Zwischen Assur und Athen: Altorientalisches in den Historien Herodots 9783515117432

Das vielschichtige Verhältnis Herodots zur Welt des persischen Alten Orients bildet die thematische Leitlinie dieses Ban

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Zwischen Assur und Athen: Altorientalisches in den Historien Herodots
 9783515117432

Table of contents :
INHALTSVERZEICHNIS
EINLEITUNG
Margarethe Häcker-Vortrag: Altorientalisches bei Herodot: das wiehernde Pferd des Dareios I. (Robert Rollinger)
Margarethe Häcker-Workshop: Perser, Meder oder Barbaren? Herodots Gebrauch der Persernamen und -sitten: zwischen griechischer Literatur und persischer Ethnographie (Anthony Ellis)
Xerxes und der Kopf des Leonidas. Handlungszwänge und Rollenverständnis eines persischen Großkönigs (Hilmar Klinkott)
Herkunft, Transformation und Funktion orientalischer
Kriegsmotive bei Herodot (Norbert Kramer)
Das Reiterrelief des Dareios und Herodots Umgang
mit Inschriften (Julia Lougovaya-Ast)
Der Schiffseinsatz bei der Araxes-Überquerung Kyros᾽ II. –
eine Inszenierung persischer Macht? (Dennis Möhlmann)
Die gepfählten Reiter: Herodots Skythen-Bild zwischen Realität und Fiktion (Monika Schuol)
Achaimenidische Königsideologie in Herodots Erzählung
über Xerxes, Hdt. 7,8–11 (Andreas Schwab)
Die Priester der Despoten. Herodots persische Magoi (Kai Trampedach)

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Das vielschichtige Verhältnis Herodots zur Welt des persischen Alten Orients bildet die thematische Leitlinie dieses Bandes: Er versteht sich als eine „interdisziplinäre Stellenkommentierung“ und zielt darauf ab, zu neuen Blickwinkeln und Deutungen anzuregen. Altorientalische Elemente stehen angesichts des griechischen Grundcharakters der Historien zwar nicht im Mittelpunkt, sind aber dennoch häufig und dicht nachzuweisen. Hier ergibt sich unweigerlich eine Reihe von Fragen: Wie fanden Informationen über den Alten Orient überhaupt ihren Weg zu Herodot? Erkannte er ihre originäre Bedeutung? Und wie

Die Autorinnen und Autoren dieses Bandes wollen eine konstruktive Diskussion anregen, die Herodot als „Wanderer zwischen den Welten“ ernst nimmt und die dazu beiträgt, auch Bekanntes aus anderen Blickwinkeln neu zu überdenken.

www.steiner-verlag.de

Alte Geschichte

Franz Steiner Verlag

Franz Steiner Verlag

Klinkott / Kramer

ISBN 978-3-515-11743-2

Zwischen Assur und Athen

und zu welchem Zweck verfremdete er sie für sein griechisches Publikum?

Spiel Räume der Antike 4

Zwischen Assur und Athen Altorientalisches in den Historien Herodots Herausgegeben von Hilmar Klinkott und Norbert Kramer

Zwischen Assur und Athen Herausgegeben von Hilmar Klinkott und Norbert Kramer

SPIELRÄUME DER ANTIKE Herausgegeben vom Zentrum für Altertumswissenschaften der Universität Heidelberg Band 4 Die im Jahre 2006 erstmalig an der Universität Heidelberg abgehaltene Häcker-Vorlesung gründet in einem für die Altertumswissenschaften an dieser Universität kennzeichnenden Konzept. Die verschiedenen, sich mit der europäischen und außer-europäischen Antike beschäftigenden Disziplinen werden am Beispiel von Grundfragen der Kulturgeschichte in einen Dialog gebracht, um so die engen Fächergrenzen zu überwinden und den in den Teildisziplinen angesammelten Schatz an Wissen für den Diskurs in den Geisteswissenschaften zu erschließen. In der einmal im Jahr stattfindenden, nach den sie fördernden Mäzenen Gisela und Reinhard Häcker benannten Vorlesung wird international profilierten Vertreterinnen und Vertretern altertumswissenschaftlicher Disziplinen die Gelegenheit eröffnet, in Vorträgen Themen von übergeordnetem Interesse der Öffentlichkeit zu vermitteln. In der Zusammenschau der Vorträge soll im Laufe der Jahre ein Panorama der Vielfalt von Ausdrucksformen, die Kultur und Gesellschaft im Laufe der Jahrtausende im Alten Orient, in Ägypten, in der europäischen Frühzeit und in der griechisch-römischen Antike angenommen haben, entstehen.

ZWISCHEN ASSUR UND ATHEN Altorientalisches in den Historien Herodots

Herausgegeben von Hilmar Klinkott und Norbert Kramer

Franz Steiner Verlag

Umschlagabbildung: Relief aus dem Hundertsäulensaal in Persepolis © akg-images / Gérard Degeorge Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2017 Druck: Hubert & Co., Göttingen Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-11743-2 (Print) ISBN 978-3-515-11752-4 (E-Book)

INHALTSVER ZEICHNIS

Einleitung 7 Margarethe Häcker-Vortrag Robert Rollinger Altorientalisches bei Herodot: das wiehernde Pferd des Dareios I. 13 Margarethe Häcker-Workshop Anthony Ellis Perser, Meder oder Barbaren? Herodots Gebrauch der Persernamen und -sitten: zwischen griechischer Literatur und persischer Ethnographie 45 Hilmar Klinkott Xerxes und der Kopf des Leonidas. Handlungszwänge und Rollenverständnis eines persischen Großkönigs 61 Norbert Kramer Herkunft, Transformation und Funktion orientalischer Kriegsmotive bei Herodot 83 Julia Lougovaya-Ast Das Reiterrelief des Dareios und Herodots Umgang mit Inschriften 105

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Inhaltsverzeichnis

Dennis Möhlmann Der Schiffseinsatz bei der Araxes-Überquerung Kyros᾽ II. – eine Inszenierung persischer Macht? 123 Monika Schuol Die gepfählten Reiter: Herodots Skythen-Bild zwischen Realität und Fiktion 145 Andreas Schwab Achaimenidische Königsideologie in Herodots Erzählung über Xerxes, Hdt. 7,8–11 163 Kai Trampedach Die Priester der Despoten. Herodots persische Magoi 197

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EINLEITUNG

D

er massive Ausstoß an Publikationen zu Herodot in den letzten Jahrzehnten suggeriert, dass die Forschung zum ›Vater der Geschichte‹ mittlerweile alle wichtigen Bereiche gründlich erarbeitet und durchdrungen hat und dass kaum mehr Neues zu gewinnen ist. Dissertationen1 und andere Fachmonographien2, historische Kommentierungen3 sowie in jüngster Zeit vor allem opulente Sammelbände4 und 1 Siehe z. B.: V. Zali, The Shape of Herodotean Rhetoric. A Study of the Speeches in Herodotus’ Histories with Special Attention to Books 5–9, Leiden/Boston 2015; J. Brehm, Generationenbeziehungen in den Historien Herodots (CLeO 8), Wiesbaden 2013; S. Fröhlich, Handlungsmotive bei Herodot, Stuttgart 2013; T. Hariza, Le Kaléidoscope hérodotéen. Images, imaginaires et représentations de l’Égypte à travers le livre II d’Hérodote, Paris 2009; W. Blösel, Themistokles bei Herodot: Spiegel Athens im fünften Jahrhundert (Historia ES 183), Stuttgart 2004; W. Sieberer, Das Bild Europas in den Historien, Innsbruck 1995. 2 Siehe z. B.: L. Török, Herodotus in Nubia, Leiden/Boston 2014; J. A. Evans, The Beginning of History. Herodotus and the Persian Wars, Campbellville 2006; J. D. Mikalson, Herodotus and Religion in the Persian Wars, Chapel Hill/London 2003; T. Harrison, Divinity and History. The Religion of Herodotus, Oxford 20022; R. V. Munson, Telling Wonders. Ethnographic and Political Discourse in the Work of Herodotus, Ann Arbor 2001; R. Thomas, Herodotus in Context. Ethnography, Science and the Art of Persuasion, Cambridge 2000, F. Hartog, The Mirror of Herodotus. The Representation of the Other in the Writing of History, Berkeley/Los Angeles 1988; zur weiteren Forschungsdiskussion siehe W. K. Pritchett, The Liar School of Herodotus, Amsterdam 1993. 3 Siehe z. B.: S. Hornblower, Herodotus, Histories: Book V, Cambridge 2013; D. Hamel, Reading Herodotus, Baltimore 2012; D. Asheri, Herodotus Libro VIII: La vittoria die Temistocle, Mailand 2010; R. B. Strassler, The Landmark Herodotus: The Histories, New York 2009; R. Bichler, Historiographie – Ethnographie – Utopie. Gesammelte Schriften, Teil 1: Studien zu Herodots Kunst der Historie (Philippika 18, 1), Wiesbaden 2007; D. Asheri / A. Lloyd / A. Corcella, A Commentary on Herodotus, Books I–IV, Oxford 2007; A. M. Bowie, Herodotus, Histories: Book VIII, Cambridge 2007; D. Asheri, Herodotus Libro IX: La battaglia di Platea, Mailand 2006; L. Scott, Historical Commentary on Herodotus Book 6, Leiden/Boston 2005; M. A. Flower / J. Marincola, Herodotus, Histories: Book IX, Cambridge 2002; R. Bichler, Herodots Welt, Berlin 2000; D. Müller, Topographischer Bildkommentar zu den Historien Herodots: Griechenland, Tübingen 1987; D. Müller, Topographischer Bildkommentar zu den Historien Herodots: Kleinasien, Tübingen 1997. 4 Siehe z. B.: L. Coulon / P. Giovannelli-Jouanna / F. Kimmel-Clauzet, Hérodote

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Einleitung

Kompendien5 vermitteln allein schon durch ihre Titel und schieren Druckumfang den Eindruck einer gesamtheitlichen Erfassung. Wie groß dennoch weiterhin der Forschungsbedarf und auch das Erkenntnispotential ist, zeigen insbesondere Studien, die eine interdisziplinäre Perspektive einnehmen und spezielle thematische Analysen, detaillierte Stellenkommentare oder sprachliche und literarische Detailuntersuchungen für das Gesamtverständnis des großen herodoteischen Werkes fruchtbar machen.6 So ist es auch das Ziel des vorliegenden Bandes, durch eine Art »interdisziplinärer Stellenkommentierung« zu neuen Blickwinkeln und Deutungen anzuregen. Dabei bildet das vielschichtige Verhältnis Herodots zur Welt des persischen Alten Orients die thematische Leitlinie. Dies schien uns besonders erfolgversprechend, weil solche altorientalischen Elemente angesichts des griechischen Grundcharakters des Werkes nicht im Mittelpunkt stehen, nichtsdestoweniger aber häufig und dicht nachzuweisen sind. Hier ergibt sich unweigerlich eine Reihe von Fragen, so, wie solche Informationen überhaupt ihren Weg zu Herodot fanden,7 ob er ihre originäre Bedeutung erkannte oder wie und zu welchem Zweck er sie für sein griechisches Publikum verfremdete.8 et L’Égypte. Regards croisés sur le livre II de l’enquête d’ Hérodote, Lyon 2013; R. V. Munson, Herodotus and the World, Oxford 2013; R. V. Munson, Herodotus and the Narrative of the Past, Oxford 2013; B. Dunsch / K. Ruffing, Herodots Quellen – Die Quellen Herodots (CLeO 6), Wiesbaden 2013; K. Geus / E. Irwin / T. Poiss, Herodots Wege des Erzählens, Frankfurt a. M. 2013; E. Baragwanath, Myth, Truth and Narrative in Herodotus, Oxford 2012; R. Rollinger / B. Truschnegg / R. Bichler, Herodot und das Persische Weltreich (CLeO 3), Wiesbaden 2011; B. Bleckmann, Herodot und die Epoche der Perserkriege, Köln 2007; V. Karageorghis / I. Taifacos, The World of Herodotus. Proceedings of an International Conference, Nicosia, September 18–21, 2003, Nicosia 2004. 5 Siehe z. B.: C. Dewald / J. Marincola, The Cambridge Companion to Herodotus, Cambridge 2006. 6 Siehe z. B. Dunsch/Ruffing 2013; M. Meier / B. Patzek / U. Walter / J. Wiesehöfer, Deiokes, König der Meder. Eine Herodot-Episode in ihren Kontexten (Oriens et Occidens 7), Stuttgart 2004; G. B. Lanfranchi, M. Roaf, R. Rollinger, Continuity of Empire (?). Assyria, Media, Persia (History of the Ancient Near East 5), Padua 2003. 7 Für die vielseitigen Schwierigkeiten in Herodots Umgang mit den Quellen siehe D. Fehling, Die Quellenangaben bei Herodot, Studien zur Erzählkunst Herodots, Berlin 1971 und D. Fehling, Herodots and his ›Sources‹. Citation, Invention and Narrative Art, Liverpool 1989; ferner H.-G. Nesselrath, Indigene Quellen bei Herodot und ihre Erfinder – einige Fallbeispiele, in: Dunsch/Ruffing 2013, 85–93; M. Dorati, Indicazioni di fonti (›Quellenangaben‹) e narrazione storica. Alcune considerazioni narratologiche, in: Dunsch/Ruffing 2013, 223–240; N. Luraghi, Local Knowledge in Herodotus’ Histories, in: N. Luraghi, The Historian’s Craft in the Age of Herodotus, Oxford 2001, 138–160. 8 Vgl. B. Jacobs / K. Trampedach, Das Konzept der achämenidischen Monarchie nach

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Einleitung

Ausgangspunkt für dieses Projekt war die seit 2008 jährlich am Zentrum für Altertumswissenschaften der Universität Heidelberg ausgerichtete Margarethe Häcker-Vorlesung vom 2. Juni 2015. Robert Rollinger hielt den Festvortrag zum Thema »Altorientalisches in den Historien Herodots«, und sein hieraus entstandener Beitrag leitet unseren Band ein. Rollinger widmet sich am Beispiel der Königserhebung Dareios’ I. der Frage, in welchem Maß und auf welche Weise altorientalische Elemente in Herodots Historien Eingang gefunden haben und in sein Narrativ eingebunden sind, und inwieweit Herodots Bemerkungen Rückschlüsse auf die tatsächlichen persischen Begebenheiten und Vorstellungen erlauben. Die Beiträge des Margarethe Häcker-Workshops, der sich am 3. Juni 2015 dem Festvortrag anschloss, flankieren und diskutieren Rollingers methodische Ansätze. Der Artikel von Kai Trampedach ist nachträglich zu den Beiträgen des Workshops in diesen Band aufgenommen worden. Die behandelten Geschehnisse und Erzählungen spielen sowohl in den Kernbereichen und Zentren des Perserreiches9 (siehe die Beiträge von Robert Rollinger, Andreas Schwab und Kai Trampedach) als auch an dessen Rändern und damit an den Brennpunkten der persischen Expansion (siehe die Beiträge von Dennis Möhlmann zu den Massageten, Monika Schuol zu den Skythen, Norbert Kramer zu den Griechen in Kleinasien und Hilmar Klinkott zu Xerxes in Griechenland). Immer wieder geht es dabei um Kernprobleme der großköniglichen Legitimationsbemühungen und Selbstinszenierung (siehe v. a. den Beitrag von Julia Lougovaya-Ast), und oftmals stehen hier Rebellionen und Kriegführung im Mittelpunkt. Dies sind für Herodot die Handlungsfelder, in denen sich die Großkönige regelmäßig in ihrer herrscherlichen Qualität zu beweisen hatten. In diesen Situationen lässt Herodot die Großkönige sich stets nach altorientalischen Mustern inszenieren.10 Hilmar Klinkott zeigt in diesem Sinne etwa, wie die Schändung der Leiche des Leonidas den Primärquellen und nach den Historien Herodots, in: N. Zenzen / T. Hölscher / K. Trampedach , Aneignung und Abgrenzung. Wechselnde Perspektiven auf die Antithese von ›Ost‹ und ›West‹ in der griechischen Antike, Heidelberg 2013, 71–92; R. Rollinger, Herodotus and the Intellectual Heritage of the Ancient Near East, in: S. Aro / R. M. Whiting (Hg.), Melammu Symposia 1: The Heirs of Assyria, Helsinki 2000, 65–83. 9 Zu den erzählerischen und inhaltlichen Besonderheiten in Herodots Darstellung von Babylonien siehe außerdem R. Rollinger, Herodots babylonischer Logos, eine kritische Untersuchung der Glaubwürdigkeitsdiskussion an Hand ausgewählter Beispiele: historische Parallelüberlieferung – Argumentationen – archäologischer Befund – Konsequenzen für eine Geschichte Babylons in persischer Zeit, Innsbruck 1993. 10 Siehe dazu auch R. Rollinger, Dareios und Xerxes an den Rändern der Welt und die Inszenierung von Weltherrschaft – Altorientalisches bei Herodot – in: Dunsch / Ruffing 2013, 95–116.

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Einleitung

bei den Thermopylen im Auftrag des Xerxes eher auf einen innerpersischen als auf einen griechischen Kontext zielt. Die real oder vorgeblich orientalischen Aspekte sind aber wohl nur selten zufällig als spezifische Erkenntnisse zu den persischen Verhältnissen in die Erzählung eingestreut. Oftmals lässt sich vielmehr ein differenzierter und intentionaler Umgang mit diesen plausibel machen. Schon die Ansprache der Meder/Perser durch Herodot in verschiedenen Kontexten variiert sinnhaft, wie Anthony Ellis ausführt, der aber auch auf mögliche Grenzen bei derartigen Interpretationen hinweist. Andreas Schwab zeigt, dass Herodot gerade für die großkönigliche Legitimation offensichtlich auch auf den Sprachduktus und die Motivik der achaimenidischen Königsinschriften zurückgreift. Kai Trampedach untersucht an den Magern, wie Herodot orientalische Verhältnisse aus griechischer Perspektive neu bewertet und so für seine Absichten instrumentalisiert. In ähnliche Richtung geht Norbert Kramer mit der Betrachtung der königlichen Kriegführung, bei der die persische herrschaftsstützende Lesart in griechischer Deutung oftmals in ihr Gegenteil verkehrt wird. Zweifellos wird damit eine Dimension der Herodot-Forschung angesprochen, die im Rahmen dieses Bandes unmöglich erschöpfend und allenfalls punktuell bearbeitet werden kann. Umso mehr wollen die vorliegenden Beiträge eine konstruktive Diskussion anregen, die Herodot als »Wanderer zwischen den Welten«11 ernst nimmt und bei der auch Bekanntes aus anderen Blickwinkeln neu zu überdenken ist. Es ist uns an dieser Stelle abschließend eine angenehme Pflicht, allen Beteiligten herzlich zu danken. Insbesondere sind wir der Gisela und Reinhold Häcker-Stiftung für die großzügige Finanzierung von Festvortrag, Tagung und Druckkosten zu Dank verpflichtet. Dem Zentrum für Altertumswissenschaften der Universität Heidelberg unter der Geschäftsführung von Stephan Westphalen danken wir für die Ausrichtung der Veranstaltung und die Aufnahme des Bandes in die Reihe ›SpielRäume der Antike‹. Dank gebührt last but not least Martin Räuchle und Laura Sandmann sowie Lena Nüchter, die alle Hindernisse bei der Redaktionsarbeit sowie bei den notwendigen Übersetzungen aus dem Weg geräumt haben. Heidelberg, im Dezember 2016 Hilmar Klinkott und Norbert Kramer

11 Zitat nach J. Wiesehöfer, Der Wanderer zwischen den Welten. Alexanders Zug vom Hellespont bis zu den Kaspischen Pforten, Damals 41 (2009), 24–30.

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MARGARETHE HÄCKERVORTRAG 2015 im Zentrum für Altertumswissenschaften der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

ALTORIENTALISCHES BEI HERODOT: DAS WIEHERNDE PFERD DES DAREIOS I.* Robert Rollinger

Abstract: A revealing and intriguing example of how Ancient Near Eastern story-patterns have been reshaped and reworked is Herodotus’ report about the enthronement of Darius as new king of the Persian empire (Hdt. 3.84–9). In a fanciful and ironic way Herodotus explains the success of Darius to have been chosen new king, with the assistance of his groom and an oracle of a neighing horse. Herodotus also introduces a fictitious monument as a means of authentication allegedly celebrating Darius’ enthronement with the help of his smart groom. This monument reveals striking similarities with an Urartian royal relief which is described in detail in two inscriptions of the Assyrian king Sargon II (721–705 BC). Together with other Ancient Near Eastern elements referring to horse oracles and their specific setting as well as a parallel tradition testified by Ctesias of Cnidos an Ancient Near Eastern story-pattern comes to the fore that was, however, transferred by Herodotus into a completely new narrative.

I. Einleitung Wie Charles Fornara bereits vor knapp fünfzig Jahren feststellte, war es Herodots Auseinandersetzung mit dem Perserreich, die ihn zum »imaginative historian as well as the reporter of tradition« machte.1 Die Forschungen der letzten Jahre zeigten in vielfacher Hinsicht, auf welche Weise der griechische Historiograph altorien* Für kritische Hinweise danke ich Reinhold Bichler (Innsbruck), Julian Degen (Innsbruck), Sebastian Fink (Innsbruck) und Hilmar Klinkott (Kiel). Eine ausführliche, erweiterte englische Version dieses Aufsatzes erscheint als R. Rollinger, Darius I, Oebares and the neighing horse: Herodotus and the transformation of Ancient Near Eastern motifs, in: Thomas Harrison and Elizabeth Irwin (eds.), The Past in the Present. Interpreting Herodotus after Charles W. Fornara, Oxford 2018. 1 Fornara 1971b, 35.

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Robert Rollinger

talisches Material gebrauchte und in sein Werk integrierte. Dabei konnte deutlich gemacht werden, dass Herodot seine Quellen nicht einfach kopierte, sondern sie zu wesentlichen Bestandteilen seiner Historien umformte. Dies lässt sich anhand einer Reihe von Beispielen veranschaulichen,2 etwa an den fliegenden Schlangen der ägyptisch-arabischen Grenzregion (Hdt. 2,75–6; 3,107–9), die sich auf ein für diese Gegend seit dem 7. Jahrhundert v. Chr. gut belegtes mythologisches Motiv beziehen.3 Ein weiteres Beispiel bietet die Hinrichtung des Pythios-Sohnes durch Xerxes und die anschließende rituelle Zweiteilung des Leichnams. Die beiden Körperhälften dienen dem persischen Heer für ein eigentümliches Ritual, marschiert es doch zwischen den beiden am Wegrand deponierten Körperhälften hindurch (Hdt. 7,27–9.38–40). Diese Episode weist auffallende Ähnlichkeit mit einem aus hethitischen Quellen bekannten Ritual auf, das wohl der apotropäischen Reinigung des Heeres diente. Ungeachtet der Frage, ob ein solches Ritual noch zu Xerxes’ Lebzeiten existierte4 oder ob davon nur noch eine entsprechende Erzählung im Umlauf war,5 scheint Herodot dieses Motiv genutzt zu haben, um Xerxes als Despoten und Tyrannen zu charakterisieren. Dasselbe gilt für die Deiokes-Geschichte (Hdt. 1,96–101), die zwar einerseits klare Parallelen zu griechischen politischen Theorien zur Staatsentstehung in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. aufweist,6 andererseits aber wohl auch Elemente iranischer Königs-Mythen aufgreift und verarbeitet.7 Dieser Gebrauch von altorientalischem Material wird ebenfalls deutlich, wenn Herodot Dareios als Weltenherrscher darstellt, der an den Rändern seines Imperiums spezifische Rituale ausführt (Hdt. 4,44.65–7), die für seine neuassyrischen Vorgänger gut belegt sind.8 In gleicher Weise spiegelt Xerxes’ Bestrafung des Hellespont (Hdt. 7,35.54) altorientalische Praktiken wider, die von Herodot einmal mehr in einen völlig neuen Deutungshorizont gesetzt wurden.9 Denn während diese in ihrem ursprünglichen Zusammenhang ein auf altorientalischen Traditionen beruhendes Ritual zum Inhalt hatten, das vom jeweiligen König an den Eckpunkten seines Imperiums, also den Rändern der Welt, durchgeführt wurde und auf diese Weise dessen allumfassenden Herrschaftsanspruch zum Ausdruck brachte, dienen sie bei Herodot der Charakterisierung einer despotischen Macht und des anmaßenden Anspruchs, die ganze Welt zu beherrschen. Auch die Entführung einer Statue aus 2 3 4 5 6 7 8 9

Vgl. Chiasson 2012; Dewald 2012; Wiesehöfer 2017. Vgl. Rollinger 2004a. Thomas 2012, 235–44. Rollinger 2000. Bichler 2000c, 235–7. Panaino 2003; Thomas 2012, 244–52. Rollinger 2013b, 96–102. Rollinger 2013b, 102–11.

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Altorientalisches bei Herodot

dem Tempel des Bēl in Babylon durch Xerxes (Hdt. 1,183) ist Teil desselben Diskurses.10 Zwar könnte die Textstelle als Reflex auf zwei Aufstände zu Beginn der Herrschaft des Xerxes aufzufassen sein und somit auf einen deutlichen Wandel der persischen Politik gegenüber der traditionellen babylonischen Elite hindeuten,11 doch ist sie kein Beleg für eine grundsätzliche Neigung der Perser, Tempel zu zerstören sowie babylonische Gottheiten zu diskreditieren und deren Heiligtümer zu entweihen. Vielmehr ist auch diese Episode Teil des herodoteischen Diskurses, in dem der persische König als Tyrann erscheint. Dieser Gebrauch orientalischer Motive und Geschichten trifft auch auf jene zahlreichen Stellen zu, die despotische Grausamkeiten und Strafen der persischen Könige thematisieren. Ein Großteil der geschilderten Strafen wurde zwar im Alten Orient tatsächlich praktiziert, doch werden sie in den Historien vor allem dazu benutzt, ein negativ aufgeladenes Bild despotischer Herrschaft zu zeichnen.12 Weitere Beispiele bieten kürzlich publizierte demotische Texte.13 Viele der Geschichten in Herodots ägyptischem logos weisen auffallende Parallelen zu Erzählstrukturen auf, die in autochthonen lokalen Tradition wurzeln. Dennoch darf man von solchen Parallelen nicht einfach darauf schließen, dass Herodot lediglich wiederholte, was ihm ägyptische Priester zugetragen haben mögen: Die Erzählungen sind nämlich nicht nur einfach aufgeschrieben, sondern vielfach umgestaltet worden. Ähnliche Erkenntnisse lassen sich aus Herodots Bericht über die Revolte des Dareios und seiner Mitverschwörer gegen Smerdis-Gaumata erschließen. Die Parallelen zur Behistun-Inschrift sind offenkundig und belegen eindeutig einen Transfer relevanter Informationen von Ost nach West.14 Aber Herodots Version der Geschichte stimmt nicht vollständig mit jener des Dareios überein, wie sie seiner Inschrift zu entnehmen ist. Wie auch die auffallenden Ähnlichkeiten nicht voraussetzen, dass Herodot selbst Persien oder Behistun besucht hätte und von persischen Priestern oder Spezialisten vor Ort über den Inhalt der Inschrift informiert worden wäre. Wie der folgende Beitrag zeigen wird, sind die Wege der Informationsvermittlung deutlich komplizierter,15 und die Annahme eines griechischen Reisenden, der alle in seinen Historien erwähnten Schauplätze selbst besuchte, ist keineswegs ausreichend, um die entsprechenden Probleme befriedigend zu lösen.16

10 Henkelman u. a. 2011. 11 Jursa 2013. 12 Rollinger 2010. 13 Quack 2013. 14 Vgl. Asheri 1999; Tuplin 2005. 15 Chiasson 2012, 216 spricht von einem »filtering process«, Waters 2011, 495 von »cross-fertilization of the tales in their dissemination and retelling over decades«. 16 Vgl. Ruffing 2013.

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Robert Rollinger

II. Dareios, Oibares und das wiehernde Pferd bei Herodot Ein aufschlussreiches und faszinierendes Beispiel der Umformung und Umarbeitung altorientalischen Materials in den Historien bieten die Ereignisse, von denen Herodot im Anschluss an die Verfassungsdebatte berichtet (Hdt. 3,84–9).17 Nachdem man sich auf die Monarchie als zukünftige Staatsform geeinigt und Otanes seinen Verzicht auf den Thron erklärt hatte, standen die sechs verbliebenen Verschwörer vor der schwierigen Aufgabe, einen König zu ermitteln. In diesem Zusammenhang präsentiert Herodot eine phantastische Geschichte voller Ironie und Humor: (Hdt. 3,84) περὶ δὲ τῆς βασιληίης ἐβούλευσαν τοιόνδε: ὅτευ ἂν ὁ ἵππος ἡλίου ἐπανατέλλοντος πρῶτος φθέγξηται, ἐν τῷ προαστείῳ αὐτῶν ἐπιβεβηκότων, τοῦτον ἔχειν τὴν βασιληίην (3,85) Δαρείῳ δὲ ἦν ἱπποκόμος ἀνὴρ σοφός, τῷ οὔνομα ἦν Οἰβάρης. πρὸς τοῦτον τὸν ἄνδρα, ἐπείτε διελύθησαν, ἔλεξε Δαρεῖος τάδε. ‘Οἴβαρες, ἡμῖν δέδοκται περὶ τῆς βασιληίης ποιέειν κατὰ τάδε: ὅτευ ἂν ὁ ἵππος πρῶτος φθέγξηται ἅμα τῷ ἡλίῳ ἀνιόντι αὐτῶν ἐπαναβεβηκότων, τοῦτον ἔχειν τὴν βασιληίην. νῦν ὦν εἴ τινα ἔχεις σοφίην, μηχανῶ ὡς ἂν ἡμεῖς σχῶμεν τοῦτο τὸ γέρας καὶ μὴ ἄλλος τις. ἀμείβεται Οἰβάρης τοῖσιδε. ‘εἰ μὲν δὴ ὦ δέσποτα ἐν τούτῳ τοι ἐστὶ ἢ βασιλέα εἶναι ἢ μή, θάρσεε τούτου εἵνεκεν καὶ θυμὸν ἔχε ἀγαθόν, ὡς βασιλεὺς οὐδεὶς ἄλλος πρὸ σεῦ ἔσται: τοιαῦτα ἔχω φάρμακα.’ λέγει Δαρεῖος ‘εἰ τοίνυν τι τοιοῦτον ἔχεις σόφισμα, ὥρη μηχανᾶσθαι καὶ μὴ ἀναβάλλεσθαι, ὡς τῆς ἐπιούσης ἡμέρης ὁ ἀγὼν ἡμῖν ἐστί. ἀκούσας ταῦτα ὁ Οἰβάρης ποιέει τοιόνδε: ὡς ἐγίνετο ἡ νύξ, τῶν θηλέων ἵππων μίαν, τὴν ὁ Δαρείου ἵππος ἔστεργε μάλιστα, ταύτην ἀγαγὼν ἐς τὸ προάστειον κατέδησε καὶ ἐπήγαγε τὸν Δαρείου ἵππον, καὶ τὰ μὲν πολλὰ περιῆγε ἀγχοῦ τῇ ἵππῳ ἐγχρίμπτων τῇ θηλέῃ, τέλος δὲ ἐπῆκε ὀχεῦσαι τὸν ἵππον. (3,86) ἅμ᾽ ἡμέρῃ δὲ διαφωσκούσῃ οἱ ἓξ κατὰ συνεθήκαντο παρῆσαν ἐπὶ τῶν ἵππων: διεξελαυνόντων δὲ κατὰ τὸ προάστειον, ὡς κατὰ τοῦτο τὸ χωρίον ἐγίνοντο ἵνα τῆς παροιχομένης νυκτὸς κατεδέδετο ἡ θήλεα ἵππος, ἐνθαῦτα ὁ Δαρείου ἵππος προσδραμὼν ἐχρεμέτισε: ἅμα δὲ τῷ ἵππῳ τοῦτο ποιήσαντι ἀστραπὴ ἐξ αἰθρίης καὶ βροντὴ ἐγένετο. ἐπιγενόμενα δὲ ταῦτα τῷ Δαρείῳ ἐτελέωσέ μιν ὥσπερ ἐκ συνθέτου τευ γενόμενα: οἳ δὲ καταθορόντες ἀπὸ τῶν ἵππων προσεκύνεον τὸν Δαρεῖον. (3,87) οἳ μὲν δή φασι τὸν Οἰβάρεα ταῦτα μηχανήσασθαι, οἳ δὲ τοιάδε (καὶ γὰρ ἐπ᾽ ἀμφότερα λέγεται ὑπὸ Περσέων), ὡς τῆς ἵππου ταύτης τῶν ἄρθρων ἐπιψαύσας τῇ χειρὶ ἔχοι αὐτὴν κρύψας ἐν τῇσι ἀναξυρίσι: ὡς δὲ ἅμα τῷ ἡλίῳ ἀνιόντι ἀπίεσθαι μέλλειν τοὺς ἵππους, τὸν Οἰβάρεα τοῦτον ἐξείραντα τὴν χεῖρα πρὸς τοῦ Δαρείου ἵππου τοὺς μυκτῆρας προσενεῖκαι, τὸν δὲ αἰσθόμενον φριμάξασθαί τε καὶ χρεμετίσαι. (3,88) Δαρεῖός τε δὴ ὁ Ὑστάσπεος βασιλεὺς ἀπεδέδεκτο, καί οἱ ἦσαν ἐν τῇ Ἀσίῃ πάντες κατήκοοι πλὴν Ἀραβίων, Κύρου τε καταστρεψαμένου καὶ ὕστερον αὖτις Καμβύσεω. Ἀράβιοι δὲ οὐδαμὰ κατήκουσαν ἐπὶ δουλοσύνῃ Πέρσῃσι, ἀλλὰ ξεῖνοι ἐγένοντο παρέντες Καμβύσεα ἐπ᾽ 17 Vgl. Bichler 2000c, 281–5.

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Altorientalisches bei Herodot Αἴγυπτον: ἀεκόντων γὰρ Ἀραβίων οὐκ ἂν ἐσβάλοιεν Πέρσαι ἐς Αἴγυπτον. γάμους τε τοὺς πρώτους ἐγάμεε Πέρσῃσι ὁ Δαρεῖος, Κύρου μὲν δύο θυγατέρας Ἄτοσσάν τε καὶ Ἀρτυστώνην, τὴν μὲν Ἄτοσσαν προσυνοικήσασαν Καμβύσῃ τε τῷ ἀδελφεῷ καὶ αὖτις τῷ Μάγῳ, τὴν δὲ Ἀρτυστώνην παρθένον: ἑτέρην δὲ Σμέρδιος τοῦ Κύρου θυγατέρα ἔγημε, τῇ οὔνομα ἦν Πάρμυς: ἔσχε δὲ καὶ τὴν τοῦ Ὀτάνεω θυγατέρα, ἣ τὸν Μάγον κατάδηλον ἐποίησε: δυνάμιός τε πάντα οἱ ἐπιμπλέατο. πρῶτον μέν νυν τύπον ποιησάμενος λίθινον ἔστησε: ζῷον δέ οἱ ἐνῆν ἀνὴρ ἱππεύς, ἐπέγραψε δὲ γράμματα λέγοντα τάδε: ‘Δαρεῖος ὁ Ὑστάσπεος σύν τε τοῦ ἵππου τῇ ἀρετῇ’ τὸ οὔνομα λέγων ‘καὶ Οἰβάρεος τοῦ ἱπποκόμου ἐκτήσατο τὴν Περσέων βασιληίην. (3,89,1) ποιήσας δὲ ταῦτα ἐν Πέρσῃσι ἀρχὰς κατεστήσατο εἴκοσι, τὰς αὐτοὶ καλέουσι σατραπηίας. (Hdt. 3,84) Über die Königswahl beschlossen sie folgendes: Sie wollten vor das Stadttor reiten. Wessen Pferd bei Sonnenaufgang als erstes wiehere, der solle die Herrschaft erhalten. (3,85) Dareios hatte einen klugen Stallmeister namens Oibares. Als die Versammelten auseinandergegangen waren, sprach Dareios zu ihm: »Oibares, wir haben für die Königswahl folgenden Wahlvorgang beschlossen: Der soll König werden, dessen Pferd bei Sonnenaufgang als erstes unter dem Reiter wiehert. Wenn du also klug bist, richte es so ein, dass wir zu diesem Ehrenamt kommen und kein anderer!« Da antwortete Oibares: »Wenn es darauf ankommt, ob du König wirst oder nicht, so sei getrost und guten Mutes. Keiner soll dir auf dem Thron zuvorkommen. Ich weiß schon, wie ich es mache.« Dareios erwiderte: »Wenn du wirklich solch einen schlauen Weg weißt, dann jetzt und verliere keine Zeit! Morgen früh schon soll es sich entscheiden.« Als Oibares das hörte, tat er folgendes: Bei Einbruch der Nacht führte er eine Stute, die der Hengst des Dareios am meisten liebte, vor das Stadttor, band sie fest und führte ihr den Hengst zu. Mehrmals führte er ihn ganz nahe um die Stute herum bis zur Berührung, und endlich ließ er ihn die Stute belegen. (3,86) Im Morgengrauen fanden sich alle sechs verabredungsgemäß zu Pferd ein. Sobald sie vor das Tor an die Stelle kamen, wo in der vergangenen Nacht die Stute angebunden war, wieherte der Hengst des Dareios, indem er dorthin galoppierte. Im gleichen Augenblick, als das Pferd dies tat, fuhr ein Blitz aus heiterem Himmel, und man hörte Donner. Dieses Zusammentreffen der Zeichen war für Dareios wie eine göttliche Bestätigung. Die anderen saßen ab und huldigten dem Dareios. (3,87) Das ist ein Bericht über die List des Oibares. Es gibt aber noch einen anderen. Die Perser erzählen den Hergang auf beiderlei Art. Danach fasste Oibares die Geschlechtsteile dieser Stute an und steckte dann seine Hand in die Hosentasche. Als bei Sonnenaufgang die Pferde abreiten sollten, zog Oibares die Hand heraus und hielt sie unter die Nüstern von Dareios’ Hengst. Das Tier witterte die Stute und schnob und wieherte dabei. (3,88) So war Dareios, der Sohn des Hystaspes, zum König ernannt worden. In Asien waren ihm alle untertan außer den Arabern, obwohl Kyros und später noch einmal Kambyses sie unterworfen hatte. Die Araber haben die Herrschaft der Perser nie anerkannt. Sie wurden Freunde der Perser, weil sie Kambyses durch ihr Land nach Ägypten hatten ziehen lassen. Ohne ihre Zustimmung hätten die Perser gar nicht in Ägypten einfallen können. Dareios nahm die vornehmsten Perserinnen zur Ehe, zunächst die Töchter des Kyros, Atossa und

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Robert Rollinger Artystone. Atossa hatte vorher mit ihrem Bruder Kambyses zusammen gelebt; Artystone war noch Jungfrau. Als dritte heiratete er Parmys, die Tochter des Kyrossohnes Smerdis. Er hatte aber auch die Tochter des Otanes zur Frau, die den Mager entlarvt hatte. Seine Macht war voll gefestigt. So ließ er zunächst ein steinernes Bild anfertigen und aufstellen. Es stellte einen Reiter dar; darauf stand folgende Inschrift: »Dareios, der Sohn des Hystaspes, hat durch das Verdienst seines Pferdes – wobei er den Namen nannte – und seines Stallmeisters Oibares die Herrschaft über die Perser erworben.« (3,89,1) Danach teilte er das Perserreich in zwanzig Provinzen, die bei ihnen Satrapien heißen. … (Hdt. 3,84–9, nach Feix)

Herodots Geschichte weist eine klare Ringstruktur auf, in der der orakelartige Wahlvorgang und das Reiter-Monument den Anfangs- und Schlusspunkt darstellen. Um diesen Wahlvorgang zu erklären, haben bereits früh einzelne Kommentatoren auf einen möglichen altorientalistischen Hintergrund der Erzählung hingewiesen. How und Wells merken bezüglich des durchtriebenen Plans, den der Pferdeknecht (ἱπποκόμος) Oibares ausgeheckt und durchgeführt hat, an, es handle sich dabei um eine »popular legend«18 – wie diese Legende ausgesehen haben könnte, führten sie allerdings nicht aus. Laut Asheri, Lloyd und Corcella fänden sich in der Erzählung »Iranian cultic elements well known to Herodotus«, und zwar seien dies »the white horses sacred to the Sun, the cult of the Sun, the sacrifices of horses«.19 Zwar ist in der vorliegenden Textstelle nichts von weißen Pferden, Sonnenkult und Pferdeopfern zu finden, wenngleich Herodot darauf an früherer Stelle durchaus Bezug nimmt (vgl. Hdt. 1,131; 2,189,1), wobei die Kommentatoren dies offenbar assoziativ mit den Bausteinen der Oibares-Geschichte verbinden. Überdies betrachten sie die Oibares-Anekdote als aitiologische Erzählung, die dazu diene, die Inschrift am Reiterstandbild des Dareios zu erklären, die Herodot etwas später beschreibt. Im Grunde wurde damit das Relief als Ausgangspunkt für die Oibares-Geschichte gehalten, die veranschaulicht habe, wie Dareios zum König des Perserreiches gewählt worden sei. Schon hier muss eine Reihe von Fragen gestellt werden. Hatte Herodot tatsächlich eine reale Statue vor Augen? Oder diente ihm eine fiktive Statue mit Pseudo-Inschrift als Beglaubigung einer phantastischen Geschichte, die orientalisches Kolorit aufweist? Welche orientalische Erzählungen wurden Herodot gegebenenfalls zugetragen, und wie baute er sie in seine Erzählung ein? Gab er schlicht wieder, was ihm berichtet wurde, oder gestaltete er das ihm zur Verfügung stehende Material um? Wie darf man sich dieses altorientalische Material überhaupt vorstellen? Wurde es nur mündlich tradiert, oder sind auch andere Überlieferungsformen in Betracht zu ziehen? Um uns diesen grundlegenden und schwierigen Fragen zu nähern, müssen 18 How/Wells 1928, 280 zu 3, 85. 19 Asheri/Lloyd/Corcella 2007, 477.

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wir unsere Aufmerksamkeit vor allem auf jene altorientalischen Quellen richten, die sich für Herodots Darstellung als substantiell erweisen. Der engere Kontext Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde erkannt, dass das bei Herodot erwähnte Standbild Ähnlichkeiten zu einem urartäischen Relief aufweist, das uns aus assyrischen Quellen bekannt ist.20 Als die assyrische Armee 714 v. Chr. das westlich des Urmia-Sees gelegene urartäische Heiligtum in Musasir einnahm und plünderte, fiel ihr eine bemerkenswerte Bronzeskulptur des urartäischen Königs Ursa (Rusa) in die Hände. Diese Skulptur war so eindrucksvoll, dass Sargon II. sie in zwei Inschriften bis ins Detail beschrieb. In der ersten Inschrift, dem sogenannten »Achten Feldzug«, einem beeindruckenden Bericht einer assyrischen Kampagne, bietet Sargon die ausführlichste Beschreibung des Monuments:21 403) 1 Statue des Rusā mit seinen beiden Reitpferden (und) seinem susānu (= LÚ gišGIGIR) nebst ihrem Sockel, aus Bronze gegossen, 404) auf denen in prahlerischem Eigenlob (ša tašriḫti

20 Carl-Friedrich Lehmann-Haupt machte als Erster auf dieses Monument Sargons II aufmerksam (Lehmann-Haupt 1923). Einige Jahre später hielt Johannes Friedrich es für fiktiv. Als Fakt betrachtete er jedoch die Existenz einer altorientalischen »Wandersage«, die sowohl von dem assyrischen König als auch von Herodot aufgegriffen worden sei (Friedrich 1936). Keiner der beiden Gelehrten setzte sich jedoch im Detail mit dem Überlieferungsprozess oder dem Aufbau der Erzählung auseinander. 21 »Achter Feldzug«, Z. 403–404: 403) 1 ṣa-lam IUr-sa-a it-ti 2 ANŠE.KUR.RA.MEŠ pétḫal-lì-šú LÚ gišGIGIR-šú a-di KI.TUŠ-šú-nu URUDU.ḪÁ šap-ku 404) ša taš-ri-iḫ-ti ra-ma-ni-šú ma-a i-na 2 ANŠE.KUR..MEŠ-ia ù 1-en LÚ gišGIGIR-ia LUGAL-ut KUR.Ur-ar-ṭi ik-šu-du qa-ti.. Tansliteration mit leichten Veränderungen nach Mayer 2013, 138, der ebenda, 139 folgende Übersetzung bietet: »403) 1 Statue des Rusā mit seinen beiden Reitpferden (und) seinem Wagenlenker (LÚ gišGIGIR = susānu) nebst ihrem Sockel, aus Bronze gegossen, 404) auf denen in Selbstruhm (ša tašriḫti ramānīšu) eingeprägt war: ›Mit meinen beiden Pferden und meinem einzigen Wagenlenker (LÚ gišGIGIR = susānu) habe ich die Königsherrschaft über Urartu erlangt‹«. Foster 2005, 811 bietet folgende Übersetzung: »403) A statue of Rusa with his two horses and his charioteer (LÚ gišGIGIR = susānu), together with his base, cast in copper, 404) (inscribed with) his self-glorification (ša tašriḫti ramānīšu): ›With my two horses and my one charioteer (LÚ gišGIGIR = susānu) did I take over kingship of the land of Urartu‹ is engraved on them’«. Talon 2011, 101 übersetzt die beiden Zeilen so: »403) 1 statue d’Ursâ avec ses cheveaux de monte, son conducteur de char (LÚ gišGIGIR = susānu) ainsi que leur socle coulé en bronze, 404) sur lesquels il avait grave, dans son proper orgueil: ›Avec mes cheveaux et mon seul conducteur de char (LÚ gišGIGIR = susānu), ma main a conquis la royauté du pays d’Urarṭu‹«, (mit Transliteration, ebenda, 100).

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Robert Rollinger ramānīšu) eingeprägt war: »Mit meinen beiden Pferden und meinem einzigen susānu (= LÚ giš GIGIR) habe ich die Königsherrschaft über Urartu erlangt.

Eine kürzere Version bieten die »Annalen des Jahres 711 v. Chr.«: Ass. 9) 1 Statue des Rusā Ass. 10) mit zweien [seiner Reit]pferde (und) seinem berittenen susānu (= LÚ gišGIGIR) samt ihrem Sockel, Ass. 11) aus Bronze gegossen.22

Auf den ersten Blick sind sofort auffällige Parallelen zwischen den von Herodot und Sargon beschriebenen Skulpturen erkennbar, doch gibt es ebenso auffällige Unterschiede, die von der älteren Forschung auch deutlich betont wurden. Dabei spielten zwei Argumente eine wichtige Rolle. Zum einen stelle das urartäische Monument zwei Männer und zwei Pferde dar, während der persische τύπος λίθινος nur ein Pferd zeige. Bei genauerer Betrachtung ist dies jedoch kein starkes Argument gegen einen möglichen Zusammenhang zwischen Herodots Erzählung und der urartäischen Statue, denn auch in Herodots Erzählung treten ja zwei Pferde auf: Dareios’ wiehernder Hengst und die Stute, die das Wiehern verursacht. Das zweite Argument bezieht sich auf die dargestellten Personen. Das persische Monument zeige einen Reiter (ἱππεύς), während die urartäische Skulptur, zumindest gemäß der gängigen Meinung, den urartäischen König als Wagenlenker zusammen mit seinem Begleiter darstelle. Allerdings ist die Identifikation des urartäischen Königs als Wagenlenker nicht unproblematisch: Sie beruht ausschließlich auf der Interpretation des Logogramms LÚ gišGIGIR, seiner Übertragung ins Akkadische und auf der Übersetzung dieses Ausdrucks. Betrachten wir diesen für uns wichtigen Sachverhalt etwas näher. LÚ gišGIGIR kann als ša11  gišnarkabti oder ša11 gišmugirri ins Akkadische übertragen werden und meint dann einen Streitwagenkämpfer oder Wagenlenker.23 Allerdings gibt es darüber hinaus noch eine weitere Lesung für LÚ  gišGIGIR, wie Simo Parpola schon vor 25 Jahren gezeigt hat: nämlich als assyrisch susānu,24 ein schwer 22 »Annalen des Jahres 711 v. Chr.« (Ass. 9–11): Ass. 9) 1 ṣa-lam I˹Ur˺-sa-a Ass. 10) it-ti 2 ANŠE.KU[R.RA.MEŠ pét-ḫal-lì-šú LÚ] gišGIGIR-šu a-di KI.TUŠ-šú-nu Ass. 11) URUDU.ḪÁ ša[p-ku]. Transliteration des Komposittextes nach Fuchs 1998, 36, der ebenda, 64 folgende Übersetzung bietet: 1 Statue des Ursā mit zweien [seiner Reit]pferde (und) seinem berittenen Kampfgefährten (LÚ gišGIGIR = susānu) samt ihrem Sockel, aus Bronze gegossen. Fuchs 1998, 64 markiert die Übersetzung »berittener Kampfgefährte« durch Kursivsetzung als ›unter Vorbehalt‹. 23 S. CAD M2: 170. CAD N1: 353b. 24 Parpola 1988, 78 Anm. 2. Eine Schlüsselstellung nimmt in diesem Zusammenhang das Dokument ADD 852 (= SAA 11,123) ein, wo Z. i 2´ insgesamt vier Spezialisten aufgelistet wer-

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zu fassender Begriff, dem üblicherweise die Bedeutung ›Stallknecht‹ oder ›Pferdepfleger‹ zugeschrieben wird.25 Es ergibt sich daher die Frage, wie LÚ gišGIGIR in der Inschrift Sargons zu verstehen ist. Die Deutung als Wagenlenker können wir sofort verwerfen: Bereits vor 15 Jahren hat Andreas Fuchs überzeugend dargelegt – gegen die damals vorherrschende Meinung –, dass diese Interpretation von LÚ gišGIGIR in unserem Text nicht zu halten ist.26 Erstens wird im Text kein Wagen erwähnt, und zweitens – wichtiger – werden die beiden Pferde der urartäischen Skulptur im akkadischen Text ausdrücklich als sīsî pētḫallīšu (ANŠE.KUR.RA.MEŠ pét-ḫal-lì-šú) bezeichnet, was sich eindeutig auf Reitpferde bezieht, wie sie im Heer verwendet wurden.27 Es gibt aber noch einen weiteren Punkt, der in unserem Zusammenhang von Relevanz ist. Das Bedeutungsspektrum des Begriffs susānu reicht nämlich erheblich über die gängigen Übersetzungen »groom«, »horse-trainer« oder »charioteer« hinaus. Mit Hinweis auf ein neuassyrisches Verwaltungsdokument (SAA 5,215) machte Fuchs nicht nur deutlich, dass susānu jemanden benennen konnte, der mit Pflege und/oder Ausbildung von Pferden betraut war, sondern er zeigte auch, dass der Begriff gleichfalls verwendet werden konnte, um das berittene Heer im Allgemeinen zu bezeichnen.28 In dem angesprochenen Dokument lassen sich also zwei verschiedene Verwendungen des Begriffs susānu fassen. Im ersten Fall meint susānu einen mit der Pferdepflege betrauten Bediensteten, der entweder als Pfleger der Gespanne (»groom of the team«; SAA 5,215,9–11), oder einfach als Reitknecht (»groom«; SAA 5,215,13) zu bestimmen ist. Die zweite Möglichkeit zeigt jedoch, dass susānu darüber hinaus auch jedes Mitglied des berittenen Heeres bezeichnen kann – also auch den Reiter selbst (SAA 5,215,14 f.).29 Daher stellte Fuchs fest: »Soden, die als LÚ.su-san-ni erscheinen. Dem folgen weitere Einträge, die diese Individuen mit Namen aufführen. In diesem Zusammenhang erscheinen sie in Zeile i 6´ als LÚ gišGIGIR. Dieser Befund macht deutlich, dass das Logogramm als susānu wiedergegeben werden kann. Vgl. auch CAD Š3: 379–80: »Loan from Indo-Iranian aśva-śani- ›looking after horses,‹ by way of MA and NA susānu transmitted to NB, with the usual sibilant correspondence, as šušānu. Only in MA and NA is the etymologically original sense maintained, referring particularly to trainers and/ or handlers of chariot teams«. 25 Vgl. CAD Š3: 378 (s. v. šušānu): »1. horse trainer, groom (for horses or other animals). 2. (member of a class of state dependants)«. Parpola 2007, 101b: »horse trainer, chariot-horse trainer, chariot-man; groom; ostler«. AHw 1288b vermerkt neutraler »Diener, Betreuer«. 26 Fuchs 1998, 108–11. 27 Vgl. CAD P: 335 s. v. pētḫallu »1.equid, riding animal, 2. Cavalry«. Weszeli 2003–2005, 474a; Weszeli 2006–2008, 306. 28 Fuchs 1998, 110–11. 29 Lanfranchi/Parpola 1990, 153 übersetzen susānu in beiden Fällen als »groom«, doch zeigt der Kontext deutlich, dass dies im zweiten Fall nicht recht passt.

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mit war jeder Reiter gleichzeitig auch susānu, während umgekehrt nicht jeder susānu auch ein Reiter war.«30 Auch wenn es schwierig ist, die Funktion des susānu des urartäischen Monuments exakt zu bestimmen, ist es doch zumindest sicher, dass es sich bei ihm nicht, wie nahezu alle modernen Übersetzungen suggerieren, um einen Wagenlenker handeln kann.31 Er könnte ein berittener Begleiter gewesen sein, wie Fuchs vorschlägt,32 wobei man in diesem Fall sogar an eine bestimmte Kampftechnik denken könnte, die auf neuassyrischen Reliefs aus der Zeit Assurnasirpals II. (883–859 v. Chr.) dargestellt ist. Auf diesen erkennt man Seite an Seite zwei berittene Soldaten, von denen einer als Bogenschütze fungiert, während der andere die Zügel beider Pferde hält.33 Zusammen bilden die beiden eine spezielle Kampfeinheit – vielleicht zeigte die urartäische Skulptur genau eine solche Formation. Fuchs befasste sich nicht mit Herodots Bericht, aber seine Beobachtungen haben für den Vergleich zwischen dem herodoteischen τύπος λίθινος und dem urartäischen Monument wichtige Konsequenzen. Wenn die Deutung als Wagenlenker zu verwerfen ist, weisen die beiden Monumente sowie die bei Herodot damit einhergehende Geschichte plötzlich stärkere, geradezu verblüffende Gemeinsamkeiten auf. So ist jeweils von einem König mit zwei Reitpferden die Rede, und es wird implizit oder explizit auf einen ›Helfer‹ verwiesen, der ebenfalls mit Pferden und dem Reiter in Verbindung steht. Noch bemerkenswerter ist aber der identische Kontext. In beiden Fällen nämlich bilden die Protagonisten – König, Helfer und Reitpferd(e) – eine Dreiergruppe, die mit der Thronbesteigung des Königs verknüpft ist. Nach Sargons Bericht soll Rusa nämlich in der Inschrift erklärt haben: »Mit meinen beiden Pferden und meinem susānu (LÚ gišGIGIR) habe ich die Königsherrschaft über das Land von Urartu erlangt«.34 Die Pferde und der ›Helfer‹ gehören also ihm, und das Monument wurde zu seiner ›prahlerischen Selbstverherrlichung‹ (ša tašriḫti ramānīšu) geschaffen. All dies trifft auf den τύπος λίθινος ebenfalls zu. Es gibt jedoch noch weitere Parallelen zwischen den Darstellungen der beiden Monumente, wie sie uns bei Sargon II. und Herodot begegnen. 30 Fuchs 1998, 110. S. auch Weszeli 2003–2005, 474b, die genau dieses Bedeutungsspektrum des Begriffs erfasst: »Pferdeknecht, berittener Soldat«. 31 Mayer 2013, 139, »Wagenlenker«; Talon 2011, 101, »conducteur de char«; Foster 2005, 811, »charioteer«. Vgl. auch Dezsö 2012, 109–17, wo susānu im Allgemeinen als »chariot man, chariot troop, chariot horse trainer, Pferdeknecht« übersetzt ist. Alle diese Arbeiten ignorieren Fuchs 1998. 32 Fuchs 1998, 111, »berittener Kampfgefährte«. 33 Vgl. Deszö 2012, 14, 255 Plate 2, figure 3 und 4. S. Weszeli 2006–2008, 306. Vgl. auch Scurlock 2014, 729. 34 Mayer 2013, 138, Z. 404: i-na 2 ANŠE.KUR.RA.MEŠ-ia ù 1-en LÚ gišGIGIR-ia LUGAL-ut KUR Ur-ar-ṭi ik-šu-du qa-ti.

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Altorientalisches bei Herodot

Es fällt auf, dass Herodots Darstellung durch eine starke ironische Färbung gekennzeichnet ist.35 So ist der gesamte Abschnitt Hdt. 3,84–9 durch einen hintergründigen Diskurs zum Thema Weltherrschaft geprägt: Dareios wird König von Asien durch das ominöse Wiehern seines Pferdes (Hdt. 3,88), und nicht zufällig endet die Textstelle mit einer Übersicht über die gesamten Provinzen des persischen Weltreiches (Hdt. 3,89). Gleichzeitig zeichnet Herodot das Bild eines Königs von fragwürdiger Legitimität, indem er die Legitimität der Herrschaft des Dareios indirekt in Frage stellt. Dazu benutzt er neben imaginierten Begrifflichkeiten, die mit Dareios’ Selbstdarstellung nichts zu tun haben, auch ›authentische‹, aus den Inschriften des Perserkönigs stammende Begriffe, die er jedoch mit leicht veränderten Bedeutungen belegt.36 So wird Dareios zunächst als »König von Asien« und als »Sohn des Hystaspes« eingeführt (Hdt. 3,88). Die Titulatur »König von Asien« verrät eine griechische Perspektive und kann durchaus als eine kritische Replik auf die Behauptung des Großkönigs verstanden werden, die ganze Welt zu beherrschen. Die Filiation wirkt auf den ersten Blick authentisch, wird sie doch von Dareios selbst in der Behistun-Inschrift benutzt. Allerdings verzichtet Herodot darauf, Dareios als Achaimeniden zu bezeichnen. Anderenorts gebraucht er zwar den Begriff sehr wohl, doch nicht zur Charakterisierung eines königlichen Geschlechts, wie dies Dareios in seiner Inschrift tat, sondern zur Bezeichnung eines Familienverbandes, eines ›Clans‹ (φρήτρη) (Hdt. 1,125,3).37 Indem er es vermeidet, das für Dareios selbst so maßgebliche Argument für die Rechtmäßigkeit seines Anspruchs auf den Thron, nämlich seine angebliche Abstammung aus dem königlichen Geschlecht der Achaimeniden, anzuführen, nimmt er dessen Legitimitätsanspruch eine wichtige Stütze. Herodots Skepsis gegenüber Dareios’ genealogischen Konstruktionen erstreckt sich auch auf dessen Verbindungen zu seinen Vorgängern Kyros, Kambyses und Smerdis. Diese werden nicht als direkte Verwandte betrachtet; stattdessen wird festgehalten, dass Dareios seine Herrschaft durch Heirat mit den Töchtern des Kyros sowie den Schwestern des Kambyses und Smerdis legitimiert habe – das heißt, mit den Nachkommen seiner drei legitimen Vorgänger (Hdt. 3,88). Dies kann durchaus als ein diskreter Hinweis auf mangelnde Legitimität aufgefasst werden. Zusätzlich verweist Herodot darauf, dass Dareios auch die Tochter seines Mitverschwörers Otanes heiratete. Die mit dieser Bemerkung einhergehende Ironie liegt in der Gegenüberstellung der Tochter des Otanes mit den Töchtern des Kyros, Kambyses und Smerdis. Es sind die nicht-königliche Tochter und ihre Familie, die offenba35 Vgl. die detaillierte Analyse von Köhnken 1990. 36 Ohne Zweifel hatte Herodot Kenntnis vom Inhalt der Behistun-Inschrift und von Dareios’ Selbstdarstellung: Rollinger 2015. Vgl. auch Rollinger 2009. 37 Vgl. Vannicelli 2012. S. auch Rollinger 1999.

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ren, wie Dareios seinen Thron tatsächlich gewonnen hatte.38 Allerdings entwickelt Herodots literarische Konstruktion eine noch subtilere Dimension. Nicht zufällig endet der Hinweis auf Otanes mit der Feststellung, dass es dieser prominente Mitverschwörer war, der die Wahrheit über den Mager herausgefunden hatte (Hdt. 3,88). Damit ist das Thema von Wahrheit und Lüge aufgeworfen, wodurch sich sofort deutliche Bezüge zur Behistun-Inschrift ergeben. Erzählt die dort präsentierte und über das ganze Reich verbreitete Geschichte tatsächlich die Wahrheit darüber, wie Dareios die Herrschaft über Asien gewann? Vor diesem Hintergrund werden Wahrheit und Lüge plötzlich zu einem zentralen Aspekt des herodoteischen Narrativs über die Thronbesteigung des Dareios. Ganz offensichtlich spielt Herodot mit Dareios’ berühmtem und in der Behistun-Inschrift penetrant festgehaltenem Anspruch, heroisch gegen die Lüge und die Lügenkönige gekämpft zu haben. Bereits zuvor wusste er mit einer Erzählung aufzuwarten, die ebenfalls in Beziehung zur Behistun-Inschrift steht und die dort gemachten Behauptungen des Großkönigs aufs Korn nimmt: Als die Verschwörer ihren Umsturzplan und das Problem diskutierten, wie sie sich Zugang zum Palast verschaffen könnten, unterbreitet Dareios dem nachdenklichen Otanes einen entsprechenden Vorschlag: (Hdt. 3,72) τοῦτο δὲ ἔχω αὐτὸς σκῆψιν εὐπρεπεστάτην τῇ πάριμεν, φὰς ἄρτι τε ἥκειν ἐκ Περσέων καὶ βούλεσθαί τι ἔπος παρὰ τοῦ πατρὸς σημῆναι τῷ βασιλέι. ἔνθα γάρ τι δεῖ ψεῦδος λέγεσθαι, λεγέσθω. τοῦ γὰρ αὐτοῦ γλιχόμεθα οἵ τε ψευδόμενοι καὶ οἱ τῇ ἀληθείῃ διαχρεώμενοι. οἳ μέν γε ψεύδονται τότε ἐπεάν τι μέλλωσι τοῖσι ψεύδεσι πείσαντες κερδήσεσθαι, οἳ δ᾽ ἀληθίζονται ἵνα τῇ ἀληθείῃ ἐπισπάσωνται κέρδος καί τι μᾶλλόν σφι ἐπιτράπηται. οὕτω οὐ ταὐτὰ ἀσκέοντες τὠυτοῦ περιεχόμεθα. εἰ δὲ μηδὲν κερδήσεσθαι μέλλοιεν, ὁμοίως ἂν ὅ τε ἀληθιζόμενος ψευδὴς εἴη καὶ ὁ ψευδόμενος ἀληθής. Ich habe den überzeugendsten Vorwand, mit dem wir vorbeikommen; ich sage nämlich, ich sei gerade aus Persien gekommen und möchte dem König eine Botschaft meines Vaters überbringen. Wo eine Lüge am Platz ist, muss man eben lügen. Denn schließlich streben wir nach dem gleichen Ziel, ob wir lügen oder die Wahrheit sagen. Der eine lügt, um dadurch zu seinem Vorteil zu überreden; die anderen sagen die Wahrheit, um durch sie mehr Vertrauen zu erwecken und Vorteile zu erlangen. So streben wir beide auf verschiedenem Weg nach dem gleichen Ziel. Wenn die Rücksicht auf den Vorteil nicht wäre, dann würde der Wahrhaftige bestimmt ebenso leicht lügen wie der Lügner die Wahrheit sprechen. (Hdt. 3,72 nach Feix).39

38 Vgl. zuletzt Müller 2015. 39 Vgl. Kipp 2001, 252.

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Das Spiel mit Dareios’ eigenen Aussagen und die damit einhergehende unverhohlene Ironie sind auch dem fiktiven τύπος λίθινος und seiner Inschrift zu eigen. Uns ist gut bekannt, wie sich die Achaimenidenkönige in ihren Königsinschriften präsentierten, wie sie ihre Monumente konzipierten und wie sie ihre Herrschaftsideologien formulierten und vermittelten.40 Dies unterscheidet sich in jeder Hinsicht deutlich von dem bei Herodot beschriebenen Monument mit dem König und seinem Helfer. Die Inschrift, die Herodot vermeintlich zitiert, hat weder im Hinblick auf ihre Ausdrucksweise noch bezüglich ihres Inhalts oder ihren ideologischen Versatzstücken eine Entsprechung in irgendeiner uns bekannten achaimenidischen Königsinschrift.41 Aber das Hauptaugenmerk dieser Pseudo-Inschrift liegt auf der vermittelten Botschaft; und in dieser erscheinen Dareios und sein Anspruch in zweifelhaftem Licht. Dies ist eine wesentliche Beobachtung, denn, wie wir sehen werden, weist die Inschrift des urartäischen Monuments, wie es vom assyrischen König Sargon II. beschrieben wurde, ebenfalls fiktive Elemente und – wichtiger noch – einen Diskurs zur Frage einer legitimen Herrschaft auf. Obwohl wir die Historizität von Rusas Inschrift als solche eigentlich nicht in Frage stellen müssen, gibt es doch Gründe, an der Authentizität der Darstellung in Sargons Annalen zu zweifeln42. Zunächst wissen wir nicht, ob Rusas Inschrift auf Assyrisch oder auf Urartäisch verfasst worden war. Es ist durchaus möglich, dass der ursprüngliche Text urartäisch war und dass Sargon lediglich eine tendenziöse Übersetzung präsentiert. Der Begriff tašriḫtu, der die angebliche Motivation Rusas charakterisiert, die Skulptur herstellen zu lassen, ist schillernd. Er kann sowohl »glorification, glory, homage« bedeuten, was Rusa vermutlich ausdrücken wollte,

40 Rollinger 2016. 41 Für die Inschrift vgl. Schmitt 1988. Obwohl wir wissen, dass die Perser Statuen schufen, die Pferd und Reiter zeigten, gibt es kein Beispiel, das an Herodots fiktiven τύπος λίθινος erinnert; s. Anm. 47 unten. Darüber hinaus legt der Kontext weiterer dubioser Monumente und Pseudo-Inschriften bei Herodot die Fiktionalität von Dareios’ Reiterstandbild nahe. Vgl. Bichler 2007a, 2007b. 42 Was die Frage der Historizität betrifft, sind Inschrift und Monument zu trennen. Ist die Inschrift in der gebotenen Form gewiss als unhistorisch anzusehen, so gibt es zwei Gründe dafür, die Historizität der Skulptur zumindest zu erwägen. Zum einen müssten wir erklären können, warum Sargon II. ein solches Monument erfunden haben sollte. Dafür gibt es kein ernsthaftes Argument. Zum anderen ist das Monument Teil eines langen Bestandsverzeichnisses, in dem alle jene Gegenstände peinlich genau aufgeführt sind, die die Assyrer in der Stadt, im Königspalast und Tempel von Musasir geplündert und von dort in ihr Heimatland verschleppt hatten (Achter Feldzug Z. 350–407; Mayer 2013, 132–9). In diesem Kontext ist die Skulptur einfach eines jener Güter, die aus dem Tempel weggebracht worden waren (Z. 368–407). Dies stellt ein überzeugendes Argument für ihre Authentizität dar.

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impliziert aber auch »vainglory, boast«.43 Die letztere Bedeutung von tašriḫtu wird von Sargon selbst zuvor in derselben Inschrift verwendet (Achter Feldzug Z. 119),44 um das arrogante und vermessene Verhalten jener fremden Könige zu bezeichnen, die schließlich von den assyrischen Truppen gestürzt wurden.45 Dies deutet darauf hin, dass der Text eine anti-urartäische Färbung aufweist und Sargon die Inschrift als Teil einer anti-urartäischen Propaganda verstanden wissen wollte. Dieser letzte Punkt bringt uns zurück zu dem entscheidenden und bereits ausführlich besprochenen Ausdruck susānu. Wir haben bereits gesehen, dass es sich in diesem Zusammenhang nicht um einen Wagenlenker handeln kann, dass das Bedeutungsspektrum des Begriffs größer ist und neben dem ›Pferdeknecht‹ auch den ›berittenen Begleiter‹ einschließt. Die Tatsache, dass das semantische Feld des Begriffs beide Interpretationen umfasst, kann kein Zufall sein. Wenn wir annehmen, dass es sich bei dem akkadischen Text der Inschrift Rusas um die tendenziöse Übersetzung eines im Original urartäischen Textes handelte, könnte sich der Übersetzer bewusst für den Begriff susānu entschieden haben. Einerseits blieb er dabei nahe genug am urartäischen Text, um das wiederzugeben, was dieser ursprünglich ausdrücken wollte: König Rusa war mit einem berittenen Begleiter dargestellt. Andererseits eröffnete er damit eine zweite, abwertende Auslegung: Rusa wurde zusammen mit einem Pferdeknecht gezeigt, der bei seinem Aufstieg zur Königsherrschaft eine entscheidende Rolle gespielt hatte (eine Präsentation, die der Selbstdarstellung aller altorientalischen Könige, seien sie urartäisch, assyrisch oder später achaimenidisch, völlig zuwiderläuft). Genau diese Idee einer bewussten Doppeldeutigkeit könnte auch dem Gebrauch des Begriffs tašriḫtu zugrunde liegen. Sollte dies zutreffen, würde das urartäische Monument nicht nur auffällige bildliche, sondern auch strukturelle Parallelen zum fiktiven τύπος λίθινος Herodots aufweisen: Zur Selbstdarstellung eines Königs wird in beiden eine spöttische oder abwertend-ironische Haltung eingenommen. In Herodots Fall gilt diese Beobachtung nicht nur für die Pseudo-Inschrift, sondern für die Oibares-Geschichte als Ganzes; das heißt, was Sargon mit Rusa und seinem Monument tat, tut Herodot mit Dareios und seinem überzogenen, und in der Behistun-Inschrift so großsprecherisch verkündeten Machtanspruch. Nur oberflächlich betrachtet mögen somit die beiden Monumente Rusas und Dareios’ im Diskurs der Darstellung Herodots bzw. Sargons II. den Herrschaftsanspruch der beiden Könige legitimierend stützen, was jeweils auf erstaunlich ähnli43 Vgl. CAD T 295. AHw 1339b: »Verherrlichung, Pracht; Ruhmredigkeit«. 44 Mayer 2013, 108, Z. 119. Sargon II. gibt vor, derjenige zu sein, der jenen König unterwirft, »der auf seine eigene Kraft vertraut, die Größe seiner (des Gottes Aššurs) Größe vergisst und prahlerisch daherredet (idabubū tašriḫtu)«. 45 Vgl. CAD T: 296b, wo Z. 404 unserer Inschrift genau so interpretiert wird.

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che Weise geschieht. Bei genauerer Betrachtung wird vielmehr sofort deutlich, dass beide Monumente nicht nur aus externer Perspektive beschrieben werden, also von Sargon und Herodot, sondern dass diese Perspektive auch einen kritischen Unterton aufweist, der genau den durch diese Monumente vermittelten, und bei Herodot durch eine packende Geschichte erweiterten, Anspruch auf Legitimität in Frage stellt. Dies bedeutet, dass sich beide Erzählungen in essentieller Weise ähneln. Erzählmuster und Erzählstruktur der Berichte Sargons bzw. Herodots über das urartäische bzw. das persische Monument stimmen letztlich sowohl in Einzelheiten wie auch in ihrer delegitimierenden Aussage überein. Wie sind diese auffallenden Übereinstimmungen erklärbar? Die Gegenüberstellung der beiden bei Sargon II. und Herodot fassbaren und durch ein ähnliches Monument beglaubigten Erzählungen lassen auf die Existenz einer nach bestimmten Parametern konzipierten Geschichte schließen, die um einen frisch auf den Thron gekommenen Herrscher kreist, dessen Legitimität als zweifelhaft gilt und die im Alten Vorderasien offensichtlich im Umlauf war. Wichtige Bausteine dieser Geschichte, die Herodot in irgendeiner Weise vertraut gewesen sein muss, war ein Helfer, dessen Tätigkeit mit Pferden verbunden war und dessen Knowhow im Umgang mit diesen Tieren dem um Legitimität ringenden Prätendenten die Königswürde sicherte. Darüber hinaus war die Erzählung mit einem Monument verknüpft, das vorgab, die erfolgreiche Thronbesteigung zu verewigen, gleichzeitig aber erzähltechnisch zur Versinnbildlichung der damit einhergehenden Geschichte diente. Obwohl Rusas Monument tatsächlich existiert zu haben scheint, können wir mit Herodots Narrativ ein erweitertes und hochentwickeltes Erzählmuster fassen, in dem neben dem fiktiven Monument und seiner angeblichen Inschrift eine Geschichte präsentiert wird, in der die Thronbesteigung auf eine ebenso witzige wie ironische Weise weiter ausgebreitet wird. Fraglich erscheint allerdings, ob die Geschichte, wie Herodot sie erzählt, von einem real existierenden Monument inspiriert worden ist. Wahrscheinlich verbirgt sich dahinter vielmehr eine altbekannte Erzähltradition, die Monument und Geschichte bereits fest miteinander verknüpft hatte. Diese Tradition beinhaltete nicht nur eine ironische Grundstimmung, die sie mit Kritik am Verhalten des Herrschers verwob, sondern präsentierte auch die Figur des Helfers als einen einfachen Mann von niedrigem sozialen Status, genauso, wie es schon Sargon II. tat, als er ihn durch den Begriff susānu charakterisierte. Diese Tradition, ob mündlich oder schriftlich, war im Alten Orient offenbar beliebt. Ob sie ihren Ursprung in Sargons Propaganda hatte oder auf älteren Überlieferungen aufbaute, lässt sich nicht entscheiden. Die Geschichte war über die Jahrhunderte möglicherweise verändert und angepasst worden, behielt aber ihre spezifischen Erzählbausteine und ironisierenden Elemente. Sie könnte zusätzlich dadurch befördert worden sein, dass die persischen Eliten offenbar gerne Skulpturen errichten ließen, die sie zu 27

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Pferde darstellten. Dies wird etwa aus der berühmten Korrespondenz des Arshama aus dem Ende des 5. Jahrhunderts v. Chr. deutlich, in der der persische Satrap von Ägypten einen Bildhauer in Dienst nahm und ihm den Auftrag erteilte, »to make statues of a horseman«. Arshama hält explizit fest, was dieser Bildhauer zu tun hatte »is to make a statue of a horse with its rider, just as he did previously for me, and other statues«.46 Offenbar waren solche Statuen im Perserreich weit verbreitet. Ob dies auch für den Perserkönig zutraf, wissen wir nicht.47 Aber es erscheint zulässig, davon auszugehen, dass Herodot dieser Tradition in der einen oder anderen Form begegnete und sie sich aneignete, um sie für seine Zwecke zu verändern und in seine Geschichte zu integrieren. Der weitere Kontext Herodots Kontakt mit dieser Überlieferung ist umso wahrscheinlicher, als es noch weitere Bausteine in der Geschichte von Dareios und Oibares gibt, deren altorientalische Herkunft deutlich erkennbar ist. Dazu müssen wir uns noch einmal Herodots eindrucksvolle Erzählung über die Wahl des Dareios zum König des persischen Großreichs vergegenwärtigen. Sie besteht aus fünf distinktiven Strukturelementen: 1) ein Pferd (ὁ ἵππος) spielt die zentrale Rolle; 2) das Pferd ist beritten (αὐτῶν ἐπιβεβηκότων); 3) der Ort des Geschehens wird als das Gebiet unmittelbar außerhalb der Stadtmauern definiert (ἐν τῷ προαστείῳ); 4) der Zeitpunkt des Orakels ist exakt auf den Tagesanbruch festgesetzt (ἡλίου ἐπανατείλαντος); und 5) das erste Wiehern des Pferdes (φθέγξηται) in der Morgendämmerung (πρῶτος, Hdt. 1.84.3) galt als das Zeichen, dass der Reiter dieses Pferdes König werden sollte (τοῦτον ἔχειν τὴν βασιληίν).

46 Porten/Yardeni 1986, 119–20 (A6.12). Die Übersetzung folgt Lindenberger 1994, 87. Vgl. auch Taylor 2013, 22, und den ausführlichen Kommentar von Tuplin 2013b, 100–107. Überdauert haben nur einige Beispiele kleiner Skulpturen; s. die goldene Figur eines männlichen Reiters aus dem Oxus-Schatz und die gegossene Bronze-Figurine eines Pferdes mit Reiter unbekannter Herkunft (Curtis/Tallis 2005, 226). 47 Zumindest können wir das vermuten, denn in einer seiner Inschriften aus Naqsh-i Rustam behauptet Dareios ausdrücklich: »as a horseman I am a good horseman; as a bowman I am a good bowman, both on foot and on horseback; as a spearman I am a good spearman, both on foot and on horseback« (DNb 41–5 = XPl 46–50; Schmitt 2000b, 41, 104). Allerdings stellt die achaimenidische Ikonographie den König nie in Reiterkleidung dar (Llewellyn-Jones 2015, 236). Überdies ist zu bedenken, dass das Reiten eines Pferdes noch im 2. Jahrtausend v. Chr. für einen altorientalischen König zumindest in einigen Gegenden Vorderasiens ein Tabu war, wie ein Brief aus Mari belegt: Sasson 2015, 70 (1.4.b. i.1. = ARM 6 76 = LAPO 17 732).

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Das zentrale Mittel, um den neuen König zu bestimmen, ist zumindest in Herodots Darstellung zweifellos das Wiehern. Erst das Wiehen als (vermeintliches) Orakelzeichen führt den Pferdeknecht Oibares in die Geschichte ein, jene Figur, die den Plan aushecken wird, der Dareios schließlich den Thron verschafft. Die von Herodot dargebotene Geschichte wirkt zwar recht unkompliziert, doch sind zwei Probleme nicht zu verkennen, die deren Plausibilität beeinträchtigen. Dies betrifft zunächst das Wiehern: Weshalb überhaupt sollte ein neuer König auf diese eigentümliche Weise bestimmt werden? Herodot beantwortet diese Frage nicht, und der Umstand, dass das Wiehern mit anderen Zeichen verknüpft wird, nämlich mit Blitz und Donner, mag die Frage aufkommen lassen, ob es sich dabei nicht um eine Zutat Herodots handelt. Zweitens setzt die Tatsache, dass der listige Plan des Oibares erfolgreich ist, ein bestimmtes Verhalten des Pferdes voraus – das entsprechende ›Wissen‹ darüber, wie dieses Verhalten zu instrumentalisieren ist, besitzt angeblich Oibares. Aber selbst wenn dieses Verhalten unter den von Oibares geschaffenen Voraussetzungen planbar wäre, wird die Glaubwürdigkeit der ohnehin problematischen Geschichte doch weiter strapaziert. Oibares hätte nämlich auch Vorsorge treffen müssen, dass ja kein anderes Pferd außer jenem des Dareios zu wiehern beginnt. Dieses Problem wird von Herodot selbst indirekt thematisiert, bietet er doch eine zweite Variante der Geschichte, in der Oibares seine Hand mit dem Geruch der Stute vor die Nüstern des Hengstes hält. Aber selbst in diesem Fall wirkt die Geschichte recht konstruiert, denn man fragt sich, ob Oibares Dareios auf seinem Ritt aus der Stadt tatsächlich begleitete und ob dies auch auf die Stallknechte der Mitverschwörer zutraf. Man kann sich Detlev Fehling darin anschließen, dass die zweite von Herodot vorgebrachte Version nicht nur die Stimmigkeit der Haupterzählung untermauern soll, sondern gleichzeitig auch einen Hinweis auf den Erfindungsreichtum des Autors selbst darstellt;48 aber dies ist hier nicht unser Thema. Es scheint auf jeden Fall, als sei das Narrativ des bei einer bestimmten Gelegenheit wiehernden Pferdes, das als Zeichen für die Kür eines neuen König aufgefasst wurde, der Ausgangspunkt für eine neue Geschichte gewesen, die jedoch nur schwer in klarer und kohärenter Weise präsentiert werden konnte. Vor diesem Hintergrund mutet es seltsam an, dass sich die meisten Kommentatoren mit dem Wiehern überhaupt nicht befassen. Stattdessen verweisen sie auf die heiligen Schimmel, die Herodot erwähnt, als Kyros den Fluss Gyndes überquert (Hdt. 1,189,1),49 oder auf die angebliche Sonnenverehrung der Perser (Hdt. 1,131,2).50 48 Fehling 1989. Vgl. Ruffing 2013; Schäfer 2015. 49 Schimmel weisen auch auf bestimmte altorientalische Kontexte hin (vgl. Weszeli 2003– 2005, 477–8). 50 Zeugnisse für diese angeblichen persischen Praktiken sind neben Herodot selbst einige

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Allerdings geht es in der Geschichte Herodots weder um die persische Verehrung der Sonne51 noch um einen Schimmel, sondern um ein mit Bedeutung aufgeladenes Ereignis, dessen Ablauf im Voraus geplant und das durch das Wiehern eines Pferdes bei einer bestimmten Gelegenheit in Gang gesetzt wird. Mit diesem Sachverhalt vor Augen müssen wir die Frage stellen, ob das Motiv des bei der Königskür wiehernden Pferdes eine freie Erfindung Herodots ist oder ob es ebenfalls in einer altorientalischen Tradition steht. Beginnen wir mit einigen allgemeinen Beobachtungen. Pferde waren im alten Mesopotamien von enormer Bedeutung. Diese wuchs noch, als im 1. Jahrtausend v. Chr. berittene Truppen zu einem wesentlichen Bestandteil des Heeres wurden. Da Pferde nicht in Mesopotamien selbst gezüchtet wurden, mussten sie importiert werden. Trotz der hohen Kosten wurden berittene Einheiten zu einer unverzichtbaren Voraussetzung für jeden Feldzug, und entsprechend gab es eine Reihe von tierärztlichen und magischen Vorsichtsmaßnahmen bzw. Ritualen, um die Pferde vor Unfällen und Krankheiten zu schützen.52 In diesem Zusammenhang sind für uns zwei Aspekte interessant. Erstens spielt in diesen Ritualen der König selbst eine prominente Rolle. So ist in der königlichen Bibliothek von Ninive (7. Jahrhundert v. Chr.) ein Namburbi, ein apotropäisches Ritual, überliefert, das dazu diente, bestimmte Tierkrankheiten von den Pferden der königlichen Armee fernzuhalten, galt es doch, die kostbaren Tiere besonders zu pflegen. Der König selbst nahm an einigen der Zeremonien teil, wozu auch die Verrichtung von Gebeten gehörte.53 Dass der König und die Pferde auf dieselbe Weise geschützt werden mussten, geht aus einem Ritual hervor, bei dem ein terminabandû genannter Schutzstein zum Einsatz kam. Dieser

sehr späte Quellen mit teilweise völlig anderem Schauplatz. Vgl. beispielsweise How/Wells 1928, 279, die auf Baynes 1912 verweisen, die wiederum Georg von Pisidien (7. Jhdt. n. Chr.) und die Chroniken von Johannes von Nikiou zitieren. Beide berichten, dass die Perser Pferde verehrten. Asheri/Lloyd/Corcella 2007, 477 verweisen auf Agathias 4, 25, 2 f. als ein Beispiel der »Sassanian divination through horses«. Das entspricht jedoch nicht dem, was Agathias sagt. Vielmehr berichtet er, dass die Magier am Königshof vorhersagen konnten, ob die Pferde männliche oder weibliche Fohlen gebärten. Dies ist nicht Wahrsagung durch Pferde, sondern Wahrsagung über Pferde. S. auch Bowie 2012, 270, der die »elements, such as sunrise, thunder and lightning, and horses« als »connected with the ideology of Persian kingship« ansieht. Ähnlich Root 2013, 48–9. Die Verbindung zwischen Sonnengott und Pferden ist jedoch ein weit verbreitetes Phänomen, das für viele Gegenden des Alten Orient belegt ist: Calmeyer 1974, 64 mit Anm. 60, 68–71; Schroer 1987, 282–300; Seidl 2004, 491–2; Weszeli 2003–2005, 478. Für göttliche Pferde bei den Hethitern vgl. van den Hout 2004, 488. 51 Jacobs 2001. 52 Weszeli 2003–2005, 478–9. 53 Huber 2005, 24–30.

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wurde als besonders effektiv betrachtet »to protect the king’s and prince’s chariot, to protect the horses, to protect in battle«.54 Zweitens erweisen die Rituale bestimmte Götter als für den Schutz der Pferde verantwortlich. Dies wird aus einem ausführlichen Pferdesegen deutlich, der aus mittel- und neuassyrischer Zeit stammt.55 Zwei Gottheiten stechen dabei besonders hervor: Shakkan und Bēlet-ṣeri. Shakkan war für die wilden und domestizierten Steppentiere verantwortlich. Auch seine Gattin, die den sprechenden Namen »Herrin der Steppe« trägt, herrschte über dasselbe Gebiet. Dort lebten nach mesopotamischen Vorstellungen auch jene bösen Geister, die Krankheit, Seuche und Tod über die Pferde und jedes andere lebende Wesen brachten.56 Diese Beobachtung gewinnt Relevanz, findet doch das von Herodot berichtete ominöse Ereignis ἐν τῷ προαστείῳ statt, das heißt direkt vor der Stadtmauer und damit genau dort, wo Shakkans und Bēlet-ṣeris Machtbereich beginnt. Diese Beobachtungen lassen sich durch eine Reihe weiterer Zeugnisse ergänzen, bei denen Omina mit berittenen Pferden sowie das Wiehern von Pferden in orakelhaften Zusammenhängen eine wichtige Rolle spielen. So konnte das Besteigen eines Pferdes bei einer bestimmten Gelegenheit als ein bedeutungsschwangeres Omen betrachtet werden, das freilich einer entsprechenden Interpretation bedurfte. Ein wichtiges Zeugnis für ein solches Vorkommnis ist ein Brief des obersten Schreibers Issar-šumu-ereš und zweier Kollegen an den assyrischen König Asarhaddon (680–669 v. Chr.). Sie berichten darin von einem orakelhaften Zwischenfall, der sich während der Rückführung der Statue des Gottes Bēl-Marduk nach Babylon ereignete.57 Schauplatz ist die Stadt Labbanat in der Grenzregion zwischen Assyrien und Babylonien am Fluss Tigris: Bel-eriba and Nergal-šallim, servants of the household of the crown prince, under the jurisdiction of the governor of the city of Šamš-naṣir, were attending, in Labbanat, to a strong horse harnessed in trappings of the land of Kush for the (ceremonial) entrance into the city (of Babylon). Nergal-šallim took hold of the feet of Bel-eriba and helped him to mount the horse. They saw (this), seized and questioned him. He said, ›The gods Bel and Zar[panitu] have sent word to me: ›Babylon – straight – the loot of Kurigalzu.‹ (SAA 10,24,9-r.11)

54 Schuster-Brandis 2008, 354–5, Z. 9 ff. Siehe auch Maul 2013, 18–19. 55 Maul 2013. 56 Maul 2013, 21. 57 SAA 10,24. Der Brief kann auf das Jahr 669 v. Chr. datiert werden. Vgl. den Kommentar von Parpola 1983 Bd. 2, 32–5.

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Genau zu dem Zeitpunkt, als der vermeintliche Prophet unvermittelt ein Pferd besteigt, das den Wagen des Bēl-Marduk zieht, notiert der Bericht einen orakelhaften Ausspruch des Protagonisten. Dieser verdient besondere Beachtung. Durch die Erwähnung eines Kurigalzu, so heißen einige Könige der längst vergangenen Kassitendynastie, sowie der Stadt Babylon wird ein Orakelspruch generiert, der direkt das Königtum betrifft. Das bevorstehende Ereignis wird als »straight« bezeichnet, wörtlich »entlang der Messleine« (ina muḫḫi ašli), was darauf hindeutet, dass es in nächster Zukunft eintreten wird. Offenbar war die Situation äußerst heikel, wurde das Ereignis doch als Hinweis auf einen unmittelbar bevorstehenden Regimewechsel in Babylonien gedeutet.58 Zwar wieherte das Pferd in diesem Fall nicht, doch werden wir gleich sehen, dass dieses Detail sehr wohl in einem anderen Text erscheint, in dem wiederum Bēl-Marduks Wagen eine gewichtige Rolle spielt. Aus dem 1. Jahrtausend v. Chr. sind uns zahlreiche Prozessionsomina überliefert, die sich um das Götterbild Bēl-Marduks und sein Gefolge während zeremonieller Prozessionen drehen und die auch jedes noch so kleine Ereignis notieren, dem eine ominöse Kraft zugeschrieben werden konnte. Obwohl das Hauptaugenmerk jeweils auf der Statue selbst, ihrer Farbe, Bewegung und Drehung liegt, beobachten vier der erhaltenen Omina auch das Verhalten der Pferde, die den Götterwagen ziehen auf das Genaueste.59 Diese vier ›Pferdeorakel‹ bilden eine eigene Gruppe und sind von den vorhergehenden und nachfolgenden Passagen durch Trennlinien abgegrenzt:60 90) Wenn das Pferd wiehert, das den Wagen des Gottes zieht, wird sich der Sinn des Landes ändern. 91) Wenn das Pferd wiehert, das den Wagen des Gottes zieht, und wenn ein Teil des Wagens bricht, wird das Land (Var. das Volk) in Aufregung geraten. 92) Wenn das Pferd, das den Wagen des Gottes zieht, wiehert und das Volk erschreckt, wird das nindabû-Opfer des Gottes eingestellt werden.

58 Laut Frahm 2010, 128 könnte der im Brief vermeldete Zwischenfall die Furcht vor politisch motivierten »terrorists« in der Umgebung Dur-Kurigalzus zum Ausdruck bringen. 59 Vgl. für diese Prozessionsomina im Allgemeinen Schaudig 2008, 566–9. 60 Prozessionsomen (Pongratz-Leisten 1994, 257–65, Nr. 18): (90) DIŠ ANŠE.KUR.RA šá GIŠ.GIGIR DINGIR is-si UŠ4 KUR MAN-ni // Šumma sīsu ša narkabat ili issi ṭēm māti išanni (91) DIŠ KI.MIN is-si-ma ḫu-ṣab GIŠ.GIGIR iš-bir KUR.BI (Var. LÚ.BI) ina-zi-qi // Šumma (sīsu ša narkabat ili) issīma ḫuṣāb narkabti iššibir mātu (Var. nīšē) inazziq (92) DIŠ KI.MIN issi-ma UN.MEŠ (Var. 0) ú-gal-lit NIDBA DINGIR.BI KUD-as // Šumma (sīsu ša narkabat ili) issīma nīšē ugallit nindabû ili iparras (93) DIŠ KI.MIN is-si-ma LÚ ik-rit UŠ.MEŠ (Var. NAM. UŠ.MEŠ) ina KUR.BI (Var. KUR) GÁL.ME (Var. GÁL-ši) // Šumma (sīsu ša narkabat) ili issīma amēla ikrit mūtānu ina māti ibašši.

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Altorientalisches bei Herodot 93) Wenn das Pferd, das den Wagen des Gottes zieht, wiehert und nach einem Mann tritt, wird es Pest im Land geben.

Es ist offensichtlich, dass es sich hier um negative Omina handelt, die sich alle auf das Land als Ganzes beziehen. Sie beschwören Unordnung und Chaos herauf. Eine genauere Betrachtung des ersten Omens, das als eine Art Überschrift für die ganze Passage angesehen werden kann, zeigt, dass es auch einen politischen Bezug gibt, der direkt das Königtum betrifft. Es ist darüber hinaus das einzige Omen, bei dem die Protasis ausschließlich durch das Wiehern eines Pferdes bestimmt ist und kein zusätzliches weiteres ominöses Ereignis notiert wird. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang allerdings die Apodosis: dass »der Sinn des Landes sich ändern wird«. Diese Wendung ist in der babylonischen Omen-Literatur gut belegt. Das akkadische ṭēmu – Sinn hat ein breites Bedeutungsspektrum: »report, news, information, situation, matter; order, command, instructions; decision, deliberation, (divine) counsel, will, discretion, initiative; reason, intelligence; relations; characteristics, essence«.61 Besonders im Kontext von Omina ist jedoch auch die Bedeutung »plan, intention« belegt.62 Die Verbindung ṭēm māti, »mind/plan of the land« ist sehr geläufig und tritt häufig zusammen mit dem Verb šanû, »to change«, auf.63 In diesem Fall verweist ṭēmu auf das Bedeutungsfeld ›Loyalität‹, ›politische Lage‹. Daraus ergibt sich, dass unser Omen wohl am besten folgendermaßen zu übersetzen ist: »Wenn das Pferd, das den Gotteswagen zieht, wiehert, wird sich die politische Lage des Landes ändern«.64 Das Omen betrifft also eindeutig das Königtum und die politische Herrschaft und bezieht sich insbesondere auf einen Herrschaftswechsel. Zwar wird diese Veränderung negativ gewertet, da der Herrschaftswechsel und die Einsetzung eines neuen Königs als Unordnung und Aufruhr betrachtet werden. Dies mindert jedoch nicht das breite Spektrum an Übereinstimmungen mit dem von Herodot beschriebenen Omen, bei dem das Wiehern eines Pferdes mit Königtum, Herrschaftswechsel und der Einsetzung eines neuen Königs verknüpft ist. Besondere Beachtung verdient der Umstand, dass Prozessionsomina nicht zum Geheimwissen der babylonischen Schreiber zu zählen sind. Wie Hanspeter Schau61 CAD Ṭ: 85. 62 CAD Ṭ: 93–4. 63 Vgl. auch CAD Š1: 405–6. 64 Vgl. etwa die Apodosis des altbabylonischen Omens AfO 5, 215 Nr. 2:5, wie sie in CAD Š1: 405 zitiert wird: »The political situation will change, Šamaš will install a king of his own choice for his land« (ṭēm māti išanni Šamaš ša ramānīšu ana mātīšu išakkan).

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dig es ausdrückte: »These could be plainly seen and easily understood by anyone in the streets participating in the festivals«.65 Dies bedeutet, dass wir von einer weiten Verbreitung des Wissens über solche Omina im Alten Orient ausgehen dürfen. Auf diese Weise konnten sie leicht in neue Kontexte integriert und mit neuen Bedeutungen aufgeladen werden. Eine andere altorientalische Quelle verknüpft das Wiehern eines Pferdes noch enger mit dem König. Sie ist Teil der Serie Šumma Alu (ina Mēlê Šakin), einer der bedeutendsten mesopotamischen Omensammlungen, die sich in enzyklopädischer Form hauptsächlich mit Ereignissen des alltäglichen Lebens beschäftigt.66 Bereits in den 1950er Jahren hat Oppenheim auf einige der Omina dieser Sammlung hingewiesen, die auf zufälligen Lautäußerungen von Tieren beruhen und als mit ominöser Bedeutung aufgeladen betrachtet werden.67 Omina solcher Art, die rein technisch gesehen als Kledomantik bezeichnet werden können, wurden nach der Tiergattung geordnet, die den entsprechenden Laut hervorgebracht hatte.68 Neben Omina, die Schafe, Ochsen, wilde Tiere, Katzen, Hunde, und Schweine erwähnen, gibt es auch solche, die Einhufer und besonders Pferde betreffen. Letztere gehören zu Tafel 43 der Sammlung.69 Darunter befindet sich ein Omen, das dem Wiehern eines Pferdes eine besondere zukunftsweisende Bedeutung zuschreibt:70 Wenn ein Pferd vor dem Herrscher wiehert und Kot absetzt […], wird dieses Pferd innerhalb eines Monats sterben.

65 Schaudig 2008, 568. 66 Die ersten 40 Tafeln sind nun in einer neu überarbeiteten Edition verfügbar: Freedman 1998; Freedman 2006. Die Serie ist nach ihrer ersten Zeile benannt. Die enthaltenen Omina wurden über Jahrhunderte überliefert. Um 640 v. Chr. wurden sie standardisiert, in diese neue Serie aufgenommen und Teil der Bibliothek des assyrischen Königs Assurbanipal. Zuletzt bestand die Serie aus 107 Tafeln und umfasste etwa zehntausend Omina. Die große Zahl von Zitaten beweist ihre Beliebtheit. Die jüngsten nachgewiesenen Beispiele von Omina aus der Serie stammen aus dem seleukidischen Uruk und beweisen die Langlebigkeit des darin enthaltenen Materials: vgl. Freedman 1998, 1–14; Maul 2003–2005, 58–62. 67 Oppenheim 1954–1956, 55. 68 Die Umstände der jeweiligen Situation konnten freilich das Ergebnis der Prognose erheblich beeinflussen. 69 Freedman 2006, 3; Freedman 2015; Maul 2003–2005, 60. Vgl. auch Weszeli 2003– 2005, 479; CAD N1, s. v. nagāgu, 105 f.; CAD S1: s. v. sakālu B, 69; CAD S1: s. v. sīsû, 328–329. 70 Tafel 43, 78´ (Freedman 2015, 7, Text DT 298, 4´; rekonstruiert aus den verwandten »Chariot Omens« Z. 41´, d. h. K.3944 = CT 40, Tafel 36, Z. 56 + K.7238 + K. 8618; vgl. Freedman 2015, 41): DIŠ ANŠE.KUR.RA DIŠ IGI NUN in-gu-ug-ma ŠURUN-su ŠUB ANŠE.KUR.RA BI ana ITI [x KAM2] UG7 // Šumma sīsû ana pān rubî iggugma kabūssu iddi sīsû šū ana araḫ [x] imāt.

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Wie das Omen zeigt, wurde das Wiehern eines Pferdes (zusammen mit der Ausscheidung von Kot)71 als ein besonders zeichenhaftes Ereignis betrachtet, dessen Bedeutung noch stieg, wenn es vor dem König geschah. Dies ist für sich genommen schon eine erstaunliche Parallele zu Herodots Geschichte, in der das Wiehern des Pferdes vor dem (zukünftigen) König das zentrale Motiv darstellt. Ein weiteres charakteristisches Element des in die Erzählung Herodots eingeschriebenen Omens stellt der Zeitpunkt dar, zu dem es sich ereignet. Das Pferd wieherte exakt zu Sonnenaufgang. Der frühe Morgen ist auch in mesopotamischen Ritualen ein wichtiger Zeitpunkt. Ein gutes Beispiel dafür stellt der oben bereits zitierte Pferdesegen dar. Zunächst werden eine ganze Reihe apotropäischer Rituale zu bestimmten Zeiten über die ganze Nacht hinweg ausgeführt. So wird während der Abendwache (barārītu) ein Ziegenbock (urīṣu) an den Pferden vorbeigeführt. Dasselbe geschieht während der Mitternachtswache (qablītu). Der letzte und wichtigste Teil des Rituals wird jedoch während der Morgenwache (namārītu) ausgeführt: Ein dritter Bock passiert die Pferde, außerdem werden eine mit Stierhaut bespannte Trommel (KUŠ.GU4.GAL),72 eine Glocke (nigkalagû), grüne Blätter (ḫasḫallatu) und Räucherwerk (?) (qutāru) an den Pferden vorbeigetragen. Zuletzt werden die Pferde mit Wasser aus dem heiligen Wasserbecken (egubbû) gereinigt.73 Die Morgendämmerung war also jene Zeit, zu der alle bösen Mächte vollständig von den Pferden vertrieben wurden.74 Es ließen sich zahlreiche weitere mesopotamische Beispiele anführen, bei denen rituelle Handlungen zur Morgendämmerung von großer Bedeutung sind. So offenbart etwa die Ritualserie Maqlû, die gegen Hexerei zum Einsatz kam, dieselben Zeithorizonte wie unser Pferdesegen.75 Das Ritual beginnt in der Abenddämmerung und dauert die ganze Nacht über an. Auch hier spielen die drei Nachtwachen eine gewichtige Rolle bei der Strukturierung des Rituals. Die letzten und entscheidenden Handlungen finden dann am Morgen statt.76 Die Beschwörungstafel hält fest, dass zu dieser Zeit klares Wasser in alle Windrichtungen verspritzt wird (viii 127´´´´–

71 Freedman 2015, 7 und 41 bietet eine abweichende Übersetzung: »If a horse neighs in front of a prince and abandons its stable, that horse will die in x month(s)«. Für ŠURUN = kabūtu = «excrement, dung of animals« und die Wendung ŠURUN-su ŠUB = kabūssu iddi = «to drop its excrement«, s. CAD K:, s. v. kabû A, 28–29. 72 Die akkadische Lesung des Logogramms ist unklar. Vgl. CAD K: 599 s. v. *kušgugalû. 73 Maul 2013, 25–6 (Umschrift), 28–29 (Übersetzung) Z. 59´–61´. 74 Vgl. Maul 2013, 22. 75 Vgl. Abusch 1999; Abusch 2002. 76 Vgl. Abusch/Schwemmer 2008, 129–31. Die drei Nachtwachen werden direkt zu Beginn des Rituals angesprochen (i 3; Abusch/Schwemmer 2008: 136).

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139´´´´).77 Die dazu angefertigte Ritualtafel richtet sich direkt an den Sonnengott Šamaš und feiert sein Erscheinen am Morgen, wenn das Ritual stattfindet (viii 157´– 179´).78 Obwohl der Inhalt dieses längsten Beispiels babylonischer Beschwörungsliteratur – Maqlû ist etwa 1600 Zeilen lang – als ›Geheimwissen‹ betrachtet werden kann, das nur Spezialisten zugänglich war,79 wurde die Serie Teil der babylonischen Schreiberausbildung.80 Darüber hinaus wurden die Dienste des āšipu, des für die Durchführung des Rituals verantwortlichen Spezialisten, von zahlreichen Babyloniern in Anspruch genommen, wenn sie an diesem besonderen Ritual teilnahmen. Es war sicher allgemein bekannt, dass der Zeitpunkt des Sonnenaufgangs in rituellen Kontexten eine besondere Rolle spielte und dass der Sonnengott Šamaš als göttlicher Richter die zentrale Figur bei vielen Ritualen war. Dies gilt nicht nur für die Extispizin, wie sie in den berühmten Klagen an den Sonnengott aus neuassyrischer Zeit dokumentiert ist,81 sondern auch für die zahlreich überlieferten Namburbi-Rituale, deren Ziel es war, durch einen entsprechend gedeuteten Omenbefund vorhergesagtes Unheil abzuwenden. Diese Rituale waren als Gerichtsprozesse organisiert, deren Vorsitz der Sonnengott führte, und auch hier wurde den zur Morgendämmerung stattfindenden Handlungen besondere Aufmerksamkeit geschenkt.82 Betrachten wir diese altorientalischen Zeugnisse vor dem Hintergrund der herodoteischen Erzählung, können wir bemerkenswerte Parallelen feststellen. Dies gilt nicht nur für den engeren Kontext, das heißt für den Kern der Erzählung sowie die fiktive Statue des Dareios, wie sie bei Herodot imaginiert wurde, sondern auch für weitere Zusammenhänge, das heißt für Zeit und Ort des Omens sowie die ominöse Bedeutung des Wieherns und die Verbindung zwischen Pferd, König und neuer Herrschaft. Wie wir bereits gesehen haben, spielte der Pferdeknecht in dieser Erzählung eine tragende Rolle. In den Historien erscheint er jedoch nicht als anonymer Diener, sondern wird beim Namen genannt. Auf diesen Oibares müssen wir nun unser Augenmerk richten. III. Oibares Der Name, ionisch Oibares, attisch Oibaras, ist persischen Ursprungs. Seine iranische Form kann als *Vahya-bara rekonstruiert werden und bedeutet »Gutes 77 Abusch/Schwemmer 2008, 180. 78 Abusch/Schwemmer 2008, 186. 79 Vgl. dazu allgemein Lenzi 2008. 80 Abusch/Schwemmer 2008, 128. 81 Vgl. Starr 1990. 82 Maul 1994. Für den Zusammenhang zwischen dem Sonnengott und Pferden vgl. Anm. 50 oben.

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meldend« bzw. »Gute Nachricht bringend«.83 Bei Herodot fungiert der Name offensichtlich als ein kledon und passt perfekt zu der Geschichte, in der ein neuer und in gewissem Sinne illegitimer Herrscher einen ebenso bereitwilligen wie listigen Helfer benötigt, um ein positives, seine Herrschaft festigendes und letztendlich legitimierendes Omen zu erhalten. In der griechischen Tradition erscheint der Name Oibares erstmals bei Aischylos (Persae 984), wo er einen vornehmen Perser bezeichnet, der bei Salamis fiel. Neben unserer Geschichte erwähnt Herodot auch einen Satrapen von Daskyleion, der diesen Namen trägt (Hdt. 6,33,3). Schließlich finden wir auch in den erhaltenen Fragmenten des Ktesias ein Narrativ, das um eine Person dieses Namens konstruiert ist.84 Obwohl Ktesias sich zweifellos mit Herodots Werk auseinandergesetzt hatte,85 spielen in seiner Erzählung auch andere Traditionen eine Rolle, die er verwendete und in sein eigenes Werk einbaute. Der von Ktesias erwähnte Oibares findet sich in mehreren Fragmenten.86 Bei Photios erscheint er als Satrap und strategos von Kyros dem Großen und wird als weiser Ratgeber des Perserkönigs charakterisiert.87 Mehr Informationen bieten die von Nikolaos von Damaskos überlieferten Fragmente.88 Demnach soll Oibares aus einfachsten Verhältnissen stammen. Er begegnet Kyros zum ersten Mal im Land der Kadusier, als letzterer bereits Pläne schmiedet, den medischen König Astyages vom Thron zu stoßen. Bei dieser ersten Begegnung wird Oibares als »ein gepeitschter Mann, der Mist im Korbe trug« beschrieben.89 Kyros versteht dies sofort als ein Omen und bittet seinen namenlosen chaldäischen Begleiter und Ratgeber um eine Deutung dieses Sachverhalts: πυθομένωι δὲ Κύρωι ἀποκρίνεται ἐκεῖνος ὅτι Πέρσης εἴη, Οἱβάρας ὄνομα. καὶ ὃς ἥσθη πάνυ· ὁ γὰρ Οἱβάρας δύναται ῾Ελλάδι γλώσσηι ἀγαθάγγελος. ἔφη δ᾽ ὁ Βαβυλώνιος πρὸς Κῦρον καὶ τἄλλα σύμβολα εἶναι ἄριστα. ‘ὅτι τε Πέρσης ἐστί σοι πολίτης καὶ ὅτι κόπρον ἱππίαν φέρει, ἥτις πλοῦτον καὶ δύναμιν προσημαίνει, ὥσπερ καὶ τοὐνομα λέγει.’ ταχὺ δὴ τὸν ἄνθρωπον ὁ Κῦρος παραλαμβάνει συνεῖναί τε ἐκέλευεν αὐτῶι· ὁ δὲ πείθεται (F.*8d [L] (13) nach Stronk)

83 Schmitt 2006, 114–15. 84 Waters 2011. 85 Bichler 2011. 86 F.*8d [L] (11)-(45), F. 8 f. [S], F. 9 (1), (4)-(6), F. 9a. Die Nummerierung der Fragmente folgt Stronk 2010. 87 F. 9 (1), (4)-(6); vgl. auch F. 9a. 88 F.*8d [L] (11)-(45). Für die besondere Problematik dieser Fragmente s. Stronk 2010, 73–84. 89 F.*8d [L] (13): μεμαστιγωμέν̣ος ἀνὴρ κόπρον ἐν κοφίνωι ἐκφέρων.

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Robert Rollinger Dem forschenden Kyros antwortete jener (der Chaldäer), dass er ein Perser sei, mit Namen Oibaras; da freute er sich sehr, denn Oibaras bedeutet in hellenischer Sprache ›der gute Bote‹. Und der Babylonier sagte dem Kyros, dass auch die anderen Zeichen die besten seien: ›Weil er dir ein persischer Landsmann ist und weil er Pferdemist trägt, was Reichtum und Macht ankündigt, wie auch der Name sagt‹. Schnell nimmt Kyros den Mann zu sich und heißt ihn, ihm zu folgen; der aber folgt ihm. (F.*8d [L] (13) nach König)

In der Episode wird nicht nur der Name des Mannes enthüllt und nebenbei korrekt interpretiert. Es wird auch verraten, dass es sich bei dem Dung um Pferdemist (κόπρον ἱππίαν) handelt, und all dies wird als positives Omen betrachtet.90 Nach dieser folgenschweren Begegnung wird Oibares zum Begleiter und Ratgeber des Kyros und mit hohen sozialen Ehren belohnt: τὸν δὲ Οἱβάραν ἵππωι τε καὶ στολῆι Περσίδι καὶ θεραπείαι ἐτίμησεν εἶχέ τε πέλας, τὴν γνώμην ὁρῶν ἀγαθόν, καὶ ἅμα τοῦ Βαβυλωνίου κελεύοντος διαλέγεσθαι αὐτῶι. ἐκ δὲ τοῦ κατ᾽ ὀλίγον ἑταιριζόμενος ἐποιεῖτο καὶ σύμβουλον·(F.*8d [L] (14) nach Stronk) Den Oibaras ehrte er (Kyros) mit einem Pferd und einem persischen Gewand und behielt ihn bei sich; weil er dessen gute Gesinnung sah, unterredete er sich auf Anraten des Babyloniers mit ihm. Nach kurzem machte er ihn aber zum Gefährten und Berater. (F.*8d [L] (14) nach König)

Wieder begegnet uns zu Beginn der Herrschaft eines Emporkömmlings bzw. Usurpators, nämlich Kyros’, sowohl ein Orakel, das mit Pferden verbunden ist, genauer gesagt mit Pferdemist,91 als auch ein cleverer Diener, der schon durch seinen Namen ein positives Omen verkörpert. Ktesias könnte hier mit der herodoteischen Geschichte gespielt haben,92 durchaus aber auch mit einer anderen Tradition, die ein Pferdeomen mit der Legitimierung der Herrschaft eines neuen Königs verband.93 Es ist darüber hinaus bemerkenswert, dass das Omen von einem Babylonier gedeu90 Panaino/Basello 2009, 395–398 argumentieren, die Struktur des gesamten Abschnitts, der Protasis (das Zusammentreffen mit einem Perser namens Oibares, der einen Korb voll Pferdedung trägt) und Apodosis beinhaltet (positives Omen über das Königtum), verweise auf babylonische Omenliteratur. In jedem Fall weiß der Babylonier bereits im Vorhinein, »it was destined that he, i. e. Cyrus, would dethrone Astyages and take over his kingship«: F.*8d [L] (12). 91 Man beachte auch das Pferd, das Oibares von Kyros geschenkt wird. Vgl. Waters 2011, 495–6. 92 Rollinger 2011, 320. 93 Waters 2011, 494: »To my mind, a more productive methodological approach allows the

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tet wird. Dasselbe gilt für ein weiteres Pferdeomen, das ebenfalls bei Ktesias belegt ist und auf welches das eben zitierte Fragment indirekt verweist.94 Der erste medische König war ein gewisser Arbakes, der den assyrischen König Sardanapal vom Thron verdrängte.95 Sein Verbündeter und Mitverschwörer war ein gewisser Belesys, »Herrscher über Babylon« (Βελέσυι τῆς Βαβυλῶνος ἄρχοντι).96 Als beide beginnen, gegen den assyrischen König zu intrigieren, erzählt ein Fragment bei Nikolaos von Damaskos von einer interessanten Episode: καὶ δὴ καὶ τότε ὁ Βελέσυς τῶι ᾽Αρβάκηι διαλεγόμενος πρὸ τῶν θυρῶν πλησίον τινὸς φάτνης, ἐν ἧι δύω ἵπποι ἐξεφατνίζοντο (καί πως ἦν μεσημβρία) κατέδαρθεν αὐτόθι, καὶ ἐν τῶι ὔπνωι ἔδοξεν ὁρᾶν τὸν ἕτερον τῶν ἵππων ἐπιφορεῖν τῶι στόματι ἐπὶ τὸν ᾽Αρβάκην καθεύδοντα καὶ αὐτὸν ἄχυρα, τὸν δὲ ἕτερον ἐρέσθαι ῾τί τοῦτο ποιεῖς, ὧ δαιμόνιε, καὶ τὰ ἄχυρα τῶι ἀνθρώπωι ἐπιφέρεις᾽; τὸν δὲ ἀποκρίνασθαι· ῾φθονῶ αὐτῶι· μέλλει γὰρ βασιλεύειν ἁπάν-των ὧν νῦν ἄρχει Σαρδανάπαλλος᾽. (F. *1ρε [L] nach Stronk) Und auch damals unterhielt sich Belesys mit dem Arbakes vor den (Palast)Toren nahe einer Krippe, aus der zwei Pferde fraßen, und dort, weil es Mittag war, schliefen sie; im Schlaf schien Belesys zu sehen, wie das eine Pferd auf den schlafenden Arbakes aus dem Maul Spreu niederfallen ließ und das andere Pferd fragte: ›Warum tust du das, du Wunderlicher, und streust Spreu auf den Menschen?‹; das andere Pferd aber antwortete: ›Neidisch bin ich auf ihn; den er wird über alle König sein, über die jetzt Sardanapallos herrscht‹. (F. *1ρε [L] nach König)

Der Babylonier, erfahren in der Auslegung von Zeichen, erkennt offenbar sofort, dass dieses Omen Arbakes’ erfolgreichen Aufstieg und seinen Griff nach der Weltherrschaft vorhersagt. Wieder verknüpft die Geschichte ein Pferdeorakel mit einem Usurpator, und wieder mutet sie wie eine Parodie einer solchen Tradition an. Auch in diesem Fall könnte es sich um ein Spiel mit Herodots Version handeln: In dieser ist die Episode am Morgen und unmittelbar vor der Stadt angesiedelt, während Ktesias sie direkt vor den Palast und in die Mitte des Tages verlegt. Wieder einmal scheint sich Ktesias spielerisch mit Herodot auseinanderzusetzen. Gleichzeitig wird auch hier eine bereits Herodot vorliegende Tradition erkennbar. Was jedoch possibility that Ctesias and Herodotus relayed modified variations of genuine Persian or Mesopotamian folk tradition(s)«. 94 F.*8d [L] (12): »And he, i. e. Cyrus, considered that Arbaces, when he had dethroned Sardanapallus, had taken this honoured position as well: ›And yet the Medes on which he trusted, are not stronger than the Persians and Arbaces not wiser than I am; and luck and fate do indicate it to me, just like to him‹« (nach Stronk). 95 Vgl. Rollinger 2011, 316–23. 96 S. auch Madreiter 2011, 258–64.

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am meisten an Ktesias’ Version erstaunt, die Pferdeomen, einen Usurpator und einen weisen Ratgeber vereint, ist der Umstand, dass sich Oibares im Laufe der Zeit von einem Knecht aus niedrigem sozialen Stand zu einem ranghohen Mitglied von Kyros’ Gefolge wandelt. Damit deckt er interessanterweise genau das gleiche Spektrum sozialer Ränge ab, das der akkadische Begriff susānu umfasst, wie er in Sargons Inschrift belegt ist. Zu einem gewissen Grad trifft dies selbst für die herodoteische Version der Geschichte zu, auch wenn Herodot zwei verschiedene Personen namens Oibares aufführt, der eine ein Knecht, der andere ein Satrap. Ein weiterer zentraler Aspekt betrifft den Pferdemist. Erinnern wir uns kurz an das oben zitierte Omen aus der babylonischen Serie Šumma Alu (CT 40, Tafel 36, Z. 56: »Wenn ein Pferd vor dem Herrscher wiehert und Kot absetzt […] wird […] sterben/sich verringern«). Vor diesem Hintergrund könnte man sich fragen, ob nicht beide, Herodot und Ktesias, von ein und derselben babylonischen Omentradition beeinflusst wurden, die sie beide jeweils vereinfacht präsentieren. Während Herodot den Aspekt des Wieherns unterstreicht, betont Ktesias das Absetzen des Kots –97 und beide schaffen einen jeweils völlig neuen Kontext, der sich um des Humors und des literarischen Spiels willen völlig vom ›wissenschaftlichen‹ Ansatz der Omensammlung unterscheidet. Auf jeden Fall belegt Ktesias’ Version die Existenz einer noch immer lebendigen Tradition eines Narrativs, dem wir schon in Herodots Historien begegneten. Bei genauerer Betrachtung scheint jedoch die Geschichte Herodots den altorientalischen Vorbildern, wie sie in unseren Quellen belegt sind, näher zu stehen. Obwohl kein echtes altorientalisches Orakel erhalten ist, das die erzähltechnischen Bausteine ›ein Pferd besteigen‹, ›Sonnenaufgang als Ritualzeitpunkt‹, ›Grenze zwischen ummauerter Stadt und ihrem Umland als Ritualort‹ sowie nicht zuletzt ›Wiehern als distinktives Ritual‹ vereint, sind alle diese Elemente einzeln sehr wohl in altorientalischen Ritualen belegt, von denen einige auch mit den Themenkreisen ›Königtum‹ und ›Herrschaftswechsel‹ in Verbindung stehen. Der Umstand, dass sich all diese Elemente auch in Herodots Darstellung finden, kann kaum Zufall sein. Sie müssen Herodot in irgendeiner Form bekannt gewesen sein. Jedenfalls formte er sie virtuos zu einer Erzählung um, die im Ergebnis ganz und gar herodoteisch ist, uns aber dennoch erlaubt, die ihr zugrunde liegenden Bestandteile aufzuspüren. Das zentrale Element dieser Erzählung ist die fiktive Statue des Dareios, die nicht nur in ihrem Aussehen, sondern auch in ihrer Botschaft verblüffende Parallelen zur Statue des urartäischen Königs Rusa aufweist, wie sie von Sargon II. beschrieben wurde. Diese Botschaft verrät eine externe Perspektive, deren kritischer und ironischer Unterton auffällt. Die unterschwellige Kritik richtete sich ursprünglich gegen das urartäische 97 Für weitere Belege zu ominösen Konnotationen eines Kot absetzenden Pferdes s. Panaino/Basello 2009, 398.

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Königtum, aber es ist offensichtlich, dass sie leicht zu einer generellen Kritik am Königtum selbst werden konnte, sobald sie sich von ihrem spezifischen Kontext gelöst hatte.98 Eine solche Erzählung muss der Archetyp der Geschichte um die fiktive Statue des Dareios gewesen sein, wie sie uns auch bei Herodot entgegentritt. Was wir in den Historien finden, ist ein altorientalischer Diskurs um einen König, der gerade dabei ist, seine neu gewonnene Herrschaft zu etablieren und dabei dringend nach Legitimität strebt. Von Anfang an besitzt die Geschichte einen respektlosen Unterton und ist voller Ironie gegenüber einem Herrscher, der nur mit Hilfe einer Person aus niedrigem Stand in der Lage ist, sich sein Königtum zu sichern. Ebenso war sie von Anfang an mit einem Pferd beziehungsweise mehreren Pferden und einem Monument verknüpft, das auf die erzählten Ereignisse Bezug nahm und sie memorierte. Allerdings haben wir es in den Historien nicht mit einer bloßen Kopie einer älteren altorientalischen Darstellung zu tun, sondern mit einer Erzählung, die geschickt in den herodoteischen Gesamtkontext eingefügt ist und eine insgesamt deutlich ironische Note gegenüber Dareios’ penetrantem Legitimitätsanspruch, wie er aus seiner Behistun-Inschrift gut bekannt ist, illustriert.99 Obwohl der altorientalische Hintergrund sowohl der fiktiven Statue und ihrer Inschrift, als auch der Erzählung um den listigen Helfer kaum zu leugnen ist, fassen wir in den betreffenden Kapiteln der Historien ein Narrativ, dessen Botschaft letztlich viel stärker herodoteisch als persisch geprägt ist.100 IV. Coda Diese im vorhergehenden Abschnitt angestellten Überlegungen führen zu einer letzten Frage, welche die Überlieferungswege des altorientalischen Materials betrifft. Es ist sehr schwierig, zu entscheiden, ob Herodot schriftliche oder mündliche Quellen nutzte, ob er seine Informationen im Alten Orient erhielt, in Anatolien, oder in der Ägäis. Im Allgemeinen müssen wir mit allen diesen Möglichkeiten rechnen, und es ist fast unmöglich, zu entscheiden, welche Lösung die plausibelste ist. Ohnehin breitete sich die persische Kultur über ganz Kleinasien bis in die Ägäis aus, sodass man altorientalischen Motiven und Ideen an vielen unterschiedlichen Orten begegnen konnte.101 Ein faszinierendes Beispiel für einen solchen Ort ist Tyana mit seinem um 98 Für Herrschaftskritik im Alten Orient vgl. Fink 2013 und in Druck. 99 Zu dieser Ironie s. Kipp 2001; Erbse 1992, 59–62; Köhnken 1990. S. im Allgemeinen Bichler 2007a und 2007c. 100 Natürlich kann man nicht völlig ausschließen, dass bereits eine ähnliche persische oder altorientalische Darstellung im Umlauf war, die eine feindliche Einstellung gegenüber Dareios transportierte, die Herodot bekannt wurde und die sich in seiner Geschichte niederschlug. 101 Vgl. Mitchell 2002, 50–9.

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Zeus Asambeios kreisenden Kult, der hauptsächlich bei Philostratos und Ammianus Marcellinus belegt ist.102 Wie Stephen Mitchell gezeigt hat, ist ›Asambeios‹ etymologisch mit altpersisch asp/asb zu verbinden, das, wie auch im Neupersischen, ›Pferd‹ bedeutet. Asambeios war ein persischer Gott, der mit der Pferdezucht assoziiert wurde, für die Kappadokien besonders bekannt war.103 Eine der wichtigsten Aufgaben des Gottes war es, für geleistete Eide zu bürgen – eine zentrale Funktion vieler persischer Heiligtümer in Anatolien, die Mitchell folgendermaßen definiert: »Truth-telling, overseen and judged by Ahura-Mazda, was at the moral core of Persian religious ideology, and this evidence suggests that it continued to define the authority of Persian cults through the Roman period.«104 So war die Kombination von Eidesleistung, dem Anspruch, der Wahrheit verpflichtet zu sein, und einer damit verknüpften spezifischen Funktion des Pferdes an verschiedenen Orten Kleinasiens noch in römischer Zeit eine lebendige persische Tradition. Es ist gut möglich, dass Herodot von ähnlichen Orten hörte oder sie sogar besuchte, und dass er auf diesem Weg mit Ideen und Elementen in Kontakt kam, die ursprünglich im Alten Orient weit verbreitet waren. Diese Ideen und Elemente sind noch immer sichtbar in seiner berühmten Geschichte von Dareios, Oibares und dem wiehernden Pferd.

102 Das Heiligtum kann möglicherweise mit dem vulkanischen See bei Hortasan Göl identifiziert werden. 103 Mitchell 2007, 167–9. 104 Mitchell 2007, 169.

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MARGARETHE HÄCKERWORKSHOP 2015 im Zentrum für Altertumswissenschaften der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

PERSER , MEDER ODER BARBAREN? Herodots Gebrauch der Persernamen und -sitten: zwischen griechischer Literatur und persischer Ethnographie Anthony Ellis

Abstract: This article examines the influence of narrative context on two aspects of Herodotus’ presentation of the Persians: first, the ethnonym he uses to refer to Persians – ›Persians‹, ›Barbarians‹, or ›Medes‹? – and second the details of Persian burial customs, which are treated inconsistently across the work. I argue that in the latter case, as in the former, narrative context and Herodotus’ ›generic‹ affiliation exert a decisive influence on (respectively) the linguistic register Herodotus employs and the conceptual outlook which he attributes to the Persians.

Dieser Aufsatz untersucht die Semantik der ›Persernamen‹ in Herodots Geschichte, mit dem Fokus auf der Frage, was diese uns über die Rolle von ethnographischem Wissen in Herodots Erzählungen zeigen kann. Zunächst konzentriere ich mich darauf, wie Herodots Gebrauch der orientalischen Volksnamen in den verschiedenen Teilen des Werkes wechselt. Im zweiten Teil stelle ich eine Parallele aus dem Bereich der persischen Sitten, nämlich des Begräbnisrituals, vor, in der Herodot seine Betrachtungsweise zwischen einem ethnographischen und einem historischen Modus wechselt. Diesmal jedoch geht es nicht um die Semantik der Wörter, sondern um das ethnographische Begriffssystem. Ich werde dafür argumentieren, dass, wie so oft bei Herodot, der Gebrauch der orientalischen Volksnamen ebenso wie die Sittendarstellungen der Perser sich nur verstehen lassen, wenn wir die schwierige, aber wesentliche Frage der ›Gattungen‹ Herodots berücksichtigen. I. Theoretische Grundlagen: ›Gattungen‹ und erzählerische Perspektiven in Herodots Historien Zu Beginn scheint es sinnvoll, einen Blick auf das grundlegende Konzept der Gattungen Herodots zu werfen. Seit langem ist man sich der polygenerischen Natur von 45

Anthony Ellis

Herodots Historien bewusst. Ihr Erzähler erscheint manchmal als ein fehlbarer und sehr menschlicher Forscher, der berichtet, was er über die Vergangenheit und Gegenwart erfahren hat (s. z. B. Herodots Erkundigungen über die Verehrung und den Kult von Herkules).1 Ein anderes Mal aber erscheint Herodot wie ein allwissender Beobachter, welcher direkt versteht, was passiert und gedacht wird (z. B. die Entstehung des Planes des Xerxes, gegen Griechenland zu kämpfen, und die Kriegsdebatte am Anfang des siebten Buches – beides ohne Verweis auf Quellen, Hdt. 7,5–11). Die Historien enthalten dabei genaue ethnographische Berichte (z. B. über die Perser, Hdt. 1,131–2), lebhafte und pathetische Gespräche über das menschliche Leben und Glück (z. B. jenes zwischen Solon und Kroisos, Hdt. 1,30–33), sorgfältige Auswertungen mündlicher Quellen (z. B. Hdt. 2,2,5–2,3,1; 28,1–2; 45,1; 77,1), dramatische Abhandlungen, die auf unerbittlichen Prophezeiungen beruhen (z. B. die quellenlose Erzählung von Adrast und Atys, Hdt. 1,34–45),2 stilisierte politische und rhetorische Debatten (z. B. die Verfassungsdebatte, Hdt. 3,80–82), Schlachtberichte (z. B. zu Marathon, vor allem Hdt. 6,111–117), auf homerische Art und Weise verfasste Kataloge (Hdt. 7,61–99, cf. Ilias 2,494–759)3 oder auch ausführliche Beschreibungen spezifischer Wunder (θώματα, vgl. Hdt. 1,194). Gelegentlich lassen sich Herodots stilistische Veränderungen aus einer erzählerischen Perspektive nachvollziehen, aus der deutlich wird, dass er stilistische und narrative Elemente aus ganz unterschiedlichen literarischen und mündlichen Quellen verwendet. Wenn wir diese verschiedenen Darstellungsformen der Historien betrachten, können wir Unterschiede feststellen, welche ebenso groß sind wie die ganzer antiker Gattungen zueinander. Bisher haben Wissenschaftler sich auf einzelne bestimmte, erzählerische Modi fokussiert,4 jedoch deuten die oben beschriebenen Beispiele darauf hin, hier noch weitergehen zu können. 1 Hdt. 2,44,1–3, bes. 2,44,1: Θέλων δὲ τούτων πέρι σαφές τι εἰδέναι ἐξ ὧν οἷόν τε ἦν, ἔπλωσα καὶ ἐς Τύρον τῆς Φοινίκης, πυνθανόμενος αὐτόθι εἶναι ἱρὸν Ἡρακλέος ἅγιον. Καὶ εἶδον […]; – Und weil ich hierüber gern etwas Genaues wissen wollte, von wem es nur möglich war, so bin ich auch nach Tyros in Phönizien gefahren, da ich hörte, dort gebe es ein angesehenes Heiligtum des Herakles. Und ich habe es gesehen … [alle Übersetzungen nach Marg 1973]; vgl. Hdt. 2,52,1. 2 Dazu Chiasson 2003, 30–31. 3 Allen 1921, 22 behandelt die bestehenden sowie die verlorenen Kataloge der griechischen Literatur. Zu homerischen Aspekten der Kataloge Herodots, s. Armayor 1978, ders. 1985. Untersuchungen der epischen Elemente bei Herodot beurteilen seine Kataloge häufig als besonders homerisch (Huber 1965; Erbse 1992, 125–7; Boedeker 2002, 103). 4 Für Herodots mannigfaltige Erzählstrategie s. De Bakker 2007, 7–9, 21–2 (Als Erzähler bringt Herodot zwei Figuren zum Einsatz, von denen eine dem homerischen Erzähler gleicht und die andere dem hippokratischen.); De Jong 2004, 107 stellt fest: »the Herodotean narrator has the persona of a historian, poses as an epideictic speaker, and allows himself the liberties of an epic singer«; Griffiths 1999 schneidet unser Thema kurz aber direkt an und nutzt die

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Perser, Meder oder Barbaren?

Diese Eigenart des Werkes ist kurz angesprochen worden, um auf die theoretischen Grundlagen dieses Beitrags zu verweisen. Vor diesem Hintergrund darf man erwarten, dass die erzählerische Perspektive einen sehr starken Einfluss darauf hat, mit welchem Vokabular und welcher Semantik Herodot über die orientalischen Völker spricht. Die Persernamen sind ein gutes Beispiel dafür, diese Kontextabhängigkeit deutlich zu machen. II. Darstellung und Ethnonym: ›Perser‹ und ›Meder‹ Der synonyme Verwendung der Wörter ›Perser‹ und ›Meder‹ in der antiken griechischen Literatur ist in den letzten Jahrzehnten vielfach behandelt worden.5 Die übliche Verschmelzung der Namen ›Perser‹ und ›Meder‹ in archaischer und klassischer Zeit, die vergleichbar auch in ägyptischen und hebräischen Quellen zu beobachten ist,6 scheint eng verbunden zu sein mit der Idee, dass das persische Reich ein Nachfolgestaat des medischen Reiches war, und dass Kyros der Große der Erbe der persischen und der medischen Kultur war (s. z. B. Hdt. 1,95–130, Xen. Cyr. 1,2,1). Aber die Existenz eines mit dem persischen Reich vergleichbaren medischen Reiches ist seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts zunehmend in Frage gestellt worden – vielmehr sind die Perser wohl eher als die Erben des elamitischen Reiches zu sehen.7 Christopher Tuplin hat eine ausführliche Untersuchung der Termini ›Meder‹ und ›Perser‹ von dem ersten Zeugnis bei griechischen Autoren bis ins späte 4. Jh. Metapher des ›changing gear‹, um die Bewegung zwischen dem sachlichen Modus und dem ›fiktional‹ erzählerischen Modus zu beschreiben; Marincola 1987, 131–6 stellt der Erzählung Herodots in dem ägyptischen Logos des zweiten Buches die Mimesis, die man anderswo im Werk findet, gegenüber; STAHL 1973, 21 bemerkt, dass Herodot weniger auf historische Details achtet, wenn er sein »highest literary level« benutzt; Aly 1921, 31–2 betont die Unstimmigkeit zwischen dem ›Logosstil‹ der ›Kyrostragödie‹ Herodots (von ›höchstem Pathos‹ gekennzeichnet) und dem ›wissenschaftlichen Stil‹, den Herodot in seiner Beschreibung der Sitten der Massageter (Hdt. 1,214–16) benutzt, die der Schilderung von Kyros’ Tod unmittelbar folgt: »Zwei verschieden geartete Stoffe sind in verschiedenen Stilen mitgeteilt. Jede Gattung bringt anscheinend ihren Stil mit, in dem sie erzählt sein will: der beste Beweis, dass Hdt nicht für den Erfinder dieser Stile zu gelten hat, sondern einen oder beide aus älterer Tradition übernimmt«; vgl. Ellis 2013, 154–6; Ellis 2016. 5 Myers 1936; Jonkers 1948; Graf 1984; Tuplin 1994, 251–6; Tuplin 1997; Rollinger 1998, 176–88; Rollinger 2003, 317–18; Munson 2013c, 325. 6 Siehe Graf 1984, 20–4 sowie Tuplin 1994, 236–7. 7 Zum ›medischen Reich‹ s. Helm 1981; Sancisi-Weerdenburg 1988, 1994, 1995; Rollinger 2003; Panaino 2003; Liverani 2003; Wiesehöfer 2004b. Für die Elamer als Vorgänger der Perser s. Livernai 2003, 10–11; Henkelman 2003; Álvarez-Mon / Garrison 2011.

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v. Chr. vorgelegt. Darin stellt er fest, dass ›Meder‹ (und Verwandtes) in Kontexten benutzt wird, in denen das persische Reich als »an alien, faceless, military and political threat« dargestellt wird (cf. Xenophanes 21 F 22 DK, v.5: πηλίκος ἦσθ᾽, ὅτ᾽ ὁ Μῆδος ἀφίκετο; Theog. 764: Μήδων πόλεμος). Im Gegensatz dazu gibt es eine starke Tendenz, ›persische‹ Terminologie zu benutzen, wenn die Perser als Einzelpersonen betrachtet werden (z. B. Hekataios von Milet, FGrHist 1 F 284: κίσσιοι δὲ ἐσθῆτα φορέουσι κυπάσσεις Περσικούς, vgl. F 285).8 Im Laufe der Zeit, so zeigt Tuplin, verfestigt sich dies derart zu einem Terminus, dass im 4. Jh. ›medisch‹ nur noch in ganz bestimmten Kontexten benutzt wird, vor allem, um die Perserkriege (τὰ Μηδικά) und die Kapitulation der Perser (μεδίζειν) zu beschreiben.9 Auch in diesen Kontexten findet sich daneben jedoch weiterhin die Bezeichnung ›persisch‹. Allerdings richtet Tuplin den Fokus seiner Untersuchung auf Herodots Gebrauch des Wortes ›Meder‹ (und Verwandtes), ohne Herodots Gebrauch des Wortes ›Perser‹ (und Verwandtes) entsprechend zu diskutieren.10 Auch wenn den Ergebnissen von Tuplins sorgfältiger Untersuchung im Allgemeinen zuzustimmen ist, werde ich mich hier noch einmal den Bezeichnungen ›Meder‹ und ›Perser‹ bei Herodot zuwenden, um einige weitere Beobachtungen hinzuzufügen und Nuancierungen vorzuschlagen. In den ethnographischen Teilen seiner Historien unterscheidet Herodot durchweg zwischen Lydern, Persern, Ägyptern, Medern, Skythen usw. Es lohnt sich, einen kurzen Überblick über Herodots ›korrekten‹ Gebrauch der Ethnika ›Meder‹ und ›Perser‹ zu geben, um die Ausnahmen, die später betrachtet werden, besser beurteilen zu können. Der Unterschied zwischen Medern und Persern wird erwartungsgemäß besonders deutlich beim Untergang des Mederreiches und dessen Eroberung durch die Perser. In seinem Vorwurf gegen den Meder Harpagos sagt der Mederkönig Astyages Folgendes: εἰ γὰρ δὴ δεῖν πάντως περιθεῖναι ἄλλῳ τέῳ τὴν βασιληίην καὶ μὴ αὐτὸν ἔχειν, δικαιότερον εἶναι Μήδων τέῳ περιβαλεῖν τοῦτο τὸ ἀγαθὸν ἢ Περσέων. νῦν δὲ Μήδους μὲν ἀναιτίους τούτου ἐόντας δούλους ἀντὶ δεσποτέων γεγονέναι, Πέρσας δὲ δούλους ἐόντας τὸ πρὶν Μήδων νῦν γεγονέναι δεσπότας. (Hdt. 1,129,4) 8 Tuplin 1994, 238: »At least as early as the end of the sixth century, therefore, when Greeks contemplated the Iranian enemy as individuals with social characteristics they were capable of seeing Persians, even if as a collective threat from the east they counted as Medes.« 9 S. z. B. für den Ausdruck τὰ Μηδικά: Hdt. 9,64.2; Thuc. 1,69,1; Xen. De vectigalibus 5,5; Arist. Ath. Pol. 23,1; Diod. Sic. 12,40,2; D. Hal. De Thucydide 11. 10 Tuplin 1994, 245–6: »No reader of Herodotus needs to have it proved to him that what I have been calling Persian terminology abounds in his work. What we are concerned with is simply a group of (by my count) slightly over 70 passages using Median terminology.«

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Denn wenn man schon die Königswürde auf jeden Fall einem andern geben mußte und er selbst sie nicht behalten durfte, so wäre es doch wohl billig gewesen, einem Meder diesen Vorzug zu gönnen, eher als einem Perser. Nun aber seien die Meder, die gar nichts damit zu tun hätten, aus Herren Knechte geworden, und die Perser, vorher der Meder Knechte, seien jetzt ihre Herren.

Die Andersartigkeit der Sitten der Meder und Perser wird in den νόμοι der Perser besonders klar. Hier berichtet Herodot, dass die Perser mehr als irgendein anderes Volk fremde Sitten dulden (ξεινικὰ νόμαια, Hdt. 1,135,1). Er nennt als Beispiele, dass die Perser im Krieg den Kürass der Ägypter und die Kleider der Meder tragen, weil sie schöner seien, und dass sie viele Sitten von anderen Völkern übernommen haben, vornehmlich die Knabenliebe von den Griechen (Hdt. 1,135). Hier gelten also die Meder – ebenso wie die Griechen und die Ägypter – als ein ›fremdes‹ Volk für die Perser obwohl die historische Beziehung zwischen den zwei Völkern nach Herodots eigener Erzählung viel enger ist.11 Herodot unterscheidet jedoch nicht nur zwischen Persern und Medern, sondern differenziert weiter, indem er die sechs Volksstämme der Meder aufführt (Hdt. 1,101) sowie die zehn verschiedenen Volksstämme der Perser (Hdt. 1,125).12 Δηιόκης μέν νυν τὸ Μηδικὸν ἔθνος συνέστρεψε μοῦνον καὶ τοῦτον ἦρξε· ἔστι δὲ Μήδων τοσάδε γένεα, Βοῦσαι, Παρητακηνοὶ, Στρούχατες, Ἀριζαντοὶ, Βούδιοι, Μάγοι. γένεα μὲν δὴ Μήδων ἐστὶ τοσάδε. (Hdt. 1,101) Deïokes also band das medische Volk, aber nur dies, wie zu einem Bündel und herrschte über es. Und dies sind die Stämme der Meder: Busen, Paratakener, Struchaten, Arizanter, Budier, Mager. Das wären die Stämme.

11 Hdt. 1,135: Ξεινικὰ δὲ νόμαια Πέρσαι προσίενται ἀνδρῶν μάλιστα. Καὶ γὰρ δὴ τὴν Μηδικὴν ἐσθῆτα νομίσαντες τῆς ἑωυτῶν εἶναι καλλίω φορέουσι καὶ ἐς τοὺς πολέμους τοὺς Αἰγυπτίους θώρηκας. Καὶ εὐπαθείας τε παντοδαπὰς πυνθανόμενοι ἐπιτηδεύουσι καὶ δὴ καὶ ἀπ’ Ἑλλήνων μαθόντες παισὶ μίσγονται. – Fremde Sitten nehmen die Perser bereitwillig an wie kein anderes Volk. So tragen sie denn auch medische Kleidung, die sie für stattlicher halten als ihre, und im Krieg ägyptische Panzer. Und wo sie nur hören von einem Genuß, den wollen sie haben, und so haben sie auch von den Hellenen die Knabenliebe gelernt. 12 Zur Frage der historischen Wirklichkeit der herodoteischen Schilderung der Meder, s. Anm. 7. Angesichts des Mangels an indigenen medischen Quellen ist es nicht überraschend, dass Herodots sechs γένεα der Meder von unabhängigen Quellen weder widerlegt noch bestätigt sind.

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Anthony Ellis Ἔστι δὲ Περσέων συχνὰ γένεα. Καὶ τὰ μὲν αὐτῶν ὁ Κῦρος συνάλισε καὶ ἀνέπεισε ἀπίστασθαι ἀπὸ Μήδων· ἔστι δὲ τάδε, ἐξ ὧν ὧλλοι πάντες ἀρτέαται Πέρσαι· Πασαργάδαι, Μαράφιοι, Μάσπιοι. τούτων Πασαργάδαι εἰσὶ ἄριστοι, ἐν τοῖσι καὶ Ἀχαιμενίδαι εἰσὶ φρήτρη, ἔνθεν οἱ βασιλέες οἱ Περσεῖδαι γεγόνασι. ἄλλοι δὲ Πέρσαι εἰσὶ οἵδε· Πανθιαλαῖοι, Δηρουσιαῖοι, Γερμάνιοι. οὗτοι μὲν πάντες ἀροτῆρές εἰσι, οἱ δὲ ἄλλοι νομάδες, Δάοι, Μάρδοι, Δροπικοὶ, Σαγάρτιοι. (Hdt. 1,125, 3–4) Es gibt aber bei den Persern zahlreiche Stämme, und nur einige rief Kyros zusammen und brachte sie zum Abfall von den Medern. Und zwar die folgenden, von ihnen aber hängen die übrigen Perser ab: die Pasargaden, Maraphier und Maspier. Unter ihnen sind wieder die Pasargarden die vornehmsten, zu denen auch das Geschlecht der Achaimeniden gehört, aus dem das Königshaus der Perseïden kommt. Die übrigen persischen Stämme sind die Panthialaier, die Derusiaier, die Germanier; diese sind Ackerbauer, die andern aber Wanderhirten, nämlich die Daer, die Marder, die Dropiker, die Sagartier.

Auch im Heereskatalog in Buch 7 hält Herodot die Unterscheidung zwischen Persern und Medern ein. Die ethnographische Genauigkeit entlockt Herodot manche detaillierte Bemerkung über die verschiedenartige Kleidung von Persern und Medern: Οἱ δὲ στρατευόμενοι οἵδε ἦσαν. Πέρσαι μὲν ὧδε ἐσκευασμένοι· περὶ μὲν τῇσι κεφαλῇσι εἶχον τιάρας καλεομένους πίλους ἀπαγέας, περὶ δὲ τὸ σῶμα κιθῶνας χειριδωτοὺς ποικίλους, … λεπίδος σιδηρέης ὄψιν ἰχθυοειδέος, περὶ δὲ τὰ σκέλεα ἀναξυρίδας, ἀντὶ δὲ ἀσπίδων γέρρα· ὑπὸ δὲ φαρετρεῶνες ἐκρέμαντο· αἰχμὰς δὲ βραχέας εἶχον, τόξα δὲ μεγάλα, ὀϊστοὺς δὲ καλαμίνους, πρὸς δὲ ἐγχειρίδια παρὰ τὸν δεξιὸν μηρὸν παραιωρεύμενα ἐκ τῆς ζώνης. (Hdt. 7,61,1) Und die in den Krieg zogen, waren die folgenden: Erst die Perser in folgender Ausrüstung: Auf dem Kopf trugen sie die sogenannte Tiara, einen weichen Filzhut, am Leib einen Rock mit Ärmeln und bunt bestickt und ein Panzerhemd mit eisernen Schuppen, die Fischschuppen ähnlich sehen, an den Beinen Hosen, statt eines metallenen Schildes einen geflochtenen; der Köcher hing darunter; sie hatten kurze Lanzen, große Bögen, Pfeile aus Rohr, dazu einen Dolch am rechten Schenkel, aufgehängt am Leibgurt. Μῆδοι δὲ τὴν αὐτὴν ταύτην ἐσταλμένοι ἐστρατεύοντο· Μηδικὴ γὰρ αὕτη ἡ σκευή ἐστι καὶ οὐ Περσική. (Hdt. 7,62,1, cf. 1,135; 6,112,3) Die Meder zogen mit der gleichen Ausrüstung ins Feld wie sie; denn sie ist medisch, nicht persisch.

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Man könnte weitere Beispiele anführen; diese jedoch reichen aus, die ethnographische Differenzierung Herodots zu belegen. III. Perser als Meder und Barbaren Andererseits verwendet Herodot die Wörter ›Meder‹, ›Perser‹ und ›Barbaren‹ als unspezifische und austauschbare Begriffe, wenn er sich auf das persische Heer bezieht. Dieses kann sowohl in der direkten Rede auftreten (z. B. wenn die Spartaner Sperthias und Boulis Xerxes als »König der Meder« ansprechen: Ὦ βασιλεῦ Μήδων, Hdt. 7,136,2) als auch in den Darstellungen des Erzählers. Tuplin untersucht die herodoteischen Beispiele von ›Meder‹ als ›Perser‹, wobei er acht verschiedene Kategorien unterscheidet.13 Demgegenüber bringt auch ein chronologischer Zugang interessante Ergebnisse. In Herodots Beschreibungen der frühen persischen Kriege gegen die Lyder, die Babylonier, die Massageten, die Ägypter und die Skythen werden die Perser nie als ›Meder‹ (usw.) bezeichnet – mit zwei unten diskutierten Ausnahmen.14 Erst nach dem ionischen Aufstand beginnt Herodot, den Terminus ›medisch‹ neben ›persisch‹ zu benutzen, wobei aber beide Begriffe weiterhin in Gebrauch bleiben. Die Bezeichnung ›Perser‹ wird jedoch häufiger verwendet, selbst dann, wenn die Perser in den Augen der Griechen als eine undifferenzierte Menge wahrgenommen werden (s. u. für Beispiele). Die Begriffe μηδίζειν (z. B. Hdt. 4,144,3; 6,64, 109,5; 7,139,4) und ›zu den Meder (ἐς Μήδους) gehen‹ (z. B. Hdt. 5,104,3; 6,9,2, 67,1; 7,239,1) werden erst in Bezug auf die Feldzüge gegen die Griechen benutzt, d. h. im vierten Buch unmittelbar nach dem Unternehmen des Dareios gegen die Skythen, in dem Megabazos das Land aller Hellespontier unterwirft, die nicht ›mit den Medern umgehen‹ (μὴ μηδίζοντας).15 Früher in der Geschichte ist jedoch Phanes, als er laut Herodot wegen eines Streits mit dem ägyp13 1. Die Perserkriege sind ta Medika; 2. Medismos und medizein; 3. »[A] variety of other passages [which] presuppose the same ideologically charged perception of ›Medes‹ as that which gives rise to ›Medism‹« 4. Ethnonyme als Anrede für den Perserkönig; 5. »[P]assages which do not refer to the king specifically but are connected by the shared idea of imperial power and subjection to it«; 6. »›Mede‹ … used in the course of battlefield narratives (where ›Persian‹ terminology otherwise predominates) … in some cases this seems fairly neutral«; 7. Die Verwendung von »Meder« im Zusammenhang mit der Erzählung einer Schlacht; 8. Ein Beispiel, Hdt. 3,136,2, bei dem »it is hard to find any such point in the juxtaposition of the two terminologies«. 14 Wenn Nitocris τὴν Μήδων … ἀρχή fürchtet (Hdt. 1,187,1, cf. 187,5), denkt sie an die (echten) ›Meder‹ (nicht die Perser). 15 Hdt. 4,144,3: οὗτος δὴ ὦν τότε ὁ Μεγάβαζος στρατηγὸς λειφθεὶς ἐν τῇ χώρῃ Ἑλλησποντίων τοὺς μὴ μηδίζοντας κατεστρέφετο. – Dieser Megabazos also, damals als Feldherr zurückgelassen in dem Land der Hellespontier, unterwarf alle, die es noch nicht mit dem Meder hielten.

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tischen König seinen Dienst bei Amasis aufgab, ἐς Πέρσας (Hdt. 3,4,3) und nicht ἐς Μήδους geflüchtet. Die zwei Ausnahmen sind von unterschiedlicher Natur. In der Geschichte vom griechischen Arzt Demokedes, der aus dem Einflussbereich des Dareios flüchtete, spricht Herodot von den medischen Schiffen und persischen Männern, die versuchen, ihn zu fangen (Hdt. 3,136,2). Auch wenn diese ›medische‹ Terminologie noch nicht im Laufe eines wirklichen Feldzuges gegen die Griechen benutzt wird, ist dieser Zusammenhang bereits vorhanden: Die Episode von Demokedes wird berichtet unmittelbar nachdem Dareios und Atossa die persische Invasion Griechenlands (auf Veranlassung des Demokedes selbst) beschlossen hatten. Die zweite Ausnahme ist bedenkenswerter: Während des Feldzuges des Kyros gegen die Massageten spricht Tomyris, die Königin der Massageten, Kyros als ›König der Meder‹ an (ὦ βασιλεῦ Μήδων, Hdt. 1,206,1; cf. 7,136,2). Für die griechischen Zuhörer Herodots wird durch eine solche Anrede schon dieser Angriff des Kyros eng mit den griechischen Perserkriegen verbunden.16 Zusammenfassend können wir Tuplins Fazit zustimmen und gleichzeitig präzisieren: Perser werden von Herodot als ›Meder‹ tituliert, wenn sie als eine drohende, expandierende Macht dargestellt werden, aber nur (mit einer Ausnahme), wenn es sich bei dem bedrohten Volk um ein griechisches handelt. Das Wort ›Meder‹ (usw.) wird in manchen Kontexten nicht nur als Synonym zu ›Perser‹, sondern auch zu ›Barbaren‹ benutzt. Im Gegensatz zu Tuplin möchte ich vorschlagen, dass der häufige Wechsel zwischen diesen Termini nicht immer bedeutsam sein muss.17 In einigen Fällen alterniert Herodot die verschiedene Wörter ohne erkennbaren Anlass (die Stelle Hdt. 5,109,3, die Tuplin zitiert, wäre ein gutes Beispiel hierfür), wie z. B. in der Schilderung der Schlacht von Marathon: Τότε δὲ τασσομένων τῶν Ἀθηναίων ἐν τῷ Μαραθῶνι ἐγίνετο τοιόνδε τι· τὸ στρατόπεδον ἐξισούμενον τῷ Μηδικῷ στρατοπέδῳ, τὸ μὲν αὐτοῦ μέσον ἐγίνετο ἐπὶ τάξιας ὀλίγας, καὶ ταύτῃ ἦν ἀσθενέστατον τὸ στρατόπεδον, τὸ δὲ κέρας ἑκάτερον ἔρρωτο πλήθεϊ. Ὡς δέ σφι διετέτακτο καὶ τὰ σφάγια ἐγίνετο καλά, ἐνθαῦτα ὡς ἀπείθησαν οἱ Ἀθηναῖοι, δρόμῳ ἵεντο ἐς τοὺς βαρβάρους· ἦσαν δὲ στάδιοι οὐκ ἐλάσσονες τὸ μεταίχμιον αὐτῶν ἢ ὀκτώ. Οἱ δὲ Πέρσαι ὁρῶντες δρόμῳ ἐπιόντας παρεσκευάζοντο ὡς δεξόμενοι, μανίην τε τοῖσι Ἀθηναίοισι ἐπέφερον καὶ πάγχυ ὀλεθρίην, ὁρῶντες αὐτοὺς ἐόντας ὀλίγους, καὶ τούτους δρόμῳ ἐπειγομένους οὔτε 16 Zu dem ›Greek tragic vocabulary‹, auf das sich Tomyris später (durch das Wort κορέσω, Hdt. 1,212, 3) beruft, s. Redfield 2013, 284–5. Zu der bedeutungsvollen Vorstellung von ἡσυχίη, die von Tomyris auch erwähnt wird, s. Munson 2013c, 325. 17 Nur bezüglich einer Stelle findet Tuplin kein Begründung für das Nebeneinander dieser zwei Termini, und zwar Hdt. 3,136,2 (s. Anm. 13).

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Perser, Meder oder Barbaren? ἵππου ὑπαρχούσης σφι οὔτε τοξευμάτων. Ταῦτα μέν νυν οἱ βάρβαροι κατείκαζον· Ἀθηναῖοι δὲ ἐπείτε ἀθρόοι προσέμειξαν τοῖσι βαρβάροισι, ἐμάχοντο ἀξίως λόγου. Πρῶτοι μὲν γὰρ Ἑλλήνων πάντων τῶν ἡμεῖς ἴδμεν δρόμῳ ἐς πολεμίους ἐχρήσαντο, πρῶτοι δὲ ἀνέσχοντο ἐσθῆτά τε Μηδικὴν ὁρῶντες καὶ τοὺς ἄνδρας ταύτην ἐσθημένους· τέως δὲ ἦν τοῖσι Ἕλλησι καὶ τὸ οὔνομα τὸ Μήδων φόβος ἀκοῦσαι. (Hdt. 6,111,3–112,3) Damals aber, als die Athener sich zur Schlacht bei Marathon aufstellten, ergab sich folgendes: die Frontlinie war gleich lang wie die medische, dadurch wurde ihre Mitte nur wenige Reihen tief, und hier war das Heer am schwächsten. Beide Flügel aber waren zahlenmäßig stark . Als sie nun fertig aufgestellt waren und die Opfer günstig ausfielen, da gingen die Athener, nachdem das Angriffssignal ertönt war, im Laufschritt auf die Barbaren los. Und es waren nicht weniger als acht Stadien Zwischenraum zwischen beiden. Als die Perser die Athener im Laufschritt herankommen sahen, machten sie sich zu ihrem Empfang bereit, und beim Anblick ihrer geringen Anzahl und wie sie im Lauf heranstürmten, ohne durch Reiterei und Bogenschützen gedeckt zu sein, werteten sie das Verhalten der Athener als eine Wahnsinnstat, welche nur ihren Untergang zur Folge haben könne. Diesen Schluß zogen also die Barbaren. Als aber die Athener eng aufgeschlossen mit den Barbaren handgemein wurden, kämpften sie in einer Weise, die durchaus Erwähnung verdient, denn sie sind die ersten von allen Hellenen gewesen, soweit wir wissen, die den Laufschritt beim Ansturm gegen die Feinde anwendeten, die ersten auch, die dem Anblick medischer Tracht und der damit bekleideten Männer standhielten. Bis dahin war es für die Hellenen schon ein Schrecken, auch nur das Wort »Meder« zu hören.

Tuplin führt dieses Beispiel unter ›battlefield narratives‹ auf, und behauptet, dass Herodot hier die ›medische‹ Terminologie (Hdt. 6,111,3) benutzt wegen des »implied contrast in size between Athenian and Median army«.18 Ich bin nicht sicher, ob sich hier eine solche subtile semantische Unterscheidung herauslesen lässt. Zunächst könnte man denken, dass die Invasoren als ›Meder‹ und ›Barbaren‹ bezeichnet werden, wenn sie durch die Augen der Griechen gesehen werden (d. h. als identitätslose Masse), aber sobald sie das Subjekt des Partizips (ὁρῶντες) werden, sind sie als ›Perser‹ bezeichnet. Im folgenden Satz jedoch werden οἱ Πέρσαι durch οἱ βάρβαροι ersetzt, und zwar in identischer syntaktischer Funktion, nämlich wieder im Nominativ, diesmal allerdings als Subjekt des Verbes κατεικάζω. Ähnlich verhält es sich bei der Schlacht von Plataia. Die Athener sprechen von Xerxes als ›König der Meder‹ (Hdt. 9,7α.1); später reden sie von ihrer künftigen Schlacht ›mit den Barbaren‹ (Hdt. 9.27.1); unmittelbar danach sagen sie, dass sie gegen ›die Perser‹ in der Schlacht bei Marathon gekämpft haben.

18 Tuplin 1994, 248.

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Vor diesem Hintergrund komme ich zu der Einschätzung, dass es in solchen Fällen keine feinen Unterschiede im Gebrauch zwischen ›Medern‹ und ›Persern‹ gibt.19 Wenn die Iraner als eine drohende und angreifende Menge dargestellt werden, insbesondere in Schlachtberichten, dann benutzen Herodot und seine Charaktere die Wörter ›Perser‹, ›Meder‹, und ›Barbaren‹ auf eine komplett austauschbare Weise. Die präzisere Bedeutung der Wörter ›Meder‹ und ›Perser‹ ist aber auch im Zusammenhang von Schlachtenschilderungen relevant. So z. B. sagt Herodot »Anschließend an die Perser ordnete er [Mardonios] die Meder« (Hdt. 9,31,3); ein Satz zuvor aber hat Herodot sich mit den Worten »die Barbaren mit Mardonias« auf das persische Heer bezogen (Hdt. 9,31,1) und kurz danach spricht er von μηδίζειν (Hdt. 9,31,5). Wie Tuplin feststellt, war diese Tendenz, von den ›Persern‹ als ›Meder‹ zu sprechen, in der archaischen und klassischen Zeit sehr verbreitet. In den vielen Gedichten, die dem Simonides zugeschrieben werden, ist die übliche Bezeichnung für die Perser entweder ›die Meder‹ oder der kollektive Singular ›der Meder‹.20 Manchmal jedoch werden die Invasoren als ›die Perser‹ oder ›das persische Heer‹ bezeichnet.21 In Simonides fr. 24 (Page) finden wir die Bezeichnungen ›das Geschlecht des Landes Asiens‹ und ›das Heer der Meder‹. In Simonides fr. 11 (Page), 19 Vgl. TUPLIN 1994, 249: »The speaker moves from Persian to Median terminology when he starts viewing the enemy as an alien type of soldier.« Tuplin gibt aber zu, dass er Tendenzen (und nicht feste Regeln) auslegt: »The pattern is not quite perfect. For that to be the case Hecataeus (5,36,2) would have to oppose rebellion against the Median king (though doubtless the historical Hecataeus knew better!), and Idanthyrsus would have to follow the example of Tomyris, rather than addressing Darius with ὦ Πέρσα. But it is not being claimed that Median terminology must always be used in given circumstances, only that the overtones present when it is used are of fairly limited sorts.« 20 Der übliche Terminus für die Perser bei Simonides ist ›die Meder‹ oder ›der Meder‹: s. Simonides fr. 5, 6, 7, 13, 17, 19a, 23, 24 (Page); 19 M–L; vgl. das Orakel von Bakis, zitiert in Hdt. 1,43,2 (v.2: βαρβαρόφωνον ἰυγήν, v.4: τοξοφόρων Μήδων). Wie Tuplin bemerkt, geben die zwei übermittelten Versionen von fr. 14 (Page) verschiedene Lesarten: ›Perser‹ (= Athenaeus Deipn. 13,573c) und ›Meder‹ (= Schol. Pind. Ol. 13,30; Plut. De Herodoti malignitate 39,871b). 21 Πέρσαι: Simonides fr. 11 (vv.3–4), 15, 19, 20b (Page). Fr. 12 (Page) v.3 erwähnt auch ›Perser‹, aber Zeilen 3–6 stehen (aus anderen Gründen) im Verdacht, ein späterer Anhang zu sein (s. dazu Page 1980, 205). Für die Theorie, die auf Jacoby und Wilamowitz zurückgeht, dass jedes Gedicht, das ›Perser‹ erwähnt, später verfasst worden sein muss (oder eine spätere Änderung reflektiert), s. Graf 1984, 18 n.17 (mit Bibliographie). Graf benutzt diese Theorie als Unterstützung für sein Argument, dass die Perser erst in der griechischen Literatur nach der Zeit des Dareios als ›Perser‹ gekennzeichnet werden, wegen der neuen Selbstbezeichnung des achaimenidischen Reiches als ›Perser‹ und nicht mehr ›Meder‹. Dies aber scheint ein Zirkelschluss zu sein; Page 1981, 204, und Tuplin 1994, 239, dagegen erkennen dies nicht an.

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einem Epigramm für die in der Schlacht bei Salamis gefallenen Korinther, dessen letzte zwei Zeilen nur bei Plutarch und Favorinus überliefert sind,22 finden wir ›die Perser‹ und ›die Meder‹ in demselben Gedicht.23 Wie Tuplin gezeigt hat, gibt es auch in der frühen Lyrik, in Epinikien, in Tragödie und Komödie die Tendenz, Soldaten im iranischen Heer sowohl als ›Meder‹ als auch als ›Perser‹ zu bezeichnen.24 Herodot verwendet diese stilisierten und unter ethnographischen Gesichtspunkten recht ungenauen Bezeichnungen für das persische Heer an den Stellen, an denen er die Schlachten zwischen den Griechen und den Persern beschreibt. Wenn er aber über die persische Geschichte und Ethnographie spricht sowie über die persischen Eroberungen von nicht-griechischen Ländern, dann benutzt er die identischen Wörter, wobei sie aber jeweils ihre präzisere, eine spezifische Ethnie bezeichnende Bedeutung haben. Wir können also abschließend sagen, dass Herodot seine Sprache dem inhaltlichen Erzählkontext anpasst. Wenn er über die griechisch-persischen Kriege spricht, benutzt er die traditionelle literarische Sprachebene, die sich für diese Kriege entwickelt hat, trotz ihrer Unterschiedlichkeit zu seinem genaueren und wissenschaftlichen Gebrauch dieser Wörter in den ethnographischen Teilen seines Werkes. IV. Ein Parallelfall: die persische Begräbnissitte Nun möchte ich noch einen Vergleich mit einem anderen Aspekt in Herodots Historien ziehen: der persischen Begräbnissitte. In der letzten Rede des Artabanos im persischen Kriegsrat zu Beginn des siebten Buches verflucht dieser Mardonios. Diese Aussage gilt als einer der komplexesten Sätze der Historien: ἀκούσεσθαί τινά φημι τῶν αὐτοῦ τῇδε ὑπολειπομένων Μαρδόνιον, μέγα τι κακὸν ἐξεργασάμενον Πέρσας, ὑπὸ κυνῶν τε καὶ ὀρνίθων διαφορεύμενον ἤ κου ἐν γῇ τῇ Ἀθηναίων ἤ σέ γε ἐν τῇ Λακεδαιμονίων, εἰ μὴ ἄρα καὶ πρότερον κατ’ ὁδόν, γνόντα ἐπ’ οἵους ἄνδρας ἀναγινώσκεις στρατεύεσθαι βασιλέα. (Hdt. 7,10 θ,3) … dann, sage ich, wer hier zurückgeblieben ist, wird noch hören, daß Mardonios, nachdem er ein großes Unheil den Persern angerichtet hat, von Hunden und Vögeln zerrissen worden ist,

22 Plut. De Herodoti Malignitate 39, 870e; Favorinus [= Ps. Dion Chrys.] Or. 37.18; II 21 Arnim. 23 Zu der Authentizität dieses Epigramms, s. PAGE 1981, 202–4. 24 Für andere Belege von Theognis, Aischylos, Bakchylides, Phrynichos, Chionides siehe TUPLIN 1994, 239–40.

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Anthony Ellis entweder im Land der Athener oder der Lakedämonier, oder vielleicht schon unterwegs, im Bewusstsein, gegen was für ein Volk du den König überredest, in den Krieg zu ziehen.25

Die Feinheiten des griechischen Textes sind nicht leicht übersetzbar, jedoch lohnt es sich, die wichtigsten Aspekte zu betrachten. Zunächst ist es bemerkenswert, dass die Worte des Artabanos an das berühmte spartanische Epigramm des Simonides erinnern, welches Herodot später in seinem siebten Buch erwähnt: ὦ ξεῖν᾽, ἀγγέλλειν Λακεδαιμονίοις ὅτι τῇδε κείμεθα, τοῖς κείνων ῥήμασι πειθόμενοι. (Hdt. 7,228,2) Wanderer, kommst du nach Sparta, verkündige dorten, du habest Uns hier liegen gesehn, wie ihr Gebot es befahl.26

Der Niedergang des Mardonios wie auch der Sieg der Spartaner wird durch eine Verkündigung im Heimatland geschildert. Auffallend hierbei ist, dass der Körper des Mardonios schon als lebloses Objekt des Fluches angesehen wird, dieser allerdings noch in der dritten Zeile als lebendig persönlich mit dem Wort ›Du‹ angesprochen wird (σε), was auf makabre Weise die verstümmelte Leiche mit dem angesprochenen Mann gleichsetzt. Dieser Wechsel des Bezugsystems von der dritten in die zweite Person ist meines Wissens andernorts in Herodots Historien nicht zu finden. Die nachdrückliche Aufzählung des Subjektes mit dem Partikel γε ist nach Heinrich Stein an den homerischen Schreibstil angelehnt.27 Die Idee, dass man durch Leiden lernt, oder πάθει μάθος, wie Aischylos in der ersten Choralode seines Agamemnon sagt (Ag. 176), wurde schon von Herodots Kroisos im Gespräch mit Kyros kurz vor dem Tod des letzteren geäußert (Hdt. 1,207,1). Artabanos scheint diese Idee aufzugreifen, indem er den Leichnam des Mardonios als endlich ›aufgeklärt‹ (γνόντα) über seinem Irrtum darstellt. Die Details dieses Satzes sind wichtig, wenn wir auf unsere Frage nach dem Begräbnisritual zurückkommen. Artabanos nutzt das Motiv einer unbegrabenen und misshandelten Leiche, was eine stark homerische Färbung hat, um die Schändung des Mardonios zu betonen. Zahlreiche Beispiele in Epos und Tragödie zeigen, wie oft dieses Thema in der griechischen Literatur vorkommt.28 Dies muss einigen 25 26 27 28

Übersetzung nach Schöll. Übersetzung nach Schiller, mit den Änderungen von Marg 1973. Stein 1883–94, ad loc. Leiche von Hunden und Vögeln gefressen: z. B. Hom. Il. 1,4–5: αὐτοὺς δὲ ἑλώρια τεῦχε

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Perser, Meder oder Barbaren?

Lesern Herodots jedoch als eigenartig aufgefallen sein, weil Herodot in seiner Beschreibung der Perserbräuche berichtet, dass die Perser nach seinen Quellen ihre Toten nicht eher begraben, bis sie von einem Hund oder einem Vogel zerrissen wurden: Τάδε μέντοι ὡς κρυπτόμενα λέγεται καὶ οὐ σαφηνέως περὶ τοῦ ἀποθανόντος, ὡς οὐ πρότερον θάπτεται ἀνδρὸς Πέρσεω ὁ νέκυς πρὶν ἂν ὑπ’ ὄρνιθος ἢ κυνὸς ἑλκυσθῇ. Μάγους μὲν γὰρ ἀτρεκέως οἶδα ταῦτα ποιέοντας· ἐμφανέως γὰρ δὴ ποιεῦσι. (Hdt. 1,140,1–2) Soviel kann ich mit Gewissheit über sie sagen, da ich es genau weiß. Von dem Folgenden aber spricht man als einem Geheimnis und nicht recht deutlich, nämlich von den Toten. Der Leichnam eines Persers werde nicht eher bestattet, als bis ein Aasvogel oder Hund an ihm gezerrt habe. Daß die Mager es freilich so halten, weiß ich gewiss, denn sie tun es ganz offen.

»Seltsam«, so der große Herodot-Herausgeber und Kritiker Heinrich Stein » … daß H. den Perser gerade diejenige Todesart als die unseligste voraussetzen läßt, die, nach seinem eigenen Zeugnisse … jedem Avestagläubigen vielmehr die erwünschteste und allein gottgefällige sein mußte«.29 An anderer Stelle in seiner Erzählung bezieht Herodot sich explizit auf die von ihm berichteten persischen Begräbnisrituale und Vorstellungen von Frömmigkeit. Wegen der Wirkungslosigkeit seiner Versuche, den einbalsamierten Leichnam seines gestorbenen Feindes Amasis mit Geißeln und Stacheln zu misshandeln, befahl Kambyses, dass die Leiche verbrannt werden sollte. Hier gibt sich Herodot große Mühe, die Pietätlosigkeit des Perserkönigs durch eine Schilderung der persischen und ägyptischen Sitten (v. a. ihre Auffassung vom Feuer) zu betonen: Ἐπείτε δὲ καὶ ταῦτα ἔκαμον ποιεῦντες (ὁ γὰρ δὴ νεκρὸς ἅτε τεταριχευμένος ἀντεῖχέ τε καὶ οὐδὲν διεχέετο), ἐκέλευσέ μιν ὁ Καμβύσης κατακαῦσαι, ἐντελλόμενος οὐκ ὅσια· Πέρσαι γὰρ θεὸν νομίζουσι εἶναι τὸ πῦρ. Τὸ ὦν κατακαίειν τοὺς νεκροὺς οὐδαμῶς ἐν νόμῳ οὐδετέροισί κύνεσσιν/οἰωνοῖσί τε πᾶσι, Διὸς δ’ ἐτελείετο βουλή; cf. 24,411; Sophokles Ai. 830; Euripides Hec. 1078–9. Rollinger 1996, 178, Anm. 180 legt eine ausführliche Auflistung aller Beispiele in der Ilias vor und ebd. 178–81 führt er mehrere vorderasiatische (ägyptische, assyrische) Parallelen an, in denen die Verstümmelung eines Leichnams durch ein Tier (oft ein Geier, ein Vögel oder ein Hund und regelmäßig durch mehrere Tiere) offensichtlich als die »schlimmst[e] erdenkbar[e] Schmach« vorgestellt wird. 29 Stein 1883–94, ad 7,10 θ,3. Zu der Frage der Beziehung zwischen diesem herodoteischen Bericht und dem Glaube der Perser zur Zeit des Herodots, s. Boyce 1988, 21 (mit Bibliographie), die dafür argumentiert, dass das Ausgesetztsein die echte zoroastrische Sitte spiegelt; vgl. Mora 1985, 152.

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Anthony Ellis ἐστι, Πέρσῃσι μὲν δι‘ ὅ περ εἴρηται, θεῷ οὐ δίκαιον εἶναι λέγοντες νέμειν νεκρὸν ἀνθρώπου· Αἰγυπτίοισι δὲ νενόμισται τὸ πῦρ θηρίον εἶναι ἔμψυχον, πάντα δὲ αὐτὸ κατεσθίειν τά περ ἂν λάβῃ, πλησθὲν δὲ αὐτὸ τῆς βορῆς συναποθνῄσκειν τῷ κατεσθιομένῳ· οὐκ ὦν θηρίοισι νόμος οὐδαμῶς σφί ἐστι τὸν νέκυν διδόναι· καὶ διὰ ταῦτα ταριχεύουσι, ἵνα μὴ κείμενος ὑπὸ εὐλέων καταβρωθῇ. Οὕτω δὴ οὐδετέροισι νομιζόμενα ἐνετέλλετο ποιέειν ὁ Καμβύσης. (Hdt. 3,16,2–4) Und als sie sich daran müde gearbeitet hatten – denn die Leiche, einbalsamiert, wie sie war, widerstand und ging nicht auseinander–, befahl Kambyses, sie zu verbrennen, und das war ein recht gottloser Befehl. Denn die Perser halten das Feuer für einen Gott. Leichen also zu verbrennen ist bei beiden Völkern durchaus nicht üblich, bei den Persern nicht aus dem angegebenen Grund, denn sie sagen, es sei Unrecht, einem Gott eines Menschen Leiche anzubieten. Bei den Ägyptern aber gilt das Feuer als ein lebendiges Tier, das fresse alles, was es ergreife, und wenn es satt sei vom Fraß, sterbe es zugleich mit dem Gefressenen. Nun ist es bei ihnen durchaus nicht Sitte, eine Leiche Tieren zu überlassen. Und deswegen machen sie auch eine Mumie aus ihr, damit sie nicht in der Erde liegt und von Maden verzehrt wird. So war also, was Kambyses befahl, gegen Brauch und Glauben der beiden Völker.

Hier finden wir eine deutliche Übereinstimmung mit dem, was Herodot über die Bräuche der Perser berichtet.30 Wir müssen nicht weiter der schwierigen Frage nach dem Wesen der persischen Religion zur Zeit des Xerxes (oder des Herodot) nachgehen, um den deutlichen Widerspruch zwischen dem herodoteischen ethnographischen Bericht und den Worten des Artabanos zu erkennen.31 Wir können uns also erneut fragen, warum diese große Unstimmigkeit zwischen dem, was Herodot als Ethnograph kennt und mehrmals erwähnt, und dem, was er in der Rede des Artabanos hervorbringt, besteht. Auch wenn es einerseits eine wichtige Eigenart der 30 Hdt. 1,131,2–4: Οἱ δὲ νομίζουσι Διὶ μὲν ἐπὶ τὰ ὑψηλότατα τῶν ὀρέων ἀναβαίνοντες θυσίας ἔρδειν, τὸν κύκλον πάντα τοῦ οὐρανοῦ Δία καλέοντες. Θύουσι δὲ ἡλίῳ τε καὶ σελήνῃ καὶ γῇ καὶ πυρὶ καὶ ὕδατι καὶ ἀνέμοισι. Τούτοισι μὲν δὴ θύουσι μούνοισι ἀρχῆθεν, ἐπιμεμαθήκασι δὲ καὶ τῇ Οὐρανίῃ θύειν, παρά τε Ἀσσυρίων μαθόντες καὶ Ἀραβίων. – Bei ihnen ist Brauch, auf die Gipfel der Berge zu steigen und dort Zeus Opfer darzubringen, denn Zeus heißt bei ihnen der ganze Himmelskreis. Sie opfern aber auch der Sonne und dem Mond, der Erde, dem Feuer, dem Wasser und den Winden. 31 Es können sich die Sitten jedes Volkes durch Zeit, Umwelt oder Handlungen ihrer Herrscher (s. z. B. die Lyder, Hdt. 1,155) ändern. Wir beobachten die Änderung der nomoi der Perser aufgrund ihrer Bereicherung zwischen der Zeit von Astyages und Kroisos (Hdt. 1,71,2–3, 72,4, 89,2, 126,1–6) und der Zeit des Herodot (Hdt. 1,131,40; dazu Munson 2013c, 330–1; zu dem Wechsel zwischen arm/hart und reich/weich, s. Moyer 2013). Dies ist jedoch keine Erklärung für die hier betrachtete Differenz beim beschriebenen Begräbnisritual.

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Perser, Meder oder Barbaren?

herodoteischen Ethnographie ist, von der Fremdartigkeit anderer Völker zu berichten und diese zu betonen,32 ist es andererseits ein zentraler Aspekt seiner literarischen Episoden, dass sie sorgsam in die literarische Tradition der Griechen eingebettet sind. Hier sehen wir, wie Herodot nicht nur seine Wörter, sondern auch ganze Begriffssysteme ändert und anpasst, damit seine Charaktere unmittelbar zu seinen griechischen Zuhörern sprechen können, wobei er sich in Dialog mit seinen literarischen Vorgängern stellt. Schon Marco Dorati hat angemerkt, dass manches, was in der Beschreibung der Perserbräuche berichtet wird, im restlichen Teil des Werkes nicht mehr erscheint. Die persische Sitte etwa, dass jede Entscheidung einmal im betrunkenen, und einmal im nüchternen Zustand überdacht und gefällt werden muss (Hdt. 1,133,3–4), spielt zu dem Zeitpunkt in Herodots Historien keine Rolle mehr, an dem die Perser wie die Griechen Trunkenheit als einen generell schlechten Zustand betrachten. So werden sowohl Kambyses wie auch Kleomenes von ihren Landsleuten der Trunksucht wegen verurteilt.33 Dass Artabanos wie ein homo Homericus und nicht wie ein homo Persicus spricht, zeigt uns, dass Herodot die Fähigkeit besitzt, sich sowohl als Ethnograph der Perser und als Erzähler persischer Geschichte wie auch als geschickter Schriftsteller, der vielschichtig auf die literarische Tradition der Griechen verweist, darstellen zu können.

32 REDFIELD 2013, 270–1. 33 Hdt. 3,34; 6,84; DORATI 2000, 165–6: »in questo caso narrazione e descrizione rivelano finalità inconciliabili: una rigorosa coerenza etnografica non solo si sarebbe posta in contrasto con la storia di Cambise, ma avrebbe anche imposto che lungo tutto l’arco delle Storie i Persiani venissero rappresentati in stato di ebbrezza ogni qual volta si rendesse necessaria una decisione, il che avrebbe in pratica reso impossibile ogni sviluppo narrativo che non degenerasse nella farsa.« Vgl. IMMERWAHR 1966, 185.

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XERXES UND DER KOPF DES LEONIDAS Handlungszwänge und Rollenverständnis eines persischen Großkönigs Hilmar Klinkott

Abstract: The battle of Thermopylai and the death of the Spartians is a dramatic highlight of the Persian war. At this climax of Xerxes’ success Herodotus refers a horrible scene: Xerxes ordered to head and stake the body of the dead Leonidas in front of his army. Certainly the story is part of Herodotus’ narrative structure: He lets culminate the ferocity and hubris of the Persian Great King, prefiguring the defeat of the despotic tyrant. But the intrinsic sense of the act punishing the corpse of Leonidas only becomes clear by an eastern perspective. Although part of much older Assyrian and Babylonian traditions it is remarkable that in the Achaemenid Empire this punishment is mainly connected with a specific context: the revolt against the king. Thus the punishments of the Great King have been sign and expression of his royal authority. This in mind the Leonidas-scene may be seen in a completely new and ›oriental‹ way: Obviously Xerxes reacted on a critical opposition or on a threatening revolt among the royal commanders of his army.

Unmittelbar nach der vernichtenden Niederlage der Perser bei Marathon entbrannte in den achaimenidischen Residenzen ein heftiger Streit. Obwohl Dareios noch lebte und als Großkönig amtierte, wurde zwischen seinen Söhnen erbittert um die Thronfolge gekämpft. Artobazanes, der älteste Sohn einer Gobryas-Tochter, sowie Xerxes, der Erstgeborene der Kyros-Tochter Atossa, erhoben gleichermaßen Ansprüche auf den Thron. Schließlich war es Atossas Einfluss bei Hofe, durch den Xerxes von seinem Vater zum neuen König ernannt wurde.1 Kaum hatte er jedoch 486 v. Chr. den Thron bestiegen, brachen Aufstände gegen seine Herrschaft in Ägypten, Judäa und 1 Hdt. 7,4. Vgl. die Thronstreitigkeiten mit den verschiedenen Hofparteien der Königsfrauen bei Iust. 2, 10, 1–10. Bei ihm heißt der Konkurrent Ariamenes; der Streit wird durch das Votum des Dareios-Bruders Artaphernes entschieden. Zur Thronfolgebestellung des Xerxes durch Dareios siehe in den altpersischen Quellen XPf. Ausführlich Briant 1996, 536.

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Hilmar Klinkott

Babylon aus.2 Erst als diese niedergeschlagen waren, konnte sich Xerxes einem Feldzug gegen Griechenland widmen, der den Ionischen Aufstand und die Niederlage von Marathon rächen sollte. Nach der dramatischen Überquerung des Hellespont, bei der Herodot die Despotie und Hybris des neuen Großkönigs mit der Geißelung des Meeres illustriert hatte,3 war das riesige Vielvölkerheer des Perserkönigs über Makedonien und Thessalien nach Mittelgriechenland vorgerückt. Erst am Engpass der Thermopylen stellte sich ihm der erste Widerstand mit einem kleinen Aufgebot von Hellenen unter spartanischer Führung entgegen.4 Der Sieg an den Thermopylen öffnete den Persern den direkten Weg auf das schutzlose Athen.5 Dabei war der Zusammenbruch der Thermopylenverteidigung noch gar nicht der Höhepunkt der dramatischen Episode! Geradezu unerträglich gipfelt der erzählerische Spannungsbogen nach dem verzweifelten, letzten Kampf um die Leiche des gefallenen Leonidas6 in der Szene, als der siegreiche Xerxes das Schlachtfeld mit den gefallenen Feinden besichtigte:7 … und dann ging Xerxes zwischen den Toten hindurch, und als er zu der Leiche des Leonidas kam, von dem er gehört hatte, daß er der König und Feldherr der Lakedaimonier war, befahl er, man solle ihm den Kopf abschlagen und auf einen Pfahl stecken.

Alle Perser und Griechen sollten die vernichtende Macht des Großkönigs zur Kenntnis nehmen. Deshalb öffnete Xerxes noch vor seinem Weitermarsch das Schlachtfeld für die Griechen, damit sie ihre Gefallenen, darunter auch den gepfählten Feldherrn besichtigen konnten.8 Doch welchen Sinn hat die Anekdote der Leichenschändung, die so pointiert an einen Höhepunkt der Erzählung gesetzt ist? Möchte man in ihr eine weitere Steigerung der despotischen Grausamkeit und der haltlosen Frevel des Xerxes sehen, dann würde Herodot damit für den griechischen Leser den Moment markieren, an dem die persischen Eroberungserfolge in die immer wieder angedeutete Katastrophe umzukippen beginnen. Auf den ersten Blick scheint dies der Text selbst zu bestätigen. Immerhin sah Herodot sich durch

2 Siehe Briant 1996, 541; Young 1980, 220. 3 Ausführlich zur Charakterisierung des Xerxes als Tyrann Baragwanath 2008, 239–284. Rollinger 2013, 95–116 4 Hdt. 7,202; vgl. Diod. 11,4,5. 5 Siehe Waters 2014, 127 f. 6 Hdt. 7,224 f. Dazu Gainsford 2013, 127–129. 7 Hdt. 7,237. 8 Hdt. 8,24 f.

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Xerxes und der Kopf des Leonidas

die knappen Worte, welche in keiner Weise die Brutalität des grausamen Schändungs-Aktes abmildern, zu einer eigenen Erklärung gezwungen:9 Mir ist aus vielen sonstigen Zeugnissen klar geworden und nicht zum wenigsten auch hieraus, daß der König Xerxes über Leonidas, solange er noch lebte, mehr erbittert war als über irgendeinen anderen Menschen, sonst hätte er nicht mit der Schändung seines Leichnams Anstand und Sitte verletzt; denn gerade die Perser pflegen sonst mehr als jedes andere Volk, von dem ich weiß, den Brauch, tapfere Krieger zu ehren.

Herodot meldet sich hier als Autor selbst zu Wort. Er gibt an, er habe im Abgleich mit anderen Zeugnissen den Hass des Xerxes auf Leonidas schon zu Lebzeiten erkannt. Mit dem Autopsie-Verweis untermauert Herodot seine Erkenntnis, die für den Leser geradezu wissenschaftlich überzeugend wirkt.10 Diesen Eindruck hinterlegt er jedoch mit einer persönliche Wertung:11 Xerxes habe damit Sitte und Gesetz – und zwar nicht nur nach griechischem, sondern auch nach persischem Verständnis – verletzt (παρενόμησε). Dies wird durch den Hinweis unterstrichen, daß gerade die Perser als tapfere Krieger ihre Gegner zu ehren pflegten. Herodots Analyse führt zu drei wesentlichen Schlüssen: 1.

Xerxes war schon zu Lebzeiten des Leonidas über diesen in tiefster Weise erbittert und getroffen. 2. Die Tat des Xerxes charakterisiert ihn als einen Menschen, der nach griechischem Verständnis gegen jegliche moralische Konventionen verstößt, wodurch er als außerordentliche Negativfigur hervorgehoben wird. 3. Nach Herodot läuft Xerxes’ Verhalten auch den persischen Sitten zuwider. Stephanie West hat jüngst die Zweifelhaftigkeit von Autopsie-Verweisen12 bei Herodot deutlich gemacht.13 Wie sie es als typisch herausgearbeitet hat, dient auch hier

9 Hdt. 7,238. 10 Zur Funktionalität der Autopsie in den Historien Herodots siehe ausführlich Bichler 2013b, 135–151, bes. pointiert 136 f., 148 f. Zur literarischen Funktion der Quellenverweise bei Herodot mit ihrer intendierten Überzeugungskraft für den Leser siehe Luraghi 2001b, 138– 160; grundlegend immer noch Fehling 1971. 11 Zum Auftritt Herodots als Autor in den Historien siehe Marincola 1987, 121–137. 12 Zur Funktionalität der Autopsie in den Historien ausführlich Bichler 2013b, 135–151, siehe v. a. 136 f., 148 f. Zur literarischen Funktion der Quellenverweise bei Herodot mit ihrer intendierten Überzeugungskraft für den Leser siehe Luraghi 2001b, 138–160; Fehling 1971. 13 Siehe West 2011, 262–268.

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Hilmar Klinkott

Herodots Kommentierung der persischen Sitten dazu, die persönliche Wertung14 und die griechische Deutung der Vorgänge überzeugend zu untermauern: Xerxes war nach Herodot nicht nur ein Feind der Griechen, er war auch so sehr von einem persönlichen Hass getrieben, dass er sich sogar über die eigenen sittlichen Konventionen hinwegsetzte. Deshalb konnte er auch nicht die Anerkennung des tapferen Gegners zulassen oder gar Milde zeigen. Möglicherweise legte Herodot damit auch eine negative Bildfolie an, welche mit der athenischen Seite und Themistokles als umso positiveren Gegenpol kommuniziert. Im Vergleich der beiden griechischen Anführer wird durch die Leonidas-Schändung umso deutlicher, mit welchen Folgen Themistokles zu rechnen hatte, wenn er sich bei Salamis dem Großkönig entgegenstellte.15 So sehr der Sieg bei Salamis für den Höhepunkt des griechischen Erfolgs steht, so sehr markierte die Niederlage bei den Thermopylen mit der Leichenschändung einen Tiefpunkt des Krieges.16 Dass Herodot dabei der griechischen Deutung einer orientalischen Tyrannis folgt,17 hatte sich schon mehrfach, besonders aber unmittelbar vor der Schlacht an den Thermopylen bei einem Gespräch zwischen Xerxes und Demaratos gezeigt.18 Zweifellos ist daher das Verhalten des Xerxes nach dem Sieg an den Thermopylen als Schlusspunkt einer Entwicklung im herodotei14 Zur persönlichen Wertung Herodots durch Autopsieverweise siehe Marincola 1987, 135. 15 Wie sehr Herodot dabei einen konkreten Aktualitätsbezug einfließen lässt, zeigt Blösel 2001, 179–197, ohne allerdings die Polarisierung Sparta – Athen am Beispiel Leonidas – Themistokles zu behandeln. 16 Zu diesem Gegenbildcharakter, der sich auch in den Paaren ›orientalischer Despotie‹ versus ›griechischem Freiheitsdenken‹ widerspiegelt siehe Zimmermann 2013, 83 f., 146 f. 17 Vgl. Schulz 2013, 333–344, der die griechische Charakterisierung des Xerxes bei Herodot gerade in Parallelen zu Agamemnon und Hektor in Homers Ilias sieht. Ob nach Meinung von Schulz auch über die bei ihm behandelten Einzelstellen hinaus Xerxes nicht als Despot dargestellt wird, ist unklar. Jedenfalls geht Schulz nicht auf die Leichenschändung des Leonidas ein, obwohl unmittelbar zuvor ebenfalls eine Beratung des Großkönigs mit Demaratos und Achaimenes stattfand. 18 Dort unterschätzte der Großkönig noch die Wehrhaftigkeit der Griechen und speziell der Lakedaimonier, deren Freiheitswillen er nicht verstand. Er antwortete auf die mahnenden Worte des Demaratos (Hdt. 7,103,3) – durchaus als Anspielung auf eine griechische Verfassungsdiskussion (mit Monarchie-Demokratie-Antithese) und als Vorwegnahme der Erwartungen, die an einen despotischen Tyrannen gestellt werden. Hdt. 7,103,3: »Ja, wenn sie (die Hellenen) nach unserer Sitte von einem einzigen regiert würden, würden sie vielleicht aus Furcht vor ihm sich tapferer zeigen, als sie sind, und unter Geißelhieben auch einen überlegenen Feind angreifen.« Vgl. Diod 11,6,1 f. So behandelt Schulz 2013, 333, 337 diese Stelle nicht, um so ein Bild zu konstruieren, das Xerxes von der Despotie befreit und an die homerischen Helden Agamemnon und Hektor anlehnt (s. dort S. 343). Zum Monarchie-Diskurs bei Herodot siehe den Beitrag von Kai Trampedach in diesem Band.

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Xerxes und der Kopf des Leonidas

schen Narrativ zu sehen, die auf die warnenden Worte des Demaratos reagiert und gleichzeitig die Despotie des Xerxes mit einer vorausweisenden Wirkung auf Salamis, konsequent weiter übersteigert.19 Doch ist damit der ungewöhnliche Akt überzeugend erklärt, einen bereits Gefallenen noch einmal demonstrativ hinzurichten und dem Heer als Geschändeten zu präsentieren? Hier fällt auf, wie wenig Beachtung die Forschung der Leichenschändung des Leonidas bislang geschenkt hat. Dies resultiert nicht zuletzt aus einer stark auf den Kampf fokussierten Rezeptionsgeschichte, wie sie Anouschka Albertz in ihrer Dissertation von 2006 ausführlich aufgearbeitet hat.20 Selbst Hans Drexler hat diese Stelle in seinen immer noch grundlegenden Herodot-Studien von 1972 gar nicht behandelt, obwohl er sogar im Kapitel zu den persischen Herrschaftsformen den »Belohnungen und Bestrafungen« einen eigenen Abschnitt gewidmet hat.21 Dies ist auch für die Deutung der Episode in der jüngeren Forschung symptomatisch, so z. B. in den Arbeiten von Matt Waters, William J. Cherf, Fabian Schulz oder Susanne Fröhlich, auch wenn gelegentlich darauf verwiesen wird, dass die ›Schändung‹ des Leonidas im Kontext der literarischen Gesamtkonzeption bei Herodot und speziell seines Xerxes-Bildes zu sehen ist.22 Gelegentlich wird allerdings, wie z. B. durch R. W. Macan, auf einen »Persian mode of execution« verwiesen. Doch solche Kommentare bleiben unspezifisch, unerklärt und ohne den eigentlichen Sinn bei der Anwendung an einem gefallenen Gegner zu erläutern.23 Immerhin stellt Herodot in seiner Kommentierung selbst einen Bezug zu vermeintlichen persischen Sitten her. Darüber hinaus beschreibt er in noch 10 anderen Fällen eine Enthauptung und Pfählungen (o. ä.) als Strafe:

19 Hdt. 7,234–237. Immerhin rief Xerxes unmittelbar nach dem Sieg an den Thermopylen und noch vor der Besichtigung des Schlachtfeldes Demaratos, den an den persischen Königshof geflohenen spartanischen König, und seinen Bruder Achaimenes, den Anführer der königlichen Flotte, zu sich, um über das weitere Vorgehen in Griechenland zu beraten. 20 Albertz 2006. Siehe entsprechend für die antike Rezeption: Brown 2013, 100–116. 21 Drexler 1972, 173–177. 22 Die Leoniodas-Schändung als erzählerischer Höhepunkt des Thermopylenereignisses bleibt gänzlich unbeachtet bei WATERS 2014, 127; SCHULZ 2013, 342; MEIER 2010, 105; CHERF 2001, 355–364; siehe ebenso BRIANT 1996, 545 f., HIGNETT 1963, 147. FROEHLICH 2013, 150 erwähnt zwar die Leichenschändung des Leonidas, lässt diese aber unkommentiert und verweist als Erklärung nur auf die Angaben Herodots. Ähnlich FISCHER 2013, 153. 23 MACAN 1908, 351. Vgl. auch CARTLEDGE 2006, 150-152. Vgl. dazu auch die Studie von STIASSNY 1903, die zeigt, wie häufig Pfählungen ohne einen ‚orientalischen‘ Hintergrund oder Bedeutungszusammenhang in der europäischen Geschichte zu finden sind.

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Hilmar Klinkott ENTHAUPTEN

PFÄHLEN

Hdt.

Inhalt

Hdt.

Inhalt

2, 121

Dieb unter Rhampsinitos

1, 128

Astyages die Mager

3, 15

Kambyses den Sohn des Psammenitos

3, 125

Oroites den Polykrates

3, 79

Dareios die Mager

3, 132

Dareios die ägyptischen Ärzte

4, 68

Skythen bei Meineid auf den König

3, 159

Dareios 3000 Babylonier

4, 80

Oktamasades den Skyles

4, 43

Xerxes den Sataspes

5, 114

Amathusier den toten Onesilos

4, 202

Pheretime von Kyrene die Aufständischen

6 30

Artaphrenes den Histiaios

6, 30

Artaphrenes den Histiaios

7, 35

Xerxes die Brückenbauer a. Hellespont

7, 238

Xerxes den toten Leonidas

7, 194

Dareios den Sandokes

8, 90

Xerxes die Phoinikier bei Salamis

7, 238

Xerxes den toten Leonidas

8, 118

Xerxes den Steuermann der Überfahrt

9, 120

Der Athener Xanthippos den Perser Artayktes

Dabei sind alle Beispiele in einem ›orientalischen‹ Kontext verortet, sechs Fälle von Enthauptung werden von persischen Großkönigen selbst veranlasst, vier allein von Xerxes.24 Als einziges scheint die Hinrichtung des Artayktes durch den Athener Xanthippos aus der Reihe zu fallen, vor allem weil es diesmal ein Grieche ist, der die Strafe an einem Perser, dem Statthalter von Sestos, vollzieht.25 Xanthippos hatte 479 v. Chr. nach der Schlacht von Mykale Artayktes in Sestos belagert, besiegt und schließlich hingerichtet.26 Dabei scheint Herodot über dieses Ereignis einen Bezug zu den aktuellen politischen Verhältnissen seiner Zeit herzustellen: Xanthippos war der Vater des Perikles, der Athens hegemoniale Stellung im delisch-attischen Seebund ausgebaut und in die erste Phase des Peloponnesischen Krieg geführt hatte. Über Xanthippos scheint Herodot eine Zeit-Kritik zu formulieren, welche die Athener als die ›neuen Perser‹ charakterisieren soll.27 24 Hdt. 3,15 (Kambyses); 3,79 (Dareios); 7,35. 238; 8,90. 118 (Xerxes). Siehe die Zusammenstellung bei Rollinger 2010, 591. 25 Vgl. Norbert Kramer in diesem Band. 26 Hdt. 9,120. 27 Diesen Hinweis verdanke ich R. Bichler in einem sehr anregenden Gespräch. Siehe auch

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Xerxes und der Kopf des Leonidas

Eine enge Parallele zur Leonidas-Episode findet sich, als Histiaios von Milet bei der Niederschlagung des Ionischen Aufstandes bei Malene von den Persern gefangengenommen wurde.28 Artaphernes, der Satrap von Sardes, lieferte ihn jedoch nicht an Dareios aus, sondern ließ ihn töten, dann an einen Pfahl binden, den Kopf aber einsalzen und zum König nach Susa schicken. Der Kontext und die in diesem Fall fehlende Kommentierung zeigen, dass es sich bei der Bestrafung weniger um ein spezifisches Charakterdefizit des Xerxes, als vielmehr um eine persische oder orientalische ›Sitte‹ handelte. In der Tat liefern die altorientalischen Quellen dafür zahlreiche Beispiele, welche die sprichwörtliche Grausamkeit der Könige zu bestätigen scheinen. So wird in den neuassyrischen Annalen Assurnasirpals II. im Ninurta-Tempel von Nimrud (Kalah, Mitte 9. Jh.), berichtet, dass der König aus acht Städten des Landes Ḫabḫu »260 aus ihrer kämpfenden Truppe mit dem Schwert niederstreckte. Ich schlug nacheinander ihre Köpfe ab und häufte sie auf«.29 Bei den Eroberungen um die Stadt Larbusa ließ der König die Köpfe an Bäumen auf den Bergen aufhängen.30 Die Aufständischen der Länder Laqû, Suḫu und Lubarna ließ er pfählen, in letzterem ausdrücklich vor der Stadt Aribua.31 Zahlreiche solche Fälle von hethitischer bis in spätbabylonische Zeit in Text und Bild hat Robert Rollinger jüngst zusammengestellt.32 Rollingers Sammlung zeigt, dass diese Hinrichtungen ausschließlich aus einem ›orientalischen‹ Kontext stammen, zu dem Ägypten nicht zu zählen Strasburger 2013, 295–320; mit entsprechend kritischen Aktualitätsbezügen siehe Blösel 2001, 196 f. 28 Hdt. 6,30. 29 Grayson 1991, 197 (Ashurnasirpal II A.0.101.1,i, Z. 58–62). Vgl. am Tor von Balawat: Schachner 2007, 98 (7a). Zur bildlichen Darstellung von Sammeln, Aufhäufen und Zählen der abgeschlagenen Köpfe siehe auf den Reliefs aus dem Palast Sannheribs in Niniveh: Barnett, Bleibtreu, Turner 1998, Pl. 301 f. (Abschneiden), 175.177 (Sammeln), 195.213.291 (Aufhäufen und Zählen). Siehe auch: Dolce 2004, 121–122. 30 Grayson 1991, 204 (Ashurnasirpal II A.0.101.1, ii Z. 42 f.). Siehe entsprechend das berühmte Relief mit der Gartenszene Assurbanipals aus Ninive, auf der der abgeschlagene Kopf des aufständischen Königs Teumann von Elam an einem Baum aufgehängt ist: British Museum/London: BM 124920; mit weiterführender Literatur Kuhrt 1995, 517. 31 Laqû und Suḫu: Grayson 1991, 214 (Ashurnasirpal II A.0.101.1, iii Z. 26–33); Aribua in Lubarna: Grayson 1991, 218 (Ashurnasirpal II A.0.101.1, iii 81–83). Eine entsprechende Parallele findet sich am Tor von Balawat: Schachner 2007, 176: Abb. 120, oder im Sannherib-Palast von Niniveh: Barnett, Bleibtreu, Turner 1998, pl. 329: 430c. Weitere Beispiele aus den assyrischen Chroniken sind: Enthaupten: Salmanassar III. Grayson 1996, 22; Assurbanipal Borger 1996, 38, 226; 42, 234; 47, 238; 46, 237; 106, 227. Pfählen: Tiglatpilesar III. Tadmor 1994, 122; 160; Assurbanipal Borger 1996, 23, 214; SAA 18, Nr. 148, Z. r.3.; 170, Z. 8’-9’. 32 Rollinger 2010, 603 (Enthaupten), 607 (Pfählen).

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scheint.33 Dies bestätigt sich in der bekannten Ausnahme zur Regel unter Thutmosis III., dem erfolgreichsten Pharao des Neuen Reiches, der (ab 1445 v. Chr.) in mehreren Feldzügen große Teile des Orients bis an den Euphrat erobert hat.34 Stets in Bezug auf die Kämpfe gegen die »Rebellen« in Asien betont nur er in seinen Inschriften, wie in der sogenannten Poetischen Stele aus Karnak: »Der Pharao wird abschneiden die Köpfe der Asiaten ohne Ausnahme, indem sie zitternd niedergefallen sind vor seinen Machterweisen«.35 Mit Blick auf die ›Leichenschändung des Leonidas‹ ist interessant, dass immer wieder ausdrücklich betont wird, die Feinde seien erst erschlagen und dann enthauptet oder gepfählt worden. So berichten die Annalen Assurbanipals über seinen ersten Ägyptenfeldzug: »Sais, Mendes und Tanis, die sich empörten und sich mit Taharka ins Einvernehmen gesetzt hatten, selbige Städte eroberte ich. Ihre Einwohner tötete ich mit den Waffen. Ihre Leichen hängte ich an Pfählen auf.«36 Dabei ist die Grenze zwischen Bestrafung und Schändung eines Toten in diesen Texten fließend,37 sollte wahrscheinlich aber zeigen, dass Rebellen niemals, nicht einmal als Tote, der Strafe des Königs entkommen konnten. Und noch etwas anderes fällt auf: Alle Beispiele für das Köpfen und Pfählen der Feinde beschreiben nicht eines von vielen Kriegsgräuel, sondern eine konkrete Strafmaßnahme des Königs für diejenigen, die sich gegen die Herrschaft erhoben hatten.38 Wie sehr diese Behandlung Teil eines Strafverfahrens war, zeigt z. B. eine 33 Dies betrifft lediglich das Köpfen. Für die Pfählung hat Müller-Wollermann 2004, 45, 197–199 gezeigt, dass in Ägypten die Todesstrafe in der Regel auf diese Weise vollstreckt wurde. Allerdings betont sie ebd., 197 auch, dass die Todesstrafe relativ selten verhängt wurde. Für den Kontext hier ist freilich interessant, dass die Pfählung im königlichen Kontext der pharaonischen Zeit v. a. zur Bestrafung auswärtiger Feinde angewendet wurde, so in der sog. Amadastele des Merenptah gegen die Libyer (Kitchen 1982, 1, 13; Müller-Wollermann 2004, 197) und in der Siegesstele Echnatons über die Nubier bei Buhen (Smith 1976, 124–129 m. Taf. 29.75; Müller-Wollermann 2004, 197). Aus der Lehre für Merikare wird deutlich, dass diese Tötung im Besonderen auf Rebellion gegen den König zu beziehen ist: Quack 1992, 20 f.; Müller-Wollermann 2004, 198. 34 Siehe Redford 2003. 35 Müller-Wollermann 2009, 60; ebenso dort: »Ich bin gekommen, daß ich dich niedertreten lasse, die in Asien, daß du niederschlägst die Köpfe der Asiaten von Rṯnw (= Palästina)« (= Osing 1998, 83, Z. 14). Siehe auch in einer Stele Thutmosis’ III. vom Gebel Barkal: »der die Südlichen schlägt und die Nördlichen köpft, der die Köpfe der Übeltäter zerschmettert und ein Gemetzel der Beduinen Asiens anrichtet, …« (Müller-Wollermann 2009, 58). Ausführlich zur Poetischen Stele mit Text und Übersetzung Osing 1998, 75–86. 36 Borger 1996, 214: Prisma B § 10, I, 95-II 2 (= Prisma C § 19, II 130-III 5). 37 Siehe Rollinger 2010, 603, Anm. 84 (Enthaupten); 607, Anm. 103 (Pfählen). 38 Besonders deutlich wird dies auch wieder in den Annalen Assurbanipals II.: »Während ich in Calah war, wurde mir dieser Bericht überbracht: ›Alle Einwohner im Land Laqû, der

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Notiz aus einem spätbabylonischem Chroniktext Nabonids.39 Darin befahl dieser für einen Mann, der ein Urteil und das Siegel des Königs gefälscht hatte: »schneidet (ihm) den Kopf ab und laßt ihn im Land herumführen.« Dann wurde ein Modellkopf angefertigt, auf dem das königliche Urteil verzeichnet wurde. Und Nabonid ließ »ihn, damit ihn die Gesamtheit der Menschen sehe, im äußeren Tor dieses Gerichtshauses aufstellen für die Tage ferner Zeit. Der Böse und der Schlechte sahen es und machten sich davon…« Hier wird deutlich, wie wichtig die öffentliche Darstellung und Wahrnehmung war und worin ihr Effekt lag: in der präventiven Strafverhinderung.40 Dabei läßt sich anhand privater Verträge und Prozessurkunden spätbabylonischer Zeit beobachten, dass trotz grausamster Strafandrohung die tatsächliche Ausführung auffallend selten erfolgte.41 Daran anknüpfend hat Martin Zimmermann jüngst darauf hingewiesen, dass solche extremen Sanktionen in der Rechtsgeschichte als »überschießende Straffolgenandrohung« bezeichnet werden.42 Es ging dabei nicht um eine regelmäßige und übliche Praxis, sondern um die Formulierung und Androhung einer Höchststrafe, die abschrecken und entsprechende Taten schon im Vorfeld verhindern sollte. Sie kennzeichnete den äußersten Orientierungspunkt, sozusagen den »worst case«, von dem aus für den konkreten Einzelfall ein realistisches Strafmaß verhandelt wurde. Die Perser folgten zwar in ihrer Rechtsprechung in Mesopotamien vielfach der älteren orientalischen Tradition, in der Härte als eine Garantie für die Sicherung der weltlichen Ordnung von den Herrschern erwartet wurde.43 In ihrer königlichen Selbstdarstellung aber wichen sie entschieden von den älteren Vorbildern ab. Bruno Jacobs hat betont, dass keine Darstellung von gewaltsamer Bestrafung im altpersischen Bildprogramm, v. a. in den Palästen in Persepolis und Pasargadae, zu finden

Stadt Ḫindānu, (und) das Land Suḫu haben sich (gegen mich) erhoben und den Euphrat überschritten‹. (…) Im Laufe meines Feldzuges wandte ich mich (ihnen) zu, überfiel, zerstörte und brannte die Städte nieder, die auf dieser Uferseite des Euphrats liegen und zu dem Land Laqû und dem Land Suḫu gehörten, (…) Ich erschlug mit dem Schwert 470 ihrer Kämpfer; ich nahm 30 lebend gefangen und richtete sie auf Pfählen auf.« Siehe Grayson 1991, 191, 214 (Ashurnasirpal II A.0.101.1, Z. 26–33). 39 Siehe Schaudig 2001, 586, III Z. 3–13. Vgl. einen ähnlichen Fall, bei dem es um die Strafe für eine – wohl aufständische – Stadt geht ebd., S. 595: Royal Chronicle IV Z. 30–33. 40 So betont Assurnasirpal in seinen Annalen z. B. auch bei der Niederschlagung des aufständischen Königs von Elam: »Ihr Fleisch zerstückelte ich und ließ es in allen Ländern zum Anschauen herumtragen«. Zimmermann 2013, 70; Fuchs 2009, 107 f. 41 Rollinger 2010, 614–618; Zimmermann 2013, 68 f. 42 Zimmermann 2013, 72: nach Alfons Bürge. 43 Siehe dazu Zimmermann 2013, 59, 64 f.; Fuchs 2009, 65–119.

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ist.44 Die Fülle verschiedenster Grausamkeiten am persischen Königshof stammt aus der griechischen Literatur,45 die das Bild des persischen Barbaren im Allgemeinen und die despotische Tyrannis der Königsfamilie im Besonderen illustrieren wollte. Von diesen allgemeinen Grausamkeiten sind jedoch die Fälle zu trennen, in denen es um Rebellion gegen den Großkönig geht,46 zumal diese auch in den altpersischen Königsinschriften belegt sind. So wird die Bestrafung der Aufständischen beim Herrschaftsantritt des Dareios nicht nur bei Herodot (3, 79), sondern auch von Dareios selbst in seinem altpersischen Tatenbericht von Behistun berichtet. Dort heißt es zur Erhebung des Phraortes in Medien (DB § 32; 2, Z. 70–78): Dann schickte ich ein Heer, Phraortes wurde besiegt und zu mir geführt; (…) an meinem Palasttor wurde er in Ketten gehalten (und) das ganze Volk konnte ihn betrachten. Danach pfählte ich ihn in Ekbatana; und die Männer, die seine engsten Gefolgsleute waren, die hängte ich bei Ekbatana in der Festung auf.

In geradezu stereotyper Wiederholung folgt dann direkt im Anschluss der Bericht über dasselbe Schicksal des Ciçantaχma/Trintaechmes in Sagartien.47 Im Relief der berühmten Inschrift allerdings wird nicht der Strafvollzug illustriert, wie ihn der Text beschreibt und wie es die assyrischen und babylonischen Darstellungen zu tun pflegten, sondern es werden ›nur‹ die gefangenen Usurpatoren vor dem siegreichen und rechtmäßigen Großkönig gezeigt.48 In allen angeführten Fällen ist die öffentliche Präsentation der Strafe, mithin die Wahrnehmung durch die Untertanen von besonderer Bedeutung.49 Diesem Muster folgend fand sich laut Jos. ant. Iud. 9, 103 eine derartige Straffolgenandrohung sogar im Edikt des Kyros, das in Ekbatana archiviert war. Ausdrücklich werden die Anordnungen zum Wiederaufbau des Jerusalemer Tempels durch den Zusatz bekräftigt: Und diejenigen, die diesen Befehlen zuwider handeln, befahl er, daß sie gefangen und gepfählt würden und ihr Besitz für das königliche Schatzhaus beschlagnahmt würde.

44 Jacobs 2009, 121–153; dazu Zimmermann 2013, 80. 45 Herodot, v. a. aber Ktesias, Isokrates, Plutarchs Artaxerxes-Vita. Dazu Zimmermann 2013, 81–83; Rollinger 2010, 610–613. 46 Siehe so auch Zimmermann 2013, 79. 47 DB § 33 (2, Z. 78–91). 48 Zur Darstellung der gefangenen »Lügenkönige« vor Dareios siehe: Schmitt 1991, Pl. 5, 29. 49 Zimmermann 2013, 66.

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Ebenso ist allen Fällen gemeinsam, dass der König das Urteil verhängt,50 weil er unmittelbar von den Vorgängen betroffen ist. Aus diesem Grund erklärt Herodot auch zur Enthauptung und Pfählung des Histiaios durch Artaphernes:51 Als Dareios aber von diesen Dingen hörte, machte er denen, die das getan hatten, heftige Vorwürfe, daß sie ihn (Histiaios) nicht lebend vor sein Angesicht gebracht hatten.

In den persischen, babylonischen und assyrischen Beispielen handelt es sich immer um Fälle, bei denen die Autorität und Legitimität des Königs angegriffen oder in Frage gestellt wurden; d. h. Enthaupten und Pfählen waren besondere Strafen, die auch nur der Großkönig aussprechen durfte und ausführen lassen musste. Darum ließ wohl auch Alexander der Große in Baktra ebenso den besiegten Bessos hinrichten.52 Dieser hatte den amtierenden Herrscher Dareios III. ermordet und sich selbst zum Großkönig erklärt. Bessos war also nach persischem Verständnis ein Rebell, der nun vom rechtmäßigen Großkönig, als der sich Alexander sah, nach persischem Recht bestraft werden musste.53 Nehmen wir diese Ergebnisse zusammen und kehren zur Leonidas-Episode an den Thermopylen zurück. Erst jetzt wird klar, dass der Strafvollzug am bereits Verstorbenen nicht als Frevel des Xerxes zu verstehen ist, sondern einen ganz anderen Hintergrund hat. Enthauptung und Pfählung waren nicht schlichte Grausamkeiten der Könige oder ihrer Truppen im Krieg, sondern folgten einer alten orientalischen Rechtstradition. Dieser zufolge handelte es sich um eine Strafpraxis in einem klar definierten und sehr konkreten Kontext, der immer mit Rebellion, Erhebung und Umsturz zu tun hatte. Dabei ist der entscheidende Aspekt, der die Härte der Strafe bedingt, dass die Autorität des Königs kritisiert oder in Frage gestellt worden ist. Ebenso ist deutlich geworden, dass der Strafakt nicht, wie Herodot sagt, aus einem persönlichen Hass des Xerxes gegen Leonidas motiviert war. Er richtete sich auch nicht gegen die Griechen insgesamt, denn Sparta war ja kein Untertan des Perserreiches, dem eine Rebellion hätte zugeschrieben werden können. Vor diesem Hintergrund fällt erst recht auf, dass bei Herodot gerade solche Strafmaßnahmen und Machtdemonstrationen, die mit der königlichen Autorität zu tun haben, für Xer50 Dass Pfählung auch von nicht-königlichen Amtsträger verhängt werden konnte, zeigt SAA 10,350,r.7. Dort ist ein Priester erwähnt, der drei Personen pfählen lässt, ohne dass freilich Genaueres zum Kontext berichtet wird. 51 Hdt. 6,30. 52 Curt 7,5,40: Ohren und Nase werden Bessos abgeschnitten, dann wird er gekreuzigt, dann mit Pfeilen durchbohrt. Vgl. Arr. 4,7,3. Iust. 12,5,10: Kreuzigung. Nach Diod. 17,83,8 wurde Bessos in kleine Stücke geschnitten; Plut. Alexander 43,6: Vierteilung. 53 Siehe so auch Zimmermann 2013, 85.

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xes in besonderer Dichte belegt sind. Wie ein roter Faden zieht sich durch die Geschichte des Xerxes, dass der König mit Autoritätsproblemen zu kämpfen hatte: Vor dem Griechenlandfeldzug: – Thronfolgestreitigkeiten vor Regierungsantritt am Hof: Hdt. 7,4; Iust. 2,10, 1–10. – Aufstand in Ägypten: Hdt. 7,5,1; 7,7; 7,20,1. – Verweis auf den zweiten Ägyptenaufstand unter Xerxes durch Inaros (s. u.) – (Aufstände in Judäa und Babylonien:54 nicht bei Herodot belegt) – Sataspes, ein Achaimenide, verweigert sich dem Expeditionsauftrag des Xerxes: Hdt. 4,43,1–7. – Artabanos, der Onkel des Xerxes, spricht im Kriegsrat gegen die königlichen Pläne eines Griechenlandfeldzuges: Hdt. 7,10,1–11,1. – Xerxes lässt das persische Heer beim Bau des Athos-Kanals geißeln: Hdt. 7, 22,1. Während des Feldzuges: – Bei Sardes verweigert der Lyder Pythios die Truppenfolge seines ältesten Sohnes; wird zur Strafe von Xerxes zweigeteilt: Hdt. 7,39, 1–3.55 – Der Einsturz der Hellespontbrücke und dafür die Bestrafung der Brückenbauer: Hdt. 7,35. – Xerxes lässt das persische Heer beim Hellespont-Übergang geißeln: Hdt. 7,56,1. – Xerxes lässt das persische Heer an den Thermopylen geißeln, um sie in den Kampf zu treiben: Hdt. 7,223,3. – Artayktes, Statthalter von Sestos hatte Xerxes auf dem Griechenlandfeldzug betrogen: Hdt. 9,116,1 f. Nach den Niederlagen in Griechenland: – Aufstand des Masistes gegen Xerxes: Hdt. 9,113. – (Nicht benannter Aufstand im Reich: XPf) – Aufstand des Inaros in Ägypten: Hdt. 7,7

54 Dazu Briant 1996, 541, 985. 55 Siehe dieselbe Geschichte auch bei Sen. De ira 3,16,4. Zur werksimmanenten, griechischen Deutung der Pythios-Episode siehe Baragwanath 2008, 269–280. Außer Acht gelassen ist dabei die ›orientalische‹ Bedeutungsebene, die auf ein altes Reinigungsritual zurückgeht. Zu Durchschreitungsriten als Katharsis des Heeres siehe Haas 2008, 50 f.; Haas 2003, 784 f., dort auch mit Verweis auf entsprechende Praktiken in Makedonien: Curt. 10,9,12; Liv. 40,6,1–3; ebenso Zachariae 1989, 257–259 mit dem Verweis auf einen entsprechenden Ritus bei den Boiotern (Plut. Quaest. Rom. 111).

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Die Häufung an Hinweisen auf königliche Autoritätsprobleme in der griechischen Überlieferung und ihre Koinzidenz mit den orientalischen Belegen ergeben für Xerxes’ Verhalten an den Thermopylen eine gänzlich neue Deutung: Der König reagierte mit der Bestrafung des Leonidas offensichtlich auf einen innerpersischen Diskurs, bei dem die großkönigliche Autorität und Legitimität in Frage gestellt wurde.56 Mit anderen Worten: Die Bestrafung durch Enthaupten und ihre Demonstration vor dem persischen Heer durch Pfählen richteten sich also sowohl durch den Zeitpunkt (direkt nach dem Sieg an den Thermopylen) als auch mit ihrem symbolischen Gehalt an die unmittelbare Umgebung des Xerxes. Zu ihr gehörten mächtige Adelige wie Mardonios oder Megapanos, der spätere Statthalter von Babylon57, sowie Angehörige aus den privilegierten Adelsfamilien der Sieben Perser, die großen Einfluss am Hof besaßen. Vor allem aber waren zahlreiche Mitglieder der Königsfamilie als Befehlshaber im Heer des Xerxes, wie vor allem die sogenannte Heeresliste bei Herodot demonstriert: NR.

NAME

VERWANDTSCHAFTSGRAD

BELEG

1.

Otanes

Schwiegervater des Xerxes

Hdt. 7,61,2

2.

Tigranes

ein Achaimenide (kgl. Stamm)

Hdt. 7,62,1

3.

Anaphes

Sohn des Otanes (Nr. 1)

Hdt. 7,62,2

4.

Hystaspes

Sohn des Kyros u. der Atossa, (Onkel d. Xerxes)

Hdt. 7,64,2

5.

Arsamenes

Sohn des Dareios, (Bruder d. Xerxes)

Hdt. 7,68

6.

Arsames

Sohn der Dareios u. der Artystone, Tochter der Kyros, (Bruder d. Xerxes)

Hdt. 7,68,2

7.

Gobryas

Sohn des Dareios u. der Artystone (Bruder d. Xerxes)

Hdt. 7,72,2

8.

Artochmes

Ein Schwiegersohn des Dareios

Hdt. 7,73

9.

Artaphernes

Sohn d. Artaphernes, Groß-Neffe des Dareios

Hdt. 7,74,2 (s. 6,94)

10.

Ariomardos

Sohn des Dareios und der Parmys, Tochter des Kyrossohnes Smerdis, (Bruder d. Xerxes)

Hdt. 7,78

56 Zunächst ist dieses Problem einzig aus Herodot heraus erkennbar und durch ihn zu belegen. Ob es tatsächlich ein Legitimationsproblem des Xerxes in den eigenen Reihen gab, ist nicht klar. Möglicherweise können die altpersischen Inschriften darauf einen allgemeinen Reflex bieten (s. u.). 57 Hdt. 7,62,2.

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Hilmar Klinkott 11.

Smerdomenes

Sohn des Otanes, Vetter des Xerxes

Hdt. 7,82

12.

Tritantaichmes

Sohn des Artabanos, Vetter des Xerxes

Hdt. 7,82

13.

Masistes

Sohn des Dareios u. der Atossa (maθista), (Bruder d. Xerxes)

Hdt. 7,82

14.

Ariabignes

Sohn des Dareios u. der Tochter des Gobryas (Bruder d. Xerxes)

Hdt. 7,97

15.

Achaimenes

Sohn des Dareios, Voll-Bruder der Xerxes

Hdt. 7,97

Außerdem: 16.

Abrokomes

Sohn d. Dareios u. der Phratagune

Hdt. 7,224

17.

Hyperanthes

Sohn d. Dareios u. der Phratagune

Hdt. 7,224

Die große Zahl der Voll- und Halbbrüder an wichtigen Kommandostellen des Heeres und der Flotte ist umso bemerkenswerter, als es genau diese Gruppe ist, die schon die Thronfolgestreitigkeiten ausgelöst hatte.58 Sie alle konnten theoretisch einen Anspruch auf die Thronfolge erheben. Möglicherweise deshalb ließ sie Xerxes während des Feldzuges nicht in den Reichsresidenzen zurück, sondern wollte sie unter seiner unmittelbaren Kontrolle auf dem Feldzug in seinem Heer wissen. Vor der Erwartungshaltung der königlichen Konkurrenten war der Feldzug bislang jedoch wenig befriedigend: Beim Übergang nach Europa verlor der Großkönig durch den Sturm einen Teil seines Heeres, in Makedonien und Thessalien gab es keine Kampferfolge zu erzielen, und beim ersten Widerstand an den Thermopylen gelang es nur einem kleinen Kontingent der Hellenen, das riesige Vielvölkerheer sieben Tage aufzuhalten.59 Noch dazu waren dem Großkönig kurz zuvor die Niederlagen und Verluste der persischen Flotte bei Kap Artemision gemeldet worden. Sind das die ruhmreichen Erfolge eines fähigen Feldherrn? Gerade weil die Autorität des Großkönigs und seine Befähigung als Kriegsherr fraglich wurden, musste Xerxes jetzt umso deutlicher seine Stärke zeigen. Bezeichnenderweise berief er unmittelbar nach dem Sieg an den Thermopylen zuerst einen Kriegsrat ein, in dem das weitere Vorgehen besprochen wurde. Achaimenes, der nächste Bruder des Königs, sprach dabei als einziger unverhohlen die Verluste 58 Hdt. 7,2: Xerxes aus der Linie der Atossa, Artobazanes aus der Linie der Gobryas-Tochter. 59 Hdt. 7,212; 222 Phokern, Lakedaimoniern, Thespiaiern und Thebanern.Siehe die Beschreibung bei Hdt. 7,208–226, wonach noch ein Tag vor dem eigentlichen Kampf verging, weil Xerxes die griechischen Stellungen auskundschaften ließ. Zur Heeresgröße: Laut der Denkinschrift an den Thermopylen Hdt. 7,228: 3 Millionen Perser, 4000 Griechen. Vgl. Diod 9,5,1–10,4, der den Kampf 4 oder 5 Tage dauern lässt.

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Xerxes und der Kopf des Leonidas

der persischen Flotte an. Herodot berichtet nichts von weiteren Äußerungen anderer Perser im Kriegsrat, aber unmittelbar auf die abschließende Entscheidung des Königs folgt die Bestrafung des Leonidas bzw. seines Leichnams. Sie war zum einen sicherlich dem situativen Handlungszwang geschuldet, dass der König sich vor seinem versammelten Heer als siegreicher Feldherr präsentieren musste. Darüber hinaus war sie eine Demonstration großköniglicher Macht, die sich speziell an den persischen Führungsstab richtete, unter dessen königlichen Mitgliedern seit der Thronbesteigung des Xerxes eine kritische Stimmung bestand.60 Xerxes bediente sich deshalb einer Formensprache altorientalischen Herrschaftsrechts, die v. a. von den hochrangingen Persern im Heer mit allen Konsequenzen verstanden wurde. Dabei ist symptomatisch, dass Herodot stets dann auf solche altorientalischen Elemente zurückgriff, wenn es um großkönigliche Legitimation und Autorität geht.61 Besonders deutlich wird dies bei der Thronbesteigung des Dareios: Gerade weil es sich strenggenommen um einen Putsch handelte, präsentierte sich Dareios gemäß der babylonischen Tradition – im lokalen Kontext durch den Tatenbericht von Behistun in einer babylonischen Version, bei Herodot ausgedrückt durch die altbabylonische Darstellung in der Pferdeanekdote.62 Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass besonders, wo für Xerxes die herrscherliche Legitimation thematisiert wird, bei Herodot altorientalische Repräsentationsmuster und Darstellungsformen zu finden sind. Herodot verstand diese in ihrer eigentlichen Bedeutung möglicherweise nicht mehr, wie bei der Leonidas-Episode und bei der Initiation des Dareios erkennbar ist. Dies scheint darauf hinzudeuten, dass Herodot diese Rückgriffe auf altorientalisches Material zwar gezielt in seinem Werk (bei Legitimationsfragen der Großkönige) plazierte, sie in Form und Inhalt aber anders interpretierte. Es gibt allerdings keine Quelle, die explizit von einer Kritik am König bei den Thermopylen berichtet. Sie wird m. E. aber evident, wenn man den weiteren Verlauf des Feldzuges in den Blick nimmt. Folgt man der These, dass Xerxes einerseits als oberster Kriegsherr und Großkönig unter einem Legitimationszwang stand, und sich andererseits politischer Widerstand unter den königlichen Familienmitgliedern in seinem Heer auszubilden begann, dann hatte dies für den weiteren Verlauf des 60 Zumindest hören wir nichts davon, dass nach dem Thronfolgestreit und dem Regierungsantritt des Xerxes oppositionelle Vertreter beseitigt worden wären. 61 So verweist auch Fröhlich 2013, 57, Anm. 136 im Zusammenhang mit dem Motiv von Rache und Strafe, »mit dem neben einzelnen Gewalttaten vor allem bewaffnete Aufstände und Kriegszüge begründet werden« nur indirekt auf die Leichenschändung des Leonidas. Siehe dagegen Munson 2005, 56–63: Im Kapitel zu den altorientalischen Sprachen bezieht sie sich lediglich auf altpersische Lehnworte bei Herodot, ohne auf assyrische oder babylonische Elemente der Darstellung einzugehen. 62 Ausführlich dazu Robert Rollinger in diesem Band.

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Hilmar Klinkott

Feldzuges tiefgreifende Konsequenzen. Der Großkönig wie auch die königlichen Verwandten gerieten damit in einen dynamischen Sog gegenseitiger Erwartungen und Handlungszwänge. Gerade deshalb konnte für sie die Eroberung Athens als ein Debakel erscheinen. Was für eine Leistung, eine verlassene Stadt in Besitz zu nehmen, ohne eine schmachvolle Kapitulation und ohne dass der König an ihr seine Strafe vollziehen konnte wie einst Dareios an Milet und Eretria!63 Nachdem Xerxes Athen eingenommen hatte und die Heeres- und Flottenkontingente der besiegten griechischen Gemeinwesen bei Phaleron zum persischen Heer stießen, hatte sich auch Xerxes dorthin an die Küste begeben und einen Kriegsrat einberufen. In diesem besprach er mit seinen persischen Strategen, den Philoi und den Befehlshabern der Flottenkontingente, wie, wann und wo eine Seeschlacht zu erzwingen sei.64 Mardonios, der alte Ratgeber und Förderer des Königs, der diesen überhaupt zum Kriegszug nach Griechenland überredet hatte, ist es nun, der die gesammelte Meinung der Flottenkommandanten überbrachte: Alle außer der karischen Dynastin Artemisia rieten zur Schlacht. Nur diese trat in der Rolle der ungehörten Warnerin65 vor dem Unheil auf und riet von einer Schlacht ab. Hdt. 8,69,2–70,1 schildert, wie die Entscheidung fiel: Doch als die Voten (erg.: der Flottenkommandanten von Mardonios) vor Xerxes gebracht wurden, freute er sich besonders über Artemisias Urteil, und hatte er schon früher große Stücke auf sie gehalten, so lobte er sie jetzt noch viel mehr. Gleichwohl gab er die Weisung, dem Rat der Mehrzahl zu folgen, wobei er den Verdacht hegte, bei Euboia hätten sie sich mit Absicht nicht angestrengt, weil er nicht selber dabei gewesen war, nun aber war er darauf vorbereitet, selber zuzuschauen, wie sie sich zur See schlagen würden. Und als er das Kommando zum Auslaufen gegeben hatte, fuhren sie mit den Schiffen aus in Richtung Salamis und entfalteten sich in aller Ruhe zur Schlachtstellung.

Konnte Xerxes denn angesichts der kritischen Erwartungen nun anders, als mit aller Macht auf eine Schlacht zu drängen, um ein ruhmvolles Ende des Feldzuges zu erzwingen? Er musste nun selbst anwesend sein, um sich als fähiger Oberkommandierender und als Großkönig zu beweisen, aber auch um Eigenmächtigkeiten der königsverwandten Strategen zu unterbinden. Der schwebende Konflikt um die Autorität des Großkönigs, der durch die Eroberung des fast gänzlich verlassenen Athen noch gesteigert wurde, zwang einerseits Xerxes schließlich zu strikten Entscheidungen und Befehlen im Kriegsrat. Andererseits nötigte dieselbe Situation die 63 Vgl. Norbert Kramer in diesem Band. 64 Hdt. 8,67–69. 65 Siehe Konstan 1987, 61.

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königlichen Strategen wie Achaimenes zu bedingungslosem Gehorsam, wollten sie nicht in den Verdacht eines Umsturzes geraten. Damit steigerte sich noch die Tragik der persischen Niederlage bei Salamis: Abgesehen von den taktischen Fehlern66 musste Achaimenes, einer der nächsten Thronprätendenten, unter den Augen des Großkönigs die vorgesehene Planung umsetzen, wenn er sich nicht gegen die königlichen Befehlen erheben wollte.67 Dass ein derartiges Szenario einer problematischen Stellung des Großkönigs in den eigenen Reihen denkbar, ja sogar wahrscheinlich ist, bestätigen auch die Folgeereignisse, auf die als Ausblick noch kurz eingegangen werden soll: Dass Xerxes nach der Niederlage von Salamis sofort die Rückreise nach Persien antrat, hatte wohl kaum mit Feigheit vor den Griechen oder Flucht zu tun.68 Vielmehr musste er schnell seinen Hof erreichen, denn dort gab es Parteien, die von der kritischen Stimmung im Heer wussten, die andere Thronkandidaten der großen königlichen Familie unterstützten und nun Xerxes’ Niederlage für einen Umsturz nutzen konnten.69 Und tatsächlich berichtet Herodot genau davon in einem Skandal um Masistes (9, 108–114), der als Oberbefehlshaber des Heeres (στρατήγος τοῦ σύμπαντος στρατοῦ τοῦ πεζοῦ) am Feldzug teilgenommen hatte.70 Heleen Sancisi-Weerdenburg hat gezeigt, dass sich hinter diesem Namen eigentlich der altpersische Titel des maθista verbirgt, der als »Zweiter im Reich« zu übersetzen ist.71 Masistes war also offensichtlich als potentieller Thronfolger von Xerxes bestimmt worden, wie dieser einst durch Dareios.72 Wie schon unter Dareios brach nach den großen Niederlagen ein Streit zwischen den ranghöchsten Thronprätendenten aus, in den sich auch die königlichen Frauen des Xerxes und des Masistes einmischten. Sie setzten mit allen Mitteln ihren großen Einfluss am Hof für die Interessen ihrer Männer ein. Der Konflikt gipfelte schließlich in einer Erhebung gegen den König, von dem Hdt. 9,113 66 Wallinga 2005, 150–153; vgl. auch Briant 1996, 555. 67 Zur gleichzeitigen Distanziertheit des Xerxes bei der Betrachtung und Beschreibung der Schlacht von Salamis siehe Grethlein 2011, 113–118. 68 So behauptet Schulz 2013, 342. 69 Siehe Hdt. 8,54: Xerxes gibt die Einnahme von Athen unverzüglich durch einen Boten in Susa gekannt; Hdt. 8,99,1: In Susa bereitet man den triumphalen Empfang des Königs vor; Hdt. 99,2: Die Nachricht von der Niederlage bei Salamis löst in Susa allgemeine Trauer aus; Sorge der Perser um die Person des Xerxes (περὶ αὐτῷ Ξέρξῃ δειμαίνοντες). Dazu Briant 1996, 546. So sollte ja auch Artabanos, der Onkel des Xerxes, wegen seiner kritischen Worte ursprünglich in den Residenzen zurückbleiben: Hdt. 7,11. Zu solchen Hofparteien in den Residenzen unter Artaxerxes III. siehe explizit Diod. 17,5,5. 70 Zur Bedeutung und Wirkung dieser Anekdote am Schluss der Historien siehe Zimmermann 2013, 150–153. 71 Sancisi-Weerdenburg 1980, 67–73. 72 XPf § 4, Z. 27–35.

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berichtet.73 Xerxes griff rigoros durch, ließ Masistes auf dem Weg in seine Satrapie Baktrien abfangen und »tötete noch unterwegs ihn selbst und seine Söhne und sein Gefolge«.74 Herodot lässt damit eine ›Erzählstrang‹ um die Person des Xerxes enden, der sich mit der legitimatorischen Akzeptanz als Großkönig in den eigenen, persischen Reihen beschäftigt und zweifellos eine Facette der herodoteischen Komposition ist, in die der Autor kunstvoll ›orientalisches‹ Material einfließen ließ. Es ist dabei naheliegend, auch in den altpersischen Inschriften nach einem Reflex auf derartige Verhältnisse zu suchen – schon allein um die Frage zu klären, ob dies alles eine fiktionale Konstruktion Herodots ist oder tatsächlichen auf einem historischen Hintergrund beruht. Auch wenn bislang in den altpersischen Königsinschriften kein Bezug zu den Feldzügen in Griechenland erkannt werden konnte, finden sich doch einige Anhaltspunkte auf innerpersischen Widerstand oder eine politische Opposition. Die berühmte Daiva-Inschrift des Xerxes aus Persepolis etwa berichtet von der Niederschlagung eines Aufstandes, wohl in den höchsten persischen Kreisen.75 Noch deutlicher äußert sich eine kaum beachtete Felsinschrift aus Persepolis (XPl).76 In dem Text aus der Residenz, der nur auf Altpersisch verfasst ist, heißt es:77 Ich bin nicht heißblütig. Wenn ich Zorn aufsteigen fühle, halte ich ihn unter Kontrolle kraft meines Denkens. Der Mann, der (mich) unterstützt, den belohne ich entsprechend. (…) Was ein Mann gegen einen anderen sagt, das überzeugt mich nicht, bis ich den Bericht beider gehört habe. Von solcher Art sind mein Verstand und meine Befehlsgewalt: Solltest du sehen oder hören, was von mir getan wurde, sowohl am Hof/in der Residenz als auch in der Schlacht – das ist meine Fähigkeit zusätzlich zu (meinem) Denken und (meiner) Klugheit. Als Schlachtenkämpfer bin ich ein guter Schlachtenkämpfer. Sofort steht mein Verstand an seinem Platz, ob ich einen Rebell sehe oder nicht. Durch beides, durch Verstand und durch Befehlsgewalt/Entschlußkraft 73 Kritisch zur Bewertung der Revolte, allerdings ohne weitere Begründung Briant 1996, 559. 74 Hdt. 9,113. 75 XPh § 4a-c: »Es verkündet Xerxes der König: Als ich König war, da gab es unter diesen Ländern, die oben aufgeführt sind, eines, das in Unruhe war. Nachdem mir Auramazda Hilfe brachte, schlug ich durch die Gunst Auramazdas dieses Land nieder und stellte es an seinen richtigen Platz.« Zum Text, der in drei Versionen erhalten ist, und seiner Kommentierung: Kuhrt 2010, 304–306. 76 Die Tafel mit dem altpersischen Text, die ca. 2 km nördlich von Persepolis gefunden wurde, ist heute leider verloren und v. a. aus den Fragmenten einer zweiten Tafel und im Vergleich mit DNb zu rekonstruieren: siehe Schmitt 2009, 170–176; Kuhrt 2007, 503–505: eine zweite Kopie von XPl wurde im hellenistischen Frataraka-Tempel im Nordwesten der Palastterrasse von Persepolis gefunden. Zur sprachlichen Kommentierung: Schmitt 1999, 37–42. 77 XPl § 3–10 (Übersetzung Schmitt 2009, 172–176)

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Xerxes und der Kopf des Leonidas zu dieser Zeit, betrachte ich mich als der Panik überlegen, wenn ich einen Rebell sehe und wenn ich keinen sehe. Ich bin rasend in der Strenge meiner Vergeltung mit beiden Händen und beiden Füssen. (…) Dies sind die Fähigkeiten, die Auramazda mir übertragen hat und ich habe die Stärke, sie zu tragen.

Hier präsentiert sich ein ganz anderer Xerxes als bei Herodot: Er betont seine rationale Urteilskraft, selbst in emotionalen Situationen, wie im Zorn. Vor allem der explizite Verweis auf die Heißblütigkeit (XPl § 3 C: Z. 14) wirkt dabei beinahe wie eine persische Antwort auf die griechische Darstellung des Königs am Hellespont oder bei der Leonidas-Bestrafung. Stattdessen bezieht Xerxes eine klare Position zu loyalen Gefolgsleuten, die seine königliche Legitimation unterstützen (XPl § 4 A-B: Z. 18 f.; § 6 F: Z. 30 f.). Bei Anschuldigungen verschiedener Parteien – also wohl unterschiedlicher politischer Lager – verlässt sich der König nur auf das eigene Urteil und ist für eine Einflussnahme nicht zugänglich (XPl § 5 A-C: Z. 24–26). Dabei betont Xerxes explizit, dass dies sein Umfeld, sprich: seinen Hof sowohl in den Residenzen wie auch im Feld betrifft (XPl § 7 A-E: Z. 33–36). Auch hier scheint die Inschrift Bezug zu nehmen auf verschiedene politische Parteien im königlichen Umfeld, ihre gegenseitige Konkurrenz wie auch in ihrer möglichen Ausrichtung gegen den König. Die Tatsache, dass dies ausdrücklich für die Residenzen und das Heerlager im Krieg ausgeführt wird, scheint ebenfalls genau die Situation während des Griechenlandunternehmens widerzuspiegeln. Es fällt auf, dass gerade in diesem Zusammenhang Xerxes seine Befähigung als Feldherr und Krieger,78 ein Grundelement der großköniglichen Legitimation (XPl § 8, C: Z. 38), betont, wobei Verstand und Befehlsgewalt als königliche Eigenschaften besonders hervorgehoben werden (XPl § 8 D: Z. 39; G: Z. 41). Im Zusammenhang mit politischer Opposition und Kriegführung des Königs erläutert Xerxes seinen Umgang mit Rebellen (XPl § 8 I-J: Z. 43 f.). Der Verweis auf seine gnadenlose Strenge (XPl § 9 A-B: Z. 45 f.) dabei stellt Xerxes in der traditionellen Erwartungshaltung an einen starken König dar. Zusätzlich wird die eigene Legitimation mit dem Rückhalt durch Ahuramazdā bestätigt (XPl § 10 A-B: Z. 50 f.), von welchem Xerxes die Königswürde und die Herrschaft über das Reich übertragen bekommen hatte.79 78 Siehe dazu auch in XPl § 9 C-G: Z. 47–50. 79 Siehe dazu zu Beginn der Inschrift XPl § 1–2. Vgl. auch jeweils XPa § 1; XPb § 1; XPc § 1; XPd § 1; XPf § 1; XPh § 1: »Der große Gott (ist) Ahuramazdā, der diese Erde erschaffen hat, der jenen Himmel erschaffen hat, der den Menschen erschaffen hat, der das Glück erschaffen hat für den Menschen, der Xerxes (zum) König gemacht hat, den einen (zum) König über viele, den einen (zum) Gebieter über viele.« (Übersetzung Schmitt 2009, 164).

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Es ist sicherlich kein Zufall, dass die Textfragmente zu zwei Inschriften gehören, die beide aus Persepolis bzw. ihrer unmittelbaren Umgebung stammen. Dabei scheint die Abfassung in nur altpersischer Schrift die Annahme zu unterstützen, dass sich der Text speziell an die persische Oberschicht des Hofes in der Residenz wandte, die in der Inschrift auch ausdrücklich genannt ist. Aus Diod. 17,71,8 ist jedenfalls bekannt, dass im Komplex der Palastterrasse von Persepolis auch vornehme Adelige des Hofes ihre Quartiere hatten. Auch wenn unklar bleibt, ob in XPl tatsächlich Bezüge zum Griechenlandfeldzug zu sehen sind, zeigt die Inschrift zweifelsfrei: In Persien war ein gänzlich anderes Bild vom Großkönig verbreitet als es Herodot für Griechenland formuliert: Xerxes präsentiert sich dort als starker und gerechter Herrscher, politisch und legitimatorisch in der Tradition seines Vorgängers, als ein König, der die Ordnung in seinem Reich wiederherstellt und gewährleistet, und dafür die Unterstützung seines Gottes erfährt. Bei einem solchen Bild ist naheliegend, dass auch die Ereignisse in Griechenland gänzlich anders wahrgenommen wurden. Aus persischer Sicht sah eine offizielle, königliche Version vermutlich die Niederlagen als unbedeutend an, während die Siege bei Kap Artemision, an den Thermopylen und in Athen das Unternehmen insgesamt als erfolgreich charakterisierten. Der Großkönig hatte sich dabei als erfolgreicher Feldherr gezeigt80 und mit seiner Autorität den Kritikern in den eigenen Reihen gegenüber endgültig durchgesetzt. Ein Reflex auf eine derartige – für die Griechen gänzlich unverständliche Sicht – findet sich dennoch bei Dion Chrysostomus belegt. Nachdem dieser aus der persischen Sicht eines Meders erst das Griechenlandunternehmen des Dareios als Erfolg beschrieben hat,81 fährt er für Xerxes mit einem Bericht fort, der durch die Betonung der politischen Kontinuität in diesem Punkt offensichtlich den öffentlichen Diskurs der persischen Wahrnehmung widergibt:82 Danach sei Xerxes gegen Griechenland gezogen, habe die Lakedaimonier bei den Thermopylen geschlagen und ihren König Leonidas getötet, dann die Stadt der Athener erobert und zerstört und alle, die nicht geflohen waren, in die Knechtschaft geführt. Als er dies getan hatte, habe er den Griechen Tribute auferlegt und sei nach Asien zurückgekehrt. 80 Allein der Griechenlandfeldzug als logistisches und organisatorisches Großprojekt war ein Erfolg, der das Rollenbild des Großkönigs vollauf bediente. Siehe dazu Young 1980, 221– 234. Siehe außerdem den Beitrag von Norbert Kramer in diesem Band. Er zeigt ausführlich, dass die ›technische‹ Bewältigung derartiger Großprojekte in altorientalischer Tradition eine Form von königlichen Selbstdarstellung, Autoritäts- und Kompetenzbeweis wie auch wirksamer Herrschaftslegitimation waren. 81 Dion Chrysost. 11,148. 82 Dion Chrysost. 11,149. Siehe dazu auch Briant 1996, 558 f.

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Als Ergebnis lässt sich festhalten: Die Leichenschändung des Leonidas besitzt nicht nur eine literarische Ebene im Werk Herodots, die eine Personalisierung der Ereignisse und die Demonstration tyrannischer Grausamkeit zum Ziel hat. Sie besitzt auch eine historische Dimension, die im persischen Kontext verständlich wird und die politischen Verhältnisse im unmittelbaren Umfeld des Großkönigs reflektiert. Allerdings instrumentalisierte Xerxes den Gefallenen für einen innerpersischen Diskurs, um seine großkönigliche Autorität in einem Moment und in einer Form zu demonstrieren, die weder die eigentlich Beteiligten traf, noch auf einen konkreten Vorfall reagierte. Allerdings zieht sich wie ein roter Faden durch die Regierung des Xerxes, dass seine großkönigliche Stellung in Frage gestellt, kritisiert oder bekämpft wurde. An den Thermopylen musste er seine königliche Autorität und seine Kompetenz als oberster Befehlshaber vorführen. Der wenig ruhmvolle Sieg an der Passsperre hatte diese Notwendigkeit noch gesteigert, denn die ungewöhnlich hohe Zahl königlicher Verwandter unter den Offizieren und die bislang einzigartige Truppenstärke des Heeres bargen politischen Sprengstoff. Kritik am König oder gar Umsturzpläne dieser Gruppe mussten durch ein eindeutiges Zeichen eingedämmt werden, das Xerxes als starken König auswies. Mit einer überschiessenden Straffolgenandrohung‹, die er in drastischer Weise vorführte, wandte er sich an die königlichen Kritiker im Heer wie auch in den Hofparteien. Der schwebende Konflikt um die Autorität des Großkönigs und die daraus resultierenden Handlungszwänge steigern im Grunde die Tragik der Niederlage bei Salamis. Und sie fordern auch eine neue Bewertung des Griechenlandzuges aus persischer Perspektive, die diesen Rahmen aber sprengen würde.

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HERKUNFT, TRANSFORMATION UND FUNKTION ORIENTALISCHER KRIEGSMOTIVE BEI HERODOT* Norbert Kramer

Abstract: This paper deals with five war issues in the ›Histories‹ of Herodotus: 1. siege-warfare, 2. flight and exodus, 3. deportation, 4. deployment of the Great King, and 5. cruelty. The origins of these patterns of behavior and narration can probably be found in the worlds of Ancient Persia or in a broad sense of the Ancient Orient. The paper examines possible ways of how these topics reached Herodotus, his transformations of such motifs and their new functions in his own narrative. One quite simple function which should not be underestimated is the enrichment of his story with exotic elements. But furthermore, one often observes that specific elements, which – in a Persian context – clearly should be viewed in a positive way, are totally disavowed by the historian. Thus especially the Great King of Persia is damned as a blinded tyrant. Finally, the much disputed warning to the Greeks not to deteriorate and imitate Persian behavior, is not only shown by their described deeds, but also by linguistic niceties.

Der Titel unseres Workshops ›Altorientalisches in den Historien Herodots‹ ist nur auf dem ersten Blick eine klare Beschränkung des Phänomens ›Herodot‹. Denn schon hier faltet sich die ganze Fragepalette auf – authentisch oder konstruiert, verstanden oder missverstanden, bewusst oder unbewusst, deskriptiv oder funktional. Im Folgenden geht es vor allem um eine weitere Sensibilisierung für mögliche und im weiten Sinne ›orientalische‹ Motive im Werk Herodots sowie um die Frage nach deren Herkunft und Verständnis, nach ihrer narrativen Weiterentwicklung und intentionalen Funktionalisierung durch den Geschichtsschreiber. Die gewählte thematische Klammer der Kriegsmotive ist dabei zwar nicht stricto sensu programmatisch, bietet sich aber angesichts des Themas des herodoteischen Werkes besonders * Für die kritische Durchsicht des Manuskriptes danke ich Francisca Feraudi-Gruénais und Hilmar Klinkott.

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an. Zudem sind die immer wiederkehrenden und in großer Bandbreite vorgeführten Kriegshandlungen, die hier nur in kleiner Auswahl betrachtet werden können, oftmals Höhepunkte der dramaturgisch generierten Aufmerksamkeit, nehmen also im Werk eine herausragende Stellung ein. Nichtsdestoweniger soll im Folgenden der Blick in gleicher Weise auf eher beiläufig erzählte Begebenheiten und Bemerkungen gerichtet werden.1 I. Poliorketik Das hier im orientalischen Kontext verortete Motiv der Stadtbelagerung mit dem griechischen Begriff der ›Poliorketik‹ zu betiteln, mag irreführen. Aber anders als die allgemeine ›Belagerung‹ steht die technisierte Poliorketik vor allem des Hellenismus präziser für das, worum es hier geht. Denn ›Stadtbelagerung‹ dürfte angesichts des omnipräsenten Kampfes um Troia in der klassischen und allen klassizistischen Kulturen das vielleicht nachhaltigste aller griechischen Geschichtsbilder sein. Aber wie sehen diese Bilder des Kampfes um die stark befestigte Stadt aus? Sowohl die Verse Homers als auch die Bilder der Vasenmalerei sind dominiert von Zweikämpfen der Helden, vom Eingreifen der Götter, schließlich von Überwindung durch List und Gemetzel an den Besiegten. Poliorketik mit Belagerungsmaschinen, Tunneln, Dämmen oder Leitern finden wir hier nicht.2 Auf der anderen Seite gibt es in der orientalischen, genauer in der neuassyrischen Kunst des 9. bis 7. Jh. v. Chr., bekannterweise kaum ein Thema, das in so breiter Varianz und Detailverliebtheit in Szene gesetzt wird, wie eben Belagerungstechnik gegen wohlummauerte Städte.3 Inwieweit solche topischen Narrative von Kriegsführung auf wirkliches Vorgehen schließen lassen, bleibt letztlich ungewiss. Dennoch ist hinlänglich bekannt, dass die vorhellenistischen Griechen die technisch unterstützte Belagerung tatsächlich kaum praktiziert haben. Griechische Belagerungen der archaischen und klassischen Zeit wurden vornehmlich in Form von langwährenden Einschließungen und nicht zuletzt mit der Hoffnung auf Unterstützung durch Parteigänger im Inneren 1 Vgl. zu anderen Kriegsmotiven in diesem Band die Beiträge von Hilmar Klinkott und

Dennis Möhlmann; vgl. ferner jüngst erneut zum Thema ›Erde und Wasser‹ als Zeichen der Unterwerfung bei Herodot Klinkott 2016. 2 Es gibt nur vereinzelte, immer wieder zitierte Ausnahmen, so vor allem aus dem Paul Getty Museum eine Kylix (Inv. 84.AE.38), s. Borchhardt 2013, Taf. 133, und eine Halsamphora (Inv. 92.AE.86) erst aus dem 4. Jh. v. Chr., s. Borchhardt 2013, Taf. 134; vgl. auch die Ilioupersis in der Stoa Poikile auf der Athener Agora, Paus. 1,15,2.

3 Die besten Beispiele geben die Reliefs in den Palästen in Nimrud, s. Barnett/Falkner 1962, bes. Pl. XXXVIII f. (Inv. BM 115634; 118903), und Ninive, s. Barnett/Bleibtreu/Turner 1998, Bd. 2, bes. Pl. 144, 227 f.; Pl. 329 ff., 429–431 u. a., sowie Barnett 1976, Pl. XXXVI.

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der belagerten Stadt durchgeführt.4 So weit ich sehe, gibt es nur einen Fall, in dem Griechen explizit Erfahrung in der Erstürmung befestigter Plätze attestiert wird, und zwar als die Spartaner die Athener wegen ihrer entsprechenden Kompetenz um Hilfe gegen die auf dem Ithome verschanzten Messener baten (Thuk. 1,102). Es fällt allerdings auf, dass Thukydides diese angebliche Erfahrung im gleichen Kontext in zweifacher Weise desavouiert, denn erstens verzichteten die Spartaner schnell wieder auf die athenische Hilfe, ohne dass diese irgendeinen Effekt gehabt hätte. Und zweitens belagerten die Athener zeitgleich Thasos, dessen Mauern aber offenbar nicht überwunden werden konnten. Erst nach drei Jahren Aushungerung mussten sich die Thasier ergeben, und nicht zufällig bestand die erste Sanktion in der Schleifung der nicht überwundenen Mauer (Thuk. 1,101).5 Für die Perser andererseits ist ebenso hinlänglich bekannt, dass sie den direkten Angriff auf Mauern mit entsprechendem Gerät praktizierten, so schildert Herodot es für die Eroberung von Milet (Hdt. 6,18), und vor Alt-Paphos lassen sich sogar archäologische Reste der Belagerungsrampen der Auseinandersetzung von 498 v. Chr. nachweisen.6 Dass Belagerungsgerät bei den von Herodot so ausführlich geschilderten persischen Truppenschauen keine Rolle spielt, ist erklärlich: Diese Dinge dürften kaum den ganzen Weg mitgeschleppt worden sein, sondern wurden bei Bedarf vor Ort hergestellt. Die entsprechenden Ingenieure und Pioniere sind aber bei Aufmärschen und Paraden nicht von ihren Kameraden zu unterscheiden. Eingedenk dieser Verhältnisse fallen die kurzen und auf dem ersten Blick unscheinbaren Beschreibungen Herodots zur persischen Landnahme in Ionien in der Mitte des 6. Jh. v. Chr. auf. Herodot schreibt:7 Als Harpagos nach Ionien kam, eroberte er die ionischen Städte mit Hilfe von Dämmen (χώματα). Wenn er die Feinde in den Mauern eingeschlossen hatte, schüttete er darauf an den Mauern Erdwälle (χώματα) auf und zerstörte sie. Die erste ionische Stadt, die er angriff, war Phokaia (Hdt. 1,162,2; 1,163,1). Und wenig später und noch knapper berichtet Herodot parallel zu Teos: Als Harpagos ihre Mauern über einen Erdwall erstieg, begab sich die gesamte Bevölkerung auf die Schiffe (Hdt. 1,168). Es ist interessant, dass Herodot uns gerade für diese früheste 4 s. u. a. Hdt. 3,54–56; 9,70,2; 9,116 f.; selbst der so ungleiche Kampf der Athener gegen

Melos funktioniert mit Aushungern und Verrat, Thuk. 5,114–116. Vgl. entsprechend knapp van Wees 2004, 138–145.

5 Zur Frage, was Thukydides mit dieser überraschenden Aussage zu den Athenern gemeint haben könnte, s. schon Gomme 1945, 301. 6 Zu Milet s. Scott 2005, 113; zu Paphos Maier 1972, 25 f. und Wright/White 2005,

kritischer zu diesem Befund allerdings Eph’al 2009, 28–30; vgl. allg. Kern 1999, bes. 43–58; Jacobs/Tuplin (in Vorb.) ist, so weit ich sehe, noch nicht erschienen.

7 Alle Übersetzungen stammen aus der Ausgabe von Josef Feix, ggf. mit notwendigen Modifikationen.

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persisch-griechische Kontaktphase solche Bilder von Stadtkampf mit Mauern und vor allem Belagerungsrampen bietet. Diese Phase liegt für Herodot außerhalb des Bereiches direkter mündlicher Berichte, für die etwa drei Generationen zu veranschlagen sind, so dass der Geschichtsschreiber auf indirekt vermittelte Informationen angewiesen war, die aber offenbar nur vergleichsweise dünn zur Hand waren. Dass diese vornehmlich aus einer lokalen und originär griechischen Tradition resultierten, erscheint nicht zuletzt angesichts der sonst differierenden griechischen Erzählweisen von Stadtbelagerung als keineswegs zwingend. Wahrscheinlicher ist es meines Erachtens, dass zumindest die Geschichte von der aufwändigen Überwindung dieser Mauer8 aus persischen Quellen zur Eroberung Ioniens stammt. Gerade die für Herodot uncharakteristische Knappheit lässt dabei weniger an literarische Berichte denken als an Bilder, wie wir sie so eindrucksvoll aus den neuassyrischen Palästen kennen. Selbstverständlich ist die Bilderwelt der Perser nicht deckungsgleich mit der assyrischen oder auch babylonischen.9 Besonders die fehlenden Bilder zum Thema Krieg und Jagd in Persepolis10 ließen sich als Gegenargument anführen. Jedoch lassen sich einige der in der monumentalen Reliefkunst der persi8 Inwieweit die ionischen Städte dieser Zeit über starke Mauern verfügten, die entsprechende persische Belagerungsmaßnahmen erzwangen, ist nach wie vor nicht letztlich klar. In Phokaia wurden in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts tatsächlich Reste wohlgefügter Mauern freigelegt, die in die archaische Zeit datiert werden; allerdings folgen die Datierung und die entsprechenden Interpretationen sehr den herodoteischen Vorgaben, die sich so wiederum zirkulär als zutreffend erweisen, s. Özyiğit 1994, bes. 92–94. Nach diesen Funden jedenfalls erwägen Asheri/Lloyd/Corcella 2007, 185, dass Herodot die Mauer noch selbst gesehen haben könnte. In jedem Fall fühlte sich Herodot offenbar genötigt, die Existenz einer in dieser Stärke überraschenden Mauer erklären zu müssen (Hdt. 1,141,4; 1,163–167): Demnach lebten die Phokaier in Freundschaft mit König Arganthonios von Tartessos in Südspanien. Dieser forderte sie auf, ihre Heimat zu verlassen und zu ihm zu kommen, was die Phokaier aber ablehnten. Darauf schenkte er ihnen Gold zum Bau einer Mauer, weil er hörte, daß die Macht der Meder im Lande zunähme (Hdt. 1,163,3)! Auf diese herodoteische Verquickung von verschiedenen Handlungsfeldern wird im nächsten Punkt noch eingegangen. Vgl. zu archaischen Mauern in Ionien Radt 1994 zu einer ›frühen‹ (7. Jh. v. Chr.?) ›primitiven‹ Mauer aus Pergamon sowie zu den Schwierigkeiten in Milet von Graeve 1997, 111 f. und Schneider 1997 sowie Greaves 2002, 86 f. 9 Die assyrische und die babylonische Kultur wurden sowohl von Persern wie von Griechen kaum mehr getrennt gesehen, s. Hdt. 1,178 zur persischen Eroberung des ›assyrischen Babylon‹; vgl. Calmeyer 1987, bes. 19, und Bichler 2004. Allg. zum Problem der persischen Kenntnis assyrischer Kunst s. Barnett 1959; Stronach 2002 und kritischer Calmeyer 1994, bes. 133. Zum generell geringen Einfluss persischer Reichskunst auf Westkleinasien s. Root 1991. 10 Vgl. Calmeyer 1988, bes. 111, der die programmatische Dominanz des Dynastiethemas und den nicht zuletzt hieraus resultierenden vollständigen Verzicht auf Dynamik und Wandel

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schen Residenzen fehlenden Themen durchaus in anderen Gattungen beobachten, wie etwa die ganz in neuassyrischer Tradition stehende Löwenjagd auf persischen Siegeln.11 Das Thema Krieg findet sich selten, aber doch mehrfach auf perserzeitlichen anatolischen Monumenten, wie zum Beispiel auf den Holzmalereien aus dem phrygischen Tatarlı, die 1969 bei Raubgrabungen zutage gefördert und erst in den letzten Jahren restauriert und für die Ausstellung hergerichtet wurden.12 Und Stadtbelagerungen zeigen dann die wohlbekannten lykischen Monumente, vor allem das Nereidenmonument von Xanthos vom Ende des 5. Jh. und das Heroon von Trysa aus dem 4.  Jh. v. Chr.13 Bei den letztgenannten Beispielen muss natürlich beachtet werden, dass sie keine Monumente der achaimenidischen Zentralmacht sind, sondern dynastische Urheber haben und lokales, griechisch beeinflusstes Bildverständnis zum Ausdruck bringen. Insbesondere in Hinblick auf die großen lykischen Monumente wird seit mehreren Jahrzehnten heftig diskutiert, inwieweit sie auch in einer orientalischen Tradition stehen. An dieser Stelle kann nicht fundiert auf diese Kontroverse eingegangen werden, aber am plausibelsten erscheint doch ein Mittelweg zwischen den Extrempositionen, die von der Nutzung von »Skizzenbüchern« assyrischer Palastreliefs durch lykische Künstler auf der einen14 und einer lykischen »autochthonen Tradition des Historienbildes« auf der anderen Seite15 ausgehen. In jedem Fall zeigen die lykischen Reliefs, dass das Thema der Belagerung von ummauerten Städten zum anatolischen perserzeitlichen Bildprogramm gehörte. Jenseits dieser großplastischen Monumente führen uns solche spektakulären Funde wie die genannten Holzpaneele von Tatarlı drastisch vor Augen, wie dünn unsere Kenntnis ganzer Materialgattungen ist. Noch schlechter ist es um eine weitere Gattung bestellt, die vollständig verloren ist und deren Bedeutung aufgrund ihrer weiten Verbreitung beträchtlich gewesen sein dürfte, nämlich Teppiche.16 Und in den Darstellungen als Erklärung für die Abwesenheit von Jagd- und Kriegsthemen sieht; vgl. ähnlich Jacobs 2010. 11 s. Boardman 2003, 191, Abb. 5.9 zu einem Siegel im British Museum (Inv. BMWA 89132). 12 s. Summerer / von Kienlin 2009; Summerer 2009 und jüngst Jacobs 2014. 13 Xanthos: Childs 1978, Pl. 7–9; Childs u. a. 1989, Pl. 48–52; 60; 65 (je zu Inv. BM 869– 878); Trysa: Childs 1978, Pl. 14–17 (zu Inv. Wien KHM A7–11; B8–13); vgl. Oberleitner 1994; allg. Wurster 1977. Auch in Lykien werden keine Belagerungsmaschinen dargestellt, die in der gegebenen Topographie wohl nicht vermittelbar sind. Vgl. zu Stadtdarstellungen in der Levante Childs 1978, Fig. 28 f. und Taf. 28,2. 14 Borchhardt 2013 passim, bes. 131; vgl. auch die recht leichtfüßige Annahme achaimenidischer Vorgaben bei Summerer 2009, bes. 145 und differenzierter Brosius 2011, bes. 143 f. 15 Jacobs 1987, 64; dies richtet sich vor allem gegen Childs 1978, 48–84. 16 Vermutlich standen Wandteppiche am Beginn des Phänomens der Wandreliefs insgesamt, wie wir sie besonders aus den neuassyrischen Palästen kennen, vgl. Albenda 1978 und Boardman 2003, 239–241.

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dass auch die Perser – offenbar kostbare und vielleicht thematisch gestaltete – bunte Teppiche (παραπετάσμα ποικίλοι) hatten und sogar auf ihren Kriegszügen mit sich führten, berichtet uns Herodot, der sie gelegentlich als Beute aufführt (Hdt. 9,82,1). Und schließlich nennt Herodot noch eine andere Bildquelle, von der er sogar vorgibt, sie gesehen zu haben, nämlich das Bild des Mandrokles von Samos (Hdt. 4,88). Dieses zeigt angeblich den Großkönig Dareios, wie er das Übersetzen seines Heeres über den Bosporus beobachtet.17 In der Gesamtschau erscheint somit das Vorhandensein von Bildern, die im Auftrag der persischen Eroberer der ionischen Städte entstanden sein und im weiteren Sinne orientalische Themen gezeigt haben könnten, als keineswegs ausgeschlossen. Wenn dem so war und Herodot solche Bilder rezipiert hat, konnte er aber offenbar mit dieser nicht auf bestimmte Persönlichkeiten fokussierten Überlieferung wenig anfangen. Er hielt seine Bemerkungen ungewöhnlich knapp und legte den Schwerpunkt seines Narrativs, wie oben bereits angedeutet, auf einen anderen Aspekt, den es im Folgenden zu betrachten gilt. II. Flucht/Exodus Schaut man weiter auf die Geschehnisse in Phokaia und Teos, so liest man bei Herodot, dass sich beide Gemeinwesen zunächst durch großangelegte Flucht retten konnten. Wiederum ist der Bericht im Falle Phokaias ausführlicher: Als man dort die Hoffnung aufgab, der persischen Belagerung trotz der angeblich so starken Mauer standhalten zu können, erbat man sich nach der Forderung des Harpagos, einen Turm der Mauer niederzureißen, einen Tag Bedenkzeit. Diesen nutzte man, die Schiffe zu Wasser zu lassen und alle Frauen, Kinder und auch Götterfiguren zu verladen und sich dann mit Mann und Maus auf der nahen Insel Chios in Sicherheit zu bringen (Hdt. 1,164). Wurde oben ein persisch initiiertes Bild als mögliche Quelle für die Darstellung von Belagerungswällen durch Herodot ins Gespräch gebracht, so ist es ebenso gut vorstellbar, dass dieses auch die Flucht der Belagerten gezeigt hat. Solche Darstellungen von Fliehen und Verstecken begegnen uns wiederum in den neuassyrischen Reliefs, auch wenn das Abführen und Deportieren von Gefangenen jeden Alters und Geschlechts, auf das ebenfalls noch einzugehen sein wird, das deutlich beliebtere Thema ist.18 In jedem Fall aber dienen solche Darstellungen der Charakterisierung des unterlegenen und vollständig besiegten Feindes. In der 17 Hierzu jetzt ausführlich West 2013. 18 s. etwa Barnett/Bleibtreu/Turner 1998, Bd. 2, Pl. 86, 104c (Flucht und Verfolgung); Barnett 1976, Pl. XVIII sowie Barnett/Bleibtreu/Turner 1998, Bd. 2, Pl. 237 f., 340 (verstecken); Barnett 1976, Pl. XVII–XIX; Pl. XXXVI sowie Barnett/Bleibtreu/ Turner 1998, Bd. 2, Pl. 144, 229; Pl. 208, 283 ff.; Pl. 339 ff., 432–434 (Deportation).

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Schilderung Herodots hingegen überwiegt die Charakterisierung der Tüchtigkeit über jener des Geschlagenseins der Phokaier. Selbst wenn man nicht von einem persischen Bild als Quelle für Herodot ausgeht, ist hier im Grunde ein kontrafaktisches Narrationsmuster zu erkennen: Eine durch einen haushoch überlegenen Gegner erzwungene Flucht – doch sicher nur eines Teiles – der Bewohner wird zu einem selbstgewählten und clever umgesetzten Exodus der gesamten Bevölkerung gewandelt. Ja, durch den kurzen letzten Satz des Abschnittes – Die Perser besetzten das von Menschen verlassene Phokaia (Hdt. 1,164,3)19 – wird vielleicht schon eine Assoziation mit Athen 65 Jahre später herbeigeführt und so auch mit der letztlichen Niederlage der Perser. Diese Charakterisierung der griechischen Seite wird im Folgenden weitergeführt durch die Verbindung mit einem ganz anderen, typisch griechischen Handlungsfeld, nämlich der Kolonisation: Die Flüchtlinge aus Phokaia konnten sich mit den Chioten nicht auf eine Ansiedlung auf den nahen Inseln der Oinussen einigen, so dass sie weiterzogen, und zwar sehr viel weiter nach Kyrnos/Korsika. Dort nämlich hatten sie nach einem Orakelspruch zwanzig Jahre zuvor schon die Stadt Alalia gegründet. Hier blieb man fünf Jahre, lebte vom Seeraub, worauf ein existentieller Konflikt mit Etruskern und Karthagern ausbrach, der dazu führte, dass man sich wieder auf den Weg machte. Diesmal ging man nach Rhegion an der Straße von Messina und von dort nach Oinotria/Kampanien, wo man Hyele/Elea gründete (Hdt. 1,165–167). Weniger komplex, aber grundsätzlich parallel, wird uns die Geschichte von Teos berichtet: Auch hier gingen die Bewohner beim Anmarsch des Harpagos insgesamt auf die Schiffe und gründeten in der Ferne eine neue Heimat, nämlich Abdera in Thrakien (Hdt. 1,168). Letzteres erscheint bei Herodot wiederum als die wesentliche Mitteilung – die gar nicht abschließend erzählte Eroberung durch die Perser wird nebensächlich. Diese Verknüpfung der Folgen der persischen Reichsnahme, die eigentlich in diesem Abschnitt von Herodot thematisiert wird, mit den Traditionen der Koloniegründungen und ihren Schwierigkeiten, Orakelsprüchen und mehrfachen Neuansätzen ist wahrscheinlich als eigenständige narrative Leistung Herodots zu werten.20 In jedem Fall wirkt der vorgeführte Handlungsstrang an vielen Stellen brüchig und wenig überzeugend: Angesichts der persischen Belagerung von Phokaia, die für Herodot auf der Basis welcher Quelle auch immer Fakt 19 τὴν δὲ Φώκαιαν ἐρημωθεῖσαν ἀνδρῶν ἔσχον οἱ Πέρσαι; im Grunde ist also nur von den

Männern die Rede, vgl. Asheri/Lloyd/Corcella 2007, 185 mit Verweis auf die alternative und vielleicht treffendere Überlieferung bei Antiochos von Syrakus (FGrHist 555 F8 = Strab. 6,1,1). Unmittelbar zuvor allerdings suggeriert Herodot seinen Lesern eindringlich den vollständigen Charakter der Evakuierung.

20 Vgl. Asheri/Lloyd/Corcella 2007, 184.

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war, ist mehr als ein trickreich herausgeschlagener Tag für die Evakuierung nicht plausibel vermittelbar. Dies dürfte aber schon einem zeitgenössischen Publikum als nicht ausreichend erschienen sein. Ferner musste diese Flucht, um als effektive Rettung zu funktionieren, vollständig sein; ein solcher Exodus aber entspricht weder den typischen griechischen Gründungsmythen noch den historischen Mechanismen der Kolonisationsbewegung, so weit wir diese fassen können.21 Einem vollständigen Exodus widerspricht des weiteren die Tatsache, dass Phokaia eine griechisch besiedelte Stadt blieb; daher muss Herodot eine ziemlich wirre Geschichte einflechten, nach der man vor dem Aufbruch nach Korsika noch geschwind zurück nach Phokaia segelte, die dortige persische Besatzung tötete, dann einen Schwur leistete, nicht nach Phokaia zurückzukehren, den dann wiederum einige brachen und aus Heimweh zurückkehrten (Hdt 1,165). So aber als Handlungsmotiv etabliert,22 wird das Exodus-Konzept im Folgenden von Herodot noch öfter bemüht – wenn auch nur als Option und nicht in realer Umsetzung – und mit variablen Funktionen versehen. Als einige Dekaden später Xerxes’ Anmarsch auf Griechenland nicht mehr ignoriert werden konnte, mussten auch die Athener sich entscheiden. Welche Optionen gibt es in solchen Situationen überhaupt? Zwei entgegengesetzte Möglichkeiten liegen nahe: Man kann sich erstens ergeben oder zweitens kämpfen. Darüber hinaus kann man drittens auf die Anerkennung von Neutralität hoffen. Letzteres mag in peripherer Lage und vor einem Kriegsausbruch praktikabel sein; in einem Krieg – zumal wenn man ganz dezidiert das Eroberungsziel abgibt – muss man sich doch im Sinne von Unterwerfung oder Kampf entscheiden. Zumindest theoretisch existiert aber noch eine vierte Alternative: der Exodus. Auffällig ist, dass Herodot gleich viermal andeutet, dass es bei den Athenern die Überlegungen gab, zu fliehen, aber eben nicht nur zu fliehen, sondern Griechenland vollständig und dauerhaft zu verlassen. Nach Herodot wäre der Krieg verloren gewesen, wenn die Athener die einbrechende Gefahr gefürchtet und ihre Heimat verlassen hätten (Hdt. 7,139,2). Und nicht einmal die schrecklichen Orakelsprüche aus Delphi konnten sie dazu bringen, Griechenland zu verlassen (Hdt. 7,139,6). Es folgt dann der erste Spruch der Pythia, der noch vor dem mit den hölzernen Mauern gegeben wurde: »Arme! Was sitzt ihr noch hier? Wohlan bis ans Ende der Erde flieht aus dem Haus, aus der rundlichen Stadt hochragenden Felsen! …« (Hdt. 7,140,2). Erst auf das entsetzte Drängen der anfragenden Athener gab die Pythia einen zweiten, 21 Das Aussenden von Kolonisten diente zunächst dazu, die Lebensfähigkeit des ursprünglichen, durch unterschiedliche Krisen gefährdeten Gemeinwesens zu erhalten, vgl. etwa Hdt. 1,94,5. 22 Vgl. im selben Erzählstrang wenig später noch den Vorschlag des Bias von Priene an die Ionier, Hdt. 1,170,1 f.

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milderen Spruch, nämlich den mit den ›hölzernen Mauern‹. Man solle dem Angriff entweichen, Athen werde von den Feinden genommen, aber die Mauern aus Holz würden den Athenern nutzen (Hdt. 7,141,3 f.). Und auch dieser Spruch wurde von den Chresmologen offenbar noch als Aufforderung, Attika zu verlassen und anderswo zu siedeln (οἰκίζειν) gedeutet (Hdt. 7,143,3). War aber eine solche, hier so dicht angedeutete Option realistisch, also in der athenischen Diskussion überhaupt vorstellbar? Dies ist wenig wahrscheinlich und wird auch nicht dadurch plausibler, dass die Athener ihre Bevölkerung weitestgehend in die Nachbargebiete evakuieren konnten. Eine Evakuierung, also eine räumlich und zeitlich begrenzte Flucht in Gebiete, die durch die gleiche Bedrohung solidarisiert waren,23 ist doch etwas anderes als eine komplette Auswanderung. Vielmehr soll diese – ja abgelehnte – Option die Leistung Athens bei der Abwehr des Xerxes betonen. Und hierbei erweist es sich als sehr hilfreich, dass diesem Szenario durch die Beispiele Phokaia und Teos zuvor eine scheinbare Plausibilität untergeschoben werden konnte. Schließlich gab es nach dem Ende der Bedrohung des Mutterlandes 479 v. Chr. die Beratungen der Griechen auf Samos, wie man die ionischen Griechen, die wieder von den Persern abgefallen waren (Hdt. 8,132; 9,104), vor diesen schützen könnte. Im Gespräch war einmal mehr eine komplette Aufgabe der ionischen Siedlungen und eine entsprechende Umsiedlung (Hdt. 9,106,2: κατοικίσαι). Diese Option wurde offenbar von den Spartanern, nicht aber von den Athenern favorisiert. Wiederum ist dies kaum als ernsthafter Vorschlag denkbar, selbst wenn die Spartaner gleich eine Idee mitlieferten, wo dies umgesetzt werden könnte: nämlich in den Gebieten jener Griechen, die mit den Persern kollaboriert hatten und die man ja vertreiben könne. Die Athener protestierten, wohl weil sich mittlerweile ganz andere Koalitionen abzeichneten, und die Spartaner gaben bereitwillig nach (Hdt. 9,106,2–4; vgl. Diod. 11,37). Welche Funktionen kann diese Geschichte bei Herodot haben? Sie macht zunächst natürlich die nahezu vollständige Akzeptanz der Hegemonie Athens durch die Ionier im Zusammenhang mit der Gründung des Seebundes nur wenig später plausibel. Und sie charakterisiert die Spartaner einmal mehr als tapfer, aber weltfremd und – wohl wichtiger – als an der Sache der ionischen Griechen, zu denen Herodot ja selbst gehörte, in geradezu verwerflicher Weise desinteressiert. Er tut dies, indem er den Spartanern einen ebenso rigorosen wie wenig praktikablen, insgesamt fremdartigen Vorschlag in den Mund legt, dessen Grundschema er aber schon mehrfach im Verlauf seines Werkes vorgeführt und eingesetzt

23 Vgl. Hdt. 9,3 zur ein Jahr späteren Flucht vor Mardonios nach Salamis sowie Hdt. 6,100,2 zu den Überlegungen der Eretrier, sich in die euböischen Berge in Sicherheit zu bringen.

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hat.24 Dass dabei ein solcher Exodus nicht mehr vollständig selbstgewählt, sondern zumindest teilweise fremdbestimmt wäre, leitet zum nächsten Stichwort über. III. Deportation Die Deportation, also die zwangsweise Umsiedlung großer feindlicher Bevölkerungsgruppen aus ihrer angestammten Heimat in ein zugewiesenes Territorium innerhalb des Reiches der anordnenden Macht, ist ein allgemein im Orient und bei den Persern geläufiges Vorgehen im Krieg.25 Schon die geradezu typgebende ›Babylonische Gefangenschaft‹ der Juden im 6. Jh. v. Chr., die durch den neubabylonischen König Nebukadnezar befohlen wurde, hat einen Bezug zu den Persern, war es doch König Kyros, der diese ›Gefangenschaft‹ beendete und die Juden in ihre Heimat entließ. Dieses war sicher weniger von Menschenfreundlichkeit bestimmt, sondern – ebenso wie die Deportation selbst – ein Ausdruck königlicher Machtvollkommenheit. Über diesen grundsätzlichen Aspekt hinaus sind jedoch Charakter und Funktion des Instrumentes ›Deportation‹ weniger leicht zu bestimmen, als es auf den ersten Blick scheint. Zentral ist sicher der Aspekt von Strafe und Exempel; Deportation soll den erwiesenen oder auch nur potentiellen Widerstand einer politischen Entität in einem bestimmten Raum ausschalten. Darüber hinaus gibt es gerade von den Persern Beispiele von Deportationen, bei denen auch die Kompetenzen der Deportierten für bestimmte Aufgaben genutzt werden sollten.26 Dass dabei die kulturelle Identität einer deportierten Gruppe gar nicht zwingend leiden muss, zeigt nachhaltig eben die ›Babylonische Gefangenschaft‹. Zum Portfolio der griechischen Kriegführung gehörte die Deportation von feindlichen Gemeinschaften allerdings nicht, nicht zuletzt weil die griechischen Poleis anders als die persischen Könige kaum über Räume verfügten, in die hinein derartige Umsiedlungen vorgenommen werden konnten. Töten, Versklaven, Verbannen hießen hier vielmehr die relevanten Vokabeln. Dennoch war auch den Griechen 24 s. ausführlich Heinrichs 1989, bes. 69–79; 148 f., der aber die Idee einer kompletten Umsiedlung als durchaus realistischen Vorschlag bewertet; vgl. Flower/Marincola 2002, 285–287. 25 s. allg. zum Orient Oded 1979; Mayer 2004 sowie zu den assyrischen Bildern o. Anm. 18. Zum griechisch-hellenistischen und römischen Bereich s. die Zusammenschau bei Kehne 2008 (diese löst die ältere und kürzere Studie Kehne 2006 ab); insgesamt ist der Beitrag eine Fundgrube an Fällen, aber infolge der Leitperspektive eines in der Antike doch hochproblematischen Völkerrechtes sowie des zwangsweise dekontextualisierenden Bestrebens einer diachronen Typologisierung doch wenig erkenntnisfördernd. 26 s. allg. Mayer 2004, bes. 229, zu den Assyrern knapp Fuchs 2009, 75 und zu den Persern Olshausen 1997 (bes. zu den Paionen 512 v. Chr., Hdt. 5,12–14).

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dieses persische Instrument bekannt, zumindest wirkten die Deportationsgerüchte, mit denen Histiaios den Ionischen Aufstand anheizte, offenbar plausibel. Histiaios gab nach Herodot vor, dass die Perser beabsichtigt hätten, die Phoiniker nach Ionien und die Ionier nach Phoinikien umzusiedeln (Hdt. 6,3).27 Interessant ist, wie Herodot dann die – vorgeblich – realen persischen Pläne zur Bestrafung der griechischen Aufrührer beschreibt. Drei Poleis stehen dabei als Exponenten des Aufstandes im großköniglichen Fokus: Milet als Keimzelle sowie Eretria und Athen als mutterländische Helfer. Als vorrangig erscheint hier zunächst die Zerstörung der Heiligtümer als Strafe für das Niederbrennen der Tempel in Sardis zu Beginn des Aufstandes (Hdt. 5,102). Dies hören wir sowohl von Milet/Didyma (Hdt. 6,19,3) und Eretria (Hdt. 6,101,3)28 schon im ersten Perserzug als natürlich auch von Athen im Zug des Xerxes (Hdt. 8,53,2; 8,143,2; 9,13,2). Im unmittelbaren Zusammenhang mit diesen Zerstörungen nennt Herodot dann auch das Versklaven der Einwohner. Dies gilt für Milet (Hdt. 6,18 f.),29 und in Bezug auf Eretria und Athen lautete angeblich der direkte Befehl des Dareios, beide Städte zu versklaven und ihm die Einwohner als Sklaven vorzuführen.30 Sehr wahrscheinlich ist dies die interpretatio Graeca einer Deportation, wie sie in solchen Fällen zum persischen Handlungsrepertoire gehörte. Diese Variation könnte verschiedene Ursachen haben: Vielleicht war Herodot, der ja kurz zuvor das Instrument der Deportation durch die Figur des Histiaios beschrieben hatte, letztlich gar kein Unterschied zur Versklavung bewusst. Vielleicht wollte er auch die Geschichte für sein griechisches Publikum, das mit ›versklaven‹ mehr als mit ›deportieren‹ anfangen konnte, vereinfachen. Vielleicht wollte er gar die Perser als in der Realität noch tyrannischer als in den Gerüchten des Histiaios darstellen. In jedem Fall erhält die Annahme, dass vom Großkönig eigentlich eine Deportation angeordnet wurde, zusätzliche Plausibilität durch das weitere Schicksal der versklavten und vorgeführten Griechen, so weit Herodot dies berichtet: Von den Milesiern werden die meisten zwar angeblich getötet und die Frauen und Kinder versklavt (Hdt. 6,19). Aber zugleich sagt Herodot, dass die gefangenen Milesier nach Susa gebracht worden seien, wo ihnen Dareios dann kein Leid mehr zugefügt und sie schließlich etwa 100 km von Susa entfernt in Ampe an der Mündung des Tigris angesiedelt habe (Hdt. 6,20: κατοίκισε).31 Auch die Eretrier seien nicht insgesamt massakriert, sondern wohl in größerer Zahl gleichfalls in die 27 Vgl. Scott 2005, 83; Raaflaub 2011, 13 f. 28 Vgl. zu Didyma ausführlich Scott 2005, 118 ff.; Greaves 2002, 82–86; zu Eretria Scott 2005, 356, je mit weiterer Literatur. 29 Vgl. Scott 2005, 118. 30 Hdt. 6,94,2: ἐντειλάμενος δὲ ἀπέπεμπε ἐξανδραποδίσαντας Ἀθήνας καὶ Ἐρέτριαν ἀνάγειν ἑωυτῷ ἐς ὄψιν τα ἀνδράποδα. 31 Vgl. Scott 2005, 121 f.

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Nähe von Susa, nämlich nach Arderikka 50 km weiter nördlich, verbracht worden (Hdt. 6,119).32 Diese Parallelen in Bezug auf Tempelzerstörung und Versklavung/Deportation im Falle der Protagonisten Milet, Eretria und Athen sind kaum zufällig, sondern programmatisch. Allerdings gibt es doch eine Ungleichheit: In Athen konnte es zu keinen Deportationen kommen, weil dies ja zuerst durch die Schlacht von Marathon 490 und dann 480 v. Chr. durch die Evakuierung Athens und die Schlacht von Salamis verunmöglicht wurde. Insofern ist diese Ausnahme nicht verwunderlich. Aber vielleicht ist es nicht zu weit hergeholt, hier noch auf eine Geschichte zu verweisen, die gar nicht Herodot berichtet. Überhaupt sind seine Informationen zum persischen Wüten in Athen ja in ganz auffälliger Weise zurückhaltend und beschränken sich insgesamt auf nur wenige Zeilen (Hdt. 8,53,2 zu Xerxes und 9,13,2 zu Mardonios). Wir wissen aber, dass Xerxes die Statuengruppe der Tyrannentöter Harmodios und Aristogeiton abtransportieren ließ – und zwar wiederum nach Susa. Dort nämlich fand sie später Alexander der Große und ließ sie nach Athen zurückschaffen (u. a. Arr. An. 3,16,7 f.). Gewöhnlich wird die Erbeutung solcher Statuen – wenn man sie überhaupt mit mehr Sinn als einem bloßem Raub von Kostbarkeiten versehen möchte – als ein Entführen der Götter der besiegten Völker und Städte verstanden.33 Eine solche Deutung als Götterstatuen durch die Perser könnte vielleicht auch dadurch befördert worden sein, dass die originale Gruppe des Bildhauers Antenor noch aus dem späten 6. Jh. v. Chr. wohl wenig bewegte nackte Kouroi zeigte und nicht die uns bekannten waffenschwingenden – allerdings immer noch nackten – Attentäter der zweiten Gruppe aus der Werkstatt von Kritios und Nesiotes in spezifischer Individualisierung und mit menschlichen Altersmerkmalen. Allerdings dürfte auch die erste Gruppe eine Inschrift getragen haben, die über den wahren Sachverhalt aufklärt. Ein alternativer Deutungsansatz könnte diesen Raub wiederum als die von Beginn an geplante und somit auch irgendwie umzusetzende Deportation interpretieren. In der menschenleeren Stadt bot sich dem Großkönig vielleicht kein besseres Symbol für die athenischen Bürger und ihre verwerfliche Ordnung als diese Statuengruppe.34 Dass diese Gruppe dann ausgerechnet nach

32 Vgl. ausführlich Scott 2005, 399 ff. 33 Vgl. Paus. 3,16,8 und 8,46,3 zum Raub einer Artemis und eines Apollons, s. ausführlich hierzu Scheer 2003; vgl. ferner den sog. Kyros-Zylinder zur Rückführung von Göttern und Menschen durch den Großkönig, Schaudig 2001, 550–556, bes. 556, sowie eine assyrische Darstellung im Palast des Sanherib in Ninive, Barnett/Bleibtreu/Turner 1998, Bd. 2, Pl. 143, 214a, dazu ebd. Bd. 1, S. 73 f. 34 Andere sich anbietende Denkmäler kamen erst später hinzu, wie etwa die ›Phylenheroen‹, die wohl nicht vor der Mitte des 5. Jh. v. Chr. auf der Agora aufgestellt worden sind,

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Susa geschafft wurde, wie die Eretrier und die Milesier, fügt sich gut ins Bild.35 Und das Gleiche gilt selbst für die Rückführung nach Athen durch Alexander. Wie Jennifer Finn kürzlich überzeugend vorgeschlagen hat, ist diese Handlung Alexanders weniger als freundlicher Akt gegenüber den Hauptleidtragenden des Xerxeszuges zu verstehen. Sie steht vielmehr schon im Zusammenhang mit der Übernahme der Rolle eines persischen Großkönigs, für den solche Gnadenerweise zum Handlungskanon gehörten und vielfach belegt sind.36 Hierbei hat Finn zunächst wiederum die Rückführung von Götterbildern im Sinn, jedoch gilt dies zweifellos auch für das Beenden von Deportationen, wie allein schon die Entlassung aus der ›Jüdischen Gefangenschaft‹ zeigt. IV. Inszenierung des Aufmarschs des Grosskönigs Ein Großkönig zieht – anders als eine Polisarmee – nicht einfach in den Krieg. Sondierende Feldzüge im Vorfeld, Truppenschau und -sammlung, Vorbereitung des gar nicht zu verheimlichenden Anmarschweges durch gewaltige Pioniermaßnahmen gehören zum obligatorischen Repertoire königlicher Kriegführung. Dabei steht nicht zwingend nur der unmittelbare strategische Nutzen im Vordergrund. Vielmehr geht es zumindest auch mittelbar um Beeindrucken und Einschüchterung aller potentiellen Kriegsbeteiligten, um den Test der Leistungsfähigkeit von Verantwortungsträgern, um Training und bloße Beschäftigung sonst arbeitsloser Truppenteile und grundsätzlich um Generierung eines allgemeinen Bewusstseins für die Bedeutung des bevorstehenden Unternehmens. Zu diesen Dingen, über die Herodot sehr ausführlich berichtet, gibt es eine reiche Literatur, so dass nur in aller Kürze auf einige hier interessierende Punkte, insbesondere das Verhältnis von orientalischer Handlungsmotivation und herodoteischem Erzählmotiv, eingegangen werden soll.

vgl. Camp 1989, 108 f. Zur Bedeutung der Tyrannentöter-Gruppe für Athen s. Fehr 1984 und Taylor 1991. 35 Allerdings ist Susa offenbar generell ein beliebter und traditionsreicher Platz für die Inszenierung solcher Objekte, vgl. etwa eine Dareios-Statue aus Ägypten, s. zu dieser ausführlich Calmeyer 1991; Yoyotte 2010 und Perrot 2010, 132 f.; 196 f. Schon im 12. Jh. v. Chr. verbrachte der elamische König Shutruk-Nachunte herausragende Objekte hierher, wie den altbabylonischen Codex Hammurapi oder die akkadische Naram Sin-Stele, s. hierzu Potts 1999, 232–237, Bahrani 2003, 156–162 und Crawford 2007, bes. 18–20. 36 Finn 2014.

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Die Reichsarmee In Bezug auf diese repräsentativen Vorbereitungen sind vor allem die Beschreibungen der persischen Reichsheere durch Herodot hervorzuheben. Insbesondere das Riesenheer des Xerxes, das Herodot mehrfach in beeindruckender Ausführlichkeit beschreibt und mit konkreten Zahlen versieht, imponiert jedem Leser. Insgesamt nennt er für den Xerxeszug 1.700.000 Mann Infanterie und 80.000 Reiter aus allen Reichsteilen sowie 1207 Trieren und 3000 Lastschiffe (Hdt. 7,60; 7,87; 7,89; 7,97). Ungeachtet der nach wie vor herrschenden Diskussionen,37 ist man sich weitgehend darin einig, dass das so beschriebene Heer das persische Gesamtreich repräsentiert und zu repräsentieren hat. Dies ist jedoch mehr als ein sich nur nebenbei ergebender symbolischer Mehrwert. Vielmehr ist ein derartiges Auftreten Selbstzweck und Zwang gleichermaßen. Er ergibt sich aus einer Reichsideologie, die dezidiert auf alle zum Reich gehörenden Völker aufbaut. Dieser Bezug des Reiches zu seinen Völkern tritt uns prominent, aber keineswegs nur in Form der unterschiedlichen Gabenbringer an den Apadana-Treppen in Persepolis entgegen.38 Diese Apadana-Darstellungen werden heute kaum noch als punktuelles reales Ereignis, etwa das Neujahrsfest, gedeutet, sondern als eine idealisierte synchronisierende Gesamtschau, die kein Vorbild in der Wirklichkeit mehr benötigt. Diese Gabenbringer müssen mit der Realität nicht mehr zu tun haben als die sogenannten Thronträger von Naqsh-i Rustam, die ein weit überdimensioniertes Podest tragen, worauf der Großkönig steht.39 Somit erweisen sich solche synchronisierenden Konstruktionen auch und vor allem der einzelnen Völker des Reiches als geradezu typischer achaimenidischer Darstellungsmodus. Und so ist wohl auch die persische Truppenschau, die wir nicht

37 Grundlegend zur Frage der Authentizität der Zahlen Fehling 1971, nach dem diese frei erfunden sind und mit rein narrativer Absicht dargebracht werden; kritisch dazu Nesselrath 2013; vgl. Murray 1987, bes. 109; Luraghi 2001, bes. 160; Hornblower 2002. Zur Frage eines insgesamt orientalischen Charakters der Listen s. Kelly 2003 bzw. eines griechischen Armayor 1978; zum möglichen Bezug zum Homerischen Schiffskatalog knapp West 2011, 263 f.; diesbezüglich ist auffällig, wie wenig eine orientalische Anregung der homerischen Katalog-Idee thematisiert wird, so auch bei Visser 1997 und Eder 2003. Vgl. allg. Calmeyer 1987 und Dan 2013. 38 Walser 1966 mit Calmeyer 1973; vgl. darüber hinaus die dezidierten Völkeranga-

ben am Grab des Dareios in Naqsh-i Rustam, Schmitt 2000b, 47–49 (DNe), und auf der schon genannten Statue des Dareios aus Ägypten, s. Calmeyer 1991; vgl. allg. Wiesehöfer 2007.

39 s. Calmeyer 2009.

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als Bild, sondern nur in der Beschreibung Herodots überliefert haben, zu verstehen: nicht als realer Heereswurm, sondern als propagierte Reichsideologie.40 So prinzipiell auf eine Abstraktionsebene gehoben, erscheint es heute als wenig überzeugend, für den Herodotbericht auch persische Listen als Vorlage anzunehmen. Vielleicht aber schließt das eine das andere nicht aus. Der erkannte reichsideologische Charakter jedenfalls erklärt noch nicht, wo das Authentizität suggerierende dezidierte Zahlenwerk Herodots herkommt. Zwar ist auf einer Stele des Dareios vermerkt, dass dieser insgesamt 700.000 Mann nach Asien gebracht hätte (Hdt. 4,87,1), aber die Angaben Herodots für den Xerxeszug sind ja viel detaillierter. Und das Vorhandensein solcher Listen steht allein aus sachkritischen Erwägungen außer Frage, einerlei, wie Größe und Zusammensetzung des Heeres im Einzelnen gewesen sind. Derartige Daten waren nicht nur für die Logistik nötig, sondern etwa auch, um die Dienstbeflissenheit der Satrapen überprüfen zu können. Außerdem werden Schreiber und Listen für die Perser von Herodot direkt erwähnt (Hdt. 7,100,1). Was die Annahme der Verwendung solcher Listen jedoch vor allem suspekt macht, sind Herodots gänzlich phantastischen Ergebnisse.41 Ohne ins naive Rationalisieren abdriften zu wollen, sollte man vielleicht nicht vorschnell ausschließen, dass Herodot Zahlenmaterial vorlag, das ihn dann zum weiteren Hochrechnen und Zuweisen ermutigte. Dass dieses Material selbst schon ins Vielfache überhöhte und auch widersprüchliche Zahlen präsentierte, ist vielleicht erklärlich: Der Aufmarsch der persischen Truppenteile erfolgte zwangsläufig in der Weise, dass unzählige kleinere Abteilungen zu größeren Einheiten formiert wurden, die dann wieder zu immer größeren Kontingenten zusammengezogen wurden. Hier kann man sich vorstellen, dass es leicht zu mehrfachen Additionen derselben Gruppen in unterschiedlichen Stadien des Zusammenschlusses kommen kann, insbesondere wenn solche Listen nur teilweise vorliegen, so dass sich aus ihnen die Struktur des Ganzen nicht mehr erkennen lässt. In unserem Zusammenhang ist aber interessanter, was Herodot aus diesem Aufgebot macht. Er erkennt sehr wohl die Dimensionen der Rüstungen und die entsprechenden Bezüge zum Gesamtreich. Und man darf dem erfahrenen Geschichtsschreiber wohl auch zutrauen, dass er die im Hintergrund stehenden ideologischen Absichten der Perser durchaus verstanden hat, zumal wenn er tatsächlich die schon 40 s. so schon Armayor 1978, 1–9; Raaflaub 2011, bes. 8. Schlüssel für solche Deutungen war das bekannte Relief von Bisutun, welches den zwar historischen Sieg des Dareios über die ihm vorgeführten Lügenkönige dokumentiert, wobei aber die gezeigte Gesamtszene mit allen Beteiligten so nie stattgefunden haben kann. 41 Vgl. Tritle 2006, 211; Raaflaub 2011, 18 mit Anm. 56; vgl. zur Rechengenauigkeit

griechischer Historiker allg. Geus 2012, bes. 25 f.

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genannte Stele des Dareios mit den entsprechenden Angaben, dass alle Völker des Reiches dabei waren, gelesen hat (Hdt. 4,87,1).42 Jedoch geht seine Deutung für sein griechisches Publikum in eine ganz andere Richtung: Bei Herodot münden die persischen Rüstungen des Dareios und mehr noch später des Xerxes lediglich in seine grundsätzliche Doppelbotschaft: Erstens setzen die Großkönige alles gegen Griechenland in Bewegung, was sie mobilisieren können, was natürlich dieses Griechenland – also die Zuhörer Herodots – enorm aufwertet. Und zweitens wird das Unternehmen in dieser Größe zur Ausgeburt entgrenzter tyrannischer Hybris, die wiederum in der langen und verzweigten Geschichte als steter narrativer Indikator dafür fungiert, dass das Ganze im Fiasko enden wird. Immer wieder wird der Großkönig eindringlich auf die Probleme seines Riesenheeres hingewiesen, was dieser in seiner Verblendung jedoch nicht verstehen kann (etwa Hdt. 7,47–52; 7,102–105). So dreht Herodot die – aus persischer Perspektive – positive Aussage des Beschriebenen für sein griechisches Publikum in das negative Gegenteil. Technische Großprojekte Die großköniglichen Armeen wurden in ihrem Anmarsch unterstützt durch nie dagewesene bauliche Pioniermaßnahmen. Am beeindruckendsten sind sicher die jeweiligen Übergänge von Asien nach Europa, nämlich die Bosporusbrücke des Dareios und die Hellespontüberquerung des Xerxes.43 Besonders aufschlussreich bei der Beschreibung der Bosporusbrücke des Dareios ist, dass Herodot eine mögliche Quelle seines Wissens offenbart: Er verweist auf das – oben schon erwähnte – Bild des griechischen Brückenbauers Mandrokles aus Samos, welches zeigt, wie König Dareios seinem Heer beim Übersetzen zuschaute (Hdt. 4,88). Da der König aber kaum bei diesem Ereignis – ebensowenig wie bei dem ganzen ersten Zug gegen die Griechen – anwesend war, erweist sich dieses Bild trotz griechischer Auftraggeberschaft wieder ganz dem konstruierenden persischen Darstellungsduktus verpflichtet. Stephanie West nimmt jüngst in einer ausführlichen Analyse dieser Passage auch die Frage auf, ob das Bild in erster Linie das technische Werk des griechischen Ingenieurs oder die Heerschau des persischen Königs darzustellen habe.44 Ich denke, dies ist gar nicht als Widerspruch aufzufassen; vielmehr sind beide vorgeführten 42 Dareios ließ am Ort des Übergangs zwei Stelen errichten, die später nach Byzanz verbracht wurden, wo Herodot sie gesehen haben könnte; vgl. Asheri/Lloyd/Corcella 2007, 644; Rollinger 2013b, 98; West 2013, 121 f. 43 Beides wurde in der Forschung bereits ausgiebig besprochen; s. u. v. a. Hammond/Roseman 1996; Briant 2002, 362 ff.; Rollinger 2013b, 97 ff.; West 2013, 119; vgl. allg. Rollinger 2013a und in diesem Band Dennis Möhlmann zur Überquerung des Araxes. 44 West 2013, bes. 121 unter Bezugnahme auf Hölscher 1973, 37 vs. Stähler 1992, 73.

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Themen eigenständige und zentrale Elemente orientalisch-persischer Repräsentation, in deren Kontext das Bild vorrangig einzureihen ist. Selbstverständlich war eine derartige Leistung nur in Verbindung mit dem Großkönig denkbar. Ja, man wird kaum zu weit gehen, die Ausführung solcher technischen Monumente geradezu als Privileg des Königs zu werten – ähnlich wie etwa die Löwenjagd. Auch wenn technische Großprojekte in der Repräsentationskunst der achaimenidischen Residenzen nicht thematisiert werden, sollte dies nicht die Annahme ausschließen, dass hier – wie generell bei den Kriegsszenen – ein bewährtes Schema orientalischer, vor allem neuassyrischer Königsimago vorliegt,45 das auch auf die Herrschaft der Achaimeniden ausstrahlte. Noch übertroffen wird die Beschreibung der Bosporusbrücke durch jene zum Übergang des Xerxes, der nun tatsächlich in eigener Person dabei war, über den Hellespont. Allerdings wurde die erste Brücke durch ein Unwetter vollständig zerstört, worauf sich in der nachhaltigen herodoteischen Deutung die ganze letztlich fast im Wahnsinn endende tyrannische Verblendung des Xerxes offenbart: Der Großkönig ließ das Meer zur Bestrafung auspeitschen und in Fesseln legen (Hdt. 7,35,1)! Robert Rollinger hat hierzu und mit Berücksichtigung der späteren Gaben des Großkönigs an den Hellespont (Hdt. 7,54,2 f.) plausibel vorgeschlagen, dieses Verhalten, das wir allein durch die herodoteische Brille zu sehen bekommen, nicht als Hybris bewerten zu müssen. Wenn man davon ausgeht, dass Herodot die Handlung nur ein wenig verfremdet und zugespitzt hat – ob bewusst oder unbewusst – lässt sich diese problemlos in einen altorientalischen monarchischen Handlungskanon einfügen und in einem positiven Sinn als Rituale der Besitznahme und Herrschaft deuten.46 Der schließlich doch erfolgte, mehrere Tage währende Übergang des Heeres wurde dann als großkönigliche Leistungsschau im Beisein und unter Beobachtung des Xerxes zelebriert. Hieran ändert auch Herodots Angabe nichts, dass dies wiederum nur mithilfe von Peitschenhieben gegen die eigenen Soldaten vonstatten gegangen sein soll (Hdt. 7,56,1; vgl. schon 7,44).47 Etwas weniger aufgeladen wirkt schließlich der Bau des Athos-Kanals für die persische Flotte auf der Chalkidike, den Herodot vergleichsweise knapp schildert 45 Vgl. etwa die Präsentation der gewaltigen Transportmaßnahmen für einen Lamassu-Rohling durch den neuassyrischen König Sanherib, der so den technischen Werdegang der königlichen Repräsentation selbst zur Schau stellt – natürlich bei Anwesenheit des Königs, s. Barnett/Bleibtreu/Turner 1998, Bd. 2, Pl. 96–119; vgl. allg. Rollinger 2006/7. 46 s. Rollinger 2013b, bes. 103 ff. 47 Hierbei ist allerdings zu bedenken, dass die konkrete Schilderung bei Herodot durch das Bild des Mandrokles, das Dareios beim Beobachten des Übergangs seiner Truppen zeigte, angeregt worden sein könnte, vgl. Asheri/Lloyd/Corcella 2007, 645 (zu Hdt. 4,88,1) und West 2013, 122.

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(Hdt. 7,22–24) und der so auch seltener betrachtet wird.48 Nach Herodots deutlich bekundeter Auffassung war dieser monumentale, über 2 km lange und 30 m breite Kanal strategisch sinnlos, da man die Schiffe auch ohne große Anstrengung über die Landenge hätte ziehen können. Dies führt ihn wieder einmal zu der Schlussfolgerung, dass das Vorhaben allein dem Geltungsbedürfnis des Königs entsprang. Auch hier wird also konsequent das Motiv der persönlichen Hybris des Tyrannen bemüht, ohne dass der eigentliche Sinn einer allgemeinen Machtdemonstration gegenüber den Griechen und sicher auch einer Bestärkung der eigenen Truppen als positiver Mehrwert gewürdigt würde. Und an anderer Stelle, aber am gleichen Sujet gibt Herodot ein Beispiel, wie man es seiner Meinung nach richtig macht: Während der persischen Übernahme Ioniens versuchten nämlich die Knidier, die schmale Landbrücke ihrer Halbinsel zu durchstoßen und sich so zu schützen. Allerdings führten die Bauarbeiten zu derartig vielen Verletzungen, dass man in Delphi Rat suchte und die Antwort bekam: Ihr sollt am Isthmos Turmwerk nicht noch Graben bauen! Zeus schuf ihn ja zur Insel, hätt er’s nur gewollt! Und natürlich stellten die Knidier ihre Bemühungen umgehend ein (Hdt. 1,174,3–6). V. Grausamkeit Werfen wir zum Abschluss einen Blick auf das Ende des herodoteischen Werkes. Als letzte Geschichte bietet uns Herodot ein auffallend dichtes Ensemble an barbarisch anmutenden und eskalierenden Kriegsgräueln, die aber von Griechen begangen wurden:49 Nach den endgültigen Erfolgen gegen die Perser griffen die Athener die Stadt Sestos auf der Chersones an und belagerten diese, so dass die dortigen persischen Führer Artayktes und Oiobazos letztlich aus der Stadt fliehen mussten. Oiobazos wurde aber bald von den Thrakern gefasst, die ihn ihrem Gott Pleistoros opferten und auch seine Begleiter töteten. Wenig später wurde dann Artayktes von Griechen im Kampf überwältigt und mit seinen Gefolgsleuten aneinandergefesselt nach Sestos zurückgeführt. Dort wurde er an einen Pfahl genagelt und sein Sohn vor seinen Augen gesteinigt (Hdt. 9,119 f.), worauf die Athener mit den erbeuteten Schätzen nach Griechenland zurücksegelten. Und ganz zum Schluss erzählt Herodot eine persische Geschichte aus der Zeit des Kyros und eines Vorfahren des Artayktes, nach der ein armes Land der Mannestugend förderlicher sei als ein reiches 48 s. Isserlin 2003; Froehlich 2013, 136–138. Vgl. im Anschluss noch den Brückenbau über den Strymon, der ohne Wertung bleibt (Hdt. 7,25), und auch den persischen Kanalbau in Ägypten, dazu Tuplin 1991. 49 Die Ausnahmestellung dieser Schilderungen ist in der Forschung seit langem erkannt, s. z. B. How/Wells 1912, 336 zu Hdt. 9,120,4.

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(Hdt. 9,121 f.). In diesem abrupt wirkenden Ende des monumentalen herodoteischen Werkes hat man vielfach eine Warnung an die Griechen respektive die Athener gesehen, nach dem Sieg nicht ebenfalls in typisch barbarische Verhaltensweisen und damit allgemein in barbarische Hybris zu verfallen.50 Ein näherer Blick auf die geschilderten Grausamkeiten und die verwendeten Begrifflichkeiten kann hier vielleicht noch weiteren Aufschluss über die Arbeitsweise Herodots geben. Dass als erstes die Thraker den Oiobazos ihrer Hauptgottheit als Opfer darbrachten, ist sicher schon anstoßerregend, aber vielleicht noch keine gänzlich unverständliche Normübertretung. Denn die Thraker treten bei Herodot als das urtümliche Volk schlechthin auf und stehen zwar mit den Griechen in Verbindung, sind aber kein Teil der zivilisierten griechischen Poliswelt.51 Nichtsdestoweniger fällt auf, dass Herodot hier mit Analogien zu persischen Praktiken operiert, da er an anderer Stelle das Menschenopfer – wenn auch in der speziellen Form des Lebendig-Begrabens – dezidiert als persischen Brauch darstellt (Hdt. 4,114).52 Interessanter ist in der Folge das Verhalten der Athener in Sestos. Noch gänzlich nebensächlich wirkt die Formulierung bezüglich der Abführung der gefesselten Gefangenen, aber schon diese ist vielleicht nicht zufällig. Herodot schreibt: Die Griechen ließen diese aneinandergefesselt (συνδήσαντές) nach Sestos führen, mit ihnen auch Artayktes samt seinem Sohn in Fesseln (δεδεμένον). (Hdt. 9,119,2). Im Krieg werden naturgemäß häufig Gefangene gefesselt, die entsprechende Vokabel lautet δέω.53 Das Verb συνδέω ist hingegen bei Herodot in diesem Zusammenhang singulär54 und angesichts der bedeutsamen Positionierung am Ende des Werkes möglicherweise absichtlich gewählt. Zwar kann man dieses Verb auch als normale Fesselung im Sinne von zusammengebundenen Extremitäten eines Menschen deuten,55 hier jedoch wird es direkt dem hierfür gebräuchlicheren δέω gegenübergestellt. Somit ist 50 Vgl. Moles 1996, 272–277; Pelling 1997, 60 f.; Scardino 2007, 324 f.; Raaflaub 2011, 24; vgl. auch Flower 2006 286 f., der hier aber mehr noch eine Warnung vor den nach wie vor starken Persern sieht. Zur Frage eines schlüssigen oder abrupten Endes der Historien s. schon Hignett 1963, 263; ferner Dewald 1997; Flower/Marincola 2002, 302 f. und mit Bezug auf den Frevel des Artayktes am Grab des Protesilaos ausführlich Boedeker 1988. 51 Vgl. zu den Thrakern bei Herodot Bichler 2001, bes. 66 ff., 88. 52 Solche Handlungen lassen sich allerdings mitnichten als authentisch erweisen, vgl. de Jong 1997, 315 mit Anm. 13 f.; Jacobs 2009, 123 f.; Menschenopfer von Kriegsgefangenen resp. Seefahrern werden wenig zuvor von Herodot außerdem für Skythen (Hdt. 4,62) und Taurer (Hdt. 4,103) belegt. 53 Vgl. Hdt. 1,66,4; 1,86,2; 1,119,2; 1,213; 3,143; 3,145,1; 4,69,1; 5,33,2 f.; 5,73,1; 5,77,3; 6,87; 7,195; 9,37,1; 9,37,2. 54 Nur das Zusammenbinden von Schiffen wird noch einmal mit συνδέω ausgedrückt, Hdt. 8,97,1. 55 So wohl A. D. Godley in der Loeb-Ausgabe von 1925.

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davon auszugehen, dass Herodot – obwohl in der Sache nicht erforderlich – explizit betonen möchte, dass die Gefangenen aneinandergefesselt wurden. Und genau dies ist ein traditionsreiches Motiv der orientalischen, dann auch persischen Bilderwelt; so zeigt etwa das bekannte Felsrelief von Bisutun genau dieses.56 Nicht nur Herodot könnte also entsprechende Bilder, wenn nicht sogar ganz konkret solche Vorgänge gesehen haben, so dass derartige Feinheiten und Anspielungen in den Formulierungen durchaus verstanden werden konnten. In Sestos zurück, wurden Artayktes und sein Sohn schließlich grausam hingerichtet.57 Herodot bekundet klar, dass die letzte Verantwortung hierfür beim athenischen Strategen Xanthippos – dem Vater des Perikles! – lag und nicht bei den Chersonesiern, die den Tod als Sühne für vorherige Sakrilege des Artayktes (Hdt. 7,33; 9,116) forderten.58 Artayktes wurde an herausgehobener Stelle an einen Pfahl fixiert, wohl genagelt, um so den Tod zu erwarten (Hdt. 9,120: πρός σανίδας προσπασσαλεύσαντες ἀνεκρέμασαν).59 Diese seltene und vielleicht härteste Hinrichtungsart in der griechischen Welt tritt bei Herodot wiederum nur einmal auf, allerdings wird zuvor schon einmal auf genau diese Szene verwiesen (Hdt. 7,33: προς σανίδα διεπασσάλευσαν). Eine solche Aufpflanzung eines Menschen erinnert an das orientalisch-persische Pfählen, das Herodot mehrfach mit der Formel ἀνεσκολόπιζειν beschreibt (Hdt. 1,128,2; 3,132,2; 3,159,1; 4,43,6; 4,202,1) und das in den neuassyrischen Bildern vielfach vorgeführt wird.60 Auch wenn Herodot nicht so weit geht, die beiden doch unterschiedlichen Marterarten gänzlich gleichzusetzen – ein regelrechtes Pfählen unter athenischer Verantwortung wäre vor athenischem Publikum wohl nicht vermittelbar – rücken die beiden Welten doch einmal mehr und in deutlich negativ konnotierter Weise enger aneinander.61 Die Sammlung an 56 Vallat 2010, 53 und bes. 55; vgl. Barnett 1976, Pl. XXIX; Pl. LXVII und Barnett 2008, Fig. 21 f.; 37 f.; Orlamünde 2011, 18 f., Nr. I.4 mit Taf. 2 f. (assyrisch) oder schon Moortgat 1982, Taf. 138 (akkadisch). 57 s. zu der Begebenheit Allen 2000, 200; vgl. auch o. Anm. 50. 58 Außerdem unterschlägt Herodot die ionischen Griechen, die Athen vor Sestos unterstützten, Thuk. 1,89. 59 Diese Tortur wird oft mit ›Kreuzigen‹ übersetzt, s. selbst noch Asheri/Lloyd/Corcella 2007, 164 zu Hdt. 1,128,2 oder ebd. 509 zu Hdt. 3,125,3, was aber ohne Not wenig passende Assoziationen hervorruft, vgl. Jacobs 2009, 127 f. Eher darf man vielleicht an Ähnlichkeit zum Bild der sog. Schindung des Marsyas, s. Andreae 2001, Taf. 89, denken. Vgl. Plut. Per. 28,2 zu denselben Grausamkeiten des Perikles. Vgl. für harmlosere Varianten zum Fixieren nicht aber Hinrichten Hdt. 6,75,1 f. Zum Pfählen und Enthaupten vgl. Hilmar Klinkott in diesem Band. 60 s. etwa Barnett/Falkner 1962, Pl. XXXIX (Inv. BM 118903); allg. Fuchs 2009, bes. 72–78, und Jacobs 2009, 127–142. 61 Dies wirkt auch bei den Übersetzern, die beide Hinrichtungsarten oftmals gleich wiedergeben, s. z. B. die Ausgabe von Josef Feix zu den aufgeführten Stellen.

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Grausamkeiten wird abgeschlossen durch die ungewöhnliche Steinigung des Sohnes des Artayktes, die zudem noch vor den Augen des Vaters vollzogen wurde (Hdt. 9,120,4). Über Steinigungen berichtet Herodot mehrfach, sei es bei Nichtgriechen wie Karthagern und Etruskern (Hdt. 1,167,1), sei es bei Griechen. Bei letzteren liegen aber stets ganz außerordentliche Bedingungen vor, die diese extreme Form des Tötens erklären, so beim Abstrafen eines Tyrannen (Hdt. 5,38) oder beim Lynchen von angeblichen Kollaborateuren in der Extremsituation auf Salamis beim Heranrücken des Mardonios (Hdt. 9,5,2).62 Die Steinigung bei Sestos aber trifft weder einen Tyrannen noch liegt ein spontanes Handeln in einer Ausnahmesituation vor. Die auffallend drastische Behandlung des Artayktes und seines Sohnes relativiert sich bei Herodot auch nicht dadurch, dass der Perser als ein ausgemachter Frevler dargestellt wird. Vielmehr wird die gravierendste seiner Untaten, nämlich der Raub der Schätze vom Grab des Protesilaos in Elaius, in diesem Zusammenhang vor allem als Fehlverhalten gegenüber Xerxes herausgestrichen (Hdt. 9,116,1). Die Athener geraten hier fast schon in die Rolle des Sachwalters des Großkönigs. VI. Résumé Die aufgeführten Fälle haben gezeigt, dass Herodot vielfach mit Kriegshandlungen und -motiven operiert, die ihre Wurzeln im Orient haben. Die Wege, auf denen jene zu Herodots Kenntnis gelangt sind, sind komplex und selten sicher zu eruieren. Vermutlich aber standen auch in nicht zu unterschätzender Weise heute verlorene Bilder Pate für Herodots Schilderungen. Dabei ergibt sich das bislang nicht hinreichend geklärte Problem, inwieweit solche Bilder direkt auf persisch-achaimenidische Ursprünge zurückzuführen sind und somit auch Aufschluss über die persische Ideologie geben können. So lassen sich etwa gerade in den achaimenidischen Residenzen gar keine monumentalen Kriegsbilder nachweisen. Nichtsdestoweniger ist davon auszugehen, dass die in Text oder Bild stets gegenwärtigen altorientalischen Motive auch im Achaimenidenreich, vor allem in der Levante, in Syrien und Anatolien, eine intensive Fortführung erfahren haben. Die Beschreibungen Herodots lassen oftmals noch persische – oder andere nichtgriechische – Vorstellungen und Verhaltensmuster erkennen, hier etwa die Praxis von Belagerung und Deportation oder den ideologischen Wert der Inszenierung des königlichen Aufmarsches und der technischen Großprojekte. Das methodische Grundproblem besteht darin, dass diese Denk- und Verhaltensmuster zunächst aus orientalisch-persischen Quellen bekannt sein müssen, um sie im Werk Herodots in ihrer meist verfremdeten Form identifizieren zu können. Doch nur selten gelingt 62 s. dazu Allen 2000, 142 f.

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dies so zuverlässig, dass sich dann mit spezifischen von Herodot geschilderten Begebenheiten rückwirkend für den persischen Kontext neue Erkenntnisse in akzeptabler Plausibilität gewinnen lassen.63 Im vorliegenden Beitrag liegt der Fokus daher überwiegend auf der Rolle dieser Motive im herodoteischen Werk und somit auf der griechischen Rezeption. Insbesondere die produktive erzählerische Verarbeitung und Weiterentwicklung dieser Motive durch den Geschichtsschreiber ist von Interesse. Wie gezeigt werden konnte, reicht sein Instrumentarium dabei von narrativen Verflechtungen, wie etwa die der Flucht der Bürger von Phokaia und Teos mit Geschichten der großen griechischen Kolonisation, über situative Wertungen, wie etwa die Diskussion der Möglichkeit einer totalen Flucht der Athener oder später der Umsiedlungspläne für die Ionischen Griechen, bis zur Gestaltung und Begründung von Kernaussagen des Werkes. Vor allem die verblendete Hybris des Großkönigs wird den Lesern drastisch vor Augen geführt durch die entgrenzte Monumentalität, mit der alle großköniglichen Operationen zu geschehen hatten, ohne dass deren orientalisch-monarchischer Sinn vermittelt würde. Dabei weiß Herodot bekanntlich durchaus zu differenzieren; auch persische Barbaren können bewunderungswürdige Taten vollbringen (Hdt. 1 praef.). Aber die fatale Hybris der Großkönige, die die Perser in die Katastrophe führt, und damit die totalitäre Monarchie insgesamt werden von ihm vorgeführt und gebrandmarkt.64 Und schließlich wird auch seine nicht allzu offen aussprechbare Warnung an die Athener, nämlich nach dem Sieg nicht ebenfalls in dieses Verhaltensmuster zu verfallen, durch die dicht gesetzten und auf die Perser verweisenden Feinheiten in der Schilderung der brutalen athenischen Kriegshandlungen sichtbar gemacht.

63 Vgl. Rollinger 2013b oder in diesem Band die Beiträge von Robert Rollinger, Hilmar Klinkott und Monika Schuol. 64 Vgl. zur antimonarchischen Umwertung persischer Tugenden aus herodoteischer Sicht Trampedach 2013, 80–87 und Kai Trampedach in diesem Band.

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DAS REITERRELIEF DES DAREIOS UND HERODOTS UMGANG MIT INSCHRIFTEN Julia Lougovaya-Ast*

Abstract: According to Herodotus, the first thing Darius did after securing the Persian throne was set up a monument depicting a horseman accompanied by an inscription commemorating his ascension. This article addresses the question how this monument, whether real or invented, shapes the story of Darius’s coming to power. It begins by examining Herodotus’s view of inscriptions as manifest in two dozen epigraphical citations or references in the Histories. It then establishes and explores two peculiar features of the historian’s handling of inscriptions, namely his interest in the person responsible for setting up an inscription and his or her motives (»the agent«), and the frequent discrepancy between what an inscription reportedly said and the story in connection with which it is referred to (»the gap«). These features, it is argued, come into focus in the historian’s account of the inscriptions at Thermopylae. Finally, the equestrian monument of Darius is examined in light of the evidence gleaned for how and why Herodotus makes use of inscriptions.

I. Das Denkmal Am Ende seiner Erzählung von der Thronbesteigung des Dareios informiert Herodot seine Leser über die ersten Taten des neuen Königs: Er errichtete ein Denkmal, eine Reiterstatue, mit folgender Inschrift: »Dareios, Sohn des Hystaspes, erlangte die Königsherrschaft über Persien mithilfe seines Pferdes (hier folgte der Name des Tieres) und des Oibares, seines Stallknechts« (Hdt. 3,88,3). Diese Inschrift bezieht * Für die Übersetzung ins Deutsche bin ich Hilmar Klinkott und Norbert Kramer dankbar. Ein großer Dank geht ebenso für das weitere Korrekturlesen an Gereon Becht-Jördens. Dieser Beitrag ist im Heidelberger Sonderforschungsbereich 933 »Materiale Textkulturen. Materialität und Präsenz des Geschriebenen in non-typographischen Gesellschaften« entstanden (Teilprojekt »A09«). Der SFB 933 wird durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft finanziert.

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sich auf die Methode der Hippomantie, durch die Dareios aus den sechs Mitbewerbern um den Thron erwählt würde. Die Männer hatten sich geeinigt, dass derjenige König würde, dessen Pferd beim Ausritt aus der Stadt als erstes wieherte. Oibares, der Stallknecht des Dareios, trug Sorge dafür, dass es das Pferd seines Herrn war, das dieses Zeichen zuerst gab. Es besteht allgemeiner Konsens darin, dass hinter Herodots Deutung des Dareios-Reliefs ein Denkmal mit einer Inschrift für den urartäischen König Rusa stand, das in zwei Inschriften des assyrischen Königs Sargon II. beschrieben wird.1 Unabhängig von der seltsamen Geschichte scheint es dieses Denkmal tatsächlich gegeben zu haben. Dementsprechend wird immer wieder betont, dass es sich bei Herodot um »a Greek fantasy woven around a conspicuous monument,«2 handelte oder dass »[t]he statue and the inscription are at any rate the basis of the aetiological anecdote on the neighing of the horse.«3 Robert Rollinger vertritt sogar die Auffassung, dass diese Statue der Ausgangspunkt für die Erzählung über den Gebrauch der Hippomantie und die Wahl des Dareios gewesen sei. Er zeigt, dass Herodot wahrscheinlich eine Tradition aufgriff, in der die Erzählung und das Denkmal bereits miteinander verbunden waren. In einer ausführlichen Analyse rekonstruiert er den Kontext der orientalischen Quellen und der Vorstellungen, aus denen diese Geschichte entstanden sein kann.4 Aufgabe meiner Untersuchung soll es sein, den Aufstellungsort des Reliefs und der Inschrift als einer epigraphischen Evidenz innerhalb der Historien und in der Geschichte um Dareios’ Thronbesteigung zu untersuchen. Da Herodots Verwendung und Zitierweise von Inschriften auf seine eigene Vorstellung von Inschriften zurückgehen muss, möchte ich zunächst die Rahmenbedingungen für seinen Umgang mit epigraphischen Belegen erläutern, die aus dem Gesamtwerk entwickelt werden können, und möchte mich dann speziell auf das Relief des Dareios konzentrieren. II. Herodots epigraphisches Interesse: Der status quaestionis Vor 30 Jahren hat Stephanie West als Warnung formuliert »to avoid imputing to Herodotus an anachronistic sophistication in handling such [sc. epigraphical] evidence.«5 Auf Grundlage der Zusammenstellung, die Hans Volkmann vorgelegt hat,6 1 Siehe hierzu den Beitrag von Robert Rollinger in diesem Band, bes. im Abschnitt ›Dareios, Oibares und das wiehernde Pferd bei Herodot – Der engere Kontext‹. 2 West 1985, 297. 3 Asheri/Lloyd/Corcella 2007, 479. 4 Siehe hierzu den Beitrag von Robert Rollinger in diesem Band. 5 West 1985, 279. 6 Volkmann 1954.

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hat sie die Inschriften überprüft, die in den Historien zitiert oder beschrieben werden, und stellte fest, dass die meisten Angaben fehlerhaft und unzuverlässig seien. Die Inschriften wurden nicht als Beweisstücke benutzt, um eine Argumentation zu untermauern, sondern zur Manifestation von Sonderbarkeiten oder um die Stilebene der Erzählung zu heben, »[Herodotus’] epigraphical studies appear to have been more for ornament than for use.«7 West schloss daraus, dass diese Sicht auf die Inschriften von Herodots Vorliebe für die mündliche Tradition beeinflusst war oder seine Neigung für »colorful and persuasive presentation over objective and critical enquiry«8 widerspiegelte. Wests Untersuchung ist nachhaltig richtungweisend, denn auch wenn viele ihrer Schlussfolgerungen mittlerweile modifiziert wurden, bleiben die Grundfragen, die sie in ihrem Artikel aufgeworfen hat, zentral für jede Untersuchung zu Herodots epigraphischem Umgang.9 Seit Wests Artikel ›boomt‹ die Forschung zum Umgang antiker Historiker mit ihren Quellen im Allgemeinen und mit den Inschriften im Besonderen.10 Das Interesse an Herodots Umgang mit Inschriften ist nicht zuletzt deswegen so ausgeprägt, weil er einer der ersten griechischen Autoren ist, der inschriftliche Vorlagen verwendet hat und eine relativ große Zahl von Inschriften (24) zitiert und beschreibt. Drei sich teilweise überschneidende Untersuchungsansätze zu den Inschriften bei Herodot lassen sich unterscheiden, die ich – zuspitzend und daher sicher nicht ganz präzise – als archäologisch, historisch und literarisch bezeichnen möchte. Zunächst gibt es eine Auseinandersetzung mit der Frage, welches konkrete Dokument hinter der epigraphischen Erwähnung in den Historien steht, wenn überhaupt ein solches anzunehmen ist. Hierbei finden sich nicht nur Untersuchungen zur Genauigkeit seiner Beschreibungen, sondern auch Rekonstruktionen der Transformationsprozesse, mit denen Herodots Ungenauigkeit bzw. seine unplausible Beschreibung eines historisch wahrscheinlichen Monuments erklärt werden könnten. Als Reaktion auf Wests Versuch, nahezu jegliche Darstellung einer Inschrift in den Historien als fehlerhaft und unglaubwürdig zu entlarven, führte Kendrick Pritchett einen Kreuzzug, den Historiker zu ›verteidigen‹.11 Pritchett mag es dabei gelungen sein, einige von Wests Ausführungen zu den herodoteischen Fehlern zu widerle7 West 1985, 303. 8 West 1985, 304. 9 Als Fragen, die über den Anspruch einer historischen Genauigkeit hinausführen, formuliert sie: »we should ask to what extent Herodotus actually argues from epigraphic evidence, what importance he appears to attach to it, and what his principles of selection are,« West 1985, 278–279. 10 Marincola 2007 sowie Biraschi/Desideri/Soda/Zecchini 2003 belegen ausführlich diesen Boom. Siehe auch Liddel/Low 2013. 11 Siehe Abschnitt 3, überschrieben als »S. West’s Epigraphical Examples« auf den Seiten

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gen, vor allem im Bereich der Topographie. Allerdings hat seine vehemente Attacke die wissenschaftliche Diskussion auf eine verhärtete Konfrontation zwischen Kritikern und Verteidigern des Historikers reduziert. Soweit es um konkrete epigraphische Beschreibungen Herodots geht, gibt es fruchtbare Untersuchungen, die sich bemühten zu verstehen, wie er dazu kam, ein mögliches historisches Artefakt so wahrzunehmen, wie er es dann beschrieb. Stephanie Dalley behauptet daher, dass die Unterschiede zwischen Herodots Beschreibung des Siegesreliefs von Sesostris (Hdt. 2,106) und den hethitischen Felsskulpturen von Karabel als möglicher Quelle hierfür sich nicht einfach damit erklären ließen, dass »Herodotus had not seen the figures himself and had not clearly understood the information he was given,«12 sondern der Art und Weise geschuldet waren, wie die Informationen an ihn übermittelt wurden. Sie vermutet, dass er von seinen Informanten im Fayum von dem Relief erfuhr, für welche es durchaus einen Sinn ergab, in dem hethitischen Relief Sesostris zu erblicken.13 Alexandra von Lieven liefert eine andere, unerwartete Erklärung für eine Inschrift bei Herodot, die sich auf den König Asychis bezieht (Hdt. 2,136).14 Die Schwierigkeit bei dieser Anekdote besteht darin, dass sie Elemente kombiniert, durch die eine Datierung sowohl in das Alte Reich (eine Pyramide) als auch in die Spätzeit (ein Gesetz über die Verpfändung der väterlichen Mumie) möglich ist; darüber hinaus gibt es keinen König, dessen Name mit der griechischen Wiedergabe zu Asychis zusammenpassen könnte. Es gab etliche Versuche, die Elemente der Geschichte miteinander in Einklang zu bringen und, wenn möglich, einen bestimmten Pharao zu identifizieren, dessen Name für Asychis stehen könnte. Allerdings hebt von Lieven hervor: »[a]ll of these theories have at least one major flaw (if not several). The one flaw they all share without exception is to suppose such a name could have arisen from sheer fantasy, without a recognizable Egyptian basic form from which the Greek rendition derives« (kursive Markierung von Verf.). Indem sie die Phantasie als Erklärung ausschloss, bot sie eine überzeugende Rekonstruktion, wie Herodot mit der Geschichte abgeschlossen haben könnte, die ihm vorlag. Sie identifiziert nicht nur Asychis,15 sondern schlägt auch eine mögliche Quelle für diese Inschrift an seiner Pyramide vor. Untersuchungen, wie die von Dalley und von Lieven setzen 144–191 in Pritchett 1993, ein bemerkenswertes Buch, abgesehen von seinen vielen anderen Eigenarten, nicht zuletzt wegen des Fehlens von Inhaltverzeichnis und Index. 12 Bean 1966, 57. 13 Dalley 2003, bes. 172–176, und vgl. ihre Liste von »[i]tems for which the veracity of Herodotus and Ctesias has been challenged, but subsequent work by Assyriologists has shown the challenge to be ill-informed and wrong,« 189. 14 von Lieven 2013. 15 Sie nimmt an, dass er kein König war, sondern ein »Theban New Kingdom sage named

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voraus: Wenn es möglich ist, in bestimmten Fällen historische Umstände zu rekonstruieren, die den vermeintlichen Mangel an Plausibilität erklären, sollte man auch in anderen Fällen nicht einfach von Ungenauigkeiten oder Phantasie – oder sogar beidem – ausgehen. Die zweite Untersuchungsrichtung, die ich als die historische bezeichne, fragt danach, welche Art historischer Evidenz Inschriften für Herodot besitzen. West nimmt an, dass Herodot sie entweder als Kuriositäten oder zur bloßen Ausschmückung anführte; Roberta Fabiani sieht sie als investigatives Hilfsmittel Herodots, um eine bestimmte Version von Ereignissen, die er für überzeugend hielt, plausibel zu machen,16 während Robin Osborne Herodots Gebrauch von Inschriften als »relatively uncritical confirmatory« charakterisiert.17 Peter Rhodes modifiziert diese Beurteilung ein wenig durch die Annahme, dass die meisten Inschriften über Informanten zu Herodot gelangt sind, und so wären es also diese Informanten gewesen, die die Inschriften erwähnten, um ihre Versionen plausibler zu machen. Rhodes bemerkt, wenn Herodot »had been more critical he might have realized that in fact the inscription does not always support the story.«18 Was all diesen Deutungen zu Herodots Gebrauch von Inschriften gemeinsam ist, ist die implizite Erkenntnis einer Kluft zwischen dem, was eine Inschrift tatsächlich aussagte, und der Geschichte, in die sie eingebettet wurde. Die dritte Untersuchungsrichtung betrifft den Umgang mit Inschrift als einem literarischen Thema oder Kunstgriff. Dies ist vor allem der Ansatz von Reinhold Bichler in seiner kurzen, aber aufschlussreichen Abhandlung zu den barbarischen Inschriften bei Herodot, in der er sie als einen »eigentümlich-kritische(n) Kommentar zur Geschichte königlicher Herrschaft und ihrer imperialen Ambitionen« erklärt.19 Ein weiterer Aspekt zu Herodots Gebrauch von Inschriften ist in Pietro Vannicellis narratologischer Analyse zur Thermopylen-Episode ausgeführt.20 Er verweist auf die Unterschiede zwischen der Beschreibung der Schlacht und den Inschriften, die angeblich an die Gefallenen erinnern sollten. Er bemerkt dabei, dass diese weder eine Dokumentation von Seiten des Historikers noch eine ausschmückende Bekräftigung darstellen. Vielmehr sind diese Unterschiede sorgsam konstruiert und beabsichtigen, verschiedene narrative Ebenen zu generieren, so dass die entstehende Unstimmigkeit der Versionen eher bezweckt, ein Problem aufzuzeigen, Asychis, i. e. Ashaikhet, who was later deified and whose memory lived on until the Roman period,« von Lieven 2013, 320. 16 Fabiani 2003, bes. 174, 182. 17 Osborne 2002, 512. 18 Rhodes 2007, 58. 19 Bichler 2000a, 7. 20 Vannicelli 2007.

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als es zu lösen; ich werde später noch einmal zu dem Thermopylen-Abschnitt und Vannicellis Interpretation zurückkommen. Es ist jedenfalls diese literarische Herangehensweise, die danach fragt, welchem Zweck die Inschriften in Herodots Erzählstruktur dienen, welche ich selbst weiter verfolgen werde. III. Besonderheiten in der Darstellung von Inschriften bei Herodot Wenn man Herodot mit anderen griechischen Historikern vergleicht, fallen sofort zwei Besonderheiten bezüglich der Anführung von Inschriften auf: Erstens nennt der Historiker für die meisten Inschriften deutlich die Namen ihrer Urheber, und zweitens werden die meisten Inschriften erst erwähnt, nachdem die Geschichte, auf die sie sich beziehen, erzählt worden ist, und sie weisen eine Diskrepanz zwischen den Versionen der Inschrift und der Erzählung auf. Beschäftigen wir uns eingehender mit diesen Urhebern und der Diskrepanz zwischen Erzählung und Inschrift. Der Urheber Bichler hat beobachtet, dass Herodot in der Regel die königlichen Autoren der barbarischen Inschrift benennt, die er beschreibt oder zitiert;21 in der Tat geschieht dies für die meisten Inschriften, unabhängig davon, ob sie griechische oder nicht-griechische sind (Ausnahmen, in denen Herodot den Handelnden nicht benennt, finden sich unabhängig von dieser Unterteilung). Nach der Feststellung der Identität des Verantwortlichen wird der Akt des Schreibens üblicherweise durch ein finites Verb ausgedrückt (meistens Formen von γράφω), wobei die Inschrift als sein direktes Objekt erscheint (γράμματα genannt); eine weitere Konstruktion kann hinzugefügt werden, um die Aktion näher zu bestimmen. Besonders aufschlussreich ist die erste Inschrift, von der Herodot spricht: Nachdem Herodot die Opfergaben des lydischen Königs Kroisos in Delphi aufgezählt hat, erwähnt er ein goldenes Weihbecken mit einer Inschrift, die es als eine Opfergabe der Spartaner ausweist (Hdt. 1,51). »Dies treffe nicht zu« (οὐκ ὀρθῶς), so informiert uns der Historiker, »denn es stammt auch von Kroisos, aber ein gewisser Delpher beschrieb es derart mit der Absicht, den Lakedaimoniern zu gefallen« (ἔστι γὰρ τοῦτο Κροίσου, ἐπέγραψε δὲ τῶν τις Δελφῶν Λακεδαιμονίοισι βουλόμενος χαρίζεσθαι, Hdt. 1,51,4). Obwohl Herodot behauptet, er kenne seinen Namen, will er ihn nicht preisgeben. Warum erzählt er also diese Geschichte? West hat angenommen, dass er seine intimen Kenntnisse der delphischen Angelegenheiten demonstrieren wollte,22 während Fabiani hierin 21 Bichler 2000a, 7. 22 West 1985, 280.

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erkennen will, dass Herodot Inschriften als ein außergewöhnlich machtvolles Medium ansah.23 Sie bemerkt, dass Herodot kein Interesse daran hat, tatsächliche Inschriften des Lyderkönigs zu zitieren, obwohl er auf ihre Präsenz hinweist, sondern dass er nur von der falschen spricht.24 Gezeigt werden solle, so meint sie, dass die Autorität einer Inschrift so stark sei, dass es besonderer Mühe bedürfe, sie zu widerlegen. Beides sind wichtige Beobachtungen, obwohl noch mehr in dieser Episode enthalten zu sein scheint: Offensichtlich ist der Handelnde für die Abfassung der Inschrift verantwortlich, und seine Motive sind es, welche die Aufmerksamkeit des Historikers auf sich ziehen. Und es ist nicht zuletzt auch ein Beleg dafür, dass eine Inschrift nicht die Wahrheit sagen muss. Weitere Urheber von Inschriften sind folgende (in der Reihenfolge ihres Erscheinens in den Historien und mit den entsprechenden Verben): die babylonische Königin Nitokris (ἐνεκόλαψε δὲ ἐς τὸν τάφον γράμματα, Hdt. 1,187), deren Inschriften Dareios als Frevler entlarven, der mit der Zerstörung ihres Grabes ein Sakrileg begeht; der Pharao Sesotris (στήλας ἐνίστη . . . ἐνέγραφε ἐν τῇσι στήλῃσι, Hdt. 2,102), dessen Siegesstelen unterscheiden zwischen den eroberten Völkern, die ihm tapfer Widerstand geleistet haben und denjenigen, die sich ihm als Feiglinge unterworfen haben; der weise Pharao Asychis (πυραμίδα . . . ποιήσαντα, ἐν τῇ γράμματα ἐν λίθῳ ἐγκεκολαμμένα, Hdt. 2,136); Dareios, der nach seiner Thronbesteigung sein Reiterrelief mit einer Inschrift beschriftete (ἐπέγραψε, Hdt. 3,88), der zwei Stelen errichten ließ, die in assyrischer und griechischer Schrift über die Größe seines Heeres am Vorabend vor der Bosporus-Überquerung berichten (στήλας ἔστησε δύο ἐπ᾽ αὐτοῦ λίθου λευκοῦ, ἐνταμὼν γράμματα ἐς μὲν τὴν Ἀσσύρια ἐς δὲ τὴν Ἑλληνικά, Hdt. 4,87) und der außerdem eine Stele errichtete, in der er das Wasser des Flusses Tearos pries (στήλην ἔστησε . . . , γράμματα ἐγγράψας λέγοντα, Hdt. 4,91); Mandrokles, der samische Ingenieur und Architekt der Bosporus-Brücke, der ein Gemälde aufstellte, das Dareios bei der Überquerung des Bosporus zeigte und mit einem Epigramm kommentiert war (ἀνέθηκε . . . ἐπιγράψας τάδε, Hdt. 4,88); die Athener, die ein Monument mit einem Epigramm weihten, das an ihren Sieg über die Böotier und Chalkidier erinnerte (ἀνέθηκαν ποιησάμενοι . . . ἐπιγέγραπται δέ οἱ τάδε, Hdt. 5,77); das samische Koinon, das den demokratischen Trierarchen das Recht zugestand, ihre Namen einzuschreiben (ἔδωκε . . . ἀναγραφῆναι, Hdt. 6,14); Kroisos, der beschriftete Grenzsteine an der lydisch-phrygischen Grenze aufstellen ließ (ἔνθα στήλη 23 Fabiani 2003, 167–168. 24 Vgl. 1.51.5: Ἄλλα τε ἀναθήματα οὐκ ἐπίσημα πολλὰ ἀπέπεμψε ἅμα τούτοισι, was übersetzt werden kann als »und mit diesen schickte er zahlreiche andere, unbeschriftete Gaben«, wenn man, wie es Fabiani tut und wie ich es für überzeugend halte, οὐκ ἐπίσημα in der Bedeutung »nicht beschriftet« im Gegensatz zu »nicht wesentlich« versteht, Fabiani 2003, 168.

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καταπεπηγυῖα, σταθεῖσα δὲ ὑπὸ Κροίσου, καταμηνύει διὰ γραμμάτων τοὺς οὔρους, Hdt. 7,30); die Amphiktyonen, die zwei der Inschriftenmonumente an den Thermopylen in Auftrag gaben, und Simonides, der für die Inschrift des dritten Monuments verantwortlich war (οἱ ἐπικοσμήσαντες und ὁ ἐπιγράψας, entsprechend Hdt. 7,228); Themistokles, der in den euböischen Felsen seinen Aufruf an die Ionier zum Abfall einmeißeln ließ (ἐντάμνων . . . γράμματα, Hdt. 8,22). Im Gegensatz zu diesen Beispielen gebraucht Herodot gelegentlich unpersönliche Konstruktionen oder unterdrückt gar den Namen des Handelnden. Dass dieses Verschweigen sicher nicht zufällig ist, kann durch eine Fülle von Beispielen illustriert werden. So vermeidet es Herodot bei seiner Diskussion um die kadmeiische Schrift, die Personen zu nennen, die die drei Dreifuß-Weihungen beschriftet hatten, die er im Tempel des Ismenischen Apollo in Theben gesehen hat (Hdt. 5,59–61). Stattdessen lässt er die Objekte selbst die Inschriften vorstellen: »ein Dreifuß trägt eine Inschrift …; der andere sagt …; der dritte sagt …« (ὁ μὲν [sc. τρίπους]. . . ἐπίγραμμα ἔχει, ἕτερος δὲ . . . λέγει, τρίτος δὲ . . . λέγει). Die Inschriften selbst können natürlich die Namen ihrer Dedikanten erwähnen, so etwa bei der Dedikation des Mandrokles, dessen Verantwortlichkeit für die Abfassung seines Epigramms ausdrücklich festgestellt wird (ἀνέθηκε . . . ἐπιγράψας, Hdt. 4,88). Vor diesem Hintergrund legt die Einführung der thebanischen Weihungen, die durch die Objekte ausgesprochen wird, nahe, dass Herodot die Zuverlässigkeit der von Inschriften auf den Dreifüßen gelieferten Nachrichten anzweifelte. Dieser Eindruck wird noch durch den Gebrauch von Formulierungen im optativus potentialis verstärkt, wenn die vermeintlichen Dedikanten behandelt werden. Über den ersten, angeblich von Amphitryon stammenden Dreifuß, sagt Herodot, dass »dieser aus der Zeit des Laios sein könnte« (ταῦτα ἡλικίην εἴη ἂν κατὰ Λάιον, Hdt. 5,59) mit der durch die Syntax angedeuteten Implikation »wenn das wahr ist«. Seinen Zweifel am zweiten Stifter macht er noch deutlicher, wenn er kommentiert, dass »dieser Skaios, ein Sohn des Hippokoon, ein Zeitgenosse des Oedipus sein könnte, wenn er wirklich derjenige ist, der den Dreifuß weihte und nicht irgendjemand anderes mit demselben Namen wie der Sohn des Hippokoon« (Σκαῖος δ᾽ ἂν εἴη ὁ Ἱπποκόωντος, εἰ δὴ οὗτός γε ἐστὶ ὁ ἀναθεὶς καὶ μὴ ἄλλος τὠυτὸ οὔνομα ἔχων τῷ Ἱπποκόωντος, ἡλικίην κατὰ Οἰδίπουν, Hdt. 5,60). So scheint der Verzicht auf die Nennung der Urheber der Inschriften eine Art quellenkritische Vorgehensweise Herodots zu kennzeichnen. Fehlende Gewissheit könnte auch bei seiner Beschreibung des Reliefs von Pharao Sesostris in Ionien eine Rolle spielen, auf dem »es eine Inschrift gibt, eingeschrieben von einer Schulter zur anderen, quer über die Brust der Figur in heiligen ägyptischen Zeichen« (ἐκ δὲ τοῦ ὤμου ἐς τὸν ἕτερον ὦμον διὰ τῶν στηθέων γράμματα ἱρὰ Αἰγύπτια διήκει ἐγκεκολαμμένα, Hdt. 2,106). Herodot gesteht ein, dass das beschriebene Bild die Identität der Person nicht deutlich werden lässt, was zu 112

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Mutmaßungen geführt hat, in der Beschreibung Memnon zu sehen. Obwohl Herodot anmerkt, dass andere Quellen es durchaus erlauben, die beschriebene Figur als Sesostris zu identifizieren, wird sein Zweifel an der verfehlten Deutung vielleicht durch die unpersönliche Konstruktion ausgedrückt, in der die Inschrift beschrieben wird.25 Herodots ausdrückliches Interesse an der Autorenschaft einer Inschrift legt nahe, dass die Identität eines Verfassers einer Inschrift, sein Charakter oder seine Motive wichtige Komponenten in seinen Erzählungen sind, wenn sie die epigraphische Evidenz einbeziehen. Damit stellt sich die Frage von selbst: Lassen sich bestimmte Tendenzen aufdecken, die es erlauben, die Funktion einer Inschrift im Rahmen der jeweiligen Erzählung zu erfassen? Zur »Diskrepanz« zwischen Erzählung und Inschrift Inschriften bei Herodot können zwei Funktionen im Narrativ der Erzählung besitzen, in dem sie eingebunden sind: Sie können seine Grundlage bzw. sein Hauptelement bilden, oder sie können eine Variante der Erzählung präsentieren. Zu erster Kategorie gehört die Geschichte der Königin Nitokris, die um die Inschriften gewoben ist, die sie angeblich an ihrem Grab hat anbringen lassen, ebenso wie die Inschriften am Grab des Alyattes oder an der Pyramide des Cheops, welche einzigartige Informationen über ihre Errichtung liefert. Die meisten Inschriften dieses Typus sind nicht griechisch, aber auch die Anekdote zu den Propagandatexten des Themistokles an den euböischen Felsen gehört zu dieser Gruppe (Hdt. 8,22). Hier bilden die Inschriften selbst die Geschichte. Einem anderen Typus gehören die Inschriften an, die zitiert oder beschrieben werden, nachdem die zugehörige Geschichte bereits erzählt wurde. Beispiele sind das Epigramm, das an den Sieg der Athener über die Böotier und Chalkidier (Hdt. 5,77) erinnert, der Epitaph für die bei den Thermopylen Gefallenen (Hdt. 7,228) oder die Erwähnung der Inschrift, die von den Namen der patriotischen Trierarchen von Samos berichtet (Hdt. 6,14). Sämtliche Inschriften von oder in Zusammenhang mit Dareios fallen ebenfalls in diese Kategorie: das Monument, das an die Thron-

25 Drei weitere Beispiele ›unpersönlicher‹ Inschriften finden sich bei dem Bericht über das Grab des Alyattes und den Beiträgen zu seiner Errichtung (1,93); die Inschrift an der Pyramide des Cheops, die die Versorgung für die Bauarbeiter auflistet (2,125); und die Namen der Tenier auf der Schlangensäule von Delphi, die dort für ihre Unterstützung der Griechen bei der Schlacht von Salamis aufgeschrieben wurden. Beim letzten Beispiel benutzt Herodot eine Passivkonstruktion ohne ausdrücklich angeführten Handelnden (ἐνεγράφησαν, 8,82).

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besteigung erinnert (Hdt. 3,88), die Bosporus-Stelen (Hdt. 4,87), die Tearos-Säule (Hdt. 4,91) wie auch die Weihung des Mandrokles mit dem Dareioslob (Hdt. 4,88). Dabei bildet das am meisten analysierte und diskutierte Beispiel unter den griechischen Fällen das Set der Epitaphe für die Gefallenen an den Thermopylen (Hdt. 7,228). Nach der Schilderung der Schlacht und unmittelbar nach der Erwähnung der besten Kämpfer bei den Spartanern und Thespiern wendet sich Herodot der Beschreibung der Bestattung zu: Θαφθεῖσι δέ σφι αὐτοῦ ταύτῃ τῇ περ ἔπεσον καὶ τοῖσι πρότερον τελευτήσασι ἢ ὑπὸ Λεωνίδεω ἀποπεμφθέντας οἴχεσθαι ἐπιγέγραπται γράμματα λέγοντα τάδε· Μυριάσιν ποτὲ τᾷδε τριακοσίαις ἐμάχοντο ἐκ Πελοποννάσου χιλιάδες τέτορες Ταῦτα μὲν δὴ τοῖσι πᾶσι ἐπιγέγραπται. . . Dies ist eine Inschrift für diese Männer eingemeißelt, die dort begraben wurden, wo sie gefallen sind und über die, die gestorben sind, bevor die anderen weggingen, von Leonidas weggeschickt. Sie lautet folgendermaßen: ›Hier kämpften einst viertausend Mann von der Peloponnes gegen drei Millionen.‹ Das wurde aber für all diese aufgeschrieben.

Aufgrund dieser Inschrift und ihrer Beschreibung bei Herodot hat bekanntermaßen Denys Page konstatiert: »Herodotus has not stopped to think what he is saying.«26 Die Schwierigkeit in diesem Abschnitt besteht darin, dass Herodot ein Epigramm zitiert, das den Kampf der viertausend Peloponnesier lobt, um an alle Gefallenen zu erinnern (ταῦτα μὲν δὴ τοῖσι πᾶσι ἐπιγέγραπται), aber auch ausführlich vom heroischen Kampf der Thespier erzählt, die natürlich nicht von der Peloponnes stammen. »We are asked to believe that the Amphictyones approved, as a memorial designed to include the heroic Thespians, whose entire fighting-force was destroyed in the battle, an epigram which does not even mention them. We should refuse to believe anything of the sort« schließt Page.27 Verschiedene Erklärungen wurden für diese Unstimmigkeiten bereits vorgeschlagen. Es wurde angenommen, dass der Historiker leichtgläubig auf tendenziöse Erzählungen hereingefallen ist, die von den Spartanern verbreitet wurden,28 oder dass er sich einfach mitreißen ließ von ihrem edlen Heldentum, das in einer mündlichen Tradition übermittelt wurde,29 von der er völlig abhängig gewesen sei, beson26 27 28 29

Page 1981, 232–233. Page 1981, 233. Page 1981, 120. West 1985, bes. 288–289.

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ders wenn er niemals den Ort selbst gesehen hatte. Für solche Erklärungsversuche spielt es keine Rolle, welches Denkmal tatsächlich dort stand. Andere Forscher sind geneigt anzunehmen, dass Herodots Bericht auf seinem Besuch des Schlachtfeldes beruhte und mit der tatsächlichen Präsenz – oder dem Fehlen – des Thespier-Monuments zu tun hatte. Pritchett vermutet, dass es tatsächlich ein beschriftetes Grab der Thespier gab. Strabon erwähnt fünf Monumente in seiner Beschreibung des Platzes, ohne sie aber zu identifizieren, Herodot, so Pritchett, habe aber nur drei davon ausgewählt, um sie zu zitieren, die anderen aber beiseitegelassen.30 Eine andere Hypothese geht davon aus, dass es zu Herodots Zeit keinen Epitaph der Thespier gab, da das Denkmal für sie gemeinsam mit dem für die Lokrer später hinzugefügt wurde, so dass Strabon schließlich fünf Monumente registrieren konnte. Jedenfalls habe Herodot nur drei sehen können, die er auch sämtlich erwähnt.31 Diese Erklärungen bemühen sich, die historischen und archäologischen Umstände zu rekonstruieren und sie mit Herodots Beschreibung des Platzes ohne ein Denkmal für die Thespier in Einklang zu bringen. Je erfolgreicher allerdings der Rekonstruktionsversuch ausfällt, umso größer wird die Diskrepanz, die sich auftut zwischen Herodots Beschreibung der Memoriallandschaft, in der die gefallenen Thespier fehlen, und dem Narrativ der Schlacht, demzufolge sie heldenhaft gekämpft hätten. Einen radikal anderen Zugang zu diesem Problem bietet Pietro Vannicelli. In seiner glänzenden Analyse des Abschnitts zeigt er, wie Herodot zwischen den verschiedenen narrativen Ebenen in seinem Bericht von der Schlacht und der aristeia vor der Beschreibung der Denkmäler unterscheidet: Der erste Erzähler führt das Lob für beide Kontingente ein, dann wird auf den bzw. die zweiten Erzähler umgeschwenkt, die über die Besten auf der spartanischen Seite berichten, um dann wieder zum ersten Erzähler zurückzukehren, der die besten Thespier nennt. Durch diese Differenzierung gelingt es Herodot, eine Diskrepanz zwischen der Anerkennung der thespischen und spartanischen Leistungen aufzudecken, so dass die unmittelbar folgenden Epigramme »offer a further example of that discrimination against the Thespians, to the advantage of the Spartans.«32 Die narrative Divergenz – auf der einen Seite die gefallenen Spartaner und Thespier, auf der anderen Seite eine Inschrift mit der Huldigung allein der viertausend Peloponnesier – verdeutlicht die Schwierigkeiten, die mit dem Sparta-zentrierten Charakter der beschrifteten Denkmäler verbunden sind. Eine strukturell entsprechende Divergenz zwischen den Versionen einer Erzählung, die durch Inschriften vorgestellt wird, und dem zugehörigen Kontext, trifft meiner Meinung nach auch für das Reiterrelief des Dareios zu. 30 Pritchett 1993, 161. 31 Petrovic 2004, vgl. Petrovic 2007, 68–74. 32 Vannicelli 2007, 319.

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IV. Das Reiterrelief des Dareios und seine Inschrift Dareios ist der einzige Perser, der – laut Herodot – Inschriften aufstellen ließ, und er ist der produktivste Verfasser von Inschriften in den Historien. Herodot würdigt ihn mit drei Beispielen für die Errichtung monumentaler Texte, und in allen diesen Fällen wird die Handlungsinitiative des Dareios unzweideutig konstatiert.33 Alle seine Inschriften gehören zu derjenigen Kategorie, die bezüglich der literarischen Komposition auf eine Erzählung folgen und diese nicht gestalten. Die bei weitem am meisten diskutierte und bezweifelte Inschrift ist die an dem Relief, das an die Thronbesteigung des Dareios erinnert. Als sich einst Dareios in seiner Herrschaft vollständig etabliert hatte, so berichtet Herodot, »stellte er als erstes einen skulpierten Stein auf, auf dem ein Reiter abgebildet war, und er fügte eine Inschrift mit folgendem Inhalt hinzu: ›Dareios, Sohn des Hystaspes, hat mithilfe seines Pferdes (hier folgte der Name des Pferdes) und des Oibares, seines Stallknechts, die Königsherrschaft der Perser errungen« (πρῶτον μέν νυν τύπον ποιησάμενος λίθινον ἔστησε: ζῷον δέ οἱ ἐνῆν ἀνὴρ ἱππεύς, ἐπέγραψε δὲ γράμματα λέγοντα τάδε: ‘Δαρεῖος ὁ Ὑστάσπεος σύν τε τοῦ ἵππου τῇ ἀρετῇ’ τὸ οὔνομα λέγων ‘καὶ Οἰβάρεος τοῦ ἱπποκόμου ἐκτήσατο τὴν Περσέων βασιληίην, Hdt. 3,88,3). Da weder das beschriebene Bildnis noch die zitierte Inschrift irgendwelche ›faktischen‹ Informationen für die Geschichte liefern, zu der sie gehören, ist es naheliegend, nach ihrer literarischen Rolle zu fragen, d. h. danach, welche Funktion das Monument im Narrativ zur Machtergreifung des Dareios besitzt. Verschiedene Antworten darauf wurden bereits vorgeschlagen. Einige Forscher nehmen an, dass das Denkmal dazu diente, die Plausibilität der Geschichte zu unterstreichen und sie mit dem trickreichen Pferdeorakel zu verstärken.34 Bichler sieht darin eine weitere Betonung der Zweifelhaftigkeit, aus der die Macht des Dareios entstanden ist.35 Kipp, der die von Bichler vorgeschlagene Richtung weiter verfolgt, entdeckt Ironie in dem Abschnitt und schlägt vor, diesen als Satire auf Dareios’ eigenen Herrschaftsdiskurs, der in der Behistun-Inschrift seinen Ausdruck findet, zu

33 Es handelt sich um die Inschrift am Reiterrelief (3,88); die zwei Stelen am Bosporus (4,87); und die Säule, die das Wasser des Tearos-Flußes preist (4,91). Ebenso viele Inschriften sind in irgendeiner Weise auch mit Delphi verbunden: die gefälschte spartanische Weihung wurde in Delphi von einem Delpher beschriftet (1,51), die Amphiktyonen sind für zwei Epitaphe an den Thermopylen verantwortlich (7,228), und die Schlangensäule mit den Namen der Griechen, die die persischen Gefechte im Heiligtum niederschlugen (8,82), aber es gibt freilich keine Autorität, der die Abfassung dieser Inschriften zugeschrieben werden könnte. 34 Köhnken 1990, bes. 133; Fabiani 2003, bes. 178. 35 Bichler 2000a, 12.

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verstehen.36 In Ergänzung zu diesen möglicherweise auch gleichzeitig zutreffenden Interpretationen möchte ich unter Berücksichtigung der narrativen Funktionen anderer Inschriften bei Herodot einen Blick auf das Denkmal des Dareios zur Thronbesteigung werfen. Der »Handelnde« der Inschrift – einschließlich seiner Motive und der Umstände seiner Handlung – sowie die »Diskrepanz« zwischen der Version der Inschrift und ihrem Kontext sollen die grundlegenden Kategorien meiner Deutung bilden. Die Aufstellung des Denkmals durch Dareios wird als ein Akt offensichtlicher Notwendigkeit inszeniert. Dieser Eindruck wird durch die Platzierung des Monuments im Narrativ noch befördert: Nachdem die Erzählung zur Thronbesteigung des Dareios abgeschlossen ist (»und so wurde Dareios, der Sohn des Hystaspes, zum König ernannt« – Δαρεῖός τε δὴ ὁ Ὑστάσπεος βασιλεὺς ἀπεδέδεκτο, Hdt. 3,88,1), liefert Herodot einen kurzen Bericht zu den Umständen, in denen sich der König nun befindet: Alles, was bislang von Kyros und Kambyses erobert worden war, war nun ihm untertan; sodann werden seine Ehen aufgelistet und schließlich folgt die vollständige Etablierung seiner Herrschaft (wörtlich: »alles war angefüllt mit seiner Macht« – δυνάμιός τε πάντα οἱ ἐπιμπλέατο). Unmittelbar danach berichtet Herodot, dass Dareios als erste Handlung das Reiterrelief aufstellen ließ. Die Bedeutung dieses Aktes wird nicht nur dadurch betont, dass er als »erster« aufgeführt wird, sondern auch durch das Gewicht der nächsten königlichen Unternehmungen, nämlich die Einrichtung der 20 Satrapien (ποιήσας δὲ ταῦτα [erg.: das Monument] ἐν Πέρσῃσι ἀρχὰς κατεστήσατο εἴκοσι, Hdt. 3,89,1). Wenn die Inschrift hier keine weiteren Fakten zur Erzählung beisteuert, könnte es von Bedeutung sein, zu betrachten, was sie dezidiert nicht erwähnt. Tatsächlich bezieht sich die Inschrift des Dareios nur auf den letzten Schritt auf seinem Weg zum Thron, den Akt des Pferdeorakels. Sie lässt alle anderen Ereignisse aus, die erst zur Wahl des Königs geführt haben, im Besonderen die Verschwörung der vornehmen Perser. Diese war von Otanes angeregt worden, um den Mager zu ermorden, der sich als Smerdis und Bruder des Kambyses ausgegeben und den persischen Thron nach dessen Tod usurpiert hatte. Die Tötung des Usurpators nimmt in der Behistun-Inschrift, die auch die Namen der Mitverschwörer nennt, einen prominenten Platz ein. Herodot kannte höchstwahrscheinlich den Text der Behistun-Inschrift,37 was hier das Fehlen jeglicher Bezugnahme auf die Verschwörung noch viel merkwürdiger für einen mit dieser Inschrift vertrauten Leser erscheinen ließ. Doch auch ohne den direkten Vergleich mit der Behistun-Version steht das solipsistische Denkmal des Dareios bei Herodot im Widerspruch zu der von ihm beschriebenen so36 Kipp 2001, 241–245. 37 Rollinger 2015.

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lidarischen Stimmung der Verschwörung der persischen Adeligen (Hdt. 3,70–84). Die Darstellung des Dareios als einzelner Reiter verweist vielmehr auf seine Ankunft in Susa in Hdt. 3,70 zurück, wo er als Außenseiter und als einziger, der sich der Verschwörung nicht aufgrund einer direkten oder indirketen Einladung des Otanes hin anschloss, zu den bereits versammelten Verschwörern hinzukam (γεγονότων δὲ τούτων ἓξ παραγίνεται ἐς τὰ Σοῦσα Δαρεῖος ὁ Ὑστάσπεος ἐκ Περσέων ἥκων: τούτων γὰρ δὴ ἦν οἱ ὁ πατὴρ ὕπαρχος. ἐπεὶ ὦν οὗτος ἀπίκετο, τοῖσι ἓξ τῶν Περσέων ἔδοξε καὶ Δαρεῖον προσεταιρίσασθαι, Hdt. 3,70). Dareios ist auch der einzige der Verschwörer, der mit dem Namen seines Vaters und der Erklärung eingeführt wird, dass er aus Persien kam, wo sein Vater Gouverneur war. Unabhängig davon, ob eine solche Einführung einen niedrigeren Status als den der anderen anzeigen sollte, setzt sie ihn auf jeden Fall von ihnen ab. Der historische Dareios war wahrscheinlich enger mit den vornehmen Verschwörern verbunden (Herodot selbst erwähnt andernorts etwa seine eheliche Verbindung zu Gobryas, vgl. Hdt. 7,2), als es Herodot darstellt, und er hatte wohl weit mehr zu dem Unternehmen beigetragen als seinen scharfen Verstand.38 In den Historien jedenfalls ist Dareios ein Außenseiter, dessen Planungen aber grundlegend für den Erfolg der Verschwörung sind und dessen Argumente in jedem Moment der Planung des Attentats die Oberhand gewinnen sind. Er ist es auch, der sich in der Verfassungsdebatte durchsetzt, und schließlich ist es der Trick seines Reitknechts, der ihm den letzten Schritt zum Thron ermöglicht. Das Denkmal, das Dareios errichtet, als er schließlich auf dem Thron saß, ist ein Monument der Schlauheit, durch die er zur Macht kam. Die Frage, die einige Forscher in Bezug auf das Relief des Dareios, so wie es Herodot beschreibt, beschäftigt, betrifft das Eingeständnis des Königs, dass er das Pferdeorakel manipuliert habe, was wiederum als ein Widerspruch zur erklärten Abneigung der Perser gegenüber Lügen erscheint. »[I]f Darius had circumvented the arrangements whereby the choice of ruler was to be left to heaven, he would not have broadcast his skullduggery,« schreibt West.39 Für Dareios aber, wie er innerhalb der Akzessionsgeschichte beschrieben wird, ergibt eine solche Offenherzigkeit durchaus einen Sinn. Erstens hat die berühmte Ausführung des Dareios zu »notwendigen Lügen«, welche die Erzählung vorher bietet, schon seine Einstellung zu Lügen und Wahrheit als legitimen Mitteln zur Erreichung eines Zieles enthüllt.40 Diese viel diskutierte Rede erfolgt, kurz nachdem Dareios der Verschwörung beigetreten war: Als die übrigen Verschwörer wegen der Schwierigkeiten beim Zutritt in den Palast zögerten, einen Angriff auf die Mager zu unternehmen (Hdt. 3,70), verfällt Dareios 38 Briant 2002, 111–114. 39 West 1985, 297. 40 Bringmann 1976, 279; vgl. Kipp 2001, 252–254.

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als Vorwand (σκῆψις) auf »das Anliegen, daß ich gerade aus Persien eingetroffen bin und wünsche, gewisse Nachrichten meines Vaters an den König bekannt zu geben«. Denn, so Dareios weiter, »wo es angebracht ist zu lügen, soll man eben lügen« (ἔνθα γάρ τι δεῖ ψεῦδος λέγεσθαι, λεγέσθω, Hdt. 3,72,4), und er fährt fort, die Rechtfertigung der Lüge auszuarbeiten. Es scheint so, als würde die Rede des Dareios dazu dienen, seinen Opportunismus, wenn nicht gar seine gänzliche moralische Schwäche zu enthüllen, wäre sie nicht neben die Geschichte über den Tod des Prexaspes gestellt, welche dem Thema ›Lügen versus Wahrheit sagen‹ eine andere Wendung gibt. Prexaspes, der engste Vertraute des Kambyses, stand in Verbindung sowohl mit dem Aufstieg als auch mit dem Fall der Mager. Auf Weisung des Kambyses hin ermordete er dessen Bruder Smerdis (Hdt. 3,30), und obwohl Kambyses auf dem Sterbebett den meisten persischen Adeligen gestand, den Mord initiiert zu haben (Hdt. 3,65), glaubten sie ihm nicht (Hdt. 3,66). Darüber hinaus »leugnete Prexaspes nun vehement, daß er jemals Smerdis getötet habe, da es für ihn jetzt, wo Kambyses gestorben war, gefährlich hätte werden können zuzugeben, daß er den Sohn des Kyros mit eigener Hand getötet habe« (δεινῶς γὰρ καὶ ὁ Πρηξάσπης ἔξαρνος ἦν μὴ μὲν ἀποκτεῖναι Σμέρδιν: οὐ γὰρ ἦν οἱ ἀσφαλὲς Καμβύσεω τετελευτηκότος φάναι τὸν Κύρου υἱὸν ἀπολωλεκέναι αὐτοχειρίῃ, Hdt. 3,67,1). Derselbe Mann gab nun vor, von den Magern bestochen worden zu sein und schwor, niemals ihre wahre Identität aufzudecken (Hdt. 3,74). Auf das Verlangen der Mager hin stieg er auf einen hohen Turm und wandte sich an das Volk, doch anstatt, wie versprochen, ihre Herrschaft zu bekräftigen, »erzählte er die ganze Wahrheit, die er zuvor verborgen hatte« (διεξελθὼν δὲ ταῦτα ἐξέφαινε τὴν ἀληθείην, φάμενος πρότερον μὲν κρύπτειν, Hdt. 3,75,2), einschließlich des Mordes an dem echten Smerdis und lüftete die Identität der Mager. Er forderte von den Persern, hierfür Rache zu nehmen und stürzte sich dann von dem Turm. »Prexaspes«, so schließt Herodot, »stets ein hervorragender Mann, starb einen hervorragenden Tod« (Πρηξάσπης μέν νυν ἐὼν τὸν πάντα χρόνον ἀνὴρ δόκιμος οὕτω ἐτελεύτησε, Hdt. 3,75,3). Seine Enthüllung unterstützte zweifellos den Erfolg der sieben Perser. Dareios erkannte in dem Tumult, der der Bekanntmachung des Prexaspes folgte, eine Gelegenheit, und ergriff sie – unterstützt durch ein göttliches Omen – und trieb die Verschwörung voran (Hdt. 3,76–78). Wenn Prexaspes auf diese Weise seine Lügen und den Mord an Smerdis sühnte, indem er sie aufklärte und für ein hohes Ziel in den Tod ging, ist es dann nicht möglich, das Reitermonument des Dareios ebenfalls als eine Enthüllung der Wahrheit zu deuten, bei der die Einflussnahme des Oibares bei dem Pferdeorakel aufgedeckt wird? Weitaus wichtiger als die Frage, ob die Dareios-Inschrift Wahrheit oder Lüge vermittelt (und zweifellos ist sie auf beide Weisen zu deuten!), ist ihre Diskrepanz zur weiteren Erzählung über die Machtergreifung des Dareios: Diese Erzählung bezieht eine große Zahl von Leuten mit ein, die auf die Ausführung einer gemein119

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samen Tat eingeschworen sind. Die Inschrift jedoch stellt nur Dareios als einzelnen heraus. Obwohl Dareios in gewisser Weise als Anführer auftritt, bleiben doch einzelne Vereinbarungen und Verbindungen der Mitglieder der Verschwörung im Verlauf der übergeordneten Erzählung von seinem Aufstieg zum Thron bestehen. Die Tatsache, dass Dareios König wurde, belastete diese an sich nicht, denn die Auswahl des einen aus der Gruppe der übrigen Verschwörer war ja – unabhängig von der Manipulation – vereinbart worden. Sobald aber Dareios König geworden war, begann er, diese Verbindungen zu kappen. Zuerst heiratete er die Frauen, die direkt mit Kyros verwandt waren, nämlich Atossa, die Tochter des Kyros und Frau des Kambyses, sowie Artystone, eine jungfräuliche Tochter des Kyros. Dann vermählte er sich noch mit Pamys, der Tochter des Smerdis, Sohn des Kyros, und schließlich heiratete er »auch die Tochter des Otanes, der die Identität des Magers aufgedeckt hatte« (ἔσχε δὲ καὶ τὴν τοῦ Ὀτάνεω θυγατέρα, ἣ τὸν Μάγον κατάδηλον ἐποίησε, Hdt. 3,88,3). Die Tochter des Otanes, die die Frau des ›falschen‹ Smerdis gewesen war, rundet die Gruppe der Frauen ab, die mit den Vorgängern des Dareios verwandt waren, also Kyros und Kambyses, dann mit dem potentiellen König Smerdis und dem Usurpator, dem falschen Smerdis. Diese Heiraten waren ein geschickter politischer Schachzug, um seine Macht abzusichern. Sie waren aber auch ein Bruch der Vereinbarung, welche die Verschwörer am Vorabend der Wahl des zukünftigen Königs geschlossen hatten, nämlich dass »dem König nicht erlaubt sein würde, eine Frau aus einer anderen als aus ihren eigenen (d. h. der Verschwörer) Familien zu heiraten« (γαμέειν δὲ μὴ ἐξεῖναι ἄλλοθεν τῷ βασιλέι ἢ ἐκ τῶν συνεπαναστάντων, Hdt. 3,84,2).41 An diesem Punkt ist Dareios offenbar nicht mehr in der Situation, in der eine Absprache mit anderen eingehalten werden muss; seine Intelligenz und seine Tricks haben ihn dorthin gebracht, und dort ist er nun allein, »alles ist angefüllt mit seiner Macht«. Nachdem er das erreicht hatte, verkündete er als erstes seine Version seiner Thronbesteigung, wie »er die Königsherrschaft über die Perser erlangte« (ἐκτήσατο τὴν Περσέων βασιληίην, Hdt. 3,88,3). In seiner, das heißt aber in Herodots Geschichte, erlangt er das Königtum allein aus seinen eigenen Mitteln, denn das Pferd und der Stallknecht sind sein Eigentum. Er mag als Außenseiter hinzugekommen sein, jetzt aber sind es alle anderen, die er durch seinen Erfolg ausgestochen hat. Die Botschaft läßt sich verallgemeinern: Nicht durch Moral, Beachtung der Gesetze oder Treue gegenüber den eigenen Standesgenossen kommt man zu Macht, sondern durch Skrupellosigkeit, Schlauheit, Verschlagenheit und Entschlossenheit, im rechten Moment das Richtige zu tun. Alle damals aktuellen fortschrittsgläubigen 41 Nach KUHRT 2007, 173 wird aus dem Kontext klar, dass sogar die Hochzeit mit der Tochter des Otanes nicht als Respekt gegenüber der Vereinbarung der Verschwörer zu sehen ist, »but simply in order to bring the womenfolk linked to his predecessors under his control.«

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Versuche, diese anthropologischen Konstanten durch Moral oder Recht außer Kraft setzen oder wenigsten eindämmen zu können, werden von Herodot so als das erwiesen, was sie seiner Meinung nach tatsächlich sind: als Illusion.

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DER SCHIFFSEINSATZ BEI DER ARAXESÜBERQUERUNG KYROS᾽ II. EINE INSZENIERUNG PERSISCHER MACHT? Dennis Möhlmann

Abstract: A passage in the first book of Herodotus᾽ histories (Hdt. 1,205) depicts how Cyrus II. meant to cross the river Araxes in order to wage war against the Massagetae. For this purpose, the Persian King used both pontoons, upon which towers were built, and bridges. The first part of this article (I) aims at showing that these bridges were indeed pontoon-bridges and that the ›tower-ships‹ fulfilled a defensive function, either as part of the bridge, or independently. Furthermore, the crossing of a river also connoted an opportunity for rulers to show their power. Thus, the task in the second part of this article (II) is to illustrate that Cyrus II. successfully presented himself in an old oriental context, thereby legitimatizing his own rulership. Moreover, the article seeks to demonstrate that, while Herodotus᾽ account of the event draws on autochthonous-oriental information, he uses it in order to achieve coherence within his own work.

Im ersten Buch seiner Historien berichtet Herodot über die Entstehungsgeschichte und über die Etablierung des Persischen Reiches unter Kyros dem Großen. Nach zahlreichen Eroberungen richtete sich der Blick des persischen Großkönigs schließlich auf das Land der Massageten,1 ein Volk, das sich östlich des Kaspischen Mee-

1 Bei Herodot findet der Feldzug Kyros᾽ II. gegen die Massageten nach der Eroberung Babyloniens statt. In der Forschung ist die Richtigkeit der Chronologie bei Herodot allerdings umstritten, zumal für mehrere Jahre in der Vita des Kyros die Quellen fehlen. Es spricht auch einiges dafür, dass Kyros Babylon erst eroberte, nachdem er die Feldzüge im Osten seines Reiches, darunter der Feldzug gegen die Massageten, unternommen hatte. Für die Feldzüge im Osten ist Herodot die einzige Informationsquelle. Aus der Behistun-Inschrift des Dareios (Schmitt 1991, 49 f.: I 12–17) geht allerdings hervor, dass der Osten bereits unter persischer Kontrolle stand, als Dareios den Thron bestieg. Da Kambyses auf Grund seiner kurzen Regierungszeit die Eroberungen im Osten wahrscheinlich nicht unternommen haben konnte, zumal er auf

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res angesiedelt hatte.2 Um einen Feldzug gegen die Massageten führen zu können, musste Kyros jedoch zunächst den Fluss Araxes (=Oxus bzw. Iaxartes)3 mit seinem Heer überwinden. Von Herodot erfahren wir auch, mit welchen Hilfsmitteln Kyros II. sein Heer über den Fluss übersetzen wollte, um das Land der Massageten zu erreichen: Ἦν δέ, τοῦ ἀνδρὸς ἀποθανόντος, γυνὴ τῶν Μασσαγετέων βασίλεια· Τόμυρίς οἱ ἦν οὔνομα. Ταύτην πέμπων ὁ Κῦρος ἐμνᾶτο, τῷ λόγῳ θέλων γυναῖκά μιν ἔχειν. Ἡ δὲ Τόμυρις, συνιεῖσα οὐκ αὐτήν μιν μνώμενον ἀλλὰ τὴν Μασσαγετέων βασιληίην, ἀπείπατο τὴν πρόσοδον. Κῦρος δὲ μετὰ τοῦτο, ὥς οἱ δόλῳ οὐ προεχώρεε, ἐλάσας ἐπὶ τὸν Ἀράξην ἐποιέετο ἐκ τοῦ ἐμφανέος ἐπὶ τοὺς Μασσαγέτας στρατηίην, γεφύρας τε ζευγνὺς ἐπὶ τοῦ ποταμοῦ διάβασιν τῷ στρατῷ καὶ πύργους ἐπὶ πλοίων τῶν διαπορθμευόντων τὸν ποταμὸν οἰκοδομεόμενος. (Hdt. 1,205) Nach dem Tode ihres Mannes behauptete eine Frau die Herrschaft bei den Massageten; sie hieß Tomyris. Kyros ließ durch Boten um sie werben, wenigstens zum Schein. Tomyris aber merkte, dass er nicht um sie, sondern um das Reich der Massageten warb, und lehnte seinen Besuch ab. Da Kyros mit List nichts erreichen konnte, zog er an den Araxes und begann offen den Krieg gegen die Massageten. Er ließ Brücken über den Fluss bauen, um das Heer überzusetzen, und Türme auf den Fahrzeugen errichten, die zum Übersetzen dienten.4

In Herodots Bericht zieht Kyros, nachdem seine List (δόλῳ), sich mit der Königin der Massageten, Tomyris, zu vermählen, ohne Erfolg blieb, an den Araxes. Dort lässt er Brücken über den Fluss schlagen (γεφύρας τε ζευγνὺς ἐπὶ τοῦ ποταμοῦ), die sein Heer an das andere Ufer des Flusses bringen sollen (διάβασιν τῷ στρατῷ). Gleichzeitig lässt er Wasserfahrzeuge (πλοίων), auf denen Türme (πύργους) errichtet wurden, dem Rückzug seines Ägyptenfeldzugs bereits den Tod fand, werden diese Taten allgemein Kyros zugeschrieben; vgl. dazu u. a. Young 2008, 28 f., 35 f. 2 Die Massageten bewohnten das Gebiet zwischen den Flüssen Oxus (Amu-Darja) und Iaxartes (Syr-Darja), Asheri/Lloyd/Corcella 2007, 212 f.; Romm 2010, 145, 152, 161; vgl. Hdt. 1,201–204; 215 f. 3 Aus den Angaben bei Herodot lässt sich schließen, dass er, obwohl er dem Fluss den Namen Araxes gibt (ein östlich zum Kaspischen Meer fließender Grenzfluss Mediens), er wohl den Fluss Oxus (Amu-Darja) oder Iaxartes (Syr-Darja) meint, beide im heutigen Kasachstan gelegen, beziehungsweise die Beschaffenheit und Lage dieser beiden Flüsse miteinander vermischt. Das würde nicht zuletzt auch mit den Angaben über den Siedlungsraum der Massageten bei Herodot übereinstimmen, s. o. Anm. 2; vgl. Asheri/Lloyd/Corcella 2007, 213; Brentjes/Treidler 1996, Sp. 962; How/Wells 1989, 153; Romm 2010, 145, 152, 161 und Tomaschek 1895, Sp. 402–404. Um der Textpassage Herodots zu folgen, soll im Folgenden die Bezeichnung des Flusses als Araxes beibehalten werden. 4 Übers. v. Josef Feix.

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auf dem Araxes fahren, die ebenfalls der Flussübersetzung (διαπορθμευόντων τὸν ποταμὸν) des Heeres dienen sollen. Die Angaben bei Herodot über die Araxes-Überquerung Kyros᾽ II. lassen einige Fragen offen. So ist zum einen unklar, um welche Art von Brücken (γεφύρας) es sich hier gehandelt haben mag: Ließ Kyros II. Brücken aus Stein oder aus ähnlich festen Materialien errichten oder handelte es sich um Schiffsbrücken, so genannte Ponton-Brücken? Zum anderen geben auch die Schiffe (πλοίων), auf die Türme (πύργους) gesetzt wurden, ein Rätsel auf. Bildeten diese πλοῖα etwa die von Herodot mit γέφυραι bezeichneten (Schiffs-)Brücken oder fuhren sie losgelöst von ihnen auf dem Fluss? Welchen militärischen Zweck erfüllten die auf ihnen gebauten πύργοι bei dem Feldzug Kyros᾽ II. gegen die Massageten? Diesen Fragen gilt es zunächst in einem ersten Teil (I) dieses Beitrages nachzugehen. Das Übersetzen eines Heeres über einen breiteren Fluss stellte besonders in der Antike eine logistische Meisterleistung dar. Eine gelungene Flussüberquerung während eines Kriegszuges bot einem Heerführer insofern eine passende Gelegenheit, das eigene organisatorische und technische Geschick zur Schau zu stellen. Wie noch zu sehen sein wird, wurden gerade im Alten Orient diese Fähigkeiten gerne demonstriert, um den eigenen Machtanspruch zu festigen. Im zweiten Teil dieses Beitrages (II) soll daher analysiert werden, inwieweit die Flussüberquerung Kyros᾽ II. wie auch der Einsatz der ›Turm-Schiffe‹ nicht auch ein Akt der Inszenierung waren und inwieweit sie auf eine altorientalische Tradition zurückgreifen konnten. Wenn dies der Fall war, welche Vorteile sah Kyros II. in dieser Inszenierung? Im Zuge der Erörterung dieser Fragen gilt es dann auch herauszustellen, welche autochthon-altorientalischen Informationen aus der Textpassage bei Herodot herauszufiltern sind und wie der Autor selbst diese in das Konzept seines Werkes einbindet. I. Kyros am Araxes: Das taktische Vorgehen In der Antike und insbesondere im Alten Orient gab es verschiedene Möglichkeiten und Wege, einen breiteren Fluss wie den Araxes (=Oxus bzw. Iaxartes)5 mit einem Heer zu überqueren. Neben Schwimmhilfen für einzelne Personen6 kamen dabei natürlich auch Brücken zum Einsatz. Diese konnten einfache Konstruktionen aus 5 Durch den Einsatz von Brücken und Schiffen allein wird deutlich, dass es sich bei dem Fluss nicht um ein seichtes, schmales Gewässer gehandelt haben kann, s. o. Anm. 3. 6 Diese bestanden unter anderem aus mit leichtem Material gefüllten Lederhäuten und fanden vor allem im Orient weite Verbreitung. Diese Tatsache macht es nicht unwahrscheinlich, dass auch bei der Fluss-Überquerung Kyros᾽ II. solche Schwimmhilfen Verwendung fanden, obgleich Herodot uns darüber keine Auskunft gibt. Zu den Schwimmhilfen ausführlich Rollinger 2013a, 5–16, 34–74, 83–88.

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Ästen und Tierhäuten oder aus Stein und Holz sein; eine Brücke konnte aber auch aus zusammengeschnürten Booten bestehen, die eine Überkonstruktion aus Holz trugen, eine so genannte Ponton-Brücke.7 Steinbrücken waren im Alten Orient eher die Ausnahme und konnten nur in einem größeren und länger andauernden Bauprojekt realisiert werden.8 Die einfache Konstruktion einer Brücke aus Ästen und Tierhäuten wurde hauptsächlich in Notfällen genutzt.9 Der historische Kontext des Kriegszuges Kyros᾽ II. gegen die Massageten, wie ihn Herodot überliefert,10 macht deutlich, dass diese beiden Brückentypen bei der Überquerung des Araxes wohl kaum in Frage kamen: Nach dem Brückenbau über den Araxes schickte die Königin Tomyris einen Boten zu Kyros. Dieser ließ ihm verlauten, er könne es sich sparen, Brücken über den Fluss zu bauen (ζευγνὺς τὸν ποταμόν)11, denn sobald er sein Heer übergesetzt haben werde, würden sich die Massageten drei Tagesmärsche vom Fluss zurückziehen; wenn Kyros die Massageten hingegen lieber in seinem eigenen Land erwarten wolle, so solle er das Gleiche tun. Kyros beriet sich daraufhin mit seinen Getreuen, die der Ansicht waren, dass es besser sei, die Massageten im eigenen Land zu erwarten. Kroisos, der sich auch in seinem Gefolge befand, gab ihm hingegen den Rat, die Feinde lieber nicht auf persischem Territorium zu erwarten, da er bei einer Niederlage das ganze Persische Reich in Gefahr bringe. Er solle lieber über den Fluss ziehen, selbst die Offensive ergreifen und sodann die Massageten so weit verfolgen, wie sie fliehen würden. Kyros stimmte dem Rat des Kroisos zu und zog über den Araxes.12 Die Geschichte bei Herodot zeigt, dass der Brückenbau über den Araxes relativ spontan geschah und von einem längeren Bauprojekt wie der Konstruktion einer Steinbrücke bei Herodot keine Rede ist. Eine Steinbrücke hätte außerdem im Falle einer Niederlage und eines möglicherweise anschließenden Einfalls der Massageten ins Persische Reich auch nur langsam wieder abgebaut werden können.13 Da Tomyris durch ihren Boten darauf hinweisen lässt, dass Kyros sich die Mühen eines Brückenbaus sparen könne, ist auch von einer einfachen Konstruktion der Brücke aus Ästen und Tierhäuten nicht auszugehen, zumal die Offensivkampagne Kyros᾽ II. keinen Notfall darstellte.14 7 Zu den verschiedenen Brückentypen im Nahen Osten s. Bagg 2011, 43 f.; De Graeve 1981, 144–148; Rollinger 2013a, 67. 8 De Graeve 1981, 146 mit Anm. 283, 148. 9 Ebd. 147. 10 Hdt. 1,206–214. 11 Ebd. 1,206. 12 Ebd. 1,206–209. 13 Siehe dazu unten, S. 130–132. 14 S. o. Anm. 9.

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Es liegt also die Vermutung nahe, dass Kyros II. eine Schiffsbrücke über den Araxes bauen ließ, bestärkt durch die Erwähnung von πλοῖα bei Herodot. Bevor es zu untersuchen gilt, ob diese πλοῖα mit den auf ihnen gebauten πύργοι Bestandteil einer solchen Brücke waren, soll zunächst jedoch die Vermutung, dass es sich bei der Araxes-Überquerung um eine Pontonbrücke gehandelt hat, untermauert werden. Dazu sollen Vergleiche mit anderen Stellen bei Herodot herangezogen werden, in denen dieser Schiffsbrücken beschreibt. In diesem Zusammenhang wird untersucht, inwieweit Herodot dort die Bezeichnung γέφυραι für Brücken und eine Wortform von ζεύγνυμι als Verbum für deren Errichtung verwendet. Der persische Großkönig Dareios ließ anlässlich seines Feldzuges gegen die Skythen eine Brücke über den thrakischen Bosporus bauen.15 Dass es sich dabei um eine Schiffsbrücke gehandelt hat, wird vor allem durch die Bezeichnung bei Herodot als ἡ σχεδίη16 deutlich. Bei der Erwähnung derselben Brücke verwendet Herodot an anderer Stelle auch lediglich das Verb ζεύγνυμι17 oder spricht von ihr als γέφυρα18; beide Termini finden sich ebenfalls in der Beschreibung der Araxes-Überquerung Kyros᾽ II. wieder. Des Weiteren veranlasste Dareios den Bau einer Brücke über den Istros (Donau).19 Nach der Überquerung des Flusses mit seinem Heer ließ Dareios sich davon überzeugen, die Ionier, die die Brücke gebaut hatten, zu ihrer Bewachung zurückzulassen.20 Er knüpfte sechzig Knoten in einen Riemen und befahl den Ioniern, jeden Tag während seines Kriegszuges gegen die Skythen einen dieser Knoten zu lösen. Sollte Dareios mit seinem Heer dann noch immer nicht zurückgekehrt sein, hätten die Ionier die Brücke einzureißen.21 Es wird klar, dass die Brücke über den Istros eine Pontonbrücke war, zumal die Ionier, die sie bauen mussten, ohnehin eine entscheidende Stütze in der persischen Schifffahrt jener Zeit ausmachten.22 Diese Brücke, 15 Hdt. 4,83–88. 16 ἡ σχεδίη = leicht gebautes Schiff, Floß, fliegende Brücke, Schiffsbrücke, vgl. Van Eyndhoven 2010, Sp. 273; Hdt. 4,88,1: Δαρεῖος δὲ μετὰ ταῦτα ἡσθεὶς τῇ σχεδίῇ τὸν ἀρχιτέκτονα αὐτῆς Μανδροκλέα τὸν Σάμιον ἐδωρήσατο πᾶσι δέκα – »Dareios war mit der Brücke sehr zufrieden und gab dem Baumeister Mandrokles aus Samos in allem zehnfache Geschenke.« Übers. v. Josef Feix. 17 Hdt. 4,83,1: […] ζευγνύναι τὸν Θρηίκιον Βόσπορον; Hdt. 4,87,2: […] τοῦ δὲ Βοσπόρου ὁ χῶρος τὸν ἔζευξε βασιλεὺς Δαρεῖος […]. 18 Hdt. 4,85,1: Δαρεῖος δὲ ἐπείτε πορευόμενος ἐκ Σούσων ἀπίκετο τῆς Καλχηδονίης ἐπὶ τὸν Βόσπορον, ἵνα ἔζευκτο ἡ γέφυρα […]; Hdt. 4,87,1: ὁ δὲ Δαρεῖος ὡς ἐθεήσατο τὸν Πόντον, ἔπλεε ὀπίσω ἐπὶ τὴν γέφυραν, τῆς ἀρχιτέκτων ἐγένετο Μανδροκλέης Σάμιος· […]. 19 Hdt. 4,89–140. 20 Ebd. 4,97. 21 Ebd. 4,98. 22 Vgl. Hdt. 3,1,1; Klinkott 2005, 331 f.; Wallinga 1987, 47–49; Wallinga 1993, 118–122.

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bei Herodot auch wieder als σχεδίη23 bezeichnet, erwähnt dieser an anderer Stelle erneut mit einer Wortform von ζεύγνυμι24 und mit γέφυραν25. Die von Herodot bei der Araxes-Überquerung Kyros᾽ II. verwendeten Termini γέφυρα und ζεύγνυμι finden sich auch bei den Erwähnungen von Schiffsbrücken des Xerxes wieder: Dieser ließ seine Gefolgsleute eine Brücke über den Strymon schlagen.26 Dafür ließ er Tauwerk aus Byblos und aus weißem Flachs herstellen.27 Die Schiffsbrücke des Xerxes über den Hellespont, von Herodot detailliert beschrieben,28 wird ebenso mit Wortformen von ζεύγνυμι29 und γέφυρα30 bezeichnet. Die von Herodot verwendeten Ausdrücke γέφυρα und ζεύγνυμι bei der Araxes-Überquerung Kyros᾽ II. können also für eine Schiffsbrücke stehen.31 Als γέφυραι bezeichnet Herodot jedoch ebenso Brücken aus Stein.32 Durch das Ausschließen der anderen beiden Brückentypen33 und durch die allgemein häufige Verwendung von Ponton-Brücken im altorientalischen Raum,34 ist jedoch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass Kyros II. Schiffsbrücken über den Araxes bauen ließ.35 In diesem Zusammenhang drängt sich natürlich schnell die Vermutung auf, dass die von Herodot erwähnten πλοῖα mit den auf ihnen gebauten πύργοι (=Türme)36 diese Schiffsbrücke gebildet haben. Zunächst ist festzuhalten, dass Kyros II. am Ara23 Hdt. 4,97,1: Δαρεῖος δὲ ὡς ἀπίκετο καὶ ὁ πεζὸς ἅμ̕ αὐτῷ στρατὸς ἐπὶ τὸν Ἴστρον, ἐνθαῦτα διαβάντων πάντων Δαρεῖος ἐκέλευσε τούς < τε > Ἴωνας τὴν σχεδίην λύσαντας ἕπεσθαι κατ̕ ἤπειρον ἑωυτῷ καὶ τὸν ἐκ τῶν νεῶν στρατόν. 24 Ebd. 4,89,2: […] τοῦ ποταμοῦ […] ἐζεύγνυε. 25 Ebd. 4,136,2: […] ἔφθησαν πολλῷ οἱ Σκύθαι τοὺς Πέρσας ἐπὶ τὴν γέφυραν ἀπικόμενοι. 26 Ebd. 7,24: […] τὸν Στρυμόνα ποταμὸν ζεύξαντες γεφυρῶσαι. 27 Ebd. 7,25,1. 28 Ebd. 7,36. 29 Ebd.: […] τὰς δὲ ἄλλοι ἀρχιτέκτονες ἐζεύγνυσαν· ἐζεύγνυσαν δὲ ὧδε· […]. 30 Ebd. 7,37,1: ὡς δὲ τά τε τῶν γεφυρέων κατεσκεύαστο […]. 31 Vgl. hierzu auch Arrian (5,3,5 u. 5,7,1–5), der für Schiffsbrücken ebenso Wortformen von γεφύρα und ζεύγνυμι verwendet, dazu Rollinger 2013a, 9 f. 32 Hdt. 1,186,2: […] τοῦτο δὲ κατὰ μέσην κου μáλιστα τὴν πόλιν τοῖσι λίθοισι τοὺς ὠρύξατο οἰκοδόμεε γέφυραν, δέουσα τοὺς λίθους σιδήρῳ τε καὶ μολύβδῳ. – »[…] Darauf ließ sie etwa in der Mitte der Stadt mit den ausgegrabenen Steinen eine Brücke bauen, wobei die Steine mit Eisen und Blei verbunden wurden.« Übers. v. Josef Feix. 33 S. o. S. 125 f. 34 Dazu Rollinger 2013a, 67–74. 35 Vgl. dazu auch die Iaxartes-Überquerung Alexanders, bei der laut Curtius 7,8,6 auch Flöße (rates) für die Überführung des Heeres zum Einsatz kamen; Rollinger 2013a, 7–9, 12. 36 Für πύργοι im Zusammenhang mit οἰκοδομεόμενος (errichten/bauen im technischen Sinne) ist hier wohl definitiv die Bedeutung »Türme« anzunehmen. Zu den verschiedenen Bedeutungen von πύργος siehe Nordheider 2004, Sp. 1660–1663.

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xes die πύργοι auf die πλοῖα bauen ließ und nicht die πλοῖα selbst.37 Eine mögliche Interpretation des Satzes bei Herodot könnte so aussehen, dass die Türme auf die vorhandenen Schiffe der Schiffsbrücke gesetzt wurden. Ob dabei nur auf den Schiffen, die jeweils den Anfang und das Ende der Schiffsbrücke gebildet haben, Türme gesetzt wurden oder gar auf allen, bleibt unklar. Neben dieser möglichen Auslegung lässt die Analyse des Satzes bei Herodot jedoch auch einen anderen Schluss zu: Herodot könnte von den Schiffsbrücken gesprochen und dann noch zusätzlich den (separaten) Einsatz anderer Schiffe, welche die Türme trugen, erwähnt haben. Diese mögliche Interpretation wird von den folgenden zwei Punkten gestützt: 1. Bei der Beschreibung der Araxes-Überquerung Kyros᾽ II. bindet Herodot die πλοῖα nicht in den Nebensatz mit dem Brückenbau ein. Vielmehr trennt er den Einsatz der Schiffe inhaltlich durch eine Beiordnung (καί). Der letzte Teil des Satzes bei Herodot, eingeleitet durch καί, lässt darüber hinaus ein weiteres Verständnis zu. Die Übersetzungen von Feix sowie auch von Godley geben dem Schiffseinsatz auf dem Araxes eine eindeutige inhaltliche Konnotation: Die Schiffe/Fahrzeuge dienten dem Übersetzen des Heers an das andere Ufer des Araxes.38 Sowohl Feix als auch Godley haben die Partizipialkonstruktion (πλοίων τῶν διαπορθμευόντων) final übersetzt. Diese Übersetzungsmöglichkeit ist aber nicht zwingend die einzige, zumal das Partizip in einem finalen Kontext eigentlich eher im Futur und nicht, wie an dieser Stelle, im Präsens, stehen müsste. Der letzte Teil des Satzes, eingeleitet durch καί, könnte daher auch wie folgt übersetzt werden: καὶ πύργους ἐπὶ πλοίων τῶν διαπορθμευόντων τὸν ποταμὸν οἰκοδομεόμενος – »und (er ließ) Türme auf den Fahrzeugen/ Schiffen errichten, die den Fluss überquerten.« Diese Übersetzungsmöglichkeit lässt offen, welche Funktion die Schiffe erfüllen sollten. Unabhängig davon ist jedoch auch die Deutung des Satzes von Feix und Godley, die Schiffe würden dem Übersetzen des Heeres dienen, kein Kriterium dafür, dass sie Bestandteil der Schiffsbrücke waren. 2. In Herodots Bericht lässt Kyros II. die Türme auf den Schiffen errichten (πύργους ἐπὶ πλοίων) und nicht etwa auf der Schiffsbrücke (γέφυρα) selbst. Der Autor, der sich mit der Beschaffenheit einer Schiffsbrücke wohl gut auskannte,39 hätte

37 Hdt. 1,205: καὶ πύργους οἰκοδομεόμενος ἐπὶ πλοίων. 38 Hdt. 1,205,2: […] γεφύρας τε ζευγνὺς ἐπὶ τοῦ ποταμοῦ διάβασιν τῷ στρατῷ καὶ πύργους ἐπὶ πλοίων τῶν διαπορθμευόντων τὸν ποταμὸν οἰκοδομεόμενος. Übers. v. Josef Feix: »[…] Er ließ Brücken über den Fluss bauen, um das Heer überzusetzen, und Türme auf den Fahrzeugen errichten, die dem Übersetzen dienten.«; Übers. v. Alfred Denis Godley (The Loeb Classical Library): »[…] he brigded the river that his army might cross, and built towers on the pontoons that should carry his men over.« 39 Ηdt. 7,36; vgl. oben Anm. 28.

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somit auch festhalten können, dass die Türme auf der Schiffsbrücke (etwa: πύργους ἐπὶ γεφύρας) erbaut wurden. Auch wenn sich die mögliche Interpretation des Satzes bei Herodot, dass die Schiffe mit den auf ihnen gebauten Türmen Bestandteil der Schiffsbrücke über den Araxes waren, nicht eindeutig von der Hand weisen lässt, machen es jedoch die zwei oben genannten Punkte wahrscheinlicher, dass sich die ›turmbewehrten‹ Schiffe nicht innerhalb der Schiffsbrücke befanden. Der konkrete Anlass für den Einsatz der Schiffe mit den auf ihnen gebauten Türmen im Kontext der Flussüberquerung lässt sich erst ermitteln, nachdem der Frage nachgegangen wurde, welchem Zweck die Türme selbst gedient haben könnten. Der antike Fluss Araxes befand sich im heutigen Kasachstan.40 Über die Massageten berichtet Herodot, dass sie den Skythen sehr ähnlich oder gar ein Teilstamm von ihnen waren, also ein nomadisch lebendes Reitervolk.41 Warum ließ Kyros II. also auf einem Fluss mitten in einer Steppenlandschaft bei einem Feldzug gegen ein nomadisches Reitervolk Türme auf Schiffen errichten? Dienten die Türme einem militärischen Zweck oder besaßen sie nur einen repräsentativen Charakter? Richten wir unser Augenmerk zunächst auf einen möglichen militärischen Zweck der Türme auf dem Araxes. Falls Kyros die Absicht gehabt hätte, die Massageten mit Türmen belagern zu wollen, würden sie sich einfach zu Pferde zerstreuen. Dies ließ auch der Bote der Tomyris Kyros wissen: »Wenn wir uns drei Tagesreisen vom Strom zurückgezogen haben, dann komm herüber in unser Land!«42 Eine offensive Ausrichtung der Türme auf den Schiffen, sprich: Belagerungs- oder Wehrtürme, würde also strategisch überhaupt keinen Sinn ergeben, zumal auch von Herodot keine Stadt in der Nähe des Flusses erwähnt wird. Es bleibt nur die naheliegende Erklärung, dass die Türme für einen sicheren Übergang des eigenen Heeres sorgen sollten. Zur Beantwortung der Frage, welchen militärischen Sinn Kyros II. im Einsatz turmbewehrter Schiffe noch gesehen haben könnte, hilft der Vergleich mit der Skythenexpedition Dareios᾽ I. Von Herodot erfahren wir, mit welchen Gefahren sich dieser auseinander setzen musste, als er den Istros überqueren wollte, um gegen die Skythen ins Feld zu ziehen: Δαρεῖος δὲ ὡς ἀπίκετο καὶ ὁ πεζὸς ἅμ̕ αὐτῷ στρατὸς ἐπὶ τὸν Ἴστρον, ἐνθαῦτα διαβάντων πάντων Δαρεῖος ἐκέλευσε τούς < τε > Ἴωνας τὴν σχεδίην λύσαντας ἕπεσθαι κατ̕ ἤπειρον ἑωυτῷ 40 Siehe oben Anm. 3. 41 Asheri/Lloyd/Corcella 2007, 212. 42 Hdt. 1,206: […] σὺ δὲ ἡμέων ἀναχωρησάντων ἀπὸ τοῦ ποταμοῦ τριῶν ἡμερέων ὁδὸν διάβαινε ἐς τὴν ἡμετέρην. […]. Übers. v. Josef Feix.

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Der Schiffseinsatz bei der Araxes- Überquerung Kyros᾽ II. καὶ τὸν ἐκ τῶν νεῶν στρατόν. μελλόντων δὲ τῶν Ἰώνων λύειν καὶ ποιέειν τὰ κελευόμενα Κώης […], στρατηγὸς ἐὼν Μυτιληναίων, ἔλεξε […]: »Ὦ βασιλεῦ, ἐπὶ γῆν γὰρ μέλλεις στρατεύεσθαι τῆς οὔτε ἀρηρομένον φανήσεται οὐδὲν οὔτε πόλις οἰκεομένη· σύ νυν γέφυραν ταύτην ἔα κατὰ χώρην ἑστάναι, φυλάκους αὐτῆς λιπὼν τούτους οἵ περ μιν ἔζευξαν. καὶ ἤν τε κατὰ νόον πρήξωμεν εὑρόντες Σκύθας, ἔστι ἄποδος ἡμῖν, ἤν τε καὶ μή σφεας εὑρεῖν δυνώμεθα, ἥ γε ἄποδος ἡμῖν ἀσφαλής· […]«. (Hdt. 4,97) Als Dareios mit seinem Landheer zum Istros kam, befahl er den Ioniern, nachdem alle hinübergegangen waren, die Schiffsbrücke abzubrechen und ihm auf dem Landwege zu folgen. Das gleiche trug er der Schiffsbesatzung auf. Als die Ionier schon an die Ausführung der Befehle und an das Abbrechen der Brücke gingen, sagte Koës, der Feldherr der Mytilenaier […]: ›König, du willst gegen ein Land ziehen, wo du kein Ackerfeld und keine bewohnte Stadt finden wirst. Darum lass doch die Brücke an ihrer Stelle stehen und die zu ihrer Bewachung zurück, die sie gebaut haben. Wenn wir die Skythen finden und alles nach Wunsch geht, gibt es für uns einen Rückweg. Können wir sie aber nicht finden, dann ist uns der Rückweg wenigstens sicher; […]‹.43

Hier sind es die Ionier, welche die Schiffsbrücke gebaut haben und nun bewachen sollten. Diese hatte Kyros II. wahrscheinlich ebenso in seinem Gefolge.44 Die Parallele zu der Araxes-Überquerung Kyros᾽ II. zeigt auch, mit welchen Problemen sich Dareios bei der Bekämpfung der Skythen konfrontiert sah: Die Perser mussten den Feinden hinterher marschieren, sie konnten sich nicht sicher sein, sie überhaupt in einem Gefecht stellen zu können und mussten fürchten, die Skythen könnten ihrerseits selbst ins Persische Reich einfallen. Es ist also denkbar, dass Kyros ebensolche Gefahren bei dem Feldzug gegen die Massageten fürchtete, die laut Herodot den Skythen nicht nur in ihrer Lebensweise ähnelten, sondern auch eine ähnliche Art der Kriegsführung wählten: Sie kämpften zu Pferde und zu Fuß, mit Pfeil und Bogen sowie mit Lanzen und Streitäxten.45 Bei der Araxes-Überquerung könnte Kyros II. die Türme also einerseits für einen sicheren Übergang seiner Truppen an das andere Ufer gebaut haben; andererseits waren sie auch als Abwehrmaßnahme gedacht: Sie sollten verhindern, dass die Massageten, im Falle einer Niederlage der Perser oder 43 Übers. v. Josef Feix. 44 Vgl. Hdt. 3,1,1. 45 Hdt. 1,215: Μασσαγέται δὲ ἐσθῆτά τε ὁμοίην τῇ Σκυθικῇ φορέουσι καὶ δίαιταν ἔχουσι, ἱππόται δέ εἰσι καὶ ἄνιπποι (ἀμφοτέρων γὰρ μετέχουσι) καὶ τοξόται τε καὶ αἰχμοφόροι, σαγάρις νομίζοντες ἔχειν. […]. – »Die Massageten tragen ähnliche Kleidung wie die Skythen und haben auch eine ähnliche Lebensweise. Sie kämpfen zu Pferde und zu Fuß, beides ist ihnen bekannt; sie tragen Pfeil und Bogen ebenso wie Lanzen; auch Streitäxte sind im Gebrauch. […].« Übers. v. Josef Feix.

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für den Fall, dass sie das persische Heer umgingen und zum Fluss marschierten, ins eigene Reich gelangten. Gleichzeitig konnten die Türme auch den eigenen Rückweg sichern. Eine Parallele, zu welchem Zweck Türme an einem Fluss noch errichtet werden konnten, findet sich auch im Zusammenhang mit Caesars Suebenfeldzug. Im Kommentar von How und Wells zu den Historien Herodots wird in Bezug auf die Textpassage zur Araxes-Überquerung Kyros᾽ II. auf eine Stelle in Caesars Bellum Gallicum verwiesen.46 Dort heißt es: Caesar postquam per Ubios exploratores comperit Suebos se in silvas recepisse, inopiam frumenti veritus, quod, ut supra demonstravimus, minime omnes Germani agri culturae student, constituit non progredi longius; sed, ne omnino metum reditus sui barbaris tolleret atque ut eorum auxilia tardaret, reducto exercitu partem ultimam pontis, quae ripas Ubiorum contingebat, in longitudinem pedum ducentorum rescindit atque in extremo ponte turrim tabulatorum quattuor constituit praesidiumque cohortium duodecim pontis tuendi causa ponit magnisque eum locum munitionibus firmat. […]. (Caes. bell. gall. 6,29) Als Caesar durch ubische Kundschafter erfuhr, die Sueben hätten sich in ihre Wälder zurückgezogen, befürchtete er Mangel an Getreide, weil, wie oben gesagt, die Germanen auf Ackerbau kaum Wert legen, und beschloss, nicht weiter vorzurücken; um jedoch den Barbaren nicht alle Furcht vor seiner Rückkehr zu nehmen und die Entsendung ihrer Hilfstruppen zu verzögern, riss er nach dem Rückmarsch seines Heeres nur das Ende der Brücke am ubischen Ufer auf eine Länge von zweihundert Fuß ab, errichtete am linksrheinischen Brückenzugang einen Turm mit vier Stockwerken, legte dorthin eine Besatzung von zwölf Kohorten zum Schutz der Brücke und befestigte den Platz mit mächtigen Werken. […].47

Dieser Auszug zeigt einerseits, dass Türme zur Abwehr an einem Fluss durchaus Sinn ergeben konnten und zwar nicht nur zur Abwehr heranrückender Feinde, sondern auch als Abschreckung. Caesar ließ im Kampf gegen die Sueben einen vier Stockwerke hohen Turm errichten und eine Truppe von zwölf Kohorten zu dessen Schutz zurück. Den Turm setzte er allerdings ans Ufer, nicht auf ein Schiff.48 Die Textstelle lässt andererseits aber auch in besonderer Weise vermuten, wie sehr Caesar mit dem 46 How/Wells 1989, 153. 47 Übers. v. O. Schönberger. 48 Bei Hdt. 1,205 könnte ἐπὶ auch auf τὸν ποταμὸν bezοgen werden (ἐπὶ mit Akk.), dadurch würde allerdings ein langes Hyperbaton entstehen sowie ein Genitivus Absolutus (πλοίων τῶν διαπορθμευόντων), welche diese Übersetzungsmöglichkeit sehr gewagt erscheinen lassen.

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Errichten eines hohen Turms dort in den dichten Wäldern Germaniens wohl auch den Herrschaftsanspruch Roms aufzeigen und den Sueben verdeutlichen wollte, dass den Römern ein erneutes Überschreiten des Rheins jeder Zeit möglich war.49 Den Rhein betrachtete Caesar als die östliche Grenze Galliens50 und als Grenze des römischen Herrschaftsgebietes, selbst wenn dies erst später Wirklichkeit werden sollte.51 Auch die geographische Lage des Araxes war für Kyros II. wohl von besonderer Bedeutung: Der Araxes galt als Grenze zwischen Asien und Europa und lag am nordöstlichen Rand des Persischen Reiches und zumindest nach griechischen Vorstellungen demnach am Rande der damals bekannten, zivilisierten Welt.52 In Anbetracht dessen ist es sehr wahrscheinlich, dass auch Kyros II. am Araxes mit dem Bau einer Schiffsbrücke und dem Errichten von Türmen auf Schiffen nicht nur den unmittelbaren militärischen Zweck im Auge hatte, sondern ebenso seinen eigenen Machtanspruch repräsentieren und inszenieren wollte! Wie sehr sich gerade im altorientalischen Raum an derartig peripheren Gebieten eines Reiches Inszenierungen nachweisen lassen, wie sehr der Akt der Flussüberquerung selbst bereits inszeniert wurde und zu welchem Zweck Kyros II. mit dem Einsatz der ›Turmschiffe‹ eine solche Inszenierung am Araxes angestrebt haben könnte, soll nun im zweiten Teil dieses Beitrages erörtert werden. Im gleichen Zug gilt es aufzudecken, welche altorientalischen Substrate sich hinter der Textstelle bei Herodot verbergen könnten und wie der Autor selbst mit diesen ursprünglichen Informationen umgeht. II. Kyros am Araxes: Eine Inszenierung der Macht? Wie im ersten Teil dieses Beitrages herausgestellt wurde, erfüllten sowohl die Schiffsbrücke als auch der Einsatz der Schiffe, auf denen Türme errichtet wurden, bei der Araxes-Überquerung Kyros᾽ II. im Zuge seines Kampfes gegen die Massageten durchaus einen militärischen Zweck. Vor dem Hintergrund, dass Kyros II. diese Maßnahmen auf einem Fluss am Rande seines Reiches in einer Steppenlandschaft gegen ein nomadisches Reitervolk ergriff, drängt sich jedoch die Vermutung auf, dass der Handlung des Großkönigs an dieser Stelle auch ein ideologisches Moment eigen gewesen sein könnte.53 Bei vielen Völkern im altorientalischen Raum, wie etwa bei den Assyrern, war es traditionell durchaus üblich, an solch markanten geographischen Punkten die eigene Macht in besonderem Maße zur Schau zu 49 50 51 52 53

Johne 2006, 70 mit Anm. 55. Johne 2006, 59 mit Anm. 4; Caes. bell. gall. 1,1,3. Johne 2006, 57 mit Anm. 2; Caes. bell. gall. 4,16,4. ROLLINGER 2013a, 7 f. mit Anm. 16; BICHLER/ROLLINGER 2011, 91. Vgl. ROLLINGER 2013b, 97 f.

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stellen. Diese Machtdemonstrationen konnten auf verschiedene Weise erfolgen. Ein Beispiel in diesem Zusammenhang zeigt, dass eine solche Inszenierung durch eine, zumindest dem Anschein nach, gewagte Schifffahrt auf einem Meer am Weltenrand stattfinden konnte, wie bei Tiglatpilesar I. (1114–1076 v. Chr.) auf dem Mittelmeer54: Wahrlich fuhr ich auf Schiffen der Leute von Arwad (ins Meer) hinaus. […] bis zur Stadt Ṣamuru im Land Amurru. Einen nāḫiru, den sie ein Pferd des Meeres nennen, tötete ich in der Mitte des Meeres.55

Der Ruhm Tiglatpilesars I., den er durch seine Fahrt von der phönizischen Stadt Arwad aus auf das offene Mittelmeer hinaus zu erlangen versuchte, wurde noch dadurch gesteigert, dass er in einer heroischen Tat einen als nāḫiru bezeichneten Fisch erlegt haben soll, von welchem er anschließend Statuen anfertigen ließ.56 Ein weiteres Beispiel in diesem Zusammenhang liefert die Kampagne Sargons II. im Osttigrisland gegen Urartu (715/714 v. Chr.)57: Im Distrikt von Sumbi setzte ich eine Inspektion meiner Truppen an und musterte die Zahl der Pferde und Streitwagen. Mit der großen Unterstützung von dAššur, dŠamăs, dNabû (und) d Marduk führte ich zum dritten Male den Marsch in das Bergland durch. Gegen Zikirtu und Andia ließ ich das Joch (der Wagen) von dNergal (und) dAddu, (deren) Standarten vor mir herzogen, ausrichten.58

Sargon II. hielt im Osttigrisland am Rande seines Reiches offenbar eine Heeresschau ab, mit der er seine eigene Macht demonstrieren wollte.59 Wie schon orientalische Herrscher vor Kyros II., so ließen auch seine persischen Nachfolger keine Gelegenheit aus, sich bei einem Feldzug am Rande ihres Reiches in Szene zu setzen. Herodot berichtet uns über solche Inszenierungen nicht nur bei der berühmten Bosporus-Überquerung des Xerxes, als dieser das Meer geißeln ließ60, sondern zum Beispiel auch im Zusammenhang mit dem Skythenfeldzug des Dareios:

54 55 56 57 58 59 60

Rollinger 2013b, 101. RIMA 2, A.0.87.3, Z. 21–25. Rollinger 2013b, 101. Ebd., 99 mit Anm. 20. Sargons Inschrift Zeile 12–14 (Mayer 1982, 68 f.); vgl. Rollinger 2013b, 99 mit Anm. 20. Siehe hierzu auch den Beitrag von Norbert Kramer in diesem Band. Hdt. 7,35; s. dazu Bichler 2001, 267 und bes. Rollinger 2013b, 103 ff.

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Der Schiffseinsatz bei der Araxes- Überquerung Kyros᾽ II. Δαρεῖος δὲ ἐπείτεπορευόμενος ἐκ Σούσων ἀπίκετο τῆς Καλχηδονίης ἐπὶ τὸν Βόσπορον, ἵνα ἔζευκτο ἡ γέφυρα, ἐνθεῦτεν ἐσβὰς ἐς νέα ἔπλεε ἐπὶ τὰς Κυανέας καλευμένας, τὰς πρότερον πλαγκτὰς Ἕλληνές φασι εἶναι, ἑζόμενος δὲ ἐπὶ τῷ ἱρῷ ἐθηεῖτο τὸν Πόντον, ἐόντα ἀξιοθέητον· […] (Hdt. 4,85) Dareios brach von Susa auf und kam an die Stelle des Bosporus in dem Gebiete von Kalchedon, wo die Brücke geschlagen worden war. Er stieg dort in ein Schiff und segelte zu den sogenannten Kyanischen Felsen, die sich nach einer griechischen Sage früher bewegt haben sollen. Er setzte sich in den Tempel und betrachtete den sehenswerten Pontos. […]61

Die Fahrt des Dareios auf dem Bosporus zu den Kyanischen Felsen, die wohl auch auf einen griechischen Mythos anspielt,62 zeigt, dass eine Schifffahrt am Rande des eigenen Reiches wie bereits bei Tiglatpilesar I., bis weit in die persische Zeit hinein ein beliebtes Mittel war, die eigene Macht zu inszenieren. Doch auch die Tradition der Heeresschau an solch markanten Punkten, wie bereits an dem Beispiel Sargons II. gezeigt werden konnte, setzte sich unter den Persern fort: ὁ δὲ Δαρεῖος ὡς ἐθεήσατο τὸν Πόντον, ἔπλεε ὀπίσω ἐπὶ τὴν γέφυραν, τῆς ἀρχιτέκτων ἐγένετο Μανδροκλέης Σάμιος· θεησάμενος δὲ καὶ τὸν Βόσπορον στήλας ἔστησε δύο ἐπ αὐτῷ λίθου λευλοῦ, ἐνταμὼν γράμματα ἐς μὲν τὴν Ἀσσύρια, ἐς δὲ τὴν Ἑλληνικά, ἔθνεα πάντα ὅσα περ ἦγε· ἦγε δὲ πάντα τῶν ἦρχε τούτων μυριάδες ἐξηριθμήθησαν, χωρὶς τοῦ ναυτικοῦ, ἑβδομήκοντα σὺν ἱππεῦσι, νές δὲ ἑξακόσιαι συνελέχθησαν. […]. (Hdt. 4,87) Nachdem Dareios den Pontos betrachtet hatte, fuhr er zurück zur Brücke, deren Erbauer Mandrokles aus Samos war. Er sah sich auch den Bosporos an und ließ am Ufer zwei Säulen aus Marmor errichten mit allen Volksstämmen, aus denen sein Heer bestand, auf der einen Säule in assyrischer Sprache eingemeißelt, auf der anderen in griechischer. Er führte alle Stämme mit, die zu seinem Reiche gehörten. Außer der Flotte zählte man insgesamt 700 000 Mann zu Fuß und Pferde; die Flotte bestand aus 600 Schiffen. […]63

Neben der Vorführung all seiner mitgeführten Untertanen sowie der eigenen Flotte, ließ Dareios am Bosporus zusätzlich noch Stelen aufstellen, um Vorbeiziehenden gleich an Ort und Stelle seine Macht und vor allem seinen Herrschaftsanspruch vor

61 Übers. v. Josef Feix. 62 Hdt. 4,85; vgl. Rollinger 2013b, 97 f. mit Anm. 12. 63 Übers. v. Josef Feix.

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Augen zu führen.64 Auch nach der Fertigstellung des Suezkanals sowie am Fluss Tearos ließ er seine Person auf diese Weise rühmen.65 Die vorangegangenen Beispiele zeigen, wie sehr gerade orientalische Herrscher bis weit in die achaimenidische Zeit hinein darauf bedacht waren, am Rande ihres Herrschaftsbereiches die eigene Macht in Szene zu setzen und dies zu dokumentieren. Neben eingegangenen Wagnissen, wie das Befahren eines Gewässers an der Grenze der Welt, lässt sich am Beispiel des Dareios, der Säulen und Stelen errichten ließ, ablesen, dass eine solche Inszenierung ebenfalls von einem baulichen Aspekt begleitet werden konnte. Auch Kyros II. präsentierte sich am Araxes, der nördlichen Grenze seines Reiches, als Demiurg, indem er zum einen Türme auf Schiffen, zum anderen die Schiffsbrücke selbst erbauen ließ, mit der sein Heer den Fluss überqueren konnte.66 In diesem Kontext ist es kaum überraschend, dass auch der bloße Akt der Flussüberquerung während eines Kriegszuges zu den üblichen Taten eines orientalischen Herrschers gehörte, von denen gerne berichtet wurde. So lässt etwa Dareios I. später seine Tigris-Überquerung in der Behistun-Inschrift ruhmvoll festhalten: Ich ließ die Truppen GIŠ.MÁ.MEŠ šá KUŠ besteigen. Zusammen mit Pferden (und) Kamelen überquerten wir den Tigris. Auramazdā stand mir bei. Unter dem Schutz Auramazdās überquerten wir den Tigris. Ich schlug die Truppen Nidintu-Bēls.67

Neben der schriftlichen Erwähnung erfolgreicher Flussüberquerungen, welche die Führungsqualitäten und damit das Ansehen eines Herrschers, wie hier bei Dareios I., steigern sollten, wurden diese im orientalischen Raum ebenso gerne bildlich dargestellt. Auf den Reliefs des Bronzetores in Balawat etwa wird in mehreren Szenen

64 Rollinger 2013b, 98. 65 Rollinger 2013b, 98 mit Anm. 15; Hdt. 4,91: ἐπὶ τοῦτον ὦν τὸν ποταμὸν ἀπικόμενος ὁ Δαρεῖος ὡς ἐστρατοπεδεύσατο, ἡσθεὶς τῷ ποταμῷ στήλην ἔστησε καὶ ἐνθαῦτα, γράμματα ἐγγράψας λέγοντα τάδε· Τεάρου ποταμοῦ κεφαλαὶ ὕδωρ ἄριστόν τε καὶ κάλλιστον παρέχονται πάντων ποταμῶν· καὶ ἐπ̕ αὐτὰς ἀπίκετο ἐλαύνων ἐπὶ Σκύθας στρατὸν ἀνὴρ ἄριστός τε καὶ κάλλιστος πάντων ἀνθρώπων, Δαρεῖος ὁ Ὑστάσπεος, Περσέων τε καὶ πάσης τῆς ἠπείρου βασιλεύς. ταῦτα δὴ ἐνθαῦτα ἐγράφη. – »Als Dareios ein Lager an diesem Fluss aufgeschlagen hatte, errichtete er aus Freude über den Fluss dort auch eine Säule, in die er einen Spruch folgenden Inhalts einmeißeln ließ: ›Die Quellen des Tearos spenden das beste und schönste Wasser von allen Flüssen. Hierher kam auf seinem Zug gegen die Skythen der beste und schönste Mann unter allen Menschen, Dareios, der Sohn des Hystaspes, König der Perser und des ganzen Festlandes.‹ Diese Inschrift ließ er dort einmeißeln.« Übers. v. Josef Feix. 66 Rollinger 2013b, 102 f. mit Anm. 45. 67 DB (bab.) Z. 34–36 (Voigtlander 1978, 21), vgl. Rollinger 2013a, 65.

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gezeigt, wie die assyrische Armee über eine Ponton-Brücke einen Fluss überquert.68 Aus diesen bildlichen Darstellungen wird nicht nur deutlich, wie eine solche Schiffsbrücke ausgesehen haben mag. Die Reliefs zeigen auch, dass es dem Herrscher sogar möglich war, ganze Streitwagen auf einer solchen Brücke auf die andere Uferseite zu bewegen. Hier wird ganz klar das technische ›Know-How‹ des assyrischen Königs dokumentiert. So ist es denn auch kaum verwunderlich, dass auf einem Fries des Balawat-Tores die Konstruktion einer solchen Schiffsbrücke in besonderem Maße hervorgehoben wird.69 An dieser Stelle ist also festzuhalten, dass Machtinszenierungen sowohl an peripheren Bereichen des eigenen Reiches als auch durch den Akt der Flussüberquerung selbst auf eine lange Tradition im altorientalischen Raum zurückblicken konnten.70 Kyros II. griff am Araxes offenbar auf diese Vorbilder zurück und reihte sich dadurch in diese Tradition altorientalischer Könige ein. Bevor es zu untersuchen gilt, aus welcher Motivation heraus Kyros II. eine solche Inszenierung angestrebt haben könnte, soll unser Augenmerk zunächst jedoch noch einmal auf die von Kyros II. erbauten ›Turmschiffe‹ zurückgelenkt werden. Lassen sich für derartige Konstruktionen, die genau für eine bestimmte Situation entworfen worden waren, nicht auch altorientalische Vorbilder finden? Dem griechischen Historiker Herodot, der in seinem Werk nicht weiter auf den Hintergrund und den militärischen Sinn der ›Turmschiffe‹ einging, dürften diese ›ungriechischen‹ Hilfsmittel bei einem Feldzug wohl fremdartig vorgekommen sein. Im orientalischen Raum waren jedoch Schiffe beziehungsweise Schiffskonstruktionen, die, wie die mit Türmen ausgerüsteten Schiffe bei der Araxes-Überquerung Kyros᾽ II. für einen speziellen Anlass konstruiert und eingesetzt zu sein schienen, nichts Ungewöhnliches.71 So berichtet uns ebenfalls Herodot, dass schon die Babylonier ein eigens für einen bestimmten Zweck entworfenes Boot besaßen: τὸ δὲ ἁπάντων θῶμα μέγιστόν μοί ἐστι τῶν ταύτῃ μετά γε αὐτὴν τὴν πόλιν, ἔρχομαι φράσων. τὰ πλοῖα αὐτοῖσί ἐστι τὰ κατὰ τὸν ποταμὸν πορευόμενα ἐς τὴν Βαβυλῶνα ἐόντα κυκλοτερέα πάντα σκύτινα. (Hdt. 1,194,1)

68 De Grave 1981, Plate XVI Abb.43-45.; Rollinger 2013a, 67 f., 172–175 Abb. 61-67. 69 De Grave 1981, Plate XVII Abb. 46; Rollinger 2013a, 68, 176 Abb. 68 u. 69. 70 Für weitere Beispiele von Flussüberquerungen altorientalischer Herrscher vor Kyros II. s.u. und insbesondere Rollinger 2013a, 48–73. 71 De Graeve 1981, 184–186.

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Dennis Möhlmann Die allergrößte Merkwürdigkeit, die das Land noch außer der Hauptstadt zeigt, will ich jetzt beschreiben. Ich meine seine Schiffe, auf denen man nach Babylon fährt. Sie sind alle kreisrund und aus Leder.72

In der weiteren Beschreibung dieser kreisrunden Schiffe heißt es bei Herodot, sie seien aus Weiden, Tierhäuten und Stroh hergestellt und angetrieben von zwei Ruderern, wobei der eine das Ruder an sich ziehe, der andere es wegstoße. Da der Euphrat auf Grund seiner Strömung nicht in Richtung Armenien befahrbar gewesen sei (ἀνὰ τὸν ποταμὸν γὰρ δὴ οὐκ οἷά τέ ἐστι πλέειν οὐδενὶ τρόπῳ ὑπὸ τάχεος τοῦ ποταμοῦ)73, seien sie nur stromabwärts nach Babylon einsetzbar gewesen. Nach der Ankunft in Babylon würden sie auseinander gebaut werden, und man kehre dann über Land nach Armenien zurück.74 Obgleich Herodot an dieser Stelle zwei Wasserfahrzeugtypen miteinander verbindet, nämlich den kellek75 und die guffa76, wird aus seiner Schilderung deutlich, dass hier die geographische Situation den Einsatz spezieller Schiffskonstruktionen notwendig machte. Auch für militärische Flussüberquerungen mit einem Heer, wie bei der Araxes-Überquerung Kyros᾽ II., gibt es eine Parallele im orientalischen Raum, bei der spezielle Schiffe zum Einsatz kamen. Aus den Annalen des assyrischen Königs Assurnasirpal II. geht hervor, dass dieser zur Überquerung des Euphrats eigens Boote anfertigen ließ: Auf Booten, die man (eigens) anfertigte, sowie auf dušû-Booten, die unterwegs zusammen (mit dem Heer) mitliefen (=mitgeführt wurden), überquerte ich bei Haridu wahrlich den Euphrat.77

72 Übers. v. Josef Feix. 73 Hdt. 1,194,5: »Es ist nämlich wegen der starken Strömung ganz unmöglich, stromaufwärts zu fahren. […]« Übers. v. Josef Feix. 74 Hdt. 1,194; vgl. Göttlicher 2006, 23 f. 75 Der kellek stellt eine Erweiterung eines Floßes dar. Über aufgeblasene und verbundene Tierbälge wird ein System aus Latten oder Stämmen gelegt. Dieses Floß lässt sich stromabwärts treiben, zerlegen und wieder stromaufwärts transportieren. Es ist jedoch niemals kreisrund; Göttlicher 2006, 24, 141 Abb. 14; De Graeve 1981, 82–85, Plate XXII Abb. 54. 76 Bei der runden guffa wird über ein leichtes Gerüst aus stärkeren Zweigen eine Tierhaut gespannt. Mit Fett oder Teer wird das Boot wasserdicht gemacht. Die guffa zählt zu den Korb-, Leder- oder Fellbooten; Göttlicher 2006, 24, 141 Abb. 13; De Graeve 1981, 85, 89. 77 RIMA 2, A.0.101.1, III 33 f. (Grayson 1991, 214); vgl. Rollinger 2013a, 48 mit Anm. 88.

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Neben den dušû-Booten, welche das Heer auf seinem Marsch mitführte,78 ließ Assurnasirpal II. offenbar eine »Art ›selbstgemachter‹ Boote«79 vor Ort herstellen, um den Euphrat überqueren zu können.80 Die Beispiele von Bau und Gebrauch spezieller Boote in Babylon und bei der Euphrat-Überquerung Assurnasirpals II. machen deutlich, dass Kyros II. nicht nur durch das Errichten einer Schiffsbrücke am Rande der Welt, sondern auch mit dem Einsatz seiner speziellen Schiffskonstruktionen eine im orientalischen Raum nicht unbekannte Vorgehensweise aufgriff, die vor allem das technische und organisatorische Vermögen des Herrschers demonstrieren sollte.81 Daher ist es kaum verwunderlich, dass auch diese (eigenen) Wasserfahrzeuge gerne bildlich in Szene gesetzt wurden. So finden sich Darstellungen der bereits zuvor genannten Bootstypen kellek und guffa auch auf Reliefs im Südwest-Palast des assyrischen Königs Sanherib;82 die guffa des Weiteren auch im Palast Assurnasirpals II. in Nimrud83 und an den Toren Salmānu-ašarēds III. in Balawat.84 Kommen wir nun zu der Frage zurück, aus welcher Motivation heraus Kyros II. eine solche Machtinszenierung am Araxes angestrebt haben könnte. Auf der einen Seite besaßen der Bau der Schiffsbrücke und der Türme auf den Schiffen einen repräsentativen Charakter: Der Großkönig demonstrierte seinen Untertanen, dass er für jede Situation das richtige Equipment besaß, dass es kein Hindernis gab, das er nicht überwinden und keine Gefahr, der er sich nicht entgegenstellen könne.85 Damit vermochte er vor Ort die Moral der eigenen Truppen anzuheben. Wie erfolgreich diese Machtinszenierung Persiens am Araxes gewesen sein dürfte, wird nicht zuletzt durch die Reaktion der Massagetenkönigin Tomyris auf seinen Feldzug deutlich. Eingeschüchtert von dem Anblick des persischen Hee-

78 Bei den dušû-Booten könnte es sich um Schwimmbälge oder um eine Art von Schlauchflößen handeln; dazu im Einzelnen Rollinger 2013a, 48–57. 79 Rollinger 2013a, 48. 80 Ebd. 81 Vgl. dazu auch De Graeve 1981, 184–186. 82 Darstellungen des kellek zu sehen bei Barnett/Bleibtreu/Turner 1998, Plate 106 Abb. 147a, Plate 226 Abb. 309a; De Graeve 1981, Plate XVIII Abb. 49 u. 50, Plate XXII Abb. 54; Darstellungen der guffa bei Barnett/Bleibtreu/Turner 1998, Plate 106 Abb. 147a; De Graeve 1981, Plate XIX Abb. 50, Plate XXIII Abb. 55. 83 De Graeve 1981, Plate XI Abb. 36. 84 Ebd., Plate XIV Abb. 40. 85 Vgl. das spätantike Werk Itinerarium Alexandri, in dem die Weisheit (sapientia) Alexanders bei der Überschreitung des Oxos besonders hervorgehoben wird; Itinerarium Alexandri 77. Dazu Rollinger 2013a, 13–15.

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res und angesichts der Bestrebungen Kyros᾽ II., den Fluss zu überqueren, versuchte sie ihn durch einen Boten dazu zu bewegen, von seinem Vorhaben abzusehen.86 Auf der anderen Seite reihte sich Kyros II., wie bereits aufgezeigt wurde, mit seinen Handlungen am Araxes in eine lange Tradition altorientalischer Könige ein. Allein seine Außenpolitik zeugt davon, wie bedeutend ihm die politische und administrative Einbindung des neubabylonischen Reiches und aller anderen Länder im Alten Orient in sein eigenes zu sein schien.87 Doch warum war ihm das Anknüpfen an alte Traditionen so wichtig? Kyros II. brauchte die Anerkennung der Völker, die er erobert hatte. Er musste ihnen beweisen, dass er der Herrschaft über sie würdig war, um von den indigenen Bevölkerungsgruppen akzeptiert zu werden. Diese Akzeptanz versuchte er auf dynastischem Wege zu erreichen88 oder durch religiöse Legitimation: So lässt sich der ›König von Anšan‹ bereits auf dem berühmten Kyroszylinder als vom (babylonischen) Gott Marduk selbst eingesetzten und legitimen König von Babylon vorstellen.89 Wie an dem Kyroszylinder, dessen inhaltliche Struktur und Stil sich an babylonische Vorbilder anlehnen,90 abzulesen ist, sah sich Kyros II. eben nicht nur als König der Perser, sondern auch als König aller einzelnen Untertanenvölker. Eine weitere Möglichkeit und Notwendigkeit, seine eigene Herrschaft zu legitimieren und von den indigenen Völkern in seinem Herrschaftsgebiet akzeptiert zu werden, lag daher auch darin, das Verhalten vorheriger orientalischer Herrscher zu imitieren. Wie sich aus den bildlichen Darstellungen auf den Reliefs des Balawat-Tores, des Südwest-Palastes des assyrischen Königs Sanherib und des Palastes Assurnasirpals II. in Nimrud sowie aus den schriftlichen Überlieferungen altorientalischer Flussüberquerungen und Machtinszenierungen am Rande der Welt entnehmen lässt, war es für die assyrischen wie auch für die babylonischen Könige wichtig, ihre technischen und organisatorischen Fähigkeiten zur Schau zu stellen und ihre Großtaten in Szene zu setzen.91 Durch das Errichten der Schiffsbrücke und der Türme auf den Schiffen, die seinen Erfindungsreichtum besonders hervorheben sollten, gelang es Kyros II., genau diese orientalischen Herrschertugenden aufzugreifen und sich dadurch direkt als assyrischer beziehungsweise babylonischer König zu legitimieren. Auch die Nachfolger Kyros᾽ II. bedienten sich neben der 86 Hdt. 1,206. 87 Siehe dazu u. a. Schaudig 2001, 554–556; Young 2008, 24–46 u. Wiesehöfer 2002, 23–27. 88 Zur angeblichen Abstammung Kyros᾽ II. von Teispes und zur Genealogie des Perserkönigs siehe u. a. Waters 2014, 147–151; Young 2008, 24–28. 89 Schaudig 2001, 550–556; Zur persischen ›Religionspolitik‹ siehe auch Waters 2014, 43–51, 151–156. u. Young 2008, 24–46; 90 Schaudig 2001, 554–556; Vgl. dazu u. a. Waters 2014, 35–37, 43–51; Young 2008, 36–41. 91 Rollinger 2013b, 102 mit Anm. 42.

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dynastischen und der religiösen Legitimation92 weiterhin der Möglichkeit, durch einen Akt der Inszenierung und durch die Demonstration der eigenen technischen und organisatorischen Fähigkeiten bei den Untertanenvölkern Akzeptanz zu finden. Dies lässt sich nicht nur an den Beispielen des Dareios und Xerxes,93 sondern bis weit über die ›achaimenidische‹ Zeit hinaus nachweisen.94 Die Tatsache, dass Kyros II. seinen Feldzug an der Grenze zwischen Europa und Asien führte,95 verstärkt nicht nur seine Machtinszenierung, sondern bedient auch eine weitere, persische Herrschaftsideologie: Den Anspruch auf Weltherrschaft und damit auf die Herrschaft über alle Könige, die auf einem Thron sitzen.96 Die direkte oder auch nur indirekte Kontrolle über die Gebiete jenseits des Araxes hätte diesen Anspruch Kyros᾽  II. in besonderer Weise untermauert.97 Vor diesem Hintergrund lässt sich vermuten, dass Kyros II. letztlich gar nicht so sehr auf einen Sieg gegen die Massageten bei seiner Araxes-Überquerung aus war, sondern dass es ihm vielmehr darum ging, den Machtanspruch Persiens an dieser Grenze zu inszenieren.98 Sowohl die Flussüberquerung Kyros᾽ II. als auch der Einsatz spezieller Schiffskonstruktionen, die beide das technische und organisatorische Vermögen eines Herrschers veranschaulichen sollten, lassen sich also in einen altorientalischen Kontext verorten.99 Herodot, als Verfasser der Textpassage über die Araxes-Überquerung Kyros᾽ II., gibt in seiner Darstellung demnach durchaus autochthon-orientalische Elemente wieder, auch wenn nicht ganz klar wird, woher er diese hat.100 Ob Herodot 92 Dies verdeutlicht auch das bereits zuvor gezeigte Beispiel der Tigris-Überquerung des Dareios, der sich dabei unter den Schutz Auramazdās stellte, siehe oben S. 136; DB (bab.) Z. 34–36 (Voigtlander 1978, 21). 93 S. o.; dazu auch Rollinger 2013a, 73 und Rollinger 2013b, 102–104. 94 So lassen sich Inszenierungen an den äußeren Grenzen eines Reiches auch noch bei Alexander (Arrian Anab. 6,19,4–5) und sogar noch bei dem sassanidischen König Khusrau I. nachweisen, Rollinger 2013b, 108 mit Anm. 69; Vgl. dazu Rollinger 2013a, 83–88. 95 S. oben Anm. 52. 96 Schaudig 2001, 553–556; Vgl. Rollinger 2013b, 109 mit Anm. 72, 110 mit Anm. 78. 97 Rollinger 2013a, 7 f. mit Anm. 17. 98 Rollinger 2013b, 109. 99 S. o.; De Graeve 1981, 184–186; Rollinger 2013b, 98. 100 Aus seinen Ausführungen am Anfang seiner Erzählung über die Massageten könnte der Schluss gezogen werden, dass er seine Informationen wohl, zumindest zum Teil, auch aus mündlicher Überlieferung erhielt: Hdt. 1,201: λέγεται (wie man erzählt). Zur Problematik solcher Aussagen bei Herodot, siehe jedoch u. a. Fehling 1971; Irwin 2007; Nesselrath 2013, 85–92 und Rollinger 2013b, 95 f. Zu den Informationsquellen Herodots für persische Ereignisse siehe auch West 2011, 255–269. Am Ende der Passage über den Massageten-Feldzug schreibt Herodot noch weiter Aufschlussreiches: Hdt. 1,214: Τὰ μὲν δὴ κατὰ τὴν Κύρου τελευτὴν τοῦ βίου πολλῶν λόγων λεγομένων ὅδε μοι ὁ πιθανώτατος εἴρηται. – »Dieser Bericht über das Lebensende des Kyros ist von den vielen, die im Umlauf sind, meiner Meinung nach

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nun die Bedeutung für Kyros II. hinter dem Feldzug gegen die Massageten und der bloßen Überquerung des Araxes verstand oder nicht,101 so half ihm seine Erzählung jedoch auch in bedeutendem Maße, das Konzept seines Werkes aufrecht zu erhalten und innerhalb dessen Kontinuität zu schaffen. Um das zu veranschaulichen, ist es hilfreich, sich den Kontext der Araxes-Überquerung Kyros᾽ II. bei Herodot noch einmal vor Augen zu führen: Kyros zog an den Fluss Araxes, der die äußere Grenze seines Reiches markierte, um einen Kriegszug gegen das Volk der Massageten zu führen. Von seinem Gefolge wurde er davor gewarnt, den Fluss zu überschreiten und in den Krieg zu ziehen. Dieser Warnung schenkte Kyros II. allerdings kein Gehör. Stattdessen stimmte er dem Vorschlag des Kroisos zu, das persische Heer über den Fluss zu setzen und die offene Schlacht mit den Massageten zu suchen. Auf der anderen Seite des Araxes brachten die vermeintlich primitiven Massageten102 den Persern anschließend jedoch eine verheerende Niederlage bei, bei der Kyros selbst den Tod fand.103 Wie Josef Wiesehöfer schon treffend formuliert hat, ist ein zentrales Thema in den Historien Herodots die Verlockung und Gefahr von Herrschaft, aus welchen Gründen ihr die Großen der Welt erliegen, an welchen Gegnern sie scheitern und weshalb. In diesem Entwurf, so Wiesehöfer, spielten natürlich auch göttlich gesetzte Grenzen eine wichtige Rolle, deren Überschreiten für den Eroberer fatale Konsequenzen hatte.104 Kyros erlag demnach der Hybris, als er besessen von der Herrschaft, sich mit der Größe seines Reiches nicht abfinden konnte, Warnungen ignorierte105 und dann auch noch den Araxes als göttlich gesetzte Grenze überquerte.106 Die Hybris Kyros᾽ II. lag aber freilich nicht in dem Einsatz von Schiffen auf der glaubwürdigste.« Übers. v. J. Feix. Wie Herodot selbst angibt, hatte er also offenbar verschiedene Versionen der Ereignisse vorliegen und eine subjektive Auswahl darüber getroffen, welche Informationen er weitergibt. 101 Vgl. dazu Rollinger 2013b, 104. Vgl. auch die Beiträge von Robert Rollinger und Norbert Kramer in diesem Band. 102 Bichler/Rollinger 2011, 90 f. 103 Hdt. 1,205–214; Auf die werkimmanenten Zusammenhänge der Rolle der Frauen bei Herodot sowie auf die Person des Kroisos, dem einstigen Gegner Kyros᾽ II., der allein in der Überlieferung der griechischen Autoren Bakchylides und Herodot überlebte (Kroisos fand wahrscheinlich in den 540er Jahren v. Chr. in den Kämpfen um Sardeis bereits den Tod, vgl. Wiesehöfer 22002, 24; Xenophon lässt ihn als alten Mann in seinem Königspalast sterben, Xen. Kyr. 7,1 f. u. 25 f.) und nun bei Herodot der Berater Kyros᾽ II. wurde, kann im Rahmen dieses Beitrages nicht eingegangen werden. Dazu u. a. Bichler 2001, 266–269; Bichler/ Rollinger 2011, 88–91; Marincola 2006, 13–28. Zur Rolle der Frauen in Herodots Werk siehe Blok 2002, 225–244. 104 Wiesehöfer 2013a, 278. 105 Wie etwa auch Dareios bei seinem Feldzug gegen die Skythen, Hdt. 4,97. 106 Bichler 2001, 267–269. Das erzählerische Konzept Herodots von einer begangenen Hyb-

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Der Schiffseinsatz bei der Araxes- Überquerung Kyros᾽ II.

dem Araxes, doch lässt sich auch dieser in den Kontext der Historien einordnen: Durch den Einsatz von Schiffen bei der Flussüberschreitung Kyros᾽ II. erscheint sein Krieg gegen die Massageten so nämlich als ein Feldzug, der mit Landtruppen und Schiffen geführt wird. Dadurch konnte Herodot ihn als erzählerisches Vorspiel für den Skythenfeldzug des Dareios ebenso wie für das spätere Unternehmen des Xerxes gegen die Griechen verwenden.107 III. Zusammenfassung In Anbetracht der beiden Kapitel dieses Beitrages wird deutlich, welche mannigfaltigen Forschungsaspekte und Fragen eine solch kurze Textpassage, wie die Erzählung Herodots über die Araxes-Überquerung Kyros᾽ II., offen legen und aufwerfen kann. Im ersten Teil dieses Beitrages wurde herausgestellt, dass es sich bei den Brücken, die Kyros II. über den Fluss errichten ließ, um Schiffsbrücken handelte. Zusätzlich zu diesen ließ er Türme errichten, die eventuell auf den Schiffen, welche die Schiffsbrücke selbst gebildet haben, wahrscheinlicher aber auf Schiffen errichtet wurden, die zusätzlich zu der Schiffsbrücke den Araxes entlang fahren sollten. Im militärischen Kontext mögen sie der Abschreckung der Feinde, für den sicheren Übergang der eigenen Truppen und als Abwehrmaßnahme gegen einen Einfall der Massageten gedient haben. Der Großkönig hatte mit der Araxes-Überquerung aber wohl nicht nur den unmittelbaren militärischen Zweck im Auge. Im zweiten Teil dieses Beitrages konnte verdeutlicht werden, dass Inszenierungen von Flussüberquerungen und anderer Handlungen an peripheren Gebieten eines Reiches nicht unüblich im orientalischen Raum waren. Da sowohl in Babylon eigene Bootstypen entwickelt wurden als auch bei Assurnasirpal II. eigens erbaute Boote Verwendung fanden, lässt sich auch die Errichtung von Türmen auf Schiffen unter Kyros II. in einen altorientalischen Kontext verorten.108 Diese Mittel wurden gerne genutzt, um den eigenen Erfindungsgeist, das eigene (Kriegs-)Geschick und damit schließlich auch die eigene Macht zur Schau zu stellen. Kyros II. konnte mit seinen Handlungen am Araxes seine Führungsqualitäten beweisen und so vor Ort die Moral seiner Truppen steigern. Durch sein Auftreten am Araxes gelang es ihm, seine Feinde einzuschüchtern und ihnen den Herrschaftsanspruch Persiens zu demonstrieren. Gleichris und der daraus resultierenden Katastrophe für einen Herrscher lässt sich auch im Zusammenhang mit Kroisos nachweisen. Auch dieser missachtete Warnungen (Hdt. 1,71), überschritt den Fluss Halys als entscheidende Grenze und verlor daraufhin die entscheidende Schlacht gegen die Perser. Vgl. Bichler/Rollinger 2011, 88–91. 107 Bichler 2001, 267. 108 Vgl. De Graeve 1981, 184–186.

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Dennis Möhlmann

zeitig stellte er sich durch seine Machtinszenierung und der Zurschaustellung seiner technischen Fähigkeiten in die Tradition anderer orientalischer Könige, wodurch er seine eigene Herrschaft zu festigen und zu legitimieren versuchte. Dieser Möglichkeit der Legitimation bedienten sich auch die Nachfolger Kyros᾽ II. Wie in diesem Zusammenhang schließlich dargelegt wurde, gibt Herodot in seinem Bericht über die Araxes-Überquerung Kyros᾽ II. wohl durchaus autochthon-orientalische Elemente wieder. Ohne auf den Bedeutungshintergrund für den persischen Großkönig einzugehen, benutzte er diese Informationen jedoch, um sie in das Konzept seines Werkes einzubinden, indem er, insbesondere mit dem Einsatz von Schiffen bei dem Feldzug Kyros II. gegen die Massageten, Kontinuität in sein Werk brachte.109

109 Vgl. Bichler 2001, 267.

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DIE GEPFÄHLTEN REITER Herodots Skythen-Bild zwischen Realität und Fiktion Monika Schuol

Abstract: This contribution deals with the question of how new archaeological evidence from the territory of ancient Scythia confirms Herodotus’ description, which applies for example to the funerary customs of the Scythians. His writing on the Scythians is based on what he learned from informants in the Greek cities of the Black Sea coast. Therefore his account focuses on the northern Pontic steppes as a Graeco-Scythian contact zone including the estuaries of Bug and Dniepr, the Scythian settlements and fortifications and the Greek Cities of Berezan and Olbia. Apparent contradictions can be explained by the fact that Herodotus’ Scythian logos depends on various traditions and refers to the Scythian culture in the vast space between the Danube and Central Asia over a long period of time. In summary, it could be emphasized that Herodotus provides authentic data and high-quality information, in particular regarding the Scythian way of life in interaction with their natural environment.

I. Einleitung Als Herodot Dareios I. seinen Skythenfeldzug führen lässt, kann er diese Kriegsgegner des Achaimenidenherrschers in der nördlichen Schwarzmeerregion als bekannt voraussetzen: Schon in der Kroisos-Geschichte und in seinem Μηδικὸς λόγος (Hdt. 1,95–106), also im Zusammenhang mit der Entstehung des Mederreichs, hatte Herodot die Skythen eingeführt (Hdt. 1,73–75.103–106). 28 Jahre lang hatten sie zur Zeit des Mederkönigs Kyaxares (625–585 v. Chr.) und des Pharaos Psammetichos II. (595–589 v. Chr.) Teile Asiens und Ägypten unter ihrer Herrschaft, bevor sie von Kyaxares gegen Ende seiner Regierungszeit vertrieben und in ihre ursprünglichen Siedlungsgebiete zurückgedrängt wurden. Erstmals hatten sich die Skythen also in der ersten Hälfte des 6. Jh. als militärisch so stark erwiesen, dass sie dem Expansionsdrang eines altorientalischen Reiches für fast drei Jahrzehnte Stillstand aufzwingen konnten. Die Skythen-Herrschaft fungiert in Herodots Medien-Logos gewis145

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sermaßen als retardierendes Moment: Kyaxares musste die Eroberung Assyriens abbrechen (Hdt. 1,103) und konnte sie erst nach Beendung der skythischen Vorherrschaft über medisches Territorium fortsetzen (Hdt. 1,106). Aber nur durch eine List wurde er wieder faktisch regierender König im eigenen Reich, indem er nämlich die skythischen Eindringlinge zum Gastmahl einlud, betrunken machte und abschlachten ließ.1 Genau an diesem Wendepunkt der medischen Geschichte, der erzwungenen Rückkehr der überlebenden Skythen in ihre Heimat am Schwarzen Meer, setzt Herodots großer Skythen-Logos ein (Hdt. 4,1–82).2 Zwischen der Skythenherrschaft in Vorderasien zur Zeit des Mederkönigs Kyaxares und dem Skythenfeldzug Dareios’ I. (513/12 v. Chr.) liegen etwa achtzig bis hundert Jahre. II. Vorgehensweise und Ziel Während sich die Kyaxares-Episode auf zwei en passant gestreifte Charakteristika der Skythen – Kriegstaktik und hohe Mobilität über große Entfernungen hinweg – beschränkt, geht der Skythen-Logos sehr viel mehr ins Detail und wird daher im Mittelpunkt meiner folgenden Ausführungen stehen. Zunächst werde ich das Skythen-Bild Herodots grob skizzieren und anschließend die Frage nach der Glaubwürdigkeit, der Historizität und der archäologischen Nachweisbarkeit von Herodots Skythen-Darstellung diskutieren. Im Mittelpunkt steht dabei die gesellschaftliche Ausdifferenzierung der Skythen, insbesondere der Umgang der eurasischen Nomaden mit dem toten König, wie er in Herodots Skythen-Logos dargestellt wird. Da die Behandlung des königlichen Leichnams, die langwierige Vorbereitung des Begräbnisses und die Bestattung selbst durch den archäologischen Befund im eurasischen Steppengürtel partiell rekonstruierbar ist, soll – zunächst ausgehend von dieser Herodot-Passage, dann zur Generierung einer breiteren Argumentationsbasis auch unter Einbeziehung weiterer Abschnitte aus Herodots Skythen-Logos – die Arbeitsweise des Autors diskutiert werden: Bietet Herodot wirklich nur die Konstruktion eines Idealbildes oder Stereotyps, um mit der »invention of the other« 1 Zur Skythenherrschaft über Vorderasien vgl. Diakonoff 1985, 107–126. 142–144; Sulimirski 1985, 107–126; Ivantchik 1999a, 497–520; Bichler 2001, 105–108. 231–233; Boshnakov 2004, 105 f. 120–122. 208–210; Kuhrt 2010, 21 f. 36–39; Wesselmann 2011, 261–282 (zum »Atreusmahl«). 2 Zu Herodots Skythen-Logos vgl. z.B. Hartog 1988, 1–207; Hartog 2013, 245–266; West 1999, 76–86; Bichler 2001, 69–71. 89–97. 101–109 u. ö.; West 2002, 437–456; Braund 2004, 25–41; Asheri/Lloyd/Corcella 2007, 543–721; Schubert 2010, 31–38; Bichler/ Rollinger 2011, 53–63 passim; Davis 2011, 90–101; mir nicht mehr zugänglich: May 2015, 235–268.

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den Athenern als einer urbanisierten Kultur oder den Ägyptern mit ihrer hochtechnisierten Landwirtschaft und der Schaffung zahlloser künstlicher Wasserwege die Skythen als ein mit der Natur lebendes Volk zu präsentieren? Sind die strukturalistischen Kategorien »Kultur – Natur« oder »Zentrum – Peripherie« für die Analyse des Skythen-Logos wirklich zielführend? Das Anliegen meiner Untersuchung ist es also letztendlich, unter Zusammenführung des philologischen, historischen und archäologischen Zugriffs Herodots Skythen-Logos zu verorten zwischen den in der Herodot-Forschung vehement diskutierten Polen größtenteils fiktiver Quellenreferenzen,3 der Skythen als »nothing than a mirror image of the Greeks«4, und völliger Glaubwürdigkeit Herodots.5 III. Herodots Charakterisierung der Skythen Um den Skythen einen Platz, eine Funktion in der Geschichte des Achaimenidenreiches zuzuweisen und damit auch indirekt ihre Bedeutung für den Ausbruch der Perserkriege zu definieren, richtet Herodot die Gestaltung seines großen Skythen-Exkurses an folgender Leitfrage aus: Aufgrund welcher Qualitäten sind die Skythen überhaupt in der Lage, zumindest punktuell die Geschichte des mächtigsten Reiches in Vorderasien zu beeinflussen; und welche Defizite hindern die Skythen daran, den Skythenfeldzug des Dareios endgültig für sich zu entscheiden? Herodot muss die Skythen irgendwo zwischen den beiden Extrempunkten »wildes Volk – zivilisiertes Volk« einordnen, um ihr Potenzial und ihre Grenzen im Kampf um die Vorherrschaft im ägäisch-vorderasiatischen Raum aufzuzeigen. Zu diesem Zweck arbeitet Herodot einen regelrechten Fragenkatalog ab; ebenso wie in seinen anderen ethnographischen Exkursen fragt Herodot auch im Skythen-Logos bestimmte Merkmale ab6 und stellt auf diese Weise eine Vergleichbarkeit der behandelten Völker sicher: a) Ursprungsmythos und Geschichte Die Skythen bezeichnen sich zwar selbst als das jüngste Volk (Hdt. 4,5); dennoch und in gewissem Widerspruch dazu reiht Herodot die Skythen-Dynastie in die Reihe 3 Fehling 1971, erweiterte engl. Fassung: Fehling 1989. 4 Ivantchik 2011, 73: Charakterisierung des Ansatzes von Hartog 1988. 5 Pritchett 1993. 6 Die diesem Fragenkatalog zugrunde liegenden Kategorien, auf denen zum Teil meine folgende Zusammenstellung der Charakteristika der Skythen basiert, fungieren auch als Gliederungselemente in Bichler 2001, 93–95; Bichler/Rollinger 2011.

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der großen heraklidischen Dynastien ein. Er konstruiert also eine eigene mythische Tradition der skythischen Herrscherdynastie und greift dabei möglicherweise sogar auf einheimische, »skythische« (d. h. aus dem Nordosten oder Südosten Irans stammende) Traditionen zurück.7 Mit Genealogien werden die einzelnen namentlich genannten Herrscher Generationen zugeordnet und in eine chronologische Abfolge gebracht; die skythische Geschichte wird (freilich nicht immer stimmig) »eingehängt« in die ägyptische, assyrische, lydische und thrakische Geschichte.8 b) Wohngebiete und politische Organisation (Königsskythen) Nach Herodot wird das Skythenland durch zwei Küsten und mehrere Flüsse begrenzt (Hdt. 4,17–27): Die Donaumündung im Westen und der Tanais (Don) im Osten, im Süden das Schwarze Meer mit der Krim und das Asowsche Meer; gewissermaßen die Mittelachse ist der Borysthenes (Dnepr), den Herodot als einen sehr fischreichen Fluss schildert und mit dem Nil vergleicht. Am Ufer des Borysthenes wohnen die »Ackerbau-Skythen« (Σκύθαι γεωργοί), die Getreide, Hirse, Linsen, Zwiebeln und Knoblauch anbauen. Irgendwo zwischen südlichem Bug und Dnestr leben die »Pflüger-Skythen« (Σκύθαι ἀροτῆρες). Und ebenfalls in der Gegend am Dnepr lokalisiert Herodot die »Nomaden-Skythen« (νομάδες Σκύθαι), die keinen Ackerbau betreiben. Jenseits des Gerrhos (ein nicht identifizierbarer Nebenfluss des Dnepr) liegen die Siedlungsgebiete der »Königs-Skythen« (Σκύθαι βασιλήιοι), die über alle anderen Skythen herrschen – daher auch diese Bezeichnung. Die Völkerschaften des Skythen-Landes ordnet Herodot also verschiedenen Kulturstufen zu; neben der teilweise nomadischen Lebensweise und fortschrittlichen Anbaumethoden bemerkenswert ist eine starke monarchische Spitze.9 c) Religion, kultische Praktiken Das Pantheon der Skythen ist reichhaltiger als das aller anderen nicht zivilisierten Völker. Herodot nennt die Gottheiten mit ihrem einheimischen Namen und ordnet sie den Gottheiten der Griechen zu, wobei die Verehrung der Götterpaare Zeus und Ge sowie Apollon und Aphrodite allen Skythen gemeinsam ist (vgl. z.B. Hdt. 4,59,1; 67,2; 127,4). Eine Sonderrolle kommt Herakles als Ahnherrn der Skythen zu. Dem blutig-kriegerischen Aspekt der Skythen entsprechend, ist Ares die zentrale 7 Zu den iranischen Vorlagen Herodots vgl. Ivantchik 1999b, 141–192. 8 Bichler 2001, 101–104. 9 Zur Geographie des Skythenlandes bei Herodot vgl. Minns 1913, 25–34; Thomas 2000, 64–67; Bichler 2001, 69 f.; West 2007b, 79–92; Boshnakov 2013, 54–57.

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Gottheit, die als einzige – trotz der sonst als nomadisch charakterisierten Lebensweise – in festgebauten Tempeln mit Altären und Götterbildern verehrt wird (Hdt. 4,59, 2; 62,1 f.).10 In den Episoden über Anarchasis und Skyles (Hdt. 4,76–80) stellt Herodot ganz dezidiert den extremen skythischen Abscheu gegenüber der Anpassung an fremde Sitten heraus: Beide büßten die Verehrung griechischer Gottheiten, die Verehrung der Kybele (Anarchasis) und des Dionysos (Skyles) mit dem Tod – in den Augen ihrer Landsleute zu Recht, »weil er (sc. Anarchasis) nach Griechenland reiste und fremde Sitten annahm«.11 d) Sexualsitten Über die skythischen Sexualsitten verliert Herodot – anders als etwa bei den Libyern, Indern oder Massageten – keine Worte. e) Umgang mit den Toten Ausführlich beschreibt Herodot das Totenritual der Skythen (Hdt. 4,71 f.). Der Leichnam des verstorbenen Königs wird von den Innereien befreit, mit Wachs einbalsamiert, aufgebahrt und dann mit einem großen Trauergeleit im ganzen SkythenLand von Volk zu Volk umhergefahren. Die Bestattung erfolgt schließlich im Land der Königsskythen. Getötet und mitbestattet werden eine Nebenfrau des Königs und ein Teil der Dienerschaft (Mundschenk, Koch, Herold, Stallmeister, Kammerdiener usw.). Ein Jahr später postieren die Skythen eine Wache von 50 Reitern um den Grabhügel herum: Die Pferde und Diener werden erdrosselt, zum Teil mumifiziert, auf jedes Pferd einer der toten Diener gesetzt, mit einer Stange durchbohrt und mit dem Pferd verbunden – die gepfählten Reiter.12 Die Skythen haben also eine ausdifferenzierte politische Organisation, die sich in einem stark gegliederten und hierarchisierten Hofstaat wie auch an den Kurganen zeigt, die Ergebnisse organisierter Gemeinschaftsleistungen sind:13 10 Ustinova 1999, 67–174; Bichler 2001, 87–90; Bäbler 2011, 126–134; Bichler/ Rollinger 2014, 57 f. 11 Hdt. 4,76,5: διὰ τοῦτο ὅτι ἐξεδήμησε τε ἐς τὴν Ἑλλάδα καὶ ξεινικοῖσι ἔθεσι διεξρήσατο. Vgl. dazu Bichler 2001, 91 f.; Munson 2004, 117–120; West 2007b, 85–90; Schubert 2010, 129– 135; Wesselmann 2011, 136–142; Braund 2015, 359–362. 12 Hdt. 4,71 f., vgl. Bichler 2001, 85 f. (hinsichtlich der archäologischen Evidenz überholt); Ivantchik 2011, 71–106; Rolle 2011, 117 f. 13 Hdt. 4,71,5: ταῦτα δὲ ποιήσαντες χοῦσι πάντες χῶμα μέγα, ἁμιλλώμενοι καὶ προθυμεόμενοι

ὡς μέγιστον ποιῆσαι. ‒ Rolle 2001, 646; Rolle 2005, 42; Parzinger 2009, 112; Rolle 2011, 115.

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Monika Schuol Es schaufeln alle an einem großen Grabhügel und wetteifern und strengen sich an, ihn möglichst groß zu machen. (Hdt. 4,71,5)

Herodot fokussiert auf zwei zentrale Komponenten der Errichtung eines »Königs«-Kurgans, nämlich die intendierte Monumentalität des Bauwerks und die große Zahl der involvierten Menschen. Die Komplexität des Bauprozesses lässt sich aus dieser kurzgefassten Schilderung freilich kaum erahnen, ist aber gerade durch die neue archäologische Forschung, die nicht nur die Gräber und ihre Ausstattung, sondern auch die Kurgane selbst zum Forschungsobjekt werden lässt, rekonstruierbar: Neben den einfacheren (kleineren) Kurganen waren es vor allem die Großtumuli der skythischen Elite von 12–15 m (zuweilen auch über 20 m) Höhe – errichtet aus ziegelartigen Rasensoden, durchzogen von Stabilisierungsschichten und -keilen, überdeckt von einem Lehmmantel, zuweilen auch einem Steinpanzer und ausgestattet mit komplizierten Katakombensystemen14 –, die eine sorgfältige Planung und Koordination der einzelnen Arbeitsschritte durch Spezialisten (»Grabhügel-Architekten«) erforderlich machten. Auch die kurzfristige Mobilisierung und Rekrutierung möglichst zahlreicher Arbeitskräfte für den Einsatz auf der Großbaustelle musste gewährleistet sein; zudem mussten für diese mehrere hundert Menschen über einen längeren Zeitraum Unterkunft und Verpflegung bereitgestellt werden15. Eine grobe Vorstellung von der Dimension eines derartigen Bauprojekts vermittelt die Berechnung, dass für die Errichtung des Großkurgans von Čertomlyk mit etwa 21–22 m Höhe und 115–120 m Durchmesser ca. 75 ha Rasensoden abgestochen werden mussten. In der Rekonstruktion der Arbeitsschritte für die Errichtung dieses Kurgans wird eine Bauzeit von 160 Tagen bei einem Einsatz von ca. 100 Arbeitern mit einer täglichen Arbeitszeit von 14 Stunden veranschlagt, 700 Arbeiter würden rund 20 Tage benötigen; und mit 1.000–1.500 Arbeitskräften im 15 Stunden-Einsatz ließe sich der Bauprozess nochmals entsprechend verkürzen (konkrete Zeitangaben zur letztgenannten Variante werden nicht gemacht).16 Dem gegenüber steht aber die übrige egalitär-kriegerische Gesellschaft. Auffällig sind die blutigen Menschenopfer und das Schlachten besiegter Feinde, aus deren Schädeln Trinkschalen für die Bewirtung von Gästen gefertigt werden (Hdt. 4,64–66). Positiv herausgestellt werden aber ihre Frömmigkeit, die Existenz von Kultspezialisten und auch ihr Respekt vor fremden Gottheiten. Die Schändung des Aphrodite-Heiligtums in Askalon (Hdt. 1,105,2–4) während der skythischen Vor14 Zur Stratigraphie der Aufschüttung des Kurgans von Čertomlyk vgl. Rolle/

Murzin/Alekseev 1998, 34–65.

15 Rolle/Murzin 1991, 173; Rolle/Murzin/Alekseev 1998, 57; Rolle 2005, 42. 16 Rolle/Murzin/Alekseev 1998, 32 (Maße des Kurgans). 60. 64 f. (Arbeitsprozess).

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herrschaft in Asien ist nach Herodot eine Ausnahme: Dieses Sakrileg lastet Herodot lediglich einer kleinen Gruppe von Skythen, den Enareern, an, die dafür umgehend von der Göttin bestraft werden.17 Eines der zentralen Kriterien Herodots für die Bewertung der Völkerschaften an den Randbereichen der Welt ist ihr Umgang mit den Toten: Auch wenn das skythische Totenritual zu einer schaurigen Szenerie stilisiert wird und dieser Effekt durch die Gefolgschaftsbestattung noch einmal eine Steigerung erfährt, nötigen die hohe Achtung der Skythen vor dem Königtum, dem toten Herrscher und den Gräbern der Toten Herodot größten Respekt ab. Anders als etwa die Inder, Issedonen und Massageten überlassen die Skythen ihre Toten nicht einfach den Hunden und Vögeln in der Wildnis und praktizieren auch keinen Kannibalismus. Herodots Randvölker-Topoi finden sich im Skythen-Logos also nicht.18 Fantastische Geschichten von goldgrabenden Ameisen, fliegenden Schlangen und Menschen ohne Kopf mit Augen am Bauch (Hdt. 3,102–105; 107–109; 4,191) teilt Herodot zwar über die Inder und die Weihrauchgebiete Südarabiens mit, nicht aber über das Skythen-Land. Die Skythen sind auch insofern von Herodots Randvölkern klar abgesetzt, als sie nicht an den extremen Polen der Oikumene leben. Erst weiter im Norden lässt Herodot das öde, schneebedeckte Land beginnen, wo er die wildesten aller Menschen, Kannibalen ohne Sitte und Recht, verortet (Hdt. 4,18; 106) und wo es so kalt ist, dass den Rindern nur ganz kleine oder überhaupt keine Hörner wachsen (Hdt. 4,29). Nur über mehrere Gewährsmänner erhalten die Skythen Kunde über monströse menschenähnliche Wesen weit im hohen Norden ihrer Siedlungsgebiete oder von Werwölfen und sind dann ihrerseits wieder Tradenten dieser Geschichten (Hdt. 4,24 f.; 27; 105). Die Skythen selbst, obwohl als wildes Volk charakterisiert, erscheinen bei Herodot als vergleichsweise entmythisiert; und als geschichtsträchtiges Volk sind sie für ihn nahezu gleichwertig mit den Hochkulturen Ägyptens und Mesopotamiens, wobei er die Skythen gewissermaßen als einen Gegenpol zu den Ägyptern definiert:19 a) Ägypten im heißen Süden der Oikumene, das Skythenland im kalten Norden (Hdt. 4,28–31; 62,2); b) Ägypten als das Geschenk des Nils, dem es seine Fruchtbarkeit verdankt, das Skythenland mit seinen großen Flüssen, die Herodot mit dem Nil und dessen

17 Bichler 2001, 82 f. 106; Bichler 2000b, 35. 47 f.; Schubert 2013, hier 99. 18 Zu Herodots Randvölker-Topoi vgl. Bichler 2001, 21–109. 19 Zu Herodots Vergleich der Skythen mit den Ägyptern vgl. Hartog 1988, 15–19 u. ö.; Bichler 2001, 70. 86. 90 u. ö.; Weiss 2007, 21 f.; Schubert 2010, 31–38.

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Kanälen vergleicht (Hdt. 4,47,1), die aber in ihrer Größe nicht an den Nil heranreichen (Hdt. 4,53); c) Herodots Erstaunen erregt das Klima in beiden Ländern – Ägypten, weil die Nilschwemme im Sommer eintritt, und Skythien, weil es dort im Sommer regnet (Hdt. 4,28,2). d) Die Ägypter betrachten sich selbst als das älteste Volk, während sich die Skythen für das jüngste halten (Hdt. 2,2,1; 4,5,1). IV. Herodots Skythen-Bild – Fiktion oder Realität? Eine Fallstudie Eine weitere Verbindung zwischen den Skythen und Ägyptern stellt Herodot mit seinem Bericht über die skythische Behandlung der Toten her, der wegen seiner Detailgenauigkeit einer besonders intensiven Betrachtung unterzogen werden soll: Die aufwändigste Variante ist das Totenritual für den König, das mit der beigabenreichen Bestattung des Skythenherrschers und seines Gefolges in einem Grabtumulus seinen Abschluss findet. Die Verbreitung »skythischer« Fürsten- und Königsgräber mit prunkvoller Ausstattung und monumentalen Grabanlagen reicht allerdings weit über das von Herodot abgesteckte Gebiet hinaus, wenn man den Begriff ›skythisch‹ ausdehnt auf die (teil-)nomadischen Reiterverbände im gesamten eurasischen Steppengürtel mit einer kennzeichnenden Sachkultur (übereinstimmende oder ähnliche Grabarchitektur und -beigaben, Hirschsteine, Tracht, Bewaffnung, Pferdeschirrung, skythischer Tierstil). Diese Gemeinsamkeiten sind einem engmaschigen Kommunikationsnetz zuzuschreiben. Der Skythenbegriff ist als eine chronologische Bezeichnung für den Zeitraum zwischen dem 9.–2. Jh. v. Chr. zu verstehen, die ›Skythen‹ als ein kulturelles Phänomen20. Bestattungen gesellschaftlich-politisch exponierter Persönlichkeiten (»Fürsten«) in monumentalen Kurganen sind seit dem frühen 1. Jahrtausend v. Chr. in der südsibirischen Republik Tuva archäologisch nachweisbar: In zwei Kurganen im frühskythischen Aržan fanden sich entsprechende Gräber, in Kurgan 1 (9./8. Jh. v. Chr.) die Bestattung eines Fürstenpaares mit ermordetem Gefolge und mehr als 200 Pferden,21 ein weiteres Fürstengrab – ebenfalls mit Totenfolge (Teile des Hofstaates und Pferde) – fand sich in Kurgan 2 (7. Jh. v. Chr.);22 für die skythische Spät20 Zu dem Skythenbegriff vgl. zusammenfassend Rolle 2001, 644. 651 f.; Parzinger 2006, 841; Parzinger 2009, 122 f.; Gavrilyuk 2007, 137; Skinner 2012, 68 f. 21 Zur frühskythischen Kultur in Tuva vgl. Parzinger/Nagler 2007, 60–68. Zu Aržan 1 vgl. Parzinger/Nagler 2007, 66–68. ‒ Zu den Hirschsteinen vgl. Parzinger/Nagler 2007, 62. 64 f.; Čugonov/Parzinger/Nagler 2010, 125–142. 22 Zu Aržan 2 vgl. Čugonov/Parzinger/Nagler 2006 (Forschungsgeschichte, archäologischer Befund, ausführlicher Tafelteil mit qualitätvollen Abbildungen und Katalog); Čugo-

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zeit (4./3. Jh. v. Chr.) liefern die Kurgane (1 und 5) von Pazyryk im Altai-Gebirge ähnliche Befunde.23 Ebenfalls durch die Permafrost-Gräber im Altai-Gebirge teilweise archäologisch bestätigt ist Herodots detaillierte Beschreibung der Konservierung des königlichen Leichnams.24 Die Grabkammer des Kurgans von Issyk (6./5. Jh. v. Chr.) enthielt kostbares Mobiliar und weitere wertvolle und prestigeträchtige Beigaben, wie z. B. kostbare Decken und Gewänder, Waffen, Schmuck und goldene Gefäße;25 in den Kurganen von Pazyryk wurden auch ein Leiterwagen und ein Zeremonialwagen entdeckt, die vielleicht mit der von Herodot beschriebenen Präsentation des verstorbenen skythischen Königs in seinem ganzen Reich zu verbinden sind. Ebenfalls zur Ausstattung (zumindest einiger Grabkammern) gehörten die Utensilien, um sich in den bei Herodot so drastisch beschriebenen Hanf-Rausch zu versetzen: In Pazyryk (Kurgan 2) zeugen ein Bronzekessel mit ausgeglühten Steinen und Samen einer wilden Hanfart sowie eine Lederflasche mit Hanfsamen und ein Lederumhang (zur Herstellung des Hanf-Rauschzeltes?) von dieser Zeremonie, die offenbar tatsächlich im Zusammenhang mit dem skythischen Totenritual stand.26 Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit archäologisch zu erhärten ist Herodots Reiterwache an den skythischen Königsgräbern, zweifelsfrei nachweisbar sind aber mit Steinkonstruktionen aus Platten und Stelen umgebene Grabhügel: Aržan 2 mit einer Steinplattform für kultische Handlungen, nachträglich eingebrachten Pferdebestattungen und den von Steinringen (erbaut aus Steinplatten mit figuralen Petroglyphen – menschliche Figuren mit Tracht und Bewaffnung, Hirsche, Eber, Kamele, Pferde) umgebenen Brandopferplätzen in der unmittelbaren Umgebung des Kurgans,27 im Minusinsker Becken die Kurgane in der Nekropole von Salbyk (5.–3. Jh. v. Chr.), insbesondere der Große Kurgan mit seiner Steineinfassung aus figuralverzierten, wiederverwendeten Stelen und großen Orthostatenplatten, und nov/Parzinger/Nagler 2007, 69–82; Heussner/Sljusarenko 2007, 83 f.; Schultz et al. 2007, 85–91; Benecke/Weber 2007, 92–94; Armbruster 2007, 95–99; Čugonov/ Parzinger/Nagler 2010, 22–123. 303–329. 23 Zu Pazyryk vgl. Gold der Skythen 1993, 182–215; Parzinger 2006, 588–596; Barkova 2007, 118–131. 24 Zur Einbalsamierung der Toten vgl. Rolle 1979, 82–88; Gold der Skythen 1993, 168; Rolle 2005, 42; Molodin/Polos’mak 2007, 142. 146 mit Abb. 2. 8 (Pazyryk-Kultur); Molodin/Parzinger/Ceveendorž 2007, Abb. 8; Samašev 2007a, 133; Ivantchik 2011, 92. 25 Zum Kurgan von Issyk vgl. Parzinger 2006, 659–662; Samašev 2007b, 165. 26 Abbildung des Lederbeutels: Gold der Skythen 1993, 196 f. Abb. 23 und Kat.-Nr. 115; Schiltz 1994, 360 Abb. 263; Barkova 2007, 120 Abb. 2. 27 Zur Funktion der Kurgane (Aržan 2) als Bestattungs- und Kultorte vgl. Čugonov/Parzinger/Nagler 2007, 80 f.; Čugonov/Parzinger/Nagler 2010, 142–159 (Steinringe mit Brandopferplätzen, Steintische, Totenopfer, Memorialkult). 304 f.; Rolle 2011, 114–116. Zu den Hirschsteinen vgl. oben Anm. 21.

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dazugehörige Außenanlagen mit Steinstellungen für spätere Opferhandlungen mit Funden von menschlichen Skeletten und Überresten von Pferden28 – wobei die letztgenannten, das aufwändige Totenritual beschließenden Elemente vielleicht der Kreierung der Reiterwache durch Herodot oder seine Gewährsmänner zu Grunde lagen. Möglicherweise bietet der Befund des Kurgans von Čertomlyk aus der Zeit Alexanders des Großen den direkten Nachweis für die Wache der toten Reiter: An der Außenseite der steinernen Umfassungsmauer (›Krepis‹) um den Kurgan fanden sich in regelmäßigen Abständen Haufen von Pferdeüberresten mit Zaumzeug und menschlichen Knochen, die nicht bestattet worden waren.29 Offen bleiben muss freilich die Frage, inwiefern dieser Befund Rückschlüsse auf die Verhältnisse der Zeit Herodots zulässt. Der archäologische Befund und ebenso Herodots Skythen-Logos verweisen auf die zentrale Bedeutung des Totenrituals für die reiternomadischen Eliten des eurasischen Steppenraumes – angefangen mit der Errichtung der Kurgane, über die Totenbehandlung, eine zumindest teilweise Einbalsamierung, prachtvolle Beigabenausstattung, Totenfolge, Pferdebestattungen und nach der Schließung des Kurgans der Leichenschmaus sowie Opferhandlungen – und ihre Repräsentation: Herrschafts- und Rangabzeichen sind die kostbaren Gewänder der Toten, sowie ihre Waffen, der Schmuck und sonstige Gegenstände. Ausdruck der herausgehobenen Stellung des Verstorbenen sind aber auch der Kurgan selbst, dessen Baumaterial (die abgestochenen Rasensoden, mitunter auch Steinplatten und -stelen) den Landbesitz in Form von Weidegründen als Existenzgrundlage symbolisiert, der dem Toten gewissermaßen mit ins Grab gegeben wird. Ebenso repräsentiert ist die Machtfülle der Elite durch die seit dem 7. Jh. v. Chr. im Nordpontusraum (z. B. Čertomlyk) und im nordwestlichen Kaukasus-Vorland (z. B. Kelermes) archäologisch nachweisbare Totenfolge, die gewaltsame Tötung und Mitbestattung eines Teils der Dienst- und Begleitpersonen:30 So fanden sich im ›Königs‹-Kurgan von Čertomlyk neben dem toten ›König‹ im Zentralgrab sieben weitere Bestattungen, darunter eine weibliche, möglicherweise zur königlichen Familie des Toten gehörige Person (die ›Königin‹?) sowie zwei hochrangige Krieger; in weiteren Gräbern an der Peripherie des Kurgans waren weitere Personen, wohl ebenfalls Bedienstete des Grabherrn, beigesetzt worden; insgesamt waren dem ›König‹ elf seiner Bediensteten mit 28 Zu dem Großen Kurgan von Salbyk vgl. Parzinger/Nagler/Gotlib 2007, 105–112. 29 IVANTCHIK 2007, 240. Zum Čertomlyk-Kurgan vgl. ROLLE/MURZIN 1991, 174 f.; GOLD DER SKYTHEN 1993, 102–108; ALEKSEEV 2007, 245–249; zu der Wache der toten Reiter vgl. ROLLE/MURZIN/ALEKSEEV 1998, 68 f. mit Abb. 6 (auf S. 35) und Texttafel 20, 4; IVANTCHIK 2011, 91 f.; ROLLE 2011, 116. 30 Rolle 1979, 80–121; Rolle 2011, 117 f.; Ivantchik 2011, 81 f. 87.

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ins Jenseits gegeben worden. Die herausgehobene soziale Stellung des Verstorbenen wird auch angezeigt in der Deponierung besonders großwüchsiger Pferde.31 Die Bedeutung der Bestattung mit den dazugehörigen Ritualen, kultischen Handlungen und besonderen Inszenierungen als konstitutiver Bestandteil der Machtrepräsentation und Herrschaftslegitimation der Führungspersönlichkeiten reiternomadischer Eliten erweist sich auch in ganz gezielten Zerstörungen älterer Grabstätten: So wurden die tagar-zeitlichen Kurgane in der Nekropole von Salbyk in der Antike (um 200 v. Chr.) ausgeraubt, die Knochen der Verstorbenen zerstreut und teilweise aus den Grabkammern entfernt, um dann (so im Großkurgan von Salbyk in der Schlucht von Barsučij Log) das Zentralgrab durch die Deponierung eines Hundekopfes zu profanieren. Mit diesem symbolischen Akt sollten die bisherigen Machthaber möglicherweise aus dem kollektiven Gedächtnis gewaltsam getilgt, ganze Erinnerungs- und Sakrallandschaften vernichtet und der eigene Machtanspruch geltend gemacht werden.32 Beachtung finden sollten in diesem Kontext auch die in der Steineinfassung des großen Kurgans von Salbyk verbauten großen verzierten Steine, die in eine Zeit vor der Errichtung des Grabmonuments weisen: Insgesamt 28 Stelen und Orthostaten der Anlage weisen Darstellungen auf, die entweder in bronzezeitlicher Tradition stehen oder einer früheren Phase der TagarKultur im Minusinsker Becken zuzuweisen sind. Diese Steine hatte man offenbar bewusst aus älteren Grabbauten entfernt, um sie in diesem ›Königs‹-Kurgan wieder zu verwenden33 – auch dies zweifellos eine Manifestation des eigenen Macht- und Herrschaftsanspruchs über den Tod hinaus, der mit der Einreihung und Vereinnahmung älterer Traditionen legitimiert wird. Als Spolien verbaute Hirschsteine sind auch im Bereich des Kurgan Aržan 2 festzustellen: Einige Hirschsteine lagen zwischen den horizontal aufgeschichteten Steinplatten der Steinplattform; andere Steinplatten mit Petroglyphen fanden sekundäre Verwendung im Steinkreis um den Kurgan.34 Ob die Steine zufällig an ihre neuen Plätze gelangten oder mit bestimmter Absicht umgesetzt worden sind, lässt sich nicht entscheiden; die Fundlage der in der Steinplattform entdeckten Hirschsteine, häufig mit den Petroglyphen nach unten, rückt jedoch eine planvolle Verwendung dieser Platten und Stelen außerhalb ihres ursprünglichen Kontexts in den Bereich des Möglichen.

31 Rolle/Murzin/Alekseev 1998, 93–106. 32 Parzinger/Nagler/Gotlib 2007, 113 f. mit Abb. 12 (Hundekopf in situ); Čugonov/ Parzinger/Nagler 2010, 324–327 (zur Profanierung des Zentralgrabs von Barsučij Log S. 326). 33 Parzinger/Nagler/Gotlib 2007, 111 f. 34 Čugonov/Parzinger/Nagler 2010, 129–140.

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V. Wie ist nun also die Glaubwürdigkeit von Herodots Skythen-Logos einzuschätzen? Eine klare Antwort auf diese Frage kann es deshalb nicht geben, weil keineswegs für alle Angaben Herodots Parallelquellen und archäologische Zeugnisse zur Verfügung stehen. Zudem deckt der Skythen-Logos ein riesiges Gebiet vom nordpontischen Raum bis nach Zentralasien ab; daher muss mit regionalen Besonderheiten und zeitlichen Veränderungen – trotz enger Verbindungen der einzelnen Kulturkomplexe untereinander und langer Kontinuität – gerechnet werden, so dass sich Herodots Angaben nicht immer auf ein und dieselben Örtlichkeiten und Zeiträume beziehen lassen. Dennoch soll eine abschließende Würdigung des Skythen-Logos versucht werden unter Einbeziehung weiterer Facetten skythischer Kultur. Auch wenn Vieles dafür spricht, dass Herodot Autopsie-Berichte bietet oder seine Informationen aus erster Hand bezog und, wie er behauptet, tatsächlich während seines Aufenthaltes in Olbia auf (hellenisierte) Skythen und mit skythischer Kultur vertraute Griechen traf (Hdt. 4,18,1; 24; 76,6; 78,3), so ist dennoch in Rechnung zu stellen, dass seine Gewährsleute in erster Linie die skythischen Kulturgruppen im Schwarzmeerraum vor Augen gehabt haben dürften.35 Auch wenn man der Schlussfolgerung von Stephanie West nicht zu folgen vermag, dass Herodots Skythen-Logos auf »actual observation or testimony of apparently trustworthy local informants«36 basiert, wird ihr doch zuzustimmen sein, dass Herodot sein Wissen über die Skythen vielfach unsystematisch, selektiv, generalisierend und verzerrend präsentiert. Möglicherweise ist davon auszugehen, dass »Herodotus’ account reflects two realities«:37 Zum einen mag er (bzw. sein Gewährsmann) hier an die Skythen im nordkaukasischen Kuban-Gebiet mit dem Kurgan von Kostromskaja und der Nekropole von Kelermes (beides ins 7. Jh. v. Chr. zu datieren)38 denken; zum anderen hatte er vielleicht die (aus der Sicht Herodots) zeitgenössischen Gräberfelder am Dnepr (5./4. Jh. v. Chr.) vor Augen, die Teil des neuen, Mitte des 6. Jh. v. Chr. im Zuge einer großen Westbewegung am unteren Dnepr entstandenen skythischen Herrschaftszentrums waren – mit der Folge, dass die Skythen seither in Direktkontakt mit den griechischen Schwarzmeer-Kolonien standen, griechische

35 Vgl. aber z. B. West 2000, 15–34; West 2002, 442; West 2007b, 79–92. 36 West 2007b, 92. 37 Ivantchik 2011, 94 f. 38 Zu den Kurganen von Kostromskaja und Kelermes vgl. Gold der Skythen 1993, 44–61; Galanina 2003; Galanina 2007, 198–203.

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Keramik verwendeten (zumindest im Beigabeninventar39) und wichtige Handelswege kontrollierten.40 So dürften Herodots Nomaden-, Pflüger- und Königsskythen teils im nordwestlichen Kaukasus-Vorland beheimatet gewesen sein, und vor allem den später einsetzenden Gruppen in den Nordschwarzmeer-Steppen (Kiever, ostpodolische, die Vorskla-, Sula- und die nördliche Donez-Gruppe) entsprechen. Immer wieder lässt Herodot jedoch auch Informationen über die ›Skythen‹-Gruppen östlich des Don bis nach Zentralasien (die goldhütenden Greifen) einfließen, ohne die entsprechenden Gebiete präzise voneinander trennen und lokalisieren zu können, was auch manche Widersprüche (z. B. in puncto Klima, Vegetation und Siedlungsformen) im Skythen-Logos erklären könnte. Dennoch ist Herodot gute Kenntnis skythischer Kultur nicht abzusprechen, die insbesondere im Hinblick auf die Behandlung der Toten von der Archäologie immer wieder bestätigt wurde; die Angaben zur Einbalsamierung können freilich nur durch den Befund in den Eiskurganen der Pazyryk-Kultur verifiziert werden, da sich in den Gräbern der nordpontischen Steppe keine Leichen erhalten haben.41 Die Monumentaltität der Kurgane, ihre aufwändige Bauweise, die sie die Jahrhunderte überdauern ließ, ihre reiche Beigabenausstattung und die Totenfolge, nicht zuletzt auch die Notwendigkeit einer recht zügigen Errichtung der Grabhügel und die regelmäßige Nutzung der Gräberfelder als Kultplätze lässt die hohe gesamtgesellschaftliche Bedeutung der skythischen ›Könige‹ erahnen42. Damit kann auch Herodots Beschreibung des skythischen Totenrituals durchaus Authentizität beanspruchen, und ebenso gewinnt seine Bemerkung an Glaubwürdigkeit, dass erst die Zerstörung der Gräber ihrer Vorfahren als »Zentren der skythischen Staatlichkeit«43 die Skythen dazu bewegen würde, sich einem Angreifer in der Schlacht zu stellen (Hdt. 4,127). Allerdings ist die skythische ›Zentralgewalt‹ vergleichsweise schwach ausgeprägt: Das erklärt sich zum einen durch die (halb-)nomadische Lebensweise der Skythen, definiert durch Ackerbau und (teil-)mobile Lebensformen zum anderen, und zum anderen durch die einflussreichen, am politischen Entscheidungsprozess beteiligten Instanzen (neben dem ›Hauptkönig‹ weitere ›Könige‹, Heeresver39 Griechische Amphoren und andere Keramik fanden sich z. B. in den Kurganen von Solocha, Aleksandropol’, Soboleva Mogila und Oguz; vgl. Gold der Skythen 1993, 56–99. 109–127; Alekseev 2007, 245; Polin 2007, 259. 266 mit Abb. 1 und 6; Boltrik/Fialko 2007b, 272. 40 Rolle 1984, 517. 519 mit Abb. 63. 41 Zur Würdigung des Skythen-Logos als unverzichtbare Quelle zur ›skythischen‹ Kultur von archäologischer Seite vgl. z.B. Ivantchik 2007, 238–241; Meyer 2013, 102–106. 42 Zum Begriff βασιλεύς im Skythen-Logos vgl. Ivantchik 2011, 76–78. 43 Hdt. 4,71,1.3. – Bichler 2001, 96.

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sammlung). Anders als im pharaonischen Ägypten oder im Achaimenidenreich mit ausdifferenzierten Verwaltungsstrukturen findet eine Reglementierung des skythischen Alltags ›von oben‹ nur punktuell statt; zu nennen wären hier z. B. die Heeresfolge, die mit dem Tod des Königs verbundenen Verpflichtungen aller Skythen (Hdt. 4,71–73) sowie die (allerdings in ihrer Authentizität nicht gesicherte) vom König Ariantas veranlasste Volkszählung und die damit einhergehende, von allen skythischen Männern verlangte Ablieferung einer Pfeilspitze (Hdt. 4,81). Die Skythen bleiben in ihrer Mobilität und damit in ihrer traditionellen Lebensweise also weitestgehend uneingeschränkt.44 Schon in Herodots Text widersprüchlich und auf der Grundlage des archäologischen Befundes teilweise zu korrigieren ist freilich seine Aussage, dass bei den Skythen keine befestigten Städte und Burgen existiert hätten (Hdt. 4,46). Dieses stereotype Nomadenbild, das er für die Konstruktion des Gegensatzes zwischen der Hochkultur Ägypten und den nomadisch lebenden Skythen braucht, schreibt er gleich zu Beginn des Skythen-Logos mit dem Statement »Sie (sc. die Skythen) sind keine Ackerbauern, sondern Nomaden« fest (Hdt. 4,2,2).45 Sich selbst widersprechend, zeigt er in den folgenden Kapiteln eine große Variabilität nomadischer Lebensweisen auf: Der dem Nomadismus inhärenten Mobilität stellt er eine zumindest saisonale Ortsfestigkeit an die Seite, er konstatiert also eine Mischökonomie aus nomadischen und sesshaften Wirtschaftsweisen (Viehzucht und Ackerbau) und dekonstruiert auf diese Weise seinen zuvor kreierten Idealtypus des skythischen Nomaden.46 Sogar noch einen Schritt weiter in der Relativierung seines zu Anfang entworfenen Skythen-Bildes geht Herodot scheinbar dann mit der Schilderung des städtisch geprägten Siedlungsplatzes (πόλις) Gelonos, einer riesigen skythischen Befestigungsanlage mit einer über 20 km langen Umfassungsmauer:47

44 Hartog 2013, 250 f. 257–261; Bichler 2001, 93–98. Zu Hdt. 4,81 vgl. Erbse 1992, 152 f.; Christ 1994, 172 f.; Bichler 2001, 103 f.; West 2000, 24 f.; Stingl 2005, 123; Bichler 2013a, 27. 45 Hdt. 4,2,2: … οὐ γὰρ ἀρόται εἰσὶ ἀλλὰ νομάδες. 46 Bichler 2001, 93–95; Bichler/Rollinger 2011, 52–54; zusammenfassend zum Nomadenbild (auch unter Einbeziehung der Skythen) in der griechischen Literatur vgl. auch Weiss 2015, 17–35 (hier weitere Literatur). 47 Hdt. 4,108,1 f.: … πόλις δὲ ἐν αὐτοῖσι πεπόλισται ξυλίνη, οὔνομα δὲ τῇ πόλι ἐστὶ Γελωνός· τοῦ δὲ τείχεος μέγαθος κῶλον ἕκαστον τριήκοντα σταδίων ἐστί, ὑψηλὸν δὲ καὶ πᾶν ξύλινον, καὶ οἰκίαι αὐτῶν ξύλιναι καὶ τὰ ἱρά. ἔστι γὰρ δὴ αὐτόθι Ἑλληνικῶς κατεσκευασμένα ἀγάλμασί τε καὶ βωμοῖσι καὶ νηοῖσι ξυλίνοισι … Übersetzung nach Feix 2007, 581. – Bichler 2001, 59 f.

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Die gepfählten Reiter Sie (sc. die Budinen) haben eine Stadt, die ganz aus Holz gebaut ist und Gelonos heißt. Jede Seite der Stadtmauer misst 30 Stadien; die Mauer ist hoch und ganz aus Holz. Auch ihre Häuser und Tempel bestehen aus Holz. Es gibt dort Heiligtümer griechischer Götter. Sie sind auf griechische Art mit Götterbildern und Altären und Tempelbauten aus Holz ausgestattet …

Dieser Platz wird in der modernen Forschung mit der Wallburg (gorodišče) von Bel’sk an der Vorskla identifiziert; am unteren Dnepr findet sich ebenfalls ein großräumiges befestigtes Areal von 12 km2 Fläche (Kamenskoe Gorodišče)48 und eine vergleichbare Anlage ist auch am Don-Delta nachweisbar (Elizavetovskoe).49 Die Nennung derartiger befestigter Plätze mit regionaler und überregionaler Zentralortfunktion sowohl in politischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht (saisonale Königsresidenz, Handelsknotenpunkt sowie die z. B. in der Bel’skoe Gorodišče nachweisbare Bronzegießerei), die in den Augen Herodots ebenso wie kultiviertes Land die Gegenwelt des Nomadentums verkörpern, mag zunächst widersprüchlich erscheinen. Sie erklärt sich aber wohl dadurch, dass Herodots Skythen-Logos einen größeren geographischen Raum abdeckt, Informationen unterschiedlichen Alters verarbeitet und oftmals auch nur Momentaufnahmen des skythischen Lebens bietet. Herodot differenziert also weder konsequent zwischen der Vielzahl der unter dem Begriff ›Skythen‹ subsumierten Gruppen in den eurasischen Steppengebieten, noch erfasst er systematisch die angesichts der klimatischen Bedingungen saisonal divergierende Lebensweise dieser (teil-) mobilen Bevölkerungsgruppen. Herodots besonderes Interesse gilt den küstennahen Regionen am Bug-Dnepr-Liman, also dem Mündungsgebiet von Bug und Dnepr mit den milesischen Koloniegründungen Berezan (Borysthenes) und Olbia.50 Er fokussiert also auf den Nordpontusraum und lässt die Charakteristika der dort im 6. Jh. v. Chr. entstandenen breiten skythisch-griechischen Kontaktzone in der Geschichte über Anarchasis und Skyles (Hdt. 4,76–80) und in der detaillierten Gelonos-Beschreibung (Hdt. 4,108) klar hervortreten: Die skythische Assimilation an griechischen life-style zeigt sich für ihn in der teils skythischen, teils griechischen Sprache, der Ehelichung grie48 Rolle 1979, 160–166; Rolle 1984, 519–521; Parzinger 2009, 72 f. 79–81. Zu Bel’sk vgl. Rolle et al. 1996, 57–84; Rolle 2011, 124–129. 49 Marčenko et al. 2000; Rolle 2005, 43; Rolle 2011, 124. ‒ Zahlreiche weitere Wallburgen finden sich weiter flussaufwärts am Dnepr und seinen Zuflüssen (Desna, Sula) sowie an den Oberläufen von Pruth und Bug, so z. B. das etwa 60 km südlich von Kiev gelegene Trachtemirov am Dnepr, das sich auf einer Fläche von ca. 12 × 7 km erstreckt; vgl. Boltrik/Fialko 2007a, 103–119. 50 Zu Olbia und Berezan z. B. vgl. Vinogradov/Kryžickij 1995; Boardman/Tsetskhladze 1999; Braund/Kryzhitskiy 2007; Povalahev 2008, 77–148; Kryjitski/ Lëipounskaïa 2011; Lejpounskaja u. a. 2010.

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chischer Frauen, der zumindest zeitweisen Nutzung festgebauter Häuser und Paläste in urbanem Umfeld, der Verehrung hellenischer Gottheiten (pointiert in der bakchantischen Dionysos-Verehrung) und der hellenischen Kleidung – ein Akkulturationsprozess, der allerdings bei traditionsbewussten skythischen Gruppierungen auf heftige Ablehnung stößt und sowohl Skyles als auch Anarchasis das Leben kostet:51 … Diesem Mann (sc. Anarchasis) erging es demnach so, weil er fremde Bräuche angenommen und mit den Griechen Umgang gepflegt hatte.

Herodot fängt den Alltag in der skythisch-griechischen Kontaktzone ein, wobei die skythisch-hellenische Mischkultur ebenso als eine Facette skythischer Lebenswirklichkeit erscheint wie das Nomadenleben in den Weiten der eurasischen Steppen fernab der politisch-kulturellen Reichweite der antiken Großreiche und Stadtstaaten. Die engen skythisch-griechischen Kontakte (oder vorsichtiger ausgedrückt die Beziehungen zwischen Griechen und Nicht-Griechen52), ja sogar die Entstehung einer skythisch-griechischen Mischbevölkerung (Ἕλληνες Σκύθαι, Καλλιπίδι) in der Zeit Herodots, sind materiell nachweisbar in der Kunst (erweiterter Objektkreis des Tierstils) und mittels grundlegender Veränderungen skythischer Grabsitten im 5. Jh. v. Chr. (Bestattung in Sarkophagen, Grabarchitektur).53 In seiner weit ausholenden Verortung einer Vielzahl großer ethnischer Verbände in dem breiten Spektrum zwischen nomadischer Viehzüchter-Existenz, temporärem Ackerbau und sesshafter Lebensweise lässt Herodot die Skythen trotz und zugleich wegen ihrer hohen Mobilität, die sie militärisch unbesiegbar macht, zu einem bedeutenden historischen Faktor werden:54

51 Hdt. 4,77,2: … οὗτος μὲν νυν οὕτω δὴ [τι] ἔπρηξε διὰ ξεινικά τε νόμαια καὶ Ἑλληνικὰς ὁνμιλίας. Übersetzung nach Feix 2007, 559. Bichler 2001, 71; Schubert 2010, 129–133. 148– 156; Wesselmann 2011, 136. 52 Zur Problematik der Zuordnung archäologischer Befunde zu bestimmten ethnischen Gruppen vgl. Fless/Lorenz 2005, 57–77; Kryzhitskiy 2007, 17–22; Buyskikh 2007, 23–35. 53 Braund 2005; Rolle 2005, 38; Parzinger 2009, 82. 101 f. 115–119 u. ö.; Ivantchik 2011, 85; Tsetskhladze 2012, 330–346; Meyer 2013. 54 Hdt. 4,46,2: … τὸ δὲ μέγιστον οὕτω σφι ἀνεύρηται ὥστε ἀποφυγεῖν τε μηδένα ἐπελθόντα ἐπὶ σφέας, μὴ βουλομένους τε ἐξευρεθῆναι καταλαβεῖν μὴ οἷόν τε εἶναι· τοῖσι γὰρ μήτε ἄστεα μήτε τείχεα ᾖ ἐκτισμένα, ἀλλὰ φερέοικοι ἐόντες πάντες ἔωσι ἱπποτοξόται, ζῶντες μὴ ἀπ᾽ ἀρότου ἀλλ᾽ ἀπὸ κτηνέων, οἰκήματά τέ σφι ᾖ ἐπὶ ζευγέων, κῶς οὐκ ἂν εἴησαν οὗτοι ἄμαχοί τε καὶ ἄποροι προσμίσγειν. Übersetzung nach FEIX 2007, 537. – ERBSE 1992, 65 f.; ROLLE 2011, 122–124; HARTOG 2013, 252–255. 260 f. 263 f.

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Die gepfählten Reiter Der große Vorteil besteht darin, dass ihnen (sc. den Skythen) niemand entrinnen kann, der gegen sie zieht, und dass keiner sie fassen kann, wenn sie sich nicht auffinden lassen wollen. Leute, die sich weder Städte noch Mauern gegründet haben, die ihre Wohnstätten mit sich führen und sämtlich Bogenschützen zu Pferde sind, die nicht vom Ackerbau, sondern von der Viehzucht leben und deren Heim auf Wagen ruht – wie sollte ein solches Volk nicht unbezwingbar und schwer zu stellen sein!

Die militärische Konfrontation als Entscheidung über die zukünftige Gestaltung der politischen Landkarte mit über- und untergeordneten Mächten und diplomatische Kontakte als Mittel der Aushandlung von Hegemonie oder Kooperation sind mangels gemeinsamer Denk- und Erfahrungshorizonte für die imperialen Mächte keine erfolgversprechende Option. Dareios bleibt angesichts seines ergebnislos abgebrochenen Feldzuges gegen die Skythen nur die resignierende Bilanz: »Dieses Volk verachtet uns sehr …«, nachdem bereits sein Berater Gobryas festgestellt hatte: »Sie treiben ihren Spott mit uns«55 – eine rein fiktive Erzählung, die aber anschaulich erklärt, wie es den Skythen aufgrund ihrer (teil-)nomadischen Lebensweise gelingen konnte, eine in jeder Hinsicht von den mächtigen politischen Gebilden im Orient und im Mittelmeerraum unabhängige Größe zu bleiben. Es gilt: »The only army the Scythians have is their aporia«,56 denn ihr Land ist unzugänglich und unwegsam (ἄπορος), ein entvölkertes Steppengebiet von unendlicher Weite. VI. Fazit Unbestritten ist, dass Herodot seine Skythen als Gegenbild zu den Ägyptern konzipiert: Anders als das von der Nilschwelle abhängige Ägypten ist Skythiens Flusslandschaft ein Musterbild natürlichen und kontinuierlich verfügbaren Reichtums. Der Hybris des Kanalbaus und der Flussableitungen setzen die Skythen eine traditionelle Agrikultur entgegen; der Gegenpol zu lydischer, persischer und griechischer Hybris – Willkür, Maßlosigkeit, Despotismus, Expansionsdrang, den innergriechischen Machtkämpfen und der Athener Seebundherrschaft – ist der skythische Rückzug auf das eigene Territorium und der Vorsatz, erst dann einen Krieg zu beginnen, wenn die Gräber der Vorfahren in Gefahr sind, ansonsten auf die eigene (von Herodot eng an die nomadische Lebensweise geknüpfte), nicht in Truppenaufgeboten zu fassende Stärke zu vertrauen. Festzuhalten ist, dass Herodots Skythen-Logos Informationen von hoher Qualität und Authentizität bietet – gerade wenn es um die (zumindest auch) na55 Hdt. 4,134,2: Οὗτοι ὧνδρες ἡμέων πολλὸν καταφρονέουσι … ὁρῶν αὐτοὺς ἐμπαίζοντας ἡμῖν … 56 HARTOG 2013, 261.

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turräumlich bedingte Fremdartigkeit der skythischen Lebensweise geht. Nicht von der Hand zu weisen ist allerdings, dass Herodot in der Weitergabe des ihm zugetragenen Wissens selektiv verfährt, mitunter Lügengeschichten aufsitzt oder Erzähltes missversteht und entsprechend der kompositorischen Gestaltung seines Werkes in abgeänderter Form weitergibt. Aber auch der immer wieder durch den archäologischen Befund in geradezu spektakulärer Weise gestützte Skythen-Logos sollte die Warnung vor Pauschalurteilen und vorschnellen Generalisierungen aus der Feder von Reinhold Bichler nicht in Vergessenheit geraten lassen:57 »Ein wohl komponiertes, in sich geschlossenes Werk eines Autors, der doch nur ›schlicht weitergab‹, was ihm eine ganze Fülle von Informanten aus verschiedener Herren Länder berichtet haben, ist ein Unding!«

57 BICHLER 1985, 146.

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ACHAIMENIDISCHE KÖNIGSIDEOLOGIE IN HERODOTS ER ZÄHLUNG ÜBER XERXES, HDT. 7,8–11 Andreas Schwab

Abstract: In this paper on Achaemenid royal ideology in Herodotus’ narrative on Xerxes’ decision to go to war against Greece (Hdt. 7,8–11), I argue that Herodotus was not only acquainted with some ideas of the religious ideology of the Persian Kings expressed in the Old Persian royal inscriptions, but that the Histories also creatively engage with their content and the ideology of Persian kingship. In a close and comparative reading of Herodotus’ narrative on Xerxes’ decision-making process and his council scene (Hdt. 7,8–11) before his dreams and the invasion to Greece, I will pay special attention to the use of religious terminology and topics which are remarkably similar to the content of several Persian royal inscriptions. By pointing out similarities with the inscriptional evidence (e. g. the topic of expansion, the king’s emphasis of god’s grace, help and protection, Xerxes’ claim to universal power/reign and his famous genealogy in Hdt. 7,11) I will argue that Herodotus knows and plays with some essential ideas of the religious ideology of Persian kingship. This investigation sheds new light not only on the passages that I will examine in the famous war council, but also on the following dreams of Xerxes which illustrate the conflict of the king’s claim – prominent in the inscriptions – to act in accordance with the god.

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Andreas Schwab ἀλλὰ θεός τε οὕτω ἄγει καὶ αὐτοῖσι ἡμῖν πολλὰ ἐπέπουσι συμφέρεται ἐπὶ τὸ ἄμεινον. Doch so führt uns Gott, und unternehmen wir selber viel, so geht es zum Besseren mit uns. Xerxes in der persischen Ratsversammlung, Hdt. 7,8 Εἰ ὦν θεός ἐστι ὁ ἐπιπέμπων καί οἱ πάντως ἐν ἡδονῇ ἐστι γενέσθαι στρατηλασίην ἐπὶ τὴν Ἑλλάδα, ἐπιπτήσεται καὶ σοὶ τὠυτὸ τοῦτο ὄνειρον, ὁμοίως [ὡς] καὶ ἐμοὶ ἐντελλόμενον. Wenn es nun (ein) Gott ist, der es (sc. das Traumgesicht) schickt, und wenn es durchaus sein Wunsch ist, dass der Zug gegen Hellas stattfinde, dann wird dieser Traum genau so auch zu dir geflogen kommen und dir das Gleiche anbefehlen wie mir. Xerxes nach seinem zweiten Traum, Hdt. 7,15,3

Einleitung Ausgehend von der Frage nach ›orientalischen‹ Elementen1 in den Historien Herodots soll im Folgenden eine wohlbekannte Textpassage untersucht werden, die aufgrund ihrer zentralen Stellung sowie ihres dichten und vielschichtigen Inhalts zu Beginn des siebten Buches vor dem Zug des Xerxes gegen Griechenland in der Forschung viel Beachtung gefunden hat: die von Xerxes einberufene persische Ratsszene (Hdt. 7,8–11).2 In der Untersuchung interessiere ich mich insbesondere für den Gebrauch religiöser Terminologie3 sowie für Gegenstände und Themen, die signifikante Ähnlichkeit mit den Inhalten altpersischer Königsinschriften haben. Dabei argumentiere ich erstens für die These, dass Herodot mit einigen Themen religiöser persischer Königsideologie vertraut war, und zweitens, dass er mit dem Inhalt und 1 Vgl. dazu die Einleitung der Herausgeber sowie zu Herodot und dem »persischen Weltreich« Rollinger/Truschnegg/Bichler 2011. 2 Vgl. dazu mit weiterführender Literatur den Kommentar von VAN OPHUIJSEN und STORK 1999, die rhetorische Analyse der Reden bei SCARDINO 2007, zu den vielschichtigen Motiven BARAGWANATH 2008. Eine metahistorische Deutung des Xerxes entwickelt GRETHLEIN 2009 und 2011 und eine rhetorische Analyse der Debatte bei ZALI 2015, 151–6, zum Verhalten des Redners Xerxes allgemein ebd. 87–97. Vgl. zur Figur des Xerxes, SANCISI-WEERDENBURG 2002, 579-590, und BRIDGES 2015. 3 Diese Untersuchung wurde im Sommersemester 2015 beflügelt durch ein gemeinsames interdisziplinäres Seminar zum „Alt- und Vorderorientalischen Königtum aus der Perspektive Herodots“ mit den Heidelberger Kollegen Gregor Ahn und Hilmar Klinkott, denen ich für die anregende Zusammenarbeit dankbar bin. Für die wertvollen Kommentare im Rahmen des Heidelberger Workshops sowie bei Vorträgen an den Universitäten von Chapel Hill, Madison und Columbia bin ich ebenso dankbar. Für gute Fragen und hilfreiche Kommentare danke ich besonders Emily Baragwanath, Reinhold Bichler, Liz Irwin, Bruce Lincoln und Josef Wiesehöfer.

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Achaimenidische Königsideologie in Herodots Erzählung über Xerxes

der Ideologie dieser Inschriften in den Historien spielt. In der auf nur wenige, jedoch wichtige Aspekte konzentrierten Analyse des Textes beabsichtigte ich keine Rekonstruktion von Herodots Quellen, sondern ich werde die Ambivalenz und Komplexität von Herodots Erzählung herausarbeiten, indem ich die Aufmerksamkeit auf Bezüge zu den zeitlich früheren religiösen und ideologischen, inschriftlichen Texten der achaimenidischen Könige richte.4 Bei den Textvergleichen werde ich methodisch zuerst von Herodots Text ausgehen, zentrale Termini und Gegenstände hervorheben, um in einem zweiten Schritt auf Ähnlichkeiten zu bestimmten Inhalten oder Anspielungen auf die Texte der Inschriften einzugehen. Dass Herodot mit zentralen Inhalten der achaimenidischen Inschriften, insbesondere der Behistun-Inschrift des Dareios, wohl vertraut war, stellt insbesondere seine Erzählung über den Machtantritt des Dareios im dritten Buch der Historien unter Beweis.5 So bemerkt David Asheri in der Einleitung seines Kommentars zum dritten Buch: »Even a superficial reading of Book III reveals an evident substratum of oriental material; to deny it would be absurd: it is visible in names of characters, in the tendentiousness of Cambyses’ vicissitudes in Egypt, in the oriental colouring of the stories of the palace and harem; and in a particular notable way in the extraordinary correspondence, in both content and tendentiousness, between Herodotus’ account and the evidence deducible from Persian and Babylonian epigraphic sources.«6

Diese Einschätzung von Asheri ermuntert dazu, nach möglichen Anspielungen auf die Texte der achaimenidischen Königsinschriften auch jenseits des dritten Buches zu suchen. Eine solche Untersuchung des herodoteischen Textes ist besonders vielversprechend, wenn eine auffällige Äußerung des herodoteischen Xerxes über seine Vorfahren in seiner zweiten Rede in der persischen Ratsversammlung (Hdt. 7,11,2) Herodots »intimste Kenntnisse des von Dareios (s. c. in seinen Inschriften) vermittelten Bildes« (Rollinger)7 erkennen lässt.8 4 Zur literarischen Form der altpersischen Inschriften vgl. AHN 1992, 173–5 sowie zum Propagandawert politischer Selbstdarstellung ebd. 175–9. 5 Vgl. dazu die Untersuchung von WIESEHÖFER 1978, den Kommentar und die Einführung zum dritten Buch von ASHERI/LLOYD/CORCELLA 2007, 381–94, insbes. 391–4, WEST 2007a sowie den Beitrag von Robert Rollinger in diesem Band mit weiterführender Literatur. Vgl. auch den Beitrag von HARRISON 2011 sowie HARRISON 2015, der ausgehend von Hdt. 7,5–11 mit Blick auf die altpersischen Inschriften den „character of Persian imperialism“ untersucht. 6 Asheri/Lloyd/Corcella 2007, 393 und Asheri/Medaglia 1990, XXII. 7 Vgl. Rollinger 1999, 199. 8 Vgl. dazu Abschnitt V: Die zweite Rede des Xerxes (Hdt. 7,11,1–2): Der Stammbaum des Xerxes.

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Durch den so gewählten Fokus der Untersuchung soll selbstverständlich nicht bestritten werden, dass die literarische Gestaltung der herodoteischen Textpassage auch den Einfluss zweier wichtiger Prätexte der griechischen literarischen Tradition aufweist, sowohl Motive aus dem zweiten Buch von Homers Ilias als auch aus den Persern des Aischylos.9 Um gleichfalls keine falschen Erwartungen zu wecken, muss angesichts der stark rhetorischen und literarisch-komplexen Textpassage Herodots einerseits und dem ideologisch-propagandistischen Charakter der altpersischen Inschriften andererseits betont werden, dass es sich bei den erzielten Ergebnissen nicht um Aussagen über »reale« historische Verhältnisse handeln kann.10 Im besten Fall kommen durch den Textvergleich frappierende Ähnlichkeiten und Parallelen von Herodots Text mit Themen und Aspekten der ideologischen königlichen Inschriften zum Vorschein,11 die insgesamt nicht nur die persische Ratsszene (Hdt. 7,8–11), sondern auch die unmittelbar folgende Erzählung über die Träume des Xerxes (Hdt. 7,12–19) in einem anderen Licht erscheinen lassen. Im Folgenden werde ich (I) einige Informationen zu den Inschriften und darauf (II) einen ersten Vergleich von Herodots Erzählung zur Vorgeschichte der persischen Ratsversammlung (Hdt. 7,2,1–3) über die Nachfolge des Dareios und die Legitimation des Xerxes mit einem Text der achaimenidischen Inschriften unternehmen. Darauf folge ich dem Erzählverlauf der Textpassage und werde im Hauptteil der Untersuchung (III) die erste Rede des Xerxes (Hdt. 7,8) näher betrachten und dabei die Aufmerksamkeit auf die religiöse Rahmung dieser Rede richten. Ausge9 Vgl. dazu die Referenzen bei How/Wells 1928, Hermes 1951, 82–5 und 85–91, Scardino 2007, zu Aischylos’ »Perser« und Herodot, Kauchtschischwili 1981, 193–200, zu Dareios und Xerxes bei Aischylos und Herodot, Saïd, 1981, 17–38, zu Xerxes bei Hdt. 7.8–11 ebd., 18–25. Zur Darstellung des Xerxes im Rahmen des Generationenkonflikts bei Aischylos, Föllinger 2009, 61–76, sowie zu Xerxes bei Aischylos und Timotheos von Milet, vgl. Bridges 2015, 11–43 und Huber 2001, 169–196. 10 Vgl. zum Charakter der Inschriften, Sancisi-weerdenburg 1999, 91–112. 11 Ebenso erklärt asheri/lloyd/corcella 2007, 393, dass es sich bei der Inschrift von Behistun um einen »text of political propaganda, with an explicit intention of publicly legitimizing a controversial act of ursurpation« handele. In einer Gegenüberstellung konstatiert er: »On the one hand, Herodotus relates the information he succeeded in gathering from his Greek and bilingual informants; on the other, the inscription of Bisitun threateningly imposes the ›truth‹ of Darius and terrorizes the incredulous, falsifying history in the service of propaganda. Herodotus and Bisitun are thus two prisms – connected but in no way identical – through which passes the same ray of ›truth‹ or historical reality, refracted and altered: the drama of the miraculous year 522/1 BC. Naturally in both appear names of persons and places, dates and events, the veracity of which there is no sufficient reason to doubt. But Herodotus’ reshaping of the material is the result of his narrative creativity; whereas the Bisitun inscription is a product of ideology and of uncompromising political propaganda.«

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wählte Aspekte dieser Rede lassen die religiöse und ideologische Motivation sowie deren archaimenidische Elemente erkennen. Drei Themen stehen dabei im Vordergrund: die explizite Bezugnahme und Berufung auf einen (a) persischen Nomos, (b) auf Gott sowie (c) Xerxes’ Vision einer Expansion des persischen Reiches. Alle drei Aspekte weisen Ähnlichkeiten zu religiös-ideologischen Themen der achaimenidischen Königsinschriften auf. Im nächsten Schritt (IV) werde ich aus der Rede des Artabanos zwei Elemente besonders hervorheben: das (a) Konzept des neidischen Gottes und (b) den Vorwurf der Verleumdung (διαβολή), den Artabanos gegenüber Mardonios ausspricht. Zuletzt werde ich (V) die signifikante Äußerung von Xerxes über seine Abstammung in seiner zweiten Rede hervorheben und deren frappierende Ähnlichkeit mit Formulierungen aus den Inschriften kommentieren. I. Zu den achaimenidischen Inschriften Die wohl bekannteste der achaimenidischen Inschriften ist die sogenannte dreisprachige Behistun-Inschrift, die sich in etwa 60 m Höhe auf einer Felswand des Berges Bīsutūn, in achaimenidischer Zeit als *bagastāna (»Platz der Götter«) bekannt, im heutigen Iran befindet.12 Das monumentale Relief, das König Dareios I., den König von Persien, und seinen Sieg über den Usurpator Gaumāta und die neun Rebellen darstellt, ist von einer großen dreisprachigen Inschrift in altpersischer, elamischer und babylonischer Sprache umgeben. Die Inschrift des Dareios ist, vergleichbar dem Stein von Rosetta für die Entstehung der Ägyptologie, nach Rüdiger Schmitt »das wichtigste Dokument des ganzen alten Nahen Ostens und ein Hauptschlüssel zum Verständnis seiner Sprachen«.13 Die ersten Inschriften wurden wohl um 520 v. u. Z. verfasst.14 Es ist bemerkenswert, dass Dareios Kopien und Übersetzungen der Inschrift im gesamten Reich zirkulieren ließ, wie der folgende § 70 der Inschrift zu erkennen gibt:15 DB: § 70 Es kündet Dareios, der König: Nach dem Willen Ahuramazdās (ist) dies die Fassung der Inschrift, 12 Vgl. dazu Asheri/Lloyd/Corcella 2007, 528–9, Wiesehöfer 1978, 3–42, Wiesehöfer 1993, 33–43 und Schmitt 2000a, 289 mit Erklärung und Abbildung zu den verschiedenen Phasen der Entstehung der Inschrift. 13 Schmitt 2000a, 289: »(…) the most important document of the entire ancient Near East and a major key to understanding its languages.« 14 Vgl. Schmitt 2000a, 289. 15 Vgl. dazu Rollinger 2015, 122–3.

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Andreas Schwab die ich hinzugesetzt habe, (und zwar) auf Arisch. (Auch) auf Ton und Pergament wurde sie angebracht. Hinzugesetzt habe ich auch die Namensangabe (und) hinzugesetzt habe ich den (meinen) Stammbaum. Und sie wurde niedergeschrieben Und vor mir vorgelesen. Darauf habe ich diese Fassung der Inschrift ausgesandt Überallhin in die Länder. Das Volk kooperierte (dabei).16

Von besonderem Interesse für die Verbreitung dieser Texte ist nun, dass Teile solcher Kopien in Babylon in babylonischer Sprache entdeckt wurden und in aramäischer Sprache auf Papyrusfragmenten aus dem späten 5. Jahrhundert v. u. Z. in Elephantine.17 Neuere Forschungen lenken die Aufmerksamkeit insbesondere auf die räumliche Verteilung und Verbreitung der Inschriften, mögliche Entstellungen und Manipulationen während dieser Prozesse sowie auf die Erhaltung und sogar das Studium dieser Texte.18 Die Inschriften, insbesondere die außergewöhnliche Behistun-Inschrift, stellen wichtige Textzeugnisse insbesondere für Dareios und seinen Machtantritt dar und weisen in diesem Fall Ähnlichkeiten, aber auch interessante Kontraste zu Herodots Erzählung auf.19 Für die Bedeutung der Inschrift ist zu betonen, dass alle Fassungen, nicht zuletzt die altpersische und elamische, als »Worte des Königs« zu verstehen seien,20 und ein enger Zusammenhang von Bildern und 16 Hier und im Folgenden benutze ich die deutsche Übersetzung des altpersischen Textes (aus der Editio minor) von Rüdiger Schmitt 2009, 97. Für eine französische Übertragung, Lecoq 1997, für eine englische Übersetzung, Schmitt 1991 und KENT 1953. 17 Vgl. zu den aramäischen Papyri Wiesehöfer 1978, 20–42 und Schmitt 2000a, 289 und zuletzt Rollinger 2015, 117–30. Für die aramäischen Texte mit einer englischen Übersetzung, vgl. Cowley, 1923, 248–271. Wiesehöfer bemerkt ebd. 38–9: »Das von Dareios mündlich in altpersischer Sprache Diktierte wurde von aramäischen und elamischen Schreibern in aramäischer und elamischer Übersetzung niedergeschrieben. Von dem aramäischen Originaltext wurden anschließend Abschriften in alle Reichsteile verschickt.« 18 Vgl. dazu Rollinger 2015, 117–130, der einen guten Überblick über diese Prozesse bei den Inschriften des Dareios und Xerxes gibt. 19 Vgl. dazu Wiesehöfer 1978, Asheri/Lloyd/Corcella 2007, Rollinger 2004b, 264–70 und West 2007a. Vgl. zu Herodot und der Behistun-Inschrift, Rollinger 2015, der (ebd. 125) Herodots Historien als »proof« für die Verbreitung des Inhalts der Behistun-Inschrift ansieht und feststellt: »In any case, seminal elements of the text seem to have been still circulating one hundred years after Darius when Herodotus wrote his Histories.« 20 Vgl. dazu Wiesehöfer 2014, 30 und Henkelmann 2008, 370.

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Text besteht.21 In stilistischer Hinsicht ist zu bemerken, dass die Inschriften Erzählmotive und Topoi des Königsbildes der Nachbarkulturen übernehmen und diesen Texten auch in ihrem einfachen Aufbau, ihrer klaren Gliederung und der teils »monoton wirkenden Formelsprache«22 nahe stehen.23 II. Zur Legitimation des Xerxes bei Herodot und in den Inschriften Um einen ersten Vergleich mit den achaimenidischen Inschriften zu ermöglichen, möchte ich auf einen Aspekt der Vorgeschichte zu Beginn des siebten Buches bei Herodot eingehen: die Legitimation des Xerxes. Wichtige Faktoren in Herodots Erzählung vor der persischen Ratsszene (Hdt. 7,2–7) betreffen insbesondere den umstrittenen Weg des Xerxes zu seiner Herrschaft und das problematische ›Erbe‹ der Kriegspläne seines Vaters sowie die gezielte Manipulation des Xerxes durch seine Umgebung.24 Diese Faktoren dienen nicht nur der Charakterisierung des Xerxes25 in seiner problematischen Nachfolge des Dareios, sie veranschaulichen pointiert die komplexen Motive und Interessen vor dem Zug gegen Griechenland.26 Zu Beginn des siebten Buches erzählt Herodot (Hdt. 7,2) von einem großen Streit (στάσις ἐγένετο μεγάλη) unter den Söhnen des Dareios (τῶν παίδων αὐτοῦ) um die Nachfolge der Herrschaft (περὶ τῆς ἡγεμονίης) im Anschluss an Dareios: Στελλομένου δὲ Δαρείου ἐπ’ Αἴγυπτον καὶ Ἀθήνας τῶν παίδων αὐτοῦ στάσις ἐγένετο μεγάλη περὶ τῆς ἡγεμονίης, ὡς δεῖ μιν ἀποδέξαντα βασιλέα κατὰ τὸν Περσέων νόμον οὕτω στρατεύεσθαι. Ἦσαν γὰρ Δαρείῳ καὶ πρότερον ἢ βασιλεῦσαι γεγονότες τρεῖς παῖδες ἐκ τῆς προτέρης γυναικός, Γωβρύεω θυγατρός, καὶ βασιλεύσαντι ἐξ Ἀτόσσης τῆς Κύρου ἕτεροι τέσσερες· τῶν μὲν δὴ προτέρων ἐπρέσβευε Ἀρτοβαζάνης, τῶν δὲ ἐπιγενομένων Ξέρξης. Ἐόντες δὲ μητρὸς οὐ τῆς αὐτῆς ἐστασίαζον (…). (Hdt. 7,2,1–3) Während aber Dareios sich vorbereitete, gegen Ägypten zu ziehen und gegen Athen, brach unter seinen Söhnen ein heftiger Streit aus um die Herrschaft; denn sie verlangten, dass er erst einen zum König bestimmte gemäß dem Brauch der Perser, ehe er ins Feld zog. Dareios hatte nämlich, schon ehe er König war, drei Söhne bekommen von seiner ersten Gattin, einer Tochter des 21 Vgl. dazu Garrison 2011, 57–61. 22 Ahn 1992, 174. 23 Vgl. zur Besonderheit der Behistun-Inschrift im Unterschied zu den späteren Inschriften, Rollinger 2014, 187–212, bes. 196–200. 24 Vgl. dazu Scardino, 2007, 126–131 und Fröhlich, 2013, 139–140. 25 Zur Diskussion um den »Charakter« des Xerxes in Auseinandersetzung mit den Positionen von Schulte Altedorneburg und Pietsch, Roettig 2010, 48–52. 26 Vgl. Löffler 2008, 168–172.

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Andreas Schwab Gobryas, und als er König geworden, von Kyros’ Tochter Atossa weitere vier. Von den früheren nun war der älteste Artobazanes, von den spätgeborenen Xerxes. Da sie nun nicht von derselben Mutter waren, gerieten sie in Streit (…).27

In diesem Streit betont Xerxes seine Zugehörigkeit zur königlichen persischen Linie durch seine Mutter Atossa, die Tochter des Kyros, und Herodot erzählt im Anschluss von der Bevorzugung und Legitimierung des Xerxes gegenüber dem ältesten Sohn des Dareios, Artobazanes (Hdt. 7,2–4).28 Ausgehend von dieser zu Beginn des siebten Buches problematisierten Herrscherlegitimation des Xerxes soll nun ein erster Bezug zu einem Text der achaimenidischen Königsinschriften aufgezeigt werden. Einige Aspekte der herodoteischen Eingangspassage werden tatsächlich durch die Inschriften bestätigt.29 Zur Nachfolge des Dareios heißt es in einer Inschrift des Xerxes aus Persepolis:30 XPf: § 3 Es kündet Xerxes, der König: Mein Vater (war) Dareios, (…). § 4 Es kündet Xerxes, der König: Dareios hatte auch andere Söhne; (aber) Ahuramazdā war es so der Wunsch: Dareios, mein Vater, hat nach sich selbst mich zum Größten gemacht. Als mein Vater Dareios sich zu seinem Platz (im Jenseits) begeben hatte,

27 Ich verwende hier und im Folgenden die leicht veränderte deutsche Übersetzung Herodots von Marg 1983. 28 Vgl. dazu Ahn 1992, 239: »Im Falle des Artobazanes fiel die Entscheidung somit gegen eine Priorität des Erstgeburtsrechts zugunsten des aus der endogamen Königsverbindung hervorgegangenen Sprösslings.« Es geht vor allem auch darum, dass in der Person des Xerxes die teispidische und die achaimenidische Linie zusammenkommen. Dareios wird den Xerxes auch deshalb ausgewählt haben, um sein Legitimationsdefizit zu beheben (Anmerkung Wieshöfer). 29 Vgl. dazu Kuhrt 2007, die (ebd. 245) bemerkt: »Herodotus’ later story (…) has clearly been imaginatively elaborated. But the fundamental point, i. e. that Xerxes was not the oldest son and that his appointment to the sucession was unusual, seems to echo Xerxes’ own statement (Verweis auf XPf).« 30 Für die altpersischen Königsinschriften verwende ich die deutsche Übersetzung der editio minor von Rüdiger Schmitt 2009.

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Achaimenidische Königsideologie in Herodots Erzählung über Xerxes nach dem Willen Ahuramazdās bin ich König geworden anstelle des Vaters.31

In der Inschrift erklärt Xerxes, dass sein Vater Dareios gewesen sei, der noch andere Söhne gehabt habe, dass jedoch Dareios, als er noch am Leben gewesen sei, ihn zum König gemacht habe. Die Inschrift erwähnt auch, dass Xerxes nach dem Tod des Dareios König wurde. In der Inschrift wird von Xerxes »ein doppelter Legitimationsanspruch« erhoben:32 Xerxes sei als Achaimenide »durch die von seinem Vater Dareios ausgesprochene Designation zum Thronfolger und Mitregenten als der nach dem dynastischen Prinzip rechtmäßige Herrscher qualifiziert«.33 Ahn macht darauf aufmerksam, dass »diese Argumentation ausdrücklich in den religiösen Kontext der Berufung auf die Erwählung des Königs durch den Gott Ahuramazdā gerückt und damit – ähnlich wie die sich allgemein auf das dynastische Prinzip stützende Rechtfertigungsstrategie – als ein Element religiöser Herrscherlegitimation ausgewiesen« werde.34 Im Vergleich der Inschrift mit Herodots Eingangspassage über die Legitimation des Xerxes (Hdt. 7,2 f.) ist also festzustellen, dass der dynastische Aspekt auch bei Herodot zur Sprache kommt, obgleich auf andere Art und Weise. Der in der Inschrift ausdrücklich behauptete religiöse Aspekt der Herrscherlegitimation durch die Berufung des Königs auf die Erwählung durch den Gott Ahuramazdā tritt bei Herodot an dieser Stelle nicht – noch nicht – hervor. Dieser religiöse Aspekt wird bei Herodot erst ausdrücklich in den eröffnenden Worten von Xerxes’ Eingangsrede zur persischen Ratsversammlung (Hdt. 7,8α) thematisiert. Diese beruft Xerxes nach der erfolgreichen Wiedereinnahme Ägyptens ein, um nun über seine Pläne und den Entschluss, gegen Griechenland zu ziehen, zu beraten. Die Versammlung besteht aus vier Reden: der ersten Rede des Xerxes, darauf zwei antithetischen Reden, einer seines Vetters Mardonios für die Invasion35 und einer des Artabanos, der als geschichtskundiger Berater und Onkel des persischen Königs gegen die Invasion und somit gegen Xerxes spricht, gefolgt von einer die Versammlung beschließenden, zweiten Rede des Xerxes.36 31 Vgl. zum Phänomen und Problem der Synarchie als eines Sonderfalls dynastischer Designation, Ahn 1992, 240–1, am Beispiel dieser Xerxes-Inschrift, ebd. 241. 32 Vgl. dazu Ahn 1992, 241. 33 Ahn 1992, 241. 34 Ahn 1992, 241. 35 Vgl. zu Mardonios’ Rede und Einfluss auf Xerxes vor der Versammlung Scardino 2007, 129–130. 36 Eine nützliche rhetorische Analyse der Reden mit Paraphrase, Kommentar und weiterführender Literatur bietet Scardino 2007, 132–153.

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III. Die erste Rede des Xerxes und ihre religiöse Rahmung Bei dieser ersten Rede des Xerxes (Hdt. 7,8) 37 möchte ich die Aufmerksamkeit besonders auf drei Äußerungen lenken, welche die religiöse Rahmung seiner Rede unterstreichen: (a) die Berufung auf einen Nomos, der darauf expliziert wird, (b) der ausdrückliche Bezug auf Gott, der die Vormachtstellung der Perser fördere, und (c) die gegen Ende emphatisch vorgetragene Vision von einer Expansion des persischen Reiches. Xerxes beginnt seine Rede mit einer Bezugnahme auf einen Nomos sowie eine damit verbundene Referenz auf Gott: Ἄνδρες Πέρσαι, οὔτ’ αὐτὸς κατηγήσομαι νόμον τόνδε ἐν ὑμῖν τιθείς, παραδεξάμενός τε αὐτῷ χρήσομαι· ὡς γὰρ ἐγὼ πυνθάνομαι τῶν πρεσβυτέρων, οὐδαμά κω ἠτρεμίσαμεν ἐπείτε παρελάβομεν τὴν ἡγεμονίην τήνδε παρὰ Μήδων, Κύρου κατελόντος Ἀστυάγεα· ἀλλὰ θεός τε οὕτω ἄγει καὶ αὐτοῖσι ἡμῖν πολλὰ ἐπέπουσι συμφέρεται ἐπὶ τὸ ἄμεινον. Τὰ μέν νυν Κῦρός τε καὶ Καμβύσης πατήρ τε ὁ ἐμὸς Δαρεῖος κατεργάσαντο καὶ προσεκτήσαντο ἔθνεα, ἐπισταμένοισι εὖ οὐκ ἄν τις λέγοι. Ἐγὼ δὲ ἐπείτε παρέλαβον τὸν θρόνον τοῦτον, ἐφρόντιζον ὅκως μὴ λείψομαι τῶν πρότερον γενομένων ἐν τιμῇ τῇδε μηδὲ ἐλάσσω προσκτήσομαι δύναμιν Πέρσῃσι. (Hdt. 7,8α1–2) Persische Männer, nicht von mir aus will ich diesen Nomos unter euch aufrichten und neu einführen, sondern ich übernehme ihn, wenn ich nun nach ihm verfahre. Denn wie ich von den Älteren höre, haben wir noch nie still gesessen, seit wir diese unsere (Vor)Herrschaft übernommen haben von den Medern, damals als Kyros Astyages gestürzt hat. Sondern so führt uns Gott, und unternehmen wir selber viel, wird es zum Besseren sein. Wieviel Völkerschaften nun Kyros und Kambyses und dann mein Vater Dareios unterworfen und hinzugewonnen haben, das braucht Kundigen niemand zu erzählen. Ich aber habe, seit ich diesen Thron übernommen, darüber nachgedacht, wie ich nicht zurückbleibe hinter meinen Vorgängern in dieser Würde und eine nicht geringere Macht hinzugewinne für die Perser.

a) Der Nomos der Expansion Xerxes beginnt seine Rede mit der Bezugnahme auf einen Nomos, den er übernehme und zur Anwendung bringe. Seine Rede und der darin verkündete Aktionsplan stehen von Beginn an unter der Autorität dieses Nomos – einer Tradition, eines 37 Vgl. dazu Scardino 2007, 132–8 und Baragwanath 2008, 243–249, die auf die vielschichtigen Motive und die emotionale Verfassung des Xerxes in seiner Rede sowie den abrupten Wechsel in seiner Rhetorik aufmerksam macht.

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Brauchs, einer Ordnung (nach Powell eines »general principle of action«38). Mit diesem Nomos und mittels der Älteren, von denen er gehört habe, bildet Xerxes nun eine Brücke in die Vergangenheit bis zur Autorität des Kyros und dessen errungener Vormachtstellung gegenüber dem Meder Astyages. Der Nomos einer niemals ›ruhigen‹ Perserherrschaft wird von Xerxes nicht ausführlich erläutert, doch ruft Xerxes die von Kyros, Kambyses und seinem Vater Dareios gepflegte Tradition einer Herrschaft »zum Besseren« und den Hinzugewinn von Völkern für das Reich der Perser in Erinnerung.39 Xerxes beruft sich also zu Beginn seiner Rede auf eine Tradition der Expansion des persischen Reiches,40 die er mit dem Konzept des Nomos bezeichnet. Bemerkenswert ist nun, dass diese Expansion des persischen Reiches im Rahmen der Herrschertradition und Legitimation der achaimenidischen Könige nicht nur in den Inschriften (s. dazu unten), sondern auch in der Rede des Xerxes bei Herodot erkennbar religiös konnotiert ist. Denn bevor Xerxes seinen Zuhörern die Expansion des persischen Reiches durch seine Vorgänger Kyros, Kambyses und seinen Vater Dareios in Erinnerung ruft, verweist er explizit auf Gott, der die Perser so führe (θεός τε οὕτω ἄγει).41 Diese Formulierung ist ein wichtiges Indiz für die Artikulation des religiösen Aspekts im Zusammenhang mit der Expansion des persischen Reiches bei Herodot. Bevor ich jedoch weiter auf die Bedeutung des Gottesbezugs eingehe (s. dazu 3.b), möchte ich für den von Xerxes artikulierten Nomos einer Expansion des persischen Reiches einen Bezug zu den achaimenidischen Texten herstellen. In einigen Inschriften ist deutlich von der Ausdehnung und Erweiterung des persischen Reiches, mit anderen Worten, von einer Ideologie der Eroberung und

38 Powell 1938, ad loc. Vgl. dazu Scullion 2006, der in diesem Kontext eine »equation of theos with nomos« (ebd. 196) sieht. 39 Vgl. Hdt. 7,8α1. Macan 1908 bemerkt dazu, dass »the ›law‹ in question is not, indeed, expressly specified at all, but may be inferred to be the law of ›expansive empire‹ or of ›imperial expansion‹ (οὐδαμά κω ἠτρεμίσαμεν), under divine leading (θεός τε οὕτω ἄγει), with excellent results (συμφέρεται ἐπὶ τὸ ἄμεινον). It is a ›law‹, in fact, rather in the indicative than in the imperative form, and previously exemplified by the Median Empire 1.185, and by Kyros 1.190.« Zum Thema der Vergrößerung des Perserreichs, vgl. auch Hdt. 7,11,2 und das Gespräch in Hdt. 7,50,3. 40 Solmsen 1974, 144–145 bemerkt im Anschluss an den »punitive character« der Expedition, ebd. 8–9: »Even more prominent among his motivations is the need for expansion. For this he invokes the tradition he has inherited from his predecessors, the νόμος (8 α 1), as he calls it, of Persian history. It is the history which we know from Books I–IV. Xerxes understands it as a series of conquests. (…). A god, he claims, supports the Persian kings as long as they continue to move forward and enlarge their possessions (8 α 1).« 41 Vgl. zu ἄγει Scullion 2006, 196, der auf die ähnliche Formulierung des Pindarfragmentes (F. 169a1–4) hinweist.

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Expansion des persischen Reiches42 (auch »nach dem Willen Ahuramazdās«) die Rede, so besonders anschaulich in der Grabinschrift des Dareios in Naqš-I Rustam: DNa: § 3 Es kündet Dareios, der König: Nach dem Willen Ahuramazdās, – (vašnā A.uramazdāha) dies (sind) die Länder, die ich in Besitz genommen habe außerhalb von Persien; mir brachten sie Tribut; was ihnen von mir gesagt worden ist, das taten sie; das Gesetz, das mein (von mir) (ist), das hielt sie (fest): Medien, Elam, Parthien, Areia, Baktrien, Sogdien, Chorasmien, Drangiana, Arachosien, Sattagydien, Gandāra, Indien, die amyrgischen Saken, die spitzmündigen Saken, Babylonien, Assyrien, Arabien, Ägypten, Armenien, Kappadokien, Lydien, Ionien, die Saken jenseits des Meeres, Thrakien, die schildtragenden Griechen, die Libyer, Nubier, Mekrāner, Karer. § 4 Wenn du nun überlegen solltest: »Wie viele (sind) jene Länder, die Dareios, der König, in Besitz hatte?«, (so) betrachte die Abbilder (Stützfiguren), die das Throngestell tragen; da wirst du erkennen, da wird dir bewusst werden: »Des persischen Mannes Lanze ist weit in die Ferne hinausgegangen«; 42 Vgl. dazu auch Harrison 2015, 19–23, der in seiner Untersuchung von Hdt. 7,5–11 besonders den »Charakter des persischen Imperialismus« zu fassen versucht und (ebd. 20) dafür argumentiert, dass »Herodotus’ representation of Persian ideology of conquest contains within itself a number of strands, each of which allows comparison with Persian sources. The first is its religious aspect.«

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Achaimenidische Königsideologie in Herodots Erzählung über Xerxes da wird dir bewusst werden: »Der persische Mann hat fernab von Persien den Feind zurückgeschlagen.«43

Insofern das Thema der Expansion des persischen Reiches in Verbindung mit dem Herrschaftsanspruch des persischen Königs44 auch an weiteren Stellen in den Inschriften zur Sprache kommt, und wir ausgehend von einer weiteren Äußerung des herodoteischen Xerxes (s. unten 3.c) nochmals darauf zu sprechen kommen, möchte ich nun vielmehr das Augenmerk auf den Gottesbezug in der Äußerung des Xerxes richten.45 b) Die Bezugnahme auf Gott Die Verbindung eines nicht weiter bestimmten Gottes (θεός τε οὕτω ἄγει) – im Singular – mit dem traditionellen Nomos der Expansion des persischen Reiches und dem persischen König wird von Xerxes an dieser Stelle zwar nicht detailliert erläutert, doch erscheint sie bedeutend und zentral: nicht nur aufgrund der emphatischen Stellung zu Beginn von Xerxes’ Rede, sondern auch, wenn das persische Auditorium mit in Betracht gezogen wird. Nach der umstrittenen Legitimation des Xerxes, die in der Vorgeschichte vor der Ratsversammlung geschildert wurde, scheint sich Xerxes nun durch den expliziten Gottesbezug in seiner Stellung als legitimer Nachfolger seiner Vorgänger zu autorisieren. Xerxes artikuliert in dieser Rede explizit seine Herrschaft und den im Folgenden vorgestellten Aktionsplan, den Hellespont zu überbrücken und den Zug gegen Griechenland zu unternehmen, mit einem religiös-theologischen Bezug (θεός τε οὕτω ἄγει, »so führt uns Gott (schon immer)!«). Das verwendete Präsens im Verb ἄγω mit seinem durativen Charakter »so führt uns Gott kontinuierlich!« oder »schon immer!« und die dadurch behauptete Kontinuität von Xerxes’ Vorgängern zu ihm selbst sind aussagekräftig.46 Neben der eingangs erfolgten Bezugnahme auf den Nomos kann die explizite Referenz auf Gott in diesem Zusammenhang als ein weiteres Indiz der religiösen Herrscherlegitimation des Xerxes angesehen werden. Zentral und wichtig erscheint mir, dass dieser religi-

43 Vgl. z.B. DSe § 3 und DSz. 44 Vgl. zu Darstellungen des siegreichen Königs, Briant 1996, 226–7 und zum »chef de guerre«, 239–241. 45 Harrsion 2015, 20–22, geht auch auf diese Dimension als Bestandteil der persischen Königsideologie ein. 46 Vgl. die Übersetzungen »This is God’s guidance« (Aubrey de Sélincourt) oder »Thus the God guides us« (Andrea Purvis).

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öse Bezug zu Beginn der ersten Äußerung des Xerxes im Kontext eines persischen Kreises erfolgt. Betrachtet man diesen explizit religiösen Bezug vor dem eindrücklichen Hintergrund der Königsinschriften, so ist zu bemerken, dass das Verhältnis des persischen Großkönigs zum höchsten Gott Ahuramazdā (wörtlich »der weise (bzw. aufmerksame) Herr«47) in zahlreichen formelhaften Wendungen in den Königsinschriften dokumentiert wird.48 Es findet in den altpersischen Inschriften insbesondere seinen Ausdruck in der typischen, vielmals wiederkehrenden Formel »vašnā Auramazdāha« – »nach dem Willen Ahuramazdās« (»by the favour of Auramazdā« oder »grâce à Ahuramazdā«),49 mit der »formelhaft die göttliche Erwählung und Auszeichnung des Großkönigs zum Ausdruck gebracht«50 wird. Um das besondere Verhältnis des Großkönigs zu Ahuramazdā, aber auch die Beziehung des Gottes zur Welt und zu den Menschen51 aus dem Kontext einer Inschrift zu illustrieren, führe ich exemplarisch den Beginn und weitere Auszüge aus der bereits oben zitierten Xerxes-Inschrift aus Persepolis an. XPf: § 1 Der große Gott (ist) Ahuramazdā, der diese Erde erschaffen hat, der jenen Himmel erschaffen hat, der den Menschen erschaffen hat, der das Glück erschaffen hat für den Menschen, der Xerxes (zum) König gemacht hat,52 den einen (zum) König über viele, den einen (zum) Gebieter über viele. (…)

47 Vgl. dazu Wiesehöfer 1993, 143, Lincoln 2006, 15 und Lecoq 1997, 154–5. 48 Zu den komplexen historischen Problemen der persischen Könige und ihrer Religion, vgl. die nüchterne Analyse von Ahn 1992, 95–130. 49 Vgl. dazu Ahn 1992, Lecoq 1997, 157. 50 Ahn 1992, 3. Ahn erklärt ebd. dazu: »Die Rechtmäßigkeit des königlichen Herrschaftsanspruchs wird also im Rekurs auf religiöse Kategorien ausgewiesen.« 51 Vgl. zum persischen Großkönig »entre hommes et dieux«, Briant 1996, 252–265, bes. zum König und zum »culte d’Ahura-Mazda«, 259–262. Zu der Zwitterstellung des Königtums und zur Heroisierung des verstorbenen Königs, Rollinger 2011, 11–54 und Wiesehöfer 2014, 29–35. 52 Zu den zwei unterschiedlichen Verben, die an dieser Stelle verwendet werden (in den ersten vier Fällen »er- bzw. geschaffen« im Vergleich zum fünften Sinn (»machte Xerxes zum König«), vgl. Lincoln 2007, 51–52.

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Achaimenidische Königsideologie in Herodots Erzählung über Xerxes § 4 Es kündet Xerxes, der König: Dareios hatte auch andere Söhne; (aber) Ahuramazdā war es so der Wunsch: Dareios, mein Vater, hat nach sich selbst mich zum Größten gemacht. Als mein Vater Dareios sich zu seinem Platz (im Jenseits) begeben hatte, nach dem Willen Ahuramazdās bin ich König geworden anstelle des Vaters. Als ich König geworden war, habe ich vieles, das überragend (ist) errichtet. Was von meinem Vater errichtet (worden ist), das habe ich unter meinen Schutz genommen, und anderes Werk (andere Bauwerke) habe ich hinzugefügt. Was ich nun geschaffen habe und was mein Vater geschaffen hat, das alles haben wir nach dem Willen Ahuramazdās geschaffen. § 5 Es kündet Xerxes, der König: Mich soll Ahuramazdā schützen und mein Reich. Und was von mir geschaffen (worden ist) und was von meinem Vater geschaffen (worden ist), auch das soll Ahuramazdā schützen.

Im verdichteten Text der Inschrift wird »der große Gott« Ahuramazdā zuerst (§ 1) deutlich als Schöpfergott gekennzeichnet, der nicht nur die Erde, den Himmel, den Menschen und dessen Glück »erschaffen«, sondern auch Xerxes »(zum) König gemacht« habe. Im Folgenden werde ich die vielen Nuancen und interessanten Details dieser Schöpfungserzählung beiseite lassen53 und mich nur auf einige Aspekte der Beziehung des Königs zu diesem Gott konzentrieren.54 Die Nominierung und 53 Vgl. dazu Herrenschmidt 1977, 17–58 und das dritte Kapitel bei Lincoln 2007, 51–65, das den Titel »Creation« trägt und in den Anmerkungen (125–130) weiterführende Literatur verzeichnet. 54 Bemerkenswert ist die deutlich akzentuierte legitimatorische und politische Kontinuität

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Erwählung des Xerxes zum König nach Dareios erfolgt nach der Auskunft der Inschrift auf den »Wunsch« und »nach dem Willen« des Gottes (§ 4 »(aber) Ahuramazdā war es so der Wunsch« und »nach dem Willen Ahuramazdās bin ich König geworden«). Zwei weitere Aspekte im Verhältnis des Xerxes (und seines Vaters) zu Ahuramazdā möchte ich festhalten: Zum einen wird behauptet, dass die beiden Könige ihr gesamtes Wirken so verstehen, dass es sich nach dem Willen Ahuramazdās vollziehe (§ 4), zum anderen erbittet Xerxes für sich und sein Reich, sein Handeln und die Schöpfungen seines Vaters den Schutz des Gottes (§ 5).55 Die folgende Inschrift des Xerxes aus Persepolis zeigt darüber hinaus, dass die Bitte des Königs um seinen persönlichen Schutz, seine Erzeugnisse sowie den Schutz seines Reiches auch in der Formulierung »Ahuramazdā (…) zusammen mit den Göttern« Ausdruck finden konnte: XPd: § 3 Es kündet Xerxes, der große König: Nach dem Willen Ahuramazdās habe ich diesen Palast errichtet. Mich soll Ahuramazdā schützen zusammen mit den Göttern und mein Reich und, was von mir geschaffen (worden ist).56

Dass sich der persische König auch bei militärischen Angelegenheiten auf die Hilfe, Gunst und den Willen des Gottes berief, das illustriert der folgende Text der Behistun-Inschrift des Dareios: DB: § 26 Es kündet Dareios, der König: (ein Mann) namens Dādṛ ši, ein Armenier, mein Vasall, den sandte ich nach Armenien; so sprach ich zu ihm: »Zieh los; das Heer, das abtrünnig (ist und) sich nicht mein nennt, das schlage!« von Dareios zu Xerxes, die in der Inschrift behauptet wird. 55 Vgl. zu den »prières royales« und zur »l’union et collaboration entre le Grand Roi et les dieux«, Briant 1996, 252–265. 56 Vgl. dazu auch XPb § 3 und XPc § 3.

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Achaimenidische Königsideologie in Herodots Erzählung über Xerxes Daraufhin marschierte Dādṛ ši los; als er nach Armenien gekommen war, dann sammelten sich die Aufständischen (und) zogen gegen Dādr ̣ ši, um eine Schlacht zu schlagen; (es ist da) ein Dorf namens Zūzahya in Armenien – dort schlugen sie die Schlacht. Ahuramazdā hat mir Beistand gebracht; nach dem Willen Ahuramazdās schlug mein Heer jenes gegnerische Heer sehr. (…)

Wie diese und weitere Textbeispiele zeigen, kommt in den achaimenidischen Inschriften neben der Berufung des Königs auf den Willen oder die Gunst Ahuramazdās (»vašnā Auramazdāha«) auch deutlich dessen Hilfe- und Schutzfunktion gegenüber dem König, seinem Reich und dessen Heer zum Ausdruck.57 Kehren wir an diesem Punkt wieder zur Rede des herodoteischen Xerxes zurück. Nach diesem Auftakt lässt die Rede des Xerxes deutlich erkennen, wie sehr der König durch die vorausgehenden Einflüsse, insbesondere den λόγος τιμωρός des Mardonios (Hdt. 7,5,3), geprägt ist.58 Die von Xerxes den Griechen vorgeworfenen »unrechten Handlungen« (ἄδικα) gegenüber den Persern und insbesondere gegen seinen Vater Dareios bezeichnet er als »bestrafungs- und rachewürdig« (Hdt. 7,8α2 τιμωρίην τε καὶ τίσιν). Über seine Rachepläne erklärt Xerxes eindrücklich in nur einem Satz, dass er mit dem Heer im Anschluss an die Überbrückung des Hellespont durch Europa gegen Griechenland ziehe, um die Athener dafür zu bestrafen (τιμωρήσωμαι), was sie den Persern und seinem Vater angetan hätten.59 Harrison macht in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass die achaimenidischen Inschriften »clear evidence of a generalised ideology of revenge and punishment«60 präsentieren. Abschließend möchte ich aus der Rede des Xerxes eine Äußerung

57 Zum Handeln nach dem Willen des Ahuramazdā, vgl. auch DNa § 5, zum Beistand durch Ahuramazdā, vgl. DB § 28, 29, 30, 31, 33. Zum Schutz durch Ahuramazdā und »allen anderen Göttern«, vgl. DSe § 7. 58 Die von Xerxes angeführten Gründe und Motive für den Zug gegen Griechenland (vgl. dazu Hdt. 7,8α2-β: Ehre und Würde, Zugewinn an Macht und Land, Rache und Bestrafung) sowie sein Plan von der Überbrückung des Hellespont und dem Zug gegen Griechenland, lassen deutlich erkennen, wie sehr seine ganze Rede durch die vorausgehenden Einflüsse, insbesondere den λόγος τιμωρός des Mardonios, geprägt ist. 59 Hdt. 7,8β1: μέλλω ζεύξας τὸν Ἑλλήσποντον ἐλᾶν στρατὸν διὰ τῆς Εὐρώπης ἐπὶ τὴν Ἑλλάδα, ἵνα Ἀθηναίους τιμωρήσωμαι ὅσα δὴ πεποιήκασι Πέρσας τε καὶ πατέρα τὸν ἐμόν. 60 Vgl. Harrison 2015, 15 und insgesamt 11–19.

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über seine Vision einer Expansion des persischen Reiches hervorheben und mit den Inschriften vergleichen. c) Die Vision der Expansion und universalen Herrschaft Gegen Ende seiner Rede kommt Xerxes auf den hypothetischen Fall einer Unterwerfung der Griechen zu sprechen. Dabei verwendet er eine bemerkenswerte Formulierung für die Expansion des persischen Reiches, die einen kosmologischen, geographischen und religiösen61 Bezug erkennen lässt: Ἀγαθὰ δὲ ἐν αὐτοῖσι τοσάδε ἀνευρίσκω λογιζόμενος· εἰ τούτους τε καὶ τοὺς τούτοισι πλησιοχώρους καταστρεψόμεθα, οἳ Πέλοπος τοῦ Φρυγὸς νέμονται χώρην, γῆν τὴν Περσίδα ἀποδέξομεν τῷ Διὸς αἰθέρι ὁμουρέουσαν• οὐ γὰρ δὴ χώρην γε οὐδεμίαν κατόψεται ἥλιος ὁμουρέουσαν τῇ ἡμετέρῃ, ἀλλά σφεας πάσας ἐγὼ ἅμα ὑμῖν μίαν χώρην θήσω, διὰ πάσης διεξελθὼν τῆς Εὐρώπης. (Hdt. 7,8γ1–2) Und dann finde ich, wenn ich es überschlage, noch weiteren Gewinn darin, nämlich: Wenn wir diese unterworfen haben und auch ihre Nachbarn, die das Land des Pelops, des Phrygers, bewohnen, werden wir die persische Erde an Gottes Himmel grenzen lassen. Denn dann wird die Sonne auf kein Land herunterblicken, das da grenzte an das unsere, sondern sie alle werde ich zusammen mit euch zu einem einzigen Land zusammentun, wenn ich durch ganz Europa62 gezogen bin.

Mit dieser Äußerung formuliert Herodots Xerxes einen universalen Herrschaftsanspruch, der später in der Auslegung seines dritten Traums durch die Mager (Hdt. 7,19,1)63 nochmals explizit artikuliert wird. Stein erläutert die zum Ausdruck gebrachte Vorstellung folgendermaßen: »Da der Himmelsraum, als Halbkugel gedacht, die Erdscheibe überdeckt und umschließt, so stoßen nach ältester Vorstellung, die Grenzen der Erde und des Äthers zusammen«.64 Xerxes’ Äußerung bei 61 Vgl. dazu Scullion 2006, 196–7: »there is surely a connection with the god on the tomb of Darius, depicted within a winged disc in the sky and called Ahura Mazda, who bestows the earth upon Darius to reduce to order and rule over. (…); his (sc. Xerxes’) equated nomos and theos are distinctively Persian.« 62 Zur differenzierten Verwendung des Begriffs »Europa« bei Herodot, vgl. Bichler 2016, bes. 20. 63 Hdt. 7,19,1: (…) μετὰ ταῦτα τρίτη ὄψις ἐν τῷ ὕπνῳ ἐγένετο, τὴν οἱ μάγοι ἔκριναν ἀκούσαντες φέρειν τε ἐπὶ πᾶσαν γῆν δουλεύσειν τέ οἱ πάντας ἀνθρώπους. 64 Stein 1908 ad loc. (mit Verweis auf die Vorstellung des Zeus in den persischen Nomoi, Hdt. 1,131,2).

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Herodot, die sowohl geographisch-kosmologischer als auch religiöser Natur ist, vermittelt einen Eindruck vom Selbstverständnis und der Weltanschauung des persischen Großkönigs vor seinem Zug gegen Griechenland. Es ist nun aufschlussreich, diese pointierte Vision der Perserherrschaft (über die bis an Gottes Himmel angrenzende Erde) mit dem Anspruch auf universale Herrschaft in Verbindung zu bringen, wie dieser in den altpersischen Inschriften zum Ausdruck kommt.65 Formuliert vor einem religiösen Horizont finden sich Äußerungen über den Anspruch von Weltherrschaft in vielen Inschriften.66 Von großer Relevanz für diesen Themenkomplex sind in den Inschriften vor allem die Königstitulaturen und Selbstvorstellungsformulare der Könige.67 Zwei kurze Beispiele aus einer Inschrift des Dareios in Susa (DSe) und einer des Xerxes in Elvend (XEa) möchte ich an dieser Stelle anführen: DSe: § 2 Ich (bin) Dareios, der große König, König der Könige, König der Länder mit allen Stämmen, König auf dieser großen Erde auch weithin, (xšāyaθiya ahyāyā būmiyā vazrkāyā dūrai api,) des Hystaspes Sohn, ein Achaimenide, ein Perser (und) Sohn eines Persers, ein Arier (Iranier), von arischer Abstammung. XEa: § 2 Ich (bin) Xerxes, der große König, König der Könige, König der Länder mit vielen Stämmen, König auf dieser großen Erde (būmiyā vazrkāyā) auch weithin68 65 Zur Artikulation der altpersischen Reichsidee, der Bedeutung von »Herrschaft« und »Reich« sowie dem Anspruch auf Weltherrschaft in den Inschriften, vgl. Ahn 1992, 255–258 und 258–271. Vgl. dagegen Wiesehöfer 2004a, 212 und 215–6. Wiesehöfer 2009b, 69, betont: »The true motivations and intentions of the Persian kings during the formation of their empire are, of course, very difficult to nail down in their exact hictorical sequence.« 66 Vgl. dazu Ahn 1992, 258–271. 67 Vgl. dazu Ahn 1992, 258–271, mit wertvollen Erläuterungen zu den schematischen Übersichten, ebd. 258–9 und Wiesehöfer, 1993, 53 68 Zur Formel »König auf dieser großen Erde auch weithin«, vgl. auch XPc § 2 und XPd § 2.

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Andreas Schwab des Dareios, des Königs, Sohn, ein Achaimenide.69

Diese Formeln der Königstitulatur in den Inschriften lassen deutlich einen mit der Königsherrschaft verbundenen Gebietsanspruch erkennen, so z. B. in den Formeln »König der Länder mit allen Stämmen« (DSe § 2) oder »König auf dieser großen Erde auch weithin« (DSe § 2). Das Besondere an dieser letzten Formel liegt in der Betonung des in diesem Zusammenhang immer wieder vorkommenden Begriffs »būmi« (»Erde«, auch im Sinne von »Erdscheibe«), der gerade für die Frage nach dem umschriebenen Herrschaftsgebiet von Interesse ist.70 In den Inschriften findet sich der Begriff »in einer die Inschriften jeweils einleitenden Formel, die Ahuramazdā als den Schöpfer von Himmel (asman) und Erde (būmi) preist, oder aber (…) im Selbstvorstellungsformular des Königs.«71 Im Vergleich mit der von Xerxes bei Herodot evozierten kosmologisch-religiösen Vision von einer universalen Herrschaft scheint mir die folgende Schlussfolgerung von Ahn sehr wichtig: »Der Begriff ›būmi-‹ erweist sich somit als ein Terminus, der nach dem damaligen Weltverständnis in umfassender Bedeutung das Ganze der Erdscheibe im Gegensatz zu dem sich darüber spannenden Himmelsgewölbe bezeichnet. Es ist daher nicht weiter verwunderlich, wenn die mit diesem Begriff angesprochene Universalität auch in einigen der Formeln zum Ausdruck kommt, mit denen Dareios das Gebiet des ihm von Ahuramazdā verliehenen Reichs umschreibt. Zugleich erklärt die Konsistenz, mit der über die ganze Achaimenidenperiode an der Charakterisierung von ›būmi‹ als Erdscheibe festgehalten wird, warum der universale Herrschaftsanspruch der Achaimeniden nicht immer wieder durch ergänzende Zusätze expliziert zu werden brauchte; der König war eben, indem er sich als Herrscher über die von Ahuramazdā geschaffene ›būmi‹ auswies, zugleich immer auch schon als Herrscher über den gesamten Erdkreis charakterisiert.«72

Diese Überlegung Ahns zeigt, dass ›būmi‹ als ein »Begriff aus der sakralen Sphäre zur Bezeichnung des Erdkreises«73 verstanden werden kann. Dass neben dem so 69 Vgl. dazu auch XPa (§ 2). 70 Ein Anspruch auf Weltherrschaft scheint sich nach Ahn 1992, 259 besonders in den folgenden altpersischen Königstiteln zu artikulieren, die den Begriff ›būmi-‹ anstelle von ›dahju-‹ setzen und von der Herrschaft über die Erde sprechen: »König auf dieser Erde«, »König auf der ganzen Erde«, »König auf dieser großen Erde«, »König auf dieser großen Erde noch weithin«. Zum Terminus ›būmi-‹ bes. ebd. 264–71. 71 Ahn 1992, 265 mit den Belegstellen im Anhang, 308. 72 Ahn 1992, 266 73 Ahn 1992, 266–271, 266.

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formulierten universalen Herrschaftsanspruch auch die Herrschaft über Länder und Völker74 sowohl in den Inschriften als auch im unmittelbaren Kontext der Xerxes-Rede75 bei Herodot thematisiert wird, sei an dieser Stelle bemerkt.76 Zusammenfassend möchte ich zur ersten Rede des Xerxes festhalten, dass diese in der persischen Versammlung an entscheidenden Stellen, am Anfang und gegen Ende, von religiösen Konzepten und Themen gerahmt wird, die einen klaren Bezug zur religiösen Herrschaftsideologie der persischen Könige in den Inschriften aufweisen.77 IV. Die Rede des Artabanos: der neidische Gott und die Verleumdung Gegenüber der Redes des Mardonios78 ist die Rede des Artabanos (Hdt. 7,10α-θ) wohl »die längste und komplexeste«.79 Sie richtet sich zuerst an Xerxes, bevor sie sich gegen Ende explizit an Mardonios wendet. Aus dieser vielschichtigen Rede werde ich zum einen aufgrund der Parallele zu Xerxes’ Bezugnahme auf Gott (a) die ›theologische‹ Reflexion des Artabanos über das Verhältnis des von ihm apostrophierten Gottes (ὁ θεός) zu den Menschen skizzieren, die als Warnung gegenüber dem König formuliert ist. Darauf werde ich den Vorwurf (b) der Verleumdung, den Artabanos gegenüber Mardonios macht, hervorheben und in Beziehung zu den achaimenidischen Inschriften setzten, in denen der Verleumdung, insbesondere in der Behistun-Inschrift des Dareios, eine wichtige Rolle zukommt. 74 Die Perserkönige stehen dabei in einer langen altvorderorientalischen Tradition, vgl. Rollinger 2013, 95–115. 75 Für die Thematisierung des Herrschaftsanspruchs über Länder und Völker ist der unmittelbar folgenden Kontext (Hdt. 7,8γ3), in dem ausdrücklich von πόλις und ἔθνος die Rede ist, zu vergleichen: Πυνθάνομαι γὰρ ὧδε ἔχειν, οὔτε τινὰ πόλιν ἀνδρῶν οὐδεμίαν οὔτε ἔθνος οὐδὲν ἀνθρώπων ὑπολείπεσθαι, τὸ ἡμῖν οἷόν τε ἔσται ἐλθεῖν ἐς μάχην, τούτων τῶν κατέλεξα ὑπεξαραιρημένων. 76 Für die Frage, in welchem Zusammenhang der universale Herrschaftsanspruch, der in dem ›būmi‹-Konzept zum Ausdruck kommt, mit dem Herrschaftsanspruch über Länder und Völker steht, vgl. Ahn 1992, 268. 77 Für mögliche weitere Elemente, vgl. Harrison 2015. 78 In der unmittelbar auf Xerxes folgenden Rede bemerkt Mardonios schmeichelnd, dass der persische König »überall das Beste und Wahrste getroffen habe« (Hdt. 7,9α1). An keiner Stelle geht er auf den von Xerxes erwähnten »anführenden Gott« ein und schließt seine Rede mit einer stark anthropozentrischen Sichtweise (Hdt. 7,9γ): »Und überhaupt, man lasse nichts unversucht; denn von selbst kommt nichts, und nur, was Menschen versuchen, pflegt ihnen zuzufallen.« 79 Grethlein 2011, 105, für die interne Rezeption der Historien in den Rede des Artabanos im Vergleich zu Xerxes und Mardonios, ebd. 105–8. Vgl. zur Rede des Artabanos insgesamt Scardino 2007, 143–150.

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a) Der neidische Gott Im Vergleich zu dem einmaligen Bezug auf den nicht weiter bestimmten Gott zum Auftakt der ersten Rede des Xerxes (Hdt. 7,8α1) spricht Artabanos in seiner Funktion als Warner in der folgenden Textpassage in auffälliger Weise gleich viermal von einem, genauer »dem« Gott, den er weiter folgendermaßen charakterisiert: Ὁρᾷς τὰ ὑπερέχοντα ζῷα ὡς κεραυνοῖ ὁ θεὸς οὐδὲ ἐᾷ φαντάζεσθαι, τὰ δὲ σμικρὰ οὐδέν μιν κνίζει. ὁρᾷς δὲ ὡς ἐς οἰκήματα τὰ μέγιστα αἰεὶ καὶ δένδρεα τὰ τοιαῦτα ἀποσκήπτει τὰ βέλεα. Φιλέει γὰρ ὁ θεὸς τὰ ὑπερέχοντα πάντα κολούειν. Οὕτω δὲ καὶ στρατὸς πολλὸς ὑπὸ ὀλίγου διαφθείρεται κατὰ τοιόνδε. ἐπεάν σφι ὁ θεὸς φθονήσας φόβον ἐμβάλῃ ἢ βροντήν, δι’ ὧν ἐφθάρησαν ἀναξίως ἑωυτῶν. Οὐ γὰρ ἐᾷ φρονέειν μέγα ὁ θεὸς ἄλλον ἢ ἑωυτόν. (Hdt. 7,10ε)80 Du siehst, wie der Gott überragende Lebewesen mit seinem Blitz erschlägt und nicht duldet, dass sie sich aufspielen, die kleinen aber jucken ihn nicht. Du siehst, wie er immer auf die größten Häuser und die höchsten Bäume seine Geschosse schleudert. Denn der Gott liebt es, alles, was herausragt, zu stutzen. Und so wird wohl auch ein großes Heer von einem kleinen vernichtet, etwa dann, wenn der Gott neidisch ist auf sie und unter sie Furcht/Schrecken warf oder einen Donnerschlag, durch welchen sie auf eine ihnen unwürdige Art und Weise verdarben. Denn der Gott duldet nicht, dass einer sich für groß hält, außer ihm selber.

Auffallend an der Textpassage ist die viermalige Nennung »des Gottes«, der von Artabanos mit stark anthropomorphen Zügen charakterisiert wird: ein strafender Gott, der mit Blitz und Donner sich überhebende Lebewesen erniedrigt, und der aus Neid ein großes Heer durch ein kleines (mittels Eingebung von Furcht und Panik oder durch Donner und Gewitter) zugrunde richten kann. Hier liegt zum einen »allgemeingriechisches Gedankengut« zugrunde,81 zum anderen sind die Herodot-immanenten Bezüge zu verwandten Konzepten in der Rede des Solon und des Polykrates deutlich vernehmbar.82 Der signifikante viermalige Verweis auf den Gott kann als ein deutlicher Hinweis verstanden werden, dass der von Artabanos bemühte theologische Bezug von Bedeutung ist und in der weiteren Erzählung eine 80 Vgl. dazu Scardino 2007, 146–7. 81 Scardino 2007, 146–7, Anm. 229, mit Belegen zu Hesiod, Aischylos und Sophokles. 82 Vgl. zu den Konzepten des neidischen Gottes bzw. dem »Neid der Götter« bei Herodot sowie dem des strafenden Gottes, How/Wells 1928, ad loc., Asheri/Lloyd/Corcella 2007, General Introduction 37–39, Kommentar ad Hdt. 1,31 f. und ad 3,40,2, Harrison 2000, 38–63, Versnel 2011, 181 Anm. 71–72, Roettig 2010 und Ellis 2015. Vgl. zum Problemkomplex der neidischen Gottheit, Walcot 1978 und Lloyd-Jones 1971, zu Herodot bes. 55–78.

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Wirkung entfalten wird. Diese Konzeption eines neidischen Gottes ist zum einen unmittelbar für das Verständnis der folgenden Traumepisode des Xerxes (Hdt. 7,12–14) relevant, zum anderen ereignen sich die von Artabanos ausgesprochenen Wirkungen konkret auf dem Zug des Heeres nach Griechenland.83 b) Der Vorwurf der Verleumdung Der folgende Aspekt soll nun wieder im Zusammenhang mit den Inschriften betrachtet werden. Nachdem sich Artabanos abschließend mit dem Rat, seine Entscheidung nochmals zu überdenken, an Xerxes gewandt hat, wendet er sich mit scharfer Kritik gegen Mardonios, dem er aufgrund seiner Urteile über die Griechen den Vorwurf der Verleumdung (διαβολή) macht. Artabanos belässt es jedoch nicht nur bei dem Vorwurf, sondern er reflektiert in seiner Argumentation das Phänomen und Problem der Verleumdung in dreifacher Rücksicht: nicht nur im Hinblick auf (i) den Verleumder und (ii) denjenigen, der dem Verleumder zuhört und diesem Vertrauen schenkt, sondern insbesondere auch (iii) den Verleumdeten: Σὺ δέ, ὦ παῖ Γωβρύεω Μαρδόνιε, παῦσαι λέγων λόγους ματαίους περὶ Ἑλλήνων οὐκ ἐόντων ἀξίων φλαύρως ἀκούειν. Ἕλληνας γὰρ διαβάλλων ἐπαείρεις αὐτὸν βασιλέα στρατεύεσθαι. αὐτοῦ δὲ τούτου εἵνεκα δοκέεις μοι πᾶσαν προθυμίην ἐκτείνειν. Μή νυν οὕτω γίνηται. Διαβολὴ γάρ ἐστι δεινότατον, ἐν τῇ δύο μέν εἰσι οἱ ἀδικέοντες, εἷς δὲ ὁ ἀδικεόμενος. Ὁ μὲν γὰρ διαβάλλων ἀδικέει οὐ παρεόντος κατηγορέων, ὁ δὲ ἀδικέει ἀναπειθόμενος πρὶν ἢ ἀτρεκέως ἐκμάθῃ∙ ὁ δὲ δὴ ἀπεὼν τοῦ λόγου τάδε ἐν αὐτοῖσι ἀδικέεται, διαβληθείς τε ὑπὸ τοῦ ἑτέρου καὶ νομισθεὶς πρὸς τοῦ ἑτέρου κακὸς εἶναι. (Hdt. 7,10η) Du aber, Gobryas’ Sohn Mardonios, hör auf, nichtige Worte zu sprechen über die Hellenen, die so üble Nachrede nicht verdienen. Wenn du nämlich die Hellenen verleumdest, treibst du doch nur den König in den Krieg, doch ist es wohl gerade das, habe ich den Eindruck, worum du mit allem Eifer dich mühst. Nein, das soll nicht geschehen. Denn die Verleumdung ist etwas Furchtbares. Sind da doch zwei, die Unrecht tun, und einer, der Unrecht leidet. Denn (i) der eine, der Verleumder, tut Unrecht, indem er einen Abwesenden beschuldigt, und (ii) der andere tut auch Unrecht, der ihm glaubt, bevor er es genau in Erfahrung gebracht; (iii) der Abwesende aber, 83 Vgl. für Donner und Wirbelsturm in einer Nacht am Fuße des Idagebirges nahe Ilion, Hdt. 7,42,2: Τὴν Ἴδην δὲ λαβών, ἐς ἀριστερὴν χεῖρα ἤιε ἐς τὴν Ἰλιάδα γῆν. Καὶ πρῶτα μέν οἱ ὑπὸ τῇ Ἴδῃ νύκτα ἀναμείναντι βρονταί τε καὶ πρηστῆρες ἐπεσπίπτουσι καί τινα αὐτοῦ ταύτῃ συχνὸν ὅμιλον διέφθειραν. Vgl. für die kurz darauf nach einem Opfer der Mager für Athene Nachts erregte Furcht und Panik im Heer, Hdt. 7,43,2: Ταῦτα δὲ ποιησαμένοισι νυκτὸς φόβος ἐς τὸ στρατόπεδον ἐνέπεσε. Vgl. auch die Blitze und die dadurch ausgelöste Furcht und Panik im Herr der Perser bei Delphi, Hdt. 8,37 f.

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Andreas Schwab der nicht mitreden kann, leidet dabei Unrecht, und zwar doppelt: vom einen wird er schlecht gemacht 84 und vom andern dafür gehalten.

Von besonderem Interesse für die moralisch-religiöse Dimension der persischen Ratsszene ist diese Argumentation des Artabanos,85 weil das Phänomen und die Gefahr der Verleumdung so ausführlich thematisiert wird und mittels Mardonios als Verleumder (und der dadurch möglichen Auswirkung auf Xerxes) auf die moralisch-religiösen Vorstellungen der Perser (über Lüge, Trug und Wahrheit)86 angespielt wird.87 Dem Themenkomplex von Lüge, Betrug (drauga)88 und Verleumdung kommt in den königlichen Inschriften und der persischen Religion bekanntlich eine große Bedeutung zu, von der auch Herodot gewusst haben dürfte.89 Dass derartige religiös-moralische Überlegungen in den achaimenidischen Inschriften zu finden sind, ist insbesondere aus der Behistun-Inschrift bekannt.90 Ein kurzer Auszug aus dieser Inschrift des Dareios soll dies illustrieren: DB § 54 Es kündet Dareios, der König: 84 Διαβληθείς τε ὑπὸ τοῦ ἑτέρου, »weil er verleumdet wird von dem einen«. 85 Vgl. zum stark forensisch anmutenden Charakter, Scardino 2007, 148 Anm. 233, mit Verweis auf Pindar, Pyth. 2, 76, Hippias DK 86 B 17 und Isokrates, Antid. (15) 18. 86 Vgl. dazu Hdt. 1,136,2, 1,138 und für das dritte Buch die leitmotivische Funktion des metaphysischen und moralischen Konflikts zwischen Wahrheit und Falschheit in der umsichtigen Erörterung bei Asheri/Lloyd/Corcella 2007, 391–93. 87 Stein 1908 ad loc. bemerkte, dass Verleumdung im Avesta als »arge Sünde« gelte und zitierte dazu aus den Veden. Vgl. Videvdat 13.5 zur Verurteilung von Verleumdung und Rufmord. 88 Zum Konzept der drauga, Lincoln 2012, Index 541–2. Vgl. dazu die Rede des Dareios über den Nutzen der Lüge, Hdt. 3,72. 89 Ahn 1992 bemerkt zu Herodots spannender Erzählung über die Usurpation des Dareios und insbesondere dessen Äußerung über den Nutzen von Wahrheit und Lüge (Hdt. 3,72), dass sich Herodot »über den Stellenwert von Wahrheit und Lüge in der persischen Religion (…) durchaus im klaren« war. Vgl. dazu auch Asheri/Lloyd/Corcella 2007, 391–93. 90 Vgl. dazu die Untersuchung zu den achaimenidischen Inschriften und Herodot von Jacobs / Trampedach 2013, 60–92, insbesondere Trampedach zu den »Motiven« (1) »Lug und Trug«, ebd. 73–76, sowie (2) »Gerechtigkeit und Strenge«, ebd. 77–79. Trampedach stellt fest (ebd. 73), dass die Inschrift von Behistun »geradezu obsessiv um das Problem von Lug und Trug (§§ 10. 52–58. 63–64)« kreise. Anhand von DNb§ 3 weist er auf die »existentielle Bedrohung der Gesellschaft« von Trug als einer »sozialen Krankheit« hin, »welcher der König mit aller Kraft entgegenzuwirken beansprucht.« Trampedach geht (ebd. 73) davon aus, dass Herodot »mit dem in diesen Inschriften formulierten Anspruch der Großkönige vertraut« war und (ebd. 73–74) »er den Inhalt der Bisutun-Inschrift (…) – vielleicht sogar in einer nahen Textvariante – kannte (…)«.

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Achaimenidische Königsideologie in Herodots Erzählung über Xerxes Dies (sind) die Länder, die abtrünnig wurden; Trug machte sie abtrünnig, weil diese (Männer) das Volk belogen. § 55 Es kündet Dareios, der König: Dort, wo immer, der du später König sein wirst, vor Trug hüte dich gar sehr! Der Mann, der dem Trug anhängt, den bestrafe streng, wenn du so denken solltest: »Mein Land soll gefestigt (stabil) sein!«

Nachdem in der Inschrift des Dareios Trug und Lüge als Gefahren und als »Quellen von Unordnung und Abfall«91 erscheinen, thematisiert die Inschrift des Xerxes in Persepolis, neben dem Mann, der dem Trug anhängt, das Verhältnis des Königs zu Recht und Unrecht: XPI: § 2 Es kündet Xerxes, der König, Nach dem Willen Ahuramazdās bin ich solcherart, dass ich dem Recht(en) freund bin, dem Unrecht(en) aber nicht freund bin. Nicht (ist) mein Wunsch, dass der Schwache des Starken wegen unrecht (ungerecht) behandelt wird, (und) nicht (ist) dies mein Wunsch, dass der Starke des Schwachen wegen unrecht (ungerecht) behandelt wird. § 3 Was recht (ist), das (ist) mein Wunsch; der Mann, der dem Trug (draujanam) anhängt, bin ich nicht freund; ich bin nicht heißblütig. Was auch immer mir im Streit wird, halte ich gar sehr in (meinem) Denken zurück; meiner selbst bin ich gar sehr mächtig. (…) § 5 Was ein Mann über einen (anderen) Mann sagt, das überzeugt mich nicht, bis ich den Bericht (die Aussage) beider höre.92 91 JACOBS/TRAMPEDACH 2013, 73. 92 Vgl. dazu insgesamt DNb § 2–5. Die Aussage von § 5 könnte auch mit dem Beginn der Rede

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Für das Thema von Lug und Trug ließen sich noch weitere Texte aus den Königsinschriften anführen, doch diese Beispiele sollen genügen, um einen Bezug der Rede des Artabanos zur Thematik der altpersischen Inschriften aufzuzeigen.93 V. Die zweite Rede des Xerxes: Der Stammbaum des Xerxes Auf die warnende Rede des Artabanos folgt nun eine wütende und gekränkte Reaktion des Xerxes. Er beschimpft seinen Onkel und hält energisch an seinem Entschluss, gegen Griechenland zu ziehen, fest. In seiner Rede führt er einen berühmten Katalog seiner persischen Vorfahren an, mit dem er in einer Art »Selbstverwünschung«94 im Optativ die Aufmerksamkeit auf die genealogische Tradition seiner Herrschaft lenkt:95 Ἐγὼ δὲ καὶ ἄνευ σέο ὅσα περ εἶπα ἐπιτελέα ποιήσω. Μὴ γὰρ εἴην ἐκ Δαρείου τοῦ Ὑστάσπεος τοῦ Ἀρσάμεος τοῦ Ἀριαράμνεω τοῦ Τεΐσπεος τοῦ Κύρου τοῦ Καμβύσεω τοῦ Τεΐσπεος τοῦ Ἀχαιμένεος γεγονώς, μὴ τιμωρησάμενος Ἀθηναίους, (…). (Hdt. 7,11,1–2) Ich werde auch ohne dich zur Vollendung bringen, was ich gesagt habe. Denn ich wäre nicht der Sohn des Dareios, des Sohnes des Hystaspes, des Sohnes des Arsames, des Sohnes des Ariaramnes, des Sohnes des Teispes, des Sohnes des Kyros, des Sohnes des Kambyses, des Sohnes des Teispes, des Sohnes des Achaimenes, wenn ich nicht Rache nehme an den Athenern.

Diese katalogartige Aufzählung ist äußerst bemerkenswert, da sie frappierende Ähnlichkeiten mit den dynastischen Filiationen aufweist, wie diese aus den Texten der Königsinschriften bekannt sind. Ein prominentes Beispiel soll an dieser Stelle genügen, um den Bezug auf die Texte der Inschriften aufzuzeigen:96 die Einleitung der des Artabanos (Hdt. 7,10α) verglichen werden. Artabanos macht darin auf die Notwendigkeit der Gegenüberstellung von zwei Meinungen für einen guten Entscheidungsprozess aufmerksam. Vgl. Hdt. 7,10α »Mein König, wenn im Gespräch einer Meinung nicht eine andere gegenübergestellt wird, ist es nicht möglich, zu wählen und die bessere auszusuchen, sondern man muss sich der vorgelegten bedienen.« 93 Zur Frage von Lüge/Wahrheit mit den iranischen und altorientalischen Wurzeln Wiesehöfer 2013b, 41–57. 94 Scardino 2007, 151 sowie Anm. 240. 95 Vgl. zu den Problemen der historischen Forschung Rollinger 1999, 193–9 mit weiterführender Literatur. 96 Zum Stammbaum des achaimenidischen Königshauses, zur Forschungsgeschichte und einem Vergleich dieser Herodot-Stelle mit den Inschriften, vgl. Rollinger 1999, 155–209, Wiesehöfer 1978, 210–2 und Brehm 2013, 251–3.

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berühmten Behistun-Inschrift, in der Dareios auf eine Reihe von Vorfahren Bezug nimmt.97 DB: § 1 Ich (bin) Dareios der große König König der Könige König in Persien König der Länder des Hystaspes Sohn, des Arsames Enkel, ein Achaimenide. § 2 Es kündet Dareios, der König: Mein Vater (ist) Hystaspes; des Hystaspes Vater (ist) Arsames des Arsames Vater (war) Ariaramnes, des Ariaramnes Vater (war) T(e)ispes, des T(e)ispes Vater (war) Achaimenes.98

Auffällig ist, dass die in der Inschrift präsentierte Genealogie (§ 2) nicht nur von Dareios bis zu Teispes im Stammbaum bei Herodot zu finden ist, sondern auch der an letzter Stelle angeführte »Achaimenes« in beiden Texten zuletzt genannt wird.99 Demgegenüber findet sich die (aus dem Kyros-Zylinder bekannte) namentliche Abfolge Kyros-Kambyses-Teispes nicht in der Inschrift, sondern nur bei Herodot.100 Abgesehen von diesem Unterschied ist weiter festzustellen, dass gerade die (in 97 Vgl. dazu insgesamt Rollinger 1999, 176–188 mit weiterführender Literatur. 98 Vgl. auch XPf§ 3: »Es kündet Xerxes, der König: Mein Vater (war) Dareios, des Dareios Vater war (ein Mann) namens Hystaspes, des Hystaspes Vater war (ein Mann) namens Arsames, sowohl Hystaspes wie auch Arsames, beide lebten (noch); gleichwohl war es Ahuramazdā so der Wunsch: Dareios, der mein Vater (war), den machte er (zum) König auf dieser Erde. 99 Vgl. zu der Abfolge von Achaimenes, Kyros und seinen Vorfahren sowie Kambyses Hdt. 3,75. 100 Vgl. zu einer Interpretation dieser Befunde ROLLINGER 1998, 195, der in Herodots Text einen »entscheidenden Schlüssel zum Verständnis eines in der Behistun-Inschrift lediglich verklausuliert auftretenden Programmes« sieht. BICHLER 2007d (zuerst 1988), bemerkt ebd. 71 zur Genealogie in Hdt. 7,11, 2: »Herodot nun hatte von den dynastischen Traditionen der Perser durchaus Kenntnis, wenn auch in der Brechung durch die von Dareios begründete ideologische Präsentation seiner Relation zur achaimenidischen Ahnenreihe.«

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DB§ 3 genannte) Achtzahl der Vorgänger des Dareios101 bei Herodot nach Rollinger »intimste Kenntnisse des von Dareios vermittelten Bildes«102 verrät: »Eines der eindruckvollsten Beispiele dieses Bewusstseins ist die Achtzahl der – bei Herodot nicht explizit mit königlichem Attribut versehenen – Vorgänger des Dareios im Stammbaum des siebten Buches.«103 Gegenüber den von Rollinger behaupteten »intimsten Kenntnisse(n)« Herodots lenkt der Kommentar von Brehm zum Stammbaum des Xerxes bei Herodot die Aufmerksamkeit auf ein interessantes Phänomen und Problem der Textstelle, indem er feststellt: »Ein meines Erachtens schwerwiegendes Dilemma und aus dem Erzählverlauf der Historien unerklärbar bleibt die sprachliche Form der Genealogie, die durch die sich an ἐκ Δαρείου anschließenden attributiven Genitive streng genommen eine direkte, aszendierende patrilineare Sohn-Vater-Linie bis Achaimenes bildet. Einige der Namen kommen nur hier an dieser Stelle vor (Ariaramnes; erster Teispes; zweiter Teispes) und stehen ohne inhaltlichen Bezug zum Ganzen der Historien (…).«104 Der Sachverhalt, dass die Namen »Teispes« und »Ariaramnes« nur an dieser Stelle im Werk Herodots und in einem Kontext der Herrscherlegitimation vorkommen, kann zunächst als ein Indiz verstanden werden, dass Herodots Text mehr enthält, als der textimmanente Vergleich zu zeigen vermag und mancher moderne Leser wohl annehmen möchte. Die auffällige Parallele zu den achaimenidischen Inschriften löst diese bei Brehm ausgedrückte Aporie. Der signifikant über Herodots Text hinausweisende Bezug betrifft ein zentrales ideologisches Element der Herrscherlegitimation der Perserkönige in den Inschriften: die Berufung auf die Vorfahren in Form der Genealogie für die Legitimation der eigenen Herrschaft. Meines Erachtens handelt es sich an dieser Stelle um eine auffällige literarische Anspielung, die aus dem Mund von Herodots Xerxes den Text als literarisch und hermeneutisch komplex ausweist. Wird die Äußerung des herodoteischen Xerxes über seinen Stammbaum in ihrer literarischen und rhetorischen Stilisierung vor 101 Vgl. dazu DB§ 3 »Es kündet Dareios, der König: Acht (gibt es) in/aus meinem Geschlecht, die früher Könige waren; ich (bin) der neunte; neun sind wir nach wie vor Könige.« und ROLLINGER 1999, 177. 102 ROLLINGER 1999, 199. Rollinger, ebd. 195, sieht im »auf Dareios hinführende(n) neungliedrige(n) Stemma« (…) »das aussagekräftigste Zeugnis der (indirekten) Kenntnis des großköniglichen Programmes durch den Halikarnassier«. ROLLINGER, ebd. 196, macht darauf aufmerksam, dass »die in DB § 70 faßbare Verbreitung der großköniglichen Genealogie im Reich die Voraussetzung für »lokale« Auslegungen dieses Bildes« schuf und in Herodots Historien eine solche Interpretation überliefert sei. 103 ROLLINGER 1999, 199. 104 Brehm 2013, 252.

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dem Hintergrund der rhetorischen Komposition und Struktur der Inschrift gelesen, so tritt die katalogartige Genealogie bei Herodot signifikant hervor. Die auffällige formelhafte Genealogie im Mund des Perserkönigs passt in ihrer rhetorischen Form vorzüglich zum monotonen formelhaften und stilisierten Charakter der königlichen Inschrift(en). Verschiedene Interpretationen der literarischen Anspielung sind wohl möglich und denkbar,105 doch muss man nicht notwendig zu der Schlussfolgerung gelangen, dass die »Anführung bzw. Konstruktion dieser genealogischen Angaben, die persischem Quellenumfeld entstammen dürften, (…) nebulös« bleibt.106 Demgegenüber möchte ich vielmehr festhalten, dass die so gestaltete sprachliche Form der Genealogie geradezu als eine indirekte Bestätigung dafür angesehen werden kann, dass die Reden in der Versammlung der Perser nicht nur erzähltechnisch brillant vor der textimmanenten Folie der vorausgehenden und der folgenden Bücher und Ereignisse der Historien sowie in literarischer und motivischer Auseinandersetzung mit den Prätexten von Homer und Aischylos, sondern insbesondere auch vor dem literarisch-ideologischen Hintergrund der achaimenidischen Königsinschriften und somit der ideologischen Selbstdarstellung der Großkönige gelesen und verstanden werden sollten. VI. Fazit und Ausblick Ist es nun ausgehend von den Beobachtungen der vorausgehenden Untersuchung möglich, in der Gestaltung der persischen Ratsversammlung bei Herodot altorientalische Spuren, insbesondere Aspekte achaimenidischer Königsideologie anzunehmen? Ist die These zutreffend, dass Herodot nicht nur mit einigen Themen religiöser persischer Herrscherlegitimation und Ideologie aus den Inschriften vertraut war, sondern auch mit den Inhalten und der Ideologie dieser Inschriften spielt? Eine pointierte Zusammenfassung der im Einzelnen erzielten Beobachtungen soll zuerst veranschaulichen, welche Aspekte erarbeitet wurden und wie diese nicht nur als Anspielungen auf die Ideologie der Inschriften, sondern auch als ein Spiel mit dem Inhalt derselben verstanden werden können. In einem ersten Schritt wurde gezeigt, dass es bei der Frage nach der Legitimität des Xerxes klare Übereinstimmungen zwischen den Inschriften und Herodots 105 Insbesondere dann, wenn (a) die Fortführung der Erzählung (Hdt. 7,12–19) über die zunächst revidierte Entscheidung des Xerxes, gegen Griechenland zu ziehen, und die darauffolgende Serie von Träumen mit in Betracht gezogen wird, oder, wenn (b) der von Xerxes einleitende Optativ und die dadurch ausgedrückte Selbstverwünschung noch weitere Beachtung findet: Xerxes behauptet, er dürfte/könnte nicht der Sohn des Dareios, des Sohnes des Hystaspes etc. sein, wenn er sich nicht Genugtuung holte von den Athenern. 106 Brehm 2013, 252.

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Erzählung gibt. Zugleich wurde deutlich, dass in den Inschriften vom persischen König ein doppelter Legitimationsanspruch erhoben wird – neben der Designation durch den Vater die ausdrückliche Erwählung des Königs durch den Gott Ahuramazdā. Bei der Analyse der ersten Rede des Xerxes in der persischen Ratsversammlung zeigte sich, dass dieser Gott bei Herodot zwar nicht namentlich so genannt wird, jedoch Xerxes’ Berufung auf Gott in Verbindung mit der (Vor-) Herrschaft der Perser und dem persischen Nomos der Expansion zu Beginn seiner Rede einen zentralen Gesichtspunkt bildet. Neben dem bei Herodot greifbaren Anspruch auf göttliche Führung, der in enger Verbindung mit diesem Nomos der Expansion von Xerxes artikuliert wird, konnte darauf anhand der Inschrift des Dareios in Naqš-I Rustam veranschaulicht werden, wie die königliche Ideologie der Eroberung und der Expansion konkret in den Inschriften formuliert wird. Dabei wurde beobachtet, dass der König die Einnahme von Ländern außerhalb Persiens in der Inschrift wieder mit »dem Willen Ahuramazdās« in Verbindung brachte. Anhand weiterer inschriftlicher Texte trat auch die wichtige Hilfe- und Schutzfunktion des Gottes gegenüber dem König, seinem Heer und dessen Reich anschaulich hervor. In der Analyse der ersten Xerxes-Rede wurde zuletzt die außergewöhnliche kosmologisch-religiöse Äußerung des herodoteischen Xerxes gegen Ende seiner Rede zur Vision der Expansion und seiner universalen Herrschaft im Zusammenhang mit dem in den Inschriften insbesondere durch die Königstitulaturen formulierten Anspruch auf universale Herrschaft verglichen. Anhand der Formeln der Königstitulatur und des darin verwendeten būmi-Konzeptes konnte nicht nur auf den religiösen Horizont der inschriftlichen Formulierung, sondern auch die ähnliche zugrunde liegende Idee in der Formulierung von Xerxes bei Herodot aufgezeigt werden. In einem zweiten Schritt wurden aus der warnenden Rede des Artabanos besonders zwei Gesichtspunkte betrachtet: zum einen das aus griechischen und herodoteischen Kontexten bekannte Konzept des neidischen Gottes sowie die eindrucksvolle Erörterung des Phänomens der Verleumdung, das auch in den königlichen Inschriften, insbesondere in der Behistun-Inschrift, prominent präsent ist. Zuletzt wurde anhand des katalogartigen Stammbaums, den Xerxes in seiner zweiten Rede emphatisch vorträgt, gezeigt, dass dieser frappierende Ähnlichkeiten mit entsprechenden in den königlichen Inschriften typischen Genealogien aufweist. Gerade aufgrund der merkwürdigen sprachlichen Form und Rhetorik des Stammbaums innerhalb der Historien Herodots wurde dafür argumentiert, dass der herodoteische Stammbaum wohl als deutliche Anspielung auf die typische Ideologie der Genealogie des persischen Königs in den Inschriften angesehen werden kann. Die herausgearbeiteten Gesichtspunkte des herodoteischen Textes korrespondieren mit mehreren, insbesondere religiösen Aspekten achaimenidischer Königsi-

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deologie107: (1) neben der Betonung einer von Gott gewährten und von den Persern beanspruchten (Vor-) Herrschaft, finden sich (2) Ausdrücke für die Expansion des persischen Reiches und (3) den formulierten Anspruch auf universale Herrschaft vor dem Hintergrund der religiösen und dynastischen Tradition. Darüber hinaus findet (4) der Apekt der Kontinuität in der Herrschaft der Perser bei Herodot Berücksichtigung.108 Dass es bei den genannten Aspekten nicht nur um Ähnlichkeiten mit den Inschriften oder Anspielungen auf deren Ideologie geht, sondern auch ein subtiles Spiel Herodots mit diesen Prätexten und ihrer Ideologie zugrunde liegt, wird wohl am besten durch den Ausblick auf die dramatische, literarisch nicht weniger komplex gestaltete, unmittelbare Fortsetzung der persischen Ratsversammlung in der Erzählung von den Träumen des Xerxes deutlich. Ein kurzer Ausblick muss an dieser Stelle genügen. Wegweisend für das Verständnis der Traumszenen (Hdt. 7,12–19) ist meines Erachtens erstens der ausdrückliche Hinweis, dass diese Erzählung auf Perser zurückgehe (ὡς λέγεται ὑπὸ Περσέων, Hdt. 7,12,1). Zweitens ist zu beobachten, dass in dieser Erzählung in grundlegender Weise das ambivalente Verhalten des Xerxes gegenüber einem göttlichen Willen thematisiert und problematisiert wird. Dabei handelt es sich um ein Problem, das wohl in besonderer Weise durch die Kenntnis des vielmals geäußerten Anspruchs des persischen Königs in den Inschriften präsent sein dürfte. Die in den altpersischen Inschriften vom König oftmals behauptete Übereinstimmung seines Handelns und seiner Taten mit dem Willen Gottes (durch die Formel vašnā Auramazdāha) sind für den weiteren Erzählverlauf bei Herodot und für das angemessene Verständnis der beiden Textpassagen von entscheidender Bedeutung. Dass der herodoteische Xerxes durch die von Artabanos evozierte griechische Konzeption des neidischen Gottes nicht nur nachdenklich wird, sondern zunächst auch seine Entscheidung zum Kriegszug zurücknimmt, setzt die Traumepisode in Gang. Die sich nun unmittelbar anschließende Traumfolge und Diskussion um die göttliche Sendung des Traums (Hdt. 7,15,3) ist meines Erachtens vor dem Hintergrund der religiösen Herrscherlegitimation der achaimenidischen Könige und des ideologischen, in den Inschriften greifbaren Anspruchs, »nach dem Willen« oder »nach der Gunst« des Gottes zu handeln, zu verstehen. Dass Herodot in Kenntnis dieses religiös-ideologischen und theologisch-royalen Konfliktpotentials seine facettenrei107 Bruce Lincoln bezeichnet in seinem Artikel zu »Persian Religion« in der 2017–8 erscheinenden »The Herodotus Encyclopedia« diese vier und noch weitere Aspekte als »traces of an imperial theology«, die er in Xerxes-Rede über »ancestral traditions and customs« beobachten kann. Ihm danke ich vielmals für anregende und perspektivenreiche Gespräche in Chicago sowie die Verwendung des Artikels. 108 Vgl. dazu Lincoln, Art. »Persian Religion« (vgl. Anm. 107).

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che Erzählung des Entscheidungsprozesses des Xerxes gestaltet, veranschaulichen eindrucksvoll zwei Äußerungen des Xerxes und des Artabanos nach ihren Traumerfahrungen. Diese sollen abschließend zitiert werden, um das subtile herodoteische Spiel mit der religiösen Königsideologie der Achaimeniden in griechischer Sprache weiter zu unterstreichen. Xerxes erwägt nach seinem zweiten, ihm nun ernsthaft drohenden Traum: Εἰ ὦν θεός ἐστι ὁ ἐπιπέμπων καί οἱ πάντως ἐν ἡδονῇ ἐστι γενέσθαι στρατηλασίην ἐπὶ τὴν Ἑλλάδα (…). (Hdt. 7,15,3) Wenn es nun (ein) Gott ist, der es (sc. das Traumgesicht) schickt, und wenn es durchaus sein Wunsch ist, dass der Zug gegen Hellas stattfinde (…).

Artabanos gibt nach seiner Traumerfahrung zu erkennen: Ἐπεὶ δὲ δαιμονίη τις γίνεται ὁρμή (…), ἐγὼ μὲν καὶ αὐτὸς τρέπομαι καὶ τὴν γνώμην μετατίθεμαι. Σὺ δὲ σήμηνον μὲν Πέρσῃσι τὰ ἐκ τοῦ θεοῦ πεμπόμενα, χρᾶσθαι δὲ κέλευε τοῖσι ἐκ σέο πρώτοισι προειρημένοισι ἐς τὴν παρασκευήν, ποίεε δὲ οὕτω ὅκως, τοῦ θεοῦ παραδιδόντος, τῶν σῶν ἐνδεήσει μηδέν. (Hdt. 7,18,3) Da aber ein höherer Wille treibt (…), so mache ich selber kehrt und ändere meine Ansicht; du aber zeige den Persern die Botschaft an, die der Gott sendet, und heiße sie tun nach deinen ersten Anordnungen zur Rüstung, und du selber handle so, da der Gott dir gnädig ist, dass du es an nichts fehlen lässt.

Beide Äußerungen lassen wiederum die Nähe zur religiösen Königsideologie in den altpersischen Inschriften erkennen und machen damit auf die hintergündige und komplexe Erzählung der Historien aufmerksam. Während die altpersischen Inschriften vor allem die politische Kontinuität betonen und damit Xerxes als ein typischer Großkönig erscheint, wird er bei Herodot durch die Traumerzählung in seiner Herrschaft bedroht und gerät in einen Konflikt mit dem göttlichen Willen. Mit dieser Falluntersuchung sollte gezeigt werden, was für ein Mehrwert in einer Lektüre Herodots liegen kann, die nicht nur vor dem Hintergrund der Texte der griechischen Tradition erfolgt, sondern insbesondere bei Herodots Erzählung von den persischen Königen auch mit Aufmerksamkeit die altpersischen Königsinschriften zur Kenntnis nimmt.109 Die persische Ratsversammlung und die vorausgehende Erzählung im siebten Buch mögen vor diesem Hintergrund zwar nicht in 109 Keineswegs soll hier der Anspruch erhoben werden, alle möglichen Bezüge der persi-

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gänzlich veränderten Licht erscheinen, doch sie bilden den Auftakt zu Herodots subtilem Spiel mit der achaimenidischen Königsideologie, das sich wohl nicht nur auf das dritte Buch der Historien beschränken lässt.

schen Ratsversammlung bei Herodot zu den altpersischen Königsinschriften herausgestellt zu haben. Vgl. zu weiteren möglichen Bezügen, Harrison 2015.

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DIE PRIESTER DER DESPOTEN Herodots persische Magoi 1 Kai Trampedach

Abstract: The paper deals with the representation of the notorious magoi, Persian priests, in Herodotus. First, I briefly focus on the Persian evidence, to better understand the characteristics of the Herodotean approach (I). Further, I discuss the various contexts in which magoi appear in the Herodotean work (II–IV), and I will take a closer look on one significant case (V). Subsequently, I give a summary of the »Herodotean construction of magoi« (VI). Finally, I consider other representations of magoi in contemporary texts and their relation to the Herodotean construction (VII). My conclusion is, that Herodotus uses the magoi in narrative as a means to highlight the despotic character of the Persian monarchy. As »priests of the despots« they warrant the anti-monarchic theology of Herodotus.

Unter den ersten Texten, die Europa und Asien als zentrale Kategorien der Weltanschauung verwendeten, nehmen Herodots Historien eine Schlüsselposition ein. Der erste Historiker ist zugleich der erste Autor, der sein Werk anscheinend auf dem Fundament einer Ost-West-Antithese aufbaut. Daher erscheint die Frage besonders aufschlussreich, ob in diesem Werk, und wenn ja, wie, in welcher Hinsicht, mit welcher Absicht und mit welchen Folgen ein Gegensatz zwischen Europa und Asien konstruiert wird. Eine ähnliche Problematik verbindet sich mit einem ande1 Dieser Aufsatz geht auf ein Projekt mit dem Titel »Die Ursprünge der West-Ost-Antithese« zurück, das ich gemeinsam mit Tonio Hölscher im Zusammenhang des Heidelberger Exzellenzclusters »Asia and Europe in a Global Context« entwickelt habe. Unsere Idee dabei war, dass in einem solchen Forschungsverbund, der Europa und Asien thematisiert, auch Reflexionen über die Entstehung des Konzeptes »Europa und Asien« einen Platz finden sollten. Diesem Thema sind auch die Aufsätze des Bandes Zenzen/Hölscher/Trampedach 2013 gewidmet, die dabei eine interdisziplinäre und interkulturelle Perspektive einnehmen. Ich danke Hilmar Klinkott und Norbert Kramer für die Gelegenheit, meine Überlegungen im Rahmen dieses Buch zu präzisieren.

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ren, ebenso folgenreichen Konzept, das im 5. Jahrhundert in Griechenland entsteht: der Magie. Warum Spezialisten einer subversiven und manipulativen Kommunikation mit den Göttern beginnend mit dem 5. Jahrhundert Magoi genannt werden, eröffnet eine zweite Frage, zu deren Beantwortung eine genaue Lektüre Herodots vielleicht beitragen kann. Wie die beiden Aspekte, die Magie und die Ost-West-Antithese, bei Herodot zusammenhängen, möchte ich im Folgenden erörtern. Dabei richte ich mein Augenmerk zunächst kurz auf den persischen Befund, um eine Folie für den herodoteischen Umgang mit dem Phänomen zu gewinnen (I). Dann erörtere ich die verschiedenen Kontexte, in denen Herodot von Magoi erzählt (II–IV), und unterziehe einen aussagekräftigen Fall einer genaueren Betrachtung (V). Anschließend versuche ich, »Herodots Konstruktion der Mager« zusammenfassend zu charakterisieren (VI), bevor ich abschließend die Frage nach dem Verhältnis der herodoteischen Konstruktion zu anderen Repräsentationen der magoi in zeitgenössischen Texte aufwerfe (VII).2 I. Die iranischen »Mager« Das Wort μάγος ist eindeutig iranischer Herkunft.3 Es stammt von dem persischen Wort maguš ab, das wiederum erstmals in der großen Inschrift von Bīsutūn4 erscheint. Hier erklärt Dareios, durch Ahuramazda zum König gemacht worden zu sein, und fügt hinzu, dass es einen Mann namens Gaumāta gab, einen maguš, der log und sich für den Sohn des Kyros und Bruder des Kambyses ausgab (DB § 11). Bemerkenswert ist, dass der falsche König Gaumāta in diesem Text stets mit dem Attribut maguš versehen wird. Leider verrät die Inschrift nicht, was ein maguš ist. Plausibel erscheint die Annahme, dass der Name für eine Gruppe, etwa die Klasse der Priester, steht, die nach traditionellem persischen Verständnis kein Recht zur Herrschaft hatte.5 Jedenfalls ist das Wort eine spezifisch persische Berufs- oder Herkunftsbezeichnung, was in der akkadischen und der elamischen Fassung durch die schlichte Transkription (ma-gu-šu bzw. ma-ku-iš) zum Ausdruck kommt. Die Bīsutūn-Inschrift behauptet überdies, dass Dareios »die gleichen Inschriften« in 2 Die folgenden Ausführungen ergänzen meine Überlegungen zur Konstruktion der persischen Monarchie bei Herodot: Jacobs/Trampedach 2013, 71–87. Zeitangaben sind, sofern nicht anders vermerkt, als v. Chr. zu verstehen. 3 Vgl. Burkert 2003, 115 f.; de Jong 2005, 87 f. sowie über die Religion der Achaimeniden im Allgemeinen: Jacobs 2006, 212–221. 4 Vgl. Schmitt 2009, 36–91. 5 So die plausible Erklärung von De Jong 2005, 90: »Just as warriors were unsuited to officiate as priests, so priests had no business ruling the land. That is why Dareios chose wisely to put as much emphasis on Gaumata’s background as he did.«

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Die Priester der Despoten

alle Länder seines Reiches sandte und Befehl gab, sie öffentlich zu verlesen (DB § 70).6 Demnach hätten die ionischen Griechen um 520 von solchen Leuten, die maguš genannt wurden, hören können.7 Doch bevor wir uns den Griechen zuwenden, sollten wir noch einen Augenblick bei den Persern bleiben. Eine Quellengruppe, in der Mager in religiöser Funktion erscheinen, sind die sogenannten Persepolis-Täfelchen. In diesen Verwaltungstexten, die zwischen 509 und 493 datieren, werden viele verschiedene Götter genannt, die Opferzuteilungen erhalten, für die wiederum jeweils verschiedene Priester zuständig sind. Eine prominente, relativ häufig genannte Priestergruppe mit Zuständigkeit für verschiedene Gottheiten sind die Mager. Im Übrigen bleibt vieles ungewiss, und es ist umstritten, wie weit die Tätigkeit der Mager mit zoroastrischen Kultpraktiken verbunden war.8 Der Kontext der Persepolis-Täfelchen legt immerhin nahe, dass die maguš offizielle Aufgaben im Achaimenidenreich wahrnahmen.9 Auf Bildern – wie auf einigen der Goldplättchen aus dem Oxus-Schatz, die wohl ursprünglich als Votivgaben für einen Tempel gedacht waren – erscheinen die Mager in persischen oder medischen Gewändern; sie tragen eine turbanartige Kopfbedeckung, ein Kleidungsstück zum Bedecken des Mundes, das padam genannt wird, und halten oft das barsom, ein Bündel aus Zweigen. Beide Gegenstände, padam und barsom, werden in der Avesta im Zusammenhang mit Kultpraktiken erwähnt.10 Ein berühmtes Relief aus Daskyleion, das sich heute im Archäologischen Museum in Istanbul befindet, zeigt zwei Mager, die im Gebets- oder Beschwörungsgestus mit barsom vor einem Schrein oder einer Grabtür stehen, während neben ihnen die Köpfe eines Stiers und eines Widders (von Opfertieren?) auf einer hölzernen Struktur (einem Altar?) zu sehen sind.11 Die Mager haben die Kopfbedeckung über Nase und Mund gezogen, offenbar um das heilige Feuer nicht mit ihrem Atem zu verun-

6 Textzeugen aus Babylon und aus dem aramäischen Papyrus-Archiv der jüdischen Militärkolonie im oberägyptischen Elephantine bestätigen diese Angabe: vgl. Balcer 1987, 22. 26. 7 Burkert 2003, 117. 8 Vgl. die unterschiedlichen, z. T. gegensätzlichen Interpretationen von Koch 1977, 138 f., 156–158; Briant 2002, 245–248; Razmjou 2004; Henkelman 2008; De Jong 2010, 552; Koch 2011, 111–115. 132–137. 9 Vgl. Waters 2014, 155: »That they were key state functionaries is beyond doubt …« Nach De Jong 2005, 92 waren die Magoi hauptsächlich für rituelle Angelegenheiten, Theologie und die Überlieferung der zoroastrischen Literatur zuständig. 10 Curtis/Tallis 2005, 162–169 (Abbildungen der Goldplättchen aus dem Oxos-Schatz); Historisches Museum der Pfalz 2006, 186 f. 212; vgl. Razmjou 2005, 152; Huff 2011, 88–102 (mit plausiblen Zweifeln an der Echtheit des am besten erhaltenen und berühmtesten Stücks [Curtis/Tallis 2005, nr. 213] aus dem Oxos-Schatz). 11 Koch 1992, Fig. 193.

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reinigen.12 Augenscheinlich finden wir auch auf Siegeln Abbildungen von Magern bei Opferhandlungen, insbesondere bei der Ausführung des Haoma-Rituals. Die Bilder erwecken den Eindruck einer klar abgegrenzten Gruppe, die mit Opfer und Gebet zu tun hat.13 II. Ein medischer Stamm? Wenn man Episoden, nicht Wörter zählt, werden μάγοι bei Herodot insgesamt neun Mal erwähnt.14 Dabei halte ich es für sinnvoll, ethnographische von historischen Erwähnungen zu unterscheiden. In einem ethnographischen Kontext erwähnt Herodot die Mager zwei Mal: Die erste Nennung überhaupt führt die μάγοι als eine der sechs γένεα des medischen ἔθνος auf (Hdt. 1,101).15 In diesem Sinne ist von Magern offenbar im Zusammenhang mit den Ereignissen nach dem Tod des Kambyses die Rede (Hdt. 3,61–79). Ähnlich wie in der Bīsutūn-Inschrift geht bei Herodot der Thronbesteigung des Dareios die Usurpation von zwei Brüdern, die als μάγοι bezeichnet werden, voran. Da Herodot diesen Brüdern im Laufe seiner Erzählung keine kultischen oder rituellen Handlungen zuschreibt, meint der Begriff hier offenbar nur die oben erwähnte γένεα der Meder (siehe bes. Hdt. 3,65,6. 73,1). Allerdings erscheint die ganze Konstruktion zweifelhaft, denn für eine medische Herkunft der Mager gibt es keine unabhängigen Belege. Auch hätte es Dareios in der Bīsutūn-Inschrift sicher erwähnt, wenn Gaumata ein Meder gewesen wäre.16 Vielleicht hat Herodot einen Namen missverstanden; jedenfalls benutzt er die Angabe, wie wir noch sehen werden, um die Mager in die Geschichte der medisch-persischen Despotie einzuschreiben. Wohl aber kann man auf der Basis der Berichte der Bīsutūn-Inschrift und von Herodot vermuten, dass die Mager ursprünglich eine erbliche Priesterklasse, vergleichbar den Leviten im Alten Testament, gewesen sind, aus der sich dann die religiösen Spezialisten entwickelt haben, deren Tätigkeit Herodot im Übrigen beschreibt.17 In den verbleibenden sechs historischen Episoden treten die Mager zum einen als Traum- und Zeichendeuter der persischen Großkönige und zum anderen durch öffentliche Opfer und Beschwörungen in Erscheinung. Da 12 Vgl. Strab. 15,3,14; De Jong 1997, 149 f. 13 Abbildungen in: Curtis/Tallis 2005, 158 f. Vgl. Bowman 1971, 6–15. 31; Briant 2002, 244–246 (mit Fig. 33 »Magi and sacrifices«); Razmjou 2005, 152 f.; Kuhrt 2007, 552–554 (fig. 11.41–43). 14 Hdt. 1,101. 1,120. 1,131–140. 3,61–79. 7,19,1. 7,37,2–3. 7,43,2. 7,113–114. 7,191,2. Zitate aus Herodot folgen, zum Teil in modifizierter Form, der Übersetzung von Feix 1995). 15 Vgl. Asheri/Lloyd/Corcella 2007, 151: »This list is not given much credit.« 16 De Jong 2005, 90 f. 17 Asheri/Lloyd/Corcella 2007, 172.

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dieser zweite Aspekt der Darstellung in dem Exkurs über die Sitten der Perser hervorgehoben wird, möchte ich ihn zuerst in Betracht ziehen, bevor ich die historischen Episoden mit Beteiligung der Mager erörtere. III. Ritualspezialisten auf dem persischen Feldzug nach Griechenland In dem erwähnten ethnographischen Exkurs (Hdt. 1,131–140) erscheinen die μάγοι als persische Priester. Von einer medischen Herkunft ist hier keine Rede mehr. Herodot beschreibt den persischen Opferbrauch und beginnt mit negativen Aussagen, die die Fremdheit der persischen Praktiken für ein griechisches Publikum hervorheben; er behauptet, dass die Perser zum Opfern keine Altäre benutzen und kein Opferfeuer entzünden, dass sie keine Trankopfer darbringen, keine Flötenmusik machen, keine Kränze und Opfergerste kennen. Vielmehr bringt, wer immer opfern möchte, das Opfertier an einen reinen Ort, ruft den Gott an und schlachtet es. Die Gebete dürfen nicht nur die Wünsche des Opfernden enthalten, sondern müssen auch das Wohlergehen aller Perser und des Königs berücksichtigen. Wenn dann das Fleisch in Stücke zerschnitten und gekocht ist, wird es auf frisches Gras und vorbereitete Kleematten gelegt. Nach diesen Vorbereitungen tritt ein Mager heran und singt das Lied von der Erschaffung der Götter. Das ist nach ihrer Behauptung der Inhalt des Opfergesangs. Ohne Mithilfe eines Magers ist es bei ihnen nicht Brauch zu opfern. Nach kurzer Zeit trägt der Opfernde das Fleisch weg und verwendet es nach Belieben.18

Die Mager sind demnach für das Opfer und speziell für die damit verbundene Beschwörung (ἐπαοιδή) zuständig.19 Im Fortgang seines ethnographischen Exkurses berichtet Herodot seinen griechischen Zuhörern und Lesern mehr Fremdartiges, Merk- und Bewundernswürdiges, ja sogar Nachahmenswertes von den Sitten der Perser. Erst am Ende fällt auf das überwiegend positive Bild ein dunkler Schatten. Verantwortlich für diese Eintrübung sind die Mager, auf die Herodot nun noch einmal zurückkommt. Er präsentiert dieses Kapitel als eine Art Anhang: 18 Hdt. 1,132,3: Διαθέντος δὲ αὐτοῦ μάγος ἀνὴρ παρεστεὼς ἐπαείδει θεογονίην, οἵην δὴ ἐκεῖνοι λέγουσι εἶναι τὴν ἐπαοιδήν· ἄνευ γὰρ δὴ μάγου οὔ σφι νόμος ἐστὶ θυσίας ποιέεσθαι. Ἐπισχὼν δὲ ὀλίγον χρόνον ἀποφέρεται ὁ θύσας τὰ κρέα καὶ χρᾶται ὅ τι μιν λόγος αἱρέει. Vgl. De Jong 1997, 76–120, bes. 110–120. 19 Ebd. 118: »The presence of a priest at lay sacrifices is still required among Zoroastrians of Iran. Priests were and are the guardians of the sacred texts; since these texts are indispensable for the proper performance of the ritual, a ritual without a priest is impossible.«

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Kai Trampedach Soviel kann ich zuverlässig über die Perser berichten, weil ich es weiß. Ihre Begräbnissitten aber halten sie geheim. Nur undeutlich erfährt man, daß die Leiche eines Persers nicht eher bestattet wird, bevor sie nicht von einem Vogel oder Hund umhergezerrt wurde. Ich weiß zuverlässig, daß die Mager dies tun; daraus machen sie nämlich keinen Hehl. Wenn sie [dann] den Leichnam mit Wachs überzogen haben, senken ihn die Perser [auf jeden Fall, jedenfalls?] in die Erde. Die Mager unterscheiden sich wesentlich von den anderen Menschen und von den Priestern in Ägypten. Diese sind nämlich rein, wenn sie nichts Beseeltes töten außer dem Opfertier. Die Mager dagegen töten mit eigener Hand alles außer Hund und Mensch und in großem Wetteifer töten sie gleichermaßen Ameisen und Schlangen sowie andere kriechenden und geflügelten Tiere.20

Die Mager sind demnach in geheime und aus griechischer Sicht zumindest sehr seltsame, wenn nicht abstoßende Bestattungssitten involviert. Den Leichnam erst zu bestatten, nachdem er Hunden und Vögeln ausgesetzt war, ist ein Brauch, der offensichtlich das genaue Gegenteil des griechischen Umgangs mit Verstorbenen darstellt.21 Griechische Bestattungsrituale wollen – bei allen Unterschieden im Einzelnen, je nach Ort und Zeit – gerade dies auf jeden Fall grundsätzlich verhindern, dass nämlich der Leichnam zur Nahrung für Vögel, Hunde und Insekten wird.22 Nicht nur zur Bestattung, auch zum Töten haben die Mager eine zumal für Priester eigenartige Haltung. Herodots Formulierungen lassen seine Befremdung erkennen.23 Die Mager unterscheiden sich, sagt er, wesentlich von anderen Menschen und ganz 20 Hdt. 1,140: Ταῦτα μὲν ἀτρεκέως ἔχω περὶ αὐτῶν εἰδὼς εἰπεῖν. Τάδε μέντοι ὡς κρυπτόμενα λέγεται καὶ οὐ σαφηνέως περὶ τοῦ ἀποθανόντος, ὡς οὐ πρότερον θάπτεται ἀνδρὸς Πέρσεω ὁ νέκυς πρὶν ἂν ὑπ’ ὄρνιθος ἢ κυνὸς ἑλκυσθῇ. Μάγους μὲν γὰρ ἀτρεκέως οἶδα ταῦτα ποιεῦντας· ἐμφανέως γὰρ δὴ ποιεῦσι. Κατακηρώσαντες δὲ ὦν τὸν νέκυν Πέρσαι γῇ κρύπτουσι. Μάγοι δὲ κεχωρίδαται πολλὸν τῶν τε ἄλλων ἀνθρώπων καὶ τῶν ἐν Αἰγύπτῳ ἱρέων· οἱ μὲν γὰρ ἁγνεύουσι ἔμψυχον μηδὲν κτείνειν, εἰ μὴ ὅσα θύουσι· οἱ δὲ δὴ μάγοι αὐτοχειρίῃ πάντα πλὴν κυνὸς καὶ ἀνθρώπου κτείνουσι, καὶ ἀγώνισμα μέγα τοῦτο ποιεῦνται, κτείνοντες ὁμοίως μύρμηκάς τε καὶ ὄφις καὶ τἆλλα ἑρπετὰ καὶ πετεινά. 21 Vgl. Razmjou 2005, 154–156: Die Leichenaussetzung, die sich als sensationelles Leitmotiv durch die antike Perser-Ethnographie zieht, wird meistens mit dem altiranischen Glauben begründet, dass die vier heiligen Elemente Erde, Wasser, Luft und Feuer nicht durch den Kontakt mit Leichen verunreinigt werden sollen. Der iranistischen Forschung zufolge war die Leichenaussetzung immer eine (vielleicht auf die Mager selbst beschränkte) Ausnahme, ebenso wie das ebenfalls von Herodot erwähnte Überziehen der Leichen mit Wachs, das nur bei königlichen oder adligen Bestattungen durchführbar war. »In conclusion, the Achaemenids believed in burying their dead, but they attempted to insulate the body from the natural elements« (Razmjou 2005, 156). 22 Vgl. Johnston 2004, 488. 23 Gleichwohl erlaubt Herodots Darstellung, die beschriebenen Handlungen der Mager im Kontext zoroastrischer Vorstellungen zu verstehen: vgl. Lincoln 2012, 450–453.

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besonders von den ägyptischen Priestern. Wie kommt Herodot auf die ägyptischen Priester, die er in seiner Erzählung bisher noch nicht erwähnt hat? Er führt eine andere Gruppe fremder Priester, die er, wie wir in Buch 2 erfahren, aus persönlichem Umgang kennt und respektiert, als Vergleichsgröße ein. Ägyptische Priester, so weiß Herodot, folgen Reinheitsvorstellungen, die auch dem griechischen Empfinden entsprechen,24 besonders konsequent. Sie meiden bereits den Umgang mit Toten; mehr noch macht das eigenhändige Töten von Lebewesen, außer im Zusammenhang mit Opferhandlungen, unrein. Von diesen kulturübergreifenden Priesterregeln weichen die Mager ab, denn sie wetteifern geradezu darin, bestimmte Tierarten zu vertilgen.25 Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Herodot im Exkurs über die Sitten der Perser die Mager als eine bestimmte Gruppe mit Zuständigkeit für fremdartige Opfer- und abstoßende Bestattungsrituale in Erscheinung treten lässt; abstrus und unrein erscheint auch, wie insbesondere der Vergleich mit den ägyptischen Priestern zeigt, ihr Brauch, bestimmte Tierarten mit großem Eifer zu töten. Soweit die ethnographische Theorie, doch welche Rolle schreibt Herodot den Magern in der historischen Praxis zu? Auf dem Vormarsch nach Griechenland gelangte Xerxes mit seinem Heer im Frühjahr 480 in die Troas. Der Aufenthalt wird von Herodot als unheilvoll und unglückverheißend beschrieben. Am Fuße des Ida, dem Zeus-Berg der Ilias, brechen unvermittelt Donner und Blitz über das Heer herein und töten eine beträchtliche Anzahl von Soldaten. Nachdem Xerxes die Stadt des Priamos besichtigt und dabei ihre Geschichte erfahren hat, opfert er auf der Burg von Ilion tausend Rinder, und die Mager spenden den Heroen Trankopfer. Herodot fährt lakonisch fort: »Nachdem sie dies getan hatten, überfiel das Heer in der Nacht Furcht«,26 was doch wohl insinuieren soll, dass Athena und die Heroen die Opfer nicht angenommen haben und dass die Rituale der Mager, um das Mindeste zu sagen, wirkungslos geblieben sind.27 Obwohl die Perser doch angeblich keine Trankopfer an die Götter (σπονδαί) kennen (s. o.; vgl. Hdt. 1,132,1), hat Herodot hier keine Schwierigkeiten, den Magern ohne weiteres χοαί, Trankopfer im Zusammenhang mit dem Grabkult, zur Abwehr

24 Vgl. Burkert 2011, 125–127; Parker 1983, 52 f. 25 »Khrafstra-killing«, »the practice of killing creatures thought to have been created by the Evil Spirit«, ist ein genuiner Bestandteil des Zoroastrismus und bildet für griechische und römische Autoren, die iranische Sitten beschreiben, neben der Leichenaussetzung ein weiteres skandalon: vgl. De Jong 1997, 338–342. 26 Hdt. 7,43,2: Θεησάμενος δὲ καὶ πυθόμενος (sc. Ξέρξης) ἐκείνων ἕκαστα, τῇ Ἀθηναίῃ τῇ Ἰλιάδι ἔθυσε βοῦς χιλίας· χοὰς δὲ οἱ μάγοι τοῖσι ἥρωσι ἐχέαντο. Ταῦτα δὲ ποιησαμένοισι νυκτὸς φόβος ἐς τὸ στρατόπεδον ἐνέπεσε. 27 Die Geschichte ist natürlich in keiner Weise glaubwürdig: vgl. De Jong 2005, 86 f.

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dunkler Mächte zuzuschreiben.28 Ebenso konstruiert erscheint der Besuch des Xerxes in Troja.29 Dass gerade die Gegend von Troja den Schauplatz dieser Zeichen abgibt, ist natürlich kein Zufall, sondern erhöht die mantische Bedeutung der Vorfälle. Dem Leser wird hier wie im weiteren Verlauf der Erzählung vermittelt, dass die Invasion für das persische Heer kein gutes Ende nehmen wird. In dieser Perspektive ist auch die nächste von Herodot beschriebene Opferhandlung der Mager zu sehen. Das persische Heer gelangte auf seinem Vormarsch in Thrakien an den Strymon. Herodot berichtet weiter: Die Mager erlangten gute Opferzeichen, indem sie weiße Pferde in den Strymon schlachteten. Nachdem sie auf diese Weise Sühnemittel in den Fluß gegeben und vieles andere zum gleichen Zweck getan hatten, zogen sie bei den ›Neunwegen‹ im Lande der Edonen über die Brücke, die sie über den Strymon gebaut vorfanden. Als sie erfuhren, daß die Gegend ›Neun-Wege‹ heißt, begruben sie dort lebendig ebenso viele eingeborene Knaben wie Mädchen. Das Lebendig-begraben ist persische Sitte. Denn ich habe erfahren, daß auch Amestris, die Gattin des Xerxes, in hohem Alter zweimal sieben Kinder angesehener Perser für sich lebendig begraben ließ, um sich dem Gott, der unter der Erde wohnen soll, im Gegenzug gefällig zu erweisen.30

Wie in der vorangehenden Episode treten die Mager hier zunächst als Ritualspezialisten, die den persischen Feldzug begleiten, auf und erscheinen so als eine Art Pendant zu den griechischen Sehern. Dass sie für einen guten Übergang des Heeres über einen großen Fluss wie den Strymon ein Zeichenopfer in Form von Schlachtopfern mit Sühnungsfunktion darbringen (ἐκαλλιερέοντο σφάζοντες), entspricht allgemeiner griechischer Praxis.31 Ungewöhnlich sind dagegen die weißen Pferde, die von den Persern, wie Herodot an anderen Stellen durchblicken lässt, besonders geschätzt wurden.32 Durch die besonders kostbaren Gaben und durch die anderen 28 Vgl. Burkert 2011, 114. 306. 29 How/Wells II 145; vgl. De Jong 1997, 111 f. 302. 353. 30 Hdt. 7,114: ἐς τὸν (sc. Στρυμόνα) οἱ μάγοι ἐκαλλιερέοντο σφάζοντες ἵππους λευκούς. Φαρμακεύσαντες δὲ ταῦτα ἐς τὸν ποταμὸν καὶ ἄλλα πολλὰ πρὸς τούτοισι, ἐν Ἐννέα Ὁδοῖσι τῇσι Ἠδωνῶν ἐπορεύοντο κατὰ τὰς γεφύρας, τὸν Στρυμόνα εὑρόντες ἐζευγμένον. Ἐννέα δὲ Ὁδοὺς πυνθανόμενοι τὸν χῶρον τοῦτον καλέεσθαι, τοσούτους ἐν αὐτῷ παῖδάς τε καὶ παρθένους ἀνδρῶν τῶν ἐπιχωρίων ζώοντας κατώρυσσον. Περσικὸν δὲ τὸ ζώοντας κατορύσσειν, ἐπεὶ καὶ Ἄμηστριν τὴν Ξέρξεω γυναῖκα πυνθάνομαι γηράσασαν δὶς ἑπτὰ Περσέων παῖδας, ἐόντων ἐπιφανέων ἀνδρῶν, ὑπὲρ ἑωυτῆς τῷ ὑπὸ γῆν λεγομένῳ εἶναι θεῷ ἀντιχαρίζεσθαι κατορύσσουσαν. 31 Vgl. Trampedach 2015, 154 f. (zu σφαγία im Unterschied zu ἱερά), 491 (zu καλλιερεῖν), jeweils mit weiterer Literatur. Wie diese σφαγία der Mager mit den speziellen Opferbräuchen der Perser zu vereinbaren sind, die er in seinem ethnographischen Exkurs beschrieben hat (Hdt. 1,131–132), interessiert Herodot hier offenbar nicht. 32 Vgl. Hdt. 1,189,1; 3,90,3; 7,40,4. Pferdeopfer im persischen Kontext erwähnen auch Xen. an.

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Rituale, mit denen die Mager den Fluss versöhnen wollen, lässt Herodot die Perser den Übergang über den Strymon akzentuieren. Herodots Perser sind sich bewusst, dass sie eine wichtige Grenze überschreiten.33 Dass dies nicht zum Guten geschieht, deutet sich vielleicht schon in dem vieldeutigen Partizip φαρμακεύσαντες an, mit dem Herodot die Handlungen der Mager summarisch ins Zwielicht taucht.34 Die unmittelbar folgende Schilderung der Menschenopfer kann jedenfalls beim Leser nur noch Befremden auslösen. Offenbar bringen die Perser die exzessiven Opfer, zu denen sie durch den sprechenden Namen der Gegend (»Neun-Wege«) motiviert werden, ein weiteres Mal für einen glücklichen und hindernisfreien Weitermarsch dar. Wie sich die persische Königsgemahlin Amestris bei dem Gott der Unterwelt für ihr hohes Alter mit großzügigen Menschenopfern bedankt (ἀντιχαρίζεσθαι), so sollen die Weggeister westlich des Strymon durch entsprechende Gaben besänftigt und günstig gestimmt werden. Herodot bezeichnet das Lebendig-begraben als persischen Brauch: Περσικὸν δὲ τὸ ζώοντας κατορύσσειν.35 Haben die Mager etwas damit zu tun? Durch den religiösen Kontext und die unmittelbar vorausgehende Erwähnung der Mager als Ritualspezialisten legt der Historiker einen Zusammenhang zumindest sehr nahe.36 Hinzu kommt die topographische Bedeutung wenige Kilometer flussaufwärts von Eion – jenem Ort, an dem Kimon wenige Jahre später, wohl im Herbst 476, die letzte persische Festung in Europa eroberte und damit einen vielfältig gefeierten Sieg errang.37 Herodot selbst erzählt einige Kapitel zuvor (Hdt. 7,107) vom ruhm4,5,35; Tac. ann. 6,37. 33 In Wahrheit ist dies natürlich eine griechische oder athenische Wahrnehmung: vgl. Aischyl. Pers. 497. Hik. 254 f. mit Hall 1989, 88 und Horsfall 1974. Weitere Belege für den Strymon als Grenze: Isaac 1986, XIII mit Anm. 5. 34 Vgl. Jameson 1991, 203: »Herodotus in his description of the sacrifice at the river Strymon speaks of the Magi als pharmakeusantes, ›having performed magical rites’, which seems to be a characterization of a foreign practice; such language never appears in descriptions of Greek versions of the rite.« Vgl. Carastro 2007, 224. 35 Vgl. Mikalson 2003, 50: »The use of magic in this situation is un-Greek, and Herodotus points to the un-Greek character of the human sacrifice here by labeling it a Persian nomos.« Die iranistische Forschung kann keinen persischen oder zoroastrischen Hintergrund für Herodots Behauptungen ausmachen; vgl. De Jong 1997, 315: »… the origin and the veracity of the stories (sc. of human sacrifices) in Herodotus remain a mystery«. 36 Nach den »Persern« des Aischylos (vv. 495–507) erlitt das persische Heer auf dem eiligen Rückzug beim Übergang über den Strymon im Herbst 379 schwere, durch göttliches Eingreifen verursachte Verluste. Wenn Herodot diese Geschichte kannte, hätte er ihr mit seiner Strymon-Episode eine bessere Begründung verschafft als sie Aischylos selbst gab (vgl. dazu Horsfall 1974). 37 Vgl. Welwei 1999, 83 f.; Isaac 1986, 19–21.

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vollen Untergang des Boges, des Kommandanten von Eion. Dieser habe sich, als er von Kimon belagert wurde, nicht ergeben, sondern die Stadt angezündet. Weiter habe er zunächst seine Frau, seine Kinder, seine Konkubinen und seine Diener getötet und ins Feuer geworfen; dann habe er alles Gold und Silber aus der Stadt von der Mauer hinunter in den Strymon gestreut; schließlich habe er sich selbst ins Feuer gestürzt. Ungeachtet seiner unverhohlenen Bewunderung für Boges fällt auf, dass der Ort, an dem Herodot die Riten der Mager und die Menschenopfer lokalisiert, wiederum über das Geschehen hinausweist – diesmal nicht wie im Fall von Ilion in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft, die aber schon für den ersten Leser ebenfalls eine Vergangenheit war. In einer weiteren Episode überliefert Herodot die Reaktion der Mager auf einen verheerenden Sturm, der die vor Magnesia und dem Pelion-Gebirge ankernde persische Flotte schwer beschädigte. »Drei Tage«, so führt Herodot aus, »hielt das Unwetter an. Endlich brachten die Mager dem Wind blutige Sühneopfer dar und beschworen ihn mit lauten Rufen. Zusätzlich opferten sie der Thetis und den Nereiden. Da legte sich der Sturm am vierten Tag; vielleicht tat er es auch von selbst.« Die letzte Bemerkung zeigt ein weiteres Mal, wie distanziert Herodot, zumal bei seinem sonstigen Respekt vor religiösen Spezialisten, das Wirken der Mager betrachtet. Wie in Troja und am Strymon reagieren die Mager zunächst mit an die Unterwelt gerichteten Sühneopfern (ἔντομά τε ποιεῦντες) und Beschwörungen (καταείδοντες βοῇσι), dann mit regulären Opfern (θύοντες) an Thetis und die Nereiden, die vermutlich für die Rettung der Schiffbrüchigen ausgebracht wurden,38 und wiederum sind es Griechen, diesmal verbündete Ionier, von denen sie die Namen der anzurufenden Götter erfahren, denn Herodot fährt fort: »Sie opferten der Thetis, weil sie von den Ioniern die Sage hörten, sie sei von Peleus aus dieser Gegend entführt worden; ihr und den übrigen Nereiden gehöre die ganze Küste Sepias.«39 Doch bleibt für Herodot der Erfolg der Maßnahmen eben zweifelhaft. Ob die Mager nun nach drei langen Tagen den Sturm durch ihre rituellen Praktiken und besonders durch ihren Rückgriff auf die Verehrung lokaler Gottheiten endlich bändigen konnten oder nicht, spielt im Übrigen keine große Rolle, da der gewaltige Schaden der persischen Flotte – Herodot spricht von mindestens 400 Schiffen, unzähligen Menschen und zahlreichen 38 Ohne Herodots Wertung zu beachten und zwischen den verschiedenen Opfern und Opferformen zu unterscheiden, erscheint De Jong 1997, 102 der Kontext vollkommen angemessen »to appease a storm that threatened the military operations«. 39 Hdt. 7,191,2: Ἡμέρας γὰρ δὴ ἐχείμαζε τρεῖς· τέλος δὲ ἔντομά τε ποιεῦντες καὶ καταείδοντες βοῇσι οἱ μάγοι τῷ ἀνέμῳ, πρὸς δὲ τούτοισι καὶ τῇ Θέτι καὶ τῇσι Νηρηίσι θύοντες ἔπαυσαν τετάρτῃ ἡμέρῃ, ἢ ἄλλως κως αὑτὸς ἐθέλων ἐκόπασε. Τῇ δὲ Θέτι ἔθυον πυθόμενοι παρὰ τῶν Ἰώνων τὸν λόγον ὡς ἐκ τοῦ χώρου τούτου ἁρπασθείη ὑπὸ Πηλέος, εἴη τε ἅπασα ἡ ἀκτὴ ἡ Σηπιὰς ἐκείνης τε καὶ τῶν ἀλλέων Νηρηίδων.

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Schätzen – ohnedies eingetreten war. Das Versagen der Mager wird noch offenkundiger, wenn man es mit dem erfolgreichen Windmanagement der Athener, über das Herodot kurz vorher berichtet hat, vergleicht und sich vergegenwärtigt, wie sich die Athener den Boreas zum Freund gemacht haben (Hdt. 7,189). Außerdem war der Sturm von Magnesia nicht der erste und nicht der letzte Vorfall dieser Art; wenig später, am Abend der Seeschlacht am Kap Artemision, versetzten Wolkenbruch und Donner »vom Pelion her« die persische Flotte erneut in Angst und Schrecken (Hdt. 8,12), ohne dass die Mager, die Herodot keiner weiteren Erwähnung würdigt, das Unheil abwenden konnten. Wir halten als Zwischenfazit fest: In ihrer Funktion als feldzugsbegleitende Opferpriester und Beschwörer machen die Mager in Herodots Erzählung keine gute Figur. Ihr Wirken bezieht sich vor allem auf die Besänftigung von Göttern und Heroen der Unterwelt. Glück und Erfolg sind mit ihrem Handeln nicht verbunden. IV. Traumdeuter der Könige Dieser Eindruck gilt verstärkt, wenn man die mantische Tätigkeit der Mager bei Herodot hinzunimmt, für die es in der zeitgenössischen persischen Überlieferung – soweit ich sehe – keine Belege gibt und die auch Herodot selbst in seinem Bericht über die persischen Sitten nicht erwähnt. Als Traumdeuter des Königs treten die Mager in der dem Ödipus-Mythos ähnlichen Geschichte auf, mit der Herodot die Transformation des medischen zum persischen Reich und den Aufstieg des Kyros erklärt.40 In unserem Zusammenhang muss diese Geschichte nicht eingehend besprochen werden, sondern ich kann mich auf die direkt relevanten Aspekte konzentrieren. Die Mager deuten Träume des medischen Königs Astyages, die ihm die Absetzung durch den Sohn seiner Tochter Mandane prophezeien, zunächst richtig. Als aber dieser Enkel namens Kyros dem Tötungsbefehl des Astyages zum Trotz überlebt und als seine Identität im Alter von zehn Jahren entdeckt wird, sehen die Mager den Traum als erfüllt an und empfehlen die Verschonung des Jungen – eine Deutung, die der Meinung des Astyages, wie Herodot diesen selbst emphatisch betonen lässt, vollständig entspricht. Der Dialog zwischen Astyages und seinen Magern endet mit einer Loyalitätserklärung: König, auch uns selbst liegt viel daran, daß deine Herrschaft fest besteht. Geht sie auf den Knaben über, fällt sie in fremde, in persische Hände, und wir Meder werden Sklaven und von den Persern verachtet, weil wir Fremde sind. Solange du aber, unser Stammesgenosse, König bist, nehmen wir teil an der Herrschaft und stehen in hohen Ehren bei dir. So haben wir allen Grund, 40 Hdt. 1,107–130; vgl. Asheri/Lloyd/Corcella 2007, 156.

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Kai Trampedach für dich und deine Herrschaft zu sorgen. Wenn wir jetzt etwas Bedrohliches wahrnähmen, würden wir dich auf jeden Fall warnen.41

Das Selbstinteresse bindet die Mager an den König, ist aber, so stellt sich heraus, nicht erkenntnisfördernd. Herodot zeigt hier, wie der instrumentelle Zugriff der Mager, der den Willen der Götter den Wünschen des Monarchen unterordnet, scheitert. Die heroischen Seher der Griechen (wie Kalchas, Halitherses, Theoklymenos, Teiresias) sind dagegen Figuren, die sich kraft ihrer von Gott kommenden Einsicht den Mächtigen entgegenstellen.42 Als es kommt, wie es kommen muss, als Kyros ante portas ist und Astyages also dem Untergang seines Reiches ins Auge blicken muss, läßt dieser noch schnell »jene Traumdeuter unter den Magern ans Kreuz schlagen, die ihm geraten hatten, Kyros zu schonen« (Hdt. 1,128). Die grausame Tat erscheint einerseits als logische Konsequenz der Selbstbindung der Mager; andererseits führt sie den despotischen Charakter der Herrschaft vor, denn Astyages reflektiert auch im Angesicht des Endes nicht über seinen eigenen Anteil an den Deutungen (er fällt in dieser Hinsicht noch weit hinter Kroisos zurück); die Kreuzigung der Mager demonstriert daher, dass die Mantik als Kunst, den göttlichen Willen zu erforschen, in einer Despotie keinen Platz hat.43 Der nächste Traum, in dessen Deutung die Mager einbezogen sind, wird Xerxes zuteil, nachdem er sich (z. T. auch durch Träume beeinflusst) für den Feldzug gegen Griechenland entschieden hatte. Xerxes, der nun zum Feldzug drängte, erlebte darauf ein drittes Traumgesicht, das die Magier so auslegten, als sie es hörten: Es ginge die ganze Erde an, und alle Menschen würden ihm untertan. Der Traum aber sah so aus: Xerxes träumte mit einem Zweig des Ölbaums bekränzt zu

41 Hdt. 1,120,5–6: »Ὦ βασιλεῦ, καὶ αὐτοῖσι ἡμῖν περὶ πολλοῦ ἐστι κατορθοῦσθαι ἀρχὴν τὴν σήν. Κείνως μὲν γὰρ ἀλλοτριοῦται ἐς τὸν παῖδα τοῦτον περιιοῦσα ἐόντα Πέρσην, καὶ ἡμεῖς ἐόντες Μῆδοι δουλούμεθά τε καὶ λόγου οὐδενὸς γινόμεθα πρὸς Περσέων, ἐόντες ξεῖνοι· σέο δ’ ἐνεστεῶτος βασιλέος, ἐόντος πολιήτεω, καὶ ἄρχομεν τὸ μέρος καὶ τιμὰς πρὸς σέο μεγάλας ἔχομεν. Οὕτω ὦν πάντως ἡμῖν σέο τε καὶ τῆς σῆς ἀρχῆς προοπτέον ἐστί. Καὶ νῦν εἰ φοβερόν τι ἐνωρῶμεν, πᾶν ἂν σοὶ προεφράζομεν.« Um in dieser Geschichte auftreten zu können, müssen die Mager Meder sein: vgl. Hdt. 1,101. Da die persischen Primärquellen keinerlei Hinweis für eine medische Herkunft der Mager enthalten (s. o., Kap. II mit Anm. 15), könnte Herodot diese Verbindung konstruiert haben, damit die Mager die Kontinuität der medisch-persischen Despotie symbolisieren können. 42 Vgl. Trampedach 2015, 485–491; Flaig 1998, 64–74 (zu Teiresias). 43 Jacobs/Trampedach 2013, 77–79.

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Die Priester der Despoten sein; Zweige des Ölbaums reichten über die ganze Erde hin. Dann aber verschwand der Kranz, den er um den Kopf trug.44

Der Hörer oder Leser Herodots weiß, dass das Traumbild von den Göttern stammt, weil es sich als wahr erweist. Es enthält in sich einen Wunschtraum, der dementiert wird. Es ist nun bezeichnend, dass Herodots Mager das Dementi ignorieren und die Hybris des Großkönigs bestätigen. Xerxes hatte wenige Kapitel zuvor dem Thronrat seine Vision der Weltherrschaft präsentiert: Wir machen, so sagt er da, den Himmel des Zeus zur Grenze des Perserlandes; keine Polis und kein Ethnos soll mehr den Kampf mit uns wagen; alle Menschen sollen unser Sklavenjoch tragen. Dass die Mager den Großkönig mit ihrer Traumdeutung in seinem Größenwahn bestärken, mag ihnen kurzfristig, so kann der Leser annehmen, Vorteile verschafft haben, aber auf Kosten der Reputation, wie der Geschichtsschreiber bezeugt. Weil Herodots Mager sich nicht am Willen der Götter, sondern an den Wünschen des Monarchen orientieren, ist ihre Deutung ein weiteres Mal falsch. V. Eine erfundene Sonnenfinsternis Herodot führt dieses grundsätzliche Versagen schließlich auch noch auf dem Feld der Zeichenmantik vor. Mit Frühlingsbeginn – wir sind im Jahre 480 – sei das persische Heer von Sardes aus zum Hellespont gezogen: Gerade als es abmarschierte, verließ die Sonne ihren Sitz am Himmel und wurde unsichtbar, obwohl der Himmel nicht wolkig, sondern ganz klar war; und aus dem Tag wurde Nacht. Als Xerxes dies sah und erfaßte, machte er sich Sorgen und fragte die Mager, was die Erscheinung bedeuten soll. Die aber erklärten, daß der Gott den Hellenen den Verlust ihrer Städte anzeige, denn die Sonne, so sagten sie, sei für die Hellenen das Vorzeichen, der Mond aber für sie selbst. Xerxes freute sich außerordentlich über diese Auskunft und ließ das Heer weiterziehen.45 44 Hdt. 7,19,1: Ὁρμημένῳ δὲ Ξέρξῃ στρατηλατέειν μετὰ ταῦτα τρίτη ὄψις ἐν τῷ ὕπνῳ ἐγένετο, τὴν οἱ μάγοι ἔκριναν ἀκούσαντες φέρειν τε ἐπὶ πᾶσαν γῆν δουλεύσειν τέ οἱ πάντας ἀνθρώπους. Ἡ δὲ ὄψις ἦν ἥδε· ἐδόκεε ὁ Ξέρξης ἐστεφανῶσθαι ἐλαίης θαλλῷ, ἀπὸ δὲ τῆς ἐλαίης τοὺς κλάδους γῆν πᾶσαν ἐπισχεῖν, μετὰ δὲ ἀφανισθῆναι περὶ τῇ κεφαλῇ κείμενον τὸν στέφανον. Das griechische Siegessymbol, der Kranz aus Ölbaumzweigen, passt schlecht in den Traum eines persischen Großkönigs in Susa: vgl. Köhnken 1988, bes. 35: »Wäre (…) dagegen Herodots Traumgeschichte persischer Herkunft, dann hätte man als Siegessymbol vielleicht (wie z. B. auf dem berühmten Relief des siegreichen Dareios am Felsen von Bisutun) die Erscheinung Ahuramazdas in der Flügelsonne oberhalb des Großkönigs Xerxes erwartet.« 45 Hdt. 7,37,2–3: Ὁρμημένῳ δέ οἱ ὁ ἥλιος ἐκλιπὼν τὴν ἐκ τοῦ οὐρανοῦ ἕδρην ἀφανὴς ἦν οὔτ‘ ἐπινεφέλων ἐόντων αἰθρίης τε τὰ μάλιστα, ἀντὶ ἡμέρης τε νὺξ ἐγένετο. Ἰδόντι δὲ καὶ μαθόντι τοῦτο

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Herodots Bericht ist falsch: Im Frühjahr 480, als Xerxes die Winterquartiere in Lydien ab- und mit seinem Heer zum Hellespont und nach Griechenland aufbrach, fand in Sardes keine Sonnenfinsternis statt. Finsternisse, ob der Sonne oder des Mondes, können bekanntlich astronomisch zurückberechnet werden. Daher können wir mit Sicherheit feststellen, dass die einzige Sonnenfinsternis, die in jenen Jahren in Sardes und Umgebung sichtbar war, sich am 17. Februar 478 ereignete. Ob Herodot diese Finsternis knapp zwei Jahre zurückdatierte und in eine ominöse Situation verlegte, oder ob er sie überhaupt erfand, lässt sich nicht entscheiden, spielt in unserem Zusammenhang aber auch keine große Rolle. Sein Bericht ist eingebunden in eine narrative Strategie, die Xerxes’ Vormarsch auf Griechenland durch eine Reihe ungünstiger Vorzeichen begleitet sein lässt. Die Sonnenfinsternis beim Abmarsch in Sardes macht den Anfang. Die unheilschwangeren Vorfälle in der Troas, an denen auch die Mager beteiligt sind, habe ich bereits erwähnt. Der Historiker fährt mit der ausführlichen Wiedergabe eines Gesprächs fort, das Xerxes und sein Oheim Artabanos in Abydos führen; dabei warnt Artabanos seinen König ein weiteres Mal – und wiederum vergeblich – vor den Gefahren des Zuges. Als das Heer den Hellespont überschritten hat, ereignet sich ein großes Wunderzeichen (τέρας μέγα), das Xerxes keiner Aufmerksamkeit würdigte, obwohl es nach Herodots Worten leicht zu interpretieren war: Eine Stute gebar einen Hasen. Herodot gibt selbst die Deutung: Xerxes war dabei, in aller Pracht und Herrlichkeit ein Heer gegen Griechenland zu führen; er sollte, um sein Leben laufend, an die gleiche Stelle zurückkehren.46

Der Historiker benutzt die Gelegenheit, ein zweites Zeichen, wiederum eine Missgeburt, zu erwähnen, das Xerxes schon in Sardes zuteil wurde und dessen Interpretation er diesmal dem Hörer oder Leser überlässt. Eine Maultierstute wirft ein Junges mit doppelten, männlichen und weiblichen Geschlechtsteilen, von denen die männlichen über den weiblichen liegen (Hdt. 7,57,2). Das zweite Wunderzeichen, das zu der Tier- die Geschlechtermetaphorik hinzubringt, variiert die Botschaft des ersten: Mutig kommt ihr an, feige werdet ihr abziehen. So inszeniert Herodot einen fortlaufenden Kommentar der Götter zum Vorrücken des persischen Heeres. Diese τῷ Ξέρξῃ ἐπιμελὲς ἐγένετο, καὶ εἴρετο τοὺς μάγους τί θέλει προφαίνειν τὸ φάσμα. Οἱ δὲ ἔφασαν ὡς Ἕλλησι προδεικνύει ὁ θεὸς ἔκλειψιν τῶν πολίων, λέγοντες ἥλιον εἶναι Ἑλλήνων προδέκτορα, σελήνην δὲ σφέων. Ταῦτα πυθόμενος ὁ Ξέρξης περιχαρὴς ἐὼν ἐποιέετο τὴν ἔλασιν. Für das folgende vgl. Trampedach 2015, 63–69. 46 Hdt. 7,57,1: Εὐσύμβλητον ὦν τῇδε τοῦτο ἐγένετο, ὅτι ἔμελλε μὲν ἐλᾶν στρατιὴν ἐπὶ τὴν Ἑλλάδα Ξέρξης ἀγαυρότατα καὶ μεγαλοπρεπέστατα, ὀπίσω δὲ περὶ ἑωυτοῦ τρέχων ἥξειν ἐς τὸν αὐτὸν χῶρον.

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Inszenierung führt vor, dass selbst eine überwältigende militärische Überlegenheit keinen Erfolg garantiert, wenn die Götter nicht wollen. Natürlich sind die Situationen, in denen die Zeichen erscheinen, mantisch bedeutsam: beim Abmarsch in Sardes, nach dem Opfer in Ilion, vor und nach dem Übergang von Asien nach Europa. Xerxes reagiert jedes Mal entweder mit Ignoranz oder mit Hybris. Das Unglück, das ihm die Zeichen ankündigen, trifft ihn in der herodoteischen Erzählung nicht unverschuldet. Freilich ist nicht nur die Sonnenfinsternis konstruiert, sondern auch und noch mehr die Deutung der Mager. In der persischen Religion spielt die Sonne eine überragende Rolle, während über eine besondere Verehrung des Mondes nichts bekannt ist.47 Dafür liefert Herodot selbst Anschauungsmaterial, denn wenig später schildert er die eindrucksvolle Szene, wie Xerxes am Hellespont zur Sonne betet und dabei eine besonders enge religiöse und kultische Beziehung zum dominierenden Himmelsgestirn erkennen lässt (Hdt. 7,54,2). Zahlreiche Bilder und Texte bestätigen eine vergleichsweise ausgeprägte religiöse Verehrung der Sonne durch die Perser.48 Die hellenozentrische Identifizierung der Sonne, die Herodot ausgerechnet den Magern in den Mund legt, musste daher und zumal aus der imperialen Perspektive des Achaimenidenreiches geradezu lächerlich erscheinen. Wenn die Griechen durch die Sonne, sie selbst (die Perser oder die gesamte Reichsbevölkerung?) durch den Mond repräsentiert wurden, was blieb dann für die anderen Nachbarn, die Ägypter und Äthiopier, die Inder, die Skythen usw. übrig? Da Mondfinsternisse außerdem viel häufiger auftreten als Sonnenfinsternisse und einen viel weiteren Sichtbarkeitsradius haben, hätten die Mager den persischen Interessen durch die Assoziation an den Mond auf die Dauer einen schlechten Dienst erwiesen.49 Herodots Sonnenfinsternis ist eine griechische Projektion, die in zwei Richtungen Aufschluss gibt. Sie beleuchtet die politischen Zustände bei den Persern und erhellt zugleich den griechischen Umgang mit Zeichen. Die Mager antizipierten mit ihrer Deutung den Wunsch ihres Herrn. Damit taten sie das gleiche, was auf Feldzügen griechische Seher, die von den Strategen ausgewählt wurden und ihnen zugeordnet waren, auch taten.50 Was jedoch im griechischen Kontext eine unpro47 Vgl. How/Wells 1912, II 145; Duchesne-Guillemin 1983, 135–139; Ahn 1992, 162 f.; De Jong 2010, 543 f. 48 Vgl. De Jong 1997, 366; Briant 2002, 250–252; Skærvø 2013, 559 f. 49 Wenn es dafür eines Beleges bedürfte, so liefert ihn die Geschichte des Alexanderzuges: Am 20. September 331 – das makedonische Heer hatte gerade, zehn Tage vor der Schlacht von Gaugamela, den schwierigen Übergang über den Tigris bewältigt – ereignete sich eine totale Mondfinsternis, deren unheilvolle Semantik von Alexanders Sehern mit Hilfe der Deutung von Herodots Magern neutralisiert wird; vgl. Trampedach 2015, 69–73. 50 Vgl. Trampedach 2015, 173–178.

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blematische Routine war, hat hier den Beigeschmack von Schmeichelei. Denn, so zeigt Herodot immer wieder, im Umgang mit dem Großkönig und speziell mit Xerxes gibt es normalerweise keine Redefreiheit (παρρησία).51 Wie wir gesehen haben, reden Herodots Mager dem König, zumindest in mantischer Funktion, immer nach dem Mund und irren sich dabei am Ende immer. Wahre Mantik, so muss man Herodot verstehen, kann es nur unter der Bedingung politischer Freiheit geben.52 Der despotische Rahmen lässt auch zufällig richtige Vorhersagen der Mager geradezu zwangsläufig falsch werden. Denn tatsächlich haben die griechischen Gegner des Großkönigs den angeblich von den Magern prophezeiten »Verlust der Städte«,53 wenn auch nicht aller Städte, hinnehmen müssen, wobei der Fall Athens natürlich besonders schwerwiegend war. Der »Verlust der Städte« auf griechischer Seite musste jedoch nicht automatisch zur Folge haben, dass die Perser den Krieg gewinnen, wie die weitere Geschichte dann zeigte. Doch wird Xerxes vom Geschichtsschreiber eine vorsichtige und nachdenkliche Haltung ebenso wenig erlaubt wie den Magern, die auf keinen Fall Wasser in den Wein der königlichen Freude und Erleichterung schütten dürfen. Herodot inszeniert das Scheitern der persischen Invasion auch als Scheitern des Großkönigs in der Kommunikation mit den Göttern. An diesem Versagen haben die Mager einen erheblichen Anteil. Herodot bereitet seine Zuhörer oder Leser auf die persische Katastrophe vor; die drei Elemente – Zeichen der Götter, Deutung der Mager, Handlung des Xerxes – ergänzen sich und bilden eine einheitliches Motiv, das, narratologisch gesehen, als Prolepse fungiert. VI. Herodots Konstruktion der »Mager« Obwohl ich mich nicht zur liar school of Herodotus, um einen polemischen Buchtitel von William Kendrick Pritchett aus einer in dieser Form längst überholten Debatte zu verwenden, zählen würde,54 komme ich um die Feststellung nicht herum, dass der »Vater der Geschichtsschreibung« diejenigen Passagen seines Werkes, die auf persischer Innensicht beruhen, erfunden hat. Sämtliche Aussagen über die Mager als historische Akteure, d. h. als Traum- und Vorzeichendeuter des Astyages und des 51 Wie die Mager, so leistet auch Xerxes in dieser Geschichte Herodots seinen Beitrag zum Bild der orientalischen Despotie; im Übrigen ist die Sonnenfinsternis und ihre Deutung nach den Regeln griechischer Mantik konstruiert: vgl. Trampedach 2015, 67 f. 52 Herodots Annahme ist offenbar ein Gegenargument, das auf einen Grundsatz monarchischen Selbstverständnisses reagiert; dieser Grundsatz lautet: Wahre Mantik kann es nur da geben, wo es einen König gibt, der als verantwortlicher Ansprechpartner oder Repräsentant der Götter fungieren kann. 53 Herodot schreibt analog zum Himmelsphänomen von einer ἔκλειψις τῶν πολίων. 54 Pritchett 1993; zur Debatte vgl. Luraghi 2001, bes. 139 f.; Giangiulio 2001, bes. 136 f.

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Xerxes sind meines Erachtens der ideologisch geprägten Phantasie Herodots entsprungen.55 Dies gilt nicht in gleicher Weise für seine ethnographischen Angaben. Herodot hatte in Erfahrung gebracht, dass die μάγοι als persische Ritualspezialisten für Opfer, Gebete und Beschwörungen zuständig waren und dass sie Xerxes auf dem Feldzug nach Griechenland begleitet hatten – soweit in mutmaßlicher Übereinstimmung mit dem eingangs präsentierten persischen Befund. Allerdings erscheinen sie auch bei diesen Tätigkeiten überwiegend in einem trüben Licht: Schon im ethnographischen Exkurs werden sie mit abstoßenden Bestattungssitten in Verbindung gebracht, und ihnen wird ein – zumal für Priester – sehr ungewöhnlicher Umgang mit dem Töten (von Tieren) attestiert. Auch die narrativen Passagen akzentuieren den unheimlichen Aspekt ihres Wirkens: mit Beschwörungen der Unterweltsgötter, mit ungewöhnlichen, teilweise monströsen Opfern. Als Begleiter des Xerxes auf dem Feldzug gegen Griechenland erhalten sie zusätzliche Aufgaben. Da mobile Feldpriester in Griechenland μάντεις (Seher) heißen und vor allem mantische Funktionen ausüben, hat Herodot solche Funktionen auch den Magern zugeschrieben. Interessanterweise verschwinden die Mager aus der Erzählung, als der persische Heereszug Mittelgriechenland erreicht. Sie finden weder an den Thermopylen noch im Zusammenhang mit den Schlachten bei Salamis und Plataiai Erwähnung. Bei Plataiai hören wir aber immerhin, dass der persische Kommandeur Mardonios in seinem Heer, in dem jetzt bekanntlich auch größere Kontingente von Griechen kämpften, über (sogar berühmte) griechische Seher verfügte (Hdt. 9,37–38). Vermutlich wusste Herodot so gut wie nichts über die Verhältnisse im persischen Lager. Dies gilt vor allem für Vorgänge vor dem Eintreffen des Heeres in Griechenland. Ähnliches dürfte auch für die medisch-persische Mantik gelten. Da er über die Meder und Perser beim besten Willen keine Orakelgeschichten nach lydischem Muster berichten konnte, ließ er ihre Könige (in zwei Fällen auch jeweils einen ihrer Feldherren) träumen.56 Von den 18 Träumen, die Herodot erwähnt oder erzählt, sind 14 in einem ›barbarischen‹ Milieu angesiedelt, davon elf bei den Medern und Persern, zwei in Ägypten und einer in Lydien. Die Häufung ist kein Zufall, denn die Träume können die narrative Funktion von griechischen Orakeln übernehmen, und dies musste sie besonders als literarisches Mittel in unbekannten kulturellen Kontexten attraktiv erscheinen lassen. Es ist daher stimmig, dass Herodot die Mager 55 Widerstrebend stellt De Jong 1997, 396, fest: »It is difficult to avoid the idea that the Magi, or the dream-interpreters among them, are used by Herodotus as a literary device and that these texts do not refer to a ›real‹ function of Persian priests.« Gleichwohl hält er es wenige Zeilen später für »plausible to assume that the Magi performed the function of dream-interpreters« (397). 56 Über die Träume bei Herodot, insbesondere die »Reichsträume« der Perser, vgl. Trampedach 2015, 504–508 (mit weiterer Literatur).

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ausgerechnet als Deuter bzw. Fehldeuter von Träumen und von erfundenen Himmelszeichen auftreten lässt und sie benutzt, um seine antimonarchische Botschaft zu vermitteln. Herodots Mager akzentuieren den despotischen Charakter der persischen Monarchie; sie sind die Priester der orientalischen Despoten; sie sind dies von Beginn an, weshalb sie in der herodoteischen Erzählung unmittelbar nach der Gründung dieser Despotie durch Deiokes als medischer Clan (γένος) die historische Bühne betreten. Freilich bleiben sie über weite Strecken der persisch-medischen Geschichte im Hintergrund. Eine prominente Rolle spielen sie im Zusammenhang mit Misserfolgen: beim Untergang des medischen Reiches, d. h. beim Übergang der Herrschaft vom Mederkönig Astyages auf Kyros, den ersten persischen Großkönig, sowie beim gescheiterten Griechenland-Feldzug des Xerxes. VII. Herodots Mager im zeitgenössischen Kontext Abschließend erheben sich die Fragen: Sind Herodots μάγοι eine Ideosynkrasie oder repräsentativ für die griechische Wahrnehmung dieser persischen Ritualspezialisten im 5. Jahrhundert? Welchen Einfluss haben Herodots Mager auf die begriffsgeschichtliche Rezeption gehabt? Aischylos verknüpft in den Persern die gleiche Art der Zeichen- und Traumdeutung sowie ähnliche Opferpraktiken mit dem persischen Königshaus wie Herodot, kennt oder nennt aber bemerkenswerterweise keine Mager.57 Für die Historiker des Alexanderzuges lag es nahe, auf literarische Motive der Perserkriege zurückzugreifen. Obwohl das Gesetz des Handelns die Perser diesmal in den Hintergrund drängte, ist doch eine aufschlussreiche Geschichte überliefert, in der Dareios III. das Ende der Achaimenidenherrschaft ankündigt und zugleich das persische Versagen im Umgang mit der Mantik vorgeführt wird. Wie bei Aischylos und Herodot ist es ein paradigmatisches Scheitern der Autokratie. Plutarch (Alexander 18,6–8) und Curtius (3,3,2–7) erzählen mit geringfügigen Unterschieden einen Traum, der Dareios zuteil wurde, als er vor der Schlacht von Issos von Susa zum Meer herabzog.58 Der Inhalt der Traumerzählung ist in diesem Zusammenhang nicht so wichtig. Die erzählten Traumbilder sind jedenfalls, zumindest bei genauerer Überlegung, zweideutig, und dies hätte, meint Plutarch, auch den Traumdeutern des Königs, den Magern, bewusst werden können. Doch deren positive Auslegung richtete sich nicht nach der Wahrscheinlichkeit, sondern zielte auf das Gefallen des Königs.59 Dieser wiederum glaubt nur allzu gern, was ihm seine zuständigen Untertanen aus Angst 57 Trampedach 2015, 508–511. 58 Trampedach 2015, 514 f. 59 Plut. Alexander 18,6: οἱ μάγοι πρὸς χάριν ἐξηγοῦντο μᾶλλον ἢ κατὰ τὸ εἰκός …

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oder Schmeichelei sagen, und zieht mit geschwellter Brust seiner Niederlage bei Issos entgegen. Verzichtet man auf das Motiv der Schmeichelei, lässt sich dieses düstere Gegenbild leicht in das freundliche Bild eines respektablen fremden Priesterstandes verwandeln. So erzählte Dinon von Kolophon, der in der Mitte des 4. Jahrhunderts Persika schrieb, einen Traum des Kyros, der dem König durch die Auslegung der Mager zutreffend die Dauer seiner Herrschaft voraussagte (FGrH 690 F 10 = Cic. div. 1,46). Dinon scheint aber auch ethnographische Informationen überliefert zu haben, denn er berichtet, dass die Mager wie die Skythen mit Stäbchen aus Tamariskenholz weissagten (F 3). Überhaupt verraten die wenigen erhaltenen Fragmente ein auffälliges Interesse an den Magern, die Dinon (ebenso wie angeblich Aristoteles), so bemerkt Diogenes Laertius (1,8), ausdrücklich gegen den Vorwurf, sie praktizierten Zauberei (γοητική), in Schutz nahm. Vielleicht stammt auch eine weitere bei Cicero überlieferte Angabe aus Dinon: Bei den Persern beachten Zeichen und weissagen die Mager, die sich an einem geweihten Ort versammeln, um Rat zu halten und sich miteinander zu besprechen, wie auch ihr Auguren einst an den Nonen zu tun pflegtet. Und niemand ist befugt, König der Perser zu sein, der sich nicht zuvor die Lehre und Wissenschaft der Mager angeeignet hat, sagt Quintus zu seinem Bruder Marcus.60

Hier wird die persische Mantik zunächst mit den römischen Verhältnissen gleichgesetzt, die Mager werden mit den Auguren verglichen und dadurch nobilitiert. Wovon Cicero dann spricht: den Magern als Königen, als Weisen aus dem Morgenland – das weist auf das Neue Testament voraus. Wenn Cicero hier tatsächlich aus den Persika des Dinon von Kolophon geschöpft hat, dann ginge auch diese prominente Vorstellung auf die klassische Zeit, in diesem Fall das 4. Jahrhundert, zurück.61 Doch weder adulatio noch disciplina et scientia haben den Begriff der Magie im klassischen Griechenland bestimmt, sondern subversive und manipulative Potentiale. Die früheste Erwähnung des Begriffs in der griechischen Literatur könnte sich im Fragment 14 (DK) von Heraklit finden und damit sogar in das späte 6. Jahrhundert zurückgehen: 60 Cic. div. 1,90 (Übers. Ch. Schäublin): et in Persis augurantur et divinant magi, qui congregantur in fano commentandi causa atque inter se conloquendi, quod etiam idem vos quondam facere Nonis solebatis; nec quisquam rex Persarum potest esse, qui non ante magorum disciplinam scientiamque perceperit. 61 In Cic. div. 1,46 beruft sich der Sprecher für seine Aussagen über die Magi ausdrücklich auf Dinon.

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Allerdings gibt es Gelehrte, die die Aufzählung im ersten Teil des Fragments dem Tradenten Klemens von Alexandrien zuschreiben; wieder andere wollen just das Wort μάγοις als Interpolation tilgen, weil sie an der Verbindung νυκτιπόλοις μάγοις (»den in der Nacht umherwandernden Magern«) Anstoß nehmen oder den Wortgebrauch für anachronistisch halten.62 Die Einwände scheinen mir berechtigt zu sein. Wenn Heraklit hier die Mager erwähnt hätte, dann hätte er sie mit anderen, griechischen, dionysischen Ritualakteuren (Bakchen, Mänaden, Mysten) in eine Reihe gestellt und ihr Wirken mit unheiligen Mysterien verknüpft.63 Bei Sophokles taucht das Wort einmal auf: Im Oedipus Tyrannus beschimpft der namengebende Held den Seher Teiresias als »Mager« und »Ränkeschmied«, als »listigen Zauberer, der für den Gewinn nur Augen hat, in seiner Kunst ein Blinder ist« (387–389). Wir wissen, dass Ödipus Unrecht hat64 und dass Teiresias vielmehr ein μάγος im Sinne Herodots gewesen wäre, wenn er Ödipus nach dem Mund geredet hätte.65 Ein ähnlicher Wortgebrauch wie bei Sophokles findet sich bei Euripides, der den Begriff in den erhaltenen Werken dreimal verwendet. Im Orestes führt der phrygische Sklave das plötzliche Verschwinden Helenas auf eine irreguläre Intervention zurück: »Zaubertränke, Künste von Magern, Täuschungen von Göttern«.66 Auch an den anderen beiden Stellen verknüpft Euripides die Magie mit Zauberei und Beschwörungsliedern.67 Eine weitere Erwähnung aus dem 5. Jahrhundert, in 62 Zu dieser Debatte vgl. die Kommentare von Marcovich 1967, 464–468; Fronterotta 2013, 346 f. 63 Nach Buchheim 1994, 84, richtete sich Heraklits Polemik gegen verbreitete orphisch-orgiastische Strömungen der damaligen Zeit (…), die etwa eine taumelnde Überwindung aller Grenzen klaren Denkens predigten und das den wahren Reichtum der Seele nannten«. 64 Vgl. Carastro 2007, 216. 226. 65 In Soph. Oid. T. klagt Ödipus, dass Kreon ihm aus Neid um der Herrschaft willen den Seher Teiresias auf den Hals gehetzt habe: ὑφεὶς (sc. Kreon) μάγον τοιόνδε μηχανορράφον, | δόλιον ἀγύρτην, ὅστις ἐν τοῖς κέρδεσιν | μόνον δέδορκε, τὴν τέχνην δ‘ ἔφυ τυφλός (vv. 387–389). Vgl. Rigsby 1976. 66 Eur. Or. 1497: ἤτοι φαρμάκοις ἢ μάγων τέχναις ἢ θεῶν κλοπαῖς. 67 Eur. Suppl. 1110; Iph. T. 1338.

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dem hippokratischen Traktat Über die heilige Krankheit, passt ebenfalls gut in diese Reihe, denn sie assoziiert die μάγοι mit anderen religiösen Spezialisten, die Epilepsie als eine heilige Krankheit betrachten und entsprechend therapieren wollen. Der Autor nennt diese Leute μάγοι τε καὶ καθάρται καὶ ἀγύρται καὶ ἀλαζόνες. Diese Zusammenstellung macht klar, dass der Verfasser diese Personengruppen, die die Krankheit, wie er schreibt, u. a. mit »Reinigungen« und »Beschwörungen« zu heilen versuchen, samt und sonders für Aufschneider und Betrüger hält.68 Auch Gorgias, der berühmte Sophist, assoziiert die Magie in seinem Enkomion auf Helena mit Zauberei und Beschwörungsgesängen, nimmt aber ihre Fähigkeit zur Beeinflussung von Menschen ernster. Die Wirkungen werden von ihm freilich nicht als heilsam beschrieben, sondern im Gegenteil als Fehlleitungen der Seele und als Täuschungen der Meinung.69 Schließlich erscheinen μάγοι in der 6. Kolumne des Derveni-Papyrus, und zwar wiederum im funktionalen Zusammenhang mit Tier- und Trankopfern, Gebeten und Beschwörungen. Mit ihrer ἐποιδή vermögen die Mager, so der Derveni-Papyrus, die dämonischen Hindernisse zu beseitigen und schließlich mit den Göttern direkt in Kontakt zu treten. Anders als bei [Heraklit], Sophokles, Euripides, dem hippokratischen Autor und Gorgias scheint ihre rituelle Tätigkeit im Derveni-Papyrus allerdings positiv bewertet zu werden.70 Ich fasse zusammen: Der zeitgenössische Wortgebrauch verleiht Herodots Magern schärferes Profil. Grundsätzlich handelt es sich bei den μάγοι um eine Konstruktion, die von den Griechen seit der Mitte des 5. Jahrhunderts entwickelt wurde, und zwar, wie Marcello Carastro festgestellt hat, »à partir des notions et de représentations propes à leur culture«.71 Während andere zeitgenössische Autoren verächtliche Ritualspezialisten am Rande der Gesellschaft als »Mager« beschimpfen, deren Dienste von Individuen in Anspruch genommen werden, spricht Herodot von Magern ausschließlich als respektierten Priestern der persischen Monarchie. Bei der Funktionsbeschreibung, nämlich dass die Mager für Opfer, Gebete, Beschwörungen, Reinigungen, Traum- und Zeichendeutung zuständig sind, gibt es weitgehende Übereinstimmungen. In der Wertung kann man (den Derveni-Papyrus und Dinon von Kolophon einmal außer Acht lassend) zumindest von Konvergenzen reden: Zwar charakterisiert Herodot die »Mager« nicht direkt negativ, aber auf der Handlungsebene stellt er diese Leute durch den Kontext häufig ins Zwielicht. Als kleinster gemeinsamer Nenner lässt sich festhalten: Mager sind unerwünschte religiöse Spe68 Hippokr. de morbo sacro 1,10–12. 69 Gorgias B 11 (DK), 10: γοητείας δὲ καὶ μαγείας δισσαὶ τέχναι εὕρηνται, αἵ εἰσι ψυχῆς ἁμαρτήματα καὶ δόξης ἀπατήματα. 70 Vgl. Burkert 2003, 126–133. 71 Carastro 2007, 222.

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zialisten, die fremde und unheimliche Rituale praktizieren, sei es im Dienste einer fremden Macht oder sei es als gekaufte Handlanger von Individuen, die auf Umsturz aus sind oder sich illegitime Vorteile verschaffen wollen. So oder so handelt es sich um korrupte Pseudo-Priester. Der Unterschied besteht in dem Verhältnis zur Macht: Die politisch subversive Rolle, für die die Mager in der Tragödie explizit und bei Hippokrates und Gorgias implizit in Anspruch genommen werden, spielen sie bei Herodot nicht, ganz im Gegenteil: Gerade ihre enge Beziehung zum Monarchen wirkt sich hier korrumpierend und erfolgsmindernd aus. Dies und weniger die rituellen Praktiken selbst verleihen den Magern ihre Anstößigkeit. Als »Priester der Despoten« sind sie Gewährsmänner für Herodots antimonarchische Theologie.72

72 Vgl. Jacobs/Trampedach 2013, 80–87; Trampedach 2015, 403–408.

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