemmungen 6 The Premature Floods, New York Times, 6.2.1883. 7 The Swollen Ohio, New York Times, 14.2.1883. 8 Vgl. Washington Post, 3.3.1883. 9 Vgl. generell Stéphane Castonguay / Matthew Evenden (Hg.), Urban Rivers. Remaking Rivers, Cities, and Space in Europe and North America. Pittsburgh, PA, 2012, und darin speziell zum Ohio Uwe Lübken, Rivers and Risk in the City. The Urban Floodplain as a Con­ tested Space, 130–144. 10 Vgl. Johnson, Engineering the Ohio, 184.

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ausgesetzt, die zum ersten Mal das Risikomanagement unter den Bedingungen des industrialisierten, kommerzialisierten und urbanisierten Flusses einem intensiven Test unterzogen. Die Doppelflut des Ohio 1883/84 war auch deshalb so desaströs, weil sie in ihren Ausmaßen erneut, wie schon 1832, völlig unerwartet kam. Der Höhepunkt schien in Cincinnati im Jahr 1832 mit 64 Fuß (19,51 Meter) erreicht worden zu sein. 1847 wurde noch einmal fast der gleiche Wert erreicht (63 Fuß und sieben Zoll, 19,38 Meter), danach stieg der Fluss aber 37 Jahre lang nicht mehr über die Marke von 60 Fuß (18,29 Meter). Anders ausgedrückt: es gab keinen Grund anzunehmen, dass das Wasser viel höher als im Jahr 1832 steigen würde. Die Strategien der Ansiedlung von Geschäften, Wohnungen, Straßen etc. in der floodplain hatten sich somit, von lokalen Flutereignissen abgesehen, am Ohio River über ein halbes Jahrhundert bewährt. Selbst als das Wasser im Februar 1883 immer höher stieg, bezweifelten viele Bewohner Cincinnatis, dass sich eine Flut wie die von 1832 wiederholen könnte; jeder neue Anstieg des Pegels wurde als der letzte betrachtet. »[A]s the water eventually passed the boundaries of all calculations, the greatest apprehension clouded the public mind«, hielt ein Bericht der Handelskammer Cincinnatis fest.11 Seit 1832 war der alljährliche Höchstwasserstand im langfristigen Mittel sogar zurückgegangen, was weiteren Anlass zu der Überzeugung gegeben hatte, dass verheerende Überschwemmungen eine Angelegenheit der Vergangenheit waren. »[T]he experience of 1883 completely shattered this belief,« konstatierte der Lokalhistoriker Charles Theodore Greve.12 Was wie ein akzeptabler modus vivendi zwischen Fluss und Gesellschaft aussah, war rückblickend nur eine »Desasterlücke«. Die Cincinnati Commercial Gazette stellte schon 1883 fest: »The notion that such floods as have been could never be again has now gone by.«13 Insgesamt wurde im Februar 1883 in Cincinnati eine Höhe von 66 Fuß (20,12 Meter) erreicht, genau ein Jahr später sogar mehr als 71 Fuß (21,64 Meter).14 »When we consider what an unusual combination of circumstances is necessary to cause a stage of water exceeding sixty feet, and that such an occurrence cannot be ordinarily expected more than about once in a quarter of a century«, schrieb ein anonymer Autor in Science unmittelbar nach der zweiten Flut, »it appears most remarkable that two such floods should happen in successive

11 Sydney D. Maxwell, Superintendent, The River Interests of the City of Cincinnati for the Commercial Year Ending August 31, 1883. Report to the Cincinnati Chamber of­ Commerce and Merchants’ Exchange. Cincinnati, OH, 1884, 3–4. Vgl. auch Floods in the Ohio, 227. 12 Greve, Centennial History of Cincinnati, 994. 13 Zitiert nach Washington Post, 17.2.1883. Vgl. auch Vance, Great Flood of 1884, 113. Vgl. allgemein Pfister, Die ›Katastrophenlücke‹ des 20. Jahrhunderts. 14 Vgl. Floods in the Ohio, 227.

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years«.15 Wie schon 1832 sorgte gerade der neue Höchststand auch im Jahr 1883 dafür, dass sich viele Anwohner in Sicherheit wogen. John L. Vance machte eine »fancied security« bei Tausenden von Bewohnern des Ohio Valley aus, die 1884, selbst als das Wasser schon die Uferbänke überschritten hatte, glaubten, dass sich eine Flut wie im Vorjahr mindestens ein halbes Jahrhundert lang, vielleicht sogar überhaupt nicht mehr ereignen würde.16 In Abwesenheit von zuverlässigen hydrologischen Modellrechnungen basierte die Erwartung zukünftiger Hochwasser immer noch primär auf der persönlichen Erinnerung vergangener Ereignisse: »The flood of last year [1883] was unprecedented in the memory of the oldest inhabitant, and the universal opinion was that if goods were moved above the level of last year’s inundation, they were certainly safe.« Diese Einschätzung sollte sich jedoch als Trugschluss erweisen und gerade die vier Zoll, die das Wasser über die Marke des Vorjahres stieg, trugen erheblich zu den durch die Flut verursachten Schäden bei.17 Bei den neuen Rekordständen in den Jahren 1883 und 1884 zeigte sich erneut ­ alley. das »natürliche« Informationsdefizit der meisten Bewohner des Ohio V Den Euroamerikanern standen kaum Erfahrungswerte der natürlichen Dynamik zur Einschätzung künftiger Gefahren zur Verfügung. So konnte man 1883 auf gerade ein knappes Jahrhundert »erlebter« Fluten zurückblicken (an etlichen Orten noch deutlich weniger), und viele der Daten aus dieser Vergangenheit waren dabei extrem unsicherer Natur. Für die Zeit vor der Besitzergreifung des Ohiotals durch die euroamerikanischen Siedler gab es weder Wasserstandsmarken noch Chroniken, und die Erfahrung sowie das lokale ökologische Wissen der Native Americans wurde zum großen Teil ignoriert.

6.1 Die Flut von 1883 Bei der Flut von 1883 kam nicht nur die Höhe, sondern auch die Geschwindigkeit des Anstiegs überraschend. In der Nacht vom 6. auf den 7. Februar zeigte der Pegel an den Wasserwerken Cincinnatis 48 Fuß und neun Zoll an (14,85 Meter). 15 Ebd. 16 Vance, Great Flood of 1884, 6. 17 Vgl. Alex Johnson, Work of the Associated Charities, in: Cincinnati Chamber of­ Commerce, The Great Flood in the Ohio, Cincinnati, OH, 1884, 134–150 (141). Auch an den Zuflüssen wurden neue Rekordmarken aufgestellt. So berichteten die Shaker in Pleasant Hill, Kentucky, in ihrem Journal of Events über den Kentucky River: »[…] river is full and h ­ igher than ever it was known before by the oldest inhabitants of these regions.« FHS, Shaker Journals, Eintrag vom 11.2.1883, 72. Vance, Great Flood of 1884, 86, notiert über California, Ohio: »When the water advanced to the very threshold of the dwellings last year [1883], many went to bed with the firm conviction that the water was as high as it would get, and were too incredulous to remove the carpets from the floors, or do a thing until all of their household property on the first floors was floating around in three or four feet of water.«

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Abbildung 7: Cincinnati während der Flut von 1884 (mit freundlicher Genehmigung der­ Public Library of Cincinnati & Hamilton County).

Bereits bei diesem noch relativ niedrigen Wasserstand wurden die ersten Häuser im unteren Bereich der Main Street überschwemmt. Die flussnahen Abschnitte von Broadway und Walnut Street drohten als nächste vom Wasser vereinnahmt zu werden. »A rise so rapid was unexpected, and found the people unprepared who occupied premises nearest the river’s edge«, stellte die lokale Handelskammer fest.18 Am Freitag, dem 8. Februar, trafen neue Scheitelwellen vor allem der südlichen Zuflüsse Little Kanawha, Great Kanawha, Guyandotte und Big Sandy River auf den schon beachtlich angestiegenen Hauptstrom. In Cincinnati herrschte noch immer keine große Besorgnis. Allerdings veranlassten die »commercial interests« der Stadt die Handelskammer dazu, Bulletins mit den neuesten Pegelständen zu veröffentlichen, während die Bewohner der bottoms Maßnahmen ergriffen, um sich vor einem Pegelstand wie im Vorjahr, im Februar 1882, zu schützen. Am 9. Februar 1883 stieg der Ohio 18 Vgl. Cincinnati Chamber of Commerce, The Great Flood in the Ohio. February 1883, 103.

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nur noch so langsam an, dass in den ländlichen Gegenden etliche Bauern in dem Glauben, den Scheitelpunkt der Flut hinter sich zu haben, ihr Vieh nicht aus den Ställen beförderten, obwohl das Wasser bereits die Hufe der Tiere erreicht hatte. Einen Tag später kam aus Lawrenceburg in Indiana die Nachricht, dass dort der Deich, noch beeinträchtigt durch das Hochwasser im Vorjahr, gebrochen war.19 In Cincinnati fühlte man sich jedoch immer noch sicher, da der Ohio nur sehr langsam anstieg und dieser Anstieg auch immer wieder durch lange Phasen des Stillstands unterbrochen wurde.20 Um die Mittagszeit des 12. Februar 1883 hatte der Fluss jedoch die Marke des Jahres 1847 überschritten, um elf Uhr nachts fiel dann auch der Rekordwert von 1832. Das Wasser stieg weiter an, bis am Morgen des 15. Februar ein Höchststand von 66 Fuß und vier Zoll (20,22 Meter) erreicht wurde. Um diesen Wasserstand überhaupt noch anzeigen zu können, hatte der Pegel an den Wasserwerken kurzfristig verlängert werden müssen. Erst neun Tage später hatte der Fluss wieder seinen normalen Wasserstand erreicht.21 Cincinnati unterlag, wie viele andere Städte dieser Größe, im späten neunzehnten Jahrhundert gewaltigen und rapiden Veränderungen. Die zunehmende Industrialisierung, technologische Innovationen im Transport- und Kommunikationswesen sowie die anhaltend hohe Zuwanderung hatten das alte Muster der walking city, das gegen Mitte des Jahrhunderts noch vorherrschte, obsolet gemacht und die Stadt in eine immens gewachsene, explosive Metropole verwandelt.22 Bis zur Jahrhundertwende – die Stadt hatte nun über 300.000 Einwohner – hatten der Raumbedarf der Eisenbahnen und Lagerhallen die Einzelhändler und Finanzhäuser fast vollständig aus den bottoms verdrängt und in das höher gelegene Basin um den Fountain Square verschoben. Von den Bewohnern zog, wer es sich leisten konnte, in die Vororte auf den »Hügeln« der Stadt, die nun gut per Straßenbahn zu erreichen waren. Allerdings bedeutete dieser Exodus keine Entvölkerung der unteren Stadtteile. Diese füllten sich »with new­ comers and those who lacked the means to get out – rural whites and Negroes from the South, Germans, Irish, Greeks, Italians, and Jews from eastern Europe. Working at the poorest paying jobs available, they were jammed into the most congested quarters.«23

19 Vgl. ebd., 104. 20 Vgl. ebd. 21 Vgl. Greve, Centennial History of Cincinnati, 994–995; Cincinnati Chamber of Commerce, The Great Flood in the Ohio. February 1883, 109. 22 Vgl. Zane L. Miller, Boss Cox’s Cincinnati. A Study in Urbanization and Politics, ­1880–1914, in: Journal of American History 54 (4/März 1968), 823–838 (824). 23 Ebd., 826–827. Vgl. auch ders., Boss Cox’s Cincinnati. Urban Politics in the Progressive Era, 13.

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Die Topographie der Stadt beeinflusste noch bis weit ins zwanzigste Jahrhundert Standortentscheidungen von Eisenbahnen und Industriebetrieben. »By and large, both were forced to stay in the valleys notwithstanding the flood danger«, stellte der Cincinnati Metropolitan Master Plan 1949 fest.24 Vor allem westlich der Innenstadt, im Tal des Mill Creek, an dessen Ufern »nature and history have joined forces to limit the land suitable for manufacturing in the Cincinnati area«, hatten sich immer mehr Industriebetriebe angesiedelt.25 Wie bereits 1832, so offenbarten die Schadensstatistiken auch jetzt wieder die Arten und Weisen, auf die die floodplain genutzt wurde. 1883 wurden in Cincinnati mehr als 1.500 Geschäfts- und circa 3.700 Privathäuser überschwemmt. Auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses waren in Covington, Kentucky, circa 300 Häuser betroffen, in Newport mehr als 2.100 und in Dayton und Belleview weitere 400.26 In der Queen City stand das Wasser sieben Fuß (über zwei Meter) hoch auf der Second Street zwischen Main und Sycamore, an der Ecke zwischen Broadway und Front Street sogar neun Fuß (2,74 Meter). Zwei Männer starben, als aufgeschüttetes Land beim Depot der Cincinnati Southern Railway in den Ohio rutschte.27 Die New York Times versuchte, ihren Lesern die Dimensionen der Überschwemmung durch einen Vergleich nahezubringen. Man stelle sich vor, die West Side New Yorks sei von der Canal Street bis zur Battery und von der Fifth Avenue bis zum Hudson zwischen zwei und 30 Fuß (0,6 bis 9 Meter) unter Wasser, dann habe man eine ungefähre Vorstellung von der Situation in der Queen City.28 Zum ersten Mal waren in Cincinnati auch die Eisenbahnen und deren Infrastruktur in großem Umfang vom Hochwasser betroffen. Nun zeigten sich die Nachteile des infrastrukturellen Korridors, der verschiedene Leitungsbahnen an den Verlauf natürlicher und künstlicher Wasserwege koppelte. So lagen die Schienenwege, die in das Betriebswerk in der Plum Street führten und die in das Bett des aufgegebenen Whitewater-Kanals verlegt worden waren, elf Fuß (3,35 Meter) unter Wasser. Die Hallen der Cincinnati, Hamilton & Dayton Railroad waren zwar hoch genug gelegen, um direkten Wasserschäden zu ent 24 Cincinnati City Planning Commission, The Cincinnati Metropolitan Master Plan and the Official City Plan of the City of Cincinnati, adopted November 22, 1948. Cincinnati, OH, 1949, 12. 25 Victor Roterus / Scott Keyes / Raymond van Schaack, Future Industrial Land Require­ ments in the Cincinnati Area, in: Annals of the Association of American Geographers 36 (2/Juni 1946), 111–121 (111); Miller, Boss Cox’s Cincinnati. A Study in Urbanization and Politics, 824. Vgl. auch State of Ohio, Scioto Conservancy District, Official Plan for the Control and Management of the Water Resources of the District. Columbus, OH, 1962, 110. 26 Floods in the Ohio, 228. Dieses Dayton in Kentucky ist nicht mit Dayton im Bundesstaat Ohio zu verwecheln, das 1913 durch die Flut des Miami River schwer zerstört wurde. 27 Vgl. Cincinnati Chamber of Commerce, The Great Flood in the Ohio. February 1883, 110–111. 28 The Swollen Ohio, New York Times, 14.2.1883.

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gehen, der Zugang war aber zum Teil  ebenfalls durch überflutete Schienen versperrt.29 Insgesamt waren nur noch zwei Eisenbahnlinien in Betrieb, fast alle Lagerhäuser und Bahnhöfe waren überschwemmt. Neben den Eisenbahnen wurden 1883 in Cincinnati auch etliche Straßenbahnlinien durch die Flut unterbrochen.30 15 der größten Kohlehalden der Stadt standen unter Wasser, so dass auch die Energieversorgung, für private wie für kommerzielle Zwecke, stark beeinträchtigt war.31 Als noch gravierender stellten sich aber die Probleme bei der Versorgung der Stadtbevölkerung mit Wasser und Gas heraus. Cincinnatis erstes Wasserwerk war im Juli des Jahres 1821 in Betrieb genommen worden.32 1824 wurden Pferde und Ochsen, die über Laufbänder (treadmills) die Pumpen antrieben, durch Dampfmaschinen ersetzt. 1839 übernahm die Stadt die Anlage von einer privaten Gesellschaft, bemerkte aber schnell, dass die Pump­ kapazitäten kaum noch ausreichten für die rasant wachsende Bevölkerung. »Vesta«, eine der beiden Pumpen des Wasserwerkes, wurde ausrangiert und Pläne für den Bau einer moderneren Pumpe erstellt. Bis diese in Betrieb genommen werden konnte, musste allerdings die zweite Pumpe »Betsy« die Arbeit alleine verrichten. Diese Arbeitsteilung funktionierte so lange, bis »Betsy« bei einem Hochwasser 1846 beschädigt wurde und ihren Dienst versagte, so dass die gesamte Stadt für eine gewisse Zeit ohne Wasserversorgung auskommen musste. Im März desselben Jahres konnte die neue Pumpe zwar eingeweiht werden, doch schon ein Jahr später, bei der Flut von 1847, waren die Wasserwerke erneut betroffen.33 Der Wasserverbrauch der Stadt stieg von 1,5 Milliarden Litern im Jahr 1838 auf über 6,6 Milliarden Liter im Jahr 1860, der Verbrauch pro Kopf im selben Zeitraum von 91 auf 148 Liter pro Tag. Die Stadt musste nicht nur immer mehr Bürger mit Trink- und Brauchwasser versorgen, diese nutzten auch immer größere Mengen pro Kopf.34 Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts pumpte Cincinnati jeden Tag über 200 Millionen Liter aus dem Fluss.35

29 Vgl. Cincinnati Chamber of Commerce, The Great Flood in the Ohio. February 1883, 110; The Nation (36/920), 15.2.1883. Vgl. auch Sixth Annual Report of the Board of Directors of the Chesapeake and Ohio Railway Company for the Year Ending December 31st, 1883, ProQuest Historical Annual Reports, America’s Corporate Foundation, Ann Arbor, MI, ohne Datum, 8. 30 Vgl. Cincinnati Chamber of Commerce, The Great Flood in the Ohio. February 1883, 106; The Railroads, Cincinnati Commercial Gazette, 13.2.1883. 31 Vgl. Cincinnati Chamber of Commerce, The Great Flood in the Ohio [1883], 106. 32 Vgl. Greve, Centennial History of Cincinnati, 519–520. 33 Vgl. ebd., 666–669. 34 Vgl. ebd., 670. 35 Vgl. Nevin M. Fenneman, Geology of Cincinnati and Vicinity (Geological Survey of Ohio, Fourth Series). Columbus, OH, 1916, 164.

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Vom Anstieg des Wassers waren auch die Pumpen der Wasserwerke betroffen, die ihren Dienst einstellen mussten. Die unmittelbaren Bedürfnisse der Stadt konnten aber durch das noch in den höher gelegenen Speichern gelagerte Wasser befriedigt werden. Die Gaswerke, ebenfalls vom Hochwasser betroffen, mussten allerdings geschlossen werden.36 Mit dem Ausfall der Straßenbeleuchtung griff man auf traditionelle Methoden der Lichterzeugung zurück. Etliche Cincinnatians holten Petroleumlampen und Laternen von den Dachböden und aus den Kellern. Ein Aufruf an die Geschäftsleute der Stadt, Lampen und Kerzen doch auch nachts in den Schaufenstern ihrer Geschäfte brennen zu lassen, um die Straßen zu illuminieren und somit Plünderungen vorzubeugen, scheiterte allerdings an der Knappheit von Brennmaterial.37

Fluthilfe in Cincinnati Alleine in Cincinnati waren über 24.000 Personen, also fast so viele, wie die Stadt bei der letzten großen Flut im Jahr 1832 Einwohner hatte, auf fremde Hilfe und auf die Bereitstellung von Unterkünften sowie die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Kleidung angewiesen.38 Die Verteilung der Hilfsmittel in Cincinnati wurde von den Associated Charities beaufsichtigt, einer Dach­ organisation lokaler Hilfsvereinigungen. Vom 12. Februar bis zum 5. März erhielten 5.260 Familien bzw. 24.111 Personen auf diesem Wege Unterstützung. Über 100.000 Essensrationen wurden ausgegeben, mehr als 2.000 Familien erhielten Kleidung und fast ebenso viele Bettzeug.39 Die Handelskammer und das Common Council der Stadt gründeten zusammen ein Relief Committee mit weitgehenden Vollmachten und entwarfen, als eine der ersten Maßnahmen überhaupt, einen Gesetzesentwurf für die Legislative des Staates Ohio, der die Stadt Cincinnati ermächtigen sollte, 100.000 Dollar für die Flutopfer auszugeben. Das Gesetz wurde schnell verabschiedet, und bereits am 16. Februar wurde dem Ausschuss die Hälfte der Summe zur Verfügung gestellt. Die Spenden aus privaten Quellen erwiesen sich aber als so groß, dass das Komitee am 5. März 1883 die gesamte Summe wieder zurück 36 Vgl. Cincinnati Chamber of Commerce, The Great Flood in the Ohio. February 1883, 106; Greve, Centennial History of Cincinnati, 994. Vgl. auch Glazer, Cincinnati in 1840, 38; George Henry Benzenberg, Report on the Board of Trustees, »commissioners of waterworks« of Cincinnati, Ohio. Cincinnati, OH, 1909; Floods in the Ohio, 228. 37 Cincinnati Chamber of Commerce, The Great Flood in the Ohio. February 1883, 110. 38 Vgl. Cincinnati Chamber of Commerce, The Great Flood in the Ohio. February 1883, 106. 39 Floods in the Ohio, 228. Für die Auswirkungen der Flut in Indiana vgl. Indianapolis Board of Trade, Report of Committee for the Relief of the Ohio River Flood Sufferers, 1883. Indianapolis, IN, 1883.

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geben konnte.40 Eine Ursache hierfür lag sicherlich in dem Spendenaufruf, den das Komitee schon am Tag nach seiner Gründung durch eine Anzeige in lokalen Zeitungen bekannt gemacht hatte: To the Citizens of Cincinnati: A great calamity is upon us, and unless all come forward promptly and assist there will be untold suffering. There are thousands of families in our city homeless and hungry. The Committee of the Chamber of Commerce and City Council are doing all they can, but they beg of you, each and all, to send in your contributions. Provisions, clothing and money will be gladly received at the headquarters, No. 90 West Third Street.41

Gelder kamen nicht nur aus der Stadt selbst, sondern aus allen Teilen Ohios und den gesamten Vereinigten Staaten. So spendeten die Einwohner von Middletown und Athens in Ohio ebenso freigiebig (zusammen 1.156,90 Dollar) wie ein eigens gegründetes Relief Committee in New York (3.000 Dollar). Vereine wie die German Singing Society in Mansfield öffneten ihre Taschen genau so wie etliche Unternehmen, zum Beispiel die Bear Creek Refining Company in Pittsburgh (100 Dollar) oder die Buffalo Grape Sugar Company (200 Dollar). Einige Städte entsandten oder beauftragten sogar eigene Agenten, um die zweckgerechte Verwendung der Spendenmittel vor Ort zu gewährleisten. Auf diese Weise konnte Philadelphia 15.000 und New York sogar knapp 52.000 Dollar im Ohio Valley verteilen.42 Gelder flossen auch über den Atlantik. Aus Deutschland kamen Spenden unter anderen von der Transatlantic Insurance Company of Germany und der Hamburg Bremen Insurance Company (beide 2.500 Dollar).43 Das Komitee beschloss jedoch, alle Spendengelder, die nicht direkt aus Cincinnati stammten, auch nicht für Aktivitäten in der Stadt zu verwenden. Auf diese Weise wurde die stark von der Flut getroffene Stadt sogar zum Nettoexporteur von Spenden und konnte den Städten und Gemeinden in der Umgebung mehr als 42.000 Dollar zur Verfügung stellen.44 Im Unterschied zur Flut von 1832 war die Hilfsarbeit 1883 funktional schon viel weiter aufgefächert. Mehrere Unterausschüsse kümmerten sich zum Beispiel um die Anlegung von Depots nahe den überschwemmten Gebieten, um die Requirierung von Decken, Betten, Stiefeln, Schuhen und Kleidung, um die Einrichtung von Suppenküchen und auch um kulturelle Veranstaltungen, die 40 Vgl. das Sitzungsprotokoll der Handelskammer vom 6.2.1884, CHS, Records of the Cincinnati Chamber of Commerce, 1839–1917, Bd.3; Report of the Relief Committee [1883], in: Cincinnati Chamber of Commerce, The Great Flood in the Ohio. February 1883, 5–16 (8). Vgl. auch Cincinnati Commercial Gazette, 15.2.1883. 41 Zitiert nach Report of the Relief Committee [1883], 12 (Hervorhebung im Original). 42 Vgl. Cincinnati Chamber of Commerce, The Great Flood in the Ohio. February 1883, 107. 43 Vgl. Treasurer’s Report, in: Cincinnati Chamber of Commerce, The Great Flood in the Ohio, 72–73. 44 Zitiert nach Report of the Relief Committee [1883], 12–13.

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Einnahmen für den »relief fund« abwerfen sollten.45 Die Telegrafengesellschaften versandten die Mitteilungen des Relief Committee, ohne dafür Gebühren zu verlangen. Die Cincinnati and Suburban Telegraph Association stellte dem Ausschuss ein Telefon zur Verfügung.46 Nicht nur die Einwerbung von Spendenmitteln, auch der Erwerb und die Verteilung der Hilfsgüter erforderten logistische Anstrengungen. In den ersten zehn Tagen der Flut wurden unter anderem 18.460 Decken, 6.850 Paar Schuhe, 2.940 Paar Socken, 35.000 Scheffel Kohle, 70.500 Brote, 46.900 Pfund gekochter Schinken, 4.060 Pfund corned beef in Dosen, 8.820 Pfund Zucker, 6.540 Pfund Reis, 2.625 Pfund Käse und 71 Waggonladungen Kleidung ausgeteilt.47 Die Lebensmittel wurden in extra eingerichteten »soup houses« nahe den Überschwemmungsgebieten ausgegeben. Bereits am 13. Februar wurde die erste Suppenküche im Lower Market House in der Pearl Street errichtet, die bis zum Rückgang der Flut jeden Tag von neun Uhr morgens bis sechs Uhr abends zwischen 1.500 und 2.500 Personen versorgte. Ausgegeben wurden Brot, Kaffee, Suppe, Fleisch und Kekse. Gleichzeitig wurde auch Essen an Familien, die nicht in der Lage waren, die Suppenküchen zu erreichen, mit Booten ausgeliefert. Am 14. Februar wurde eine weitere Küche auf der Third Street, westlich der Central Avenue errichtet. Federführend waren hier Mitglieder der Relief Union, der Sisters of Mercy und der Church of the Atonement. Unterstützung bekamen die Hilfsorganisationen auch von Unternehmen wie den Brauereien Herman Lack­ man & Co. in Cincinnati und Weyand, Jung & Hellman’s in Dayton, Kentucky, die ihre Firmengebäude für die Errichtung von Verpflegungsstellen ebenso öffneten wie eine Polizeistation in Fulton und die Bradford Mill westlich des Mill Creek. In allen Verpflegungsstellen, so stellte George W. Jones fest, seien die Flutopfer gleich behandelt worden, »without distinction as to color or nationality.«48 Ob diese positive Einschätzung allerdings den Tatsachen entsprach, darf aufgrund der langen Geschichte rassistischer Praktiken in Cincinnnati bezweifelt werden. Auch spätere Fluten, bei denen African Americans alles andere als gleich behandelt wurden, deuten darauf hin, dass Jones’ Aussage eher Verdrängungsprozesse als die Wirklichkeit widerspiegelte. Wie schon 1832 und 1847 wurden auch jetzt wieder Vorkehrungen »for the security of the public« getroffen. Besondere Sorge bereitete dabei die Tatsache, dass mit der Überschwemmung der Gaswerke auch die Straßenbeleuchtung ausgefallen war. Die Sicherheitskräfte der Stadt wurden daher auf Bitte des Bürgermeisters durch das Erste Regiment der Ohio National Guard verstärkt, wo 45 Vgl. ebd., 10. 46 Vgl. Cincinnati Chamber of Commerce, The Great Flood in the Ohio. February 1883, 108. 47 Vgl. Report of the Relief Committee [1883], 15. 48 Vgl. George W. Jones, Feeding the Hungry, in: Cincinnati Chamber of Commerce, The Great Flood in the Ohio [1883], 96–98, hier 97.

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für bis zu 1.000 Dollar pro Nacht aufgebracht werden mussten. Die Truppen patroullierten daraufhin unter der Leitung des lokalen Polizeichefs jede Nacht durch die Straßen der Stadt.49 Zur Unterbringung der Flüchtlinge schloss das Relief Committee 17 Schulen und stellte diese als Notunterkünfte zur Verfügung, was unter anderem zur Folge hatte, dass etliche Schüler am 22. Februar nicht, wie üblich, an den Feierlichkeiten zu George Washingtons Geburtstag teilnehmen konnten, da ihre Schulen entweder selbst von der Flut betroffen waren oder eben Flüchtlinge aufnehmen mussten.50 Ein Angebot von Bishop Elder, auch alle katholischen Kirchen in der Diözese für solche Zwecke zu nutzen, wurde mit dem Hinweis auf ausreichenden Platz in den zur Verfügung stehenden Schulen abgelehnt.51 Mit der Beeinträchtigung oder vollständigen Unterbindung der normalen Transport- und Kommunikationswege Straße und Schiene wurde der Verkehr auf dem Wasser überlebenswichtig. Insbesondere die Requirierung von Boo­ elief­ ten war von großer Bedeutung. So verwundert es auch nicht, dass das R Committee in Cincinnati einen »Admiral of the Relief Boat Fleet« ernannte. Nachdem W. P. Walker seinen Posten angetreten und sein Hauptquartier in der Vine Street eingerichtet hatte, beschaffte er insgesamt elf große Ruderboote, darunter etliche Beiboote der im Hafen liegenden Dampfschiffe. Die Mannschaften, insgesamt 33 Ruderleute und 12 Offiziere, rekrutierten sich aus den Besatzungen der in Cincinnati liegenden Schiffe, aus Freiwilligen und aus Mitgliedern des Cincinnati Boat Club, wobei großer Wert darauf gelegt wurde, nur solche Männer auszuwählen, die allem Anschein nach den physischen Belastungen auch gewachsen waren. Der »Schiffsverkehr« war so groß, dass, anders als 1832, regelrecht Verkehrsregeln aufgestellt werden mussten. Ab dem 13. Februar durften Fähren und andere Boote die Vine Street nicht mehr befahren, um diesen Zugangsweg für die »relief boats« frei zu halten. Jedem Boot wurde ein bestimmter überschwemmter Bezirk der Stadt zugeteilt; morgens wurden Nahrungsmittel und Kleidung ausgeliefert, nachmittags Kohle. Die Kapitäne waren auch angehalten, in die abgelegensten und unzugänglichsten Teile der Stadt zu navigieren und alle Einwohner, die dies verlangten, aus den Überschwemmungsgebieten heraus zu transportieren. Diese Maßnahme sollte nicht nur dazu dienen, Erpressungsversuchen bzw. weit überhöhten Tarifen von »outside parties« für die Beförderung aus den Überschwemmungsgebieten zu begegnen.52 Die Boote wurden 49 Vgl. Report of the Relief Committee [1883], 10 f. 50 Vgl. Common Schools of Cincinnati, Fifty-Fifth Annual Report for the School Year Ending August 31, 1884. Cincinnati, OH, 1884, 64. 51 Vgl. Report of the Relief Committee [1883], 9. 52 Vgl. W. P. Walker, The Boat Fleet, in: Cincinnati Chamber of Commerce, The Great Flood in the Ohio [1884], 99–101. Für »exorbitant rates« in Wheeling, WV, vgl. Vance, Great Flood of 1884, 15.

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auch eingesetzt, um einen shuttle service zwischen den Depots und den im Wasser liegenden Auffahrten der drei Brücken über den Ohio einzurichten und so die Kommunikation mit den Städten am gegenüberliegenden Ufer in Kentucky aufrechtzuerhalten.53 Ab dem 15. Februar sank der Pegel des Ohio wieder, was die Lage in Cin­ cinnati aber nur zum Teil entschärfte. Selbst, wenn kein Wasser mehr in den Häusern stand, dauerte es noch mehrere Tage, bis die Gebäude wieder getrocknet waren, und selbst dann war eine Rückkehr der Bewohner noch mit gesundheitlichen Risiken verbunden. Trotz der offensichtlichen Gefahren verließen viele Flutflüchtlinge die Schulen, Kirchen und anderen Einrichtungen, die sie aufgenommen hatten, sobald ihre Häuser nicht mehr überschwemmt waren, und kehrten in ihre feuchten Wohnungen zurück. Neben diesen krankheitsfördernden Umständen bestand ein weiteres Problem nach der Flut darin, dass viele Menschen das bisschen Mobiliar und die wenigen Haushaltsgegenstände, welche sie vor der Katastrophe besessen hatten, nun verloren. Auch hier war Unterstützung notwendig, »to ›put them in the right shape‹«, wie ein Mitglied des Relief Committee anmerkte. Andere wiederum waren zu zurückhaltend oder zu stolz, um Hilfe in Anspruch zu nehmen, »and these must be searched for and relieved. Some of the members of the Committee regarded this class as the most deserving.«54 Mit dem Board of Public Works wurde eine Vereinbarung getroffen, derzufolge alle »deserving poor men« für einen Lohn von 1,35 Dollar pro Tag »employment on the streets« erhalten sollten.55

6.2 Die Flut von 1884 Dass der Ohio nur ein Jahr nach der Rekordflut von 1883 erneut und vor allem noch weiter über seine Ufer trat, kam für viele Zeitgenossen überraschend. So schrieb das Masonic Flood Committee in Cincinnati nach der Flut von 1884 an seine Spender: »The Masons of Cincinnati little thought when sending you their report of labors during the flood of 1883, that they would supplement it with this account of their trusteeship of your charity in 1884«.56 Am 5. Februar erreichte 53 Vgl. Cincinnati Chamber of Commerce, The Great Flood in the Ohio. February 1883, 109. Für eine Beschreibung derselben Situation ein Jahr später vgl. Cincinnati Enquirer, 15.2.1884. 54 Vgl. Cincinnati Chamber of Commerce, The Great Flood in the Ohio. February 1883, 110. 55 Vgl. ebd. 56 Masonic Flood Committee of Cincinnati, Report of their Labors During the Flood of 1884. Cincinnati, OH, 1884, 3. Vgl. für die Überschwemmungen in Vermont 1927 Clifford / Clifford, The Troubled Roar of the Waters, 22: »Waterbury’s story was the familiar one: A lovely Indian summer Wednesday; by Thursday the rain pouring down, and the river threatening, for Waterbury’s mile-long main street, shaded in summer by trees, lies on flat

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das Wasser bereits die Bürgersteige der Second Street. Im Millcreek Valley wurden nun Tausende Tiere in die stockyards gebracht.57 An den unteren, bereits überfluteten Abschnitten aller zum Fluss hinab verlaufenden Straßen waren Ruderboote, Jollen und Flöße zu sehen, die dazu benutzt wurden, das Hab und Gut vorwiegend armer Bewohner vor dem Hochwasser zu retten. Mit Pferdewagen wurde das bewegliche Gut aus den Fabriken geschafft. »[T]he great city, with its 260,000 inhabitants, was in fighting trim to save life if it could not save property«, notierte John Vance.58 Bei der Überschwemmung im Februar 1884 profitierten die Einwohner sowie die lokalen Behörden allerdings von den Erfahrungen des Vorjahres.59 Wieder organisierten die Handelskammer und das Common Council ein Relief Com­ mittee, wieder wurden mehrere Unterausschüsse gebildet (insgesamt acht), und wieder wurde in Kooperation mit den Associated Charities die konkrete Hilfsarbeit organisiert. Wie schon 1883 wurde auch jetzt das Staatenparlament von Ohio gebeten, über den city comptroller dem Hilfskomitee 100.000 Dollar zur Verfügung zu stellen (die Hälfte wurde tatsächlich gewährt), und erneut patrouillierte die Nationalgarde durch die dunklen Straßen.60 Die »Flotte« aus Ruderbooten wurde im Vergleich zum Vorjahr noch aufgestockt. Nun standen dem Relief Committee 22 Boote, 46 Ruderer und 19 Offiziere zur Verfügung.61 Ein Mitglied des Hilfskomitees stellte fest, dass »[t]he experience ­gained ­during last year’s flood, enabled us to answer all demands, and distribute food, ­clothing, and fuel to much better advantage, and our efforts to slight ground near the river. ›You know, the water always rises like that up there, every spring and fall, seems as though, ‹ Minnie Nelson wrote to her sister two weeks later, ›so that’s what we thought it was‹.« 57 Vgl. Vance, Great Flood of 1884, 7. 58 Ebd., 10. Aus Marietta, Ohio, schrieb W. F. Curtis an Don Carlos Buell in Louisville, Kentucky, am 23.2.1884: »Dear Buell […] you have heard of the flood in the Ohio, but no words can convey to you the reality! Your old home is a fair representation of thousands of others. The water was on the second floor (how deep I do not know) fences, barn, coal house, sheds, out building all removed, the side walls all torn up, all the other houses in the lower parts of town in the same condition, […] many persons are entirely ruined pecuniarily.« FHS, Don Carlos Buell Papers. 59 Für Illustrationen der Überschwemmungen von 1883 und 1884 vgl. die Fotosammlungen Manheimer & Co., Scenes of the Great Flood in the Ohio, February 1883. Cincinnati, OH, 1883; Views of Points on the Ohio River during the Flood of 1884 sowie die Zeichnung View of the Great Ohio River Flood at Cincinnati, Ohio. 1884; beide IRL. Vgl. auch die Kompilation mit Fotografien von Frank Y. Grayson, einem langjährigen Mitarbeiter des Cincinnati Enquirer: Theodore Ashmead Langstroth (Hg.), This was the World of Frank Y. Grayson. Cincinnati, OH, 1966. 60 Vgl. Cincinnati Chamber of Commerce, Report of the Relief Committee of the Cincinnati Chamber of Commerce and Common Council of Cincinnati. Flood of 1884. Cincinnati, OH, 1884, 5–12. 61 Vgl. Walker, The Boat Fleet, 126.

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none of our many old friends of 1883 were, I am happy to say, very successful«.62 Auch die Associated Charities sahen sich 1884 »in much better organization, as a whole, than at the same time last year«,63 und die business interests zeigten sich ebenfalls besser gewappnet, der noch größeren Herausforderung 1884 zu begegnen. Sydney D. Maxwell, Superintendent der Handelskammer Cincinnatis und der Merchants’ Exchange bilanzierte in seinem Bericht: In the flood of 1883, the spirits of all were greatly depressed. With houses invaded and business suspended, dealers and producers alike were gloomy, and disposed to look upon the darkest side of the picture. Every thing appeared to be calamitous. There seemed no sunlight to break through the clouds which settled down upon the business mind. In the late flood [of 1884], the situation was completely changed. Profiting by their previous experience, and admonished by the combination of circumstances favorable to high waters, the holders of merchandise at exposed points took early precaution to remove their goods to the upper stories of their buildings, or other places of safety, so that, by the time the water passed Front Street in its march of invasion, which occurred on the 6th of the month, it found only deserted stores. Manufacturers in the district liable to inundation generally shut down on the preceding day.64

Während die Katastrophensequenz den »business interests« offensichtlich die Gelegenheit bot, aus der ersten Flut zu lernen und adäquate Vorbereitungen zu treffen, die sich nur ein Jahr später bereits auszahlen sollten, markierte die Flut von 1884 für viele Arbeiter und Farmer einfach nur den zweiten harten Schlag innerhalb eines Jahres. Über California, Ohio, am östlichen Rand Cincinnatis, hielt John Vance fest: Some of the farmers of that section till rented ground, and have lost two successive crops. Nine-tenths of the people suffered so severely that many utterly despaired of ever attempting to get a foothold again, and, in fact, this is true of every inundated district the length of the river.65

Am anderen Ende der Stadt, in den Mill Creek bottoms, war die Versorgung mit Kohle so schlecht, dass einige Bewohner dort sogar ihre Türen und Fensterläden verfeuerten. Im East End suchten etliche Personen Zuflucht in Eisenbahnwaggons.66 Deutlich größer als im Jahr zuvor war zudem das Misstrauen, das sich in der Berichterstattung des Hilfskomitees widerspiegelt, und das vor allem die stark gewachsenen sozialen Effekte der Überschwemmungen zum Gegenstand hatte. Unter normalen Umständen, so betonte das Relief Committee, sei die Heraus 62 Ebd. 63 Johnson, Work of the Associated Charities, 134. 64 Sydney D. Maxwell, The Flood in its Relation to Business, in: Cincinnati Chamber of Commerce, Report of the Relief Committee [1884], 184–192 (184). 65 Vance, Great Flood of 1884, 88. 66 Cincinnati Enquirer, 15.2.1884.

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Abbildung 8: »Relief Boats« in Cincinnatis West End Distrikt 1884 (mit freundlicher Genehmigung der Public Library of Cincinnati & Hamilton County).

Abbildung 9: »Schiffsverkehr« auf dem Ohio in Portsmouth, OH, 1884 (mit freundlicher Genehmigung der Public Library of Cincinnati & Hamilton County).

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gabe von Essen ohne Prüfung der Bedürftigkeit nicht angezeigt. In diesem Fall war der Ausschuss allerdings der Ansicht, dass genau diese Maßnahme, die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Unterkünften für die »many unruly and vicious persons whom the general disturbance of the business of the city precipitated upon the relief authorities« den sozialen Frieden in der Stadt erhalten habe. Das Ergebnis zeige, dass die »unfortunate classes, from whom danger was apprehended, when fully fed and comfortably housed, had the same indisposition to disorder as they had to labor and self-helpful manliness«, wie das Relief Committee umständlich formulierte.67 Die Wohlfahrtsaktivitäten waren somit, zumindest aus Sicht der Handelskammer, kein rein altruistischer Akt, sondern sollten auch verhindern, dass das natürliche Extremereignis zu einem sozialen und politischem Desaster wurde.68 Auch die Zwangsräumungen vom Einsturz bedrohter Häuser verliefen nicht ohne Probleme, da etliche Bewohner sich aus gut nachvollziehbaren Gründen weigerten, ihre Wohnungen aufzugeben. Mit Überzeugungskraft und »some exercise of authority« wurde die Maßnahme letztlich durchgesetzt.69 Nachdem das Wasser zurückgegangen war, wurden über 100 Gebäude als unsicher deklariert. Erstaunlicherweise kam es während der Flut aber nur in einem Fall zu dem Verlust von Menschenleben, als ein Haus in der East Front Street einstürzte und mehrere Menschen unter sich begrub.70 In Wheeling, West Virginia, waren et­liche Häuser direkt eingerissen worden, um einen Zusammensturz nach der Flut zu verhindern.71 Trotz aller Vorkehrungen mussten 1884 aber im Unterschied zum Vorjahr weit mehr Menschen mit Nahrungsmitteln versorgt werden, nachdem das Wasser bereits zurückgegangen war. Dies lag zum großen Teil an der hohen Zahl 67 Cincinnati Chamber of Commerce, Report of the Relief Committee [1884], 13. Schon ein Jahr zuvor, am 13.2.1883, hatte die Cincinnati Commercial Gazette über die Mitglieder der Relief Union geschrieben: »They are experts in detecting fraudulent and unworthy applicants.« Vgl. auch Masonic Flood Committee of Cincinnati, Report of their Labors During the Flood of 1884, 5: »In Cincinnati the Committee were permitted to do great good, although the number of applicants was much smaller than last year. This was due to the very thorough manner in which the Associated Charities of this city accomplished their work and afforded relief to all who had suffered from the flood.« 68 Dass solche Befürchtungen nicht ohne Grund waren, und dass Konflikte in Cincin­ nati politische und soziale Sprengkraft haben konnten, zeigte sich wenige Wochen später, im März 1884, beim courthouse riot. Bei den Unruhen protestierten über 10.000 Menschen gegen die Korruption im Justizsystem der Stadt. Bei diesen Ausschreitungen, die in der Stürmung und im Brand des Gerichtsgebäudes gipfelten, kamen insgesamt 56 Menschen ums Leben, mehr als 300 wurden verletzt. Vgl. Stradling, Cincinnati, 68; Miller, Boss Cox’s Cincinnati. A Study in Urbanization and Politics, 827. 69 Cincinnati Chamber of Commerce, Report of the Relief Committee [1884], 13–14. 70 Vgl. Thomas J. Stephens / Benjamin Eggleston / Michael Ryan, Military and Police, in: Cincinnati Chamber of Commerce, Report of the Relief Committee [1884], 121–123, hier 122. 71 Vgl. Vance, Great Flood of 1884, 14.

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zerstörter und beschädigter Häuser. Das Relief Committee wie auch die Asso­ ciated Charities halfen beim Wiederaufbau, den Reparaturarbeiten und beim »replacement«. Letzteres gestaltete sich oft schwierig, weil Holzhäuser, Hütten, Schuppen und »outhouses« durch das Wasser oft »considerable distances« vom Ursprungsplatz weggetragen worden waren. Allein im East End Cincinnatis wurden 131 »dwellings« wieder auf ihre alten Fundamente gestellt, oft jedoch erst nach beträchtlichen Reparaturen.72

Spenden Alles andere als befriedigend verliefen dieses Mal zunächst auch die Spendensammlungen. Im Gegensatz zu der Flut von 1883 war das Spendenaufkommen ein Jahr später äußerst dürftig. Als in den ersten Tagen der Flut nur 5.000 Dollar einliefen,73 sah sich das Hilfskomitee am 10. Februar genötigt, einen neuen Aufruf an die Bürger Cincinnatis zu veröffentlichen: To the People of Cincinnati: – In order to correct a misapprehension that seems to exist in the public mind as to the suffering occasioned by the flood, the Relief Committee feels compelled to state that the demands upon it for the relief of distress are fully as great as they were during the flood of last year. Profiting by the experience of the past, it is believed that a better system now prevails in the distribution of all supplies, and it is confidently expected that the suffering will be relieved at a less cost than last year. Still the demands upon the relief funds are many and constant. […] The subscriptions of money so far have been much less than last year, and the contributions of food, clothing, and other supplies have been insignificant.74

Das Problem bestand weniger darin, dass kein Geld vorhanden gewesen wäre – schließlich hatte die Legislative des Staates Ohio der Stadt Cincinnati einen Kredit in der Höhe von 50.000 Dollar in Aussicht gestellt. Auch aus Washington flossen Gelder. Am 11. Februar 1884 hatte der US-Kongress, nach »appeals« der Staaten Ohio, Kentucky und West Virginia, 300.000 Dollar für die Flutopfer am Ohio bewilligt. Nur vier Tage später, nachdem klar geworden war, dass die ursprünglichen Bewilligungen nicht ausreichen würden, wurden noch ein-

72 Vgl. Johnson, Work of the Associated Charities, 144. 73 Vgl. das Sitzungsprotokoll der Handelskammer von Cincinnati vom 11.3.1884, CHS, Records of the Cincinnati Chamber of Commerce, 1839–1917. Zum Vergleich: Nach der Johnstown Flood 1889 hatte ein Hilfskomitee in Pittsburgh innerhalb von 24 Stunden 48.000 Dollar organisiert. Insgesamt kamen bei diesem national wahrgenommenen Ereignis drei Millionen Dollar zusammen; vgl. Michael R. McGough, The 1889 Flood in Johnstown, Pennsylvania. Gettysburg, PA, 2002, 86, 89–93. 74 Cincinnati Chamber of Commerce, Report of the Relief Committee [1884], 14.

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mal 200.000 Dollar bewilligt.75 Die Handelskammer und das Common Council zogen aber einen gewissen Stolz daraus, dass die aus solchen Ereignissen resultierenden finanziellen Belastungen in der Vergangenheit immer durch private Spenden und ohne Rückgriff auf öffentliche Gelder bewältigt worden waren. Nach dem Appell des Relief Committee flossen die Spendengelder zwar noch üppiger als im Vorjahr. So ergab allein ein Benefizkonzert des College of Music mit Sängern des Opera Festivals über 6.000 Dollar.76 Dennoch musste dieses Mal auf staatliche Hilfe zurückgegriffen werden.77 Zur Begründung hieß es später: »The unexampled rise in the river entailed such wide-spread distress among the poor of the city, that the demands for relief exceeded the ability of the Committee to supply from the fund provided by the voluntary contributions of our citizens«.78 Die Stadt Cincinnati stellte dem Komitee daraufhin 25.000 Dollar aus dem Kredit des Staates Ohio zur Verfügung, von denen circa 20.000 Dollar auch verwendet wurden.79 Auch von der Ohio State Relief Commission, einer vom­ Gouverneur des Staates eingesetzten Kommission, die die vom Parlament bewilligten Gelder verwalten sollte, wurden 10.000 Dollar für die Verwendung in Cincinnati angenommen.80 Die Flut des Jahres 1884 stellte somit für Cincinnati auch insofern etwas Neues dar, als die lokalen Bewältigungskapazitäten zum ersten Mal nicht mehr ausreichten, so dass die Stadt auch auf Mittel zurückgreifen musste, die ihren Ursprung jenseits der Stadtgrenzen hatten. Insgesamt stand dem Komitee die gewaltige Summe von 194.431,34 Dollar zur Verfügung, ein Betrag, der zu fast gleichen Teilen aus der Stadt selbst und von auswärtigen Quellen kam.81 75 Clara Barton, The Red Cross. A History of this Remarkable International Movement in the Interest of Humanity. Albany, NY, 1898, 125–26; Robert P. M. Ames, Official Report of the Relief Furnished to the Ohio River Flood Sufferers, Evansville, Ind. to Cairo Ills., With the Two Trips of the U. S. Relief Boat Carrie Caldwell. Evansville, IN, 1884, 25–26. 76 Vgl. Cincinnati Chamber of Commerce, Report of the Relief Committee [1884], 15. 77 1883 betrug die Summe der Gelder, die nicht aus Cincinnati kamen, 42.133,84 Dollar; 1884 waren es 97.751,22 Dollar. Zahlen für die Spenden aus Cincinnati im Jahr 1883 nannte das Komitee erstaunlicherweise nicht, 1884 kamen »from local sources« 96.680,12 Dollar. Vgl. ebd., 14 f.; Treasurer’s Report, in: Cincinnati Chamber of Commerce, The Great Flood in the Ohio [1884], 25–102 (25). 78 Cincinnati Chamber of Commerce, Report of the Relief Committee [1884], 21. 79 Vgl. ebd. 80 Vgl. ebd.. 81 Vgl. ebd., 17 f., 25. Dennoch war die Stadt stolz auf die Solidarität innerhalb der Stadtgrenzen. Der Cincinnati Enquirer formulierte es am 15.2.1884 in blumigen Worten so: »Herself a sufferer in no small degree from the ravages of this mighty overflow, she [Cincinnati] nobly declines all proffers of aid from without in favor of places where the suffering is greater in proportion, while all her citizens, from careless youth to tottering age, come forward with their offerings upon the altar of sacred Charity. Here the working man places his dime beside the dollar of the millionaire, and both work side by side, shoulder to shoulder, in the labor of love, giving everything, expecting nothing, but all uniting their best efforts in answering the wail of suffering humanity.«

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Im Kleinen zeigte sich dieselbe Spendenstruktur bei den Aktivitäten des­ Masonic Flood Committee of Cincinnati wie bei dem Hilfskomitee der Stadt. »Masonic Bodies« aus den ganzen USA spendeten knapp 14.000 Dollar, wobei die Gelder, die von außerhalb Cincinnatis kamen, die eigenen (1.630 Dollar) weit überstiegen. Alleine aus Kalifornien kamen 1.000 Dollar. Doch auch die Freimaurer entschieden sich dafür, to use only the money contributed by Cincinnati bodies for relief in the city, thus leaving all the donations from other points for the relief of suffering throughout the Valley. […] On all hands we have found a disposition not to take a dollar from outside sources while the ability remained to exemplify the saying that ›charity begins at home‹.82

Soziale Aspekte der Flut von 1884 Schon lange, bevor der Ohio über die Ufer trat, hatten die Vorbereitungen in den flussnahen Bezirken der insgesamt 12 »districts« der Associated Charities begonnen. Die »superintendents« dieser Bezirke begannen damit, mehrere ihrer »poor clients« zur Evakuierung des prospektiven Überschwemmungsgebietes zu veranlassen. Wie vulnerabel diese Menschen gegenüber einer großen Flut des Ohio waren, zeigte sich daran, dass die Associated Charities vielen Personen und Familien Gelder für Mietzahlungen vorstreckten und für die Umzugs­kosten aufkamen.83 Anders ausgedrückt: diese Menschen konnten sich, selbst wenn das Wissen um die bevorstehende Gefahr vorhanden war, ein vorausschauendes Risikomanagement gar nicht leisten. Auch viele Familien, die nicht unmittelbar vom Hochwasser betroffen waren, waren auf Unterstützung angewiesen. So erhielten Arbeiter von Unternehmen, die wegen der Flut zeitweilig schließen mussten, für diese Zeit auch keinen Lohn mehr. »These largely swelled the number of applicants, and it has taken much time and labor since then to settle the work of the district down to its usual level«.84 1883 und noch stärker 1884 zeigten sich auch die immer größeren räumlichen Effekte von Überschwemmungen. Konnten Evakuierung und Aufnahme der temporären Flüchtlinge bei den Fluten 1832 und auch 1847 zum großen Teil noch durch Nachbarschaftshilfe bewältigt werden, so war dies bei 82 Masonic Flood Committee of Cincinnati, Report of their Labors During the Flood of 1884, 4–5. 83 Vgl. Johnson, Work of the Associated Charities, 134. 84 Vgl. ebd., 139. Der Song »The Great Ohio Flood«, der kurz nach der Flut von M. J. Murphy geschrieben wurde (Das Sheet wurde gedruckt von Brainard’s Sons, Cleveland, OH, 1884) fasst diese Thematik so zusammen: »We were destitute and sad when our homes were swept away / And our workmen had no way to gain their bread … / For the mills, and fact’ries too, had no work for men to do / While the flood its angry waters swiftly spread …«

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der Doppelflut in den 1880er Jahren nicht mehr möglich. Nun waren auch diejenigen Bezirke stark von den Auswirkungen der Überschwemmung betroffen, die hoch und sicher lagen. Zu Hunderten strömten die Bewohner der bottoms in die höher gelegenen Stadtteile und mussten dort versorgt, ernährt, bekleidet und untergebracht werden.85 Die lokale Hilfsarbeit der Associated Charities war alles andere als chaotisch, sondern in einem erstaunlichen Maße durchorganisiert und rationalisiert. Die Ausgabe der Hilfsmittel erfolgte dezentral in den einzelnen Verwaltungseinheiten. Bewerber bzw. Antragsteller (»applicants«), so die offizielle Bezeichnung für Hilfesuchende, mussten sich in dem Bezirk melden, in dem sie auch wohnten. Dass die Grenzen dieser Distrikte nicht mit denen der Stadtteile übereinstimmten, führte allerdings zu praktischen Problemen und zu Verstimmung unter den Flutopfern. Die Vereinigten Wohlfahrtsorganisationen begegneten diesem Problem, indem sie die Grenzen ihrer Bezirke und die Adressen der jeweiligen Anlaufstellen durch Flugblätter und andere Medien bekannt machten.86 In den district offices wurden »direction cards« angelegt, auf denen, »very legibly printed«, die Adresse der Antragsteller und die Menge der ausgegebenen Güter fest gehalten wurde. Im Hughes High School Bezirk der Associated Charities war nach der Flut 1883 ein Straßen- und Adressverzeichnis angelegt worden, das die Überprüfung des Wohnortes der Antragsteller nun erheblich erleichterte.87 Durch diese verbesserte »Lesbarkeit« der Flutopfer sollte sicher gestellt werden, dass niemand, der einen berechtigten Anspruch hatte, von den Hilfsmaßnahmen ausgeschlossen wurde. Gleichzeitig sollte durch diese Karteikarten Missbrauch vorgebeugt werden.88 Die Aufzeichnungsbemühungen der Associated Charities scheinen dabei über die Jahre hinweg gigantische Züge angenommen zu haben. 1907, als das Hilfskomitee der Stadt bei einer erneuten Flut sicherstellen wollte, dass »dead ­ ssociated beats« keine Unterstützung erhielten, bot C. M. Hubbard von den A Charities seine Hilfe an: »We have our district agents, and we have a record of nearly forty thousand people that we have investigated, and if this committee desires, they can have the use of this record and the services of our district agents«.89 Im Dritten Distrikt (Mount Adams) waren 839 Familien registriert, die Hilfe erhielten, im Central River Distrikt 1.137, im York Street Distrikt 417. Insgesamt versorgten die Associated Charities 6.374 Familien bzw. 34.310 Per 85 Vgl. Johnson, Work of the Associated Charities, 134, 139. 86 Vgl. ebd., 134. Erst nach der Flut wurden zunächst die Grenzen der Verwaltungsbezirke so abgeändert, dass diese besser mit denen der Stadt harmonierten. 87 Vgl. ebd., 145. 88 Vgl. ebd., 134. Zur »Lesbarkeit« von Bevölkerungen aus Sicht des Staates vgl. vor allem Scott, Seeing Like a State. 89 Report of Cincinnati Flood Relief Committee, January and March 1907. Cincinnati, OH, 1907, 53.

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sonen. In Newport, Kentucky, auf der gegenüberliegenden Seite des Ohio, waren 18.000 der 25.000 Einwohner temporär obdachlos.90 Ähnliche Vulnerabilitätsmuster zeigten sich in den Städten Pittsburgh und Allegheny, die seit 1832 von 20.000 auf 300.000 Einwohner zusammengewachsen waren. Hier, am Zusammenfluss von Monongahela und Allegheny River, mussten zwischen 20.000 und 30.000 Menschen aus ihren Häusern fliehen.91 Die Verpflegung der Flutopfer wurde wieder größtenteils mit soup houses sichergestellt. Bemerkenswert ist, dass die Zubereitung der Mahlzeiten nun nicht mehr dezentral in den Suppenküchen selbst erfolgte, sondern räumlich konzentriert im lokalen Krankenhaus, im Hamilton County Jail sowie durch zwei Unternehmen, die Dosennahrung produzierten  – Albert Fischer & Co. und George Elstun & Co. –, alles Institutionen bzw. Organisationen, die über Großküchen verfügten. Zusammen produzierten diese Einrichtungen über 26.800 Liter Kaffee, knapp 24.000 Liter Suppe und große Mengen an gekochtem Schinken, die dann an die einzelnen Suppenküchen zusammen mit Brot und Wurst ausgeliefert wurden. Allein in der Station in der Sechsten Straße wurden in den dreizehn Tagen der Flut 7.500 Personen ernährt.92 Die Größe der ausgegebenen Rationen entsprach dem United States Govern­ ment Standard. Da jedoch die Bandbreite der Produkte, die gespendet und gekauft wurden, größer war als in der Norm vorgesehen, wurde der Anteil von Brot und Fleisch entsprechend verringert. Ein weiterer Anlass, die Rationen zu verkleinern – und dies mag durchaus ein Indiz für Versorgungsprobleme sein – wurde darin gesehen, dass die Empfangsberechtigten keiner körperlichen Tätigkeit nachgingen.93 »There is no reason to suppose that there was any suffering not relieved«, fasste der Generalsekretär der Associated Charities in seinem Bericht zusammen. Johnson führte aus: »[A]nd it is certain that a great many persons were much better fed than usual« – eine Aussage, die auf die generell prekäre soziale Lage vieler Flutopfer verweist und die gleichzeitig ein großes Misstrauen gegenüber den Hilfeempfängern zum Ausdruck bringt, die zumeist aus den unteren Schichten der Bevölkerung kamen.94

90 Cincinnati Enquirer, 15.2.1884. Die Cincinnati Commercial-Gazette, 15.2.1884, spricht von 20.000 Menschen ohne Obdach in Covington. Vgl. auch Vgl. Johnson, Work of the Associated Charities, 139–141, 149. 91 Vgl. Vance, Great Flood of 1884, 12. Vgl. auch The Inundated Cities, New York Times, 12.2.1884. 92 Vgl. Cincinnati Chamber of Commerce, Report of the Relief Committee [1884], 119–120. 93 Vgl. Johnson, Work of the Associated Charities, 136. 94 Vgl. ebd. 134 und 144 über die Hilfsarbeit im Music Hall District: »No applicant was refused temporary help of one-half day’s rations, and none was helped a second time without investigation having been made, as the opportunities of fraud in such  a district were very great.«

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Wurde der Großteil der Hilfs- und Wohltätigkeitsarbeit vom Relief Commit­ tee und den Associated Charities sowie, in viel kleinerem Umfang, der ­Relief Union durchgeführt, so gab es auch etliche spontane Aktionen und individuelle Solidarität. In Cumminsville zum Beispiel, einem 1873 eingemeindeten Stadtteil von Cincinnati im Millcreek Valley, hatten sich 15 Hochwasserflüchtlinge schon am 6. Februar im Schulgebäude in der Knowlton Street eingefunden, offenbar aufgrund der Erfahrungen aus dem Vorjahr und in der Erwartung, dort wieder Hilfseinrichtungen vorzufinden. Zu diesem Zeitpunkt waren zwar noch keine Vorkehrungen getroffen worden, aber ein »committee of ladies« nahm sich dieser Menschen an und versorgte sie mit Unterkünften, Bekleidung und Verpflegung. Ebenfalls in Cumminsville hatte sich ein eigenständiges Citizens Commit­ tee gebildet, das unmittelbar nach seiner Gründung die Aufgaben der Associated Charities übernahm.95 Auch bei der Verpflegung der Flutopfer zeigten viele Bürger und vor allem Bürgerinnen viel Gemeinsinn. So nahmen mehrere Frauen ein oder zwei Schinken mit nach Hause, kochten diesen dort und brachten ihn am nächsten Morgen zurück in die Hilfsstation.96 Nach dem Rückgang des Wassers fuhr das Frauenkomitee jeden Tag aus dem Stadtteil Clifton nach Cumminsville, um dort persönlich Lebensmittel und Kleidung zu verteilen.97

Verteilung der Gelder und Sachmittel in Cincinnati Ein großer Teil der empfangenen Spendengelder ging zur weiteren Verwendung direkt vom Hilfskomitee an die Associated Charities. Dieser Zusammenschluss lokaler Wohltätigkeitsvereine erhielt knapp 14.000 Dollar, die Relief Union, eine andere Vereinigung von Hilfsvereinen, weitere 2.610 Dollar.98 Am meisten wurde aber für den direkten Erwerb von dringend benötigten Gütern wie Nahrungsmitteln, Kleidung und Heizmaterial ausgegeben. So entfielen 5.880 Dollar auf Decken, 2.447 Dollar auf Kohle, 15.477 Dollar auf Schinken und mehr als 10.000 Dollar auf Kaffee, Zucker, Tee und Brot.99 Neben Geldern erreichten auch wieder große Mengen an Nahrungsmitteln, Decken, Kleidung und anderen Sachgütern aus allen Teilen der USA die Stadt.100 Die Bandbreite der Sach 95 Vgl. ebd., 139; John C. Heywood, Work of the Citizens Committee, 25th Ward, in: Cincinnati Chamber of Commerce, Report of the Relief Committee [1884], 155. Der Cincinnati Enquirer schrieb am 15.2.1884, dass in Cumminsville jede Familie, die es sich leisten konnte, mittlerweile ein Boot besitze. 96 Vgl. Johnson, Work of the Associated Charities, 146. 97 Vgl. ebd., 147. 98 Vgl. Treasurer’s Report, in: Cincinnati Chamber of Commerce, The Great Flood in the Ohio [1884], 91. 99 Vgl. ebd., 92–93. 100 Vgl. Cincinnati Chamber of Commerce, Report of the Relief Committee [1884], 17 f.

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spenden reichte dabei von 5.000 Scheffeln Koks der H. C. Frick Coke Company aus Pittsburgh bis zu dem Bündel Kleider einer Mrs. Drisbo aus Chicago.101 Das Amerikanische Rote Kreuz, gerade einmal drei Jahre zuvor von Clara Barton gegründet, spielte 1884 eine untergeordnete, aber nicht unbedeutende Rolle. Als Barton und ihr »field agent« Dr. J. B. Hubbell in Cincinnati ein­trafen, waren sie von den Ausmaßen der Überschwemmung geschockt. »Any description of this city upon our entrance would fall so far short of the reality as to render it useless. […] and this was one city, and probably the best protected and provided locality in a thousand miles of thickly populated country«.102 Barton und Hubbell schlugen ihr Hauptquartier zunächst in Cincinnati auf und begannen damit, die ankommenden Spenden zu lagern und zu sortieren. Innerhalb von zwei Wochen waren die angemieteten Räume voll. »A description could no more do justice to our flood of supplies than to the flood of waters which had made them necessary  – cases, barrels and bales of clothing, food, household supplies, new and old«.103 Von kaum zu überschätzender Bedeutung für die Organisation und Durchführung von Spendensammlungen waren Frauen und Frauenvereine. Von 196 Spenden, bei denen das Geschlecht der Spenderin bzw. des Spenders angegeben ist, waren 136 Frauen.104 Dazu kamen noch die Spenden von 21 Frauenvereinen wie etwa der Ladies’ Sewing Society der Church of Epiphany aus Walnut Hills. Die Ladies of First Street aus Dayton, Ohio, sandten eine Kiste mit Kleidern, eine weitere mit Lebensmitteln und ein Fass mit Keksen; die Ladies of Fairmount spendeten eine Lieferung »new underwear«.105 Zudem wurden »special contribution[s] to flood relief« in der Höhe von 1.330 Dollar und 93 Cent zum Teil dafür benutzt, Textilwaren zu kaufen, die dann von »ladies working in the churches« zu Kleidern verarbeitet wurden.106 Gleichzeitig bestand aber auch immer die Gefahr, dass freiwillige und unbezahlte Hilfsarbeit, gerade von Frauen, ausgenutzt wurde und die Schaffung bezahlter Positionen verhinderte. 101 John L. Stettinius / Thomas G. Smith, Donations of Merchandise and Supplies, in: Cincinnati Chamber of Commerce, Report of the Relief Committee [1884], 103–118, 112. 102 Barton, Red Cross, 113. Allerdings neigte Barton in ihrer folgenden Beschreibung der Flut zu Übertreibungen und sehr plastischen Darstellungen, wohl um das Leid der Menschen und damit die Notwendigkeit der Hilfsarbeit zu betonen. 103 Ebd., 114. Vgl. auch Foster Rhea Dulles, The American Red Cross. A History. New York 1950, 27; Elizabeth Brown Pryor, Clara Barton. Professional Angel. Philadelphia, PA, 1987, 220–21, 232–35; Marian Moser Jones, Race, Class and Gender Disparities in Clara Barton’s Late Nineteenth-Century Disaster Relief, in: Environment and History 17 (2011), 107–131. 104 Noch größer ist allerdings die Zahl derjenigen, deren Geschlecht unbekannt ist. Vgl. Johnson, Work of the Associated Charities, 144. 105 Stettinius / Smith, Donations of Merchandise and Supplies, 109–110 (115). 106 Vgl. Johnson, Work of the Associated Charities, 150; »Women at Work. Making Garments for Sufferers and Visiting the Station Houses«, Cincinnati Commercial Gazette, 13.2.1883.

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1907, als Cincinnati erneut von einer Flut betroffen war und als das Flood Relief Committee über die Bezahlung von Hilfsarbeitern debattierte, argumentierte C. M. Hubbard, Vorsitzender der Associated Charities: »I know some ladies who have nothing else to do who would be willing to help us out in any way possible, and it would not cost us anything«.107 Auch Unternehmen, insgesamt 91 von 552 individuell aufgelisteten Spendern für Cincinnati, leisteten einen erheblichen Beitrag zum Spendenaufkommen. Ebenso wie bei den Frauenvereinen variierten auch hier Menge und Nutzen der Gaben. Die Firma Cohen & Rusk gab ein Opernglas, die Pappenheimer Hard­ ware Company eine Handsäge, die Cincinnati Manufacturing Company steuerte Scheuerbürsten bei, und von Robt. Greenland & Bro. kam »medicine free of charge to the colored company«.108 Spenden an das Cincinnati Relief Committee kamen zwar aus allen Teilen des Nordostens und des Mittleren Westens und auch aus weit entfernten Staaten wie Rhode Island oder New Jersey; weit mehr als die Hälfte der Güter und Gelder stammten jedoch aus dem Staat Ohio selbst, was für die immer noch starke regionale Solidarität spricht. Bemerkenswert ist auf der anderen Seite, dass das Relief Committee nur zwei Sachspenden aus dem nahen Kentucky erhielt (im Vergleich etwa zu 15 aus New York). Dies liegt aber wohl weniger an der traditionellen Rivalität zwischen den beiden Staaten nördlich und südlich des Ohio River als an der Tatsache, dass Kentucky selbst stark von der Flut betroffen war und sich die Solidarität und die Spendenkraft der Bewohner dieses Staates auf die »eigenen« Opfer beschränkte.109 Stammten die meisten Sachspenden aus Ohio, so zeigten sich doch auch bemerkenswerte Manifestationen inter-regionaler Solidarität. Im März 1884 füllten die Einwohner von Sedgwick County in Kansas 31 Eisenbahnwaggons mit Mais und ließen diese prozessionsgleich nach Cincinnati transportieren. Die Lieferungen waren nicht zuletzt Dank für die Hilfe, die die betreffenden coun­ ­ imes ties nach einer Heuschreckenplage 1874 erhalten hatten.110 Die New York T berichtete von der Durchfahrt des Zuges durch St. Louis am 19. März 1884: 107 Report of Cincinnati Flood Relief Committee, January and March 1907. Cincinnati, OH, 1907, 51. 108 Vgl. Stettinius / Smith, Donations of Merchandise and Supplies, 103, 107, 110, 115. 109 Dies ergibt sich aus der Auswertung der Daten bei Stettinius / Smith, Donations of Merchandise and Supplies, 103–118. Aus Indiana gelangten überhaupt keine Spenden nach Ohio, aus Illinois, das zwar auch von der Flut 1884 betroffen war, aber bei weitem nicht so stark wie Kentucky, Ohio oder Indiana, dagegen immerhin 12 Spenden. 110 Vgl. The Ohio Sufferers. Corn for the Distressed, New York Times, 20.3.1884. Die Heuschreckenplage in Kansas 1874 war nicht das einzige Ereignis, bei dem die Bürger Cincinnatis Solidarität mit anderen Regionen und Städten zeigten. 1903 wurden 1.000 Dollar für Flutopfer am Missouri angewiesen, 1906 gingen nach dem Erdbeben insgesamt 35.428,57 Dollar aus der Queen City nach San Francisco. Vgl. CHS, Records of the Cincinnati Chamber of Commerce, 1839–1917, Bd.5, Sitzungen vom 3.6.1903, 19.4.1906, und 12.7.1906.

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Abbildung 10: Hilfe in der Not. Ein mit Mais beladener Zug aus Kansas für die Flutopfer in Cincinnati (mit freundlicher Genehmigung der Public Library of Cincinnati & Hamilton County).

The first car of the train had a strip of canvas tacked on each side, on which were a number of grasshoppers, and upon a large canvas was the device, »1874 – Returned with Interest – 1884« […] The second car … bore a sign four feet high, emblazoned with a monster grasshopper and painting of corn. Several rear cars were decorated with cornucopias from which the corn was made to flow.111

Der Maistransport wurde kurze Zeit später in Cincinnati von Vertretern der Handelskammer feierlich in Empfang genommen und auf einer Auktion versteigert. Einen Monat später folgte ein weiterer Transport mit 22 Waggons Mais und Mehl aus Butler County, Kansas.112

111 Vgl. The Ohio Sufferers. Corn for the Distressed, New York Times, 20.3.1884. 112 Vgl. die Sitzungsprotokolle der Handelskammer von Cincinnati, CHS, Minutes of the Cincinnati Chamber of Commerce, 1848–1925, Mss fC 443m, Bd.3, Sitzungen vom 24.3. und 11.4.1884. Vgl. auch CHS, Records of the Cincinnati Chamber of Commerce, 1839–1917, Bd.3, Sitzung vom 24. und 25.3.1884; Kansas Corn for Ohio, Washington Post, 7.4.1884; Cincinnati Chamber of Commerce, Report of the Relief Committee [1884], 18.

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Sicherheit Wie im Vorjahr markierte die Überschwemmung der Gaswerke und der Ausfall der Beleuchtung mehr als nur eine Unannehmlichkeit. Die »extremity of darkness« wurde von offiziellen Stellen vielmehr als fundamentale Bedrohung der öffentlichen Sicherheit und vor allem des privaten Eigentums gesehen. Erneut rückte die Nationalgarde mit insgesamt 300 Soldaten aus. Die durch die Stadt patroullierenden Soldaten weckten selbst beim Vorsitzenden des Relief­ Committee Erinnerungen an den Bürgerkrieg, »when martial law governed, and our city teemed with soldiers«.113 Mit 23 Schulen wurden 1884 sechs mehr als im Vorjahr geschlossen und als Notquartiere für die Flüchtlinge verwendet. Explizit erwähnt werden im Unterschied zu 1883 zwei Unterkünfte für »colored people«, eine an der Third Street und die andere im oberen Teil des Mill Creek Valley in Cumminsville. Dies deutet darauf hin, dass 1884 zumindest überhaupt Notunterkünfte für African Americans zur Verfügung standen, verweist aber auch auf praktizierte Segregation in der Hilfsarbeit.114 In wirtschaftlicher Hinsicht war in Cincinnati vor allem der Transportsektor stark betroffen. Vom 5.  bis zum 22.  Februar war das Geschäftsleben der Stadt zum großen Teil  paralysiert.115 Nachdem der Ohio die Marke von 55 Fuß (16,7 Meter) überschritten hatte, war der Eisenbahnverkehr, von wenigen Ausnahmen abgesehen, praktisch zum Erliegen gekommen. Die Transportschwierigkeiten waren so groß, dass die Eisenbahngesellschaften sogar die Schifffahrt auf dem alten Miami Canal zur Überbrückung der überfluteten Strecken nutzten. Sydney D. Maxwell von der Handelskammer urteilte: »The activity of the early days of this antiquated mode of travel thus found temporary restoration«.116 Auch für die Schifffahrt selbst schuf die Flut große Probleme, da die Brücken über den Ohio bei solch hohen Wasserständen ununterfahrbare Hindernisse darstellten und die offiziellen Anlandeplätze mehrere Fuß unter Wasser lagen. Während die Eisenbahngesellschaften allerdings im Großen und Gan 113 Stephens / Eggleston / Ryan, Military and Police, 121. In Pittsburgh wurden die Allegheny Gas Works am 6.2.1884 überflutet, so dass auch hier große Teile der Stadt im Dunkeln lagen. Vgl. Vance, Great Flood of 1884, 8. 114 Vgl. Cincinnati Chamber of Commerce, Report of the Relief Committee [1884], 12. Auch eine Suppenküche für African-Americans in der Colony School im First Ward wird explizit erwähnt; vgl. ebd., 119. Für New Richmond, Ohio, eine Stadt von 3.000 Einwohnern, von denen ein Drittel African Americans waren, »who in the best of times live poorly and from hand to mouth«, vgl. Vance, Great Flood of 1884, 85. Robert P. Ames berichtete, dass in Shawneetown, Illinois, »[t]here are only two houses left on ›Nigger Flat.‹« Ames, Official Report of the Relief Furnished to the Ohio River Flood Sufferers, 48. 115 Vgl. Maxwell, The Flood in its Relation to Business, 184. 116 Ebd., 185.

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Abbildung 11: Storrs Station, Baltimore & Ohio Railroad, Cincinnati, während der Flut von 1884 (mit freundlicher Genehmigung der Public Library of Cincinnati & Hamilton County).

zen von den Problemen der Schifffahrt profitierten, sei das »river business«, wie Maxwell festhielt, »largely dependent on the locality immediately traversed by the river, which, with traffic suspended, its property more or less destroyed, and its powers of early recuperation impaired, did not, for the time, make much of a contribution to transportation«.117 Schon am 5.  Februar konnten nur noch vier Schiffe die Stadt verlassen, von denen drei von den Wasserwerken am östlichen Ende der Stadt, also jenseits der Brücken, ablegten. In den folgenden zwei Wochen machten nur noch drei Schiffe los: zwei relief boats und ein kleines Dampfschiff. Die meisten Schiffe, die in und um Cincinnati eine Zwangspause einlegen mussten, konnten ihre Ladung nicht löschen. Auf einer Länge von neun Meilen säumten zudem schwer beladene Kohleflöße (»coal fleets«) die Ufer der Stadt. Da alle Poller zum Festmachen der Schiffe unter Wasser lagen, waren die Dampfschiffe Tag und Nacht in Betrieb und mit einer kompletten Crew besetzt. Auch als das Wasser zurückging, setzte der normale Handelsverkehr erst langsam wieder ein, da am public landing nicht ausreichend Platz zur Befriedigung der nun großen Nachfrage nach Güter- und Personentransport vorhanden war.118 ­ hamber Die größten Schäden im Handel entstanden nach einem Bericht der C of Commerce an den Holzlagern und den Distillerien. Vieh, das in die stock­ 117 Ebd., 188. 118 Vgl. ebd., 189.

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yards verlegt worden war, musste zwar erneut auf höheres Terrain gebracht werden, nachdem das Wasser auch hier eingedrungen war, und konnte so gerettet werden; der mit diesen Aktionen verbundene substanzielle Gewichtsverlust der Tiere bedeutete für die Besitzer aber einen ökonomischen Verlust.119 Insgesamt waren 1.956 »business houses« überschwemmt, der überwiegende Teil  (1.536) unmittelbar an der Riverfront im zweiten und vierten Polizeidistrikt, zwischen Parsons Street und dem Mill Creek. Die Schadenszahlen verweisen gleichzeitig aber auch auf die noch vorhandene gemischte Nutzung dieser Gebiete, denn hier waren neben den Geschäftshäusern auch Hunderte von »residences and tenements« betroffen.120 In den Niederungen des Mill Creek Valley litten zudem noch viele Personen unter der Flut, die die fruchtbare floodplain dazu nutzten, Gärtnereiprodukte anzubauen, um sich so einen kargen Zuverdienst zu erwirtschaften.121 Stark schadensmindernd wirkte sich insgesamt allerdings aus, dass die meisten Händler und Geschäftsleute Vorkehrungen getroffen und ihre mobilen Waren, Maschinen, etc. rechtzeitig in Sicherheit gebracht hatten. Um zumindest den Informationsfluss aufrecht zu erhalten, hatte die Handelskammer zudem ein Register angelegt, in dem die neuen, temporären Adressen der Unternehmen verzeichnet waren. Diese Voraussicht, urteilte der superintendent der Handelskammer, »certainly is  a very important feature of the business situation, inasmuch as it is a conclusive answer to the fears concerning permanent damage to the business spirit of the city.«122 So entstanden zwar beträchtliche Schäden an den Gleisen der Eisenbahngesellschaften, doch die in den Depots lagernden Waren waren zeitig aus den Überschwemmungsgebieten entfernt worden, und Waggons, die nicht mehr entladen werden konnten, wurden aus der Stadt gebracht.123

Industrielle Schäden Anders sah es bei den Besitzern von Fabriken aus, die ihre Produktionsstätten zum großen Teil in den floodplains hatten und die ihre Maschinen nicht ohne Weiteres aus dem Überschwemmungsgebiet befördern konnten; »there was  a solemnity about the silence of these temporarily deserted workshops which did

119 Vgl. ebd., 190. 120 Vgl. Johnson, Work of the Associated Charities, 149; Police Report of Houses, Etc., Inundated, in: Cincinnati Chamber of Commerce, Report of the Relief Committee [1884], 124. 121 Vgl. Johnson, Work of the Associated Charities, 142; Ford / Ford (comp.), History of Cincinnati, 12. 122 Maxwell, The Flood in its Relation to Business, 185. 123 Vgl. ebd., 185–186.

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not, perhaps, attach to any other of the active agencies of the city’s life.«124 Zwar repräsentierten industrielle Einrichtungen im gesamten Ohio Valley immer noch nur einen kleinen Anteil der Gesamtzahl der von der Flut geschädigten Unternehmen, doch die Schadenssummen erreichten hier schnell viel größere Ausmaße als bei kleinen Händlern, Handwerkern und anderen Gewerbetreibenden. In Belpre zum Beispiel, einer kleinen Stadt am Nordufer des Ohio nahe Marietta, erlitt der saloon von Mrs. Robb einen Schaden von 1.000 bis 1.100 Dollar, das Schuhgeschäft der Gebrüder Downer hatte einen Verlust von 125 Dollar zu tragen, und der Schmied H. Jones verlor 250 Dollar. Die Verluste der Buckeye Pump-Works schlugen dagegen mit 4.000 bis 5.000 Dollar zu Buche, während L. E. Stones Getreidemühle 13.000 Dollar Schaden erlitt und die Pumpenfabrik von A. W. Glazier sogar ganz fortgespült wurde.125 Belpre, konstatierte John L. Vance, »had anything but a smiling, prosperous face«.126 Derartige Schadensmuster waren an fast allen Abschnitten des Ohio River zu konstatieren. Zwischen Racine und Pomeroy erlitten fünf Salzwerke und Salzöfen einen Gesamtschaden von über 20.000 Dollar, die German Furniture Company verlor 1.000 Dollar und Herman Lerners Bromwerke wurden komplett zerstört. Die Schätzung für den Gesamtschaden in dieser Region belief sich auf knapp 124.000 Dollar.127 Auch bei kleineren Gewerbetreibenden, die ihre Werkzeuge und Maschinen ebenfalls nicht ohne Weiteres in Sicherheit hatten bringen können, liefen schnell hohe Schäden auf. So verlor der Fassbinder R. W. Wiley in Haskelville seinen gesamten Betrieb inklusive 4.000 Nagel-, 400 Mehl- und 400 Apfelfässern. Den finanziellen Schaden schätzte er auf 3.000 Dollar.128 John L. Vance gab in seiner Beschreibung der Flut von 1884 aber zu bedenken, dass solche Schadenschätzungen längst nicht alle Kosten der Überschwemmungen beinhalteten: It does not include thousands of dollars of labor in trying to save what was left, nor loss to streets, nor getting in shape stores and residences, the destruction to streets, sidewalks, culverts, nor the losses which will be counted for a year hence in the way of trade from those who lost in the whole surrounding country their crops, fences and out-buildings.129 124 Ebd., 190. 125 Vgl. Vance, Great Flood of 1884, 30; Cornelius Evarts Dickinson / Samuel Prescott­ Hildreth, A History of Belpre, Washington County, Ohio. Parkersburg, WV, 1920, 163. 126 Vance, Great Flood of 1884, 29. 127 Vgl. ebd., 41–42. 128 Vgl. ebd., 55. 129 Ebd., 43. In Pittsburgh entstanden große Schäden, obwohl das Wasser 1884, im Gegensatz zu den meisten anderen Orten am Ohio, die bisherige Rekordmarke von 1832 nicht überschritt, vgl. ebd., 12.: »Along their miles and miles of river front stand great manufactories, representing almost every imaginable enterprise, and in which millions of dollars were invested, besides railroads, with all their valuable rolling stock.« Zu den Zerstörungen in Ironton vgl. ebd., 63–71.

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Einer der Wenigen, die von der Flut profitierten, war der Medienmogul E. W. Scripps. Seit Sonntag sei er in Cincinnati, schrieb Scripps in einem Brief an seine Schwester Annie am 12. Februar 1884, nachdem er durch ein Telegramm über die Lage in der Stadt informiert worden war. »The necessity however was not of the unfortunate character.« Die Flut hatte die Nachfrage nach seiner Zeitung, der Cincinnati Penny Post, immens ansteigen lassen, und obwohl die Druckerpressen Tag und Nacht arbeiteten, könne man doch nur die Hälfte dieser Nachfrage bedienen. Seit über einer Woche schon habe man eine höhere Auflage erzielen können als die Evening News, berichtete Scripps mit Zufriedenheit aus den Redaktionsräumen, die »way up high and dry above all danger of floods« lagen. Wenn sein Unternehmen dieselben »press facilities« wie die News hätte, könnte es 100.000 Exemplare pro Tag drucken. Scripps machte sich keine Illusionen darüber, dass die Auflage nach dem Ende der Flut wieder sinken würde, hoffte aber doch auf einen längerfristigen Effekt.130 Weniger erfolgreich war der Marietta Register, dessen Büros vom Wasser überschwemmt zu werden drohten: »All hands were busy carrying type, paper, desks and everything else movable into the bindery upstairs«.131 Auch Bildungseinrichtungen trugen Schäden von der Flut davon. Das­ Marietta College musste den Lehrbetrieb für fast sechs Tage einstellen, von Donnerstag mittag am 7. Februar 1884 bis zum darauf folgenden Dienstag morgen, dem 12. Februar. Der Academy Floor, wo das Wasser 1832 lediglich zwei Zoll hoch gestanden hatte, war nun einen Meter hoch überschwemmt. Im trockenen Teil des Campus dienten der Greek Recitation Room und der Latin Room dem lokalen Relief Committee als Hauptquartier.132

Verteilung der Gelder außerhalb von Cincinnati Trotz aller durch die Überschwemmungen erzeugten Probleme waren Cincinnati und andere große Städte am Ohio und den Zuflüssen insgesamt doch noch relativ gut in der Lage, mit der Extremsituation umzugehen. Zwar waren die urbanen Zentren in stärkerem Maße anfällig für infrastrukturelle Schäden als 130 Brief vom 12.2.1884, Ohio University, Mahn Center for Archives & Special Collections, Alden Library, Athens, OH, E. W. Scripps Papers, zitiert nach Ohio Memory Online Scrapbook http://media.library.ohiou.edu/cdm/compoundobject/collection/scripps/id/48/rec/7 (20.09.2013). 131 Marietta Register, 12.2.1884. 132 Vgl. Arthur G. Beach, A Pioneer College. The Story of Marietta. Ohne Ort 1935, 192; siehe auch The Greatest Flood on Record, The Weekly Leader (Marietta), 19.2.1884. Für Flutschäden am Marietta College in den Jahren 1913, 1937, 1948, 1963, 1964, 1966 und 1977, siehe Vernon E. McGrew, »… in the Various Branches of Useful Knowledge«. Marietta College 1935–1989. Marietta, OH, 1994, 399.

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ländliche Regionen, doch diese Infrastruktur sorgte oft auch dafür, wenn auch unter extrem erschwerten Bedingungen, dass die Versorgung der Notleidenden besser funktionierte als auf dem Land. In Cincinnati konnten 1884 zwar nur noch zwei Eisenbahnlinien die Stadt erreichen, dies reichte aber aus, um große Mengen an Nahrungsmitteln, Kohle und anderen dringend benötigten Gütern in die Stadt zu transportieren. Telefon- und Telegraphengesellschaften stellten ihre Dienste dem Relief Committee gratis zur Verfügung, was die Koordinierung der Hilfsmannschaften erheblich erleichterte. Die Wasserwerke waren zwar nicht mehr in der Lage, neues Trinkwasser zu produzieren, sie konnten aber noch aus den Restbeständen ihrer Reservoirs schöpfen und so eine Minimalversorgung aufrechterhalten. Auch die manufacturing companies, obwohl selbst in großem Ausmaß von der Flut betroffen, trugen erheblich zum Katastrophenmanagement bei – nicht nur durch Spenden, sondern auch durch 24 Spannwagen, die dem Hilfskomitee von insgesamt 17 lokalen Fabriken zur Verfügung gestellt wurden.133 In kleineren Städten und den ländlichen Gegenden am Ohio River zeigte sich ein ganz anderes Bild. Fernab von der öffentlichen Aufmerksamkeit, von der Spendenkraft des urbanen Bürgertums, von den Redaktionsräumen großer Zeitungen, von den Depots der Hilfsorganisationen und dem Netz an Suppenküchen war die Bewältigung der Flut ungleich schwieriger. »It is the purpose of Cincinnati to take care of her own people«, hielt die New York Times fest, »but she can do little for the towns scattered along the river’s course for 500 miles­ either way, where the suffering in proportion to the ability of the people to relieve it is much greater than it is here.«134 Dennoch entschloss sich das Hilfskomitee in Cincinnati, wie schon im Vorjahr alle Geld- und Sachspenden, die nicht aus der Stadt selbst kamen, anderen Orten entlang des Ohio River zukommen zu lassen.135 So entstand die etwas absurde Situation, dass das Relief Com­ mittee sich zwar weigerte, externe Hilfslieferungen aus privaten Quellen zu verwenden und diese statt dessen »exportierte«, gleichzeitig aber Unterstützung durch den Staat Ohio in Anspruch nahm.136 Die Verteilung der Hilfsgüter außerhalb der Stadtgrenzen wurde vom Hilfskomitee Cincinnatis selbst in die Hand genommen und erfolgte per Schiff und Eisenbahn. Bezeichnend für die relativ gute Versorgungslage in Cincinnati war 133 Vgl. Cincinnati Chamber of Commerce, Report of the Relief Committee [1884], 23, 128. 134 The Inundated Cities, New York Times, 12.2.1884. 135 Vgl. Cincinnati Chamber of Commerce, Report of the Relief Committee [1884], 1­ 7–18; Treasurer’s Report, in: Cincinnati Chamber of Commerce, The Great Flood in the Ohio [1884], 93–101. 136 Für die Stadt Ripley, Ohio, vgl. The Flood in the Ohio, February 1884, Report of the Citizens’ Relief Committee of Ripley, Ohio, prepared by J. C. Leggett, Secretary. Ripley, OH, 1884. Für Cairo, Illinois, vgl. Lansden, A History of the City of Cairo, 77–78.

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der Umstand, dass die Beladung des angemieteten Dampfschiffes Granite State sich um einen ganzen Tag verzögerte, weil andere Hilfslieferungen die Straßen an der Anlegestelle blockierten. Erst am 16. Februar konnte die Reise beginnen. Der ursprüngliche Plan bestand darin, den Fluss bis nach Parkersburg in West Virginia hinauf zu fahren und bis dorthin die Hilfsgüter verteilt zu haben. In Parkersburg sollte das Boot dann neu mit Gütern beladen werden, so dass auch auf dem Rückweg nach Cincinnati noch Hilfsarbeit geleistet werden könnte. Doch schon auf halber Strecke wurde klar, dass dieser Plan wenig sinnvoll war. In Portsmouth, Ohio, musste die Besatzung feststellen, dass etliche andere Boote Hilfsgüter in beide Richtungen transportierten und »at all points the people of the State [of Ohio] were furnishing in abundance, and the prospect was that this work of distribution would be overdone and that much would be wasted«, so dass die Granite State nach Cincinnati zurückkehrte.137 Auch auf dem Boot selbst zeigte sich die Arbeitsteilung bzw. Konkurrenz zwischen den verschiedenen Ebenen des Katastrophenmanagements, denn an Bord der Granite State waren nicht nur Vertreter des Relief Committee aus Cincinnati, sondern auch Repräsentanten der Regierungen aus Columbus, Ohio, und Washington, DC. C. W. Constantine von der Ohio State Relief Commission, die 15.000 Dollar für Hilfsmittel ausgegeben hatte, musste etwa darauf achten, dass diese Güter nur im Staat Ohio, und nicht etwa in Kentucky oder stromaufwärts in West Virginia, ausgeteilt wurden. Um daraus resultierende Ungerechtigkeiten zu vermeiden, steuerte die US-Bundesregierung über General A. Beckwith in Cincinnati Waren im Wert von 10.000 Dollar bei, so dass auch auf der anderen Seite des Flusses Hilfe geleistet werden konnte.138 Lieutenant Taylor, der ebenfalls im Auftrag Washingtons an Bord der Granite State war, stellte in seinem Bericht fest, dass die meisten Städte und Dörfer zwischen Ironton und Cinncinnati Verpflegung erhalten hatten, die für zehn Tage ausreichen würde, in einigen kleinen Siedlungen mit nur zwei bis drei Häusern sogar für 20 Tage. Von weiteren Lieferungen riet Taylor ab, weil er befürchtete – charakteristisch für den Wohltätigkeitsdiskurs zu dieser Zeit – dass zu generöse Hilfe Untätigkeit und Abhängigkeiten zur Folge hätte: »In the large towns, notably Ironton, Portsmouth, and Maysville, there is a large number of the laboring population 137 Vgl. Cincinnati Chamber of Commerce, Report of the Relief Committee [1884], 129. 138 Vgl. ebd., 19, 101, 129; Cincinnati Enquirer, 15.2.1884. Auch das Amerikanische Rote Kreuz fuhr mit zunächst fünf gecharterten Booten von verschiedenen Städten aus auf dem Ohio. Anders als die Granite State konnte die Josh V. Troop, die von Cincinnati aus startete, im Zickzackkurs beide Ufer anlaufen, » […] calling the people to the boat, finding  a committee to receive and distribute, and learning as nearly as possible the number of destitute persons, put off the requisite quantity of clothing and coal, and steamed away quickly and quietly.« Barton, Red Cross, 114 f. Den Unterlauf des Ohio befuhr das U. S. Relief Boat Carrie Caldwell. Vgl. Ames, Official Report of the Relief Furnished to the Ohio River Flood Sufferers.

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who are now demoralized by the gratuitous distribution of food, and great difficulty is experienced in getting them to work«.139 Auch über Land wurden Hilfsmittel aus Cincinnati in die flussaufwärts gelegenen Gegenden transportiert. In Oakley, einem Vorort von Cincinnati, wurden die Güter von Pferdewagen auf Eisenbahnwaggons verladen, von dort aus ging es zunächst nach Wellston, wo die Fracht umgeladen werden musste und sechs weitere »well filled« Waggons mit Lieferungen der Hilfskomitees aus Columbus, Cleveland, Coalton und Chillicothe angehängt wurden. Die Weiterfahrt erwies sich als mühsam; steile Anstiege, die schweren Wagen und Auswaschungen durch den intensiven Regen machten ein schnelles Vorankommen unmöglich. Für 53 Meilen brauchte der Zug sieben Stunden. Erst jetzt ging es in die Überschwemmungsgebiete. Zwei Meilen vor Ironton musste der Zug halten, weil das rückgestaute Wasser die Gleise zwischen zehn und 15 Fuß (drei bis viereinhalb Meter) überschwemmt hatte. Mit Unterstützung des Ironton Com­ mittee wurden die Hilfsgüter in Boote umgeladen und nach Ironton und Hanging Rock gebracht, zwei Städte, die nahezu vollständig überschwemmt worden waren.140 Neben solchen direkten Aktionen verteilte das Hilfskomitee aus Cin­cinnati die Überschüsse aber auch durch die Zahlung von »considerable amounts« an Flutopfer entlang des gesamten Flusslaufes. Um unberechtigte Ansprüche auszuschließen, die allem Anschein nach im Vorjahr häufig aufgetreten waren, wurde eine Untersuchungskommission gegründet, die jeden einzelnen Anspruch, von Pittsburgh bis Cairo, prüfen sollte.

Konsequenzen der Flut Die neuen Schadensmuster verlangten auch nach neuen Erklärungen. Die Ursachen für das zu der Zeit unbekannte Ausmaß der Schäden wurden dabei nicht mehr allein im Wirken der Naturgewalten verortet. »Floods like these have happened before«, schrieb die New York Times nicht ganz korrekt im Februar 1884 über die Ohioflut. »They have happened, to some extent, when the country was almost untouched by the hand of man. But, unquestionably, the great disasters of recent years are the result of the condition of the earth’s surface as modified by human action«.141 Das Ausmaß der Fluten von 1883 und 1884 warf auch die 139 Zitiert nach Cincinnati Chamber of Commerce, Report of the Relief Committee [1884], 130–131. Vgl. auch Robert A. Gross, Giving in America. From Charity to ­Philanthropy, in: Lawrence Friedman / Mark McGarvie (Hg.), Charity, Philanthropy and Civility in American History. New York 2003, 29–48 (34). 140 Vgl. ebd., 132–133. 141 The Ohio Floods, New York Times, 9.2.1884. »It is doubtful if any backward steps can be taken in this matter«, heisst es dort weiter. Der Verweis auf die vermeintlich unberührte Natur ignoriert in typischer Weise die Geschichte der Native Americans. Vgl. auch rück­

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Frage auf, wie man sich in Zukunft am besten vor solchen Ereignissen schützen konnte. Schon im Februar 1883 hatte die Cincinnati Commercial Gazette angemerkt, dass … great trade in goods, and great manufactures, such as are carried on in what is called the bottom, cannot stand the liability to such destruction of property and such interruption of business as that which is now suffered from the flood. Nor can it stand the strain of apprehension of such floods, which will now be annually recurring. […] It is not unlikely that real estate changes of great importance may occur, as business men seek locations beyond the danger line.142

Trotz solcher Warnungen tat sich in Bezug auf einen physischen Schutz der Stadt vor neuen Überschwemmungen wenig. Nach der Flut von 1883 hatte Melville Ingalls, ein Repräsentant der Eisenbahnen und community leader, einen Millionen schweren Anleihenplan vorgeschlagen, mit dem Schutzbauten finanziert werden sollten. Dieser Plan fand aber nicht die Zustimmung von John R. McLean, dem Besitzer des Cincinnati Enquirer und einer der wichtigsten Repräsentanten der Demokratischen Partei in Ohio, und war damit gescheitert.143 Ein Jahr später, noch während der Flut 1884 wurden in der Handelskammer Cincinnatis Stimmen laut, die eine Erhöhung der unteren Stadtteile bis auf das Niveau des gegenwärtigen Wasserstandes forderten.144 Die Pläne waren bereits so weit gediehen, dass ein Gesetzesentwurf für die Legislative des Staates Ohio erarbeitet worden war, der der Stadt erlauben sollte, bonds in der Höhe von zehn Millionen Dollar auszugeben, um die bottoms um 15 bis 20 Fuß aufzuschütten. Dagegen wurde geltend gemacht, dass eine solche Verengung des Flussbettes die Städte am gegenüberliegenden Ufer, Newport und Covington mit insgesamt 50.000 Einwohnern, bei der nächsten Flut regelrecht ertränken würde. Ein anderer Plan sah vor, die Geschäftshäuser und Manufakturen vollständig aus den Niederungen zu verlegen und dieses Gebiet den Eisenbahnen zu überlassen.145 »But there is nothing likely to be done of a radical nature, involving, as do the plans, large outlays of money and great physical changes in that part of blickend von 1925 Morgan / Bock, A History of Flood Control in Ohio, 475, und v. a. 478: »During the past fifty years the concentration of population and industries on the flat lands of river flood plains in Ohio has accelerated with tremendous rapidity, and the intense use of such lands has created flood problems which, with the increasing value of the property, become increasingly difficult to solve.« 142 Zitiert nach Washington Post, 17.2.1883. Die Washington Post selbst fügte hinzu: »Important business changes are likely to result from the flooding of a portion of Cincinnati. The bottom lands must be protected against such overflows, or they will be abandoned by manufacturers and merchants.« 143 Cincinnati Magazine, Oktober 1972, 17. 144 CHS, Records of the Cincinnati Chamber of Commerce, 1839–1917, Bd.3, Sitzung vom 6.2.1884, Sitzung vom 15.2.1884. 145 Vgl. The Big Flood Receding, New York Times, 16.2.1884.

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the city liable to submergence«, prognostizierte Sydney D. Maxwell.146 Statt dessen schlug er vor, der Überschwemmungsgefahr vor allem durch das Freihalten und Freiräumen des Flussbettes zu begegnen, indem man dieses zum Beispiel nicht mehr als »dumping ground« benutzte, und natürlich musste sicher gestellt sein, dass diese Maßnahmen nicht den Handel der Stadt beeinträchtigten.147 Als Beispiel für die kostengünstige und effektive Strategie des Ausweichens verwies Maxwell, der als Superintendent der lokalen Handelskammer natur­ gemäß ein Interesse an einer positiven Sicht auf die Zukunft hatte, auf die neuen Gaswerke, die im nächsten Jahr außerhalb der floodplain errichtet würden, und er forderte die Stadt auf, neue Wasserquellen zu erschließen, um in Zukunft auch die Wasserversorgung der Stadt im Falle einer neuen großen Überschwemmung sicherstellen zu können. Der Handel könne sich schnell an neue Rahmenbedingungen anpassen, »should such visitations become frequent«. Häuser könnten auf Fundamenten errichtet werden, die jeder Flut standhielten, und die Erdgeschosse neuer Gebäude »can be constructed as safe as those against which the tides daily beat in seaport towns, while dealers in the most perishable goods can readily change location«. Ein Beispiel für solche Adaptionen waren die Reaktionen der Eisenbahngesellschaften auf die Flut von 1883. So verstärkte die Illinois Central Railroad Company ihre Bahndämme und erhöhte sie bis über die Hochwassermarke von 1883.148 Solche Maßnahmen, so Maxwell, würden auch in anderen Bereichen getroffen werden. »This work of fortification will proceed with the repetition of the floods, while new roads entering the city may place themselves beyond the reach of accident by selecting the higher grounds upon which, after all, the city is mainly built«.149 »Taken in its entirety«, bilanzierte Maxwell, »the flood, in its effects on the business of the city, was not a calamity«. Die erlittenen Verluste seien »inconsiderable«, und obwohl es offensichtlich sei, dass weitere Überschwemmungen von solchen Ausmaßen nicht nur Holzkonstruktionen, sondern auch aus Steinen errichtete Häuser schädigen würden, gebe es doch keinen Grund anzunehmen, »that a combination of circumstances to produce similar results will be of frequent recurrence«.150 Diese beschwichtigende Einschätzung spiegelt zum einen die in der Tat bemerkenswerte Hochwasserresilienz der Handelsinteressen Cincinnatis wider. Zum anderen verweist sie aber auch auf die Sorge der 146 Maxwell, The Flood in its Relation to Business, 191. 147 Ebd. 148 Illinois Central Railroad Company, Annual Report 1883, ProQuest Historical Annual Reports, America’s Corporate Foundation, 6. Ein Jahr später schrieb dieselbe Gesellschaft: »The last flood made evident the necessity for a still higher grade and stronger embankments, to which end a great deal of work was done during 1884.« Illinois Central Railroad Company, Annual Report 1884, ebd., 6. 149 Maxwell, The Flood in its Relation to Business, 191. 150 Ebd., 190–191.

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Abbildung 12: Die Wasserwerke Cincinnatis während der Flut von 1884, im Hintergrund Mount Adams (mit freundlicher Genehmigung der Public Library of Cincinnati & Hamilton County).

Abbildung 13: Die Front Street Pumping Station der Wasserwerke Cincinnatis wurde 1907 aufgegeben. Die noch erhaltenen Reste des Gebäudes liegen heute in einem Park und dienen als kleines Amphitheater (Foto: Uwe Lübken).

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Handelskammer vor den immensen Kosten möglicher »radikaler« Schutzmaßnahmen und die Befürchtung, das Image der Stadt, die sich zunehmender Konkurrenz von aufstrebenden Metropolen im Mittleren Westen ausgesetzt sah, könnte unter der Berichterstattung über die Schäden leiden. Während Handel und zum Teil  auch das Gewerbe 1884 relativ glimpflich davon kamen – was allerdings auch an dem langsamen Ansteigen des Flusses lag, das genügend Zeit bot, Gegenstände und sich selbst in Sicherheit zu bringen – stimmte das Schicksal weiter Teile der Stadtbevölkerung weitaus weniger optimistisch. Noch nie waren derart viele Menschen von einer Flut des Ohio betroffen gewesen, und die finanzielle Belastung der Stadt war so groß, dass Cincinnati auf Hilfe von Außen angewiesen war. Die Vulnerabilitätsmuster, die diese Überschwemmungen so katastrophal werden ließen, waren über mehrere Jahrzehnte hinweg aufgebaut worden. Erst 1883 und 1884 jedoch, als sehr große Niederschlagsmengen über dem Ohio­ Valley niedergingen und zu bis dahin noch nicht erreichten Pegelständen führten, wurden diese Vulnerabilitätsmuster wirksam. Dieser neuen Art von Katastophe war mit den traditionellen Instrumenten des Risikomanagements, vor allem der Praxis des Ausweichens und dem Vertrauen auf private Spendentätigkeit und nachbarschaftliche Solidarität, nur noch bedingt beizukommen. Ein guter Teil der finanziellen Hilfe wurde vom Staat Ohio und sogar von der Bundesregierung übernommen. Zwar wurde ein Großteil der finanziellen und materiellen Bewältigung dieser Flut immer noch von den Bürgern Cincinnatis selbst gestemmt, doch die Akzentverschiebung im Desastermanagement von der lokalen Ebene auf zentrale Institutionen in Columbus und Washington, DC ist deutlich zu erkennen. Schließlich waren die von Maxwell erhofften vorausschauenden Maßnahmen zur Prävention von Hochwasserschäden mehr Wunsch als Wirklichkeit, wie mehrere verheerende Fluten in den nächsten Jahrzehnten zeigen sollten.

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7. Containment der Natur: Levees und Reservoirs […] the first question in an appraisal of the flood problem from an engineer’s point of view is why, at unpredictable intervals of time, are we subject to the havoc caused by great floods? The answer is simple. Nature has not seen fit to build our rivers large enough to carry the big floods within their banks. General Max C. Tyler1 It is evident that having spent an entire century in trying, with no lasting effect, to repair damages done by floods, the country should turn its attention exclusively to their prevention. William Hosea Ballou2 

7.1 Levees Only – Hochwasserschutz im neunzehnten Jahrhundert Hochwasserschutz am Mississippi Bis ins zwanzigste Jahrhundert hinein war der physische Schutz vor Überschwemmungen zum großen Teil  Aufgabe der betroffenen privaten Interessen und der Einzelstaaten. Erst mit dem Flood Control Act von 1936 begann die US-Bundesregierung explizit Verantwortung für den Hochwasserschutz zu übernehmen. Durch eine Reihe von Bestimmungen, Gesetzen und Institutionen war der Bund jedoch auch schon im neunzehnten Jahrhundert in den Hochwasserschutz involviert. Vor allem im unteren Mississippital, das viel früher als das Ohio Valley Gegenstand der euroamerikanischen Besiedelung war, wuchs das Bedürfnis nach Schutz vor Überschwemmungen stetig an. Am Mississippi wurde daher auch die levees only-Politik des Army Corps of Engineers entwickelt, die lange Zeit den Umgang mit Überschwemmungen prägte, und die über diesen Umweg auch die Hochwasserschutzpolitik am Ohio maßgeblich beeinflusste. Umgekehrt trugen Überschwemmungen am Ohio in erheblichem Maße zum Ende der levees only-Politik bei, und es war an einem der bedeutend

1 Tyler, An Engineer’s Appraisal of the Flood Problem, 31. 2 Ballou, Floods, 1161.

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sten Zuflüsse des Ohio, dem Miami River, wo nach der verheerenden Flut von 1913 zum ersten Mal der Plan, Überschwemmungen durch ein ausgeklügeltes System von Rückhaltebecken vorzubeugen, realisiert wurde. Die Schadensmuster, die sich zunehmend bei den Fluten am viel stärker industrialisierten und urbanisierten Ohio und seinen Zuflüssen zeigten, machten deutlich, dass nur mit dem Bau von Deichen das immer größer werdende Problem nicht zu bekämpfen sein würde. Die levees only-Politik des amerikanischen Ingenieurskorps geht nicht nur etymologisch auf die französische Kolonialzeit zurück.3 Die Versuche, den Lauf des Mississippi einzudämmen, begannen unmittelbar nach der Gründung von »Nouvelle Orléans« im Jahr 1718. In der nahezu ebenen Deltaregion des drittgrößten Flusses der Erde gab es im Umkreis von Meilen keinen »high ground«, der gleichzeitig Schutz vor Überschwemmungen und Zugang zum Wasserweg garantiert hätte. Die einzige Ausnahme waren die Erhöhungen an den Ufern des Mississippi, die durch jahrhundertelange Sedimentierungen entstanden waren, wenn der Mississippi sein Flussbett verließ. Daher legten die französischen Kolonisten das neue Orléans auf der Krone dieses natürlichen Deiches an. So vorteilhaft dieser Ort auch war, so deutlich war den Siedlern, dass sie mit regelmäßigen Überschwemmungen rechnen mussten. Hochwasserschutz war an dieser Stelle von fundamentaler Bedeutung.4 Schon 1727 war ein vier Fuß hoher Erdwall auf einer Länge von einer Meile aufgeschüttet worden. Dieser levee wurde aber in unregelmäßigen Abständen vom Mississippi überflutet. Noch problematischer war allerdings der Umstand, dass sich das Flusswasser immer wieder seinen Weg in die hinter der Stadt gelegenen Sümpfe suchte und auch von dieser Seite aus New Orleans bedrohte. 1728 und 1743 verpflichteten Kolonialgesetze die Grundbesitzer im agrarischen Hinterland der Stadt zur Errichtung von Deichen auf ihrem Territorium, doch die teuren Bauwerke konnten sich nur Besitzer großer Plantagen leisten, die über die Arbeitskraft von Sklaven verfügten. Dennoch säumten bis 1763 circa 50 Meilen künstlicher Deiche die Ufer des Mississippi oberhalb von New Orleans. Im Jahr 1812, als Louisiana in die amerikanische Union aufgenommen wurde, begann die Linie der levees bereits einige Meilen unterhalb von New Orleans und reichte am Westufer bis zur Mündung des Atchafalaya, am Ostufer bis Baton Rouge.5 3 Das Wort »levee« stammt vom französischen Verb »lever« (etwas hochziehen) ab bzw. dessen Partizip »levée«. Vgl. Colten, Unnatural Metropolis, 19. 4 Vgl. ebd., 2–5; Kelman, A River and Its City, 4; Barry, Rising Tide, 40; Douglas Brinkley, The Great Deluge. Hurricane Katrina, New Orleans, and the Mississippi Gulf Coast. New York 2006, 5–8. 5 Vgl. Colten, Unnatural Metropolis, 19–21; John McPhee, The Control of Nature. New York 1989, 5–6; W. M. Black, The Problem of the Mississippi, in: North American Review 224 (Dez. 1927), 630–645 (630).

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Containment der Natur: Levees und Reservoirs

Immer wieder erzeugte die prekäre hydrogeographische Lage der Stadt  – eingepfercht zwischen Lake Pontchartrain und dem Mississippi und bei hohen Pegelständen des Flusses unter dem Niveau des Wasserspiegels gelegen – verwunderte Kommentare von Besuchern. Moritz Wagner und Karl Scherzer, ein deutscher Geograph und ein österreichischer Forschungsreisender und späterer Diplomat, die von 1852 bis 1855 den amerikanischen Doppelkontinent bereisten und im Rahmen dieses Unternehmens auch an den Mississippi gelangten, berichteten 1854 aus New Orleans: Die Häuser stehen auf einer durch Ausfüllung trocken gelegten Ebene, welche bei dem regelmäßigen Anschwellen des Stromes im Frühjahr einige Fuß unter dem ­Niveau des Wassers ist, und nur durch künstliche Erddämme gegen den Einbruch der Fluthen geschützt wird. Es ist für die zahlreichen Bewohner einer großen Stadt ein sonderbar banges Gefühl, die Wassermasse eines verheerenden und mächtigen Stromes wie ein Damoklesschwert immer dräuend über sich zu sehen. Doch hat sich die Bevölkerung nachgerade daran gewöhnt, und tröstet sich bei der Betrachtung, daß die verheerenden Absichten des Flußgottes seit den letzten Jahrzehnten mehr dem rechten Ufer gelten, wo er bedeutende Strecken vom Lande wegfraß.6

Was aber hatte die Franzosen veranlasst, ausgerechnet an dieser den Naturgefahren so ausgesetzten Stelle ihre Siedlung zu errichten? Was sich im Rückblick als ökologisches und ökonomisches Vabanquespiel ausnimmt, hatte für die Zeitgenossen allerdings etliche, kaum zu unterschätzende Vorteile, die die Ansiedlung an genau diesem Ort mehr als rechtfertigten. An der Gründung von New Orleans zeigt sich, und dieses Kalkül sollte sich an vielen anderen Flüssen wiederholen, dass Risiken bewusst eingegangen wurden. Die lokalen Gefahren wurden vielleicht unterschätzt, nicht aber verdrängt. Vielmehr erwiesen sich die vor allem ökonomischen Potenziale des Ortes als derart groß, dass sie die »Standortentscheidungen« trotz aller Gefahren als sinnvoll erscheinen ließen, denn die Lage der Stadt kurz vor der Mündung des Mississippi bot Zugang zum Handel mit einem gewaltigen Teil des nordamerikanischen Kontinents. Gleichzeitig besaß man, mit dem Golf von Mexiko und dem Atlantik mehr oder weniger vor der Haustür, exzellente Verbindungen zur amerikanischen Ostküste und der Karibik.7 Vor diesem Hintergrund konnten natürliche Risiken durchaus in Kauf genommen werden. Auf der anderen Seite stellte sich das »bange Gefühl«, das nicht nur die beiden deutschen Besucher angesichts der Lage der Stadt beschlich, nur allzu oft als berechtigt heraus. Immer wieder wurde New Orleans von Überschwemmungen heimgesucht – 1791 und 1799, unter der kurzen Periode spanischer Herrschaft, 6 Moritz Wagner / Carl Scherzer, Reisen in Nordamerika in den Jahren 1852 und 1853. Leipzig 1854, Bd.3, 306–307. 7 Vgl. Elizabeth Barlow, A City Like No Other. New Orleans Today, in: siteLINES: A Journal of Place 2 (2/2007), 2–8; Kelman, A River and Its City, 5–6.

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und dann wieder in den Jahren 1809, 1811, 1813, 1815, 1816 und 1817. Die Flutgefahr wurde dabei durch das System der levees in zweifacher Weise verstärkt. Zum einen wurde das Problem verlagert, indem das durch die Deiche gestaute Wasser den Druck und die Gefahr für nicht geschützte Teile der floodplain erhöhten; zum anderen stieg durch die Eindeichung des Flusses der Wasserstand. »The confined body of water increased in height«, notierte der Geograph W ­ illiam Darby 1817, »and by its natural impression, every moment making an effort to break through, occasions annually, serious injury to the planters on the coasts, both above and below New Orleans«.8 Bis 1846 hatte das Problem so große Ausmaße angenommen, dass P. O. Herbert, Chefingenieur des Staates Louisiana, warnte: Every day, levees are extended higher and higher up the river  – natural outlets closed – and every day the danger to the city of New Orleans and to all the lower country is increased. Who can calculate the loss by an overflow to the city of New Orleans alone? […] We are every year confining this immense river closer and closer to its own bed – forgetting that it is fed by over 1500 streams – and regardless of a danger becoming every year more and more impending.9

Dieses Muster des lokalen Hochwasserschutzes  – immer höhere Deiche zum Schutz einer stetig wachsenden Zahl von Siedlungen  – wurde am Mississippi kreiert und wurde vor allem am Unterlauf des Ohio übernommen, wo die flood­ plains relativ eben und weit waren. Shawneetown, Illinois, zum Beispiel, verschwand regelrecht hinter den massiven Erdwällen.10

Interventionen der Bundesregierung Immer deutlicher wurde, dass die lokalen Interessen am unteren Mississippi nicht länger alleine die Last tragen konnten, die mit dem Schutz verbunden war, die die Entwässerung von 1,2 Millionen Quadratmeilen (311 Millionen Hektar), etwa 40 Prozent der kontinentalen Landmasse der (heutigen) USA, notwendig machte. Das System der levees am unteren Mississippi war zum großen Teil mit lokalen privaten Mitteln errichtet worden, diente aber letztlich den Handelsinteressen der gesamten USA. Daher schien es vielen nur recht und billig, dass sich der Bund auch an den Kosten beteiligte.11 8 William Darby, A Geographical Description of the State of Louisiana. Philadelphia, PA, 1816, 128, zitiert nach Colten, Unnatural Metropolis, 22. 9 P. O. Herbert, Annual Report of the State Engineer to the Legislature of the State of Louisiana. New Orleans, LA, 1846, 10–11, zitiert nach Colten, Unnatural Metropolis, 25–26. 10 Für Hochwasserschutz am Oberlauf vgl. u. Kapitel 7.3. 11 Vgl. Colten, Unnatural Metropolis, 30; Samuel P. Hays, Conservation and the Gospel of Efficiency. The Progressive Conservation Movement, 1890–1920. Cambridge, MA, 1959, 210; Frank, The Development of the Federal Program of Flood Control on the Mississippi River.

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Containment der Natur: Levees und Reservoirs

Die ersten bedeutenden bundesstaatlichen Interventionen in den Hochwasserschutz waren die Swamp Land Acts von 1849 und 1850, die es erlaubten, Sümpfe und »overflow land« im Besitz der Bundesregierung an die Einzelstaaten zu übertragen, wenn diese die Erträge aus dem Verkauf des Landes dazu verwendeten, Entwässerungskanäle und Deiche zu bauen. Diese Maßnahme förderte die Kultivierung von mehreren Millionen Hektar Land in den wetlands, vor allem am Unterlauf des Mississippi.12 Noch einflussreicher war die Entscheidung des Kongresses, 50.000 Dollar für eine topographische und hydrographische Untersuchung des Mississippi-Deltas zu bewilligen, »with such investigations as may lead to determine the most practicable plan for securing it from inundation«.13 Die bewilligten Mittel wurden letztlich aufgeteilt und finanzierten zwei verschiedene Studien – eine vom bekannten Bauingenieur Charles­ Ellet, Jr., die andere von Captain (später General) Andrew A. ­Humphreys und Lieutenant (später ebenfalls General) H. L. Abbott vom U. S. Corps of Topogra­ phical Engineers. Ellets Bericht erschien bereits 1853 und erregte sofort Aufsehen, weil er darin die Auffassung vertrat, dass Retentionsbecken an den Zuflüssen, mehrere Hundert Meilen vom unteren Mississippi entfernt, effektiv zum Hochwasserschutz am Hauptstrom beitragen könnten.14 Nach Ellet konnten die »konservatorischen« Wirkungen von Stauseen kaum überschätzt werden: »It is quite reasonable to suppose« hielt Ellet fest, »that, in course of time, all the waters of all the navigable rivers will be required to supply the wants of man and his commerce. Reservoirs may eventually be made, of sufficient capacity to hold all the annual excess, and make the daily flow almost entirely uniform.«15 Mit diesem Potenzial war natürlich auch eine flutmindernde Wirkung verbunden, die Ellet relativ konkret beschrieb. Reservoirs am Allegheny und am Monongahela von hinreichender Größe, die den Abfluss der beiden Ströme um fünf Fuß (circa 1,5 Meter) stauen würden, könnten das 12 Vgl. Arnold, The Evolution of the 1936 Flood Control Act, 3, 5–6; Black, Problem of the Mississippi, 630; Matthew T. Pearcy, After the flood. A history of the 1928 Flood Control Act, in: Journal of the Illinois State Historical Society 95 (2/Summer 2002), 172–201 ­(174–176); Leopold / Maddock, Flood Control Controversy, 98. 13 Zitiert nach Arnold, The Evolution of the 1936 Flood Control Act, 6. 14 Vgl. ebd. 15 Ellet, The Mississippi and Ohio Rivers, 296 (Hervorhebung von Ellet). Vgl. auch ebd., 311: »It is not proposed to dig a canal, or to form a reservoir. Nature has already prepared the Ohio River, and excavated for it a channel, capacious enough for the largest steamers. Nature has adjusted its bed so admirably, that no locks are needed to overcome its fall; no dams to break its current; no aqueducts to carry it over valleys; no engines to provide it with water, or labor to excavate the lakes which are needed to hold a reserve supply. The canal is dug, and the lakes are excavated, and the water is abundantly supplied from the clouds. All that is left for the ingenuity and enterprise of man to accomplish, to perfect the navigation, is to build a few stone walls across some of the tributary streams, and hold back a small portion of the surplus water in the lakes that are there already formed, and then provide common sluice-gates to emit that water into the channel when it is needed.«

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gesamte obere Ohio Valley vor den Auswirkungen von »ordinary floods« schützen, hielt er fest. Hierfür wäre nach seinen Berechnungen ein Becken von vier Quadratmeilen Größe (circa 10 Quadratkilometer) und 100 Fuß (circa 30 Meter) Tiefe ausreichend.16 So innovativ diese Ideen Mitte des neunzehnten Jahrhunderts auch waren, so falsch lag Ellet, wie schon zuvor in seinen Spekulationen über die maximal zu erwartenden Fluten am Ohio, in den von ihm verwendeten Größenordnungen, wie nicht zuletzt die Geschichte des Miami Conservancy Districts zeigen sollte. Die Untersuchung von Andrew A. Humphreys und Henry L. Abbott lag erst 1861 vor, vier Jahre nachdem sie die Arbeit an dem Bericht aufgenommen hatten. Dafür war ihre Studie aber umfangreicher und auf lange Sicht einflussreicher als diejenige ihres Kollegen Ellet. Sie markierte einen wichtigen Beitrag zur hydrologischen Grundlagenforschung und galt mehrere Jahrzehnte als Standardwerk in Bezug auf das Abflussregime des Mississippi.17 In praktischer Hinsicht war das wichtigste Ergebnis von Abbott und Humphreys die These, der untere Mississippi sei nur durch Eindeichung von der Mündung bis nach St. Louis zu kontrollieren, nicht aber durch Rückhaltebecken oder andere Maßnahmen. Dieser Ansatz, der unter dem Namen levees only bekannt wurde, dominierte die Hochwasserschutzpolitik der Bundesregierung nicht nur am Mississippi für ein halbes Jahrhundert. Humphreys, der 1866 Chief of Engineers wurde, sorgte oft persönlich dafür, Opposition gegen die offizielle Doktrin der Ingenieure im Keim zu ersticken.18

16 Ebd., 299. 17 Vgl. Andrew Atkinson Humphreys und Henry L Abbot, Report upon the physics and hydraulics of the Mississippi river; upon the protection of the alluvial region against overflow; and upon the deepening of the mouths. Philadelphia, PA, 1861. Der Bericht von Humphreys und Abbott fand auch im deutschsprachigen Raum interessierte Rezipienten; vgl. Adam Freiherr von Burg, Bericht über das vom Capitän A. A. Humphreys und Lieutenant H. L. Abbott im Jahre 1861 zu Philadelphia unter der Autorität des Kriegsdepartements der Vereinigten Staaten Nordamerikas veröffentlichte Werk, betreffend die unter ihrer Leitung in den Jahre 1851, 1857, und 1858 im Auftrage der Bundesregierung ausgeführten Vermessungen des Mississippi-Deltas zum Behufe der auszuführenden Schutzbauten gegen die Überschwemmungen des Mississippi-Stromes und dessen Nebenflüsse. Wien, 1864. Vgl. auch Black, Problem of the Mississippi, 630, und Welky, Thousand-Year Flood, 25. 18 Vgl. Platt, From Flood Control to Flood Insurance, 68; Arnold, The Evolution of the 1936 Flood Control Act, 6–7; White, Human Adjustment to Floods, 5.  Zu Ellet, Humphreys und Abbott s. a. Barry, Rising Tide, 51–54; Martin Reuss, Andrew A. Humphreys and the Development of Hydraulic Engineering. Politics and Technology in the Army Corps of Engineers, 1850–1950, in: Technology and Culture 26 (1/Januar 1985), 1–33; Welky, Thousand-Year Flood, 25–27; Morris, The Big Muddy, 144–45.

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Die Mississippi River Commission In der Praxis war es um die Deiche am Mississippi, die während des amerikanischen Bürgerkrieges stark unter Vernachlässigung, Verfall und Zerstörung gelitten hatten, aber immer noch schlecht bestellt. Daran änderte sich zunächst auch nichts. Die Schutzbauten glichen eher einem Flickenteppich als einem zusammenhängenden System, obwohl Präsident Andrew Johnson, Kriegsminister Edwin Stanton und verschiedene Kongressabgeordnete eine stärkere Beteiligung des Bundes am Hochwasserschutz am Mississippi einforderten. Überschwemmungen im Jahr 1874 führten dann aber nicht nur zum ersten Mal überhaupt zur Bewilligung von Hilfsmitteln des Kongresses für Überschwemmungsopfer (insgesamt 90.000 Dollar), die Fluten lieferten auch den Anlass zu einem weiteren Bericht eines Komitees von zivilen und Militäringenieuren. Das Gremium kam zu dem Schluss, dass »cut-offs« gefährlich und nutzlos, die Verlegung von Zuflüssen unrealistisch und Retentionsbecken (»reservoirs«) wegen des großen Raumbedarfs unpraktikabel seien. Deiche und Dämme stellten daher die einzig sinnvolle Lösung zur Bekämpfung des Hochwasserproblems am Mississippi dar.19 Am 28. Juni 1879 schuf der amerikanische Kongress per Gesetz die Missis­ sippi River Commission (MRC), deren Aufgabe es nicht zuletzt war, das Überschwemmungsproblem zu lösen. Die Kommission sollte den Verlauf des Flusses korrigieren, dauerhaft festlegen und das Flussbett vertiefen. Darüber hinaus sollte sie die Schiffbarkeit des Flusses, den Handel und den Postdienst verbessern. Zu den sieben Mitgliedern der neuen Behörde im Kriegsministerium (die sich aus drei Ingenieuren des Korps, drei Zivilisten und einem Mitarbeiter des Coast and Geodetic Survey zusammensetzte) gehörten der bekannte Ingenieur James B. Eads ebenso wie der spätere amerikanische Präsident Benjamin Harrison.20 Was den Hochwasserschutz anbetraf, beteiligte sich die MRC zunächst nur an der Reparatur und der Ausbesserung von Deichen. Ab 1895 jedoch setzte sie die Gelder des Bundes auch für den Bau entsprechender Schutzvorrichtungen ein. Offiziell wurden diese Hochwasserschutzmaßnahmen aber weiterhin unter der Maxime ausgeführt, die Schiffbarkeit des Flusses zu verbessern. Da die Intervention der Bundesregierung in den Hochwasserschutz rechtlich bestenfalls fragwürdig, nach Ansicht vieler Zeitgenossen aber sogar verfassungswidrig war, 19 Vgl. Arnold, The Evolution of the 1936 Flood Control Act, 7–8; Morris, The Big Muddy, 162, 630; White, Human Adjustment to Floods, 5; Colten, Unnatural Metropolis. 20 Vgl. Arnold, The Evolution of the 1936 Flood Control Act, 8; White, Human Adjustment to Floods, 5; Platt, From Flood Control to Flood Insurance, 68, der allerdings die Gründung der MRC auf 1889 verlegt; Morris, The Big Muddy, 160–167.

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diente das nach Außen publizierte Ziel der Maßnahmen, eben die Verbesserung der Schifffahrt, als Deckmantel für die Hochwasserschutzaktivitäten der MRC und der Army Corps of Engineers.21 Was die Methoden des Hochwasserschutzes anbetraf, übernahmen die Kommissionsmitglieder, von einigen Abstrichen und Modifikationen abgesehen, die levees only-Doktrin von H ­ umphreys and Abbott. »Despite nagging legal and constitutional questions, Congress allowed the MRC to move gradually into a full-scale campaign to control the river«, urteilt Joseph Arnold.22 Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts machte auch die Kommission selbst keinen Hehl mehr aus ihren eigentlichen Absichten und erklärte öffentlich, dass der Hauptzweck der Errichtung von levees im Schutz der Anwohner vor Überschwemmungen liege. Von 1882 bis 1916 hatte die Bundesregierung insgesamt 30 Millionen Dollar für den Bau und die Erhaltung von Deichen am Mississippi bereit gestellt, etwa ein Drittel der Summe, die lokale levee districts im gleichen Zeitraum ausgegeben hatten. Das Volumen der Erdwälle wuchs in dieser Zeit von 22 Millionen auf über 190 Millionen Kubikmeter.23

Das Ende der levees only Politik Trotz ihrer Übernahme als Quasi-Doktrin des Army Corps of Engineers war die levees-only-Theorie nicht unumstritten. Mehrere Wissenschaftler und andere Zeitgenossen spekulierten ab Ende des neunzehnten Jahrhunderts über alternative Maßnahmen der Prävention und der Bekämpfung von Überschwemmungen. Immer stärker ins Blickfeld rückte dabei neben der Forderung nach Wiederaufforstung in den Einzugsgebieten24 die Rückhaltung von Flusswasser an den Zuflüssen durch eigens errichtete Retentionsbecken. Solche Ideen zirkulierten zwar schon seit Jahrzehnten im Diskurs über die Regulierung der Flüsse – vor allem Charles Ellet hatte in seinem Standardwerk 1853 diese Frage breit diskutiert – doch die Ohioflut von 1884 wirkte ohne Zweifel als Katalysator dieser Debatten.25 So forderte der Naturwissenschaftler und Publizist William Hosea Ballou 1885 eine Abkehr von der bisherigen Praxis, nach einer Flut lediglich die 21 Vgl. White, Human Adjustment to Floods, 5–6; Hays, Conservation and the Gospel of Efficiency, 210; James M. Wright, Effects of the Flood on National Policy. Some Achievements, Major Challenges Remain, in: Changnon (Hg.), The Great Flood of 1993. Boulder, CO, Oxford 1996, 245–275. 22 Arnold, The Evolution of the 1936 Flood Control Act, 8. 23 Vgl. ebd. 24 Vgl. hierzu unten Kapitel 9.1. 25 Ellet, The Mississippi and Ohio Rivers, 205–224; M. O. Leighton, The Relation of Water Conservation to Flood Prevention and Navigation in Ohio River [sic], in: United States Congress, Senate, Preliminary Report of the Inland Waterways Commission (Doc. No. 325), Washington, DC, 1908, 451–490 (452).

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Schäden zu reparieren. Stattdessen sollte vorbeugenden Maßnahmen nun eine größere Bedeutung zukommen: »The methods of prevention are simple but expensive. Numerous reservoirs should be constructed among the springs in the hills, and little lakes in which to lock up the water«.26 Zudem könnten neu zu pflanzende, große Wälder an den Zuflüssen des Ohio Schnee und Eis für einen langen Zeitraum speichern und dann graduell entweichen lassen. A. H. Horton und H. J. Jackson vom United States Geological Survey machten darauf aufmerksam, dass es bei Retentionsbecken nicht darum gehe, den gesamten Strom eines Flusses zurückzuhalten. »The idea in reservoir control […] is to store enough water at the proper times to keep the floods below certain stages, that is, to take the top off the floods – to hold back that part of the natural flow that does the damage«.27 Hinter solchen Vorstellungen stand, gerade bei den Mitarbeitern des Uni­ ted States Geological Survey, eine grundsätzlich andere Auffassung von »Flussmanagement« als diejenige des Army Corps of Engineers. Während letztere den Fluss primär als Instrument zur Ermöglichung und Verbesserung der Schifffahrt betrachteten, sahen die Ingenieure und Wissenschaftler des Geological Survey den Fluss als Bestandteil des gesamten Wasserkreislaufs an, der eben auch Niederschlag, Evaporation, Perkolation (das Eindringen des Niederschlags in den Boden) und den Abfluss beinhaltete. Dieser neue Ansatz führte letztlich zum »multiple purpose river-basin development«, das dem Fluss bzw. dem ganzen Kreislauf auch etliche neue Funktionen zuschrieb, anstatt ihn nur als Wasserstraße zu betrachten.28 Gleichzeitig boten sich vor diesem Hintergrund auch andere Ansätze des »Managements«, und insbesondere der Bau von Reservoirs schien den Wissenschaftlern und Praktikern ein ideales Mittel in die Hand zu geben, den Fluss viel stärker als bisher zu steuern und die gewünschten Ziele zu erreichen. Was dies in Bezug auf den Hochwasserschutz bedeutete, machte M. O. Leighton, Chief Hydrographer des Geological Survey, schon 1908 deutlich: First. That the logical way to control a river is to control the sources of its water supply. Second. That in nearly all of the rivers of the United States such control can readily be effected by the construction of storage reservoirs. Third. That the way to prevent floods is to use these reservoirs to catch and temporarily hold the flood waters, so that they will not descend upon the lower valleys in so large unit volume. Fourth. That in the majority of cases the improper and illogical way to attempt the control of floods is to endeavor to confine the rivers between high and expensive levees.29 26 Ballou, Floods, 1161. Vgl. auch Castonguay, The Production of Flood as Natural Catastrophe, 827–828. 27 Horton / Jackson, Ohio Valley Flood of March-April 1913, 88. 28 Vgl. Hays, Conservation and the Gospel of Efficiency, 9. 29 Leighton, Water Conservation, 451.

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Auf solche Forderungen reagierten die Verfechter der levees only Doktrin jedoch mit einem Katalog an Argumenten, die ihrer Ansicht nach Reservoirs für den Hochwasserschutz (wie auch als Instrument zur Verbesserung der Navigation) disqualifizierten. Zunächst existiere an den Zuflüssen nicht genügend Raum für mehrere und, in den Augen der Kritiker, riesige Stauseen. Zudem würden bei der Anlage der Seen unzählige Städte, Dörfer, Farmen, Manufakturen, potentielle Ölquellen, etc. überflutet, so dass der Hochwasserschutz, so er denn funktionierte, ausgerechnet um den Preis von immensen Überschwemmungsschäden erkauft würde. Auch sei eine Ansammlung von Reservoirs ein komplexes System und nur schwer zu regulieren, so dass schon kleine Fehler in der »Bedienung« gravierende Auswirkungen für die Schiffbarkeit des Flusses haben könnten. Darüber hinaus sei der Plan extrem kostenträchtig, und schließlich seien Dämme fehlbar, so dass sie ein gewaltiges Risiko für die stromabwärts gelegenen Städte und Dörfer darstellten. Der letzte Punkt hatte spätestens mit der Überschwemmung 1889 in Johnstown, Pennsylvania, an Bedeutung gewonnen, als nach einem Dammbruch mehr als 2.000 Menschen ums Leben kamen (auch wenn dieser Damm keine Hochwasserschutzfunktion hatte).30 Leighton begegnete diesem Argument jedoch mit einem frühen Verweis auf die »Restrisiken« neuer Großtechnologien: We know more about reservoirs than in those days. There are, of course, possibilities of breakage, but this has not inhibited the development of reservoir systems. Every piece of construction made by man is liable to failure. Life itself is hazardous. If the objections here recorded were used consistently with reference to all modern economic development, mankind would be crouching on the ground in the open country, shaken by apprehension. Every feature of our development makes it necessary to assume hazards, and modern engineering has rendered the reservoir so safe that, as an agent of violent death, it can not be placed in the same class with the ordinary morning stroll down the streets of a great city.31

Was aber letztlich den Ausschlag dafür gab, dass Staubecken doch zu einem integralen Bestandteil der US-amerikanischen Hochwasserschutzpolitik werden sollten – bis 1990 wurden in mehr als einem halben Jahrhundert insgesamt 78 Reservoirs im Ohio Valley errichtet32 – war weniger die Schlagkraft der Ar 30 Vgl. Arnold, The Evolution of the 1936 Flood Control Act, 7; Leighton, Water Conservation, 452–453; und das Kapitel »Reservoirs Discarded« in: James Parkerson Kemper, Floods in the Valley of the Mississippi; a national calamity; what should be done about it. New Orleans, LA, 1928, 147–156; McGough, The 1889 Flood in Johnstown, Pennsylvania; Frank Connelly / George C. Jenks, Official History of the Johnstown Flood. Pittsburgh, PA, 1889. 31 Leighton, Water Conservation, 453. Für die technischen Aspekte von Retentionsbecken vgl. N. B. Harmancioglu, Flood control by reservoirs, in: Rossi / Harmancioglu /  Yevjevich (Hg.), Coping with Floods. Dordrecht, 1994, 637–652. 32 Vgl. Johnson, Engineering the Ohio, 199.

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Containment der Natur: Levees und Reservoirs

gumente ihrer Befürworter als die offensichtlichen Schwächen einer Politik, die nur auf Deiche setzte.33 Eine Reihe von verheerenden Überschwemmungen zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts deckte diese Schwächen deutlich auf, und eine zentrale Rolle spielten dabei die Fluten am Ohio River. Insbesondere die Folgen der Überschwemmungen von 1907 und 1913 öffneten dabei, wie Joseph Arnold treffend festgestellt hat, ein neues Kapitel in der Geschichte des Hochwasserschutzes der USA. Beide Ereignisse trafen dicht besiedelte Regionen vor allem in Ohio und Pennsylvania, was die Schadenssummen in ungeahnte Höhen trieb. Besonders stark betroffen war die Stadt Dayton am Miami River, wo 1913 mehr als 100 Menschen ums Leben kamen. Diese Ereignisse verursachten nicht nur großes menschliches Leid, sondern markierten auch einen herben Schlag für die levees only-Doktrin des Army Corps of Engineers.34 In Pittsburgh gründete sich nach der verheerenden Flut von 1907 ein Komitee, dessen 1912 publizierter Bericht zum ersten Mal die Bundesregierung für einen konkreten Plan des Hochwasserschutzes durch Reservoirs zu gewinnen suchte, während ­ istricts am Miami River mit der Vollendung des Miami Valley Conservancy D 1923  – ein unmittelbares Ergebnis der Katastrophe von 1913  – erstmalig be­ wiesen wurde, dass solch ein System auch funktionieren konnte.35

7.2 Die Flut von 1907, die Pittsburgh Flood Control Commission und die Debatte über Reservoirs Zwischen 1832 und 1907 überstieg das Wasser von Monongahela und Allegheny an Pittsburghs Point, also dort, wo die beiden Flüsse zusammentreffen und den Ohio bilden, elfmal die Marke von 25 Fuß (7,62 Meter). Trotz dieser ständigen Gefährdung durch Überschwemmungen lag das Hauptaugenmerk der Stadt, ähnlich wie in Cincinnati, auf der Schiffbarkeit des Flusses und nicht im Hochwasserschutz. Erst die Flut von 1907 gab den Anlass zur Formierung einer Bewegung, die die Stadt besser vor Hochwassern schützen wollte – der ersten Lobbygruppe für solche Zwecke außerhalb des unteren Mississippi.36 33 Arthur E. Morgan, der maßgeblich für die Schaffung des Miami Conservation District verantwortlich war, und der später Direktor der Tennessee Valley Authority wurde, widmete seinem Streit mit den Ingenieuren der Armee über die beste Eindämmungsstrategie ein ganzes Buch. Vgl. Arthur E. Morgan, Dams and other Disasters. A Century of the Army Corps of Engineers in Civil Works. Boston, MA, 1971. 34 Vgl. Arnold, The Evolution of the 1936 Flood Control Act, 11. 35 Vgl. ebd., 7. Diese beiden Überschwemmungen trugen auch erheblich zur Schaffung des einflussreichen House Committee on Flood Control 1916 bei. Vgl. ebd., 3. 36 Ebd., 11.  Vgl. auch Roland M. Smith, The Politics of Pittsburgh Flood Control, in: Pennsylvania History 42 (1/1975), 5–24.

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Die Flut von 1907  

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Die Flut im März und April 1907 hatte ihre Ursachen in der für das obere Ohio Valley so kennzeichnenden und für die Bewohner oft so verheerenden Kombination aus heftigen Regenfällen über dem Einzugsgebiet und der Schneeschmelze in den Bergen. Erschwerend kam hinzu, dass der Boden in der drainage area noch durch die großen Niederschläge im Januar (die auch schon zu Überschwemmungen geführt hatten) saturiert war, wodurch der Abfluss des Regenwassers beschleunigt wurde.37 In Pittsburghs »Golden Triangle«, der Landzunge zwischen Monongahela und Allegheny, stieg das Wasser auf 35,5 Fuß (10,8 Meter), und setzte insgesamt 6,5 Quadratkilometer unter Wasser, zu denen der Central Business District ebenso gehörte wie eine ganze Reihe von industriellen Einrichtungen an den Flussufern. Betroffen waren 100 Bürogebäude, 53 Kilometer Straßen, 27 Kilometer Eisenbahnschienen und 14,5 Kilometer Straßenbahnschienen. Die Unterbrechung fast aller ökonomischen Tätigkeiten auf The Point machte mehr als 100.000 Arbeiter für über eine Woche arbeitslos. Alleine deren Verdienstausfall betrug 1,3 Millionen Dollar. Direkte Schäden der Flut in Pittsburgh wurden auf 6,5 Millionen Dollar geschätzt.38 Erst ein Jahr später jedoch, als die Pegelstände erneut auf bedrohliche Höhen stiegen, schuf die lokale Handelskammer einen Ausschuss, der die Ursachen der Überschwemmungen untersuchen und Mittel zur Abhilfe vorschlagen sollte. Vorsitzender des siebenköpfigen Komitees wurde »Ketchup King« Howard J. Heinz von der Heinz Company, deren Nahrungsmittel verarbeitende Fabriken erheblich von der Flut betroffen waren.39 Kurze Zeit später erweiterte sich dieses Flood Committee zu einer Flood Commission mit nun 34 Mitgliedern, da die Aufgaben, die sich die Vereinigung selbst gestellt hatte, mit der ursprünglichen Besetzung kaum zu bewältigen waren. Sowohl das Komitee wie auch die Kommission trugen stark elitäre Züge, und beide hatten enge Verbindungen mit lokalen reformorientierten Kreisen des Progressive Movement. Auf nationaler Ebene identifizierte sich die Pittsburgh Flood Commission mit denjenigen Ingenieuren, Wissenschaftlern, etc., die ein koordiniertes »watershed development« propagierten, das Hochwasserschutz ebenso umfasste wie Maßnahmen zur Verbesserung der Schiffbarkeit, Energiegewinnung und die Erschließung von Land.40

37 Vgl. Horton / Jackson, Ohio Valley Flood of March-April 1913, 31. 38 Vgl. Smith, The Politics of Pittsburgh Flood Control, 8–9; Arnold, The Evolution of the 1936 Flood Control Act, 11; Muller, River City, 56. 39 Laurence M. Hauptman, General John S. Bragdon, the Office of Public Works Planning, and the Decision to Build Pennsylvania’s Kinzua Dam, in: Pennsylvania History 53 (3/July 1986), 181–200 (184). 40 Vgl. Morgan, Dams and other Disasters, 310; Smith, The Politics of Pittsburgh Flood Control, 9–10; Timothy M. Collins / Edward K. Muller / Joel A. Tarr, Pittsburgh’s Three Rivers, in: Mauch und Zeller (Hg.), Rivers in History. Pittsburgh, PA, 2008, 41–62 (51–52).

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Containment der Natur: Levees und Reservoirs

Die Kommission finanzierte sich zum einen dadurch, dass sie zunächst das Vermögen in der von der Flut betroffenen Gegend schätzen ließ und dann die Eigentümer um ein Promille des jeweiligen Vermögens als Beitrag für ihre Aktivitäten bat. Allein aus dieser Quelle sprudelten über 50.000 Dollar (was auf der anderen Seite auch bedeutete, dass sich 1907 ökonomische Werte in der Höhe von mindestens 50 Millionen Dollar in der urbanen floodplain Pittsburghs befanden). Später kamen von neuen Mitgliedern noch einmal knapp 7.000 Dollar dazu, während die Stadt Pittsburgh 51.445 Dollar, das Allegheny County 7.500 Dollar und die Handelskammer weitere 1.000 Dollar entrichteten. Insgesamt hatte die Kommission 124.000 Dollar zur Verfügung.41 Die Flood Com­ mission kooperierte mit dem Forestry Department und der Water Supply Com­ mission des Staates Pennsylvania sowie mit dem Weather Bureau, dem Forest Service und dem Geological Survey auf Seiten des Bundes, bezeichnenderweise aber nicht mit dem Army Corps of Engineers.42 Nach vier Jahren intensiver Forschung legte die Kommission 1912 einen Abschlussbericht vor, »a landmark study of diversified flood control programs«, der Aufforstung in den Einzugsgebieten, den Erhalt noch bestehender Wälder und den Bau von 17 Reservoirs an Allegheny und Monongahela empfahl.43 Während die Forderung nach Wiederaufforstung ein positives Echo fand – die Bundesregierung erwarb für diesen Zweck bis 1936 knapp 200 Quadrat­ meilen Land in den Einzugsgebieten der beiden Flüsse – stieß der geplante Bau von Retentionsbecken wenig überraschend auf den bitteren Widerstand des Corps of Engineers. Drei Ingenieure der Armee, die den Bericht der Pittsburgher Kommission untersuchen sollten, kamen schon nach drei Monaten zu dem Ergebnis, dass ein System von Rückhaltebecken an den Oberläufen von Allegheny, Monongahela, und dem Ohio zwar technisch machbar, aber von geringem Nutzen für die Schifffahrt sei, so dass eine Kooperation der Bundesregierung mit 41 Vgl. Smith, The Politics of Pittsburgh Flood Control, 10. 42 Vgl. ebd., 11. 43 Arnold, The Evolution of the 1936 Flood Control Act, 11.  Pittsburgh Flood Commission, Report of Flood Commission of Pittsburgh. Pittsburgh, PA, 1912; Flood Commission of Pittsburgh, Review of Report of the United States Army Engineers on Flood Control Survey, Allegheny and Monongahela Rivers. Pittsburgh, PA, 1930; Pittsburgh Flood Commission (comp.), Floods and Flood Protection. References to Books and Magazine Articles. Pittsburgh, PA, 1908. Vgl. auch Smith, The Politics of Pittsburgh Flood Control, 11; Hays, Conservation and the Gospel of Efficiency, 210; Morgan, Dams and other Disasters, 311: »… the proposal for Pittsburgh was the pioneer American plan recommending reservoirs for flood control.« Vgl. desweiteren Horton / Jackson, Ohio Valley Flood of March-April 1913, 34: »Much of the discussion both for and against the use of reservoirs for flood prevention has been based largely on philosophic speculation, and many arguments have been advanced in substantiation of preconceived opinions, but as the conclusions of the Pittsburgh Flood Commission are based on careful studies they should be given full consideration in systematic investigations of flood control.«

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lokalen Interessen zum Bau solcher Reservoirs nicht gerechtfertigt sei.44 Auf diese Weise konnte das Corps seine grundlegende Abneigung von Reservoirs als Mittel des Hochwasserschutzes bequem hinter seinem gesetzlichen Auftrag und der verfassungsrechtlichen Beschränkung auf Maßnahmen zur Verbesserung der Schifffahrt verstecken. Dass letztlich doch Reservoirs am Allegheny River gebaut wurden, lag zum einen daran, dass die Fluten von 1913, 1936 und 1937 den Plänen der Pittsburgh Flood Commission neue und kräftige Legitimation verliehen. Die zweite Triebfeder hinter diesen Plänen war das Interesse der industriellen Zirkel Pittsburghs an günstiger Stromversorgung und einem möglichst gleichmäßigen Wasserfluss, weil die Verschmutzung des Allegheny durch die Kohlebergwerke in der Umgebung bei Niedrigwasser die Produktionsprozesse in den Stahlfabriken beeinträchtigten.45 Ein Kongressabgeordneter bemerkte einige Jahrzehnte später über den Kinzua Dam, eines von 15 »flood control projects« die letztlich im Pittsburgh District des Corps errichtet werden sollten: »this construction of the Kinzua Dam principally was to flush out the Allegheny River when it began to smell at Pittsburgh.«46

7.3 Infrastrukturelle Konflikte und die Flut von 1913 im Ohio Valley Von der Doppelflut 1883/84 bis zur Jahrhundertwende hatte sich das Schadenspotenzial in der floodplain noch einmal immens erhöht. Vor allem industrielle Anlagen und infrastrukturelle Einrichtungen – physische Werte, die quasi immobil und daher viel anfälliger gegenüber Überschwemmungen waren als die Güter und Waren der Geschäftsleute – trugen stark zu diesem Wachstum bei. Zudem schien das Ohio Valley nun fast jedes Jahr von sehr hohen Pegelständen geplagt zu werden. Die Washington Post beschrieb dieses Dilemma 1908 treffend in einem Editorial, in dem sie zunächst auf die traditionelle Praxis des Ausweichens rekurrierte, dann aber auch die veränderten Risikostrukturen am Ohio River thematisierte: Since it is so easy a matter to build above the freshet line, why not do it and save the billion dollars a year we lose by spring or late winter floods? A fine house on a placid river is lovely in the good old summer time; but in winter’s last farewell, when snows are melting in  a sudden rise of temperature, when mountain rivulets swell to the 44 Vgl. Smith, The Politics of Pittsburgh Flood Control, 14. 45 Hauptman, General John S. Bragdon, 184. 46 James Haley (D-FL), Vorsitzender des House Indian Affairs Subcommittee, 1964. Zitiert nach Bilharz, The Allegany Senecas and Kinzua Dam, 49. Vgl. auch Morgan, Dams and other Disasters, 339–367.

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dimensions of navigable streams, when the crust of the earth is thawing, cracking open and weeping, when subcellars, cellars, basements and first floors are submerged, when homes are almost afloat and can be reached only by boat or bridge-why, where is the loveliness? Coast cities are safe from floods. We can rely upon the tides. But look at Pittsburg! [sic] Look at Cincinnati! Look at all the cities situated on fresh-water streams. Every spring their very foundations are in danger. Cincinnati’s river front is now under water, the Ohio raging at 45 above the usual level. Hundreds of cities are awaiting the spring freshets in fear and trembling, the loss annually may be a billion or more. Indirectly, it certainly is more. In some of the bigger municipalities in the West merchants and manufacturers who have builded [sic] below high-water mark carry freshet prospects on their books as a liability. If there is no flood this year, say, the liability becomes an asset and is converted to a dividend.47

Sicherlich ist dieser Artikel, wie so viele Zeitungsberichte über Naturkatastrophen, gespickt mit Übertreibungen und Zuspitzungen. Gleichzeitig offenbart er aber die erhöhte Sensibilität für den fundamentalen Wandel im Verhältnis zwischen dem Fluss und der Gesellschaft, eine Sensibilität, die mit der Flut von 1913 noch einmal drastisch zunahm. Vom 22.  bis zum 27.  März 1913 gingen intensive Niederschläge über dem nördlichen Ohio Valley nieder. Alleine im Staat Ohio fielen über 150 Milliarden Hektoliter Wasser auf einen Boden, der ohnehin schon durch vorherige Niederschläge saturiert war, so dass zwischen 80 und 90 Prozent der Niederschlagsmengen direkt in die Flüsse gelangten. Das Zentrum dieses Sturms lag über dem Tal des Miami River, wo an zwei Tagen mehr als zehn Zoll (25,4 Zentimeter) niedergingen. Während der Ohio sowie dessen südliche und östliche Zuflüsse schon Hochwasser führten – allerdings keine Rekordmarken – waren von den gewaltigen Niederschlagsmengen, die sich ab Ostersonntag, dem 23. März 1913, auf das Ohiotal ergossen, vor allem die nördlichen Zuflüsse Muskingum, Miami und Scioto betroffen.48 Am 26. März 1913 erreichte der Scioto River in Columbus und Chillicothe Rekordpegelstände, etwas später, als das Niederschlagsgebiet weiter nach Osten zog, folgte der Muskingum.49 Am Ohio selbst wurden von Marietta in Ohio bis nach Maysville in Kentucky neue Höchstmarken erreicht, während weiter stromabwärts in Cincinnati, Louisville und Evansville wie schon 1907 die Flut hinter der von 1884 zurückblieb. Noch weiter westlich wurden allerdings wieder Rekorde gebrochen, vor allem durch den Einfluss des aus Norden in den Ohio fließenden Wabash River, aber auch durch 47 The Cost of Floods, Washington Post, 1.3.1908. 48 Vgl. Robert Brown, Ohio River Floods of 1913, in: Bulletin of the American Geographical Society 45 (7/1913), 500–509 (500); Morgan / Bock, A History of Flood Control in Ohio, 481; Horton / Jackson, Ohio Valley Flood of March-April 1913, 19. 49 Vgl. Horton / Jackson, Ohio Valley Flood of March-April 1913, 23.

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Rückstau vor der Mündung in den Mississippi und durch die Auswirkungen der­ Deiche in Cairo, Illinois.50

Cincinnati In Cincinnati übertraf der Ohio weder 1907 noch 1913 die Rekordmarke von 1884. Entsprechend gering fiel auch das Spendenaufkommen aus (obwohl auch hier im Januar 1907 mit 65,3 Fuß (19,9 Meter) der immerhin dritthöchste Pegelstand gemessen wurde, den der Ohio bis dahin in Cincinnati erreicht hatte). So wies die finanzielle Bilanz des Cincinnati Relief Committee am Ende einen Überschuss von 4.333 Dollar aus, das heisst mehr als ein Drittel der Spendeneinnahmen konnten gar nicht ausgegeben werden.51 Mit diesen Überschüssen wurde der finanzielle Grundstock für die Community Chest gelegt, einer dauerhaften Wohlfahrtsorganisation Cincinnatis, die unmittelbar nach der Flut gegründet worden war, »to continue the work of social reconstruction in this city.«52 Darüber hinaus war Cincinnati in der Lage, den viel stärker betroffenen Orten Dayton, Hamilton, Middletown und Miamisburg Hilfe zukommen zu lassen – von Booten über Medizin und Nahrungsmitteln bis hin zu »undertakers’ supplies«.53 Wie schon 1907 wichen auch 1913 am Ohio River wieder Tausende Anwohner, Händler und Arbeiter vor dem steigenden Wasser zurück. »Work of moving merchandise to places of apparent safety began among the merchants along Cincinnati’s water front«, notierte Oscar Middendorf später. […] residents in the lowlands were equally busy moving household effects to higher quarters. The water rose steadily. Inch by inch, foot by foot the murky stream broadened its domain and crowded out the humble river denizens in »Shantytown,« as well 50 Vgl. ebd., 24. Für zeitgenössische Illustrationen der Flut von 1913 vgl. Flood Souvenir. Views of Hamilton, Ohio, During and After the Disastrous Flood of March, 1913. Hamilton, OH, 1913; C. Jacobi, A Photographic Story of the Disastrous Flood at Hamilton, Ohio, March 1913. 100 Excellent Views. Hamilton, OH, 1913; Oscar Middendorf, A Photographic Story of the Flood in Dayton, Hamilton and Cincinnati, March 1913. Detroit, MI, 1913; Carl M. Becker / Patrick B. Nolan, Keeping the Promise. A Pictorial History of the Miami Conservancy District. Dayton, OH, 1988. 51 Insgesamt standen dem Hilfskomitee 22.157 Dollar zur Verfügung. In dieser Summe enthalten war auch ein Zuschuss der Stadt in Höhe von knapp 10.000 Dollar. Vgl. Report of Cincinnati Flood Relief Committee, January and March 1907. Cincinnati, OH, 1907, 10. Vgl. auch die Sitzung der Handelskammer vom 19.3.1907, CHS, Records of the Cincinnati Chamber of Commerce, 1839–1917, Bd.5. 52 Community Chest and Council of the Cincinnati Area, ohne Datum, CHS, Mss 783, Scrapbooks, 1894–1974. 53 Arthur Ernest Morgan, The Miami Conservancy District, New York, Toronto, London, 1951, 56.

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as the big business firms and railroads. Buildings were abandoned, street cars ceased to operate and thousands of workmen either walked to work or depended upon badly crippled car service. The water still encroached, and on April 1 reached the unusual stage of 69.8 feet [21,28m], making it the greatest flood that had visited Cincinnati since ›84, and another flood was added to the Ohio River.54

In Cincinnati war es 1913 weniger die Höhe des Ohio River und das Ausmaß der Zerstörungen, das die Gemüter erregte. Vielmehr war es die Tatsache, dass die Stadt erneut betroffen war, nur sechs Jahre nach der letzten großen Flut. Die Handelskammer fragte »What Shall Cincinnati Do?« und forderte, die Stadt müsse sich künftig gegen Fluten mit genau derselben Umsicht schützen wie gegen Feuer. »She must begin now, for whatever method is finally employed, whether filling, or levee, or wall, or reservoirs, other improvements, both public and private must conform to the new condition«. Die Stadt habe erst vor kurzem das Viadukt über die achte Straße gebaut, ohne die Auffahrten über die Hoch­ wassermarke zu legen. Bei künftigen Projekten müssten jedoch auch solche Faktoren beachtet werden.55 Explizit legte ein Sonderausschuss der Chamber of Commerce dar, warum Ausweichen oder gar Aufgabe der Überschwemmungsgebiete keine Optionen waren. Flood protection, reclamation and transportation are all constructive works. They are not luxuries but necessities for the growth and development of our commerce. To abandon the flooded sections of our city is wasteful, to conserve and reconstruct them is the purest economy. All works of that kind will return their cost not only by their earnings, but a hundredfold in an increased tax duplicate, and in the greater prosperity and happiness of her citizens.56

Die Flut hatte aber auch unerwartete positive Effekte. Hochwasserbedingt waren die ufernahen Fabriken mehrere Tage lang geschlossen und die steamboats am Ufer festgemacht. Der Vizepräsident der Smoke Abatement League, Louis 54 Middendorf, Photographic Story, iii-iv. Vgl. auch Cincinnati Citizens’ Relief Committee, Report of the Relief Extended to the Sufferers of the Ohio floods of March, 1913. Cincinnati, OH, 1913; Herbert F. Koch, The Flood of 1913, in: Bulletin of the Cincinnati Historical Society 25 (2/1967), 136–149; James Rodabaugh, The 1913 Flood, in: Museum Echoes 32 (3/1959), 19–39; Cincinnati Chamber of Commerce, Flood Prevention Research Report and Recommendation of Special Committees (Bulletin No. 3) Cincinnati, OH, Oktober 1915. Vgl. auch die Schilderung des Marietta Register, 12.2.1884: »ON THE STREET a novel sight met the beholder. Here two men were packing off a piece of furniture, there a string of livery wagons, dry good clerks carrying valuable bundles into upper stories, druggists trying to lessen their multifarious stock, grocerymen lifting goods on to high boxes only to pack them higher yet a little later and in the distance a melodious pig’s squeal smote the air. The store rooms began to look empty very fast. John boats emerged from hiding places where they had lain idle for a year and in some places men were busy building new ones.« 55 Cincinnati Chamber of Commerce, Flood Prevention Research Report, 14. 56 Ebd. 15.

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T. More, schrieb in einem Brief an den Herausgeber der Cincinnati Times-Star, »it must have impressed everyone that the atmosphere has never been so clear or the sunshine so bright in this City. […] It is startling to look at the Kentucky hills and see their outlines clear and distinct without any haze of smoke.«57

Marietta Hatte die Ohioflut im Jahr 1913 in Cincinnati trotz des zweithöchsten jemals erreichten Pegelstandes fast schon normalen Charakter, so war Marietta, gemessen an der Größe der Stadt, deutlich stärker betroffen. Dort stand das Wasser in jedem Geschäft in der unmittelbar am Muskingum River gelegenen Front Street bis in den ersten Stock. In der Stuhlfabrik erreichte der Fluss sogar die zweite Etage. Selbst Unternehmen, die wegen der ständigen Hoch­ wassergefahr in Marietta aus der unmittelbaren Gefahrenzone weggezogen waren, sahen sich nun mit Hochwasserschäden konfrontiert. Turner, Ebinger and Company, ein Unternehmen, das Kurzwaren, Hüte und Konfektionskleidung verkaufte und das nun in der Putnam Street residierte, hatte elf Fuß (3,35 Meter) Wasser in seinen Lagerräumen. Der »banking floor« der First National Bank stand acht Fuß (2,44 Meter) unter Wasser, wie deren Sekretärin Laura Beck berichtete.58 Insgesamt waren zwei Drittel der Stadt überschwemmt, und etwa 10.000 Personen mussten aus ihren Häusern fliehen. They could not stand in them, for the greater part of their houses had water in the second stories, and gas, electricity, and water works went out as the water rose. When the waters began to reach the second stories, people had to move their things as best [as] they could with such light as candles and matches could give.59

Hunderte von Häusern waren entweder einfach weggeschwemmt oder derartig zerstört oder verrückt worden, dass ein Wiederaufbau unmöglich war. »The East End looks like a sparsely settled waste of country, house after house has disappeared«, hielt Laura Beck fest. Immerhin gab es keinen Verlust an Menschenleben zu beklagen, und alle Flutflüchtlinge hatten dank nachbarschaftlicher Solidarität und der Hilfsleistungen des Staates und der Bundesregierung ausreichend Nahrungsmittel zur Verfügung. Die »homeless ones« wurden in Schulen, Scheunen, bei Freunden und Bekannten und in Zeltstädten auf ­Harmar 57 David Stradling, Smokestacks and Progressives. Environmentalists, Engineers, and Air Quality in America, 1881–1951, Baltimore, MD, 1999, 83. 58 Laura Beck, Secretary, First National Bank, Marietta, OH, an Rev. J. R. Nichols, Rogers Park, IL 7. April 1913, MC, Local History Archives/F »Floods (3)«. 59 Ebd.

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Hill und in Fort Tupper untergebracht. Laura Beck war daher nicht nach Feiern zumute: »This is the day we should celebrate our one hundred twenty fifth anniversary. Instead we are a desolate city.«60

Dayton Ungleich dramatischer und tragischer als in Cincinnati und Marietta war die Lage in Dayton, Ohio. 1796 von Israel Ludlow nahe des Zusammenflusses von Miami und Mad River gegründet, bekam die Stadt relativ schnell die Schattenseiten der Ansiedlung in unmittelbarer Flussnähe zu spüren. Dayton wurde schon 1805, nur neun Jahre nach der Gründung, von einer schweren Überschwemmung des Miami River getroffen. 1814 trat der Fluss erneut über die Ufer und zerstörte die neu gebauten Deiche. Im gesamten neunzehnten Jahrhundert war die Geschichte Daytons geprägt von Versuchen, neue, höhere Schutzwälle gegen die nächsten Fluten zu errichten, die sich aber immer wieder als zu niedrig erweisen sollten.61 Dayton war insofern besonders durch Überschwemmungen gefährdet, als der Great Miami River hier nicht nur das Wasser des Mad River aufnahm, sondern auch die Zuflüsse des Stillwater und des Wolf Creek. Darüber hinaus verengte sich das Flussbett des Miami River innerhalb des Stadtgebietes von 800 Fuß (circa 240 Meter) Breite beim Zusammenfluss mit dem Stillwater River auf nur noch 500 Fuß (circa 150 Meter) am südlichen Ende der Stadt. Die gewaltigen Niederschlagsmengen über dem Einzugsgebiet des Miami River  – insgesamt so viel Wasser, wie in 30 Tagen über die Niagarafälle gespült wird – wurden daher wie in einem Trichter durch Dayton geführt.62 Erst als mehrere Deiche brachen, wurde sich die an Überschwemmungen gewohnte und bis dahin eher teilnahmslose Bevölkerung des Ernstes der Lage bewusst. Die mit großer Kraft durch die Stadt strömenden Wassermassen rissen nicht nur unzählige Häuser mit sich, oft mitsamt deren Bewohnern, sondern machten auch die Rettungsarbeiten extrem gefährlich. Viele der etwa 100 Todesopfer kamen ums Leben, als Rettungsboote kenterten oder mit umhertreibenden Trümmerteilen und Häuserresten kollidierten.63 Am 26. März 1913 um halb zwei Uhr nachts stieg der Miami River in Dayton auf eine Höhe von 29 Fuß (8,84 Meter) – mehr als 12 Fuß (3,66 Meter) höher als im Jahr 1898 und 60 Ebd. 61 Morgan / Bock, A History of Flood Control in Ohio, 479. Vgl. hierzu auch Becker /  Nolan, Keeping the Promise, 20. 62 Vgl. Becker / Nolan, Keeping the Promise, 23; Morgan, Miami Conservancy District, 24; Brown, Ohio River Floods of 1913, 502–503. 63 Morgan, Miami Conservancy District, 21, 28.

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acht Fuß (2,44 Meter) über dem bisherigen Rekord aus dem Jahr 1866. In den Straßen Daytons lagen Tausende verendete Tiere, darunter sehr viele Pferde, die in amerikanischen Städten zu dieser Zeit noch eine sehr große Rolle spielten.64 Um drei Uhr nachts erreichte die Flutwelle Hamilton und ließ dort den Fluss auf über 34 Fuß (10,36 Meter) ansteigen (1898: 21,2 Fuß/6,46 Meter).65 Die Flut von 1913 im Miami Valley und insbesondere die Katastrophe in Dayton wurde in den ganzen USA mit Schrecken, aber auch mit Faszination wahrgenommen. Chronisten der Flut hielten erstaunt, fast schon begeistert, die quantitativen Dimensionen der Katastrophe fest. Henry Ellsworth zum Beispiel zählte nicht nur 86.000 Personen, die zwei Wochen lang in der »bread line« gestanden hätten (unter ihnen angeblich auch zehn Millionäre), sondern erwähnte auch 15.420 Pianos und mehr als 26.000 Wanduhren, die von der Flut beschädigt worden seien.66 Ein Colonel Zimmermann kabelte in einem Bericht, dass 91 Menschen beerdigt und 200 tote Pferde verbrannt würden.67 Die Dayton Flood wurde in etlichen populärliterarischen Büchern und Bildbänden reproduziert und auf der Panama Pacific International Exposition in San Francisco 1915 sogar als inszeniertes Spektakel nachgebaut.68 Besonders »schockierend« war es für die amerikanische Öffentlichkeit, dass bei einer Flutkatastrophe zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts, die sich, anders als die Johnstown Flut von 1889, nicht auf das Versagen eines einzelnen großen Dammes zurückrechnen ließ, immer noch so viele Menschen ums Leben kommen konnten. 64 Vgl. Horton / Jackson, Ohio Valley Flood of March-April 1913, plate XVII; Becker / Nolan, Keeping the Promise, 62; Allan W. Eckert, A Time of Terror. The Great Dayton Flood. Boston, MA, 1965. Vgl. auch Joel A. Tarr / Clay McShane, Urban Horses and Changing CityHinterland Relationships in the United States, in: Dieter Schott / Bill Luckin / Geneviève Massard-Guilbauld (Hg.), Resources of the City. Contributions to an Environmental History of Modern Europe. Burlington, VT, 2005, 48–62; Lübken, Animals and River Floods. 65 Horton / Jackson, Ohio Valley Flood of March-April 1913, 23.  Vgl. auch Thomas W.­ Lewis, Zanesville in the Flood of 1913. Zanesville, OH, 1913. 66 Vgl. Henry Ellsworth, Oberammergau, in: Dayton Flood Book Co., Dayton Flood. Dayton, OH, 1915, 13. Vgl. auch Lest we Forget …, Observance of the 34th Anniversary of the 1913 Flood and the work of the Miami Conservancy District. Sponsored by the Dayton Chamber of Commerce and a Committee of 100 Citizens, Dayton, OH, 1947, 10; Nellis Rebok Funk, A Pictorial History of the Great Dayton Flood, March 25, 26, 27, 1913. Dayton, OH, 1913. 67 Frederick E. Drinker, Horrors of Tornado, Flood, and Fire, Containing  a Full and Thrilling Account of the Most Appalling Calamities of Modern Times. Philadelphia, PA, 1913, 248. 68 Vgl. Burton Benedict, The Anthropology of World’s Fairs. San Francisco’s Panama Pacific International Exposition of 1915. Berkeley, CA, 1983, und darin den Beitrag von Mar­ jorie M. Dobkin, A Twenty-Five Million Dollar Mirage, 66–93. Die Dayton Flut stand dabei allerdings im Schatten der Aufarbeitung des Erdbebens in San Francisco 1906. Vgl. Philip L. Fradkin, The Great Earthquake and Firestorms of 1906. How San Francisco nearly destroyed itself. Berkeley, CA, 2005, 341–344.

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Abbildung 14: »Rekonstruktion« der Hochwasserkatastrophe aus dem Jahr 1913 in Dayton, Ohio, auf der »Panama-Pacific International Exposition« in San Francisco 1915 (mit freundlicher Genehmigung des San Francisco History Center, San Francisco Public Library).

Abbildung 15: Man(n) kämpft gegen die Natur. Titelblatt der Publikation Dayton Flood Book Co., Dayton Flood. Dayton, OH, ca. 1915.

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Symptomatisch für die oft reißerische Auseinandersetzung mit Naturkatastrophen in der populären Literatur wie für die ambivalente Beziehung zwischen Naturbeherrschung und westlicher Moderne ist Thomas Herbert Russells Bewertung in einer unmittelbar nach der Flut erschienenen Publikation. Die Überschwemmungen im Ohio Valley hätten, so Russell, ein Desaster »on an almost Asiatic scale« verursacht. Dies sei deshalb so schockierend für die Amerikaner, weil sich die Katastrophe im Herzen eines großen, wohlhabenden, zivilisierten und effizienten Landes ereignet habe und nicht »in remote parts of the Celestial Empire, where human life is perhaps held cheaper and the sacrifice of life by raging rivers has lost some of its terror by frequent occurrence«.69 Diese »asiatische Flut« gefährdete also nichts weniger als das Projekt der Moderne an sich. Nicht minder gefährdet, so scheint es, waren die stark maskulin geprägten Naturbeherrschungs- und Naturkontrollfantasien. So zeigt die erwähnte »Rekonstruktion« der Flut von 1913 einen modernen Atlas, der ohne Erfolg versucht die Fluttore zusammenzuhalten und damit die Stadt vor dem Untergang zu bewahren.

Infrastrukturelle Konflikte Was die Überschwemmungen 1913 auch zeigten, deutlicher als jemals zuvor, war die infrastrukturelle Vernetzung von Städten mit dem Fluss, genauer: mit der floodplain, und die daraus resultierende technisch-soziale Vulnerabilität. Die meisten Flüsse hatten eine Korridorfunktion, indem sie flussnahe Leitungs-, Transport- und Versorgungssysteme wie zum Beispiel Straßen, Eisenbahnschienen, Telegraphenmasten oder Gasleitungen »in einem einzigen Verkehrsund Kommunikationskanal« bündelten.70 Dieser Korridor funktionierte allerdings nur so lange ohne Probleme, wie die natürliche Dynamik im Rahmen der ihr auferlegten Grenzen blieb. Bei Überschwemmungen verlor der Fluss nicht nur seine eigene infrastrukturelle Funktion, er unterbrach, kontaminierte und zerstörte auch die Netze an seinen Ufern und erzeugte somit regelrechte infrastrukturelle Konflikte.71 Besonders deutlich manifestieren sich die Konflikte zwischen natürlichen und von Menschen errichteten Infrastrukturen an deren Schnittpunkten. Gerade Brücken, in figurativer Hinsicht Sinnbild für das Verbindende zwischen 69 Thomas Herbert Russell, Story of the Great Flood and Cyclone Disasters. America’s Greatest Calamity. A Complete and Authentic Account of the Awful Flood of 1913 in the Rich and Fertile Valleys of Ohio and Indiana. Chicago 1913. 70 Christian Pfister, Geschichte des Kantons Bern seit 1798, Bd.IV: Im Strom der Modernisierung. Bern 1995, Abb. 24. 71 Vgl. Lübken, Überschwemmungen als infrastrukturelle Konflikte.

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Abbildung 16: Putnam Street Bridge über den Muskingum River in Marietta, OH, nach der Flut im Jahr 1913 (mit freundlicher Genehmigung der Marietta College Library).

Menschen, Staaten und Kulturen, sind besonders anfällig gegenüber Fluten und Überschwemmungen. Auswaschungen von Brückenpfeilern und Auffahrten und die Wucht, mit der vom Wasser transportiertes Material gegen die­ Brücke selbst schlägt können die Stabilität der gesamten Konstruktion in Frage stellen.72 Horton und Jackson vom United States Geological Survey stellten nach der Flut von 1913 fest, dass Brücken oft mit Hinblick auf möglichst geringe Kosten für Konstruktion und Wartung errichtet worden waren, wodurch die Spannweiten auf ein Minimum reduziert wurden. This results in putting abutments farther and farther out into the stream, placing numerous piers in the channel itself, and reducing the total opening for the stream beyond all reasonable limits by constructing, as approaches, earthen embankments that act simply as dams in times of flood. The same greed or, perhaps, false economy is shown by building factories, manufacturing plants, and even residences out to the limit of ordinary low stage and thus forming the most effective barriers to the free flow of the streams when in flood. This greed is heavily punished by the first disastrous flood.73 72 A. Melih Yanmaz, Flood Interaction With River Crossings. A Case Study, in: Rossi /  Harmancioglu / Yevjevich (Hg.), Coping with Floods. Dordrecht 1994, 565–569 (565). Zu Brücken als »Risikosytemen« vgl. Bonß, Vom Risiko, 68. 73 Horton / Jackson, Ohio Valley Flood of March-April 1913, 89.

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Insgesamt wurden durch die Überschwemmungen 1913 alleine in den Staaten Ohio und Illinois 400 Brücken zerstört.74 Doch selbst diese Zahl dürfte zu tief greifen, denn das Ohio Department of Highways führt in einem eigenen Bericht für dieselbe Flut circa 1.300 Schäden nur an County Bridges in Ohio auf, und alleine die Pennsylvannia Railroad hatte 24 Komplett- und 50 Teilverluste zu verkraften. Die Kosten für deren Ersatz wurden auf über eine Million Dollar veranschlagt.75 Der prekäre Zustand der Brücken gab auch Anlass zu »Reisewarnungen«. »Do not attempt to come home yet«, schrieb Charles B. Prugh aus Columbus, Ohio, am 28. März 1913 an seine Kinder. »We are allright [sic], so wait until assured that bridges are safe.«76 In Marietta waren die beiden großen Brücken über den Muskingum die einzigen, die am gesamten Verlauf des Flusses von Zanesville bis zur Mündung in den Ohio überhaupt noch benutzbar waren.77 Daher mussten sich diese beiden Bauwerke nicht nur der weggeschwemmten Häuser erwehren, die ohne Unterlass gegen ihre Pfeiler rammten, sondern auch etlicher anderer Brücken, die der Muskingum mit sich führte. Als dann aber Teile der Lobdell Mill gegen die Brücken schlugen, war es um sie geschehen. Die Trümmer, die sich bis dahin an der oberen Brücke angestaut hatten, flossen nun weiter stromabwärts und zerstörten kurze Zeit später auch die Eisenbahnbrücke der Baltimore & Ohio Com­ pany. Von den beiden Eisenkonstruktionen blieben am Ende nur die steinernen Brückenpfeiler übrig.78 Laura Beck, die Sekretärin von Mariettas First National Bank, beschrieb den Moment des Zusammenbruchs der oberen Brücke:

74 Horton / Jackson, Ohio Valley Flood of March-April 1913, 85. Für die Brücken in­ Hamilton, Ohio, und vor allem für den Zusammenbruch der High Street Bridge vgl. ebd., Abbildung xxi; Drinker, Horrors of Tornado, Flood, and Fire, 249–51. Eine illustrierte Geschichte der Brücken in Hamilton in den letzten beiden Jahrhunderten sowie ihrer Zerstörungen durch Hochwasser des Ohio findet sich in Becker / Nolan, Keeping the Promise, S. 178–183. 75 Lewis S.  Bigelow, The 1913 Flood and How it was met by  a Railroad. Pittsburgh, PA, 1913, 54–55; Charles Wilbur Garrett (Comp.), Pennsylvania Lines, West of Pittsburgh. A History of the Flood of March 1913. Pittsburgh, PA, 1913; Ohio Department of Highways, List of County Bridges Damaged or Destroyed by Flood. Columbus, OH, 1913. 1927 wurden nach verheerenden Überschwemmungen in Neuengland alleine im Norden des US-Bundesstaats Vermont 23 Brücken ganz oder teilweise zerstört. Vgl. William E. Leuchtenburg, Flood Control Politics. The Connecticut River Valley Problem, 1927–1950. Cambridge, MA, 1953, 29. 76 Ohio Historical Society / Ohio State Archives, Columbus, Ohio (OHS / OSA), Marjorie Johnston Family Papers. 77 In Zanesville, Ohio, notierte die Ohio National Guard »[r]oaring noise in direction of »Y« bridge«. Log of National Guard and special duty operations during Zanesville flood, 1913, ohne Datum, OHS / OSA, Ohio National Guard – Zanesville Flood, 1913. Vgl. auch ­Lewis, Zanesville in the Flood of 1913. 78 Vgl. 50th Anniversary of Marietta’s Great Flood Nears, Marietta Times, 23.3.1963.

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Abbildung 17: Das Schienennetz der Pennsylvania Railroad vor und nach der Ohioflut 1913 (Quelle: Bigelow, The 1913 Flood and How it was met by a Railroad, 4–5; modifiziert von Eric Leinberger).

[…] those who saw the sight, when the Lobdell mill struck the upper bridge, and take the center piers, and then go on to the railroad bridge and take that with it, and the crash and groaning of the timber as the end piers went up in the air seventy five feet or more, say they never want to see another like it. The noise was terrific, too.79 79 Beck an Nichols, 7.4.1913, MC, Local History Archives, F »Floods (3)«. Vgl. auch 50th Anniversary of Marietta’s Great Flood Nears, Marietta Times, 23.3.1963.

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Auch die Infra- und Suprastruktur der Eisenbahnen80 waren 1913 in großem Umfang von Unterspülungen, Auswaschungen oder kompletter Zerstörung betroffen. Gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts nahm der Frachtverkehr auf dem Ohio River, der stark unter der Konkurrenz der Eisenbahnen gelitten hatte, wieder zu. Insbesondere für schwere Massengüter wie Kohle war der Transport auf dem Fluss effizienter. So konnten Schlepperkähne auf dem Ohio um die Jahrhundertwende bis zu 70.000 Tonnen Fracht in einer Ladung transportieren. Das entsprach der Kapazität von 2.333 Eisenbahnwaggons mit einer Länge von über 15 Meilen. Diese Größenvorteile schlugen sich auch in entsprechend geringen Kosten nieder. Der Wassertransport für solche Güter machte lediglich ein Viertel oder noch weniger der Kosten des Transportes über Land aus.81 Oft in unmittelbarer Nähe zum Fluss errichtet, wurden die Schienenwege bei Überschwemmungen vom Wasser aus ihrem Bett gerissen und aufgerichtet, so dass der Anblick dem eines Gartenzaunes ähneln konnte.82 Charles Wilbur Garrett, der für das Management der Pennsylvania Lines einen Bericht über die Auswirkungen der Flut von 1913 anfertigte, machte vier große Problembereiche aus: zum einen die Unterspülung von Brückenfundamenten und die Auswaschung der Auffahrten, dann die Zerstörung von Brücken, drittens die Beschädigung der Bahndämme in Tälern, in denen die Eisenbahnen parallel zum Fluss verliefen und schließlich der Schaden an Schienen, Gebäuden, Telegraphenleitungen, etc.83 Die Eisenbahngesellschaften stellte die Flut vor immense Probleme. Insbesondere die Pennsylvania Lines, die zum großen Teil in den von Überschwemmungen betroffenen Gebieten operierten, waren stark von dem Extremereignis betroffen. Das engmaschige Netz der Gesellschaft wurde regelrecht fragmentiert, so dass bisherige Verbindungen nur mit großen logistischen Anstrengungen wiederhergestellt werden konnten.84 80 Vgl. hierzu Dirk van Laak, Imperiale Infrastruktur. Deutsche Planungen für eine Erschließung Afrikas 1880 bis 1960. Paderborn 2004, 17. 81 Vgl. das Kapitel »The Waterway Renaissance«, in: Hays, Conservation and the Gospel of Efficiency, 91–95; Leighton, Water Conservation, 379; Fenneman, Geology of Cincinnati and Vicinity, 163. Zur Baltimore and Ohio Railroad vgl. Nye, America as Second Creation,155–156. 82 Vgl. das Kapitel »The Railroads« in: Daniel, Deep’n as It Come, 88–93, vor allem 89. Vgl. auch Bigelow, The 1913 Flood and How it was met by a Railroad; Garrett, Pennsylvannia Lines West of Pittsburgh; Chicago and Alton Railroad Company, The Flood of 1903. Chicago 1903. Am Mississippi wurden die Gleise nicht selten direkt auf dem Deich errichtet. Vgl. Memphis, Helena, and St. Louis Levee Railroad. An Important National Work. A Levee and a Railroad Combined on the Mississippi River. United States Congress, House of Representa­ tives, 10th Cong., 2d session. House Bill No. 745. Washington, DC, 1869, 9: »the road-bed […] shall be so constructed as to serve the purpose of a levee.« 83 Garrett, Pennsylvannia Lines West of Pittsburgh, 12. 84 Vgl. ebd., 5.

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Solche Überbrückungen zerstörter Streckenabschnitte gelangen jedoch nicht überall. Am 26. März 1913 saßen insgesamt 19 regelrecht gestrandete Passagierzüge der Pennsylvania in Bahnhöfen oder auf offener Strecke vor einem überfluteten Abschnitt fest. Ein Zug von Chicago nach New York musste am 25. März, gut 24 Stunden nach seiner Abfahrt, eine Zwangspause in Bradford, Ohio, einlegen. Diejenigen Passagiere, die keinen Platz in einem der vier Schlafwagen gebucht hatten, wurden im nahe gelegenen Y. M. C. A. untergebracht. Am Samstag morgen, vier Tage später, brachte ein Sonderzug die Reisenden dieses und zwei weiterer Züge bis Piqua, Ohio, wo allerdings eine durch die Flut zerstörte Brücke die Weiterfahrt verhinderte. Die Passagiere wurden jedoch über extra ausgelegte Planken samt Geländer über die elektrisch beleuchtete Brücke geleitet. »It was a rather cheerful procession that moved east across the Great Miami River.« Auf der anderen Seite des Flusses angelangt, brachte sie ein weiterer Sonderzug bis an die Ufer des Scioto River, der aber ebenfalls nur zu Fuß überquert werden konnte. Dieses Mal erfolgte die Beleuchtung durch Ölfackeln. Ein dritter Sonderzug brachte die Passagiere schließlich nach Columbus, von wo aus sie ihre Fahrt fortsetzen konnten.85 Die Schäden, die den Pennsylvania Lines entstanden, waren gewaltig und in dieser Form von Eisenbahngesellschaften bislang noch nicht zu tragen gewesen. Finanzielle Belastungen entstanden durch die Zerstörung von Schwellen und Schienen, Brücken, Zäunen, cattle guards und Schildern, Signalen, Telegraphenund Telefonlinien, Gebäuden, Grundstücken und Werkzeug. Dazu kamen indirekte Schäden, wie zum Beispiel Kosten für Umleitungen und den Gewinnausfall. Insgesamt wurden die Pennsylvania Lines bis Ende September des Jahres 1913 mit 2,5 Millionen Dollar belastet.86 Diese bis dahin zerstörerischste Flut im Ohio Valley steigerte das Interesse des Staates an genaueren Informationen über das Ausmaß der Schäden gewaltig. Beruhten die ermittelten Schadenssummen bei vorherigen Fluten vor allem auf Schätzungen und wild übertreibenden Zeitungsberichten, so wurde nun systematisch Informationsgewinnnung betrieben. Zu diesem Zweck sandte das USGS Fragebögen an Offizielle in 200 Städten mit mehr als 5.000 Einwohnern. 120 Formulare kamen zurück und gaben einen sehr groben Überblick über das Ausmaß der Schäden. Das USGS war sich der Dürftigkeit sowohl der Methodik als auch des Umfangs der Aktion bewusst (und rechtfertigte diese mit mangelnden finanziellen Ressourcen); dass aber überhaupt halbwegs rationale Methoden zur Schadensermittlung angewandt wurden, wurde schon als Fortschritt betrachtet.87 85 Vgl. Bigelow, The 1913 Flood and How it was met by a Railroad, 36–40. 86 Vgl. ebd., Exhibit G. 87 Horton / Jackson, Ohio Valley Flood of March-April 1913, 23, 84.

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Insgesamt wurde nach der Flut von 1913 eine Schadenshöhe von 180 Millionen Dollar ermittelt, von denen mehr als 140 Millionen auf den Staat Ohio fielen und hier wiederum ein Großteil auf die Städte Dayton und Hamilton. Von den mindestens 428 Toten hatte alleine Dayton 123 zu beklagen. Mehr als 12 Millionen Dollar Schaden hatten die Eisenbahnen zu verkraften, wobei die Einnahmeausfälle durch unterbrochene und zu reparierende Linien nicht mitgerechnet wurden und noch einmal einen hohen Betrag ausgemacht haben dürften. 60.000 Häuser wurden überflutet und mehr als 400 Brücken beschädigt; die Schäden an urbanen Abwassersystemen, den Wasserwerken, Straßen und anderen lokalen infrastrukturellen Einrichtungen beliefen sich auf noch einmal mehr als zehn Millionen Dollar.88

Höhere Gewalt? Die große Anzahl von Toten am Miami River und die exorbitante Schadenshöhe entfachte aufs Neue die Debatte über die Ursachen von Überschwemmungen. Zwar wurden »Natur«-Katastrophen um die Jahrhundertwende wie etwa die Johnstown Flood 1889, das Erdbeben und Feuer in San Francisco 1906, oder eben auch die Überschwemmung am Ohio 1913 in der amerikanischen Öffentlichkeit weiterhin, wie Theodore Steinberg hervorgehoben hat, als »acts of god« interpretiert und die Schuldfrage damit in den Hintergrund gedrängt. Auf der anderen Seite aber machten sich viele Wissenschaftler, Ingenieure, Journalisten und andere Zeitgenossen keine Illusionen über das Ausmaß der anthropogenen Komponente an solchen Katastrophen. So begannen John Watson Alvord und Charles Baker Burdick ihr Buch über die Fundamentals of Flood Prevention aus dem Jahr 1918 mit der Bemerkung, dass die Zahl der Überschwemmungen ohne Zweifel zunähme, ebenso wie der dadurch verursachte Schaden und die Todesopfer. Dies liege aber weder an klimatischen Schwankungen noch daran, dass der »runoff« zugenommen habe. The march of civilization, not content with occupying our highlands, has already appropriated our lowlands to its uses. The farmer has diked the alluvial river valleys, the city has appropriated them for streets, homes and factories, the railroads have utilized the easy grades of the flood plane [sic] and have occupied it with embankments, and have crossed and recrossed the streams with bridges, proportioned often by what the 88 Vgl. ebd.; John Watson Alvord / Charles Baker Burdick, Relief from Floods. The Fundamentals of Flood Prevention, Flood Protection and the Means for Determining Proper Remedies. New York, London 1918, 4; Arnold, The Evolution of the 1936 Flood Control Act, 11; United States Army Corps of Engineers, Report of Ohio Flood Board. Memorandum from the Chief of Engineers accompanying the Report of the Ohio Flood Board. Washington, DC, 1913.

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eye of the guilder could see of the river at the time. All these things are abundantly sufficient to account for our rapidly mounting flood losses.89

Das United States Geological Survey machte zwar allen voran die exzessiven Niederschläge in Ohio und Indiana für die Flut verantwortlich, aber auch in diesem Bericht wurde vor allem auf andere Ursachen verwiesen: The almost inconceivable damage wrought by the flood was unquestionably increased in a very great measure by the works of man in the channels, along the banks, and across the river valleys. Although the presence of the enormous volume of water may be considered nothing more or less than ›an act of God,‹ still a large share of the blame for the resulting damage must be laid to man, not only for the positive harm done by the works of municipal and rural improvement but also because of the entire absence of any comprehensive engineering works built for the prevention of such damage by floods.90

Eine solche Erkenntnis formuliert Ergebnisse, die sich in Ansätzen schon nach der Flut von 1884 zeigten und die nach dem Zweiten Weltkrieg in viel systematischerer Form von Gilbert F. White entwickelt werden sollten. Horton und Jackson folgerten daraus zwar nicht die Notwendigkeit eines »floodplain management«, also der Einflussnahme auf das Schadenspotenzial in den Überschwemmungsgebieten und den Einsatz nicht-struktureller Mittel wie zoning regulations oder Versicherungen, so wie es White später tun sollte. Ihre Überlegungen sind aber schon von einem Kalkül geprägt, das Hochwasserschäden mehr und mehr als das Ergebnis von bewussten Entscheidungen begreift und den Hochwasserschutz damit von einem technischen Problem in eine Risiko­ situation transformiert. Probably no system of river control will prove a panacea for all the ills incident to disastrous floods, and no combination of systems can be expected to prevent all damage by extreme floods. In fact, one of the most important points to be decided is just how large a flood it is economical to provide against.91

Sollte man sich also nur vor »normalen« Fluten schützen oder auch vor extremen, aber gleichzeitig sehr unwahrscheinlichen Pegelständen, fragte Robert M. Brown in einem Artikel für das Bulletin of the American Geographical Society of 89 Alvord / Burdick, Relief from Floods, 1. 90 Horton / Jackson, Ohio Valley Flood of March-April 1913, 19.  Die beiden Wissenschaftler machten zudem auf einen direkten Zusammenhang zwischen der Höhe der Schäden und der »Invasion« der Überschwemmungsgebiete aufmerksam. »In considering ­damage by flood, it should be borne in mind that damage resulting from floods of a given and constant magnitude (for example)  are ever increasing because of increases in the value of the areas flooded and of their contents.« Ebd., 87. 91 Ebd. 90.

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Abbildung 18: Schieflage. Eisenbahnwaggons 1913 in Marietta, Ohio (mit freundlicher Genehmigung der Marietta College Library).

New York? Sollten die Städte in Ohio und Indiana die Deiche um zwei bis drei Fuß erhöhen, um so der neuen Gefahr gerecht zu werden, oder sollten Reservoirs an den Zuflüssen den Scheitelwellen der Hochwasser ihre Spitzen nehmen? Wie Horton und Jackson betonte auch Brown die Existenz eines »Restrisikos«: »Again, it will not be possible to protect within any reasonable expenditure property from such unusual conditions as occurred in Ohio and Indiana. The risk and sometimes the destruction of property is the tax which must be paid for the occupation of many of these valuable sites«.92 Auch wenn das Army Corps of Engineers weiterhin, mit einigen Abstrichen, an der levees only-Doktrin festhielt, wurde doch immer deutlicher, dass man alleine durch die Kanalisierung und Eindeichung der Flüsse das Hochwasser­ problem nicht in den Griff bekommen würde. Nach den verheerenden Fluten am Ohio und Mississippi in den Jahren 1907, 1908, 1912 und 1913 war die Technikeuphorie und Kontrollfantasie dieser levees only-Phase zunehmender Ernüchterung und Frustration gewichen. Trotz unzähliger Untersuchungen in den vorangegangenen Jahrzehnten seien die Überschwemmungsprobleme einer Lösung kaum näher als vor 50 Jahren, bilanzierten Horton und Jackson.93 In 92 Brown, Ohio River Floods of 1913, 509. 93 Horton / Jackson, Ohio Valley Flood of March-April 1913, 7.

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Zeitungen und Zeitschriften strotze es nur so von Ratschlägen, stellte Robert M. Brown 1913 fest, »and the consensus of opinion as expressed by many of the articles is that reservoirs and reforestation must be resorted to as a means of protection and also that the levees are not sufficient«.94 Gleichzeitig markierten die unglaublich hohen Schadenssummen, so ironisch dies klingen mag, auch einen Weg aus der Krise, denn mit dem Anstieg der Schäden wurden auch alternative, kostspieligere Methoden des Hochwasserschutzes – wie etwa der Bau von Reservoirs – »rentabler«. Nicht ohne Grund wurde dieser neue Weg in den USA genau dort zum ersten Mal überhaupt beschritten, wo der Schaden und die Zerstörung 1913 am größten waren: am Miami River in Ohio.

7.4 Die Conservancy Districts am Miami und Muskingum River Während und unmittelbar nach der Flut lag der Fokus der Hilfsarbeit naturgemäß auf der Rettung von Menschenleben, der Versorgung Tausender Personen, die kein Dach mehr über dem Kopf hatten, und in der finanziellen Bewältigung der Katastrophe. Das Spendenaufkommen war, nicht zuletzt aufgrund der intensiven Berichterstattung, enorm. Das Rote Kreuz, das sich seit 1884 zu einer veritablen Hilfsorganisation herausgebildet hatte, gab 1913 2,3 Millionen Dollar aus, von lokalen »relief funds« kamen noch einmal 600.000 Dollar.95 Im ganzen Land erzeugte die Flut eine Welle der Solidarität. William Randolph Hearst, der Zeitungsmagnat aus Kalifornien, sandte knapp 10.000 Dollar, die eine Spendensammlung seiner Zeitungen eingebracht hatte an das Hilfskomitee des Staates Ohio sowie 7.000 Dollar aus seinem Privatvermögen direkt an Gouverneur James W. Cox. Weniger ergiebig in der absoluten Summe, aber sicherlich höher in Bezug auf sein verfügbares Einkommen war der Beitrag von Jim, einem »little South Dakota boy«, der den Winter bei seinem Großvater in Columbus verbrachte und der 100 Pennies in einer Blechbüchse an die Ohio Relief Commis­ sion sandte, »to help some little boy who was in the flood in Ohio«.96 Die Bürger von Dayton waren aber nicht willens, weiterhin einer solch großen Gefahr ausgesetzt zu sein und initiierten, da von der Bundesregierung keine Hilfe für den Hochwasserschutz zu erwarten war, eine Kampagne, die, obwohl von den Eliten der Stadt ins Leben gerufen und kontrolliert, sich zu einer regelrechten Volksbewegung entwickelte. In Dayton wurde noch im Jahr der Flut ein 94 Brown, Ohio River Floods of 1913, 508. Vgl. auch Michael V. Disalle, Special Message on Flood Disaster to 103rd General Assembly (of Ohio), ohne Datum, OHS / OSA, E 223. 95 Horton / Jackson, Ohio Valley Flood of March-April 1913, 85. 96 Vgl. den Brief eines Mitarbeiters von Hearst an James W. Cox, Governor von Ohio, 21.4.1913, OHS / OSA, Flood Correspondence, 1913, und »Jim«, an den Governor von Ohio, Columbus, OH, 10.4.1913, OHS / OSA, Records of the Ohio Relief Commission, 1913.

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Die Conservancy Districts am Miami und Muskingum River 

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Flood Prevention Committee gegründet, als dessen Präsident sich John H. Patter­ son von der National Cash Register Company selbst einsetzte. Sein Stellvertreter und Nachfolger war Edward A. Deeds, Vizepräsident desselben Unternehmens.97 Das Komitee verabschiedete eine Resolution, die einen »Flood Prevention Fund« von zwei Millionen Dollar auflegte, der von den Bürgern Daytons gezeichnet wurde. Zudem wurde die Morgan Engineering Company damit beauftragt, das Miami Valley hydrologisch detailliert zu untersuchen und Pläne für den Hochwasserschutz des gesamten Tals vorzulegen. Der Bericht der Ingenieure ergab, und hier brach er mit der dominanten levees only-Doktrin des Army Corps of Engineers, dass die beste Lösung für den Hochwasserschutz im Miami Valley eine Kombination aus Rückhaltebecken und »channel improvements« in den urbanen Gegenden sei.98 Nachdem diese Pläne dem Flood Prevention Committee unterbreitet worden waren, gab es jedoch erhebliche Probleme bei deren Umsetzung. Gründe hierfür waren lokaler Widerstand, ein Mangel an Kooperation mehrerer betroffener Städte, die noch immer starken generellen Vorbehalte gegen Reservoirs als Hochwasserschutzinstrumente, und schließlich die Tatsache, dass überhaupt keine rechtliche Grundlage für die Planung, Finanzierung, Ausführung und den Unterhalt eines solchen Projektes vorhanden war. Die ersten drei Probleme wurden relativ erfolgreich durch eine Aufklärungskampagne aus dem Weg geräumt, die unter anderem den Bau eines »working model« eines der geplanten Reservoirs beinhaltete.99 Die rechtlichen Probleme sollten sich jedoch als hartnäckiger erweisen. Im Grunde ging es den Befürwortern des Plans darum, eine Regulierungsbehörde zu kreieren, die quer zu den auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene etablierten Verwaltungseinheiten verlief. Damit wurde eine natürliche Einheit – diejenige des watershed – auch zur politischen Einheit.100 Über die Grenzen einzelner counties hinweg, aber innerhalb des Staates Ohio, sollte eine Organisation geschaffen werden, der man weitreichende Befugnisse in Bezug auf Enteignung, Landnutzung, Besteuerung und Wassermanagement zusprechen wollte. Am 17. Februar 1914 verabschiedete das Parlament in Columbus den Con­ servancy Act,101 der die Schaffung von Conservancy Districts zum Zwecke des 97 Vgl. Morgan / Bock, A History of Flood Control in Ohio, 481; Walter A. Friedman, John H. Patterson and the Sales Strategy of the National Cash Register Company, 1884 to 1922, in: Business History Review 72 (4/1998), 552–584. 98 Vgl. Morgan / Bock, A History of Flood Control in Ohio, 482–84; Morgan, Dams and other Disasters, 343–344. 99 Vgl. ebd., 484–485. 100 Vgl. Lee Templeton, How to Prevent Floods. The Lesson of the Muskingum Watershed, in: Harper’s Magazine 205 (Juli 1952), 88–91 (89). 101 Vgl. State of Ohio, Department of Natural Resources, Water Division, The Conservancy District Law. Columbus, OH, ohne Jahr; Morgan / Bock, A History of Flood Control in Ohio, 488; Lest we Forget, 16–18.

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Hochwasserschutzes in Ohio autorisierte. »Ohio was thus provided with the most comprehensive and effective legal machinery in this country for dealing with any water control or conservation problem that might arise«, hielten zwei Zeitgenossen fest.102 Auch wenn der Vonderheide Act, unter welchem Namen dieses Gesetz auch bekannt wurde, nicht nur Hochwasserschutz, sondern auch andere Ziele benannte, denen die neu zu schaffenden Distrikte dienen konnten, wie etwa das der Bewässerung, so war die Stoßrichtung doch klar: die Prävention von Überschwemmungen. Um dieses Ziel zu erreichen, konnten die Con­ servancy Districts weitreichende Maßnahmen ergreifen, von der Ausweitung und Vertiefung des Flussbettes bis hin zur Verlegung oder sogar vollständigen Beseitigung von ganzen Flussabschnitten.103 Das Kernstück der conservancyPoltik und gleichzeitig der größte Zankapfel aber waren die Retentionsbecken. Zweifel an der Vereinbarkeit des Conservancy Law mit der Verfassung des Staates Ohio waren erst am 28. Juni 1915 vollständig beseitigt, als ein Gericht offiziell den Miami Conservancy District (MCD) schuf. Ein Jahr später konnte der MCD seine Dienstgebäude im neu errichteten Conservancy Building in Dayton beziehen.104 Bevor die Bauarbeiten jedoch beginnen konnten, erstellte der MCD zunächst eine umfangreiche hydrologische Studie über den Miami River, die Niederschlag, Hochwasserfrequenzen und Abflusscharakteristika ebenso behandelte wie die erwarteten Auswirkungen eines kombinierten Systems aus Reservoirs und lokalen Schutzmaßnahmen. Analysiert wurden zudem die Erfahrungen anderer Länder mit ähnlichen Projekten. Das Ergebnis dieser Studien waren nicht weniger als zehn »technical reports«, die alle vom MCD veröffentlicht wurden. Im Frühjahr 1916 wurde dem Direktorium des MCD ein detaillierter Plan für den Hochwasserschutz im Miami Valley vorgelegt. Im Begleitschreiben betonten die Autoren nicht nur die Auswirkungen für das Miami Valley, sondern auch die Vorbildfunktion des Projektes:

102 Morgan / Bock, A History of Flood Control in Ohio, 490. Einer der beiden Autoren, Arthur E. Morgan, war allerdings nicht ganz unvoreingenommen, war er doch maßgeblich verantwortlich für die Planung und den Bau der Reservoirs. 103 Lyle E. Craine, The Muskingum Watershed Conservancy District. A Study of Local Control, in: Law and Contemporary Problems 22 (3/1957), 378–404 (383–384). Vgl. auch William Kendrick Hatt, Flood Protection in Indiana (Indiana Bureau of Legislative Information Bulletin No. 4). Indianapolis, IN, 1914, 45–46. 104 »It stands on the bank of the Miami River as a fitting monument to the earnest efforts of its donor and to the great pioneering work of the valley for progress in flood control.« Morgan / Bock, A History of Flood Control in Ohio, 491. Vgl. auch A Petition to the Eighty-First General Assembly of Ohio. Some Questions and Answers Concerning Flood Prevention. Columbus, OH, 1915; Carl M. Becker / Patrick B. Nolan, They Gathered at the River. The Miami Conservancy District, in: Timeline 6 (5/1989), 34–47.

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Die Conservancy Districts am Miami und Muskingum River 

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Abbildung 19: So sahen es etliche Zeitgenossen: Durch die Entscheidung des Ohio S­ upreme Court über die Verfassungsmäßigkeit des Miami Conservancy District wurde die finstere Ausssicht auf eine Wiederholung der Katastrophe von 1913 hinweggefegt (mit freundlicher Genehmigung der Wright State University).

When this plan is carried into effect the Miami Valley, in our opinion, will be permanently protected from serious damage by flood. In its necessity for flood prevention, the valley is not unique. Wherever, along the rivers of this country, industrial and agricultural development reaches  a high stage, the protection of these interests from damage by uncontrolled flood waters becomes necessary, and must be secured before permanent prosperity is established.105

Der Annahme durch den Aufsichtsrat des MCD folgten ab dem 3. Oktober sieben Wochen andauernde öffentliche Anhörungen im conservancy court, bevor der Plan am 24.  November endgültig angenommen wurde. Die Finanzierung der Arbeiten erfolgte durch eine Anleihe in Höhe von 15 Millionen Dollar. Im

105 Zitiert nach Morgan / Bock, A History of Flood Control in Ohio, 493.

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Dezember 1917 wurden die ersten bonds ausgegeben, kurze Zeit später begannen die Bauarbeiten.106 Die Tätigkeiten des Miami Conservancy Districts gerieten zu einem regelrechten Infrastrukturprogramm für die gesamte Region und waren auch in dieser Hinsicht ein Vorbild für die Tennessee Valley Authority (TVA).107 Die umfangreichen Arbeiten des MCD umfassten die Vertiefung, Verbreiterung und Begradigung des Miami River im Stadtgebiet von Dayton, Hamilton und anderen Orten, die Errichtung von fünf Erddämmen an den Zuflüssen des Miami River, die Verlegung von vier Bahnlinien und den Bau diverser neuer Straßen, Brücken, Mauern, Abflusskanäle und Stromleitungen.108 Der MCD griff auch auf das klassische Instrumentarium des Hochwasserschutzes zurück, wenn er, vor allem in den Städten, Dämme und Schutzmauern baute und das Flussbett von Behinderungen aller Art freizuhalten suchte. Das Herzstück des Systems waren aber die fünf Dämme, die im Notfall den Abfluss der Niederschläge im Einzugsgebiet des Miami River stauen und Überschwemmungen somit verhindern sollten. Diese Dämme waren single purpose dams, das heisst, sie hatten einzig und allein die Funktion des Hochwasserschutzes und sollten nicht auch noch Energie gewinnen, Bewässerungsmaßnahmen unterstützen oder die Schifffahrt in Zeiten von Niedrigwasser verbessern. Explizit kam diese Monofunktionalität in Betontafeln zum Ausdruck, die der MCD an jedem der fünf Orte aufstellte oder in den Damm hineinbaute, und die alle mit dieser oder einer ähnlichen Inschrift versehen waren: »The dams of the Miami Conservancy District are for flood prevention purposes. Their use for power development or for storage would be a menace to the cities below«.109 Diese bewusst eingeschränkte Funktionalität schlug sich auch in der Konstruktion der Bauwerke nieder. Durch die Dämme führten ein oder mehrere mit Beton ausgegossene Öffnungen, deren Größe so berechnet war, dass sie nur so viel Wasser durchließen, wie das Flussbett und die Schutzanlagen stromabwärts verkrafteten. Da der discharge dieser Öffnungen nicht durch Schleusen oder 106 Vgl. ebd., 494–497. 107 Arthur Ernest Morgan wurde später einer der ersten Direktoren der TVA. 108 Vgl. Morgan / Bock, A History of Flood Control in Ohio, 497; Aaron D. Purcell, Reclaiming Lost Ground. Arthur Morgan and the Miami Conservancy District Labor Camps, in: Historian 64 (2/2002), 367–390. 109 Vgl. Morgan / Bock, A History of Flood Control in Ohio, 501–503 (503). Vgl. dazu auch später Karl S. Dixon, Should Congress Pass the Administration’s Regional Planning Bill?, in: Congressional Digest 17 (Januar 1937), 25–27. Dixon, der am 21.7.1937 für die Ohio Chamber of Commerce vor dem House Committee on Rivers and Harbors sprach, nahm explizit Bezug auf den MCD und gab Befürchtungen in Ohio Ausdruck, dass multi purpose dams, wie sie von den Regionalplanungsbehörden favorisiert wurden, den Hochwasserschutz beeinträchtigen würden. Der vielleicht bekannteste Verfechter einer Mehrzweckfunktion von Dämmen war Theodore Roosevelt. Vgl. seinen Artikel The Ohio Floods. Can Such Calamities Be Prevented?, in: Outlook, 5.4.1913, 765–766.

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Die Conservancy Districts am Miami und Muskingum River 

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Abbildung 20: Betontafeln wie diese in Germantown, OH, begrüßen noch heute Besucher der fünf Hochwasserschutzdämme im Miami Valley (Foto: Uwe Lübken).

Tore reguliert werden konnte, entstand auch kein permanenter Stausee hinter den Dämmen. Die meiste Zeit des Jahres flossen die tributaries des Miami River einfach durch die dry dams, nur im Ernstfall staute sich das Wasser. Die Ausgrabung und der Transport von mehreren Millionen Kubikmetern Erde verliefen allerdings nicht ohne Probleme. Beträchtliche Flächen Land mussten erworben werden, auf dem die Deiche, Dämme und anderen Bauwerke errichtet werden sollten. Zudem plante der MCD, etlichen Personen das Recht abzukaufen, ihren Grundbesitz im Basin hinter den Dämmen im Notfall zu fluten. Viele Landbesitzer wehrten sich gegen eine solche Lösung und bevorzugten es, ihr Territorium, und nicht nur Nutzungsrechte, an den Distrikt zu verkaufen, was natürlich höhere Kosten verursachte. Im Reservoir des Huffman-Damms musste die Stadt Osborn komplett verlegt werden. Insgesamt erwarb der MCD Grundbesitz für die Summe von sieben Millionen Dollar.110 110 Vgl. William Paul Barron, The Flood, the Dam, and Osborn, Ohio. The Flood of March 1913. The Miami Conservancy District and the Effect on the Village of Osborn, Ohio. Willard, OH, 1983; Morgan / Bock, A History of Flood Control in Ohio, 498–501; Morgan, Dams and other Disasters, 340–341.

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Containment der Natur: Levees und Reservoirs

Im Januar 1937 hatte das Hochwasserschutzsystem des Miami Conservancy District Gelegenheit, sich bei der größten Flut, die das Ohio Valley jemals erlebte, zu bewähren. Auch wenn diese Flut den Hauptstrom und andere Seitentäler stärker betraf als den Miami River, erreichte der Fluss in Hamilton den höchsten Stand seit 1913. Der Niederschlag im Monat Januar in Dayton und Hamilton mit 13,96 bzw. 12,31 Zoll (36 bzw. 31 Zentimeter) brach sogar alle Rekorde. Dennoch mussten die Reservoirkapazitäten hinter den Dämmen nur zu zehn bis 15 Prozent genutzt werden.111 1954 bilanzierte der Cincinnati Enquirer: »Since the 1913 flood that sparked the campaign for the Miami conservancy district, there has been no serious flood damage at any time in any part of the Great Miami Watershed.«112 Auch 1959, als große Regenmengen in den Einzugsgebieten der nördlichen Zuflüsse des Ohio niedergingen, bewährten sich die Schutzmaßnahmen. Miami und Muskingum River hatten weit weniger unter Überschwemmungen zu leiden als etwa die Städte am ungeschützten Scioto, und das, obwohl Dayton mit 4,3 Zoll (10,92 Zentimeter) den größten dort jemals innerhalb von 24 Stunden gemessenen Niederschlag erlebte.113

Der Muskingum Watershed Conservancy District Auf nationaler Ebene intensivierten die Hochwasserkatastrophen zwischen 1907 und 1913 die Debatte zwischen Verfechtern eines multi purpose waterway development und dem Ingenieurskorps der Armee. Letzterer war nun aber auch deshalb zu einem stärkeren Entgegenkommen bereit, weil erfolgreiche regionale Lösungen wie der Miami Conservancy District Vorbildfunktion hatten und die Autorität des Corps of Engineers zu unterminieren drohten. Landesweit warteten mindestens 13 Einzelstaatslegislativen nicht länger auf Initiativen aus Washington und orientierten sich mit eigenen regionalen Projekten an der Pionierleistung im Buckeye State.114 Dies war insbesondere dann ein Problem für das Corps, wenn die conservancy districts sich nicht bloß auf den Hochwasserschutz beschränkten, sondern gleichzeitig andere Ziele verfolgten, wie es am Muskingum River in Ohio geschah. Der Muskingum Watershed Conservancy District wurde 1933 auf der Grundlage des Conservancy Act of Ohio geschaffen, also demjenigen Gesetzeswerk, das unmittelbar aus der Flut von 1913 hervorgegangen war und auf dem der Miami 111 Vgl. Morgan, Miami Conservancy District, 443. 112 Editorial, Flood Control Pays off, Cincinnati Enquirer, 22.10.1954. Vgl. auch Flood Control Funds Yield 11 Pct. Return, Cincinnati Post, 4.7.1952. 113 John S. Still, Ohio’s Great Floods of 1937 and 1959, in: Museum Echoes 32 (4/1959), ­27–30 (29). 114 Vgl. White, Human Adjustment to Floods, 19–20.

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Die Conservancy Districts am Miami und Muskingum River 

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Conservancy District beruhte. Nach dem Desaster im Jahr 1913 hatten auch im Tal des Muskingum mehrere Gruppen versucht, ihr Interesse an einem Ausbau des lokalen Hochwasserschutzes zu organisieren, doch diese Bemühungen verliefen immer wieder im Sande – wahrscheinlich auch deshalb, weil hier ein mobilisierendes Ereignis wie die Katastrophe in Dayton fehlte.115 1927 erhielten die Hochwasserschutzpläne allerdings einen neuen Schub, als die Handelskammer in Zanesville ihr flood control committee wiederbelebte und die Dayton Morgan Engineering Company mit der Erstellung eines Gutachtens und eines Plans für den Hochwasserschutz in Zanesville beauftragte, die Firma von jenem Arthur E. Morgan, der schon am Miami River federführend bei der Umsetzung des dortigen Hochwasserschutzprogrammes war. Morgans Ingenieursbüro stellte fest, dass ein Schutz nur der Stadt zu einem halbwegs akzeptablen Preis nicht zu haben war. Effektiver Hochwasserschutz war nur durch die Errichtung eines Kontrollsystems für den gesamten Lauf des Muskingum oberhalb Zanesvilles möglich. Damit schienen die hochfliegenden Pläne der Handelskammer gescheitert zu sein, denn warum sollten sich die Anlieger am Oberlauf des Flusses für Hochwasserschutz in Zanesville interessieren?116 Nur wenige Jahre später hatten jedoch auch die Einwohner im oberen Teil des Einzugsgebietes guten Grund, Pläne zur stärkeren Kontrolle des Abflusses des Muskingum und seiner Zuflüsse mit großem Interesse zur Kenntnis zu nehmen, wenn auch aus anderen Motiven als denjenigen der Handelskammer in Zanesville. Im Frühjahr und Sommer des Jahres 1930 litt das gesamte Muskingum Valley unter einer der schlimmsten Dürren in seiner Geschichte. Städte am Oberlauf des Muskingum wie Dresden, Coshocton und Newcomerstown sahen sich nun mit Wassermangel konfrontiert. Der Pegelstand der Flüsse reichte nicht mehr aus, um den hygienisch unbedenklichen Abtransport der urbanen Abwässer zu garantieren, und das ökonomische Potenzial der Region schien plötzlich begrenzt zu sein, wenn man sich nicht in der Lage zeigte, die natürlichen Niederschläge besser zu konservieren und zu »managen«. Auch konkrete ökonomische Interessen spielten eine Rolle. So sah ein Stahlunternehmen aus Dover, Ohio, in einem Ausbau des Muskingum und, stromaufwärts ab Coshocton, des Tuscarawas bis nach Dover und New Philadelphia die Möglichkeit, die eigene Wettbewerbsposition zu stärken. Aus dieser Gemengelage unterschiedlicher Interessen bildete sich 1930 in New Philadelphia die Muskingum-Tuscarawas Improvement Association, die die verschiedenen lokalen Initiativen bündelte. Der erste und wohl wichtigste Schritt dieser neuen Vereinigung war es, das Ministerium für Öffentliche Arbeiten des Staates Ohio um die Finanzierung einer Studie zu bitten, die die Kontrolle und Nutzung der

115 Vgl. Craine, The Muskingum Watershed Conservancy District, 384–385. 116 Vgl. ebd., 88.

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Wasserressourcen von Muskingum und Tuscarawas in Bezug auf Hochwasserschutz, Schiffbarkeit, Wasserversorgung und Entsorgung sowie Energiegewinnung untersuchen sollte.117 Das Ohio Department of Public Works kam dieser Bitte nach. Erneut kam Arthur E. Morgans Ingenieurbüro zum Zuge, das 1931 den geforderten Bericht ablieferte. Diese zweite Untersuchung stellte fest, dass es für Bewässerungsmaßnahmen keinen großen Bedarf gebe, dass Wasserkraftwerke zur Zeit noch unökonomisch seien, und dass der Ausbau des Flusses bis Dover nicht vertretbar sei. Hochwasserschutz und water conservation wurden dagegen empfohlen, vor allem wegen des steigenden Wasserbedarfs der Industrie sowie der Städte und Gemeinden. Auch Aufforstung, Erosionskontrolle und Maßnahmen zur Bekämpfung der Wasserverschmutzung wurden befürwortet. Diese Aktivitäten sollten aber nicht als »single-purpose development« durchgeführt werden, das wirtschaftlich nicht gerechtfertigt werden könne, sondern in Form eines umfassenden (»comprehensive«) Programms, das Hochwasserschutz und »water conservation«118 für den gesamten Einzugsbereich des Muskingum beinhaltete. Allerdings, und auch dies machte der Bericht deutlich, würden die Kosten mit wahrscheinlich mehr als 50 Millionen Dollar die Leistungskraft der Städte und Gemeinden im Einzugsgebiet des Muskingum überfordern.119 Auf der anderen Seite gingen die positiven Effekte, etwa in Form von geringeren Wassermassen, die während einer Frühjahrsflut vom Muskingum in den Ohio flossen, nicht nur über die Grenzen des Einzugsgebietes, sondern auch über Staatsgrenzen hinaus, so dass der Staat Ohio und auch die Bundesregierung als potenzielle Geldgeber in Frage kamen. Die Pläne lagen allerdings zwei Jahre lang in der Schublade, ohne dass sich eine Lösung der finanziellen Probleme abzeichnete. Erst mit dem fundamentalen politischen Wandel in Washington unter Präsident Franklin Delano Roosevelt änderte sich die Situation. Das Projekt am Muskingum profitierte erheblich von dem rapiden Ausbau öffentlicher Arbeitsprogramme zur Zeit des New Deal. Die Interessengruppe aus Ohio war eine der ersten, die bei der 1933 gegründeten Public Works Adminis­ tration (PWA) um Unterstützung bat.120 Im Januar 1935 begann der Bau am bis dahin größten Hochwasserschutz­ projekt, das primär auf Retentionsbecken setzte. Der Muskingum Watershed Conservancy District sah den Bau von 14 Reservoirs vor, die vor einer Flut 117 Vgl. ebd., 385–386. 118 Der amerikanische Begriff »conservation« lässt sich in seiner zeitgenössischen Bedeutung nur schwer übersetzen. Er bezeichnet weniger den »Erhalt« der Natur als vielmehr eine bestimmte, effiziente Art des Naturmanagements. Naturschutz konnte, musste aber nicht das Ergebnis solcher Maßnahmen sein. 119 Vgl. Craine, The Muskingum Watershed Conservancy District, 386–387. 120 Vgl. Robert N. Wilkin, The Muskingum Watershed Conservancy District, in: American Forestry Association (Hg.), Flood Control. Cincinnati, Zanesville, OH, 1937, 74–76.

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Die Conservancy Districts am Miami und Muskingum River 

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schützen sollte, die 25 Prozent größer war als diejenige aus dem Jahr 1913. Das 40 Millionen Dollar teure Projekt beinhaltete zudem elf Deiche und Schutzmauern, »channel improvement« für die Stadt Massillon, Ohio, die Verlegung von 68 Meilen (109 Kilometer) Eisenbahnschienen, jeweils 65 Meilen (105 Kilometer) Gas- und Stromleitungen, 13 Meilen (21 Kilometer) Ölleitungen und 207 Meilen (333 Kilometer) Telefon- und Telegrafenleitungen. »Within two years, prognostizierte der Ohio Valley Conservation and Flood Control Congress, »the flood menace will be removed from the Muskingum Valley«.121 Die Konzeption und Realisierung des Muskingum Watershed Conservancy District wich in zwei Punkten deutlich vom Miami Conservancy District ab. Zum einen war er kein reines Hochwasserschutzprojekt, sondern ein Unternehmen mit mehre­ ren, zum Teil  konfligierenden Zielen. Zum anderen oblag die Kontrolle über den Distrikt nicht nur regionalen Behörden, sondern basierte auf einer Kooperation einzelstaatlicher Institutionen mit der Bundesregierung und hier vor allem dem Army Corps of Engineers. Mit der Verabschiedung des Flood Control Act von 1939 wurden die Hochwasserschutzfunktionen des MCWD und auch die Kosten für den Unterhalt der Reservoirs dem Corps of Engineers übertragen. Die conservation der Wasserressourcen blieb jedoch unter regionaler Kontrolle. Der Distrikt trug sich finanziell insofern selbst, als dass die Einkünfte aus der Forstwirtschaft, dem Tourismus und der Verpachtung von Ländereien ausreichten, um die Kosten für die Ausübung seiner nun beschränkten Funktionen zu tragen.122 Schon in der court order, mit der der MWCD am 3. Juni 1933 aus der Taufe gehoben worden war, wurde als Zweck nicht nur der Hochwasserschutz angegeben; sein Ziel sollte auch im »conserving of flood waters for beneficial uses« bestehen. Dazu konnten Maßnahmen zur Aufforstung oder der Verhinderung von Bodenerosion ebenso gehören wie die Ankurbelung des Tourismus durch die Schaffung von Naherholungsgebieten oder die Verbesserung der Schifffahrt.123 Aus diesem Grund hatten die Reservoirs im Muskingum Valley, anders als im

121 Muskingum Flood Menace Ends in Two More Years, in: Flood News, April 1936, OHS / OSA, Flood News. Zwei weitere Reservoirs wurden 1959 und 1972 gebaut. Vgl. auch Leopold / Maddock, Flood Control Controversy, 143–144; Platt, From Flood Control to Flood Insurance, 68. 122 Vgl. Craine, The Muskingum Watershed Conservancy District, 395, 401; Miles M. Dawson, Flood Control in Ohio. Columbus, OH, 1959, 112. Vgl. auch Templeton, How to Prevent Floods, 88; und James G. K. McClure, Jr., Watershed Conservation, in: American Forestry Association (Hg.), Flood Control. Cincinnati, Zanesville, OH, 1937, 3–7 (6): »Here the different conservation agencies of the state and the Federal Government are joining in a united long range program which deals not only with floods and water conservation but with reforestation, soil conservation, proper land use, the development of recreation, the preservation of wildlife and the organizing of knowledge through forest, soil and climatic research.« 123 Craine, The Muskingum Watershed Conservancy District, 388.

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Miami Valley, auch permanente Stauseen hinter den Dämmen, die allerdings deren Hochwasserschutzpotenzial einschränkten.124 Aus dem reinen Hochwasserschutzprojekt am Miami River, das ohne Bundeshilfe geplant, gebaut, finanziert und kontrolliert wurde, war am Muskingum, ebenfalls auf Grundlage des Ohio Conservancy Law, ein Kooperationsprojekt geworden, das neben dem Hochwasserschutz auch etliche andere Ziele verfolgte. Letztlich waren nämlich der Schutz vor Überschwemmungen, die Bekämpfung von Dürren, Energiegewinnung, Schifffahrt und Erholung für die conservationists nur nachgelagerte Ziele bzw. das Ergebnis einer effizienten Nutzung der Ressource Wasser. Paradigmatisch brachte Bryce Browning, Geschäftsführer der Handelskammer in Zanesville, der entscheidend zur Initiative beigetragen hatte, die letztlich zum MCWD führen sollte, diese Sichtweise zum Ausdruck, als er schrieb: Sometimes we talk about preventing floods. Sometimes we talk about drought, and sometimes about erosion. But they’re all really the same thing. They’re uncontrolled water runoff. That’s what we have to stop. We will stop it when we’ve learned to use the land in the best possible way.125

Bis zum Jahr 2007 waren im Staat Ohio nicht weniger als 57 conservancy dis­ tricts oder subdistricts geschaffen worden. Von diesen waren 20 noch aktiv, 22 waren inaktiv, fünf hatten sich mit anderen Distrikten zusammengeschlossen und zehn waren aufgelöst worden.126 Bundesweit orientierten sich mindestens 13 Einzelstaatslegislativen mit eigenen Projekten an der Pionierleistung im Bu­ ckeye State.127 124 Vgl. ebd., 390. 125 Zitiert nach Templeton, How to Prevent Floods, 91. 126 Vgl. Ohio Department of Natural Resources, Division of Water Fact Sheet 93–25, Ohio’s Conservancy Districts. Columbus, OH, 2007. Symptomatisch für die Probleme, die einem conservancy district entstehen konnten ist die Geschichte des Mill Creek Valley Conservancy District. Für ein neues strukturelles Hochwasserschutzprojekt waren bereits 418 Millionen Dollar für die Army Corps of Engineers bewilligt worden. Dem lokalen Distrikt war es aber nicht gelungen, den Eigenanteil von 144 Millionen Dollar bereitzustellen, weil diese Summe die beteiligten Bezirke schlicht überforderte. Der Distrikt bereitete daraufhin seine Selbstauflösung vor. Vgl. Dan Klepal, Mill Creek Project Threatened. Group Can’t Raise Money for Flood-Control Venture, Cincinnati Enquirer, 7.7.2005. Am Scioto River, einem weiteren nördlichen Zufluss des Ohio, war als Reaktion auf die Flut von 1959 zwei Jahre später ein Conservancy District gegründet worden, der sich aber 1971 aufgrund von unüberwindbaren rechtlichen Problemen auflöste. Vgl. Miles M. Dawson, Flood Control Report for Scioto River Basin, Prepared for State of Ohio, Department of Natural Resources, Division of Water, Columbus, OH, 1960, OHS / OSA, Jacob Adolph Meckstroth Papers, B4, F Mss 693/4/1; und State of Ohio, Scioto Conservancy District, Official Plan for the Control and Management of the Water Resources of the District, Columbus, OH, 1962, ebd., F »Mss 693/4/6«. 127 Vgl. White, Human Adjustment to Floods, 19–20. In Vermont waren nach der Flutkatastrophe im Jahr 1927 Pläne, den Hochwasserschutz durch ein System von nicht weniger

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Der Flood Control Act als Höhepunkt des strukturellen Hochwasserschutzes 

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7.5 Der Flood Control Act von 1936 als Höhepunkt des strukturellen Hochwasserschutzes Die »308 reports« Der Flood Control Act von 1917 war das erste nationale Gesetzeswerk überhaupt, das ausschließlich Hochwasserschutz zum Gegenstand hatte, wenn auch nur an einem bestimmten Abschnitt des Mississippi.128 Mit der Verabschie­ ivers and Harbors Act zehn Jahre später – nach William E. Leuchdung des R tenburg »one of the most important acts affecting water resources in our entire history«129 – wurde auch House Document 308 angenommen, eine gemeinsame Empfehlung des Army Corps of Engineers und der Federal Power Commission, die wichtigsten Flusstäler des Landes systematisch nach Kriterien wie Hochwasserschutz, Energiegewinnung, Bewässerung und Schiffbarkeit zu untersuchen. In den folgenden 14 Jahren wurden daraufhin insgesamt 188 Untersuchungen und Berichte, die sogenannten »308 reports«,130 erstellt, die das planerische Fundament für viele in der Folgezeit errichtete Bauten darstellten. Nach Gilbert F. White markierten diese Untersuchungen »the first large-scale and adequately financed effort to plan for multi-purpose use of water resources in the United States«.131 War die levees only-Doktrin des Army Corps of Engineers dadurch bereits zu einem großen Teil unterminiert, so wurde sie durch die Mississippi-Flut 1927 vollends beseitigt. Von Zeitgenossen als die »greatest peace-time calamity in the history of the country« beschrieben, setzte diese Flutkatastrophe weite Teile des Landes am unteren Mississippi unter Wasser, tötete mehrere Hundert Menschen und verursachte Schäden in dreistelliger Millionenhöhe. »It also swept away the levees-only policy of the Mississippi River Commission«, wie Matthew als 85 Reservoirs zu garantieren gescheitert. Vgl. Clifford / Clifford, The Troubled Roar of the Waters, 146, 150. Für die Hochwasserschutzbecken an den Zuflüssen des Los Angeles River vgl. Orsi, Hazardous Metropolis, 113–117. 128 Vgl. Arnold, The Evolution of the 1936 Flood Control Act, 3; White, Human Adjustment to Floods, 6. 129 Leuchtenburg, Flood Control Politics, 31. Vgl. auch Ohio Valley Improvement Association, Inc., The Ohio Valley Program. Resolutions – 1949. An action program intended to develop the greatest beneficial use of our water resources. Cincinnati, OH, 1948, 13. 130 House Document 308, 69th Cong., 1st Session (1927). Vgl. White, Human Adjustment to Floods, 8; Welky, Thousand-Year Flood, 32. 131 White, Human Adjustment to Floods, 8–9. Für Kritik an der Realisierbarkeit der in vielen »308-reports« angedachten Hochwasserschutzmaßnahmen vgl. ders., The limit of economic justification for flood protection, in: Journal of Land and Public Utility Economics 12 (1936), 133–148 (134). Vgl. auch Ohio Valley Improvement Association, Inc., The Ohio Valley Program, 13; O’Neill, Rivers by Design, 138, 157.

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T. Pearcy urteilt, »forcing a thorough reconsideration of the federal program of flood control for the Lower Valley«.132 Der als Resultat dieser Katastrophe im folgenden Jahr verabschiedete neue Flood Control Act bewilligte 325 Millionen Dollar für den Bau von Deichen und »diversion floodways« auf Kosten des Bundes; lokale Stellen mussten nur Land und Wegerechte beisteuern. »This new expression of Congressional policy«, bilanzierte Gilbert F. White später, »admitted the inadequacy of the old ›levees only‹ theory on the Lower Mississippi River, and it assigned the Federal government virtually complete financial responsibility for new works«.133

132 Pearcy, After the flood, 172–173. Vgl. auch Colten, Unnatural Metropolis, 142. 133 White, Human Adjustment to Floods, 10.Vgl. auch Leuchtenburg, Flood Control­ Politics, 30: »The great Mississippi flood of 1927 had badly shaken the beliefs of those who held that flood control was wholly  a local question, and the New England disaster  a few months later won new converts to the idea that the federal government should assume responsibility for a national flood control program.« Auch Zeitgenossen erkannten in aller Deutlichkeit, dass die alten Doktrinen ausgedient hatten. James Parkerson Kemper von der National Flood Commission urteilte 1928: »If reservoirs were to receive unbiased consideration, the first necessary step would be to disabuse the minds of those in control of flood matters of the prejudice prevailing against reservoirs. For 103 years, the Army Engineers had considered them of no value, as their treatment of the [Mississippi] river proves, and the Mississippi River Commission had entertained similar views for the 48 years of its existence. […] all methods of flood control up to date have ­failed, and it is necessary to employ new and different methods«. Kemper, Floods in the Valley of the Mississippi, 150. Vgl. darüber hinaus das Manuskript für eine Radioansprache des Kongressabgeordneten für Ohio Herbert S. Bigelow, 19.2.1937, CHS, Herbert Seeley Bigelow Papers, Mss B592, B12, F »Writings Dated, Flood Relief«: »It certainly does seem more sensible to build reservoirs in the upper courses of the rivers and their tributaries, than to pour so many hundreds of millions into raising the banks of the lower Mississippi. There are many in Congress who say quite openly that we have been working at the wrong end of these rivers – that more attention should be given to building reservoirs and dams to hold the water back. Power produced by hydro-electric plants at these dams would pay their cost, and pour current into a network of high-tension lines which would linke up huge areas, and prevent failure of electric service such as we have seen in Cincinnati and Louisville. What happens now is that the Mississippi channel is constantly filling up with the precious soil of our farms. We keep raising the banks so that the river now runs on a ridge. It seems obvious common sense to prevent erosion by reforestation and better farming practices, and we desperately need reservoirs and dams to step the waters down gradually, and to hold them back in the dry season. We should not forever be the victim of these destructive forces of nature. We should control these forces and make them serve us.«

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Der Flood Control Act als Höhepunkt des strukturellen Hochwasserschutzes 

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Der Flood Control Act von 1936 Das Interesse der Bundesregierung am Hochwasserschutz stieg nach schweren Überschwemmungen im Nordosten der USA 1935 sowie der Flut am Oberlauf des Ohio 1936 weiter an. Der im Juni dieses Jahres verabschiedete Flood Con­ trol Act regelte zum ersten Mal in der Geschichte der Vereinigten Staaten in allgemeiner Hinsicht die Beteiligung des Bundes am Bau von wirtschaftlich gerechtfertigten Hochwasserschutzbauten. »[F]lood control on navigable waters or their tributaries is a proper activity of the Federal government«, hieß es in der Begründung, »inasmuch as destructive floods menace the national welfare by destroying property and life, impairing interstate commerce, and otherwise upsetting orderly social processes«.134 Es wurde festgelegt, dass Bundesmittel dann für den Hochwasserschutz eingesetzt werden konnten, wenn der daraus erwartete Nutzen die geschätzten Kosten übertraf oder wenn Überschwemmungen das Leben und die soziale Sicherheit von Menschen gefährdeten.135 Was vorher schon am Unterlauf des Mississippi praktiziert worden war, wurde nun zur offiziellen Politik und auf andere Regionen übertragen. Insgesamt wurden vom Kongress 310 Millionen Dollar für 211 Projekte des Army Corps of­ Engineers bewilligt.136 Die Realisierung dieser Projekte lief zwar nur schleppend an und vollzog sich über Jahrzehnte. In ihrer Gesamtheit haben sie aber, wie Lieutenant General E. R. Heiberg III vom Corps of Engineers urteilte, nicht nur die Hochwasserschutzpolitik, sondern auch die Landschaft grundlegend verändert: »The hundreds of reservoir, levee, and channelization projects that resulted from the 1936 act and subsequent amendments have literally changed the face of the nation«.137 Als Ergebnis der anhaltenden Überschwemmungskatastrophen vor allem am Ohio und am Mississippi, der stetig ansteigenden Schäden und des zunehmenden Drucks der Öffentlichkeit und des Kongresses übernahm das Army Corps of Engineers schließlich Staubecken in das Arsenal seiner Mittel zur Bekämpfung von Fluten. So innovativ und effektiv die Lösung auch war, die Arthur Ernest Morgan am Miami River realisierte, so blieb sie doch einem Denken verhaftet, das hydrologischen Extremereignissen primär durch Erde und Beton begegnete, nur eben durch upstream storage an Stelle von levees. Gilbert F. White hat schon 1945 auf die Grenzen dieser Praxis hingewiesen: 134 Zit. nach White, Human Adjustment to Floods, 10–11. Vgl. auch Orsi, Hazardous Metropolis, 108. 135 Vgl. White, Human Adjustment to Floods, 11. Der Nutzen wurde dabei sehr vage definiert als »the benefits to whomsoever they may accrue«. Zit. nach ebd. 136 Vgl. ebd., 11–12; Leuchtenburg, Flood Control Politics, 48–52. 137 Vgl. dessen Vorwort in Arnold, The Evolution of the 1936 Flood Control Act.

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It has become common in scientific as well as popular literature to consider floods as great natural adversaries which man seeks persistently to over-power. According to this view, floods always are watery marauders which do no good, and against which society wages a bitter battle. The price of victory is the cost of engineering works necessary to confine the flood crest; the price of defeat is  a continuing chain of flood disasters. This simple and prevailing view neglects in large measure the possible feasibility of other forms of adjustment […].138

Die grundlegende Annahme hinter den traditionellen Ansätzen des Hoch­ wasserschutzes war, das Wasser der Flüsse möglichst von den Menschen in der floodplain fernzuhalten.139 Nur langsam setzte sich die Einsicht durch, dass man Hochwasserschäden auch dadurch mindern konnte, indem man gesellschaftliche Aktivitäten in den Überschwemmungsgebieten regulierte. Nach der Flut von 1913 wurden am Ohio River über zwei Jahrzehnte lang keine extremen Fluten mehr verzeichnet. Während sich die Methoden der amerikanischen Hochwasserschutzpolitik in diesem Zeitraum grundlegend wandelten (nicht aber die generelle Überzeugung, dass Überschwemmungen am besten durch strukturelle Maßnahmen, also den Bau von Dämmen, Schutzmauern und Reservoirs bekämpft werden sollten), schien sich die Gefährdungslage am Ohio entspannt zu haben. Die Ruhe war jedoch trügerisch. Im selben Jahr, 1936, in dem mit dem Flood Control Act der Hochwasserschutz in den Kompetenzbereich der Bundesregierung und damit des Army Corps of­ Engineers gelegt wurde, führten Überschwemmungen am oberen Ohio River zu Verwüstungen in etlichen Städten, allen voran Pittsburgh, und extrem großen Schäden. Die Pittsburgh Flood Commission hatte in ihrem Bericht aus dem Jahr 1912 darauf hingewiesen, dass ein Wasserstand von 40 Fuß (12,19 Meter) in Pittsburgh – der Rekord aus dem Jahr 1907 lag bei 35,5 Fuß (10,82 Meter) – nicht ausgeschlossen sei. Vor dem Hintergrund der stetig zunehmenden Urbanisierung in den Überschwemmungsgebieten würde eine solche Flut katastrophale Konsequenzen haben.140 Beide Prognosen wurden am St. Patrick’s Day 1936 bestätigt, als die größte Flut in der Geschichte Pittsburghs ihren Höhepunkt bei 46 Fuß (14,02 Meter) erreichte. Für mehr als 48 Stunden setzte das Wasser der drei großen Flüsse die Fabriken und die Wohngegenden am Flussufer unter Wasser, ebenso wie unzählige Geschäfte und Büros im Central Business District, die Pumpstation der Wasserwerke und die Elektrizitätswerke. Bei den Überschwemmungen kamen 47 Menschen ums Leben, 2.800 wurden verletzt, 67.500 waren ohne Behausung. Alleine für den Großraum Pittsburgh wurden 138 White, Human Adjustment to Floods, 1. 139 Vgl. ebd., 4. Vgl. auch Jamie W. Moore / Dorothy P. Moore, The Army Corps of En­ gineers and the Evolution of Federal Flood Plain Management Policy. Boulder, CO, 1989, 15. 140 Vgl. Muller, River City, 56; Smith, The Politics of Pittsburgh Flood Control, 8.

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Der Flood Control Act als Höhepunkt des strukturellen Hochwasserschutzes 

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die Schäden auf 50 Millionen Dollar geschätzt.141 So immens und desaströs diese Flut auch war, bot sie doch nur einen Vorgeschmack auf das, was sich ein Jahr später weiter stromabwärts ereignen sollte. Im Januar 1937 verursachten in ihren Ausmaßen extrem unwahrscheinliche meteorologische Bedingungen eine Überschwemmung, die in dieser Form statistisch nur alle 500 Jahre vorkommt. Vor allem diese Flut von 1937 trug mittelfristig erheblich dazu bei, dass in den USA das Risikomanagement an den Flussufern erneut grundlegend überdacht und dass die wortwörtlich »poststrukturelle« Phase des Hochwasserschutzes eingeläutet wurde.

141 Vgl. Smith, The Politics of Pittsburgh Flood Control, 5; Ohio Valley Improvement­ Association, The Ohio Valley Program, 13; Welky, Thousand-Year Flood, 49; Geraldine Jacobs Baker, When the River Came to Our House. Riding Out the Flood of 1936, in: Goldenseal 23 (1/1997), 56–59.

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8. Rückkehr des Verdrängten: Die Katastrophe von 1937

8.1 Ursachen und Verlauf Die meteorologischen Ursachen der extremen Flut von 1937 gehen zurück auf einen, wie das Amerikanische Rote Kreuz ausführte, in der Geschichte der Wetteraufzeichnungen außergewöhnlichen Monat, den Januar 1937.1 Fast der gesamte Niederschlag fiel zwischen dem 1. Januar und dem 24. Januar. In der ersten Hälfte dieser Periode waren die Regenfälle zwar stetig, aber weder besonders hoch noch räumlich konzentriert. In der zweiten Häfte gingen hingegen heftige Niederschläge mit der größten Intensität direkt über dem Hauptstrom zwischen Cincinnati und der Mündung in den Mississippi nieder.2 Ab Anfang Januar musste der Ohio beträchtliche Mengen an Wasser von seinen drei größten Zuflüssen, dem Cumberland, dem Tennessee und dem Wabash River, aufnehmen, so dass am unteren Abschnitt des Flusses bereits einige Stellen die offizielle Hochwassermarke überschritten hatten. Am 10.  Januar übertraf der Ohio diese Marke auf der gesamten Strecke von Cairo, Illinois, bis Paducah, Kentucky. Das Zentrum des Niederschlagsgebietes überquerte den Fluss zwar mehrere Male, es verharrte aber stets über dem Einzugsgebiet des Ohio. Diese konstante Nähe des Sturmzentrums zum Hauptstrom spiegelte sich auch in der Tatsache, dass die meisten Zuflüsse an ihren oberen Abschnitten nicht einmal Hochwasser führten, während die unteren Flussabschnitte Rekordstände erreichten. Die Pegelstände am Ohio River stiegen extrem schnell an. In Cincinnati und Louisville kletterte der Fluss alleine zwischen dem 21. und dem 22. Januar um 6,7 bzw. 6,3 Fuß (circa zwei Meter). Auf dem Höhepunkt der Flut am 24.  Januar 1937, ein Tag, an den man sich in der Region immer noch als »Black Sunday« erinnert, führte der Ohio Hochwasser auf der gesamten Strecke von Portsmouth bis Cairo.3 Überall zwischen der Mündung und Point Pleasant, Ohio, 1 Vgl. American Red Cross, Ohio-Mississippi Valley Flood Disaster of 1937, 11. 2 Vgl. hierfür und den folgenden Abschnitt Swenson, Rivers and Floods, 72–76. Vgl. auch Brooks / Thiessen, The Meteorology of Great Floods in the Eastern United States. 3 Für Erinnerungsausgaben von Zeitungen vgl. Black Sunday was Just 10 Years Ago, Cincinnati Post, 24.1.1947; Begone, Black Sundays, Cincinnati Enquirer, 25.1.1953; Just 20 Years Have Passed Since Flood Paralyzed City. Black Sunday Could Happen Once More, Cincinnati Post, 24.1.1957; ›Black Sunday‹ Ushered in Record 1937 Flood, Cincinnati Times-Star,

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wurden die alten Rekordstände gebrochen. Während die Flut in Pittsburgh elf Fuß (3,35 Meter) unter der Rekordmarke aus dem Vorjahr blieb und in Wheeling, West Virginia, noch sechs Fuß (1,83 Meter) an einem neuen Höchststand fehlten, überschritt der Ohio in Huntington bereits den Rekordwert aus dem Jahr 1913 um vier Fuß (1,22 Meter). In der Queen City stieg der Pegel am 26. Januar auf unvorstellbare 80 Fuß (24,38 Meter) und damit neun Fuß (2,74 Meter) höher als 1884. Die größte Differenz zwischen alter und neuer Höchstmarke erlebte aber Louisville mit elf Fuß (3,35 Meter).4 Da die gewaltigen Wassermassen des Ohio in den Mississippi drängten und dort ebenfalls Verheerungen anzurichten drohten, wurden am 25. Januar am Birds Point-New Madrid Floodway die Sicherungsdämme (»fuse plug levees«) gesprengt, so dass sich das Flutwasser über eine Fläche von über 50.000 Hektar ergoß.5 Wie schon 1832, 1883 und 1884 waren viele Zeitgenossen überrascht, ja regelrecht geschockt von der Höhe des Wasserstandes. Aus Miami, Florida, schrieb William Ellis Jones an Temple Budley in Louisville, Kentucky: »From my recollection of Louisville I can hardly believe that the river has gotten up to Oak Street, but if the pictures and snaps published in our papers are correct, it must have«.6 In Bezug auf die durch die Flut verursachten materiellen Schäden war die Katastrophe im Jahr 1937 die zu diesem Zeitpunkt verheerendste Überschwemmung in der amerikanischen Geschichte, schlimmer noch als die viel bekanntere Mississippi-Flut zehn Jahre zuvor. Setzt man die Zerstörungen in Bezug zum damaligen Wohlstand des Landes, in anderen Worten, berücksichtigt man die wirtschaftlichen coping capabilitites zur Zeit der Großen Depression, dann wird die Flut von 1937 sogar zur schlimmsten Flutkatastrophe des zwanzigsten Jahrhunderts, die sogar die Mississippi-Flut von 1993 hinter sich lässt.7 24.1.1957; 23 Years Ago. Black Sunday! Story Told in Headlines of ’37, Cincinnati Enquirer, 24.1.1960; Greater Cincinnati and the Deluge. 1937 Flood Remembered, in: Home Office News, Januar 1967, 14–16; Winter of Misery, Cincinnati Enquirer, 23.1.1997. Vgl. auch das (identische) Bild, mit dem die Cincinnati Post bzw. die Cincinnati Post and Times-Star, am 24.1.1949 bzw. am 24.1.1963 der Flut erinnerten. 4 Factory Mutual, The Ohio Valley Flood, 2; American Red Cross, Ohio-Mississippi Valley Flood Disaster of 1937, 14, 17. 5 Vgl. Welky, Thousand-Year Flood, 109–113. 6 Brief, William Ellis Jones, Miami, FL, to Temple Budley, Louisville, 26.1.1937, FHS, Bodley Family Papers, 1773–1939, F »Mss A B668e 141«. Vgl. auch die beiden Briefe einer Frau namens Blanche aus Richmond, VA, an Agnes Hoke in Louisville, ohne Datum, FHS, Agnes Hoke Papers. Das Wasser hatte 1937 in Louisville in der Tat die mehr als zwei Kilometer vom Ohio River entfernte Oak Street erreicht. 7 Vgl. Roger A. Pielke, Jr. / Mary W. Downton / J. Z. Barnard Miller, Flood Damage in the United States, 1926–2000. A Reanalysis of National Weather Service Estimates. Boulder, CO, 2002, 56–58. Vgl. auch Roger A. Pielke, Jr. / Mary W. Downton, Precipitation and Damaging Floods. Trends in the United States, 1932–97, in: Journal of Climate 13 (Oktober 2000), ­3625–3637; William G. Hoyt / Walter B. Langbein, Floods. Princeton 1955, 89, Tabelle 3.

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Insgesamt waren 196 counties in zwölf Staaten und 1,5 Millionen Menschen direkt betroffen, von West Virginia bis Louisiana (die Ohio-Flut wurde zwangsläufig auch zu einer Mississippi-Flut).8 Zwischen 500.000 und einer Million Menschen wurden aus ihren Häusern vertrieben.9 Nach Angaben des Roten Kreuzes kamen 137 Personen ums Leben, viele durch Krankheit und Erschöpfung bei Temperaturen um oder unter Null Grad. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass die Zahl der Todesopfer in Wirklichkeit viel höher lag. Allein eine Gasexplosion in einem dreistöckigen Gebäude in Louisville forderte zehn Todesopfer. Beim Kentern eines mit 200 Menschen völlig überladenen kleinen Schiffes in der floodway westlich von Bird’s Point kamen 26 Menschen ums Leben. Zwar war die Flut nach der Sprengung eines Deiches beabsichtigt, um die Stadt Cairo zu schützen, aber längst nicht alle Personen, die dort lebten oder arbeiteten, waren über diese Maßnahme informiert und evakuiert worden.10 Nach Angaben des Amerikanischen Roten Kreuzes wurden mehr als 70.000 Häuser komplett zerstört oder beschädigt. Die Zahl der toten Tiere wurde auf 1.968 Arbeitstiere, 3.354 Schlachttiere, 31.516 Schweine, 243.282 Hühner, and 11.425 andere Tiere geschätzt. Der (ohne Zweifel schwer zu ermittelnde) Gesamtschaden wurde in der Spannbreite zwischen 300 und 500 Millionen Dollar taxiert.11 Dazu kamen mehr als fünf Millionen Dollar für »relief work« und für den Transport von Hilfsgütern in die Überschwemmungsgebiete sowie weitere fünf Millionen Dollar für Notstandsarbeiten, um die noch erhaltenen Häuser und Bauwerke zu schützen. Von der Works Progress Administration wurden Arbeitskräfte und vielfältige Dienstleistungen beigesteuert, während sich die »relief activities« des Amerikanischen Roten Kreuzes auf mehr als 7,5 Millionen Dollar summierten. Alleine im Hamilton County, also im Großraum Cincinnati, entstanden der Hilfsorganisation Kosten in Höhe von mehr als 1,2 Millionen Dollar.12

8 American Red Cross, Ohio-Mississippi Valley Flood Disaster of 1937, 21. 9 United States Congress, House of Representatives, Committee on Flood Control, Comprehensive Flood-Control Plan for Ohio and Lower Mississippi Rivers (75th Cong., 1st Session), Washington, DC, 1937, 3; Factory Mutual, The Ohio Valley Flood, 4. 10 Vgl. Bell, The Great Flood of 1937, 115; Welky, Thousand-Year Flood, 166–167. 11 Vgl. American Red Cross, Ohio-Mississippi Valley Flood Disaster of 1937, 21; United States Congress, Comprehensive Flood-Control Plan for Ohio and Lower Mississippi Rivers, 3; Factory Mutual, The Ohio Valley Flood, 4. 12 Final Report of the Regional Supply Officer, 15.5.1937, NA, RG200, Records of the American Red Cross, DR 735 Ohio and Mississippi Valley Storm & Flood 1/37, B 1267, F »DR 735.11 Ohio Region B«, 14.

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Urbane und industrielle Vulnerabilität War die Flut des Jahres 1936 in Cincinnati, anders als in Pittsburgh, eher ein Spektakel als eine Katastrophe, so war die Queen City ein Jahr später eine der am stärksten von der Flut betroffenen Städte.13 In Cincinnati überschritt der Fluss die offizielle Hochwassermarke von 52 Fuß (15,85 Meter) am Montag, den 18. Januar 1937. Das Leben in der Stadt ging allerdings zunächst seinen gewohnten Gang, da »high water« zu dieser Zeit des Jahres eher die Regel als die Ausnahme war. Vom Beginn der Pegelaufzeichnungen in Cincinnati im Jahr 1858 bis 1964 erreichte der Ohio diese Marke insgesamt 78 mal, in manchen Jahren, wie zum Beispiel 1961, sogar zweimal.14 Schnell wurde allerdings deutlich, dass diese Flut mehr als nur der für die Jahreszeit typische Abfluss der Schneemassen aus den Bergen war. Nach dem rasanten Anstieg des Flusses vom 20. auf den 21. Januar und nach zusätzlichen Wassermassen durch den »final heavy downpour« am 24. Januar verfehlte der Ohio in Cincinnati die Marke von 80 Fuß (24,38 Meter) nur um wenige Zentimeter.15 In Bezug auf die überschwemmte Fläche lag Cincinnati weit hinter anderen Städten zurück, da die Queen City in ihrem Expansionsdrang längst über die bottoms hinaus gewachsen war und der Großteil des Stadtgebietes nun auf höherem, hochwassersicheren Terrain lag. Während Cincinnati daher nur zu 10 Prozent überflutet war, stand Louisville zu drei Viertel unter Wasser, und Paducah, Kentucky, war fast vollständig überschwemmt. Was Cincinnati aber von anderen Städten unterschied, war die extrem hohe Konzentration von industriellen Produktionsstätten, Wohngebieten und infrastrukturellen Einrichtungen in der floodplain.16 In einigen Teilen der Stadt kamen Transport und Kommunikation fast völlig zum Erliegen. Zehntausende Einwohner mussten tagelang ohne Licht, Wasser, Gas und Telefon auskommen. Brücken wurden gesperrt, Laternen und Telefonmasten einfach weggeschwemmt, Eisenbahn- und Straßenbahnlinien standen wochenlang unter Wasser. Am deutlichsten zeigte sich die zerstörerische Kraft des Ohio River aber (erneut) an den kollabierten oder regelrecht verrückten Häusern und an den 13 Für die Flut von 1936 in Cincinnati vgl. F. Raymond Daniell, Flood is Creeping into Cincinnati, New York Times, 25.3.1936: »Slight as was the flood’s effect here, the high water provided a spectacle for thousands of persons from this and near-by cities. They swarmed up the seven hills to view the river, which in a few days had trebled its width. Mill Creek, a trifling stream which trickles though an outlying section of Cincinnati, had backed up over an area nearly two miles wide and the lock and dam at Fernbank were completely hidden.« 14 Vgl. Stimson, River on a Rampage, 91. 15 American Red Cross, Ohio-Mississippi Valley Flood Disaster of 1937, 14. 16 Vgl. American Red Cross, Ohio-Mississippi Valley Flood Disaster of 1937, 100–101; Matthew Irvin Rorabaugh / F. F. Schrader / L. B. Laird, Water Resources of the Louisville Area, Kentucky and Indiana. Washington, DC, 1953.

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daraus resultierenden Ansammlungen von Trümmerteilen, nicht nur in Cincinnati. »At one place«, hielt der Chief Hydraulic Engineer des Geological Sur­ vey Nathan Grover fest, »a building was being moved back from the middle of a street, and at another a sign posted by the village authorities warned that all buildings in the streets must be removed by March 1«. Während man den Highway entlang fahre, setzte Grover seine Beschreibung fort, könne man sich kaum noch vorstellen, dass eben diese Straße vor kurzem noch zehn bis zwanzig Fuß unter Wasser stand. »Nevertheless, water marks on store windows, houses, and barns showed the grim reality of the facts.«17 Höher als in anderen Städten war in Cincinnati auch der Anteil von Schäden an industriellen Anlagen. Als die Bostoner Factory Mutual Fire Insurance Company die Anzahl ihrer Klienten ermittelte, die von Flutschäden betroffen waren, stellte sie fest, dass von insgesamt 100 geschädigten Unternehmen 48 in Cincinnati residierten. Auch in Louisville war die industrielle Durchdringung des Überschwemmungsgebietes weit vorgedrungen. Hier lag nur eines der versicherten Unternehmen deutlich außerhalb der »floodplain«, 30 dagegen wurden vom Wasser schwer beschädigt.18 Ironischerweise nahm trotz der durch die Städte strömenden Wassermassen auch die Brandgefahr erheblich zu, da die Handlungsfähigkeit der Feuerwehren durch beschädigte Wasserleitungen und Probleme, die Brandorte überhaupt zu erreichen, stark beeinträchtigt war. Dies galt in Cincinnati vor allem für das Mill Creek Valley, in normalen Zeiten ein kleiner Fluss im Westen der Stadt, in dessen Tal sich etliche Industrien niedergelassen hatten.19 Führte der Ohio allerdings Hochwasser, drängten die Wassermassen des Hauptstroms immer wieder in den Mill Creek und verwandelten dessen floodplain in eine Seenlandschaft. Überschwemmungen im Mill Creek Valley durch rückgestautes Wasser aus dem Ohio waren schon im frühen neunzehnten Jahrhundert ein häufig wiederkehrendes Problem. Im Schnitt traten solche Fluten alle fünf Jahre auf und erschwerten daher die kommerzielle Nutzung der Überschwemmungsgebiete. Im Jahr 1853 begann der Stadtrat (City Council) Cincinnatis, die Aufschüttung der Überschwemmungsgebiete im Mill Creek bis zur Höhe der Flut von 1832 prüfen zu lassen. Der leitende Ingenieur der Stadt befürwortete eine solche Lösung des Problems und prognostizierte, dass die Eisenbahngesellschaften schon bald einen großen Teil dieser Gebiete nutzen würden und dann vor allem im unteren Teil des Mill Creek Valley ein enormes Wachstum zu verzeichnen sein würde. Mit der Expansion Cincinnatis nach Westen wurde das Tal des Mill Creek in der 17 Grover, Floods of the Ohio and Mississippi Rivers, 698. 18 Private Fire Protection: The Effect of the Flood on Factory Mutual Plants, in: Factory Mutual Record 14 (March / April 1937), 13–14 (13). 19 Vgl. Miller, Boss Cox’s Cincinnati. Urban Politics in the Progressive Era, 25–26.

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Tat immer wichtiger für die Wirtschaft der Stadt, und bis 1880 war der Flusslauf durch »made land« für Wohngebiete, Industrieanlagen und Güterbahnhöfe substanziell verengt worden. Die floodplain des kleinen Flusses wurde dabei um bis zu 20 Fuß (circa 6 Meter) erhöht.20 Doch auch diese Aufschüttungen, die den Fluss zugeich in ein engeres Korsett zwängten und damit tendenziell den Pegelstand erhöhten, waren keine dauerhafte Lösung. Die beiden großen (aber in Cincinnati noch recht glimpflichen) Überschwemmungen des Ohio 1907 und 1913 und zwei kleinere Hochwasserereignisse 1918 und 1924 erzeugten so hohe finanzielle Schäden, dass die Cincinnati City Planning Commission in ihrem »Official City Plan« 1925 vorschlug, den Hochwasserschutz entweder durch Deiche entlang des Mill Creek oder durch ein Sperrwerk an der Mündung des Flusses massiv zu verbessern. Erst die Flut von 1937 sollte diesen Plänen aber zum Durchbruch verhelfen.21 Bei zwei der größten Unternehmen Cincinnatis, Standard Oil und den Cros­ ley Radio Works, beide im Mill Creek Valley gelegen, führten die Flutschäden auch zu verheerenden Bränden. Am Sonntag, den 24. Januar, stand das Wasser 10 Fuß (circa 3 Meter) hoch auf dem Werksgelände von Standard Oil und riss einige der riesigen Tanks aus ihren Fundamenten, so dass Öl aus den geborstenen Leitungen floss. Durch Funken, eventuell von gerissenen Stromkabeln der Straßenbahn, entzündete sich die brennbare Flüssigkeit. Stetig genährt von Öltanks mit einer Kapazität von 200.000 Litern entstand ein Inferno, dessen Flammen bis zu 100 Fuß (circa 30 Meter) hoch schlugen.22 Vom Gelände Standard Oils floss das brennende Benzin in die unmittelbar angrenzende Fabrik von Crosley Radio. Der Wasserspiegel in den Gebäuden Crosleys war gerade hoch genug, um der »brennenden Flut« Einlass zu gewähren. Zwar sprangen

20 Vgl. Stanley Hedeen, Waterproofing the Mill Creek Floodplain, in: Queen City Heri­ tage 56 (1/1998), 15–24 (15–16); ders., The Mill Creek. An Unnatural History of an Urban Stream. Cincinnati, OH, 1994; Ford / Ford (comp.), History of Cincinnati, 12. 21 Vgl. Cincinnati City Planning Commission, The Official City Plan of Cincinnati, Ohio. Cincinnati, OH, 1925, 152–155; Hedeen, Waterproofing the Mill Creek Floodplain, ­16–17; ders., The Mill Creek, 149–156. 22 Fires and the Fire Danger. Fire Losses, Fire Hazards, and Fire Fighters during the Recent Flood, in: Factory Mutual Record 14 (March / April 1937), 9–12 (9–10). Stromkabel, insbesondere »live wires«, waren nicht nur häufige Auslöser von Bränden, sie erzeugten auch etliche andere Probleme. 1937 entgingen Angehörige der US-Küstenwache in Cincinnati mehrfach nur knapp dem Tod, als die Antriebsschrauben ihrer Boote Starkstromkabel durchtrennten. Nahe Portsmouth, Ohio, kam der Kapitän eines Schaufelraddampfers ums Leben, der sein Boot über ein offenes Feld gelenkt hatte, um zu einem von der Flut eingeschlossenen Dorf zu gelangen. Sein Ruder war an einem Stromkabel hängen geblieben. Vgl. American Red Cross, Ohio and Mississippi Valley Floods – 1937, Region B, Ohio Area, Final Report, Cincinnati, OH, Juli 1937, NARA, RG 200, DR 735 Ohio and Mississippi Valley Storm & Flood 1/37, B 1268, F »DR 735.11/08 Ohio Region B – Final Report Part #1«.

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alle 600 Sprinkler schnell an, doch deren Leistung reichte nicht, um das Dach und die Träger des einstöckigen Gebäudes zu schützen, das schnell kollabierte.23 Feuer waren auch ein großes potenzielles Problem in den Wohngebieten, doch hier konnten sie durch Vorsichtsmaßnahmen und innovative Methoden verhindert bzw. unter Kontrolle gebracht werden. Im Brandfall dirigierte zum Beispiel die Feuerwehr Cincinnatis normale, mit Wasser befüllte Tankwagen per Kurzwelle zum Einsatzort um. Die Boy Scouts gingen von Haus zu Haus und teilten Feuerwarnungen aus, in denen die Anwohner über die Gefahren unachtsamen Rauchens informiert wurden. Darüber hinaus bewachten sie Öl- und Benzinlager, verteilten Feuerlöscher und sorgten dafür, dass Raucher von Gebäuden mit leicht entflammbarem Material fern gehalten wurden.24 In Louisville notierte ein besorgter Zeitgenosse am 24. Januar 1937, dass das mit Öl bedeckte Wasser des Ohio nun die City Hall erreicht habe, um die herum sich lange Schlangen von Flutflüchtlingen gebildet hätten. »What a spot for a carelessly thrown match or cigarette! […] They must be gotten away from the City Hall if any order is to be maintained at all, and it is urgent that those lines be kept away from that gasoline.«25 Industrielle Schadensmuster zeigten sich auch an anderen Orten im Ohio Valley, vor allem am Oberlauf des Ohio River und dessen Zuflüssen. Im »great industrial valley« des Kiskimintas River, der in den Allegheny fließt, wurden 1937 auf einer Länge von acht Meilen die United Engineering & Foundry Com­ pany, die American Sheet & Tin Plate Company, die Appollo Steel Company, die Allegheny Steel Company sowie etliche Gruben beschädigt, »not to speak of the hundreds of thousands of dollars lost in pay rolls and in dollars and cents to employees of these factories, which were thrown out of work, due to the flood«.26

23 Fires and the Fire Danger, 10. Vgl. auch National Board of Fire Underwriters, Committee on Fire Prevention and Engineering Standards, The Flood Problem in Fire Prevention and Protection. New York 1939. Vgl. auch Welky, Thousand-Year Flood, 92–93. 24 Boy Scouts of America, Cincinnati Area Council, Scout Executive’s Report – 1937, Presented at Annual Meeting – Cincinnati Council, February 5, 1938, CHS, Boy Scouts of America, Cincinnati Area Council, Mss Vf 71. 25 Jonathan Van Dyke Norman, Jr., Fluttagebuch, The 1937 Flood at Louisville, FHS,­ Jonathan Van Dyke Norman, Jr. Papers, Eintrag vom 24.1.1937. 26 Statement of Ernest Magaro, Assistant Maintenance Superintendent of Highways, Westmoreland County, PA, U. S. Congress, House of Representatives, 75th Cong., 1st Session, Hearings Before the Committee on Flood Control on Levees and Flood Walls, Ohio River­ Basin. (H. R. 7393 and H. R. 7647), Washington, DC, 1937, 340–41. Für Standortentscheidungen von Unternehmen am Fluss vgl. American Waterways Operators, Inc., A Study in Economic Growth. Waterside Site Plant Locations and Expansions Since 1952. Washington, DC, 2 1962. Vgl. hierzu auch White, Human Adjustment to Floods, 113–114.

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Die infrastukturelle Ausdehnung der Flut Auch wenn der Großteil des Stadtgebietes Cincinnatis auf hochwassersicherem Terrain lag, litten viele Bürger, die auf »higher ground« wohnten, unter den Folgen der Flut. Dies lag vor allem an der Vulnerabilität der urbanen Infrastruktur gegenüber Überschwemmungen. Die beiden wichtigsten Pumpstationen der Wasserwerke zum Beispiel lagen in unmittelbarer Flussnähe. Im Stadtteil California, am südöstlichen Rand der Stadt, wurden die Pumpen am 24. Januar um 18:20 Uhr abgestellt, als der Fluss schon die Marke von 75,6 Fuß (23,04 Meter) erreicht hatte. In der Torrence Road Station, die nicht nur die Bewohner des Basins, sondern auch die Wohngegenden auf den Hügeln der Stadt per Hochdruckpumpe mit Wasser versorgte, versagten beide Pumpen ebenfalls am »Schwarzen Sonntag« ihren Dienst.27 In dem Moment, in dem die Wasserwerke ihre Arbeit einstellten, wurden auch die Speicher geschlossen, um die 100 Millionen Gallonen Trinkwasser, die sich noch darin befanden, für späteren und langsameren Verbrauch zu konservieren. In den folgenden Tagen wurden die Ventile nur morgens und abends für jeweils zwei Stunden geöffnet. Diese geringe Menge an Trinkwasser wurde allerdings ergänzt durch zehn »emergency connections« aus anderen Quellen. Hierzu zählten eine Distillerie ebenso wie eine Molkerei, eine Seifenfabrik und vier Industriebetriebe, allesamt Einrichtungen, die über eigene Wasserquellen verfügten.28 Von besonderem Interesse war der artesische Brunnen der Bur­ ger Brewing Company. Die Brauerei schloss ihre Wasserquellen via Pipeline und einen Hydranten an die Hauptwasserleitung der Stadt an und pumpte insgesamt eine Million Gallonen Wasser aus dem Brunnen. Durstige Bürger Cincinnatis konnten ihr Wasser sogar selbst an der längsten »Bar« der Stadt abzapfen. 85 Zapfhähne waren an der 50 Meter langen Pipeline angebracht worden, die darüber hinaus auch noch nachts beleuchtet war. Durch diese Mittel und Methoden konnte immerhin ein Fünftel des normalen Verbrauchs der Stadt aufrecht erhalten werden. Am 3.  Februar wurden alle Einschränkungen aufgehoben, so dass nach insgesamt 216 Stunden die reguläre Versorgung wieder vollständig hergestellt worden war.29 In Louisville, das mit ähnlich gro 27 Vgl. Cincinnati & Suburban Bell Telephone Co., Engineering Department, Cincinnati, Ohio, Flood of 1937, Memorandum for File, 7.5.1937, CHS, Cincinnati and Suburban Bell Telephone Company Engineering Department, Records of the 1937 Flood, Mss 752, B1, F 1. 28 Public Water Systems in the Flood, in: Factory Mutual Record 14 (March / April 1937), 6. 29 Vgl. Longest Faucet Bar, Cincinnati Enquirer, 2.2.1937, Water, Not Beer Drawn at Brewery, Cincinnati Times-Star, 31.1.1937; Water Equipment Moved to New Station, Cincinnati Enquirer, 30.1.1937; White, Human Adjustment to Floods, 87; Cincinnati & Suburban Bell Telephone Co., Engineering Department, Cincinnati, Ohio, Flood of 1937, Memorandum for File, 7.5.1937, CHS, Cincinnati and Suburban Bell Telephone Company Engineering Depart-

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ßen Problemen zu kämpfen hatte, notierte Viola MacDonald Morey in ihrem Fluttagebuch, als das Wasser wieder floss: »We felt very rich, as before this we had gotten only a little [water] for an hour in the morning thru the pipes in the basement«.30 Nicht nur die Versorgung mit Wasser wurde zum Problem während der Flut, sondern auch die Abwasserentsorgung. »The sanitation problem is  a serious one, schrieb MacDonald Morey. »I never thought I’d thank God for  a ›privy‹ but that is just what I am doing now, glad that the old one in our stable was not filled up, but was connected with the sewer when it was put through Wellington St. But sewers now are a menace.« Alle, die noch ein entsprechendes Exemplar besaßen, benutzten das Chick Sales model,31 ein etwas moderneres »outhouse«, das im Gegensatz zu den normalen Toiletten kein Wasser brauchte. Die Familie von Goldie Baron verwendete dagegen einfach einen alten Eimer, den sie dann in den Ohio entleerten. »As tragic as the situation is, there are still some funny sides to it«.32 An anderen Orten am Ohio River lernten viele Flutopfer in den Flüchtlingscamps überhaupt zum ersten Mal ein water closet kennen und brauchten Instruktionen für deren Benutzung.33 Ungefähr zur gleichen Zeit wie die Wasserwerke wurden auch die Elektrizitätswerke überflutet, die immerhin für Pegelstände von 72 Fuß (21,95 Meter) am West End bzw. 74 Fuß (22,55 Meter) am Columbia Park ausgelegt waren. Bis die Generatoren am 2.  Februar wieder vollständig instandgesetzt werden konnten, wurde die Versorgungslücke in Cincinnati zumindest teilweise durch Strom aus Dayton and Indianapolis gedeckt.34 Die Versorgungsunternehmen nutzten die Flut auch zur Selbstvermarktung. Fast alle utilities schalteten aufwändige Anzeigen oder gaben eigene Broschüren ment, Records of the 1937 Flood, Mss 752, B1, F 1. Auch in Louisville kam eine Brauerei der Bevölkerung zu Hilfe. Die Frank Fehr Brewing Company versorgte die Flutflüchtlinge in der Armory per Tanklastwagen mit Wasser. »Without this service and this water supply«, stellte J. Colgan Norman, Kommandeur der American Legion Emergency Relief Troop, der die Hilfsarbeiten in der Armory leitete, fest, »our position would have been practically impossible.« J. Colgan Norman, Commander of the American Legion Emergency Relief Troop, to Judge Ben F. Ewing und Commissioner George C. Burton, Report, undated, ca. Februar 1937. 30 Viola MacDonald Morey, Fluttagebuch, Louisville, KY, Anfang Februar 1937, FHS, Morey Family Papers. Vgl. auch Bell, The Great Flood of 1937, 39–41. 31 Benannt nach Charles ›Chik‹ Sale, dem Autor des Dramas The Specialist, St. Louis, MO, 1929, das das Schicksal eines Handwerkers aus Urbana, Illinois schildert, der sich auf den Bau von »outhouses« spezialisiert hatte. 32 »Diary« von Goldie Baron, FHS, Goldie Baron Papers, 1901–1985; Viola MacDonald Morey, Fluttagebuch, Louisville, KY, Anfang Februar 1937, Eintrag vom 26.1.1937, FHS, Morey Family Papers. 33 So zum Beispiel in der Schule von Shawneetown, vgl. Welky, Thousand-Year Flood, 161. 34 Vgl. Cincinnati & Suburban Bell Telephone Co., Engineering Department, Cincinnati, Ohio, Flood of 1937, Memorandum for File, 7.5.1937, CHS, Cincinnati and Suburban Bell­ Telephone Company Engineering Department, Records of the 1937 Flood, Mss 752, B1, F 1.

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heraus, in denen – recht heroisch – die Bewältigung der Flut geschildert wurde, sehr zum Verdruss von Kritikern wie dem Kongressabgeordneten für Ohio aus Cincinnati Herbert S. Bigelow, der hinter den uppig illustrierten Publikationen die Motivation witterte, die Öffentlichkeit vom Nutzen privater Versorgungsmonopole zu überzeugen.35

Kommunikation Rationiert wurde aber nicht nur Wasser, Strom und Gas, sondern auch Kommunikation. Schon Tage bevor die Flut in Cincinnati ihren Höhepunkt erreichen sollte, brachen einige Verteiler der Cincinnati & Suburban Bell Telephone Company unter der großen Anzahl der Gespräche zusammen. Am 22. Januar 1937 vermittelte das Long Distance Office die Rekordzahl von 9.722 Telefonaten.36 Am selben Tag schlugen die Ingenieure der Gesellschaft dem Management vor, über das Radio die Bürger Cincinnatis zu bitten, von unnötigen Telefongesprächen abzusehen. Dieser Weg wurde zunächst »for policy reasons« nicht beschritten, dann aber doch eingeschlagen, und schon eine halbe Stunde nach der Ankündigung hatte sich die Situation merklich entlastet.37 35 Manuskript für eine Radioansprache Bigelows, 19.2.1937, CHS, Herbert Seeley Bigelow Papers, Mss B592, B12, F »Writings Dated, Flood Relief«. Bigelow bezog sich explizit auf die Anzeigen der Cincinnati Gas and Electric Company in lokalen Zeitungen: »Peans of praise, at from five hundred to one thousand dollars a page, I suppose, are being sung, to the grand work of this utility during the flood.« Als Beispiel für solche Selbstdarstellungen vgl. auch die Sonderausgabe zur Flut der­ (Southern Indiana Gas and Electric Co.) SIGECO News 4 (März 1937), reproduziert in: American Red Cross, Evansville Chapter, Archives Commission (comp.), History of the Flood, Evansville Area, January, February 1937. Evansville, IN, University of Evansville Press 1977, 269–284. Vgl. desweiteren How Cincinnati Purchasing Department Met the Emergency During the Flood. Purchasing Agent H. F. Wagner Describes the Emergency Functioning of His Department, in: The Street Cleaner 21 (Mai 1937), 1; The OK (Ohio-Kentucky) News. Special edition: »This is a picture edition of the weekly news sheet (normally four pages) published by and for employees of your gas and electric company. Reprints are being distributed because of general interest in the issue’s sole subject – The Great Flood of 1937. Beide in UC, Municipal Reference Library, Vertical Files (US-04–09), F »1937 Flood«; Standard Printing Company Inc., Louisville, Drama in a Printing Plant and Bindery as a Result of the Great Ohio Valley Flood, 1937, FHS, Frances MacGregor Ingram Papers, 1874–1954, F »1937 Flood Chapter«; Union Central Life Insurance Company, The Union Central and the 1937 Flood. Cincinnati, OH, 1937. 36 A. J. Allen, Cincinnati, Ohio. Flood of January 1937, CHS, Mss 752, Cincinnati and Suburban Bell Telephone Company Engineering Department, Records of the 1937 Flood, B1, F »2«. 37 Cincinnati & Suburban Bell Telephone Co., Engineering Department, Cincinnati, Ohio, Flood of 1937, Memorandum for File, 7.5.1937, CHS, Cincinnati and Suburban Bell Telephone Company Engineering Department, Records of the 1937 Flood, Mss 752, B1, F

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Die urbane Kommunikation wurde aber nicht nur durch den krisenbedingten Anstieg der Gespräche beeinflusst, sondern auch durch die Flut selbst. Telefongespräche, Radiosendungen, Funkverkehr etc. sind keine immateriellen Vorgänge, sondern eng an materielle Praktiken geknüpft. Diese Verwobenheit wurde durch die Flut in aller Deutlichkeit aufgezeigt. So betraf die immer schwierigere Wasserversorgung in Cincinnati auch die lokale Telefongesellschaft, deren Notgeneratoren fast ausschließlich mit »city tap water« gekühlt wurden. In Bezug auf das durch die Flut beschädigte Equipment notierte die Cincinnati & Suburban Bell Telephone Company: »There were approximately 18,000 stations affected by the flood either by being removed, relocated, under water or out of service due to impairment to other facilities. Approximately 60 to 65 percent of this number were actually under water.« In Louisville ging die Radiostation WAVE am 24. Januar um 23:39 Uhr off the air, nachdem die Louis­ ville Gas and Electric Company keinen Strom mehr produzieren konnte.38 Insbesondere dort, wo Telefon- und Telegraphenleitungen, Schaltzentralen und Hauptämter der Telefongesellschaften von der Flut betroffen waren, brauchte man andere Wege der Kommunikation. »Much of this communication was by radio, the latest principal arrival to the family of electric communica­ tions,« wie Anning S. Prall festhielt. Dadurch habe sich auch, so der Vorsitzende der Federal Communications Commission, neben den Ärzten, Krankenschwestern und Mitarbeitern der public utilities eine ganz neue Gruppe von Helden ergeben, »which might very properly be called the heroes of the air«.39 Die Sender informierten dabei über die Situation in den überschwemmten Gebieten, sie warnten vor Gefahren, riefen zu Spenden auf und waren generell ein »clearing house« für die Aktivitäten der Hilfsgesellschaften, allen voran des Roten Kreuzes.40 Der Sender WAVE in Louisville etwa berichtete über erfolgreiche Rettungsmaßnahmen und sendete Instruktionen an alle motorbetriebenen Boote, Lastwagen und Automobile, die mit einem Empfangsgerät ausgestattet waren. Über den Äther gingen dabei sowohl die Sendungen der kommerziellen Radiogesellschaften wie auch Mitteilungen von »amateur operators«, die mit ih1. Für Louisville vgl. den Brief von Charlotte Burch Wimp an Donald M. Butler, Sullivan, IL, 22.1.1937, FHS, Charlotte Burch Wimp Papers: »People are urged not to use telephone except dire necessity & same with electric lights […] street lights and signs have been cut off since day before yesterday.« 38 Cincinnati & Suburban Bell Telephone Co., Engineering Department, Cincinnati, Ohio, Flood of 1937, Memorandum for File, 7.5.1937, CHS, Cincinnati and Suburban Bell Telephone Company Engineering Department, Records of the 1937 Flood, Mss 752, B1, F 1; Transkript, WAVE Radio, Louisville, 25.1.1937, 7:35 pm FHS, WAVE Radio. Zu den Problemen der Telefongesellschaft in Louisville siehe Welky, Thousand-Year Flood, 129. 39 Transkript einer Radiorede von Anning S. Prall, Chairman, Federal Communications Commission (FCC), Washington, DC, gesendet über NBC Radio, RCA Building, Radio City, New York, 31.1.1937, FHS, WAVE Radio. 40 Vgl. ebd. sowie Welky, Thousand-Year Flood, 135.

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ren selbstgebauten Apparaten häufig lokale »relief messages« koordinierten.41 »The radio had kept all people aware of all things«, bilanzierte Frances Ingram vom Neighborhood House in Louisville, »when battery sets became our dependence, we knew less and feared more«.42 Durch diese Vielzahl an Übertragungen konnten die Bürger die Flut gewissermaßen in Echtzeit erleben, auch wenn sie selbst (noch) nicht betroffen waren. William Ervin Caldwell räsonierte in seinem Fluttagebuch darüber, dass und wie in Louisville 165.000 Menschen evakuiert worden waren: »Think of it! This work all night long largely in the dark, directed by radio remote control«.43 Dabei diente die Kakophonie aus »Live-Berichten«, Ankündigungen, Aufrufen, Warnungen, etc. nicht nur der Vergewisserung über das Ausmaß der Schäden und der Betroffenheit, sondern erzeugte auch eine Unruhe sui generis. »Radio calls constantly  – emergencies. Boats to all sections of city. People on rooftops at 44th & Broadway. People drowning at 44th & Greenwood«, notierte Lucy Diecks am 23. Januar. »Radio calls very urgent – nerve-racking to listen to«.44 Einen Tag zuvor hatte Charlotte Burch Wimp in einem Brief zu Bedenken gegeben, dass das Radio den Einwohnern Louisvilles zwar ständig versichere, dass alle gerettet würden, »yet there are casualties, people will refuse until too late to leave their homes.«45

8.2 Die soziale Dimension der Flut Die Flut von 1937 stellte auch deshalb eine extrem große Herausforderung für alle Beteiligten und Betroffenen dar, weil sie nicht nur dem theoretisch möglichen maximalen Pegelstand und damit einem »worst case scenario« an vie 41 Transkript, WAVE Radio, Louisville, 25.1.1937, 7:35 pm, FHS, WAVE Radio. Für die Bedeutung von Radionachrichten in Evansville, Indiana, vgl. American Red Cross, History of the Flood, Evansville Area, 10–11. 42 Frances Ingram, Statement to Conference of National Federation of Settlements, 25th Conference, Bloomington, Indiana, 20.5.1937, FHS, Frances MacGregor Ingram Papers, 1874–1954, F »1937 Flood Chapter«. Zur Station WHAS siehe Welky, Thousand-Year Flood, 84–86, 122–123, 136–140. 43 William Ervin Caldwell, Diary also Log of Ohio River Flood, Januar / Februar 1937, FHS, William Ervin Caldwell Papers. 44 Lucy Diecks diary, The Flood, FHS, Diecks Family. 45 Brief an Donald M. Butler, Sullivan, IL, 22.1.1937, FHS, Charlotte Burch Wimp Papers (Hervorhebung im Original). Vgl. auch Viola MacDonald Morey, Fluttagebuch, ­Louisville, KY, Anfang Februar 1937, FHS, Morey Family Papers. Eintrag vom 22.1.1937: »[…] radio was broadcasting flood bulletins every few minutes and I couldn’t go to bed«, und vom 23. Januar: »The radio bulletins continued without interruption and we were astounded as we heard the call for ›boats, boats‹ to go to places where it was hard to imagine a flood. We heard that Frankfort was almost entirely under water, and no word could be gotten thru to Carrollton. It was terribly exciting and alarming.«

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len Stellen sehr nahe kam; sie traf auch, anders als etwa die Flut am Mississippi 1927, auf eine mittlerweile stark industrialisierte und dicht besiedelte Region, und das auch noch mitten in der Großen Depression. Ein Mitarbeiter des American Red Cross notierte: The outstanding thing, of course, is the fact that we have assisted so many thousands of families to recover from what last January appeared to be the end of everything for many of them. They had survived the trying years of the depression only by the greatest sacrifices, and came out of it barely able to hold body and soul together. […] The disaster floored them completely, coming as it did just at the time when they were starting to recover, and in the early weeks of the emergency, thousands of them threw up their hands in complete resignation. Experienced workers on the staff said they had never seen a more forlorn and despondent group of people on any job, and they had plenty to be pessimistic about. Conditions in the Valley in the week after the flood, when I first went through the region, were inconceivable. Everywhere along the river, mile after mile, there was nothing but an endless chain of villages and towns battered to bits. […] The sight was enough to sicken even a casual visitor to the Valley so it is easy to understand why so many of those living in the flood area went around in a state of shock and daze for weeks after the flood receded.46

Für das Amerikanische Rote Kreuz war die Bewältigung der Flut von 1937 nach eigenen Angaben die gewaltigste Aufgabe seit dem Ersten Weltkrieg. Mehr als eine Million Menschen waren auf die Hilfsorganisation angewiesen, um mit Nahrungsmitteln, Kleidung, Obdach und medizinischer Hilfe versorgt zu werden. Das ARC errichtete 1.575 Flüchtlingszentren und Zeltstädte für insgesamt 698.103 Personen.47 In den 315 Notkrankenhäusern wurden 16.445 Patienten behandelt.48 Alleine die Jefferson County Armory in Louisville beherbergte und versorgte insgesamt über 75.000 Menschen, mehr als dreimal so viele, wie 2005 im Superdome in New Orleans nach Hurrikan Katrina Zuflucht suchten.49 Die Armory wurde zum Nervenzentrum der Hilfsarbeiten in Louisville. Hier wur 46 American Red Cross-Memorandum, Resume of Rehabilitation on Ohio, ohne Datum, ca. Mai 1938, NARA, RG 200, DR735 Ohio and Mississippi Valley Storm & Flood 1/37, B 1267, F »DR 735.11 Ohio Region B«. Vgl. auch American Red Cross, History of the Flood, Evansville Area, 30: »The depression had hit these farmers a heavy blow, followed by years of drought. Many farmers were practically insolvent, although possessed of a determination to keep at it even if it appeared to be a losing game.« 47 Bei der Flut am Mississippi sorgten 154 »concentration camps« für 311.922 obdachlose Personen. Vgl. Barry, Rising Tide, 286. 48 American Red Cross, Ohio-Mississippi Valley Flood Disaster of 1937, 24. 49 Vgl. Bell, The Great Flood of 1937, 131. Eine Gruppe von 50 Flutflüchtlingen, die es nicht rechtzeitig in die Armory geschafft hatte, musste in der Frachtstation einer Eisenbahngesellschaft ausharren. Vgl. List of refugees marooned at the Monon or C. I. & L. R. R. freight station at the corner of 14th and Main in Louisville, 1937, 25.1.1937, Louisville, KY, FHS,­ Monon Railroad.

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den die Flüchtlinge aufgenommen, hier wurden ihnen Feldbetten und Decken zur Verfügung gestellt und Wasser und Nahrungsmittel verteilt. Die Armory war so groß, dass die Campleitung Männer für Arbeitsdienste rekrutierte und zur Überwachung der Schlaflager und Latrinen.50 Die Verpflegung der Flutflüchtlinge in der Armory erfolgte (gegen Bezahlung) durch die Küchen des Blue Boar und des Kentucky Hotel, die bis zu 10.000 Mahlzeiten pro Tag bereit stellten. Die Küche der Armory war rund um die Uhr geöffnet, und selbst, als Wasser in das Erdgeschoss des Gebäudes eingedrungen war und die Küche verlegt werden musste, gab es keine Unterbrechung der Versorgung. Personen, die aktiv an den Hilfs- und Rettungsarbeiten beteiligt waren, hatten Anspruch auf drei warme Mahlzeiten pro Tag, während sich die »refugees« mit zwei »light meals« begnügen mussten (in der Regel Suppe oder Eintopf). Die Armory verfügte zudem über ein Notkrankenhaus, eine »Typhoid Serum Injection Station«, die Schätzungen zufolge 10.000 Personen impfte. Trucks der Nationalgarde brachten die Flüchtlinge in das Aufnahmelager und transportierten diese auch wieder aus der Stadt hinaus.51 Von den 231.000 Flutflüchtlingen in den 25 betroffenen counties in Ohio lebte fast ein Drittel in Hamilton County, das heisst im Großraum Cincinnati.52 Normalerweise versuchte das Rote Kreuz bei Überschwemmungen, Obdachlose in nicht von der Flut betroffene Gemeinden und Städte zu transportieren, doch dies erwies sich in Cincinnati wie in anderen Großstädten am Ohio aufgrund der großen Zahl von notleidenden Menschen als unmöglich. Mehr als 65.000 Hochwasserflüchtlinge blieben in der Stadt und mussten dort versorgt werden.53 Schulgebäude und Kirchen wurden als Notunterkünfte benutzt, während extra errichtete Kantinen die Versorgung mit Nahrungsmitteln sicherstellten. Diejenigen, die in ihren Häusern ausharrten, wurden durch »basket feeding« 50 Vgl. J. Colgan Norman, Commander of the American Legion Emergency Relief Troop, an Judge Ben F. Ewing und Commissioner George C. Burton, Report, ca. Februar 1937. 51 Vgl. Viola MacDonald Morey, Fluttagebuch, Louisville, KY, Anfang Februar 1937, FHS, Morey Family Papers. Vgl. auch den Brief von Anita Brooke Strother an ihre Familie, ohne Adresse, 26.1.1937, FHS, Anderson Brooke Family Papers, 1793–1983. »Typhoid shots« wurden auch in dem zu einer Großküche umgewandelten Neighborhood House in Louisville durchgeführt. Vgl. Frances Ingram, Statement to Conference of National Federation of Settlements, 25th Conference, Bloomington, Indiana, 20.5.1937, FHS, Frances MacGregor Ingram Papers, 1874–1954, F 1937 Flood Chapter. 52 Final Report of the Regional Supply Officer, 15.5.1937, NA, RG200, DR 735 Ohio and Mississippi Valley Storm & Flood 1/37, B 1267, F »DR 735.11 Ohio Region B«, 1–2. 53 Ebd., 5. Drastisch war auch die Situation in Mayfield im Graves County, Kentucky. Ab dem 24.1.1937 musste die Stadt, die lediglich 9.000 Einwohner hatte, 22.000 Flüchtlinge aufnehmen, die meisten davon aus dem nahezu komplett überfluteten Paducah. Vgl. American Red Cross, Graves County, Final Report, 10.5.1937, NA, RG 200, DR 735 Ohio and Mississippi Valley Storm & Flood 1/37, B 1264, F »DR 735.11 Kentucky Counties, Gallatin – Greenup«.

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versorgt. Der Bedarf des Roten Kreuzes an Personal war so groß, dass bei lokalen Restaurants und Hotels um Unterstützung gebeten wurde. Die Bandbreite an Berufen derjenigen, die letztlich in den Kantinen arbeiteten, reichte daher »from preachers to bartenders, all of whom labored long hours, conscientiously working to feed the hungry.«54 Die vielen Freiwilligen leisteten ebenfalls einen erheblichen Beitrag zur Bewältigung der Katastrophe. Gleichzeitig wurden sie aber auch zu einem Problem, sowohl durch ihre bloße Zahl wie auch durch die oft fehlende adäquate Ausbildung.55 Ein »principal volunteer« klagte: With water, power, and light turned off, and everything closed, Red Cross was swamped by mobs of people who had nothing else to do but get into flood work. Most of them wanted to be in charge or do inspecting. Being an inspector was a favorite occupation. It was an easy way of getting through the lines to the waterfront. Some luckless stations were inspected as often as ten times a day. As always happens in the confusion of an emergency, some excellent people were turned away and sensation seekers got front seats. These deserted in droves when the excitement had gone with the water, and only the mud was left […].56

Ebenso wie die negativen Effekte der Flut weit über die Grenzen der Überschwemmungsgebiete hinausreichten, so trug die zunehmende gesellschaftliche Vernetzung, vor allem im Transport- und Kommunikationsbereich, auch zu einer höheren Resilienz bei. In Louisville wurde das Serum für Impfungen gegen Typhos durch zwei kleine Flugzeuge aus Philadelphia eingeflogen, die auf einem nahegelegenen highway landeten.57 Die Cincinnati and Suburban Bell Telephone Company besorgte sich Generatoren anderer Telefongesellschaften aus Wisconsin und Indiana, nachdem die Stromversorgung in der Queen City größtenteils zusammengebrochen war. Die Radiostation WAVE in Louisville erhielt einen eigenen Generator, der von der National Broadcasting Company aus Chicago eingeflogen wurde. Für die Polizei in Portsmouth, Ohio, wurde ein tragbarer Transmitter aus Cleveland herangeschafft. Teilweise waren diese 54 Final Report of the Regional Supply Officer, 15.5.1937, NA, RG200, DR 735 Ohio and Mississippi Valley Storm & Flood 1/37, B 1267, F »DR 735.11 Ohio Region B«, 8. 55 Ebd., 2–3. 56 Ebd., 3.  Vgl. auch die Liste der Freiwilligen, die bei der Berufsfeuerwehr Cincinnatis 12-Stunden-Schichten leisteten, in: CHS, Mss 547, Cincinnati Fire Department II, Bd.153 (1933) [sic], 180–182. In Louisville hatte der Aufruf des lokalen Hilfskomitees an benachbarte Städte, Flutflüchtlinge aufzunehmen, dazu geführt, dass viel zu viele Automobile aus den Highlands zu den Sammelstellen kamen und zum Teil mehrere Stunden auf ihre »Passagiere« warten mussten. Vgl. Jonathan Van Dyke Norman, Jr., Fluttagebuch, The 1937 Flood at Louisville, FHS, Jonathan Van Dyke Norman, Jr. Papers. 57 Brief von Charlotte Burch Wimp an Donald M. Butler, Sullivan, IL, 22.1.1937, FHS, Charlotte Burch Wimp Papers. Vgl. auch den Brief von Henrietta Henning, Louisville, an­ Suzanne de Charette, New York, 3.2.1937, FHS, Lulie Henning Papers.

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räumlichen Effekte sogar grenzüberschreitend. So erklärte sich die kanadische Regierung bereit, Interferenzen, die von Stationen in ihrem Land ausgingen, zu reduzieren, um die Signale der Sender in den überschwemmten Gebieten nicht zu beeinträchtigen.58 Besonders deutlich zeigte sich an der Versorgung der Flutopfer mit Kleidung der Zusammenhang zwischen Vernetzung und Resilienz. Das Rote Kreuz erhielt Kleiderspenden aus allen Teilen der USA und Kanadas, »ranging from Styles of the ›Gay Nineties‹ to those of the present day.« Bevor aber die Lager in Cincinnati, Columbus und Dayton Schuhe, Mäntel, Socken und Hemden ausgeben konnten – über zehn Millionen Artikel alleine in Cincinnati – wurden Wagenladungen von Kleidungsgegenständen zum Teil  ganz bis nach Chicago und Cleveland transportiert, weil die lokalen Reinigungskapazitäten nicht ausreichten. Nach ihrer Rückkehr wurden die Textilien nach Größe geordnet, gebündelt und markiert.59

Katastrophe und Rassismus Wie schon bei vorherigen Fluten offenbarten sich auch 1937 wieder soziale Unterschiede in den Bewältigungskapazitäten, rassistische Praktiken bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und die de facto-Segregation der Hilfsarbeit. Seit dem 21.  Januar war die Nationalgarde Ohios mit insgesamt 116 Offizieren und 1.409 Soldaten in der Krisenregion in Cincinnati im Einsatz. Die Na­ tional Guard sollte Plünderungen an einer »Frontlinie« von mehr als 50 Meilen (80 Kilometer) und in einem überschwemmten Gebiet verhindern, das sich über 14 Quadratmeilen (36 Quadratkilometer) am Nordufer des Ohio, am Westufer des Little Miami River und an beiden Seiten des Mill Creek erstreckte.60 Die Hauptlast wurde von der Infanterie getragen, die insgesamt 46 Meilen (74 Kilometer) bewachte, während die Kavallerie für lediglich vier Meilen 58 Transkript, WAVE Radio, Louisville, 25.1.1937, 7:35 pm, FHS, WAVE Radio; Transkript einer Radiorede von Anning S. Prall, 31.1.1937, FHS, WAVE Radio; WAVE returns to air, Transkript einer Radiosendung des NBC affiliate WAVE aus Louisville, 26.1.1937, FHS, WAVE Radio. 59 Final Report of the Regional Supply Officer, 15.5.1937, NA, RG200, DR 735 Ohio and Mississippi Valley Storm & Flood 1/37, B 1267, F »DR 735.11 Ohio Region B«, 12. Vgl. auch die Karte Outside Aid to Strucken Cities, in: Factory Mutual, Fires and the Fire Danger 12­ (Abbildung XXVI). Vgl. für ein weiteres Beispiel Chicago Coast Guard to the Rescue in­ Illinois Flood, Chicago Herald and Examiner, 27.1.1937. 60 Report of Commanding Brigadier General Ludwig S. Conelly, Cincinnati Flood Area, Jan 22 to Feb. 7, 1937, in: Ludwig S. Conelly, Report of the Ohio National Guard in the Cincinnati Flood Area, 1–2. [1937], OSA, State Archives Series 1368. Im Mill Creek Valley übernahmen nach dem Rückgang des Wassers zumeist die firmeneigenen Wachdienste wieder den Schutz der Anlagen vor Plünderungen. Vgl. ebd., 2.

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(6,4 Kilometer) im Osten der Stadt zuständig war. Als einige Tage später mehr Soldaten »in the troublesome area downtown, – in the socalled [sic] ›black belt‹« benötigt wurden, übernahm die Kavallerie ein größeres Gebiet. Nicht nur die Einsatzgebiete, auch die Truppen der Nationalgarde waren segregiert. Die einzige »colored company«, Company G, 372nd Infantry unter Captain Wilkins mit drei Offizieren und 58 Soldaten, »occupied a small sector on the river front in the worst part of Cincinnati. They did exceptionally good work. The entire batallion did eccellent work in a very difficult down-town sector.«61 Die Überschwemmungsgebiete wurden von der Landseite her durch Posten an den Straßenkreuzungen und Patrouillen abgeriegelt, um das Eindringen von Plünderern zu verhindern. Auf dem Wasser kreuzten Schiffe der Naval Militia, die mit Suchscheinwerfern die Gegend nach eigenen Angaben zu »unhealthy places for looters« machte.62 Durch diesen Kordon durfte nur passieren, wer eine entsprechende von der Stadtverwaltung ausgestellte Erlaubnis besaß.63 Dieser abgesperrte Bereich sollte mit dem Rückgang des Wassers nach und nach verkleinert werden, jedoch nicht, bevor die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser wiederhergestellt war. Doch selbst dann konnten die Bewohner noch nicht ohne Weiteres in ihre Häuser zurückkehren. When the general clean-up begins, the owner or tenant of a house or building may enter his house or building for the purpose of cleaning, but not for occupancy, using his pass if necessary. As WPA and other workers engage in clean up throughout the flood district, no entrance whatsoever into homes will be permitted unless the owner or tenant is present. Occupancy of the homes must wait until every effort is made to remove all the hazards such as gas pockets, structural defects, and health defects, which cause loss of life or injury.64

Auch verdorbene Nahrungsmittel wie Fleisch, Kohl, Kartoffeln »or any other animal or vegetable matter« sollten das abgeriegelte Gebiet nicht verlassen dürfen. »It is ordered that the above be rigidly enforced«.65 61 Ebd. 62 Ebd. Für Plünderungen in Louisville 1937 vgl. Welky, Thousand-Year Flood, 145–146. 63 Vgl. Eugene T. Weatherly, Chief of Police, to Commanding Officers All Districts, Confidential Order, 28.1.1937, OSA, State Archives Series 1368. Ein solcher Passierschein für Louisville findet sich in den Beständen der dortigen Filson Historical Society (FHS). Vgl. Joe B. O’Brian, Chairman, Welfare Department, Highland Branch, 2.2.1937, FHS, Papers of Mrs. Cole Whiteford, Jr. 64 Eugene T. Weatherly, Chief of Police, Memorandum to Red Cross, 1.2.1937, OSA, State Archives Series 1368. Für Louisville vgl. Viola MacDonald Morey, Fluttagebuch, Louisville, KY, Anfang Februar 1937, FHS, Morey Family Papers, Eintrag für den 1.2.1937: »The entire west end is under quarantine & people will be allowed to return to their homes only after they have been thoroughly inspected.« 65 James Glore, Major 147th Inf., Ohio National Guard, Executive Officer, to Unit Commanders, 2.2.1937, OSA, State Archives Series 1368. Vgl. auch Ralph L. Wolf, Capt., Inf., S-2, S-2 Section Report, 6.2.1937, OSA, State Archives Series 1368.

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Durch diese drastischen Maßnahmen konnten Plünderungen zwar weitestgehend verhindert werden, die Ohio National Guard sichtete dennoch ihr bedrohlich erscheinende Aktivitäten. An einigen Straßen im Mill Creek Valley war »considerable boat prowling« beobachtet worden. »These streets are all in a bad neck of the city and in all probability it will be a considerable job to do away with this sort of thing.« In einer frühen Form von »racial profiling« waren auch die Schuldigen schnell ausgemacht: »Here is what happens, a man[,] usually  a negro will steal  a boat somewhere and slip out into the water, kick open  a door or throw  a brick thru  a window, steal something and row away. This is an expected thing in every flood, yet should be checked up on as closely as possible«.66 Generell waren African Americans von der Flut überproportional betroffen. Sie machten mehr als ein Viertel derjenigen aus, die beim Roten Kreuz um Unterstützung baten, eine weitaus höhere Quote als ihrem Bevölkerungsanteil entsprochen hätte (etwa zehn Prozent). Diese Divergenzen lagen nicht zuletzt darin begründet, dass soziale Benachteiligung oft Hand in Hand mit der Ab­ drängung in hazardscapes geht, also in marginale Gebiete, die sich durch einen hohen Grad an Umweltgefährdungen und Umweltbelastungen auszeichnen. So ist es kein Zufall, dass 1937 viele sharecropper in den Niederungen des Mississippi und etliche schwarze Viertel in den Großstädten am Ohio betroffen waren.67 Für Evansville, Indiana, hat Darrel E. Bigham festgehalten: […] whatever the reasons for settlement patterns, urban blacks resided in the worst areas. The stench and health hazards associated with the old canal were well known, as were similar problems in low-lying, flood-prone areas near Pigeon Creek, either at the Ohio River or in Blankenburg.68

Rassistische Strukturen offenbarten sich dabei auf beiden Seiten des Ohio River, im immer noch von Jim Crow-Praktiken geprägten Süden ebenso wie nördlich des Flusses. In Louisville wurden zum Beispiel zwei Zeltstädte von der WPA errichtet – eine für 800 Euroamerikaner am Algonquin Parkway, eine andere für

66 K. Haubrich, Col. Infantry Ohio National Guard, to C. G. Flood Area, Inspection of Various Set-ups Night January 27th, 28.1.1937, OSA, State Archives Series 1368. Vgl. auch Sam Richmond, Maj. Cav., S-3 Operations, to General Ludwig S.  Conelly, Headquarter­ Cincinnati Flood Area, Report of Activities of 3rd Section (Operations), 6.2.1937, ebd. 67 Vgl. Welky, Thousand-Year Flood, 193. Allgemein zu Umwelt(un)gerechtigkeit vgl. Bullard, Dumping in Dixie. 68 Darrel E. Bigham, We Ask Only a Fair Trial. A History of the Black Community of Evansville, Indiana. Bloomington, IN, 1987, 34. Konkret zur Flut von 1937 in »Baptisttown«, einem der afroamerikanischen Viertel Evansvilles, vgl. ebd., 276. Vgl. desweiteren ders., On Jordan’s Banks. Emancipation and Its Aftermath in the Ohio River Valley. Lexington, KY, 1986.

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1.200 African Americans im George Rogers Clark Park.69 Die Ausstattung in diesen Flüchtlingslagern war allerdings alles andere als »separate but equal«, wie aus einem Bericht der lokalen Abteilung des Roten Kreuzes über die »weiße« Zeltstadt hervorgeht. This tent city here is some different from the colored one. Here each family has their own tent, with cots for sleeping, a stove with a double purpose, heat and cooking. In one corner is the table for eating. Boxes are used for clothes and extra equipment, of course very little space is necessary as these people have lost most [sic] every thing in the flood.70

Da die zu großen Teilen überflutete Stadt Louisville sich nicht um alle Flüchtlinge kümmern konnte, bat Bürgermeister Neville Miller benachbarte Städte um Hilfe. Mayor E. Reed Wilson aus Lexington kam dieser Bitte nach und stellte sicher, dass alles in segregierten Bahnen verlief. »Approximately 200 Negro refugees from Louisville arrived in Lexington Tuesday night, and Wednes­ day approximately seventy-five white refugees had been placed in private homes in Lexington«, konstatierte der Louisville Courier. »Negro refugees were cleared through the Colored Community Center, inoculated for typhoid fever and­ placed in Negro churches.«71 In anderen Städten war die Situation ähnlich. Cairo, Illinois, wurde in getrennten Bussen evakuiert; in Paducah, Kentucky, war das Courthouse, in dem sich 500 Flüchtlinge aufhielten, segregiert, ebenso wie die High School in Shawneetown, Illinois.72 Nicht überall konnten jedoch sofort segregierte Camps errichtet werden. Vor allem in den ersten Tagen der Flut fanden sich daher nicht selten Euroamerikaner und Afroamerikaner in ein und derselben Einrichtung wieder. Lillian McCracken, eine Krankenschwester aus Richmond, Virginia, die vom Roten Kreuz an den Ohio beordert worden war, stellte mit Erstaunen und wohl auch mit Erschrecken fest, dass an ihrem ersten Einsatzort, einem tempo­rären 69 Vgl. Bell, The Great Flood of 1937, 84. Für Jefferson County vgl. Helen F. Dunn an I. Malinde Havey, 20.3.1937, NA, RG 200, DR 735 Ohio and Mississippi Valley Storm & Flood 1/37, B 1263, F »DR 735.11/5 Kentucky Region C, Health Activities«: »There are two tent cities, one for white with 165 refugees and one for colored with about 70 persons. Two nurses are on duty in each camp. They are doing a nice piece of health education work. The white camp will probably be kept open for some time but the colored camp is rapidly being evacuated.« 70 Mitchell, ARC Louisville, KY, »Report 2–26–37, White Tent Colony«, 26.2.1937, NA, RG 200, DR 735 Ohio and Mississippi Valley Storm & Flood 1/37, B 1266, F »DR 735.11/6 Kentucky, Jefferson County, Relief other than Health«. Zu den »colored barracks« vgl. auch W. E. Porter, Director of Recreational Activities, Recreational Activities, Hickman, Kentucky, in: Richard F. Allen, Regional Director, American Red Cross, Final Narrative Report, Region C – Kentucky, 1937, ebd., B 1261, F »DR 735.11/08 Kentucky Region C, Final Report«, 98–102. 71 Negroes Get Attention in Lexington, Louisville Courier, 28.1.1937. Zitiert nach Bell, The Great Flood of 1937, 93. Vgl. auch Welky, Thousand-Year Flood, 132. 72 Vgl. Welky, Thousand-Year Flood, 107, 113, 149, 161.

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Flüchtlingslager in den Gebäuden der Wood Mosaic Lumber Co., nicht nur Weiße Zuflucht suchten. »There were between 5 to 900 refugees – colored, too«. Da nicht einmal Klappbetten vorhanden waren, schliefen die Menschen entweder auf dem Bauholz aus der Fabrik oder auf dem Boden. Nahrungsmittel waren zwar reichlich vorhanden, Geschirr aber nur für 70 Personen. Für die Krankenschwester aus dem Süden war die soziale Norm allerdings aus anderen Gründen auf den Kopf gestellt. Sie musste, wie sie explizit festhielt, nicht nur dasselbe Geschirr und denselben Raum mit African Americans teilen, »we even dished out water to the colored people«.73 In Cincinnati beschwerten sich Vertreter der Associated Negro Press, Inc. und der National Urban League über diskriminierende Praktiken des Roten Kreuzes. Die Hilfsorganisation reagierte darauf, indem sie ein district office nur mit African Americans besetzte. Auch für den Posten des case supervisor und das Komitee, das sich die Anliegen der 6.000 in diesem Bezirk lebenden Bürger anhörte, wurden nur African Americans rekrutiert.74 Gerade im Süden aber bemühte sich das Amerikanische Rote Kreuz nicht aktiv um die Beseitigung der segregierten Hilfsarbeit. David Welky hat hervorgehoben, dass die Hilfsorganisation rassistischen Praktiken nicht widersprach, »neither did it pay equal rates for its own black doctors and nurses, arguing it was ›following the customs of the community‹.«75

8.3 Die New Deal Katastrophe Für das Rote Kreuz endete die »emergency period«, die am 17. Januar 1937 begonnen hatte, am 15.  März. Sechs Wochen später wurde das letzte Lager geschlossen und die Verteilung von Gütern eingestellt.76 Trotz des gewaltigen Schadens in Cincinnati und an unzähligen anderen Stellen des Ohio River gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Flut eine ökonomische Krise ausgelöst hat. Die großen Mengen an Geld und Gütern, die im Rahmen der Hilfsarbeiten beispielsweise in die Queen City flossen, trugen sicherlich dazu bei, die Katastrophe auch mittelfristig zu bewältigen. Die »transition from utter desolation to near 73 Lillian McCracken, Diary of American Red Cross Disaster Work. Nursing Service – Starting 1:55 p.m. Jan. 26, 1937, NA, RG 200, DR 735 Ohio and Mississippi Valley Storm & Flood 1/37, B 1263, F »DR 735.11/5 Kentucky Region C, Health Activities« 74 Vgl. ARC, Ohio and Mississippi Valley Floods – 1937, Region B, Ohio Area, Final Report, Cincinnati, OH, Juli 1937, 16, NA, RG 200, DR 735 Ohio and Mississippi Valley Storm & Flood 1/37, B 1268, F »DR 735.11/08 Ohio Region B – Final Report Part #1«. Zur Tradition dieser ungleichen Behandlung vgl. Moser Jones, Race, Class and Gender Disparities in Clara Barton’s Late Nineteenth-Century Disaster Relief. 75 Welky, Thousand-Year Flood, 195. 76 Final Report of the Regional Supply Officer, 15.5.1937, NA, RG200, DR 735 Ohio and Mississippi Valley Storm & Flood 1/37, B 1267, F »DR 735.11 Ohio Region B«, 14.

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normalcy is almost beyond belief,« notierte der Engineering News-Record kurz nach der Flut.77 Das Amerikanische Rote Kreuz kam ein Jahr später zu ähnlichen Einschätzungen: The change that has come over the Valley in the months since the disaster is almost as unbelievable as was the destruction it caused. Roads are now open, bridges rebuilt, homes repaired and rebuilt, and others in the process of construction. Stores and business houses have been remodeled and improved, and the appearance of practically every town affected has been improved one hundred percent by this work. The physical change in the people has been just as marked.78

In nur sechs Monaten sei im Ohio Valley mehr erreicht worden als in drei Jahren nach der Überschwemmungskatastrophe in Johnstown 1889. Während in Pennsylvania noch Jahre später die Folgen der Flut zu erkennen gewesen seien, gäbe es am Ohio kaum noch Spuren der Verwüstung.79 Bei allen Anstrengungen und Leistungen, die das Rote Kreuz ohne Zweifel erbracht hat, darf nicht vergessen werden, dass die Hilfsorganisation auch ein originäres Interesse daran hatte, die (eigenen) Wiederaufbauleistungen in einem positiven Licht erscheinen zu lassen. Zeitgenössische Dokumente konterkarieren nicht selten das Image einer reibungslos ablaufenden Hilfsmaschinerie, das das Rote Kreuz vor allem nachträglich popularisierte. Gerade in den ersten Tagen der Flut war die Hilfsarbeit in den Überschwemmungsgebieten vielerorts gekennzeichnet durch Kompetenzwirrwarr, Unsicherheit über die Versorgung mit essentiellen Diensten wie Wasser oder Gas, und einer zunehmenden Verschlechterung der Lebensumstände, so dass Hunderttausenden am Ende nichts anderes übrig blieb als zu fliehen. In Louisville beschwerten sich die West End Crusaders, eine lose Vereinigung erzürnter Bürger, über Missmanagement und einen Exzess an Bürokratie beim Roten Kreuz. Mehrere rassistische Vorfälle stellten die Neutralität der Hilfs­ vereinigung in Frage und die Maßnahmen zum Wiederaufbau begannen für viele zu langsam. Auch beim Roten Kreuz selbst wurden kritische Stimmen laut. So wunderte man sich in der Zentrale in Washington, DC, über die Unfähigkeit der Mitarbeiter in Paducah und beschwerte sich über unerfahrene Rotkreuzler, die in Cincinnati lediglich sieben Küchen für Zehntausende von der Flut vertriebene Menschen eröffnet hatten. Um die Nachfrage bedienen zu können, mussten später 60 weitere Küchen geschaffen werden.80 77 Rehabilitation of the Ohio Valley, in: Engineering News-Record, 10.3.1937. 78 ARC Memorandum, Resume of Rehabilitation on Ohio, ohne Datum, ca. Mai 1938, NA, RG200, DR735 Ohio and Mississippi Valley Storm & Flood 1/37, B 1267, F »DR 735.11 Ohio Region B«. 79 Vgl. ebd. 80 Vgl. Welky, Thousand-Year Flood, 73, 101, 211–12.

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Aber auch und gerade die lokalen Institutionen waren zu Beginn der Flut oft überfordert. In Louisville notierte Jonathan Van Dyke Norman, Jr., der unter anderem für die Verbreitung von Flutnachrichten, Anordnungen, etc. über das Radio verantwortlich war, über die Arbeit eines städtischen Sonderausschusses unter der Leitung von Bürgermeister Neville Miller: A hastily thrown together organization is trying to battle  a rapidly growing emergency which is entirely new and strange. The overlapping of function between boat department, supply department, transportation department [of the Mayor’s emergency committee], etc. is perplexing and all of them working under terrific pressure. […]

Drei Tage später notierte Norman: The swarms of pitiful refugees in the halls make it hard to get from room to room, ­especially as the halls are very dimly lit by kerosene lamps. We still have no authority to have all radio messages cleared through our room, and the result is confusion of messages on the air.81

Wie schon 1884 standen auch 1937 ländliche Regionen im Schatten der großen Städte. Herbert S. Bigelow, Kongressabgeordneter für Ohio aus Cincinnati, berichtete, dass einige seiner Kollegen aus Wahlbezirken stammten, die zwar oft 100 Meilen oder mehr Uferlinie aufwiesen, die aber nur viele kleine und versprengte Ortschaften hatten, »some of which might be overlooked and in desperate plight«.82 In vielen dieser isolierten Gebiete war das Kurzwellenradio die einzig verbliebene Verbindung zur Außenwelt.83 Trotz der massiven Schäden, der Probleme und der Konflikte kommt man nicht umhin festzustellen, dass die Katastrophe im Jahr 1937 erstaunlich gut bewältigt wurde, insbesondere, wenn man sie mit anderen Überschwemmungen vergleicht. Die Zahl der Toten war vergleichsweise gering, vor allem vor dem Hintergrund der großen Zahl Betroffener und von Temperaturen um den Nullpunkt.84 Auch führten die gewaltigen Flüchtlingsströme über die konkret damit verbundenen Probleme hinaus nicht zu Konfusion und Chaos. Für Louisville stellte Jonathan Van Dyke Norman fest: There were 60,000 people moved from their homes, and 250,000 out of the city’s 350,000 were either moved or stranded by the water. In all this there were less than ten 81 Jonathan Van Dyke Norman, Jr., Fluttagebuch, The 1937 Flood at Louisville, FHS,­ Jonathan Van Dyke Norman, Jr. Papers, Einträge vom 24. und 27.1.1937 82 CHS, Herbert Seeley Bigelow Papers, B12, F »Flood in Cincinnati (2 drafts)«, 30.1.1937. Vgl. auch Daniel R. Beaver, Buckeye Crusader. A Sketch of the Political Career of Herbert Seely Bigelow, Preacher, Prophet, Politician. Cincinnati, OH (privately printed), 1957. 83 WAVE returns to air, Transkript einer Radiosendung des NBC affiliate WAVE aus Louisville, 26.1.1937, FHS, WAVE Radio. 84 Dies gilt selbst dann, wenn die offiziellen Zahlen nicht stimmen sollten.

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deaths from drowning, the death rate from all causes was only slightly above normal, and there has been only one case of typhoid. There were a few bad fires but no conflagration. Some looting occurred, and a few small riots, but nothing at all serious.85

Die Gründe für diesen Erfolg sind vielfältiger Natur. Zunächst gab es in den meisten Fällen eine relativ klare Kompetenzverteilung. Ohne die Existenz ziviler bundesstaatlicher Notstandsbehörden war von Anfang an klar, dass nur das Rote Kreuz die Ressourcen besaß, mit einer Katastrophe dieser Größenordnung umzugehen. Nach der Ohioflut 1884 hatte Clara Barton noch festgehalten: »The work of the Red Cross is supplemental and it sought for the special wants­ likely to be overlooked in this great general supply and the necessities outside the­ limits of government aid«.86 Das Rote Kreuz begriff sich hier also noch primär als Ergänzung zu den anderen privaten und staatlichen Hilfsangeboten. Bei den verheerenden Fluten in Vermont und am Mississippi 1927 hatte das ARC jedoch bereits die volle Verantwortung für die Hilfsmaßnahmen.87 Zehn Jahre später waren sich die lokalen, regionalen und nationalen Institutionen dieser Tatsache bewusst und kooperierten zumeist bereitwillig mit der Hilfsorganisation. In Cincinnati zum Beispiel übertrug City Manager C. A. Dykstra, nachdem er offiziell den Ausnahmezustand ausgerufen hatte, dem Roten Kreuz die Autorität für die Rettung von Flutopfern, deren Versorgung mit Nahrungsmitteln und Unterkünften und den Wiederaufbau nach Ende der Katastrophe. Die Seifenfirma Procter & Gamble und die Crosley­ Corporation entliehen Arbeiter für die Verwaltung und die Kantinen des ARC,88 während der Radiosender NBC extra zwei Ingenieure aus Chicago abstellte, die in Evanston, Illinois, den Funkverkehr des Roten Kreuzes und anderer Hilfsorganisationen unterstützten.89 Anning S.  Prall, Chairman der Federal­ Communications Commission behauptete in einer von NBC übertragenen Rede am 31.  Januar 1937, dass »every station in the country, together with the national networks, have made commercial sacrifices in order that Red Cross and­ 85 Jonathan Van Dyke Norman, Jr., Fluttagebuch, The 1937 Flood at Louisville, FHS,­ Jonathan Van Dyke Norman, Jr. Papers. 86 Barton, Red Cross, 114 (Hervorhebung im Original). 87 Vgl. Barry, Rising Tide, 371–372; Clifford / Clifford, »The Troubled Roar of the ­Waters«, 72, 80. Bei der Öffentlichkeitsarbeit gab es aber anscheinend noch Verbesserungsmöglich­ keiten. In Vermont fragte ein alter Mann: »What is this Red Cross? … I’ve never heard of it before.« (ebd., 72). 88 ARC, Ohio and Mississippi Valley Floods – 1937, Region B, Ohio Area, Final Report, Cincinnati, OH, Juli 1937, NA, RG 200, DR 735 Ohio and Mississippi Valley Storm & Flood 1/37, B 1268, F »DR 735.11/08 Ohio Region B – Final Report Part #1«, 7–8, 10. Zur Verhängung des Kriegsrechtes (»martial law«) in Evansville, Indiana, siehe American Red Cross, History of the Flood, Evansville Area, 1. 89 WAVE returns to air, Transkript einer Radiosendung des NBC affiliate WAVE aus Louisville, 26.1.1937, FHS, WAVE Radio.

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other officials would have unlimited resources in the collection of funds and the gathering of food and clothing to be sent to the stricken people«.90 Das ARC selbst stellte fest, dass »local social agencies all along the river were extremely helpful in loaning members of their administrative and case work staff«.91 Insgesamt spendeten die Amerikaner dem Roten Kreuz mehr als 25 Millionen Dollar.92 Darüber hinaus profitierte das Amerikanische Rote Kreuz von der Existenz des großen Reservoirs an Arbeitskräften, das sich aus verschiedenen New DealBehörden wie dem Civilian Conservation Corps (CCC) oder der Works Progress Administration (WPA) speiste.93 800 Arbeiter der WPA halfen zum Beispiel allein in den Lagerhallen des Roten Kreuzes in Cincinnati aus.94 Die WPA verlegte eine ganze Stadt (Shawneetown, Illinois) und hatte auch als Arbeitgeber einen signifikanten Einfluss in der Region, nicht zuletzt deshalb, weil sie während der Flut die Praxis aussetzte, nur arbeitslose Männer und Frauen zu beschäftigen. Die 1933 gegründete Home Owners’ Loan Corporation setzte Hypothekenzahlungen für von der Flut betroffene Hausbesitzer aus und gewährte diesen neue Kredite.95 In der Umgebung von Evansville, Indiana, wurde das ARC von in der Nähe gelegenen CCC Camps unterstützt, die Lastwagen und personelle Hilfe lieferten.96 Nur wenige Jahre zuvor oder wenige Jahre später wäre es viel schwieriger gewesen, eine solche Menge an ausgebildeten Männern (und, zu einem deutlich geringeren Anteil, Frauen) zu rekrutieren. So beschwerte sich Chester Stevens von der Ohio State Guard im Februar 1945 darüber, dass die Notfallpläne für zivile Katastrophen zu einem großen Teil  auf Ereignissen in den Jahren 1937 und 1942 beruhten, »overlooking the fact that the manpower available then is unavailable now.« Zu dieser Zeit befanden sich die meisten jungen Männer, die in den New Deal Arbeitsprogrammen beschäftigt gewesen waren, längst auf den

90 Transkript der in Washington, DC, gehaltenen Rede, FHS, WAVE Radio. 91 Ebd, 10–11. Vgl. auch das Kapitel »Cooperation of Federal, State, and Local Public­ Officials, and private agencies,« ebd., 19–22; Welky, Thousand-Year Flood, 90–92. 92 Vgl. Welky, Thousand-Year Flood, 74. 93 Vgl. zum Beispiel Chicago Herald and Examiner, 31.1.1937, der über den Hochwassereinsatz von CCC-Männern berichtet. 94 Final Report of the Regional Supply Officer, 15.5.1937, NA, RG200, DR 735 Ohio and Mississippi Valley Storm & Flood 1/37, B 1267, F »DR 735.11 Ohio Region B«, 5. 95 Vgl. Works Progress Administration, Location and Plan of New Town, in: Work Progress Aids 5 (April 1939), 9; Herbert S.  Bigelow, Radio Address, 12.2.1937, CHS, Herbert­ Seeley Bigelow Papers, B12, F »Flood Relief (2 copies)«. 96 Rabbi Milton Greenwald, How the Emergency was met. The Story of Rescue and Relief Work, in: American Red Cross, Evansville Chapter, Archives Commission (comp.), History of the Flood, Evansville Area, January, February 1937. Evansville, IN, University of Evansville Press 1977, 19.

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Weltkriegsschauplätzen.97 In diesem Sinne war die Ohioflut von 1937, wie David Welky hervorgehoben hat, wirklich eine »New Deal catastrophe«.98 Ein weiterer Grund für die relativ erfolgreiche Bewältigung der Flut lag darin begründet, dass mehr Zeit für das Katastrophenmanagement vorhanden war als bei vergleichbaren Desastern. Obwohl das territoriale Ausmaß des Desasters und die kaum vorhersehbare Höhe des Wasserstandes etliche neue Probleme erzeugten, konnten das Rote Kreuz und die anderen am Katastrophenmanagement beteiligten Institutionen sich immer wieder an die mit dem Hochwasserpegel wachsenden Anforderungen anpassen. Anders als bei der Johnstown-Flut 1889 oder Hurrikan Katrina im Jahr 2005 eskalierte die Katastrophe graduell, und nicht plötzlich. Es sollte angesichts der Dominanz des amerikanischen Roten Kreuzes in der Hilfsarbeit jedoch nicht vergessen werden, dass es auch etliche andere Gruppen und Institutionen gab, die ihre eigenen Netzwerke hatten, und die oftmals eine sehr große Rolle auf der lokalen Ebene spielten. Hierzu zählten ohne Zweifel kirchliche Einrichtungen. So schrieb Charles Clingman, Bischof von Kentucky, er habe insgesamt 97 Briefe mit Spenden für seine von der Flut schwer getroffene Diözese erhalten – von Massachusetts bis Minnesota und von Florida bis Kalifornien. Die Summe der Spenden variierte dabei von 25 Cent bis zu 2.500 Dollar, insgesamt kamen 7.300 Dollar zusammen.99 Auch die Aktivitäten der lokalen Sozialarbeit verliefen oft parallel zu denen des Roten Kreuzes, wie das Beispiel des Neighborhood House in Louisville illustriert. Das 1895 gegründete und damit erste settlement house in Kentucky wurde während der Flut zu einer der größten »Kantinen« der Stadt. Auf dem Höhepunkt der Katastrophe, am Mittwoch, dem 27.  Januar, wurden in der South First Street mehr als 1.000 Mahlzeiten produziert, sowohl für Flutflüchtlinge wie auch für die Mitarbeiter der Hilfsorganisationen. Wie die katholische Kirche profitierte das Neighborhood House dabei sehr stark von seiner nationalen Vernetzung. Frances Ingram, die Leiterin der Louisviller Einrichtung, bedankte sich dementsprechend in einem Schreiben an die Bundesvereinigung der sett­ lements für die Sympathiebekundungen und großzügigen Spenden, »­coming from clubs of the boys and girls, men and women, settlement federations and residents of settlements throughout the country«.100 97 Chester Stevens, Headquarters and Service Company, 2nd Infantry, Ohio State Guard, Columbus, Ohio, to Adjutant General Ohio, Flood Survey Meigs and Gallia Counties, Ohio, 18.2.1945, OSA, State Archives Series 1387, Adjutant General – 1945 Floods – Columbiana, Jefferson and Belmont Counties, Feb. 8, 1945 – Feb. 27, 1945. 98 Welky, Thousand-Year Flood, 8. Vgl. auch ebd. 76, 89. 99 Charles Clingman, Louisville, an Episcopal Theological School, 27.2.1937, FHS, Episcopal Theological School. 100 Frances Ingram, Statement to Conference of National Federation of Settlements, 25th Conference, Bloomington, Indiana, 20.5.1937, FHS, Frances MacGregor Ingram Papers,

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Abbildung 21: Jeder Cent zählt: Kinder aus Detroit spenden 35 Cent an das Rote Kreuz (mit freundlicher Genehmigung der Filson Historical Society).

Besonders am Herzen lag Ingram die Spende von 26 Dollar und 50 Cents der Boys’ and Girls’ Midwest Work Conference in Detroit. 35 Cents hiervon stammten vom Detroiter Orioles Club, dessen »Repräsentant« in einem Schreiben erläuterte: »[T]he Orioles club are giving there [sic] dues for the winter to the Red Cross to help the flood. We hope that the other clubs wood [sic] do the same thing.«101 1874–1954, F »1937 Flood Chapter«. Insgesamt kamen so über 1.000 Dollar zusammen, vgl. die Übersicht der einzelnen Spenden in Frances Ingram, Flood Relief Fund, ohne Datum., ebd. Vgl. auch Frances Ingram, Head Resident, an Harriet E. Vittum, Northwestern University Settlement, Evanston, IL, 10.2.1937, ebd. 101 Ohne Datum, FHS, Frances MacGregor Ingram Papers, 1874–1954, F »1937 Flood«. Vgl. auch Telegramm, Lillie M. Peck, Detroit, to Frances Ingram, Louisville, 31.1.1937, und Brief, Ingram an Peck, New York, 8.2.1937, ebd.

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Die Folgen der Flut Eine der wichtigsten Konsequenzen der Flut von 1937 war die deutliche Beschleunigung des strukturellen Hochwasserschutzprogramms am Ohio. Gerade am oberen und mittleren Abschnitt des Flusses waren die Städte, von einigen wenigen lokalen Projekten abgesehen, bis weit ins zwanzigste Jahrhundert kaum vor Überschwemmungen geschützt.102 Levees only war hier als gebaute Praxis nie angekommen. Dies hatte zum einen topographische Gründe. Anders als in den weiten und flachen Flusstälern des Mississippi und des unteren Ohio River, erreichte der Fluss in den hügeligeren Gegenden sehr schnell sehr hohe Pegelstände. Deiche und Flutmauern hätten dementsprechend massiv, hoch und teuer gebaut werden müssen. Am Unterlauf reichten dagegen schon relativ moderate Deiche, um auch weite Teile des Hinterlandes zu schützen.103 Neben der Topographie spielte aber auch ein historisch gewachsenes Risiko­ kalkül eine nicht unerhebliche Rolle für den in dieser Region erstaunlich geringen Grad an physischem Hochwasserschutz zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts. Im Jahr 1925 gab die Cincinnati City Planning Commission zu bedenken, dass Hochwasserschutz nicht umsonst zu haben sei, und dass die dafür anfallenden Kosten mit den erwarteten Schäden verglichen werden müssten. Because the highest floods are rare and because average floods have become so much a matter of course to that part of the community involved, the city has adjusted itself as to its real estate values and rents in the flooded zone and to the slowing down of business during the flood periods.

Mit anderen Worten: über die Zeit hätten Marktmechanismen letztlich für Schadensminimierung gesorgt, indem die Mieten in den häufig überschwemmten Gebieten niedrig und die Verluste der Unternehmen in die Bilanzen einkalkuliert worden seien. Als Ergebnis, so hielten die Planer fest, glaubten viele Bürger, »that the community is not justified in expending large sums in flood prevention work«.104 Derartige Bedenken wurden allerdings durch die Flut von 1937 weggespült. Die »Jahrtausendflut« erhöhte den Handlungsdruck für die Realisierung der 1936 verabschiedeten Pläne enorm und sorgte zudem für eine erneute um 102 Vgl. Cincinnati City Planning Commission, Cincinnati Metropolitan Master Plan [1949], 12: »[…] the flood danger […] was not removed to any great extent until very recently«. 103 Vgl. Alvord / Burdick, Relief from Floods, 96–97. Zur privat finanzierten Hochwasserschutzmauer in Portsmouth, Ohio, vgl. Welky, Thousand-Year Flood, 81. 104 Cincinnati City Planning Commission, The official city plan of Cincinnati, Ohio.­ Cincinnati, OH, 1925.

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fassende Erweiterung. Am 10. Februar 1937 verabschiedete das Committee on Flood Control des Repräsentantenhauses eine Resolution, die den Chief of Engi­ neers aufforderte, die beiden vorherigen Pläne für Hochwasserschutz am Ohio angesichts der jüngsten Ereignisse zu überarbeiten und konkrete Vorschläge für den Schutz von Städten wie Pittsburgh, Portsmouth, Cincinnati, Louisville oder Paducah zu machen.105 Schon am 6.  April 1937 legten die Ingenieure ihren Bericht vor. Detailliert wird hier geschildert, wie die 29 bereits genehmigten (aber zum großen Teil  noch nicht gebauten) sowie 45 zusätzliche Hochwasserschutzbecken die­ Pegelstände bei der gerade erlebten Flut gesenkt hätten. In Pittsburgh wäre der Wasserstand demnach um 5,5 Fuß (1,68 Meter) niedriger gewesen, in Wheeling sechs bis sieben Fuß (circa 1,80 bis 2,10 Meter) bzw. sieben bis acht Fuß (circa 2,10 bis 2,40 Meter) mit den neu geplanten Reservoirs; in Cincinnati ein bis zwei Fuß (circa 30 bis 60 Zentimeter) bzw. über vier Fuß (circa 1,20 Meter).106 Zusätzlich zu diesen Rückhaltebecken, für die 245 Millionen Dollar veranschlagt wurden, sollten neue Deiche und Schutzmauern die Städte am Ohio sichern helfen. Diese sollten noch einmal 230 Millionen Dollar kosten. Damit lag die erwartete Gesamtsumme der neuen Bauten in etwa so hoch wie die durch die Flut 1937 verursachten Schäden. Dort, wo ein großer Aufwand nicht lohnte, sollte den Einwohnern mit staatlicher Hilfe der Umzug in nicht vom Hochwasser bedrohte Gegenden nahe gelegt werden.107 Gleichzeitig, und dieser Gedanke weist schon auf die spätere Praxis des »floodplain management« hin, sollte dafür Sorge getragen werden, die »evakuierten« Gebiete nur in einer Weise zu nutzen, die nicht »antagonistic to their use for the passage of floodwaters« sein sollte. Dies bedeutete zum Beispiel deren Umwandlung in Parks und Naherholungsgebiete.108 Was die Aufteilung der Kosten betraf, so war schon im Flood Control Act von 1936 festgehalten worden, dass die Einzelstaaten oder lokale Interessen bei Schutzbauten der Bundesregierung das Land und die Nutzungsrechte zur Verfügung stellen und die Anlagen nach deren Fertigstellung unterhalten mussten. Im Falle von Schutzmauern und Deichen, die primär lokale Schutzfunktionen hatten, war dies auch nicht umstritten; etwas anders sah es allerdings 105 Vgl. United States Congress, Comprehensive Flood-Control Plan for Ohio and ­Lower Mississippi Rivers, 1.  Dort heisst es weiter: »The present report is directed to the further flood-control measures whose advisability has become established by the great flood of January 1937 in the Ohio River.« Vgl. auch ebd., 4, 8. 106 Vgl. ebd., 4.  Pittsburgh war von den neu geplanten Reservoirs kaum begünstigt, da diese zum großen Teil nur den Wasserstand stromabwärts beeinflussten. 107 Vgl. United States Congress, Comprehensive Flood-Control Plan for Ohio and Lower Mississippi Rivers, 5; White, Human Adjustment to Floods, 14–15. 108 Vgl. United States Congress, Comprehensive Flood-Control Plan for Ohio and Lower Mississippi Rivers, 5.

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bei den Reservoirs aus. Deren Auswirkungen berührten oft mehr als nur einen Bundesstaat und fielen damit in den Kompetenzbereich des Bundes. Hier mussten besondere nationale Regelungen oder interstate compacts vereinbart werden, wollte man nicht Gefahr laufen, dass das gesamte Programm durch die Untätigkeit einzelner Staaten torpediert würde.109 Nach umfangreichen Anhörungen verabschiedete der Kongress 1938 einen weiteren Flood Control Act, der die grundlegenden Entwürfe des »comprehensive plan« umsetzen sollte.110 Die Verantwortung und die finanziellen Lasten des Bundes wuchsen noch einmal an, nicht zuletzt wegen Streitigkeiten über den Beitrag der von Reservoirbauten profitierenden Gemeinden, Städte und Staaten.111 Insgesamt wurden 78 Stauseen und 231 lokale Projekte (Schutzmauern, Deiche und »channel improvements«) genehmigt.112 Dass Hochwasserschutz, entgegen der These Donald Worsters, keine spontane und temporäre Angelegenheit ist, wird schon daran deutlich, dass es 50 Jahre dauerte, bis der Plan vollständig umgesetzt werden konnte. Erst 1988 wurde der Bau des 78. Dammes begonnen.113 Nicht ohne Genugtuung nahm das Army Corps of Engineers zur Kenntnis, dass die Flut von 1937 seine Kalkulationen und Modelle bestätigt hatte. Für die Gegend um Cincinnati war in sogenannten »design floods« ein Maximalwert von 83 Fuß (25,30 Meter) berechnet worden, ein Wert, der ziemlich nah an den tatsächlich erreichten 80 Fuß (24,38 Meter) lag. Nahm man also diese Mo 109 Vgl. ebd., 8–9. Richter William O. Douglas bestätigte 1940 in der Begründung des Supreme Court-Urteils im »Denison dam case«, einem riesigen Hochwasserschutzprojekt am Red River, noch einmal die Rechtmäßigkeit nationaler Hochwasserschutzpolitik: »[…] there is no constitutional reason why Congress under the commerce power should not treat the watersheds as a key to flood control on navigable streams and their tributaries. Nor is there a constitutional necessity for viewing each reservoir project in isolation from a comprehensive plan covering the entire basin of a particular river. We need no survey to know that the Mississippi is a navigable river. We need no survey to know that the tributaries are generous contributors to the floods of the Mississippi. And it is common knowledge that Mississippi floods have paralyzed commerce in the affected areas and have impaired navigation itself. We have recently recognized that ›Flood protection, watershed development, recovery of the cost of improvements through utilization of power are […] parts of commerce control.‹ And we now add that the power of flood control extends to the tributaries of navigable streams.« Zitiert nach White, Human Adjustment to Floods, 16. Die Entscheidung ist Oklahoma v. Atkinson Co. et al., 313 U. S. 508 (1941). 110 Vgl. dazu United States Congress, House of Representatives, Hearings Before House Committee on Flood Control on Report of Chief of Engineers, 75th Congress, 1st Session, 6. April 1937, House Flood Control Committee Document No. 1, and Subsequent Reports of the Chief of Engineers, and Amendment to the Flood Control Acts of June 15, 1936, and­ August 28, 1937 (Washington, DC, 1938). 111 Vgl. White, Human Adjustment to Floods, 14. 112 Ohio Valley Improvement Association, The Ohio Valley Program, 13. 113 Vgl. Johnson, Engineering the Ohio, 184.

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delle zur Grundlage zukünftiger Hochwasserschutzpolitik, dann wäre nahezu das gesamte Ohio Valley in der Zukunft vor Überschwemmungen geschützt.114 Zehn Jahre nach der Katastrophe wurde auf der Cincinnati gegenüber­ liegenden Seite des Ohio, in Newport, Kentucky, ein riesiger Deich mit mehreren »floodgates« fertig gestellt.115 Die wichtigste lokale Baumaßnahme für Cincinnati war aber der Mill Creek Barrier Dam, der ebenfalls genau zehn Jahre nach dem »schwarzen Sonntag«, am 24. Januar 1947, eingeweiht wurde.116 Dieses Sperrwerk, das an der Mündung des Mill Creek in den Ohio, wenige Kilometer flussabwärts der waterfront, errichtet wurde, sollte den Rückfluss von aufgestautem Wasser des Ohio in den kleinen Bach verhindern. Ab der offiziellen Hochwassermarke von 52 Fuß (15,85 Meter) strömte der Ohio in den Mill Creek, je nach Pegelstand bis zu acht Meilen (circa 13 Kilometer) flussaufwärts. Genau diese Situation hatte 1937 zu den größten Schäden in dem stark industrialisierten Tal geführt.117 Das Sperrwerk bestand aus Erdwällen und Betonmauern, die allerdings Durchlässe und Tore für den Eisenbahn- und Straßenverkehr hatten. Der Schiffsverkehr konnte bei normalen Pegelständen des Mill Creek durch ein wa­ tergate passieren. Bei Hochwasser des Ohio würden diese Tore geschlossen und der Mill Creek abgeriegelt. Damit sich der kleinere Fluss aber nicht vor dem Sperrwerk staute und selbst Überschwemmungen verursachte, wurde dessen Wasser durch ein eigens gebautes Pumpwerk in den Ohio befördert.118 Die ökonomische Rechtfertigung des über sieben Millionen Dollar teuren Bauwerkes lag in einer günstigen »cost / benefit ratio«, basierend auf dem rationalen Kalkül, das allen Projekten der Army Engineers zu Grunde lag. Der monetäre Gegenwert des Schutzes, den das Sperrwerk binnen einer Dekade »erwirtschaften« würde, wurde auf über 14 Millionen Dollar geschätzt, so dass sich die Investition rentierte. Cincinnatis Anteil an den Kosten belief sich auf 1,6 Mil 114 Vgl. United States Congress, Comprehensive Flood-Control Plan for Ohio and Lower Mississippi Rivers, 4; Tyler, An Engineer’s Appraisal of the Flood Problem, 32. 115 Newport Snuggles Safely Behind Levee, Cincinnati Post, 31.10.1947. Für Louisville vgl. 10-Mile Wall for City is Flood Plan, Louisville Times, 8.6.1937; System protecting Jefferson County will be given major test by Ohio River, Louisville Courier-Journal, 4.3.1997; und das scrapbook zur Hochwasserschutzmauer in Louisville in FHS, Roy Wilson Burks Papers. 116 Vgl. Barrier Assures Unbroken Transit for Valley, Cincinnati Street Railway News, Januar / Februar 1947. 117 U. S. Army Engineer Division, Ohio River, Corps of Engineers, The Flood Control Program for the Ohio River Basin with Particular Reference to its Effects at Cincinnati, Ohio and Effects on High Lift, Ohio River Navigation Locks and Dams on River Stages, Cincinnati, OH, April 1964, UC, Municipal Reference Library, Vertical Files (US-04–09), File Cabinet 6, Drawer 2; Roterus / Keyes / van Schaack, Future Industrial Land Requirements in the Cincinnati Area, 111; A. W. Stillwell, Superintendent of Barrier Dam, Mill Creek Barrier Dam,­ Cincinnati, Ohio. Brief Description of the Project, ohne Datum, F »Flood Protection and Control, Cincinnati Area (2)«, UC, Municipal Reference Library, Vertical Files (US-04-09). 118 Vgl. Hedeen, Waterproofing the Mill Creek Floodplain, 19.

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lionen Dollar.119 Bereits nach zwölf Jahren hatte das Sperrwerk seine Baukosten gewissermaßen wieder eingespielt. Allein im ersten Jahr konnten geschätzte vier Millionen Dollar an Flutschäden verhindert werden, als der Ohio River auf über 64 Fuß (19,51 Meter) kletterte. »Transportation arteries were not disrupted, and 7,000 people who would have otherwise had to abandon their homes were spared the hardship. An estimated 200 industrial plants were able to continue operations, thereby saving a million hours of work by thousands of men and women«.120 Auch den Cincinnati Reds kam das Bauwerk zugute. Crosley Field, das damalige Baseballstadium, wäre ohne das Sperrwerk ausgerechnet am 12. April 1948, dem Opening Day, sechs Fuß (circa 1,80 Meter) hoch überschwemmt worden.121 Die nach der Flut von 1937 realisierten Projekte hatten ohne Zweifel einen positiven Effekt auf den Hochwasserschutz am Ohio River. 1964, bei der damals sechst-größten Flut in Cincinnati, wurde ein Schaden für das gesamte Ohio Valley in Höhe von 290 Millionen Dollar verhindert, der ohne die neuen Bauwerke entstanden wäre. Alleine der Mill Creek Barrier Dam »sparte« neun Millionen Dollar. Die Flutwelle wäre ohne die zusätzlichen Dämme, Schutzmauern und Reservoirs in Pittsburgh sechs Fuß (1,83 Meter) und in Wheeling, West Virginia, 5,4 Fuß (1,65 Meter) höher ausgefallen (in Cincinnati allerdings nur um 1,1 Fuß (33 Zentimeter) wegen der relativ großen Entfernung vom Zentrum des Niederschlagsgebiets). Würden heute dieselben meteorologischen Bedingungen wie 1937 noch einmal entstehen, wären die Konsequenzen weitaus weniger gravierend, denn, wie Richard Pruitt, ein Hydrologe des Army Corps of Engineers im Louisville District 2007, argumentierte, »the water would have to work a lot harder to get to that level now,« so dass die Scheitelwelle zehn Fuß (circa 3 Meter) unter der aus dem Jahr 1937 liegen könnte.122 Mittlerweile ist das 119 Vgl. ebd. 120 Ebd., 21.  Schon kurz nach der Flut hatte Herbert Seeley Bigelow, Kongressabgeordneter aus Ohio, verlangt, dass die Städte am Ohio »must have insurance against a repetition of these floods. And whatever the cost, over a long period this insurance will pay for itself a hundred fold«. Manuskript für eine Radioansprache, 19.2.1937, CHS, Herbert Seeley Bigelow Papers, B12, F »Writings Dated, Flood Relief«. Für entsprechende Kosten-Nutzen-Rechnungen bei der Schaffung der Tennessee Valley Authority und die Schwierigkeiten und bewussten Täuschungen bei der Kalkulation des Nutzens aus Hochwasserschutzprojekten vgl. James E. Hibdon, Flood Control Benefits and the Tennessee Valley Authority, in: Southern Economic Journal 25 (1/1958), 48–63. 121 Hedeen, Waterproofing the Mill Creek Floodplain, 21. 122 Howard Wilkinson, Could it happen again?, (Cincinnati) Enquirer.com, 27.1.2007, http://news.cincinnati.com/article/20070121/NEWS01/701210319/Could-happen-again-?nclick_check=1 (22.09.2013). Vgl. auch Grover, Floods of the Ohio and Mississippi Rivers, 2: »The exposure to flood damage of communities and activities within the floodplains of the Ohio and Mississippi Rivers has led in the past to extensive investigations and works for flood protection and for the amelioration of objectionable flood conditions. Consequently, Federal participation in such investigations and works has been great and has far exceeded in relative

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aus dem comprehensive program hervorgegangene Schutzsystem allerdings in die Jahre gekommen und erfordert kostenträchtige Unterhaltungs- und Reparaturarbeiten. In Zoar, Ohio, ist ein in den 1930er Jahren gebauter Deich zur Zeit so gefährdet, dass beim Army Corps of Engineers Pläne angestellt wurden, den Deich aufzugeben und die Stadt zu verlegen.123

Desasterdeutung Auf den ersten Blick erscheint die Bewältigung der Flut von 1937 ein typisches Beispiel für den amerikanischen »Katastrophenoptimismus« zu sein, und ohne Zweifel spielte der Wille zum Wiederaufbau und die Überzeugung, die Katastrophe sogar als Chance nutzen zu können, auch 1937 eine große Rolle. Bei genauerer Betrachtung findet man hinter den Durchhalteparolen und dem omnipräsenten »Machbarkeitscredo« aber ein zuweilen panikartiges Bestreben, jegliche negativen Konsequenzen für das Image der Städte der Region abzuwenden.124 Eine Katastrophe konnte, wie Theodore Steinberg festgehalten hat, die Zukunftsaussichten einer Stadt stark dämpfen und Investoren abschrecken. »Treating calamity as a simple fact of life, however, suited the economic interests of urban elites by reasserting discipline over the labor force and reestablishing a place’s image as a safe haven for business«.125 Das beste und am häufigsten zitierte Beispiel für diese Art von Stadtmarketing wurde nach dem Erdbeben 1906 in San Francisco praktiziert, als die Bedeutung der Schäden durch Feuer, der kontrollierbaren Gefahr, von den politischen und wirtschaftlichen Eliten comprehensiveness and magnitude that accorded to any other drainage basin of the country. Moreover, this major flood catastrophe has greatly stimulated the people to search for solutions of the problems of meeting such emergencies and protecting themselves against similar eventualities in the future.« Vgl. auch Flood, natural disaster could be repeated, Cincinnati Enquirer, 23.1.1997; Muller, River City, 56: »Although floods still occur, the frequency and severity have significantly declined along with their impact on people’s lives and property in the region.« Ähnlich positiv urteilte das Corps über den Kinzua Dam am Allegheny River, der bis heute wegen der Vertreibung der Seneca höchst umstritten ist: »The project’s flood control capabilities were dramatically demonstrated during the June 1972 floods resulting from Tropical Storm Agnes when an estimated $247 million in flood damages were prevented. Since its completion in 1965, Kinzua has prevented flood damages estimated to be in excess of $1 billion.« http://www.lrp.usace.army.mil/Missions/Recreation/Lakes/KinzuaDamAllegheny Reservoir.aspx (24.7.2013). 123 Levee Needing Costly Repairs Lands Ohio Village on Endangered List, New York Times, 28.8.2012. 124 Christof Mauch, Phönix und Mnemosyne. Katastrophenoptimismus und Katastrophenerinnerung in den USA: von der Johnstown Flood bis Hurricane Katrina, in: Masius /  Sprenger / Mackowiak (Hg.), Katastrophen machen Geschichte. Göttingen 2010, ­133–151 (141). 125 Steinberg, Acts of God, xviii.

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der Stadt in den Vordergrund gerückt und die unberechenbare Erdbebengefahr an den Rand gedrängt wurde.126 Dieser Kampf um die Deutungshoheit über natürliche Extremereignisse ist auch am Ohio River 1937 deutlich zu erkennen. So forderte ein Journalist der Cincinnati Post 1950, die offizielle Hochwassermarke von 52 auf 60 Fuß zu erhöhen. »How long must we hold to the traditional figure of 52 feet as ›flood stage‹ of the Ohio River at Cincinnati? How long must we put up with the ›bad advertising‹ for Cincinnati when the country’s press reports another flood here?«127 In Louisville stellte sich der von Bürgermeister Neville Miller eingesetzte Ausschuss mit dem bezeichnenden Namen Committee on Morale bewusst in die Tradition der großen Wiederaufbauerzählungen des späten neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhunderts. Ein von diesem Komitee produziertes Flugblatt etwa argumentierte, dass aus den Ruinen des Feuers in Chicago 1871 und des Erdbebens von San Francisco 1906 größere, bessere und bedeutendere Städte hervorgegangen seien. Dabei seien die Schäden viel geringer als in den anderen beiden Städten und die auswärtige Hilfe enorm. Die Bundesregierung, die Armee, das Rote Kreuz, ja die ganze Nation unterstütze die Flutopfer. »We have at our command every modern method for building a better and a greater city«.128 Die Katastrophe wurde auf diese Weise zur Chance für eine bessere Zukunft. Ist Louisville durch die Flut zerstört worden? »No, only some buildings. The men and women of Louisville are really Louisville […] not the buildings.« Gleichzeitig wurde die Flut auch zu einer Bewährungsprobe für eine frontierMännlichkeit. »Too many men get into the world who should never have left the nursery«, hielt das Komitee fest. They go through life sniveling, ›Somebody hit me.‹ If you want people to believe you are a real man, you must prove that you will not break under pressure. You must make it clear that you are not a piece of wood painted to look like sturdy iron. You must expect life to be a conflict, not a parade or a pink tea. You must have the courage, the determination, to outlast disaster. […] Chicago Did It! San Francisco Did It! Now Watch LOUISVILLE!

126 Vgl. Andrea Rees Davis, Points of Origin. The Social Impact of the 1906 San Francisco Earthquake and Fire, in: Bankoff / Lübken / Sand (Hg.), Flammable Cities, 273–292. 127 Editorial, Let’s Get a New ›Flood Stage‹, Cincinnati Post, 3.2.1950. 128 Dieses und alle folgenden Zitate in Broadside, Chicago Did It! San Francisco Did It! Now Watch Louisville, 1937, FHS, Mayor’s Committee on Morale (Hervorhebung im Original).

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9. Das poststrukturelle Zeitalter des Hochwasserschutzes Floods are »acts of God,« but flood losses are largely acts of man. Gilbert Fowler White1 ›Trouble is,‹ said an old Cincinnati water-front man, ›lots of this land where houses are really always has belonged to the river … People just keep encroaching on the river, with mills and warehouses and wharves, making it narrower and narrower. Then, when it gets high and must spread, there’s no place for it to spread except up into somebody’s second-story windows.‹ Frederick Simpich2 

9.1 Watershed management: das »Abholzungsparadigma« und die Bedeutung des Einzugsgebietes der Flüsse für den Hochwasserschutz Markiert der Flood Control Act von 1936 mit der Nationalisierung von Kompetenzen und der Autorisierung von mehreren Hundert neuen Schutzbauten gewissermaßen den Höhepunkt des strukturellen Hochwasserschutzes, so wies er gleichzeitig in einem bedeutenden Punkt weit über die traditionellen Muster der Bekämpfung und Prävention von Überschwemmungen hinaus. In Abschnitt 2 des Gesetzes wurde festgelegt, dass »Federal investigations of watersheds and measures for run-off and waterflow retardation and soil erosion prevention on watersheds shall be under the jurisdiction of and shall be prosecuted by the Department of Agriculture«.3 Wichtiger als die Tatsache, dass nun ein weiteres Ministerium in den Hochwasserschutz involviert war, war dessen methodische Erweiterung. »While this picture has for its central motif ›flood control,‹« hielt ein Memorandum des Department of Agriculture (DOA)

1 White, Human Adjustment to Floods, 2. 2 Frederick Simpich, Men Against the Rivers, in: National Geographic 71 (6/1937), 767– 794 (794). 3 Public, No. 738, 74th. Congress.

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Das poststrukturelle Zeitalter des Hochwasserschutzes

fest, »in effect the composite is ›land use planning‹.«4 »Land management« war zu einem integralen Bestandteil des Hochwasserschutzes geworden. James G. K. McClure, Jr., Präsident der American Forestry Association, fasste diesen neuen Ansatz 1937 wie folgt zusammen: In the light of present knowledge today the control of floods calls into play throughout any given watershed all phases of soil, plant and animal life conservation, the use of land upstream no less than downstream, the building of dams and reservoirs along river courses, rural and urban zoning, intelligent agriculture. These  – and other things – must be applied to the conservation of water and the retardation of floods.5

Die Debatte über den Zusammenhang zwischen Veränderungen des Bodens bzw. der Landschaft in den Einzugsgebieten auf der einen und den Abflusscharakteristika der Flüsse auf der anderen Seite kreiste dabei jahrzehntelang (außerhalb der USA sogar schon jahrhundertelang) vor allem um das »Abholzungsparadigma«. Nach Christian Pfister und Daniel Brändli wurde ein argumentativer Zusammenhang zwischen Rodungen in Gebirgsräumen und dem Auftreten von Überschwemmungen zum ersten Mal in den Pyrenäen nach schweren Fluten in den 1760er und 1770er Jahren aufgestellt und machte von dort aus Karriere im Alpenraum.6

4 Memorandum for the Secretary. Flood Control, Anlage zu: Milton S.  Eisenhower, Director of Information, DOA, an H. H. Bennett, Chief, Soil Conservation Service, DOA, 14.9.1936, NARA, RG 16, SFCFCP, B1, F »1–1111«. 5 McClure, Watershed Conservation, 6.  Vgl. auch den Artikel des Landwirtschaftsministers und Vizepräsidenten Henry A. Wallace, The Land in Flood Control, in: American Forestry Association (Hg.), Flood Control. Cincinnati, Zanesville, OH, 1937, 43–49, und ebd. die Beiträge von Sherman M. Woodward (Chief Water Control Planning Engineer der TVA), C. L. Forsling (Assistant Chief des United States Forest Service), C. H.  Eiffert (Chief Engineer des Miami Conservancy District), und W. C. Lowdermilk (Assistant Director des Soil Conservation Service), die sich alle aus verschiedener Warte mit »The Influence of Vegetal Cover in Flood Control« befassen. Vgl. auch die Publikation des United States Department of Agriculture, Office of Land Use Coordination, The Land in Flood Control. Washington, DC, 1938. Am 23.2.1937 stellte auch Präsident Franklin D. Roosevelt in einem Schreiben an den Gouverneur von Texas, James V. Allred, fest, dass »[t]he dust storms and floods of the last few years have underscored the importance of programs to control soil erosion. I need not emphasize to you the seriousness of the problem and the desirability of our taking effective action, as a Nation and in the several States, to conserve the soil as our basic asset. The Nation that destroys its soil destroys itself«, in: Edgar B. Nixon (Hg.), Franklin D. Roosevelt and Conservation, 1911–1945. New York 1957, 26–27. 6 Christian Pfister / Daniel Brändli, Rodungen im Gebirge, Überschwemmungen im Vorland. Ein Deutungsmuster macht Karriere, in: Sieferle / Breuninger (Hg.), Natur-Bilder. Frankfurt a. M., New York, 1999, 297–323 (303). Gilbert F. White, A Perspective of River Basin Development, in: Law and Contemporary Problems 22 (2/1957), 157–187 (175), benennt dagegen, allerdings sehr vorsichtig, bereits antike Vorläufer.

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Spätestens gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts war dieser Diskurs ein internationales, wenn nicht sogar globales Phänomen. Im Deutschen Reichstag bemerkte der Abgeordnete von Schalscha der Zentrumspartei 1881: Man schiebt eine große Menge der gegenwärtigen Kalamitäten der Entwaldung der Höhen zu. Ja, meine Herren, was thun denn die Wälder auf der Höhe? Die Wälder auf der Höhe hemmen den Wasserzufluß. Und um diese Kalamitäten zu beseitigen, thun wir was? Wir thun das, was gerade nach meiner Ansicht das Gegentheil von dem nützlichen ist, wir sorgen dafür, daß das Wasser schnell weggeht, anstatt das Wasser aufzuhalten, anstatt Mittel und Wege zu finden, diejenigen Uebelstände, die durch die Entwaldung hervorgetreten sind, auf andere Weise wieder ins gleiche zu bringen, anstatt dessen potenziren wir diese Uebelstände durch das jetzige System.7

Auch in den USA wurde dieses »Paradigma« zunehmend angeführt, um die Häufigkeit und die verheerende Kraft von Überschwemmungen zu erklären. Dies war insofern nur konsequent, als die Entwaldung in Nordamerika in einem Tempo und Ausmaß voranschritt, die global ihresgleichen suchte. Schon ­Native Americans hatten Brandrodung gezielt eingesetzt und so weite Teile der vermeintlich urwüchsigen Landschaft geprägt. Mit der Dezimierung der indigenen Bevölkerung durch aus Europa importierte Krankheiten, Vertreibung und Mord, rückten die Wälder jedoch in vielen Gegenden der östlichen Hälfte Nordamerikas wieder vor, so dass die Region im achtzehnten Jahrhundert sehr wahrscheinlich viel bewaldeter war als 1492.8 Mit dem Landhunger und dem Energiebedarf der euroamerikanischen Siedler kehrte sich dieser Trend aber schnell wieder um. Allein in den 20 Jahren zwischen 1850 und 1869 wurde mit 24 Millionen Hektar mehr Land abgeholzt als in der gesamten Zeit der euroamerikanischen Landnahme zuvor. Dies betraf vor allem die nördlichen Staaten des Mittleren Westens (Ohio, Indiana, Illinois und Wisconsin) und New York, »where every field was won by axe and fire«.9 Bis in die späten 1930er Jahre nahm der Holzeinschlag weiter zu. Nach konservativen Schätzungen wurden über 142 Millionen Hektar Wald alleine für die Landwirtschaft gerodet, weitere acht Millionen Hektar für industrielle Zwecke, Kommunikation, Transport und den Bau von Häusern. Um 1900 hatten die Siedler die Walddecke, die sie nach ihrer Ankunft auf dem amerikanischen Kontinent

7 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstags, Bd. 61, 4.  Leg.Per., 3.Ses., Sitzung vom 26.  April 1881, S.  812–816. Zitiert nach Franz-Josef Brüggemeier / Michael Toyka-Seid (Hg.), Industrie-Natur. Lesebuch zur Geschichte der Umwelt im 19. Jahrhundert. Frankfurt, New York 1995, 99–100. Vgl. auch Franz Müller, Die Gebirgsbäche und ihre Verheerungen. Landshut 1857. 8 Vgl. Michael Williams, Deforesting the Earth. From Prehistory to Global Crisis. An Abridgment. Chicago, London 2006, 30. 9 Ebd., 286.

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Das poststrukturelle Zeitalter des Hochwasserschutzes

vorgefunden hatten, halbiert.10 »Simply, without its wood, the United States would not be the country it is today«, resümiert Michael Williams.11 Es lag nahe, zwei so offensichtliche und gravierende Prozesse wie die massive Abholzung und das anscheinend immer häufigere Auftreten von Überschwemmungen miteinander in Beziehung zu setzen. Bereits im Jahr 1840 spekulierten der Lokalhistoriker Samuel Hildreth und Paul Swift aus Nantucket über die Einflüsse der Besiedelung des Ohiotals und vor allem die Auswirkungen der Abholzung auf die Abflusscharakteristika in den Einzugsgebieten. Am 30. Mai gab Hildreth in einem Brief an Swift seiner Überzeugung Ausdruck, dass »the effect of cultivation has been to produce more rapid rises, and hasty falls in the waters – that is, after rains, the rivers come up in less time, and do not continue flush of water so long.« Swift stimmte dem zu, machte aber auf den Mangel an Wissen über diesen eventuellen Zusammenhang aufmerksam: […] it would be desirable to have some data, such as the comparative frequency of the floods now & 20 to 40 years past: (meaning by a flood in the Ohio every overflowing of its banks;) is it true, as I was repeatedly told when on that river, by the older farmers, so long ago as 1817 that two floods in a year were not at all uncommon, whereas, 20 years before more than one was very rarely witnessed, viz. at the melting of the snow, in the spring? – It would seem as if the country had been sufficiently cleared already to determine the interesting fact whether the clearing [of] the forests & cultivating the soils render the floods in our rivers more frequent as well as fuller – the possibility of extreme elevations of water like that in the Ohio of 1832, occuring in future, & perhaps in much greater degree, can only safely be inferred, it seems to me, upon the settlement of this preliminary fact […].12

In der Folgezeit gaben Überschwemmungen und insbesondere Sequenzen von schweren Fluten wie am Ohio in den Jahren 1882, 1883 und 1884 immer wieder Anlass, über diesen Zusammenhang zu spekulieren.13 So stellte die Commercial

10 Vgl. ebd., 297–308. 11 Ebd., 308. Zur Entwaldung am Mittelmeer vgl. Joachim Radkau, Natur und Macht. Eine Weltgeschichte der Umwelt. München 2000, 164–168. 12 Brief, Paul Swift, Nantucket, an Samuel Prescott Hildreth, 27. November 1840, MC, Samuel Prescott Hildreth Papers, Bound Volumes, Bd.7, 249–250. Smith zitiert aus einem früheren Brief Hilberts. 13 Vgl. unmittelbar nach der Ohioflut 1907 den Beitrag von W. W. Ashe, Forest Assistant des United States Forest Service, Special Relations of Forests to Rivers in the United States, in: United States Congress, Senate, Preliminary Report of the Inland Waterways Commission, 514–534, (514): »When the natural relations between forest and stream are disturbed in a region where forest influences are high, there is a great increase in the number and height of the floods; there are longer periods of low water; and the damage from floods and from silt and sand which is eroded and deposited as sandbars, goes forward at an increasing rate.« Für den

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Gazette aus Cincinnati im Februar 1883 fest, dass »floods from a cleared country are naturally greater than from the forest«. Die Handelskammer der Stadt machte ein Jahr später darauf aufmerksam, dass es auch in Zukunft außergewöhnliche Niederschläge über dem Ohio Valley geben werde, »and the obstacles to the rapid discharge of the tributaries of the great river are each year becoming less, both conditions entering largely into flood possibilities«.14 Gemeint war damit vor allem die Entwaldung. Anfang März 1884 stellte Harper’s Weekly das »Abholzungsparadigma« in einen größeren Zusammenhang: It is not a matter of theory, but of demonstrated fact, that forests are the conservators of the water supply, acting, in effect, as does the bulk-head of a dam. […] Agriculture, commerce, and health wait on the preservation of the forests; famine, pestilence, flood, and drought wait on their destruction.15

Häufig wurde die Entwicklung der Abholzung in Europa als warnendes Beispiel angeführt. So bemerkte der Intelligencer aus dem flutgeplagten Marietta, Ohio: »Experience in Continental Europe, [sic] has shown that, as a wooded country (and especially regions of hill-woodland) become more and more ›cleared,‹ the overflowings of their streams become higher and higher«.16 Die Alte Welt habe vorgeführt, betonte auch Harper’s Weekly, wohin eine schonungslose Nutzung der Holzreserven führen könne. Nach Jahrhunderten der Zerstörung sei man nun verzweifelt um die Bewahrung der Restbestände und um Aufforstung bemüht. »In Germany, […] every individual tree has an official existence«.17 William Hosea Ballou schlug daher im American Naturalist vor, große Wälder an den Quellflüssen des Ohio zu pflanzen, »which will hold snow and ice unmelted for a long period, and allow it to escape slowly. In this way the sun will be made

Mississippi vgl. Sylvester Waterhouse, The Influence of our Northern Forests on the Mississippi River. St. Louis, MO, 1892; Kemper, Floods in the Valley of the Mississippi, 117; White, A Perspective of River Basin Development, 176. Vgl. desweiteren Gifford Pinchot, Forests as Life-Savers, in: Outlook, 17.5.1913 (104/3), 103; und die Titel in der von der Pittsburgh Flood Commission zusammengestellten Bibliographie Floods and Flood Protection, 10–11. 14 Maxwell, The Flood in its Relation to Business, 191. 15 Floods and Forests, Harper’s Weekly, 1.3.1884, 143. 16 Caleb Emerson, The Ohio Floods, Marietta Intelligencer, 23.2.1856, (»Written December 12, 1852«). 17 Floods and Forests, Harper’s Weekly, 1.3.1884, 143. Auch das amerikanische Landwirtschaftsministerium zeigte später großes Interesse an den Wissensbeständen anderer Länder und ließ etliche Publikationen, zum Beispiel die Untersuchung von W. Schmidt, Eine unmittelbare Bestimmung der Fallgeschwindigkeit von Regentropfen, ins Englische übersetzen (»A Direct Determination of the Fall-Velocity of Raindrops«, Januar 1939). Das Original war 1909 als Sitzungsbericht der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Klasse der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften CXVIII, Abt. IIa, in Wien erschienen. NARA, RG 16, SFCFCP, B7, F »1–8113 Translation of Foreign Publications on Flood Control«.

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Das poststrukturelle Zeitalter des Hochwasserschutzes

powerless to unloose the entire Ohio flood range at once, and the waters held subject to national control«.18 In den 1890er Jahren begannen einige amerikanische Förster damit, für eine Übernahme von Wäldern in den Einzugsgebieten großer Flüsse durch die Bundesregierung zu werben. Aus diesen Bemühungen entstand letztlich das Weeks Law im Jahr 1911, das es dem Bund erlaubte, bewaldetes oder abgeholztes Land zu erwerben »as may be necessary to the regulation of the flow of navigable streams«.19 Das Department of Agriculture musste also 1936, als »land manage­ ment« offiziell Teil  des Hochwasserschutzes wurde, nicht bei Null anfangen. Darüber hinaus hatte der Soil Conservation Service (SCS) im eigenen Haus schon vor dem Flood Control Act von 1936 umfangreiche Studien über den Zusammenhang zwischen Sedimentation in Flussbetten und Reservoirs angefertigt, eine Reihe von »experimental watersheds« gebaut und Erosionsbedingungen in Einzugsgebieten sowie Maßnahmen zu deren Bekämpfung analysiert. Auch die Tennessee Valley Authority beschäftigte eine Reihe von Agrarwissenschaftlern, die dem Zusammenhang zwischen Landnutzung und Wasserabfluss nachgingen.20 In praktischer Hinsicht waren ebenfalls mehrere Regierungsinstitutionen am »land management« beteiligt. Etwa 380 camps des Civilian Conservation Corps waren alleine im Ohio und Mississippi Valley durch das Pflanzen von Bäumen oder den Kampf gegen die Bodenerosion am Hochwasserschutz beteiligt. Die Agricultural Adjustment Administration hielt Farmer an, bodenschonende Pflanzenarten zu nutzen, die die Wasseraufnahmekapazitäten der Erde erhöhten und somit den Abfluss von Niederschlag verlangsamten. Die Resettlement Administration schließlich kaufte marginal produktive Ländereien auf und transformierte diese in Wälder und Wiesen, um so die Aufnahmekapazität der Böden zu erhöhen und den Wasserabfluss zu verlangsamen.21 Innerhalb des DOA war sogar der Biological Survey am Hochwasserschutz beteiligt, eigentlich eine nationale Vermittlungsstelle und Informationsquelle für »game management practices«, die sich dann auch selbst ein wenig verwun 18 Ballou, Floods, 1161. Auch George Perkins Marsh diskutiert den europäischen Diskurs und die dortigen Gesetze breit in The Earth as Modified by Human Action. New York 1874, der überarbeiteten Version seines Buches Man and Nature. New York 1864. Vgl. dort, 231– 236, den Abschnitt Influence of the Forest on Inundations and Torrents. Vgl. desweiteren Leopold / Maddock, Flood Control Controversy, 56–82. 19 Zitiert nach White, A Perspective of River Basin Development, 176. Auf Basis dieses Gesetzes und auch auf Anregung der Pittsburgh Flood Commission waren die Waldflächen in Pennsylvania nach der Ohioflut von 1907 erworben worden. Nicht zu unterschätzen ist die Unterstützung, die die Forstinteressen vom irrigation movement erhielt, das auch ein großes Interesse an einem kontrollierten »runoff« und der »Konservierung« natürlicher Ressourcen hatte. Vgl. Hays, Conservation and the Gospel of Efficiency, 22–23. 20 Vgl. White, A Perspective of River Basin Development, 176–177. 21 Vgl. den Bericht des US-Landwirtschafsministeriums vom 12.5.1937, NARA, RG 16/ SFCFCP, B3, F »1–3011 Estimates 1938«.

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dert über die neuen Aufgaben zeigte. »Now, as in Noah’s time, the wildlife resource is the last one to get aboard the flood control-omnibus« bemerkte J. Clark Salyer von der Division of Migratory Waterfowl.22 Whether we wish it or not, the Biological Survey finds itself pretty well immersed in flood-control work. This is true not only because we desire to seize every opportunity to foster wildlife interests, but also, on a practical operating basis, because we find conflicts between the location of flood-control reservoirs and the establishment and operation of wildlife refuges.23

Von den 221 Wildparks, die der Biological Survey unterhielt, umfassten 196 Gebiete mit künstlich gestauten Wasserbecken. Diese Stauseen waren natürlich nicht für die Zwecke des Biological Survey angelegt worden, oft wurde der Unterabteilung des DOA aber gestattet, einen bestimmten Bereich der Feuchtgebiete zu verwalten. Im Upper Souris Migratory Waterfowl Refuge in North Dakota zum Beispiel, wo ein Staudamm bis zu 150 Millionen Kubikmeter Wasser zurückhalten konnte und dadurch mehrere Städte im Souris River Valley vor Überschwemmungen schützte, waren gleichzeitig über 24.000 Hektar Brutgebiete entstanden.24 Salyer sah vor allem in den gerade beschlossenen gigantischen Bauprojekten am Ohio und am oberen Mississippi die große Chance, die Lücken im »waterfowl refuge system« zu schließen: »Now, in order to perfect our continental system of flyway refuges, we must take advantage of the flood reservoirs contemplated by the Army Engineers, which will in a measure accomplish our ends«.25 Durch die Nutzung von nur ein oder zwei Stauseen könnte der Biological Survey die traditionelle Route der Zugvögel über den Tälern des Wabash und des White River wiederherstellen. Seit der Entwässerung des Schwemmlandes in dieser Region stellten Hochwasserschutzreservoirs den einzigen »food stop« dar.26

22 Statement of J. Clark Salyer, Representing the Biological Survey, in: U. S.  Congress, House of Representatives, 75th Cong., 1st Session, Hearings Before the Committee on Flood Control on Levees and Flood Walls, Ohio River Basin. (H. R. 7393 and H. R. 7647), Washington, DC, 1937, 264–270 (264). 23 Ebd., 264. 24 Ebd., 265. Salyer vergaß allerdings zu erwähnen, wie viele Tiere bei der Anlegung der Stauseen ihr Habitat verloren hatten. 25 Ebd., 266. 26 Vgl. ebd., 266–268 (268).

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Das poststrukturelle Zeitalter des Hochwasserschutzes

Watershed management in der Praxis In der Praxis stellte sich schnell heraus, dass ein integrativer Ansatz etliche Probleme aufwarf. Watershed management war leichter einzufordern als um­ zusetzen. So waren die Ergebnisse der Studien vom Soil Conservation Service, der Tennesse Valley Authority und anderen »land management agencies« umstritten und wurden vor allem vom Corps of Engineers immer wieder angezweifelt. Auch in institutioneller Hinsicht war die Kooperation zwischen dem Landwirtschaftsministerium und den Wasserbauingenieuren oft alles andere als harmonisch. Manchmal war es schon schwierig festzustellen, wo die Kern­ aufgaben des Soil Conservation Service endeten, und wo der Hochwasserschutz begann, wie ein Mitarbeiter des DOA festhielt.27 Ein grundsätzlicheres Problem in Bezug auf den Hochwasserschutz lag aber darin, dass der Effekt der Aktivitäten der »land-management agencies« viel schwieriger messbar war als etwa die Auswirkungen des Baus von Deichen, Dämmen und Reservoirs. Aus diesem Grund konnten Interventionen in die Landnutzung in den Einzugsgebieten den strukturellen Hochwasserschutz nie vollständig ersetzen: »flood-control reservoirs were not rendered needless by the prospect of stopping flow upstream, and storage reservoirs were not obviated by retention of water through forest or cropping practices«.28 Zudem verfochten die Vertreter beider Seiten ihre Positionen oft mit starken Übertreibungen und Geringschätzung der jeweils anderen Seite. So gingen Forstwissenschaftler so weit zu behaupten, Maßnahmen zur Aufforstung könnten selbst die größten Fluten des Ohio verhindern, während Flussbauingenieure die Auffassung vertraten, die Kontrolle von Bodenerosion habe überhaupt keinen Einfluss auf Sedimentierungsprozesse in Flüssen.29 Dass dieser Konflikt nicht gelöst wurde, lag nicht nur an institutionellen Konflikten, sondern auch am Mangel wissenschaftlicher Erkenntnisse über den bis heute umstrittenen Zusammenhang zwischen Landnutzung bzw. Landmanagement und

27 Philip M. Glick, Chief, Land Policy Division, Office of the Solicitor, DOA, an Milton S. Eisenhower, 1.9.1937, NARA, RG16, SFCFCP, B2, F »1–113 Functions of Flood Control Program«. Die Cincinnati Chamber of Commerce hatte schon 1915 in einem Forschungsüberblick festgestellt, dass das Abholzungsparadigma vor allem von »geologists and foresters in the government service« verfochten werde, »while members of the Corps of Engineers […] and the Weather Bureau and a large majority of engineers in civil life, took the opposite view, or at least contended that the influence of forests on precipitation is inappreciable«. Cincinnati Chamber of Commerce, Flood Prevention Research Report, 7. 28 White, A Perspective of River Basin Development, 177. Die Vertreter von »land management«-Praktiken bezweifelten diese These allerdings. Vgl. ebd. 29 Vgl. ebd., 178.

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dem »runoff« in einem Einzugsgebiet.30 Ein Mitarbeiter aus dem DOA bezeichnete die entsprechenden hydrologischen Schriften als »a literature that contains […] only a very few parts per million of solid knowledge«.31 Die Vorstellung, eine Regulierung der Landnutzung in den Einzugsgebieten könnte einen großen Einfluss auf das Strömungsverhalten von Flüssen und damit auch auf Überschwemmungen haben, ist in den USA über mehr als ein halbes Jahrhundert breit diskutiert worden, hat aber von wenigen Ausnahmen abgesehen, nie zu einem systematischen Hochwasserschutzprogramm geführt. »Thoroughly articulated programs of land and water development in the same basin, then, must be regarded as more hope than reality«, bilanzierte Gilbert White 1957. »They often have been joined in statements, but rarely in action«.32

9.2 Floodplain Management Das Levee Paradox Das Kalkül des Ingenieurskorps der Armee bei der Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Hochwasserschutzprojekt war denkbar einfach. Der erwartete Nutzen musste die erwarteten Kosten übersteigen.33 Mit anderen Worten: Nur dort, wo sich der Hochwasserschutz lohnte, wurde auch gebaut. Es ging nicht darum, ganze Flusstäler auf Dauer von der Überschwemmungsgefahr zu befreien (auch wenn dies das Resultat des Kalküls sein konnte). 30 Vgl. aus einer Flut an Literatur Darren S.  Crook u. a., Forestry and Flooding in the­ Annecy Petit Lac Catchment, Haute-Savoie 1730–2000, in: Environment and History 8 (November 2002), 403–428; Lawrence S.  Hamilton, What are the impacts of Himalayan deforestation on the Ganges-Brahmaputra lowlands and delta? Assumptions and facts, in: Mountain Research and Development 7 (1987), 256–263; Alexander S. Mather / Jamie Fairbairn, From Floods to Reforestation. The Forest Transition in Switzerland, in: Environment and History 6 (2000), 399–421; Pfister / Brändli, Rodungen im Gebirge. 31 Cook an Denney, 25.9.1943, NARA, RG 16, SFCFCP, B16, F »2–131 Hydrology – General Technical Correspondence«. Vgl. auch den den polemischen letter to the editor von Walter C. Taylor, Floods and Felled Forests, New York Times, 3.4.1913: »The tide of flood nonsense is rising faster than the waters did in the recent mid-West disaster. Why is it that some of the most remarkable floods occur in West Virginia and Kentucky, in regions which are barely one-fourth denuded of the trees and underbrush? Take the case of the Ohio flood of 1832, when Ohio was 95 percent first growth forest? Do we expect farmers to give up cultivating lands which are worth from $50 to $150 an acre and plant trees to secure an imaginary guard against floods which hit them about once in a life time? Against such a visitation as that of last month, no human power can guard, any more than against a tidal wave or an earthquake.« 32 White, A Perspective of River Basin Development, 178. 33 Vgl. White, Human Adjustment to Floods, 9: »In general, all of the [308] reports­ adopted a strict engineering approach making the economic justification for flood protection dependent upon the ratio of direct benefits to constructions costs.«

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Das poststrukturelle Zeitalter des Hochwasserschutzes

Nun hätte man erwarten können, dass mit den gewaltigen Investitionen in den Hochwasserschutz nicht nur am Ohio River und dessen Zuflüssen und mit dem nachweisbar positiven Einfluss auf die Verhinderung von Flutschäden die Hochwasserproblematik zunehmend an Bedeutung verlieren würde. Doch genau das Gegenteil war der Fall. Parallel zu den Aufwändungen für den Hochwasserschutz wuchs das Schadenspotenzial in den Überschwemmungsgebieten, und auch die tatsächlichen Schäden nahmen im Durchschnitt rapide zu.34 Vor allem der Geograph Gilbert F. White hat – zunächst in seiner bahnbrechenden Chicagoer Dissertation aus dem Jahr 1945 und dann in etlichen anderen Schriften – immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass der bauliche Schutz vor Überschwemmungen ein zweischneidiges Schwert ist. Die in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre von der amerikanischen Bundesregierung auf den Weg gebrachte Strategie, so White im Jahr 1945, reduziere zwar die künftigen Verluste derjenigen, die in den Überschwemmungsgebieten lebten, trage aber gleichzeitig zu einer verstärkten Ansiedelung in eben diesen Gebieten bei. Dieselben ambivalenten Effekte hätten ein verbessertes Warnsystem, das zu geringeren erwarteten Verlusten führe, sowie die Verfügbarkeit von »public­ relief«. Beides habe dazu geführt, das Bedrohungspotenzial von Überschwemmungen erheblich zu reduzieren.35 Auf diese Weise wurde ausgerechnet der Erfolg des Hochwasserschutzes und der Hilfsaktionen nach einer Flut zu einem neuen, großen Problem, wie Miles M. Dawson, ein pensionierter General des Army Corps of Engineers 1960 in einem Interview prägnant darlegte: … we are still working on projects that »pay off«, so to speak, in benefits. And the reason we have enough benefits is that enough people have moved into the flood plain so that it is cheaper to build a huge dam than to let the floods come over their property. People are still moving into flood plains all over the country, making it more and more possible to justify construction of flood protection works – most of it at the expense of the taxpayer.36

Insbesondere die »cost-benefit«-Klausel im Flood Control Act von 1936, die eine detaillierte Abschätzung der erwarteten Kosten und Nutzen von geplanten Hochwasserschutzbauten verlangte, erwies sich als Falltür. Auf diese Weise wurde die Erschließung und Entwicklung von hochwassergefährdeten Gebieten geradezu gefördert, denn erst ab einer bestimmten Schadenshöhe »rentierten« sich Deiche und Schutzmauern. »With the greater degree of development of the flood-prone area, it may indeed now be true that larger flood protection works 34 Vgl. Moore / Moore, The Army Corps of Engineers and the Evolution of Federal Flood Plain Management Policy, 37. 35 White, Human Adjustment to Floods, 32–33. 36 Ohio Water Commission, The Problem, 8.

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are economically justified than would have been the case without such development«, schrieb das Department for Housing and Urban Development (HUD) 1966. Damit stand aber die Dominanz des strukturellen Hochwasserschutzes generell in Frage: »The rising trend in total flood damages during the same years that Federal expenditures for flood protection have been rising suggests that flood protection works are not a complete answer to all flood problems«, hielt das Wohnungsbauministerium fest. Der bauliche Hochwasserschutz hätte zwar eindeutig viele Schäden verhindert, und ohne solche Maßnahmen wären die Flutschäden vielleicht noch stärker angestiegen als sie es tatsächlich taten. Gleichzeitig weise einiges darauf hin, dass die Errichtung von Hochwasserschutzbauten Prozesse in Gang gesetzt habe, durch die die Schadenshöhe noch gesteigert worden sei.37 So wurden die Rechnungen, die das Corps of Engineers und andere Institutionen dem Kongress und letztlich dem Steuerzahler präsentierten, immer länger. Zwischen den Jahren 1954 und 1964 bewilligte das amerikanische Parlament über neun Milliarden Dollar für 690 Hochwasserschutzprojekte. William G. Hoyt und Walter B. Langbein schätzten in einer Studie aus dem Jahr 1952 die Gesamtkosten für bis dahin bewilligte, gebaute und als realisierbar eingeschätzte Hochwasserschutzprojekte auf enorme 50 Milliarden Dollar.38 ­Harper’s Magazine kommentierte im Juli 1952: Despite dams and levees and floodwalls and dikes, despite a generation of supposed progress in the mastery of water runoff, despite the evidence of the Tennessee Valley that rivers can be kept within bounds, the old pattern of destruction has been repeating itself – and on a magnified scale.39

»The Flood Problem« Wegen der großen Konzentration von Vermögenswerten in der floodplain fielen Fluten im Ohio Valley verlustreicher aus als in allen anderen großen river ­basins der USA. Zählte man etwa am unteren Mississippi in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts neun »major floods«, die für sieben Prozent der gesamten durch Überschwemmungen in den USA verursachten Schadenssumme verantwortlich waren, so waren es am Ohio 19 Großereignisse, die 28 Prozent ausmachten.40 Gleichzeitig hatte das »Flutproblem« aber längst nationale Aus 37 HUD, Insurance and other Programs for Financial Assistance to Flood Victims, 8.8.1966, 40, NARA, RG 311, E2, B2, 44. 38 Hoyt / Langbein, Floods, 187–196. 39 Templeton, How to Prevent Floods, 88 (Hervorhebung von Templeton). 40 Die entsprechenden Zahlen für andere Einzugsgebiete lauten: Missouri (14/16), North Atlantic (13/10), Pacific (12/10), Upper Mississippi (10/5). Vgl. Housing and Home Finance Agency, Office of the Administrator, The Federal Flood Indemnity Administration, Mai

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maße angenommen, obwohl die am dichtesten besiedelten Überschwemmungsgebiete immer noch im nordöstlichen Industriegürtel und am unteren Mississippi lagen. Landesweit kamen jedes Jahr im Schnitt 83 Menschen bei Fluten ums Leben, und der durchschnittliche jährliche Schaden durch Überschwemmungen betrug zwischen 75 und 95 Millionen Dollar, mit deutlich steigender Tendenz.41 Überschritt die Schadenswirkung von Überschwemmungen zwischen 1900 und 1948 die Grenze von 50 Millionen Dollar nur einmal in sechs Jahren, so wurde dieser Wert zwischen 1940 und 1960 statistisch bereits alle zwei Jahre erreicht, obwohl Überschwemmungen in diesem Zeitraum weder häufiger noch intensiver auftraten als vorher.42 Schäden durch Überschwemmungen an Flüssen und an der Küste nahmen im jährlichen Mittel um etwa fünfeinhalb Prozent und damit stärker als das Bevölkerungswachstum zu (zwei Prozent). Die Ausgaben für den baulichen Hochwasserschutz wuchsen jährlich sogar um sieben Prozent.43 Immer mehr Amerikaner zog es in potenziell gefährdete Gebiete: People have been moving to coastal and river locations, to live, for recreation, for business, and for other reasons, at increasing rates. Many locations, not previously in demand, are now actively sought for one or another of these purposes. This trend is likely to continue, due to the same forces of growing population and increasing economic activity. If encouraged by public assumption of flood losses, this trend toward increased occupancy of flood-prone areas might accelerate greatly; if discouraged or limited to those locations where the genuine advantages more than offset the risks, it might be slowed down greatly.44

Die Nutzung der Überschwemmungsgebiete in den Städten Einen großen Anteil an dieser Entwicklung hatten die Städte. Nirgends zeigte sich die Spirale, die sich aus der Nutzung der Überschwemmungsgebiete, der daraus resultierenden Forderung nach verstärktem Schutz, den daraufhin realisierten neuen Hochwasserschutzprojekten und wiederum verstärkter Nutzung deutlicher als in den urbanen Regionen. 1945 war in den USA eine Fläche von mehr als 14 Millionen Hektar potenziell von Überschwemmungen bedroht. Hierzu zählten zwar ein großer Anteil an nicht kultiviertem Land, aber 1958, 90, NARA, RG 207, General Records of the Department of Housing and Urban Development, E56, B725, F »The Federal Flood Indemnity Administration«, 90. 41 Vgl. White, Human Adjustment to Floods, 2. 42 Vgl. Moore / Moore, The Army Corps of Engineers and the Evolution of Federal Flood Plain Management Policy, 37. 43 HUD, Insurance and other Programs for Financial Assistance to Flood Victims, 8.8.1966, 40, NARA, RG 311, E2, B2, 35, 42. 44 Ebd., 36.

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auch einige der produktivsten agrarischen Gebiete der Vereinigten Staaten und vor allem urbane floodplains. 19 der 59 US-amerikanischen Städte, die 1940 150.000 oder mehr Einwohner hatten, waren regelmäßig von Hochwasserschäden betroffen. Von diesen hatten wiederum acht immer wieder mit gravierenden Überschwemmungen in »highly important sections« zu kämpfen (Springfield, IL, Hartford, CN, Pittsburgh, Cincinnati, Louisville, Kansas City, Denver und Los Angeles). Zwei Städte, Dayton und New Orleans, lagen, wie Gilbert White 1945 notierte, auf Terrain, das vollständig vor Fluten geschützt werden musste.45 Das rapide Wachstum vieler amerikanischer Städte in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts machte nicht vor den Überschwemmungsgebieten Halt. Die Einwohnerzahl von Dallas, Texas, stieg zum Beispiel zwischen 1926 und 1946 von 200.000 auf 500.000. Ein levee-Projekt, das Mitte der 1930er Jahre fertig gestellt worden war, bot zwar einen gewissen Schutz vor Überschwemmungen, heizte aber die Durchdringung der floodplain weiter an. Die Vermögenswerte innerhalb dieses gefährdeten Gebietes von Dallas stiegen zwischen 1939 und 1947 von 172 auf 612 Millionen Dollar. Nur drei Jahre später waren es bereits knapp 750 Millionen Dollar. Schwere Überschwemmungen im Jahr 1949 verursachten dementsprechend immense Schäden, auf die der US-Kongress schnell mit der Bewilligung von Mitteln für weitere Schutzprojekte reagierte.46 Auch im Ohio Valley, das in den Nachkriegsjahrzehnten von extremen Überschwemmungskatastrophen wie in den Jahren 1884, 1913, 1936 oder 1937 verschont blieb, setze sich die »floodplain invasion« unvermindert fort. Ein Grund hierfür war die stetig wachsende Bevölkerung. »There is an aggravating factor in the whole picture. Population«, hielt der ehemalige Armee-Ingenieur Miles Dawson fest.47 Am Hocking River zum Beispiel nahmen die Bauten in Überschwemmungsgebieten in den counties Athens und Hocking zwischen 1949 und 1963 mit einer jährlichen Wachstumsrate von 2,25 Prozent zu, während die Stadt Athens Pläne für weitere Bauten im Wert von 70 Millionen Dollar ankündigte.48 Für den Scioto River warnte eine Untersuchung des Staates Ohio, 45 Vgl. White, Human Adjustment to Floods, 2. Vgl. auch ders. u. a., Changes in Urban Occupance of Flood Plains in the United States. Chicago 1958; Burrell Montz / Eve C. Gruntfest, Changes in American urban floodplain occupancy since 1958. The experience of nine cities, in: Applied Geography 6 (1986), 325–338; Raymond J. Burby u. a., Cities under Water. A Comparative Evaluation of Ten Cities’ Efforts to Manage Floodplain Land Use. Boulder, CO, 1988; G. E. Hollis, The Effect of Urbanisation on Floods of Different Recurrence Interval, in: Water Resources Research 11 (1975), 431–434. 46 Vgl. Moore / Moore, The Army Corps of Engineers and the Evolution of Federal Flood Plain Management Policy, 37. 47 Interview mit Miles M. Dawson, in: Ohio Water Commission, The Problem, 25. 48 U. S. Army Engineer District Huntington, WV, an Chief of Engineers, Huntington, WV, 29.1.1965, Survey Report on Hocking River Basin, Ohio, for Water Resources Development, NARA, RG 311, Entry 2, B2, F »Survey Report on Hocking River Basin, Vol. I«, 11–12.

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Abbildung 22: Parkplatz des Lafayette Motor Hotel in Marietta, OH, während der Flut im Jahr 1964 (mit freundlicher Genehmigung der Marietta College Library).

dass »the development of flood plain lands is occurring at such a rapid pace that the flood damage potential in the Scioto River Basin is increasing at an alarming rate«.49 Symptomatisch für diese Entwicklung ist ein Werbeprospekt des Lafayette Motor Hotel in Marietta »on the Banks of the Ohio River« aus dem Jahr 1966, dem unter anderem historische Hochwasserstände entnommen werden konnten. Dies war insofern nicht ganz unpraktisch, da das Motel zwei Jahre zuvor selbst unter Wasser gestanden hatte.50 Eigentlich hätten die bis 1952 realisierten 84 Hochwasserschutzprojekte das durchschnittliche jährliche Schadenspotenzial um 46 Millionen Dollar vermindern sollen, doch nur zwei Jahre später warnte Colonel J. J. Peterson von der Ohio River Division des Corps of Engineers, dass das Ingenieurskorps im Rennen mit Stadtentwicklern, Investoren, Unternehmen, etc., immer weiter zurück falle.51

49 State of Ohio, Official Plan, 111. 50 Lafayette Motor Hotel, Broschüre, Marietta, Ohio, Bench Marks and Flood Stages, 1.3.1966, MC, Local History Archives / F »Floods (1)«. 51 Vgl. Moore / Moore, The Army Corps of Engineers and the Evolution of Federal Flood Plain Management Policy, 38.

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Das »Neun Fuß Projekt« Die kontinuierliche »Invasion der Überschwemmungsgebiete« resultierte auch aus der nach wie vor großen Attraktivität von Flüssen als ökonomischen Arterien. Vor allem die Schifffahrt hatte ein gesteigertes Interesse an zuverlässigen Wasserstraßen. Mit der Ablösung der vergleichsweise kleinen packet boats, die bis Ende des neunzehnten Jahrhunderts den Schiffsverkehr auf dem Ohio dominierten, durch größere Schlepper mit mehr Tiefgang änderten sich auch die Anforderungen an den Fluss.52 Um die Schiffbarkeit des Flusses zu verbessern, wurden mehrere Pläne diskutiert. Ein Ingenieur schlug den Bau eines Seitenkanals vor, ein anderer Plan sah vor, Wasser aus dem Lake Erie in den Ohio zu pumpen, um eine Mindesttiefe von sechs Fuß sicherzustellen. Realisiert wurde aber schließlich die Idee von Milner Roberts, die Unwägbarkeiten des Ohio­ River durch ein System von Dutzenden Schleusen und Dämmen zu beseitigen.53 Die Durchsetzung dieses Projektes profitierte von den Problemen der Navigation, die sich vor allem bei lang anhaltenden Dürren immer wieder offenbarten. 1871 wurde zum Beispiel die Schifffahrt auf dem Ohio von Mai bis weit in den Winter hinein durch zu niedrige Pegelstände lahm gelegt. Pittsburghs Innenstadt war verstopft von Kohlewagen, die ihre Fracht nun quer durch die Stadt transportieren mussten, weil der Wasserweg vom Monongahela zum nördlichen Ufer der Stadt am Allegheny nicht zur Verfügung stand. »Let us no longer depend upon the rain from Heaven for conducting our chief employment«, forderte die Pittsburgh Gazette.54 1904 war der Wasserstand des Ohio so niedrig, dass erneut keine Kohle von Pittsburgh flussabwärts transportiert werden konnte, dass die großen Stahl- und Eisenbetriebe im westlichen Pennsylvania nicht genug Wasser hatten, um ihre Kessel zu füllen und teilweise schließen mussten, und dass die Eisenbahngesellschaften Wasser aus anderen Regionen herantransportieren mussten, um ihren Betrieb aufrecht erhalten zu können.55 1885 wurde Davis Island Lock and Dam nahe Pittsburgh fertig gestellt, die erste von insgesamt 51 Schleusen und Dämmen, die bis 1929 konstruiert wur 52 Vgl. Johnson, Engineering the Ohio, 192; Independent Packet Co., Pittsburgh, Dependable all year around freight service for all Ohio River points between Pittsburgh, Pa.,­ Cincinnati, Ohio, Louisville, Ky. Pittsburgh, PA, 1926. 53 Vgl. Johnson, Engineering the Ohio, 192. 54 Pittsburgh Gazette, 9.11.1871, zitiert nach Johnson, Engineering the Ohio, 193. 55 Vgl. E. C. Murphy, Drought in the Ohio River Drainage Basin, in: ders., Destructive Floods in the United States in 1904. Washington, DC, 1905, 173–182 (182). Vgl. auch George E. Jenks, The Ohio Floods, in: Granite Monthly 7 (April 1884), 258–261: »During the ­summer droughts […] the river falls from flood tide […] to points so low as to seriously impede or prevent navigation. Sometimes even the smallest steamers and barges fail to pass between Pittsburgh and Cincinnati, and coal famines have not been unfrequent, resulting from difficult navigation. An equable flow of this stream is impossible.« (259).

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den und die ganzjährige Schiffbarkeit des Ohio sicherstellten.56 Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde eine Reihe von alten Wehren durch neue »high-lift dams« ersetzt. Da diese einen größeren Höhenunterschied zwischen Ober- und Unterwasser realisieren konnten, waren auch weniger Schleusen auf der gesamten Strecke erforderlich, was wiederum zu geringeren Zeitverlusten für die Ohioschiffer führte. Zugleich wurden größere Schleusenkammern gebaut, um den länger gewordenen towboats Rechnung zu tragen. Diese neuen Wehre hatten auch zur Folge, dass die Differenzen der Wasserspiegel ober- und unterhalb der Schleusen erheblich zunahmen. Der Fluss wurde auf diese Weise zu einer terrassenartigen Abfolge von Stauseen.57 Diese Transformation hatte natürlich ihren Preis. Seit Beginn der Kanalisierung habe der Fluss immer weniger gemein mit dem Strom, auf dem die flatboats der Pioniere auf Sandbänke aufgelaufen und von snags aufgerissen worden sind, notierte der Cincinnati Enquirer 1961.58 Auch für die Ansiedelungs- und Expansionsentscheidungen von Industrie­ unternehmen spielte der Zugang zu einer schiffbaren Wasserstraße, die den Transport großer Mengen an Rohmaterial und den Abtransport halbfertiger und fertiger Produkte erlaubte, immer noch eine große Rolle. »This need has generated what amounts to almost a mass migration of plants to waterside sites on rivers and canals which make up the principal routes of the barge and towing vessel industry throughout the United States«, hielt eine Studie aus dem Jahr 1962 fest.59 Gleichzeitig spielte Wasser eine immer größere Rolle im industriellen Produktionsprozess: »modern industry and modern civilization demand water in such quantitities as can be furnished only by streams of considerable volume. The tendency has been not only to improve the fertile valley bottoms for cultivation, but to build factories, railroads and towns along the river banks.«60 Dies galt auch und gerade für den Ohio River, »the backbone of one of the ­richest industrial districts in the nation«, wie das National Resources Com­ mittee, eine der New Deal-Planungsbehörden, konstatierte.61 Machte das Einzugsgebiet des Ohio 1936 nur ein Achtzehntel der Landmasse der kontinentalen USA aus, so lebte dort nicht weniger als ein Siebtel der US-amerikanischen Bevölkerung.62 Insbesondere im hügeligen oberen Ohio Valley, das mit der 56 Vgl. Johnson, Engineering the Ohio, 194–195. 57 Vgl. United States Water Resources Council, Ohio River Basin Comprehensive Survey, VI-4. 58 George Carr, Toll Charge on the Ohio. Some of the Arguments for and Against Plan, Cincinnati Enquirer, 5.3.1961. 59 American Waterways Operators, Inc., A Study in Economic Growth, 1. 60 Morgan / Bock, History of Flood Control on the Ohio, 476–477. 61 National Resources Committee, Drainage Basin Study. Ohio Valley Summary Report (Frederick W. Heed, Water Consultant; Philip Burgess, Associate Water Consultant; Daniel E. Davis, Associate Water Consultant; Charles F. Ruff), 1.9.1936, UC, Alfred Bettman P ­ apers, pt. I, B15, F1, 6. 62 Vgl. ebd., 1.

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Industrialisierung der oft engen Flusstäler zum »Workshop of America« geworden war, wurde der Hochwasserschutz zu einem bedeutenden Standort­faktor, der Vorteile im harten Wettbewerb der Regionen um die Ansiedelung von Unternehmen bringen oder zumindest Nachteile vermeiden konnte.63 »If flood protection is not provided«, befürchtete Pittsburghs Flood Commission 1930, industrial leaders will decide to locate elsewhere rather than purchase factory sites subject to overflow, and the accumulation of many such decisions over a period of years will have great potentiality for lowering the general development and prosperity of the region.64

Gilbert F. White und das Konzept des floodplain management Physischer Hochwasserschutz und die »Invasion der Überschwemmungsge­ biete« waren also sich zumindest zum Teil  gegenseitig verstärkende Prozesse. Das von White und anderen entwickelte Konzept des floodplain management wählte dagegen eine andere Herangehensweise an das Überschwemmungs­ problem. Anstatt die Gefahr durch Fluten erst nach der Nutzbarmachung der Überschwemmungsgebiete zu bekämpfen, setzte floodplain management auf Interventionen in die Landnutzung in diesen Gebieten, um so das Schadenspotenzial zu verringern.65 Miles Dawson fasste den Grundgedanken dieses neuen Ansatzes 1959 sehr anschaulich zusammen: […] the way to save lives of people who live down on the river bed is not necessarily to build up dams above them. A person doesn’t have the right to take up his residence out in the Middle of Broad Street. Can he insist that the city build  a traffic island for him? I think it is the same thing in a flood plain. You may need a million dollars to build a dam to save the lives of ten people, and you can get into some emotional arguments by starting out with the statement that they are not worth a hundred thou 63 Flood Commission of Pittsburgh, Review of Report of the United States Army Engineers on Flood Control Survey, 27. 64 Ebd., 28. Vgl. auch Flood Commission of Pittsburgh, The flood menace and its remedy. What is being done to prevent the annual great loss to property and to the industrial interests of the busy Pittsburgh district. Pittsburgh, PA, 1910; und Programm of Work for Consideration of Ohio Water Supply Board and Advisory Committee at September 26th Meeting, OHS / OSA, Minutes, Ohio Water Resources Board, 1941–1959, F »Minutes Nr.  2«: »Ohio appeals to industry from the standpoint of stable government, tax rate, transportation, climate, natural resources, and a fine citizenship. What often disturbs industry in search for plant sites is water. ›Is water of proper quality available year around for our produce either from ground water or surface water? If water is available what about our site, – is it subject to inundation by floods or are transportation facilities frequently flooded‹? These are questions which we must be prepared to answer.« 65 Vgl. Smith / Tobin, Human Adjustment to the Flood Hazard. London und New York 1979, 56.

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sand dollars apiece. But this side-steps the issue. For a hundred thousand dollars, if you are going to spend that much money, you could move them each up on a hill and give them a Rolls-Royce and a racing stable. This is a fantastic solution, of course, but it answers the argument we run into time and again.66

Gilbert White systematisierte diesen neuen Ansatz 1964, indem er »eight m ­ ajor types« der Adaption an die Überschwemmungsgefahr ausmachte. Neben den traditionellen Lösungsstrategien des baulichen Hochwasserschutzes und des »loss bearing«, also des Inkaufnehmens von Hochwasserschäden, zählte er dazu Evakuierungen, massive physische Transformationen der floodplain zum Beispiel durch die Aufschüttung von Land, Interventionen in das Abflussregime eines Flusses durch »land management« (zum Beispiel durch Aufforstung), Versicherungen, Hilfeleistungen für die Opfer von Überschwemmungen und schließlich Änderungen der Landnutzung in der floodplain.67 »Many people were convinced«, stellt James M. Wright fest, »that White’s concepts offered a real alternative to existing flood control practices and helped set the course for the emergence and evolution of broader approaches to flood problems«.68

9.3 Überschwemmungen und displacement Völlig neu war die Idee, dem »Flutproblem« nicht nur durch Bauwerke, sondern auch durch die Regulierung des Schadenspotenzials in den Über­ schwemmungsgebieten zu begegnen, allerdings nicht. Bestimmte Aspekte des floodplain management wurden schon zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts diskutiert und zumindest in Ansätzen auch realisiert. In zwei Bereichen zeigten sich solche Vorläufer einer systematischen Regulierung der Überschwemmungsgebiete ganz deutlich: zum einen in der Forderung nach einer Umwandlung von innerstädtischen, flussnahen und oft heruntergekommenen Wohngebieten in

66 Interview mit Miles M. Dawson, in: Ohio Water Commission, The Problem, 7–8. 67 Gilbert F. White, Choice of Adjustment to Floods. Chicago 1964, 13. Vgl. aber ebd., einschränkend: »There are other ways of classifying adjustments. Those which prevent water from damaging property may be distinguished from those which remove property from the reach of water. Measures which depend upon structures may be separated from from those that are wholly organizational.« 68 Wright, Effects of the Flood on National Policy, 249. Vgl. auch Platt, From Flood Control to Flood Insurance, 68: »In particular, governmental efforts to deter building in areas subject to floods or other hazards were nonexistent.« Vgl. desweiteren Perry H. Rahn, Floodplain management program in Rapid City, South Dakota, in: Bulletin of the Geological Society of America 95 (1984), 838–843; Burrell E. Montz / Graham A. Tobin, The spatial and temporal variability of residential real estate values in response to flooding, in: Disasters 12 (1988), 345–355.

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weniger schadensträchtige Nutzungsformen wie urbane Parks, zweitens in dem Versuch, besonders oft und besonders stark betroffene Gegenden oder ganze Städte komplett aus der floodplain zu verlegen. Schon nach der desaströsen Flut von 1913 wurden Stimmen laut, die die Sinnhaftigkeit eines kompletten Wiederaufbaus der verwüsteten Städte am Miami River anzweifelten. »It will be a questionable policy […] to permit the re­building of dwelling houses on the areas subject to overflow«, stellte ein zeitgenössischer Beobachter fest. City parks and playgrounds, storage house [sic] and mercantile plants are more fitted for the flood-plains bordering most rivers, and certainly it is as much a function if not a duty of municipal prudence to forbid its people to dwell in areas subject to overflow without warning as it is to protect them from violence or fire.69

Zwei Mitarbeiter des United States Geological Survey stellten ähnliche Überlegungen an: A noteworthy suggestion in connection with the reduction of damage by floods advocates the removal of places of business or residence from areas subject to repeated inundation, so as to restore to the river channel that which belongs to it. To accomplish this it has been further suggested that the cities take over the abandoned properties, paying an equitable price and making arrangements that will enable the occupants, especially the poor, to relocate out of harm’s way. In this way the danger line at many cities could be raised and the volume of flood waters that would have to be taken care of materially reduced. In addition it has been suggested that such areas be converted by the cities into river-front parks, so that they will serve a useful purpose and still offer no obstruction to the flood flow of the river. This may seem a Utopian dream, but the idea contains much that is worthy of consideration.70

Schon aus solchen frühen Kommentaren wird deutlich, dass die Reduzierung des Schadenspotenzials auch mit einem Umbau der sozialen Zusammen­ setzung der Stadt verbunden wurde. Dieser Nexus zwischen »slum clearance« und Hochwasserschutz zeigte sich noch deutlicher im Gefolge der Ohioflut von 69 Brown, Ohio River Floods of 1913, 509. Einige Jahrzehnte später hielt Miles Dawson fest: »Flood plains make excellent parks, for instance, since they are close to the water and there is access for recreational purposes«. Interview mit Miles M. Dawson, in: Ohio Water Commission, The Problem, 9–11. 70 Horton / Jackson, Ohio Valley Flood of March-April 1913, 90. Wenn allerdings eine semi-offizielle Darstellung des Corps of Engineers festhält, dass das Korps schon nach der Flut von 1913 »the idea of moving valuable property beyond the flood limits« übernommen hätte, und damit seiner Zeit 50 Jahre voraus war, dann sollte man auch hinzufügen, dass solchen Einsichten jahrzehntelang keine Taten folgten. Vgl. Moore / Moore, The Army Corps of Engineers and the Evolution of Federal Flood Plain Management Policy, 4.

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1937. In fast allen Großstädten am Ohio waren die unteren Bevölkerungsschichten extrem stark von der Katastrophe betroffen. Das Amerikanische Rote Kreuz hielt über seine Arbeit in Evansville, Indiana fest, dass vor allem die Gruppe der Hauseigentümer aus den unteren Einkommensschichten stark unter der Flut gelitten habe. »There were the squatters along Pigeon Creek and the railway right of way, living in shacks or house-boats, poorly equipped or furnished, but home for the family.« Viele dieser armseligen kleinen Behausungen seien durch die Flut bis zur Unkenntlichkeit zerstört worden. Manchmal markierten nur noch Grundsteine den vormaligen Standort des Gebäudes.71 Das Rote Kreuz hätte diesen »flood losers« gerne beim Wiederaufbau geholfen, doch die Stadt und die Eisenbahnen wollten die illegalen Behausungen nicht wiedererrichtet sehen, und so mussten sich diese Familien um neue Unterkünfte kümmern. Ähnlich sah es an den »low-lying subdivisions along the [Ohio] river« in Evansville aus, »where land was cheap and where poorly built homes each year withstood the ravages of floods. Tossed and turned and swept off their foundations, these were homes nevertheless and represented in many cases the investment of a life-time of savings.« Hier konnte das Rote Kreuz aber beim Wiederaufbau helfen, da den Bewohnern das Land, auf dem sie ihre Häuser errichtet hatten, auch gehörte.72

Die Riverfront in Cincinnati Besonders deutlich offenbarte sich der Zusammenhang zwischen sozialer Marginalisierung und Umweltrisiken in Cincinnati. Mit der Expansion der Stadt über die Grenzen des basin hinaus, der Entstehung von streetcar suburbs und der starken Zuwanderung von African Americans aus dem Süden nahm die Segregation in der Queen City deutlich zu. Das ehemalige Zentrum des urbanen Lebens in Cincinnati, das basin, wurde zu einem unwirtlichen Ort, der auch zunehmend durch Ghettoisierung charakterisiert war.73 Zwischen 1900 und 1940 stieg die Zahl von African Americans in Cincinnati von 15.000 auf 56.000, ihr Bevölkerungsanteil damit von vier auf 12 Prozent.74 Diese Zuwanderung (aus der sich der Zuwachs zum größten Teil speiste), war Teil der Great Migration, das heisst des Exodus von Afroamerikanern aus dem Süden. Seit dem Ende des Bürgerkrieges und der Reconstruction Era, aber vor allem in den ersten Dekaden des zwanzigsten Jahrhunderts machten sich Hunderttausende auf den Weg »[i]n search of jobs, peace of mind, eduation, and just 71 American Red Cross, Evansville Chapter, History of the Flood, Evansville Area, 29. 72 Ebd. Zu Evansville vgl. auch Bigham, We Ask Only a Fair Trial, 34. 73 Vgl. Taylor, City Building, 172. 74 Vgl. ebd.

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›something better‹«.75 Alleine Ohio, Indiana und Illinois nahmen geschätzte 750.000 African Americans zwischen dem Beginn des Bürgerkrieges und dem Beginn der Großen Depression auf.76 In Cincinnati lebten 1930 im westlichen Teil  des basin (West End)  mehr als 30.000 und damit 67 Prozent der African Americans – eine Entwicklung, die auch durch hohe Mieten und Häuserpreise in den anderen Teilen der Stadt und eine de facto rassistische Stadtplanung befördert wurde.77 In Cincinnati bot die Flut von 1937 den Stadtplanern eine willkommene Gelegenheit, Teile der Stadt zu modernisieren.78 Ernest P. Goodrich zum Beispiel, Ingenieur aus New York und Berater der Cincinnati City Planning ­Commission, betrachtete die durch die Flut geschaffene Situation als »a unique opportunity […] to reappraise the whole city plan, to amend and improve it where such is found desirable, and thus to provide for an even better future Cincinnati.«79 Diese Neubewertung betraf vor allem die bottoms und das West End, im Überschwemmungsgebiet gelegene Stadtteile, in denen die Mieten niedrig waren und die vor allem von Arbeitern und von African Americans bewohnt wurden, die

75 Beverly A. Bunch-Lyons, Contested Terrain. African-American Women Migrate from the South to Cincinnati, Ohio, 1900–1950. New York 2002, 3. Vgl. auch James N. Gregory, The Southern Diaspora. How the Great Migrations of Black and White Southerners Transformed America. Chapel Hill, NC, 2005. 76 Blocker, A Little More Freedom, 3. Vgl. auch Cayton, ›While we are in the World‹, 4: »The Great Migration of Southern blacks and white Appalachians constituted the largest influx of peoples in the history of Ohio.« 77 Taylor, City Building, 173–174. 78 Naturkatastrophen haben im Verlauf der Jahrhunderte, ebenso wie Kriege, immer wieder Anlass (und oft auch die Notwendigkeit) für den Umbau von Städten gegeben. Vor allem Stadtbrände waren häufig »Agenten des Wandels«. Vgl. Christine Meisner Rosen, The Limits of Power. Great Fires and the Process of City Growth in America. Cambridge, New York 1986, 249–295; Bankoff / Lübken / Sand (Hg.), Flammable Cities. Für die Entstehungsgeschichte und ideologischen Hintergründe von »slum clearance« in Cincinnati vgl. das Kapitel »Social Groups, Slums, and Comprehensive Planning, 1915–1944«, in: Zane L. Miller / Bruce Tucker, Changing Plans for America’s Inner Cities. Cincinnati’s Over-the-Rhine and Twentieth Century Urbanism. Columbus, OH, 1998, 13–28. Für den Zusammenhang zwischen Überschwemmungen des Flusses Wensum im Jahr 1912 und slum clearance im britischen Norwich vgl. Barry M. Doyle, Mapping Slums in  a Historic City: Representing Working Class Communities in Edwardian Norwich, in: Planning Perspectives, 16 (2001), 47–65. Für die vermeintliche Nähe zwischen Naturkatastrophen und sozialen Revolten aus der Perspektive von Risikomanagern und den daraus resultierenden Rassismus vgl. Uwe­ Lübken, Governing Floods and Riots. Insurance, Risk, and Racism in the Postwar United States, in: Historical Social Research / Historische Sozialforschung 35 (4/2010), Special Issue, Cornel Zwierlein / Rüdiger Graf / Magnus Ressel (Hg.), The Production of Human Security in Premodern and Contemporary History, 275–288. 79 Outline of City Planning Commission Investigation Concerning the Cincinnati Flood Problem and the Effect on the Comprehensive City Plan, prepared by Ernest P. Goodrich, Consulting Engineer, New York City, April 1937, UC, Alfred Bettman Papers, pt. I, B7, F »19«.

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»in the worst possible conditions« lebten.80 Die Stadtplaner benutzten die Flut, um diese Viertel von den Slums zu »säubern«, so dass die waterfront und das Mill Creek Valley gemäß den Standards modernen Stadtdesigns umgebaut werden konnten.81 Dies bedeutete vor allem die Transformation Cincinnatis in eine autogerechte Stadt. Bewohner der bottoms lebten »on borrowed time,« schrieb der Cincinnati Times-Star am 16.  April 1952. Früher oder später würden sie diese Gebiete verlassen müssen.82 In den folgenden Jahrzehnten wurden mehrere hochtrabende Pläne ent­ worfen, die die riverfront beleben und den Abwärtstrend, den Cincinnati, wie viele andere Städte im Mittleren Westen auch, immer stärker zu spüren bekam, aufhalten und sogar umkehren sollten. Der Masterplan der Stadt aus dem Jahr 1925 wurde in der Nachkriegszeit mehrfach revidiert und an die Erfordernisse einer autogerechten Stadt angepasst. Eingepfercht zwischen einer vierspurigen Autobahn und dem Fluss sollten an der riverfront Apartmenthäuser entstehen, eine private Marina und sogar ein Heliport »located so that the noise does not interfere with surrounding uses«. Ein neues, hochwassersicheres Stadion sollte Crosley Field ersetzen und ein »historical-memorial park« samt Museum und »outdoor exhibits« zusätzlich zur Verschönerung der Gegend beitragen.83 Um Anregungen für die konkrete Gestaltung des Parks und des historischen Monuments zu erhalten, reisten fünf Mitglieder der Cincinnatus Association, einer Bürgervereinigung, die sich die Parkidee auf ihre Fahnen geschrieben hatte, nach St. Louis und Pittsburgh. Beide Städte hatten in der Vergangenheit ähn 80 Laura Eisenman, Supervisor, Hamilton County Ohio Report, District A, in: American Red Cross, Final Report, Region B, July 1937, NA/RG200/DR735 Ohio and Mississippi Valley Storm & Flood 1/37, B 1268, F »DR 735.11/08 Ohio Region B – Final Report Part #1«, 119. 81 Vgl. die Broschüre der Handelskammer Cincinnatis, The Millcreek Expressway. Your Better Cincinnati Expressway Motorcade, ohne Datum., CHS, Mss 558, Papers of the Citizens Development Committee, 1922–1972, B5, F8: »Cincinnati Planning History, 1907–1949«. Für Proteste gegen die Transformation des urbanen Raums durch derartige Schnellstraßen vgl. Raymond A. Mohl, Stop the Road. Freeway Revolts in American Cities, in: Journal of Urban History 30 (2004), 674–706. 82 Für den Crawfish Bottom in Frankfort, Kentucky, vgl. Douglas A. Boyd, Crawfish Bottom. Recovering a Lost Kentucky Community. Lexington, KY, 2011, 2: »In many ways, the ­destructive flood of 1937 marked the beginning of the end of Craw as a neighborhood. Though the residents had experienced the devastations of flooding before, the 1937 flood pushed many beyond their limits. Tired of repeated disasters, some residents simply chose not to return to their homes, leaving many neighborhood buildings abandoned. In the years following the neighborhood rapidly declined. […] Although reform of the neighborhood’s perceived deficiencies and imperfections had been publicly solicited by Frankfort residents since the 1870s, the creation of the Frankfort Slum Clearance and Redevelopment Agency in March 1955 marked the official beginning of the end for the neighborhood«. 83 Entwurf der Cincinnati City Planning Commission, Central Riverfront Plan and Symbolon, April 1961, CHS, Papers of the Cincinnatus Association, 1920–1918, Mss 617, Series IV: Riverfront Development and Symbolon Competition, B1, F1.

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liche Projekte begonnen bzw. bereits durchgeführt.84 In Pittsburgh war vor allem die Landspitze zwischen Monongahela und Allegheny River Objekt der Umgestaltung, eine »blighted area containing several hundred nondescript buildings and a sprawling freight terminal«.85 Noch schwer gezeichnet von der Flut 1936, einem großen Feuer 1946 sowie dem generellen industriellen Niedergang, war der Point nun »ripe for development«. Unter dem Motto »The Park is the Spark« hofften die Besucher aus Cincinnati, dass auch in ihrer Stadt ein Projekt ähnlich dem in Pittsburgh realisierten Point State Park verwirklicht werden könnte.86 Die Cincinnati City Planning Commission legte 1961 einen neuen Plan für die Neugestaltung der riverfront vor, der auch einen Park vorsah. Der erhoffte Funken zündete aber nicht, und der Bau der Grünanlage wurde zugunsten eines Stadions auf die lange Bank geschoben. »Erfolgreich« waren die Stadtplaner allerdings in der Hinsicht, dass sie einen Wiederaufbau der Wohngebiete in unmittelbarer Flussnähe verhinderten. Die Einwohnerzahlen an der »Central River­front« gingen in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts rapide zurück. Lebten um die Jahrhundertwende noch circa 6.000 Menschen in dieser Gegend, so waren es 1940 nur noch 2.900. Noch einmal 20 Jahre später war die Zahl auf circa 120 geschrumpft. Der Niedergang dieses Bezirks vollzog sich so intensiv, dass das Army Corps of Engineers dort nicht einmal mehr den Bau einer Hochwasserschutzmauer für gerechtfertigt hielt. 1974 mahnte Thomas C. Pierson, Vizepräsident der First National Bank of Cincinnati, bei erneuten Plänen zur Revitalisierung Cincinnatis in Bezug auf die riverfront zur Geduld »with areas that look as though they have been bombed«.87 Die Umgestaltung der riverfront ist bis heute nicht abgeschlossen. 84 The Park is the Spark [for Urban Redevelopment], Rede von Francis L. Dale, Cincinnatus Riverfront Committee, vor der Cincinnatus Association, am 12.5.1964 in Cincinnati, OH, CHS, Papers of the Cincinnatus Association, 1920–1918, Mss 617, Series IV: Riverfront Development and Symbolon Competition, B1, F7. Vgl. auch Joseph Heathcott, The City Quietly Remade. National Programs and Local Agendas in the Movement to Clear the Slums, ­1942–1952, in: Journal of Urban History 34 (2/2008), 221–242. 85 Charles M. Stotz, Point State Park, Pittsburgh, Pennsylvania, 4, Reprint aus dem Carnegie Magazine 1964, in: CHS, Papers of the Cincinnatus Association, 1920–1918, Mss 617, Series IV: Riverfront Development and Symbolon Competition, B1, F7. 86 Vgl. Dale, The Park is the Spark, CHS, Papers of the Cincinnatus Association, 1920– 1918, Mss 617, Series IV: Riverfront Development and Symbolon Competition, B1, F7. 87 Thomas C. Pierson, Chairman, Finance Committee, Yeatman Historical Park Fund, und Vice-President, First National Bank of Cincinnati, unaddressierter Brief. ohne Datum, aber im F »1974«, CHS, Papers of the Cincinnatus Association, 1920–1918, Mss 617, Series IV: Riverfront Development and Symbolon Competition, B1, F2. Vgl. auch City Planning Commission, Cincinnati, Central Riverfront Development, Preliminary Report. April 1961, ebd., B2, F4, und H. W. Stevens, Director of City Planning, Cincinnati, an Louis Tucker, Cincinnati Historical Society, 14.3.1966, ebd., B1, F7. Vgl. auch Stradling, Cincinnati, 103–114. Für den Zusammenhang zwischen »urban renewal programs« und Hochwasserschutz vgl. auch Moore / Moore, The Army Corps of Engineers and the Evolution of Federal Flood Plain Management Policy, 115–118.

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»The park is the spark«: »The Point« in Louisville Auch in Louisville wurde die Flut als Chance für den Umbau bestimmter Stadtteile begriffen. »The citizens of Louisville have an opportunity before them today, which, I believe, they should not fail to grasp«, schrieb Bürgermeister Neville Miller im Mai 1937 nach der Flut. »It is one which does not come to a city very often.« Den Bewohnern der von der Flut beschädigten Häuser auf beiden Seiten des Beargrass Creek am östlichen Ende der Stadt sollte ihr Grundbesitz abgekauft werden, so dass diese, unterstützt vom Roten Kreuz, in andere Viertel umziehen könnten. »With much of the Point area ruined by the flood, our citizens are aware of the need and the opportunity for taking definite steps toward the realization of a program which will convert this area into a park and playground district.« Später könnte eine Kette von Projekten folgen, »which eventually will convert the entire Louisville river front into a park system, under a comprehensive plan already drawn by the City Planning & Zoning Commission.«88 Der Beargrass Creek verlief ursprünglich über eine Länge von mehr als 15 Blocks nahezu parallel zum Ohio River, wurde aber 1854 »abgeschnitten« und auf geradem Weg in den großen Fluss geleitet, um Kosten für Brücken in der boomenden Innenstadt Louisvilles einzusparen. Der ehemalige Landkeil zwischen den beiden Flüssen, The Point, war Heimat einer raubeinigen Bevölkerung mit schlechtem Ruf, die sich allerdings wenig um die Abneigung der lokalen Eliten kümmerte. Die Gegend war geprägt von grog shops, oft illegalen, preiswerten Hotels mit Alkoholausschank, Kesselfabriken, Gerbereien und später Schrottplätzen und Müllhalden. Um die Mitte der 1930er Jahre lebten gerade noch knapp 80 Familien mehr oder weniger permanent, abhängig vom Pegelstand des Ohio, in dieser Gegend. »Some were shanty-boaters, folks who lived in floatable houses with no foundations, no electricity and no plumbing.«89 Anfang Mai 1937 wurde ein großer Teil  dieser Gegend von der Stadt­ »condemned«, um sie in einen Park zu verwandeln. Den 78 beim Roten Kreuz registrierten Familien sollten ihre Grundstücke abgekauft werden, so dass sie sich an anderen Stellen der Stadt niederlassen konnten.90 Das Rote Kreuz nahm zwar generell keinen direkten Einfluss darauf, ob Familien, denen Anspruch auf »rehabilitation« gewährt wurde, ihr neues Heim am alten Ort oder an ande 88 Neville Miller, Mayor, Louisville, KY, an Citizens of Louisville, 5.5.1937, FHS, Tom Wallace Papers, 1874–1961, F »99«. 89 Bell, The Great Flood of 1937, 16–18 (18). Vgl. auch Willard Rouse Jillson, The Great Flood of 1937 in Louisville, Kentucky. Louisville, KY, 1937, 12; Welky, Thousand-Year Flood, 125. 90 Richard F. Allen, Regional Director, American Red Cross, Final Narrative Report, Region C – Kentucky, ohne Datum, ca. Mitte 1937, NA, RG 200, DR 735 Ohio and Mississippi Valley Storm & Flood 1/37, B 1261, F »DR 735.11/08 Kentucky Region C, Final Report«, 31. 

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Abbildung 23: »The Park is the Spark«? Broschüre zum Plan der Umwandlung einer Wohngegend in Ufernähe in einen Park (mit freundlicher Genehmigung der Filson Historical Society).

rer Stelle errichteten, es verlangte aber eine offizielle Genehmigung der entsprechenden Behörden für die notwendigen Bau- und Reparaturarbeiten. Da die Stadt Louisville diese Genehmigung für die ausgezeichneten Gebiete auf dem Point aber verweigerte, konnte das Rote Kreuz den Flutopfern nur dann beim Wiederaufbau helfen, wenn die Stadt ihre Haltung änderte oder wenn sich die Bewohner bereit erklärten, die Gegend zu verlassen.91 91 Richard F. Allen, Regional Director, American Red Cross, an John K. Skaggs, Van Winkle and Skaggs, Attorneys and Counsellors, Louisville, 12.7.1937, NA, RG 200, DR 735 Ohio and Mississippi Valley Storm & Flood 1/37, B 1266, F »DR 735.11/6 Kentucky, Jefferson County, Relief other than Health«.

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Die Angelegenheit wurde durch den Umstand, dass die Stadt überhaupt nicht die Mittel in Höhe von knapp 150.000 Dollar besaß, die nötig waren, um die Grundstücke zu kaufen, noch komplizierter. Das Park Board der Stadt hatte 35.000 Dollar bewilligt bekommen, mit denen 44 Grundstücke erworben werden sollten, die restlichen Käufe sollten durch private Zuwendungen finanziert werden.92 Diese finanzielle Lücke veranlasste allerdings den Richter James Garnett, der Klage von William C. Tapp und 26 anderen Bewohnern von The Point stattzugeben und eine einstweilige Verfügung gegen die Stadt Louisville zu erlassen, die bis zur Regelung der Finanzierung ihrer Parkpläne nicht mehr mit Zwangsverkäufen drohen durfte. In seiner Begründung hielt der Richter fest, dass … the threat of the condemnation is depriving the lot owners of the opportunity to secure help from the Red Cross and there is a state of unrest in this section of the city, since the property owners do not know when, if at all, suits will be filed seeking to condemn their property.93

Letztlich konnte diese Lücke aber relativ schnell geschlossen werden. Bereits Ende Juli hatten die Subskriptionen die Summe von 50.000 Dollar erreicht, darunter 2.000 Dollar durch den amerikanischen Botschafter in London Robert W. Bingham. Weitere in Aussicht gestellte Spenden sowie Einkünfte aus anderen Quellen besiegelten das Schicksal der Bewohner von The Point.94 Die dauerhafte Räumung von oft heruntergekommenen Stadtbezirken in unmittelbarer Flussnähe war im Prinzip ein probates Mittel, um besonders gefährdete Teile der urbanen Bevölkerung zu schützen und das Schadenspotenzial von Überschwemmungen in den Städten zu mindern.95 Die weitreichenden 92 Vgl. Miller an Citizens of Louisville, 5.  Mai 1937, FHS, Tom Wallace Papers, 1874– 1961, F »99«; John K. Skaggs, Van Winkle and Skaggs, Attorneys and Counsellors, Louisville, an Henry M. Baker, American Red Cross, Louisville, 7.7.1937, NA, RG 200, DR 735 Ohio and Mississippi Valley Storm & Flood 1/37, B 1266, F »DR 735.11/6 Kentucky, Jefferson County, Relief other than Health«; Point ›Threat‹ Ban Ordered, Louisville Times, 3.7.1937. 93 Zitiert nach Point ›Threat‹ Ban Ordered, Louisville Times, 3.7.1937. 94 Vgl. Park Project on Point Reaches Halfway Mark, Louisville Courier Journal, 29.7.1937. 95 Das Schadenspotenzial in den Überschwemmungsgebieten wurde durch die Umwandlung von Wohngebieten und anderen schadensträchtigen Nutzungsformen in Parks sicherlich gemindert, aber auch die Überflutung von Grünanlagen verursachte Kosten. 2004 waren nach heftigen Regenfällen in Ohio viele Parks nicht mehr erreichbar, andere waren überschwemmt und somit nicht zu nutzen, was zu »steep declines in park visitation and campground occupancy« führte. Ohio Department of Natural Resources, Ohio State Parks. 2004 Annual Report. Columbus, OH, 2004, 20. Für die Ohioflut von 1997 vgl. den Artikel Flood victims may include some trees at Riverside Park, Louisville Courier-Journal, 15.3.1997: »As the Ohio River rose into Louisville’s riverfront park last week, newly planted evergreen trees looked as if they were scrambling for higher ground on the park’s artificial hills. But many of the trees were covered by the Ohio’s silt-laden water. Whether the hemlocks, pines and

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Entscheidungen der Stadträte, Stadtplaner und Architekten wurden allerdings in den meisten Fällen über die Köpfe der Betroffenen hinweg getroffen. ­Darüber hinaus ging mit der Transformation dieser Gegenden auch eine – bei allen materiellen Beschränkungen und sozialen Ungleichheiten  – sehr lebendige und ebenso spezielle Kultur zu Grunde, die sich auf ihre eigene Weise an den Fluss und vor allem an schwankende Pegelstände angepasst hatte.96 Dies galt für die Bewohner von The Point ebenso wie für die waterfront in Cincinnati oder den Crawfish Bottom in Frankfort, Kentucky.97 Wenn das Rote Kreuz nach der Flut von 1937 urteilte, dass die Katastrophe »no respecter of persons« war, weil sie »poor, middle class and rich alike« getroffen hätte, so zeigt sich doch immer wieder, dass vor allem die unteren sozialen Schichten weitaus stärker unter solchen Ereignissen zu leiden hatten als andere Bevölkerungskreise.98 Dies galt auch dann, wenn nicht nur einzelne Stadtteile, sondern komplette Städte Gegenstand solcher Maßnahmen waren. Das Schicksal der Kleinstädte Uniontown in Kentucky und Shawneetown in Illinois zeigt deutlich das Potenzial, aber auch die Schwierigkeiten und Probleme einer solch radikalen Lösung.

Uniontown, Kentucky In Uniontown, Kentucky, stellte sich die Frage, wie in Zukunft mit der Überschwemmungsgefahr umgegangen werden sollte, vielleicht dringlicher als irgendwo sonst am Ohio River. Die Kleinstadt etwa 200 Meilen westlich von spruces survived the experience won’t be known for a month or two. But some tree experts question the wisdom of planting evergreens, which don’t tolerate flooding, within the river’s reach.« 96 Vgl. für Cincinnati auch Rhoda H.  Halperin, Practicing Community. Class Culture and Power in an Urban Neighborhood. Austin, TX, 1998. Zu Frankfort, Kentucky, vgl. Boyd, Crawfish Bottom. Vgl. hierzu aus systematischer Perspektive Ben Wisner u. a., At Risk. Reuben Gold Thwaites bekam, als er 1894 den Ohio in einem Ruderboot hinunterfuhr, viel von dieser eigenen Kultur zu sehen, die er allerdings oft mit einer gewissen intellektuellen und großbürgerlichen Arroganz beschrieb. Dennoch wurden ihm von der Flussseite aus Einsichten in Lebenswelten offenbart, die von der Landseite aus oft verborgen blieben. Über die Menschen, die in Hausbooten lebten, schrieb Thwaites, Afloat on the Ohio, 53, zum Beispiel: »A goodly proportion of these boats are inhabited by the lowest class of the population, – poor ›crackers‹ who have managed to scrape together enough money to buy, or enough energy and driftwood to build, such a craft; and, near or at the towns, many are occupied by gamblers, illicit liquor dealers, and others who, while plying nefarious trades, make a pretense of following the occupation of the Apostles«. 97 Boyd, Crawfish Bottom, 4, verweist auch auf ähnliche Entwicklungen in den »West Bottoms« von Kansas City, in den »Bottoms« von Cincinnati und Alexandria, Virginia, und auf das Viertel Franklinton, auch als »The Bottoms« bekannt, in Columbus, Ohio. 98 American Red Cross, Ohio-Mississippi Valley Flood Disaster of 1937, 17.

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Louisville war in den zehn Jahren vor der großen Flut 1937 bereits mehrfach überschwemmt worden.99 Der untere Teil der Stadt war so tief gelegen, dass bei jedem Pegelstand, der über das normale Anschwellen des Ohio im Frühjahr hinausging, bereits Wasser in die Häuser drang. Der obere Teil war weitaus hochwassersicherer – zumindest konnten sich die Stadtältesten nur an eine einzige Überschwemmung erinnern. Die »business section« wie auch die »crude houses of the poorer people« lagen allerdings in unmittelbarer Nähe zum Fluss, so dass hier, wie auch in Cincinnati, Louisville und vielen anderen Städten die Überschwemmungsgefahr sozial äußerst ungleich verteilt war.100 1937 stieg der Ohio so hoch, dass es kaum noch Unterschiede zwischen Reich und Arm im Grade der Betroffenheit gab, allerdings hatten die oberen Stadtteile circa eine Woche Zeit, sich auf die Flut vorzubereiten, die unteren dagegen nur zwei Tage. Gleich groß war in der gesamten Stadt jedoch die Überraschung und das Erschrecken über die tatsächliche Höhe des Flusses. Niemand konnte sich vorstellen, dass die Rekordmarke von 1913 um sieben Fuß, also um mehr als zwei Meter, übertroffen werden sollte, als der Ohio River am 25. Januar 1937 seinen Höchststand von 64,8 Fuß (19,75 Meter) erreichte.101 Von insgesamt 274 Wohnhäusern in Uniontown wurden 17 komplett zerstört und 229 schwer beschädigt, auch weil schwere Winde an den letzten Tagen der Flut den Gebäuden noch einmal stark zusetzten. Nur 28 Häuser erlitten geringere Schäden. Den 46 »business buildings« der Stadt erging es kaum besser. 33 wurden schwer beschädigt, die restlichen 13 leicht. »A tornado could not have done more damage than the 1937 flood and wind-storm«, hielt ein Bericht des Roten Kreuzes fest.102 Der gesamte Schaden wurde auf 147.460 Dollar geschätzt. Als die Hilfsorganisation später in einem dieser zerstörten Häuser ihr lokales Hauptquartier für den Wiederaufbau einrichtete, waren die Folgen der Flut noch deutlich zu spüren. »The water had reached the ceiling in this house during the flood and although the windows had been open for a month or six weeks, the walls were so damp that when the furnace was lighted it was like going into a turkish bath,« berichtete Dorothee Honeywell Johnston.103 99 Zur Flut von 1884 in Uniontown vgl. Vance, Great Flood of 1884, 103, und Ames, Official Report of the Relief Furnished to the Ohio River Flood Sufferers, 31. 100 Vgl. Richard F. Allen, Regional Director, ARC, Louisville, an DeWitt C. Smith, General Director, ARC, Washington, DC, 1.7.1937, NA, RG 200, DR 735 Ohio and Mississippi Valley Storm & Flood 1/37, B 1267, F »DR 735.11 Kentucky, Union County«. 101 Dorothee Honeywell Johnston, Area Director, Morganfield, KY, Union County, Kentucky, Report, ohne Datum, NA, RG 200, DR 735 Ohio and Mississippi Valley Storm & Flood 1/37, B 1261, F »DR 735.11/08 Kentucky Region C, Final Report«. 102 ARC, Kentucky Disaster Relief Operation in Union County, Higher Ground. Report on Uniontown, ohne Datum, Anlage zu Dorothee Honeywell Johnston, Area Director, Morganfield, KY, an Richard Allen, Regional Director, ARC, 27.6.1937, NA, RG 200, DR 735, B 1267, F »DR 735.11 Kentucky, Union County«. 103 Kentucky Disaster Relief Operation, Higher Ground, ebd.

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Unmittelbar nach der Flut gründete sich eine Bürgervereinigung, die die Verlegung der Stadt auf höheres Terrain forderte. Bei einer öffentlichen Versammlung am 18.  Februar, die von etwa 200 Einwohnern besucht wurde, sprachen sich nur zwei Personen gegen den Umzug aus.104 Es folgten Gespräche in Paducah mit Vertretern von Bundesbehörden,105 des Staates Kentucky und des Roten Kreuzes.106 Die Hilfsorganisation legte daraufhin einen Plan vor, der die Kosten eines solchem Umzugs detailliert beschrieb. Insgesamt müssten alle 46 »business houses«, 274 Wohnhäuser, 267 »outbuildings«, fünf Kirchen (eine katholische und vier protestantische), ein »recreational gymnasium«, eine »dance hall«, 320 Wasser- und Abwasseranschlüsse, zwei Meilen Straßen und vier Meilen Bürgersteige verlegt bzw. neu gebaut und 120 Hektar Land erworben werden. Die Gesamtkosten für dieses Projekt wurden auf 630.360 Dollar veranschlagt. Dem standen 147.210 Dollar gegenüber, die Reparaturen und Wiederaufbau an Ort und Stelle kosten würden.107 Als größtes Problem stellte sich die soziale Situation in Uniontown heraus. 72 Prozent der Bevölkerung hatten in den vorangegangenen drei Jahren ihr Einkommen aus direkter staatlicher Unterstützung oder aus Arbeitsprogrammen erzielt. Der wichtigste Arbeitgeber der Stadt, die Highland Creek Coal Company, beschäftigte 75 Männer zu sehr niedrigen Löhnen. Die Wabash Elevator Company, die allerdings ohnehin nie mehr als drei Mitarbeiter hatte, war sich nicht sicher, ob sie ihr Geschäft nach der Flut überhaupt wieder aufnehmen würde, und »none of the retail business institutions in Uniontown were doing more than eking out an existence.« Diese Menschen konnten sich selbst mit Hilfe des Roten Kreuzes und anderer Behörden einen Neuaufbau nicht leisten. Vor allem die Kosten für den Erwerb von Land auf dem höher gelegenen Terrain hinter der Stadt war für die meisten Einwohner Uniontowns unerschwinglich, was nicht zuletzt daran lag, dass die dortigen Landbesitzer ex-

104 Vgl. ebd. 105 Hierzu zählten die Reconstruction Finance Corporation, die Disaster Loan Corporation, die Public Works Administration und die Works Progress Administration. 106 Vgl. Allen an Smith, 1.7.1937, NA, RG 200, DR 735, B 1267, F »DR 735.11 Kentucky, Union County«. Das Rote Kreuz hatte eine gewisse Erfahrung mit der Verlegung von Städten. So wurde Columbus, am westlichen Rand von Kentucky und unmittelbar am Mississippi gelegen, nach der Flut von 1927 aus den »bottoms« auf eine 200 Fuß höhere Klippe verlegt und unter dem Spitznamen »The Lifted City« bekannt. Vgl. Phoebe Gregg, Area­ Director, ARC, Columbus, Hickman County, 19.4.1937, NA, RG 200, DR 735 Ohio and Mississippi Valley Storm & Flood 1/37, B 1264, F »DR 735.11 Kentucky Counties, Hickman and­ Hopkins«. Das Army Corps of Engineers wurde dagegen erst durch den Flood Control Act von 1938 autorisiert, bei solchen Umsiedlungen zu helfen. Vgl. White, Human Adjustment to Floods, 14. 107 Vgl. Allen an Smith, 1.7.1937, NA, RG 200, DR 735, B 1267, F »DR 735.11 Kentucky, Union County«.

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orbitante Preise verlangten.108 Sogar wenn das Land umsonst zur Verfügung gestellt würde, könnten sich nur zehn Prozent der Einwohner den Umzug und die damit verbundenen Schulden für den Wiederaufbau leisten, schätzte das Rote Kreuz.109 Richard F. Allen, der regionale Direktor des Roten Kreuzes in Kentucky, hielt es daher für eine große Verschwendung von Mitteln der Hilfsorganisation, wenn Uniontown verlegt würde. »The town has been slowly dying over a period of many years«, bemerkte er im Juli 1937. »The advantages of living on the Ohio River which existed  a hundred years ago and which caused many river towns to flourish no longer exist.« Der Schiffsverkehr gehe nahezu vollständig an Uniontown vorbei. Von den einst mehr als 2.000 Einwohnern lebten nur noch 1.236 Menschen in der Stadt und der Handelsradius betrage gerade einmal fünf Meilen. »If the Red Cross were going to spend a considerable sum of money to better the conditions of these people«, bilanzierte Allen ohne Rücksicht auf gewachsene Strukturen, »it could use its money to much greater advantage if plans were made to relocate these families in communities where employment would be readily available«.110 Die Stadt wurde dementsprechend nicht verlegt und sich selbst überlassen. Als Allen im November 1937 nach Uniontown zurückkehrte, um den Fortgang der Wiederaufbauarbeiten zu inspizieren, zeigte er sich erfreut darüber, dass nur noch wenige Zeugnisse der Flut sichtbar waren »except for two or three business buildings which collapsed and the debris from which had not been cleaned up«. Die zerstörten Häuser seien repariert und neu gestrichen worden, und der Alltag in der Stadt erwecke den Eindruck von Normalität. Auch die Bewohner Uniontowns hatten sich, zwangsläufig, auf ihre eigene Weise mit der Situation abgefunden. »The people I talked to in Uniontown«, bemerkte Allen, »did not seem to be very much concerned as to whether or not the town moved

108 Allen an Smith, 1.7.1937, NA, RG 200, DR 735, B 1267, F »DR 735.11 Kentucky, Union County«. Schon 1884 hatte die Flut dazu geführt, dass Hunderte Einwohner Uniontowns auf Unterstützung angewiesen waren, weil die Fabriken und Geschäftshäuser der Stadt zum großen Teil  unter Wasser standen und damit ihren Arbeitern und Angestellten keinen Lohn mehr zahlten. Vgl. Ames, Official Report of the Relief Furnished to the Ohio River Flood Sufferers, 31. 109 Vgl. Nat C. Wilson, Assistant Regional Director, an Allen, 9.3.1937, ebd. Vgl. auch Johnston, Union County, Kentucky, Report, ebd., B 1261, F »DR 735.11/08 Kentucky Region C, Final Report«: »Uniontown is far worse [than Sturgis] for there the miners’ families are living on next to nothing.« ARC, Staff Meeting, 9.3.1937, 8:00 A. M., Minutes, ebd., B 1261, F »DR 735.11/031 Kentucky Region C, Committees and Conferences«: »The big question that came up was the question of who would pay for moving the families who would not be provided for by us or any other agency.« 110 Vgl. Allen an Smith, 1.7.1937, NA, RG 200, DR 735, B 1267, F »DR 735.11 Kentucky, Union County«.

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to the hills and the Mayor of the City told me that floods were very much like bad dreams – that one forgot them soon after they were over«.111 Das Schicksal Uniontowns zeigt, was passiert, wenn sich die Relation von Gefahr und Nutzen durch den Fluss verändert. Mit dem Wegfall der flussgebundenen ökonomischen Basis schwand auch die Notwendigkeit, die Stadt und ihre Einwohner vor den Fluten des Ohio River zu schützen. Ebenso wie die »Invasion« der Überschwemmungsgebiete den Hochwasserschutz rechtfertigte, verschwand diese Legitimation wieder, wenn Menschen aus der floodplain wegzogen und Häuser, Betriebe und Infrastrukturen verlegt wurden. Hoch­ wasserschutz musste sich eben lohnen.

Shawneetown, Illinois Erfolgreicher als Uniontown in dem Bemühen, der ständigen Bedrohung durch Überschwemmungen wortwörtlich aus dem Weg zu gehen, war die Stadt Shawneetown, wenige Meilen flussabwärts auf der gegenüberliegenden Seite des Ohio gelegen. Gegründet im Jahr 1814 wurde die Stadt zum größten und wichtigsten Hafen in Illinois und zum Sitz der ersten Bank des Staates. Nur die französische Siedlung Kaskaskia, die allerdings 1899 einer Flut des Mississippi zum Opfer gefallen war, war älter. 1840 war Shawneetown dreimal so groß wie Chicago.112 Auch hier war allerdings die Nähe zum Fluss Chance und Gefahr zugleich. Nicht weniger als 14 mal tobte der Ohio bei großen Fluten durch die Stadt. Schon im ersten Frühjahr nach der Gründung standen die Häuser zehn Fuß unter Wasser, was einen Kommissar des General Land Office veranlasste, an den Kongress in Washington zu berichten: »It appears a most unfortunate site for this town has been made; and that notwithstanding the expense already incurred in laying out the town, it will be necessary to abandon it«.113 Ein anderer Zeitgenosse, Morris Birkbeck, der im Jahr 1817 durch den Ort reiste, bewunderte das Durchhaltevermögen der Bewohner angesichts der ständigen Gefahr von Überschwemmungen. Am 2. August notierte er über »Shawnee Town«:

111 Allen an Fieser, 19.11.1937, NA, RG 200, DR 735 Ohio and Mississippi Valley Storm & Flood 1/37, B 1266, F »DR 735.11/08 Kentucky, Jefferson County, Reports and Statistics«. 112 Vgl. Curtis G. Small, River, Stay Away from my Door. The New Deal is Moving Illinois’ Oldest Town Bodily, Saturday Evening Post, 7.12.1940, 16–17, 101–104 (177). 113 Zitiert nach Small, River, Stay Away from my Door, 101. Shawneetown war neben Washington, DC, die einzige Stadt der USA, die vom Bund geplant (»platted«) wurde. Das Federal Government hatte sich über 80.000 Hektar Land reserviert, um durch die »­United States Salines« die großen und schon von Native Americans bearbeiteten Salzschichten auszubeuten.

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This place I account as a phenomenon evincing the pertinacious adhesion of the human animal to the spot where it has once fixed itself. As the lava of Mount Etna cannot dislodge this strange being from the cities which have been repeatedly ravaged by its eruptions, so the Ohio with its annual overflowings is unable to wash away the inhabitants of Shawnee Town. – Once a year, for a series of successive springs, it has carried away the fences from their cleared lands, till at length they have surrendered, and ceased to cultivate them. Once a year, the inhabitants either make their escape to higher lands, or take refuge in their upper stories, until the waters subside, when they recover their position on this desolate sandbank.114

Erst 1859, nachdem die Stadt schwere Überschwemmungen in den Jahren 1832, 1847, 1853 und 1858 erlitten hatte, wurde der erste Deichbau in Angriff genommen. Finanziert wurde das Projekt durch die Erlassung der Steuern, die die Stadt dem Staat Illinois in den nächsten 20 Jahren zu zahlen gehabt hätte, insgesamt eine Summe von 108.000 Dollar. Danach folgte fast jeder neuen Flut eine weitere Erhöhung der Deiche. Nach der Überschwemmungssequenz in den Jahren 1882, 1883 und 1884 kam die Bundesregierung der Stadt mit 200.000 Dollar für die nochmalige Erhöhung und Verlängerung der Schutzbauten zu Hilfe.115 Reuben Gold Thwaites, Historiker und Direktor der State Historical Society von Wisconsin, der 1894 mit seiner Familie den gesamten Ohio in einem Kanu hinab­fuhr, Tagebucheinträge machte und als einer der ersten überhaupt »Sofortbilder« mit der neuen #2-Kamera von Kodak anfertigte, notierte, als er Shawneetown erreichte: At a distance, Shawneetown appears as if built upon higher land than the neighboring bottom; but this proves, on approach, to be an optical illusion, for the town is walled in by a levee some thirty feet in height, above the top of which loom its chimneys and spires.116

1896, nach zwölf Jahren ohne große Überschwemmungen, bemerkten die Shaw­ nee News: »The present levee, which we think is  a safe protection against all­ future danger from inundation, is four miles in length, ten feet wide on top and three feet higher than the peak of the 1884 flood«.117 Nur zwei Jahre später belehrte der Fluss die lokalen Optimisten eines Besseren und stieg auf den selbst 1884 nicht erreichten Wert von 55 Fuß (16,76 Meter). Das anderthalb Meilen breite Becken zwischen dem Deich und dem hinter der Stadt leicht ansteigenden Terrain, in dem Shawneetown lag, war in weniger als einer Stunde im Durch 114 Birkbeck, Notes on a Journey in America, 122–123. 115 Vgl. Small, River, Stay Away from my Door, 101; History of Gallatin, Saline, Hamilton, Franklin and Williamson Counties, 103–104. 116 Zitiert nach Robert L. Reid / Dan Hughes Fuller (Hg.), Pilgrims on the Ohio. The River Journey of Reuben Gold Thwaites, 1894. Indianapolis, IN, 1997, 97. 117 Zitiert nach Small, River, Stay Away from my Door, 101. Vgl. auch Vance, Great Flood of 1884, 105–106.

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schnitt zu 12 Fuß (mehr als 3,5 Meter) überflutet. Aus einer Bevölkerung von etwa 2000 Personen kamen 25 Menschen ums Leben. Ein großer Anteil der Opfer gehörte zu der »better class of citizens«, die sich in einem tödlichen Irrtum in den ersten Stockwerken ihrer Häuser sicher fühlten. Auch die ökonomischen Schäden waren, gemessen an der Größe der Stadt, exorbitant und lagen prozentual höher als in Chicago nach dem großen Feuer von 1871.118 Der Flut von 1913, die in Shawneetown 59 Fuß (17,98 Meter) erreichte, folgte eine erneute Erhöhung des levee auf 61 Fuß (18,59 Meter) in den 1930er Jahren. Bei normalen Pegelständen des Ohio River war die Stadt von vorbeifahrenden Booten aus nun fast nicht mehr zu sehen. Selbst diese Anstrengungen erwiesen sich jedoch als nicht ausreichend, als der Fluss 1937 einen Pegel von 66 Fuß (20,12 Meter) erzielte. Die Stadt war zu diesem Zeitpunkt allerdings längst evakuiert und der Deich bei noch niedrigeren Pegelständen gesprengt worden, um einen plötzlichen Bruch und ein unkontrolliertes Eindringen der Wassermassen zu verhindern. Der Ohio River stand 25 Fuß (über 7,5 Meter) hoch in der Main Street und ergoss sich an manchen Stellen bis zu 22 Meilen (circa 35 Kilometer) ins Hinterland. Auf die Frage an die Angestellten eines lokalen drugstores, wie hoch das Wasser im Geschäft gestanden habe, bekam man als Antwort: »About eight or nine feet […] upstairs!«119 Wie in Uniontown reiften auch in Shawneetown 1937 Pläne, die Stadt komplett zu verlegen. Bei einer kurzfristig anberaumten (jedoch von den Eliten der Stadt detailliert orchestrierten) Abstimmung im Flüchtlingslager sprach sich die überwiegende Mehrzahl der dort versammelten Flutopfer für ein solches Projekt aus. Die beteiligten Bundesbehörden rechneten vor, der Umzug würde nur 156.000 Dollar mehr kosten, als den Deich um weitere fünf Fuß zu erhöhen. Zudem müssten im Falle einer Deicherhöhung alle Gebäude an der Flussseite der Main Street abgerissen werden, da die neue Schulter des Deiches auf der Mitte der Straße beginnen würde. Schließlich würden »sand boils« bei hohen Wasserständen die Stadt plagen, und Regenwasser von der Landseite könnte kaum noch in den Ohio abfließen, »leaving the poorer section a swamp«.120 Als Entscheidungshilfe erinnerte die Bundesregierung die Einwohner Shawneetowns daran, dass sie im Laufe der vergangenen 50 Jahre mehr als 600.000 Dollar für Deichbauten, Rettungs- und Wiederaufbaumaßnahmen aus 118 Vgl. Frederick Howard Wines, The Flood at Shawneetown, in: The Charities Review 8 (Juni 1898), 175–180 (175–76); The Shawneetown Flood. April 3rd, 1898. Final Report of the Executive Relief Committee. Shawneetown, IL, 1900. 119 Small, River, Stay Away from my Door, 101. Shawneetown lag zwischen 340 und 350 Fuß (ca. 105 Meter) über Normalnull. Die Deichkrone erreichte 367 Fuß (112 Meter), die Scheitelwelle der Flut von 1937 375 Fuß (114 Meter). New Shawneetown dagegen liegt zwischen 390 und 460 Fuß (119 bis 140 Meter) über dem Meeresspiegel. Vgl. Works Progress Administration, Location and Plan of New Town, 9. 120 Small, River, Stay Away from my Door, 102.

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Das poststrukturelle Zeitalter des Hochwasserschutzes

Abbildung 24 und 25: John Marshall House in Shawneetown 1934. Das zweite steinerne Haus der Stadt und ehemals Sitz der Bank of Illinois, wurde im Verlauf des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts vom levee fast verschlungen (Library of Congress, Prints & Photographs Division, Historic American Building Survey).

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Überschwemmungen und displacement  

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Washington erhalten hatten, und so begann kurze Zeit später eine ungemein komplexe logistische Aufgabe, an der 14 öffentliche Institutionen auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene beteiligt waren. Die Reconstruction Finance Corporation sagte dem Arbeitsdienst WPA einen Kredit von 39.000 Dollar zu, um die Wasserwerke Shawneetowns, die kurz vor der Flut von der Public Works Administration in der alten Stadt fertiggestellt worden waren, zu verlegen. Die Disaster Loan Corporation lieh der Bau­ behörde des Gallatin County 350.000 Dollar, um Land zu erwerben, Häuser zu bauen und Gebäude zu kaufen.121 Die WPA übernahm den Bau des Gerichtsgebäudes, von Straßen, Abwasserleitungen, Bürgersteigen, einer Wasseraufbereitungsanlage und ähnliche öffentliche Baumaßnahmen. Das Department of Public Works des Staates Illinois verwaltete treuhänderisch die vom Parlament des Staates bewilligten 150.000 Dollar, um Old Shawneetown in einen state his­ torical park zu verwandeln. Um die Route 13 zwischen der alten und der neuen Stadt wurde vom Department of Highways eine Umgehungsstrasse gebaut, um den Durchgangsverkehr während des Umzuges vorbeizuschleusen. Im Gallatin County wurden zwei Schulbezirke zusammengelegt und 25.000 Dollar für zwei Schulgebäude veranschlagt. Während für die »weißen« Kinder eine neue Schule errichtet werden sollte, war für die »Negro grade school« lediglich eine Reparatur und der Umzug vorgesehen.122 Die Gesamtkosten für die Verlegung einer kompletten Stadt von etwa 2.000 Einwohnern dreieinhalb Meilen (etwa 5,5 Kilometer) den Hügel hinauf wurde auf die gewaltige Summe von 1,26 Millionen Dollar geschätzt, »which is probably too low«.123 Ohne Zweifel unterstützte eine Mehrheit der Bewohner Shawneetowns den Umzug der Stadt auf »higher ground«. Eine Bürgermeisterwahl, die zu einem Referendum über die Verlegung der Stadt wurde, brachte ein entsprechend eindeutiges Ergebnis. Auch der Entschluss Shawneetowns – gegen den Willen vieler Menschen in anderen Teilen von Gallatin County  – das Gerichtsgebäude zu verlegen, spricht von breiter Unterstützung für den Plan. Die Meinungs­ bildung war aber nicht so eindeutig, wie es die erste Abstimmung im temporären Flüchtlingslager während der Flut vermuten ließ, und die Umsetzung des Plans verlief alles andere als problemlos.124 121 Vgl. ebd., 103. 122 Ebd., 103–04. Nicht nur die Schulen, auch die Wohngebiete wurden segregiert wieder aufgebaut, vgl. Works Progress Administration, Location and Plan of New Town, 9. Für die Auswirkungen der Flut von 1937 auf das Paducah Junior College vgl. Glen Murrell, The Merger of Paducah Junior College with the University of Kentucky, in: Filson Club History Quarterly 44 (2/1970), 179–187, und (3/1970), 293–301. 123 Small, River, Stay Away from my Door, 104. 124 Vgl. ebd. Welky, Thousand-Year Flood, 249–270, schildert en detail, wie undemo­ kratisch die Entscheidung zur Verlegung der Stadt letztlich war, und welche Rolle die lokalen Eliten gespielt haben, allen voran Bürgermeister William Brinkley und der Direktor der Staatsbank Max Galt.

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Das poststrukturelle Zeitalter des Hochwasserschutzes

Zunächst ging der Umzug langsamer voran als geplant. Im November 1940 waren erst 121 Häuser in New Shawneetown entweder neu errichtet, verlegt, oder gerade auf dem Weg von der alten in die neue Stadt. Das Kino sollte erst Mitte des Monats fertig gestellt werden, zehn neue Geschäftsgebäude nicht vor Januar 1941. Es gab Verdächtigungen, »favored citizens« würden von den New Deal-Behörden bevorzugt, während sich etliche Einwohner aus den unteren Schichten enttäuscht darüber zeigten, dass die monatlichen Belastungen für die neuen Häuser weit über dem Betrag lagen, der ihnen angekündigt worden war.125 Auf diese Weise hatte der Umzug auch Auswirkungen auf die soziale Zusammensetzung von New Shawneetown. Unmut sowie »passiver Widerstand« kamen aber auch von vorwiegend älteren Personen, die sich an den Umgang mit Fluten gewöhnt hatten, und die dem Projekt einer Verlegung der Stadt mehr als skeptisch gegenüberstanden. »Most of the people who are going out already have gone«, berichtete ein Bewohner Old Shawneetowns dem Herausgeber des Harrisburg (Illinois) Daily Register Curtis G. Small: They may move another twenty-five houses, but it will end up, I think, with one community out there and one here on the river bank, both the worse off. There is a lot of bitterness. Me, I’m going to sit it out. If I finally should be forced to move by condemnation, I’d probably pick out a better spot than that new town.126

Al S. Lowe, in Shawneetown geboren und ein lautstarker Protestler gegen die Umzugspläne, machte eine eigene Rechnung auf. Da der Wert der Stadt auf 139.000 Dollar taxiert wurde, der Umzug aber etwa das Zehnfache kostete, wäre es sinnvoller gewesen, diese Summe einfach aufzuteilen, den Bewohnern auszuzahlen und ihnen zu überlassen, wo sie sich ansiedeln wollten. Aufgrund von finanziellen Ursachen und wegen der historischen und kulturellen Bindungen an den gefährdeten Ort unmittelbar hinter dem levee blieb zunächst eine relativ große Zahl von Personen in Old Shawneetown. Über die Jahrzehnte wurde jedoch mit den Füßen abgestimmt. In Old Shawneetown Village lebten nach Zensusdaten im Jahr 2003 noch 276 Menschen, in Shawneetown City dagegen 1364.127 125 Small, River, Stay Away from my Door, 103. 126 Ebd., 104 127 Vgl. United States Census Bureau, »Annual Estimates of the Population for Incorporated Places in Illinois, Listed Alphabetically: April 1, 2000 to July 1, 2003«, http://www.census. gov/popest/data/cities/totals/2003/tables/SUB-EST2003-04-17.csv (27.9.2013). Pläne zur Verlegung einer Kleinstadt gab es 1937 auch im Gallatin County in Kentucky, wo das Rote Kreuz der Stadt Warsaw (allerdings ohne Ergebnis) empfahl, die Grundstücke am Ufer des Flusses aufzukaufen, die Anwohner in höher gelegene Gegenden umzusiedeln und aus dem Überschwemmungsgebiet einen Park zu machen. Vgl. Margaret A. Lewis, ­Gallatin County, Kentucky, Report, ohne Datum, NA, RG 200, DR 735 Ohio and Mississippi­

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Überschwemmungen und displacement  

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Die Verlegung ganzer Städte und damit die Freihaltung der Überschwemmungsgebiete ist sicherlich nur die ultima ratio des floodplain management. Wenn man sich die Probleme vergegenwärtigt, die schon vergleichsweise kleine Projekte wie diejenigen in Shawneetown und Uniontown erzeugten, dann wird klar, dass eine solche Strategie für die betroffenen Stadtteile von Großstädten wie Pittsburgh, Cincinnati oder Louisville keine realistische Option war.128 Zu groß waren die Pfadabhängigkeiten, die durch die Standortentscheidungen im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert entstanden waren, zu groß waren auch die prospektiven Kosten einer solchen Lösung und zu groß waren schließlich oft auch noch die »benefits«, die die Städte am Fluss aus ihrer Lage zogen. »[A]bandonment would not make sense«, urteilte Walter B. Langbein vom USGS. »The stabilization of economic life on valuable flood plains is a national problem. The flood plains represent valuable and productive lands. Transportation lines, farming, industrial plants, all make effective use of the flood plains«.129 Aber auch bei weniger komplexen, preiswerteren und daher leichter zu rea­ lisierenden Maßnahmen des floodplain management ging die Umsetzung nur zögerlich voran. Ein wichtiger Grund hierfür waren rechtliche Probleme, stellten Vorschriften für die Nutzung der Überschwemmungsgebiete doch einen erheblichen Eingriff in private Eigentumsrechte dar. Ansätze einer gesetzlichen Regelung existierten allerdings schon im neunzehnten Jahrhundert, als mehrere Staaten Eisenbahngesellschaften Entwässerungsmaßnahmen auferlegten. 1913 wurde dann in Pennsylvania zum ersten Mal ein »channel encroachment law«

Valley Storm & Flood 1/37, B 1261, F »DR 735.11/08 Kentucky Region C, Final Report«, 159. Vgl. auch Lewis an Hutchins, 10.7.1937, Anlage, Red Cross Builds a Subdivision, ebd. B 1264, F »DR 735.11 Kentucky Counties, Gallatin – Greenup«. 128 Vgl. McPhee, Control of Nature, 32, der eine Aussage von Herbert Kassner, eines­ Public Relation-Offiziers des Corps of Engineers, über den Mississippi wie folgt wiedergibt: »This river used to meander all over its floodplain. People would move their tepees, and that was that. You can’t move Vicksburg.« Für die Verlegung von Teilen der Stadt Prairie du Chien, Wisconsin, am Mississippi im Jahr 1978 vgl. Moore / Moore, The Army Corps of Engineers and the Evolution of Federal Flood Plain Management Policy, 124–126. Für Falmouth, Indiana am Ohio River, siehe Slow Move of English, Ind., holds lessons for Falmouth, Louisville Courier-Journal, 8.4.1997, und Steinberg, Acts of God, 197–201. 129 Walter B. Langbein, Flood Insurance, in: Land Economics 29 (4/1953), 323–330 (323). Vgl. auch die ähnliche Argumentation in Portland Cement Association, Water Control. Chicago, IL, 1959, 14: »The simplest and most obvious way to reduce damage from a major flood would be to move people and property out of the probable path of the flood. However, floodplain zoning or evacuation in most of the heavily settled river valleys would be both expensive and very difficult to establish and enforce. Since the floodplain is often the most desirable land for residential, industrial and agricultural use, its protection is mandatory in most cases.« Eine Kopie dieser Publikation findet sich in OHS / OSA, Water Control, Portland Cement Association.

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Das poststrukturelle Zeitalter des Hochwasserschutzes

verabschiedet – ein Beispiel, dem andere Staaten folgten.130 Die Durchsetzung dieser Vorschriften scheiterte aber oft an einem Mangel an finanziellen Mitteln sowie an wissenschaftlichen Studien, die die Grundlage für entsprechende Entscheidungen hätten bilden müssen. Arthur E. Morgan schilderte die Probleme, die er am Miami River schon 1920 ausmachte: On June 26, 1920, I drew attention of the Conservancy Board to the action of real-estate men in platting some of this low-lying, unprotected land in selling it for building lots. The board instructed me to issue a warning statement to real-estate men, calling attention to indiscriminate plat development, ›especially in cases where the works of the District will afford no substantial protection‹. Nevertheless, some such lots were sold and houses built in the succeeding years. At that time there was no legislation which made it possible to restrict the use of land outside cities. Today, with existing legislation for county planning and zoning commissions such control may be possible. To sell land for homes in low-lying areas subject to flooding by moderate rises in the rivers, and which cannot be protected from flooding at any feasible cost, is an unethical action and should be prevented if possible.131

Auch institutionelle Gründe spielten eine Rolle bei der nur langsamen Umsetzung der neuen Techniken zur Schadensreduzierung in den Überschwemmungsgebieten. So ließ die Kooperation zwischen verschiedenen Behörden zu wünschen übrig, die sich oft noch an der upstream / downstream-Kontroverse abrieben, also der beinahe schon ideologischen Frage, ob man Fluten besser durch Reservoirs und land management oberhalb oder durch Deiche und spillways unterhalb des zu schützenden Ortes bekämpfen sollte. Zudem hatten strukturelle Hochwasserschutzmaßnahmen bei der Bevölkerung, bei Ingenieuren sowie bei Kongressabgeordneten immer noch einen emotionalen Bonus gegenüber den oft komplexeren Maßnahmen des floodplain management. Gerade für Parlamentarier galten Bauprojekte wie etwa Schutzmauern oder le­ vees als vorzeigbarer und sichtbarer Erfolg, der sich bei der nächsten Wahl positiv auswirken konnte.132 Schließlich erschwerte die Unprognostizierbarkeit von Überschwemmungen ein vorausschauendes und der tatsächlichen Gefahrenlage angemessenes Verhalten der Bevölkerung. »Nonprofessional local people« unterschätzten wegen des erratischen Rhythmus’ von Überschwemmungen immer wieder deren Gefahr, stellte das Department for Housing and Urban­ Development 1966 fest. Wenn es etwa zehn Jahre lang keine Schäden durch Fluten gegeben habe, sei die Versuchung groß zu glauben, dass dies auch so bleiben 130 Moore / Moore, The Army Corps of Engineers and the Evolution of Federal Flood Plain Management Policy, 61. Die anderen Staaten waren New Jersey (1929), Washington (1935), Massachusetts (1939), Indiana (1945), Iowa (1949), und Connecticut (1955). 131 Zitiert nach: Interview mit Miles M. Dawson, in: Ohio Water Commission, The Problem, 16. 132 Vgl. Moore / Moore, The Army Corps of Engineers and the Evolution of Federal Flood Plain Management Policy, 72–73.

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würde, selbst in Gegenden, die Hydrologen weiterhin als gefährlich einschätzten.133 Solche Informationsdefizite konnten dann auch trefflich von interessierter Seite ausgenutzt werden: »Instances have been encountered where developers were on the river side of the levees, yet were asserting flood protection was available. Such developments have been sold to uninformed and overly optimistic buyers«.134 Der Ingenieur und Hochwasserexperte Miles Dawson machte diesen Umstand am Beispiel von Findlay, Ohio, deutlich. Auf die Frage, ob primär die­ jenigen die Verantwortung für das wachsende Schadenspotenzial in den Überschwemmungsgebieten trügen, die sich dort niedergelassen hätten, antwortete Dawson: »A lot of people simply don’t obtain the facts. But it isn’t always so obvious«. In Findlay zum Beispiel deute auf den ersten Blick nichts darauf hin, dass die gesamte Gegend 1913 überflutet wurde. If anyone in 1958, though, had checked with some of the old timers, or the local library, or the Division of Water, he would have found out that the 1913 flood covered this area. And, probably, he would have concluded that that was 1913, and that such things don’t happen anymore.135

Dass Dawson auf das Jahr 1958 verwies, war keine willkürliche Wahl, sondern Absicht, denn ein Jahr später wurden die Überschwemmungsgebiete in Findlay erneut überflutet.

Die Überschwemmungen 1959 Gerade die Überschwemmungen von 1959 machten deutlich, wie wenig trotz aller theoretischen Erkenntnisse in praktischer Hinsicht erreicht worden war. Nach intensiven Niederschlägen im Januar des Jahres traten fast alle Flüsse des Staates Ohio über die Ufer, vor allem aber der Miami und der Scioto ­R iver, beides nördliche Zuflüsse des Ohio River. In Dayton und Columbus wurden Rekordniederschläge verzeichnet.136 In Cincinnatis Mill Creek Valley bewährte sich zwar das neue Sperrwerk, indem es das Tal vor Wasser aus dem Ohio 133 Vgl. HUD, Insurance and other Programs for Financial Assistance to Flood Victims, 8.8.1966, 40, NARA, RG 311, E2, B2, 40. »For numerous reasons, local efforts to prevent unwise use of flood-prone areas are not completely successful«, bilanzierte das Ministerium (ebd.). 134 Ebd., 43. 135 Interview mit Miles M. Dawson, in: Ohio Water Commission, The Problem, 16. Findlay liegt zwar in Ohio, nicht aber im Einzugsgebiet des Ohio River. Die Flut von 1959 betraf Gegenden nördlich und südlich der Wasserscheide zwischen den Abflusssystemen des Mississippi / Ohio und der Großen Seen. 136 Vgl. Still, Ohio’s Great Floods of 1937 and 1959, 29.

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Das poststrukturelle Zeitalter des Hochwasserschutzes

schützte. Die Regenmengen vom Oberlauf des Mill Creek reichten aber aus, um einen Schaden von drei Millionen Dollar zu erzeugen. Alleine in Cincinnatis Stadtteil Northside betrug der Schaden eine Million Dollar.137 16 Menschen starben, der Gesamtschaden belief sich auf etwa 100 Millionen Dollar.138 Die Überschwemmungen 1959 waren räumlich begrenzt und erreichten nicht annähernd die Dimension der großen Katastrophen von 1884, 1913 und 1937. Für eine solch »kleine« Flut war das Ausmaß der Schäden allerdings gewaltig. Miles Dawson warnte 1960 vor einem Szenario, in dem die hydrometeorologischen Bedingungen von 1913 auf das gegenwärtige Schadenspotenzial in den Überschwemmungsgebieten träfen. Dann, so Dawson, seien die Folgen noch weitaus gravierender als zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts.139 Walter B. Langbein vom USGS hatte schon 1953 gewarnt: »A flood which a few decades ago was merely an inconvenience would today in some localities be a disaster. There has been a great extension of flood-plain use, largely for urban and industrial purposes, despite nature’s design of the flood plain for the discharge of flood water«.140 Es wurde immer deutlicher, dass mit der gängigen Strategie des strukturellen Hochwasserschutzes in Kombination mit mehr oder weniger freiwilligen Maßnahmen des floodplain management dem Problem der wachsenden Hochwasserschäden nicht beizukommen war. Der Druck, neue Lösungen zu finden, wurde immer größer.

9.4 Das National Flood Insurance Program Bis in die Nachkriegszeit hatten Überschwemmungsereignisse am Ohio R ­ iver und seinen Zuflüssen nicht nur die lokale und regionale, sondern auch die nationale Hochwasserschutzpolitik geprägt. Dies gilt etwa für die Durchsetzung von Rückhaltebecken als Instrument des Hochwasserschutzes, die Nationa­ lisierung der Kontrollkompetenzen durch den Flood Control Act 1936, oder die Einläutung der poststrukturellen Phase des Hochwasserschutzes aufgrund der immer deutlicher zutage tretenden mangelnden Effektivität des physischen Hochwasserschutzes. An all diesen Entwicklungen hatten Überschwemmungen am Ohio einen erheblichen Anteil. In der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts verlor der Ohio jedoch an Bedeutung für die nationale Hochwasserschutzpolitik. Dies lag zum einen daran, dass das Tal im Großen und Ganzen viel besser gegen Überschwem 137 Hedeen, Waterproofing the Mill Creek Floodplain, 22. 138 Vgl. Moore / Moore, The Army Corps of Engineers and the Evolution of Federal Flood Plain Management Policy, 64. 139 Miles M. Dawson, Flood Control and Flood Plain Regulation, Recommendations for an Ohio Program. A Report for the Ohio Water Commission, Columbus, OH, 1960, 1–5. 140 Langbein, Flood Insurance, 323.

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Das National Flood Insurance Program  

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mungen geschützt war als etwa einhundert Jahre zuvor. Zum anderen erlebt das Ohio Valley seit der Flut von 1937 wieder eine disaster gap. Zwar gab es weiterhin Überschwemmungen, die vor allem lokal auch verheerend waren (wie im Jahr 1959), aber seit nunmehr knapp 80 Jahren hat es kein Großerereignis mit einer so geringen Wiederholwahrscheinlichkeit mehr gegeben, wie die Fluten von 1884, 1913, oder gar 1937. Gleichzeitig haben Überschwemmungen in anderen Regionen der USA, eine Reihe von Hurrikanen und schließlich auch Terroranschläge die nationale Hochwasserschutzpolitik geprägt und auf das Ohio Valley zurückgewirkt. Auf diese Weise haben etwa die Aktivitäten des Army Corps of Engineers, des ­National Flood Insurance Programs, der Federal Emergency Management Agency (FEMA) und die Desasterhilfe des Bundes die lokale und regionale Politik, nicht nur im Ohio Valley, zunnehmend ergänzt und ersetzt. Zwischen 1936 und 1952 bewilligte der US-Kongress mehr als elf Milliarden Dollar für den Hochwasserschutz, wovon der überwiegende Anteil, zehn Milliarden Dollar, an das Corps of Engineers ging. Zwischen 1928 und 1983 hatten sich alleine die Kosten für die Arbeiten des Corps of Engineers am unteren Mississippi auf 10 Milliarden Dollar summiert.141 Es waren aber nicht nur die Aufwändungen für den baulichen Hochwasserschutz, die den Etat der Bundesregierung in der Nachkriegszeit immer stärker belasteten; auch die Kosten für Hilfsmaßnahmen für Überschwemmungsopfer stiegen gewaltig an. Dies galt erst recht, seit der Bund mit der Verabschiedung des Disaster Relief Act im Jahr 1950, ähnlich wie beim Flood Control Act von 1936, eine systematische und umfassende statt einer nur sporadischen und moralischen Verantwortung im Einzelfall trug.142 Betrugen die aus diesem Gesetz resultierenden Kosten im ersten Jahr nach der Verabschiedung lediglich fünf Millionen Dollar, so waren es 1999 fünf Milliarden Dollar. Modellrechnungen für 2030 gehen von 50 Milliarden Dollar aus, »as more and more residential and commercial development fills in unoccupied lands in and around bodies of water«.143 Ein »Desaster« wurde im Disaster Relief Act definiert als »[a]ny flood, drought, fire, hurricane, earthquake, storm, or other catastrophe in any part of the U. S. which in the determination of the President, is or threatens to be of sufficient severity and magnitude to warrant disaster assistance by the Fede 141 Platt, From Flood Control to Flood Insurance, 70. Vgl. auch Nigel W. Arnell, Flood­ hazard management in the United States and the National Flood Insurance Program, in: Geoforum 15 (1984), 525–542. 142 Kevin Rozario, The Culture of Calamity. Disaster and the Making of Modern America. Chicago 2007, 150–155, Platt, From Flood Control to Flood Insurance, 70. 143 John Hood, Who Insures Against Floods, and Why, in: Consumers’ Research Magazine 83 (Oktober 2000), 16–20 (16); Ian Burton / Robert W. Kates, The Floodplain and the Seashore. A Comparative Analysis of Hazard-Zone Occupance, in: Geographical Review 54 (July 1964), 366–385.

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Das poststrukturelle Zeitalter des Hochwasserschutzes

ral government.« Nachdem der Präsident ein »major disaster« konstatiert hatte, konnte das Office of Emergency Planning den betroffenen Bundesstaaten und Bezirken Gelder zur Verfügung stellen. Diese Gelder waren ein »grant«, kein Darlehen, und sollten primär zur Wiederherstellung von »essential services on a minimum adequate basis« dienen. Ähnlich wie bei den Hochwasserschäden waren auch bei den Hilfszahlungen für die Opfer von Katastrophen die Summen in den einzelnen Jahren sehr unterschiedlich – von weniger als zehn Millionen bis über 100 Millionen. Doch auch hier war der mittelfristige Trend eindeutig steigend. Weitere Kosten nach Naturkatastrophen entstanden dem Staat durch die Aktivitäten der Small Business Administration (SBA), die seit ihrer Gründung im Jahr 1953 auch das explizite Ziel hatte, nicht nur »kleinen« Unternehmen, sondern auch Hausbesitzern, Mietern, Krankenhäusern, Kirchen und Schulen, die Opfer von Fluten und anderen Katastrophen geworden waren, beim Wiederaufbau zu helfen.144 Durch diese Gesetze und Aktivitäten erhöhte sich der Anteil der Bundesregierung an der Katastrophenhilfe immens. Hatten die Leistungen des Amerikanischen Roten Kreuzes diejenigen des Bundes 1953 noch um das 1,6-fache überstiegen, so waren die Leistungen der Bundesregierung im Jahr 1965 bereits achtmal so hoch wie die der privaten Hilfsorganisation.145 Bei aller Notwendigkeit der finanziellen Hilfe für von Überschwemmungen Betroffene wirkten der Disaster Relief Act, die Aktivitäten der SBA und andere staatliche Hilfsprogramme wie eine quasi-Versicherung, die das Risikobewusstsein von Unternehmern und Hausbesitzern in den Überschwemmungsgebieten nicht eben förderte und ein moral hazard-Problem erzeugte. »Whenever a m ­ ajor disaster strikes anywhere in the United States today,« hielt das Ministerium für Housing and Urban Development 1966 fest, »substantial public help and relief are available«.146 Das Vertrauen auf ein bailout durch die Bundesregierung und die oft überschätzten Schutzkapazitäten von Deichen, Dämmen und Reservoirs erzeugten ein trügerisches Gefühl von Sicherheit, das die Nutzbarmachung des Landes hinter den Deichen weiter förderte.147 John Hood bilanzierte im Jahr 2000 im Consumers’ Research Magazine: The great irony of government disaster relief is that its very existence provides an everincreasing likelihood of catastrophic and costly losses from floods and other events. 144 HUD, Insurance and other Programs for Financial Assistance to Flood Victims, 8.8.1966, 40, NARA, RG 311, E2, B2, 45–46. 145 David A. Moss, When all Else Fails. Government as the Ultimate Risk Manager. Cambridge, MA, London, 2002, 256. 146 HUD, Insurance and other Programs for Financial Assistance to Flood Victims, 8.8.1966, 40, NARA, RG 311, E2, B2, 54. 147 Platt, From Flood Control to Flood Insurance, 70. Die in der Literatur oft gebrauchte Wendung von einem »false sense of security« findet sich bereits in einem Bericht des Joint Committee on Floods aus dem Jahr 1943. Vgl. Langbein, Flood Insurance, 324.

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Das National Flood Insurance Program  

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The logic is clear. Potential investors in homes and businesses in flood-prone areas know that  a truly devastating loss will probably result in an outpouring of grants, loans, and other government aid.148

Überschwemmungen und die privaten Versicherer in den USA Diese Kombination aus ineffektivem Hochwasserschutz, steigenden Hilfszahlungen und dem stetig wachsenden Schadenspotenzial in den Überschwemmungsgebieten erzeugte massiven Handlungsdruck. In dieser Situation erschienen Versicherungen als ein ideales Instrument, um mehrere Ziele gleichzeitig zu erreichen. Zunächst konnten auf diese Weise potenzielle Flutopfer finanziell abgesichert werden. Gleichzeitig konnte der Staat durch die Prämienzahlungen der Versicherungsnehmer zumindest einen Teil des Risikos auf die Betroffenen übertragen, und schließlich konnte durch die Ausgestaltung der Verträge Einfluss auf die Landnutzung in den Überschwemmungsgebieten genommen und damit, so hoffte man, das Schadenspotenzial reduziert werden.149 Auf dem freien Markt war schon seit mehr als einhundert Jahren mit Hochwasserpolicen experimentiert worden. Die Geschichte der Überschwemmungsversicherung auf privatwirtschaftlicher Basis ist aber trotz unzähliger Versuche eine Geschichte des Scheiterns. Von der Ausgabe der ersten europäischen Police 1845 durch die Azienda Assicuratrice in Triest bis in die Gegenwart sind Schäden durch Überschwemmungen auf dem privaten Markt bestenfalls für kurze Zeit und auch nur in sehr kleinem Rahmen versicherbar gewesen.150 In den USA wurde nach den Fluten des Mississippi in den Jahren 1895 und 1896 eine Gesellschaft gegründet, die Policen in St. Louis, New Orleans und Cairo, Illinois, verkaufte. Bei der Flut im Jahr 1899 erwiesen sich die Belastungen für das Unternehmen aber als zu groß, und es musste den Geschäftsbetrieb einstellen. In Cairo versanken angeblich selbst die Firmengebäude der Aktiengesellschaft in den Fluten des Mississippi.151 Erneute Versuche wurden in den 1920er Jah 148 Hood, Who Insures Against Floods, and Why, 16. Vgl. auch Steinberg, Acts of God, xxii: »Especially in the years after the Second World War, the long arm and deep pockets of the federal government assumed an ever greater share of the costs associated with natural calamities. The government provided money to repair public facilities; it funded emergency housing and offered loans; it later paid to remove debris from private property, distributed food coupons, and, beginning in 1968, provides national flood insurance. For the most part, these changes helped to underwrite increasing development in hazardous areas.« 149 Vgl. Langbein, Flood Insurance, 324, 330; Rozario, Culture of Calamity, 170. 150 Vgl. Uwe Lübken, Die Natur der Gefahr. Zur Geschichte der Überschwemmungsversicherung in Deutschland und den USA, in: Behemoth: A Journal on Civilisation 1 (3/2008), 4–20. 151 Charles Grutzner, Flood Insurance. Pros and Cons, New York Times, 28.8.1955; Curt Rommel, Probleme der Hochwasser- und Überschwemmungsversicherung. Hoffnungsthal 1950, 25.

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ren unternommen, doch wieder zeigten sich die Gesellschaften den finanziellen Anforderungen im Schadensfall nicht gewachsen, als 1927 schwere Fluten das Mississippi-Tal und Neuengland heimsuchten.152 Auch am Ohio wurde die Versicherungsthematik immer wieder diskutiert, vor allem wenn sich nach einer großen Flut der Bedarf nach Absicherung in aller Deutlichkeit manifestierte. Gleichzeitig erkannte man aber auch die Schwachstellen des Versicherungsansatzes. So bemerkte die Washington Post nach der Ohioflut 1913: There must be a large amount of new capital raised to make good the direct losses ­occasioned by the floods. This in many instances cannot be secured through payment of insurance policies, since it is the understanding here that in those parts of the country which are always more or less in peril from floods insurance companies are not willing to write policies unless there be agreement to pay premiums which in most cases would be regarded as practically prohibitive.153

Ähnlich düster waren die Aussichten nach den Überschwemmungen am oberen Ohio River 1936. Nur, wenn die Versicherungsbranche ihre Grundsätze vollständig über den Haufen würfe, war im Wall Street Journal zu lesen, würden die Opfer der jüngsten Ohioflut in Zukunft die Möglichkeit erhalten, sich mithilfe von Versicherungen vor den Folgen solcher Naturkatastrophen zu schützen. »Practically no companies have been active in this field for several years, and consequently none will sustain any losses as a result of the recent floods«.154 Nicht einmal in Hartford, Connecticut, der »Versicherungshauptstadt« Amerikas, die 1936 ebenfalls von verheerenden Überschwemmungen betroffen war, war flood insurance erhältlich.155 Von wenigen Ausnahmen abgesehen, die alle gescheitert waren, hatten sich Flutschäden als nicht versicherbar erwiesen, »from the time Noah rode out the deluge sent to liquidate the ­w ickedness of man«.156 Ursache für das mangelnde Interesse der Versicherungswirtschaft an einer Übernahme des Flutrisikos waren in den USA, wie anderenorts auch, strukturelle Probleme bei der Versicherung von Überschwemmungsrisiken, die so auf andere Naturgefahren nicht zutrafen.157 Zunächst hatten es die Versicherer bei 152 Für das Ende des Flutversicherungsgeschäftes der Globe & Rutgers Fire Insurance Company sowie der Hartford Fire Insurance Company vgl. Flood Insurance Halted, New York Times, 26.4.1927, und Suffering in Hartford Increased by Cold, ebd., 9.11.1927. 153 ›Holland‹ Tells of Serious Loss to Business due to Recent Floods, Washington Post, 10.4.1913. 154 Insurance … News and Comment, Wall Street Journal, 25.3.1936. 155 No Coverage for Flood in Insurance Capital, New York Times, 24.3.1936. 156 Charles Grutzner, Flood Insurance. Pros and Cons, New York Times, 28.8.1955. 157 Vgl. Lübken, Die Natur der Gefahr; Claudia Kalenberg, Zur Versicherbarkeit von Hochwasser- und Überschwemmungsschäden. Karlsruhe 1998.

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der Gefährdung durch Hochwasser mit einer räumlichen Konzentration von sogenannten schlechten Risiken zu tun, der sogenannten adversen Selektion. In den USA war nur ein geringer Anteil aller Haushalte einer signifikanten Gefahr durch Überschwemmungen ausgesetzt. Innerhalb dieser Gruppe war die Risikobelastung auch noch äußerst ungleich verteilt. Insgesamt trug weniger als ein Prozent der amerikanischen Haushalte die Hälfte aller Hochwasserrisiken. Eine ähnlich asymmetrische Verteilung der Risiken gab es zwar auch bei anderen Naturgefahren; im Gegensatz aber zu Tornados, Erdbeben oder Hagel­ schauern, wo sich nur schwer eine Grenze des Gefahrenraumes ziehen lässt, kann man bei Überschwemmungen den Grad der Gefährdung oft relativ genau angeben. In Wareham, Massachussetts, betrug zum Beispiel die Entfernung zwischen zwei Gefährdungszonen, in denen Hochwasser im Durchschnitt alle fünf Jahre oder öfter bzw. nur alle 25 bis 50 Jahre auftraten, weniger als 500 Fuß (circa 150 Meter). In engen Flusstälern konnten diese Distanzen noch viel geringer sein.158 Dieses relativ genaue Wissen um den Ort der Gefahr reduzierte den Kreis der potenziell Schutzbedürftigen immens: »You can’t get a highland­ dweller to buy flood insurance«.159 Neben der adversen Selektion stellte der erforderliche große Kapitalstock, den Versicherungsgesellschaften bei Übernahme des Flutrisikos brauchten, ein erhebliches Problem dar. Da bei Überschwemmungen, im Gegensatz etwa zu Autounfällen, selten nur einzelne Versicherungsnehmer betroffen sind und sich die Schadenssumme daher schnell anhäuft (Kumulrisiko), wurde die erste echte Belastungsprobe eines Hochwasserversicherers oft auch schon zur letzten.160 Problematisch war darüber hinaus ironischerweise auch das Ausbleiben von Überschwemmungen. Charles Grutzner hielt 1955 in der New York Times fest, dass »attempts to sell flood insurance […] fizzled when policyholders dropped out after a few dry years«.161 Anders als bei der Feuergefahr, bei der viele kleine Brände das Gefahrenpotenzial im kollektiven Bewusstsein konstant aktualisierten, ließen mehrere »ereignisfreie« Jahre das Interesse an Versicherungsschutz vor Überschwemmungen drastisch sinken.162 Darüber hinaus war die Schadenshöhe im Zeitverlauf bei Überschwemmungen viel unregelmäßiger als bei Bränden. Feuer verursachten in den USA im 158 Vgl. HUD, Insurance and other Programs for Financial Assistance to Flood Victims, 8.8.1966, 40, NARA, RG 311, E2, B2, 20–21, 28–29. 159 Charles Grutzner, Flood Insurance. Pros and Cons, New York Times, 28.8.1955. Vgl. auch Victor Gerdes, Insuring the Flood Peril, in: The Journal of Insurance 30 (4/1963), 547– 553 (548): »Certainly, inhabitants of tropical isles are not likely to invest in snow shovels and those far removed from alluvian deposits are likely to show little interest in flood coverage.« 160 Vgl. Gerdes, Insuring the Flood Peril; Kalenberg, Zur Versicherbarkeit von Hochwasser- und Überschwemmungsschäden, 6–8. 161 Charles Grutzner, Flood Insurance. Pros and Cons, New York Times, 28.8.1955. 162 Vgl. den Brief der American Insurance Association an HUD, New York, 24.6.1966, NARA, RG 311, E 3, B4.

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Jahr 1927 473 Millionen Dollar an Schäden, im Jahr 1931 452 Millionen Dollar und immerhin 730 Millionen Dollar im Rekordjahr 1951. Diese Schwankungen sind nicht unbeträchtlich, verblassen aber gegenüber der Variabilität von Hochwasserschäden in denselben Jahren. 348 Millionen Dollar im Jahr 1927, dem Jahr der großen Mississippiflut, standen weniger als drei Millionen Dollar 1931 und mehr als eine Milliarde Dollar 1951 gegenüber, als im Mittleren Westen etliche Flüsse über die Ufer traten.163 In den ersten zwei Dritteln des zwanzigsten Jahrhunderts kam es in Jahren mit besonders desaströsen Fluten (wie etwa 1927, 1936, 1937, 1951, 1955, oder 1965) zu Schäden zwischen 600 Millionen und über einer Milliarde Dollar. In sämtlichen anderen Jahren dieses Zeitraums erreichte die Schadenssumme dagegen nie mehr als 300 Millionen Dollar und lag meistens sogar unter 100 Millionen Dollar.164 Aus diesen Gründen machte die private Versicherungswirtschaft in den USA wie auch in anderen Ländern immer wieder darauf aufmerksam, dass sie Hochwasserschäden für nicht versicherbar hielt und von ihrer Seite keine entsprechende Initiative zu erwarten sein würde.165 Da sich die »Invasion« der Überschwemmungsgebiete aber kontinuierlich fortsetzte  – sowohl an der Küste wie auch an den Flussufern  –, richteten sich die Augen mehr und mehr auf den Staat.

Das National Flood Insurance Program Den ersten Anlass zu einer staatlichen Initiative gaben im Sommer 1951 Rekordfluten in Kansas und in Harry S.  Trumans Heimatstaat Missouri. Der amerikanische Präsident beantragte daraufhin vom Kongress Gelder für die Etablierung einer Hochwasserversicherung. Der im Mai 1952 verfasste Gesetzesentwurf kam jedoch nie über die Anhörungen im House Committee on Ban­ king and Currency hinaus. Nur kurze Zeit später, im Jahr 1955, brachten Hurrikane im Nordosten der USA und Überschwemmungen in Kalifornien die Thematik jedoch erneut auf die Tagesordnung.166 Auf der Grundlage eines umfangreichen Berichts durch Mitarbeiter des Kongresses wurde im August 1956 163 Charles Grutzner, Flood Insurance. Pros and Cons, New York Times, 28.8.1955. Allerdings ist die urbane Feuergefahr erst in der Frühmoderne von einer katastrophalen zu einer versicherbaren Gefahr geworden. Vgl. dazu Zwierlein, Der gezähmte Prometheus; Bankoff / Lübken / Sand (Hg.), Flammable Cities. 164 Vgl. HUD, Insurance and other Programs for Financial Assistance to Flood Victims, 8.8.1966, 40, NARA, RG 311, E2, B2, 35. 165 American Insurance Association an HUD, New York, 24.6.1966, NARA, RG 311, E3, B4, 64. Für Ausnahmen aus politisch motivierten Gründen vgl. Lübken, Die Natur der Gefahr. 166 Langbein, Flood Insurance, 328, 330; Gerdes, Insuring the Flood Peril; Ben Gelber,­ Rising Water. The Northeast, in: Weatherwise (Juli / August 2005), 46–50.

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der Federal Flood Insurance Act verabschiedet, der ein von der Bundesregierung subventioniertes Versicherungssystem vorsah, das allerdings von privaten Gesellschaften ausgeführt werden sollte.167 Der Kongress verweigerte aber in der Folgezeit jegliche Bewilligungen, und spätestens als 1957 die neu gegründete Fe­ deral Flood Indemnity Administration wieder aufgelöst wurde, war das Experiment Hochwasserversicherung erneut gescheitert.168 Dass es gut zehn Jahre später dennoch zu einem staatlichen Versicherungsprogramm kam, lag vor allem daran, dass weitere Naturkatastrophen, wie eine Reihe von Fluten im Jahr 1962 und ein schweres Erdbeben in Alaska 1964, das Gefahrenbewusstsein und damit auch den politischen Handlungsdruck aufrecht erhielten, bis Hurrikan Betsy im September 1965 in der Golfregion schwere Verwüstungen hinterließ und zu einer neuen Welle gesetzgeberischer Aktivitäten führte.169 Dass ausgerechnet ein Hurrikan den Durchbruch für die Schaffung eines nationalen Systems der Überschwemmungsversicherung bereitete, ist kein Zufall. In den 1950er und 1960er Jahren wurde immer deutlicher, wie groß die Konzentration von Vermögen und Bevölkerung in den Küstenregionen der USA geworden war, und wie anfällig diese gegenüber Hurrikanen war.170 »Taking more than 1,100 lives and causing several billion dollars worth of property damage, these [hurricanes] represented a new kind of flood threat against which the riverine flood control program was largely ineffective«.171 Das National Flood Insurance Program galt aber für Überschwemmungen sowohl an Küsten wie auch von Flüssen und wirkte somit auch zurück auf den Hoch­ wasserschutz am Ohio River. Der Grundgedanke des National Flood Insurance Program bestand, und daran hat sich bis heute nichts geändert, in einer Verknüpfung von finanzieller Unterstützung der Bundesregierung mit der Regulierung der Überschwemmungsgebiete durch die gefährdeten Städte und Gemeinden. Orte (»munici­ 167 United States Congress, Senate, Banking and Currency Committee, Federal Disaster Insurance. Staff Study, 84th Congress, 2nd Session, Report No. 1313, Washington, DC, 1956. Vgl. auch Edwin S. Overman, The Flood Peril and the Federal Flood Insurance Act of 1956, in: Annals of the American Academy of Political and Social Science 309 (1957), 98–106. 168 HUD, Insurance and other Programs for Financial Assistance to Flood Victims, 8.8.1966, 40, NARA, RG 311, E2, B2, 65; Rawle O. King, Federal Flood Problem. The Repetitive Loss Problem, Congressional Research Service Report for Congress, 30. Juni 2005, http:// fas.org/sgp/crs/misc/RL32972.pdf (22.09.2013). 169 Vgl. Southeast Hurricane Disaster Relief Act, Public Law 89–339, 89th Congress, H. R. 11539, 8.11.1965; United States Task Force on Federal Flood Control Policy, A Unified National Program for Managing Flood Losses. Washington, DC, 1966; King, Federal Flood Problem, 3. Vgl. auch Fred B. Power / E. Warren Shows, A Status Report on the National Flood Insurance Program – Mid 1978, in: The Journal of Risk and Insurance 46 (2/1979), 61–76 (62). 170 Platt, From Flood Control to Flood Insurance, 70. 171 Rutherford H. Platt, Floods and Man. A Geographer’s Agenda, in: Floods and Man. A Geographer’s Agenda, in: Kates / Burton (Hg.), Geography, Resources, and Environment. Chicago 1986, 28–68, (51).

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palities«), die von der Federal Insurance Administration (FIA) als hochwassergefährdet eingestuft wurden, konnten am NFIP teilnehmen und ihren Einwohnern damit die Möglichkeit eröffnen, von der Bundesregierung subventionierte Versicherungspolicen zu erwerben. Im Gegenzug mussten diese Gemeinden Maßnahmen treffen, die das Schadenspotenzial in den floodplains senken, also zum Beispiel durch die Einschränkung der industriellen und kommerziellen Nutzung dieser Gebiete. Die konkrete Umsetzung des Programms erfolgte über eine Kooperation der staatlichen FIA mit zunächst 89 und später mehr als 100 privaten Sach­ versicherern, die sich in der National Flood Insurers Association (NFIA) zusammengeschlossen hatten. Die privaten Versicherer verwalteten die Policen und regulierten die Schäden, das finanzielle Risiko lag aber alleine beim Staat. Die Entscheidung, ob eine Gemeinde hochwassergefährdet war oder nicht, traf die FIA auf der Basis von groben flood hazard boundary maps. Die Zuteilung der individuellen Prämienzahlung erfolgte auf der Grundlage einer genaueren Flood Insurance Rate Map (FIRM).172 Die Resonanz auf dieses neue Instrument der Schadensvorsorge war zunächst gering. Hochwassergefährdete Gemeinden hatten kaum Interesse, die notwendigen rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, und Besitzer von Vermögenswerten in den Überschwemmungsgebieten hatten eine geringe Motivation, Prämien für den Schutz gegen eine Gefahr zu zahlen, die sie oft für peripher hielten. Auch ein Mangel an Informationen über die individuellen Hochwasserrisiken und die trotz der Subventionen zu hohen Prämien wurden als Gründe für die geringe Beteiligung angeführt.173 Diese nationalen Tendenzen spiegelten sich auch im Ohio Valley wider. Im Staat Ohio begann der Bund 1971 mit dem Verkauf von Flutversicherungs­ policen, doch die ersten Reaktionen waren auch hier verhalten. So stand Cincinnatis City Manager Richard Krabach einem Beitritt der Stadt zum Flood ­Insurance Program skeptisch gegenüber, so lange nicht geklärt sei, welche Nachteile diejenigen Bürger hätten, die sich nicht daran beteiligten, welche Änderungen der Landnutzung in den Überschwemmungsgebieten die Stadt durchsetzen, und wie eventuell die Bauvorschriften geändert werden müssten.174 Zwei Jahre später, mittlerweile war die Stadt dem Programm beigetreten, fragte der Cincinnati Enquirer, wie viele Einwohner des Ballungsraumes überhaupt von dieser Möglichkeit erfahren hatten. »Apparently not many residents know about the flood plan. In spite of the fact that there have been occasions of flash 172 Power / Shows, A Status Report on the National Flood Insurance Program – Mid 1978, 62–63. 173 Platt, From Flood Control to Flood Insurance, 71, Power / Shows, A Status Report on the National Flood Insurance Program – Mid 1978, 64. 174 City Leery of Flood Plan, Cincinnati Enquirer, 9.4.1971.

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flooding in the last week, only 33 persons in the city and three in the county have taken out policies«.175 Nachdem aber die Ausläufer von Hurrikan Agnes 1972 Rekordhochwasser vor allem in Pennsylvania herbeigeführt hatten und die Überraschung groß war über den kaum vorhandenen Versicherungsschutz der Betroffenen, wurde 1973 der freiwillige Charakter des NFIP stark eingeschränkt, um die Zahl der Versicherten zu erhöhen. Hausbesitzer mussten nun eine Police des NFIP vorweisen, wenn sie von der Bundesregierung subventionierte Hypotheken­darlehen erhalten wollten. Durch diesen Hebel gelang es, die versicherten Werte von 5,5 Milliarden Dollar im Dezember 1973 auf 36 Milliarden Dollar im November 1977 zu steigern. Die Menge der ausgegebenen Policen stieg von 95.000 zum Zeitpunkt von Hurrikan Agnes auf 1,2 Millionen im Jahr 1977. Auch die Anzahl der teilnehmenden communities wuchs im gleichen Zeitraum stark: von 2.200 auf 15.000.176

Probleme des NFIP Theoretisch finanzierte sich das NFIP selbst, weil die Einnahmen aus den Prämien die Zahlungen im Schadensfall decken sollten. Überstiegen die Ausgaben in einem Jahr mit hoher Schadenssumme die Einnahmen, dann konnte das NFIP einen kurzfristigen Kredit bis zur Höhe von 1,5 Milliarden Dollar beim US-Finanzministerium aufnehmen, den es allerdings verzinst zurückzahlen musste. Im Jahr 2004 zum Beispiel, als die Hurrikane Charley, Frances, und Ivan das Gebiet der USA erreichten, musste sich das NFIP 200 Millionen Dollar leihen.177 Als staatliches Programm war das NFIP großem politischen Druck und starker Lobbyarbeit ausgesetzt. Im Gegensatz zu privaten Versicherern war es für die Verantwortlichen des NFIP daher alles andere als leicht, Verträge zu kündigen oder die Prämien zu erhöhen, wenn sich die Risikostruktur änderte. Dieses Manko zeigte sich vor allem an den »repetitive loss properties« (RLP), also mehrfach geschädigten, aber trotzdem weiterversicherten Immobilien. So sorgten im Jahr 1998 74.500 RLPs, die lediglich zwei Prozent aller im NFIP versicherten Werte repräsentierten, für über 200.000 claims (mehr als ein Viertel aller NFIP claims). Von diesen RLPs wiederum waren 37 Prozent dreimal 175 Flood Insurance Available – In Case You Don’t Know, Cincinnati Enquirer, 27.7.1973. Vgl. auch Lew Moores, Federal Flood Insurance Program is Generating Little Response Here, Cincinnati Post, 27.7.1973; Robert Webb, Double Flood Protection Insurance Now Law, Cincinnati Enquirer, 1.1.1974. 176 Power / Shows, A Status Report on the National Flood Insurance Program – Mid 1978, 61; Hood, Who Insures Against Floods, and Why, 17. 177 King, Federal Flood Problem, 15.

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oder noch öfter geschädigt worden. Zu den mehrfach von Fluten Betroffenen gehörten nicht nur Eigenheimbesitzer aus der Mittelschicht, sondern auch etliche Einrichtungen von nicht gerade mittellosen Amerikanern  – ein Umstand, der von den Medien mit großem Interesse zur Kenntnis genommen wurde. In Long Island zum Beispiel erhielt eine Bar in einem unmittelbar am Ozean gelegenen Resort 1995 und 1996 zwei Zahlungen in Höhe von insgesamt 752.000 Dollar – die höchste Summe, die das NFIP seit 20 Jahren in Long Island ausgezahlt hatte. Ein exklusives Hotel in unmittelbarer Nachbarschaft erhielt 96.000 Dollar im Jahr 1991, 103.000 Dollar ein Jahr später, 42.000 Dollar im Jahr 1993, und noch einmal 250.000 Dollar 1994, bevor es schließlich abgerissen wurde.178 Trotz der bis zum Jahr 2004 erreichten Anzahl von 4,5 Millionen Policen ist die Beteiligung am NFIP hinter den Erwartungen zurück geblieben. Dies lag zum einen daran, dass die Versicherungspflicht bei staatlichen Hypothekendarlehen nicht eben mit aller Kraft durchgesetzt wurde. So verloren Hausbesitzer, die ihren Prämienzahlungen nicht nachkamen, zwar ihren Versicherungsschutz, sie mussten aber keine weiteren Strafen fürchten. Durch ein weiteres Reformgesetz 1994 – erneut veranlasst durch eine Überschwemmungskatastrophe: die große Mississippiflut im Vorjahr – wurden die Kreditgeber stärker in die Pflicht genommen, doch »non-compliance« blieb ein gewichtiges Problem des NFIP.179 Zudem stand es den Darlehensnehmern frei, Kredite bei nichtstaatlichen Anbietern zu wählen oder ihre Immobilie selbst zu finanzieren  – beides Wege, die staatlichen Auflagen zu umgehen. Schließlich sprach auch die Tatsache gegen eine freiwillige Versicherung im NFIP, dass der Staat bei Naturkatastrophen in der Vergangenheit bewiesen hatte, dass er die Opfer nicht im Stich lassen würde.180 2005, als Hurrikan Katrina auf die Golfküste traf, wurden die Unzulänglichkeiten des National Flood Insurance Program vollends deutlich. In New Orleans hatte weniger als die Hälfte der versicherungsberechtigten Personen vom Angebot des NFIP, das seit 1979 von der neu gegründeten FEMA geleitet wird, Gebrauch gemacht. Das NFIP hatte darüber hinaus mit einem Problem zu kämpfen, das allen Versicherern von Schäden durch Naturgefahren zu schaffen machte: der Definition der Gefahr. »Was dem Einen ein frischer Wind ist, kann dem Anderen schon als Sturm erscheinen,« hatte der Verband Deutscher Privat-Feuerversicherungs-Gesellschaften bereits 1898 konstatiert.181 Solche Unterscheidungen waren keineswegs rein akademischer Natur, sie konnten sogar zu internationa 178 Platt, From Flood Control to Flood Insurance, 73. 179 King, Federal Flood Problem, 18. 180 Hood, Who Insures Against Floods, and Why. 181 Verband Deutscher Privat-Feuerversicherungs-Gesellschaften an von der Recke von der Horst, Versicherung gegen Unwetterschäden, Berlin, 6.12.1898, Bundesarchiv Berlin, R3101/17116.

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len Verwicklungen führen, wie sich beispielsweise nach dem Erdbeben 1906 in San Francisco zeigte. Hier machte es einen großen Unterschied, ob die Zerstörungen direkt durch das Erdbeben oder indirekt von einem Feuer verursacht worden waren, denn während viele Hausbesitzer gegen Brand abgesichert waren, fehlte in den meisten Policen eine Erdbebenklausel.182 Nach Katrina kam es zu ähnlichen »Interpretationsproblemen«, nur war die entscheidende Frage nun nicht mehr: Erdbeben oder Feuer, sondern: Wind oder Wasser? Da die meisten Betroffenen im Rahmen der normalen Gebäudeversicherung gegen Wind, nicht aber gegen Überschwemmungen versichert waren, bestand ein großes Interesse daran, dem Sturm die Verursachung der Schäden zuzuschreiben  – ein Konflikt, der zu etlichen, zumeist erfolglosen Prozessen führte.183 Die privaten Gebäudeversicherer wiederum waren nicht abgeneigt, den Schadensanteil der Überschwemmungen in den Mittelpunkt zu stellen, um auf diese Weise die Geschädigten auf das staatliche National Flood Insurance Program zu verweisen. Insgesamt hat das NFIP hat dazu beigetragen, das finanzielle Risiko von Überschwemmungen zumindest teilweise an die Bedrohten zu übertragen, und es hat in nicht unerheblichem Maße die Landnutzung in den Überschwemmungsgebieten an den Flüssen und an der Küste beeinflusst. Das NFIP hat relativ gut für das finanzielle Management der Abfolge von mittleren bis schweren Katastrophen funktioniert, mit denen es bis 2005 zu tun hatte. Das staatliche Versicherungsprogramm war aber nicht in der Lage, mit einem Großereignis wie Katrina umzugehen, für das es letztlich 16 Milliarden Dollar auszahlen musste (obwohl die Versicherungsdichte und damit die Summe der versicherten Schäden viel geringer als erwartet war). »The bottom line is that the flood insurance program is a fiscal time bomb for the government«, urteilten Judith Kildow und Jason Scorse in der New York Times.184 Nicht nur die Finanzierung des NFIP, auch die Regulierung der Landnutzung in den Überschwemmungsgebieten war äußerst ambivalent. Einige Ortschaften, wie etwa West Point in Kentucky, fühlten sich dadurch regelrecht in ihrer Existenz bedroht. Am Zusammenfluss von Ohio und Salt River gelegen, wenige Meilen nördlich von Fort Knox, hatte die Kleinstadt seit jeher mit Überschwemmungen zu kämpfen. 1937 berichtete der Radiosender WAVE, dass West Point vollständig weggeschwemmt worden sei: »there’s nothing left of it 182 Steinberg, Acts of God, 34; Tilmann J. Röder, Rechtsbildung im wirtschaftlichen ›Weltverkehr‹. Das Erdbeben von San Francisco und die internationale Standardisierung von Vertragsbedingungen (1871–1914). Frankfurt a. M. 2006. 183 Martin F. Grace / Robert W. Klein, Facing Mother Nature, in: Regulation 30 (3/2007), 28–34 (32). 184 End Federal Flood Insurance, New York Times, 29.11.2012.

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Das poststrukturelle Zeitalter des Hochwasserschutzes

now, except here and there a house being tossed about by the raging torrent«.185 Nur acht Jahre später waren von vielen Häusern wieder nur die Dächer zu sehen.186 Als West Point 1997 erneut Opfer der Fluten des Ohio wurde, hatte sich das Risikomanagement im Vergleich zu den Zeiten des New Deal allerdings grundsätzlich gewandelt. Nun konnten die Häuser nicht ohne weiteres wiederaufgebaut werden. Die Stadt besaß keinen physischen Hochwasserschutz und lag in einem Gebiet mit sehr hoher Überschwemmungswahrscheinlichkeit, so dass die Bestimmungen des NFIP den Wiederaufbau entweder sehr teuer machten oder sogar ganz untersagten. Als Resultat dieser Situation sahen sich etliche Einwohner West Points mehr oder gezwungen, die Stadt zu verlassen. »They want to indemnify themselves from future losses even if that means wiping out a city,« warf Bürgermeister Rube Yelvington den Risikomanagern in Washington vor.187 Die Bevölkerungsstatistik scheint Yelvington Recht zu geben. Lebten 1990 noch 1.216 Menschen in West Point, so waren es im Jahr 2000 nur noch 1.100 und noch einmal zehn Jahre später gar nur 797.188 Auch wenn die »Invasion der Überschwemmungsgebiete« noch lange nicht beendet ist, könnte die entgegengesetzte Entwicklung, also der graduelle Rückzug aus den floodplains, in Zukunft Schule machen. Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit werden sich für viele Versicherungsnehmer im Rahmen des NFIP die Prämienzahlungen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten deutlich erhöhen. Durch den Biggert-Waters Flood Insurance Reform Act aus dem Jahr 2012, der das NFIP bis 2017 verlängert, soll nicht nur die finanzielle Deckungslücke zumindest teilweise geschlossen, sondern auch das »wahre« Flut­risiko besser in der Prämienstruktur repräsentiert werden. Schon dies wird dazu führen, dass sich nicht alle Hauseigentümer in den überschwemmungsgefährdeten Gebieten die teurere Police (oder alternativ aufwändige Umbaumaßnahmen) werden leisten können und in der Folge wegziehen.189 Dazu kommt die durch 185 Transkript, WAVE Radio, Louisville, 22.1.1937, wahrscheinlich 10:45 pm, FHS, WAVE Radio. Vgl. auch den Brief von Charlotte Burch Wimp in Louisville an Donald M. Butler, Sullivan, IL, 22.1.1937, FHS, Charlotte Burch Wimp Papers. 186 Vgl. den Brief von Charles Willard Schepmoes aus dem U. S. Army basic training camp in Fort Knox, KY, an seine Familie in Clintondale, NY, 8.3.1945, FHS, Charles Willard Schepmoes Letters. 187 West Point’s Future in Doubt, Louisville Courier-Journal, 16.5.1997. 188 https://www.census.gov/geo/maps-data/data/docs/gazetteer/2010_place_list_21.txt (16.7.2013). Wie so oft bei Wanderungsbewegungen nach Naturkatastrophen und anderen radikalen Umweltveränderungen ist es allerdings auch hier schwierig, Umweltfaktoren von anderen Einflussgrößen zu unterscheiden. Vgl. dazu Uwe Lübken, Chasing  a Ghost? Environmental Change and Migration in History, in: Global Environment V (9/2012), 5–24. 189 Jessica Grannis, Analysis of How the Flood Insurance Reform Act of 2012 (H. R.4348) May Affect State and Local Adaptation Efforts (Released August 1, 2012 and updated August 14, 2012), http://www.georgetownclimate.org/sites/default/files/Analysis%20of%20the%20Flood %20Insurance%20Reform%20Act%20of%202012.pdf (22.9.2013).

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Das National Flood Insurance Program  

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den Klimawandel generierte Unsicherheit, die ebenfalls schon jetzt wirksam wird. Denn sollte sich auch in den USA die Zahl der natürlichen Extremereignisse erhöhen (wofür vieles spricht), dann ist mit weiteren »Anpassungen« der Prämienstruktur zu rechnen. Dies ist aber insofern problematisch, als dass die Emittenten von staatlich subventionierten Hypotheken prüfen müssen, ob die Darlehensnehmer für die gesamte Laufzeit des Darlehens kreditwürdig sind. Dies ist um so schwerer und um so umwahrscheinlicher, wenn mit steigenden Raten gerechnet wird. Das Resultat wird mit einiger Wahrscheinlichkeit eine höhere Zahl von abgelehnten Darlehensanträgen sein, was wiederum den Kauf und Verkauf von Immobilien in den Überschwemmungsgebieten erheblich beeinflussen dürfte. Mittel- und langfristig kommt zu diesen Entwicklungen die tatsächliche Auswirkung des Klimawandels auf Extremereignisse hinzu, die nach einer Studie im Auftrag von FEMA und der Federal Insurance and Mitigation Administration die Fläche derjenigen Gebiete, die jährlich ein einprozentiges Überschwemmungsrisiko aufweisen, um 45 Prozent bis zum Ende des einundzwanzigsten Jahrhunderts anwachsen lassen wird.190

190 Vgl. Aecom, The Impact of Climate Change and Population Growth on the National Flood Insurance Program through 2100. Prepared for the Federal Insurance and Mitigation Administration and the Federal Emergency Management Agency. Ohne Ort, Juni 2013. (http://www.aecom.com/deployedfiles/Internet/News/Sustainability/FEMA%20Climate %20Change%20Report/Climate_Change_Report_AECOM_2013–06–11.pdf), ES-6.

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10. Mehr Raum für die Flüsse? No system of dams can stop floods completely. The one other method of reducing losses when the Ohio spills over is to get out of the flood plain. Our ancestors built right down to the river’s brink. Now we find it wiser – and cheaper – to give the flood plain back to the river. Floods may be classified as an act of God; flood losses are not necessarily so. Cincinnati Post, 19521

Wie an wohl keinem anderen Fluss auf dem Gebiet der heutigen USA trafen am Ohio River natürliche und gesellschaftliche Dynamik aufeinander. Der wichtigste Zufluss des Mississippi, der eine Fläche von der Größe Frankreichs entwässert, sorgte in den frühen Jahren der Besiedlung des Ohio Valley für einen, gemessen an damaligen Verhältnissen, sehr zuverlässigen und komfortablen Transportweg in den Westen und Süden. Später, mit der zunehmenden Kommerzialisierung und Industrialisierung des Ohiotals, diente er als Trinkwasserlieferant für die Bevölkerung der Großstädte, er lieferte Gebrauchswasser für industrielle Zwecke und bot einen bequemen Kanal zur Entsorgung der privaten und industriellen Abwässer wie für den Transport verschiedenster Güter. Zur Erfüllung all dieser Funktionen war die Nutzung der Überschwemmungsgebiete, die eigentlich ein Teil des Flusses sind, unablässlich. Die flood­ plains wurden somit zu einem »umkämpften« Ort, beansprucht von den Gesellschaften in Ufernähe ebenso wie vom Fluss selbst. Immer wieder kam es daher zu »Nutzungskonflikten« in Form von Überschwemmungen. Dies hatten schon die Native Americans zu spüren bekommen, die seit Jahrhunderten in der Region lebten. Die indigenen Gesellschaften waren aber – von indianischen Städten wie »Shawnee Town« einmal abgesehen – in aller Regel weitaus mobiler als ihre euroamerikanischen Nachfolger und damit weniger anfällig gegenüber hohen Wasserständen. Zu Beginn der euroamerikanischen Besiedelung des Ohio Valley ließ sich die Dynamik des Ohio River und seiner Zuflüsse bestenfalls erahnen. In Ermangelung ausreichender Erfahrung und weil sie die traditionellen Wissensbestände der indianischen Bevölkerung ignorierten, blieb den Neuankömmlingen im Grunde nichts anderes übrig, als sich für einen Ort zu entscheiden, der ihnen ausreichende Nähe zum Fluss in Aussicht stellte. Der Schutz vor

1 Must Floods Cause Losses?, Cincinnati Post, 2.2.1952.

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Überschwemmungen spielte bestenfalls eine sekundäre Rolle. Gerade deswegen machten aber viele Ortschaften am Ohio schon relativ früh Bekanntschaft mit der Volatilität des Flusses: Fort Pitt, das spätere Pittsburgh, stand schon in der Kolonialzeit unter Wasser, Cincinnati profitierte vom »Untergang« der Konkurrentinnen Northbend und Columbus, und Städte wie Marietta in Ohio und Cairo in Illinois wurden in ihrem Expansionsdrang durch Überschwemmungen immer wieder weit zurück geworfen. Hochwasserkatastrophen waren sicherlich nicht der einzige Grund dafür, dass etliche Städte am Ohio nicht die großen in sie gesetzten Erwartungen erfüllen konnten, sie spielten aber ohne Zweifel eine wichtige Rolle – nicht nur in ihrer materiellen Form, sondern auch als erwartete Katastrophe, was Ansiedlungsentscheidungen stark beeinflussen konnte. Bei allen Schäden und menschlichem Leid, das diese Fluten erzeugten, blieb das Ohio Valley jedoch im ersten Jahrhundert der euroamerikanischen Besiedelung von einer großen Katastrophe verschont. Weder der Ohio River noch seine Zuflüsse erreichten in diesem Zeitraum Pegelstände wie im späten neunzehnten oder im frühen zwanzigsten Jahrhundert. Lediglich 1832, als der Fluss zum ersten Mal auf langen Streckenabschnitten über die Ufer trat und mehr als nur einige wenige Orte überflutete, zeigte sich in Ansätzen, wie prekär die Lage vieler Städte am Ohio wirklich war. Diese relative Ruhe begünstigte ohne Zweifel die kontinuierliche »Invasion« der Überschwemmungsgebiete. An den Ufern des Ohio entstanden innerhalb weniger Jahrzehnte Handelszentren, industrielle Konglomerate und Großstädte wie Pittsburgh und Louisville. Cincinnati war zeitweise die am dichtesten besiedelte Stadt der USA. Mit diesem fundamentalen Wandel an den Flussufern änderten sich auch die Funktionen, die der Fluss zu erfüllen hatte. Der Ohio musste nun die rasant gewachsene Großstadtbevölkerung mit Trinkwasser versorgen, er diente als Kanal für die privaten und industriellen Abwässer sowie als infrastrukturelle Arterie des Ohio Valley. »The health and economic well-being of every community and of the nation as a whole«, hielt die Portland Cement Association 1959 nicht ganz uneigennützig fest, »depend on an adequate and satisfactory supply of water for municipal, industrial, agricultural and other uses«.2 Dieses scheinbar harmonische Verhältnis von Natur und Gesellschaft wurde jedoch ab der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts immer wieder durch Überschwemmungen  – »normale« ebenso wie außergewöhnliche  – in Frage gestellt. Die Transformation der Überschwemmungsgebiete hatte neue Vulnerabilitätsmuster erzeugt, die sich nun, als der Ohio ein ums andere Mal alte Rekordwerte auslöschte, in aller Deutlichkeit offenbarten. Zum ersten Mal zeigte sich diese neue Anfälligkeit der »Risikogesellschaften« am Ohio bei der Doppelflut in den Jahren 1883 und 1884. Noch nie waren im

2 Portland Cement Association, Water Control, 1.

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Ohio Valley auch nur annähernd so viele Menschen gleichzeitig Opfer einer Flut geworden. Alleine in Cincinnati waren 24.000 Personen von der Überschwemmung betroffen – mehr als die Stadt bei der letzten großen Flut ein halbes Jahrhundert zuvor Einwohner hatte. Neu war auch die ungleiche soziale Verteilung von Umweltrisiken. Vor allem Arbeiter und African-Americans, die oft in boar­ ding houses oder shanty towns in den bottoms, also in unmittelbarer Flussnähe lebten, waren bei den Flutopfern deutlich überrepräsentiert. Die große Zahl der Betroffenen erforderte auch neue Formen sozialen Risikomanagements. Nun reichte nachbarschaftliche Hilfe alleine nicht mehr aus. In den großen Städten sorgten Hilfsvereine und die charities mit Spendenaktionen und organisatorischer Arbeit für die Bereitstellung gewaltiger Mengen an Nahrungsmitteln, Bekleidung, Heizmaterial und für Unterkünfte. Wenn das Krisenmanagement 1884 auch noch primär in lokaler Hand blieb, so mussten die Bundesstaaten und die Bundesregierung den Städten und Gemeinden vor Ort doch unter die Arme greifen, weil die örtlichen Bewältigungskapazitäten zusehends an ihre Grenzen stießen. 1937 war diese Entwicklung so weit fortgeschritten, dass das Amerikanische Rote Kreuz, das 1884 noch kaum jemand kannte, von Washington aus die Hilfsarbeit koordinierte.3 Kooperierend mit anderen Institutionen der Bundesregierung wie dem Civilian Conservation Corps oder der Works Progress Ad­ ministration entsandte das Rote Kreuz eine regelrechte Armada von Hilfsarbeitern aus allen Teilen des Landes in das Ohio Valley und an den Mississippi. Lokale Behörden spielten nur noch eine untergeordnete Rolle. Dieser Trend zur Zentralisierung der Krisenkompetenzen zeigte sich auch im Hochwasserschutz. War der Bau von Dämmen, Deichen und Staubecken lange Zeit eine rein lokale Angelegenheit, so entwickelte sich das Army Corps Engi­ neers nach und nach zur maßgeblichen Institution für strukturelle Schutzmaßnahmen – zunächst nur durch sporadische Aktionen am Mississippi, spätestens mit dem Flood Control Act von 1936 aber auf breiter nationaler Basis. Die Schaffung des National Flood Insurance Program war ein weiterer Schritt in Richtung Nationalisierung des Risikomanagements von Naturkatastrophen. Zusammen mit dem Disaster Relief Act aus dem Jahr 1950 verfügte die Bundesregierung nun über weitreichende Kompetenzen für den baulichen Hochwasserschutz, die finanzielle Unterstützung von Katastrophenopfern und das land management in den Einzugs- und Überschwemmungsgebieten der Flüsse. Fundamentale Entscheidungen des Hochwasserschutzes und der Hochwasserprävention werden heute nicht mehr in Columbus, Frankfort und Indianapolis getroffen, sondern in Washington, DC. Die Zentralisierung und die inhaltliche Erweiterung dieser Kompetenzen bedeutete auch, dass der Umgang mit Überschwemmungen am Ohio River (ebenso wie an anderen amerikanischen Flüssen) nicht mehr 3 Vgl. zu den Aktivitäten des Roten Kreuzes bei den Ohiofluten zwischen 1882 und 1884 Barton, Red Cross, 108–09, 113–127.

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nur von tatsächlichen Flutereignissen in der Region, sondern auch von anderen Naturkatastrophen in den USA geprägt wurde, etwa wenn Hurrikan Agnes 1972 zu einer Revision des National Flood Insurance Programs führte, was wiederum das floodplain management am Ohio River beeinflusste. Methodisch dominierte lange Zeit die levees only-Doktrin, nach der der Hochwasserschutz vor allem durch den Bau von Deichen zu erfolgen hatte. Diese Orthodoxie wurde jedoch durch zwei Entwicklungen unterminiert: zum einen durch die Tatsache, dass auch Unmengen von aufgeschütteter Erde und in Beton gegossene Steuerdollar verheerende Überschwemmungen wie die am Mississippi 1927 nicht verhindern konnten; zum anderen durch Arthur Ernest Morgans ausgeklügeltes System von dry dams am Miami River, dem Miami Conservancy District, der bewies, dass Hochwasserschutz auch durch Reservoirs möglich war. Weder levees noch Rückhaltebecken konnten jedoch verhindern, dass die Schadenszahlen durch Überschwemmungen weiter anstiegen. Im Gegenteil – wie Gilbert Fowler White und andere Forscher deutlich machten, war der strukturelle Hochwasserschutz teilweise sogar verantwortlich für diese Entwicklung. Je größer der gesellschaftliche und ökonomische Druck wurde, die ufernahen Flächen zu nutzen, um so stärker wurde der Ruf nach Kontrolle der natürlichen hydrologischen Dynamik. »Gezähmte« Wasserwege wiederum verstärkten den Anreiz und die Möglichkeiten zur intensiven Durchdringung der nun scheinbar hochwassersicheren Überschwemmungsgebiete. Indem Schutzmauern, Deiche und Reservoirs ein falsches Gefühl der Sicherheit erzeugten, förderten sie die »Invasion« der Überschwemmungsgebiete. Aus diesen strukturellen Defiziten des Hochwasserschutzes entstanden nicht nur neue Schadensmuster, sondern auch ganz neue Dimensionen der Zerstörung. Gerade die Ohioflut im Jahr 1937 – nur ein Jahr nach der ohnehin schon verheerenden Überschwemmung am Oberlauf des Flusses – ließ alle bis dahin bekannten Schadensgeschichten verblassen und muss als eine der zerstörerischsten Naturkatastrophen in der amerikanischen Geschichte angesehen werden. Es waren nicht zuletzt die schweren Überschwemmungen im Ohio Valley von 1883 bis 1937, die die levees only-Doktrin unterminierten und die nicht unerheblich dazu beitrugen, die Phase des poststrukturellen Hochwasserschutzes einzuläuten. Mit diesem Wandel der Vulnerabilitätsmuster und der Hochwasserschutzpolitik korrespondierten auch unterschiedliche Naturbilder bzw. Vorstellungen vom Fluss. Galt der Ohio den frühen Siedlern als eine übermächtige Kraft, die man zwar nutzen, die man aber letztlich nicht bezwingen konnte, so wandelte sich dieses Bild rapide mit der Kommerzialisierung, Industrialisierung und Urbanisierung des Flusses. Für Ingenieure, Stadtplaner, Industrielle und die Schifffahrtsinteressen war das Idealbild des Ohio River das eines Kanals. Nur durch die Regulierung des Stromes, so schien es, konnte dieser die neuen Anforderungen erfüllen. Der Ohio hatte nun bestimmte Grenzwerte nicht zu über-

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schreiten und sollte sich in einer »glücklichen Mitte« zwischen Niedrig- und Hochwasser einfinden. Hochwasserschutz war in dieser Hinsicht weniger Ziel an sich, als vielmehr Teil eines umfassenderen Programms, das es sich zum Ziel setzte, die Amplituden eines natürlichen Prozesses zu glätten und durch einen möglichst regulären Strom zu ersetzen. »Removing the uncertainty from the river has been a long and gradual project of the Federal Corps of Engineers«, formulierte Gerald White 1964 treffend im Cincinnati Enquirer.4 Der Hochwasserschutz diente der Gesellschaft somit auch als Stossdämpfer gegen extreme Naturprozesse. Zu diesem Zweck wurde der Fluss durch Deiche und Schutzmauern eingedämmt, während Reservoirs an den Zuflüssen »überschüssige« Wassermengen zurückhielten. Ein System von mehreren Dutzend Dämmen garantierte darüber hinaus eine Mindesttiefe von neun Fuß auf der gesamten Länge des Flusses von Pittsburgh bis Cairo. Für die zeitgenössischen Ingenieure war es fast schon ein Affront, wenn sich der Fluss nicht an die ihm auferlegten Grenzwerte hielt und weiterhin wild fluktuierte. Mit dem spätestens in der Nachkriegszeit immer deutlicher zu Tage tretenden Scheitern dieser con­ tainment-Strategie setzte sich jedoch, wenn auch sehr langsam, eine Sichtweise durch, die dem Fluss wortwörtlich wieder mehr Raum geben wollte. Der faktische Rückzug der Gesellschaft aus den Überschwemmungsgebieten war aber zunächst vor allem das Ergebnis einer generellen Abwendung vom Fluss, der viele seiner alten Funktionen verloren hatte. Er war nicht mehr die primäre Transportachse, sondern ein Medium unter vielen; er war schon lange nicht mehr das kulturelle und soziale Zentrum urbanen Lebens; er war in ökologischer Hinsicht an vielen Orten mindestens stark gefährdet, und mit der »Flucht« von immer mehr Bürgern in die Vororte und der (nicht selten intendierten) Vernachlässigung der waterfront als Wohngebiet nahm auch die Zahl der dort lebenden Menschen stetig ab. »We look forward to the day when most residencies and many industries will be gone from flood land«, hielt die Cincinnati Post schon 1950 fest. »It costs public money, a subsidy to maintain buildings, street and public services there now. Some day we will spend public money to help the present occupants move out and be done forever with the recurring expense«.5 Viele Städte am Ohio hatten, ebenso wie in anderen Regionen, dem Fluss regelrecht ihren Rücken gekehrt. Zudem waren die Stimmen derjenigen, die dem Fluss zumindest einen Teil  seines Raumes zurückgeben wollten, lange Zeit nur sehr leise zu vernehmen. Als Ohios Gouverneur James Rhodes 1981 der Zeremonie beim ersten Spatenstich für ein neues Kanalisierungsprojekt im Mill Creek Valley bei­wohnte, zeigte sich, wie verbreitet die Vorstellung (und die Praxis) der Eindämmung 4 Gerald White, During Flood or Drought. Locks, Dams Have Taken Rough Spots From Ohio River – Uncertainty Gone, Cincinnati Enquirer, 27.6.1964. 5 Editorial, Let’s Get a New ›Flood Stage‹, Cincinnati Post, 3.2.1950.

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von Flüssen noch war. Rhodes beschrieb den kleinen Fluss – ganz in der klassischen containment-Rhetorik – als ein Monster, einen schlafenden Giganten und einen Feind, den es zu bezwingen galt. Viele Bürger und Anrainer waren allerdings der bellizistischen Rhetorik ebenso müde wie sie die Kanalisierung der Flüsse zunehmend als Verlust empfanden; sie verlangten, wie ein Zeitgenosse treffend bemerkte, einen »Waffenstillstand« im Kampf gegen die Fluten.6 Die Forderung, den Flüssen ihren Raum zurückzugeben, wurde lauter, nicht nur am Mill Creek. Das Konzept und die Praxis des floodplain management kam dieser Forderung zumindest insofern nach, als das es anerkannte, dass das Überschwemmungsgebiet ein integraler Bestandteil des Flusses ist. Dies hieß auch, dass nicht nur der Fluss an die gesellschaftlichen Bedürfnisse angepasst werden musste, sondern dass auch die menschlichen Aktivitäten in der floodplain mit Rücksicht auf den Raumbedarf des Flusses reguliert werden sollten. Insofern war flood­ plain management auch ein ökologisches Konzept, das die regulierten Wasserwege in einem neuen Licht erscheinen ließ. Für den Mill Creek in Cincinnati hielt Stanley Hedeen 1998 fest: In addition to alleviating the need for expensive flood control projects, the removal of damageable property from its flood plain would allow the Mill Creek to be seen as a natural stream worthy of restoration and not a dangerous watercourse to be forever scorned.7

Eine derartige »Restaurierung« von Flüssen  – eine Forderung, die seit geraumer Zeit erhoben und auch umgesetzt wird  – bedeutete aber weit mehr als nur die Freihaltung der Überschwemmungsgebiete von schadensträchtigen Gebäuden und Nutzungen. Für »Umweltrestaurateure« sollen Natur generell und Flüsse im Besonderen in einen Zustand zurück versetzt werden, den sie vor der menschlich verursachten Degeneration aufwiesen. Natur soll regelrecht repariert werden, wie Marcus Hall prägnant formuliert hat.8 Neben dem ökologischen und ästhetischen Wert, den ein solcher »Rückbau« von Flüssen ohne Zweifel oft hat, wird auch immer wieder auf die Hochwasserschutzfunktion einer Renaturierung von Flussläufen hingewiesen.9 Dabei sollte allerdings nicht vergessen werden, dass die Möglichkeiten der Restaurierung 6 Hedeen, Waterproofing the Mill Creek Floodplain, 22. 7 Ebd., 23. 8 Vgl. Marcus Hall, Earth Repair. A Transatlantic History of Environmental Restoration. Charlottesville, VA, London 2005. 9 Vgl. Joachim T. Tourbier, Nachhaltige Hochwasservorsorge. Bewirtschaftung der Niederschläge und flächenhafter Rückhalt, in: Garten und Landschaft (11/2002), 16–20; Uwe Lübken, Naturschutz als Schutz vor der Natur. Überschwemmungen und Vulnerabilität im 19. und 20. Jahrhundert, in: Gerd Gröning / Joachim Wolschke Bulmahn (Hg.), Naturschutz und Demokratie. München 2006, 279–284.

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von Überschwemmungsgebieten begrenzt sind  – gerade an den großen Flüssen. Ein Rückbau von Industrieanlagen und Wohnsiedlungen ist vielerorts undenkbar. Zudem sollte man sich nicht der Illusion hingeben, dass solch naturnahe Lösungen zwangsläufig konfliktfrei ablaufen. »Not bricht Eisen« bemerkte schon Kaiser Wilhelm II. in Hinblick auf eventuell erforderliche Enteignungen in Überschwemmungsgebieten.10 Schließlich ist Vorsicht gegenüber zu euphorischen Bewertungen eines ökologischen Hochwasserschutzkonzeptes geboten, da dessen Praxistest zu einem großen Teil noch aussteht. »Das Beispiel Dresden zeigt eindrucksvoll, wie die Strategie der Freihaltung der Elbe den notwendigen Raum zugesteht«, formulierte eine Publikation der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins im Jahr 2002. Noch im selben Jahr zeigte die Elbe eindrucksvoll, wie optimistisch diese Einschätzung war.11 Am Ohio haben solche Restaurationsbemühungen bislang wenig Früchte getragen. Zwar wurde das Army Corps of Engineers im Jahr 2000 durch den Water Resources Development Act autorisiert, sein 308 Millionen Dollar teures Ohio River Ecosystem Restoration Program umzusetzen; Umweltgruppen kritisierten jedoch, dass dieses Programm nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basiere, dass es nicht umfassend und letztlich unterfinanziert sei.12 Der Ohio ist heute also bestenfalls, wie Sara Pritchard für die Rhône formuliert hat, ein »light green river«, und an vielen Stellen nicht einmal das.13 Die Renaissance der Flüsse zeigt sich am Ohio River weniger in Form von (re) naturalisierten Flussverläufen als in der Revitalisierung der urbanen riverfront. Hier ist die jüngste Entwicklung in Cincinnati illustrativ für die Spannungen zwischen einer an ökologischen Vorstellungen orientierten Wiederentdeckung der Flüsse und den mittlerweile wieder großen ökonomischen Interessen am Leben am Fluss. Im Jahr 2004 proklamierte die Ohio River Foundation, dass »[g]reater economic growth opportunities of tomorrow for the Ohio River are

10 Kronrats-Protokoll (Abschrift), 14.8.1903, Bundesarchiv Berlin, R43/1995. 11 Internationale Kommission zum Schutz des Rheins, Hochwasservorsorge. Maßnahmen und ihre Wirksamkeit. Koblenz, 2002, 19. Vgl. auch Lübken, Naturschutz als Schutz vor der Natur. Für den Plan, knapp 6.500 Hektar Farmland am Ouachita River im nördlichen Louisiana zurück in eine floodplain zu verwandeln, vgl. Destroying Levees in a State Usually Clamoring for Them, New York Times, 20.6.2009. Für den Rhein vgl. das Kapitel »A River Restored?« in Cioc, Rhine. Vgl. desweiteren, mit einem brauchbaren historischen Überblick, Ann Lawrence Riley, Restoring Streams in Cities. A Guide for Planners, Policy Makers, and Citizens. Washington, DC, 1998; sowie Mary Doyle / Cynthia A. Drew (Hg.), Large Scale Ecosystem Restoration. Five Case Studies from the United States. Washington, DC, 2008, und William R. Lowry, Dam Politics. Restoring America’s Rivers. Washington, DC, 2003. 12 Ohio River Foundation, A Framework for Ecosystem Restoration of the Ohio River and its Watershed. Cincinnati, OH, 2004, 2 (www.ohioriverfdn.org/stewardship/documents/ framework_ecosystem_restoration.pdf, 18.07.2013). 13 Pritchard.  Confluence, 239.

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not going to be navigation and industry related, but driven by increased recreation, residential and commercial development«.14 In der Queen City hatte diese Transformation nach jahrzehntelangen Planungen und Debatten Mitte der 1990er begonnen. Seitdem wurden unmittelbar am Wasser zwei Sportarenen, ein Museum und eine riesige Parkgarage errichtet, die 5.500 Automobilen Platz und damit vielen Menschen leichten Zugang zum Fluss bietet. Zuletzt wurde dieser Komplex durch The Banks erweitert, ein Immobilienprojekt, das vor allem Raum für Büros, Geschäfte und Wohnungen schafft. Vom nördlichen Ende der Innenstadt schlängelt sich heute auf fast fünf Kilometern Länge ein Grünstreifen mehrere Meilen flussaufwärts am Ohio River entlang.15 All diese Einrichtungen befinden sich zwar in der floodplain, sie sind aber entweder hochwassersicher gebaut oder weisen, wie die flussnahen Parks, ein geringes Schadenspotenzial auf. Damit wird das kulturelle, soziale und wirtschaftliche Leben an der riverfront mit großem Aufwand dem Zugriff des Wassers entzogen und eine neues, post-industrielles Verhältnis zwischen Stadt und Fluss kreiert. Dieses Verhältnis zeichnet sich zum einen durch die Wiederentdeckung des Flusses als integralem Bestandteil von Urbanität aus, oft mit (zum Teil nostalgischen) Verweisen auf die wichtige Rolle, die der Fluss in der Geschichte des Ohio Valley gespielt hat. Zum anderen wird der Fluss durch die Imprägnierung der Stadt aber auch entmaterialisiert und ist eher Kulisse für die neue fluviale Eventkultur. In sozialer Hinsicht wird der Fluss durch die Revitalisierung zwar wieder verfügbar gemacht; viele Wohnungsbauprojekte an den riverfronts – ob in Hamburg, Köln oder Cincinnati – sind aber schon aufgrund der hohen Investitionen, Kaufpreise und Mieten auch ein Faktor der Gentrifizierung, durch die der Fluss vielen Menschen eher verschlossen als erschlossen wird. Wie sich dieses neue Regime aus imprägnierten riverfronts, anhaltender Invasion der Überschwemmungsgebiete und zumindest teilweiser Restauration der natürlichen hydrologischen Dynamik unter den Bedingungen des anthropogenen Klimawandels entwickeln wird, ist noch nicht abzusehen. Vieles deutet darauf hin, dass die Niederschlagsmengen größer und die Scheitelwellen vielerorts höher ausfallen könnten als in der Vergangenheit. Unabhängig von der tatsächlichen Entwicklung in der Zukunft hat der Klimawandel sich bereits in der Form bemerkbar gemacht, dass er weltweit die Unsicherheiten über die Angemessenheit der gegenwärtigen Hochwasserschutzpolitik immens erhöht hat. Es bleibt abzuwarten, inwieweit das gegenwärtige amerikanische System des

14 Ohio River Foundation, A Framework for Ecosystem Restoration of the Ohio River, 9. 15 Vgl. Mark Lyons, An Ohio River City Comes Back to Its Shoreline, New York Times, 6.6.2012.

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Hochwasserschutzes und der Hochwasserprävention in der Lage ist, mit künftigen hydro-meteorologischen Extremereignissen im Ohio Valley umzugehen, denn seit der Extremflut im Jahr 1937 ist dieses System keinem intensiven Belastungstest mehr ausgesetzt worden. Wann dieser Test kommen wird, vermag heute niemand zu sagen, dass er kommen wird, steht außer Frage.

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Dank

Eine mehrjährige Forschungsarbeit in ein Manuskript und schließlich in ein Buch zu verwandeln, gelingt in den wenigsten Fällen ohne die Unterstützung einer stattlichen Anzahl von Menschen und Institutionen. Dies trifft auch auf die vorliegende Publikation zu. Danken möchte ich daher dem Deutschen Histo­rischen Institut in Washington, DC, an dem ich mehrere Jahre gearbeitet habe, und das meine Archivrecherchen substanziell unterstützt hat. Ebenso großer Dank gebührt dem Rachel Carson Center for Environment and Society in München (RCC), insbesondere seinen beiden Direktoren Christof Mauch und Helmuth Trischler, für eine äußerst produktive und inspirierende »Umwelt«, in der ich mein Manuskript überarbeiten konnte. Agnes Kneitz, Annka Liepold, Pierre Lipperheide, Constanze Sabathil, Martin Spenger und Lisa Spindler, alle am RCC, haben mich in vielfacher Hinsicht unterstützt und in mühsamer Kleinarbeit dafür gesorgt, dass diese Arbeit lesbarer und fehlerfreier geworden ist. Darüber hinaus habe ich sehr von den überaus wertvollen Kommentaren der Gutachter meiner Habilitationsschrift profitiert. Ihnen allen gilt mein herzlicher Dank. Auch ohne die Hilfe unzähliger Archivarinnen und Archivare wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen. Danken möchte ich hier vor allem Linda Showalter vom kleinen, aber sehr feinen Archiv des Marietta College in Ohio für die unkomplizierte Antwort auf etliche Nachfragen und den generösen Umgang mit Bildrechten. Der größte Dank aber gebührt Silke: für Verständnis, Unterstützung und vieles mehr, auch in den schwierigsten Situationen.

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Bildnachweis

Abbildung 1:

Verlauf des präglazialen Teays River und maximale Ausdehnung der Eisdecke (US National Park Service, public domain).

Abbildung 2:

Das Einzugsgebiet des Ohio River (envirocast.net / bearbeitet durch Eric Leinberger).

Abbildung 3:

»Carte générale du cours de la rivière de l’Ohio depuis ses sources jusqu’à ses bouches, avec le nom des villes, bourgs, villages et ceux des fermes actuellement établies sur ses rives«, 1796, Detail (Bibliothèque nationale de France, département Cartes et plans, CPL GE A 664, domaine public).

Abbildung 4:

Karte von Marietta, OH, ca. 1788 (Marietta College Library, Marietta, OH, Special Collections).

Abbildung 5:

»Map of the city of Cincinnati / from actual survey by Joseph Gest, city surveyor, 1838; engraved by Wm. Haviland« (Library of Congress, Washington, DC, Geography and Map Division, public domain).

Abbildung 6:

Cairo, Illinois, Zeichnung von H. Willbe, 1885 (Wikimedia Com­mons).

Abbildung 7:

»Map of Cincinnati and Suburbs and Covington and Newport«, M. & R. Burgheim Publishers, 1884 (Public Library of Cincinnati & Hamilton County, Cincinnati, OH).

Abbildung 8:

Photoalbum »Views of Points on the Ohio River during the Flood of 1884« (Public Library of Cincinnati & Hamilton County, Cincinnati, OH, R551.57 q1884).

Abbildung 9:

Photoalbum »Views of Points on the Ohio River during the Flood of 1884« (Public Library of Cincinnati & Hamilton County, Cincinnati, OH, R551.57 q1884).

Abbildung 10:

Photoalbum »Views of Points on the Ohio River during the Flood of 1884« (Public Library of Cincinnati & Hamilton County, Cincinnati, OH, R551.57 q1884).

Abbildung 11:

Photoalbum »Views of Points on the Ohio River during the Flood of 1884« (Public Library of Cincinnati & Hamilton County, Cincinnati, OH, R551.57 q1884).

Abbildung 12:

Photoalbum »Views of Points on the Ohio River during the Flood of 1884« (Public Library of Cincinnati & Hamilton County, Cincinnati, OH, R551.57 q1884).

Abbildung 13:

Foto: Uwe Lübken.

Abbildung 14:

San Francisco Public Library, Historical Photograph Collection, Photo ID Number: aad-7573.

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303

Bildnachweis Abbildung 15:

Titelblatt der Publikation Dayton Flood Book Co., Dayton Flood. Dayton, OH, ca.1915.

Abbildung 16:

Marietta College Library, Marietta, OH, Special Collections, Local History Archives, Folder »Floods (1)«.

Abbildung 17:

Bigelow, The 1913 Flood and How it was met by a Railroad, 4-5; modifiziert von Eric Leinberger.

Abbildung 18:

Marietta College Library, Marietta, OH, Special Collections, Local History Archives, Folder »Floods (1)«.

Abbildung 19:

Wright State University, Dayton, OH, Miami Conservancy District Collection.

Abbildung 20:

Foto: Uwe Lübken.

Abbildung 21:

Filson Historical Society, Louisville, KY, Frances MacGregor Ingram Papers, 1874-1954, Folder »1937 Flood«.

Abbildung 22:

Marietta College Library, Marietta, OH, Special Collections, Local History Archives, Folder »Floods (1)«.

Abbildung 23:

Filson Historical Society, Louisville, KY, Tom Wallace Papers.

Abbildung 24 und 25: Library of Congress, Washington, DC, Prints & Photographs Division, Historic American Building Survey, HABS ILL, 16-CHIG, 33-2, public domain.

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Abkürzungen

ARC ARBD CCC CHS COE DOA FEMA FIA FHS HUD MC NARA NFIP OHS/OSA RG RLP TVA UC USGS

American Red Cross Archives and Rare Books Division, University of Cincinnati Civilian Conservation Corps Cincinnati Historical Society, Cincinnati, Ohio United States Army Corps of Engineers Department of Agriculture Federal Emergency Management Agency Federal Insurance Administration Filson Historical Society, Louisville, Kentucky Department for Housing and Urban Development Marietta College Library, Marietta, Ohio National Archives and Records Administration, College Park, MD National Flood Insurance Program Ohio Historical Society/Ohio State Archives, Columbus, Ohio Record Group Repetitive Loss Properties Tennessee Valley Authority University of Cincinnati / Archives and Rare Books Division United States Geological Survey

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II: Cincinnati Historical Society, Cincinnati, OH Bossart Collection, 1937 Flood Herbert Seeley Bigelow Papers Boy Scouts of America, Cincinnati Area Council Cincinnati and Suburban Bell Telephone Company Engineering Department, Records of the 1937 Flood Cincinnati Chamber of Commerce, Minutes and Records Cincinnati Fire Department, Records I & II Cincinnatus Association Papers Citizens Development Committee Community Chest and Council of the Cincinnati Area Vertical File

III: University of Cincinnati – Archives and Rare Books Department Urban Studies Collection: Alfred Bettman Papers (US-69–01) Municipal Reference Library, Vertical Files (US-04–09)

IV: Cincinnati and Hamilton County Public Library, Archives and Rare Books Division, Inland Rivers Library, Cincinnati, OH

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Register

20 inch rainfall line  25–27 308 reports  201 f. A Abbott, H. L.  164–165, 167 Abholzung  s. Entwaldung African Americans  15, 53, 107–109, 132, 148, 223–225, 258–260 Agricultural Adjustment Administration  244 Allegheny River  29, 41, 43, 50 f., 62–64, 100, 143, 164, 171, 173 Allen, Richard F.  268 Alvord, John Watson  187 American Forestry Association  240 Amerikanisches Rotes Kreuz  8, 145, 154, 190, 206, 208, 216, 218–230, 258, ­262–264, 266–269 Army Corps of Engineers  38, 114 f., 160, 167 f., 170, 172, 189, 199, 201, 203, 234, 236, 246, 248 f., 252, 261, 279, 298 Appalachian Mountains  55 Associated Charities (Cincinnati)  130, 135 f., 141–144 Audubon, John J.  83 f., 97 B Backus, James  67–69 Ballou, William Hosea  44 f., 160, 167 f., 243 f. Barton, Clara  145, 228 Beck, Laura  177 f., 183 f. Beaumont, Gustave de  88 Beckwith, General A.  153 Bewässerung (irrigation) 25–27 Bigelow, Herbert Seeley  202, 215, 227, 236 Biggert-Waters Flood Insurance Reform Act von 2012  290 Bingham, Robert W.  264 Biological Survey (DOA)  244 f. Birds Point-New Madrid Floodway  207 Bismarck, Otto von  122 Blainville, Célèron de  50 Bouquet, Henry  63 f. Brinkley, William  273

Brown, Robert M.  188 f. Browning, Bryce  200 Brücken  100, 148, 182–184 Burdick, Charles Baker  187 C California, OH  136 Cairo, IL  78–82, 175, 281 Cairo City and Canal Company  79 Caldwell, William Ervin  217 Cavelier de la Salle, René Robert  49 Chase, Salmon P.  93 Chillicothe, OH  174 Cincinnati, OH  31 f., 36, 44, 72–76, 87 f., 105–107, 175–177, 242 f., 251, 258–261, 277 f., 286 f., 296–299 (s. a. Ohio River Überschwemmungen) Cincinnati Chamber of Commerce  176 Cincinnati Relief Committee 1883/1884  98, 130–140, 144, 146, 148, 153–155 Cincinnati Relief Committee 1913  175 Cincinnati Community Chest  175 Cincinnati Planning Commission  211, 232, 259, 261 Cincinnati & Suburban Bell Telephone Commpany  216, 220 Cincinnatus Association  260 f. Civilian Conservation Corps  229 Clark, George Rogers  86 Clingman, Charles  230 Collot, Georges Henri Victor  64, 73, 75 Columbus, OH  174 Conservancy Act (Vonderheide Act) 1914  191–193, 200 Coolidge, Calvin  15 Comegys, John G.  78 Coshocton, OH  197 Covington, KY  128, 143, 156 Crosley Radio Works  211, 228 Cumberland River  46 f., 206 Cutler, Ephraim  69 f., 90 f. D Darby, William  163

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Register Dawson, Miles  11, 32 f., 248, 251 f., 255 f., 277 f. Dayton, OH  170, 175, 178–181, 187, ­190–192, 194, 251 Dayton Flood Prevention Committee  190 f. Deeds, Edward A.  191 Deiche  s. levees Denman, Matthias  72 Denver, CO  251 Department of Agriculture  239 f., 244 Department for Housing and Urban ­ Development  249, 276, 280 f. Desasterforschung  12 f. DeVacht, Joseph W.  96 Deveraux, William C.  7 Dickens, Charles  74 Disaster gap  30, 38, 71, 95, 116, 124, 204, 279, 293 Disaster Loan Corporation  273 Disaster Relief Act von 1950  279 f. Dover, OH  197 Dresden, OH  113, 197 Duquesne, Marquis de  51 Dürren  59, 109 f., 112, 197, 200, 253 Dykstra, C. A.  228 E Eads, James B.  166 Eisenbahn, 104 f.  128 f. Eiszeit 39–41 Ellet, Charles  29, 111, 164 f., 167 Ellsworth, Henry  179 Entwaldung 239–247 F Federal Emergency Management Agency 279 Federal Flood Indemnity Administration 285 Federal Flood Insurance Act von 1956  285 Federal Insurance Administration  286 Federal Power Commission  201 Findlay, OH  277 Flood Control Act –– von 1928, 202 –– von 1936, 38, 114, 160, 201–205, 233 f., 239, 244, 248 f. –– von 1938, 234 –– von 1939, 199 Flussregime 32 Fordham, Elias  88

Forman, Samuel S.  56 f. Frauenvereine 145–146 Frankfort, KY  260, 265 Fulton, Robert  114 G Gallipolis, OH  76–78, 96 Galt, Max  273 Garnett, James  264 Garrett, Charles Wilbur  185 Goodrich, Ernest P.  259 Great Migration  258 f. Greene, William  71 Greve, Theodore  89, 124 H Hamilton, OH  175, 187, 194 Harrison, Benjamin  166 Hartford, CN  251, 282 Hearst, William Randolph  190 Heinz, Howard J.  171 Herbert, P.O  163 Hildreth, Samuel  31, 69, 100, 242 Hochwassermessung  95 f., 126 f. ­ iver Hochwasserschutz  160–170, s. a. Ohio R –– am Mississippi  160–167 Horton, A. H.  168, 182, 188–190 House Committee on Flood Control  233 Hubbard, C. M.  142, 146 Hubbell. J. B.  145 Humphreys, Andrew A.  164 f. Huntington, WV  207 Hurrikan Agnes 1972  287 Hurrikan Betsy 1965  285 Hurrikan Katrina 2005  13, 15, 20, 38, 218, 230, 288 f. »Hydraulische Gesellschaft«  25 I Infrastrukturen  173, 181–187, 213–217 Ingalls, Meville  156 Ingram, Frances,  230 f. J Jackson, H. J.  168, 182, 188–190 Jim, South Dakota Boy  190 Johnson, Andrew  166 Johnson, Lyndon B.  15 Johnston, Dorothy Honeywell  266 Johnstown, PA, Flut von 1889  38, 139, 169, 179, 187, 226, 230

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Register

K Kansas City, MO  251 Kaskaskia 269 Kentucky River  119 King, Sarah  92 Kinkead, Eliza  117 Kinzua Dam  173, 237 Krabach, Richard  286–287 L Leighton, M. O.  168 Levees und Levees only-Doktrin  38, ­80–81, 115 f., 160–170, 189, 191, 201, 232, 247– 249 Los Angeles  251 Louisville, KY  22, 29, 36, 85 f., 90 f., 95, 97, 135, 251, 262–265 (s. a. Ohio River Überschwemmungen) Louisville Neighborhood House  230 f. Lowe, Al S.  274 Ludlow, Israel  75, 178 M Mad River  178 Marietta, OH  36, 65–71, 177 f., 189, 243, 252 (s.a. Ohio River Überschwemmungen) Marquardsen, Heinrich  122 Masonic Flood Committee (Cincinnati)  134 f., 141 Massillon, OH  198 May, John  57 f. Maxwell, Sydney D.  136, 148 f., 156 f., 159 McClure, James G. K.  240 McCracken, Lillian  224 McLean, John R.  156 Merewitz, E.  122 Miami River  170, 174, 178, 192, 277 f. Miami Conservancy District  170, 190–196 Miamisburg, OH  175 Middendorf, Oscar  175 Middletown, OH  175 Mill Creek (Cincinnati)  210–212, 223, 235 f., 260, 277 f., 296 f. (s.a. Ohio River Überschwemmungen) Miller, Neville  224, 227, 238, 262 Mississippi River  40, 161–167, 201, 249, 281 –– Flut von 1874  166 –– Flut von 1899  269 –– Flut von 1927  15, 201, 207, 218, 282 –– Flut von 1993  288 Mississippi River Commission  166 f.

Mohl, Ottmar von  122 Monongahela River  29, 41, 43, 51, 56 f., 63 f., 164, 171 More, Louis T.  176 f. Morgan, Arthur E.  170, 191 f., 194, 197 f., 203, 276 Muskingum River  48, 65–68,113, 118 f., 174, 177 Muskingum Conservancy District  196–200 Muskingum-Tuscarawas-Improvement Asso­ciation  197 N National Broadcasting Company  228 National Cash Register Company  191 National Flood Insurers Association  286 National Flood Insurance National Resources Committee  254 National Urban League  225 Native Americans  44–49, 53 f., 58–60, 75 Naturkatastrophen –– in der Geschichtswissenschaft  18–22 –– und Klimawandel  20, 291, 299 f. –– und Religion  17 –– als Katalysatoren des Wandels  259 –– und Erinnerungskultur  34 New Deal  198, 225–230 New Orleans  86, 161–163, 251, 288 New Philadelphia, OH  197 Newcomerstown, OH  197 Newport, KY  128, 143, 156, 235 Newport, OH  96, 117 Niles, Hezekiah  77 Northwest Ordinance  53, 107 O Ohio River Fluten, –– Flut von 1832  89–101, 120 –– in Cincinnati  91–99 –– Flut von 1847 –– in Cincinnati  117 f. –– Flut von 1860  118 f. –– Flut von 1883  102, 122–134, 155 f. –– in Cincinnati  125–134 –– Flut von 1884  102, 122–125, 134–159, 167 –– in Cincinnati  135–141, 148–152 –– in Marietta, OH  152 –– Flut von 1907  92, 142, 146, 170–175, 204, 211, 242, 244 –– Flut von 1913  161, 173–187, 282

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Register –– in Cincinnati  175–177 –– in Dayton, OH  170, 178–181 –– in Evansville, IN  229 –– in Findlay, OH  277 –– in Marietta, OH  177 f., 257 –– in Shawneetown, IL  271 –– Flut von 1936  173, 204 f., 282 –– Flut von 1937  7 f., 15, 22, 31, 38, 61, 196, 206–238, 257 f. –– Black Sunday  206 –– in Cincinnati  206–215, 219–223, 225–229, 232–236, 238 –– in Evansville  IN, 257 –– und Feuer  210–212 –– in Louisville  206–210, 212–214, ­217–220, 224–228, 230–238 –– in Paducah, KY,  209, 226 –– in Pittsburgh  207 –– in Shawneetown  IL, 224, 271 –– in Uniontown, KY  266 –– Flut von 1959  196, 277 f. –– Flut von 1964  236 –– Flut von 1997 –– Historiographie zu Überschwemmungen am  22, 37 f. Ohio River, Neun Fuß Projekt  253–255 Ohio River Schifffahrt  102 f., 109–112, 120, 148, 185, 253–255 Ohio River Foundation  298 f. P Paducah, KY  209 (s. a. Ohio River Überschwemmungen) Panama Pacific International Exposition 1915  179 f. Patterson, John H.  191 Pennsylvania Railroad  183–186 Peterson, J. J.  252 Peru, Erdbeben von 1970  14 Pierson, Thomas C.  261 Pittsburgh, PA  10, 41, 50 f., 56, 62–65, 87, 143, 170–173, 204 f., 233, 236, 251, 253, 260 f. (s. a. Ohio River Überschwemmungen) Pittsburgh Flood Commission  170–173, 204, 255 Pontiac 52 Portland Cement Association  293 Prall, Anning S.  216, 228 f. Procter & Gamble  228 Prugh, Charles B.  183

Pruitt, Richard  236 Public Works Administration  198, 273 R Radio  97, 215–217, 220, 227 f. Reconstruction Finance Corporation  273 Reservoirs  111, 153, 160–173 Renaturierung von Flüssen  297 f. Rhodes, James  296 f. Risikogesellschaften, Risiko am Fluss  27, 33–36, 162 Rivers and Harbors Acts  114, 201 Roberts, Milner  253 Roosevelt, Franklin Delano  198 Ropke, Frank A.  97 Rotes Kreuz  s. Amerikanisches Rotes Kreuz Rückhaltebecken  s. Reservoirs Russell, Thomas Herbert  181 S San Francisco, Erdbeben von 1906  32, 38, 146, 179, 187, 237 f., 289 Salyer, J. Clark  245 Scherzer, Karl  162 Schoepf, Johann David  56 Schultz, Christian  57, 60 f., 69, 76–78, 87 Scioto River  174, 186, 251–252, 277 f. Scripps, E. W.  152 Shawneetown, IL  163, 224, 229, 269–277 (s. a. Ohio River Überschwemmungen) Shreve, Henry M.  114 f. Simpich, Frederick  239 Small, Curtis G.  274 Small Business Administration  280 Soil Conservation Service  244, 246 Souris River  245 Sozio-naturaler Schauplatz  10 f., 35 Spenden  122 f., 130–132, 134, 139–141, 143, 175, 190 Springfield, IL  251 Stanton, Edwin  166 St. Louis  260 f. Standard Oil  211 Stone, Stephen  99 Stowe, Harriet Beecher  107 Swamp Land Acts von 1849 und 1850  164 Swift, Paul  242 Symmes, John Cleves  72 f. T Tapp, William C.  264

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Register

Teays River  40 f. Tennessee River  206 Tennessee Valley Authority  170, 194, 236, 244, 246 Thomas, Ebenezer Smith  89 f., 95, 100 f. Thwaites, Reuben Gold  270 Toqueville, Alexis de  88 Trollope, Frances  88 Truman, Harry S.  284 Tuscarawas River  197 Tyler, General Max. C.  160 U Überschwemmungen  s. a. Ohio River –– »normale«  30, 56–58, 38, 69, 79, 102, 115–121 –– Überschwemmungsgebiete (floodplains)  28–30, 80–82, 181 Uniontown, KY  265–269 United States Army Corps of Engineers  s. Army Corps of Engineers United States Forest Service  172 United States Geological Survey  121, 168, 172, 182, 186, 188, 257, 275 United States Weather Bureau  120 f., 172 V Van Buren, Martin  115 Van Dyke Norman, Jonathan Jr.  227 Vance, John L.  78, 125, 135 f., 151

Vermont, Überschwemmung von 1927  134, 183, 200 f., 228 Vulnerabilität  10, 13–18, 80, 121, 159 W Wabash River  174, 206, 245 Wagner, Moritz  162 Walker, W. P.  133 Wallcut, Thomas  68 Washington, George  51, 53, 62, 107 Wasserkreislauf  24 f. Water Resources Development Act von 2000 298 WAVE, Radiosender  217, 220, 289 f. Webb, Walter Prescott  25 West Point, KY  289 f. Wheeling, WV  207, 233, 236 White, Gilbert F.  188, 201, 203, 239, 248, 255 f. White River  245 Wied, Prinz Maximilian von  98 Wilson, E. Reed  224 Wittfogel, Karl August  25 Works Progress Administration  222 f., 229, 273 Wright, James M.  256 Z Zanesville, OH  197, 200 Zoar, OH  237

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317068 — ISBN E-Book: 9783647317069

Die erste komprimierte Geschichte von Greenpeace von den Anfängen bis heute

Frank Zelko

Greenpeace Von der Hippiebewegung zum Ökokonzern Aus dem Englischen von Birgit Brandau Umwelt und Gesellschaft, Band 7. 2014. ca. 340 Seiten, mit 27 Abb., gebunden ISBN 978-3-525-31712-9 Auch als eBook erhältlich

Die Weltorganisation »Greenpeace« ist ein global agierendes, in den Medien allgegenwärtiges Unternehmen. Seine dramatische Geschichte, seine komplexe Struktur und faszinierende Philosophie fordern alle wissenschaftlichen Disziplinen heraus. Wie formten die Anfänge den zukünftigen Weg von Greenpeace? In welchem Maß wurde Greenpeace den Idealen seiner Gründer gerecht? Und inwiefern haben sich die facettenreichen Anfänge auf die heutige Erscheinungsform ausgewirkt? Nicht nur die Organisation Greenpeace hat sich in den vier Jahrzehnten ihres Bestehens fundamental geändert, auch das allgemeine Verständnis von Umwelt und Natur hat sich gewandelt. Aus einer regionalen GegenkulturBewegung ist ein global sichtbares Bewusstsein, eine hocheffiziente Strategie entstanden, geleitet von einer straffen Organisation. Allein schon die Menge an Dramen, an Pathos, an hier erzählten komischen Momenten lohnt die Lektüre dieses Buches.

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© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317068 — ISBN E-Book: 9783647317069

Umwelt und Gesellschaft Band 6: Sebastian Strube

Band 3: Cornel Zwierlein

Euer Dorf soll schöner werden

Der gezähmte Prometheus

Ländlicher Wandel, staatliche Planung und Demokratisierung in der Bundesrepublik Deutschland

Feuer und Sicherheit zwischen Früher Neuzeit und Moderne

2013. 256 Seiten, mit 1 Karte, 1 Abb. und 2 Tab., gebunden ISBN 978-3-525-31711-2 Auch als eBook erhältlich

Das Buch untersucht den Wettbewerb »Unser Dorf soll schöner werden« und fragt, welchen Anteil dieser an der Veränderung des ländlichen Raums in den 1960er und 70er Jahren hatte.

2011. 449 Seiten mit 7 Abb., 7 Tab., 21 Grafiken und 18 Farbtafeln, gebunden ISBN 978-3-525-31708-2 Auch als eBook erhältlich

Die Studie untersucht Umfang und Wahrnehmung großer Brandkatastrophen der Vormoderne sowie die Entwicklung des Versicherungsprinzips und der Feuerversicherung vom 15. bis ins 19. Jahrhundert.

Band 2: Ute Hasenöhrl Band 6: Martin Bemmann

Zivilgesellschaft und Protest

Beschädigte Vegetation und sterbender Wald

Eine Geschichte der Naturschutz- und Umweltbewegung in Bayern 1945–1980

Zur Entstehung eines Umweltproblems in Deutschland 1893–1970 Umwelt und Gesellschaft, Band 5. 2012. 540 Seiten, mit 13 Abb., gebunden ISBN 978-3-525-31710-5 Auch als eBook erhältlich

Das Buch untersucht den Wandel der Interpretation von Umweltphänomenen am Beispiel immissionsbedingter Waldschäden.

2011. 632 Seiten, mit 28 Abb. und 11 Tabellen, gebunden ISBN 978-3-525-31707-5 Auch als eBook erhältlich

Band 1: Frank Uekötter

Die Wahrheit ist auf dem Feld Eine Wissensgeschichte der deutschen Landwirtschaft 3. Auflage 2012. 524 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-31705-1 Auch als eBook erhältlich

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© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525317068 — ISBN E-Book: 9783647317069