Gestaltung von Kapitalgesellschaften zwischen Freiheit und Zwang: Venture Capital in Deutschland und den USA 9783161540097, 9783161534652

Thilo Kuntz untersucht, welche Schranken für die freie Gestaltung von Kapitalgesellschaften durch die Satzung und schuld

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Gestaltung von Kapitalgesellschaften zwischen Freiheit und Zwang: Venture Capital in Deutschland und den USA
 9783161540097, 9783161534652

Table of contents :
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Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
A. Untersuchungsanlass und Untersuchungsgegenstand
§ 1 Legitimation zwingender Regeln im Kapitalgesellschaftsrecht
§ 2 Gestaltung von Kapitalgesellschaften und Venture Capital
I. Kapitalgesellschaften und deren Gestaltung
1. Kapitalgesellschaften
2. Private Gestaltung von Kapitalgesellschaften
II. Venture Capital: Begriff und Finanzierungsablauf
1. Begriff
2. Finanzierungsablauf
3. Maßgebliche Dokumente
4. Venture Capital in den USA
a) Unterschiede zwischen Finanzierungen in Seed und Start-up Phase
b) Rundenbasierte Finanzierung; maßgebliche Dokumente
§ 3 Einordnung in den Forschungsstand
I. Gestaltungsfreiheit im Kapitalgesellschaftsrecht
II. Schuldrechtliche Nebenabreden
III. Beteiligungsvereinbarungen
§ 4 Themenbegrenzung
I. Gläubiger- und Arbeitnehmerschutz
II. Stille Gesellschaft als Finanzierungsform
III. Verhältnis von Kapitalverkehrsfreiheit und Satzungsstrenge
B. Zur Begründung zwingenden Privatrechts
§ 1 Legitimation von Beschränkungen der Gestaltungsfreiheit
§ 2 Begriff, Wirkung und Funktion zwingenden Rechts als Problem
§ 3 Kein „Contractarian Approach“
C. Zur Methode der Arbeit
§ 1 Rechtsvergleichung
I. Zur funktionalen Methode
II. Gesellschaftsrecht von Delaware
§ 2 Ökonomische Analyse
D. Gang der Untersuchung
1. Teil: Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung am Beispiel von Venture Capital-Vereinbarungen in den USA
A. Gestaltungsanlässe: Regelungsprobleme der Venture Capital-Finanzierung
§ 1 Interessenlage und Regelungskonflikte
I. Ausgangslage
1. Kapitalgeber und Gründer
a) Informationsasymmetrien
b) Fehlen von Sicherheiten und finanzieller Beiträge der Gründer
c) Wahl der Finanzierungsform
d) Interessenkonflikte bei der Unternehmensleitung
2. Verhältnis der Gesellschafter untereinander
II. Wagniskapitalverträge als dynamische Verträge
§ 2 Einzelprobleme
I. Zu geringe Anstrengung (Underinvestment)
1. Gründer als Agenten und Kapitalgeber als Prinzipale
2. Kapitalgeber als Agenten und Gründer als Prinzipale
II. Selektionsprobleme
III. Hold-up
1. Hold-up der Gründer durch die Kapitalgeber
2. Hold-up der Kapitalgeber durch die Gründer
3. Hold-up innerhalb der Gruppen
a) Hold-up innerhalb der Gründergruppe
b) Hold-up innerhalb der Investorengruppe
IV. Window Dressing
V. Benachteiligung früher Kapitalgeber (Trilateral Bargaining)
1. Verwässerung der Beteiligung früher Investoren (Dilution)
2. Aneignung schwierig bewertbarer Vermögenswerte (Asset Stripping)
a) Asset Stripping der Gründer zu Lasten der Kapitalgeber
b) Asset Stripping später Kapitalgeber zu Lasten früher Investoren
c) Asset Stripping zu Lasten der Gründer
VI. Aushöhlung der Ansprüche der Gründer
VII. Nachträgliche Veränderung der Investitionsrisiken (Risk-shifting)
VIII. Überinvestitionsproblem
B. Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA
§ 1 Unterschiedliche Anteilsklassen für Gründer und Investoren
I. Common Shares versus Convertible Preferred Shares
II. Steuerungswirkung aus Investorenperspektive
III. Steuerungswirkung aus Gründerperspektive
§ 2 Erlösbeteiligung der Investoren durch Convertible Preferred Shares
I. Grundlagen
1. Begriff und Gestaltungsgrundlage
2. Die Stellung der Vorzugseigner in der Gesellschaft
a) Gesellschafterrechte im Verhältnis zu den Stammeignern
b) Vertragsrechtliche Interpretation der Vorzugsrechte
aa) Der Klauselwortlaut als Grundlage und Grenze der Auslegung
bb) Der „implied covenant of good faith and fair dealing“
c) Konsequenzen für die Gestaltungspraxis
II. Dividendenpräferenzen
1. Grundlagen
2. Gestaltungspraxis
a) Grundsatz: Non-cumulative Dividends
b) Cumulative, Cumulative „if earned“ und Cumulative Participating Dividends
c) Verknüpfung von Cumulative Preferences mit anderen Rechten
3. Auswirkungen von Dividendenvorzügen
a) Vergütungsfunktion
b) Schutz vor privater Vorteilsnahme seitens der Gründer
III. Liquidationspräferenzen
1. Grundsätze
2. Gestaltungspraxis
3. Auswirkungen von Liquidationspräferenzen
a) Auswirkungen unbeschränkter Participating Liquidation Preferences
b) Auswirkungen beschränkter Participating Liquidation Preferences
c) Das Problem der Demotivation der Gründer
IV. Conversion Rights und automatische Konversion
1. Option zur Anteilsumwandlung
a) Grundlagen und Gestaltungspraxis
b) Wirtschaftliche Funktion des Rechts zur Konversion
aa) Konversionsrecht und Non-participating Preferred Shares
bb) Konversionsrecht und Participating Preferred Shares
cc) Folgerungen zur Bedeutung von Konversionsrechten
2. Automatische Konversion
a) Grundlagen und Gestaltungspraxis
b) Wirtschaftliche Funktionen automatischer Konversion
aa) Vertikale Dimension: Gründer und Investoren
(1) Grandstanding
(2) Verhaltenssteuerung nach einem Börsengang
bb) Horizontale Dimension: Abmilderung eines Hold-ups auf Investorenebene
c) Fehlanreize von Klauseln zur automatischen Konversion
V. Convertible Preferred Shares und abweichende Gestaltungen im Vergleich
1. Debt Financing und Preferred Stock Warrants in der Gestaltungspraxis
2. Rechtliche Nachteile alternativer Gestaltungsoptionen
a) Vorzugsanteile versus Darlehensfinanzierung
b) Vorzugsanteile versus Stammanteile
3. Funktionsäquivalenz der Kombination von Fremd- und Eigenkapitalbeteiligung
a) Anreizwirkung residualer Gewinnbeteiligungsrechte
b) Rangverteilung als Signal
c) Überschussverteilung bei Liquidation und Dividendenvorrechte
d) Verhinderung opportunistischen Gründerverhaltens
e) Unterschiedliche Verteilung von Gewinnbezugsrechten
f) Ergebnisse
§ 3 Einflusssicherung: Stimmrechte, Board Control und Covenants
I. Stimmrechte, Board Control und Covenants im System der Wagniskapitalfinanzierung
1. Perspektive der Wagniskapitalgeber
2. Perspektive der Gründer
3. Einflusssicherung als Weg zur Dynamisierung des Beteiligungsverhältnisses
II. Stimmrechte der Vorzugseigner
1. Einzelstimmrecht
a) Grundlagen
b) Ausgestaltung
aa) Stimmrecht nach Maßgabe der Wandlungsrechte
bb) Einteilung in verschiedene Klassen (Class Voting)
2. Stimmbindungsvereinbarungen
III. Board Control
1. Grundlagen
2. Ausgestaltung
a) Besetzung des Board of Directors
aa) Grundformen der Sitzverteilung
bb) Regelungsort
cc) Machtverschiebung im Laufe der Zeit
b) Voting Switch/Control Flip
c) Grenzen der Ausübung von Board Control
IV. Covenants
§ 4 Finanzierungskontrolle: Gestaffelte Finanzierung (Staging)
I. Grundlagen
1. Grundformen gestaffelter Finanzierung
2. Auswirkungen gestaffelter Finanzierung
II. Insbesondere: Ex ante vereinbarte Meilensteine
1. Grundformen
2. Verbindlichkeit von Meilensteinvereinbarungen
§ 5 Schutz vor Verwässerung und Abwertung: Antidilution Rights, Pay to Play, Pull Ups und Performance Deals, Bezugsrechte
I. Grundlagen
1. Definition von „Verwässerung“
a) Verwässerung aufgrund des Hinzutretens eines neuen Investors
aa) Verhältnis von Altinvestoren und Gründern
bb) Verhältnis der Investoren untereinander
b) Verwässerung durch sonstige Maßnahmen
aa) Ausgabe von Stammanteilen und Anteilsteilung
bb) Dividendenzahlungen
2. Einführende Typologie
a) Preisbasierter Schutz I: Weighted Average und Full Ratchet-Klauseln
b) Preisbasierter Schutz II: Structural Antidilution Protection
c) Pay to Play und Pull Up Provisions
d) Performance Deals
II. Preisbasierter Verwässerungsschutz
1. Full Ratchet-Klauseln
a) Inhalt und Funktionsweise
b) Auswirkungen auf die Gründer
c) Auswirkungen auf das Verhältnis der Investoren untereinander
aa) Abschreckende Wirkung und „Todesspirale“
bb) Probleme bei syndizierten Beteiligungsstrukturen
d) Umgang mit und praktischer Sinn von Full Ratchet- Klauseln
2. Weighted Average-Klauseln
3. Structural Antidilution Protection
III. Pay to Play und Pull Up Provisions
1. Pay to Play
2. Pull Up Provisions
3. Schutz der Altinvestoren vor Trilateral Bargaining
IV. Performance Deals
V. Bezugsrechte
1. Grundlagen
2. Ausgestaltung
3. Auswirkungen in der Praxis und Funktion
§ 6 Bindung der Gründer: Nachvertragliche Wettbewerbsschranken, Share Transfer Restrictions, Tag Along/Drag Along und IPO Lock-up
I. Nachvertragliche Wettbewerbsschranken: Noncompetition Agreements und Informationsweitergabeverbote
1. Noncompetition Agreements
2. Informationsweitergabeverbote und die Doctrine of Inevitable Disclosure
II. Share Transfer Restrictions
1. Grundlagen
2. Vesting
3. Vorerwerbsrechte und Andienungspflichten (Rights of First Refusal und Reverse Vesting)
a) Grundlagen
b) Ausgestaltung
c) Auswirkungen und praktischer Sinn
aa) Auswirkungen
bb) Praktischer Sinn
(1) Eintrittskontrolle
(2) Austrittskontrolle
III. Mitnahmeklauseln (Drag Along Rights)
IV. Mitveräußerungsrechte (Tag Along Rights/Rights of Co-sale)
V. IPO-Lock-up/Market Stand-off
§ 7 Börseneinführungsrechte (Registration Rights)
I. Grundlagen
II. Ausgestaltung
1. Anspruch auf Börseneinführung (Demand Registration Rights)
a) Grundlagen
b) Bedeutung von Demand Registration Rights in der Praxis
2. Huckepackrechte (Piggyback Rights)
3. S-3 Rights
§ 8 Rückübertragungsrechte (Redemption Rights)
I. Grundlagen
II. Ausgestaltung und Bedeutung in der Praxis
1. Rückübertragungsrechte der Investoren
a) Ausgestaltung
b) Bedeutung in der Praxis
2. Rückübertragungsrechte der Gesellschaft
§ 9 Repurchase Rights und Buy-Sell Agreements
I. Inhalt und Ausgestaltung
II. Durchsetzung des Rückerwerbs von Vergütungsbestandteilen („equity recapture“)
1. Dienstvertragsrechtliche Aspekte
2. Gesellschaftsrechtliche Aspekte
a) Rechtslage in Delaware
b) Andere Rechtsordnungen
3. Fazit
§ 10 Steuerrechtliche Rahmenbedingungen
I. Gestaltungsfaktoren im Rahmen von Vergütungsvereinbarungen
II. Besteuerung von als Vergütung gewährten Stammanteilen
III. Besteuerung von als Vergütung gewährten Stock Options
1. Incentive Stock Options
2. Nonstatutory/Unqualified Stock Options
3. Employee Stock Purchase Plans
IV. Phantom Stock Plans und Stock Appreciation Rights
V. Nochmals: Zur Bedeutung von Convertible Preferred Shares
§ 11 Die Bereitstellung eines Stock Option Pools für Employee Stock Options
I. Grundlagen
II. Auswirkungen des Stock Option Pools auf die Beteiligung der Gründer
§ 12 Probleme des Down Round Financing
I. Ausgangslage
II. Fallstudie: Kalashian v. Advent VI Limited Partnership („Alantec“)
III. Treuepflichten als Steuerungsinstrument
1. Grundlagen
a) Treuepflichten der Investoren als Anteilseigner
b) Treuepflichten der Directors
aa) Business Judgment Rule und Entire Fairness Test
(1) Interessenkonflikt der Vertreter der Investoren
(2) Fair Dealing und Fair Price
(3) Erfolgsaussichten
bb) Verwässerung als faktischer Ausschluss („freeze out“)
cc) Business Purpose
2. Strategien in der Praxis zur Haftungsvermeidung
a) Bezugsrechtsangebote (Rights Offerings)
b) Ratifikation nach § 144 DGCL
IV. Sonstige Kontrollansätze im Down Round Financing
1. Gerichtliche Umwandlung von Preferred Shares in Common Stock
2. Equitable Subordination
a) Nachordnung von Gläubigerrechten
b) Übertragung auf Rechte des Mehrheitsgesellschafters
aa) Notwendigkeit besonderer Umstände
bb) Einschränkungen für Beteiligungen unter 50%
c) Besonderheiten der Venture Capital-Finanzierung
3. Veränderung von Investitionsbedingungen
V. Fazit
§ 13 Gestaltungsbedingungen im Silicon Valley
I. Externe Verhaltenskontrolle der Investoren durch Reputation und Syndizierung
1. Syndizierung und Netzwerkeffekte
2. Reputation
a) Der Markt für Reputation im Silicon Valley
aa) Vernetzung der Investoren
bb) Ähnliche Prägung der Gründer
b) Empirie
aa) Prozessbeteiligung und Reputationsverluste
bb) Der „California Effect“ in der Klauselgestaltung
II. Opportunitätskosten
III. Besonderheiten des anwaltlichen Beratungsgeschäfts
1. Beschränkung des Marktes auf wenige Kanzleien
2. Beschränkter Beratungsumfang
3. Contingency Fees
4. Unternehmerische Beratung durch Anwälte
IV. Standardisierung der Klauselwerke im Silicon Valley
V. Vorprägung der Klauseln späterer Finanzierungsrunden durch die Erstrundengestaltung
VI. Die Finanzierungsvereinbarungen als Grundlage der Organisationsstruktur
C. Schlussbetrachtung
2. Teil: Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente
A. Kontrollinstrumente des allgemeinen Privatrechts
§ 1 Allgemeine Lehren zu Gestaltungsschranken
I. „Natur“ der Sache, Typenlehre, Numerus Clausus und Institutionenschutz
1. Zum „Wesen“ und der „Natur“ der Sache als Gestaltungsschranke
a) Das „Wesen “ zwischen Rechtsbeschränkung und Rechtserzeugung
b) „Wesen“ und „Natur“ in Gesetz und Rechtsprechung
c) „Wesens“- und „Natur“argumente in der Literatur
d) Ablehnung von „Wesen“ und „Natur“ als normative Kategorie
2. Typenlehre und Schranken der Gestaltungsfreiheit
3. Der Numerus Clausus der Gesellschaftsformen
a) Der Bundesgerichtshof zur „GbR mbH“
b) Schnittmengen von Numerus Clausus und Typenlehre
4. Institutionenbezogene Ansätze
a) Institutionentheorie und Innenschranken
aa) „Rechtsinstitut“ und Innentheorie
bb) Rechtsinstitute und Innentheorie im Gesellschaftsrecht
cc) Notwendigkeit institutionellen Denkens
dd) Dogmatische Umsetzung
b) Institutionentheorie und Außenschranken
II. Zwingendes Recht, Verbotsgesetze, gute Sitten, die Grenzen rechtsgeschäftlicher Gestaltungsmacht sowie Gesetzesumgehung
1. Zwingendes Recht, §§ 134, 138, 242 BGB
2. Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Gestaltungsmacht
a) Allgemeine Grenzen rechtsgeschäftlicher Gestaltungsmacht
aa) Aktienrecht: § 23 Abs. 5 AktG
bb) GmbH-Recht
b) Echte Satzungsbestandteile und Satzungsvorbehalt
c) Kompetenzregeln
aa) § 76 Abs. 1 AktG
bb) § 53 Abs. 1 GmbHG
3. Gesetzesumgehung
III. Ergebnisse
§ 2 Kontrollinstrument AGB-Recht am Beispiel Venture Capital
I. Bereichsausnahme Verträge auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts
II. Venture Capital-Vereinbarungen als Verträge auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts
1. Das Objekt der Investorenbeteiligung
2. Die Investoren als „reine Finanzierungsgesellschafter“
3. Beteiligung an der Geschäftsleitung im weiteren Sinne
a) Juristische Involvierung der Kapitalgeber in die Geschäftsleitung
b) Faktische Involvierung der Kapitalgeber in die Geschäftsleitung
c) Zum Problem der „gewerblichen Infektion“
4. Bedeutung der Gewinnerzielungsabsicht der Investoren
5. Vergleich mit Covenants in Kreditverträgen
6. Dauer der Gesellschaft und Dauer der Beteiligung
7. Reichweite des gemeinsamen Zwecks
8. Ergebnis: Gemeinsamer Zweck
III. Keine Beschränkung der Bereichsausnahme Gesellschaftsrecht
1. Keine Beschränkung für Gesellschaftervereinbarungen
a) Keine Beschränkung der Bereichsausnahme auf materielle Satzungsbestandteile
aa) Die These von der Beschränkung der Bereichsausnahme auf materielle Satzungsbestandteile
bb) Kritik
(1) Keine Verankerung formaler Kriterien im Gesetz und in den Materialien
(2) Keine Erfassung disponiblen materiellen Satzungs-rechts
b) Keine Vergleichbarkeit der Maßstäbe von Gesellschaftsvertragskontrolle und AGB-Kontrolle
c) Ungleichbehandlung von Gesellschaftervereinbarungen und Vereinbarungen eines Gesellschafters mit Dritten
d) Untauglichkeit einer typologischen Abgrenzung
e) Fazit
2. Kein Kontrollbedürfnis unter Schutzzweckgesichtspunkten
a) Nur formale Gleichförmigkeit der Vereinbarungen
aa) Strukturelle Standardisierung
bb) Keine Vergleichbarkeit der Klauselinhalte
b) Keine Einbeziehung in eine vorgefertigte Struktur
c) Kein gleichförmiges Massengeschäft
d) Keine rationale Apathie
e) Entwicklung struktureller Standardisierung über die Zeit
3. Keine Beschränkung unter Verbraucherschutzgesichtspunkten
a) Verbraucherbegriff
aa) Verbraucherbegriff in Deutschland und Gesellschaftsrecht
bb) Europäischer Verbraucherbegriff
(1) Sprachgebrauch in verschiedenen Rechtsordnungen
(a) England
(b) Frankreich
(2) Der Bericht Giuliano/Lagarde
(3) Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs
(a) Grundsatz: Enger Verbraucherbegriff
(b) Das Friz-Urteil zu GbR-Immobilienfonds
(4) Fazit
b) Fehlende Verbrauchereigenschaft der Gründer
aa) Unterschiede zum Gesellschafter-Geschäftsführer
bb) Gründer keine „Anlegergesellschafter“
4. Exkurs: Keine Beschränkung für die stille Gesellschaft
IV. Ergebnis
B. Konzernrecht als Kontrollinstrument am Beispiel Venture Capital
§ 1 Konstellationen verdeckter Beherrschungsverträge
I. Die Fälle HVB/UniCredit und MobilCom/France Télécom
II. Kreditverträge und Gesellschaftervereinbarungen
§ 2 Venture Capital-Vereinbarungen und Vertragskonzernrecht
I. Verhältnis von finanzierter Gesellschaft und Investoren
1. Keine dauernde Steuerung im Fremdinteresse
2. Vergleich mit Fallgruppen „verdeckter“ Beherrschungsverträge
II. Zur konzernspezifischen Gefährdungslage
1. Gefährdung außenstehender Gesellschafter und Gläubiger als Regelungsanlass
2. Zum Zweck und zur Reichweite von § 302 Abs. 1 AktG
a) Ausgleich der Aufhebung der Kapitalerhaltung
b) Ausgleich von Einwirkungsmacht
aa) Herrschaft und Haftung
bb) Maßgebliche Tiefe der Einwirkungsmacht
(1) Weisungsrechte und andere Einwirkungsmöglichkeiten
(2) Relevanz tatsächlicher Ausübung von Weisungsrechten
(3) Abgrenzung zulässiger und unzulässiger Konzernierung
c) Zur auftragsrechtlichen Einordnung von § 302 Abs. 1 AktG
III. Zur Konzerngefahr bei Venture Capital-Vereinbarungen
1. Schutz außenstehender Gesellschafter
a) Schutz gegenwärtiger außenstehender Gesellschafter
aa) Die Stellung von Angel Investors
bb) Verschiebung von Vermögenswerten
b) Schutz zukünftiger außenstehender Gesellschafter durch Publizität
2. Gläubigerschutz
a) Investoreninteresse, Wert der Portfoliogesellschaft zu steigern
b) Gläubigergefährdung in der Krise
IV. Sonderproblem: Stille Gesellschaft als Beteiligungsform
§ 3 Ergebnisse
C. Einheit und Vielheit der Verbandsordnung
§ 1 Widersprüche zur Satzung in schuldrechtlichen Nebenabreden
I. Die These von der Wirksamkeit der schuldrechtlichen Nebenabrede
II. Kritische Bewertung der Wirksamkeitsthese
1. Dogmatische Grundlagen
2. Formelle Satzungsbestandteile und Nebenabreden
a) Allseitig getroffene Nebenabreden
b) Fraktionsabsprachen
3. Materielle Satzungsbestandteile und Nebenabreden
a) Nebenabreden mit Drittwirkung: Widerspruch zu satzungsmäßigen Stimmbindungsverboten
aa) Inhaltsbestimmung durch Rechtsgestaltung
bb) Allseitig getroffene Nebenabreden
(1) Begründung des Formzwangs
(2) Materielle Satzungsbestimmungen und Vertrauensschutz
(3) Bedeutung der Satzungspublizität
(4) Wandel zur Fraktionsabsprache
cc) Fraktionsabsprachen
b) Nebenabreden ohne Drittwirkung: Widerspruch zu Gewinnverteilungsregeln
aa) Ausdrückliche Satzungsregelung zur Gewinnverteilung
bb) Keine ausdrückliche Satzungsregelung zur Gewinnverteilung
III. Ergebnisse
§ 2 Rückwirkungen schuldrechtlicher Abreden auf die Auslegung von Satzung und Gesetz
I. Begründungsansätze
II. Kritische Würdigung
1. Prozessökonomie als Argument
2. Dogmatische Tragfähigkeit des Treuepflichtansatzes
a) Notwendigkeit des Drittschutzes
b) Bedeutung der Satzungspublizität
c) Schicksal allseitiger Gesellschaftervereinbarungen
3. Satzungsauslegung
4. Zur Lage in der Aktiengesellschaft
§ 3 Ergebnisse
D. Ergebnisse
3. Teil Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen
A. Satzungsstrenge in der Aktiengesellschaft
§ 1 Zwingendes Recht zur Gewährleistung der Standardisierung
I. Standardisierung und zwingendes Recht: Zwei Hypothesen
1. Herrschende Meinung: Ohne zwingendes Recht keine Standardisierung
2. Gegenhypothese: Das Standardisierungsziel rechtfertigt keine Satzungsstrenge
II. Standardisierung ohne zwingendes Gesellschaftsrecht: Beispiele
1. Uniforme Corporate Contracts in den USA: Die Einheitscorporation
a) Vergleichbare Corporate Charters
b) Unterschiedliche Einzelklauseln als Spiegel abdingbarer Vorgaben
c) Zur Vielfalt der Corporate Governance Strukturen
d) Bedeutung von Gesellschafterabreden neben der Satzung
aa) Paketaktionäre in Public Corporations
bb) Fortwirkung von Stimmbindungsvereinbarungen nach dem Börsengang
cc) Bewertung
2. Wagniskapitalvereinbarungen und andere komplexe Bedingungswerke
3. Randnotiz: Standardisierung in Deutschland vor 1843
4. Zwischenergebnis
III. Standardisierung ohne zwingendes Recht: Erklärungsansätze
1. Delegation von Anpassungsentscheidungen an den Gesetzgeber
a) Das Konzept der Delegationstheorie
b) Kritik
aa) Begrenzte Erklärungskraft der Delegationstheorie
(1) Ausrichtung auf die Public Corporation
(2) Systematische Abweichung vom Gesetz: Haftungsbeschränkungen
bb) Langfristige Anpassungsfähigkeit aus anderen Gründen
2. Netzwerkbildung und Netzeffekte als Standardisierungsanreiz
a) Netzgüter und rechtliche Regelungen
aa) Netzgüter, Netzwerkbildung und Netzeffekte
bb) Rechtliche Regelungen als Netzgüter
b) Transaktionskostenreduzierung durch Nutzung etablierter Standards
aa) Interesse der Anbieter an Transaktionskostenreduzierung
bb) Interesse der Nachfrager an Transaktionskostenreduzierung
(1) Unsicherheit bei der Bewertung neuer Klauseln
(2) Einforderung bekannter Vertragsmuster
cc) Interesse bisheriger Standardverwender an der Nutzung etablierter Standards
c) Transaktionskostenreduzierung und Entwicklung neuer Standards
aa) Wechselkosten und Trittbrettfahrertum als Änderungshemmnisse
(1) Wechselkosten
(2) Trittbrettfahrertum („free riding“)
(3) Wechselkosten und Trittbrettfahrertum als Änderungshemmnisse
bb) Veränderung der Marktverhältnisse als Änderungsanreiz
cc) Änderungsvorgaben nichtstaatlicher Regelsetzer: Beispiele Loan Market Association und BIMCO
(1) Loan Market Association
(2) Baltic and International Maritime Conference (BIMCO)
dd) Fokale Punkte als Änderungsanreize
ee) Erste Folgerungen zur Rolle des Staates als Standardsetzer
d) Zur Rolle von Rechtsberatern
3. Öffentliche Verfügbarkeit von Informationen als Voraussetzung der Standardisierung
a) Zur Bedeutung öffentlich verfügbarer Informationen
b) Irrelevanz freiwilliger Offenlegung
4. Fazit
IV. Problemfälle: Genussscheine und Publikumspersonengesellschaften
1. Genussscheine
a) Geringes Maß an Standardisierung und wenig Börsenhandel
b) Geringes Maß an Standardisierung als Vorteil
c) Kein Anlass zu zwingender Standardisierung
aa) Kein Marktversagen
bb) Komplexität und Anlegerschutz
2. Publikumspersonengesellschaften in Deutschland und den USA
a) Publikumspersonengesellschaften in Deutschland
aa) Ausgangsbefund: Gestaltungsfreiheit und Grenzziehung durch den Bundesgerichtshof
bb) Gesellschafterschutz als zentrales Problem
cc) Bedeutung des Steuerrechts als Standardisierungsanreiz
dd) Gesellschaftsrechtliche Vorgaben zum Ausgleich von Fehlanreizen
b) Vereinigte Staaten: Limited Liability Company und Limited Partnership
aa) Gestaltungsfreiheit in Limited Liability Companies und Limited Partnerships
bb) Nutzung von Gestaltungsfreiheit in der Limited Liability Company und der Limited Partnership
cc) Ursachen und Folgen der Nutzung von Gestaltungsfreiheit bei Limited Liability Company und Limited Partnership
c) Analyse
3. Klauselkontrolle und Satzungsstrenge im Vergleich
4. Fazit
V. Geduldetes Fehlen von Standardisierung im Aktienrecht: Schuldrechtliche Nebenabreden
1. Zum Argument fehlender Außenwirkung von Nebenabreden
a) Faktische Außenwirkung schuldrechtlicher Nebenabreden
b) Andauernde Wirkung schuldrechtlicher Nebenabreden
c) Auswirkungen allseitiger Nebenabreden
2. Unzureichender Schutz durch kapitalmarktrechtliche Publizität
3. Strukturelle Starrheit des Aktienrechts
4. Fazit
VI. Standardisierung durch zwingendes Recht
1. Keine angemessenen privaten Regelungen
2. Notwendigkeit sofortiger Änderungen
3. Durchsetzung gesellschaftspolitischer Maßnahmen
4. Das Problem des Einflusses von Common Law-Gestaltungsmustern
VII. Ergebnisse
§ 2 Verfassungsrecht: „Anteilseigentum“ und Vereinigungsfreiheit
I. Ausgangspunkt: Kapitalgesellschaftsrecht als ermöglichendes Recht
II. Alleineigentum als Paradigma
III. Verfassungsrechtliche Determinanten der Gestaltung von Gesellschaftsrecht
1. Einfachgesetzliche Prägung der Grundrechtsprüfung
2. Gebot der Sachgerechtigkeit
3. Gebot der Folgerichtigkeit
4. Vorrang des Vermögensschutzes für Minderheitseigner
5. Sozialbindung und Schutz Dritter
IV. Folgen für die Rechtfertigung zwingenden Kapitalgesellschaftsrechts
§ 3 Anlegerschutz als Argument
I. Keine untermäßige Wirkung von § 23 Abs. 5 AktG
II. Übermäßige Wirkung von § 23 Abs. 5 AktG
III. Folgerungen
§ 4 Die historische Entwicklung der Satzungsstrenge
I. Oktroi- und Konzessionssystem
II. System der Normativbestimmungen vor 1965
1. Gesetzgebung
2. Rechtsprechung
a) Reichsgericht
b) Instanzgerichte
3. Schrifttum
III. Satzungsstrenge im Aktiengesetz 1965
IV. Ergebnisse
§ 5 Gestaltungskontrolle durch den Kapitalmarkt
I. Zur Auswirkung fehlender Kompetenz von Privatanlegern
II. Effektivität des Kapitalmarkts als Kontrollinstanz
III. Das Problem „richtiger“ Preise
IV. Folgerungen
V. Exkurs: Keine teleologische Reduktion von § 23 Abs. 5 AktG
§ 6 Kein Seriositätsabstand zur Gesellschaft mit beschränkter Haftung
B. Rechtsformübergreifende Wertungen
§ 1 Gesellschafterschutz
I. Regelungsprobleme des Gesellschafterschutzes
1. Drittorganschaft und Kontrolle des Organs
2. Gesellschafterkonflikte
II. Lösungsstrategien
1. Individualschutz
2. Kollektivschutz
3. Minderheitenschutz
4. Kapitalanlegerschutz
III. Privatautonomie und zwingende Regeln zum Gesellschafterschutz
1. Zum Vorrang der Privatautonomie
2. Das Informationsmodell und Grenzen des Selbstschutzes
a) Das Informationsmodell
b) Grenzen des Schutzes durch Information
aa) Keine vollständige Information
bb) Informationsbewältigung und Informationskosten
cc) Grenzen der Informationsverarbeitung
c) Grenzen des Informationsmodells und zwingendes Recht
3. Grenzen des Selbstschutzes und zwingendes Kapitalgesellschaftsrecht
a) Grenzen des Selbstschutzes bei Eintritt in die Kapitalgesellschaft
aa) Dispositives Recht und langfristig wirkende privatautonome Gestaltung
bb) Fehlende Vorhersehbarkeit als Regelungsanlass
cc) Der Gesellschafter minderen Rechts
b) Zwingendes Recht als Ausgleich begrenzter Regelungskompetenz
aa) Grenzen abdingbaren Rechts als fokaler Punkt
bb) „Schutz der Freiheit gegen sich selbst“ im Bürgerlichen Recht
cc) „Liberaler Paternalismus“ und Schutz vor der eigenen Entscheidung
§ 2 Gestaltungsermöglichung und Gestaltungsvereinfachung
I. Gestaltungsermöglichung: Beidseitige Vermögenstrennung
1. Schutz des individuellen Vermögens
a) Inhalt und Wirkung des Schutzes des individuellen Vermögens
aa) Vertragliche Verbindlichkeiten
bb) Verbindlichkeiten aus Delikt
b) Keine Rechtfertigung umfassenden gesetzlichen Zwanges
2. Schutz des gemeinsamen Vermögens
a) Inhalt und Wirkung
aa) Schutz vor Privatgläubigern der Gesellschafter
bb) Schutz des Gesellschaftsvermögens vor Zugriffen der Gesellschafter
b) Begrenzte Rechtfertigung gesetzlichen Zwangs
3. Form, Gestaltungsermöglichung und Gestaltungszwang
II. Gestaltungsvereinfachung: Trennung von Inhaberschaft und Leitung sowie freie Übertragbarkeit der Mitgliedschaft
1. Trennung von Inhaberschaft und Leitung
a) Inhalt und Wirkung
b) Keine Rechtfertigung gesetzlichen Zwangs
2. Freie Übertragbarkeit der Anteile
a) Funktion und Wirkung
b) Rechtfertigung zwingender Regelungen
§ 3 Funktionenschutz mittels Verfahrensregeln
I. Regelungsanlass und Regelungsziel des Funktionenschutzes
1. Das Mehrheitsprinzip als Regelungsanlass
2. Regelungsziel
II. Paritätsneutralität und Verhältnis zum Individualschutz
III. Formen des Funktionenschutzes
IV. Funktionenschutz und zwingendes Recht
1. Grenzen der privaten Regulierung
2. Verfahrenskontrolle vor Inhaltskontrolle
V. Anwendungsbeispiel: Treuepflichten der Geschäftsleiter
1. Treuepflichten als Mittel des Funktionenschutzes
2. Zwang zur Verfahrensregel und Abbedingung im Einzelfall
a) Grundsatz: Erlaubnisvorbehalt
b) Keine pauschale Abbedingung bei Gründung der Gesellschaft
aa) Aufleben von Regelungskonflikten
bb) Probleme bei der nachträglichen Einführung der Treuepflicht
cc) Preisabschläge als untaugliches Steuerungsinstrument
dd) Vergleich zur Einwilligung im Einzelfall
3. Zur vollständigen Abbedingung durch Satzungsänderung
4. Unzulässige pauschale Abbedingung von Teilpflichten
a) Freiheit zur Gestaltung der Innenverhältnisse in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung
b) Steuerung des Geschäftsführerhandelns durch Weisungen
c) Transaktionskostenersparnis durch endgültige Regelung ex ante
d) Kontrollüberlegung: Gesellschaftsrechtliches Wettbewerbsverbot in England
5. Zulässigkeit von Pflichtenmodifikationen
6. Keine Besonderheiten bei börsennotierten Kapitalgesellschaften
7. Penalty Default Rule als untauglicher Regelungsansatz
a) Das Konzept der Penalty Default Rules
aa) Ausgangspunkt: Vollständige Verträge und Majoritarian Defaults
bb) Penalty Default Rules als Regelungsanreiz
b) Treuepflichten keine Penalty Default Rules
8. Folgerungen
C. Ergebnisse
§ 1 Zur Satzungsstrenge in der Aktiengesellschaft
I. Keine Notwendigkeit der Standardisierung durch zwingendes Recht
II. Keine verfassungsrechtliche Notwendigkeit der Satzungsstrenge
III. „Anlegerschutz“ keine Rechtfertigung der Satzungsstrenge
IV. Keine rechtshistorische Rechtfertigung der Satzungsstrenge
V. „Kapitalmarkteffizienz“ kein Argument gegen jede zwingende Regel
VI. Kein „Seriositätsabstand“ zur Gesellschaft mit beschränkter Haftung
§ 2 Rechtsformübergreifende Wertungen
I. „Gesellschafterschutz“ als Argument
II. Gestaltungsermöglichung und Gestaltungsvereinfachung als Argument
III. Funktionenschutz als Argument
4. Teil Gestaltungsmöglichkeiten im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht am Beispiel von Venture Capital-Vereinbarungen
A. Erlösbeteiligung der Investoren und Konversionsrechte
§ 1 Dividendenpräferenzen
I. Gestaltung von Dividendenpräferenzen in der Aktiengesellschaft
1. Vorzugsanteile
2. Gesellschafterabreden über Dividendenvorzüge
II. Gestaltung von Dividendenpräferenzen in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung
III. Sicherung des Dividendenvorrangs
1. Satzungsregelungen
a) Disquotale Rücklagenbildung
aa) Zulässigkeit disquotaler Rücklagenbildung
(1) Gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit
(2) Bilanzrechtliche Zulässigkeit
bb) Sicherung der Rücklagenbildung
(1) Pflicht zur Rücklagenbildung in der Satzung
(2) Kein „Aushungern“
(3) Problem: Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln
b) Disquotale Gewinnverteilung nach disquotalen Rücklagen
aa) Unzulässigkeit der Regelung in der Aktiengesellschaft
bb) Zulässigkeit der Regelung in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung
2. Schuldrechtliche Gestaltungen
IV. Schicksal des Dividendenvorzugs bei Börsengang und Liquidation
1. Satzungsmäßig begründete Dividendenpräferenzen
a) Börsengang
b) Liquidation
2. Schuldrechtlich begründete Dividendenpräferenzen
V. Ergebnisse
§ 2 Beteiligung am Liquidationserlös und Liquidationspräferenzen
I. Liquidationspräferenzen in der Aktiengesellschaft
1. Satzungsregelungen zu Liquidationspräferenzen
a) Abweichung von § 271 Abs. 2 AktG
b) Erlösaufteilung bei Liquidationen im untechnischen Sinne
2. Liquidationspräferenzen in schuldrechtlichen Nebenabreden
a) Bedeutung von § 23 Abs. 3 Nr. 4 AktG
b) Bedeutung von § 271 Abs. 2 AktG
c) Erschwerung der Einschätzung des Investitionsrisikos
II. Liquidationspräferenzen in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung
III. Präferenzen und Risikoverteilung
1. Keine festen Obergrenzen für Präferenzen
2. Ausübungskontrolle im Einzelfall
IV. Ergebnisse
§ 3 Investorenrechte und Anteilskonversion in Deutschland
I. Anteilskonversion in der Aktiengesellschaft
1. Anteilsumwandlung
a) Meinungsstand zu bedingten Satzungsbestimmungen
b) Stellungnahme
aa) Zur Bedingbarkeit von Satzungsbestimmungen
(1) § 23 Abs. 5 S. 2 AktG als Beurteilungsmaßstab
(2) Materielle Beurteilungskriterien
bb) Automatische Anteilsumwandlung
cc) Optionale Anteilsumwandlung
(1) Geschlossene Kapitalgesellschaften
(2) Börsennotierte Kapitalgesellschaften
2. Anteilsumtausch
3. Kombination von Umwandlungsrechten und Call Optionen
II. Anteilskonversion in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung
1. Anteilsumwandlung
2. Anteilsumtausch
III. Ergebnisse
B. Einflusssicherung
§ 1 Stimmrechte am Beispiel von Wagniskapitalvereinbarungen
I. Aktiengesellschaft
1. Vorzugsaktien mit Stimmrecht
2. Das Verbot von Mehrfachstimmrechten als Gestaltungshindernis
3. Stimmbindungsvereinbarungen auf „as-converted basis“
a) Kein Unterlaufen des Schutzzwecks von § 12 Abs. 2 AktG
b) Kein Unterlaufen aktiengesetzlicher Mehrheitserfordernisse
aa) Minderheitenschutz
bb) Treuepflichten und Beschlusskontrolle
cc) Sicherung der Funktionsfähigkeit der Gesellschaft
4. Besondere Mehrheitserfordernisse nach Gruppen (Class Voting)
II. Gesellschaft mit beschränkter Haftung
III. Ergebnisse
§ 2 Informationsrechte am Beispiel von Wagniskapitalvereinbarungen
I. Inhalte und Regelungshintergrund von Informationsrechten
II. Besondere Informationsrechte in der Aktiengesellschaft
1. Auswirkungen von § 26 Abs. 1 AktG
2. Gesetzliche Informationsrechte und § 23 Abs. 5 AktG
a) Prüfungsmaßstab gemäß § 23 Abs. 5 AktG
b) Bedeutung von § 131 AktG
aa) Wortlaut und systematische Stellung im Aktiengesetz
bb) Kein Umkehrschluss aus § 131 Abs. 4 AktG für die Zulässigkeit
cc) § 131 AktG im System der aktienrechtlichen Informationsrechte
dd) Entwicklung von § 131 AktG in der Gesetzgebungsgeschichte
c) Bedeutung der §§ 90, 111 AktG
3. Kein Hauptversammlungsbezug nach § 118 Abs. 1 S. 1 AktG
a) Wortlaut und Systematik
b) Normzweck von § 118 Abs. 1 S. 1 AktG
c) Gesetzgebungshistorie von § 118 Abs. 1 AktG
aa) ADHGB 1870 und Rechtsausübung in der Hauptversammlung
bb) Änderungen durch die Aktienrechtsnovelle 1884
cc) Die Reform des Jahres 1897
dd) Zwischenergebnis zu den Entwicklungen 1870 – 1897
ee) Neuordnung der Hauptversammlung im Aktiengesetz 1937
ff) Rechtsausübung in der Hauptversammlung im Aktiengesetz 1965
gg) Folgerungen aus der Gesetzgebungsgeschichte zu § 118 Abs. 1 AktG
d) Ergebnis zu § 118 Abs. 1 AktG
4. Verschwiegenheitspflicht nach § 93 Abs. 1 S. 3 AktG
a) Problemaufriss
b) Zweck der Verschwiegenheitspflicht und Unternehmensinteresse
aa) Schutz der Gruppen in der Aktiengesellschaft
bb) Vergleich von § 93 Abs. 1 S. 3 AktG mit § 51a Abs. 1 GmbHG
cc) Folgerungen für Wagniskapitalfinanzierungen
c) Informationsanspruch als Schutz geschäftsführungsferner Gesellschafter
aa) Informationsbedürfnis der Investoren
bb) Informationsbedürfnis und Verschwiegenheitspflicht
d) Auswirkungen von § 23 Abs. 5 S. 1 AktG
aa) Unternehmensinteresse als Rechtfertigungsgrund
bb) § 93 Abs. 1 S. 3 als Durchsetzungshindernis
e) Sonderproblem 1: Verringerter Umfang der Gründerbeteiligung in späteren Runden
f) Sonderproblem 2: Arbeitnehmervergütung durch Aktien
g) Zwischenergebnis
5. Informationsanspruch als Regelungsgegenstand und § 311 AktG
a) Berechtigung zur Informationsweitergabe mangels Nachteils
aa) Kein Nachteil bei gleichzeitigem Vorteil
bb) Vorteil einer Informationsweitergabe
b) Informationsanspruch selbst kein Nachteil
6. Informationspflichten und § 131 Abs. 4 AktG
7. Schuldrechtliche Abreden über besondere Informationsrechte
a) Keine analoge Anwendung von § 26 Abs. 1 AktG
b) Allgemeine Gestaltungsgrenzen
aa) Schuldrechtliche Informationsrechte und § 93 Abs. 1 S. 3 AktG
bb) Schuldrechtliche Informationsrechte und § 311 Abs. 1 AktG
cc) Schuldrechtliche Informationsrechte und Gleichbehandlung
III. Besondere Informationsrechte in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung
IV. Ergebnisse
§ 3 Besetzung und Organisation des Aufsichtsrates
I. Der Aufsichtsrat in der Aktiengesellschaft
1. Vorgaben zu Mehrheiten bei der Beschlussfassung
a) Gesetzliche Ausgangslage
b) Satzungsregelungen zu Beschlussmehrheiten und § 23 Abs. 5 S. 1 AktG
aa) Bedeutung der §§ 103 Abs. 3 S. 2, 111 Abs. 3 S. 2 AktG
(1) Entstehungsgeschichte der §§ 103 Abs. 3 S. 2, 111 Abs. 3 S. 2 AktG
(2) Freiheit zur Gestaltung der inneren Ordnung des Aufsichtsrats
bb) Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrates
(1) Qualifizierte Mehrheit als Instrument des Minderheitenschutzes
(2) Bedeutung schuldrechtlicher Nebenabreden
(3) Effiziente Entscheidungsfindung im größer werdenden Aufsichtsrat
c) Satzungsregelungen zu Beschlussmehrheiten und § 23 Abs. 5 S. 2 AktG
d) Unzulässigkeit von Vetorechten zu Gunsten einzelner Aufsichtsratsmitglieder
2. Zustimmungsvorbehalte (Covenants)
3. Rechte zur Entsendung von Mitgliedern in den Aufsichtsrat
a) Entsendungsrechte in der Satzung
b) Entsendungsrechte in schuldrechtlichen Vereinbarungen
aa) Trennungstheorie und Gesetzgebungsgeschichte
bb) Fehlende Publizität von Strukturregelungen
II. Der Aufsichtsrat in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung
1. Satzungsbestimmungen zur qualifizierten Mehrheit im Aufsichtsrat
2. Zustimmungsvorbehalte
3. Rechte zur Entsendung von Mitgliedern
III. Ergebnisse
§ 4 Abberufung und Bestellung von Geschäftsleitungsmitgliedern
I. Abberufung und Bestellung von Vorstandsmitgliedern
II. Abberufung und Bestellung von Geschäftsführungsmitgliedern
§ 5 Zustimmungsvorbehalte (Covenants) zu Gunsten der Investoren
I. Zustimmungsvorbehalte und Kompetenzverteilung in der Aktiengesellschaft
1. Covenantkategorien
2. Zustimmungsvorbehalte in der Satzung
a) Hauptversammlungsbezogene Zustimmungsvorbehalte
aa) Organzuständigkeit und Individualrechte
bb) Mehrstimmrechte und Höchststimmrecht
(1) Nur eine Anteilsgattung
(2) Unterschiedliche Anteilsgattungen
cc) Art. 63 AEUV und Zustimmungsvorbehalte
(1) Zustimmungsvorbehalte zu Gunsten Privater
(2) Zustimmungsvorbehalte zu Gunsten öffentlicher Investoren
b) Vorstandsbezogene Zustimmungsvorbehalte
3. Schuldrechtlich begründete Zustimmungsvorbehalte
a) Zustimmungsvorbehalte in Gesellschaftervereinbarungen
b) Zustimmungsvorbehalte in Verträgen mit der Gesellschaft
aa) Organisationsrechtliche Änderungen durch das Aktiengesetz 1937
bb) Vergleich mit der Unabhängigkeit des Board of Directors
(1) Ausgangspunkt: Das US-Recht als historisches Regelungsvorbild
(2) Zustimmungsvorbehalte und Director Independence in den USA
(3) Abdication of Authority und Venture Capital
cc) Folgerungen
(1) Bindung an Gesellschafter als kompetenzrechtliches Problem
(2) Differenzierung nach Kompetenzzuweisungen
(3) Beispiel: Verzicht auf Satzungsänderungen und Kapitalerhöhungen
II. Zustimmungsvorbehalte in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung
III. Ergebnisse
C. Finanzierungskontrolle
§ 1 Gestaffelte schuldrechtliche Zuzahlungspflichten in der Aktiengesellschaft
I. Vorüberlegung: Schutzzweck des § 36a Abs. 1 AktG
1. Gläubigerschutz
a) Pflicht zur Agioaufbringung als kontingente Leistungspflicht
b) § 36a Abs. 1 AktG und „Agiotage“
c) Zwischenergebnis
2. Schutz gegenwärtiger Gesellschafter und Volleinzahlungsgebot
3. Anlegerschutz
II. Kein Verstoß gegen die aktienrechtliche Kompetenzordnung
III. Keine Umgehung der §§ 54, 55 AktG
1. Interesse von Investoren an schuldrechtlichen Vereinbarungen
2. Zum Informationsinteresse künftiger Mitglieder
3. Zum Informationsinteresse gegenwärtiger Gesellschafter
IV. Agio, Bezugsrechtsausschluss und § 255 Abs. 2 S. 1 AktG
1. Das Problem des Bezugspunktes der Angemessenheitsprüfung
2. Maßgeblichkeit der Sicherung des Finanzierungszieles
3. Anforderungen an die Kapitalaufbringungskontrolle
V. Das Sonderproblem der Staffelung nach Meilensteinen
1. Keine Vergleichbarkeit mit bedingtem Kapital
2. Keine Verwässerung der Gründerbeteiligung
a) Erreichen sämtlicher Meilensteine
b) Verfehlen eines Meilensteines
aa) Ausbleiben der Zuzahlung ab Verfehlen eines Meilensteins
bb) Schutz vor Fehlbewertungen
c) Geringere Investitionssummen bei Unzulässigkeit
d) Staffelung als Finanzierungssicherung
VI. Anforderungen an den Schuldvertrag
1. Keine Notwendigkeit allseitiger Vereinbarungen bei Bezugsrechtsausschluss
a) Minderheitenschutz als Argument
b) Vergleich mit dem Minderheitenschutz bei korporativem Agio
2. Sicherung des Mittelzuflusses
VII. Prozedurale Anforderungen
1. Beteiligung der Hauptversammlung
2. Registerkontrolle
a) Prüfungspflicht des Registerrichters
b) Prüfungsrecht des Registerrichters
§ 2 Zulässigkeit gestaffelter Zuzahlungspflichten in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung
I. Zuzahlungspflichten in der Satzung
II. Schuldrechtliche Zuzahlungspflichten
1. Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensfinanzierung
2. Informationsfunktion der Satzung
3. Bedeutung von § 255 Abs. 2 S. 1 AktG analog
4. Keine Notwendigkeit allseitiger Vereinbarung
5. Keine Pflicht zur Registerkontrolle
§ 3 Anschlussfragen
I. Abgrenzung von „korporativem“ und „schuldrechtlichem“ Agio
II. Bilanzierung schuldrechtlicher Aufgelder
1. Die Gefahr der Vermögensstrukturmanipulation als Regelungsmotiv
2. Keine Vermögensstrukturmanipulation
a) Kein Zwang zur Verbesserung der Eigenkapitalbasis
b) Keine Entziehung gebundenen Kapitals
c) Andere Schutzmechanismen
3. Europarechtliche Aspekte
III. Recht auf Teilnahme an weiteren Kapitalerhöhungen
§ 4 Ergebnisse
D. Schutz vor Verwässerung und Abwertung
§ 1 Verwässerungsschutz mittels genehmigten Kapitals und Optionsanleihen
I. Bezugsrechtsausschluss in der Aktiengesellschaft
1. Einführung
2. Gesellschaftsinteresse am Bezugsrechtsausschluss
3. Verwässerungsschutz in Down Rounds und Bezugsrechtsausschluss
a) Keine Vergleichbarkeit mit Sanierungssituationen
b) Ausgleich der Gefahr des Window Dressing
c) Erhaltung der Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft
aa) Verwässerungsschutz als Finanzierungsbedingung
bb) Erhaltung der Zahlungsfähigkeit nach Beteiligung
d) § 311 Abs. 1 AktG als Obstruktionsverbot
4. Besonderheiten im Rahmen eines genehmigten Kapitals
5. Unangemessener Ausgabebetrag nach § 255 Abs. 2 S. 1 AktG
a) Optionsanleihen und § 255 Abs. 2 S. 1 AktG
b) Genehmigtes Kapital und § 255 Abs. 2 S. 1 AktG
II. Bezugsrechtsausschluss und Verwässerungsschutzklauseln in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung
1. Bezugsrechte in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung
2. Zulässigkeit des Bezugsrechtsausschlusses
3. Angemessenheitskontrolle
III. Schuldrechtliche Vereinbarungen über den Bezugsrechtsausschluss
IV. Ergebnisse
§ 2 Schuldrechtliche Verwässerungsschutzklauseln
I. Schuldrechtlicher Verwässerungsschutz in der Aktiengesellschaft
1. Starke Verwässerungsschutzklauseln („Full Ratchet Rights“)
a) Auswirkungen starker Verwässerungsschutzklauseln
b) Rechtfertigungsansätze
aa) Vorüberlegung: Rechtfertigung von Hinauskündigungsklauseln
bb) Schutz vor Window Dressing
(1) Aggressive Unternehmensbewertung
(2) Erfolgsdarstellung bei Meilensteinen
cc) Schutz vor wirtschaftlicher Fehlentwicklung
(1) Schutz vor allgemeinen Marktrisiken
(2) Schutz vor wirtschaftlichen Fehlentscheidungen der Gründer
dd) Freiwilliger Vertragsschluss kein Einwand
c) Abschlusskontrolle versus Ausübungskontrolle
2. Gewichtete Verwässerungsschutzklauseln („Weighted Average“)
a) Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu starkem Verwässerungsschutz
b) Rechtfertigung gewichteter Verwässerungsschutzklauseln
aa) Schutz vor Window Dressing
bb) Schutz vor wirtschaftlichen Verschlechterungen
(1) Schutz vor allgemeinen Marktrisiken
(2) Schutz vor wirtschaftlichen Fehlentscheidungen der Gründer
cc) Verfahrenskontrolle statt Inhaltskontrolle
3. Stimmbindungsvereinbarungen über Verwässerungsschutz mittels Kapitalmaßnahmen
II. Schuldrechtlicher Verwässerungsschutz in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung
III. Ergebnisse
§ 3 Pay to Play und Pull Ups
I. Pay to Play
II. Pull Ups
E. Bindung der Gründer
§ 1 Anteilsvinkulierung
I. Anteilsvinkulierung durch Satzungsregelung
1. Vorgaben für die Ermessensausübung in der Satzung
a) Grundsätze
b) Keine Zulässigkeit von Zustimmungsverboten
aa) Wortlaut von § 68 Abs. 2 S. 4 AktG
bb) Gesetzgebungsgeschichte von § 68 Abs. 2 S. 4 AktG
cc) Teleologische Betrachtung von § 68 Abs. 2 S. 4 AktG
dd) Vergleich zur Lage in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung
2. Verknüpfung der Zustimmung mit schuldrechtlichen Vereinbarungen
II. Schuldrechtliche Anteilsvinkulierung in der Aktiengesellschaft
1. Keine Umgehung der gesetzlichen Vinkulierungserfordernisse
a) Auswirkungen schuldrechtlicher Vinkulierungen mit Vertragsstrafenvereinbarung
b) Die freie Übertragbarkeit der Mitgliedschaft
aa) Dogmatische Vorüberlegungen
bb) Der Grundsatz der freien Übertragbarkeit der Mitgliedschaft
cc) Funktionenschutz als Regelungsziel
(1) Gutgläubiger Erwerb satzungsmäßig vinkulierter Namensaktien
(2) Gutgläubiger Erwerb satzungsmäßig vinkulierter Inhaberaktien
(3) Gesellschafterschutzaspekte
(4) Folgerungen
c) § 68 Abs. 2 AktG und aktienrechtliche Kompetenzordnung
aa) Zuständigkeit im Innenverhältnis und im Außenverhältnis
bb) Klarstellungsfunktion von § 68 Abs. 2 AktG
2. Kein Verstoß gegen die aktienrechtliche Kompetenzordnung
3. Keine Umgehung von § 136 Abs. 2 AktG
4. Ergebnisse
§ 2 Vesting
I. Einziehungsrechte als Vestingregelung
1. Einziehungsrechte in der Aktiengesellschaft
a) Erzwingung einer Nebenleistung entgegen den §§ 54, 55 AktG
b) Beendigung der Mitarbeit kein wichtiger Grund in der Person
c) Verzicht auf den Schutz der §§ 54, 55 AktG
aa) Gestattete Einziehung
bb) Angeordnete Einziehung
d) Ergebnis
2. Einziehungsrechte in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung
3. Abfindungsregelungen für Good Leaver und Bad Leaver
II. Schuldrechtliche Vereinbarungen: Call Optionen
1. Call Optionen und die Hinauskündigungsrechtsprechung
2. Keine Umgehung der §§ 54, 55 AktG
III. Ergebnisse
§ 3 Vorerwerbsrechte und Andienungspflichten (Rights of First Offer)
I. Dogmatische Einordnung von Vorerwerbsrechten
II. Zulässigkeit von Vorerwerbsrechten der Gesellschafter
1. Einfache Vorerwerbsrechte
2. Pro rata-Vorerwerbsrechte
a) Keine Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB
b) Keine Unangemessenheit im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 2 BGB
aa) Vorerwerbsrecht sämtlicher Gesellschafter
bb) Vorerwerbsrechte nur für Investoren
III. Vorerwerbsrechte der Gesellschaft
IV. Ergebnisse
§ 4 Mitnahmeklauseln (Drag Along Rights)
I. Mitnahmeklauseln in der Aktiengesellschaft
1. Mitnahmeklauseln in der Satzung
2. Mitnahmeklauseln in schuldrechtlichen Vereinbarungen
II. Mitnahmeklauseln in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung
§ 5 Mitveräußerungsrechte der Investoren (Tag Along Rights)
I. Mitveräußerungsrechte in der Aktiengesellschaft
1. Mitveräußerungsrechte in der Satzung
2. Schuldrechtliche Abreden über Mitveräußerungsrechte
II. Mitveräußerungsrechte in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung
F. Rückübertragungsrechte (Redemption Rights)
§ 1 Rückübertragungsrechte in der Aktiengesellschaft
I. Rückübertragungsrechte der Investoren gegen die Gesellschaft
1. Rückerwerb nach § 71 Abs. 1 Nr. 6 AktG
2. Rückerwerb durch Zwangseinziehung nach § 237 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 AktG
II. Rückübertragungsrechte der Investoren gegen die Mitgesellschafter
§ 2 Rückübertragungsrechte in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung
§ 3 Ergebnisse
G. Börseneinführungsrechte
§ 1 Anspruch auf Börseneinführung (Demand Registration Rights)
I. Kapitalmarktrechtliche Rahmenbedingungen in Deutschland und den USA
II. Börseneinführungsrechte und Leitungsautonomie des Vorstands
1. Börseneinführungsrechte als Sondervorteil und § 76 Abs. 1 AktG
a) Auswirkungen auf sämtliche Gesellschafter
b) Unzulässige Einschränkung der Leitungskompetenz des Vorstands
2. Schuldrechtliche Vereinbarungen über Börseneinführungsrechte
§ 2 Platzierungsvorrechte (Piggyback Rights)
I. Platzierungsvorrechte und Leitungsautonomie
II. Platzierungsvorrechte und Gesellschaftergleichbehandlung
1. Allseitig vereinbarte Platzierungsvorrechte
2. Fraktionsabsprachen über Platzierungsvorrechte
§ 3 Ergebnisse
H. Gestaltung von Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland und den USA im Vergleich
Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Stichwortverzeichnis

Citation preview

JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 200

Thilo Kuntz

Gestaltung von Kapitalgesellschaften zwischen Freiheit und Zwang Venture Capital in Deutschland und den USA

Mohr Siebeck

Thilo Kuntz, geboren 1977; Diplom-Rechtspfleger (FH); Jurastudium an der Universität Gießen, Stipendium der Friedrich-Ebert-Stiftung; Rechtsreferendariat am Landgericht Gießen; LL.M., University of Chicago Law School, Stipendium der ZEIT-Stiftung und der Studienstiftung des deutschen Volkes (Bucerius-Jura-Programm); Wissenschaft­ licher Mitarbeiter und Akademischer Rat a. Z. an der Universität Gießen; 2010 Forschungsaufenthalt an der Stanford Law School, gefördert durch die DFG; 2008 Pro­ motion; 2014 Habilitation; Lehrstuhlvertretungen in Konstanz und Bremen; seit 2015 Universitätsprofessor an der Universität Bremen.

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT

e-ISBN PDF 978-3-16-154009-7 ISBN 978-3-16-153465-2 ISSN 0940-9610 (Jus Privatum) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb. dnb.de abrufbar. © 2016  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Über­setzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen aus der Garamond gesetzt, auf alterungsbeständiges Werk­druck­papier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Inga Ebel & Marie Engel

Vorwort Das vorliegende Buch ist die leicht überarbeitete und aktualisierte Fassung meiner Habilitationsschrift, die dem Fachbereich Rechtswissenschaften der Justus-Liebig-Universität Gießen im Wintersemester 2013/2014 vorgelegen hat. Ich habe sie von August 2008 bis Oktober 2013 am Lehrstuhl von Herrn Prof. Dr. Jens Ekkenga verfasst. Für die Betreuung und die Erstbegutachtung wie für stete Förderung und Forderung meiner sonstigen Arbeiten seit meinen Tagen als studentische Hilfskraft gilt ihm mein besonderer Dank. In der Zeit am Lehrstuhl habe ich viel gelernt und von einer enormen akademischen Freiheit profitiert. Das gedankenreiche Zweitgutachten hat in Rekordzeit Frau Prof. Dr. Marietta Auer, M.A., LL.M. (Harvard), S.J.D. (Harvard), erstellt. Dafür, für die Unterstützung im Verfahren sowie für Zuspruch danke ich ihr sehr herzlich, ebenso für ihre hilfreichen Anmerkungen zur Habilitationsschrift. Herrn Prof. Dr. Dr.h.c. mult. Theodor Baums danke ich herzlich für seine substantielle Hilfe bei der Organisation des Forschungsaufenthaltes in Stanford im ersten Jahresdrittel 2010 und sonstige Unterstützung. Mit viel Geduld und Hilfsbereitschaft haben mir zudem Gesprächspartner zur Verfügung gestanden, um Fragen der Gestaltung von Wagniskapitalvereinbarungen in Deutschland und den USA zu diskutieren. In Deutschland: Dr. Justus Binder, Dr. Christoph von Einem, Nicolas Gabrysch, Thomas Heymann, Dr. Michael Inhester, Christian Janson-Euterneck, Rainer Kreifels, ­Stefan-Ulrich Müller, MJur (Oxford), Amos Veith, LL.M. (Aberdeen), Dr. Wolfgang Weitnauer. In den USA: Guido Appenzeller, Prof. Robert Bartlett, III., Mark Baudler, Greg Chin, Jim Fulton, Prof. Ronald Gilson, Prof. Michael Klausner, Daniel O’Connor, Daniel Zimmermann. Ich danke allen Genannten. Schließlich ist es angenehme Pflicht, denjenigen zu danken, die Teilentwürfe oder sogar einen Gesamtentwurf der Arbeit gelesen haben und mir für Diskussionen zur Verfügung standen: Udo Becker, meinem langjährigen Kollegen am Lehrstuhl in Gießen, der sich nicht nur bereitwillig auf fachliche Debatten einließ, sondern auch Arbeit übernahm, wenn es „brannte“; Dr. Daniel Damler; Prof. Dr. Andreas Engert, LL.M. (University of Chicago); Dr. Andreas M. Fleckner, LL.M. (Harvard); Dr. Katharina Frank; Alena McCorkle, M.A.; PD Dr. Alexander Hellgardt, LL.M. (Harvard); Jan Hellwig; Marie Hesselbarth, LL.M. (London), Maître en Droit (Paris II); Dr. Katharina Jost; Prof. Dr. Jan

VIII

Vorwort

Klement; Dr. Philipp Mohren; Dr. Christoph Weinbrenner. Verbleibende Fehler und Ungereimtheiten sind allein mir zuzuschreiben. Der Austausch mit meinen Habilitationskollegen Dr. Liane Wörner, LL.M. (UW-Madison) und PD Dr. Sven Simon hat mir über manche Klippe geholfen, ebenso und ganz besonders die Gespräche mit Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex). Für Unterstützung bei den Abschlussarbeiten danke ich den Mitarbeitern meiner Professur in Bremen: Daniel Hahn, Lars Stegemann, Imme Timm und Anna Wolfinger. Last, but not least, danke ich meinen Eltern für ihre bedingungslose Unterstützung auch und gerade in schwierigen Zeiten sowie meiner Verlobten, Marie Hesselbarth, für Rat, Unterstützung und Zuspruch. Die Arbeit wurde im Dezember 2014 mit dem Dr. Herbert Stolzenberg-Preis der Justus-Liebig-Universität ausgezeichnet, im April 2015 mit dem Hochschulpreis des Deutschen Aktieninstituts für das Jahr 2014. Außerdem hat die VG Wort die Veröffentlichung in ganz erheblichem Umfang gefördert. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft ermöglichte mit einer Sachbeihilfe den Forschungsaufenthalt in Stanford und im Silicon Valley. Die Arbeit ist meinen Patentöchtern Inga Ebel und Marie Engel gewidmet, die mir mehr als einmal gezeigt haben, dass das „wahre Leben“ abseits des Schreibtischs spielt. Bremen, im Juni 2015

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XLI Einleitung 1 A. Untersuchungsanlass und Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . 2 B. Zur Begründung zwingenden Privatrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 C. Zur Methode der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 D. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 1. Teil Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung am Beispiel von Venture Capital-Vereinbarungen in den USA 41 A. Gestaltungsanlässe: Regelungsprobleme der Venture Capital-Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 B. Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA . . . . . . . . . . . . . . . 61 C. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 2. Teil Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente 217 A. Kontrollinstrumente des allgemeinen Privatrechts . . . . . . . . . . . . 220 B. Konzernrecht als Kontrollinstrument am Beispiel Venture Capital . 293 C. Einheit und Vielheit der Verbandsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . 318 D. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342

X

Inhaltsübersicht

3. Teil Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen 343 A. Satzungsstrenge in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 B. Rechtsformübergreifende Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 C. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 4. Teil Gestaltungsmöglichkeiten im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht am Beispiel von Venture Capital-Vereinbarungen 521 A. Erlösbeteiligung der Investoren und Konversionsrechte . . . . . . . . 524 B. Einflusssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556 C. Finanzierungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 637 D. Schutz vor Verwässerung und Abwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . 671 E. Bindung der Gründer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 704 F. Rückübertragungsrechte (Redemption Rights) . . . . . . . . . . . . . . 745 G. Börseneinführungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 750 H. Gestaltung von Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland und den USA im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . 758 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 761 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 793 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 831

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XLI Einleitung 1 A. Untersuchungsanlass und Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . 2 §  1 Legitimation zwingender Regeln im Kapitalgesellschaftsrecht . . . . . 2 §  2 Gestaltung von Kapitalgesellschaften und Venture Capital . . . . . . . 6

I. Kapitalgesellschaften und deren Gestaltung . . . . . . . . . . . . . 6 1. Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2. Private Gestaltung von Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . 10

II. Venture Capital: Begriff und Finanzierungsablauf . . . . . . . . . . 11 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2. Finanzierungsablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 3. Maßgebliche Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 4. Venture Capital in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 a) Unterschiede zwischen Finanzierungen in Seed und Start-up Phase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 b) Rundenbasierte Finanzierung; maßgebliche Dokumente . . 15 §  3 Einordnung in den Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

I. Gestaltungsfreiheit im Kapitalgesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . 16

II. Schuldrechtliche Nebenabreden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 III. Beteiligungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 §  4 Themenbegrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

I. Gläubiger- und Arbeitnehmerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

II. Stille Gesellschaft als Finanzierungsform . . . . . . . . . . . . . . . 21 III. Verhältnis von Kapitalverkehrsfreiheit und Satzungsstrenge . . . . 22

XII

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B. Zur Begründung zwingenden Privatrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 §  1 Legitimation von Beschränkungen der Gestaltungsfreiheit . . . . . . . 23 §  2 Begriff, Wirkung und Funktion zwingenden Rechts als Problem . . . . 25 §  3 Kein „Contractarian Approach“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

C. Zur Methode der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 §  1  Rechtsvergleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

I. Zur funktionalen Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

II. Gesellschaftsrecht von Delaware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 §  2  Ökonomische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

D. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 1. Teil Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung am Beispiel von Venture Capital-Vereinbarungen in den USA 41 A. Gestaltungsanlässe: Regelungsprobleme der Venture Capital-Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 §  1 Interessenlage und Regelungskonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

I. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 1. Kapitalgeber und Gründer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 a) Informationsasymmetrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 b) Fehlen von Sicherheiten und finanzieller Beiträge der Gründer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 c) Wahl der Finanzierungsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 d) Interessenkonflikte bei der Unternehmensleitung . . . . . . 46 2. Verhältnis der Gesellschafter untereinander . . . . . . . . . . . 46

II. Wagniskapitalverträge als dynamische Verträge . . . . . . . . . . . 47 §  2 Einzelprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

I. Zu geringe Anstrengung (Underinvestment) . . . . . . . . . . . . . 48 1. Gründer als Agenten und Kapitalgeber als Prinzipale . . . . . . 48 2. Kapitalgeber als Agenten und Gründer als Prinzipale . . . . . . 49

II. Selektionsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 III. Hold-up . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 1. Hold-up der Gründer durch die Kapitalgeber . . . . . . . . . . 50

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XIII

2. Hold-up der Kapitalgeber durch die Gründer . . . . . . . . . . 52 3. Hold-up innerhalb der Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 a) Hold-up innerhalb der Gründergruppe . . . . . . . . . . . . 53 b) Hold-up innerhalb der Investorengruppe . . . . . . . . . . . 53 IV. Window Dressing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 V. Benachteiligung früher Kapitalgeber (Trilateral Bargaining) . . . . 54 1. Verwässerung der Beteiligung früher Investoren (Dilution) . . 55 2. Aneignung schwierig bewertbarer Vermögenswerte (Asset Stripping) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 a) Asset Stripping der Gründer zu Lasten der Kapitalgeber . . 56 b) Asset Stripping später Kapitalgeber zu Lasten früher Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 c) Asset Stripping zu Lasten der Gründer . . . . . . . . . . . . 58 VI. Aushöhlung der Ansprüche der Gründer . . . . . . . . . . . . . . . 58 VII. Nachträgliche Veränderung der Investitionsrisiken (Risk-shifting) 59 V III. Überinvestitionsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

B. Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA . . . . . . . . . . . . . . . 61 §  1 Unterschiedliche Anteilsklassen für Gründer und Investoren . . . . . . 62

I. Common Shares versus Convertible Preferred Shares . . . . . . . . 62

II. Steuerungswirkung aus Investorenperspektive . . . . . . . . . . . . 63 III. Steuerungswirkung aus Gründerperspektive . . . . . . . . . . . . . 64 §  2 Erlösbeteiligung der Investoren durch Convertible Preferred Shares . . 65

I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 1. Begriff und Gestaltungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2. Die Stellung der Vorzugseigner in der Gesellschaft . . . . . . . 66 a) Gesellschafterrechte im Verhältnis zu den Stammeignern . . 66 b) Vertragsrechtliche Interpretation der Vorzugsrechte . . . . . 67 aa) Der Klauselwortlaut als Grundlage und Grenze der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 bb) Der „implied covenant of good faith and fair dealing“ . 68 c) Konsequenzen für die Gestaltungspraxis . . . . . . . . . . . 70

II. Dividendenpräferenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 2. Gestaltungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 a) Grundsatz: Non-cumulative Dividends . . . . . . . . . . . . 72 b) Cumulative, Cumulative „if earned“ und Cumulative Participating Dividends . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 c) Verknüpfung von Cumulative Preferences mit anderen Rechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 3. Auswirkungen von Dividendenvorzügen . . . . . . . . . . . . . 74

XIV

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a) Vergütungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 b) Schutz vor privater Vorteilsnahme seitens der Gründer . . . 75 III. Liquidationspräferenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 1. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 2. Gestaltungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 3. Auswirkungen von Liquidationspräferenzen . . . . . . . . . . . 78 a) Auswirkungen unbeschränkter Participating Liquidation Preferences . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 b) Auswirkungen beschränkter Participating Liquidation Preferences . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 c) Das Problem der Demotivation der Gründer . . . . . . . . . 81 IV. Conversion Rights und automatische Konversion . . . . . . . . . . 83 1. Option zur Anteilsumwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 a) Grundlagen und Gestaltungspraxis . . . . . . . . . . . . . . 83 b) Wirtschaftliche Funktion des Rechts zur Konversion . . . . 83 aa) Konversionsrecht und Non-participating Preferred Shares . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 bb) Konversionsrecht und Participating Preferred Shares . . 85 cc) Folgerungen zur Bedeutung von Konversionsrechten . . 87 2. Automatische Konversion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 a) Grundlagen und Gestaltungspraxis . . . . . . . . . . . . . . 88 b) Wirtschaftliche Funktionen automatischer Konversion . . . 89 aa) Vertikale Dimension: Gründer und Investoren . . . . . 89 (1) Grandstanding . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 (2) Verhaltenssteuerung nach einem Börsengang . . . . 91 bb) Horizontale Dimension: Abmilderung eines Hold-ups auf Investorenebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 c) Fehlanreize von Klauseln zur automatischen Konversion . . 93 V. Convertible Preferred Shares und abweichende Gestaltungen im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 1. Debt Financing und Preferred Stock Warrants in der Gestaltungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 2. Rechtliche Nachteile alternativer Gestaltungsoptionen . . . . . 97 a) Vorzugsanteile versus Darlehensfinanzierung . . . . . . . . 97 b) Vorzugsanteile versus Stammanteile . . . . . . . . . . . . . . 99 3. Funktionsäquivalenz der Kombination von Fremd- und Eigenkapitalbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 a) Anreizwirkung residualer Gewinnbeteiligungsrechte . . . . 100 b) Rangverteilung als Signal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 c) Überschussverteilung bei Liquidation und Dividendenvorrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 d) Verhinderung opportunistischen Gründerverhaltens . . . . 103 e) Unterschiedliche Verteilung von Gewinnbezugsrechten . . . 104 f) Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 §  3 Einflusssicherung: Stimmrechte, Board Control und Covenants . . . . 105

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XV

I. Stimmrechte, Board Control und Covenants im System der Wagniskapitalfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 1. Perspektive der Wagniskapitalgeber . . . . . . . . . . . . . . . . 105 2. Perspektive der Gründer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 3. Einflusssicherung als Weg zur Dynamisierung des Beteiligungsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

II. Stimmrechte der Vorzugseigner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 1. Einzelstimmrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 b) Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 aa) Stimmrecht nach Maßgabe der Wandlungsrechte . . . . 111 bb) Einteilung in verschiedene Klassen (Class Voting) . . . . 111 2. Stimmbindungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 III. Board Control . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 2. Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 a) Besetzung des Board of Directors . . . . . . . . . . . . . . . 115 aa) Grundformen der Sitzverteilung . . . . . . . . . . . . . . 115 bb) Regelungsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 cc) Machtverschiebung im Laufe der Zeit . . . . . . . . . . . 117 b) Voting Switch/Control Flip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 c) Grenzen der Ausübung von Board Control . . . . . . . . . . 119 IV. Covenants . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 §  4 Finanzierungskontrolle: Gestaffelte Finanzierung (Staging) . . . . . . . 121

I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 1. Grundformen gestaffelter Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . 121 2. Auswirkungen gestaffelter Finanzierung . . . . . . . . . . . . . 122

II. Insbesondere: Ex ante vereinbarte Meilensteine . . . . . . . . . . . 123 1. Grundformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 2. Verbindlichkeit von Meilensteinvereinbarungen . . . . . . . . . 125 §  5 Schutz vor Verwässerung und Abwertung: Antidilution Rights, Pay to Play, Pull Ups und Performance Deals, Bezugsrechte . . . . . . . 126

I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 1. Definition von „Verwässerung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 a) Verwässerung aufgrund des Hinzutretens eines neuen Investors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 aa) Verhältnis von Altinvestoren und Gründern . . . . . . . 127 bb) Verhältnis der Investoren untereinander . . . . . . . . . 128 b) Verwässerung durch sonstige Maßnahmen . . . . . . . . . . 129 aa) Ausgabe von Stammanteilen und Anteilsteilung . . . . . 130 bb) Dividendenzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 2. Einführende Typologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 a) Preisbasierter Schutz I: Weighted Average und Full RatchetKlauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

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b) Preisbasierter Schutz II: Structural Antidilution Protection 131 c) Pay to Play und Pull Up Provisions . . . . . . . . . . . . . . 132 d) Performance Deals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 II. Preisbasierter Verwässerungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 1. Full Ratchet-Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 a) Inhalt und Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 b) Auswirkungen auf die Gründer . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 c) Auswirkungen auf das Verhältnis der Investoren untereinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 aa) Abschreckende Wirkung und „Todesspirale“ . . . . . . . 133 bb) Probleme bei syndizierten Beteiligungsstrukturen . . . 135 d) Umgang mit und praktischer Sinn von Full RatchetKlauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 2. Weighted Average-Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 3. Structural Antidilution Protection . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 III. Pay to Play und Pull Up Provisions . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 1. Pay to Play . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 2. Pull Up Provisions . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 3. Schutz der Altinvestoren vor Trilateral Bargaining . . . . . . . 142 IV. Performance Deals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 V. Bezugsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 2. Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 3. Auswirkungen in der Praxis und Funktion . . . . . . . . . . . . 145 §  6 Bindung der Gründer: Nachvertragliche Wettbewerbsschranken, Share Transfer Restrictions, Tag Along/Drag Along und IPO Lock-up . . . . 146

I. Nachvertragliche Wettbewerbsschranken: Noncompetition Agreements und Informationsweitergabeverbote . . . . . . . . . . 147 1. Noncompetition Agreements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 2. Informationsweitergabeverbote und die Doctrine of Inevitable Disclosure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

II. Share Transfer Restrictions . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 2. Vesting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 3. Vorerwerbsrechte und Andienungspflichten (Rights of First Refusal und Reverse Vesting) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 b) Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 c) Auswirkungen und praktischer Sinn . . . . . . . . . . . . . . 155 aa) Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 bb) Praktischer Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 (1) Eintrittskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 (2) Austrittskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 III. Mitnahmeklauseln (Drag Along Rights) . . . . . . . . . . . . . . . 159

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IV. Mitveräußerungsrechte (Tag Along Rights/Rights of Co-sale) . . . 159 V. IPO-Lock-up/Market Stand-off . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 §  7 Börseneinführungsrechte (Registration Rights) . . . . . . . . . . . . . . 161

I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

II. Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 1. Anspruch auf Börseneinführung (Demand Registration Rights) 162 a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 b) Bedeutung von Demand Registration Rights in der Praxis . 163 2. Huckepackrechte (Piggyback Rights) . . . . . . . . . . . . . . . 165 3. S-3 Rights . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 §  8 Rückübertragungsrechte (Redemption Rights) . . . . . . . . . . . . . . 166

I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166

II. Ausgestaltung und Bedeutung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . 167 1. Rückübertragungsrechte der Investoren . . . . . . . . . . . . . . 167 a) Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 b) Bedeutung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 2. Rückübertragungsrechte der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . 169 §  9 Repurchase Rights und Buy-Sell Agreements . . . . . . . . . . . . . . . 169

I. Inhalt und Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

II. Durchsetzung des Rückerwerbs von Vergütungsbestandteilen („equity recapture“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 1. Dienstvertragsrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 2. Gesellschaftsrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 a) Rechtslage in Delaware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 b) Andere Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 §  10 Steuerrechtliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

I. Gestaltungsfaktoren im Rahmen von Vergütungsvereinbarungen . 177

II. Besteuerung von als Vergütung gewährten Stammanteilen . . . . . 177 III. Besteuerung von als Vergütung gewährten Stock Options . . . . . 179 1. Incentive Stock Options . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 2. Nonstatutory/Unqualified Stock Options . . . . . . . . . . . . 181 3. Employee Stock Purchase Plans . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 IV. Phantom Stock Plans und Stock Appreciation Rights . . . . . . . . 182 V. Nochmals: Zur Bedeutung von Convertible Preferred Shares . . . 183 §  11 Die Bereitstellung eines Stock Option Pools für Employee Stock Options . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

XVIII

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II. Auswirkungen des Stock Option Pools auf die Beteiligung der Gründer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 §  12 Probleme des Down Round Financing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

I. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

II. Fallstudie: Kalashian v. Advent VI Limited Partnership („Alantec“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 III. Treuepflichten als Steuerungsinstrument . . . . . . . . . . . . . . . 189 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 a) Treuepflichten der Investoren als Anteilseigner . . . . . . . . 189 b) Treuepflichten der Directors . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 aa) Business Judgment Rule und Entire Fairness Test . . . . 189 (1) Interessenkonflikt der Vertreter der Investoren . . . 190 (2) Fair Dealing und Fair Price . . . . . . . . . . . . . . . 191 (3) Erfolgsaussichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 bb) Verwässerung als faktischer Ausschluss („freeze out“) . 194 cc) Business Purpose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 2. Strategien in der Praxis zur Haftungsvermeidung . . . . . . . . 195 a) Bezugsrechtsangebote (Rights Offerings) . . . . . . . . . . . 195 b) Ratifikation nach §  144 DGCL . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 IV. Sonstige Kontrollansätze im Down Round Financing . . . . . . . . 197 1. Gerichtliche Umwandlung von Preferred Shares in Common Stock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 2. Equitable Subordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 a) Nachordnung von Gläubigerrechten . . . . . . . . . . . . . . 198 b) Übertragung auf Rechte des Mehrheitsgesellschafters . . . . 199 aa) Notwendigkeit besonderer Umstände . . . . . . . . . . . 200 bb) Einschränkungen für Beteiligungen unter 50% . . . . . 201 c) Besonderheiten der Venture Capital-Finanzierung . . . . . . 202 3. Veränderung von Investitionsbedingungen . . . . . . . . . . . . 202 V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 §  13 Gestaltungsbedingungen im Silicon Valley . . . . . . . . . . . . . . . . 203

I. Externe Verhaltenskontrolle der Investoren durch Reputation und Syndizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 1. Syndizierung und Netzwerkeffekte . . . . . . . . . . . . . . . . 205 2. Reputation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 a) Der Markt für Reputation im Silicon Valley . . . . . . . . . . 205 aa) Vernetzung der Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 bb) Ähnliche Prägung der Gründer . . . . . . . . . . . . . . 208 b) Empirie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 aa) Prozessbeteiligung und Reputationsverluste . . . . . . . 209 bb) Der „California Effect“ in der Klauselgestaltung . . . . 209

II. Opportunitätskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 III. Besonderheiten des anwaltlichen Beratungsgeschäfts . . . . . . . . 210

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1. 2. 3. 4.

XIX

Beschränkung des Marktes auf wenige Kanzleien . . . . . . . . 210 Beschränkter Beratungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 Contingency Fees . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Unternehmerische Beratung durch Anwälte . . . . . . . . . . . 213

IV. Standardisierung der Klauselwerke im Silicon Valley . . . . . . . . 214 V. Vorprägung der Klauseln späterer Finanzierungsrunden durch die Erstrundengestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 VI. Die Finanzierungsvereinbarungen als Grundlage der Organisationsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215

C. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 2. Teil Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente 219 A. Kontrollinstrumente des allgemeinen Privatrechts . . . . . . . . . . . . 220 §  1 Allgemeine Lehren zu Gestaltungsschranken . . . . . . . . . . . . . . . 221

I. „Natur“ der Sache, Typenlehre, Numerus Clausus und Institutionenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 1. Zum „Wesen“ und der „Natur“ der Sache als Gestaltungsschranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 a) Das „Wesen “ zwischen Rechtsbeschränkung und Rechtserzeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 b) „Wesen“ und „Natur“ in Gesetz und Rechtsprechung . . . . 224 c) „Wesens“- und „Natur“argumente in der Literatur . . . . . 224 d) Ablehnung von „Wesen“ und „Natur“ als normative Kategorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 2. Typenlehre und Schranken der Gestaltungsfreiheit . . . . . . . 228 3. Der Numerus Clausus der Gesellschaftsformen . . . . . . . . . 230 a) Der Bundesgerichtshof zur „GbR mbH“ . . . . . . . . . . . 230 b) Schnittmengen von Numerus Clausus und Typenlehre . . . 231 4. Institutionenbezogene Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 a) Institutionentheorie und Innenschranken . . . . . . . . . . . 233 aa) „Rechtsinstitut“ und Innentheorie . . . . . . . . . . . . . 233 bb) Rechtsinstitute und Innentheorie im Gesellschaftsrecht 235 cc) Notwendigkeit institutionellen Denkens . . . . . . . . . 235 dd) Dogmatische Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 b) Institutionentheorie und Außenschranken . . . . . . . . . . 238

II. Zwingendes Recht, Verbotsgesetze, gute Sitten, die Grenzen rechtsgeschäftlicher Gestaltungsmacht sowie Gesetzesumgehung . . . . 240 1. Zwingendes Recht, §§  134, 138, 242 BGB . . . . . . . . . . . . . 241 2. Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Gestaltungsmacht . . . . . . 241 a) Allgemeine Grenzen rechtsgeschäftlicher Gestaltungsmacht 241

XX

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aa) Aktienrecht: §  23 Abs.  5 AktG . . . . . . . . . . . . . . . 241 bb) GmbH-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 b) Echte Satzungsbestandteile und Satzungsvorbehalt . . . . . 243 c) Kompetenzregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 aa) §  76 Abs.  1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 bb) §  53 Abs.  1 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 3. Gesetzesumgehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 III. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 §  2 Kontrollinstrument AGB-Recht am Beispiel Venture Capital . . . . . . 248

I. Bereichsausnahme Verträge auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249

II. Venture Capital-Vereinbarungen als Verträge auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 1. Das Objekt der Investorenbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . 251 2. Die Investoren als „reine Finanzierungsgesellschafter“ . . . . . 252 3. Beteiligung an der Geschäftsleitung im weiteren Sinne . . . . . 252 a) Juristische Involvierung der Kapitalgeber in die Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 b) Faktische Involvierung der Kapitalgeber in die Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 c) Zum Problem der „gewerblichen Infektion“ . . . . . . . . . 255 4. Bedeutung der Gewinnerzielungsabsicht der Investoren . . . . 256 5. Vergleich mit Covenants in Kreditverträgen . . . . . . . . . . . 258 6. Dauer der Gesellschaft und Dauer der Beteiligung . . . . . . . . 259 7. Reichweite des gemeinsamen Zwecks . . . . . . . . . . . . . . . 259 8. Ergebnis: Gemeinsamer Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 III. Keine Beschränkung der Bereichsausnahme Gesellschaftsrecht . . 261 1. Keine Beschränkung für Gesellschaftervereinbarungen . . . . . 261 a) Keine Beschränkung der Bereichsausnahme auf materielle Satzungsbestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 aa) Die These von der Beschränkung der Bereichsausnahme auf materielle Satzungsbestandteile . . . . . . . . . . . . 262 bb) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 (1) Keine Verankerung formaler Kriterien im Gesetz und in den Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 (2) Keine Erfassung disponiblen materiellen Satzungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 b) Keine Vergleichbarkeit der Maßstäbe von Gesellschaftsvertragskontrolle und AGB-Kontrolle . . . . . . . . . . . . . 265 c) Ungleichbehandlung von Gesellschaftervereinbarungen und Vereinbarungen eines Gesellschafters mit Dritten . . . 267 d) Untauglichkeit einer typologischen Abgrenzung . . . . . . 268 e) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 2. Kein Kontrollbedürfnis unter Schutzzweckgesichtspunkten . . 270 a) Nur formale Gleichförmigkeit der Vereinbarungen . . . . . 271 aa) Strukturelle Standardisierung . . . . . . . . . . . . . . . 271

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bb) Keine Vergleichbarkeit der Klauselinhalte . . . . . . . . 271 b) Keine Einbeziehung in eine vorgefertigte Struktur . . . . . . 272 c) Kein gleichförmiges Massengeschäft . . . . . . . . . . . . . . 273 d) Keine rationale Apathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 e) Entwicklung struktureller Standardisierung über die Zeit . 274 3. Keine Beschränkung unter Verbraucherschutzgesichtspunkten 274 a) Verbraucherbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 aa) Verbraucherbegriff in Deutschland und Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 bb) Europäischer Verbraucherbegriff . . . . . . . . . . . . . . 277 (1) Sprachgebrauch in verschiedenen Rechtsordnungen 279 (a) England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 (b) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 (2) Der Bericht Giuliano/Lagarde . . . . . . . . . . . . . 282 (3) Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs . . . 284 (a) Grundsatz: Enger Verbraucherbegriff . . . . . . . 284 (b) Das Friz-Urteil zu GbR-Immobilienfonds . . . . 284 (4) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 b) Fehlende Verbrauchereigenschaft der Gründer . . . . . . . . 286 aa) Unterschiede zum Gesellschafter-Geschäftsführer . . . 287 bb) Gründer keine „Anlegergesellschafter“ . . . . . . . . . . 289 4. Exkurs: Keine Beschränkung für die stille Gesellschaft . . . . . 290 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292

B. Konzernrecht als Kontrollinstrument am Beispiel Venture Capital . 293 §  1 Konstellationen verdeckter Beherrschungsverträge . . . . . . . . . . . . 295

I. Die Fälle HVB/UniCredit und MobilCom/France Télécom . . . . 295

II. Kreditverträge und Gesellschaftervereinbarungen . . . . . . . . . 297 §  2 Venture Capital-Vereinbarungen und Vertragskonzernrecht . . . . . . 297

I. Verhältnis von finanzierter Gesellschaft und Investoren . . . . . . 299 1. Keine dauernde Steuerung im Fremdinteresse . . . . . . . . . . 299 2. Vergleich mit Fallgruppen „verdeckter“ Beherrschungsverträge 300

II. Zur konzernspezifischen Gefährdungslage . . . . . . . . . . . . . . 302 1. Gefährdung außenstehender Gesellschafter und Gläubiger als Regelungsanlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 2. Zum Zweck und zur Reichweite von §  302 Abs.  1 AktG . . . . . 303 a) Ausgleich der Aufhebung der Kapitalerhaltung . . . . . . . . 303 b) Ausgleich von Einwirkungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . 305 aa) Herrschaft und Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 bb) Maßgebliche Tiefe der Einwirkungsmacht . . . . . . . . 306 (1) Weisungsrechte und andere Einwirkungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 (2) Relevanz tatsächlicher Ausübung von Weisungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307

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(3) Abgrenzung zulässiger und unzulässiger Konzernierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 c) Zur auftragsrechtlichen Einordnung von §  302 Abs.  1 AktG 309 III. Zur Konzerngefahr bei Venture Capital-Vereinbarungen . . . . . . 309 1. Schutz außenstehender Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . 310 a) Schutz gegenwärtiger außenstehender Gesellschafter . . . . 310 aa) Die Stellung von Angel Investors . . . . . . . . . . . . . . 310 bb) Verschiebung von Vermögenswerten . . . . . . . . . . . 311 b) Schutz zukünftiger außenstehender Gesellschafter durch Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 2. Gläubigerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 a) Investoreninteresse, Wert der Portfoliogesellschaft zu steigern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 b) Gläubigergefährdung in der Krise . . . . . . . . . . . . . . . 313 IV. Sonderproblem: Stille Gesellschaft als Beteiligungsform . . . . . . 314 §  3 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316

C. Einheit und Vielheit der Verbandsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . 318 §  1 Widersprüche zur Satzung in schuldrechtlichen Nebenabreden . . . . . 320

I. Die These von der Wirksamkeit der schuldrechtlichen Nebenabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320

II. Kritische Bewertung der Wirksamkeitsthese . . . . . . . . . . . . . 321 1. Dogmatische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 2. Formelle Satzungsbestandteile und Nebenabreden . . . . . . . 323 a) Allseitig getroffene Nebenabreden . . . . . . . . . . . . . . . 323 b) Fraktionsabsprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 3. Materielle Satzungsbestandteile und Nebenabreden . . . . . . . 325 a) Nebenabreden mit Drittwirkung: Widerspruch zu satzungsmäßigen Stimmbindungsverboten . . . . . . . . . . . . . . . 325 aa) Inhaltsbestimmung durch Rechtsgestaltung . . . . . . . 326 bb) Allseitig getroffene Nebenabreden . . . . . . . . . . . . . 327 (1) Begründung des Formzwangs . . . . . . . . . . . . . 327 (2) Materielle Satzungsbestimmungen und Vertrauensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 (3) Bedeutung der Satzungspublizität . . . . . . . . . . . 329 (4) Wandel zur Fraktionsabsprache . . . . . . . . . . . . 330 cc) Fraktionsabsprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 b) Nebenabreden ohne Drittwirkung: Widerspruch zu Gewinnverteilungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 aa) Ausdrückliche Satzungsregelung zur Gewinnverteilung 331 bb) Keine ausdrückliche Satzungsregelung zur Gewinnverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 III. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331

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§  2 Rückwirkungen schuldrechtlicher Abreden auf die Auslegung von Satzung und Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332

I. Begründungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333

II. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 1. Prozessökonomie als Argument . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 2. Dogmatische Tragfähigkeit des Treuepflichtansatzes . . . . . . 337 a) Notwendigkeit des Drittschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . 337 b) Bedeutung der Satzungspublizität . . . . . . . . . . . . . . . 338 c) Schicksal allseitiger Gesellschaftervereinbarungen . . . . . . 338 3. Satzungsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 4. Zur Lage in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 §  3 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341

D. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 3. Teil Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen 343 A. Satzungsstrenge in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 §  1 Zwingendes Recht zur Gewährleistung der Standardisierung . . . . . . 345

I. Standardisierung und zwingendes Recht: Zwei Hypothesen . . . . 347 1. Herrschende Meinung: Ohne zwingendes Recht keine Standardisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 2. Gegenhypothese: Das Standardisierungsziel rechtfertigt keine Satzungsstrenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348

II. Standardisierung ohne zwingendes Gesellschaftsrecht: Beispiele . . . 350 1. Uniforme Corporate Contracts in den USA: Die Einheitscorporation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 a) Vergleichbare Corporate Charters . . . . . . . . . . . . . . . 350 b) Unterschiedliche Einzelklauseln als Spiegel abdingbarer Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 c) Zur Vielfalt der Corporate Governance Strukturen . . . . . 352 d) Bedeutung von Gesellschafterabreden neben der Satzung . . 353 aa) Paketaktionäre in Public Corporations . . . . . . . . . . 354 bb) Fortwirkung von Stimmbindungsvereinbarungen nach dem Börsengang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 cc) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 2. Wagniskapitalvereinbarungen und andere komplexe Bedingungswerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 3. Randnotiz: Standardisierung in Deutschland vor 1843 . . . . . 358 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359

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III. Standardisierung ohne zwingendes Recht: Erklärungsansätze . . . 359 1. Delegation von Anpassungsentscheidungen an den Gesetzgeber 360 a) Das Konzept der Delegationstheorie . . . . . . . . . . . . . . 360 b) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 aa) Begrenzte Erklärungskraft der Delegationstheorie . . . 361 (1) Ausrichtung auf die Public Corporation . . . . . . . 361 (2) Systematische Abweichung vom Gesetz: Haftungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 bb) Langfristige Anpassungsfähigkeit aus anderen Gründen 363 2. Netzwerkbildung und Netzeffekte als Standardisierungsanreiz 363 a) Netzgüter und rechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . 364 aa) Netzgüter, Netzwerkbildung und Netzeffekte . . . . . . 364 bb) Rechtliche Regelungen als Netzgüter . . . . . . . . . . . 365 b) Transaktionskostenreduzierung durch Nutzung etablierter Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 aa) Interesse der Anbieter an Transaktionskostenreduzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 bb) Interesse der Nachfrager an Transaktionskostenreduzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 (1) Unsicherheit bei der Bewertung neuer Klauseln . . 367 (2) Einforderung bekannter Vertragsmuster . . . . . . . 368 cc) Interesse bisheriger Standardverwender an der Nutzung etablierter Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 c) Transaktionskostenreduzierung und Entwicklung neuer Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 aa) Wechselkosten und Trittbrettfahrertum als Änderungshemmnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 (1) Wechselkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 (2) Trittbrettfahrertum („free riding“) . . . . . . . . . . 372 (3) Wechselkosten und Trittbrettfahrertum als Änderungshemmnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 bb) Veränderung der Marktverhältnisse als Änderungsanreiz 374 cc) Änderungsvorgaben nichtstaatlicher Regelsetzer: Beispiele Loan Market Association und BIMCO . . . . 375 (1) Loan Market Association . . . . . . . . . . . . . . . . 375 (2) Baltic and International Maritime Conference (BIMCO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 dd) Fokale Punkte als Änderungsanreize . . . . . . . . . . . 376 ee) Erste Folgerungen zur Rolle des Staates als Standardsetzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 d) Zur Rolle von Rechtsberatern . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 3. Öffentliche Verfügbarkeit von Informationen als Voraussetzung der Standardisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 a) Zur Bedeutung öffentlich verfügbarer Informationen . . . . 379 b) Irrelevanz freiwilliger Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . 380 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 IV. Problemfälle: Genussscheine und Publikumspersonengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381

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1. Genussscheine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 a) Geringes Maß an Standardisierung und wenig Börsenhandel 382 b) Geringes Maß an Standardisierung als Vorteil . . . . . . . . 382 c) Kein Anlass zu zwingender Standardisierung . . . . . . . . 383 aa) Kein Marktversagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 bb) Komplexität und Anlegerschutz . . . . . . . . . . . . . . 385 2. Publikumspersonengesellschaften in Deutschland und den USA 386 a) Publikumspersonengesellschaften in Deutschland . . . . . . 386 aa) Ausgangsbefund: Gestaltungsfreiheit und Grenzziehung durch den Bundesgerichtshof . . . . . . . . . . . . . . . . 387 bb) Gesellschafterschutz als zentrales Problem . . . . . . . . 387 cc) Bedeutung des Steuerrechts als Standardisierungsanreiz 388 dd) Gesellschaftsrechtliche Vorgaben zum Ausgleich von Fehlanreizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 b) Vereinigte Staaten: Limited Liability Company und Limited Partnership . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 aa) Gestaltungsfreiheit in Limited Liability Companies und Limited Partnerships . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 bb) Nutzung von Gestaltungsfreiheit in der Limited Liability Company und der Limited Partnership . . . . . . . . . . 393 cc) Ursachen und Folgen der Nutzung von Gestaltungsfreiheit bei Limited Liability Company und Limited Partnership . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 c) Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 3. Klauselkontrolle und Satzungsstrenge im Vergleich . . . . . . . 397 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 V. Geduldetes Fehlen von Standardisierung im Aktienrecht: Schuldrechtliche Nebenabreden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 1. Zum Argument fehlender Außenwirkung von Nebenabreden . 400 a) Faktische Außenwirkung schuldrechtlicher Nebenabreden . 400 b) Andauernde Wirkung schuldrechtlicher Nebenabreden . . . 401 c) Auswirkungen allseitiger Nebenabreden . . . . . . . . . . . 402 2. Unzureichender Schutz durch kapitalmarktrechtliche Publizität 403 3. Strukturelle Starrheit des Aktienrechts . . . . . . . . . . . . . . 404 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 VI. Standardisierung durch zwingendes Recht . . . . . . . . . . . . . . 406 1. Keine angemessenen privaten Regelungen . . . . . . . . . . . . . 406 2. Notwendigkeit sofortiger Änderungen . . . . . . . . . . . . . . 407 3. Durchsetzung gesellschaftspolitischer Maßnahmen . . . . . . . 407 4. Das Problem des Einflusses von Common Law-Gestaltungsmustern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 VII. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 §  2 Verfassungsrecht: „Anteilseigentum“ und Vereinigungsfreiheit . . . . . 411

I. Ausgangspunkt: Kapitalgesellschaftsrecht als ermöglichendes Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412

XXVI

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II. Alleineigentum als Paradigma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 III. Verfassungsrechtliche Determinanten der Gestaltung von Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 1. Einfachgesetzliche Prägung der Grundrechtsprüfung . . . . . 415 2. Gebot der Sachgerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 3. Gebot der Folgerichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 4. Vorrang des Vermögensschutzes für Minderheitseigner . . . . . 418 5. Sozialbindung und Schutz Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 IV. Folgen für die Rechtfertigung zwingenden Kapitalgesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 §  3 Anlegerschutz als Argument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422

I. Keine untermäßige Wirkung von §  23 Abs.  5 AktG . . . . . . . . . 422

II. Übermäßige Wirkung von §  23 Abs.  5 AktG . . . . . . . . . . . . . 423 III. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 §  4 Die historische Entwicklung der Satzungsstrenge . . . . . . . . . . . . . 425

I. Oktroi- und Konzessionssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425

II. System der Normativbestimmungen vor 1965 . . . . . . . . . . . . 428 1. Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 2. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 a) Reichsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 b) Instanzgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 3. Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 III. Satzungsstrenge im Aktiengesetz 1965 . . . . . . . . . . . . . . . . 435 IV. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 §  5 Gestaltungskontrolle durch den Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . 438

I. Zur Auswirkung fehlender Kompetenz von Privatanlegern . . . . 439

II. Effektivität des Kapitalmarkts als Kontrollinstanz . . . . . . . . . 440 III. Das Problem „richtiger“ Preise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 IV. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 V. Exkurs: Keine teleologische Reduktion von §  23 Abs.  5 AktG . . . 445 §  6 Kein Seriositätsabstand zur Gesellschaft mit beschränkter Haftung . . 446

B. Rechtsformübergreifende Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 §  1 Gesellschafterschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448

I. Regelungsprobleme des Gesellschafterschutzes . . . . . . . . . . . 448 1. Drittorganschaft und Kontrolle des Organs . . . . . . . . . . . 449 2. Gesellschafterkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450

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II. Lösungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 1. Individualschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 2. Kollektivschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 3. Minderheitenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 4. Kapitalanlegerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 III. Privatautonomie und zwingende Regeln zum Gesellschafterschutz 454 1. Zum Vorrang der Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 2. Das Informationsmodell und Grenzen des Selbstschutzes . . . 457 a) Das Informationsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 b) Grenzen des Schutzes durch Information . . . . . . . . . . . 459 aa) Keine vollständige Information . . . . . . . . . . . . . . 460 bb) Informationsbewältigung und Informationskosten . . . 460 cc) Grenzen der Informationsverarbeitung . . . . . . . . . . 461 c) Grenzen des Informationsmodells und zwingendes Recht . 465 3. Grenzen des Selbstschutzes und zwingendes Kapitalgesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 a) Grenzen des Selbstschutzes bei Eintritt in die Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 aa) Dispositives Recht und langfristig wirkende privatautonome Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 bb) Fehlende Vorhersehbarkeit als Regelungsanlass . . . . . 468 cc) Der Gesellschafter minderen Rechts . . . . . . . . . . . . 470 b) Zwingendes Recht als Ausgleich begrenzter Regelungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 aa) Grenzen abdingbaren Rechts als fokaler Punkt . . . . . 472 bb) „Schutz der Freiheit gegen sich selbst“ im Bürgerlichen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 cc) „Liberaler Paternalismus“ und Schutz vor der eigenen Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 §  2 Gestaltungsermöglichung und Gestaltungsvereinfachung . . . . . . . 476

I. Gestaltungsermöglichung: Beidseitige Vermögenstrennung . . . . 477 1. Schutz des individuellen Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . . 477 a) Inhalt und Wirkung des Schutzes des individuellen Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 aa) Vertragliche Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . 478 bb) Verbindlichkeiten aus Delikt . . . . . . . . . . . . . . . . 479 b) Keine Rechtfertigung umfassenden gesetzlichen Zwanges . . 479 2. Schutz des gemeinsamen Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . . 480 a) Inhalt und Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 aa) Schutz vor Privatgläubigern der Gesellschafter . . . . . . 482 bb) Schutz des Gesellschaftsvermögens vor Zugriffen der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 b) Begrenzte Rechtfertigung gesetzlichen Zwangs . . . . . . . . 484 3. Form, Gestaltungsermöglichung und Gestaltungszwang . . . . 484

II. Gestaltungsvereinfachung: Trennung von Inhaberschaft und Leitung sowie freie Übertragbarkeit der Mitgliedschaft . . . . 485

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1. Trennung von Inhaberschaft und Leitung . . . . . . . . . . . . . 485 a) Inhalt und Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 b) Keine Rechtfertigung gesetzlichen Zwangs . . . . . . . . . . 486 2. Freie Übertragbarkeit der Anteile . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 a) Funktion und Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 b) Rechtfertigung zwingender Regelungen . . . . . . . . . . . . 488 §  3 Funktionenschutz mittels Verfahrensregeln . . . . . . . . . . . . . . . . 489

I. Regelungsanlass und Regelungsziel des Funktionenschutzes . . . . 490 1. Das Mehrheitsprinzip als Regelungsanlass . . . . . . . . . . . . 490 2. Regelungsziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491

II. Paritätsneutralität und Verhältnis zum Individualschutz . . . . . . 492 III. Formen des Funktionenschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 IV. Funktionenschutz und zwingendes Recht . . . . . . . . . . . . . . 494 1. Grenzen der privaten Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . 495 2. Verfahrenskontrolle vor Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . 497 V. Anwendungsbeispiel: Treuepflichten der Geschäftsleiter . . . . . . 497 1. Treuepflichten als Mittel des Funktionenschutzes . . . . . . . . 498 2. Zwang zur Verfahrensregel und Abbedingung im Einzelfall . . 499 a) Grundsatz: Erlaubnisvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 b) Keine pauschale Abbedingung bei Gründung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 aa) Aufleben von Regelungskonflikten . . . . . . . . . . . . 500 bb) Probleme bei der nachträglichen Einführung der Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 cc) Preisabschläge als untaugliches Steuerungsinstrument . 503 dd) Vergleich zur Einwilligung im Einzelfall . . . . . . . . . 503 3. Zur vollständigen Abbedingung durch Satzungsänderung . . . 505 4. Unzulässige pauschale Abbedingung von Teilpflichten . . . . . 505 a) Freiheit zur Gestaltung der Innenverhältnisse in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung . . . . . . . . . . . . 506 b) Steuerung des Geschäftsführerhandelns durch Weisungen . 507 c) Transaktionskostenersparnis durch endgültige Regelung ex ante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 d) Kontrollüberlegung: Gesellschaftsrechtliches Wettbewerbsverbot in England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 509 5. Zulässigkeit von Pflichtenmodifikationen . . . . . . . . . . . . . 509 6. Keine Besonderheiten bei börsennotierten Kapitalgesellschaften 510 7. Penalty Default Rule als untauglicher Regelungsansatz . . . . . 511 a) Das Konzept der Penalty Default Rules . . . . . . . . . . . . 511 aa) Ausgangspunkt: Vollständige Verträge und Majoritarian Defaults . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 bb) Penalty Default Rules als Regelungsanreiz . . . . . . . . 512 b) Treuepflichten keine Penalty Default Rules . . . . . . . . . . 513 8. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514

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C. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 §  1 Zur Satzungsstrenge in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . 515

I. Keine Notwendigkeit der Standardisierung durch zwingendes Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515

II. Keine verfassungsrechtliche Notwendigkeit der Satzungsstrenge . 516 III. „Anlegerschutz“ keine Rechtfertigung der Satzungsstrenge . . . . 516 IV. Keine rechtshistorische Rechtfertigung der Satzungsstrenge . . . . 517 V. „Kapitalmarkteffizienz“ kein Argument gegen jede zwingende Regel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 VI. Kein „Seriositätsabstand“ zur Gesellschaft mit beschränkter Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518 §  2 Rechtsformübergreifende Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518

I. „Gesellschafterschutz“ als Argument . . . . . . . . . . . . . . . . . 518

II. Gestaltungsermöglichung und Gestaltungsvereinfachung als Argument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 520 III. Funktionenschutz als Argument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521

4. Teil Gestaltungsmöglichkeiten im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht am Beispiel von Venture Capital-Vereinbarungen 523 A. Erlösbeteiligung der Investoren und Konversionsrechte . . . . . . . . 524 §  1 Dividendenpräferenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524

I. Gestaltung von Dividendenpräferenzen in der Aktiengesellschaft . 524 1. Vorzugsanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 2. Gesellschafterabreden über Dividendenvorzüge . . . . . . . . . 526

II. Gestaltung von Dividendenpräferenzen in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 III. Sicherung des Dividendenvorrangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527 1. Satzungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527 a) Disquotale Rücklagenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 aa) Zulässigkeit disquotaler Rücklagenbildung . . . . . . . . 528 (1) Gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit . . . . . . . . . 528 (2) Bilanzrechtliche Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . 529 bb) Sicherung der Rücklagenbildung . . . . . . . . . . . . . . 530 (1) Pflicht zur Rücklagenbildung in der Satzung . . . . . 530 (2) Kein „Aushungern“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530 (3) Problem: Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln 530

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b) Disquotale Gewinnverteilung nach disquotalen Rücklagen . 532 aa) Unzulässigkeit der Regelung in der Aktiengesellschaft . 532 bb) Zulässigkeit der Regelung in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 2. Schuldrechtliche Gestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534 IV. Schicksal des Dividendenvorzugs bei Börsengang und Liquidation 535 1. Satzungsmäßig begründete Dividendenpräferenzen . . . . . . . 535 a) Börsengang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536 b) Liquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536 2. Schuldrechtlich begründete Dividendenpräferenzen . . . . . . . 537 V. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537 §  2 Beteiligung am Liquidationserlös und Liquidationspräferenzen . . . . 538

I. Liquidationspräferenzen in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . 538 1. Satzungsregelungen zu Liquidationspräferenzen . . . . . . . . . 538 a) Abweichung von §  271 Abs.  2 AktG . . . . . . . . . . . . . . 539 b) Erlösaufteilung bei Liquidationen im untechnischen Sinne . 539 2. Liquidationspräferenzen in schuldrechtlichen Nebenabreden . 540 a) Bedeutung von §  23 Abs.  3 Nr.  4 AktG . . . . . . . . . . . . . 540 b) Bedeutung von §  271 Abs.  2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . 541 c) Erschwerung der Einschätzung des Investitionsrisikos . . . 541

II. Liquidationspräferenzen in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542 III. Präferenzen und Risikoverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 1. Keine festen Obergrenzen für Präferenzen . . . . . . . . . . . . 543 2. Ausübungskontrolle im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . 545 IV. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546 §  3 Investorenrechte und Anteilskonversion in Deutschland . . . . . . . . . 546

I. Anteilskonversion in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . 546 1. Anteilsumwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 a) Meinungsstand zu bedingten Satzungsbestimmungen . . . . 547 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 548 aa) Zur Bedingbarkeit von Satzungsbestimmungen . . . . . 548 (1) §  23 Abs.  5 S.  2 AktG als Beurteilungsmaßstab . . . . 549 (2) Materielle Beurteilungskriterien . . . . . . . . . . . . 549 bb) Automatische Anteilsumwandlung . . . . . . . . . . . . 550 cc) Optionale Anteilsumwandlung . . . . . . . . . . . . . . 550 (1) Geschlossene Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . 551 (2) Börsennotierte Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . 551 2. Anteilsumtausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551 3. Kombination von Umwandlungsrechten und Call Optionen . . 552

II. Anteilskonversion in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung . 553 1. Anteilsumwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 2. Anteilsumtausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554

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III. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555

B. Einflusssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556 §  1 Stimmrechte am Beispiel von Wagniskapitalvereinbarungen . . . . . . . 556

I. Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556 1. Vorzugsaktien mit Stimmrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557 2. Das Verbot von Mehrfachstimmrechten als Gestaltungshindernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557 3. Stimmbindungsvereinbarungen auf „as-converted basis“ . . . . 558 a) Kein Unterlaufen des Schutzzwecks von §  12 Abs.  2 AktG . 559 b) Kein Unterlaufen aktiengesetzlicher Mehrheitserfordernisse 560 aa) Minderheitenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561 bb) Treuepflichten und Beschlusskontrolle . . . . . . . . . . 562 cc) Sicherung der Funktionsfähigkeit der Gesellschaft . . . 562 4. Besondere Mehrheitserfordernisse nach Gruppen (Class Voting) 563

II. Gesellschaft mit beschränkter Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . 564 III. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565 §  2 Informationsrechte am Beispiel von Wagniskapitalvereinbarungen . . . 565

I. Inhalte und Regelungshintergrund von Informationsrechten . . . 567

II. Besondere Informationsrechte in der Aktiengesellschaft . . . . . . 567 1. Auswirkungen von §  26 Abs.  1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . 568 2. Gesetzliche Informationsrechte und §  23 Abs.  5 AktG . . . . . 569 a) Prüfungsmaßstab gemäß §  23 Abs.  5 AktG . . . . . . . . . . 569 b) Bedeutung von §  131 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571 aa) Wortlaut und systematische Stellung im Aktiengesetz . 571 bb) Kein Umkehrschluss aus §  131 Abs.  4 AktG für die Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571 cc) §  131 AktG im System der aktienrechtlichen Informationsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571 dd) Entwicklung von §  131 AktG in der Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572 c) Bedeutung der §§  90, 111 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . 573 3. Kein Hauptversammlungsbezug nach §  118 Abs.  1 S.  1 AktG . . 574 a) Wortlaut und Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575 b) Normzweck von §  118 Abs.  1 S.  1 AktG . . . . . . . . . . . . 576 c) Gesetzgebungshistorie von §  118 Abs.  1 AktG . . . . . . . . 577 aa) ADHGB 1870 und Rechtsausübung in der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 577 bb) Änderungen durch die Aktienrechtsnovelle 1884 . . . . 578 cc) Die Reform des Jahres 1897 . . . . . . . . . . . . . . . . . 578 dd) Zwischenergebnis zu den Entwicklungen 1870 – 1897 . 579 ee) Neuordnung der Hauptversammlung im Aktiengesetz 1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579

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5.

6. 7.

ff) Rechtsausübung in der Hauptversammlung im Aktiengesetz 1965 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 580 gg) Folgerungen aus der Gesetzgebungsgeschichte zu §  118 Abs.  1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 580 d) Ergebnis zu §  118 Abs.  1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . 581 Verschwiegenheitspflicht nach §  93 Abs.  1 S.  3 AktG . . . . . . . 582 a) Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 582 b) Zweck der Verschwiegenheitspflicht und Unternehmensinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583 aa) Schutz der Gruppen in der Aktiengesellschaft . . . . . . 584 bb) Vergleich von §  93 Abs.  1 S.  3 AktG mit §  51a Abs.  1 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 584 cc) Folgerungen für Wagniskapitalfinanzierungen . . . . . . 585 c) Informationsanspruch als Schutz geschäftsführungsferner Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 586 aa) Informationsbedürfnis der Investoren . . . . . . . . . . . 586 bb) Informationsbedürfnis und Verschwiegenheitspflicht . . 587 d) Auswirkungen von §  23 Abs.  5 S.  1 AktG . . . . . . . . . . . 588 aa) Unternehmensinteresse als Rechtfertigungsgrund . . . . 588 bb) §  93 Abs.  1 S.  3 als Durchsetzungshindernis . . . . . . . . 589 e) Sonderproblem 1: Verringerter Umfang der Gründerbeteiligung in späteren Runden . . . . . . . . . . . . . . . . . 590 f) Sonderproblem 2: Arbeitnehmervergütung durch Aktien . . 590 g) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591 Informationsanspruch als Regelungsgegenstand und §  311 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591 a) Berechtigung zur Informationsweitergabe mangels Nachteils 592 aa) Kein Nachteil bei gleichzeitigem Vorteil . . . . . . . . . . 592 bb) Vorteil einer Informationsweitergabe . . . . . . . . . . . 593 b) Informationsanspruch selbst kein Nachteil . . . . . . . . . . 594 Informationspflichten und §  131 Abs.  4 AktG . . . . . . . . . . 594 Schuldrechtliche Abreden über besondere Informationsrechte . 595 a) Keine analoge Anwendung von §  26 Abs.  1 AktG . . . . . . 595 b) Allgemeine Gestaltungsgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 597 aa) Schuldrechtliche Informationsrechte und §  93 Abs.  1 S.  3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 597 bb) Schuldrechtliche Informationsrechte und §  311 Abs.  1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 598 cc) Schuldrechtliche Informationsrechte und Gleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599

III. Besondere Informationsrechte in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599 IV. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 601 §  3 Besetzung und Organisation des Aufsichtsrates . . . . . . . . . . . . . . 601

I. Der Aufsichtsrat in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . 601 1. Vorgaben zu Mehrheiten bei der Beschlussfassung . . . . . . . . 602

Inhaltsverzeichnis

XXXIII

a) Gesetzliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 602 b) Satzungsregelungen zu Beschlussmehrheiten und §  23 Abs.  5 S.  1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603 aa) Bedeutung der §§  103 Abs.  3 S.  2, 111 Abs.  3 S.  2 AktG . . 603 (1) Entstehungsgeschichte der §§  103 Abs.  3 S.  2, 111 Abs.  3 S.  2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603 (2) Freiheit zur Gestaltung der inneren Ordnung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 605 bb) Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrates . . . . . . . . . . 606 (1) Qualifizierte Mehrheit als Instrument des Minderheitenschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606 (2) Bedeutung schuldrechtlicher Nebenabreden . . . . 607 (3) Effiziente Entscheidungsfindung im größer werdenden Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . 608 c) Satzungsregelungen zu Beschlussmehrheiten und §  23 Abs.  5 S.  2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609 d) Unzulässigkeit von Vetorechten zu Gunsten einzelner Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609 2. Zustimmungsvorbehalte (Covenants) . . . . . . . . . . . . . . . 609 3. Rechte zur Entsendung von Mitgliedern in den Aufsichtsrat . . 610 a) Entsendungsrechte in der Satzung . . . . . . . . . . . . . . . 610 b) Entsendungsrechte in schuldrechtlichen Vereinbarungen . . 610 aa) Trennungstheorie und Gesetzgebungsgeschichte . . . . 611 bb) Fehlende Publizität von Strukturregelungen . . . . . . . 612 II. Der Aufsichtsrat in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung . . 613 1. Satzungsbestimmungen zur qualifizierten Mehrheit im Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 613 2. Zustimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 613 3. Rechte zur Entsendung von Mitgliedern . . . . . . . . . . . . . 614 III. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 614 §  4 Abberufung und Bestellung von Geschäftsleitungsmitgliedern . . . . . 614

I. Abberufung und Bestellung von Vorstandsmitgliedern . . . . . . . 615

II. Abberufung und Bestellung von Geschäftsführungsmitgliedern . 616 §  5 Zustimmungsvorbehalte (Covenants) zu Gunsten der Investoren . . . . 616

I. Zustimmungsvorbehalte und Kompetenzverteilung in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 617 1. Covenantkategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 617 2. Zustimmungsvorbehalte in der Satzung . . . . . . . . . . . . . . 619 a) Hauptversammlungsbezogene Zustimmungsvorbehalte . . . 619 aa) Organzuständigkeit und Individualrechte . . . . . . . . 620 bb) Mehrstimmrechte und Höchststimmrecht . . . . . . . . 620 (1) Nur eine Anteilsgattung . . . . . . . . . . . . . . . . 621 (2) Unterschiedliche Anteilsgattungen . . . . . . . . . . 621 cc) Art.  63 AEUV und Zustimmungsvorbehalte . . . . . . . 622 (1) Zustimmungsvorbehalte zu Gunsten Privater . . . . 623

XXXIV

Inhaltsverzeichnis

(2) Zustimmungsvorbehalte zu Gunsten öffentlicher Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624 b) Vorstandsbezogene Zustimmungsvorbehalte . . . . . . . . . 624 3. Schuldrechtlich begründete Zustimmungsvorbehalte . . . . . . 625 a) Zustimmungsvorbehalte in Gesellschaftervereinbarungen . 625 b) Zustimmungsvorbehalte in Verträgen mit der Gesellschaft . 626 aa) Organisationsrechtliche Änderungen durch das Aktiengesetz 1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 627 bb) Vergleich mit der Unabhängigkeit des Board of Directors 627 (1) Ausgangspunkt: Das US-Recht als historisches Regelungsvorbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 627 (2) Zustimmungsvorbehalte und Director Independence in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 628 (3) Abdication of Authority und Venture Capital . . . . 630 cc) Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 631 (1) Bindung an Gesellschafter als kompetenzrechtliches Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 631 (2) Differenzierung nach Kompetenzzuweisungen . . . 632 (3) Beispiel: Verzicht auf Satzungsänderungen und Kapitalerhöhungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 633 II. Zustimmungsvorbehalte in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635 III. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635

C. Finanzierungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 637 §  1 Gestaffelte schuldrechtliche Zuzahlungspflichten in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 637

I. Vorüberlegung: Schutzzweck des §  36a Abs.  1 AktG . . . . . . . . 638 1. Gläubigerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 638 a) Pflicht zur Agioaufbringung als kontingente Leistungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 639 b) §  36a Abs.  1 AktG und „Agiotage“ . . . . . . . . . . . . . . . 640 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 641 2. Schutz gegenwärtiger Gesellschafter und Volleinzahlungsgebot 641 3. Anlegerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 642

II. Kein Verstoß gegen die aktienrechtliche Kompetenzordnung . . . 642 III. Keine Umgehung der §§  54, 55 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . 644 1. Interesse von Investoren an schuldrechtlichen Vereinbarungen 645 2. Zum Informationsinteresse künftiger Mitglieder . . . . . . . . 645 3. Zum Informationsinteresse gegenwärtiger Gesellschafter . . . . 646 IV. Agio, Bezugsrechtsausschluss und §  255 Abs.  2 S.  1 AktG . . . . . 647 1. Das Problem des Bezugspunktes der Angemessenheitsprüfung 647 2. Maßgeblichkeit der Sicherung des Finanzierungszieles . . . . . 648 3. Anforderungen an die Kapitalaufbringungskontrolle . . . . . . 649

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XXXV

V. Das Sonderproblem der Staffelung nach Meilensteinen . . . . . . . 649 1. Keine Vergleichbarkeit mit bedingtem Kapital . . . . . . . . . . 650 2. Keine Verwässerung der Gründerbeteiligung . . . . . . . . . . . 650 a) Erreichen sämtlicher Meilensteine . . . . . . . . . . . . . . . 651 b) Verfehlen eines Meilensteines . . . . . . . . . . . . . . . . . . 651 aa) Ausbleiben der Zuzahlung ab Verfehlen eines Meilensteins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 651 bb) Schutz vor Fehlbewertungen . . . . . . . . . . . . . . . . 652 c) Geringere Investitionssummen bei Unzulässigkeit . . . . . 652 d) Staffelung als Finanzierungssicherung . . . . . . . . . . . . . 653 VI. Anforderungen an den Schuldvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . 653 1. Keine Notwendigkeit allseitiger Vereinbarungen bei Bezugsrechtsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 654 a) Minderheitenschutz als Argument . . . . . . . . . . . . . . . 654 b) Vergleich mit dem Minderheitenschutz bei korporativem Agio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655 2. Sicherung des Mittelzuflusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 656 VII. Prozedurale Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 657 1. Beteiligung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . 657 2. Registerkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 658 a) Prüfungspflicht des Registerrichters . . . . . . . . . . . . . . 658 b) Prüfungsrecht des Registerrichters . . . . . . . . . . . . . . . 659 §  2 Zulässigkeit gestaffelter Zuzahlungspflichten in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 660

I. Zuzahlungspflichten in der Satzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 660

II. Schuldrechtliche Zuzahlungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . 661 1. Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensfinanzierung . . 661 2. Informationsfunktion der Satzung . . . . . . . . . . . . . . . . . 662 3. Bedeutung von §  255 Abs.  2 S.  1 AktG analog . . . . . . . . . . . 663 4. Keine Notwendigkeit allseitiger Vereinbarung . . . . . . . . . . 663 5. Keine Pflicht zur Registerkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . 664 §  3 Anschlussfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 664

I. Abgrenzung von „korporativem“ und „schuldrechtlichem“ Agio . 664

II. Bilanzierung schuldrechtlicher Aufgelder . . . . . . . . . . . . . . 665 1. Die Gefahr der Vermögensstrukturmanipulation als Regelungsmotiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 666 2. Keine Vermögensstrukturmanipulation . . . . . . . . . . . . . 667 a) Kein Zwang zur Verbesserung der Eigenkapitalbasis . . . . 667 b) Keine Entziehung gebundenen Kapitals . . . . . . . . . . . . 668 c) Andere Schutzmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 668 3. Europarechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 669 III. Recht auf Teilnahme an weiteren Kapitalerhöhungen . . . . . . . . 669 §  4 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 669

XXXVI

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D. Schutz vor Verwässerung und Abwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . 671 §  1  Verwässerungsschutz mittels genehmigten Kapitals und Optionsanleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 672

I. Bezugsrechtsausschluss in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . 672 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 673 2. Gesellschaftsinteresse am Bezugsrechtsausschluss . . . . . . . . 674 3. Verwässerungsschutz in Down Rounds und Bezugsrechtsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 675 a) Keine Vergleichbarkeit mit Sanierungssituationen . . . . . . 675 b) Ausgleich der Gefahr des Window Dressing . . . . . . . . . 676 c) Erhaltung der Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft . . . . . . 676 aa) Verwässerungsschutz als Finanzierungsbedingung . . . 677 bb) Erhaltung der Zahlungsfähigkeit nach Beteiligung . . . 677 d) §  311 Abs.  1 AktG als Obstruktionsverbot . . . . . . . . . . . 678 4. Besonderheiten im Rahmen eines genehmigten Kapitals . . . . 679 5. Unangemessener Ausgabebetrag nach §  255 Abs.  2 S.  1 AktG . . 680 a) Optionsanleihen und §  255 Abs.  2 S.  1 AktG . . . . . . . . . 681 b) Genehmigtes Kapital und §  255 Abs.  2 S.  1 AktG . . . . . . . 681

II. Bezugsrechtsausschluss und Verwässerungsschutzklauseln in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung . . . . . . . . . . . . 682 1. Bezugsrechte in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung . . 682 2. Zulässigkeit des Bezugsrechtsausschlusses . . . . . . . . . . . . 683 3. Angemessenheitskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 683 III. Schuldrechtliche Vereinbarungen über den Bezugsrechtsausschluss 684 IV. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 685 §  2 Schuldrechtliche Verwässerungsschutzklauseln . . . . . . . . . . . . . . 686

I. Schuldrechtlicher Verwässerungsschutz in der Aktiengesellschaft . 686 1. Starke Verwässerungsschutzklauseln („Full Ratchet Rights“) . 686 a) Auswirkungen starker Verwässerungsschutzklauseln . . . . 687 b) Rechtfertigungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 688 aa) Vorüberlegung: Rechtfertigung von Hinauskündigungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 688 bb) Schutz vor Window Dressing . . . . . . . . . . . . . . . . 689 (1) Aggressive Unternehmensbewertung . . . . . . . . . 689 (2) Erfolgsdarstellung bei Meilensteinen . . . . . . . . . 690 cc) Schutz vor wirtschaftlicher Fehlentwicklung . . . . . . . 690 (1) Schutz vor allgemeinen Marktrisiken . . . . . . . . . 691 (2) Schutz vor wirtschaftlichen Fehlentscheidungen der Gründer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 692 dd) Freiwilliger Vertragsschluss kein Einwand . . . . . . . . 693 c) Abschlusskontrolle versus Ausübungskontrolle . . . . . . . 694 2. Gewichtete Verwässerungsschutzklauseln („Weighted Average“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 695

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a) Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu starkem5 Verwässerungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 695 b) Rechtfertigung gewichteter Verwässerungsschutzklauseln . 696 aa) Schutz vor Window Dressing . . . . . . . . . . . . . . . . 696 bb) Schutz vor wirtschaftlichen Verschlechterungen . . . . . 697 (1) Schutz vor allgemeinen Marktrisiken . . . . . . . . . 697 (2) Schutz vor wirtschaftlichen Fehlentscheidungen der Gründer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 697 cc) Verfahrenskontrolle statt Inhaltskontrolle . . . . . . . . 698 3. Stimmbindungsvereinbarungen über Verwässerungsschutz mittels Kapitalmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 699 II. Schuldrechtlicher Verwässerungsschutz in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 699 III. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 699 §  3 Pay to Play und Pull Ups . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 700

I. Pay to Play . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 701

II. Pull Ups . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 702

E. Bindung der Gründer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 704 §  1 Anteilsvinkulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 705

I. Anteilsvinkulierung durch Satzungsregelung . . . . . . . . . . . . 705 1. Vorgaben für die Ermessensausübung in der Satzung . . . . . . 705 a) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 705 b) Keine Zulässigkeit von Zustimmungsverboten . . . . . . . . 706 aa) Wortlaut von §  68 Abs.  2 S.  4 AktG . . . . . . . . . . . . . 706 bb) Gesetzgebungsgeschichte von §  68 Abs.  2 S.  4 AktG . . . 707 cc) Teleologische Betrachtung von §  68 Abs.  2 S.  4 AktG . . 707 dd) Vergleich zur Lage in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 708 2. Verknüpfung der Zustimmung mit schuldrechtlichen Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 709

II. Schuldrechtliche Anteilsvinkulierung in der Aktiengesellschaft . . 710 1. Keine Umgehung der gesetzlichen Vinkulierungserfordernisse 711 a) Auswirkungen schuldrechtlicher Vinkulierungen mit Vertragsstrafenvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . 711 b) Die freie Übertragbarkeit der Mitgliedschaft . . . . . . . . . 712 aa) Dogmatische Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . 714 bb) Der Grundsatz der freien Übertragbarkeit der Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 715 cc) Funktionenschutz als Regelungsziel . . . . . . . . . . . . 716 (1) Gutgläubiger Erwerb satzungsmäßig vinkulierter Namensaktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 717 (2) Gutgläubiger Erwerb satzungsmäßig vinkulierter Inhaberaktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 717

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(3) Gesellschafterschutzaspekte . . . . . . . . . . . . . . 718 (4) Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 719 c) §  68 Abs.  2 AktG und aktienrechtliche Kompetenzordnung 719 aa) Zuständigkeit im Innenverhältnis und im Außenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 720 bb) Klarstellungsfunktion von §  68 Abs.  2 AktG . . . . . . . 721 2. Kein Verstoß gegen die aktienrechtliche Kompetenzordnung . 721 3. Keine Umgehung von §  136 Abs.  2 AktG . . . . . . . . . . . . . 723 4. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 724 §  2 Vesting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 724

I. Einziehungsrechte als Vestingregelung . . . . . . . . . . . . . . . . 725 1. Einziehungsrechte in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . 725 a) Erzwingung einer Nebenleistung entgegen den §§  54, 55 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 725 b) Beendigung der Mitarbeit kein wichtiger Grund in der Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 726 c) Verzicht auf den Schutz der §§  54, 55 AktG . . . . . . . . . . 727 aa) Gestattete Einziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 727 bb) Angeordnete Einziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 728 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 729 2. Einziehungsrechte in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 729 3. Abfindungsregelungen für Good Leaver und Bad Leaver . . . . 730

II. Schuldrechtliche Vereinbarungen: Call Optionen . . . . . . . . . . 731 1. Call Optionen und die Hinauskündigungsrechtsprechung . . . 731 2. Keine Umgehung der §§  54, 55 AktG . . . . . . . . . . . . . . . 732 III. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 733 §  3 Vorerwerbsrechte und Andienungspflichten (Rights of First Offer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 733

I. Dogmatische Einordnung von Vorerwerbsrechten . . . . . . . . . . 733

II. Zulässigkeit von Vorerwerbsrechten der Gesellschafter . . . . . . . 734 1. Einfache Vorerwerbsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 734 2. Pro rata-Vorerwerbsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 735 a) Keine Sittenwidrigkeit nach §  138 Abs.  1 BGB . . . . . . . . 736 b) Keine Unangemessenheit im Sinne von §  307 Abs.  1 S.  2 BGB 736 aa) Vorerwerbsrecht sämtlicher Gesellschafter . . . . . . . . 736 bb) Vorerwerbsrechte nur für Investoren . . . . . . . . . . . 738 III. Vorerwerbsrechte der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 738 IV. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 739 §  4 Mitnahmeklauseln (Drag Along Rights) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 739

I. Mitnahmeklauseln in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . 740 1. Mitnahmeklauseln in der Satzung . . . . . . . . . . . . . . . . . 740 2. Mitnahmeklauseln in schuldrechtlichen Vereinbarungen . . . . 741

Inhaltsverzeichnis

XXXIX

II. Mitnahmeklauseln in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung . 742 §  5 Mitveräußerungsrechte der Investoren (Tag Along Rights) . . . . . . . 742

I. Mitveräußerungsrechte in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . 743 1. Mitveräußerungsrechte in der Satzung . . . . . . . . . . . . . . 743 2. Schuldrechtliche Abreden über Mitveräußerungsrechte . . . . . 743

II. Mitveräußerungsrechte in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 744

F. Rückübertragungsrechte (Redemption Rights) . . . . . . . . . . . . . . 745 §  1 Rückübertragungsrechte in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . 745

I. Rückübertragungsrechte der Investoren gegen die Gesellschaft . . 745 1. Rückerwerb nach §  71 Abs.  1 Nr.  6 AktG . . . . . . . . . . . . . 746 2. Rückerwerb durch Zwangseinziehung nach §  237 Abs.  1 S.  1 Alt. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 747

II. Rückübertragungsrechte der Investoren gegen die Mitgesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 747 §  2 Rückübertragungsrechte in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung 748 §  3 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 748

G. Börseneinführungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 750 §  1 Anspruch auf Börseneinführung (Demand Registration Rights) . . . . 750

I. Kapitalmarktrechtliche Rahmenbedingungen in Deutschland und den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 751

II. Börseneinführungsrechte und Leitungsautonomie des Vorstands . 752 1. Börseneinführungsrechte als Sondervorteil und §  76 Abs.  1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 752 a) Auswirkungen auf sämtliche Gesellschafter . . . . . . . . . . 753 b) Unzulässige Einschränkung der Leitungskompetenz des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 753 2. Schuldrechtliche Vereinbarungen über Börseneinführungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 754 §  2 Platzierungsvorrechte (Piggyback Rights) . . . . . . . . . . . . . . . . . 755

I. Platzierungsvorrechte und Leitungsautonomie . . . . . . . . . . . 755

II. Platzierungsvorrechte und Gesellschaftergleichbehandlung . . . . 756 1. Allseitig vereinbarte Platzierungsvorrechte . . . . . . . . . . . . 756 2. Fraktionsabsprachen über Platzierungsvorrechte . . . . . . . . 756 §  3 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 757

XL

Inhaltsverzeichnis

H. Gestaltung von Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland und den USA im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . 758 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 761 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 793 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 831

Abkürzungsverzeichnis A. A.2d ALR Am. Bar Found. Res. J. Am. Bus. L. J. Am. Econ. Rev. Am. L. & Econ. Rev. Am. J. Soc. Am. Psych. App. App.D.C.

Atlantic Reporter Atlantic Reporter, Second Series American Law Reports American Bar Association Research Journal American Business Law Journal American Economic Review American Law and Economics Review American Journal of Sociology American Psychologist Appeal, Court of Appeal(s) United States Court of Appeals for the District of Columbia Arkansas, Supreme Court of Arkansas Boston College Law Review Bell Journal of Economics and Management Science

Ark. B. C. L. Rev. Bell J. Econ. & Mgmt.  Science Berk. J. Emp. & Lab. L. Berkeley Journal of Employment and Labor Law Boston Coll. L. Rev. Boston College Law Review Boston U. L. Rev. Boston University Law Review Bull. Bulletin Bus. Law. The Business Lawyer Bus. Law Rev. Business Law Review CA Companies Act Supreme Court of California CA. Cal.App. California Court of Appeals Cal. L. Rev. California Law Review Ch. Chancery Cir. Circuit Cog. Psych. Cognitive Psychology Colo. Colorado, Supreme Court of Colorado Columbia Business Law Review Colum. Bus. L. Rev. Colum. L. Rev. Columbia Law Review Connecticut, Supreme Court of Connecticut Conn. Cornell L. Rev. Cornell Law Review Corp. Corporation D. C. District of Columbia Del. Delaware, Delaware Supreme Court Del.Ch. Delaware Court of Chancery Del. J. Corp. L. Delaware Journal of Corporate Law

XLII

Abkürzungsverzeichnis

DGCL Delaware General Corporation Law Dick. J. Int’l L. Dickinson Journal of International Law Dist. District Duke Law Journal Duke L. J. EBLR European Business Law Review EBOR European Business Organization Law Review European Company and Financial Law Review ECFR F. Federal Reporter F.2d Federal Reporter, Second Series F.3d Federal Reporter, Third Series F.Supp. Federal Supplement F.Supp.2d. Federal Supplement, Second Series FAS Federal Accounting Standards Fordham J. Corp. & Fin. L. Fordham Journal of Corporate & Financial Law Fordham L. Rev. Fordham Law Review Ga. Georgia, Supreme Court of Georgia Ga.App. Georgia Court of Appeals Harvard Law Review Harv. L. Rev. Hastings Bus. L. J. Hastings Business Law Journal Hastings Law Journal Hastings L. J. Hofstra L. Rev. Hofstra Law Review Hous. Bus. & Tax L. J. Houston Business And Tax Law Journal IAS International Accounting Standards Ill. Illinois, Supreme Court of Illinois Ill. L. Rev. Illinois Law Review Inc. Incorporated Ind. L. J. Indiana Law Journal International Journal of Technology Management Int’l J. Technol. Man. Iowa L. Rev. Iowa Law Review Journal of Banking and Finance J. Bank. Fin. J. B. L. Journal of Business Law J. Bus. Journal of Business Journal of Business Venturing J. Bus. Venturing J. Consum. Policy Journal of Consumer Policy J. Corp. Fin. Journal of Corporate Finance J. Corp. L. Journal of Corporation Law J. Econ., Behav. & Org. Journal of Economic Behavior and Organization J. Econ. Lit. Journal of Economic Literature J. Econ. Persp. Journal of Economic Perspectives J. Econ. & Man. Strategy Journal of Economics and Management Strategy J. Emp. Leg. Stud. Journal of Empirical Legal Studies J. Eur. Econ. Ass. Journal of the European Economic Association Journal of Experimental Psychology – Human Perception J. Exp. Psych. and Performance J. Exp. Soc. Psych. Journal of Experimental Social Psychology J. Fin. Journal of Finance J. Fin. Econ. Journal of Financial Economics J. Fin. Intermediation Journal of Financial Intermediation

Abkürzungsverzeichnis

XLIII

J. Fin. & Quant. Anal. Journal of Financial and Quantitative Analysis J. L. & Econ. Journal of Law and Economics J. L. Econ. & Org. Journal of Law, Economics and Organization Journal of Legal Analysis J. Leg. Anal. J. Legal Stud. Journal of Legal Studies J. Man. Stud. Journal of Management Studies Journal of Political Economy J. Pol. Econ. J. Risk Uncertainty Journal of Risk and Uncertainty J. Small & Emerg. Bus. L. Journal of Small and Emerging Business Law Kansas, Supreme Court of Kansas Kan. LLC Limited Liability Company LLP Limited Liability Partnership Ltd. Limited Mass. Massachusetts, Supreme Court of Massachusetts Mass.App.Ct. Massachusetts Court of Appeals M. B. C. A. Model Business Corporation Act Md. Maryland Michigan Law Review Mich. L. Rev. M. L. R. Modern Law Review Missouri Court of Appeals Mo.App. N.C.J. L. & Tech. North Carolina Journal of Law & Technology N.D.Ill. Northern District of Illinois N.E. Northeastern Reporter N. J. New Jersey New Engl. J. Med. New England Journal of Medicine Nw. U. L. Rev. Northwestern University Law Review N.W. Northwestern Reporter Northwestern Reporter, Second Series N.W.2d N. Y. New York New York Business Corporation Law N. Y. Bus. Corp. L. N. Y. L. Rev. New York Law Review N.Y.U. L. Rev. New York University Law Review Oregon, Supreme Court of Oregon Ore. Org. Behav. & Organizational Behavior & Human Decision Hum. Dec. Proc. Processes P. Pacific Reporter Pa. Pennsylvania, Supreme Court of Pennsylvania Psych. Rev. Psychological Review Q. J. Econ. Quarterly Journal of Economics RAND J. Econ. RAND Journal of Economics Rev. Acc. Stud. Review of Accounting Studies Rev. Fin. Stud. Review of Financial Studies Revised Model Business Corporation Act R.M.B.C.A. Rutgers L. Rev. Rutgers Law Review SA, SA 1933 Securities Act 1933 S. Ct. Supreme Court of the United States S.D.N.Y. Southern District of New York, United States District Court for the Southern District of New York

XLIV

Abkürzungsverzeichnis

S.E. Southeastern Reporter SEA, SEA 1934 Securities Exchange Act 1934 SEC Securities and Exchange Commission sec./secs. section/sections So. Southern Reporter Stan. J. L., Bus. Fin. Stanford Journal of Law, Business and Finance Stanford Law Review Stan. L. Rev. S.W. Southwestern Reporter Tex. J. Bus. L. Texas Journal of Business Law Texas Law Review Tex. L. Rev. Touro Int’l L. Rev. Touro International Law Review Tulane L. Rev. Tulane Law Review U. Chi. L. Rev. University of Chicago Law Review UCLA L. Rev. University of Los Angeles Law Review U. Ill. L. Rev. University of Illinois Law Review U. Pa. L. Rev. University of Pennsylvania Law Review U.S. United States, United States Reports United States Court of Appeals U.S.App. U.S.Dist. United States District Court United States Generally Accepted Accounting Principles US-GAAP U. Tor. L. J. University of Toronto Law Journal Utah L. Rev. Utah Law Review Va. J. Int. L. Virginia Journal of International Law Va. L. Rev. Virginia Law Review Vand. J. Trans. L. Vanderbilt Journal of Transnational Law Vand. L. Rev. Vanderbilt Law Review Vill. L. Rev. Villanova Law Review Washington Law Review Wash. L. Rev. Wash. U. L. Q. Washington University Law Quarterly Wisconsin Law Review Wisc. L. Rev. W.Va. West Virginia Yale L. J. Yale Law Journal Im Übrigen wird auf das Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache von Kirchner/Butz, 7. Aufl. 2013, verwiesen.

Einleitung

A.  Untersuchungsanlass und Untersuchungsgegenstand §  1  Legitimation zwingender Regeln im Kapitalgesellschaftsrecht Wer sich mit der Gestaltung von Kapitalgesellschaften beschäftigt, stößt im deutschen Recht bereits bei oberflächlicher Betrachtung auf eine Reihe konzep­ tioneller Fragen, deren Beantwortung sich nicht von selbst ergibt. Obwohl das Kapitalgesellschaftsrecht Teil des Privatrechts ist, beschränkt das in §  23 Abs.  5 AktG verankerte Prinzip der Satzungsstrenge die Privatautonomie im Aktien­ recht erheblich. Dagegen erlaubt §  45 Abs.  1 GmbHG den Mitgliedern einer Gesell­schaft mit beschränkter Haftung wenigstens die weitgehend freie Model­ lierung des Innenverhältnisses. Wenn jedoch die Wahl der Rechtsform grund­ sätzlich von der Zahl der Beteiligten und von wirtschaftlichen Kennzahlen un­ abhängig ist, leuchtet jedenfalls nicht auf Anhieb ein, wieso in Deutschland für Aktiengesellschaft und Gesellschaft mit beschränkter Haftung diametral ent­ gegengesetzte Regelungsansätze gelten. Der Eindruck, hier bestehe Klärungsbedarf, verstärkt sich bei einem Ver­ gleich mit ausländischen Rechtsordnungen. Bereits vor einiger Zeit haben kom­ parative Studien die Einzigartigkeit der deutschen Lösung belegt,1 die Viele für „ein[en] Solitär, aber gewiß kein[en] Edelstein“ halten.2 Trotz der einer freiheit­ lich geprägten Privatrechtsordnung fremden Rigidität einer Vorschrift wie §  23 Abs.  5 AktG steht die kritische Überprüfung ihrer Legitimität „als unerledigte Aufgabe noch aus.“3 Das gilt erst recht, wirft man einen Blick über den Teller­ rand der Satzungsstrenge hinaus auf die in der Praxis üblichen schuldrecht­ lichen Nebenabreden: Unterhalb der Satzung gestalten die Mitglieder die Verhältnisse in der Gesell­ schaft häufig mit Hilfe schuldrechtlicher Verträge. Die Bedeutung dieser Ver­ einbarungen ist so groß, dass Beobachter sie als „Schattensatzung“4 und

1 Grundlegend

Hopt, in: Lutter/Wiedemann (Hrsg.), Gestaltungsfreiheit, S.  123 ff. rechtsvergleichender Perspektive Fleischer, AcP 204 (2004), 502, 517 (dort Zitat); Hopt, in: Lutter/Wiedemann (Hrsg.), Gestaltungsfreiheit, S.  123, 144 ff. S.  auch Hirte, in: Lut­ ter/Wiedemann (Hrsg.), Gestaltungsfreiheit, S.  61, 71 ff.; Spindler, AG 1998, 53 ff., und AG 2008, 598 ff. 3  Hommelhoff, in: Roth (Hrsg.), System, S.  26, 47. 4  Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 80. 2  Aus

A.  Untersuchungsanlass und Untersuchungsgegenstand

3

„Hauptabrede“5 für die Gesellschaftsorganisation bezeichnen. Trotzdem soll für sie das Prinzip der Vertragsfreiheit gelten. 6 Geregelt werden könne gerade das, was aktienrechtlich mit Blick auf §  23 Abs.  5 S.  1 AktG in der Satzung kei­ ner freien Regelung zugänglich sei.7 Unwirksam seien Gesellschaftervereinba­ rungen nur, soweit sie satzungspflichtige Bestandteile aufwiesen oder dem Zweck zwingender gesetzlicher Regelungen zuwiderliefen. 8 Die zweite Einschränkung – kein Verstoß gegen zwingendes Recht – lässt sich allerdings nicht ohne Weiteres mit der von den gleichen Autoren geäußer­ ten Ansicht übereinbringen, in schuldrechtlichen Abreden ließe sich regeln, wo­ für die Satzung nicht zur Verfügung stehe. Denn das Aktiengesetz enthält we­ gen §  23 Abs.  5 AktG im Wesentlichen zwingendes Recht. Bestimmen die Ne­ benabreden die „eigentliche“ Struktur der Aktiengesellschaft, müssten, so scheint es jedenfalls, die Gestaltungsgrenzen erst recht insoweit zum Tragen kommen. Allein die Berufung auf „Vertragsfreiheit“ als Gegenargument hilft nicht weiter. Schon die §§  134 und 138 BGB zeigen, dass Vertragsfreiheit nicht unbeschränkt existiert. Zudem erscheint es widersprüchlich, einerseits die Frei­ heit zu bejahen, aktienrechtlich Unzulässiges zu vereinbaren, andererseits je­ doch zu betonen, bestimmte Schutzzwecke machten eine nahezu durchgängig zwingende Ausgestaltung des Aktienrechts notwendig. Der naheliegende Einwand, aufgrund des nach herrschender Meinung gelten­ den Grundsatzes der getrennten Beurteilung von Satzung und Nebenabrede („Trennungsprinzip“) 9 sei die Schuldvertragsebene im Verhältnis zur Satzungs­ ebene ein Aliud und daher von den kapitalgesellschaftsrechtlichen Normen nicht tangiert, ist bei genauerer Betrachtung zweifelhaft: Vorschriften aus dem Aktiengesetz oder dem GmbHG werden immer wieder herangezogen, um die Wirksamkeit bestimmter Vertragsklauseln zu beurteilen, selbst wenn keine ausdrückliche normative Verbindung zwischen den Regelungsebenen besteht.10 Der dogmatische Weg für eine solche Kontrolle bleibt unklar. Das Schrifttum

5 

Röhricht, in: GK-AktG, §  23 Rn.  252. S.  nur Arnold, in: KK-AktG, §  23 Rz  181; Pentz, in: MünchKommAktG, §  23 Rz  188; Röhricht, in: GK-AktG, §  23 Rz  256. BGH NZG 2010, 988 Tz 7; für Stimmbindungsverträge: BGHZ 179, 13, 18 Tz 12; BGH NJW 1987, 890, 891; BGH NJW 1983, 1910, 1911; BGHZ 48, 163, 166 (die beiden zuletzt genannten Enscheidungen zu §  47 Abs.  4 S.  2 GmbHG). 7  Arnold, in: KK-AktG, §  23 Rz  173; Pentz, in: MünchKommAktG, §  23 Rz  188; Röhricht, in: GK-AktG, §  23 Rz  240, 256. 8 BGH NZG 2010, 988 Tz 7; Arnold, in: KK-AktG, §   23 Rz  173; Pentz, in: Münch­ KommAktG, §  23 Rz  188; Röhricht, in: GK-AktG, §  23 Rz  256. 9 Etwa Arnold, in: KK-AktG, §   23 Rz  179; Pentz, in: MünchKommAktG, §  23 Rz  192; Röhricht, in: GK-AktG, §  23 Rz  264 f. A.A. vor allem Noack, Gesellschafterabreden, S.  107 ff. Zur Trennungstheorie 2. Teil C. 10 Beispiele für direkte Verweisungen auf das Aktiengesetz im der Trennungstheorie grundsätzlich folgenden Schrifttum: Pentz, in: MünchKommAktG, §  23 Rz  188 a.E.; Röhricht, in: GK-AktG, §  23 Rz  258 f. 6 

4

Einleitung

benennt entweder überhaupt keine Transformationsnorm wie etwa §  134 BGB11 oder verweist pauschal auf „Umgehung“.12 Damit ist nach wie vor offen, welche Maßstäbe gelten, um die Wirksamkeit von Gesellschaftervereinbarungen zu beurteilen. Trifft §  23 Abs.  5 AktG tatsächlich nur Aussagen über die Satzungsgestal­ tung und regeln die Gestaltungsschranken des GmbHG gleichfalls prinzipiell allein diese Ebene,13 führt der Blick „von oben nach unten“, das heißt vom Ka­ pitalgesellschaftsrecht auf den Schuldvertrag, nicht weiter. Vielmehr ist die Per­ spektive zu verändern und, gewissermaßen „von unten nach oben“, ausgehend vom Schuldvertrag zu fragen, ob sich mit Rücksicht auf die allgemein-privat­ rechtlichen Grenzen der Gestaltungsmacht Schranken ergeben. So rückt in den Vordergrund, dass grundsätzlich Privatautonomie besteht, die lediglich aus­ nahmsweise eingeschränkt werden kann. Der Umstand, dass eine Norm des Aktienrechts wegen §  23 Abs.  5 AktG auf Satzungsebene nicht abdingbar ist, sagt nichts darüber aus, ob die Wertungen für den insoweit festgelegten Zwangs­ charakter auch auf der schuldrechtlichen Ebene zu berücksichtigen sind. Das zu lösende Problem besteht demnach darin, die Schranken der Frei­ heit zur Ausgestaltung von Individualverträgen zwischen zwei Parteien, die sich nicht in einem Verbraucher-Unternehmer-Verhältnis gegenüberstehen, nä­ her auszuloten.14 Dieses Unterfangen wird dadurch erschwert, dass über die genauen Inhalte der schuldrechtlichen Nebenabreden vielfach noch Unklarheit herrscht, die Rede ist von einer „terra incognita des Verbandsrechts“.15 Systematische empi­ rische Studien zu ihren konkreten Regelungsinhalten gibt es wenige.16 Das ist misslich, weil die Bewertung der Vereinbarungen ohne genauere Inhaltsbe­ schreibung unvermeidlich unscharf bleibt. Zudem lassen sich die Regelungs­ interessen und Regelungsstrategien in ihrer Gesamtheit kaum vollständig ­erfassen. Für die Antwort auf die Frage nach der Reichweite des zwingenden Kapi­tal­gesell­schaftsrechts haben diese wirtschaftlichen Gesichtspunkte aber erhebliche Bedeutung. Nur die Betrachtung des Zusammenspiels der unter­

11 

Arnold, in: KK-AktG, §  23 Rz  181; Pentz, in: MünchKommAktG, §  23 Rz  188. Röhricht, in: GK-AktG, §  23 Rz  258. 13  Vgl. zu den geschriebenen und ungeschriebenen Schranken der Satzungsgestaltung die Übersicht bei C.Teichmann, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, §  46 Rn.  8 ff. 14  Zur (fehlenden) Anwendbarkeit des AGB-Rechts 2. Teil A. §  2. 15  Noack, Gesellschaftervereinbarungen, Vorwort. 16  Grundlegend ist nach wie vor die Studie von Baumann/Reiß, ZGR 1989, 157. Vgl. auch die bei Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S.  1 ff., beschriebenen Fälle. Auch die äußerst instruktive rechtstatsächliche Analyse der Strukturmerkmale geschlossener Kapitalgesell­ schaften von Wedemann, S.  11 ff., behebt dieses Manko nicht, weil sie nur im Handelsregister zugängliche Daten auswertet (Handelsregistereintrag, Gesellschaftsvertrag, Gesellschafter­ liste). 12 

A.  Untersuchungsanlass und Untersuchungsgegenstand

5

schiedlichen Vertragskomponenten und des Gestaltungshintergrundes ermög­ licht ein ausgewogenes Urteil. Als Beitrag zur Kartographie des unerforschten Gebietes dient in dieser Ar­ beit die Analyse von Beteiligungsvereinbarungen über die Finanzierung mit Wagniskapital (Venture Capital). Diese Absprachen betreffen sämtliche Aspek­ te der Organisation einer Kapitalgesellschaft im weitesten Sinne sowohl auf der Ebene der Satzung als auch auf derjenigen der schuldrechtlichen Verträge.17 Das eröffnet die Möglichkeit, die Grenzen der freien Gestaltung von Kapitalgesell­ schaften anhand in der Praxis tatsächlich vorzufindender Regelungen zu prü­ fen. Gerade Beteiligungsvereinbarungen in den Fokus zu rücken, bietet sich aus drei Gründen an: (i) Zunächst lässt sich so das Problem der fehlenden empirischen Grundlagen wenigstens in einem Teilgebiet lösen. Es gibt im ökonomischen Schrifttum inzwischen einige Untersuchungen zu den Inhalten von Beteiligungsver­ einbarungen in den Vereinigten Staaten und in Deutschland. Außerdem existiert reichhaltiges wirtschaftswissenschaftliches Schrifttum zu Rege­ lungsproblemen und zur Steuerungswirkung jedenfalls einzelner Abreden und Verhaltensstrategien der Beteiligten. Ergänzend liegen der Arbeit aus­ führliche Gespräche mit Praktikern zugrunde.18 Das schafft die Basis für die Bewertung der Klauselinhalte nicht nur hinsichtlich der Rechtsgrund­ lagen, sondern auch mit Blick auf ihre wirtschaftliche Wirkung. (ii) Die Betrachtung von Beteiligungsvereinbarungen bietet die Chance, eine rechtsvergleichende Perspektive auf Möglichkeiten und Grenzen der Ge­ staltung von Kapitalgesellschaften einzunehmen. Es geht dabei nicht um 17 

Vgl. noch die Einführung unter §  2 II. und ausführlich den ersten Teil der Arbeit. wurden im Silicon Valley im Rahmen jeweils ca. einstündiger Interviews ein sogenannter Seriengründer, sechs Anwälte (mit einem Anwalt wurden zwei Gespräche ge­ führt) sowie drei Professoren an Law Schools (Ronald Gilson, Michael Klausner, beide Stan­ ford University; Robert P. Bartlett, III., UC Berkeley; letzterer war vor seiner Ernennung zum Professor mehrere Jahre als Anwalt in einer der renommiertesten Kanzleien für Wagnis­ kapitalfinanzierungen im Silicon Valley tätig). Hinzu kam im Nachgang zum Gespräch mit einem Anwalt ein Austausch mehrerer Emails zu inhaltlichen Fragen. Die Interviews wurden vor Ort geführt und schriftlich dokumentiert, teils nur in den Kernaussagen, teils im Wort­ laut. Der Seriengründer und die Anwälte machten Anonymität zur Gesprächsbedingung und werden aus diesem Grund nicht genannt. In Deutschland wurden Gespräche von jeweils ca. einer Stunde mit einem Partner eines Beteiligungsfonds sowie mit acht Anwälten geführt. Es handelte sich nicht um strukturierte Interviews nach den Anforderungen und Standards der Sozialwissenschaften. Gewählt wurde ein halboffenes Format, das zwar auf den stets gleichen Fragen basierte, im Übrigen aber seinen Inhalten nach von der konkreten Gesprächsentwick­ lung abhing. Ziel dieser Gespräche war es, vor allem in den USA, Fragen zu einigen Ergebnis­ sen der ökonomischen Forschung aus gestalterischer Sicht zu klären, juristische Details zu Klauselinhalten zu erfahren, die aus der empirischen Forschung nicht ersichtlich sind, und Strategieüberlegungen nachzuvollziehen. 18  Befragt

6

Einleitung

eine „Verbesserung“ des deutschen Rechts durch Übernahme von in den USA vorgefundenen Rechtsgrundsätzen.19 Das hier gewählte Vorgehen dient vielmehr dazu, mittels konkreter Beispiele von Regelungen komple­ xer Sachverhalte die oben beschriebenen Grundsatzprobleme zu erörtern: Gewährt das US-Recht ein erhebliches Maß an Privatautonomie und nut­ zen die Beteiligten diese, um besonderen Bedürfnissen Rechnung zu tra­ gen, wird fraglich, dass das deutsche Recht jedenfalls auf Satzungsebene derart strenge Grenzen zieht.   Gerade die Gegenüberstellung divergierender Regulierungsansätze ver­ mag einen Beitrag dazu zu leisten, die Fragen nach den Legitimationsgrund­ lagen und der Wirkungsweise zwingender Regeln präziser zu formulieren und den Blick dafür zu schärfen, inwieweit aus nationaler Sicht eingefahre­ ne Begründungsmuster unter Umständen durchbrochen werden können. (iii) Schließlich hat die Einbeziehung von Beteiligungsvereinbarungen in diese Arbeit den Zweck, die rechtlichen Grundlagen der Wagniskapitalfinanzie­ rung ausführlicher zu beleuchten.

§  2  Gestaltung von Kapitalgesellschaften und Venture Capital Zur Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes und als Grundlage der weite­ ren Überlegungen beschreibt der folgende Abschnitt genauer, wie sich „Kapi­ tal“gesellschaften von anderen Rechtsformen abgrenzen lassen, welche Kapital­ gesellschaften Objekt der Arbeit sind, was mit „privater Gestaltung von Kapi­ tal­gesellschaften“ konkret gemeint ist (sogleich I.) und wodurch sich Venture Capital gegenüber anderen Finanzierungsvarianten auszeichnet (dazu II.).

I.  Kapitalgesellschaften und deren Gestaltung 1. Kapitalgesellschaften Um den Untersuchungsgegenstand deutlich zu machen und den Bezugspunkt der rechtsvergleichenden Überlegungen besser zu kennzeichnen, bedarf es ei­ ner kurzen Charakterisierung der Eigenschaften von Kapitalgesellschaften im Vergleich zu anderen Vereinigungsformen. Verschiedene typische Elemente wie das Mehrheitsprinzip, 20 ihre Anlage „auf Ewigkeit“ durch grundsätzlich unbegrenzte Lebensdauer sowie die prinzi­ piell mitgliederunabhängige Konstruktion 21 sind zwar zur Abgrenzung von 19 

Zur Rechtsvergleichung als Methode noch unten C. §  1. Entwicklung des Mehrheitsprinzips im Körperschaftsrecht Baltzer, Beschluß, S.  194 ff. 21  S.  nur Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, §  2 I.1.a)bb) (S.  91). 20 Zur

A.  Untersuchungsanlass und Untersuchungsgegenstand

7

regulären Austauschverträgen und – in gewissem Umfang – von Personenge­ sellschaften geeignet, doch kommen sie ebenso anderen Rechtsformen zu, wie etwa dem Verein oder der Stiftung. Obwohl das Gesetz die Kommanditgesellschaft auf Aktien an verschiedenen Stellen als „Kapitalgesellschaft“ bezeichnet,22 bleibt sie im Rahmen dieser Un­ tersuchung außer Betracht. Das rechtfertigt sich daraus, dass sie strukturell ein Zwitter ist, der in erheblichem Maße personengesellschaftsrechtliche Elemente aufweist.23 Ihre Komplementäre sind kraft ihrer Stellung als persönlich haften­ de Gesellschafter zur Geschäftsführung berechtigt und verpflichtet (§   278 Abs.  2 AktG, §§  161 Abs.  2, 114 Abs.  1 HGB). Des Weiteren haften sie zwingend unmittelbar, unbeschränkt und persönlich (§§  278 Abs.  2 AktG, §§  161 Abs.  2, 128 HGB). Darüber hinaus gewährt §  278 Abs.  2 AktG erheblich mehr Gestal­ tungsfreiheit als bei der gewöhnlichen Aktiengesellschaft, indem die Norm für bestimmte Rechtsbeziehungen in das Personengesellschaftsrecht verweist.24 Würde die Kommanditgesellschaft auf Aktien mitbehandelt, machte dies einen ständigen Seitenblick in das Personengesellschaftsrecht notwendig. Da die Ge­ staltungsfreiheit im Personengesellschaftsrecht schon mehrfach Gegenstand umfangreicher monographischer Betrachtung war25 und sich verschiedene Fra­ gen in anderem Licht als bei der Aktiengesellschaft stellen,26 kann die Kom­ manditgesellschaft auf Aktien hier ausgelassen werden. Zudem reduziert sich die Komplexität des Rechtsvergleichs auf ein erträgliches Maß.27 Kapitalgesellschaften deutschen Rechts für die Zwecke dieser Untersuchung sind folglich nur gewöhnliche Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit be­ schränkter Haftung.28 Ihr Pendant in den Vereinigten Staaten ist die Corpora­ tion in ihren verschiedenen Ausprägungen als Close Corporation und Public Corporation. Sucht man nach den Alleinstellungsmerkmalen dieser „Kapital“­ gesellschaften, lassen sich drei Besonderheiten ausmachen:29 22  Überschrift zum zweiten Abschnitt des dritten Buches des Handelsgesetzbuches vor §  264 HGB, §  3 Abs.  1 Nr.  2 UmwG, §  1 Abs.  1 Nr.  KStG. 23  Zu dieser Zwitterstellung Assmann/Sethe, in: GK-AktG, §  278 Rn.  9. 24  Im Einzelnen Assmann/Sethe, in: GK-AktG, §  278 Rn.  4 ff. 25  Zum Forschungsstand unten §  3. 26  Satzungsstrenge bei der gewöhnlichen Aktiengesellschaft versus prinzipiell bestehende Gestaltungsfreiheit in der Kommanditgesellschaft auf Aktien nach Maßgabe des §  278 Abs.  2 AktG. 27 In vielen Staaten, darunter die Bundesstaaten der USA, gibt es keine eigenständige Rechtsform, die vom Grundtypus her mit der Kommanditgesellschaft auf Aktien vergleich­ bar wäre, s. Assmann/Sethe, in: GK-AktG, Vor §  278 Rn.  133 ff. 28  Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) im Sinne von §  5a Abs.  1 GmbHG wird hier nicht gesondert erwähnt, weil sie nicht mehr als eine Sonderform der Gesellschaft mit beschränkten Haftung ist. Die Societas Europaea bleibt als supranationale Rechtsform außer Betracht. 29  Hierzu bereits Fleckner, Antike Kapitalvereinigungen, S.  47 ff. (mit zahlreichen Nach­ weisen in den Fußnoten auf den S.  38 ff.). Instruktiv auch Armour/Hansmann/Kraakman, in: Anatomy, S.  5 ff. Für die Zwecke dieser Arbeit bedarf es keiner ausführlichen Diskussion ei­

8

Einleitung

– Kapitalgesellschaften zeichnen sich erstens dadurch aus, dass Inhaberschaft und Leitung getrennt sind:30 Einerseits dürfen gesellschaftsfremde Dritte, das heißt solche Personen, die nicht selbst Mitglied sind, die Geschäfte der Ge­ sellschaft führen. Andererseits sind die Gesellschafter insgesamt oder einzel­ ne Anteilseigner nicht schon qua Mitgliedschaft zur Geschäftsführung be­ rechtigt oder verpflichtet.31 – Zweitens gilt das Prinzip der beidseitigen Vermögenstrennung:32 Grundsätz­ lich ist das Privatvermögen der Gesellschafter davor geschützt, nach der Bei­ tragsleistung von der Gesellschaft oder deren Gläubigern in Anspruch ge­ nommen werden zu können (Schutz des individuellen Vermögens33).34 Weder sind die Gesellschafter ohne eine von ihnen selbst veranlasste Maßnahme35 zur Leistung weiterer Einlagen oder sonstiger Beiträge verpflichtet noch wird den Gläubigern der Gesellschaft ein unmittelbares Forderungsrecht gegen die Gesellschafter zur Erfüllung ihrer Forderungen gegen die Gesellschaft einge­ räumt.36 Weiterhin ist das Vermögen der Gesellschaft in gewissem Umfang vor dem Zugriff durch ihre Mitglieder und vor deren Gläubigern geschützt ner Theorie der Kapitalvereinigung. Die Darstellung dient lediglich der gedanklichen Vor­ strukturierung der Überlegungen zur Notwendigkeit von Kapitalgesellschaftsrecht und der Rechtfertigung zwingender Vorschriften in diesem Regelungsbereich. 30  Fleckner, Antike Kapitalvereinigungen, S.   47 f. Vgl. auch Armour/Hansmann/Kraakman, in: Anatomy, S.  12 f.; John, Die organisierte Rechtsperson, S.  115 ff. Für die USA s. §  141(a) DGCL und CA, Inc. v. AFSCME Employees Pensions Plan, 953 A.2d 227, 232 (Del. 2008); Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805, 811 (Del. 1984): „[A] cardinal precept of the General Corporation Law of the State of Delaware is that directors, rather than shareholders, manage the business and affairs of the corporation.“ 31  Nicht ausgeschlossen ist demnach, dass ein Mitglied mittels besonderen Bestellungsak­ tes zur Führung der Geschäfte der Gesellschaft bestellt wird. Das Merkmal oben im Text bezieht sich auf die automatische Verbindung von Anteilsinhaberschaft und Geschäftsfüh­ rungsbefugnis. Für die USA s. §  141(a) DGCL und CA, Inc. v. AFSCME Employees Pensions Plan, 953 A.2d 227, 232 (Del. 2008); Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805, 811 (Del. 1984). 32 Terminologie nach Fleckner, Antike Kapitalvereinigungen, S.   48 f., 53 ff. Bereits 1835 verwiesen Broicher/Grimm, S.  12 unter 5. zu Art.  20 des Handelsgesetzbuchs für die König­ lich Preußischen Rheinprovinzen, auf das Prinzip der Trennung des Vermögens der „anony­ men Gesellschaft“ vom Privatvermögen der Gesellschafter. Zur Verselbständigung des Haf­ tungsverbandes gegenüber den Haftungsverbänden der Mitglieder schon John, Die organi­ sierte Rechtsperson, S.  126 ff., sowie Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, §  2 I.3.a) (S.  102) und §  4 I.2.a), b) (S.  196 ff.). Der Begriff der beschränkten Haftung/„limited liability“ betrifft nur den im Text nachfolgend zuerst genannten Aspekt. Zur Aufteilung von Vermögenspositionen oder, wie in der englischsprachigen Literatur zu lesen, zum „asset partitioning“, ausführlicher unten 3. Teil B. §  2 V. Zur positiv-rechtlichen Ausprägung in den §§  30, 31 GmbHG Kuntz, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, §  30 Rn.  1. 33  Fleckner, Antike Kapitalvereinigungen, S.  48. Auch diskutiert als Prinzip der beschränk­ ten Haftung/„limited liability“ (Armour/Hansmann/Kraakman, in: Anatomy, S.  9 f.) oder „defensive asset partitioning“ (Hansmann/Kraakman, 110 Yale L. J. 387, 395 [2000]). 34  Umfassend zur „Haftungsbeschränkung im Recht der Handelsgesellschaften“ Meyer in der gleichnamigen Schrift. 35  Kapitalerhöhungsbeschluss, freiwillig vereinbarte Zuzahlungspflichten etc. 36 Hierzu Meyer, Haftungsbeschränkung, S.  199 ff., 289 ff.

A.  Untersuchungsanlass und Untersuchungsgegenstand

9

(Schutz des gemeinsamen Vermögens37):38 Geleistete Einlagen können nicht – jedenfalls nicht in vollem Umfang – 39 zurückgefordert werden.40 Außerdem dürfen Gesellschaftergläubiger zur Befriedigung ihrer Forderungen nicht unmittelbar das Gesellschaftsvermögen vereinnahmen.41 Zum Vergleich: Im (deutschen) Personengesellschaftsrecht gibt es keine derartigen Ausschüt­ tungssperren.42 Vielmehr enthält es statt einer starren, ex ante wirkenden Re­ gel eine gemessen am Ausschüttungszeitpunkt nachträglich greifende Gesell­ schafterhaftung.43 – Drittens sind die Anteile an der Gesellschaft als solche übertragbar.44 Es be­ darf zur Übertragung grundsätzlich weder der Zustimmung der übrigen Mitglieder noch der Zustimmung der Geschäftsleitung. Nicht gemeint ist da­ mit, der Anteil müsse stets frei übertragbar sein.45 Maßgeblich ist vielmehr, dass er selbst zum Gegenstand der Übertragung wird, ohne dass die Mitglie­ der für den entsprechenden Akt eine Gesellschaftsvertragsänderung oder Satzungsänderung herbeiführen müssen.46 Dass ein Gesellschafter infolge dieser Verselbständigung der Mitgliedschaft als Rechtsbündel mehrere An­ teile halten kann, ist kein Sondermerkmal von Kapitalgesellschaften.47 Keine exklusive Eigenschaft der Kapitalgesellschaft ist diejenige, juristische Person zu sein, mit anderen Worten: Rechtspersönlichkeit zu haben.48 Zwar mag für eine Beschreibung der gegenwärtig in westlichen Rechtssystemen als 37 

Fleckner, Antike Kapitalvereinigungen, S.  49. Fleckner, Antike Kapitalvereinigungen, S.  49; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, §  4 I.2.a) (S.  196 f.). In der englischsprachigen Literatur wird dieses Merkmal unter dem Stichwort „entity shielding“ (Armour/Hansmann/Kraakman, in: Anatomy, S.  9 f.) oder „affirmative as­ set partitioning“ (Hansmann/Kraakman, 110 Yale L. J. 387, 394 [2000]) diskutiert. Unter Ver­ weis auf Hansmann/Kraakman aaO. auch Tröger, FS H.P. Westermann, S.  1533, 1542. Die Trennung der Vermögensmassen im Zusammenhang mit dem deutschen System des nominel­ len Grundkapitals bei der Aktiengesellschaft betont auch Ekkenga, Anlegerschutz, S.  87 f. Zur Trennung und Sicherung der Vermögenssphären im deutschen Personengesellschaftsrecht Tröger aaO., S.  1533, 1543 ff. 39  So enthält etwa das deutsche GmbHG mit den §§  30, 31 kein umfassendes Verbot der Einlagenrückgewähr, s. Kuntz, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, §  30 Rn.  2. 40  Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, §  4 I.2.b) (S.  198). 41  Fleckner, Antike Kapitalvereinigungen, S.   49; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, §  4 I.2.a) (S.  197). 42  Auch die Haftung eines Kommanditisten bei Rückzahlung der Einlage ist nicht mit den kapitalgesellschaftsrechtlichen Regeln vergleichbar. Denn zum einen haftet der Kommandi­ tist nur bis zur Höhe seiner Einlage (§§  172 Abs.  4, 171 Abs.  1, 1.  HS.  HGB), zum anderen gibt es keine Ausfallhaftung der übrigen Kommanditisten. 43  Zu diesen Systemunterschieden Tröger, FS H.P.Westermann, S.  1533, 1548 ff. 44  Armour/Hansmann/Kraakman, in: Anatomy, S.   11; Fleckner, Antike Kapitalvereini­ gungen, S.  51. 45  Armour/Hansmann/Kraakman, in: Anatomy, S.  11. 46  Fleckner, Antike Kapitalvereinigungen, S.  51. 47  Für Deutschland vgl. §  7a Abs.  1 S.  1 GenG. 48  Fleckner, Antike Kapitalvereinigungen, S.  60 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, §  4 38 

10

Einleitung

Kapitalgesellschaft eingestuften Gesellschaftsformen zutreffen, dass sie „juris­ tische Person“ sind.49 Doch ist fraglich, welche Elemente die Rechtsfähigkeit einer juristischen Person umfasst, die nicht gleichermaßen als die Fähigkeit be­ schreibbar wäre, „selbständig ihre Rechte und Pflichten“ haben zu können (§  13 Abs.  1 GmbHG50).51 Ohne den Status „juristische Person“ ließen sich die übri­ gen Merkmale ebenso gut verwirklichen, so dass die Eigenschaft als solche nicht als notwendige Bedingung des Vorliegens einer Kapitalgesellschaft qualifiziert werden kann.52

2.  Private Gestaltung von Kapitalgesellschaften Unter „Gestaltung von Kapitalgesellschaften“ werden in dieser Arbeit alle pri­ vatrechtlichen Gestaltungsmaßnahmen verstanden, die die Struktur und das Handeln von Kapitalgesellschaften prägen. Gesetzgeberische Handlungen blei­ ben außen vor.53 Im Fokus steht die Ingebrauchnahme der privatrechtlichen Ge­ staltungsmittel Satzung und Schuldvertrag seitens der Marktteilnehmer, um ihre Beziehungen untereinander und zur Gesellschaft sowie die Organisation und Struktur der Gesellschaft einschließlich der Mitgliederverhältnisse zu re­ geln. Das betrifft unter anderem Fragen der Einrichtung und Besetzung von Organen, Beschluss- und sonstige Abstimmungsregeln sowie Kontroll- und Eingriffsrechte sowohl der Gesellschafter als auch gesellschaftsexterner Dritter, etwa von Darlehensgläubigern. Gesetz, Satzung und Schuldvertrag wirken in vielfältiger Weise zusammen. Erst in der Gesamtschau mit den gesetzlichen Vorgaben zeigt sich die „wahre Gestalt“ der Kapitalgesellschaft. Im Zusammen­ hang mit Gesellschaftervereinbarungen hat hierauf schon Noack aufmerksam

I.3.b) (S.  202). Anders Armour/Hansmann/Kraakman, in: Anatomy, S.  6 ff.; Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln, S.  4 (anders aber dies. aaO., S.  112). 49  Auf dieser Basis beruhen offenbar die Annahmen von Armour/Hansmann/Kraakman, in: Anatomy, S.  6 ff. 50  Das GmbHG erklärt die Gesellschaft mit beschränkter Haftung nicht ausdrücklich zur juristischen Person, wie dies heute §  1 Abs.  1 S.  1 AktG für die Aktiengesellschaft vorsieht. 51  Deutlich und zutreffend Th.Raiser, AcP 194 (1994), 495, 504: „Inhalt und Umfang der [der offenen Handelsgesellschaft, der Kommanditgesellschaft und der Partenreederei] ge­ währten Rechtsfähigkeit unterscheiden sich in nichts mehr von der Rechtsfähigkeit des Ver­ eins, der Aktiengesellschaft und der GmbH. Die übliche Formel, sie seien der juristischen Person nur angenähert, entpuppt sich als Verlegenheitsformel, um nicht zu sagen als Notlüge, um die vorgegebene starre Dogmatik zu retten, wonach sie eben nur Gesamthandsgesell­ schaften, nicht juristische Personen sein dürfen.“ 52  Fleckner, Antike Kapitalvereinigungen, S.   62; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, §  4 I.3.b) (S.  202 f.). 53  Grundlegend zu einer Gesetzgebungstheorie im Kapitalgesellschaftsrecht Binder, Re­ gulierungsinstrumente.

A.  Untersuchungsanlass und Untersuchungsgegenstand

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gemacht.54 Jedenfalls insofern trifft die Wendung von der Verbandsordnung im weiteren Sinne55 zu.

II.  Venture Capital: Begriff und Finanzierungsablauf 1. Begriff Eine in juristischer Hinsicht genaue Definition von „Venture Capital“ oder „Wagniskapital“56 gibt es nicht. Einen Anhaltspunkt für Deutschland bietet das Wagniskapitalbeteiligungsgesetz, das in §  2 Abs.  2 S.  1 Wagniskapitalbeteiligun­ gen als Eigenkapitalbeteiligungen an Zielgesellschaften beschreibt. Zielgesell­ schaften wiederum zeichnen sich nach §  2 Abs.  3 dieses Gesetzes unter anderem dadurch aus, dass sie nicht börsennotierte Kapitalgesellschaften sind, sie bei Beteiligungserwerb ein Eigenkapital von weniger als EUR 20.000.000 aufwei­ sen und ihre Gründung bei Erwerb der Beteiligung durch eine Wagniskapital­ beteiligungsgesellschaft nicht länger als zehn Jahre zurückliegt. Diese Kriterien erlauben allerdings nur eine erste Näherung, weil das Wagniskapitalbeteili­ gungsgesetz Venture Capital-Finanzierungen nicht allgemein regelt, sondern nach §  1 nur die Tätigkeit und Aufsicht von Wagniskapitalbeteiligungsgesell­ schaften im Sinne dieses Gesetzes. Da die meisten Fonds in Deutschland keine Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaften in diesem technischen Sinne sind,57 greift das Gesetz für sie nicht. Doch entsprechen die in den zitierten Normen genannten Merkmale denjeni­ gen, die gemeinhin in der Literatur als maßgeblich für die typologische Erfas­ sung von Venture Capital-Finanzierungen erachtet werden:58 Spezialisierte In­ vestoren beteiligen sich an einer verhältnismäßig kurz vor Finanzierungsbeginn gegründeten Kapitalgesellschaft, die ein junges Unternehmen trägt, und geben das für den Aufbau eines Geschäfts notwendige Startkapital. Darüber hinaus erbringen die Kapitalgeber weitere Leistungen, etwa in Form der Beratung der Gründer in geschäftlichen Angelegenheiten. Die Beteiligung ist mittelfristig angelegt, der Investitionshorizont beträgt in der Regel nicht mehr als zehn Jah­

54  Zu Verbindungen zwischen Satzung und schuldrechtlichen Nebenabreden Noack, Ge­ sellschaftervereinbarungen, S.  75 ff., zur näheren Bestimmung mitgliedschaftlicher Rechte mittels Schuldvertrag, etwa im Wege der Stimmbindung, ders. aaO., S.  65 ff. 55 Dazu Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S.  107 ff. Die dogmatische Tragweite dieses Ansatzes ist demgegenüber weniger klar, dazu unten 2. Teil C. 56  Gelegentlich auch: Beteiligungskapital oder Risikokapital. 57  Zum faktischen Scheitern des Wagniskapitalbeteiligungsgesetzes Weitnauer, in: Weit­ nauer, Venture Capital, B 7 ff. Zu den Kapitalgebern ders. aaO. A 5 ff. 58 Zum Folgenden Hochgesand, in: Hommel/Knecht (Hrsg.), Start-Up-Management, S.  370, 374 ff.; Schefczyk, S.  38 ff.; Weitnauer, Weitnauer, Venture Capital, A 1 ff. mit Nachwei­ sen.

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Einleitung

re.59 In Deutschland finden sich neben der Eigenkapitalfinanzierung noch For­ men der Mezzanine-Gestaltung, etwa als Nachrangdarlehen und mittels einer stillen Gesellschaft, sowie gemischte Varianten, die allerdings in der Regel nur als Ergänzung dienen. 60 Der Unterschied zu Transaktionen, die die Finanzierungspraxis häufig als „Private Equity“ tituliert,61 liegt vor allem im Alter des Unternehmens. Private Equity-Finanzierungen zielen typischerweise auf reife(re) Unternehmen, die seit längerer Zeit auf einem bestimmten Geschäftsfeld tätig sind und ihr Ge­ schäftsmodell nicht erst entwickeln müssen. 62

2. Finanzierungsablauf Die Finanzierung junger Unternehmen erstreckt sich über mehrere Stadien.63 In der Frühphasenfinanzierung („Early Stage“) werden („Seed Phase“) ein Ge­ schäftsmodell entworfen, erste Schritte der Produktentwicklung bis hin zum Prototyp gegangen und („Start-up Phase“) die unternehmenstragende Gesell­ schaft gegründet, das Produkt hin zur Marktfähigkeit entwickelt, Vermark­ tungs- und Vertriebsstrukturen sowie Produktionsanlagen aufgebaut. In den anschließenden Phasen der Unternehmensexpansion („Later Stages“) werden (im First Stage) der Vertrieb auf- und ausgebaut, das Produkt in den Markt ein­ geführt und ein Geschäftsmodell etabliert, (im Second Stage) weitere Finanzie­ rung für die Marktdurchdringung gewährt, das Vertriebs- und Produktions­ system (weiter) ausgebaut, und, nach möglichen zusätzlichen Zwischenstadien, (im Bridge Stage) die Vorbereitung eines Börsenganges betrieben. Die Übergän­ ge sind fließend, die Begriffe bezwecken lediglich, die wirtschaftlichen Ent­ wicklungsstadien ungefähr abzugrenzen. Rechtliche Folgen knüpfen sich daran nicht. Als Wagniskapitalfinanzierung bezeichnen einige Autoren erst die Finanzie­ rung nach Abschluss des Seed Stage, also nur die Finanzierung ab der Start-up Phase.64 Der Ursprung dieser weiteren Differenzierung liegt vermutlich in den 59 

Für die USA Möller, S.  165. zur deutschen Finanzierungspraxis aus empirischer Sicht etwa bei Antonczyk/Breuer/Mark, FB 2008, 225, 230; Bienz/Hirsch/Walz, in: Letmathe/Witt, S.  15, 24. Zur Einordnung von Venture Capital als Segment des Eigenkapitalmarktes Schefczyk, S.  61 ff. 61  Dass es keinen einheitlichen Sprachgebrauch gibt, zeigt die Kategorisierung von Ven­ ture Capital-Finanzierungen als einen Unterfall von Private Equity durch die US-amerikani­ sche National Venture Capital Association in ihrem Yearbook 2015, S.  75 (unter „Methodolo­ gy“, rechte Spalte). 62 Vgl. Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, A 2. S.  auch Hochgesand, in: Hommel/ Knecht (Hrsg.), Start-Up-Management, S.  370, 374. 63 Zum Folgenden Hochgesand, in: Hommel/Knecht (Hrsg.), Start-Up-Management, S.  370, 375; Schefczyk, S.  40 ff.; Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, A 14 ff. 64  S.  etwa Brehm, S.  12; vgl. zur Frühphasenfinanzierung durch Business Angels Brettel, in: Hommel/Knecht (Hrsg.), Start-Up-Management, S.  355 ff.; Weitnauer, in: Weitnauer, Ven­ 60  Überblick

A.  Untersuchungsanlass und Untersuchungsgegenstand

13

USA, weil die Seed Stage-Finanzierung dort in anderer Form und teilweise von anderen Investoren vorgenommen wird als die „eigentliche“ Venture Capi­ tal-Finanzierung. 65 In den späteren Phasen treten gelegentlich Private Equity Fonds als Kapitalgeber auf, so dass auch insoweit die Grenzen verschwimmen.66 Die einzelnen Phasen werden, insbesondere unter dem Eindruck des US-ame­ rikanischen Jargons, häufig als „Runden“ bezeichnet, denen bestimmte An­ teils„serien“ zugeordnet sind. So beginnt die Venture Capital-Finanzierung re­ gelmäßig mit der Erstrundenfinanzierung der Start-up Phase durch Anteile der englisch betitelten „Series A“, die „Series B“ bezeichnet die Investition im Rah­ men der ersten Phase des Expansionsstadiums und so fort. Für den „Exit“, also die zumindest teilweise Auflösung des Beteiligungsver­ hältnisses, kommen vier Wege in Betracht:67 (i) das Initial Public Offering, also das erste öffentliche Angebot der Anteile, verbunden mit der Zulassung an der Börse oder der Einbeziehung in den Freiverkehr; (ii) der Unternehmensverkauf außerhalb der Börse an einen anderen Investor; (iii) der Kauf der Anteile der Investoren seitens der Gründer; (iv) die Abwicklung der Gesellschaft durch ge­ sellschaftsrechtliche Liquidation oder im Insolvenzverfahren.

3.  Maßgebliche Dokumente Die für Venture Capital-Finanzierungen grundlegenden Vereinbarungen er­ strecken sich auf mehrere Dokumente:68 Zu unterscheiden sind in Deutschland vor allem die Satzung der Kapitalgesellschaft und die das Beteiligungsverhältnis näher ausgestaltenden schuldrechtlichen Nebenabreden von Gründern, Kapi­ tal­gebern und Gesellschaft. Hinzu kommen Vereinbarungen, die vor dem Be­ teiligungserwerb abgeschlossen werden und diesen vorbereiten, etwa ein Letter of Intent und Vorfeldvereinbarungen über die Modalitäten der Finanzierung.

ture Capital, E 13 ff. Anders dagegen die von der European Venture Capital Association ge­ nutzte Definition (s. http://www.evca.eu/research/about-research/glossary/). 65  Zur US-Praxis unten 4.a). 66  S.  etwa Brehm, S.  12. 67 Je nach Feindifferenzierung werden weniger (z.B. Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, I 1 ff., der nur Insolvenz, Trade Sale und Börsengang als Grobkategorien unterschei­ det) oder mehr (z.B. Baums/Möller, in: Hommel/Knecht [Hrsg.], Start-Up-Management, S.  396, 410; Brehm, S.  12; Inhester, in: Jesch/Striegel/Boxberger [Hrsg.], Rechtshandbuch Pri­ vate Equity, S.  252, die den Unternehmenskauf in „Trade Sale“ an einen strategischen Investor und „Secondary Sale“ an einen Finanzinvestor unterteilen) Exit-Wege benannt. 68  Ausführlichere Darstellung der Gestaltung des Beteiligungsverhältnisses in verschiede­ nen Dokumenten bei Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 1 ff. Kurzer Überblick bei Inhester, in: Jesch/Striegel/Boxberger, Rechtshandbuch Private Equity, S.  231 ff.

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Einleitung

4.  Venture Capital in den USA a)  Unterschiede zwischen Finanzierungen in Seed und Start-up Phase In den Vereinigten Staaten unterscheidet man ebenfalls zwischen den oben be­ schriebenen Phasen der Finanzierung. Allerdings wird deutlicher zwischen Seed Stage und Start-up Phase differenziert, was mit drei Besonderheiten der Finanzierung zusammenhängt: (i) Form der Seed Stage-Finanzierung: Verhältnismäßig häufig wird als Finan­ zierungsmittel nicht die in der Start-up Phase genutzte Variante wandelba­ rer Vorzugsanteile („Convertible Preferred Shares“) genutzt, sondern Fremdkapitalformen mit Wandlungskomponente, etwa „Convertible Debt“, die oft das Recht gewähren, mit der ersten Finanzierungsrunde der Start-up Phase in Vorzugsanteile konvertiert zu werden. 69 Zweck dieser ab­ weichenden Gestaltung ist unter anderem, eine frühe, von außen über An­ teilspreise nachvollziehbare Unternehmenswertfestlegung zu vermeiden. Bei einem Darlehen ist allein dessen Betrag erkennbar, nicht aber ohne wei­ teres, auf Grundlage welcher Bewertung der Kapitalgeber seine Investition vorgenommen hat. Das vereinfacht die Verhandlungen über die Finanzie­ rungsbedingungen ab der Start-up Phase. (ii) Regelungsinhalte der Beteiligungsvereinbarungen: Die Regelungsinhalte der Beteiligungsvereinbarungen von Seed Stage-Finanzierungen weichen von denen späterer Phasen ab, so sind die Bedingungen weniger strikt und die Gewinnbeteiligungsrechte weniger umfangreich.70 (iii) Investoren: Vielfach investieren im Seed Stage Kapitalgeber, die sich auf diesen Abschnitt der Wachstumsförderung spezialisiert haben und im Ver­ lauf der weiteren Finanzierung kein zusätzliches Kapital geben.71 Hierun­ ter fallen etwa die sogenannten Angel Investors.72 Der Seed Stage wird aufgrund dieser Besonderheiten im Laufe der Arbeit aus­ geblendet. Diese frühe Stufe der Unternehmensfinanzierung nur deshalb zu berücksichtigen, weil sie einige Beobachter als Teil der Finanzierung mit Ven­ ture Capital einstufen,73 provozierte unter Umständen erhebliche Probleme in den rechtsvergleichenden Teilen der Untersuchung. Denn es fehlte möglicher­ weise an einem einheitlichen Vergleichsobjekt in der Sache, soweit die Lage in 69 

Zahlenmaterial in Kramer/Levine [Fenwick & West], Seed Financing Survey 2012, S.  6. den Überblick in Kramer/Levine [Fenwick & West], Seed Financing Survey 2012,

70  Vgl.

S.  6.

71 Dazu O’Connor et al., Emerging Growth Companies, 12-3 f. Zahlenmaterial zu den verschiedenen Investoren in der Seed Phase in Kramer/Levine [Fenwick & West], Seed Finan­ cing Survey 2012, S.  6 . 72  O’Connor et al., Emerging Growth Companies, 12-3. Zum Begriff und zur Tätigkeit von Angel Investors in den USA Leavitt, 6 N.C. J. L. & Tech. 223, 224 ff., 256 ff. (2005). 73  Etwa die European Venture Capital Association, Nachweis oben Fußnote 64.

A.  Untersuchungsanlass und Untersuchungsgegenstand

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Deutschland und den USA gegenübergestellt würde. Im Übrigen wirkt sich diese Einschränkung weniger gravierend aus, als es den Anschein haben mag: Zum einen werden in den Vereinigten Staaten zwar häufig Formen wandelbarer Fremdkapitaltitel (Convertible Debt) als Beteiligungsmittel im Seed Stage ge­ wählt. Doch entscheiden sich die Parteien mindestens in gleichem Maße für wandelbare Vorzugsanteile.74 Zudem finden sich einige Klauseln in den Seed Stage-Abreden (etwa Liquidationsvorrechte), die, wenn auch im Detail abwei­ chend ausgestaltet, genauso in den späteren Phasen gebräuchlich sind. Insofern sind die Gestaltungsfragen vergleichbar. Zum anderen steht sowohl praktisch (höheres Finanzierungsvolumen) als auch wissenschaftlich (angesichts der auf­ grund einer zunehmenden Zahl von Parteien immer komplexer werdenden Re­ gelungsschwierigkeiten) die Finanzierung ab der Start-up Phase im Zentrum des Interesses. In dieser Arbeit die Besonderheiten des Seed Stage vollständig mit zu berücksichtigen, sprengte ihren Rahmen. b)  Rundenbasierte Finanzierung; maßgebliche Dokumente Die Venture Capital-Finanzierung wird in „Rounds“ aufgeteilt, in denen sich die Investoren mit einer bestimmten „Series“ von Anteilen beteiligen. So wer­ den „Series A Preferred Shares“ im Rahmen der ersten Runde ausgegeben, „Se­ ries B Preferred Shares“ in der zweiten Runde und so weiter. Die Modalitäten der Wagniskapitalfinanzierung werden in den USA in meh­ reren Dokumenten geregelt:75 Sämtliche Instrumente wie Convertible Preferred Shares und Stimmrechtsvereinbarungen („Voting Agreements“) stellen die rechtliche Umsetzung der zuvor in einem sogenannten Term Sheet niedergeleg­ ten Investitionsbedingungen dar.76 Das Term Sheet dient der Setzung eines Rahmens für die Einzelelemente der Finanzierung. Dabei entfaltet es selbst kei­ ne rechtlich bindende Wirkung, es handelt sich nicht um einen die Parteien bin­ denden Vorvertrag. Lediglich Vereinbarungen über Geheimhaltungspflichten oder möglicherweise getroffene Abreden, die den Gründern für die Dauer der Verhandlungen die Ansprache anderer Investoren verbieten („No-Shop Provi­ sions“), sind verpflichtend. Dennoch ist die Bedeutung des Term Sheet aus praktischer Sicht nicht zu unterschätzen, weil es den folgenden Verhandlungen die Struktur gibt und eine faktische Bindungswirkung erzeugt. Um die wesent­ lichen Bedingungen für die Finanzierung im Term Sheet formulieren zu kön­ nen, bedarf es nämlich einer tatsächlichen Übereinkunft von Kapitalgebern und 74 Dazu

Kramer/Levine [Fenwick & West], Seed Financing Survey 2012, S.  6. Ein Überblick mit einer Inhaltsbeschreibung der Dokumente findet sich unter anderem auf der Homepage der National Venture Capital Association (www.nvca.org); aus der Litera­ tur statt aller Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 6-2 ff., und die Formularmuster in O’Connor et al., Emerging Growth Companies. 76  Zum Term Sheet und seiner Bedeutung Bartlett, Equity Finance, §  9.1 (S.  187 ff.); Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 6-2 ff. 75 

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Einleitung

Gründern über das Beteiligungsverhältnis. Kann bereits auf dieser Ebene keine Einigkeit erzielt werden, werden die Gespräche schon in dieser Phase abgebro­ chen. Wichtige Dokumente neben dem Term Sheet und dem Certificate of Incorpo­ ration, dem Gegenstück zur deutschen Satzung, sind für diese Arbeit: – Founders’ Share (oder: Stock) Purchase Agreement einschließlich Stock Res­ triction Agreement: In diesen Zeichnungsverträgen werden die Ausgabebe­ dingungen für die an die Gründer auszugebenden Stammanteile („Common Shares“) geregelt, häufig unter Berücksichtigung von Verfügungsbeschrän­ kungen („Vesting“) und Vorkaufsrechten der Gesellschaft („Company Rights of First Refusal“). – Preferred Share (oder: Stock) Purchase Agreement: Damit sind die Zeich­ nungsverträge gemeint, die die Ausgabebedingungen und Regelungen zu den Vorzugsanteilen betreffen, die die Investoren erwerben. – Investors’ Rights Agreement: In dieser Vereinbarung zwischen Gesellschaft, Kapitalgebern und Gründern werden bestimmte Rechte der Investoren gere­ gelt, etwa der Anspruch auf Durchführung einer Registrierung zum Zweck eines ersten öffentlichen Angebots („Registration Rights“) und Bezugs­rechte. – Voting Agreement und Vereinbarungen zu Vorkaufsrechten der Kapitalgeber auf Anteile der Gründer und zu Andienungsrechten („Investor Rights of First Refusal“ und „Co-sale Agreements“).

§  3  Einordnung in den Forschungsstand Der folgende Abschnitt gibt einen kurzen Überblick über den Forschungs­ stand, gegliedert nach den Themenbereichen Gestaltungsfreiheit im Kapitalge­ sellschaftsrecht (I.), schuldrechtliche Nebenabreden (II.) und Beteiligungsver­ einbarungen (III.).

I.  Gestaltungsfreiheit im Kapitalgesellschaftsrecht Die Reichweite der Gestaltungsfreiheit, die „vielleicht schwierigste Frage des Gesellschaftsrechts“,77 war bereits mehrfach Gegenstand monographischer Be­ arbeitung. Kapitalgesellschaftsrechtliche Bezüge haben die Habilitationsschrif­

77  Karl Wieland, Handelsrecht, Erster Band, Das kaufmännische Unternehmen und die Handelsgesellschaften, 1921, §  48 Fußnote 4 (S.  579).

A.  Untersuchungsanlass und Untersuchungsgegenstand

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ten von Felix Hey,78 Arndt Teichmann,79 Dieter Reuter, 80 Michael Martinek81 und Christina Escher-Weingart.82 Die Arbeiten von Reuter und Martinek be­ fassen sich von einem besonderen Blickwinkel aus mit der Gestaltungsfreiheit83 und sind kein Versuch, ein allgemeines Konzept zwingender Regelungen im Kapitalgesellschaftsrecht zu entwickeln. Sie behandeln zudem nicht das Pro­ blem schuldrechtlicher Nebenabreden. Das gilt gleichermaßen für die übrigen Werke. Abgesehen hiervon widmet sich keiner der genannten Autoren dem Pro­ blem der Gestaltungsfreiheit unter Heranziehung des US-Rechts in verglei­ chender Perspektive.84 Von der Habilitationsschrift von Escher-Weingart un­ terscheidet sich diese Arbeit insbesondere dadurch, dass sie kein rechtspoliti­ sches Anliegen (Deregulierung) umzusetzen sucht. Die Habilitationsschrift von Johannes Haberer aus dem Jahr 2009 macht zwar explizit „Zwingendes Kapitalgesellschaftsrecht“ zum Thema und behan­ delt auch das Problem der schuldrechtlichen Nebenabreden. Doch handelt es sich im Kern um eine zum österreichischen Recht verfasste Arbeit. Jens-Hinrich Binder beschäftigt sich in seiner 2012 erschienenen Untersu­ chung zu Regulierungsinstrumenten und Regulierungsstrategien im Kapitalge­ sellschaftsrecht zwar auch mit der Rechtfertigung zwingender Normen. Aller­ dings liegt sein Schwerpunkt auf der Erarbeitung einer Rechtssetzungslehre. Die in dieser Arbeit relevanten dogmatischen Fragen streift er nur am Rande. Mit der Arbeit von Frauke Wedemann85 hingegen gibt es stärkere Über­ schneidungen, was die Gestaltung von Gesellschaften mit beschränkter Haf­ tung angeht. Sie behandelt jedoch weder das Aktienrecht noch nimmt ihre Un­ tersuchung speziell das Thema Venture Capital zum Ausgangspunkt. Zudem unterscheidet sich ihr Ausgangspunkt vom hiesigen: Während Frauke Wede­ mann ausgehend von verschiedenen Regelungskonflikten Gestaltungsvorschlä­ ge in rechtsvergleichender Perspektive entwickelt und die Gestaltungspraxis Ziel ihrer Überlegungen ist,86 nimmt die hier vorliegende Arbeit die Gestal­ tungspraxis zum Ausgangspunkt, um sie juristisch zu bewerten.

78 

Freie Gestaltung in Gesellschaftsverträgen und ihre Schranken, 2004. Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970. 80  Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973. 81 Gesellschaftsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten zur Perpetuierung von Unterneh­ men, 1980. 82 Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht, 2001. Die Habilitations­ schriften von Manfred Nitschke (Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970) und von H.P.Westermann (Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Per­ sonengesellschaften, 1970), befassen sich allein mit dem Personengesellschaftsrecht. 83  S.  d ie Titel ihrer Arbeiten. 84  Insoweit bietet die Dissertation von Thomas Rothärmel, Gestaltungsfreiheit der Fami­ liengesellschafter im deutschen und U.S.-amerikanischen Aktienrecht, 2006, Material. 85  Gesellschafterkonflikte in geschlossenen Kapitalgesellschaften, 2013. 86  Wedemann, S.  6 . 79 

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Einleitung

Klaus-Ulrich Schmolke befasst sich in seinem Werk zu den Grenzen der Selbstbindung im Privatrecht87 zwar auch mit „Reichweite und Grenze der Ge­ sellschaftsvertragsfreiheit“. 88 Doch liegt sein Fokus nicht auf dem Kapitalgesell­ schaftsrecht, weder im Ansatz noch hinsichtlich der Auswahl seiner Beispiele. 89 Das Aktienrecht bleibt unberücksichtigt. Aus dem sonstigen wissenschaftlichen Schrifttum zu nennen sind das Gut­ achten Walter Bayers für den 67. Deutschen Juristentag 2008 und der Band „Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft“, die jedoch in erster Li­ nie rechtspolitisch motiviert90 sowie, ihrem Thema angemessen, enger angelegt sind als diese Arbeit.91 Diesbezüglich gelten die Ausführungen zur Untersu­ chung von Frauke Wedemann entsprechend. Die Beiträge zum elften ZGR-Symposion (1996), die unter dem Titel „Gestal­ tungsfreiheit im Gesellschaftsrecht“ veröffentlicht wurden,92 berühren viele der in dieser Arbeit diskutierten Aspekte, befassen sich aber nur mit ausgewähl­ ten Problemen. Schuldrechtliche Nebenabreden im für diese Untersuchung re­ levanten Kontext standen bei keinem der Referenten im Zentrum der Überle­ gungen.93

II.  Schuldrechtliche Nebenabreden Schuldrechtliche Nebenabreden waren bereits Gegenstand einer Habilitation sowie mehrerer Dissertationen.94 Nur zwei dieser Monographien sind rechts­ 87 

Grenzen der Selbstbindung im Privatrecht, 2014. So die Überschrift des Abschnitts II. in §  8 (S.  526 ff.). 89 Die drei Anwendungsbeispiele aus dem Gesellschaftsrecht beziehen sich auf Hi­ nauskündigungsklauseln und Abfindungsklauseln, jeweils im Personengesellschafts- und ­GmbH-Recht, sowie auf die Abdingbarkeit mitgliedschaftlicher Treuepflichten (Schmolke, Grenzen, S.  534 ff.). 90 Für „Rechtsregeln“ s. Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln, S.  1. 91  So betrifft das Juristentagsgutachten nur die Frage, ob stärker zwischen Regularien für börsennotierte und nicht börsennotierte Aktiengesellschaft differenziert werden sollte, ent­ hält aber keine allgemeine Auseinandersetzung mit der Legitimation der Satzungsstrenge. Zudem ist es nicht rechtsvergleichend angelegt. 92  1998, Herausgeber: Marcus Lutter und Herbert Wiedemann. 93  Einige Bemerkungen finden sich im Beitrag von Wiedemann. 94 Habilitation: Ulrich Noack, Gesellschaftervereinbarungen bei Kapitalgesellschaften, 1994. An Dissertationen sind insbesondere folgende Arbeiten zu nennen: Christian Dittert, Satzungsbegleitende Aktionärsvereinbarungen, 2009; Christian Groß-Bölting, Gesellschaf­ tervereinbarungen in der Aktiengesellschaft, 2011; Edgar Joussen, Gesellschafterabsprachen neben Satzung und Gesellschaftsvertrag, 1994; Wolfgang König, Der satzungsergänzende Ne­ benvertrag, 1996; Kai Rossig, Gesellschafterabsprachen bei GmbH und Close Corporation, 2003; Björn Söntgerath, Vermittelte Mehrheit, 2010. Allein mit Stimmbindungsvereinbarun­ gen befassen sich Hartmut Lübbert, Abstimmungsvereinbarungen in den Aktien- und GmbH-Rechten der EWG-Staaten, der Schweiz und Großbritannien, 1971; Hans-Peter ­ Overrath, Die Stimmrechtsbindung, 1972. 88 

A.  Untersuchungsanlass und Untersuchungsgegenstand

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vergleichend angelegt.95 Die Habilitation unterscheidet sich von der vorliegen­ den Arbeit zudem grundsätzlich hinsichtlich ihres dogmatischen Ansatzes: Sie beruht auf einem Konzept des Verhältnisses von Gesetz, Satzung und schuld­ rechtlicher Nebenabrede, das diese Ebenen als Teil einer einheitlichen Ver­ bandsordnung im weiteren Sinne begreift, mit von der hier vertretenen Tren­ nungstheorie divergierenden Folgen für die Satzungsauslegung und für die Zu­ lässigkeit bestimmter schuldrechtlicher Vereinbarungen, die von der Satzung abweichen.96 Die zitierten Dissertationen befassen sich nicht ausführlicher mit der Legiti­ mation zwingenden Rechts, so dass die Begründungen zur (Un-)Wirksamkeit verschiedener Klauseln mangels Rückkoppelung an allgemeine kapitalgesell­ schaftsrechtliche Grundlagen häufig etwas knapp ausfallen. Außerdem be­ schränken sie sich teilweise auf eine einzelne Rechtsform97 oder betreffen nur Teilaspekte wie Stimmbindungsvereinbarungen.98

III. Beteiligungsvereinbarungen Zu Beteiligungsvereinbarungen liegen einige juristische Dissertationen vor.99 Wie die Arbeiten zu schuldrechtlichen Nebenabreden im Allgemeinen behan­ deln sie die Legitimation zwingender Regeln für die Gestaltung von Kapitalge­ sellschaften nur am Rande. Bis auf eine Ausnahme100 sind sie zudem nicht rechtsvergleichend angelegt. Die rechtsvergleichende Arbeit bleibt aufgrund ihres Zwecks, einen Gesamtüberblick über die Finanzierung mit Venture Capi­ tal zu geben und auch die Organisation der Investorenseite zu berücksichtigen, notwendig stärker an der Oberfläche.101 Das US-Steuerrecht wird nicht berück­ sichtigt. Außerdem gilt für sämtliche der zitierten Monographien, dass sie die 95 

Die Dissertationen von König und Rossig. Dazu im Einzelnen 2. Teil C. 97  Dittert, Groß-Bölting: Betrachtung allein der Aktiengesellschaft; Rossig: Betrachtung allein der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. 98  Lübbert, Overrath. 99  Christian Brehm, Das Venture-Capital-Vertragswerk, 2012; Rolf Grisebach, Innovati­ onsfinanzierung durch Venture Capital, 1989; Matthias Möller, Rechtsformen der Wagnisfi­ nanzierung, 2003; Christoph Winkler, Rechtsfragen der Venture Capital-Finanzierung, 2004; Holger Wolf, Der Beteiligungsvertrag bei der Aktiengesellschaft, 2004; Nicholas Ziegert, Der Venture Capital-Beteiligungsvertrag (VCB), 2005. Zu einem Einzelaspekt Christopher Strehle, Meileinstein-basierte Venture Capital Finanzierungen, 2007. Zu nennen ist schließlich noch der im Jahr 2000 in der Festschrift für Buxbaum veröffentlichte Beitrag von Theodor Baums/Matthias Möller, Venture Capital: U.S.-amerikanisches Modell und deutsches Aktien­ recht. 100  Die Arbeit von Möller. Rechtsvergleichend angelegt ist zudem der Beitrag von Baums/ Möller in der Festschrift für Buxbaum. 101  Gleiches gilt für die Untersuchung von Baums/Möller, FS Buxbaum, die sich zudem auf Aktiengesellschaften beschränkt. 96 

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Einleitung

ökonomischen Konflikte bestenfalls anreißen,102 während sie in der vorliegen­ den Darstellung ausführliche Berücksichtigung erfahren.103

§  4  Themenbegrenzung Angesichts der Weite des Untersuchungsgegenstandes sind einige Begrenzun­ gen notwendig. Das betrifft den Gläubiger- und Arbeitnehmerschutz (dazu I.), Besonderheiten der Wagniskapitalfinanzierung durch die stille Gesellschaft (II.) und die Frage, ob die aktienrechtliche Satzungsstrenge gegen die Kapital­ verkehrsfreiheit gemäß Art.  63 Abs.  1 AEUV verstößt (III.).

I.  Gläubiger- und Arbeitnehmerschutz Der Gläubigerschutz war in den letzten Jahren Gegenstand umfassender wis­ senschaftlicher Arbeiten.104 Die Debatte um die Reform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung und des Wettbewerbs der Rechtsformen in Europa dreh­ te sich im Kern um den Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht.105 Neue Entwicklungen, die Anlass gäben, den Forschungsstand einer kritischen Über­ prüfung zu unterziehen, sind derzeit keine ersichtlich. Der Arbeitnehmerschutz betrifft die Gestaltung von Kapitalgesellschaften nur, soweit sie dem Mitbestimmungsrecht unterliegen. Mit Wagniskapital fi­ nanzierte Unternehmen fallen mangels Überschreitens der maßgeblichen Schwellen nicht in den Anwendungsbereich dieser Vorgaben. Zudem beruhen letztere auf Überlegungen, die sich nicht aus den Anforderungen an eine sinn­ volle Gestaltung der Organisation der Kapitalgesellschaft und mit Blick auf die Bedürfnisse ihrer Gesellschafter ergeben, sondern auf der Umsetzung einer au­ ßerhalb des Korporationsrechts angesiedelten politischen Entscheidung, die systematisch betrachtet von außen in das Gesellschaftsrecht hineinragt. Beide Aspekte sprechen dafür, den Arbeitnehmerschutz in dieser Arbeit auszublen­ den. Im Folgenden geht es allein darum, die Grundlagen der Gestaltung von 102  Vgl. etwa die knappen Skizzen bei Brehm, S.  15–20; Möller, S.  24–26; Wolf, S.  19–23; Ziegert, S.  60–62. Die dem ökonomischen Schrifttum umfassend Rechnung tragende Habili­ tationsschrift von Brigitte Haar, Die Personengesellschaft im Konzern, 2006, betrifft Fragen der Ausgestaltung der Beteiligungsgesellschaften, nicht aber den Beteiligungsvertrag als sol­ chen. 103  1. Teil A. 104  Verwiesen sei an dieser Stelle nur auf die Habilitationsschrift von Alexander Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, 2009, und die gewichtige Dissertation von Felix Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, 2011. 105  S.  nur den Band „Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa“, 2006, herausgegeben von Marcus Lutter. Nachweise zur Diskussion im Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung finden sich bei Schall, S.  37 ff.

A.  Untersuchungsanlass und Untersuchungsgegenstand

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Kapitalgesellschaften und die Legitimation zwingender Grenzen der Privatau­ tonomie zu untersuchen.

II.  Stille Gesellschaft als Finanzierungsform Die stille Gesellschaft dient in Deutschland häufig der Ergänzung der Eigenka­ pitalfinanzierung.106 Da es in dieser Arbeit um die Gestaltung von Kapitalge­ sellschaften geht, haben die Probleme der Ausgestaltung der Mitgliedschaft durch Satzung und schuldrechtliche Nebenvereinbarung Vorrang. Verträge über stille Gesellschaften ebenfalls zu behandeln, sprengte den Rahmen. Be­ rücksichtigung findet sie nur, soweit sie Bedeutung für die Diskussion der Ab­ reden über die Eigenkapitalkomponente der Finanzierung hat. Das betrifft zum einen die Anwendbarkeit des Konzernrechts und die Frage, ob die Verstärkung einer Minderheitsbeteiligung durch zusätzliche Rechte aus einer stillen Gesell­ schaft den Berechtigten in den Rang eines herrschenden Unternehmens im Sin­ ne von §  17 Abs.  1 AktG hebt.107 Zum anderen stellt sich die Frage, ob für Ver­ träge über stille Gesellschaften die Bereichsausnahme des §  310 Abs.  4 S.  1 BGB gilt. Wäre dies nicht der Fall, unterlägen sie also den Vorschriften über die Kon­ trolle allgemeiner Geschäftsbedingungen, koppelte dies möglicherweise auf die Beurteilung der sonstigen Finanzierungsabreden zurück. Denn die Klauseln im Vertrag über die stille Gesellschaft ließen sich kaum analysieren, ohne zugleich die übrigen Abreden einzubeziehen und umgekehrt. Aus Sicht der Parteien handelt es sich unabhängig vom Regelungsort um ein einheitliches Regelwerk. Gälten hier von Grund auf unterschiedliche Maßstäbe, brächte dies das sorgsam austarierte Gefüge von Rechten und Pflichten aus dem Gleichgewicht. Dagegen bleiben besondere Rechte, die Wagniskapitalgebern als stillen Ge­ sellschaftern über ihre entsprechenden Rechte als Anteilseigner hinaus zuste­ hen, außer Betracht. Ein wesentliches Problem im Zusammenhang mit der stil­ len Gesellschaft resultiert aus der Verwendung von Zustimmungsvorbehalten (Covenants), wie sie auch in komplexen Kreditverträgen Verwendung finden. Dieses zuletzt genannte Thema war in jüngerer Vergangenheit Gegenstand ei­ ner grundlegenden Habilitation und mehrerer Dissertationen.108 Das lässt es zumindest vertretbar erscheinen, diese Fragen hier nicht noch einmal gesondert aufzugreifen. 106 

Zur Empirie Antonczyk/Breuer/Mark, FB 2008, 225, 230. Zum Konzernrecht 2. Teil B. 108 Habilitation: Wolfang Servatius, Gläubigereinfluss durch Covenants, 2008. Dissertati­ onen: Christian Bochmann, Covenants und die Verfassung der Aktiengesellschaft, 2012; Felix C. Dette, Verdeckte und atypische Beherrschungsverträge im Aktienrecht, 2012; Stefan Heinrich, Covenants als Alternative zum institutionellen Gläubigerschutz, 2009; Martina Kästle, Rechtsfragen der Verwendung von Covenants in Kreditverträgen, 2003; Martin Klein, Pro­ jektfinanzierung, 2004. 107 

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Einleitung

III.  Verhältnis von Kapitalverkehrsfreiheit und Satzungsstrenge Es gibt Autoren, die §  23 Abs.  5 AktG im Lichte der Kapitalverkehrsfreiheit zumindest anzweifeln.109 Angesichts der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs müsse jede einzelne zwingende Regelung auf ihre Rechtfertigung hin geprüft werden.110 Eine Klammerregelung wie die aktienrechtliche Sat­ zungsstrenge ließe sich als Systemvorschrift wohl nicht halten, setzte sich diese Betrachtung durch. Abgesehen davon, dass sie etwas zu weit ausgreift,111 er­ scheint es wenig sinnvoll, diese Diskussion in dieser Arbeit umfassend zu ­führen. Schon dem Umfang nach ist es ausgeschlossen, in dieser Arbeit jede einzelne Norm des Aktienrechts auf ihre europarechtliche Zulässigkeit hin zu untersuchen. Inhaltlich entfernte sie sich damit recht weit vom zentralen Unter­ suchungsgegenstand. Im Übrigen wäre das – wenig wahrscheinliche – Ergebnis, dass alle aktienrechtlichen Normen abdingbar zu sein haben, wenig hilfreich für die Lösung der derzeit auf Grundlage des geltenden Rechts zu bewältigen­ den Probleme. Die Gefahr, dass der Europäische Gerichtshof den gesamten Be­ stand aktienrechtlicher Vorschriften für illegal erklärt, dürfte recht gering sein. Aus diesem Grund wird hier das Risiko hingenommen, dass aufgrund einer in der Zukunft ergehenden Einzelentscheidung einige Details erneut überprüft werden müssen.

109 

Grundmann/Möslein, ZGR 2003, 317, 361 ff. Grundmann/Möslein, ZGR 2003, 317, 363. 111  Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 689 ff. 110 

B.  Zur Begründung zwingenden Privatrechts Die Untersuchung der privaten Gestaltung von Kapitalgesellschaften lässt sich sinnvoll nur durchführen, indem die Begründung und die Reichweite zwingen­ der Normen im Kapitalgesellschaftsrecht näher beleuchtet werden. Damit sind zwei sich überschneidende Problemkreise angesprochen: Die Legitimation zwingenden Privatrechts sowie dessen Begriff, Wirkung und Funktion. Beides bedarf hier aus den sogleich genannten Gründen der Erläuterung:

§  1  Legitimation von Beschränkungen der Gestaltungsfreiheit Für die Legitimation von Grenzen der Gestaltungsfreiheit gilt im deutschen Privatrecht nach wie vor der Grundsatz, dass die Beschränkung der Rechtferti­ gung bedarf.112 Das Grundgesetz enthält gemäß heute vorherrschender Ansicht eine entsprechende Institutsgarantie.113 Der normative Anker liegt in Art.  2 Abs.  1 GG, wenn nicht ein spezielles Grundrecht die betroffene Regelungsma­ terie erfasst.114 Verträge können aus verfassungsrechtlicher Perspektive „im Rahmen der zivilrechtlichen Ordnung frei“ geschlossen werden.115 Das Problem erledigt sich im hier relevanten Kontext nicht mit einem Ver­ weis auf §  23 Abs.  5 AktG. Zum einen beraubt selbst §  23 Abs.  5 AktG die Ge­ stalter nicht jeder Möglichkeit freier Gestaltung. Zum anderen prägen in der Praxis schuldrechtliche Vereinbarungen die Aktiengesellschaft.116 Auch wenn 112  Statt aller Bachmann, JZ 2008, 11; Säcker, in: MünchKommBGB, Einl. Rn.  33; Wolf, in: Soergel, Einleitung zum BGB Rn.  29. Für das Kapitalgesellschaftsrecht in jüngerer Zeit Binder, Regulierungsinstrumente, S.  79; Grunewald, NZG 2009, 967, 969. 113  Höfling, Vertragsfreiheit, S.  25 ff.; Isensee, in: Isensee/Kirchhof, §   150 Rn.  85, jeweils mit weiteren Nachweisen; vgl. zur früheren Diskussion die Nachweise bei Krause, JZ 1984, 711, 716. 114  Ständige Rechtsprechung des BVerfG seit BVerfGE 8, 274, 328; aus neuerer Zeit etwa BVerfGE 95, 267, 303; BVerfGE 103, 197, 215. Aus der Literatur Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art.  2 Rn.  101, 103; Isensee, in: Isensee/Kirchhof, §  150 Rn.  70. Ausführliche Darstellung der Rechtsprechung bei Bäuerle, Vertragsfreiheit, S.  283 ff.; zur Entwicklung der Rechtsprechung weiter Krause, JZ 1984, 711, 716. S.  auch Busche, Privatautonomie, S.  55 ff. Kritisch zur frei­ heitsbeschränkenden Tendenz der Rechtsprechung des Bundesverfassungsrechts Bruns, JZ 2007, 385, 387. 115  Statt aller Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art.  2 Rn.  101. 116  S.  bereits oben A. §  1.

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auf dieser Ebene Freiheit als Regel gilt,117 muss sich der Betrachter trotzdem Rechenschaft darüber ablegen, auf welcher Grundlage Schranken errichtet wer­ den, welches also die sachlichen Argumente sind, die der Ausübung von Priva­ tautonomie bei der Ausformung einer Aktiengesellschaft entgegenstehen. Nur so lässt sich die Frage beantworten, wann „zwingende Regelungen“ die Ver­ tragsfreiheit einengen. In der unten118 darzustellenden historischen Perspektive wird noch deutlich werden, dass entgegen gelegentlich anzutreffenden Bemer­ kungen im Schrifttum119 auch im Kapitalgesellschaftsrecht prinzipiell Gestal­ tungsfreiheit bestand, die erst im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts mehr und mehr Einschränkungen erfuhr, die schließlich im Aktiengesetz 1965 kulminier­ ten. Vor diesem Hintergrund ist eine intensive Erörterung der Legitimation zwingenden Kapitalgesellschaftsrechts umso dringlicher geboten. Mit dieser Problemskizze ist die Frage nach den allgemeinen Ordnungsge­ sichtspunkten aufgeworfen, die für die Begrenzung von Gestaltungsfreiheit he­ rangezogen werden können. Das ist Gegenstand der Lehre vom zwingenden Privatrecht – oder sollte es sein. Der an einer solchen Lehre Interessierte steht gegenwärtig vor einem Dilemma: Zwar werden verschiedentlich Einzelaspekte hervorgehoben, etwa der Schutz am Vertragsschluss Unbeteiligter, der Schutz des Schwächeren, der Ordre Public und die Sicherheit des Rechtsverkehrs.120 Es fehlt aber nach wie vor an einer Einbettung dieser Gesichtspunkte in einen all­ gemeinen Rahmen.121 So konstatiert der Autor eines einschlägigen Aufsatzes: „Die Lehre vom zwingenden Privatrecht ist nicht in allerbestem Zustand, denn sie wird von den allermeisten Autoren ignoriert.“122

117  Dies sei hier zunächst argumentationshalber unterstellt. Zum Verhältnis der Ebenen Satzung und schuldrechtliche Nebenabrede ausführlich im 2. Teil C. 118  3. Teil A. §  4. 119  Spindler, in: Aktienrecht im Wandel II, S.  995, 998 Rn.  4: „Im alten Octroi-System spiel­ te die Satzungsfreiheit per definitionem keine Rolle.“ 120  S.  d ie Darstellung bei Bechtold, Grenzen, S.  14 f. mit ausführlichen Nachweisen; eine Skizze findet sich bei G.Wagner, ZEuP 2010, 243, 257 ff. 121  So schon Bachmann, JZ 2008, 11. Die Diskussion über die Materialisierung des Schuld­ vertragsrechts hat nicht zur Ausprägung einer allgemeinen Lehre vom zwingenden Privat­ recht geführt, vgl. den Überblick bei Bechtold, Grenzen, S.  16 ff.; Canaris, AcP 200 (2000), 276; Säcker, in: MünchKommBGB, Einl. Rn.  33 ff., jeweils mit Nachweisen. Eine spezifisch der ökonomischen Analyse verhaftete Betrachtung bietet Fornasier, S.  65 ff., der im Ergebnis allerdings lediglich standardisierte Vertragsinhalte betrachtet. 122  G.Wagner, ZEuP 2010, 243, 250; zuvor schon kritisch Bachmann, JZ 2008, 11. In der Sache ebenso Bechtold, Grenzen, S.  15 mit zahlreichen Nachweisen. Ansätze zu einer allge­ meinen Lehre finden sich in der Arbeit von Bechtold auf den S.  19 ff., 43 ff. Doch ist sein Blick­ winkel ein anderer: Er befasst sich mit den Grenzen, „jenseits derer zwingendes Vertragsrecht als Regulierungsinstrument versagt.“ (aaO. S.  47). Damit ist die Frage noch nicht beantwortet, wann die Setzung zwingender Vorgaben überhaupt erwogen werden sollte. An einer allge­ meinen Lehre fehlt es damit nach wie vor.

B.  Zur Begründung zwingenden Privatrechts

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Eine solche Lehre kann hier nicht entwickelt werden. Genauso wenig ist es sinnvoll, an dieser Stelle die in der Literatur genannten Kriterien im Rahmen einer schlichten Sammlung darzustellen.123 Aus diesem Grund verbleibt allein die Möglichkeit, im konkreten Zusammenhang bestimmte Gesichtspunkte wie den Schutz am Vertragsschluss Unbeteiligter heranzuziehen und anhand ihrer offen die Wertungen zu diskutieren, die für maßgeblich erachtet werden.

§  2  Begriff, Wirkung und Funktion zwingenden Rechts als Problem Nicht nur die allgemeinen theoretischen Grundlagen der Kriterien für die Be­ schränkung von Gestaltungsfreiheit sind unklar, sondern weiterhin Begriff, Wirkung und Funktion des zwingenden Rechts. In Deutschland herrscht schematisches Denken im Gegensatzpaar „disposi­ tives Recht und zwingendes Recht“ vor.124 Das übergeht die oftmals fließenden Grenzen zwischen den beiden Formen125 und den Umstand, dass mit der Fest­ stellung, eine Norm sei „zwingend“, noch nichts über den Umfang der Zwangs­ wirkung, das heißt ihre Durchsetzungs- und Geltungsintensität126 gesagt ist. Typischerweise wird „zwingend“ damit gleichgesetzt, dass die Parteien et­ was nicht so gestalten können oder dürfen, wie sie gestalten wollen. Eine erste Unschärfe ergibt sich aber schon mit der Anerkennung der Kategorie „halb­ zwingender“ Normen, von denen, je nach Autor, entweder nur mit Zustim­ mung der geschützten Partei – in jede Richtung – 127 oder – lediglich – zu Guns­ ten der geschützten Partei abgewichen werden darf.128 Jede dieser Interpretatio­ nen gesteht den Beteiligten die Möglichkeit zu, die Geltung der Vorschrift kraft privatautonomen Entschlusses zu beschränken. Aus diesem Grund halten Eini­ ge die in diese Fallgruppe eingeordneten Normen nicht für zwingendes Recht.129 Darüber hinaus wird mit der heute vorherrschend negativen Konnotation nicht abdingbarer Regeln als freiheitshindernd eine wichtige Funktion zwin­ 123 Ein Überblick über Kriterien aus der Perspektive der ökonomischen Analyse des Rechts findet sich bei Fornasier, S.  65 ff. 124  Hierzu kritisch Bechtold, Grenzen, S.  119; Binder, Regulierungsinstrumente, S.  66 ff. 125 Dazu Bachmann, JZ 2008, 11, 14; Binder, Regulierungsinstrumente, S.  65, zu Ansätzen von hybriden Gestaltungen ders. aaO., S.  73 ff.; vgl. auch Fornasier, S.  234; Möslein, Dispositi­ ves Recht, S.  187 ff. 126  Zu verschiedenen Abstufungen der Durchsetzungsintensität zwingenden Rechts Möslein, Dispositives Recht, S.  188. 127  Das heißt auch zum Nachteil der geschützten Partei. In diesem Sinne etwa G.Wagner, ZEuP 2010, 243, 251. 128  Im zuletzt genannten Sinne etwa Wolf, in: Soergel, Einleitung zum BGB Rn.  29. Diffe­ renzierend nach den Wirkungen bestimmter Normen Bork, Allgemeiner Teil, Rn.  97; Wolf/ Neuner, Allgemeiner Teil, §  3 Rn.  19 (S.  19). Weitere Begriffsvarianten bei Kähler, S.  81 f. Zu halbzwingenden Normen auch Möslein, Dispositives Recht, S.  202 ff. 129  Kähler, S.  82.

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genden Rechts ausgeblendet, die erst in jüngerer Zeit wieder betont wird, näm­ lich die der Gestaltungs- und Handlungsermöglichung.130 Die gängige Schutzzweckargumentation führt hier nicht weiter, jedenfalls kann auf ihrer Grundlage kein vollständiges Bild der Wirkungen und Zwecke zwingenden Rechts gezeichnet werden.131 Von der Warte des dispositiven Rechts aus lassen sich weitere Graubereiche ausmachen: Verwiesen sei nur darauf, dass dispositive Normen zur Auslegung beschränkender Generalklauseln herangezogen werden, ausdrücklich in §  307 Abs.  2 Nr.  1 BGB, aufgrund prinzipieller Überlegungen etwa bei §  138 Abs.  1 BGB.132 Im Kontext des weitgehend dispositiven Personengesellschaftsrechts wurde ausführlich erörtert, inwieweit sich Schranken der Gestaltungsfreiheit aus den aus abdingbaren Normen ableitbaren Typengesetzlichkeiten ergeben.133 Weiterhin erzeugt dispositives Recht in vielen Fällen Steuerungswirkungen, die herkömmlich zwingenden Regelungen zugeschrieben werden.134 Das führt zurück zum Problem der Legitimation zwingender Regelungen.135 All dies macht es notwendig, die für das Kapitalgesellschaftsrecht maßgebli­ chen Wertungsgrundlagen herauszuarbeiten, um so die Basis für die Beantwor­ tung der hier angedeuteten Fragen zu gewinnen.

§  3  Kein „Contractarian Approach“ Im deutschen Schrifttum findet ein Ansatz immer mehr Anklang, der der US-amerikanischen rechtsökonomischen Literatur entstammt, die die Corpo­ ration als ein Netzwerk von Verträgen („Nexus of Contracts“) betrachtet.136 Für das Problem der Rechtfertigung zwingenden Kapitalgesellschaftsrechts hat das deshalb Bedeutung, weil ausgehend von dieser Theorie mit Blick auf das

130  Binder, Regulierungsinstrumente, S.   67. Früher schon, vor jeder US-amerikanischen Diskussion um „enabling law“, Ehrlich, S.  67, der zwischen „negativer“ (beschränkender) und „positiver“ (ermöglichender) Funktion zwingender Normen differenzierte. Vgl. zur Ermög­ lichungsfunktion des Rechts auch Bachmann, JZ 2008, 11, 14. Ausführlich unten 3. Teil B. §  2.I. 131  Kritisch schon Binder, Regulierungsinstrumente, S.  67. Ausführlich unten 3. Teil B. §  2 , §  3. 132  Zum AGB-Recht schon Bachmann, JZ 2008, 11, 14. Zu §  138 Abs.  1 BGB Sack/Fischinger, in: Staudinger, §  138 Rn.  56. 133  S.  vor allem H.P.Westermann, Vertragsfreiheit, S.  40 ff. 134  Beispiele unten 3. Teil A. §  1 II. 135  Binder, Regulierungsinstrumente, S.  8 0. 136  S.  nur Eidenmüller, JZ 2001, 1041, 1042 f., 1045 ff.; Fleischer, ZGR 2001, 1, 4 f.; Spindler, AG 1998, 53, 58. Vgl. auch – kritisch, allerdings nicht rundum ablehnend – Zöllner, AG 2003, 2, 10 f. Nachweise zum US-Schrifttum sogleich in den folgenden Fußnoten.

B.  Zur Begründung zwingenden Privatrechts

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deutsche Recht gefordert wird, „der Vertragsfreiheit im Kapitalgesellschafts­ recht möglichst großen Raum zu geben.“137 Ausgangspunkt ist die ökonomische Theorie, nach der das Unternehmen als ein Netz relationaler und unvollständiger Verträge zu betrachten ist.138 Der Be­ griff „Vertrag“ wird von Wirtschaftswissenschaftlern deutlich weiter verstan­ den als von Juristen. Es genügt jede tatsächliche Vereinbarung, deren Erfüllung durch auf die Beteiligten einwirkenden sozialen Druck oder mit Hilfe aus der Verbindung entstehender Selbstdurchsetzungsmechanismen gesichert ist.139 Eine Aussage über die juristische Theorie der Kapitalgesellschaft oder der Cor­ poration wird seitens der Ökonomen damit nicht verbunden.140 Die rechtsökonomische Literatur insbesondere in den Vereinigten Staaten, häufig von Juristen verfasst, versucht jedoch nahezu durchgängig, einen Gleich­ lauf der juristischen Betrachtung der Kapitalgesellschaft mit der eben kurz skizzierten wirtschaftlichen Sichtweise herzustellen.141 Der Streit um die Rich­ tigkeit der Bezeichnung der Corporation als „Nexus of Contracts“ reicht in seiner Bedeutung deutlich über die Frage hinaus, ob der ökonomische Vertrags­ begriff für die Betrachtung gesellschaftsrechtlicher Beziehungen der angemes­ 137  Eidenmüller, JZ 2001, 1041, 1045, unter der Abschnittsüberschrift „III. Rechtspoliti­ sche Überzeugungskraft der ökonomischen Theorie des Kapitalgesellschaftsrechts und rechtliche Grenzen de lege lata.“ 138 Statt aller Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, VIII.1. (S.   408). Geprägt wurde die Wendung „nexus of contracts“ von Jensen/Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305, 310 (1976): „It is important to recognize that most organizations are simply legal fictions [Fußn. ausge­ lassen] which serve as a nexus for a set of contracting relationships among individuals.“; ähn­ lich zuvor schon Alchian/Demsetz, 62 Am. Econ. Rev. 777, 793 (1972): „contractual arrange­ ments known as a firm“. 139  Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, IV.3.1 (S.  166). 140 Vgl. Jensen/Meckling, 3. J. Fin. Econ. 305, 311 (1976): „The private corporation or firm is simply one form of legal fiction which serves as a nexus for contracting relationships and which is also characterized by the existence of divisible residual claims on the assets and cash flows of the organization which can generally be sold without permission of the other cont­ racting individuals. Although this definition of the firm has little substantive content, empha­ sizing the essential contractual nature of firms and other organizations focuses attention on a crucial set of questions – why particular sets of contractual relations arise for various types of organizations, what the consequences of these contractual relations are, and how they are affected by changes exogenous to the organization. Viewed this way, it makes little or no sense to try to distinguish those things that are “inside” the firm (or any other organization) from those things that are “outside” of it. There is in a very real sense only a multitude of complex relationships (i.e., contracts) between the legal fiction (the firm) and the owners of labor, material and capital inputs and the consumers of output. [Fußn. ausgelassen] Viewing the firm as the nexus of a set of contracting relationships among individuals also serves to make it clear that the personalization of the firm […] is seriously misleading. The firm is not an individual. It is a legal fiction which serves as a focus for a complex process in which the conflicting objectives of individuals (some of whom may “represent” other organizations) are brought into equilibrium within a framework of contractual relations.“ 141  Zur Diskussion des „Contractarian Approaches“ in den USA ausführlicher von Hein, Rezeption, S.  619 ff. Einen Überblick in historischer Perspektive liefert Klausner, 31 J. Corp. L. 779 (2006).

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sene ist.142 Denn die Schlussfolgerungen der Contractarians betreffen nicht nur die begriffliche Ebene. Aus der Nexus-Theorie ziehen US-Autoren vielfach in­ haltliche Konsequenzen: „As a positive matter, contractarians contend that corporate law in fact is generally com­ prised of default rules, from which the parties to the set of contracts making up the corporation are free to depart, rather than mandatory rules. As a normative matter, con­ tractarians argue that this is just as it should be.”143

Diese Sichtweise ist bei genauerer Betrachtung hinsichtlich ihres deskriptiven Gehalts falsch und bezogen auf ihren normativen Inhalt zumindest trivial: Die Nexus-Theorie ist keine juristisch zutreffende Beschreibung des gelten­ den Kapitalgesellschaftsrechts, weder in Deutschland, wie schon ein Blick auf §  23 Abs.  5 AktG demonstriert, noch in den Vereinigten Staaten.144 Zwar beto­ nen die Delaware Courts regelmäßig, die Satzung („Certificate of Incorpora­ tion“) sei „a contract among stockholders of the corporation, and the general rules of contract interpretation apply.“145 Allerdings findet sich in einem Urteil 142 Andere Einschätzung bei Binder, Regulierungsinstrumente, S.   71, die aber, wie so­ gleich im Text näher gezeigt wird, nicht vollends überzeugt. Richtig ist allerdings der Hinweis Binders aaO. zur Sinnlosigkeit der Diskussion zwischen Contractarians und Anti-Contrac­ tarians in den USA, soweit diese bloß um Begriffe streiten – das führt in der Tat in der Sache nicht weiter. Zu dieser Terminologie-Debatte von Hein, Rezeption, S.  621 ff. 143  Bainbridge, Corporation Law and Economics, S.  28. Damit hebt Bainbridge die von ihm aaO. S.  27 selbst gemachte Einschränkung der Sache nach auf, ein Problem der Ne­ xus-Theorie sei, dass die Terminologie aus juristischer Sicht als „baggage“ den „focus on legal notions“ mit sich bringe. Auf S.  28 führt er als „important implication“ des „nexus of cont­ racts model“ die Bedeutung für „the proper role of mandatory legal rules“ an. Dann folgt die oben im Text zitierte Passage. Dass die Contractarians es juristisch „ernst“ nicht bloß in be­ grifflicher Hinsicht meinen, wird auch in den Ausführungen von Easterbrook/Fischel, Eco­ nomic Structure, S.  15 ff., deutlich. Diese rechtfertigen unter der Überschrift „Real and Unre­ al Contracts“, dass es um mehr gehe als bloße Begriffsspielereien: „Perhaps the corporate contract, like the social contract, is no more than a rhetorical device. After all, investors do not sit down and haggle among themselves about the terms. [...] So why not view the corpora­ tion as a republican government rather than as a set of contracts? The corporate venture has many real contracts. The terms present in the articles of incorporation at the time the firm is established or issues stock are real agreements. Everything to do with the relation between the firm and the suppliers of labor (employees), goods and services (suppliers and contractors) is contractual. [...] Any remaining terms of the corporate arrangement are contractual in the sense that they are “presets” of fallback terms specified by law and not varied by the corpora­ tion. These terms become part of the set of contracts just as provisions of the Uniform Com­ mercial Code become part of commercial contracts when not addressed explicitly.“ (Kursiv­ setzung im Original) Welche Aussagen konkret normativ oder deskriptiv gemeint sind (vgl. das Zitat im Text zu dieser Fußnote), bleibt oft unklar, s. kritisch Hayden/Bodie, 109 Mich. L. Rev. 1127, 1130 f. (2011). 144  Im neueren US-Schrifttum Hayden/Bodie, 109 Mich. L. Rev. 1127, 1130 (2011): „But even at the most basic of levels, the “corporation as contract” claim is simply incorrect.“ Zuvor etwa Eisenberg, 24 J. Corp. L. 819, 824 (1999). 145  Airgas, Inc., v. Air Products and Chemicals, Inc., 8 A.3d 1182, 1188 (Del. 2010); Centaur Partners, IV v. National Intergroup, Inc., 582 A.2d 923, 928 (Del. 1990); Berlin v. Emerald

B.  Zur Begründung zwingenden Privatrechts

29

des Delaware Chancery Court aus dem Jahr 2009 auch folgende Passage zu ei­ ner Klausel: „[while it] is permissible under the Delaware Limited Liability Company Act and the Delaware Revised Uniform Limited Partnership Act, where freedom of contract is the guiding and overriding principle, it is expressly forbidden by the DGCL.“146

Das Gericht ging also davon aus, es herrsche im Delaware General Corporation Law nicht generell Vertragsfreiheit.147 Als normative Theorie ist die Nexus-Doktrin nichtssagend, was die Privat­ autonomie angeht: Dass im Privatrecht grundsätzlich Vertragsfreiheit gilt, ist keine neue Erkenntnis. Die Forderung unbegrenzter Vertragsfreiheit stellen nicht einmal die Contractarians auf.148 Sie möchten Schranken allein für Fälle des Marktversagens setzen, wenn dispositives Recht nachweislich negative Dritteffekte hätte oder eine der Vertragsparteien nicht in der Lage sei, sich selbst zu schützen.149 Für diese Einsicht bedarf es nicht der methodisch fragwürdigen Übernahme ökonomischer Theorien zur Unternehmung in das Privatrecht. Ob die Nexus-Theorie, wie selbst von namhaften deutschen Kritikern zuge­ standen wird, in anderem Zusammenhang als dem der Rechtfertigung der Ein­ schränkung von Gestaltungsfreiheit nützlich sein kann, ist hier nicht weiter zu vertiefen.150 Partners, 52 A.2d 482, 488 (Del. 1989); KFC Nat. Council and Advertising Co-op., Inc. v. KFC Corp., 2011 WL 350415, S.  10 (Del.Ch. 2011). 146  Sutherland v. Sutherland, 2009 WL 750287, 4 (Del.Ch. March 23, 2009). 147  Der Versuch, die Existenz zwingender Normen mit einem Hinweis auf ihre vermeint­ liche Trivialität abzutun (stellvertretend Bainbridge, Corporation Law and Economics, S.  32), zeigt nur die Brüchigkeit des Konzepts (vgl. hierzu aus US-Warte Eisenberg, 24 J. Corp. L. 819, 823 [1999], aus der deutschen Literatur eingehend von Hein, Rezeption, S.  627 ff.). Nicht überzeugender ist der Versuch, die neue Rechtsform der Limited Liability Company als Beleg zur Nexus-Theorie heranzuziehen (in diesem Sinne Ribstein, Rise of the Uncorporation, S.  4 ff., 119 ff.), s. Hayden/Bodie, 109 Mich. L. Rev. 1127, 1143 (2011). Auch die als empirisch zutreffende Aussage verstandene Feststellung der Contractarians, die „corporate contracts“ seien „wonderfully diverse, matching the diversity in economic activity carried on within corporations“ (Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S.  12), trifft nicht zu. Dazu Klausner, 31. J. Corp. L. 779, 784 (2006): „The contractarian theory has turned out to be based on an entirely plausible, but in fact imaginary, world of contracting. [...] The diversity that exists is not contractual. And the contracts that exists are not diverse – not, at least, in any way that would indicate deliberate efforts to maximize firm value.“ Zu dieser fehlenden Diversität noch unten 3. Teil A. §  1 II. 148  Zumal diese Forderung (ein „Sollen“) aus der Einordnung einer Kapitalgesellschaft als „nexus of contracts“ (ein „Sein“) abzuleiten hieße, ein Sollen aus dem Sein abzuleiten, Eisenberg, 24 J. Corp. L. 819, 824 (1999). 149 Etwa Bainbridge, Corporation Law and Economics, S.   32. Ähnlich Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S.  22 ff. 150 Etwa Zöllner, AG 2003, 2, 11: „Wie auch immer das in Einzelheiten aussehen mag, die Fruchtbarkeit der analytischen Untersuchungsansätze [d.h. der der Neuen Institutionenöko­ nomie entstammenden Ansätze, Anm.  des Autors] ist nach meinem Eindruck groß genug, um intensive Versuche einer Hebung des darin schlummernden Erkenntnispotentials zu rechtfer­

C.  Zur Methode der Arbeit Die Anlage der Arbeit bringt es mit sich, die klassische dogmatische Sichtweise um zwei Punkte zu ergänzen: Offensichtlich ist dies für die Analyse der Ver­ tragsstrukturen von Venture Capital-Vereinbarungen. Diese haben ihren Ur­ sprung in den Vereinigten Staaten, in vielfältiger Hinsicht orientiert sich die deutsche Gestaltungspraxis an den dortigen Regelungsgepflogenheiten. Soweit es Abweichungen gibt, wird von (vor allem: wirtschafts-)wissenschaftlicher Sei­ te häufig eine stärkere Hinwendung zum US-„Modell“ empfohlen.151 Eine rechtsvergleichende Perspektive ist daher zwingend. Darüber hinaus ist es für die Vertragsstrukturanalyse unentbehrlich, die Regelungsprobleme und Verhal­ tensanreize der Beteiligten genauer zu untersuchen. Damit ist der Weg zu einer ökonomischen Analyse vorgezeichnet, auch um die Steuerungswirkung einzel­ ner Abreden zu verstehen. Das erlaubt zugleich, die Grenzen der Gestaltungsfreiheit in Ergänzung zur dogmatischen Betrachtung unter rechtsvergleichenden und rechtsökonomi­ schen Gesichtspunkten anhand konkreter Ansatzpunkte diskutieren zu kön­ nen. Wer sich mit dem Problem der Reichweite zwingender Normen beschäf­ tigt, kommt nicht umhin, ihren Zweck und die Legitimationsgrundlage der Zwangswirkung näher zu beleuchten. Insofern vermag die Einordnung in einen größeren Zusammenhang durch die Einbeziehung ausländischer Lösungsansät­ ze sowie ökonomischer Überlegungen den Blick zu weiten und mehr Material für die Argumentation bereitzustellen. Im Übrigen wird so ein Beitrag zur Prüfung und Durchdringung des Bestan­ des nationaler Vorschriften geleistet, das klassische dogmatische Denken durch Wertungsgesichtspunkte zu ergänzen, die bei der Entwicklung eines Europäi­ schen Gesellschaftsrechts eine tragende Rolle spielen.152

tigen.“ S.  auch die Aufsätze von Eidenmüller, JZ 2001, 1041, 1042 f., 1045 ff.; Fleischer, ZGR 2001, 1, 4 f. 151 Vgl. Kaplan/Martel/Strömberg, 16 J. Fin. Intermediation 273, 275 (2007). Hierzu Teil 1 B. §  2 V. 152  Zu den methodischen Entwicklungsperspektiven für das Europäische Gesellschafts­ recht Fleckner, FS Hopt, Band I, S.  659, 676 ff. Auf die Notwendigkeit, dogmatisches Denken um Wertungsgesichtspunkte zu ergänzen, verweist Koziol, AcP 212 (2012), 1 ff., unter der bezeichnenden Überschrift „Glanz und Elend der deutschen Zivilrechtsdogmatik“.

C.  Zur Methode der Arbeit

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§  1  Rechtsvergleichung I.  Zur funktionalen Methode Die anerkannte Methode der Rechtsvergleichung ist die sogenannte funktiona­ le Methode.153 Ausgangspunkt ist danach der Vergleich von ausländischer und inländischer Rechtsordnung nicht in dogmatischer Hinsicht, sondern bezogen auf die Lösung tatsächlicher Regelungsfragen, anders gewendet: der Vergleich bezogen auf das Sachproblem.154 Häufig steht damit die – vielfach nicht explizit gemachte – Vorstellung in Verbindung, Ziel vergleichender Analyse müsse sein, ihre Ergebnisse für die Auslegung des nationalen Rechts in dem Sinne „frucht­ bar“ machen zu können, dass ausländische Lösungen in das inländische System übertragen werden.155 Darum geht es in dieser Arbeit nicht. Bei der Betrachtung der US-Regelungs­ ordnung steht jedenfalls nicht die mögliche Übertragung von in den Vereinig­ ten Staaten genutzten Begründungs- und Auslegungsmustern in das deutsche Recht im Vordergrund. Vielmehr wird das US-Recht bewusst als ein dem deut­ schen Kapitalgesellschaftsrecht konzeptionell geradezu entgegengesetztes Sys­ tem156 genutzt, um die Legitimationsansätze insbesondere für das deutsche Prinzip der Satzungsstrenge und die generell höhere Zahl zwingender Rechts­ sätze auf ihre Tragfähigkeit hin zu überprüfen. Im Übrigen ist es für das Verständnis des tatsächlichen Regelungsproblems – Gestaltung von Kapitalgesellschaften durch Venture Capital-Vereinbarungen – notwendig, die Besonderheiten der verschiedenen Lösungsstrategien mit Hil­ fe ihrer Einordnung in den Regelungshintergrund herauszuarbeiten. Das dient zudem der Verbesserung der vergleichenden Betrachtung der Kautelarpraxis in Deutschland, die sich, wie erwähnt, teilweise stark an US-amerikanischen Re­ gelungsmustern orientiert. In dieser Arbeit werden empirische Studien zu Wirkungen von Rechtsregeln auf das tatsächliche Verhalten der Marktteilnehmer sowie zur Ausnutzung von Gestaltungsspielräumen verwertet, die häufig aus den Vereinigten Staaten stammen und sich oft allein auf die dortigen Verhältnisse beziehen. Einige deut­ 153  Nach wie vor grundlegend Zweigert/Kötz, §  3 II. (S.  34): „Das methodische Grund­ prinzip der gesamten Rechtsvergleichung, aus dem sich alle anderen Methodenlehrsätze [...] ergeben, ist das der Funktionalität.“ (Kursivsetzung im Original) Einen kritischen Überblick zur funktionalen Methode bietet Michaels, in: Reimann/Zimmermann, Comparative Law, S.  339 ff. 154  Zweigert/Kötz, §  3 II. (S.  34). Kritisch zu diesem Ansatz in jüngerer Zeit etwa (mit Blick auf die notwendige Vergleichstiefe) für das Gesellschaftsrecht Binder, Regulierungsinstru­ mente, S.  16 ff., und wegen der fehlenden theoretischen Untermauerung des Funktionalitäts­ begriffes Michaels, in: Reimann/Zimmermann, Comparative Law, S.  339, 343 ff., 363 ff. 155  S.  Zweigert/Kötz, §  2 III. (S.  16). 156  Dazu unten 1. Teil B.

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Einleitung

sche Autoren merken zur Nutzung solcher Beiträge kritisch an, weil „schon“ die Vergleichbarkeit des nationalen Gesellschaftsrechts mit der ausländischen Rechtsordnung fehle, sei ihre Aussagekraft für die hiesige Diskussion be­ grenzt.157 Das trifft zwar hinsichtlich der materiell-rechtlichen Bestandsauf­ nahme zu, man vergegenwärtige sich nur die Strenge des deutschen Rechts im Vergleich zur offeneren Regelungstechnik vor allem im US-Bundesstaat Dela­ ware.158 Doch bieten empirische Untersuchungen immerhin einen Ausgangs­ punkt, die Konsequenzen unterschiedlicher Regulierungsstrategien159 diskutie­ ren zu können. Insofern liefern sie eine Grundlage für die notwendige und im Rahmen einer juristischen Arbeit allein leistbare Plausibilitätskontrolle.160

II.  Gesellschaftsrecht von Delaware Angesichts der praktischen Vorherrschaft des Gesellschaftsrechts des Staates Delaware wird dieses als Grundlage der folgenden Darstellung der Verhältnisse in den Vereinigten Staaten herangezogen. Das entspricht den Empfehlungen in Standardwerken der einschlägigen US-amerikanischen Literatur:161 „Delaware is the rod against which other possibilities should be measured.“162

Die Organisationsform des Unternehmensträgers ist in der überwiegenden Zahl der Fälle von Venture Capital-Finanzierungen eine Delaware Corporation in Form einer sogenannten C-Corporation.163 Da es hier nicht um die einzelnen Gründe für die Wahl einer bestimmten Rechtsform geht, sondern für die fol­ gende Untersuchung die Feststellung genügt, dass die Parteien regelmäßig das Delaware General Corporation Law zugrunde legen, sei für die komplizierten Details hinsichtlich der Abwägung der jeweiligen Vor- und Nachteile von Limi­ 157 

Binder, Regulierungsinstrumente, S.  100 f. Hierauf bezieht sich Binder, Regulierungsinstrumente, S.  100 f. 159  Zu diesem Begriff im Einzelnen Binder, Regulierungsinstrumente, S.  46 ff. 160  Die Beschränkung auf die Möglichkeit einer Plausibilitätskontrolle betont auch Binder, Regulierungsinstrumente, S.  32. 161  Zu den Gründen etwa Bartlett, Equity Finance I, §  4.18 (S.  74 ff.), der nicht nur darauf hinweist, das Recht von Delaware sei besonders gut für die Rechtsgestaltung geeignet, son­ dern ausdrücklich auch die Schnelligkeit der Bearbeitung von Anträgen im Vergleich zu an­ deren Staaten hervorhebt: „Moreover, the Delaware state secretary’s office is well staffed and Delaware bureaucrats process papers at a high rate of speed.[…] It is often frustrating to attempt to merge two New York corporations because the personnel in the secretary of state’s office get around to clearing the paperwork only in their own sweet time.“ 162  Bartlett, Equity Finance I, §  4.18 (S.  76). 163  Im Gegensatz zu einer „S-Corporation“. „C“ und „S“ beziehen sich auf die Kapitel im Internal Revenue Code, in denen die einschlägigen Regelungen zur Besteuerung der Körper­ schaft zu finden sind. S-Corporations ermöglichen die „flow through“-Besteuerung, bei der nicht die Gesellschaft selbst, sondern allein die Gesellschafter besteuert werden, so dass die­ sen sämtliche Möglichkeiten zukommen, Steuervergünstigungen und -abschläge in Anspruch zu nehmen. Bei einer C-Corporation ist auch die Gesellschaft steuerpflichtig. 158 

C.  Zur Methode der Arbeit

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ted Liability Partnership, Limited Liability Corporation und S- oder C-Corpo­ ration auf das einschlägige Schrifttum verwiesen.164 Aus praktischer Sicht zu beachten ist, dass Section 2115 des California Cor­ poration Code vorsieht, auf eine in einem anderen Bundesstaat registrierte (Fo­ reign) Corporation zusätzlich bestimmte Normen des kalifornischen Rechts anzuwenden, wenn der Durchschnitt dreier im California Corporation Code definierter Wertfaktoren 50% im letzten vollen Geschäftsjahr überschreitet und mehr als 50% der stimmberechtigten Anteile von Personen mit einer kali­ fornischen Adresse gehalten werden.165 Die anzuwendenden Vorschriften be­ treffen vor allem Mehrheitsregelungen zur Wahl der Mitglieder des Board of Directors166 , Haftungsfreistellungen von Directors und Officers, Grenzen für Ausschüttungen an die Anteilseigner,167 Unternehmensumstrukturierungen sowie die Abfindungsansprüche („Appraisal Rights“) von Stimmabweichlern. Da diese Bestimmungen für die Gestaltung des Finanzierungsverhältnisses von untergeordneter Bedeutung sind und das Eingreifen von Section 2115 einzel­ fall­abhängig ist, wird das kalifornische Gesellschaftsrecht in der nachfolgenden Darstellung nicht berücksichtigt. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass der Delaware Supreme Court 2005 die zitierte Norm als Verstoß gegen die Verfassung der USA eingestuft hat.168 In Kalifornien gibt es keine einheitliche Rechtsprechung hierzu. Während der ers­ te Senat (Division 1) des zweiten Jurisdiktionsbezirks des kalifornischen Court 164  Hierzu im Einzelnen Bartlett, Equity Finance I, §  3; Levin, Structuring Venture Capi­ tal, Chapter 3. Eine ausführliche Diskussion zur Wahl der Rechtsform unter steuerlichen Ge­ sichtspunkten liefert Bankman, 41 UCLA L. Rev. 1737 ff. (1994). 165  „(a) A foreign corporation (other than a foreign association or foreign nonprofit corpo­ ration but including a foreign parent corporation even though it does not itself transact in­ trastate business) is subject to the requirements of subdivision (b) commencing on the date specified in subdivision (d) and continuing until the date specified in subdivision (e) if: (1) The average of the property factor, the payroll factor, and the sales factor (as defined in Sections 25129, 25132, and 25134 of the Revenue and Taxation Code) with respect to it is more than 50 percent during its latest full income year and (2) more than one-half of its outstanding voting securities are held of record by persons having addresses in this state appearing on the books of the corporation on the record date for the latest meeting of shareholders held during its latest full income year or, if no meeting was held during that year, on the last day of the latest full income year. […]“ 166  Das betrifft insbesondere das sogenannte Cumulative Voting (dazu unten 1. Teil B §  3. III.1.). 167  Kalifornien ist insoweit deutlich strenger als Delaware. 168  VantagePoint Venture Partners 1996 v. Examen, Inc., 871 A.2d 1108 (Del. 2005). Kon­ kret wurde ein Verstoß gegen Art.  I §  8 clause 3 gerügt, wonach allein der Bundesgesetzgeber („Congress“) Handelsbeziehungen der US-Bundesstaaten untereinander regulieren darf („Commerce Clause“). Für die Entscheidung kam es auf diese Frage nicht an, weil bereits nach Conflict of Laws-Grundsätzen auf Basis der Internal Affairs Doctrine das Recht von Dela­ ware maßgeblich war. Der Delaware Supreme Court hat lediglich die Gelegenheit genutzt, die verfassungsrechtliche Problematik, die für die Vorherrschaft des Rechts von Delaware zen­ trale Bedeutung hat, gleichfalls abzuhandeln.

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Einleitung

of Appeals entschied, Section 2115 des California Corporate Code sei verfas­ sungsgemäß,169 schlug sich der zweite Senat (Division 2) des gleichen Bezirks auf die Seite des Delaware Supreme Court.170

§  2  Ökonomische Analyse Im Streit um die Zulässigkeit und Sinnhaftigkeit einer ökonomischen Analyse des Rechts sind die Argumente weitgehend ausgetauscht. Eine weitere ausführ­ liche Stellungnahme brächte wenig Gewinn. Daher genügt es im Rahmen der Offenlegung der wissenschaftlichen Prämissen, die eigene Grundposition zu skizzieren. „Der schuldrechtliche Vertrag ist Mittel zur Verteilung von Gütern und Dienstleistungen.“171 In einer Marktwirtschaft vollzieht sich diese Verteilung nicht im Vollzug staatlicher Pläne, sondern primär aufgrund autonomer Ent­ scheidungen der Marktteilnehmer. Wenn das Vertragsrecht das Ergebnis der Abkehr von der Ständegesellschaft hin zu einer grundsätzlich frei von politi­ scher Kontrolle stattfindenden Vertragsgestaltung zwischen formal Gleichen darstellt,172 liegt es nahe, diesen Gedanken bei der funktionalen Analyse des Schuldvertragsrechts zu berücksichtigen.173 Nichts anderes gilt für das Gesell­ schaftsrecht.174 Auch dieses Rechtsgebiet dient der Verfolgung frei gesetzter Zwecke, indem es bestimmte Handlungsmöglichkeiten eröffnet.175 Die Kritik an einer ökonomischen Analyse des Rechts oder, im gegebenen Zusammenhang, einer ökonomischen Analyse des Vertrags- und Gesellschafts­ rechts entzündet sich (nicht nur in Deutschland) typischerweise am Begriff der „Effizienz“.176 Das Recht könne nicht allein auf den Gedanken der Allokations­ effizienz reduziert werden, weil damit andere wesentliche Aspekte wie etwa der der „Gerechtigkeit“ außen vor blieben.177 Häufig fällt der Hinweis, das Effizi­ 169  State Farm Mut. Auto. Ins. Co. v. Superior Court, 114 Cal.App.4th 434 (Cal.App.4th 2003). 170  Lidow v. Superior Court, 206, Cal.App.4th 351 (Cal.App.4th 2012). 171  Hofer, in: HKK, vor §  145 Rn.  21. 172  Zu dieser Bewegung „from status to contract“ und neueren, gegenläufigen Tendenzen Bruns, JZ 2007, 385, 386 ff. 173 Ähnlich Fleischer, Informationsasymmetrie, S.  2 24. Zur martkwirtschaftlich verfassten Ordnung im Lichte des Grundgesetzes Fornasier, S.  58 ff. 174 Gleichsinnig Fleischer, in: MünchKommGmbHG, Einl. Rn.  274 mit Nachweisen. 175  Hierzu noch 3. Teil B. §  2. 176  S.  nur Fezer, JZ 1986, 817, 822; Oechsler, Gerechtigkeit, S.  136 ff. Umfassende Nachwei­ se sind im gegebenen Rahmen entbehrlich, insofern sei auf den Beitrag von Taupitz, AcP 196 (1996), 114 ff., verwiesen. Die Masse an kritischem US-Schrifttum bezeichnet Lawson, 42 Duke L. J. 53, 55 Fußn. 10 (1992), treffend als „cottage industry“. Stellvertretend seien hier genannt die bekannten Beiträge von Coleman, 8 Hofstra L. Rev. 509 (1980) sowie Dworkin, 8 Hofstra L. Rev. 563 (1980) sowie der Aufsatz von Lawson mit Nachweisen aaO. 177 Für den deutschsprachigen Raum insbesondere Bydlinksi, Fundamentale Rechts­

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enzkriterium entbehre hinreichender Trennschärfe.178 Zudem gebühre allein dem Gesetzgeber die Entscheidungshoheit, ob und inwieweit der Effizienzge­ danke im Recht Berücksichtigung zu finden habe.179 Die Kritik konzentriert sich nicht selten auf den bekanntesten Vertreter der Chicago School, Richard Posner.180 Dabei wird häufig unterschlagen, dass zum einen andere wichtige Autoren wie etwa Guido Calabresi von Beginn an gemä­ ßigter waren181 und zum anderen die Entwicklung inzwischen weitergegangen ist und wesentlich differenzierter argumentiert wird, als dies noch vor 40 Jahren der Fall war.182 So haben etwa die Neue Institutionenökonomik, die Spieltheo­ rie und neuestens die Einbeziehung von psychologischen Einsichten („Behavio­ ral Law and Economics“) erheblich zur Einhegung und Modifikation vieler in der Tat vereinfachender Annahmen geführt.183 Recht früh schon verwiesen des einseitig ökonomischen Denkens unverdäch­ tige Wissenschaftler darauf, die ökonomische Analyse könne helfen, die „auf dem Spiel stehenden wirtschaftlichen Werte möglichst exakt“ herauszuarbei­ ten.184 Überzeugend betont ein Autor: „[W]e do not operate within one-value view of the world.“185 Wieso auf eine zusätzliche Erkenntnisquelle in Form der Ökonomie verzichtet werden soll, leuchtet daher nicht ein. Außerdem waren insbesondere dem Zivilrecht ökonomische Argumente noch nie fremd.186 In der grundsätze, S.  272 ff.; Fezer, JZ 1986, 817 ff.; ders., JZ 1988, 223, 224, 226. Das anerkennen auch Ott/Schäfer, JZ 1988, 213, 219 („Herstellung von Allokationseffizienz kann nicht das einzige Kriterium einer Sozialethik sein.“) 178  Kritisch etwa Lawson, 42 Duke L. J. 53, 75 ff., der aaO. (97) unter der viel sagenden Überschrift „Enough is enough“ schreibt: „The suspicion arises that a conception of social efficiency that is simultaneously coherent, robust, and economic is simply not to be found. To the best of my knowledge, no one has provided one, and the arguments in this Article [sic!] at least suggest that no one ever will. […] Perhaps the time has come for economists and law and economics scholars simply to stop talking about social efficiency altogether.” 179 Grundlegend Eidenmüller, Effizienz, S.  414 ff., der der ökonomischen Analyse insge­ samt sehr offen gegenübersteht. 180  Diese Zuspitzung ad personam findet aus deutscher Sicht ihren jüngsten Höhepunkt in der von Mestmäcker verfassten Streitschrift „A Legal Theory without Law“ (2007), die sich explizit gegen R. Posner richtet. S.  auch Fezer, JZ 1986, 817, 819, der Letzteren mehrfach im Text hervorhebt. 181  Deutlich wird dies etwa in Calabresi, „About Law and Economics: A Letter to Ronald Dworkin”, 8 Hofstra L. Rev. 553 ff. (1980), ein Beitrag, der generell einen schönen Überblick über die Debatte der 1970er Jahre bietet. 182 Treffend Mackaay, in: Encyclopedia of Law and Economics, S.  92: „After virtually un­ questioned dominance and astonishing success of the Chicago approach in the 1960s and 1970s, since about 1980 practitioners of law and economics no longer sing in a single voice.“ Gegen den jungen und einflussreichen Ansatz „Behavioral Law and Economics“ aber Rittner, JZ 2005, 668. 183  Vgl. den Überblick über „Trends and Themes“ bei Mackaay, in: Encyclopedia of Law and Economics, 81 ff. 184  Bydlinski, Fundamentale Rechtsgrundsätze, S.  283 (Kursivdruck im Original). 185  Trebilcock, Limits of Freedom, S.  248. 186  S.  schon Bydlinski, Fundamentale Rechtsgrundsätze, S.  283 Fn 431: „Der Überschät­

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Rechtsprechung tauchen sie verbrämt als „wirtschaftliche Erwägungen“ oder unter ähnlicher Bezeichnung auf. Folgenabschätzungen sind nichts Neues.187 Die deutsche Rechtsprechung zur Entschädigung bei Eingriffen in das allge­ meine Persönlichkeitsrecht stützt sich ganz offen auf Präventionsargumente,188 die nur schwierig der klassischen Dogmatik zugeordnet werden können, dafür aber umso besser der Steuerungsperspektive der ökonomischen Analyse. Was die Vorwürfe der Modellhaftigkeit und zu starker Abstraktheit ökono­ mischen Denkens angeht, ist entgegenzuhalten, dass dies kein exklusives Defi­ zit der ökonomischen Analyse darstellt.189 Angesichts der Vielzahl unbestimm­ ter Rechtsbegriffe, der zunehmenden Verwendung von Typen und der Existenz von Generalklauseln, die auf außerrechtliche Wertungen hinweisen, gewähr­ leistet eine „rein“ juristisch-dogmatische Gesetzesauslegung häufig kein höhe­ res Maß an Rechtssicherheit oder zwingende Argumente.190 Das wird in jünge­ rer Zeit auch von solchen Wissenschaftlern betont, die der ökonomischen Ana­ lyse eher reserviert gegenüberstehen.191 Die Unsicherheit von Aussagen über die Zukunft ist ebenfalls kein Spezifi­ kum der Ökonomie. Gerichte und Behörden haben diese Schwierigkeiten ­täglich zu bewältigen. Im öffentlichen Umweltrecht etwa spielt die Folgenab­ schätzung im Rahmen des Vorsorgeprinzips192 eine wichtige Rolle. An ver­ schiedenen Stellen hebt der Gesetzgeber selbst Effizienz als Ziel hervor.193 ­Erwägungsgrund 1 der Transparenzrichtlinie verweist expressis verbis darauf, „[e]ffiziente [...] Wertpapiermärkte“ gewährleisteten eine bessere „Kapitalallo­ kation“. Frühzeitige Informationsweitergabe erhöhe den Anlegerschutz sowie die „Markteffizienz“.194 Diesem Ziel dient damit auch das deutsche Transpa­ zung der aktuellen ökonomischen Analyse des Rechts läßt sich entgegenwirken, wenn man hervorhebt, daß sie sogar als solche nicht schlechthin neu ist […].“ 187  S.  d ie Hinweise auf die Kosten-Nutzen-Diskussion im Zusammenhang mit der Entste­ hung des BGB bei Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 149 ff., und allgemein Kübler, FS Steindorff, S.  687, 691 ff. Dass sich die Gerichte dabei nicht der ökonomischen Analyse als Methode be­ dient haben (s. Eidenmüller, Effizienz, S.  425), ist insoweit nicht von Bedeutung. Daraus lässt sich sogar ein Argument ableiten: Wenn sich Gerichte wirtschaftlicher Erwägungen bedie­ nen, ohne die dafür maßgeblichen Prämissen und theoretischen Überlegungen explizit zu machen, ist das ein erhebliches Defizit. Erst die Formalisierung der einschlägigen Passagen in den Urteilsgründen unter Zuhilfenahme anerkannter ökonomischer Methoden und Argu­ mentationsmuster ermöglicht eine kritische Auseinandersetzung und den Nachvollzug der richterlichen Entscheidung. 188  Besonders prononciert in „Caroline von Monaco I“ (BGHZ 128, 1, 16). 189  Zur Starrheit abstrakter Regelungen im deutschen Recht Koziol, AcP 212 (2012), 1, 7 ff. 190  Fleischer, Informationsasymmetrie, S.  2 28; Kübler, FS Steindorff, 687, 696. 191  Etwa von Koziol, AcP 212 (2012), 1, 6 ff., 56 ff. 192  Dazu etwa Appold, in: Hoppe/Beckmann (Hrsg.), UVPG, §  1 Rn.  2 2 ff. 193  Beispiel: §  7 Abs.  1 BHO. Zur „Effizienz als Politik des Gesetzes“ Eidenmüller, Effizi­ enz, S.  452 ff. Zur BHO ders. aaO., S.  465; zum Umwelthaftungsgesetz ders. aaO., S.  453. 194  Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezem­ ber 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen

C.  Zur Methode der Arbeit

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renz-Richtlinie-Umsetzungsgesetz.195 Allgemein sind viele Regelungsentschei­ dungen im Kapitalmarktrecht getragen von dem Gedanken, wirtschaftlich effi­ ziente Regeln zu schaffen.196 Im Übrigen bedeutet die Durchführung einer ökonomischen Analyse des Rechts nicht, dass deren Ergebnisse stets als maßgeblich zu berücksichtigen wä­ ren.197 Sie hilft jedoch dabei, die Argumentationslast so zu verteilen, dass abwei­ chende Erwägungen sorgfältig begründet und nicht ihrerseits mit einem pau­ schalen Verweis auf „Gerechtigkeit“ fundiert werden.198 Unter wissenschaftli­ chen Gesichtspunkten wäre es mindestens fahrlässig, auf ein zur Verfügung stehendes Arbeitsmittel zu verzichten, das einen so großen Widerhall und Ein­ fluss gefunden hat wie die ökonomische Analyse des Rechts. Der ökonomischen Analyse sind bei der Interpretation des Rechts zwei Gren­ zen gezogen. Die erste ist eine starre: Bei einer eindeutigen Entscheidung des Gesetzgebers für oder gegen bestimmte Regelungen, die etwa bestimmte vertei­ lungspolitische Ziele verfolgen, hat eine ökonomische Argumentation im Hin­ blick auf die Auslegung des geltenden Rechts zurückzutreten.199 Legislatorische Richtungsentscheidungen können nicht überspielt werden. Neben diese Schranke tritt eine zweite, flexible Grenze. Widersprechen sich rechtsökonomische und rechtsethische oder „traditionelle“ Argumente, gibt es keine eindeutige Regelung zur Auflösung dieses Konflikts. Hier bedarf es einer Abwägung im Einzelfall zwischen den Beteiligteninteressen oder den Interes­ sen einer Vertragspartei und den Interessen der Gesellschaft als Ganzes.200 Eine solche Abwägung ist wiederum keine Besonderheit, die der ökonomischen Analyse geschuldet wäre, sondern auch im Rahmen eines ausschließlich klas­ sisch-dogmatisch ausgetragenen Streits alltägliches Geschäft der Gerichte.

über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG; Abl. Nr.  L 390 v. 31.12.2004, 38. 195  Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregel­ ten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Transparenzricht­ linie-Umsetzungsgesetz – TUG) v. 5. Januar 2007, BGBl. I S.  10. 196 Ausführlicher Möllers, AcP 208 (2008), 1 ff. Vgl. auch Fleischer, Informationsasymme­ trie, S.  230 am Bsp. des Insiderhandels; Kübler, FS Steindorff, 687, 700. 197  So selbst Ott/Schäfer, JZ 1988, 213, 215: „kein Alleinvertretungsanspruch“. Vgl. außer­ dem Fleischer, Informationsasymmetrie, S.  229 ff.; Grundmann, RabelsZ 61 (1997), 423, 444 ff.; Kübler, FS Steindorff, 687, 698 ff.; Möllers, AcP 208 (2008), 1, 6; sehr vorsichtig für die Mitberücksichtigung ökonomischer Überlegungen auch Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 162. 198  Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 166. 199  Kübler, FS Steindorff, 687, 698. 200  Fleischer, Informationsasymmetrie, S.  231; Grundmann, RabelsZ 61 (1997), 423, 443.

D.  Gang der Untersuchung Der erste Teil der Arbeit beginnt mit der Beschreibung der Regelungsprobleme, die im Rahmen von Wagniskapitalfinanzierungen auftreten und die die Beteili­ gungsvereinbarungen bewältigen helfen sollen. Daran knüpft die ausführliche Erörterung US-amerikanischer Klauselvarianten an. Besonderes Augenmerk liegt auf der Diskussion von Alternativgestaltungen und den Gründen, warum sie nicht oder jedenfalls seltener als häufig vorhandene „Standards“ genutzt werden. Das leistet einen Beitrag zu der insbesondere unter Ökonomen geführ­ ten Debatte und häufig kolportierten Ansicht, das US-Modell habe Vorbild­ charakter und Abweichungen seien Ausdruck schlecht informierter Marktpra­ xis. Neben der Erläuterung der spezifischen Inhalte von Venture Capital-Ver­ einbarungen in den Vereinigten Staaten demonstriert der erste Teil, welche rechtlichen Möglichkeiten ein verglichen mit dem deutschen Kapitalgesell­ schaftsrecht flexibles Regelungsregime zur Verfügung stellt, komplexe Struktu­ ren angepasst an individuelle Bedürfnisse aufzubauen. Insofern handelt es sich um eine Fallstudie, die dem Rest der Arbeit als Folie zugrunde liegt. Der zweite Teil der Arbeit dient dazu, die dogmatische Basis für die Bewer­ tung von Beteiligungsvereinbarungen nach deutschem Recht zu schaffen. In diesem Zusammenhang sind Grundlagenfragen zu klären, die die maßgeblichen Methoden und Instrumente für die Inhaltskontrolle von Vereinbarungen Priva­ ter betreffen. Die Wechselwirkungen von Gesetz, Satzung und schuldrechtli­ cher Nebenabrede werden im Lichte der allgemeinen privatrechtlichen Schran­ ken der Privatautonomie und ihrer Anwendung im Zusammenhang mit der Gestaltung von Kapitalgesellschaften erläutert, die Theorie von der einheitli­ chen Verbandsordnung diskutiert und die Reichweite des Rechts der allgemei­ nen Geschäftsbedingungen und des Konzernrechts untersucht. Im dritten Teil stehen die Legitimation und Reichweite zwingender Normen im Kapitalgesellschaftsrecht im Vordergrund. Er dient der Diskussion der von der herrschenden Meinung vorgetragenen Argumente für die zwingende Aus­ gestaltung kapitalgesellschaftsrechtlicher Normen. Die von der herrschenden Meinung vertretene Ansicht, für die Standardisierung der Rechtsform „Aktien­ gesellschaft“ bedürfe es umfassender zwingender Regelungen, erfährt ebenso wie die historischen Grundlagen der aktienrechtlichen Satzungsstrenge und die verfassungsrechtlichen Determinanten eine kritische Würdigung. Gleiches gilt für die Kontrollfunktion des Kapitalmarkts sowie die Frage, welche Tragweite

D.  Gang der Untersuchung

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die Schlagworte vom Gesellschafter- und Anlegerschutz haben. Die Überle­ gungen schließen mit einer Betrachtung zur Funktion des Kapitalgesellschafts­ rechts als ermöglichendes, vereinfachendes und funktionenschützendes Recht. Der vierte Teil hat schließlich die Prüfung konkreter Gestaltungen aus dem Bereich der Wagniskapitalfinanzierung nach deutschem Recht zum Gegen­ stand. Unter Rückgriff auf die zuvor gewonnen Ergebnisse und die im ersten Teil gezeichnete Folie der US-Praxis werden Möglichkeiten und Grenzen der Privatautonomie bei der Gestaltung von Aktiengesellschaften sowie Gesell­ schaften mit beschränkter Haftung analysiert.

1. Teil

Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung am Beispiel von Venture Capital-Vereinbarungen in den USA Zweck dieses Teils ist die Einführung in die Regelungsnotwendigkeiten der Wagniskapitalfinanzierung (Abschnitt A.) und die Vorstellung eines Modells, wie sich in einem kapitalgesellschaftsrechtlichen Ordnungsgefüge mit weitrei­ chender Gestaltungsfreiheit privatautonome Regelungen treffen lassen (Ab­ schnitt B.). Die Darstellung von Beteiligungsvereinbarungen in den USA dient zwei Zie­ len: In allgemeiner Hinsicht handelt es sich um eine Fallstudie mit dem Zweck, eine Folie herzustellen, vor der das deutsche Kapitalgesellschaftsrecht betrach­ tet werden kann. Dies ermöglicht die Einnahme einer Außenperspektive auf das nationale Recht. Im Besonderen geht es darum, die Grundlagen der Praxis der Wagniskapitalfinanzierung aus juristischer Sicht herauszuarbeiten. Da sich die deutschen Gestaltungen am US-amerikanischen Vorbild orientieren, ist es für deren Verständnis unabdingbar, dieses Muster näher zu ergründen, insbeson­ dere bezogen auf die vor allem in der einschlägigen Praktikerliteratur eher ver­ nachlässigte – in deutscher Terminologie – dogmatische Basis. Anhand eines konkreten Regulierungsereignisses wird so beispielhaft die Komplexität der Aufgabe demonstriert, eine Kapitalgesellschaft den Bedürfnis­ sen der Beteiligten entsprechend zu gestalten. Konkret zeigen die in den USA vorzufindenden Abreden, auf welche Weise sich Regelungsstrategien im Verein­ barungswege realisieren lassen, sofern ein flexibles Kapitalgesellschaftsrecht zur Verfügung steht. Die umfassende Strukturanalyse von Beteiligungsverein­ barungen leistet einen Beitrag, die Landkarte der schon in der Einleitung er­ wähnten „terra incognita der Gesellschafterabreden“1 zu zeichnen. In diesem Teil der Arbeit geht es nicht um das „goldene Kalb“ der wirt­ schaftswissenschaftlichen Forschung, den „optimalen“ Wagniskapitalvertrag.2 Vielmehr konzentriert sich die Darstellung auf die Beschreibung der Anreiz-

1 

Einleitung A. §  1. S.  statt aller Marx, 3 Rev. Econ. Design 371, 373 (1998). Deutlich zurückhaltender dage­ gen Yerramilli, 42 RAND J. Econ. 705, 706 (2011), der in allgemeinem Kontext darauf ver­ weist, eine optimale Verteilung von Kontrollrechten sei nicht möglich. 2 

42

1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

und Regelungsprobleme sowie mögliche gestalterische Lösungen.3 Es wird also nicht versucht, „den“ Wagniskapitalvertrag auf eine einzige Theorie zurückzu­ führen, wie das im ökonomischen Schrifttum gang und gäbe ist.4 Es mutet aus Sicht des Juristen merkwürdig an, wenn die Autoren einer bekannten empiri­ schen Studie fast erstaunt feststellen: „It appears that real-world contracts are more complex than the theories predict.“5

3  Aus diesem Grund ist die Auswertung des gesamten, inzwischen nahezu unübersehba­ ren ökonomischen Schrifttums zu Wagniskapitalfinanzierungen nicht notwendig. Im Text geht es allein um die Darstellung der grundlegenden Regelungsprobleme und denkbarer Lö­ sungsansätze als Vorüberlegung zur – juristischen – Vertragsstrukturanalyse. Dafür genügt die Inbezugnahme ausgewählter Beiträge der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur. Einige darin geäußerte Vorschläge, die in der ökonomischen Literatur durchaus wahrgenommen werden, sind aus juristisch-gestalterischer Sicht zweifelhaft. Das gilt etwa für den Beitrag von Cestone. Diese hält bei hohen Opportunitätskosten des Kapitalgebers für die Bereitstellung nichtmonetärer Leistungen eine Gestaltung für sinnvoll, in der den Gründern sowohl ein Befriedigungsvorrang als auch die Kontrolle über das Unternehmen eingeräumt wird (Cestone, 20). Kein Investor ließe sich auf eine solche Gestaltung ein. Sie ermöglichte den Gründern, auf Kosten des Investors extrem hohe Risiken einzugehen, ohne dass den Kapitalgebern Ein­ griffsmöglichkeiten zur Verfügung stünden. 4  Eine Ausnahme ist Hellmann, 81 J. Fin. Econ. 649, 652 (2006), der aaO. selbstkritisch bemerkt: „Venture capital contracts contain a high level of complexity. My theoretical model hopes to provide a framework for understanding their overall logic. One limitation is that my model can only provide a single rationale for each contractual clause, when in reality there may be multiple rationales. Moreover, it cannot explain all the clauses that are empirically observed.“ Einen mit Blick auf die Empirie kritischen Überblick liefern Kaplan/Strömberg, 70 Rev. Econ. Stud. 281, 306 f. (2003). 5  Kaplan/Strömberg, 70 Rev. Econ. Stud. 281, 307 f. (2003). Für Verwunderung sorgt dann das Abschnittsende nach dem im Text zitierten Satz, im folgenden Teil der Untersuchung würden nun bestimmte Vertragselemente genauer dargestellt „to provide stylized facts for future theoretical work.“ Auf die Komplexität der in der Realität existierenden Verträge ver­ weisen auch Bienz/Hirsch/Walz, in: Letmathe/Witt, S.  15, 32.

A.  Gestaltungsanlässe: Regelungsprobleme der Venture Capital-Finanzierung Der Beteiligungsvertrag stellt die Antwort auf eine komplexe Regelungsproble­ matik dar. Für die sachgerechte Gewichtung der Interessen der Beteiligten ist es notwendig, sich der wirtschaftlichen Hintergründe der Wagniskapital­ fina­ nzierung zu vergewissern. Im juristischen Schrifttum fehlt es an eingehenderen Darstellungen, trotz eines inzwischen beachtlichen Fundus an wirtschaftswis­ senschaftlichen Studien zum Thema. Die ökonomische Literatur konzentriert sich ihrerseits in der Regel lediglich auf einzelne Elemente der Finanzierungsge­ staltung und erfasst daher deren Komplexität und die Wechselwirkungen ver­ schiedener Rechte nur ansatzweise. 6 Um diesen Defiziten zu begegnen und eine ausreichende Grundlage für die unter B. folgende Vertragsstrukturanalyse zu schaffen, ist die Darstellung hier breiter angelegt. Dazu wird zur ersten Orientierung eine Einführung in die Interessenlage und grundlegende Regelungskonflikte geboten (§  1), um darauf aufbauend Ein­ zelprobleme darzustellen (§  2).

§  1  Interessenlage und Regelungskonflikte Die Ausgestaltung der Finanzierungsbedingungen beruht maßgeblich auf Überlegungen, wie der Interessenlage im vertikalen Verhältnis von Investoren und Gründern7 Rechnung getragen werden kann. 8 Weiter zu berücksichtigen 6  Ausnahmen aus der ökonomischen Literatur mit Kritik an der isolierten Betrachtung lediglich einzelner Gestaltungselemente der Wagniskapitalfinanzierung sind etwa die Beiträ­ ge von Cestone, 2, 6; Hellmann, 81 J. Fin. Econ. 649, 652 (1998). Aus empirischer Sicht für den deutschen Wagniskapitalmarkt Bienz/Hirsch/Walz, in: Letmathe/Witt, S.  15, 20. 7  Aus praktischer Sicht ist zu berücksichtigen, dass in dem Zeitpunkt, in dem die ersten Wagniskapitalgeber im „klassischen“ Sinne hinzutreten, schon eine Vorfinanzierung des Un­ ternehmens durch sogenannte „Angel Investors“ stattgefunden haben kann (vgl. Einleitung A. §  2 II.2.). Diese erhalten – auch in den USA – häufig Stammanteile und finden sich im Ver­ laufe der weiteren Finanzierung auf der Seite der Gründer wieder. Aus Vereinfachungsgrün­ den wird im Folgenden nur von „Gründern“ die Rede sein. 8 Etwa Berglöf, 10 J. L., Econ. & Org. 247, 247 (1994): „This article analyzes how an entre­ preneur and an external investor allocate revenues and control among themselves in a venture capital relationship.“; Smith, 53 UCLA L. Rev. 315, 316 (2005): „[The] focus of this Article is

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

ist die horizontale Dimension der Wagniskapitalfinanzierung, vor allem die möglichen Konflikte zwischen Investoren, die spätestens ab der zweiten Finan­ zierungsrunde auftreten.9 Zu diesen unter I. näher erläuterten Aspekten tritt der dynamische Charakter des Finanzierungsverhältnisses (II.).

I. Ausgangslage 1.  Kapitalgeber und Gründer a) Informationsasymmetrien Die Beziehung zwischen Kapitalgebern und Gründern ist von vielen Unsicher­ heiten gekennzeichnet. Insbesondere in frühen Finanzierungsphasen verfügen beide Seiten über wenig Anhaltspunkte, mittels derer sich die Erfolgsaussichten des Unternehmens beurteilen lassen. Zwar führen Investoren intensive Vorsor­ tierungen durch – die Quote von erfolgreichen Bewerbungen um eine Finanzie­ rung ist verschwindend gering –, doch ändert dies nichts daran, dass letztlich mangels ausgeprägter Unternehmensstrukturen im Wesentlichen lediglich über Projektionen und Pläne, nicht jedoch über nachprüfbare Zahlen gesprochen wird. Weder Kapitalgeber noch Gründer können auf sicherem Fundament Aus­ sagen über die mögliche Entwicklung in der Zukunft treffen. Das verschärft die bei jeder Form der Unternehmensfinanzierung auftretende Problematik, die Mittelverwendung seitens des Empfängers nachzuvollziehen.10 Neben dieses Problem, die Handlungen der Gründer zu beobachten, tritt die Schwierigkeit, ex ante ihre Fähigkeiten und Einstellung zum Risiko einzu­ schätzen.11 Insbesondere ihre kaufmännischen Fähigkeiten sind häufig wenig ausgeprägt. Zudem fehlen ihnen regelmäßig ausreichende Kontakte im Markt und nähere Marktkenntnisse.12

the venture capital relationship, stylized here as a relationship between an entrepreneur and a venture capitalist.“ 9 Ausführlicher beschäftigen sich mit dieser horizontalen Ebene etwa R.Bartlett, 54 UCLA L. Rev. 37, 42, 71 ff.; Stevenson, 51 Duke L. J. 1139 (2001); s. auch die Skizze bei Cumming/Johan, Venture Capital, S.  33, sowie Schefczyk, S.  147. 10 Vgl Cornelli/Yosha, 70 Rev. Econ. Stud. 1, 3 (2003). 11  Cumming, 20 J. Bus. Venturing 573, 583 (2005). 12  Aus diesem Grund werden die Kapitalgeber insbesondere in den USA beratend tätig. Dazu etwa Gorman/Sahlman, 4 J. Bus. Venturing 231 (1989). Auch in Deutschland wird die­ se Funktion von Wagniskapitalgebern inzwischen stärker wahrgenommen, s. etwa Feinendegen/Hommel/Wright, FB 2001, 569, 575; Hommel/Ritter/Wright, FB 2003, 323, 329; vgl. auch Bienz/Hirsch/Walz, in: Letmathe/Witt, S.  15, 28, 30.

A.  Gestaltungsanlässe: Regelungsprobleme der Venture Capital-Finanzierung

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b)  Fehlen von Sicherheiten und finanzieller Beiträge der Gründer Im regulären Bankgeschäft kompensieren Kreditsicherheiten die oben beschrie­ benen Informationsdefizite.13 Indem die Gläubiger Sicherheiten verlangen, ver­ lagern sie die Selektion zwischen kreditwürdigen „guten“ und kreditunwürdi­ gen „schlechten“ Schuldnern auf die Schuldner selbst.14 Wer nicht bereit ist, Si­ cherheiten zu gewähren, sortiert sich selbst aus.15 Weil im Bereich der Wagniskapitalfinanzierung bereits dem Konzept nach Sicherheiten fehlen, bedarf es aus Investorensicht vertraglicher Ausgleichsme­ chanismen.16 Ähnliches gilt mit Blick auf die fehlende Beitragsleistung der Gründer. Hinzu kommt ein weiteres Problem: Da die Gründer regelmäßig nicht über nennenswerte finanzielle Eigenmittel verfügen, die sie in das Unternehmen ein­ bringen können, treffen sie Verluste bei einem Misserfolg in geringerem Um­ fang. Risikoreiche Geschäfte und nicht ausreichender Einsatz für die Belange des Unternehmens gehen finanziell vorrangig zu Lasten der Kapitalgeber. Das ist insbesondere in wirtschaftlich schwierigen Lagen ein problematischer Fehlanreiz. Um hier gegenzusteuern, sind verschiedene Kontrollrechte not­ wendig.17 Außerdem haben die Gründer, sofern sie über Mehrheiten in der Gesellschaf­ terversammlung und im Board of Directors verfügen, die Möglichkeit, Vermö­ gensausschüttungen in Form von Dividendenzahlungen an sich zu veranlassen, um so wenigstens einen Teil der Mittel zu vereinnahmen, welche die Investoren zur Verfügung stellen. c)  Wahl der Finanzierungsform Weiterhin stellt sich für die Investoren die Frage, welche Finanzierungsform sie sinnvollerweise wählen sollten. Sie wollen den Gründern grundsätzlich ledig­ lich für eine zeitlich begrenzte Periode Mittel zur Verfügung stellen, ohne die vollen unternehmerischen, mit einer Gesellschafterstellung verbundenen Risi­ ken zu tragen. Der klassische Weg hierfür wären verzinsliche Darlehen. Mit diesen könnten die Kapitalgeber für einen genau umrissenen Zeitraum Geld gegen eine Vergütung gewähren, ohne dass ihr Rückzahlungsanspruch juris­ tisch dem Umfang nach vom unternehmerischen Erfolg abhinge. Zudem wären ihre Ansprüche im Liquidationsfall vorrangig zu bedienen. Doch fehlt insbe­

13  Zur Beurteilung von Kreditsicherheiten aus informationsökonomischer Sicht Emons, in: Wiegand, Personalsicherheiten, S.  13 ff. 14  Emons, in: Wiegand, Personalsicherheiten, S.  13, 17 f. 15  Emons, in: Wiegand, Personalsicherheiten, S.  13, 18. 16  Baums/Möller, in: Hommel/Knecht (Hrsg.), Start-Up-Management, S.  396. 17  S.  D essein, 60 J. Fin. 2513, 2531 (2005).

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

sondere jungen Unternehmen der Cash Flow, Zinsverpflichtungen laufend zu bedienen.18 Hinzu kommt, dass mit einem „klassischen“ Darlehen für die beschriebenen Informationsprobleme der Investoren keine ausreichenden juristischen Instru­ mente einhergehen, die Verwendung der Mittel zu kontrollieren. Dies spricht eher für Beteiligungsformen, die mehr Elemente einer Gesellschafterstellung enthalten, etwa Frage- und Weisungsrechte. Freilich ist darauf zu achten, die Beteiligungsform gleichzeitig – in Abweichung von der klassischen Mitglieds­ position – so auszugestalten, dass neben den eben genannten Befugnissen noch Gewinnbeteiligungsrechte eingeräumt werden, die in ihrer Unabhängigkeit vom Unternehmenserfolg einem herkömmlichen Darlehen zumindest ähneln. d)  Interessenkonflikte bei der Unternehmensleitung Die Interessen von Gründern und Investoren divergieren aufgrund unter­ schiedlicher Zwecksetzungen: Während die Kapitalgeber das Projekt rein ge­ winnorientiert betrachten und die Erträge als Maßstab des Erfolgs heranziehen, spielen für die Gründer darüber hinaus private Vorteile eine nicht zu unter­ schätzende Rolle. Sie erlangen etwa Reputation, Geschäftskenntnisse und Kon­ takte zu potentiellen Geschäftspartnern und anderen Kapitalgebern – sämtlich Faktoren, die ihr späteres Fortkommen fördern.19 Da aus Sicht der Gründer ungewiss ist, wie die Investoren ihren Einfluss hinsichtlich der (Mit-)Steuerung der Unternehmenspolitik sowie der Liquidation oder Veräußerung des Unter­ nehmens ausüben, haben sie einen Anreiz, sich diese privaten Vorteile mög­ lichst früh in möglichst großem Umfang zu verschaffen und das Unternehmen entsprechend zu leiten.

2.  Verhältnis der Gesellschafter untereinander Zu diesen Schwierigkeiten, die von Beginn an existieren, gesellen sich im weite­ ren Verlauf der Finanzierung neue Probleme: In das Verhältnis zwischen erstem Kapitalgeber und Gründer treten ab der zweiten Finanzierungsrunde Investo­ ren hinzu, so dass der frühere Kapitalgeber und die Gründer um ihre Stellung fürchten müssen, sowohl was die Mitspracherechte angeht als auch mit Blick auf die Gewinnbeteiligung. Auf dieser horizontalen Ebene können außerdem Strei­ tigkeiten über strategische Entscheidungen auftreten, etwa über die Fortfüh­ rung des Unternehmens.20 18 

S.  nur Cumming, 20 J. Bus. Venturing 573, 607 (2005). Hart, 39 J. Econ. Lit. 1079, 1085 (2001), der darüber hinaus die Macht erwähnt, bei In­ nehabung einer Kontrollposition über die Besetzung von Posten zu bestimmen und Gelder für andere, eigene Projekte zu verwenden. 20 Ausführlich zu diesen Intrainvestorenkonflikten, die in der ökonomischen Literatur bislang keine besondere Beachtung erfahren, R.Bartlett, 54 UCLA L. Rev. 37, 71 ff. (2006). 19 

A.  Gestaltungsanlässe: Regelungsprobleme der Venture Capital-Finanzierung

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Außerdem müssen sich die Beteiligten davor schützen, dass einer der Grün­ der das Unternehmen vorzeitig verlässt. Dies hätte einen Wissensverlust zur Folge, der für ein gerade erst im Aufbau befindliches Projekt angesichts einer bewusst knappen Ausstattung mit kompetentem Personal in der Regel sehr schädlich wäre.

II.  Wagniskapitalverträge als dynamische Verträge Wagniskapitalverträge sind ein Beispiel für im ökonomischen Sinne unvollstän­ dige Verträge.21 Selbst wenn die Parteien wollten, könnten sie nicht sämtliche in der Zukunft auftretenden Probleme abschließend regeln. Ihre Vereinbarung weist für einen – bei Abschluss noch nicht bestimmbaren – Zeitpunkt in der Zukunft Lücken auf, weil nicht vorhersehbar ist, wie sich die Dinge entwickeln werden.22 Die Anreizstruktur verändert sich je nach Unternehmensfortschritt, der seinerseits angesichts der Abhängigkeit von vielen Zufällen selbst bei bestem Bemühen nicht antizipierbar ist. Daher bedarf es neben der Aufteilung von Zu­ griffsrechten auf die im Unternehmen gebundenen Werte der Festschreibung prozeduraler Instrumente im ursprünglichen Vertrag, die die Neuverteilung von Kontroll- und Entscheidungsrechten erlauben.23 Insbesondere ist die Steuerung des aus Sicht einer Partei von außen nicht nachvollziehbaren Verhaltens des anderen Teils notwendig. So müssen die Ka­ pitalgeber sicherstellen, dass die Gründer nicht mit dem zur Verfügung gestell­ ten Geld neben dem finanzierten Projekt noch private Forschungsinteressen fi­ nanzieren, etwa die Beteiligung an wissenschaftlichen Konferenzen zu anderen Themen.24 Für die Einrichtung entsprechender Anreiz- und Kontrollstruktu­ ren ist zu berücksichtigen, dass das Interesse von Investoren und Gründern hin­ sichtlich der zu erreichenden Ziele durchaus nicht übereinstimmt.25 Die Lösung dieses Zielkonflikts oder jedenfalls die Schaffung eines strukturellen Rahmens zur Abmilderung der aus dem Konflikt resultierenden Schwierigkeiten ist Ge­ genstand der Ausgestaltung des Finanzierungsverhältnisses.

21  Aghion/Bolton, 59 Rev. Econ. Stud. 473, 476 (1992); Dessein, 60 J. Fin. 2513 (2005); Schefczyk, S.  154 ff.; Smith, 53 UCLA L. Rev. 315, 321. Einen ersten Überblick zur ökonomischen Theorie bietet Hart, 39 J. Econ. Lit. 1079, 1083 ff. (2001). 22  Aghion/Bolton, 59 Rev. Econ. Stud. 473, 476 (1992). 23  Einführung anhand eines Beispiels bei Hart, 39 J. Econ. Lit. 1079, 1086 f. (2001). 24  Dieses Problem wird vor allem in den USA diskutiert, weil dort eine hohe Anzahl von Gründern aus der Universtität heraus ein Unternehmen aufbaut. Prominente Beispiele hier­ für sind Facebook, Google und Microsoft. 25  Dazu schon oben I.1.d).

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

§  2  Einzelprobleme Die eben beschriebenen Schwierigkeiten lassen sich weiter ausdifferenziert dar­ stellen und konkreten Problemfeldern zuordnen. Ausgangspunkt für diese Sys­ tematisierung ist die Einordnung des Verhältnisses von Gründern und Kapital­ gebern in den weiten Rahmen der Agenturtheorie.26 Die Parteien haben Infor­ mationsdefizite hinsichtlich der Zukunftsaussichten des zu finanzierenden Unternehmens und bezogen auf mögliche Handlungen des jeweiligen Vertrags­ partners. Damit gehen verschiedene Gefahren einher, die im Folgenden näher charakterisiert werden.

I.  Zu geringe Anstrengung (Underinvestment) Ein aus der Beziehung zwischen Gründern und Investoren resultierendes Pro­ blem ist die Gefahr, dass der Agent sich nicht ausreichend im Sinne des Prinzi­ pals anstrengt, ohne dass der Letztere dies nachvollziehen kann.27 Im Fall der Wagniskapitalfinanzierung können nach dem überkommenen ökonomischen Verständnis Kapitalgeber und Gründer jeweils sowohl Agent als auch Prinzipal sein (sogenannter Bilateral Moral Hazard).28

1.  Gründer als Agenten und Kapitalgeber als Prinzipale Hinsichtlich des investierten Kapitals sind die Gründer Agenten der Kapitalge­ ber. Die Gründer leiten zumindest in den ersten Lebensphasen des Unterneh­ mens die Geschäfte und sind verantwortlich für die Umsetzung der Ideen, die durch die Innovationsfinanzierung in vermarktbare Produkte gegossen werden sollen. Da bei vielen Unternehmen kaum materielle Vermögensgegenstände vorhanden sind, vermögen die Kapitalgeber nur unter Schwierigkeiten zu kon­ trollieren, wozu das bereitgestellte Kapital benutzt wird und ob sich die Grün­ der ausreichend anstrengen. Stellen Letztere fest, dass sie bei optimalem Einsatz den Unternehmenswert bestenfalls auf einen Stand bringen können, die Forde­ rungen der Investoren zu bedienen, sie selbst aber keine Einnahmen erzielen, wirkt sich das demotivierend aus.29

26  Zur Einordnung der Venture Capital-Problematik in den Zusammenhang der Agentur­ theorie etwa Cumming/Johan, Venture Capital, S.  32 ff.; Schefczyk, S.  139 ff., der weitere Fein­ differenzierungen vornimmt, die aber für die Darstellung an dieser Stelle nicht von Bedeu­ tung sind. 27  Zum Begriff etwa Cumming/Johan, Venture Capital, S.  35. 28  Cumming/Johan, Venture Capital, S.  35; Schmidt, 58 J. Fin. 1139, 1140 (2003). 29  Cumming/Johan, Venture Capital, S.  42.

A.  Gestaltungsanlässe: Regelungsprobleme der Venture Capital-Finanzierung

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2.  Kapitalgeber als Agenten und Gründer als Prinzipale Sollen die Investoren neben dem Kapital weitere Leistungen wie etwa Unter­ stützung und Beratung bei der Unternehmensführung erbringen,30 handeln sie (auch) als Agenten der Gründer. Insoweit ergibt sich unter Umständen das Pro­ blem, dass die Kapitalgeber sich ihrer Aufgabe weniger stark widmen als mög­ lich und wünschenswert mit Blick auf die Steigerung des Unternehmenswertes. Aus Sicht der Investoren, die über ein Portfolio von Investitionen in verschiede­ ne junge Unternehmen verfügen, ist es wirtschaftlich kaum sinnvoll, Zeit und Mühe auf solche Projekte zu verwenden, die sich lediglich durchschnittlich oder leicht unterdurchschnittlich entwickeln. Dass diese Gefahr nicht nur theoreti­ scher Natur ist, wird deutlicher, wenn die geringe Zahl erfolgreicher Unterneh­ men berücksichtigt wird. Ein Beispiel anhand einer Untersuchung zur Profita­ bilität von Wagniskapitalfinanzierungen in den USA: Während von 383 Investitionen sich ca. 15% als sehr profitabel erwiesen und mehr als das Fünffache des ursprünglich investierten Betrages einbrachten,31 existierten neben ca. 35% Verlustgeschäften noch ca. 50% Unternehmen, die im Industriejargon als „Walking Dead“ oder „Living Dead“ bezeichnet werden 32 und weder Verluste verursachen noch größere Profite.33 Für die Kapitalgeber ist es vielversprechender, nach einem weiteren „High Flyer“ oder „Home Run“ zu suchen, als neben dem monetären Kapital weitere Investitionen in Form von Beratungsleistungen zu erbringen.34 Ein hierzu befragter Anwalt betonte, bei „Living Dead“ sei es für die Investoren geboten, sich sofort zurückzuziehen. Ob die Aufrechterhaltung der Beteiligung möglicherweise dazu führe, eine Million Dollar mehr erzielen zu können, sei angesichts viel besserer Gewinn­ aussichten bei zügiger Reinvestition in ein wirtschaftlich erfolgreicheres Unter­ nehmen irrelevant.35

30  Insbesondere in den USA ist dies eine zentrale Aufgabe der Wagniskapitalgeber, s. zu diesem Problem des „value-added“ oder „added value“ Hellmann/Puri, 57 J. Fin. 169 (2002). Auch in Deutschland wird diese Aufgabe inzwischen als wesentlich wahrgenommen, s. Feinendegen/Hommel/Wright, FB 2001, 569, 575; Hommel/Ritter/Wright, FB 2003, 323, 329; Schefczyk, S.  338 ff., 399 f. Zum Einfluss des „value-added“ in europäischen Finanzierungen Croce/Martí/Murtinu, 28 J. Bus. Vent. 489 (2013). 31  Ein Beispiel aus jüngerer Zeit: Ein Kapitalgeber investierte USD 500.000 in das Unter­ nehmen Facebook und erhielt bei seinem Exit insgesamt mehr als USD 1.000.000.000(!) (s. etwa Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr.  195 vom 22.08.2012, S.  16, unter der Überschrift „Zahltag für den frühen Aktionär“). 32  Bartlett, Equity Finance I, §  13.5 (S.  302). 33  Sahlmann, 27 J. Fin. Econ. 473, 484 (1990), der weitere Differenzierungen vornimmt, die hier aber nicht relevant sind. Zu den Gründen für die hohe Zahl dieser nur mäßig erfolgrei­ chen jungen Unternehmen Gorman/Sahlman, 4 J. Bus. Venturing 231, 238 ff. (1989). 34  Schmidt, 58 J. Fin. 1139, 1148 (2003). 35  Interview im Silicon Valley am 12.03.2010.

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

Angesichts des erheblichen Renditedrucks, unter dem die Investoren stehen, haben sie kaum eine andere Wahl.36 Die Gründer verfügen über allenfalls be­ grenzte Möglichkeiten, solchen nachlassenden Bemühungen entgegenzusteu­ ern.

II. Selektionsprobleme Eine Schwierigkeit für Wagniskapitalinvestoren besteht darin, lohnende Pro­ jekte ausfindig zu machen, die das mit der Kapitalvergabe verbundene Risiko rechtfertigen. Da es, wie eingangs dieses Kapitels dargestellt, häufig an objektiv nachprüfbaren Informationen über die Gründer und ihre Geschäftsidee fehlt, stellt sich für die Investoren die Frage, nach welchen Kriterien sie eine Auswahl unter den verschiedenen Anlagemöglichkeiten treffen können. Dieses Problem ist auch eines für Gründer, weil sie nicht ohne weiteres glaubhafte – von Dritten überprüfbare – Angaben zur Qualität ihrer Idee und zu ihren Fähigkeiten ma­ chen können. Ob es sich hierbei um ein Problem der sogenannten adversen Selektion handelt oder nicht, kann als Diskussionsthema der Wirtschaftswis­ senschaft überlassen bleiben.37 Selbst wenn man davon ausgeht, das Problem der adversen Selektion stelle sich nicht oder es sei zumindest von untergeordneter Bedeutung, bleibt aus Sicht der Kapitalgeber immer noch die Schwierigkeit, über die Investitionsdauer „schlechte“ Unternehmer möglichst früh zu identifi­ zieren und sie auszusortieren. Insoweit existiert ein Selektionsproblem.38

III. Hold-up 1.  Hold-up der Gründer durch die Kapitalgeber Ein Problem der Wagniskapitalfinanzierung resultiert aus ihrer zeitlichen Be­ schränkung auf wenige Jahre und der üblicherweise gestaffelten Vergabe finan­ zieller Mittel.39 Die Investoren wollen ihr Finanzierungsrisiko vor allem bei sehr jungen Unternehmen in deren ersten Wachstumsphasen dadurch möglichst niedrig halten, dass sie zunächst verhältnismäßig geringe Beträge gewähren, die sie bei entsprechendem Erfolg des Unternehmens in nachfolgenden Finanzie­ rungsrunden erhöhen.40 Im Fall von Apple Computers etwa wurden in der ers­ 36 

Zum Renditedruck Leavitt, 6 N.C. J. L. & Tech. 223, 267 ff. (2005). zum Beispiel Cumming, 20 J. Bus. Venturing 573, 583 (2003); Cumming/Johan, Venture Capital, S.  36 ff. Kritisch etwa Schefcyk, 150 f. 38  Zu den theoretischen Anreizen, ein Screening durchzuführen, und zu den Auswirkun­ gen von Wettbewerb auf dem Markt für Wagniskapitalfinanzierung Inderst/Müller, 72 J. Fin. Econ. 319, 346 f. (2004). 39  Zur gestaffelten Finanzierung unten B. §  4. 40  Bleibt der Erfolg aus, kommt es allerdings, sofern die Kapitalzufuhr nicht vollständig eingestellt wird, zu sogenannten „Down-Rounds“, in denen in der nachfolgenden Runde Ka­ 37  Dafür

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ten Finanzierungsrunde USD 518.000 ausgegeben, in der zweiten USD 704.000 und in der dritten USD 2.331.000.41 Arbeiten die Gründer erfolgreich und wird das Unternehmenswachstum po­ sitiv bewertet oder sehen die Kapitalgeber die Möglichkeit, durch eine Liquida­ tion Vermögenswerte unter Marktwert zu erlangen,42 ergibt sich für die Inves­ toren der Anreiz, eine Neuverhandlung ihrer Gewinnbeteiligungsrechte zu er­ zwingen:43 Die Gründer sind auf weiteren Kapitalzufluss angewiesen und haben nicht ohne Weiteres Zugang zu anderen Finanzierungsquellen. Können sie kein neues Kapital einwerben, verlieren die bereits geleisteten Anstrengun­ gen ihren Wert, weil sich das Unternehmen noch nicht aus eigenen Erträgen zu finanzieren vermag. Damit eröffnet sich für die Kapitalgeber die Chance, die Weiterfinanzierung von besseren Konditionen abhängig zu machen, etwa eine Option auf mehr Gesellschaftsanteile zu erhalten als ursprünglich vereinbart, oder so lange zu warten, bis das Unternehmen am Rande der Insolvenz steht, um die folgende Finanzierungsrunde als „Down Round“ ausgestalten zu kön­ nen.44 Die damit einhergehende niedrigere Bewertung der Anteile für das zu­ sätzliche Kapital verändert rückwirkend die Preise für sämtliche vorhergehende Finanzierungsrunden, weil die meisten Beteiligungsvereinbarungen Verwässe­ rungsschutzklauseln vorsehen.45 Das Problem wird in der Literatur anschaulich beschrieben: „Common shareholders have little chance to prove their case in court because they would have to prove a speculative counter-factual in the environment where there is very little good evidence admissible in court. While the correct question is “where would the firm be today if VCs did not opportunistically delay financing?”, the question the courts are most equipped to ask is “where would the firm be today if VC today did not provide the financing at the last minute?” The answer to the latter question is often “in bank­ ruptcy,” which leaves founders without damages.“46

Diese Situation, in der eine Partei in ihrer Position „gefangen“ und der anderen Seite ausgeliefert ist, bezeichnet das ökonomische Schrifttum als Hold-up Pro­ blem.

pital auf Basis einer niedrigeren Anteilsbewertung vergeben wird, als dies in der vorhergehen­ den Runde der Fall war. Das führt zu einer erheblichen Verwässerung der Gründerbeteili­ gung. Hierzu noch unten B. §  12. 41  Zahlen nach Gompers, 50 J. Fin. 1461, 1465 (1995). 42 Das betrifft insbesondere solche Vermögenswerte, die von den Gründern unterneh­ mensspezifisch geschaffen wurden, etwa Computerprogramme oder bestimmte Produkti­ onsweisen, vgl. Berglöf, 10 J. L., Econ. & Org. 247, 248 (1994). 43  Admati/Pfleiderer, 49 J. Fin. 371, 388 f. (1994); Schmidt, 58 J. Fin. 1139, 1153 (2003). 44  Zum Begriff der Down Round oben Fußnote 40. Ausführlich zu Down Rounds unten B. §  12. 45  Zu diesen Verwässerungsschutzklauseln unten B. §  5 II. 46  Atanasov/Ivanov/Litvak, Expropriation, S.  7.

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

2.  Hold-up der Kapitalgeber durch die Gründer Aus Sicht der Kapitalgeber entsteht ein Hold-up Problem, wenn die Gründer mit dem Ausstieg drohen. Da der Erfolg des Unternehmens ganz erheblich von den speziellen Fähigkeiten und Kenntnissen der Gründer abhängt, sind diese ihrerseits Inhaber einer Machtstellung, sobald sich die Investoren beteiligt ha­ ben. Verlässt einer der Gründer das Unternehmen, gefährdet dies in weiteren Finanzierungsrunden die Gewinnung neuer Kapitalgeber und die Fortführung des Projekts.47 Im schlimmsten Fall ist das Projekt bereits mit dem Ausstieg ­eines der Gründer unmittelbar faktisch beendet und die gesamte Investition entwertet, weil der Wissens- und Kompetenzverlust nicht kompensiert werden kann. Die Folgen des Weggangs eines Gründers verdeutlichte ein US-Praktiker in einem Interview anhand eines ihm bekannten Falles: Aus einem Unter­ nehmen mit einem Wert von mehreren Millionen Dollar sei ein Teil der Grün­ der ausgeschieden. Infolge dessen sei die Bewertung der Anteile „auf Null“ ge­ fallen.48 Den Gründern bietet sich demnach die Möglichkeit, Druck auf die Kapital­ geber auszuüben, bestimmte Beteiligungsmodalitäten neu zu verhandeln.49 Diese Problematik wird dadurch verschärft, dass die Gründer als Beteiligungs­ kapital ihr Know-how einbringen, also Humankapital. Die Besonderheit be­ steht insoweit darin, dass dieses im Gegensatz zu sonstigen Kapitalformen nicht als solches vertraglich gebunden werden kann. Materielle Vermögensgegenstän­ de sind stets durch Vertrag ex ante von der Person separierbar, die sie bereit­ stellt, etwa durch Übereignung oder Verpfändung. Das eröffnet Dritten den Zugriff auf solche Vermögensgegenstände.50 Dies ermöglicht die Aufteilung des gegenwärtigen Wertes des Projektes zwischen den Beteiligten, indem bei Ver­ tragsschluss Rechte geschaffen werden, die jeder Partei für bestimmte, ex ante definierte Zustände erlauben, Vermögenswerte in einem ebenfalls festgelegten oder jedenfalls vorhersehbaren Umfang zu realisieren. Konkret können dies Si­ cherheiten sein (etwa ein Pfandrecht an einer Maschine) oder die Gewährung einer bestimmten Anzahl von Anteilen, die Gewinnbezugsrechte enthalten. Diese Trennbarkeit von Person und Kapital gibt es nicht hinsichtlich des Hu­ man­kapitals, so dass insofern keine rechtlich durchsetzbare Aufteilung zwi­ schen den Parteien vorgenommen werden kann.51 Zwar mag ein Gründer versprechen, seine Kenntnisse für das Unternehmen und damit im Interesse der Kapitalgeber einzusetzen. Doch lässt sich das nicht hinreichend konkretisieren, um eine durchsetzbare Pflicht zur Verwendung be47 

Denis, 10 J. Corp. Fin. 301, 315 (2004). Interview mit einem im Silicon Valley tätigen Anwalt am 08.03.2010. 49  Neher, 66 Rev. Econ. Stud. 255, 255 f. (1999). 50  Hart/Moore, 109 Q. J. Econ. 841, 845 (1994). 51  Hart/Moore, 109 Q. J. Econ. 841, 847 (1994). 48 

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stimmter Kenntnisse zu einem bestimmten Zeitpunkt zu schaffen. Da die Ent­ wicklung des Unternehmens nicht absehbar ist, besteht keine Möglichkeit, Handlungspflichten so konkret zu definieren, dass eine Vollstreckung in Be­ tracht kommt. Über ein „Tue Dein Bestes!“ hinaus scheidet eine Vereinbarung aus. Konkretisieren lässt sich immer erst nachträglich, wenn ein rechtlich defi­ nierter Vermögensgegenstand geschaffen wurde, etwa ein Patent. Selbst ein Schadensersatzanspruch der Kapitalgeber gegen einen Gründer, der sich nicht ausreichend anstrengt, ändert nichts daran, dass die Investoren keinen Zugriff auf das Humankapital erhalten,52 zumal die Geltendmachung vor Gericht regel­ mäßig zweifelhafte Erfolgsaussichten hat. Dieses Problem verringert sich über die Dauer der Finanzierung, weil im Laufe der Zeit mehr Vermögensgegenstände entstehen, die einer gesonderten Vereinbarung zugänglich sind und damit der Investitionssicherung dienen ­können.53 Eine weitere Spielart des Hold-up Problems im Kontext von Wagniskapitalfi­ nanzierungen besteht in der Gefahr, dass die Gründer ihre Kontrolle des Ma­ nagements nicht aufgeben, obwohl die Auswechselung eines Gründers durch professionelle Manager den Unternehmenswert steigerte.54 Das gilt insbesonde­ re, wenn die Gründer in großem Umfang private Vorteile aus ihrer Führungs­ rolle ziehen.55

3.  Hold-up innerhalb der Gruppen a)  Hold-up innerhalb der Gründergruppe Ein Problem innerhalb der Gründergruppe entsteht, wenn eines ihrer Mitglie­ der, etwa wegen einer besseren Beschäftigungsmöglichkeit außerhalb, das Un­ ternehmen verlässt, seine Anteile jedoch behält. In diesem Fall profitierte es als „Trittbrettfahrer“ von den Anstrengungen anderer.56 Wollen die restlichen Gründer diese Situation vermeiden, haben sie sie jedoch nicht schon bei Zusam­ menschluss geregelt, entsteht ein erhebliches Erpressungspotenzial. b)  Hold-up innerhalb der Investorengruppe Innerhalb der Gruppe der Investoren kann es zu erheblichen Konflikten kom­ men. Ein Grund dafür liegt in der begrenzten Laufzeit eines Venture Capital Fonds von in der Regel zehn Jahren mit einer Verlängerungsoption um ein oder zwei Jahre mit schriftlicher Zustimmung der Mehrheit der geschäftsführenden 52 

Hart/Moore, 109 Q. J. Econ. 841, 847 (1994); Neher, 66 Rev. Econ. Stud. 255, 256 (1999). Neher, 66 Rev. Econ. Stud. 255, 256 (1999). 54 Dazu Hellmann, 29 RAND J. Econ. 57, 65 ff. (1998). 55  Hellmann, 29 RAND J. Econ. 57, 67 (1998). 56  Gorton/Grundy, NBER Working Paper 5779, 3. 53 

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

Gesellschafter.57 Die durchschnittliche Halteperiode für eine Beteiligung be­ trägt in den USA ca. fünf Jahre.58 Den Fonds fließt das Kapital zumeist in den ersten drei bis fünf Jahren zu.59 Investieren die Kapitalgeber zu unterschiedli­ chen Zeitpunkten gemessen an der jeweiligen Laufzeit des das Kapital bereit­ stellenden Fonds, folgen hieraus unterschiedliche Präferenzen für die Auflö­ sung der Beteiligung.60 Das können die übrigen Investoren nutzen, um von dem auf die Liquidation Angewiesenen Zugeständnisse zu erzwingen. Zudem ergeben sich im Verhältnis der Investoren untereinander klassische Mehrheits-Minderheits-Konflikte, etwa weil die Mehrheit die Minderheit unter Androhung von Nachteilen zur Kooperation zwingen möchte. Potenzial für Hold-up Probleme bieten sämtliche Entscheidungen, hinsichtlich derer die Ka­ pitalgeber als einheitliche Klasse abstimmen müssen.

IV.  Window Dressing Üblicherweise gewährt der Investor Kapital in mehreren Schritten. Die Ent­ scheidung, die Beteiligung fortzuführen, das heißt den Gründern weitere Mittel zukommen zu lassen, hängt in der Regel davon ab, dass eine positive Entwick­ lung des Geschäfts nachgewiesen werden kann. 61 Drohen nun die Kapitalgeber mit dem Ende der Finanzierung, kann dies dazu führen, dass die Gründer er­ zielte Fortschritte zu optimistisch darstellen („Window Dressing“), etwa hin­ sichtlich der Entwicklung eines Prototypen, bezüglich einer Marktstudie oder des Geschäftsergebnisses (auch als „cooking the books“ bezeichnet). 62

V.  Benachteiligung früher Kapitalgeber (Trilateral Bargaining) In späteren Phasen der Wagniskapitalfinanzierung treten zu den ursprüngli­ chen Kapitalgebern neue Investoren hinzu. Nun ergibt sich im Rahmen der Ver­ handlungen mit den Gründern und den Kapitalgebern aus früheren Finanzie­ rungsrunden die Möglichkeit, Vereinbarungen zu wirtschaftlichen Lasten zu­ mindest einiger früherer Kapitalgeber zu treffen. Halten etwa die Gründer und 57  Halloran/Vignos/Wainwright, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 1-22; empirische Auswertung bei Sahlman, 27 J. Fin. Econ. 473, 490 (1990). 58  Sahlman, 27 J. Fin. Econ. 473, 487 (1990). Vgl. auch Halloran/Vignos/Wainwright, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 1-22, die von einer „Reifezeit“ eines Investments von drei bis sechs Jahren ausgehen. 59  Sahlman, 27 J. Fin. Econ. 473, 488 (1990). 60  „Liquidation“ meint nicht nur die Abwicklung im gesellschafts- oder insolvenzrechtli­ chen Sinne, sondern allgemein ein Ereignis, das zum Zufluss von Liquidität an die Investoren führt. Das kann auch ein Unternehmensverkauf sein. Zum Begriff der Liquidation näher im zweiten Kapitel B. §  2 III.1. 61  Zu dieser gestaffelten Finanzierung unten B. §  4. 62  Cornelli/Yosha, 70 Rev. Econ. Stud. 1, 2 (2003).

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Investor A die Abstimmungsmehrheit und kann Investor B die Durchführung einer Kapitalerhöhung nicht verhindern, mit der die Beteiligung des neuen In­ vestors C erreicht werden soll, bietet dies unter Umständen einen aus Sicht des B problematischen Anreiz für die Gründer, A und C, zu seinen, des Bs, Un­ gunsten zu handeln. Das wirtschaftswissenschaftliche Schrifttum bezeichnet dies auch als Trila­ teral Bargaining, weil die Vereinbarungen von zwei Parteien Auswirkungen auf „dritter Seite“ zeitigen, das heißt eine dritte Person benachteiligen. 63 Besonders groß ist diese Gefahr, sobald nicht sämtliche Investoren an der Kontrolle der Gesellschaft beteiligt sind, sondern etwa nur der größte Kapitalgeber eines Konsortiums. 64 Zwei Formen lassen sich unterscheiden: Die Gefahr der Ver­ wässerung der Beteiligung eines früheren Investors (Dilution) und die Aneig­ nung schwierig bewertbarer Vermögenswerte (Asset Stripping).65

1.  Verwässerung der Beteiligung früher Investoren (Dilution) Die Gefahr der Verwässerung der Beteiligung früher Investoren ergibt sich vor allem, wenn sich das Unternehmen schlechter entwickelt als erhofft. Hat Inves­ tor A auf Grundlage einer positiven Unternehmensbewertung einen Anteils­ preis von 10 für seine Beteiligung geleistet, sind die Anteile im Zeitpunkt einer weiteren Finanzierungsrunde aber nur noch 5 wert, zahlt ein neuer Investor B nicht mehr als diese 5. A wird angesichts der aus seiner Sicht schlechten Ent­ wicklung häufig nicht bereit sein, weiteres Kapital zu gewähren, so dass die Gründer zur Fortführung ihres Unternehmens auf die Finanzierung durch B angewiesen sind. Erwirbt dieser Stimm- und Beteiligungsrechte, bezahlt er hierfür weniger pro Anteil als A in einer früheren Finanzierungsrunde für seine juristisch gleichwertigen Rechte. Aus Sicht des A stellt dies eine Entwertung seiner Beteiligung dar, da er gemessen am investierten Kapital eine geringere Dividende erzielt und weniger Stimmrechte als B erhält. Ein Beispiel für ein solches im Jargon als Down-Round bezeichnetes Absin­ ken des Beteiligungsvolumens ist die Finanzierung des Unternehmens Federal Express, das in der ersten Finanzierungsrunde USD 12,25 Millionen (= USD 204,17/Anteil) erhielt, in der zweiten Runde jedoch nur noch 6,4 Millionen USD (= USD 7.34/Anteil) und in der dritten sogar lediglich USD 3,88 Millionen (= USD 0,63/Anteil). 66 Vor allem den in der ersten Finanzierungsrunde beteilig­ 63  Cumming/Johan, Venture Capital, S.   303. Grundlegend zu diesem Problem Aghion/ Bolton, 59 Rev. Econ. Stud. 473 (1992). Konkret im Zusammenhang mit Venture Capital Berg­ löf, 10 J. L., Econ. & Org. 247 (1994); Dessí, 36 RAND J. Econ. 255 (2005). 64 Vgl. Dessí, 36 RAND J. Econ. 255, 264 ff. (2005). 65  Vgl. etwa Berglöf, 10 J. L., Econ. & Org. 247, 256 f. (1994); Cumming, 20 J. Bus. Ventu­ ring 573, 581 (2003); Dessí, 36 RAND J. Eon. 255, 256 (2005). 66  Zahlen nach Gompers, 50 J. Fin. 1461, 1465 (1995).

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

ten Investoren droht in solchen Situationen eine dramatische Entwertung ihrer Anteile im Verhältnis zu den später hinzutretenden Kapitalgebern. Eine weitere Variante des Trilateral Bargaining lag dem Fall Benchmark Ca­ pital Partners IV, L.P. v. Vague zugrunde:67 Benchmark Capital Partners hatte in den ersten beiden Finanzierungsrunden insgesamt USD 25 Millionen inves­ tiert und dafür Vorzugsanteile aus den Serien A und B erhalten. Ab der dritten Finanzierungsrunde trat die Canadian Imperial Bank of Commerce („CIBC“) als neue Kapitalgeberin hinzu und erlangte mittels der im Gegenzug für eine Investition von USD 145 Millionen gewährten Vorzugsanteile der Serie C unter anderem die Stimmrechtsmehrheit nach Maßgabe der Wandlungsrechte (auf „as-converted basis“) 68 und die Mehrheit innerhalb der Klasse der Vorzugseig­ ner. 69 Im Rahmen der notwendig gewordenen vierten Finanzierungsrunde war beabsichtigt, eine neue Serie D von Vorzugsanteilen auszugeben, was zu einer Verminderung der Beteiligung der Inhaber der Anteile aus den Serien A und B geführt und die gesamte Beteiligung von Benchmark Capital Partners von 29% auf 7% reduziert hätte. Weiterhin war geplant, im Zuge der Transaktion die al­ ten Anteile der Serien A und B gegen neue auszutauschen. Diese neuen Vor­ zugsanteile wiesen den gravierenden Nachteil auf, dass sie im Rang unter die neue Serie D eingestuft werden sollten.70 Im Ergebnis hätten sich also die zwi­ schen CIBC und den hinzutretenden Kapitalgebern getroffenen Vereinbarun­ gen zum Nachteil Dritter ausgewirkt, nämlich zu Lasten der Inhaber von An­ teilen der Serien A und B.

2.  Aneignung schwierig bewertbarer Vermögenswerte (Asset Stripping) a)  Asset Stripping der Gründer zu Lasten der Kapitalgeber Die Gründer haben einen großen Ermessensspielraum, wie sie das Unterneh­ men leiten, und setzen die zur Verfügung gestellten Mittel möglicherweise zu Zwecken ein, die ihnen persönlich zu dienen geeignet sind, nicht aber dem Ge­ schäft.71 Als Beispiel zu nennen ist die Verfolgung wissenschaftlicher Interes­ sen, die mit dem finanzierten Projekt nichts zu tun hat oder die zumindest in finanziell wenig aussichtsreiche Unterfangen mündet.72 Eine ähnliche Gefahr besteht darin, dass die Gründer zwar keine unternehmensfremden Interessen 67  Benchmark Capital Partners IV, L.P. v. Vague, 2002 WL 1732423 (Del.Ch. 2002), affir­ med, 822 A.2d 396 (Del. 2003). 68  Dazu B. §  3 II.1.b)aa). 69  Zum Class Voting B. §  3 II.1.b)bb). 70  Konkreter Streitgegenstand waren Schutzklauseln zu Gunsten der Inhaber der Anteile der Serien A und B, die für bestimmte Konstellationen Blockaderechte vorsahen. Problema­ tisch war unter anderem, ob ein Merger diese Rechte auslösen konnte. 71  Cumming, 20 J. Bus. Venturing 573, 583 (2005); Gompers, 50 J. Fin. 1461, 1464 (1995). 72  Cumming/Johan, Venture Capital, S.  42.

A.  Gestaltungsanlässe: Regelungsprobleme der Venture Capital-Finanzierung

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verfolgen, dafür jedoch in wenig aussichtsreiche Projekte investieren.73 Dieses Problem kann noch verstärkt werden, wenn die Gründer zugleich Manage­ mentpositionen innehaben und eine Auswechselung droht, weil die Kapitalge­ ber einen geschäftlich erfahreneren Manager von außen einsetzen möchten. Je stärker die Kontrollrechte der Investoren in diesem Fall sind, desto eher streben die Gründer die Vereinnahmung privater Vorteile an.74 Gemein ist diesen Problemen, dass die Gründer Ressourcen für private Zwe­ cke verwenden. Aus Sicht der Kapitalgeber werden ihnen wirtschaftlich be­ trachtet Vermögenswerte entzogen, etwa weil bei einer Veräußerung des Unter­ nehmens der Gewinn geringer ist als er bei ordnungsgemäßem Mitteleinsatz wäre. b)  Asset Stripping später Kapitalgeber zu Lasten früher Investoren Eine weitere Gefahr für frühe Investoren liegt darin, dass sich neue Kapitalge­ ber schwierig bewertbare Vermögenswerte aneignen. Ausgangspunkt für dieses sogenannte Asset Stripping ist der Umstand, dass die Gründer häufig viele un­ ternehmensspezifische Investitionen tätigen, die objektiv schlecht nachvollzieh­ bar oder zumindest nur mit hohem Aufwand und wenig präzise bewertbar sind. Haben sie etwa ein speziell auf die Bedürfnisse des Unternehmens zugeschnit­ tenes Computerprogramm entwickelt, ist eine herkömmliche Bewertung nach dem Marktwert problematisch75 – Kennzeichen der Wagniskapitalfinanzierung ist gerade, die Verwirklichung innovativer Ideen zu fördern, die bislang nicht wirtschaftlich genutzt werden. Je nachdem, wie die Beteiligung des früheren Investors ausgestaltet ist, kann er an Wertsteigerungen, die der neu eintretende Wagniskapitalgeber durch die Nutzung und Weiterentwicklung dieser unternehmensspezifischen Investitio­ nen erzielt, möglicherweise nicht partizipieren. Erlangt der Investor B die Kon­ trolle, erhält er damit gleichzeitig die Chance, sich mittels einer Liquidation gegen geringe oder sogar ohne vermögensmäßige Kompensation des Investors A Vermögensgegenstände76 zu verschaffen. Das ist denkbar in Situationen, in denen B kraft Stimmenmehrheit über die Verteilung der Vermögensmasse be­ stimmt und A lediglich über Liquidationsvorrechte verfügt, die die Verteilung des erzielten Gewinns betreffen.77

73 

Gompers, 50 J. Fin. 1461, 1464 (1995). Hellmann, 29 RAND J. Econ. 57, 57 (1998). 75  Beispiel nach Berglöf, 10 J. L., Econ. & Org. 247, 248 (1994); vgl. auch Dessí, 36 RAND J. Econ. 255, 256 (2005). 76  Dieser Begriff wird hier im wirtschaftlichen Sinne verstanden, so dass er auch unkör­ perliche Werte erfasst. 77  Vgl. hierzu Berglöf, 10 J. L., Econ. & Org. 247, 251 ff. (1994), für verschiedene Beteili­ gungsformen. 74 

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

Ein weiteres Beispiel ist das Abwerben von Beschäftigten mit Sonderwissen, die B in einem seiner anderen Portfoliounternehmen einsetzen möchte.78 c)  Asset Stripping zu Lasten der Gründer Das Problem des Asset Stripping kann sich auch aus Sicht der Gründer stellen. Sie erzielen aus der Unternehmensführung private Vorteile, die ebenfalls nur schwierig bewertbar sind.79 Haben die Investoren die Möglichkeit, die Kontrol­ le über das Unternehmen unter Hinausdrängung der Gründer auf Dritte zu übertragen,80 werden die Gründer ihrer Möglichkeit beraubt, diese privaten Vorteile weiter in Anspruch zu nehmen.81 Aufgrund der Schwierigkeit bei der Bewertung solcher nichtpekuniärer Vorteile werden Verluste nicht notwendi­ gerweise voll kompensiert.82

VI.  Aushöhlung der Ansprüche der Gründer Neben dem schon unter III.1. beschriebenen Weg, den Gründern ungünstige Finanzierungsbedingungen aufzuzwingen, haben die Wagniskapitalgeber noch andere Möglichkeiten, die Ansprüche der Gründer auszuhöhlen.83 Ein Weg be­ steht darin, Vermögensgegenstände zwischen verschiedenen Unternehmen des Portfolios eines Kapitalgebers zu verschieben (Asset Tunneling).84 Aus Sicht des Investors, der mehrere Unternehmen finanziert, besteht ein interner Kapital­ markt, der es sinnvoll erscheinen lassen kann, einen Gegenstand aus einem Un­ ternehmen in ein anderes zu transferieren, weil dieses ihn besser zu nutzen ver­ mag und sich so der Wert des Portfolios insgesamt erhöhen lässt. 85 Diese Gefahr wird insbesondere bei den „Living Dead“ offenkundig, die für die Investoren nicht besonders gewinnträchtig sind. Bietet sich hier die Chance, ein Patent von Biotechnologieunternehmen X an Biotechnologieunternehmen Y, das in einem vergleichbaren Bereich tätig ist, weiterzugeben, lohnt sich dies für die Kapitalgeber. Da ihre Vergütung von den Erfolgen beim Portfolioma­ nagement abhängt, kommt es lediglich auf den Gesamtgewinn an, nicht auf den eines einzelnen Unternehmens. 78 

Beispiel nach Dessí, 36 RAND J. Econ. 255, 256 (2005). S.  bereits oben §  1 I.1.d). 80  Praktisch denkbar ist das etwa im Fall einer Down Round, wenn die Anwendung einer Verwässerungsschutzklausel faktisch (nahezu) zum Ausschluss der Gründer aus der Gesell­ schaft führt. Dieser Effekt wird näher beschrieben unter B. §  5 II.1.c)aa). 81  Berglöf, 10 J. L., Econ. & Org. 247, 248 (1994). 82  Berglöf, 10 J. L., Econ. & Org. 247, 252 (1994). 83  In der US-Literatur wird dieses Problem als „tunneling“ beschrieben, dazu mit Diffe­ renzierungen Atanasov/Black/Ciccotello, 37 J. Corp. L. 1, 5 ff. (2011). 84  Atanasov/Black/Ciccotello, 37 J. Corp. L. 1, 5, 7 ff. (2011). 85  Zu diesem Vorteil interner Kapitalmärkte aus Sicht des Inhabers einer Kontrollposition Gertner/Scharfstein/Stein, 109 Q. J. Econ. 1211, 1224 (1994). 79 

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Eine weitere – in den USA häufig anzutreffende – Form der Untertunnelung der Ansprüche der Gründer besteht darin, dass die Investoren von ihnen ver­ langen, Anteile zu Vergütungszwecken vorzuhalten, um die in den Vereinigten Staaten übliche Vergütung der Angestellten über Anteilsoptionspläne zu er­ möglichen. 86 Typischerweise wird dabei gefordert, dass diese Anteile bereits vor der Kapitalzufuhr bereitgestellt werden, so dass sich insoweit schon in diesem Stadium der relative Beteiligungsumfang der Gründer verringert.87

VII.  Nachträgliche Veränderung der Investitionsrisiken (Risk-shifting) Beteiligt sich der Kapitalgeber mittels Fremdkapitals, ergibt sich für die Grün­ der die Möglichkeit, nachträglich die Risikoverteilung zwischen den Parteien zu verändern. Dieses Risk-shifting wird dadurch begünstigt, dass die Gründer im Fall reiner Fremdkapitalfinanzierung sämtliche Mehrerlöse vereinnahmen, die sie aus der Verfolgung von Projekten erzielen, die risikoreicher sind als das ursprünglich der Finanzierung zugrunde gelegte Geschäft. Die Kosten einer Insolvenz tragen mangels eigener verwertbarer Gegenstände der Gründer im Wesentlichen die Investoren. 88 Wirtschaftlich betrachtet kommt dies einer Um­ verteilung von Vermögenswerten auf Kosten der Kapitalgeber zu Gunsten der Gründer gleich, weil die Fremdkapitaltitel angesichts des erhöhten Investitions­ risikos Wertverluste erleiden.

VIII. Überinvestitionsproblem Eine weitere Gefahr, die in die Kategorie des opportunistischen Verhaltens der Gründer zu Lasten der Kapitalgeber eingeordnet werden kann, sind sogenannte Überinvestitionen. Die Investoren stellen zwar Geld zur Verfügung, doch sind es jedenfalls zu Beginn der Finanzierungsgeschichte des Unternehmens häufig die Gründer, die über die konkrete Mittelverwendung entscheiden.89 Daraus folgt die oben beschriebene Schwierigkeit, die projektbezogene Nutzung des Kapitals sicherzustellen.90 Die Gründer haben außerdem häufig kaum Anreize, ein wenig profitables Projekt abzubrechen, so dass sie im Verhältnis zum Unternehmenswert zu viel 86 

Hierzu B. §  11 I. möglich nach US-Recht: Insgesamt werden bei Gründung 5.000.000 Anteile geschaffen. Gründer und Investoren haben sich auf eine Beteiligung zu 50-50 geeinigt (bezo­ gen auf die 5.000.000 Anteile). Nun fordern die Investoren von den Gründern, 500.000 An­ teile für die spätere Bedienung der Anteilsoptionen aus ihrer Quote bereitzustellen. 88  Zum Ganzen Green, 13 J. Fin. Econ. 115 (1984), sowie die kurze Zusammenfassung bei Cumming/Johan, Venture Capital, S.  4 4. 89  Zahlenmaterial zur Kontrolle des Board of Directors in den USA B. §  3 III. 90  §  1 I.1.c). 87  Beispiel,

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

investieren. Da sie in der Regel keine finanziellen Einlagen erbracht haben,91 besteht für sie das Verlustrisiko einzig darin, nicht noch die letzten Gewinn­ chancen wahrzunehmen, seien diese auch gering. Zudem wird häufig die Mög­ lichkeit fehlen, unmittelbar eine andere Tätigkeit aufzunehmen, mit der die ei­ gene Geschäftsidee verwirklicht werden kann. Das Problem verschärft sich noch, wenn die Gründer bei einem wirtschaftlich erfolglosen Unternehmen die Chance sehen, mit einer riskanten Geschäftsstrategie einen außergewöhnlich hohen Gewinn zu erzielen. Ein solches Vorgehen, bei dem sie alles „auf eine Karte“ setzen, ist für sie ungefährlich: Im schlechtesten Fall verlieren sie nicht mehr, als sie ohnehin zu verlieren fürchten mussten, wenn sie die Geschäfte eingestellt hätten.92 Solange Dritte zusätzliches Kapital bereitstellen und damit die Unternehmensfortführung gestatten, besteht daher für sie kein Grund, ihre Aktivitäten einzustellen.93 Dass dies keineswegs ein bloß theoretisch diskutiertes Problem ist, zeigen Fälle aus den USA: Im 1997 ergangenen Urteil im Verfahren Equity-Linked Investors, L.P. v. Adams94 befand sich das Unternehmen Genta in einer wirt­ schaftlich schwierigen Situation. Die Gründer versuchten, der drohenden Insol­ venz dadurch zu entgehen, dass sie sich auf die Suche nach einem neuen Investor begaben. Aus Sicht der bisherigen Wagniskapitalgeber war eine Abwicklung des Unternehmens jedoch die sinnvollere Alternative, um Zahlungen auf ihre Li­ quidationsvorzüge („Liquidation Preferences“) 95 sicherzustellen. Sie hatten je­ doch kein Recht, die Abwicklung von Genta durch Zwang herbeizuführen.

91 

Oben §  1 I.1.b). Admati/Pfleiderer, 49 J. Fin. 371, 372 (1994). 93  Admati/Pfleiderer, 49 J. Fin. 371, 372 (1994); Cornelli/Yosha, 70 Rev. Econ. Stud. 1 (2003); Gompers, 50 J. Fin. 1461, 1464 (1995). 94  Equity-Linked Investors, L.P. v. Adams, 705 A.2d 1040 (Del.Ch. 1997). Der Fall wurde juristisch unter dem Aspekt der angeblichen Verletzung der Pflichten der Directors im Sinne der Revlon-Rechtsprechung (Revlon, Inc. v. MacAndrews & Forbes Holding, Inc., 506 A.2d 173 [Del. 1985]) behandelt, auch wenn es im Kern um die Vorrechte der Vorzugseigner ging, vgl. zu dieser Einordnung die Ausführungen von Chancellor Allen aaO. 1042. Um das Ein­ greifen der Liquidationsvorzüge (vor automatischer Konversion der Vorzugsanteile in Stam­ manteile) ging es in Quadrangle Offshore (Cayman) LLC v. Kenetech Corp., 1998 WL 778359 (Del.Ch. 1998). 95  Zu diesen ausführlich unten B. §  2 III. 92 

B.  Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA Die Marktteilnehmer in den Vereinigten Staaten haben im Laufe der vergange­ nen Jahrzehnte verschiedene Klauseln entwickelt, um die oben beschriebenen Regelungsprobleme zu lösen. In den folgenden Abschnitten soll ein möglichst umfassender Überblick über denkbare Gestaltungen und die jeweiligen norma­ tiven Hintergründe verschafft werden. Das bedeutet nicht, dass jede Finanzie­ rungsabrede jede Klausel enthielte. Bestimmte Vereinbarungen und Gestaltun­ gen werden in den USA als gängiger Standard genutzt, etwa wandelbare Vor­ zugsanteile („Convertible Preferred Shares“). Andere Rechte finden sich relativ selten, so sind Verwässerungsschutzklauseln in Form sogenannter Full RatchetRights unüblich. Die Darstellung soll einen Eindruck der Bandbreite möglicher Regelungen vermitteln, sie ist nicht zu verwechseln mit einer Beschränkung auf die praktisch üblichen Abreden. Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass einige der nachfolgend erläuter­ ten Regelungen zwar von jedem Kapitalgeber verlangt werden, sie aber keines­ wegs immer im Rahmen der ersten Finanzierungsrunde unter Beteiligung von Venture Capital Investoren (der „Series A“) zustande kommen. Häufig werden etwa Regelungen zur Anteilsbindung („Vesting“), Vorerwerbsrechten („Rights of First Refusal“) und andere Klauseln bereits in das „Founder Share Purchase Agreement“96 aufgenommen. Das hat zwei Ursachen: Zum einen dienen diese Bestimmungen der Bewältigung von Opportunismusproblemen innerhalb der Gründergemeinschaft. Zum anderen verlangen die Investoren entsprechende Abreden in der Regel ohnehin. Nehmen die Gründer sie bereits vorher auf, be­ steht die Chance, dass die Kapitalgeber die Klauseln auch dann akzeptieren, wenn sie etwas weniger weittragend formuliert sind, als dies bei den Verhand­ lungen über die „Series A Preferred Shares“ der Fall wäre. Das erlaubt den Gründern, innerhalb marktüblicher Schwankungsbreiten einen für sie günsti­ gen Rahmen abzustecken. Als Beispiel seien Vereinbarungen zu Beschränkun­ gen der Befugnis genannt, über die Anteile zu verfügen („Vesting“): Für den Empfänger von Anteilen ist wesentlich, wann er frei über sie verfü­ gen darf. Verabreden bereits die Gründer Vesting-Regelungen, sind sie häufig großzügiger bei der Anrechnung von Tätigkeiten, die vor der Unternehmens­ 96 

Hierzu bereits Einleitung A. §  2 II.4.b).

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

gründung durchgeführt wurden. Das betrifft etwa in einem Labor geleistete Vorarbeiten für die Entwicklung eines biotechnologischen Produkts wie die Untersuchung bestimmter Moleküle. Hier kann sich ein Unterschied bei der Anrechnung von mehreren Monaten unmittelbar bemerkbar machen – wird die Laborzeit angerechnet, hat der Gründer unter Umständen kurz nach der Aus­ gabe der „Series A“ eine gewisse Anzahl von Anteilen zu seiner freien Verfü­ gung. Auch die Vesting-Basis kann eine andere sein, etwa statt einer monatli­ chen Freigabe eines bestimmten Kontingents von Anteilen eine tagesgenaue. Die Darstellung der Klauseln unterscheidet nicht danach, ob sie bereits in das Founder Share Purchase Agreement aufgenommen oder (später) in der ersten Finanzierungsrunde unter Beteiligung von Wagniskapitalgebern vereinbart wurden. Da die Inhalte dem Grunde nach gleich sind und ohnehin verschiedene Gestaltungsvarianten aufgezeigt werden, kommt es für die Zwecke dieser Ar­ beit nicht auf den Zeitpunkt der Vereinbarung der entsprechenden Bedingun­ gen an. Dabei wird nicht verkannt, dass dies aus praktischer Sicht möglicher­ weise sehr wichtig ist. Die folgende Darstellung orientiert sich an den Regelungsinteressen der Partei­ en und nicht an den Dokumenten, in denen die einzelnen Bedingungen verein­ bart oder festgelegt werden. So gibt es keinen eigenständigen Abschnitt „Certi­ ficate of Incorporation“ oder „Preferred Stock Purchase Agreement“. Eine der­ artige Gliederung erscheint auch deshalb wenig sinnvoll, weil die Parteien einige Bestimmungen an unterschiedlicher Stelle regeln können, etwa in der Satzung (Certificate of Incorporation) oder in einer Gesellschaftervereinba­ rung. Mögliche Regelungsorte werden jeweils im konkreten Zusammenhang mit dem Regelungsgegenstand erläutert.

§  1  Unterschiedliche Anteilsklassen für Gründer und Investoren I.  Common Shares versus Convertible Preferred Shares Die Beteiligung von Gründern und Investoren an einer durch Wagniskapital finanzierten Gesellschaft ist in den USA differenziert ausgestaltet: Während die Gründer überwiegend Stammanteile (Common Shares) halten, haben die Kapi­ talgeber Vorzugsanteile mit Konvertierungsoption (Convertible Preferred ­Shares) inne.97 Regelmäßig zu beobachtende Vorzüge sind Dividenden- und Li­ quidationspräferenzen. Die erwähnte Option gewährt das Recht, die Anteile in Stammanteile umzuwandeln. Damit verfügen die Kapitalgeber über eine Betei­ ligungsform, die ihnen einerseits mit herkömmlicher Eigenkapitalbeteiligung 97 

S.  nur Kaplan/Strömberg, 70 Rev. Econ. Stud. 281, 284 (Table 1 unter F.) (2003).

B.  Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA

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qua Common Shares vergleichbare residuale Gewinnverteilungsrechte bietet und andererseits den mit typischen Fremdkapitaltiteln verbundenen Befriedi­ gungsvorrang garantiert. In Anbetracht der oben unter A. dargestellten Rege­ lungsprobleme ist es sinnvoll, sich zunächst die Anreizsteuerungsfunktion die­ ser Einteilung in verschiedene Anteilsklassen vor Augen zu führen, bevor unter §  2 die rechtlichen Rahmenbedingungen der Convertible Preferred Shares ge­ nauer betrachtet werden:

II.  Steuerungswirkung aus Investorenperspektive Aus Sicht der Investoren gibt die Zuteilung von residualen Zugriffsrechten an die Gründer diesen den Anreiz, sich nach besten Kräften für das Unternehmen einzusetzen, weil die Anstrengungen sich in höheren Gewinnen niederschla­ gen.98 Dagegen sind für die Kapitalgeber selbst gewinnunabhängige99 „feste“ Zugriffsrechte interessant, die sie dank der Dividenden- und Liquidationspräfe­ renzen ähnlich wie bei einem Darlehen genießen. Da für die Kapitalgeber der Gewinn der Höhe und dem Zugriffszeitpunkt nach vorhersehbar wird, müssen sie weniger Zeit in die Aufsicht investieren.100 Sind die Zugriffsrechte der Inves­ toren dem Umfang nach beschränkt, handelt es sich also nicht um teilnehmende Vorzugsanteile, setzt die Begrenzung der Zugriffsrechte für die Gründer einen Anreiz, sich um größtmöglichen Erfolg zu bemühen, da ihnen der gesamte über die festen Kapitalgeberrechte hinausgehende Überschuss zusteht.101 Das begegnet sowohl dem Unter- als auch dem Überinvestitionsproblem:102 Investieren die Gründer zu wenig, sinken ihre Gewinne. Beenden sie wenig aussichtsreiche Projekte nicht umgehend, mindert das gleichfalls die Erträge. Mittels der Begrenzung der Leistungspflichten auf Teilleistungen zu bestimm­ ten Fälligkeitszeitpunkten lässt sich zudem ein weiterer Anreiz für die Gründer schaffen, sich anzustrengen. Denn besteht eine Rückzahlungspflicht in naher Zukunft, erhält der Kapitalgeber die Möglichkeit, in kurzen Zyklen über die Fortführung des Projekts zu entscheiden.103 Dies ist eine Form des sogenannten Staging, die sich in verschiedenen Varianten näher ausgestalten lässt.104 98 

S.  nur Aghion/Bolton, 59 Rev. Fin. Stud. 473, 480 f. (1992). Gewinnunabhängig meint hier, dass die Höhe der Ansprüche nicht vom konkret erziel­ ten Gewinn abhängt, sondern sich wie bei einer herkömmlichen Fremdkapitalfinanzierung am investierten Betrag orientiert (wie etwa Zins). Ist das Unternehmen wirtschaftlich erfolg­ los, können die Ansprüche der Investoren nicht bedient werden. Das gilt aber gleichermaßen für Fremdkapitalgeber, deren Zins- und Rückzahlungsansprüche ebenfalls einen ausreichen­ den Ertrag des finanzierten Unternehmens voraussetzen. 100 Vgl. Gompers, 50 J. Fin. 1461, 1466 (1995). 101  Zu dieser Gestaltungsfrage ausführlich unten §  2 III.3. 102  Zum Überinvestitionsproblem oben A. §  2 VIII., zum Unterinvestitionsproblem oben A. §  2 I. 103  Aghion/Bolton, 59 Rev. Econ. Stud. 473, 490 (1992); Dessein, 60 J. Fin. 2513, 2539 (2005). 104  Zum Staging unten §  4. 99 

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

Vorzugsanteile haben weitere Vorteile: Betrachtet man allein die rechtliche Grundlage der Zugriffsrechte, fehlte den Kapitalgebern bei einer reinen Fremd­ kapitalbeteiligung die Möglichkeit, in die Unternehmensführung eingreifen zu können. Ein Darlehensvertrag etwa bringt kein Stimmrecht mit sich, genauso wenig einen Sitz im Kontrollorgan. Anteile gewähren dagegen typischerweise Mitwirkungs- und Kontrollrechte dieser Art.  Zudem besteht für die Investoren der Anreiz, sich für den Unternehmenserfolg einzusetzen, weil sie von Wert­ steigerungen profitieren.

III.  Steuerungswirkung aus Gründerperspektive Diese am Ende des vorangegangenen Abschnitts beschriebene Anreizwirkung residualer Beteiligungsformen ist aus Sicht der Gründer wesentlich. Hätten die Investoren lediglich feste Zugriffsrechte, verlören die Kapitalgeber das Interesse an einer weiteren Förderung des Unternehmens, sobald sie sich der Erfüllung ihrer Ansprüche sicher sein könnten.105 Sie profitierten nicht mehr von den Mehrerlösen. Das stellte für die Gründer ein Problem dar, weil sie darauf ange­ wiesen sind, dass die Kapitalgeber nichtpekuniäre Leistungen erbringen.106 Hinzu kommt ein weiterer Aspekt: Die Investoren vermögen die Kenntnisse und Fähigkeiten der Gründer sowie die Erfolgsaussichten des geplanten Pro­ jekts nur schwierig zu beurteilen.107 Für die Gründer eröffnet die Einräumung eines Vorrangs bei der Gewinnverteilung zu Gunsten der Kapitalgeber eine Möglichkeit, ihr Vertrauen in den Geschäftserfolg zu signalisieren.108 Zudem haben sie nur dann Teil am Gewinn, wenn zuvor die Kapitalgeber bedient wer­ den. Das bietet einen Anreiz, sich auf die Leitung des Unternehmens zu kon­ zentrieren und nicht nebenher noch weitere Projekte zu betreiben.

105  Schmidt, 58 J. Fin. 1139, 1151 (2003). Das vernachlässigen z.B. Aghion/Bolton, 59 Rev. Econ. Stud. 473, 490 f. (1992). 106  Schmidt, 58 J. Fin. 1139, 1151 (2003). Hierzu mit Blick auf die empirischen Daten auch Cumming, 11 J. Corp. Fin. 550, 562, 579 f. (2005). Zur Mitwirkung der Kapitalgeber oben A. §  2 I.2. 107  Hierzu oben A. §  1 I.1. 108  Denis, 10 J. Corp. Fin. 301, 311 (2004). Diese Signal-These wurde im Zusammenhang mit der Funktion von Fremdkapitalfinanzierung entwickelt von Stephen A. Ross, The deter­ mination of financial structure: the incentive-signalling approach, 8 Bell J. Econ. 23 (1977).

B.  Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA

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§  2  Erlösbeteiligung der Investoren durch Convertible Preferred Shares I. Grundlagen 1.  Begriff und Gestaltungsgrundlage „Preferred Stock“ oder „Preferred Share“ ist kein gesetzlich definierter Termi­ nus. Die Gerichte erfassen ihn typologisch und umschreiben ihn als Anteil, der bestimmte Rechte und Privilegien gewährt, die sie im Allgemeinen mit Divi­ denden und Liquidationsvorrechten assoziieren.109 Die Zulässigkeit der Schaf­ fung solcher Vorzugsanteile ergibt sich aus §  151(a) DGCL.110 §  151(a) DGCL wird als Ermöglichungsnorm angesehen, die maximale Gestaltungsfreiheit ge­ währleisten soll, „to provide for the flexible financing that is necessary to meet the unique funding needs of the enterprise and the requirements of diverse in­ vestors in today’s competitive global capital markets.”111 Grundsätzlich gilt, dass bei Fehlen besonderer Regelungen in den Ausgabe­ bedingungen über die Preferred Shares diese dieselben Rechte gewähren wie Stammanteile, etwa hinsichtlich der Gewinnbeteiligung und des Stimm­ rechts.112 Sonderrechte wie Dividenden- und Liquidationspräferenzen haben die Inhaber von Vorzugsanteilen nur, wenn sie ihnen explizit zugewiesen wer­ den.113 Die Rechtsprechung begreift die aus den Präferenzen resultierenden 109  In re Louisville Gas & Elec Co, 77 F.Supp. 176, 179 (D.C.DEL. 1948); Starring v. American Hair & Felt Co., 191 A. 887, 891 (Del.Ch. 1937), affirmed, 2 A. 2d 249 (Del. 1937). 110  Die Norm lautet: „Every corporation may issue 1 or more classes of stock or 1 or more series of stock within any class thereof, […] and which classes or series may have such voting powers, full or limited, or no voting powers, and such designations, preferences and relative, participating, optional or other special rights, and qualifications, limitations or restrictions thereof, as shall be stated and expressed in the certificate of incorporation […], or in the reso­ lution or resolutions providing for the issue of such stock adopted by the Board of Directors pursuant to authority expressly vested in it by the provisions of its certificate of incorpora­ tion. […]” Auch der Model Business Corporation Act lässt in §  6.01(c)(4) Preferred Stock zu: „The articles of incorporation may authorize one or more classes or series of shares that: ... (4) have preference over any other class or series of shares with respect to distributions, including distributions upon the dissolution of the corporation.” §  6.01(c) gestattet die Begründung weiterer Sonderrechte, etwa hinsichtlich der Stimm­ rechtsverteilung. Eine Übersicht über vergleichbare Vorschriften in anderen Gesellschafts­ rechten der Vereinigten Staaten findet sich bei Macey on Corporation Laws, Volume 2, 12-9, Fußn. 1. 111  Matulich v. Aegis Communications Group, Inc., 942 A.2d 596, 599 (Del. 2008). 112 Ausführlich Jedwab v. MGM Grand Hotels, Inc., 509 A.2d 584, 593 f. (Del.Ch. 1986); Buxbaum, 73 Cal. L. Rev. 1671, 1684 (1985). Aus neuerer Zeit etwa Gradient OC Master, Ltd. v. NBC Universal, Inc., 930 A.2d 104, 116 f. (Del.Ch. 2007). 113  Gaskill v. Gladys Belle Oil Co., 146 A. 337, 339 (Del.Ch. 1929) accord Pentington v. Commonwealth Hotel Constr. Co., 151 A. 228, 234 (Del.Ch. 1930), affirmed in material part,

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

Rechte der Vorzugseigner als im Wesentlichen vertraglich konstruiert, die Be­ zeichnung einer Anteilsklasse als „Preferred“ ist für sich genommen bedeu­ tungslos.114 In der Folge gehen die Gerichte bei der Interpretation der Rechte von Vorzugseignern nach den Grundsätzen vor, die für die Vertragsauslegung gelten.115 Die spezifischen Rechte der Inhaber von Vorzugsanteilen und deren Beschränkungen zu definieren, so betont die Rechtsprechung, sei ausschließlich Sache der Gestalter.116 Geschaffen werden die Sonderrechte gemäß §  151(a) Satz 1 DGCL im Certi­ ficate of Incorporation oder mittels eines Beschlusses des Board of Directors, sofern dieses hierzu ermächtigt ist.117 Das Board of Directors bedarf, übt es seine Entscheidungsbefugnis aus, keiner Zustimmung der Anteilseigner, selbst wenn im Ergebnis die Anteilseignerstruktur massiv beeinflusst wird.118

2.  Die Stellung der Vorzugseigner in der Gesellschaft a)  Gesellschafterrechte im Verhältnis zu den Stammeignern Grundsätzlich gehören die Inhaber von Preferred Shares genauso zur Gruppe der Gesellschafter wie die Inhaber von Stammanteilen, so dass prinzipiell auch zu ihren Gunsten die allgemeinen Sorgfalts- und Treuepflichten der Directors greifen.119 Doch ist insoweit zu beachten, dass dies nur gilt, soweit die Vorzugs­ eigner in solchen Rechten berührt sind, wie sie in gleicher Weise Stammeignern 155 A. 514 (Del. 1931); Elliott Associates, L.P. v. Avatex Corp., 715 A.2d 843, 852 f. (Del. 1998); Gradient OC Master, Ltd. v. NBC Universal, Inc., 930 A.2d 104, 116 f. (Del.Ch. 2007). 114  Gaskill v. Gladys Belle Oil Co., 146 A. 337, 339 (Del.Ch. 1929): „It is elementary that the rights of stockholders are contract rights. The mere word “preferred” unless it is supplemen­ ted by a definition of its significance conveys no special meaning.“; Matulich v. Aegis Communications Group, Inc., 942 A.2d 596, 600 (Del. 2008); Buxbaum, 73 Cal. L. Rev. 1671, 1684 (1985); Folk, GCL-V-20 f. Die Einordnung von Preferences als „vertragliche“ Rechte bedeutet allerdings nicht, dass sie durch Vertrag zwischen dem Inhaber des Vorzugsanteils und der Gesellschaft abgeändert werden könnten (oder mittels einer Änderung der Bylaws), Hodgman v. Atlantic Refining Co., 2 F.2d 893, 894 (D.Del. 1924); Standard Scale & Supply Corp. v. Chappel, 141 A. 191, 196 (Del. 1928). Sie bestimmt lediglich den Rahmen für die Interpretation von Preferred Shares und der in ihnen verkörperten Vorzugsrechte. 115  Matulich v. Aegis Communications Group, Inc., 942 A.2d 596, 600 (Del. 2008); Elliott Associates, L.P. v. Avatex Corp., 715 A.2d 843, 852 (Del. 1998); HB Korenvaes Investments, L.P., v. Marriott Corp., 19 Del. J. Corp. L. 736, 745 (Del.Ch. 1993). Kritisch zum Vorgehen der Gerichte z.B. Buxbaum, 73 Cal. L. Rev. 1671, 1684 ff. (1985). 116  Matulich v. Aegis Communications Group, Inc., 942 A.2d 596, 599 (Del. 2008). 117  Wortlaut von §  151(a) DGCL oben in Fußnote 110. 118  Unilever Acquisition Corp. v. Richardson-Vicks, Inc., 618 F.Supp. 407, 409 (S.D.N.Y. 1985), in Anwendung des Rechts von Delaware. Kritisch zu dieser Entscheidung Buxbaum, 73 Cal. L. Rev. 1671, 1727 (1985). 119  HB Korenvaes Investments, L.P., v. Marriott Corp., 19 Del. J. Corp. L. 736, 745 (Del. Ch. 1993); Jedwab v. MGM Grand Hotels, Inc., 509 A.2d 584, 594 (Del.Ch. 1986); Gradient OC Master, Ltd. v. NBC Universal, Inc., 930 A.2d 104, 117 (Del.Ch. 2007). Weitere Nachw. der Rechtsprechung bei Folk, GCL-V-24 f.

B.  Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA

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zukommen. Besteht ein Konflikt zwischen den Anteilsklassen, weil die Inhaber der Preferred Shares befürchten, ihre Vorzüge würden beeinträchtigt, dürfen120 und müssen121 die Interessen der Inhaber von Common Stock stärker gewichtet werden. Anderes gilt nur, wenn die Ausgabebedingungen der Vorzugsanteile ausdrücklich Schutz gegen die konkret gerügte Maßnahme vorsehen. In einem viel zitierten Urteil führte Chancellor William Allen vom Delaware Chancery Court aus: „Thus, with respect to matters relating to preferences or limitations that distinguish preferred stock from common, the duty of the corporation and its directors is essentially contractual and the scope of the duty is appropriately defined by reference to the specific words evidencing that contract; where however the right asserted is not a preference as against the common stock but rather a right shared equally with the common, the exis­ tence of such right and the scope of the correlative duty may be measured by equitable as well as legal standards.“122

Das heißt umgekehrt: Wird eine Maßnahme von einer Regelung in den Ausga­ bebedingungen explizit erfasst, sieht eine Klausel also etwa ein Zustimmungs­ recht für die Durchführung einer bestimmten strukturverändernden Maßnah­ me vor, sind die Directors gebunden. Die Auslegung dieser Absprachen ist als Abweichung vom gesetzlich vorgesehenen Normalfall eng – das heißt in den USA: wortwörtlich – vorzunehmen.123 b)  Vertragsrechtliche Interpretation der Vorzugsrechte aa)  Der Klauselwortlaut als Grundlage und Grenze der Auslegung Für die Interpretation der Vereinbarungen von Sonderrechten gelten aufgrund der Einordnung der Vorzüge als vertragliche Regelung124 vertragsrechtliche Maßstäbe.125 Das bedeutet, dass insoweit nicht die gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten greifen, sondern allein der „implied covenant of good faith and fair dealing“.126 So hat der Delaware Court of Chancery für die Beurteilung der 120 

LC Capital Master Fund, Ltd. v. James, 990 A.2d 435, 438 (Del.Ch.  2010). Equity-Linked Investors, L.P. v. Adams, 705 A.2d 1040, 1042 (Del.Ch. 1997); In re Trados Incorporated Shareholder Litigation, 2009 WL 2225958, 7 (Del.Ch. 2009). 122  Jedwab v. MGM Grand Hotels, Inc., 509 A.2d 584, 594 (Del.Ch. 1986). Ebenso aus späterer Zeit etwa Blue Chip Capital Fund II Ltd. Partnership v. Tubergen, 906 A.2d 827, 833 f. (Del. 1996); Winston v. Mandor, 710 A.2d 835, 845 (Del.Ch. 2997). Zum Abgrenzungs­ problem, welche Rechte den Vorzugseignern in dieser Eigenschaft zustehen und inwieweit sie den Stammeignern gleichgestellt sind, Mitchell, 51 Bus. Law. 443, 455 ff. (1996). 123  Goldman v. Postal Telegraph, Inc., 52 F.Supp. 763, 767 (D.Del. 1943): „Because at com­ mon law, in the absence of agreement to the contrary, all shares of stock, by whatever name they may be known, stand upon an equal footing, preferences, being in derogation of the common law rule, must be strictly construed.“ 124  S.  das Zitat im Text unter 1. 125  Ellingwood v. Wolf ’s Head Oil Refining Co., 38 A.2d 743, 747 (Del. 1944). 126  Gale v. Bershad, 1998 WL 118022, 5 (Del.Ch. 1998); Blue Chip Capital Fund II Ltd. 121 

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

Frage, ob eine Gruppe von Vorzugseignern gegenüber einer anderen ungerecht­ fertigt bevorzugt wurde, weil das Board of Directors die Berechnung des Liqui­ dationserlöses in einer bestimmten Weise vorgenommen hatte, nicht auf Fiduci­ ary Duties und Gleichbehandlungspflichten abgestellt, sondern allein die be­ treffende Liquidation Preference des Klägers interpretiert.127 Die eben dargestellten Grundsätze führen im Verbund mit einem aus deut­ scher Sicht rabulistischen Vorgehen der Gerichte bei der Auslegung von Ver­ tragsklauseln und Gesetzen dazu, dass mittelbare Beeinträchtigungen der Vor­ zugsanteile, etwa aufgrund einer Veränderung der Unternehmensstruktur, grundsätzlich sanktionslos bleiben. Der Delaware Supreme Court formuliert dies so: „Stockholders are charged with knowledge, at time they acquire their shares, that their preferential rights are subject to defeasance where a merger of corporations is permitted by law.“128

Allein die Tatsache, dass eine Strukturänderung zur Aushebelung einer Liqui­ dationspräferenz führt und die Inhaber der Vorzugsanteile deshalb lediglich USD 70 statt USD 100 pro Anteil erhalten, begründet nach dieser Sichtweise nicht die Rechtswidrigkeit der Maßnahme.129 Vielmehr betonte das Gericht in diesem Fall: „Stock issued or purchased prior to legislature’s authorization of cash mergers does not entitle a stockholder to any vested right of immunity from operation of cash merger provision, which may operate to totally eliminate a stockholder’s investment in a corpo­ ration.“130

bb)  Der „implied covenant of good faith and fair dealing“ Der „implied covenant of good faith and fair dealing“ bezieht sich auf die Aus­ legung einer konkreten Klausel und die Beurteilung von deren Reichweite. Die­ ser dem deutschen Gebot von Treu und Glauben ähnelnde Grundsatz wird al­ lerdings deutlich enger interpretiert als die gesellschaftsrechtliche Treue­ pflicht.131 Zudem scheidet er als Grundlage für die Geltendmachung eines Anspruchs prinzipiell aus, wenn das fragliche Verhalten vom Wortlaut der Ver­

Partnership v. Tubergen, 906 A.2d 827, 833 (Del. 1996). Zum „implied covenant“ noch unten bb). 127  Blue Chip Capital Fund II Ltd. Partnership v. Tubergen, 906 A.2d 827 (Del.Ch. 1996). 128  Rothschild Intern. Corp. v. Liggett Group Inc., 474 A.2d 133, 136 f. (Del. 1984). 129 Dieser Sachverhalt lag der Entscheidung Rothschild Intern. Corp. v. Liggett Group Inc., 474 A.2d 133 (Del. 1984), zugrunde: Tender Offer und Cash Merger, die nicht als „liqui­ dation“ angesehen wurden. 130  Rothschild Intern. Corp. v. Liggett Group Inc., 474 A.2d 133, 137 (Del. 1984). 131  Nemec v. Shrader, 991 A.2d, 1120, 1128 (Del. 2010); Gerber v. Enterprise Products Holdings, LLC, 2012 WL 34442, 12 (Del.Ch. 2012).

B.  Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA

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einbarung eindeutig gedeckt war.132 Vielmehr dient der „implied covenant“ in erster Linie einem anderen Zweck, nämlich der Sicherstellung der ordnungsge­ mäßen Durchsetzung anderweitig begründeter Pflichten:133 „The implied covenant of good faith and fair dealing functions to protect stockholders’ expectations that the corporation and its Board of Directors will properly perform the contractual obligations they have under the operative organizational agreements.“134

Er soll die berechtigten Erwartungen („reasonable expectations“) einer Partei auf die „fruits of the bargain“ schützen.135 Anders als die Treuepflicht schränkt diese US-amerikanische Variante von Treu und Glauben demnach die Reich­ weite von Vereinbarungen insoweit nicht ein, als sie im Regelfall nicht zur Steu­ erung des Parteiverhaltens gegen ausdrücklich getroffene Abreden herangezo­ gen werden kann. Insofern handelt es sich um ein Instrument, die Lücken zu füllen, die entstehen, weil eine Klausel das eingeforderte Verhalten nicht aus­ drücklich abdeckt, es aber dem „spirit of the agreement“ entspräche.136 Letzt­ lich gleicht die Rechtsprechung auf diese Weise die Konsequenzen ihrer wort­ lautfixierte Vertragsinterpretation aus. Haben Vorzugsinhaber kein Stimmrecht, sind sie deshalb selbst dann schutz­ los, wenn im Wege eines Asset Deals das wesentliche Vermögen der Gesell­ schaft veräußert wird. Die Inhaber der Vorzugsanteile können sich nach An­ sicht der Rechtsprechung nicht auf die Verletzung eines „fundamental statutory right“ berufen, weil dies der Abbedingung des Stimmrechts im „Vertrag“ wi­ derspräche.137 132  Nemec v. Shrader, 991 A.2d, 1120, 1128 (Del. 2010); Dunlap v. State Farm Fire & Cas. Co., 878 A.2d 434, 441 (Del. 2005). 133  Es gibt gegenläufige Urteile in der Rechtsprechung, in denen die Gerichte den „implied covenant“ einsetzten, um unter Fairness-Überlegungen die vertraglich definierten Rechte zu begrenzen, vgl. den Überblick bei Manesh, 38 Del. J. Corp. L. 1, 32 ff. (2013). Doch sind diese Fälle selten. Im Vordergrund steht die im Text erläuterte Funktion. Zum Verhältnis beider Aspekte und zu Erklärungsansätzen Manesh aaO. unter II.C., III. Festzuhalten ist, dass selbst diese Variante des „implied covenant“ nicht vollständig der deutschen Interpretation von Treu und Glauben entspricht. Fehlt jede Regelung, kann also keine Partei eine Vertrags­ bestimmung zu ihren Gunsten heranziehen, fungieren Richter nicht als Ersatzgestalter. Der Klägerseite bleibt in dieser Situation nur die Hoffnung, Grundsätze außerhalb des Vertrags­ rechts nutzen zu können, etwa die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht. Das scheitert immer dann, wenn ein Gericht meint, die in Rede stehende Problematik sei eine vertragsrechtliche. 134  Wood v. Baum, 953 A.2d 136, 143 (Del. 2008). 135  Nemec v. Shrader, 991 A.2d, 1120, 1126 (Del. 2010): Der „implied covenant“ greift, „when the party asserting the implied covenants proves that the other party has acted arbitra­ rily or unreasonably, thereby frustrating the fruits of the bargain that the assertig party rea­ sonably expected.“ Überblick über diese Komponente der Doktrin bei Manesh, 38 Del. J. Corp. L. 1, 8 ff. (2013). 136  Chamison v. Health Trust, Inc.-Hosp. Co., 735 A.2d 912, 920 (Del.C. 1999), affirmed 748 A.2d 407 (Del. 2000). Vgl. auch Manesh, 38 Del. J. Corp. L. 1, 8 ff. (2013). 137  Winston v. Mandor, 710 A.2d 835, 839 f. (Del.Ch. 1997). Im Fall konnten sich die Vor­ zugseigner allerdings erfolgreich auf die Verletzung bestimmter Bedingungen berufen.

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Sogar die Durchführung eines Leveraged Buy-Out, der das Verhältnis von Verbindlichkeiten zu Eigenkapital von 1:9 auf 4:1 verschiebt und auf diese Wei­ se zugleich mittelbar die Dividendenpräferenzen der Vorzugseigner beeinträch­ tigt, führt nicht zur Gewährung eines außerordentlichen Stimmrechts für die Inhaber von Vorzugsrechten, wenn sie das Recht auf ein „class vote“ nur in an­ deren Fällen haben.138 Aus Sicht des deutschen Betrachters ließe sich auf ein gewisses Spannungs­ verhältnis dieser restriktiven Sichtweise zu dem Grundsatz verweisen, soweit es an einer ausdrücklichen Abrede fehle, gälten die sonstigen gesellschaftsrechtli­ chen Treuepflichten. Diesem Argument liegt allerdings eine grundsätzlich vom US-Recht abweichende Sichtweise auf die Notwendigkeit der Bereitstellung eines gerichtlichen Schutzinstrumentariums zugrunde. In Delaware gilt als Re­ gel, dass jeder Erwerber eines Anteils für seinen eigenen Schutz verantwortlich ist. Besteht eine vertragliche Regelung, enthält sich ein Gericht jeglichen Ein­ griffs, sollte die Klausel den begehrten Schutz nicht bieten: „[...] the corporation’s duties and obligations to preferred stockholders include fiduciary responsibilities where their acts extend beyond the bounds of the contractual relation­ ship created by the certificate.[…] When, however, the corporate actions complained of are expressly contemplated by a certificate, the duties and obligations of the corporation and its preferred stockholders are governed exclusively by their contract.“139

Die „bounds of the contractual relationship“ ergeben sich aus den Vorzugsver­ einbarungen: Alles, was als Beeinträchtigung einer Preference begriffen werden darf, muss innerhalb des Rahmens liegen, den Gesellschaft und Vorzugsinhaber „exclusively by their contract“ gezogen haben. Immerhin darf das Management die Rechte der Inhaber von Preferred Shares nicht aufgrund einer dies vermeintlich gebietenden Treuepflicht brechen, etwa indem es die Ausübung einer Wandlungsoption missachtet.140 Falls eine Rege­ lung existiert, ist diese gültig und kann, das ist die Kehrseite der beschriebenen Rechtsprechung, grundsätzlich nicht mit allgemeinen Gerechtigkeits- und Treuepflichterwägungen ausgehebelt werden.141 c)  Konsequenzen für die Gestaltungspraxis Für die Gestaltungspraxis in den USA ergibt sich aus der Behandlung von Vor­ zugsanteilen und den mit ihnen verbundenen Rechten durch die Rechtspre­ chung damit die Notwendigkeit, möglichst sämtliche vorhersehbare Umstände explizit zu regeln. Zudem müssen die einzelnen Klauseln detailreich ausgestal­ 138  Dart v. Kohlberg, Kravis, Roberts & Co., 1985 WL 21145, 5 f. (Del.Ch. 1985), mit Ver­ weis auf das Rothschild-Urteil (Fußnote 130). 139  Winston v. Mandor, 710 A.2d 835, 845 (Del.Ch. 1997). 140  Halifax Fund, L.P. v. Response USA, 1997 WL 33173241, 2 (Del.Ch. 1997). 141  Zu Einschränkungen oben Fußnote 133.

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tet sein, um den richterlichen Umkehrschluss von der ansonsten ausdrücklichen Regelung auf die Nichtexistenz von Rechten im konkreten Fall zu verhindern. Um eine mittelbare Beeinträchtigung der in den Vorzügen enthaltenen Ansprü­ che zu unterbinden, ist es deshalb erforderlich, den Inhabern Kontroll- und Blockademöglichkeiten hinsichtlich solcher Maßnahmen zuzugestehen, die die Vereinbarungen über die Vorzugsanteile nicht ausdrücklich erfassen. In der Re­ gel dienen hierzu Abreden zur Besetzung des Board of Directors sowie beson­ dere Stimmbindungsvereinbarungen.142

II. Dividendenpräferenzen 1. Grundlagen Grundsätzlich haben Aktionäre, gleich welcher Anteilsklasse, nach dem Dela­ ware General Corporation Law keinen Anspruch auf eine Dividende. Vielmehr stellt §  170(a) des Delaware General Corporation Law (DGCL) solche Aus­ schüttungen in das Belieben des Board of Directors.143 §  151(c) DGCL144 und §  6.01(c)(3), (4) M.B.C.A.145 gewähren den Satzungsgestaltern oder dem zur An­ teilsausgabe ermächtigten Board of Directors einen breiten Spielraum bei der Einräumung von Dividendenvorrechten.146 Da eine Blankettermächtigung („blank check“) des Board of Directors in der Satzung genügt, kann dieses die konkrete Gestalt der Präferenzen kurz vor der Anteilsausgabe festlegen und damit Investorenwünschen entgegenkommen, ohne erst die Anteilseigner be­ fragen zu müssen.147 142 

Zu beiden Punkten unten §  3. „The directors of every corporation, subject to any restrictions contained in its certifi­ cate of incorporation, may declare and pay dividends upon the shares of its capital stock […].” (Kursivsetzung hinzugefügt) 144  „The holders of preferred or special stock of any class or of any series thereof shall be entitled to receive dividends at such rates, on such conditions and at such times as shall be stated in the certificate of incorporation or in the resolution or resolutions providing for the issue of such stock adopted by the Board of Directors […].” 145  „The articles of incorporation may authorize one or more classes or series of shares that: [...] (3) entitle the holders to distributions calculated in any manner, including dividends that may be cumulative, noncumulative, or partially cumulative; or (4) have preference over any other class or series of shares with respect to distributions, including distributions upon the dissolution of the corporation.” 146  Plechner v. Widener College, Inc., 418 F.Supp. 1282, 1299 (E.D.Pa. 1976), in Anwen­ dung des Rechts von Delaware, affirmed 569 F.2d 1250 (3rd Cir. 1977). 147  Folk, GCL-V-29 f. Zu den Anforderungen Staar Surgical Co. v. Waggoner, 588 A.2d 1130, 1136 ff. (Del. 1991). In dieser Entscheidung wird betont, trotz „blank check“ habe das Board of Directors zwingend einen Beschluss über die Ausgabe zu fassen und mittels eines Certificate of Designation das Certificate of Incorporation anzupassen (s. schon oben I.1.). Wesentlich ist für die Ausgestaltung der Ermächtigung, dass sie sich nicht nur auf die Schaf­ fung mehrerer „classes“ beziehen darf, sondern auch die Ausgabe von unterschiedlichen „se­ ries“ einbeziehen muss, obwohl innerhalb einer „class“ mehrere „series“ bestehen können. 143 

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

2. Gestaltungspraxis a)  Grundsatz: Non-cumulative Dividends Häufig werden die Vorrechte so formuliert, dass die Dividenden nur ausge­ schüttet werden müssen, „when, as and if declared by the Board of Directors“.148 Dann steht die Ausschüttung von Dividenden, wie gesetzlich als Standard vor­ gesehen, im Belieben des Board.149 Gewährt es keine Dividende, etwa weil der Ausschüttung Kapitalerhaltungsvorschriften entgegenstehen, ist in der Recht­ sprechung umstritten, ob in den Jahren, in denen eine Auszahlung möglich wäre, „nachträglich“ bedient werden muss.150 Diese Folge lässt sich vermeiden, indem Bedingungen zur Dividendenkumulierung aufgenommen werden: b)  Cumulative, Cumulative „if earned“ und Cumulative Participating Dividends Beteiligungsvereinbarungen enthalten außerhalb des Silicon Valley nicht selten Regelungen zu Cumulative Dividends.151 Gemäß §  151(c) DGCL sind Dividen­ denansprüche kumulierbar, wenn dies ausdrücklich so bestimmt ist.152 Mittels einer Cumulative Preference lässt sich der Anspruch auf eine Dividende für den Fall sichern, dass das Board of Directors in einem bestimmten Jahr keine Divi­ dendenausschüttung beschließt. Vor der Auszahlung von Dividenden oder Li­ quidationserlösen an die Inhaber von Stammanteilen müssen bei einem solchen Vorzug zunächst die kumulierten Ansprüche der begünstigten Inhaber befrie­ digt werden.153 Das gewährleistet, dass das Ermessen des Board of Directors, über die Ausschüttung zu entscheiden, am Ende nicht dazu führt, den Vorrang der Vorzugseigner im Ergebnis zu unterlaufen. Da ein Start-up-Unternehmen regelmäßig keine Bardividende zu zahlen in der Lage ist, wird in der Praxis ge­

Das begründet die Rechtsprechung damit, dass das Delaware General Corporation Law zwi­ schen „class“ und „series“ unterscheide, Siegman v. Palomar Medical Technologies, Inc., 1998 WL 118201, S.  4 (Del.Ch. 1998). 148  Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, 8-9. Aus der Rechtspre­ chung Giammalvo v. Sunshine Min. Co., 1994 WL 30547, S.  3 (Del.Ch. 1994); Baron v. Allied Artists Pictures Corp., 337 A.2d 653, 658 (Del.Ch. 1975), appeal dismissed, 365 A.2d 136 (Del. 1976); Treves v. Menzies, 142 A.2d 520, 522 (Del.Ch. 1958). 149  Giammalvo v. Sunshine Min. Co., 1994 WL 30547, S.  4 (Del.Ch. 1994); Baron v. Allied Artists Pictures Corp., 337 A.2d 653, 658 (Del.Ch. 1975), appeal dismissed, 365 A.2d 136 (Del. 1976); Treves v. Menzies, 142 A.2d 520, 522 (Del.Ch. 1958). 150  Das Problem ist für die Zwecke dieser Arbeit ohne Bedeutung und wird daher nicht weiter vertieft. Zum Ganzen mit Nachweisen Thompson, Close Corporations, §  3:332. 151  Bengtsson/Ravid, Geography, S.  36 (Table 3, Panel C): 47%; dagegen Kalifornien: 11%. 152  Zur älteren Rechtsprechung vor Einführung des §  151(c) DGCL Folk, GCL-V-27 f. 153  Bartlett, Equity Finance, §   13.4 (S.  298); Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 8-9.

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legentlich die Cumulative Preference so ausgestaltet, dass sie erst nach einem bestimmten Datum greift.154 Das im Vorzug enthaltene Recht kann in seinem Umfang erweitert oder mit Einschränkungen versehen werden. Eine Möglichkeit der Begrenzung besteht darin, eine „if earned“-Klausel in die Ausgabebedingungen aufzunehmen. Die­ se Bedingung beschränkt die Nachzahlungspflichten auf solche Dividenden, die das Board of Directors auf legalem Wege hätte beschließen können, wenn also ausreichend Erträge vorhanden gewesen wären. Wäre die Ausschüttung in einem früheren Berechnungszeitraum etwa nur unter Verstoß gegen Kapitaler­ haltungsvorschriften möglich gewesen, ist sie gemäß der „if earned“-Bestim­ mung für die Berechnung der Anspruchshöhe nicht zu berücksichtigen. Fehlt diese Grenze, muss aus den im Zeitpunkt der tatsächlichen Ausschüttung vor­ handenen Mitteln selbst dann eine Dividende gezahlt werden, wenn diese im Jahr des Ausfalls nicht hätte gewährt werden dürfen.155 Die Erweiterung der Vorzugsrechte ist durch die zusätzliche Ausstattung des Anteils mit einer sogenannten Participating Preference möglich. Diese sorgt da­ für, dass die Inhaber unabhängig von den Dividendenausschüttungen an den sonstigen Erlösen im gleichen Rang (gelegentlich sogar besseren Rang) wie die Inhaber von Stammanteilen partizipieren.156 In diesem Fall werden zunächst die Vorzüge bedient, anschließend nehmen die Vorzugsanteilseigner im glei­ chen Rang wie die Stammgesellschafter an der Verteilung der Dividende teil. c)  Verknüpfung von Cumulative Preferences mit anderen Rechten In der Regel werden Cumulative Dividend Preferences mit anderen Rechten verknüpft. Praktisch wichtigstes Beispiel ist die automatische Veränderung der Mehrheitsverhältnisse im Board of Directors im Falle eines „defaults“. Eine häufig vorzufindende Variante ist die Zuweisung zusätzlicher Sitze an die Vor­ zugsinhaber, wenn mehrere Male keine Dividenden ausgeschüttet wurden.157 Eine andere Möglichkeit, bei einem „default event“ den Ausfall von Zahlungen 154  Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 8-9; Thompson, Close Corporations, §  3:32. 155  Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 8-9. 156  Bartlett, Equity Finance, §   13.4 (S.  298); Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 8-10 f. 157  Bartlett, Equity Finance, §  13.4 (S.  298). Eine solche Klausel lag Baron v. Allied Artists Pictures Corp., 337 A.2d 653 (Del.Ch. 1975), zugrunde, s. aaO., 655: „‘. . . in case at any time six or more quarterly dividends (whether or not consecutive) on the Preferred Stock shall be in default, in whole or in part, then until all dividends in default on the Preferred Stock shall have been paid or deposited in trust, and the dividend thereupon for the current quarterly period shall have been declared and funds for the payment thereof set aside, the holders of the Preferred Stock, voting as a class, shall have the right, at any annual or other meeting for the election of directors, by plurality vote to elect a majority of the Directors of the Corpora­ tion.’“

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auszugleichen, liegt darin, statt Geld eine Sachdividende zu gewähren. In der Regel besteht die Sachdividende in zusätzlichen Anteilen – häufig wiederum mit Vorzügen ausgestattet – zu Gunsten der Vorzugseigner.158 Das hat aller­ dings unter Umständen steuerliche Nachteile159 und erhöht angesichts der Ver­ größerung des Beteiligungsumfangs beim Auftreten wirtschaftlicher Schwie­ rigkeiten die Verlustrisiken.160

3.  Auswirkungen von Dividendenvorzügen a) Vergütungsfunktion Dividendenvorzüge sichern den Kapitalgebern eine Mindestvergütung für die Bereitstellung liquider Mittel und haben eine ähnliche Bedeutung wie die Ver­ zinsung von Fremdkapital.161 Im Venture Capital-Bereich sind sie jedoch von eher untergeordneter Bedeutung für die wirtschaftlichen Erwägungen des In­ vestors. Dies lässt sich an einem Beispiel verdeutlichen: Eine Dividende in der Höhe von 10% sichert bei einer Investition von USD 1.000.000, beständige Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft unterstellt,162 Aus­ zahlungen in Höhe von USD 100.000 pro Jahr. Bei einer Beteiligungsdauer von zehn Jahren erhält der Investor am Ende auf Grundlage seiner Dividendenvor­ rechte insgesamt USD 1.000.000, also nominal nicht mehr als sein eingesetztes Kapital.163 Bedenkt man, dass Kapitalgeber eine Investition erst dann als Erfolg betrachten, wenn sie ein Vielfaches des eingesetzten Betrages erzielen, wird deutlich, dass die Präferenzen wenig relevant sind, soweit es die Gewinnerzie­ lung betrifft. Um das Zehnfache des investierten Kapitals zu erhalten, müsste der Kapitalgeber 100 Jahre warten. Ist das Unternehmen sehr erfolgreich (soge­ nannter „Home Run“), verliert der Dividendenvorzug jede Bedeutung: Wird bezogen auf das eingesetzte Kapital ein vierzig- oder fünfzigfacher Gewinn er­ reicht, erhöht sich der vom Investor erzielte Betrag von USD 40.000.000 oder USD 50.000.000 lediglich um weitere USD 5.000.000. Erweist sich das Unter­

158  Bartlett, Equity Finance, §  13.4 (S.  298). Ein praktisches Beispiel für eine solche Klausel aus Giammalvo v. Sunshine Min. Co., 1994 WL 30547, S.  3 (Del.Ch. 1994): „Dividends with respect to the Preferred Stock shall be payable in cash; provided, however, that in the event that a cash dividend is not paid on the Payment Date, the Corporation, if declared but not paid in cash, shall promptly cause to be issued ... such number of shares of Common Stock which has a value ... equal to the cash dividend amount owed to such holder.“ 159 Dazu Bartlett, Equity Finance, §  13.4 (S.  298 f.). 160 Von Bartlett, Equity Finance, §  13.4 Fußnote 26 (S.  298), daher als „equivalent of addi­ tional deck chairs on the Titanic“ beschrieben. 161  S.  dazu noch unten V.3.c). 162  Das ist insbesondere in den frühen Finanzierungsstadien eher selten der Fall. 163  Berücksichtigt man die Inflation, erhält der Investor effektiv noch nicht einmal den Wert des eingesetzten Kapitals.

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nehmen dagegen als wirtschaftlicher Fehlschlag, versagen die Dividendenvor­ rechte. Bedeutung haben sie damit allein für „mittlere“ Fälle der „Living Dead“,164 in denen das Unternehmen noch verkauft werden konnte, der Anteil am Liquida­ tionserlös aber unter der sogenannten Post-Money Bewertung165 bei Beteili­ gung liegt. Hat ein Investor sich etwa mit einer Investition von 50 an einem Unternehmen beteiligt und dafür die Hälfte der Anteile nebst einer sogenann­ ten Straight-Liquidation Preference166 und einer Cumulative Dividend Prefe­ rence von 10% erhalten, kann er bei einer Veräußerung des Unternehmens nach fünf Jahren für 90167 insgesamt 75 beanspruchen.168 Ohne Dividendenvorzug stünden ihm lediglich die ursprünglich eingesetzten 50 aufgrund seines Liqui­ dationsvorzuges zu. Kombiniert der Investor sein Dividendenvorrecht mit ei­ ner Participating Liquidation Preference, lässt sich der Gewinn allerdings wei­ ter erhöhen.169 b)  Schutz vor privater Vorteilsnahme seitens der Gründer Eine wichtige Funktion des Dividendenvorrechts besteht darin, die Investoren vor einem Abzug der von ihnen zur Verfügung gestellten Mittel zu schützen.170 Zu Beginn der Finanzierung verfügen die Gründer häufig sowohl über die Ab­ stimmungsmehrheit auf Ebene der Gesellschafter als auch über die Mehrheit der Posten im Board of Directors. Wären die Investoren bei Gewinnausschüt­ tungen nicht vorrangig zu bedienen, bestünde ein Anreiz für die Gründer, Di­ 164 

Zu den „Living Dead“ schon oben A. §  2 I.2. „Post-Money“ und „Pre-Money“ Bewertungen sind für die Gestaltungspraxis wesent­ liche Parameter: „Pre-Money“ meint die Bewertung des Unternehmens vor der Transaktion und wird errechnet aus Anteilspreis x Anzahl von bisher ausgegebenen („outstanding“) An­ teilen. Einbezogen werden in der Praxis häufig außerdem die noch nicht ausgegebenen Antei­ le aus einem Stock Option Pool (hierzu unten §  11). Das führt zu einer sofortigen Verwässe­ rung der Beteiligung der Gründer, weil diese nicht voll angerechnet werden. Beispiel: Die Gründer halten 400.000 Anteile, der Option Pool beläuft sich auf 100.000 Anteile. Ein Inves­ tor, der 50% der Anteile erwerben will, berechnet die 50% unter Bezugnahme auf 500.000 Anteile (400.000 + 100.000). Damit hat er bei Abstimmungen mehr als 50% der Stimmrechte, da für die Stimmrechte die nicht ausgegebenen Anteile aus dem Option Pool außer Betracht bleiben. Er erhält also mittels des Erwerbs von 50% der Anteile Stimmrechte im Umfang von ca. 55,54% (500.000 zu 1.900.000 Anteilen insgesamt). Die „Post-Money“ Bewertung ist die Summe von Pre-Money Bewertung und Investment. Im Beispiel wären dies 500.000 (Pre-Mo­ ney) + 500.000 (Investment) = 1.000.000. Kritisch zu dieser Bewertungsmethode etwa Inderst/Müller, 72 J. Fin. Econ. 319, 329 (2004). 166  Dazu sogleich unten III.3. 167  Und damit unter der Post-Money Bewertung von 100 nach Kapitalzufluss (vgl. zur Post-Money Bewertung oben Fußnote 165). 168  50 ursprüngliche Invesition aufgrund der Liquidation Preference + 25 aus der Cumula­ tive Dividend. 169  Zur Participating Liquidation Preference unten III.3. 170  Vgl. bereits oben A. §  1 I.1.b). 165 

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videndenzahlungen zu beschließen, um sich selbst mittelbar Zugriff auf die von den Kapitalgebern geleisteten Einlagen zu eigenem Vorteil zu verschaffen.

III. Liquidationspräferenzen 1. Grundsätze Liquidationsvorrechte werden seit langem als Bestandteile von Vorzugsanteilen betrachtet.171 Die normative Grundlage liefert, wie bei den Dividendenvorzü­ gen, §  151(a) DGCL. Zentral ist die Differenzierung zwischen einer Liquidation im gesellschafts- und insolvenzrechtlichen Sinne und einer Liquidation von wagniskapitalfinanzierten Unternehmen: Liquidation im Gesellschafts- und Insolvenzrecht meint nach der Rechtsprechung grundsätzlich „the winding up of the affairs of the corporation by getting in its assets, settling with creditors and debtors and apportioning the amount of profit and loss.“172 Doch ist es möglich, in den Ausgabebedingungen von Preferred Shares eine andere Definition zu wählen.173 Von dieser Gestaltungsfreiheit wird in der Pra­ xis routinemäßig Gebrauch gemacht. „Liquidation“ meint daher in Venture Ca­ pital-Finanzierungen keineswegs nur die Abwicklung in wirtschaftlichen Kri­ sensituationen. „Liquidity events“ sind etwa Verschmelzungen, der Unterneh­ mensverkauf sowie die Veräußerung der Stimmrechtsmehrheit („voting control“).174 Liquidation Preferences erfassen demnach verschiedene Formen des Kontrollwechsels.175 Hinsichtlich des Zugriffs auf Erlöse gilt nach der vorherrschenden Recht­ sprechung grundsätzlich, dass die Vorzugsinhaber nur das verlangen dürfen, was ausdrücklich als Inhalt der Präferenz definiert wurde. Die übrigen Liquida­ 171 Vgl. Starring v. American Hair & Felt Co., 191 A. 887, 890 (Del.Ch. 1937), affirmed, 2 A.2d 249 (Del. 1937); Goldman v. Postal Tel., Inc., 52 F.Supp. 763, 767 (D.C.Del. 1943). 172  Quadrangle Offshore (Cayman) LLC v. Kenetech Corp., 1998 WL 778359, S.  3 (Del. Ch. 1998); Rothschild Intern. Corp. v. Liggett Group Inc., 474 A.2d 133, 136 (Del. 1984). 173 Vgl. Quadrangle Offshore (Cayman) LLC v. Kenetech Corp., 1998 WL 778359, S.   5 (Del.Ch. 1998). 174  Vgl. das Beispiel bei Bartlett/Barrett/Butler, Advanced Private Equity, 2-26. Ein IPO ist dagegen regelmäßig kein „liquidity event“. Zwar könnte man argumentieren, ein IPO sei vom wirtschaftlichen Ergebnis her insofern mit einem Verkauf vergleichbar, als in beiden Fällen unter Umständen Dritte die Kontrolle über die Gesellschaft erhalten. Doch steht der Definition eines Börsenganges als „liquidity event“ schon entgegen, dass ein Underwriter eine derartige Klausel kaum hinnähme. Sie steht im Widerspruch zum üblichen Vorgehen bei IPOs und kann erhebliche Haftungsrisiken begründen, wenn die Erlöse – die Gegenleistung für die neu ausgegebenen Anteile – nicht vollständig an die Gesellschaft abgeführt werden. Die Frage stellt sich in der Praxis im Regelfall bereits deshalb nicht, weil die Conversion Rights der Investoren für den Fall des Börsenganges eine Abrede zur automatischen Um­ wandlung der Vorzugsanteile in Stammanteile enthalten (dazu unten IV.2.). 175  Smith, 53 UCLA L. Rev. 315, 347: „In other words, “liquidation” covers the spectrum, from utter failure to grand success.“

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tionserlöse verbleiben den Stammanteilseignern.176 Das steht im Widerspruch zum sonst geltenden Grundsatz, Vorzugsanteile seien abseits besonderer Rege­ lungen wie Stammanteile zu behandeln.177 Dann nämlich müssten die Vorzugs­ eigner nach der Befriedigung ihrer besonderen Ansprüche als im Übrigen den Stammgesellschaftern gleichstehende Mitglieder der Gesellschaft an der Vertei­ lung der restlichen Erlöse wie Stammeigner teilnehmen dürfen. Das wird von den Gerichten in Delaware jedoch entweder ignoriert oder aufgrund einer ent­ sprechenden Auslegung der Ausgabebedingungen überspielt.178 Aus diesem Grund finden sich in vielen Venture Capital-Vereinbarungen besondere Rege­ lungen zur Reichweite der Erlösberechtigung.179 Ältere, soweit ersichtlich nicht auf dem Recht von Delaware basierende Urteile bestätigen dagegen gelegent­ lich, als „Grundregel“ gelte, dass die Vorzugsinhaber nach Befriedigung etwai­ ger ausdrücklicher Vorrechte pro rata an den Erlösen partizipieren.180 Auch Liquidationsvorrechte kann das Board of Directors aufgrund einer Blankoermächtigung weitgehend nach eigenem Belieben ausgestalten. Insoweit gilt das zu Dividendenvorrechten Gesagte entsprechend.

2. Gestaltungspraxis Üblicherweise umfassen die Vorrechte entweder abstrakt als „Multiple“ das Ein- oder Mehrfache des ursprünglichen Investments oder es wird ein fixer Be­ trag in die Ausgabebedingungen aufgenommen.181 In der Gestaltungspraxis las­ sen sich zwei Grundtypen von Liquidationsvorrechten unterscheiden, je nach­ dem, ob ihre Inhaber zusätzlich zum Vorzug noch weitere Erlösrechte haben: Straight oder auch Non-Participating Liquidation Preferences und Participa­ ting Liquidation Preferences. Der Unterschied liegt darin, dass die zuletzt genannte Klausel neben dem Recht auf ein gegebenenfalls Vielfaches des investierten Betrages die Teilnahme 176  Wood v. Coastal States Gas Corp., 5 Del. J. Corp. L. 326, 333 f. (Del.Ch. 1978), affirmed, Wood v. Coastal States Gas Corp., 401 A.2d 932 (Del. 1979); für das Recht von Colorado ebenso Hackbart v. Holmes, 675 F.2d 1114, 1116 Fußn. 1 (10th Cir. 1982). Die Aufhebung der zuletzt zitierten Entscheidung in Anixter v. Home-Stake Production Co., 939 F.2d 1420, 1441 (10th Cir. 1991), beruhte auf anderen Gründen. Einen Ausnahmefall stellt Cannon v. Denver Tramway Corp., 373 A.2d 580 (Del.Ch. 1977), dar, in dem den Inhabern der Preferred Shares mehr zugesprochen wurde mit dem Argument, die fraglichen Zusatzgewinne seien im Rah­ men eines „in trust“ für sämtliche Anteilseigner gehaltenen Vermögens entstanden. 177  Oben I. 1. 178  Buxbaum, 42 Cal. L. Rev. 243, 246 (1954). 179  Hierzu sogleich 2. 180  Englander v. Osborne, 261 Pa. 366, 368 f. (Pa. 1918). Weitere Nachw. bei Buxbaum, 42 Cal. L. Rev. 243, 246 Fußn. 22 (1954). 181  Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 8-9; Lemon, 39 Tex. J. Bus. L. 1, 9 (2003). Die Regel ist in den letzten Jahren eine “1x”-Präferenz, s. Bengtsson/ Ravid, Geography, Table 2B (93% der Stichprobe).

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an der Verteilung des restlichen Liquidationserlöses im Gleichrang mit den üb­ rigen Anteilseignern ermöglicht.182 Die Aufteilung dieses verbleibenden Erlöses findet auf einer pro rata-Basis statt.183 Diese teilnehmende Variante findet sich in Kalifornien nach einer neueren empirischen Studie in mehr als 60% der Ver­ einbarungen, in anderen Regionen noch häufiger.184 Gelegentlich wird die Durchschlagskraft einer Participating Liquidation Pre­ ference durch die Vereinbarung einer Obergrenze („cap“) oder mittels eines „kick-out feature“ abgemildert, indem ein bestimmtes Vielfaches des ursprüng­ lich investierten Betrages als Obergrenze der Präferenz in die Ausgabebedin­ gungen aufgenommen wird.185

3.  Auswirkungen von Liquidationspräferenzen a)  Auswirkungen unbeschränkter Participating Liquidation Preferences Welche Auswirkungen unbeschränkte Participating Liquidation Preferences haben können, lässt sich am Besten anhand eines – vereinfachten – Beispiels verdeutlichen: Der Investor investiert 5186 in Vorzugsanteile der „Series A“ zu einer Pre-money Bewertung von 5.187 Das Unternehmen wird für 20 verkauft, ohne dass es weitere Finanzierungsrunden gegeben hat. Als Inhaber von Stamm­anteilen oder als Inhaber von Vorzugsanteilen ohne Liquidationspräfe­

182  S.  etwa Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 8-13; Gump, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 10A-8. 183  Gump, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 10A-8. 184 So Bengtsson/Ravid, Geography, S.  36 (Table 3, Panel C). Bengtsson/Ravid zählen für ihre – große – Stichprobe folgende Werte an: Kalifornien: 64%; andere Regionen: 70%. Die von führenden Venture Capital-Kanzleien des Silicon Valley herausgegebenen Übersichten legen für diese Region teilweise deutlich niedrigere Angaben zugrunde und differenzieren gelegentlich noch zwischen Series A bis D, s. etwa Wilson Sonsini Goodrich & Rosati, Entre­ preneurs Report 2014, S.  5: 30% Participating in 2013, 33% Participating in 2012; Kramer/ Patrick (Fenwick & West), Silicon Valley Venture Capital Survey Fourth Quarter 2014, S.  17: Werte in 2014 zwischen 20% (viertes Quartal) und ca. 26% (erstes Quartal), für 2013 ver­ zeichnen sie Werte zwischen ca. 26% (drittes Quartal) und 34% (zweites Quartal 2013); Cooley, Venture Financing Report 2014, S.  4 setzen den höchsten Wert im Jahr 2009 für Series C an mit insgesamt 67,6% (Series A: 49,6%, Series B: 60,2%; Series D: 63%), den niedrigsten im Jahr 2014 für Series A mit 21,1% (Series B: 31,1%; Series C: 25,3%; Series D 52,6%). Für diese Unterschiede gibt es zwei Erklärungsansätze: (i) Die Angaben der Kanzleien sind jüngeren Datums, so dass sich die möglicherweise Änderungen des wirtschaftlichen Umfelds in güns­ tigeren Bedingungen widerspiegeln. (ii) Vermutlich ist die Stichprobe verzerrt: Bei den Kanz­ leien handelt es sich um die Marktspitze. Es ist denkbar, dass weniger renommierte Kanzleien, deren Vereinbarungen nicht in die jeweiligen Stichproben einflossen, schlechtere Konditionen für Gründer verhandelt haben. S.  dazu noch unten §  13 III.1. 185  Zahlenangaben dazu in den in der vorhergehenden Fußnote genannten Studien. 186  Aus Vereinfachungsgründen wird darauf verzichtet, jeweils „Millionen USD“ an die Zahlen anzufügen. 187  Zur Erklärung des Begriffs Pre-money Bewertung oben Fußnote 165.

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renz bekäme der Kapitalgeber 50% dieser 20, also 10.188 Sind die Anteile dage­ gen als Participating Preferred ausgestaltet, erhält der Investor zunächst nach Maßgabe seines Liquidationsvorzugs die ursprünglich geleisteten 5 zurück189 und nimmt anschließend mit einem Zugriffsrecht von 50% an der Verteilung der übrigen 15 teil. Er erhält demnach weitere 7,5, also insgesamt 12,5. Damit werden ihm 62,5% des Erlöses zugeteilt – statt der 50%, die ihm nach Beteili­ gungsumfang zustünden. Je erfolgreicher das Unternehmen ist, desto mehr verschiebt sich die Quote zu Gunsten der Gründer.190 Denn das relative Gewicht des vorab aufgrund des Liquidationsvorrangs zu erstattenden Betrages – die in Prozent ausgedrückte Quote am Erlös – sinkt ab. Wäre das Unternehmen im eben genannten Beispiel für 200 statt für 20 veräußert worden, hätten die Kapitalgeber lediglich einen Anteil von 51,25% erhalten.191 Handelt es sich dagegen um einen wirtschaftli­ chen Fehlschlag, wird der Kapitalgeber bestenfalls auf Befriedigung seiner Li­ quidation Preference drängen können. Kommt es zu einem Börsengang, verlie­ ren die Überlegungen ebenfalls an Bedeutung, weil im Zuge des öffentlichen Angebots in der Regel eine Pflichtwandlung („mandatory conversion“) der Vorzugsanteile in Stammanteile stattfindet,192 so dass sämtliche Präferenzen untergehen. Eine besondere Wirkung erzielen solche Participating Liquidation Preferen­ ces daher – wie schon die Dividendenvorzüge – vorrangig in Fällen mittelmäßig erfolgreicher Finanzierungen, den bereits zitierten „Living Dead“.193 Kapitalge­ ber gebrauchen in diesem Zusammenhang ihre Vorzüge kombiniert mit Rückübertragungsrechten (Redemption Rights)194 als Druckmittel, die Grün­

188  Das folgt daraus, dass die Höhe des Investments das Produkt aus Anteilspreis (Pre-Mo­ ney) x Anzahl der an den Investor ausgegebenen Anteile ist und dieser Wert (hier 5) anschlie­ ßend in die Post-Money Bewertung einbezogen wird, die die Summe von Pre-Money Bewer­ tung (5) und Investment (gleichfalls 5) darstellt. Post-Money war das Unternehmen hiernach 10 wert (5 [Pre-Money Valuation] + 5 [Investment]). Der Umfang der Zugriffsrechte des Ka­ pitalgebers folgt aus dem Quotient von an den Investor ausgegebenen Anteilen geteilt durch die insgesamt ausstehenden Anteile (Alternativberechnung: Quotient von Investment geteilt durch Post-Money Bewertung). So ergibt sich die 50%-Quote des Investors im Beispiel, in­ dem sein Investment (5) durch die Post-Money Bewertung von 10 geteilt wird. 189  Dem liegt die Annahme einer einfachen („1x“) Liquidationspräferenz zugrunde. 190  Genauer gesagt: Die Quote verschiebt sich zu Gunsten all jener Anteilsinhaber, die über keinen Liquidationsvorzug verfügen. Das sind neben den Gründern gelegentlich noch andere Personen, etwa Angel Investors, die vor Beginn der Venture Capital-Finanzierung Kapital gegen Common Shares zur Verfügung gestellt haben. Da die Gründer jedoch den größten Teil der Stammanteile halten, werden sie hier pars pro toto im Text genannt. 191  Der Kapitalgeber erhält 5 vorab (Liquidationspräferenz) und weitere 97,5 (195/2), insge­ samt 102,5 von 200, also 51,25%. 192  Dazu IV.2. 193  Dazu A. §  2 I.2.. 194  Zu Rückübertragungsrechten unten §  8 .

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

der zur Auszahlung zu bewegen.195 Das führt nicht zwingend zur vollständigen Durchsetzung der Rechte der Kapitalgeber. Denn sollten die Gründer in eine Lage geraten, die sie – nach Auflösung des Beteiligungsverhältnisses – wirt­ schaftlich für wenig aussichtsreich halten, stellen sie unter Umständen die Tä­ tigkeit ein und führen das Unternehmen in die Insolvenz. Da sich in diesem Fall die Bewertungsmaßstäbe von einem Going Concern hin zu Liquidationswerten verändern und der vorherzusehende Abgang der Gründer samt ihrem Knowhow einen Verkauf des Unternehmens an Dritte unwahrscheinlich werden lässt, sinkt der Unternehmenswert erheblich. Aus diesem Grund einigen sich Inves­ toren und Gründer in der Praxis nicht selten auf einen Kompromiss, nach dem die Kapitalgeber im Gegenzug für die Übertragung ihrer Anteile an die Grün­ der den von ihnen ursprünglich investierten Betrag erhalten, zuzüglich eines Aufschlags als Minimalrendite. Ein Problem ergibt sich im Zusammenhang mit Liquidationspräferenzen un­ ter Umständen, wenn das Unternehmen erfolgreich ist und sowohl ein Exit via Börsengang als auch ein Exit mittels Unternehmensverkaufs in Betracht kommt. Denn in diesem Fall können die Inhaber der Vorzugsrechte im Wege des Unter­ nehmensverkaufs möglicherweise höhere Erträge erzielen, weil ihre Anteile nicht automatisch in Stammanteile umgewandelt werden, so dass ihre Präferen­ zen bei der Verteilung des Erlöses zum Zuge kommen.196 Die Stammeigner sind deshalb in der Regel eher daran interessiert, einen Börsengang durchzuführen. Führt man sich vor Augen, dass zu den Inhabern von Common Shares oder von Optionsrechten auf solche auch das Management gehört, wird deutlich, dass diese unter Umständen selbst dann gegen eine Liquidation durch Unterneh­ mensverkauf sind, wenn dieser aus volkswirtschaftlicher Sicht sinnvoller wäre. In der Praxis werden daher die Präferenzen häufig neu verhandelt und im Er­ gebnis beschränkt. Insoweit kann eine von Beginn an existierende Obergrenze für die Vorzugsrechte den richtigen Anreiz geben. Überdies steuern hier Klau­ seln zur automatischen Anteilskonversion entgegen.197 Aus Investorensicht kann sich aus der Aufnahme von Participating Liquida­ tion Preferences ein Problem entwickeln, wenn sie in einer frühen Finanzie­ rungsrunde gewährt wurden. Denn neue Kapitalgeber in weiteren Finanzie­ rungsrunden bestehen auf mindestens gleichwertigen Rechten. Enthalten die Anteile der Serien B oder C vorrangige Ansprüche, hat sich der Inhaber der Series A mit der Setzung starker Ausgangsstandards im Ergebnis selbst geschä­ digt.

195 

So die Auskünfte der vom Verfasser befragten, im Silicon Valley tätigen Anwälte.

196 IV.2.b)aa). 197  Unten

IV.2.b).

B.  Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA

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b)  Auswirkungen beschränkter Participating Liquidation Preferences Abgesehen von dem eben unter a) beschriebenen Fall sind Begrenzungen der Erlösbeteiligung „nach oben“ („caps“) aus wirtschaftlicher Sicht weniger be­ deutsam, als dies den Anschein haben mag: Ist das Unternehmen sehr erfolg­ reich, verliert die Liquidationspräferenz an Relevanz. Beläuft sich der ur­ sprünglich investierte Betrag auf 5 und wird das Unternehmen für 300 veräu­ ßert, kommt es für den Investor auf die Rückerstattung der 5 nicht an. Ist das Unternehmen ein „living dead“ oder gar ein Insolvenzfall, kommt die Ober­ grenze nicht zum Zuge. Insoweit gilt mutatis mutandis das im vorigen Absatz Gesagte. Aus Obergrenzen kann sich außerdem ein Fehlanreiz ergeben, weil ein toter Punkt für den Kapitalgeber existiert, wie sich an folgendem Beispiel zeigen lässt: Der Investor investiert wie im Ausgangsfall198 5 bei einer Pre-money Bewer­ tung von 5. Die Participating Liquidation Preference enthält eine Obergrenze des Zweifachen des investierten Betrages. Bis zu einem Liquidationserlös von 20 kommt der Vorzug demnach voll zum Tragen. Sofern der Erlös ausreicht, erhält der Kapitalgeber stets 10. Übersteigt der Erlös 20, konvertiert der Kapitalgeber seine Vorzugsanteile in Stammanteile, so dass er über die 10 hinausgelangt.199 Der besagte tote Punkt liegt zwischen 10 und 20, weil der Investor in diesem Fall unabhängig davon, ob der konkrete Erlös 11 oder 20 beträgt, stets nur 10 beanspruchen darf. Damit hat er – im Gegensatz zu den Stammeignern – kein Interesse, den Liquidationserlös innerhalb der bezeichneten Grenzen zu ver­ größern, etwa indem das Unternehmen weiteren Käufern angeboten wird. Die Gründer, deren Schutz die Obergrenze dienen sollte, haben in diesem Stadium der Unternehmensentwicklung zwar den richtigen Anreiz zur Wertmaximie­ rung, verfügen jedoch in der Regel über keine ausreichenden Kontrollrechte mehr,200 den Verkauf selbst zu steuern. c)  Das Problem der Demotivation der Gründer Ein von Praktikern immer wieder betontes Problem stark ausgestalteter Divi­ denden- und Liquidationspräferenzen besteht in ihrer möglicherweise demoti­ vierenden Wirkung auf die Gründer. Fehlt es an einer Begrenzung nach oben, ist es für die Gründer wesentlich schwieriger, überhaupt einen eigenen Ver­ dienst zu erzielen. Der Unternehmenswert muss sehr hoch sein, damit sie nach der Befriedigung der mittels Multiplikatoren größer als „1x“ bemessenen Liqui­ dationsvorzüge, die womöglich noch als Participating Preference ausgestaltet wurden, selbst noch zum Zuge kommen. Für die Motivation der Gründer ist die 198 

Oben a). Kapitalgebern steht in der Regel das Recht zu einer solchen Anteilsumwandlung zu, s. unten IV.1. 200  S.  u nten §  3 III.2.a)cc). 199  Den

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

Tatsache, dass Investoren ihre Vorzugsrechte möglicherweise nicht voll aus­ schöpfen, 201 wenig bedeutsam, weil diese Zurückhaltung nicht sicher ist: Die Rechte dienen den Kapitalgebern gerade als Drohkulisse. Selbst wenn die Unternehmer am Ende an den erzielten Erlösen teilhaben, stellt sich außerdem das Problem der Verhältnismäßigkeit von Einsatz und Er­ trag. Wenn die Wagniskapitalgeber überproportionale Zugriffsrechte haben, das heißt nicht nur auf der Basis von Erlös pro Anteil profitieren, sondern zu­ sätzlich und vorab weitere Vorteile erzielen, die über die „Rückzahlung“ des ursprünglich investierten Betrages hinausgehen, stellt dies das Gleichgewicht innerhalb der Vertragsbeziehung in Frage. Haben die Gründer das Gefühl, trotz der von ihnen getragenen hohen Risiken bei der Auflösung des Beteili­ gungsverhältnisses nicht ausreichend belohnt zu werden, trägt das nicht zur Sicherstellung eines optimalen Anstrengungsniveaus bei. Vielmehr wird die Vereinnahmung privater und nicht der Unternehmenswertsteigerung dienender Vorteile über die Dauer der Finanzierung wieder attraktiver. Letztlich verliert damit die elaborierte Vertragsstruktur ihren Sinn, weil sie Anreize erzeugt, die gerade beseitigt werden sollten. Erschwerend kommt hinzu, dass die Investitionssicherung durch Liquidati­ onspräferenzen im Zusammenhang mit derjenigen durch Dividendenvorrechte gesehen werden muss. Kombiniert entfalten diese Rechte eine enorme Wirkung. Wenn ein Dividendenvorzug als Cumulative Preference ausgestaltet ist, haben die Inhaber der Vorzugsanteile im Fall der Liquidation nicht nur das Recht auf Auszahlung eines möglicherweise Vielfachen des ursprünglichen Betrages auf­ grund des Liquidationsvorrechts, sondern können zusätzlich sämtliche in den vorhergehenden Jahren nicht gezahlten Dividenden verlangen.202 Für die Grün­ der bleibt in einer derartigen Situation nicht mehr viel übrig.203 Langfristig verschärfen solche Vertragsstrukturen die Problematik der Aus­ wahl geeigneter Gründer, weil die Aufnahme oder Beibehaltung einer festen Anstellung in einem etablierten Unternehmen für fähige Kandidaten an Attrak­ tivität gewinnt,204 so dass der verbleibende Pool an Interessenten aus im Durch­ schnitt schlechter qualifizierten Gründern besteht. Machen die Wagniskapital­ geber daraufhin stärkere Kontrollrechte zur Bedingung für die Bereitstellung finanzieller Mittel, ist der erste Schritt hin zu einem „lemons“-Problem getan und der Weg in ein Marktversagen aufgrund adverser Selektion nicht mehr weit. 201 

S.  oben a). nicht die Vorzugsinhaber einer anderen Serie, die mit Non-cumulative Dividend Preferences ausgestattet ist, zu benachteiligen, wird gelegentlich die Auszahlung der kumu­ lierten Dividenden Zahlungen auf Liquidationspräferenzen dieser Anteile nachgeordnet, Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 8-10. Weitere Varianten sind denkbar, vgl. dazu dies., aaO., 8-11. 203  Kritisch zum Ganzen Lemon, 39 Tex. J. Bus. L. 1, 18 ff. (2003). 204 Ähnlich Bartlett/Barrett/Butler, Advanced Private Equity, 4-5. 202  Um

B.  Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA

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Um diese Probleme wenigstens teilweise abzumildern, machen Investoren im Zusammenhang mit dem Exit per Unternehmensverkauf häufig Zugeständnis­ se, indem sie Carve-Outs vorsehen, die den Gründern selbst dann einen Teil des Erlöses lassen, wenn er zur Bedienung der Präferenzen nicht vollständig ge­ nügt.205 Ein Teil der ökonomischen Literatur meint, diesen Problemen würde durch die Option zur Wandlung von Vorzugsanteilen in Stammanteile begegnet. Das wird sogleich im Zusammenhang mit der Darstellung der Conversion Rights näher erörtert.

IV.  Conversion Rights und automatische Konversion 1.  Option zur Anteilsumwandlung a)  Grundlagen und Gestaltungspraxis In der Regel sind die Vorzugsanteile so ausgestaltet, dass sie in Stammanteile umgewandelt werden können. Die normative Grundlage hierfür ergibt sich aus §  151(e) DGCL.206 §  151(e) DGCL gewährt weitreichende Flexibilität in der Ausgestaltung der Wandlungsbedingungen.207 Das Konversionsrecht ist nicht von dem Anteil abtrennbar.208 Die Vereinbarungen legen einen bestimmten Konversionspreis pro Vor­ zugsanteil fest, die Umtauschquote ergibt sich aus dem Verhältnis zwischen dem Preis für die Vorzugsanteile und dem Konversionspreis. Je geringer der Konversionspreis ist, desto mehr Stammanteile erhält der Vorzugseigner also.209 b)  Wirtschaftliche Funktion des Rechts zur Konversion Für die Beurteilung der wirtschaftlichen Funktion des Rechts zur Konver­ sion 210 ist es wesentlich, ob die Vorzugsinhaber über die Befriedigung ihrer aus den Präferenzen resultierenden Forderungen hinaus noch Anspruch darauf ha­ ben, an der Verteilung des verbleibenden Erlöses gemeinsam mit dem Stamm­ 205 Vgl.

Broughman/Fried, Carrots & Sticks, S.  24. stock of any class or of any series thereof may be made convertible into, or ex­ change­able for, at the option of either the holder or the corporation or upon the happening of a specified event, shares of any other class or classes or any other series of the same or any other class or classes of stock of the corporation, at such price or prices or at such rate or rates of exchange and with such adjustments as shall be stated in the certificate of incorporation or in the resolution or resolutions providing for the issue of such stock adopted by the Board of Directors as hereinabove provided.“ 207  Folk, GCL-V-32. 208  Bartlett, Equity Finance, §  13.5 (S.  301). 209  Vgl. die Klausel bei Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 8-37. Zum Schutz des Umwandlungsrechts im Fall eines Stock Splits unten §  5 II.3. 210  Zur automatischen Konversion unten 2. 206  „Any

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

eignern teilzunehmen, 211 weil sich die Auswirkungen der Wandlung grundle­ gend unterscheiden: aa)  Konversionsrecht und Non-participating Preferred Shares Sind die Vorzugsanteile nicht mit Participating Preferences ausgestattet, haben die Inhaber keine über die Vorzüge hinausgehenden Ansprüche. Nach der Be­ friedigung der Dividenden- und Liquidationspräferenzen teilen die restlichen Anteilseigner die verbleibenden Erlöse (allein) unter sich auf. In diesem Fall be­ wirkt die Wandlung einer Preferred Share in Common Stock bei hohen Erlösen aus Sicht der Investoren eine Gewinnsteigerung, weil die höheren Erlöszu­ griffsrechte das Entfallen der Vorzugsrechte überkompensieren. In dieser Variante wirkt das Recht zur Umwandlung in Stammanteile dem oben 212 dargestellten Problem entgegen, dass sich die Beteiligten nicht ausrei­ chend für das Unternehmen einsetzen: Ist die Entwicklung positiv, arbeiten die Gründer also wirtschaftlich erfolgreich, setzt das Wandlungsrecht den Kapital­ gebern einen Anreiz, weiter in das Unternehmen zu investieren. Führen fortge­ setzte Anstrengungen, etwa hinsichtlich der geschäftlichen Betreuung und Be­ ratung oder auch nur mittels der Bereitstellung weiterer Mittel, zu einer Steige­ rung des Unternehmenswertes, erhöht sich nämlich gleichzeitig der den Wandlungsrechten innewohnende Optionswert.213 Denn eine spätere, das heißt eine nach Durchführung wertsteigernder Maßnahmen vorgenommene Konver­ sion führt zu einer Gewinnsteigerung pro gewandeltem Recht.214 Wirtschaftet das Unternehmen nicht erfolgreich (genug), behalten die Investoren ihre sonsti­ gen Rechte. Das bedeutet für die Gründer, dass sie sich weiter anstrengen müs­ sen, um wenigstens einen geringen über die Ansprüche der Kapitalgeber hin­ ausgehenden Erlös zu erzielen.215 Wandlungsrechte von Vorzugsanteilen ohne Participation Rights können in weiterer Hinsicht ein sinnvolles Steuerungsmittel sein. Sie bilden ein Gegenge­ wicht zu den aus der gestaffelten Finanzierung (Staging)216 und ähnlichen For­ 211 Zu der Unterscheidung zwischen Participating und Non-participating Shares oben II.2.b) für Dividendenpräferenzen und III.3. für Liquidationspräferenzen. 212  Unter A. §  2 I. 213 Dazu Hellmann, in: McCahery/Renneboog (Eds.), Venture Capital Contracting, S.  60, 62, 66 ff. 214  Schmidt, 58 J. Fin. 1139, 1151 (2003). Es ist nicht richtig, die Wandlung auf „Anteile“ zu beziehen, siehe dazu am Ende dieses Unterabschnitts. 215 Vgl. Schmidt, 58 J. Fin. 1139, 1151 (2003), der hier ungenau von einer Reduktion des konvertierbaren Rechts auf einen „debt contract“ spricht. Das ist auch dann nicht exakt, wenn „debt contract“ mit einem festen Anspruch gleichgesetzt wird, den ein Fremdkapitalgläubiger üblicherweise hat. Denn außer Betracht bleibt bei Schmidt, dass etwa Vorzugsanteile häufig weitere Rechte enthalten, die eher Residualansprüchen ähneln als einem „debt contract“. Kri­ tisch auch Denis, 10 J. Corp. Fin. 301, 312 (2004). 216  Zum Staging unten §  4.

B.  Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA

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men der Verknüpfung von Finanzierungsfortsetzung und Zielerreichung resul­ tierenden Anreizen zum sogenannten Window Dressing.217 Stellen die Gründer die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu positiv dar, erhöht das die Wahr­ scheinlichkeit, dass die Wagniskapitalgeber ihre Wandlungsrechte ganz oder zumindest zum Teil ausüben. Als Konsequenz verringerte sich der relative Be­ teiligungsumfang der Gründer, weil ihre Quote schrumpfte. Das senkte zu­ gleich ihre Zugriffsrechte hinsichtlich des Liquidationserlöses.218 Damit die Investoren ihre Wandlungsrechte nicht zur Erpressung (zu einem Hold-up) nutzen,219 bedarf es der Eingrenzung der Möglichkeiten, unter wel­ chen Umständen und zu welchem Zeitpunkt konvertiert werden darf. Anderen­ falls bieten Wandlungsrechte ein erhebliches Druckpotenzial.220 bb)  Konversionsrecht und Participating Preferred Shares Sind die Vorzugsanteile – wie in den USA überwiegend – 221 als Participating Preferred Shares ausgestaltet, verursacht die Umwandlung keine Gewinnsteige­ rung, sondern einen Verlust. Die Inhaber verlieren ihre Präferenzen, ohne im Gegenzug eine größere Erlösbeteiligung zu erhalten. Das verändert die Anreiz­ struktur ganz erheblich. Verlieren die Kapitalgeber als Konsequenz der Kon­ version einen Teil ihrer Ansprüche, nämlich diejenigen aus den Vorzugsrechten, fehlt ihnen regelmäßig die Motivation zur Wandlung.222 Damit wird nicht nur die in wirtschaftswissenschaftlichen Beiträgen betonte Funktion aufgehoben, die Gründer zu disziplinieren. Denn diese werden im Fall nur mittelmäßig er­ folgreicher Unternehmen angesichts der Möglichkeit der Investoren, nach der Befriedigung der Vorzüge auch noch am Resterlös zu partizipieren, eher demo­ tiviert, weil für sie noch weniger übrig bleibt.223 Gleichzeitig verliert das Wand­ lungsrecht seine Bedeutung, dem Window Dressing entgegenzusteuern. Das Wandlungsrecht ist damit kein geeignetes Mittel mehr, die Anreizstruktur sinnvoll zu strukturieren.224 217  Cornelli/Yosha, 70 Rev. Econ. Stud. 1, 14 ff. (2003). Zum Problem des Window Dressing oben A. §  2 IV. 218  Cornelli/Yosha, 70 Rev. Econ. Stud. 1, 15 (2003). Aus diesem Grund ist es aus Sicht der Gründer unerheblich, dass die Wahrscheinlichkeit einer Liquidation nach Durchführung der Wandlung möglicherweise sinkt, dies., aaO., 15. Denn die Verluste treten auch ein, wenn das Unternehmen fortgeführt wird. 219  Zu diesem Problem A. §  2 III.1. 220  Vgl. zum Hold-up Problem im Zusammenhang mit Wandlungsrechten Schmidt, 58 J. Fin. 1139, 1153 (2003). 221  Zahlen oben in Fußnote 184. 222  Rudolph/Haagen, FS Wilhelm, S.  329, 341. 223  Zu diesem Problem der Demotivation bei überschießenden Gewinnbezugsrechten der Investoren schon oben III.3.c). 224  Anders unverständlicherweise Rudolph/Haagen, FS Wilhelm, S.  329, 341, die zwar ei­ nerseits erkennen, dass das Wandlungsrecht bei Participating Preferred Shares seine Anreiz­ funktion verliert, andererseits aber betonen, der Konvertierungsoption komme eine besonde­

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

Dieser Befund ist deshalb von besonderer Relevanz, weil in der weit überwie­ genden Zahl von Fällen der Exit typischerweise nicht über ein öffentliches An­ gebot (IPO) stattfindet, sondern durch einen Unternehmensverkauf durch ­Share Deal oder Asset Deal. Im Jahr 2014 gab es in den Vereinigten Staaten 115 Initial Public Offerings von wagniskapitalfinanzierten Gesellschaften und 459 Unternehmensverkäufe.225 So mögen zwar die Unternehmensbewertungen bei einem Börsengang öffentlichkeitswirksam beeindruckend sein, doch erzielen die Kapitalgeber ihre regulären Einkünfte durch Unternehmensverkäufe.226 Anders gewendet: Im Regelfall bleibt es dabei, dass die Investoren teilnehmende Vorzugsanteile nicht konvertieren. Damit die Gründer die Transaktion nicht verhindern, etwa durch Stimmrechtsblockade oder Maßnahmen in ihrer Eigen­ schaft als Mitglieder des Board of Directors, 227 müssen die Investoren unter Umständen Anreize setzen, in den Verkauf einzuwilligen. Über die verschiede­ nen Wege hinaus, die Zustimmung per Drohung zu erzwingen,228 versuchen die Kapitalgeber dies mit Hilfe monetärer Zugeständnisse zu erreichen. Eine Me­ thode sind sogenannte Carve-Outs, die den Gründern selbst dann Zugriff auf Teile des Erlöses lassen, wenn die Liquidationspräferenzen nicht voll bedient werden können.229 Relevanz hat die Option zur Konversion bei Participating Preferred Shares vor allem im Vorfeld von Börsengängen, um eine einheitliche Anteilsstruktur

re Bedeutung zu“, um „[d]ennoch eine effiziente Anreizsteuerung zu gewährleisten“ (aaO.). Insoweit handelt es sich gerade nicht mehr um „das zentrale Element zur Induzierung anreiz­ kompatibler Strukturen“ (so jedoch Rudolph/Haagen aaO.). Die von Rudolph/Haagen aaO., S.  341 f., erörterten Gestaltungsvarianten differenzieren nicht zwischen der Option auf Kon­ version und dem Zwang hierzu. Außerdem ist es widersprüchlich, erst zu betonen, die Inves­ toren hätten bei teilnehmenden Vorzugsanteilen keinen Anreiz zur Wandlung, um danach die zentrale Rolle solcher Klauseln hervorzuheben, die die Wandlung ins Ermessen der Kapital­ geber stellen (aaO. S.  342). 225  NVCA Yearbook 2015, S.  76/Tabelle 4.02 (IPOs), 81/Tabelle 4.07 (Unternehmensver­ käufe; die Spalte „Number known“ und die dort genannte Zahl 137 bezieht sich nicht auf die Zahl der Unternehmenskäufe, sondern auf die Zahl der Transaktionen mit bekanntem Deal Value, s. Yearbook, S.  75). Übersicht über frühere Zeiträume bei Gilson, 55 Stan. L. Rev. 1067, 1075 (2003), mit Nachweisen. Ausnahmen (d.h. mehr IPOs als Verkäufe) waren allein die Jah­ re 1991 und 1996. 226  Nach dem NVCA Yearbook 2015 lag die Bewertung der 115 im Jahr 2014 im Rahmen eines Börsenganges bewerteten Unternehmen in der Summe bei ca. 15,3 Milliarden US-Dol­ lar. Zum Vergleich: Für die 137 der 459 Exits durch Unternehmensverkauf, deren Bewertung öffentlich nachvollziehbar war, lag die Bewertung in der Summe bei ca. 47,46 Milliarden US-Dollar (sämtliche Zahlen nach NVCA Yearbook 2015, S.  77/Tabelle 4.03, 81/Tabelle 4.07). 227  Kurzer Überblick über denkbare Mittel und Wege der Blockade bei Broughman/Fried, Carrots & Sticks, S.  11 ff. 228  Zu Redemption Rights §  8 II.1.b). Weitere Methoden beschreiben Broughman/Fried, Carrots & Sticks, S.  14 f. 229  S.  schon oben III.3.c).

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zu schaffen und so den Erwartungen von Emissionsbanken und Anlegern ent­ gegenzukommen.230 Vor dem Hintergrund des erwähnten Verlusts der Investoren, die Participa­ ting Preferred Shares halten, wird auch verständlich, warum das Konversions­ recht typischerweise nicht im Verhältnis 1:1 von Vorzugsanteil zu Stammanteil ausgestaltet ist, sondern günstiger. Könnten die Kapitalgeber lediglich dieselbe Anzahl von Stammanteilen verlangen, stünden sie schlechter als vor der Um­ wandlung. Ein vereinfachtes Beispiel mag dies verdeutlichen: Berechtigt ein Vorzugsanteil zum vorrangigen Bezug von 4 und anschließend noch zur Ge­ winnteilhabe im Verhältnis „1:Gesamtzahl der Anteile“, führt die Konversion zum Verlust der „4“. Um dies kompensieren zu können, bedarf es einer Quoten­ verschiebung zu Lasten der bisherigen Stammeigner, damit die Investoren rela­ tiv betrachtet in gleichem Umfang an der Verteilung der Erlöse partizipieren, als verfügten sie noch über Präferenzen. Das ist keine zusätzliche Benachteiligung der Gründer, sondern dient im Gegenteil der Aufrechterhaltung der Beteili­ gungsverhältnisse in wirtschaftlicher Hinsicht. cc)  Folgerungen zur Bedeutung von Konversionsrechten Wer die Bedeutung von Konversionsrechten würdigen will, sollte einen Blick auf die Empirie werfen. Wie oben geschildert, enthalten die meisten wandelba­ ren Vorzugsanteile zugleich Participation Rights. Die gerade von Ökonomen hochgelobte Anreizwirkung wandelbarer Vorzugsanteile existiert in der Praxis dann gerade nicht.231 Entsprechende Erklärungsversuche gehen von Annahmen aus, die in einer großen Zahl der Fälle nicht zutreffen.232 Damit lässt sich an dieser Stelle festhalten, dass die „Wunderwaffe Wand­ lungsrecht“, die eine zentrale Rolle in der ökonomischen Forschung zu Wagnis­ kapitalfinanzierungen spielt,233 von geringerer Bedeutung als vielfach kolpor­ tiert ist, wenn nicht die mit den Vorzügen begründeten Ansprüche nach oben begrenzt werden. Es ist also keineswegs ein ausgeprägtes Zeichen der Unfähig­ keit deutscher Gestalter, weniger stark auf Wandlungsrechte zu setzen als in den Vereinigten Staaten üblich.234 Ob Wandlungsrechte tatsächlich den Übergang von „debt claims“ (festen Zugriffsrechten) zu „equity claims“ (residualen Zu­ 230  Dazu

sion.

231 

noch unten IV.2. im Zusammenhang mit Klauseln zur automatischen Konver­

S.  nochmals den vorhergehenden Abschnitt bb). S.  nur die bekannten Beiträge von Schmidt, 58 J. Fin. 1139 (2003), und Cornelli/Yosha, 70 Rev. Econ. Stud. 1 (2003). Berücksichtigt wird dieser Unterschied in der Gestaltung aber von Hellman, 81 J. Fin. Econ. 649 (2006), mit entsprechender Kritik an der bis dato erschiene­ nen ökonomischen Literatur aaO., 650. 233  S.  den Literaturüberblick bei Denis, 10 J. Corp. Fin. 301, 311 f. (2004); aus dem deut­ schen Schrifttum Rudolph/Haagen, FS Wilhelm, S.  329, 341 f. Kritisch unter Verweis auf die Empirie Cumming, 11 J. Corp. Fin. 550, 580 (2005). 234  Hierzu noch (mit einschlägigen Nachweisen) unten V. 232 

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

griffsrechten) verbürgen, 235 ist deshalb zu bezweifeln, wenn die Preferred Sha­ res Residualrechte auf gleicher Stufe wie die Anteile der Stammeigner gewäh­ ren, so dass die Investoren doppelt zum Zuge kommen. Kaum nachvollziehbar ist der Hinweis in ökonomischen Beiträgen, nach dem in den USA „die Umsetzung des in der Theorie empfohlenen Einsatzes von Convertibles weit fortgeschritten“ sei.236 Das erweckt den Eindruck, nur in den Vereinigten Staaten hätten die Gestalter Verständnis für ein taugliches Modell. Indes wird hier das zeitliche Verhältnis vertauscht: Die Finanzierungspraxis in den Vereinigten Staaten ist wesentlich älter als die ökonomische Forschung zum Thema. Intensiver systematisch untersucht wird die US-Gestaltungspraxis von Ökonomen erst seit Mitte der Neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Die Modellbildung folgt der Praxis, nicht umgekehrt. Die von den Ökonomen ebenfalls kaum 237 berücksichtigten steuerlichen Ge­ sichtspunkte werden weiter unten ausführlich erläutert.238 Ein weiteres von vie­ len Ökonomen nur unzureichend berücksichtigtes Problem ist die oben erläu­ terte begrenzte Sicherungswirkung der Dividenden- und Liquidationspräfe­ renzen.239 Eine wichtige Rolle spielen Klauseln zur automatischen Konversion von Vor­ zugsanteilen in Stammanteile, wie im folgenden Abschnitt gezeigt wird.

2.  Automatische Konversion a)  Grundlagen und Gestaltungspraxis Zusätzlich zu den jedem Inhaber von Vorzugsanteilen zustehenden Wandlungs­ rechten enthalten Venture Capital-Vereinbarungen in den USA Klauseln zur automatischen Konversion. Die Rechtsgrundlage ist wiederum §   151(e) DGCL.240 Zwei Grundtypen automatischer Konversion sind zu unterschei­ den:241 (1) Automatische Konversion, die vom Willen der Vorzugseigner unabhängig ist und aufgrund satzungsmäßig bestimmter Ereignisse stattfindet. Ein typi­ sches Beispiel hierfür ist die Umwandlung, die zu einem bestimmten Zeitpunkt vor einem Börsengang stattfindet, wenn bestimmte Schwellenwerte hinsichtlich Anteilsbewertung und Volumen des öffentlichen Angebots überschritten wer­ 235  So die bei den Ökonomen populärste Erklärung, s. nur Aghion/Bolton, 59 Rev. Econ. Stud. 473, 491 (1992); Schmidt, 58 J. Fin. 1139 (2003). 236  Rudolph/Haagen, FS Wilhelm, S.  329, 342. 237 Ausnahmen: Cumming, 11 J. Corp. Fin. 550, 579 f. (2005); s. auch Denis, 10 J. Corp. Fin. 301, 312 (2004). 238  Näher dazu unten §  10. 239  Oben II.3. und III.3. 240  Normtext oben in Fußnote 206. 241  S.  Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 8-38.

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den. (2) Konversion, die auf Beschluss bestimmter Mehrheiten stattfindet, etwa auf Beschluss der Mehrheit von zwei Dritteln der Vorzugsstimmrechte. Diese Konversion ist insofern „automatisch“, als sie gegen den Willen einzelner Inha­ ber von Preferred Shares durchgeführt werden darf.242 Die Möglichkeit, durch Beschluss die Umwandlung herbeizuführen, hat auch damit zu tun, dass bei Nichterreichen der Schwelle für die automatische Konversion ohne Beschlusserfordernis trotzdem ein Interesse bestehen kann, den Börsengang herbeizuführen und die Anteile hierfür umzuwandeln. Eine entsprechende Satzungsänderung wäre zum einen zeitaufwendiger, zum ande­ ren erwog die US-amerikanische Securities and Exchange Commission offen­ bar, solche Satzungsänderungen als Wertpapierangebot zu betrachten mit der Folge zusätzlicher Registrierungspflichten nach dem Securities Act 1933.243 b)  Wirtschaftliche Funktionen automatischer Konversion Hinsichtlich der Funktionen einer Regelung zur automatischen Konversion ist zwischen der vertikalen Dimension des Verhältnisses der Gründer zu den Kapi­ talgebern und der horizontalen Dimension des Verhältnisses der Investoren un­ tereinander zu unterscheiden. aa)  Vertikale Dimension: Gründer und Investoren Die unterschiedlichen Gewinnbezugsrechte von Gründern und Investoren können zu einem Konflikt führen, wenn es um die Wahl der richtigen Methode zur Auflösung des Beteiligungsverhältnisses geht. Börsengänge sind aus Sicht der Anleger, die in Venture Capital Fonds investieren, ein Qualitätssignal, das einen besonders erfolgreichen Fondsmanager auszeichnet. Das verleitet die In­ vestoren unter Umständen dazu, einen Börsengang anzustreben, obwohl dieser für das finanzierte Unternehmen – und damit auch für die Gründer – zu einem ungünstigen Zeitpunkt stattfände. Verlieren die Kapitalgeber allerdings im Fall eines Börsenganges automatisch ihre Vorzüge, sinken ihre Gewinnaussichten, was dem beschriebenen Fehlanreiz entgegenwirkt. Dieses Problem des soge­ nannten Grandstanding und die Funktion der automatischen Konversion als Steuerungsmittel werden unter (1) behandelt. Teile des ökonomischen Schrifttums heben eine andere Aufgabe von Klau­ seln zur automatischen Umwandlung hervor, die im Gegensatz zur eben be­ schriebenen Situation auf den Zeitpunkt nach einem Börsengang abzielt: Blei­ ben die Investoren nach einem IPO an der Gesellschaft beteiligt, 244 soll eine reguläre Eigenkapitalbeteiligung mit Stammanteilen sicherstellen, dass sich die 242  Beispiele für entsprechende Klauseln bieten Benton/Gunderson/Robinson, in: Hallo­ ran, Venture Capital, Band I, 6-13 und 8-38. 243 Vgl. Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 8-38 f. 244  Weil sie im Zuge des Börsenganges nur einen Teil ihrer Anteile veräußert haben.

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

Kapitalgeber angemessen für den Unternehmenserfolg einsetzen. Um diese Si­ tuation herbeizuführen, müssten die Vorzüge entfallen. Eben dies sei Aufgabe der hier diskutierten Abreden. Diese Einschätzung wird unter (2) näher be­ trachtet.  (1) Grandstanding Mit Grandstanding wird ein Problem bezeichnet, das aus der zeitlichen Begren­ zung der Laufzeit eines Beteiligungsfonds auf typischerweise fünf bis sieben Jahre resultiert.245 Die Fondsverwalter müssen, wollen sie im Geschäft bleiben, mit Ablauf der Laufzeit des Fonds, der sich an der Finanzierung von Unterneh­ men beteiligt hat, neue Mittel eingeworben haben, um weitere Beteiligungs­ fonds aufsetzen zu können. Investoren 246 machen ihre Anlageentscheidung vor allem von dem Erfolg bei der Verwaltung abgewickelter Fonds abhängig. Die höchsten Renditen werden mit Börsengängen erzielt. Damit besteht ein Anreiz für die Fondsverwalter, möglicherweise vorzeitig Börsengänge zu initiieren, um entsprechende Kompetenzen zu signalisieren. Das gilt gerade für Verwalter, die neu im Markt sind und noch nicht auf einen längeren „track record“ verweisen können.247 Aufgrund der häufig bestehenden Demand Registration Rights, die den Investoren einen Anspruch auf Durchführung eines Börsenganges gewäh­ ren,248 kann dieser Weg des Exits erzwungen werden. Wird das öffentliche Angebot zu früh durchgeführt, fehlt dem Unternehmen aus Sicht des Kapitalmarktes also die ausreichende Reife, kommt es häufig zu einem verstärkten Underpricing.249 Dann erleiden die Gründer als Stamman­ teilseigner im Zuge der Erlösverteilung erhebliche Nachteile im Vergleich zu einem später durchgeführten Börsengang, während den Kapitalgebern auf­ grund der verschiedenen Vorzugsrechte ein gewisser Gewinn garantiert ist. Zu­ dem besteht die Gefahr, dass die Wagniskapitalgeber die Liquidation im Wege eines Unternehmensverkaufs selbst dann ablehnen, wenn dieser profitträchtiger wäre als das verfrühte öffentliche Angebot.

245  Zu den entsprechenden Anreizen Gompers, 42 J. Fin. Econ. 133, 135 ff. (1996). Zum Phänomen des Underpricing von IPOs wagniskapitalfinanzierter Unternehmen Lee/Wahal, 73 J. Fin. Econ. 375 (2004). 246  Gemeint sind Kapitalgeber, die ihre Mittel in einen Venture Capital-Fonds investieren. 247  Gompers verweist auf die positive Korrelation der Zahl der durchgeführten Börsengän­ ge mit der Höhe der eingeworbenen Mittel (42 J. Fin. Econ. 133, 146 [1996]); Lee/Wahal, 73 J. Fin. Econ. 375, 396 ff. (2004) berichten, in ihrer Stichprobe seien die „two measures of reputa­ tion, the VC age and the number of previous IPOs by the VC firm, [...] positive and statistical­ ly significant in all specifications“. Eine modellhafte Beschreibung dieses Problems entwi­ ckeln Neus/Walz, 14 J. Fin. Intermed. 253, 267 ff. (2005). 248  Dazu unten §  7 II.1. 249  Vgl. die Studien von Gompers, 42 J. Fin. Econ. 133 (1996); Lee/Wahal, 73 J. Fin. Econ. 375 (2004); Modell bei Neus/Walz, 14 J. Fin. Intermed. 253, 268 f. (2005).

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Regelungen zur automatischen Konversion mildern diese Fehlanreize jeden­ falls ab. Denn mit der Umwandlung der Anteile zahlen die Wagniskapitalgeber einen Preis an die Gründer für einen frühzeitigen Börsengang in Form des Ver­ lusts der Vorzüge.250 Mit der Umwandlung verlieren sie die Option, eine Kon­ version durchführen zu können, die ihrerseits einen Wert hatte.251 Dieser Wert­ verlust beruht auf der verlorenen Chance, mit einem späteren (und wirtschaft­ lich attraktiveren) Börsengang höhere Erlöse zu erzielen.252 Findet das öffentliche Angebot zu früh statt, werden die Nachteile, die die Gründer erlei­ den, ein Stück weit dadurch ausgeglichen, dass die Wagniskapitalgeber ihre Prä­ ferenzen verlieren. Darin liegt ein Werttransfer der Kapitalgeber auf die Grün­ der.253 Denn nunmehr erhalten sie proportional einen größeren Teil der Erlöse, als dies bei einer alternativ zur Verfügung stehenden Form der Verwertung mit­ tels Unternehmensverkaufs ohne gleichzeitige Umwandlung der Vorzugsantei­ le der Fall gewesen wäre.254 Das gilt unabhängig davon, ob die Vorzugsanteile eine allgemeine Erlösbetei­ ligung vorsehen, also als Participating Preferred Shares ausgestaltet sind, oder nicht.255 Denn Folge der Umwandlung in beiden Gestaltungsvarianten ist, dass die Vorzüge entfallen und die Kapitalgeber nur noch gleichrangig mit den Gründern als Inhaber von Stammanteilen an der Erlösverteilung partizipieren. (2)  Verhaltenssteuerung nach einem Börsengang Ein Teil der ökonomischen Literatur sieht die Funktion der automatischen Konversion bei einem Börsengang darin, sicherzustellen, dass die Investoren sich im Anschluss an diesen in ausreichendem Maße für den Unternehmenser­ folg einsetzen.256 Ausgangspunkt dieser Ansicht ist ein Vergleich zweier Wege der Beteiligungsauflösung: Bei einer Veräußerung des Unternehmens schieden beide Parteien aus und teilten lediglich den Erlös untereinander auf. Der Aspekt der Verhaltenssteuerung sei in dieser Situation nicht mehr von Bedeutung.257 Das Fortbestehen der Vorzüge erlaube den Kapitalgebern, zusätzliche Zugriffs­ 250 

Hellmann, in: McCahery/Renneboog (Eds.), Venture Capital Contracting, S.  60, 69. S.  Hellmann, in: McCahery/Renneboog (Eds.), Venture Capital Contracting, S.  60, 62. 252  Hellmann, in: McCahery/Renneboog (Eds.), Venture Capital Contracting, S.  60, 68. 253  Hellmann, in: McCahery/Renneboog (Eds.), Venture Capital Contracting, S.  60, 69. 254  Bei einem Unternehmensverkauf hätten die Investoren zunächst ihre Dividenden- und Liquidationsvorzüge geltend machen können, so dass die Gründer lediglich an der Verteilung der nach der Befriedigung dieser Rechte verbleibenden Erlöse partizipiert hätten. 255  Von Non-participating Preferred Shares geht aus Hellmann, in: McCahery/Renneboog (Eds.), Venture Capital Contracting, S.  60, s. aaO. S.  61, 68 (im Gegensatz zu seinem als Ar­ beitspapier bereits 2000 vorliegenden Beitrag, der in 81 J. Fin. Econ. 649 (2006) veröffentlicht wurde). 256  Hellmann, 81 J. Fin. Econ. 649 ff. (2006). 257  Hellmann, 81 J. Fin. Econ. 649, 652 (2006). Die Annahme vorausgesetzt, beide Parteien scheiden aus der Gesellschaft aus und haben deshalb nur noch den Erlös zu verteilen. 251 

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

rechte geltend machen zu können. Dies soll insbesondere bei größeren Invest­ ments von Bedeutung sein, weil hier die Gewinnschwelle schwieriger zu errei­ chen sei.258 Anders müsse die Lage bei einem Börsengang beurteilt werden. Hier blieben Gründer und Kapitalgeber an der Gesellschaft beteiligt.259 Insoweit trete das eingangs skizzierte Anreizproblem auf.260 Dieses sei am besten zu lösen, indem die Kapitalgeber mit regulärem Eigenkapital („pure equity“) beteiligt würden, das heißt mit Stammanteilen.261 Genau dieses Ergebnis erzeuge die Klausel zur automatischen Konversion von Vorzugsanteilen in Stammanteile bei Durch­ führung eines Börsenganges.262 Ob diese Wirkung tatsächlich die entscheidende Begründung für die Exis­ tenz der hier besprochenen Abreden ist, erscheint indes zweifelhaft. Das Prob­ lem, den Investoren einen Anreiz zu setzen, sich für den Unternehmenserfolg anzustrengen, besteht auch vor dem Börsengang.263 Dennoch betrachtet die ökonomische Literatur wandelbare Vorzugsanteile – und damit nicht „pure equity“ – als sinnvolles Gestaltungsmittel. Grund hierfür ist, dass es nicht allein darum geht, die Kapitalgeber zu steuern, sondern dass auch den Gründern Ver­ haltensanreize gesetzt werden müssen.264 Daher ist bei der Ausgestaltung des Beteiligungsverhältnisses eine Lösung in „Reinform“, das heißt Fremdkapital oder Eigenkapital in ihren jeweils paradigmatischen Ausgestaltungen als Darle­ hen oder Stammanteil, wenig sinnvoll.265 Daran ändert sich allein mit der Durchführung eines Börsenganges nichts. Im Übrigen werden in der Praxis andere Gründe für die Existenz von Klauseln zur automatischen Konversion vorgetragen, die aus Sicht der Gestalter wichtiger sind. Das betrifft zum einen das oben schon beschriebene Problem des sogenannten Grandstanding, zum anderen die sogleich zu erläuternden Schwierigkeiten, die sich auf der Investo­ renebene ergeben. bb)  Horizontale Dimension: Abmilderung eines Hold-ups auf Investorenebene Die automatische Konversion sämtlicher Vorzugsanteile in Common Shares führt zu einer Gleichbehandlung sämtlicher Investoren und mildert so ein Hold-up Problem. Häufig verweigern Underwriter die Begleitung eines Bör­ 258 

Hellmann, 81 J. Fin. Econ. 649, 652, 663 (2006). auch in geringerem Umfang, weil ein Teil der Beteiligung im Zuge des Börsen­ ganges an Dritte veräußert wird. 260  Ausführlicher zum Problem der nicht ausreichenden Anstrengung A. §  2 I.2. 261  Hellmann, 81 J. Fin. Econ. 649, 652, 659 (2006). 262  Hellmann, 81 J. Fin. Econ. 649, 652, 657 ff. (2006). 263  Dazu oben A. §  2 I.2. 264  Dazu oben A. §  2 I.1. 265  Dazu oben §  1 I.-III. und nachfolgend V.3. 259  Wenn

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senganges, wenn neben den Stammanteilen noch eine zweite Anteilsklasse exis­ tiert, weil dies die Erfolgsaussichten schmälert.266 Könnte sich eine Minderheit gegen die Umwandlung ihrer Anteile sperren, obwohl eine Mehrheit der Inves­ toren das öffentliche Angebot vorantreiben will, ergäbe sich ein erhebliches Er­ pressungspotenzial. Dieses wird im Wege einer automatischen Konversion be­ seitigt.267 Insoweit ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Bereitschaft der Investo­ ren zuzunehmen scheint, mehrere Anteilsklassen zu akzeptieren, wie die Bei­ spiele von Google268 und Facebook 269 zeigen. Vereinzelte Stellungnahmen aus der ökonomischen Literatur meinen, diese von Gestaltungspraktikern betonte Erklärung, Klauseln zur automatischen Konversion dienten auch dazu, eine Blockade des Börsenganges zu verhindern, sei nicht überzeugend. Denn das gleiche Problem stelle sich bei einem Unter­ nehmensverkauf, ohne dass für diesen Fall vergleichbare Klauseln existierten.270 Vielmehr nutzten die Kapitalgeber die hier in Rede stehenden Bestimmungen, um die Qualität des Unternehmens zu signalisieren.271 Diese Meinung beruht indes auf einer simplifizierenden Betrachtungsweise, die nicht die Finanzierungsvereinbarungen im Ganzen, sondern lediglich ver­ einzelte Abreden einzuordnen versucht. Für Unternehmensverkäufe außerhalb der Börse bedarf es bereits deshalb keiner automatischen Konversion, weil an­ dere Klauseln der Blockade durch einzelne Gesellschafter entgegenwirken, na­ mentlich Mitnahmeklauseln (Drag Along Rights) und Stimmbindungsverein­ barungen.272 c)  Fehlanreize von Klauseln zur automatischen Konversion Klauseln zur automatischen Konversion der Vorzugsanteile in Stammanteile bieten nicht nur Vorteile, sondern setzen auch den Anreiz, dass zwei Investoren zu Lasten eines dritten Kapitalgebers handeln. Es ergibt sich demnach ein soge­ nanntes Trilateral Bargaining Problem im oben 273 beschriebenen Sinne.274 266 

S.  Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 8-40. Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 8-38. 268  Zu Google Davidoff, New York Times vom 13.04.2012 in der Kolumne „Dealbook“, im Internet abrufbar unter http://dealbook.nytimes.com/2012/04/13/new-share-class-givesgoogle-founders-tighter-control/. 269  Zur Dual Class Share Structure bei Facebook etwa Davidoff, New York Times vom 02.02.2012 in der Kolumne „Dealbook“, im Internet abrufbar unter http://dealbook.nytimes. com/2012/02/02/a-big-bet-on-zuckerberg/. 270  Arcot, 29 J. Bus. Venturing 72, 82 (2014). 271  Arcot aaO. 272  Zu Mitnahmeklauseln unten §  6 III. 273  A. §  2 V. 274  Die folgende Problembeschreibung ist angelehnt an Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 8-39. 267 Vgl.

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Steht eine neue Finanzierungsrunde im Raum, die eine Down Round wäre, müsste also die Finanzierung zu schlechteren Anteilsbewertungen als eine frü­ here Finanzierungsrunde vorgenommen werden, besteht die Gefahr, dass Ver­ wässerungsschutzklauseln bisher schon beteiligter Kapitalgeber ausgelöst wer­ den.275 Hieraus kann sich ein Konflikt zwischen Investoren ergeben: Die neuen Investoren, die sich etwa in der dritten Finanzierungsrunde mit Anteilen der Serie C beteiligen möchten, werden sich angesichts der im Ver­ gleich zu den vorherigen Finanzierungsrunden schlechteren Aussichten des Unternehmens nur auf eine Investition einlassen, wenn (i) die Anteilsbewer­ tung niedriger ausfällt, (ii) ihre Präferenzen im Rang vor denjenigen aus den Vorzugsanteilen der früher ausgegebenen Serien A und B bedient werden müs­ sen und (iii) diese bevorzugte Stellung nicht dadurch gefährdet wird, dass ein früherer Kapitalgeber, etwa der Serie B, seine Verwässerungsschutzklauseln nutzt. Dieser frühere Kapitalgeber, der sich durch „Series B preferred stock“ beteiligt hat, wird allerdings nicht ohne Weiteres seinen Schutz aufgeben und daher die Beteiligung des neuen Investors blockieren. Das gilt insbesondere, wenn für ihn, den Inhaber der Anteile aus der Serie B, bei Abwicklung des Un­ ternehmens wenigstens die Befriedigung seiner Vorzüge gesichert erscheint. Das wiederum schafft unter Umständen ein Problem für Kapitalgeber mit Anteilen der Serie A, die bei einer solchen Abwicklung möglicherweise leer aus­ gehen, weil ihre Vorzüge typischerweise im Rang nach denen der Serie B be­ dient werden. Das setzt einen Anreiz, gemeinsam mit dem neuen Investor, der sich mittels der Serie C beteiligen möchte, die Inhaber der Serie B zu benachtei­ ligen. Verfügen die Inhaber der Serie A über eine genügende Anzahl von Antei­ len oder wirken einige Serie B-Kapitalgeber mit, können sie unter Ausnutzung der Klausel über die automatische Konversion einen Beschluss über die Um­ wandlung der Anteile fassen. Mit der automatisch stattfindenden Umwandlung der Vorzugsanteile in Stammanteile entfallen die Verwässerungsschutzrechte und damit das vom neuen Investor gerügte Eintrittshindernis. Angesichts der stark am Wortlaut von Vereinbarungen orientierten Recht­ sprechung der Gerichte in den USA, insbesondere derjenigen in Delaware, wer­ den die Investoren der Serie B mit einer Beschlussmängelklage unter Verweis auf die Umgehung ihres Schutzes vermutlich keinen Erfolg haben.276 Sie müssen daher besondere Zustimmungs- und Blockaderechte speziell für solche Fälle aushandeln.277

275 

Zu Verwässerungsschutzklauseln unten §  5. Vgl. oben §  2 I.2. 277  Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 8-39. 276 

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V.  Convertible Preferred Shares und abweichende Gestaltungen im Vergleich Um die Diskussion über die Gestaltungsinhalte und Funktionen von wandelba­ ren Vorzugsanteilen zu vervollständigen, bedarf es der vergleichenden Betrach­ tung anderer Beteiligungsformen. Insbesondere stellt sich die Frage nach deren Funktionsäquivalenz. Im Folgenden werden zunächst Situationen vorgestellt, in denen die Finanzierungspraxis statt Vorzugsanteilen Formen der Fremdkapi­ talfinanzierung nutzt (sogleich 1.). Daran schließt sich die Erörterung der recht­ lichen Nachteile abweichender Gestaltungen an (2.). Den Abschluss dieses Ab­ schnitts bildet ein Vergleich zwischen einer Finanzierung durch Vorzugsanteile mit einer Investition, die sich aus einer Kombination von Darlehensfinanzie­ rung und Eigenkapitalbeteiligung durch Stammanteile zusammensetzt (3.). Zu­ grunde liegt dem die These, dass die bislang erörterten Anreizwirkungen von Vorzugsanteilen sich prinzipiell auch auf andere Weise erzielen lassen. Ob diese These trägt, ist für die Bewertung der Gestaltungspraxis außerhalb der Verei­ nigten Staaten von erheblicher Bedeutung, die sich deutlich seltener wandelba­ rer Vorzugsanteile bedient. Vor allem von den in der Forschung führenden US-amerikanischen Ökonomen 278 wird dies bislang auf die Rückständigkeit anderer Rechtsordnungen und die fehlende Erfahrung der Beteiligten außer­ halb der Vereinigten Staaten zurückgeführt.279 Das für die Kautelpraxis so wichtige Steuerrecht wird als eigenständiger Pro­ blemkreis nicht hier, sondern weiter unten in einem eigenen Abschnitt erläu­ tert.280

278  Diese Aussage trifft lediglich eine Feststellung auf Grundlage der Häufigkeit von Zita­ ten und der von Ökonomen vorgenommenen Einteilung nach dem Rang des Publikationsor­ gans. Ob „Führung“ in qualitativer Hinsicht der angemessene Terminus ist, sei hier dahinge­ stellt. 279 Deutlich Kaplan/Martel/Strömberg, 16 J. Fin. Intermediation 273, 275 (2007): „Al­ though it is not possible to establish causality, we believe a plausible interpretation is that US style contracts are relatively efficient across a wide range of institutional environments.“; dies., aaO., 309: „Learning about effective contracts takes time and effort. Even in cases where VCs would like to implement US style contracts, it may not be costless to do so. First, US style contracts require legal expenses to adapt to different legal systems. Second, such contracts can complicate the bargaining with entrepreneurs who also must be educated. Third, VCs from more trusting cultures may not understand the need for or usefulness of US style contracts.“ Kritisch hinsichtlich der empirischen Basis bereits Cumming, 20 J. Bus. Venturing 573, 575 (2005): „The only empirical support for this proposition [i.e. that convertible preferred secu­ rities are optimal] around the world is found in US-based research comprising hand-collected data sets with up to 213 observations from US VC funds [...].“ (Kursivsetzung im Original) Differenzierter im deutschsprachigen Schrifttum Antonczyk/Breuer/Mark, FB 2008, 225, 231 ff.; I.Stein, Kapitalstruktur, S.  5 ff. 280  Unten Abschnitt §  10.

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1.  Debt Financing und Preferred Stock Warrants in der Gestaltungspraxis Zwar ist das Standardinstrument für die Finanzierung eines jungen Unterneh­ mens in den USA der wandelbare Vorzuganteil. Dennoch kommen in der Ge­ staltungspraxis Fremdkapitalfinanzierungen vor. Diese sind regelmäßig be­ schränkt auf zwei Situationen, die beide im Zusammenhang mit sogenannten Down Rounds stehen, 281 also Finanzierungsrunden, die auf schlechteren öko­ nomischen Ausgangsdaten als vorhergehende Runden beruhen: Zunächst bietet die Fremdkapitalfinanzierung durch ein Darlehen die Mög­ lichkeit, ohne Aufnahme neuer Anteilseigner liquide Mittel zu erhalten. Dieser Weg wird in der Praxis vor allem beschritten, wenn die Altinvestoren ihre Zu­ stimmung zur Schaffung einer ihren Anteilen übergeordneten Serie verweigern, die potenziellen neuen Kapitalgeber jedoch auf der Ausgabe von „Senior Equi­ ty“ an sie bestehen.282 Sehen die Zustimmungsrechte der bislang ausgegebenen Vorzugsanteile lediglich Blockademöglichkeiten für die Ausgabe von gleichoder höherrangigen Eigenkapitalinstrumenten vor, 283 bieten Fremdkapitaltitel („Debt Securities“) einen Weg, diese Schranken zu umgehen. Dabei handelt es sich in der Regel um sogenannte Promissory Notes.284 Diese Schuldtitel sind in der Regel mit einem Umwandlungsrecht ausgestaltet, so dass, je nach Reichwei­ te der Zustimmungsrechte der Inhaber der Vorzugseigner, die Fremdkapitalge­ ber die Möglichkeit erhalten, die Promissory Notes in Vorzugsanteile oder Stammanteile zu konvertieren. Die Ausübungsbedingungen müssen dabei so ausgestaltet sein, dass die Ausgabe dieser Schuldtitel nicht doch die Zustim­ mungsrechte der Vorzugseigner auslöst. Ergänzt wird die Promissory Note ge­ 281  Die in der Einleitung unter A. §  2 II.4.a) erwähnte Praxis, im Seed Stage Fremdkapital zu geben, bleibt aus den an gleicher Stelle geschilderten Gründen außen vor. 282  Hierzu und zum Folgenden Bartlett/Barrett/Butler, Advanced Private Equity, §  4 -16 ff. 283  Zur Einordnung von Vorzugsanteilen als Eigenkapital §  8 II.1. 284 Eine „promissory note“ wird im Jargon der Finanzierungspraxis üblicherweise als schriftliches Versprechen verstanden, zu einem bestimmten Fälligkeitsdatum das als Darle­ hen ausgereichte Kapital nebst Zins zurückzuzahlen. Je nachdem, wie der Vertrag ausgestaltet ist, wie weit in der Zukunft das Fälligkeitsdatum liegt und ob das Versprechen mit Sicherhei­ ten unterlegt wird, finden sich weitere Unterteilungen in „bonds“ (Absicherung des Zah­ lungsversprechens mit einer Hypothek, Fälligkeit zumeist nach fünf Jahren oder mehr), „de­ bentures“ (nicht abgesichertes Zahlungsversprechen, Fälligkeit zumeist nach fünf Jahren oder mehr) und „notes“ (Laufzeit in der Regel unter fünf Jahren, kann, muss aber nicht abgesichert sein), vgl. McDermott, §  1.02 (S.  3 ff.). Im Detail ergeben sich Unterschiede je nach Rechtsge­ biet und je nach einzelstaatlichen Vorgaben. So enthält der Uniform Commercial Code in §  3 –104(e) eine eigene Definition von „note“, §  102(a)(2) New York Business Corporation Law erhebt Bonds zum Genus Proximum und unterteilt diese in „secured and unsecured bonds, debentures, and notes.“ Der Sprachgebrauch richtet sich jedoch selten nach diesen gesetzli­ chen Vorgaben. So wird etwa von McDermott gerügt, das New York Corporation Law ver­ kenne die von ihm beschriebenen, in der Praxis genutzten Unterscheidungsmerkmale (§  1.02[A][3], S.  5). Die Bezeichnung des Fremdkapitalinstruments hilft angesichts dieses Be­ griffschaos nicht weiter, vielmehr bedarf es stets einer genauen Lektüre der Vertragsbedin­ gungen.

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legentlich durch eine eigenständige Option auf den Bezug von Stammanteilen („Common Stock Warrant“).285 Dieses Bezugsrecht hat einen Umfang, der in der Regel anhand eines bestimmten Prozentsatzes der vom Kapitalgeber zur Verfügung gestellten Mittel berechnet wird.286 Die zweite Situation, in der Fremdkapitalfinanzierung stattfindet, ist die Überbrückung des Zeitraums der Verhandlungen für eine Down Round mit­ tels eines Darlehens („bridge loan“). Angesichts der langen Dauer der Verhand­ lungen wegen der erhöhten Vorsicht, die Kapitalgeber bei der Investition in wirtschaftlich gefährdete Unternehmen walten lassen, besteht häufig das Be­ dürfnis, eine solche Zwischenfinanzierung zu gewähren.287 Auch hier werden Promissory Notes begeben,288 oftmals begleitet von Optionen auf Vorteilsan­ teile ­(„Preferred Stock Warrants“).289 In der Regel enthalten diese Optionen keine besonderen Bedingungen zu Verwässerungsschutz und Ähnlichem, weil entsprechende Regelungen schon Gegenstand der Ausgabebedingungen der Vorzugsanteile sind, in die aufgrund des Optionsrechts umgewandelt werden kann.290

2.  Rechtliche Nachteile alternativer Gestaltungsoptionen a)  Vorzugsanteile versus Darlehensfinanzierung Ein Vorteil der Finanzierung durch Fremdkapital besteht darin, dass der Kapi­ talgeber hinsichtlich der Bedienung seiner Zinsansprüche nicht auf die Ent­ scheidung des Board of Directors über die Ausschüttung von Dividenden ange­ wiesen ist, sondern unabhängig von der Zustimmung Dritter einen vertragli­ chen Anspruch auf Auszahlung hat. Zwar stellte sich insbesondere in den frühen Stadien der Wagniskapitalfinanzierung gleichfalls die Schwierigkeit, dass nur unzureichende liquide Mittel zur Verfügung stünden, um den Zinsanspruch zu

285  Vgl. §  157(a) DGCL: „(a) Subject to any provisions in the certificate of incorporation, every corporation may create and issue, whether or not in connection with the issue and sale of any shares of stock or other securities of the corporation, rights or options entitling the holders thereof to acquire from the corporation any shares of its capital stock of any class or classes, such rights or options to be evidenced by or in such instrument or instruments as shall be approved by the Board of Directors.“ 286  Bartlett/Barrett/Butler, Advanced Private Equity, 4-17 mit Beispiel in Fußnote 37: Ein 10% Common Stock Warrant für ein Darlehen in Höhe von USD 1.000.000 gibt ein Recht auf Common Stock im Gegenwert von USD 100.000. 287  S.  Bartlett/Barrett/Butler, Advanced Private Equity, 4-17 f. 288  Häufig versehen mit besonderen Bedingungen, die dem speziellen Investitionsrisiko Rechnung tragen, vgl. Bartlett/Barrett/Butler, Advanced Private Equity, 4-18. 289 Vgl. Bartlett/Barrett/Butler, Advanced Private Equity, 4-18; Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 10-2. 290  Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 10-2. Beispiele für mögli­ che Klauseln zum Verwässerungsschutz liefern dies., aaO, 10–13 ff.

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bedienen.291 Das wäre jedoch angesichts der automatischen Kumulation der Forderungen im Vergleich zu Dividendenvorrechten weniger problematisch. Wie bei Vorzugsanteilen könnte der Abrechnungszeitpunkt nach hinten verla­ gert werden. Allenfalls bedürfte es einer Regelung, dass der Kapitalgeber seine Zinsansprüche erst ab Überschreiten gewisser Kennzahlen geltend machte, um nicht gleichsam „versehentlich“ die Insolvenz der Gesellschaft zu verursachen. Des Weiteren sind Gestaltungen denkbar, die eine gewinnabhängige Verzin­ sung vorsehen und erst am Ende der Laufzeit eine zusätzliche oder alternative – für den Fall fehlender Bedienung während der Laufzeit – feste Entgeltleistung. Ein wirtschaftlicher Unterschied zu Dividendenpräferenzen bestünde dann nicht mehr. Das wesentliche Problem von Fremdkapitalfinanzierungen resultiert aus ­einem Haftungsrisiko: Der Inhaber einer Fremdkapitalposition, der Kontroll­ rechte innehat, die denen eines Anteilseigners gleichkommen, sieht sich der Ge­ fahr der Nachordnung („equitable subordination“) seiner Forderung ausge­ setzt.292 Angesichts der üblicherweise weitreichenden Befugnisse eines Wagnis­ kapitalgebers, insbesondere in Krisensituationen bis in die Tagesgeschäfte eines von ihm finanzierten Unternehmens eingreifen zu können, ist die Anwendung dieser Rechtsprechung auf ihn nicht ausgeschlossen.293 Ein Vorteil der Eigenkapitalfinanzierung liegt darin, dass künftige Fremdka­ pitalgeber ohne Verhandlungen mit den Wagniskapitalinvestoren in der Befrie­ digungsreihenfolge weiter vorne stehen.294 Dem ließe sich allerdings durch die Ausgestaltung der Fremdkapitaltitel der Wagniskapitalgeber begegnen, indem eine Klausel zur automatischen Subordination ihrer Ansprüche unter diejeni­ gen sonstiger Gläubiger in die Ausgabebedingungen aufgenommen würde.295 In steuerlicher Hinsicht weist die Kombination von Fremdkapitaltiteln mit einem in einem Warrant enthaltenen Wandlungsrecht den Nachteil auf, dass – je nach Gestaltung im Einzelfall – der Wert des Warrants steuerrechtlich als soge­ nannter „original issue discount“ dem Schuldtitel zugeordnet wird. Das hat un­ ter Umständen zur Folge, dass über die gesamte Laufzeit des Schuldtitels der Inhaber jedes Jahr zu versteuerndes Einkommen aus diesem „original issue dis­ count“ erzielt.296 291  S.  oben A. §  1 I.1.c). Empirische Stützung bei Cumming, 20 J. Bus. Venturing 573, 607 (2005). 292  Zur „Doctrine of Equitable Subordination“ und ihrer möglichen Anwendung auf die Wagniskapitalgeber noch unten §  10 IV.2.; zur Haftung eines Fremdkapitalgebers, wenn er als „control person” eingestuft wird, Douglas-Hamilton, 31 Bus. Law. 343 (1975). 293  Bratton, 100 Mich. L. Rev. 891, 915 (2002). 294  Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 6-9. Zur Einstu­ fung als Eigenkapital noch unten §  8 II.1. 295  Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 6-9. 296  Hierzu und zu Ausnahmen Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capi­ tal, Band I, 6-10 f.

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Die Entscheidung zwischen Darlehensfinanzierung und Vorzugsanteilen hängt maßgeblich vom Alter des zu finanzierenden Unternehmens ab. Die eben dargestellten Überlegungen gelten vor allem für die frühen Finanzierungspha­ sen, in denen weder eine Unternehmensgeschichte noch ausreichende Zah­ lungsströme zur Bedienung regelmäßiger Tilgungsverpflichtungen vorhanden sind. Hat das Unternehmen die ersten Finanzierungsrunden überstanden und ist es aus Sicht potenzieller Kapitalgeber genügend gewachsen, verringert sich die Unsicherheit über die Notwendigkeit von Eingriffen in die Geschäftsfüh­ rung und die Wahrscheinlichkeit solcher Eingriffe. Empirische Studien stützen diese Erwägungen. Danach nimmt der Anteil fremdkapitalfinanzierter Investi­ tionen mit steigendem Unternehmensalter zu.297 Das ändert jedoch nichts dar­ an, dass die Beteiligung mittels Vorzugsanteilen auch in späteren Runden weit überwiegt.298 b)  Vorzugsanteile versus Stammanteile Für die Wahl von Vorzugsanteilen statt Stammanteilen spricht, das Steuerrecht ausgeblendet, die Möglichkeit der Vereinbarung von Liquidations- und Divi­ dendenvorzügen. Vor allem bei Wagniskapitalfinanzierungen durch regulierte Kapitalgeber (Banken und Versicherungen) dient die Beteiligung mittels Vor­ zugsanteilen der Einhaltung von aufsichtsrechtlichen Vorgaben zur Streuung des Anlagevermögens, die regelmäßig den Prozentsatz von Common Shares im Portfolio begrenzen.299 Wenig überzeugend ist indes das Argument, es gehe auch darum, ein „double dipping“ der Gründer zu verhindern. Die angeblich doppelte Erzielung von Ge­ winnen soll dadurch entstehen, dass die Gründer zum einen laufende Vergü­ tung entnehmen und zum anderen bei der Liquidation Wagniskapitalgebern, die lediglich gewöhnliche Anteile halten, gleichgestellt seien.300 Eine solche mehrfache Vergütung ließe sich etwa über die angemessene Gestaltung der Ver­ gütungsvereinbarung oder andere Regelungen steuern. Zudem würden die In­ vestoren sinnvollerweise Eigenkapital- und Fremdkapitalelemente kombinie­ ren,301 so dass ihnen weiterhin eine Vorrangstellung bei der Erlösverteilung zukäme. 297  Cumming, 20 J. Bus. Venturing 573, 608 (2005). Vgl. auch die – allerdings lediglich auf Auskünften von Kapitalgebern und nicht auf der Analyse von Finanzierungsvereinbarungen beruhenden – Angaben von Trester, 22 J.Banking & Fin. 675, 689 ff. (1998). Zu Änderungen in der Kontrollstruktur mit zunehmender Unternehmensreife in Deutschland Bienz/Hirsch/ Walz, in: Letmathe/Witt, S.  15, 27 ff.; I.Stein, Kapitalstruktur, S.  16 ff. 298  Daten bei Kaplan/Strömberg, 70 Rev. Econ. Stud. 281, 284 (Angaben in Table 1 F.) (2003). 299  Bratton, 100 Mich.L. Rev. 891, 916 (2002). 300  Bratton, 100 Mich.L. Rev. 891, 916 (2002). 301  S.  sogleich unten 3.

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

3.  Funktionsäquivalenz der Kombination von Fremd- und Eigenkapitalbeteiligung Die Vorteile der Beteiligung der Investoren durch wandelbare Vorzugsanteile werden insbesondere in der ökonomischen Literatur unter fünf Aspekten be­ trachtet: Sie bieten als Anteile mit residualen Gewinnbeteiligungsrechten 302 die richtigen Anreize für die Beteiligten, sich ausreichend für das Unternehmen einzusetzen (a]);303 die Gewährung eines Befriedigungsvorranges zu Gunsten der Kapitalgeber ist ein positives Signal der Gründer (b]);304 die Dividendenund Liquidationsvorzüge mindern Verlustrisiken (c]) und verhindern opportu­ nistisches Gründerverhalten (d]);305 die Vorzugsanteile verteilen Gewinnbe­ zugsrechte unterschiedlich je nach gewählter Form der Beteiligungsauflösung (e]).306 Bei näherer Betrachtung ist durchaus fraglich, ob diese Anreizfunktionen sich nicht auch mittels anderer Beteiligungsformen erreichen lassen. Das wird im Folgenden in der Reihenfolge betrachtet, in der soeben die Funktionen dar­ gestellt wurden. a)  Anreizwirkung residualer Gewinnbeteiligungsrechte In der ökonomischen Literatur wird vielfach betont, die wandelbaren Vor­ zugsanteile wirkten wie eine Kombination von Eigen- und Fremdkapitalbetei­ ligung, die ihren Inhabern einen Teil des Erlöses vorrangig zuwiesen und im Übrigen ein mit den Rechten der Stammeigner gleichwertiges Gewinnbeteili­ gungsrecht gewährten.307 Das gewährleiste eine sinnvolle Verhaltenssteuerung, so dass sich Gründer und Investoren in angemessenem Maße für den Unterneh­ menserfolg einsetzten.308 Diese Form der Gewinnverteilung ließe sich ebenso durch eine Kombination von Fremdkapitalfinanzierung, etwa im Wege eines Darlehens, und Eigenkapi­ talfinanzierung erreichen. Die Dividenden- und Liquidationsvorrechte sollen die Rückzahlung des eingebrachten Kapitals sowie eine Mindestrendite ge­ 302  Entweder direkt, das heißt als Participating Preferred Share (oben II.2.b]), oder indi­ rekt mit Blick auf das Recht zur Umwandlung in Stammanteile (oben IV.1.b]). 303  Oben §  1 II., III. 304  Oben §  1 III. 305  Oben II.3., III.3 306  Zum letzten Punkt oben IV.2.b)aa)(2). 307  Sehr klar Marx, 3 Rev. Econ. Design 371, 377 (1998): „The mixed debt-equity sharing rule can be interpreted as convertible preferred equity or participating preferred equity, who­ se holders receive a preferred dividend and then share equally with the Common Shareholders in the remaining dividends.“; s. auch Dessí, 36 RAND J. Econ. 255, 256 (2005), und den (kri­ tischen) Diskussionsüberblick bei Hellmann, 81 J. Fin. Econ. 649, 653 (2006), sowie dens., aaO. 664. 308  Oben §  1 II., III.

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währleisten.309 Den gleichen Effekt hätte die Aufteilung des Gesamtbetrages in ein Darlehen und eine Bareinlage. Das Entgelt für die Hingabe des Darlehens kann so ausgestaltet werden, dass es in der Summe mit der Hauptforderung den Vorzügen entspricht. Aufgrund der verbleibenden Eigenkapitalkomponente der Finanzierung blieben alle sonstigen Anreize residualer Ansprüche erhalten. Vergleichbare Ergebnisse lassen sich erzielen, wenn, wie in der deutschen Fi­ nanzierungspraxis, die Eigenkapitalbeteiligung durch eine stille Gesellschaft ergänzt wird. Ansprüche aus dieser sind wie bei einem Darlehen grundsätzlich ebenfalls vor den Residualansprüchen zu befriedigen und entfalten daher die oben diskutierte Steuerungswirkung.310 Soweit die ökonomische Literatur also betont, Vorteil wandelbarer Vor­ zugsanteile sei die sinnvolle Verteilung von Gewinnbezugsrechten für die Steu­ erung von Kapitalgeber- und Gründerverhalten, handelt es sich nicht um ein Argument, das sich zugleich gegen die Finanzierung durch eine Kombination von Fremd- und Eigenkapital, etwa mittels Darlehensvergabe und Stammantei­ lerwerb, anführen ließe. Denn die gewünschte Steuerungswirkung ist genauso durch eine solche Mischfinanzierung erreichbar. b)  Rangverteilung als Signal Die Einräumung eines Befriedigungsvorrangs als Signal311 setzt ebenfalls keine Beteiligung durch wandelbare Vorzugsanteile voraus. Der Vorrang im Verhält­ nis zu den Gründern besteht genauso, wenn die Investoren über Fremdkapi­ talansprüche verfügen.312

309  Baums/Möller, in: Hommel/Knecht (Hrsg.), Start-Up-Management, S.   396, 403; vgl. schon oben II.3., III.3. 310  Ähnlich z.B. Rudolph/Haagen, FS Wilhelm, S.  329, 345. Der Sache nach sind die von dens. auf den S.  345 ff. getroffenen Aussagen zur juristischen Gestaltung allerdings mit größ­ ter Vorsicht zu genießen: Schlichtweg falsch ist die von dens. aaO. getroffene Aussage, in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung sei die Ausgabe wandelbarer Vorzugsanteile ausge­ schlossen. Dazu unten 4. Teil A. §  3. Wieso die Gewinnbeteiligung der Inhaber wandelbarer Vorzugsanteile durch den Nennwert(!) der Anteile begrenzt sein soll (dies. aaO., S.  437, Abbil­ dung 6), ist nicht nachvollziehbar. Der Nennwert begrenzt lediglich relativ (prozentual) bezo­ gen auf die Beteiligungsquote, nicht jedoch hinsichtlich des absoluten Betrages. Die „Beteili­ gung an Steigerung des Unternehmenswertes“ wird weder in den USA noch in Deutschland „durch Wandlung realisiert“, sofern es sich, wie in den USA häufig und in Deutschland üb­ lich, um teilnehmende Vorzugsanteile handelt (s. schon oben a]bb][2], [3]). Anreizsteuerungs­ wirkung vermögen in diesem Fall, anders als von Rudolph/Haagen aaO., S.  347 (Abbildung 6), suggeriert, weder stille Gesellschaften mit Wandlungsoption noch wandelbare Vorzugsan­ teile zu entfalten (wie dies. selbst aaO. auf S.  341 festhalten). 311  Vgl. oben §  1 III. 312  So wurde diese Signal-These im Zusammenhang mit der Funktion von Fremdkapitalfi­ nanzierung entwickelt von Ross, 8 Bell J. Econ. 23 (1977).

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

c)  Überschussverteilung bei Liquidation und Dividendenvorrechte Aus Sicht der Investoren besteht insbesondere bei einer Beteiligung durch Eigen­kapital die Gefahr, im Fall schlechter wirtschaftlicher Entwicklungen sämtliche eingesetzten Mittel zu verlieren. Dem lässt sich ein Stück weit entge­ genwirken, indem sich die Kapitalgeber für den Unternehmensverkauf oder Börsengang Liquidationsvorrechte313 einräumen lassen, die ihnen den Zugriff auf die Erlöse im Rang vor den Gründern einräumen. Das Gleiche gilt für Divi­ dendenvorrechte, die in der Regel gleichfalls erst im Rahmen der Liquidation zum Zuge kommen.314 Doch ist die Bedeutung der Liquidationsvorrechte zu relativieren: Wird das Unternehmen wegen wirtschaftlichen Misserfolgs abgewickelt, gibt es in den meisten Fällen keine Vermögensmasse, aus deren Verwertung die Vor­ züge bedient werden könnten.315 Ist Vermögen vorhanden, das entweder im Rahmen einer Abwicklung oder im Wege der Veräußerung des Unternehmens für die Befriedigung der Ansprüche der Investoren herangezogen werden kann, lässt sich diese Folge genauso erzielen, wenn die Kapitalgeber statt Vorzugsan­ teilen ein Darlehen gegeben oder eine andere Form der Fremdkapitalfinanzie­ rung gewählt haben. Maßgeblich ist allein der Befriedigungsvorrang. Dieser ist auf vielen Wegen erreichbar. Der Einwand liegt nahe, der Unterschied zwischen Liquidationspräferenz und Darlehensrückzahlungsanspruch bestehe darin, dass die Präferenz in Kombination mit den sonstigen Rechten aus einem Vorzugsanteil den Investo­ ren einen größeren Anteil des Erlöses zuteile. Schließlich sei der Darlehens­ rückzahlungsanspruch nach oben hin begrenzt. Das gewinnt Bedeutung in Fällen, in denen die Unternehmen als „Living Dead“ weder erfolglos noch be­ sonders erfolgreich sind.316 Für diese These scheint zu sprechen, dass die Liqui­ dationspräferenzen stets durch Dividendenpräferenzen verstärkt werden. Der Sinn der Dividendenvorrechte besteht weniger darin, laufende Zahlungen an die Investoren sicherzustellen. Denn für solche Ausschüttungen fehlen wagnis­ kapitalfinanzierten Unternehmen in der Regel die Mittel.317 Vielmehr gewinnen Dividendenpräferenzen vor allem Relevanz, wenn es sich um sogenannte ku­ mulative Dividendenvorrechte handelt, die erst bedient werden müssen, sofern

313  „Liquidation“, daran sei erinnert (s. oben III.1.), meint im Zusammenhang mit Wagnis­ kapital, vor allem in den USA, jede Form der Desinvestition, nicht nur die Liquidation im gesellschafts- oder insolvenzrechtlichen Sinne. 314  S.  oben II.3. 315  Gilson/Schizer, 116 Harv. L. Rev. 874, 883 (2003). 316 So Gilson/Schizer, 116 Harv. L. Rev. 874, 884 (2003). Zu den „Living Dead“ oben A. §  2 I.2. 317  Gilson/Schizer, 116 Harv. L. Rev. 874, 882 (2003).

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ausreichend liquide Mittel vorhanden sind – dann aber vollständig. Das ist ins­ besondere der Fall, sobald das Vermögen des Unternehmens verwertet wird.318 Dass dieser Effekt ebenso auf anderem Wege erzielt werden kann, wird bei Berücksichtigung der wirtschaftlichen Wirkung der Dividendenpräferenz deutlich: Mit ihr erreicht der Kapitalgeber ökonomisch betrachtet eine Verzin­ sung seiner Investition. Während die Liquidationspräferenz in erster Linie das eingesetzte Kapital schützt,319 dient das Recht auf kumulierte Dividenden der Vergütung des Investors. Damit ist der Weg zu einem funktionsäquivalenten Gestaltungsmittel bereits gewiesen, nämlich die entsprechende Ausgestaltung eines Anspruchs auf Entgelt neben dem Recht, die Rückzahlung von ausge­ reichtem Fremdkapital verlangen zu können. d)  Verhinderung opportunistischen Gründerverhaltens Eine weitere Funktion von Dividendenvorrechten liegt darin, Opportunismus seitens der Gründer zu verhindern. Haben diese die Stimmrechtsmehrheit, be­ steht die Gefahr, dass sie Dividendenausschüttungen ausschließlich an die Inha­ ber der Stammanteile veranlassen. Profitieren die Investoren nicht von geson­ dert geregelten Vetorechten und verfügen sie etwa nur über Liquidationsvorzü­ ge, können sie jedenfalls nicht unter Hinweis auf die mittelbare Beeinträchtigung ihrer Stellung als Vorzugsanteilsinhaber gegen solche Maßnahmen vorgehen.320 Liquidationsvorrechte setzen für die Gründer einen weiteren Anreiz, sich mit ganzer Kraft für das Unternehmen einzusetzen und die Verfolgung sonsti­ ger privater Projekte einzustellen. Denn wirtschaften die Gründer nicht erfolg­ reich genug, gehen sie am Ende leer aus. Wiederum ist eine alternative Gestaltung durch eine Kombination von Fremd- und Eigenkapitalfinanzierung denkbar: Zum einen existieren in sämtli­ chen Gesellschaftsrechten mehr oder weniger stark ausgestaltete gesellschafts­ rechtliche Ausschüttungssperren. Das sichert, jedenfalls in gewissem Umfang, die Befriedigungschancen der Kapitalgeber. Zum anderen lässt sich über Zu­ stimmungsrechte in Covenants und ähnlichen Abreden eine die Investoren be­ nachteiligende Dividendenzahlung verhindern. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass durch die Kombination von Liquida­ tions- und Dividendenvorrechten möglicherweise das Gründerverhalten nega­ tiv beeinflusst: Haben die Kapitalgeber zusätzlich zu den Präferenzen residuale Zugriffsrechte inne, verursacht dies vermutlich eine Demotivation der Gründer.

318  US-Praktiker betonten in Gesprächen mit dem Autor diesen Zusammenhang von Li­ quidations- und Dividendenpräferenzen, etwa Interview am 29.03.2010. 319  Zum Inhalt von Liquidationspräferenzen oben III.1.,2. 320  Hierzu oben I.2.b).

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

Denn damit sie überhaupt Gewinne erzielen können, muss der Unternehmens­ erfolg sehr groß sein.321 e)  Unterschiedliche Verteilung von Gewinnbezugsrechten Als letzter Punkt des Funktionenvergleichs von Vorzugsanteilen und der kom­ binierten Finanzierung durch Fremd- und Eigenkapital wird hier die unter­ schiedliche Verteilung von Gewinnbezugsrechten für verschiedene Formen der Beteiligungsauflösung aufgegriffen. Ein Teil des ökonomischen Schrifttums verweist darauf, die wandelbaren Vorzugsrechte seien deshalb gute Steuerungs­ instrumente, weil sie den Investoren für den Fall einer Unternehmensveräuße­ rung höhere Gewinnbezugsrechte zubilligten als bei einem Börsengang. Das konkret maßgebliche Instrument sei die übliche Klausel zur automatischen Konversion der Vorzugsanteile in Stammanteile bei Durchführung eines Bör­ senganges.322 Wiederum ist es möglich, eine funktionsäquivalente Alternativgestaltung durch Kombination von Eigen- und Fremdkapitaltiteln vorzunehmen. Hierfür bedarf es lediglich der Ausstattung der Fremdkapitaltitel mit einer Abrede, die für den Fall des Börsenganges eine Umwandlung in Stammanteile vorsieht. Da­ mit können etwa die aus einem Darlehensvertrag resultierenden Rechte, die die gleiche Funktion wie Dividenden- und Liquidationspräferenzen erfüllen, den­ selben auflösenden Bedingungen wie Vorzugsrechte unterworfen werden. f) Ergebnisse Der Vergleich der Finanzierung durch Vorzugsanteile mit einer Finanzierung durch eine Kombination von Fremd- und Eigenkapitalbeteiligung zeigt, dass jedenfalls unter funktionalen Gesichtspunkten die Wahl von Vorzugsanteilen nicht zwingend ist. Sämtliche Steuerungswirkungen lassen sich in wirtschaftli­ cher Hinsicht auf anderem Wege erreichen. Das spricht dafür, die für die öko­ nomische Forschung typische Hervorhebung des US-amerikanischen Gestal­ tungsmodells im Bereich von Venture Capital mit einiger Skepsis zu betrachten, was seine vermeintliche Überlegenheit mit Blick auf das Setzen von Verhal­ tensanreizen angeht. Empirische Stützung erfährt diese Aussage dadurch, dass auch erfahrene Venture Capital Investoren aus den USA abweichende Finanzie­ rungsformen wählen und weniger stark auf Vorzugsanteile setzen, sobald sie in anderen Staaten tätig werden. Nachgewiesen ist dies etwa für Investitionen in Kanada.323

321 

Dazu schon oben III.3.c). S.  oben IV.2.b)aa)(2). 323 Ausführlich Cumming, 20 J. Bus. Vent. 573 (2005). 322 

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Ergänzend ist hinsichtlich der Verteilung von Entscheidungsbefugnissen da­ rauf hinzuweisen, dass die im ökonomischen Schrifttum oft als starr beschrie­ benen Grenzen zwischen residualen und festen Zugriffsrechten in tatsächlicher Hinsicht häufig verwischen. Der Inhaber einer Minderheitsbeteiligung steht dem Gläubiger eines für einen längeren Zeitraum gewährten Darlehens insofern gleich, als die ihm als Anteilseigner zustehenden Kontrollrechte schwach sind und er den Wert seiner Beteiligung erst spät realisieren kann.324 Damit stellt sich in beiden Fällen aus gestalterischer Sicht die Aufgabe zu entscheiden, in wel­ chem Maße Ergänzungen der Rechte notwendig sind, um den Schutz des Min­ derheitsgesellschafters oder Darlehensgläubigers zu verbessern. Die entscheidenden Argumente für die Wahl von Vorzugsanteilen als Beteili­ gungsform bei Wagniskapitalfinanzierungen in den USA werden von Prakti­ kern denn auch weniger in den Steuerungsfunktionen der Vorzugsrechte gese­ hen als vielmehr in den Haftungsrisiken, die mit Fremdkapitalfinanzierungen einhergehen, und vor allem im Steuerrecht. Die Risiken der Fremdkapitalfinan­ zierung werden weiter unten im Zusammenhang mit dem sogenannten Down Round Financing näher dargestellt,325 dem Steuerrecht ist ein eigener Abschnitt gewidmet.326

§  3  Einflusssicherung: Stimmrechte, Board Control und Covenants I.  Stimmrechte, Board Control und Covenants im System der Wagniskapitalfinanzierung 1.  Perspektive der Wagniskapitalgeber Die Investoren sind darauf angewiesen, ihre Informationsdefizite zu beseitigen und Möglichkeiten zu erhalten, die Handlungen der Gründer zu beeinflussen, damit diese die investierten Mittel nicht für unternehmensfremde Zwecke ver­ wenden oder allgemein unternehmensfremde Ziele verfolgen. Hinzu kommt der unzureichende Schutz der Investoren durch die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht angesichts ihrer fehlenden Erstreckung auf die Sonderrechte der Inhaber von Vorzugsanteilen. Aus diesem Grund ist eine vertragliche Absiche­ 324  Hart/Moore, 109 Q. J. Econ. 841, 865 (1994). Die zeitliche Schwierigkeit folgt daraus, dass der Minderheitseigner in der Regel keinen Käufer finden wird oder erhebliche Abschläge in Kauf nehmen muss. Zudem kann er selbst keine Maßnahme herbeiführen, die den Ausstieg ermöglicht, etwa einen Börsengang oder den Verkauf des Unternehmens. Deshalb ist er stets auf die Mehrheit angewiesen. 325  §  12 IV.2. 326  Zum Steuerrecht ausführlich unten Abschnitt §  10, in dem unter V. die Frage zur Vor­ teilhaftigkeit von Vorzugsanteilen noch einmal aufgegriffen wird.

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rung notwendig.327 Die Vorzüge selbst betreffen lediglich die an den Rändern der unternehmerischen Risiken liegenden Gefahren. Liquidationspräferenzen etwa werden erst bei Auflösung des Beteiligungsverhältnisses relevant. Divi­ dendenvorzüge kommen nur in wirtschaftlich erfolgreichen Zeiten und häufig erst beim Exit im Rahmen der anschließenden Erlösverteilung zum Zuge, zu Beginn gibt es keine ausreichenden Erträge.328 Die Vorzüge helfen damit, abge­ sehen von ihrer Anreizwirkung,329 nicht bei der Steuerung des Unternehmens für die Zeit zwischen Finanzierungsbeginn und Ausstieg der Investoren. Es gibt einen weiten Bereich nicht von vornherein bestimmbaren Verhaltens, der wirksam nur mit in der konkreten Situation nutzbaren Eingriffs- und Kontroll­ rechten im weitesten Sinne steuerbar ist.330 Drei Strategien kommen zur Abmil­ derung dieses Problems in Betracht:331 (i) Die Kapitalgeber können einen Teil der Sitze im Kontrollorgan der Gesell­ schaft beanspruchen.332 So erhalten sie die Möglichkeit, bis in das Tages­ geschäft hineinzuwirken und die Unternehmensentwicklung genau zu ver­ folgen. Zudem haben sie das Recht, auf die Besetzung des Managements Einfluss zu nehmen, insbesondere einen Gründer-Geschäftsleiter zu erset­ zen.333 (ii) Die zweite Strategie, die der Ergänzung der Mitwirkungsrechte im Kon­ troll­organ dient, sind Stimmrechte. Stimmrechte geben den Investoren die Möglichkeit, in wesentlichen Fragen mitentscheiden zu können, die nicht der Entscheidungsbefugnis des Kontrollorgans unterliegen. Das gilt vor al­ lem für Strukturmaßnahmen wie die Ausgabe neuer Anteile, aber auch für die Besetzung des Kontrollorgans. (iii) Als dritte Strategie kommt in Betracht, situationsbezogene vertragliche Rechte zu vereinbaren (Covenants).334 Das betrifft insbesondere Maßnah­ men, die weder den Stimmrechten unterliegen noch über die Mitwirkung im Kontrollorgan zu verhindern sind, etwa weil den Investoren die notwen­ dige Blockademehrheit fehlt. In Covenants lassen sich etwa Verbote mit 327  S.  bereits oben §  2 I.2.a). Ausführlich zu den Schutzdefiziten Brudney, 26 Rutgers L. Rev. 445 (1973); Mitchell, 51 Bus. Law. 443 (1996). 328  Oben §  2 II.3., III.3. 329  Oben §  1 II., III. 330  Hellmann, 29 RAND J. Econ. 57, 60 (1998). 331  Zu den sogleich im Text folgenden Strategien eingehend Bratton, 100 Mich. L. Rev. 891, 922 ff. (2002). 332  Die Literatur geht häufig davon aus, das Kontrollorgan werde entweder mehrheitlich von den Investoren oder überwiegend von den Gründern besetzt. Das ist indes nicht richtig und wäre angesichts der Notwendigkeit der Dynamisierung (s. oben A. §  1 II.) nicht ratsam. Kritisch zur Bestandsaufnahme der Literatur und allgemein zur Besetzung des Board of Di­ rectors in den Vereinigten Staaten Broughman, 2010 Utah L. Rev. 461. 333  Hellmann, 29 RAND J. Econ. 57, 65 ff. (1998). 334  Zur Rolle von Covenants als Mittel, die Folgen von Informationsasymmetrien zu be­ wältigen, Chava/Roberts, 63 J. Fin. 2085, 2095 ff. (2008) [am Beispiel von Debt Covenants].

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Erlaubnisvorbehalt dergestalt festlegen, dass die Gesellschaft über be­ stimmte Vermögensgegenstände nur verfügen oder Darlehen einer be­ stimmten Größenordnung allein dann aufnehmen darf, wenn die Wagnis­ kapitalgeber ihre Einwilligung erklären. Weiterhin denkbar sind finanzielle Schwellen, bei deren Nichterreichen die Investoren mehr Kontrollrechte erhalten.335 Eine derartige Regelung setzt den Gründern einen Anreiz, die zur Verfügung stehenden Mittel jedenfalls insoweit sinnvoll zu verwenden, als sie der Erhaltung der eigenen Rechte dienen. Insofern überschneidet sich die Funktion von Covenants mit der von Meilensteinen.336 Diese Rechte dienen allerdings nicht nur dazu, die Investoren in die Lage zu versetzen, das Gründerverhalten zu steuern, um Wertverluste zu vermeiden. Darüber hinaus bieten sie die Möglichkeit, wertsteigernde Maßnahmen durch­ führen zu können. Fehlten den Wagniskapitalgebern die hierzu notwendigen Mittel, könnten sie etwa nicht den in geschäftlichen Dingen unfähigen Grün­ der-Geschäftsleiter absetzen, hätten sie keinen Anreiz, solche zusätzlichen In­ vestitionen zu tätigen.337 Denn blieben die Strukturen die alten, wäre die Wahr­ scheinlichkeit hoch, dass die Maßnahmen keine Wirkung entfalteten.338 Hinsichtlich des Umfangs der Mitwirkungs- und Kontrollrechte gilt, dass der Investor jedenfalls zu Beginn der Finanzierung nicht umfassende Kontrolle ausüben können muss und hieran auch nicht interessiert ist.339 Wesentlich ist für ihn die Möglichkeit, bei problematischen Entwicklungen die Kontrolle – in Form der Stimmmehrheiten in den Organen – über das Unternehmen überneh­ men zu können.340

2.  Perspektive der Gründer Nicht nur die Kapitalgeber haben ein Interesse an dem Schutz ihrer Investition, das die Einräumung von Mitwirkungs- und Kontrollrechten rechtfertigt. Auch die Gründer sind auf derartige Rechte angewiesen, um die von ihnen in das Unternehmen eingebrachten Werte sowie ihre Vergütungsansprüche zu schüt­ zen. 335 

Chava/Roberts, 63 J. Fin. 2085, 2096 (2008). Zu Meilensteinen unten §  4. 337  Für das genannte Beispiel Hellmann, 29 RAND J. Econ. 57, 66 f. (1998). Vgl. auch Gertner/Scharfstein/Stein, 109 Q. J. Econ. 1211, 1219 f. (1994), für die unterschiedliche Wirkung der Zuteilung von Eigentumsrechten (im ökonomischen Sinn) auf die Motivation der Investo­ ren, wertsteigernde Maßnahmen durchzuführen. 338  Weil etwa der unfähige Gründer-Geschäftsleiter Ratschläge nicht umsetzt. 339  Wenn sich die Geschäfte gut entwickeln, ist sein Eingreifen nicht notwendig und er kann seine Zeit anderen Projekten widmen. 340  Er wird also im Sinne des Ansatzes von Dessein, 60 J. Fin. 2513, 2529 (2005), mehr „for­ mal control“ verlangen, die „real control“ aber zunächst den Gründern überlassen. 336 

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Hätten von Beginn des Beteiligungsverhältnisses an die Investoren die Be­ fugnis, ohne Abstimmung mit den Gründern über das Schicksal des Unterneh­ mens zu bestimmen, könnten sie die Aufteilung der Zugriffsrechte der Gründer umgehen oder diese entwerten.341 Müssen die Gründer befürchten, ihre Vergü­ tung zu verlieren, werden sie sich nicht auf langfristig ausgerichtete Entgeltsys­ teme wie das sogenannte Vesting342 und Optionen einlassen, da allein eine kurz­ fristig fällig werdende Entlohnung vor der nachträglichen Entwertung durch die Kapitalgeber geschützt wäre.343 Deshalb sind Mitwirkungs- und Kontroll­ rechte wichtig, die es erlauben, derartige Vorgehensweisen der Investoren zu blockieren.344 Kontrollrechte zu Gunsten der Gründer sind demnach ein not­ wendiges Element von Anreizstrukturen, die ein optimales Anstrengungsni­ veau sicherstellen sollen.345 Schließlich bietet sich über die Mitarbeit im Board of Directors aus Sicht der Gründer die Chance, dass die Investoren ihren „value added“ einbringen, also vor allem in kaufmännischer Hinsicht die Unterstützung und Beratung bieten, die in den USA als selbstverständlicher Teil der Venture Capital-Beteiligung angesehen wird.346 Da die Gründer schon kraft ihrer Stellung als Stammeigner über Stimmrech­ te und das Recht zur Wahl von Directors verfügen, bleiben sie im Folgenden außen vor. Relevant sind vor allem die Beschränkungen ihrer Rechte. Insoweit handelt es sich um das Spiegelbild einer Begünstigung der Investoren. Damit werden die insoweit maßgeblichen Aspekte im Zusammenhang der Erläuterung der Rechte der Investoren mit erörtert.

3.  Einflusssicherung als Weg zur Dynamisierung des Beteiligungsverhältnisses Die Ausgestaltung der sogleich näher darzustellenden Möglichkeiten der Ein­ flusssicherung ist ein Weg, die notwendige Dynamisierung des Beteiligungsver­

341 

Überblick zu diesen Fehlanreizen bei Fried/Ganor, 87 N.Y.U. L. Rev. 967, 981 ff. (2006). Dazu unten §  6 II.2. 343  Zu diesem Zusammenhang Gorton/Grundy, NBER Working Paper 5779, 3; Skeie, 21. Allgemeiner Gertner/Scharfstein/Stein, 109 Q. J. Econ. 1211, 1221 (1994) für den Zusammen­ hang zwischen Sicherung der Position eines Managers im Fall eines von den Investoren kon­ trollierten Projekts. 344  Freilich sind schon an dieser Stelle gewisse Grenzen anzudeuten, die sich aus der recht­ lichen Ausformung etwa des Stimmrechts ergeben, s. den Überblick bei Fried/Ganor, 87 N.Y.U. L. Rev. 967, 1001 (2006), und unten II.1.b). 345  Skeie, S.  14, 21. Speziell im Zusammenhang mit Vesting Gorton/Grundy, NBER Wor­ king Paper 5779, 30 ff. Zur Bedeutung von Short-term und Long-term Vesting unten § 6 II.2. 346 Dazu Hellmann/Puri, 57 J. Fin. 169 (2002). Empirische Belege zur Korrelation von Unternehmenserfolg und Anwesenheit von Investoren im Unternehmen Bernstein/Giroud/ Townsend, The Impact of Venture Capital Monitoring. 342 

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hältnisses347 herbeizuführen. In verschiedener Hinsicht lässt sich an die wirt­ schaftliche Entwicklung des Unternehmens anknüpfen. Würde bereits zu Be­ ginn der Finanzierung die Mehrheit der Kontroll- und Mitwirkungsrechte den Investoren zugewiesen, suchten die Gründer möglicherweise nach Wegen, ihre Mitwirkung zügig zu beenden oder private Vorteile zu erzielen.348 Aus diesem Grund bietet es sich an, die Besetzung der Mehrheit des Kontrollorgans mit Mitgliedern der Kapitalgeber (auch und erst) an bestimmte Negativereignisse zu binden.349 Eine Möglichkeit ist der Übergang von Besetzungsrechten, falls mehrere an sich fällige Dividendenzahlungen ausfallen (sogenannter Voting Switch).350 Andere Verschiebungen ergeben sich automatisch: Je größer das Verhältnis zwischen Investment und Unternehmenswert ist, desto mehr Stimmrechte be­ kommen die Investoren und, mittelbar über die Stimmrechte, größere Einfluss­ möglichkeiten auf die Besetzung des Board of Directors. Entwickelt sich das Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich, ist das genannte Verhältnis relativ klein, so dass die mit neuen Finanzierungsrunden einhergehende Verschiebung von Stimmgewichten und Einfluss entsprechend schwach ausfällt. Die Position der Gründer bleibt in dieser Situation verhältnismäßig stark.

II.  Stimmrechte der Vorzugseigner 1. Einzelstimmrecht a) Grundlagen Enthalten die Satzung (das Certificate of Incorporation) oder der der Ausgabe der Vorzugsanteile zugrunde liegende Beschluss des Board of Directors keine besonderen Regelungen, haben die Inhaber der Vorzugsanteile genau dieselben Stimmrechte wie die Inhaber von Stammanteilen.351 §  212(a) S.  1 DGCL regelt den Grundsatz des „one share, one vote“.352 347 

Dazu oben A. §  1 II. Hellmann, 29 RAND J. Econ. 57, 67 (1998). S.  auch Skeie, S.  21 f., im Zusammenhang mit Vesting-Regelungen (zum Vesting noch unten VI.2.b]). 349  Dessein, 60 J. Fin. 2513, 2535 f. (2005). Zu Covenants als Regelung solcher Negativereig­ nisse noch unten IV. 350  Zum Voting Switch unten III.2.b). 351  Matulich v. Aegis Communications Group, Inc., 942 A.2d 596, 600 (Del. 2008); Winston v. Mandor, 710 A.2d 835, 839 (Del.Ch. 1997); Jedwab v. MGM Grand Hotels, Inc., 509 A.2d 584, 593 f. (Del.Ch. 1986). 352  „(a) Unless otherwise provided in the certificate of incorporation and subject to §  213 of this title, each stockholder shall be entitled to 1 vote for each share of capital stock held by such stockholder. If the certificate of incorporation provides for more or less than 1 vote for any share, on any matter, every reference in this chapter to a majority or other proportion of stock, voting stock or shares shall refer to such majority or other proportion of the votes of such stock, voting stock or shares.“ 348 

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

§  151(a) DGCL überlässt es jedoch den Gestaltern der Satzung oder der Aus­ gabebedingungen zu bestimmen, in welchem Umfang und zu welchen Kondi­ tionen die ausgegebenen Anteile Stimmrechte gewähren. So ist es ebenso mög­ lich, die Vorzugsanteile ohne Stimmrecht,353 mit einfachem Stimmrecht oder mit Mehrfachstimmrechten auszustatten, wie weitere Voraussetzungen für das Bestehen oder die Ausübung des Stimmrechts vorzusehen.354 Typischer An­ knüpfungspunkt für die Entstehung eines Stimmrechts ansonsten stimm­ rechtsloser Anteile ist der Ausfall von Dividenden.355 Unterschiedliche An­ teilsklassen dürfen mit unterschiedlichen Stimmrechten ausgestattet werden (Class Voting).356 Grundsätzlich gelten die Stimmrechtsregelungen für sämtliche Anteile einer Anteilsklasse. Unabhängig davon, aus welcher Serie und damit Beteiligungs­ runde die Vorzugsanteile stammen, sind deren Inhaber deshalb prinzipiell gleichberechtigt. Für satzungsändernde Beschlüsse hält dies §  242(b)(2) S.  1 DGCL ausdrücklich fest.357 Wird lediglich in die Rechte der Inhaber von An­ teilen aus einer bestimmten Serie eingegriffen, gelten die betroffenen Anteile gemäß §  242(b)(2) S.  2 DGCL für die Zwecke der Abstimmung über diese Ände­ rungen als eigene Klasse. Die Rechtsprechung in Delaware kennt jedoch Präzedenzurteile für Ausnah­ men vom Class Voting. So wurde die Anknüpfung der Anzahl der Stimmrechte innerhalb einer Klasse an die Anzahl der gehaltenen Anteile,358 die Dauer der

353  Morris v. American Public Utilities Co., 122 A. 696, 705 (Del.Ch. 1923): „Can it [Anm. des Autors: das Stimmrecht der Preferred Shareholders] be taken away? I have no doubt that it may. I base this conclusion on the proposition that the right to vote is not such a change in property rights as to be exempt from the tampering effect of amendment where general power to amend is reserved. It is but an alteration which concerns the internal management of the corporation, and being such is not beyond the reach of an authorized general power to amend.“ 354  Folk, GCL-V-24; Macey, 13-56; Thompson, Close Corporations, §  3:37. 355  Vgl. die Klausel in Baron v. Allied Artists Pictures Corp., 337 A.2d 653, 655 (Del.Ch. 1975), appeal dismissed, 365 A.2d 136 (Del. 1976), zitiert oben in Fußnote 157. 356  Lacos Land Co. v. Arden Group, Inc., 517 A.2d 271, 275 (Del.Ch. 1986). 357  §  242(b)(2) lautet: „(b) Every amendment authorized by subsection (a) of this section shall be made and effected in the following manner: [...] (2) The holders of the outstanding shares of a class shall be entitled to vote as a class upon a proposed amendment, whether or not entitled to vote thereon by the certificate of incorpora­ tion, if the amendment would increase or decrease the aggregate number of authorized shares of such class, increase or decrease the par value of the shares of such class, or alter or change the powers, preferences, or special rights of the shares of such class so as to affect them adver­ sely […].“ 358  Providence & Worcester Co. v. Baker, 378 A.2d 121, 122 ff. (Del. 1977). Ausdrücklich anders für das Recht von New Jersey Asarco Inc. v. Court, 611 F.Supp. 468, 477 ff. (D.C.N.J. 1985).

B.  Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA

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Anteilsinhaberschaft 359 oder eine Verknüpfung der Stimmenmehrheit nach An­ teilen mit der Stimmenmehrheit nach Anteilseignern 360 für zulässig erachtet. b) Ausgestaltung aa)  Stimmrecht nach Maßgabe der Wandlungsrechte Der oben zitierte Grundsatz, dass ohne besondere Regelung einem Anteil eine Stimme gebührt, wird in der Gestaltungspraxis regelmäßig modifiziert. Häufig vorzufinden ist die Regelung, wonach die Stimmrechtsverteilung der Vorzugs­ eigner daran geknüpft wird, wie viele Common Shares sie nach (fiktiver, nur für die Zwecke der Berechnung des Stimmrechts gedachter) Ausübung des Wand­ lungsrechts innehätten (sogenannte „as-converted basis“).361 bb)  Einteilung in verschiedene Klassen (Class Voting)  Es ist üblich, Anteilsklassen mit unterschiedlichen Stimmrechten je nach Ab­ stimmungsgegenstand zu schaffen. So können unterschiedliche Klassen ge­ schaffen werden für die Wahl der Mitglieder des Board of Directors und die Abstimmung über sonstige Angelegenheiten wie etwa Strukturänderungen oder Verschmelzungen. In Delaware sind hierfür wegen der von der Art des Anteils grundsätzlich unabhängigen Regel „one share, one vote“ in §  212(a) S.  1 DGCL und angesichts nur weniger gesetzlicher Ausnahmen hiervon 362 stets be­ sondere Abreden zu treffen. Dieses Erfordernis ist vor dem Hintergrund be­ deutsam, dass in Delaware selbst in Fällen, in denen nach anderen Rechtsord­ nungen Abstimmungen nach Anteilsklassen notwendig sind, keine Unterschie­ de gemacht werden.

359 

Williams v. Geier, 13 Del. J. Corp. L. 815, 820 f. (Del.Ch. 1987). Sagusa, Inc. v. Magellan Petroleum Corp., 19 Del. J. Corp. L. 1304 (Del.Ch. 1994), af­ firmed, 650 A.2d 1306 (Del. 1994). 361  Fallbeispiel aus der Gerichtspraxis in VantagePoint Venture Partners 1996 v. Examen, Inc., 871 A.2d 1108, 1111 (Del. 2005). Zur Gestaltung Benton/Gunderson/Robinson, in: Hal­ loran, Venture Capital, Band I, 8-28 f. 362 Beispiel: §   242(b)(2) DGCL (Eingriff, der nur bestimmte Anteilseignergruppen be­ trifft) gewährt auch ansonsten nicht stimmberechtigten Anteilsinhabern im Rahmen einer Abstimmung als „separate class“ ein Stimmrecht, wenn ihre Rechte geändert werden sollen (vgl. zu einer Vorläufernorm Hartford Accident & Indemnity Co. v. W.S.  D ickey Clay Manufacturing Co., 24 A.2d 315, 319 f. [Del. 1942], sowie Folk, GCL-VIII-19 ff.); §  251(d) DGCL (Merger or Consolidation of Domestic Corporation); §  275 (Dissolution). 360 

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

Mit Blick auf die zuvor genannten Beispiele seien hier §  251(c) DGCL363 ei­ nerseits und §  1103 des California Corporate Code364 andererseits für die Zu­ stimmung zu einem Merger Agreement genannt. Während also in US-Bundes­ staaten außerhalb von Delaware für wesentliche Transaktionen vielfach eine Abstimmung nach Klassen notwendig ist, so dass zugleich die Mitspracherech­ te der einzelnen Klassen gestärkt werden,365 bedarf es in Delaware einer beson­ deren Statuierung solcher Rechte. Aus gestalterischer Sicht handelt es sich des­ halb um einen wesentlichen Punkt bei der Ausgestaltung der Vorzugsanteile. Möglich ist etwa, ein Recht zur Abstimmung einzuräumen, wenn es aufgrund einer wesentlichen Transaktion, etwa einer Strukturänderung infolge eines Mergers, zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Rechte der Vorzugsinhaber kommt. Insofern bedarf es angesichts der aus deutscher Sicht sehr stark am Wortlaut haftenden Vorgehensweise der Gerichte allerdings präziser Formulie­ rungen, die möglichst jeden denkbaren Einzelfall erfassen.366 So hat der Dela­ 363  „[…] At the meeting, the agreement shall be considered and a vote taken for its adoption or rejection. If a majority of the outstanding stock of the corporation entitled to vote thereon shall be voted for the adoption of the agreement, that fact shall be certified on the agreement by the secretary or assistant secretary of the corporation, provided that such certification on the agreement shall not be required if a certificate of merger or consolidation is filed in lieu of filing the agreement.“ (Kursivsetzung hinzugefügt) 364  „After approval of a merger by the board and any approval of the outstanding shares […] required by Chapter 12 […], the surviving corporation shall file a copy of the agreement of merger with an officers’ certificate of each constituent corporation attached stating the to­ tal number of outstanding shares of each class entitled to vote on the merger, that the principal terms of the agreement in the form attached were approved by that corporation by a vote of a number of shares of each class which equaled or exceeded the vote required, specifying each class entitled to vote and the percentage vote required of each class, or that the merger agree­ ment was entitled to be and was approved by the board alone under the provisions of Section 1201. […]“ (Kursivsetzungen hinzugefügt) 365  Genügt die Mehrheit der Anteilseigner insgesamt, unabhängig vom Anteilstypus, kön­ nen, je nach Eignerstruktur, Veränderungen zu Lasten bestimmter Gruppen herbeigeführt werden. So vermag etwa, die Stimmenmehrheit unterstellt, die Gruppe der Stammeigner die Vorzugseigner mittels einer Verschmelzung de facto ihrer Rechte zu berauben, wenn am Ende des Prozesses eine Struktur steht, in der die Vorzüge nicht mehr eingreifen. Aufgrund der überaus formalistischen Vorgehensweise der Gerichte in Delaware werden die Inhaber der Vorzugsanteile in der Regel damit scheitern, dass aus wirtschaftlicher Sicht ihre Anteile Be­ einträchtigungen erleiden. So hat der Delaware Court of Chancery selbst dann ein Recht auf Class Voting abgelehnt, als die Bedingungen eines Mergers vorsahen, dass die bisherigen Prä­ ferenzen durch anders ausgestaltete Vorzugsrechte ersetzt werden würden, Warner Communications Inc. v. Chris-Craft Industries, 583 A.2d 962 (Del.Ch. 1989), affirmed, 567 A.2d 419 (Del. 1989). Diese Entscheidung ist allerdings in den Folgejahren mittels Distinguishing in ihrer Reichweite eingeschränkt worden, s. Elliott Associates, L.P. v. Avatex Corp., 715 A.2d 843 (Del. 1998). Zur Problematik Buxbaum, 73. Cal. L. Rev. 1671 (1985) und oben II.1.b)bb). Ist dagegen eine Abstimmungsmehrheit nach Anteilsklassen erforderlich, kann trotz Mehr­ heit etwa der gewöhnlichen Anteilseigner die Klasse der Vorzugsinhaber die Transaktion blo­ ckieren. 366 Vgl. Benchmark Capital Partners IV, L.P. v. Vague, 2002 WL 1732423, S.  1 (Del.Ch. 2002).

B.  Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA

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ware Supreme Court mit Rücksicht auf bestimmte Normen im Delaware Gene­ ral Corporation Law ausdrücklich vorgegeben: „The path for future drafters to follow in articulating class vote provisions is clear. ­W here a certificate [...] grants only the right to vote on an amendment, alteration or repe­ al, the preferred have no class vote in a merger. When a certificate [...] adds the terms “whether by merger, consolidation or otherwise” and a merger results in amendment, alteration or repeal that causes an adverse effect on the preferred, there would be a class vote.“367

2. Stimmbindungsvereinbarungen Regelmäßig schließen die Gründer mit den Investoren Stimmbindungsverein­ barungen. Sie enthalten vor allem Regelungen zur Wahl der Mitglieder des Board of Directors. Darüber hinaus sehen sie teilweise sogenannte „Drag Along Rights“ vor oder Absprachen zu strukturrelevanten Maßnahmen wie etwa Sat­ zungsänderungen.368 Die einzelnen Klauseln werden jeweils im Zusammen­ hang mit dem Regelungsgegenstand dargestellt.369 §  218(c) DGCL liefert die Grundlage für Stimmbindungsvereinbarungen in Delaware.370 Danach sind solche Abreden zwischen Anteilseignern zulässig. Die Gerichte legen entsprechende Verträge eng aus. Die Vereinbarung über die Wahl bestimmter Personen in das Board of Directors, die der Wahrung ausge­ glichener Mitspracherechte der Beteiligten dienen sollte, hat den Delaware Court of Chancery nicht daran gehindert, die Erweiterung des Board of Direc­ tors aufgrund eines von einem Gesellschafter mit ausreichenden Stimmrechten gefassten Beschlusses zu billigen, obwohl damit die Stimmbindung umgangen wurde.371 Das Gericht betonte, die Beteiligten hätten keine Abrede getroffen, die dem ausdrücklich entgegenstünde.372

367 

Elliott Associates, L.P. v. Avatex Corp., 715 A.2d 843, 855 (Del. 1998). Williams/Yaghmaie/Sullivan, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 12A-2. 369  Zu Drag Along Rights unten §  6 III. 370  „(c) An agreement between 2 or more stockholders, if in writing and signed by the par­ ties thereto, may provide that in exercising any voting rights, the shares held by them shall be voted as provided by the agreement, or as the parties may agree, or as determined in accordan­ ce with a procedure agreed upon by them.“ 371  Chandler v. Ciccoricco, 2003 WL 21040185, 13 ff. (Del.Ch. 2003). 372  Chandler v. Ciccoricco, 2003 WL 21040185, 13 (Del.Ch. 2003). 368 

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

III.  Board Control 1. Grundlagen Die Mitglieder des Board of Directors werden von den Anteilseignern gemäß §  216(3) DGCL373 mit der Mehrheit der bei der Anteilseignerversammlung an­ wesenden und dort ordnungsgemäß vertretenen Stimmberechtigten gewählt („Plurality Vote“).374 Im Falle einer Aufteilung der Stimmberechtigten in Klas­ sen oder nach Serien bedarf es innerhalb dieser Gruppen jeweils einer Mehrheit, §  216(4) DGCL375. Hierfür ist allerdings eine gesonderte Regelung in der Sat­ zung notwendig. Eine solche spezielle Vorschrift ist auch Voraussetzung, sofern statt Plurality Voting der Modus des sogenannten Cumulative Voting gelten soll, §  214 DGCL.376 Für die Berechnung wird die Zahl der vom Berechtigen ausübbaren Stimmen mit der Zahl der von ihm zu wählenden Directors multi­ pliziert. Das Produkt darf er nach eigenem Gutdünken auf die zu wählenden Directors verteilen. Neben diesen im Delaware General Corporation Law vorgesehenen Varian­ ten bei der Stimmenberechnung kann in der Satzung das Erfordernis qualifi­ zierter Mehrheiten (Supermajority Voting) vorgesehen werden, etwa eine für die Wahl notwendige Mehrheit von 80%.377 Die Rechtsprechung fordert für die Installierung eines vom Grundsatz des Plurality Voting abweichenden Stimm­ modus eine hinreichend bestimmte und klare Satzungsregelung, die keinen Zweifel am Gewollten lässt.378 Im Fall einer unklaren Regelung gilt Mehrheits­ wahlrecht.379 373  „Directors shall be elected by a plurality of the votes of the shares present in person or represented by proxy at the meeting and entitled to vote on the election of directors.“ 374  Centaur Partners, IV v. National Intergroup, Inc., 582 A.2d 923, 926 (Del. 1990). 375  „Where a separate vote by a class or series or classes or series is required, a majority of the outstanding shares of such class or series […], shall constitute a quorum entitled to take action with respect to that vote on that matter and, in all matters other than the election of directors, the affirmative vote of the majority of shares of such class or series […] shall be the act of such class or series or classes or series.“ 376  „The certificate of incorporation of any corporation may provide that at all elections of directors of the corporation, or at elections held under specified circumstances, each holder of stock or of any class […] shall be entitled to as many votes as shall equal the number of votes which (except for such provision as to cumulative voting) such holder would be entitled to cast for the election of directors with respect to such holder’s shares of stock multiplied by the number of directors to be elected by such holder, and that such holder may cast all of such votes for a single director or may distribute them among the number to be voted for, or for any 2 or more of them as such holder may see fit.“ 377  Centaur Partners, IV v. National Intergroup, Inc., 582 A.2d 923, 927 (Del. 1990). 378  Centaur Partners, IV v. National Intergroup, Inc., 582 A.2d 923, 926 (Del. 1990). Bei­ spiel für eine unklare Regel: Frankino v. Gleason, 1999 WL 1032773 (Del.Ch. 1999). 379  Centaur Partners, IV v. National Intergroup, Inc., 582 A.2d 923, 927 (Del. 1990). Zur Berücksichtigung von anderen Auslegungsmitteln als der Satzung im Rahmen der Interpreta­ tion einer Klausel das die „Centaur“-Entscheidung einschränkende Urteil Eagle Industries,

B.  Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA

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2. Ausgestaltung a)  Besetzung des Board of Directors aa)  Grundformen der Sitzverteilung Hinsichtlich der Aufteilung der Sitze im Board of Directors zwischen Investo­ ren und Gründern lassen sich mit Blick auf die Zuweisung der Kontrollmehr­ heit drei Grundtypen unterscheiden:380 (i) Zunächst gibt es Regelungen, nach denen von vornherein eine einzige Gruppe die Kontrolle übernimmt. (ii) Der zweite Typus teilt Gründern und Investoren eine gleiche (gerade) An­ zahl von Sitzen in einem Board mit einer ungeraden Gesamtzahl von Sitzen zu. Insoweit gilt Klassenwahlrecht. Die verbleibenden, für die Erlangung einer Abstimmungsmehrheit notwendigen Positionen werden mit Personen besetzt, die die Beteiligten gemeinsam bestimmen. „Gemeinsam“ meint hier allerdings nicht Einstimmigkeit, sondern die Abstimmungsmehrheit im Rahmen einer Wahl als einheitliche Klasse. In den ersten Finanzierungs­ runden handelt es sich bei den Gewählten häufig um unabhängige Personen mit Erfahrung in dem Wirtschaftszweig, in dem das Unternehmen tätig ist. Was das nur den einzelnen Gruppen zustehende Klassenwahlrecht betrifft, gibt es auf Investorenseite häufig weitere Unterteilungen, nach denen je­ weils die Inhaber einer bestimmten Serie von Preferred Stock einen (oder mehrere) Posten der Kapitalgeberbank besetzen.381 (iii) Die dritte, sehr selten vorkommende Variante weist die Kontrolle Grün­ dern und Investoren gemeinsam zu.382 In vielen Fällen wird nicht nur die Anzahl der jeder Partei zustehenden Posten festgelegt, sondern auch der Rang der zu wählenden Person, soweit es die Funktion der Directors be­ trifft, die zugleich Officer der Gesellschaft sind. Mit den Bestimmungen zu den konkret von jeder Gruppe zu wählenden Mit­ gliedern des Board of Directors geht oft eine Regelung zur Board-Größe ein­ her.383 Der Grund hierfür liegt zum einen in der oben zitierten Rechtspre­ chung,384 wonach die Veränderung der Mitgliederzahl mit der Folge einer Ver­ Inc. v. DeVilbiss Health Care, Inc., 702 A.2d 1228, 1232 f. (Del. 1997), wonach dokumentex­ ternes Material keinesfalls zur „Erzeugung“ von Unklarheiten dienen dürfe. Diese Linie wird fortgeführt in Harrah’s Entertainment, Inc. v. JCC Holding, 802 A.2d 294, 311 ff. (Del.Ch. 2002). 380 Vgl. Smith, 53 UCLA L. Rev. 315, 326 mit Fußnote 44 (2005). 381  Vgl. die bei Smith, 53 UCLA 315, 327 f. (2005), wiedergegebene Klausel. 382  Vgl. die Formulierungsbeispiele von Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Ven­ ture Capital, Band I, 8-30; Williams/Yaghmaie/Sullivan, ebda., 12A-4 f. 383  Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 8-32. 384  Fußnote 371.

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

änderung der Mehrheitsverhältnisse im Board of Directors keinen Verstoß gegen zum Zweck der gleichmäßigen Machtverteilung geschlossene Stimmbin­ dungsvereinbarungen zur Besetzung des Boards mit bestimmten Personen dar­ stellt. Deshalb bedarf es ausdrücklicher Vorbeugung vor solchen Strategien zur Machtverschiebung. Typischerweise schaffen die Beteiligten jedenfalls zu Beginn einer Finanzie­ rung einen Ausgleich zwischen den Interessen der Kapitalgeber und denen der Gründer, indem sie eine ungleiche Anzahl von Mitgliedern vorsehen und die entscheidende Stimme einer von beiden Parteien zu wählenden neutralen Per­ son zuweisen.385 Diese kann bei Strategiekonflikten vermitteln und sichert so die Möglichkeit der Verhandlung zwischen den Parteien auch nach Vertrags­ schluss.386 bb) Regelungsort Der Regelungsort für die Modalitäten der Wahl zum Board of Directors vari­ iert. In der Praxis werden sie häufig gleichzeitig in der Satzung (Certificate of Incorporation) und in Gesellschaftervereinbarungen abgesichert. Eine Rege­ lung außerhalb der Satzung ist insbesondere dann zu finden, wenn es darum geht, bestimmten Regelungen zur Sicherung der Altersvorsorge zu entgehen.387 Ein Teil der US-amerikanischen Literatur verweist auf einen vermeintlichen Widerspruch: Häufig sieht die Satzung vor, dass Stammeigner und Vorteilseig­ ner für die Besetzung der nicht eindeutig zugewiesenen Posten als je eigene An­ teilsklasse abstimmen („Single Class Voting“). In diesem Fall setzt sich die Mehrheit selbst dann durch, wenn eine Seite unterliegt und in Gesellschafter­ vereinbarungen geregelt ist, die Besetzung müsse „in mutual agreement“ vorge­ nommen werden.388 Diese Doppelregelung ist allerdings weder selten noch wi­ dersprüchlich.389 Bei dieser nach Auskunft der vom Autor befragten Praktiker390 üblichen un­ terschiedlichen Gestaltung in Satzung und Gesellschaftervereinbarung geht es um zwei verschiedene Regelungszwecke: In der Satzung wird die Auffangregel 385 

Ausführlich hierzu Broughman, 2010 Utah L. Rev. 461. Broughman, 2010 Utah L. Rev. 461, 480 ff. 387  Konkret geht es darum, der sogenannten Plan Asset Regulation nach den Regeln des Employee Retirement Income Security Act (ERISA) zu entgehen und den relevanten Ausnah­ metatbestand für Venture Capital Operating Companies zu erfüllen, Benton/Gunderson/ Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 8-33; zu den hier nicht darzustellenden An­ forderungen nach ERISA im Einzelnen Hugg, ebda., 4-17 ff. 388 Vgl. Smith, 53 UCLA L. Rev. 315, 334 ff. (2005). 389 Anders Smith, 53 UCLA L. Rev. 315, 337, 335 (2005). Diese Unterschiede als wenig verbreitet zu bezeichnen mit dem Hinweis darauf (aaO., 337) „such practice has not been no­ ted in the secondary literature on venture capital investing“, ist höchst zweifelhaft. Zu den Gründen für die Unterschiede sogleich im Text. 390  So sämtliche Praktiker, die der Autor hierzu befragte. 386 

B.  Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA

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formuliert, die sämtliche Anteilseigner betrifft. Der in ihr vorgesehene Abstim­ mungsmodus determiniert das formale Prozedere. In den Gesellschafterverein­ barungen werden dagegen Abreden mit Wirkung im Verhältnis der an diesen Vereinbarungen Beteiligten getroffen. Das ist für den Fall von Bedeutung, dass es weitere Mitglieder gibt, die nicht an der Vereinbarung teilnehmen. So lässt sich sicherstellen, dass die Vertragsparteien einen ihnen genehmen Kandidaten in das Board of Directors befördern können, selbst wenn andere Anteilseigner das verhindern möchten. So können etwa solche Kapitalgeber umgangen wer­ den, die noch vor Beginn der Wagniskapitalfinanzierung dem Unternehmen als Angel Investor Kapital gegen Stammanteile gewährt haben.391 Sie nehmen dann zwar an der Gesamtabstimmung nach der satzungsgemäßen Regel teil, wonach alle Anteilsklassen bezogen auf den fraglichen Gegenstand als eine Klasse ab­ stimmen, können aber de facto bei der Besetzung des Boards aufgrund der sie nicht berücksichtigenden Vereinbarung nicht mitbestimmen. Ein weiterer Grund für solche gesonderten Abreden liegt darin, dass die Gründer die Investoren auf die Entsendung einer bestimmten Person in das Board festlegen können. Auf diese Weise vermeiden sie die Berufung eines ver­ hältnismäßig unerfahrenen Vertreters der Kapitalgeber, der aus ihrer Sicht keine ausreichende geschäftliche Erfahrung vorweisen kann und deshalb weniger „added value“ erzielt.392 cc)  Machtverschiebung im Laufe der Zeit Je weiter nach hinten der Beobachtungszeitpunkt verlagert wird, je mehr Finan­ zierungsrunden es also gegeben hat, desto eher besetzen die Investoren die Mehrheit im Board of Directors. Das ist Folge der wachsenden Stimmmacht der Kapitalgeber, die sich mit jeder weiteren Finanzierungsrunde erhöht.393 Der Machtwechsel vollzieht sich entweder durch eine Neuregelung von eindeutigen Zuweisungen der Kontrollmehrheit im Board of Directors oder aber aufgrund der Verschiebung von Abstimmungsmehrheiten anlässlich der Ausübung des gemeinsamen Wahlrechts von Gründern und Investoren. Einer Untersuchung zufolge lag in der betrachteten Stichprobe nach durchschnittlich 3,3 Finanzie­ rungsrunden die Kontrolle über das Board of Directors im Fall des oben unter aa) beschriebenen zweiten Typs von Besetzungsregelungen in 77,45% der Fälle (79 von 102) bei den Kapitalgebern.394 Mit dieser Machtverschiebung einher geht die Auswechselung von Personen in wichtigen Officer-Positionen. Das betrifft insbesondere den Chief Executive Officer (CEO). Nach einer Studie, die die Besetzung des Board of Directors von 391 

So ein vom Autor befragter Praktiker in einer Email vom 02.04.2010. Zum „added value“ schon oben A. §  2 I.2. 393  Smith, 53 UCLA L. Rev. 315, 326 f. (2005). 394  Smith, 53 UCLA L. Rev. 315, 327 (2005). 392 

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

jungen Unternehmen im Silicon Valley im Zeitablauf betrachtet, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Nichtgründer die Stellung des CEO innehat, von 10% in den ersten 20 Monaten auf über 40% nach 40 Monaten bis hin zu einer Größenordnung von mehr als 80% nach 80 Monaten.395 Die Gründe für die Abberufung können unterschiedlich sein.396 In vielen Fällen beruht die Aus­ wechselung eines Gründer-CEOs durch einen von den Wagniskapitalgebern bestimmten, nicht den Gründern zuzuordnenden CEO nicht auf einer freiwil­ ligen Entscheidung der Gründer.397 Die Folgen für das Verhältnis der Beteilig­ ten beschreibt die Literatur teilweise als „traumatic experience“.398 Doch gibt es durchaus Situationen, in denen die Gründer sich mit einer Auswechselung ein­ verstanden erklären. Die Motivation hierfür liegt zum Teil darin, dass die zu­ rücktretende Person davon ausgeht, die Einsetzung eines von außen kommen­ den Managers führe zu einer Gewinnsteigerung, von der sie als frühere Amtsin­ haberin ebenfalls profitiere.399 Einige Gründer ziehen sich deshalb von Managementpositionen zurück, weil sie sich wieder mehr den technischen As­ pekten des Projekts widmen wollen. Die beiden zuletzt genannten Faktoren spielen häufig ineinander. Prominentes Beispiel für die freiwillige Einbeziehung eines externen CEO ist Google. Die beiden Gründer dieses Unternehmens ini­ tiierten den Wechsel des CEO und den Amtsantritt von Eric Schmidt im Jahr 2001 selbst.400 b)  Voting Switch/Control Flip Klauseln zum Voting Switch oder Control Flip sehen vor, dass die Inhaber von Vorzugsaktien in bestimmten Fällen das Recht haben, unverzüglich die Mehr­ heit der Direktorenposten im Board of Directors mit ihnen genehmen Kandida­ ten zu besetzen.401 Damit verbunden ist die Macht, Officer zu ernennen und abzuberufen, vor allem den CEO. Diese Bestimmungen hängen in der Regel mit der (fehlenden) Bedienung des Dividendenvorzugs oder dem (Nicht-)Erreichen 395 

Hannan/Burton/Baron, 5 Industrial and Corporate Change 503, 521 ff. (1996). Die zitierte Studie differenziert allerdings nicht zwischen freiwilliger und unfreiwilli­ ger Abberufung. 397 Ebenso Gorman/Sahlman, 4 J. Bus. Venturing 231, 241 (1989): „We asked venture capi­ talists how often they resort to this final privilege [der Möglichkeit, das Senior Management zu entlassen, Anm.  des Autors]. The answer is, “Frequently.” The mean (in the statistical sen­ se) venture capitalist has initiated the firing of three CEO/presidents, or one CEO/President per 2.4 years of venture investing experience.“ 398  Gorman/Sahlman, 4 J. Bus. Venturing 231, 241 (1989). 399  Hellmann, 29 RAND J. Econ. 57, 58 (1998). Die Aussagen im Text wurden von hierzu vom Autor befragten Praktikern durchweg bestätigt. 400  Hierzu etwa Markoff/Zachary, The New York Times vom 13.04.2003, S.  1 der Section 3. Vgl. auch die Sachverhaltsdarstellung im Fall Carsanaro v. Bloodhound Technologies, Inc., 65 A.3d 618, 629 unter D. (Del.Ch. 2013). 401  Formulierungsbeispiel bei Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capi­ tal, Band I, 8-34 f. 396 

B.  Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA

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von Geschäftszielen zusammen.402 Möglich und üblich, aber nicht zwingend ist die automatische Rückkehr zu den regulären Verhältnissen nach Bereinigung der Situation, also etwa der Ausschüttung ausstehender Dividenden.403 Ähnliche Ergebnisse wie diejenigen, die mit Regelungen zum Voting Switch erzielt werden, lassen sich auf andere Weise erreichen: Wählen die Stammeigner und Vorzugsinhaber gemeinschaftlich die Mitglieder des Board of Directors,404 verschiebt sich die Besetzung ohnehin zu Gunsten der Investoren, sobald die Unternehmensentwicklung nicht erfolgreich verläuft. In diesem Fall führt be­ reits die gestaffelte Finanzierung (Staging) zu einem größeren Einfluss der Ka­ pitalgeber, weil diese bei (verhältnismäßig) niedriger Anteilsbewertung mehr Anteile für die investierte Summe bekommen.405 c)  Grenzen der Ausübung von Board Control Ein Allheilmittel sind Regelungen zur Positionsverteilung im Board of Direc­ tors nicht. Jeder Director, selbst wenn er von den Inhabern der Vorzugsanteile eingesetzt wurde, ist sämtlichen Anteilseignern und damit auch den Gründern als Stammeignern verpflichtet.406 Er unterliegt bei Entscheidungen über die Verteilung von Vermögenswerten auf die verschiedenen Gruppen den allgemei­ nen Treuepflichten. In diesem Zusammenhang wiegt aus Investorensicht beson­ ders schwer, dass dem Board of Directors der Schutz der Vorzüge abseits aus­ drücklich vorgesehener Schutzmechanismen kaum möglich ist, weil insofern die Treuepflichten nicht als Instrument zur Durchsetzung ihrer Interessen ge­ nutzt werden können.407 Aus Sicht der Gründer bietet das einen gewissen Schutz vor den aus dem Mehrheitswechsel resultierenden Missbrauchsgefahren. Besonders problematisch wird die Treuepflicht im Rahmen sogenannter Down Round Financings. Diese werden unten gesondert behandelt.408

IV. Covenants Ein weiterer Weg der Einflusssicherung ist die Aufnahme von Covenants (teil­ weise als „protective provisions“ bezeichnet) in den Zeichnungsvertrag (Share Purchase Agreement) oder in eine gesonderte Vereinbarung über Rechte von 402  Bartlett, Equity Finance, §   9.2 (S.  191); Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 8-36. 403  Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 8-36 f. Beispiel aus der Rechtsprechung: Baron v. Allied Artists Pictures Corp., 337 A.2d 653 (Del.Ch. 1975), die Klausel ist in Fußnote 157 zitiert. 404  Das heißt im Rahmen eines Abstimmungsvorgangs, für den sowohl Vorzugsanteile als auch Stammanteile zählen und der nicht nach Anteilsklassen getrennt ist. 405 Vgl. Smith, 53 UCLA L. Rev. 315, 324 ff. (2005), und unten §  4 I.2. 406  Baron v. Allied Artists Picturs Corp., 337 A.2d 653, 658 (Del.Ch. 1975). 407  S.  oben §  2 I.2.a). 408  Unten §  12.

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

Investoren (Investor Rights Agreement). Der Regelungsort hängt davon ab, wer der richtige Adressat für die in den einzelnen Covenants beschriebenen Pflichten ist, ob also die Gesellschaft (mit)verpflichtet sein soll oder nur die Gründer.409 Terminologisch wird zum einen nach der Art des geforderten Verhaltens in Affirmative und Negative Covenants unterschieden, zum anderen hinsichtlich der Eingriffstiefe zwischen lediglich Mitteilungs- und Verfahrenspflichten aus­ lösenden („ministerial“) Vereinbarungen wie die Versendung von Geschäftsbe­ richten und solchen, die die Unternehmenspolitik betreffen.410 Die Regelungsinhalte changieren und unterscheiden sich im Einzelfall deut­ lich. So können sie Einwilligungserfordernisse („negative covenants“) betref­ fen, nach denen die Gesellschaft ohne Zustimmung der Kapitalgeber keine Di­ videnden ausschütten, keine Darlehensverträge über ein gewisses Volumen hin­ aus abschließen, Managementgehälter nicht ändern und keine neuen Anteile ausgeben darf sowie zusätzliche Informationsrechte. Andere Covenants, die das Verhältnis der Investoren zu den Gründern regeln, sehen etwa Absprachen zu den Wahlen zum Board of Directors vor.411 Aus rechtsvergleichender Sicht ist zu beachten, dass, was Zahl und Inhalte der Covenants angeht, erhebliche Unterschiede zwischen den Regionen in den USA existieren. Im Silicon Valley sind die Bedingungen wesentlich gründer­ freundlicher als etwa an der Ostküste.412 Empirisch korrelieren umfassende Er­ löszugriffsrechte mit strengeren Covenants.413

409 Vgl.

Bartlett, Equity Finance, §  10.8 (S.  227). Bartlett, Equity Finance, §  10.8 (S.  227). Weitere Unterteilungen nach der Regelungs­ materie sind möglich und üblich (etwa Financial Covenants). Da diese Begrifflichkeiten je­ doch weder juristische Implikationen haben noch trennscharf sind, sondern lediglich Teil ei­ nes Geschäftsjargons, wird ihnen hier nicht weiter nachgegangen. 411 Weitere Beispiele bei Bartlett, Equity Finance, §   10.8 (S.  227 f.); Bengtsson, 57 Man. Science 1926, 1931 (2011) – Unterscheidung von mehr als einem Dutzend Typen von Co­ venants; Gunderson/Benton/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 9-30 ff. Smith, 53 UCLA L. Rev. 315, 346 (2005), zeigt für derartige Zustimmungsrechte folgende Verteilun­ gen in einer Stichprobe von 367 Finanzierungen: „engage in business combination“: 81,47%; „adverse charter amendment“: 91,01%; „redeem common stock/pay common stock divi­ dends“: 70,84%; „issue more preferred stock“: 80,38%. 412  Insbesondere solche Covenants, die aus der Darlehensfinanzierung als „affirmative“ und „negative covenants“ bekannt sind, finden sich im Silicon Valley deutlich seltener als etwa an der Ostküste, s. O’Connor et al., Emerging Growth Companies, 19-1. Zahlenmaterial bei Bengtsson/Ravid, Geography, S.  24. 413  S.  Bengtsson, 57 Man. Science 1926, 1936 (2011). 410 

B.  Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA

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§  4  Finanzierungskontrolle: Gestaffelte Finanzierung (Staging) I. Grundlagen 1.  Grundformen gestaffelter Finanzierung Die Kapitalgeber leisten nicht einmalig einen Beitrag. Vielmehr strecken sie die Investition über mehrere Finanzierungsphasen. Die Zuteilung weiterer Mittel ist vom Erreichen bestimmter wirtschaftlicher Kennzahlen und anderer Marker abhängig, etwa der Entwicklung eines Patents. In der Gestaltungspraxis lassen sich anknüpfend an den Zeitpunkt der Fort­ führungsentscheidung zwei verschiedene Arten dieses sogenannten Staging un­ terscheiden: (i) Die erste Möglichkeit besteht darin, die Aufteilung der Finanzierung auf mehrere Perioden so vorzunehmen, dass die Bedingungen für die Fortfüh­ rung bereits ex ante festgelegt werden. Das geschieht bereits bei Abschluss des Share Purchase Agreements mit der vertraglichen Festlegung bestimm­ ter Wegmarken, sogenannter Meilensteine (Milestones). Der maßgebliche zeitliche Einschnitt ist dann nicht der Beginn einer neuen Finanzierungs­ runde, die der Gewinnung zusätzlicher Investoren dient. Vielmehr wird die Kapitalvergabe innerhalb einer solchen Phase gestaffelt. Der neu hinzuge­ kommene Kapitalgeber sagt zu Beginn der Runde zu, einen bestimmten Betrag beisteuern zu wollen, nimmt die Leistung jedoch lediglich in Teilbe­ trägen jeweils bei Erreichen der Meilensteine vor. (ii) Die zweite Möglichkeit der Staffelung, die in der US-amerikanischen Wag­ niskapitalfinanzierung allgegenwärtig ist, beruht ebenfalls darauf, ver­ schiedene Investitionszyklen vorzusehen, so dass die Finanzierung glei­ chermaßen in mehrere Schritte unterteilt und – implizit – an eine Form von Meilenstein geknüpft wird.414 Doch wird die Entscheidung über die Fort­ führung hier erst nach Abschluss der vorhergehenden Phase getroffen, der Investor erhält sich vollkommene Entscheidungsfreiheit.415 Die mittelbare Orientierung an Meilensteinen funktioniert in diesem Fall in der Weise, dass der Kapitalgeber die Gewährung einer bestimmten Gesamtsumme grundsätzlich zusagt, jedoch von vornherein klarstellt, nur Teilbeträge ori­ entiert an Entwicklungsschritten und auf Grundlage einer eigenständigen Ermessensentscheidung zu vergeben. Diese beiden Formen des Staging weisen in der Theorie – praktisch häufig nur bedingt, wie unter II. noch ausgeführt wird – einen juristisch erheblichen Un­ 414 Vgl.

Bartlett, Equity Finance, §  10.2 (S.  215). wird diese Form des Staging gelegentlich auch als Ex Post Staging bezeichnet, etwa von Kaplan/Strömberg, 70 Rev. Econ. Stud. 281, 304 (2003). 415  Daher

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

terschied auf: Dieser liegt darin, dass die ex ante getroffene Meilensteinabrede eine Verpflichtung der Investoren zur Bereitstellung neuer Mittel enthält, die ex post-Variante jedoch nicht. Hier liegt es allein im Ermessen der Kapitalgeber, ob sie ihre Investition aufrechterhalten oder im Ergebnis eine Liquidation er­ zwingen. Die beiden Strategien sind aus praktischer Sicht komplementär.

2.  Auswirkungen gestaffelter Finanzierung Die Staffelung der Finanzierung bietet eine Möglichkeit, Informationsasymme­ trien entgegenzuwirken,416 indem die Kapitalgeber sich die regelmäßige Über­ prüfung vorbehalten und zugleich den Gründern Anreize setzen, sich mit vol­ len Kräften dem Unternehmen zu widmen.417 Das Staging vermag eine weitere Funktion zu erfüllen, indem es mittelbar einen Weg eröffnet, die Verteilung der Kontrolle über das Unternehmen zwischen Investoren und Gründern an den wirtschaftlichen Erfolg zu knüpfen und so die notwendige Dynamisierung des Beteiligungsverhältnisses418 vorzunehmen:419 Je erfolgreicher das Unternehmen ist, desto höher werden in einer Folgerunde die Anteile bewertet. Daraus folgt zugleich eine geringere Verwässerung der Gründerbeteiligung. Denn die Kapi­ talgeber erwerben gemessen am investierten Betrag weniger Anteile. Umge­ kehrt führt eine niedrigere Unternehmensbewertung zum Erwerb von mehr Anteilen für die gleiche Summe. Aus Gründersicht setzt die rein zeitlich gestaffelte Finanzierung allerdings gerade bei positiver Unternehmensentwicklung einen Fehlanreiz, weil die In­ vestoren ihre Position möglicherweise zu einem Hold-up nutzen, indem sie die weitere Kapitalzufuhr von einer Verschlechterung der Position der Gründer abhängig machen.420 Insofern bedarf es eines Mechanismus, der zustandsab­

416 

Zu diesem Problem oben A. §  1 I.1.a). Neher, 66 Rev. Econ. Stud. 255, 262 ff. (1999); s. auch Baums/Möller, in: Hommel/ Knecht (Hrsg.), Start-Up-Management, S.  396, 398 f. Ob Staging in der Praxis immer so wirkt, ist nicht eindeutig geklärt. So wird in einer vergleichenden Studie darauf hingewiesen, in den USA bestätige die Empirie die Theorie, während für Wagniskapitalfinanzierungen in der EU die Empirie nicht den theoretischen Voraussagen entspräche (Ulrich Hege/Frédéric Palomino/Armin Schwienbacher, Venture Capital Performance: The Disparity Between Eu­ rope and the United States, 30 Revue de l’association française de finance 7, 29 f.; kritisch zu dieser Studie [noch zur Working Paper-Version 2003] Philipp Krohmer/Rainer Lauterbach/ Victor Calanog, The bright and dark side of staging: Investment performance and the varying motivations of private equity firms, 33 Journal of Banking & Finance 1597 [2009]). 418  Oben A. §  1 II. 419  Baums/Möller, in: Hommel/Knecht (Hrsg.), Start-Up-Management, S.  396, 399; Smith, 53 UCLA L. Rev. 315, 323 f. (2005); ders., 24 J. Corp. L. 949, 967 ff. (1999). 420  Bienz/Hirsch, 16 Rev. Fin. 157, 162 f. (2012). Die Gefahr des Hold-ups durch die Inves­ toren gerade bei guter Unternehmensentwicklung betont allgemein auch Yerramilli, 42 RAND J. Econ. 705, 711 (2011). 417 

B.  Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA

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hängig die Kontrolle über die Fortführung so zuweist, dass jedenfalls bei Un­ ternehmenserfolg die Gründer die Entscheidung treffen.421 Dem dient die Bindung der weiteren Kapitalzufuhr an inhaltliche Kriterien in Form von – ausdrücklich (ex ante) vereinbarten oder impliziten – Meilenstei­ nen.422 Bei Erreichen einer solchen Wegmarke, etwa der erfolgreichen Entwick­ lung eines Prototyps oder der Anmeldung eines Patents, wird die Finanzierung im Regelfall fortgeführt.423 Mit der Festlegung bestimmter Schwellen verrin­ gert sich die Gefahr, dass die Gründer geldwerte Vorteile vereinnahmen oder in nicht aussichtsreiche Projekte investieren.424 Anderenfalls verpassten sie die ge­ setzten Ziele und die Finanzierung würde beendet oder reduziert. Meilensteine, jedenfalls wenn ihr Erreichen mit dem Recht auf Fortführung der Finanzierung einhergeht, schwächen gleichzeitig den eben beschriebenen Anreiz, die Gründer zu erpressen.425 Sie bewirken zumindest mittelbar, dass die Entscheidung über die Fortführung der Finanzierung bei guter Unterneh­ mensführung in den Händen der Gründer liegt.426 Die Kehrseite dieser Regulierungsstrategie aus Investorensicht ist der Anreiz für die Gründer, den Zustand des Unternehmens zu positiv darzustellen (Window Dressing).427 Dem kann unter Umständen mit Hilfe von Wandlungs­ rechten entgegengesteuert werden.428

II.  Insbesondere: Ex ante vereinbarte Meilensteine Wie bereits eben angedeutet wurde, ist die Verwendung des Begriffes „Milesto­ ne“ nicht eindeutig. Es kann sich sowohl um eine ausdrückliche Vereinbarung handeln als auch um die bloße Beschreibung der Kriterien, die die Investoren für eine Fortführung der Finanzierung benennen, ohne sich rechtlich zu bin­ den. Im letzteren Fall gibt es keinen Vertrag zwischen den Parteien, der die Kapitalgeber zur Gewährung weiterer Gelder verpflichtet, sondern lediglich 421  S.  zur Notwendigkeit solcher zustandsabhängiger Regelungen für die Fortführungs­ entscheidung Yerramilli, 42 RAND J. Econ. 705, 714, 717 (2011). 422  In der ökonomischen Literatur wird häufig nicht zwischen den verschiedenen Formen des Staging unterschieden, s. aber Bienz/Hirsch, 16 Rev. Fin. 157, 158 (2012); Charles J. Cuny/ Eli Talmor, The Staging of Venture Capital Financing: Milestone vs. Rounds, European Fi­ nance Association Meeting Paper 2005 (Working Paper). 423  In der Praxis sind die Übergänge fließend, da letztlich auch die Finanzierung einer neuen Runde im Wege des zeitlichen Staging daran geknüpft ist, ob bestimmte Ziele erreicht wurden. 424  Gompers, 50 J. Fin. 1461, 1464 (1995). 425  Bienz/Hirsch, 16 Rev. Fin. 157, 164 ff. (2012), die eine Ausnahme machen für den Fall, dass die Gründer einen „relative[ly] high level of entrepreneurial bargaining power“ haben (aaO. 165). Das ist hier nicht weiter relevant. 426  Da sie einen Anspruch auf Fortführung der Finanzierung haben. 427  Cornelli/Yosha, 70 Rev. Econ. Stud. 1, 2 (2003). Zum Window Dressing oben A. §  2 IV. 428  Oben §  2 IV.1.b)aa).

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

eine unverbindliche Finanzierungszusage gegenüber den Gründern. In diesem Abschnitt geht es allein um ausdrücklich vereinbarte Meilensteine.

1. Grundformen Meilensteinregelungen, die regelmäßig Teil der Zeichnungsverträge (der Share Purchase Agreements) sind, sehen eine Pflicht des Erwerbers vor, bei der Erfül­ lung bestimmter, in der Anlage zur Vereinbarung definierter „Milestone Events“ weitere Anteile zu erwerben.429 Maßgebliches „Event“ ist das Erreichen eines konkreten Ziels an einem vorher festgelegten Datum. Häufig handelt es sich dabei um Stadien der Produktentwicklung, etwa die Herstellung eines Prototyps, die erfolgreiche Durchführung bestimmter Tests oder die Anmeldung eines Patents. Die Zuführung neuer Mittel in diesem Fall geht mit der Bindung von Humankapital – dem Know-how der Gründer – ein­ her, das nunmehr in objektiver und für Dritte sichtbarer Form im Unternehmen vorhanden und diesem als Vermögenswert zugeordnet ist. So verringern sich Unsicherheiten aufgrund von Informationsasymmetrien und Hold-up-Proble­ men,430 da hinsichtlich dieser neu geschaffenen Vermögenswerte eine wirt­ schaftliche Teilung zwischen Gründern und Kapitalgebern möglich wird.431 Aus Sicht der Investoren ist deshalb die Zuführung neuer Mittel sinnvoll, da sich die Reichweite ihrer Zugriffsrechte vergrößert hat. Neben diesen an Ent­ wicklungsstadien anknüpfenden Meilensteinen gibt es auch solche, denen wirt­ schaftliche Kennzahlen zugrunde liegen.432 Für die konkrete Ausgestaltung der Vereinbarungen kommt es auf die Art des Unternehmens an. Hat es einen gesteigerten Kapitalbedarf, etwa weil die Ausgaben für die Produktentwicklung besonders hoch sind,433 schlägt sich das im Umfang der Finanzierung und der verhältnismäßig kürzeren Dauer einer Finanzierungsrunde nieder.434 Bei Passieren der Meilensteine findet der Erwerb der neuen Anteilstranche zu denselben Bedingungen statt wie der Erwerb der ersten Tranche. Der Vollzug des Anteilserwerbs, das Closing, ist demnach in deutscher Terminologie auf­ schiebend bedingt.435 Die Investitionsvolumina korrelieren nach einer empiri­ schen Studie mit dem Verhältnis von materiellen Vermögenswerten („tangible assets“) zu sämtlichen Vermögenswerten des Unternehmens: Je mehr materielle 429 

Hierzu und zum Folgenden Bartlett, Equity Finance, §  10.2 (S.  215). Dazu oben A. §  1 I.1.a) und A. §  2 III. 431 Vgl. Neher, 66 Rev. Econ. Stud. 255, 262 ff., 269 (1999). 432 Vgl. Kaplan/Strömberg, 70 Rev. Econ. Stud. 281, 304 (2003). 433  Man denke etwa an die unterschiedliche Ausstattung, die Biotechnologieunternehmen benötigen im Vergleich zu solchen, die Software entwickeln. 434  Gompers, 50 J. Fin. 1461, 1480 f. (1995). Vgl. aber wiederum Kaplan/Strömberg, 70 Rev. Econ. Stud. 281, 304 (2003). 435  Möller, S.  31. 430 

B.  Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA

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Vermögenswerte vorhanden sind, desto größer wird der investierte Betrag.436 Gleiches gilt, mutatis mutandis, hinsichtlich des zunehmenden Alters eines Un­ ternehmens.437 Das ist zugleich eine Bestätigung der oben438 vorgestellten These zur Bedeutung von Informationsdefiziten der Investoren, die mit längerer Be­ standsdauer und aussagekräftigeren Daten kleiner werden.439

2.  Verbindlichkeit von Meilensteinvereinbarungen Wie bereits angedeutet, sind Meilensteinvereinbarungen in der Praxis weniger klar, als dies bei erstem Hinsehen den Anschein hat. Das liegt an ihrer schwa­ chen Ausgestaltung.440 Zwar werden sie im Vorhinein verhandelt und als auf­ schiebend bedingte Verpflichtung formuliert. Doch sind die Bedingungen re­ gelmäßig nicht so eindeutig gefasst, dass ihr Eintreten objektiv nachvollzogen werden könnte. Die übliche Wendung, Meilenstein sei die Entwicklung eines „workable products“, lässt offen, was genau unter „workable“ zu verstehen ist, selbst wenn die Bedeutung „product“ klar sein sollte. Letztlich hängt es damit allein vom Investor ab, ob er den Bedingungseintritt für gegeben ansieht. Die Gründer sind selbst dann hilflos, wenn sie meinen, Chancen zu haben, die Gewährung weiterer Mittel vor Gericht durchzusetzen. Da die Kapitalde­ cke des Unternehmens regelmäßig dünn ist, dauerte ein Prozess häufig zu lange, als dass sein Ziel – die Vergabe neuer Mittel zur Fortführung des Unternehmens – erreicht werden könnte. Zudem wäre fraglich, ob nach einer erzwungenen Investition in den Folgerunden neue Investoren ausreichend Kapital bereitstel­ len. Aus deren Sicht sind klagefreudige Gründer unangenehme Geschäftspart­ ner, so dass sie von einer Beteiligung eher absehen. Um der Gefahr einer Klage aus dem Weg zu gehen, sichern sich die Investoren ab, dass die Fortführung der Finanzierung im Ergebnis ihrer Zustimmung un­ terliegt. Ein vom Autor eingesehener Zeichnungsvertrag sah ein „mandatory closing“ vor, das drei Voraussetzungen hatte: (i) Die Entwicklung eines Pro­ dukts, (ii) die Durchführung eines bestimmten Produkttests und (iii) den Be­ schluss der Mehrheit des Board of Directors zur Durchführung des weiteren Closing. Während die beiden zuerst genannten Bedingungen in ihrer konkreten Ausgestaltung den Interpretationsspielraum durchaus begrenzten, enthielt das Beschlusserfordernis als weitere Hürde eine Mehrheitsschwelle – die Zustim­ mung der Mehrheit der von den Vorzugseignern (= den Investoren) bestimmten 436 

Gompers, 50 J. Fin. 1461, 1480 (1995). Gompers, 50 J. Fin. 1461, 1481 (1995). Kaplan/Strömberg berichten, ihre Auswertung habe bezüglich dieser Kriterien keine signifikanten Werte ergeben, konzedieren aber, dass Gompers die größere Stichprobe zur Verfügung hatte (70 Rev. Econ. Stud. 281, 304 [2003]). 438  Oben A. §  1 I.1.a). 439 Ähnlich Gompers, 50 J. Fin. 1461, 1483 (1995). 440  Die folgenden Ausführungen beruhen auf Interviews mit Praktikern im Silicon Valley und auf Klauseln, die der Verfasser selbst vor Ort eingesehen hat. 437 

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

Mitglieder des Board of Directors. Eine weitere Abrede zu einem Meilenstein im gleichen Dokument war mit „optional secondary closing“ überschrieben. Schon daran wird deutlich, dass es sich hier nicht um eine durchsetzbare Pflicht der Kapitalgeber zur Mittelzuführung handelte. Sinn solcher schwach formulierter Meilensteinvereinbarungen ist denn auch weniger die gerichtsfeste Absicherung der Unternehmensfinanzierung als viel­ mehr die Erhaltung einer Investitionsmöglichkeit zu Gunsten der Investoren. Sie können sicherstellen, Teilnehmer einer zukünftigen Finanzierungsrunde zu sein, um bei erfolgreicher Unternehmensentwicklung Anteile einer weiteren Se­ rie erwerben zu können. In diesem Zusammenhang ist aus Sicht des deutschen Lesers zu berücksichtigen, dass das Recht von Delaware nach §  102(3) DGCL ausdrücklich kein automatisches Bezugsrecht der Altanteilsinhaber vorsieht.441 Mit einer Meilensteinvereinbarung erwerben die Investoren eine Call-Option, die das fehlende Bezugsrecht substituiert. Das schützt sie gleichzeitig vor Ver­ handlungen der Gründer mit neuen Kapitalgebern zu ihren Lasten.442 Im Übri­ gen signalisieren Meilensteinvereinbarungen den Gründern den Willen der In­ vestoren, sich bei guter Entwicklung weiterhin engagieren zu wollen, so dass die Motivation der Unternehmer möglicherweise höher ist als im Falle des rei­ nen ex post Staging.

§  5  Schutz vor Verwässerung und Abwertung: Antidilution Rights, Pay to Play, Pull Ups und Performance Deals, Bezugsrechte I. Grundlagen Mit Hilfe sogenannter Antidilution Provisions versuchen die Investoren über die gesamte Dauer der Beteiligung hinweg sicherzustellen, dass sie im Vergleich zu später eintretenden Kapitalgebern nicht „zu viel“ für ihre Anteile bezahlen und gegen eine Verwässerung ihrer Beteiligung geschützt sind. Es handelt sich um eine Form der „downside protection“, die insbesondere in sogenannten Down Rounds in erheblichem Maße zum Tragen kommt.443 Um das Ziel und die Funktionsweise der unten beschriebenen Mechanismen richtig einschätzen zu können, bedarf es zunächst einer näheren Betrachtung des Ausdrucks „Ver­ 441  „(3) Such provisions as may be desired granting to the holders of the stock of the corpo­ ration, or the holders of any class or series of a class thereof, the preemptive right to subscribe to any or all additional issues of stock of the corporation of any or all classes or series thereof, or to any securities of the corporation convertible into such stock. No stockholder shall have any preemptive right to subscribe to an additional issue of stock or to any security conver­tible into such stock unless, and except to the extent that, such right is expressly granted to such stockholder in the certificate of incorporation. [...]“ (Kursivsetzung vom Autor hinzugefügt) 442  Zu diesem Problem des sogenannten Trilateral Bargaining oben A. §  2 V. 443  Zu Down Rounds unten §  12.

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wässerung“ (sogleich 1.). Anschließend wird zur Einführung vor den Einzeler­ läuterungen (unten ab II.) ein Überblick über die verschiedenen Typen von Schutzklauseln gegeben (2.).

1.  Definition von „Verwässerung“ Für die Verwendung des Ausdrucks „Verwässerung“ ist es sinnvoll, sich zu vergegenwärtigen, dass Veränderungen zwei Bezugspunkte haben können: Den wirtschaftlichen Wert des Anteils und das Stimmrecht. Für eine Diskus­ sion der Notwendigkeit und der Wirkungsweise verschiedener Schutzmecha­ nismen ist es wesentlich, stets zwischen diesen Aspekten zu differenzieren. Un­ ter rechtstatsächlichem Blickwinkel bietet es sich an, zwischen einer möglichen Verwässerung aufgrund des Hinzutretens eines neuen Investors in einer weite­ ren Finanzierungsrunde (dazu sogleich a]) und Verwässerungen als Konse­ quenz sonstiger Maßnahmen während einer Finanzierungsrunde (unten b]) zu unterscheiden. a)  Verwässerung aufgrund des Hinzutretens eines neuen Investors Eine Veränderung tritt aus Sicht der Altinvestoren mit jeder weiteren Finanzie­ rungsrunde ein: Werden neue Anteile ausgegeben, sinkt bei fehlendem Aus­ gleich automatisch der relative Umfang ihrer Beteiligung. Denn die Vergröße­ rung des Nenners (Gesamtzahl der Anteile) bei unverändertem Zähler (Anteile des Altinvestors) führt zu einem kleineren Quotienten. Damit verlieren die bis­ herigen Kapitalgeber – relativ gesehen – Stimmrechte und Zugriffsrechte auf den Erlös bei einer Liquidation des Unternehmens. Die Konsequenzen sind für das Verhältnis von Altinvestoren und Gründern sowie für das Verhältnis der Kapitalgeber untereinander differenziert zu betrachten. aa)  Verhältnis von Altinvestoren und Gründern Der Verlust von Stimmrechtseinfluss durch Hinzutreten neuer Kapitalgeber ist aus Sicht der Altinvestoren für die Kontrolle der Gründer irrelevant. Entwickelt sich das Unternehmen positiv, steigt dessen Wert also kontinuierlich, kommt es nicht auf Eingriffs- und Steuerungsmechanismen dieser Art an. Die Beteiligung ist von vornherein auf einen begrenzten Zeitraum angelegt und dient allein dazu, innerhalb dieser Periode einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen. Soll­ ten aus Sicht der Investoren Korrekturen in der Unternehmenssteuerung von­ nöten sein, wirkt sich ihre verringerte Stimmrechtsmacht dem Grunde nach nicht nachteilig aus. Denn solche Entwicklungen betreffen sämtliche Investo­ ren, unabhängig davon, in welcher Finanzierungsrunde sie Anteile erworben haben. Die Interessen der Kapitalgeber sind insoweit gleichgerichtet, so dass die unterschiedlichen Instrumente der Investoren zur Korrektur von Fehlentwick­

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lungen voll zur Geltung kommen. Der relative Verlust von Abstimmungsmacht ist daher im Verhältnis zu den Gründern nicht entscheidend. Hinsichtlich der Gewinnbeteiligungsrechte ergeben sich zumindest in einer „Up Round“ ebenfalls keine Probleme: Werden die neuen Anteile aufgrund ei­ nes gestiegenen Unternehmenswertes zu höheren Preisen ausgegeben, fällt die prozentuale Verringerung des Beteiligungsumfangs des Altinvestors unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht ins Gewicht. Da der gestiegene Unter­ nehmenswert nicht nur zu höheren Preisen für die neuen Vorzugsanteile führt, sondern sich zugleich im gestiegenen Wert der zuvor ausgegebenen Anteile wi­ derspiegelt, verlieren die Altinvestoren ökonomisch betrachtet nichts. Entschei­ dend ist allein die richtige Bemessung des Ausgabepreises für die neue Serie, damit die Beeinträchtigung des prozentual bemessenen Beteiligungsumfangs tatsächlich durch die höhere Bewertung aufgefangen wird. In einer „Down Round“, in der der Unternehmenswert niedriger bemessen wird als in der vorhergehenden Runde, ergeben sich im Verhältnis von Altinves­ toren und Gründern aus Sicht Ersterer gleichfalls keine Probleme. Denn die mit der Verschiebung der Beteiligungsverhältnisse einhergehenden Veränderungen hinsichtlich der Gewinnbeteiligungsrechte444 treffen die Gründer im gleichen Maße, da sie keine neuen Anteile erhalten und ihre Beteiligungsquote gleicher­ maßen schrumpft. bb)  Verhältnis der Investoren untereinander Das entscheidende Problem für die Altinvestoren ist das Verhältnis zu den neuen Kapitalgebern. Zwar sind die Interessen gleichgerichtet, was das Ziel der Kontrolle der Gründer angeht. Doch innerhalb der Gruppe der Investoren kann es zu Verteilungskonflikten kommen, vor allem in Down Rounds. Die zu bewältigende Schwierigkeit besteht in der Wahrung vergleichbarer Beteili­ gungsbedingungen. Sinkt der Unternehmenswert, werden neue Kapitalgeber nur dann Anteile erwerben, wenn deren Preis unter dem vorhergehender Run­ den liegt. Dies führt dazu, dass die Inhaber der Down Round-Anteile bezogen auf den gesamten Unternehmenswert in einem – gemessen am eingesetzten Be­ trag – verhältnismäßig größeren Umfang auf etwaige Erlöse zugreifen können als die Altinvestoren. Hat ein Altinvestor 10 Anteile für 20 erworben und erhält der neue Kapitalgeber 10 Anteile für 10, wird ein der Gesamtheit der Investoren zufallender Erlös von 40 zu jeweils 20 auf diese beiden Gruppen verteilt.445 Während der erste Kapitalgeber demnach lediglich seinen Einsatz zurückerhält, 444  Der neue Investor kann aufgrund der niedrigeren Anteilsbewertung mehr Anteile als der Altinvestor für die gleiche Summe erwerben. Zu Down Rounds noch unten §  12. 445  Vorausgesetzt wird hier eine ansonsten gleiche Verteilung von Rechten wie Liquidati­ onsvorzügen etc. Diese vereinfachende Annahme ist unschädlich, weil es lediglich um die Verdeutlichung des Grundproblems geht.

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erzielt der zweite einen Überschuss von 10, obwohl er die gleiche Anzahl von Anteilen innehat. Machen die früheren Kapitalgeber Schutzrechte geltend, die das eben be­ schriebene Problem in seiner Wirkung abmildern sollen, kann dies aus Sicht der neuen Investoren zu einem anderen Problem führen: Während sie in einer be­ sonders risikoreichen Lage dem Unternehmen neues Kapital zuführen, bleiben die bisherigen Finanziers wirtschaftlich gesichert und können abwarten, ob die Anstrengungen anderer zum Erfolg führen. Es entsteht ein sogenanntes Tritt­ brettfahrerproblem. Diese Situation lässt sich insofern als Bestandteil des The­ mas Verwässerungsschutz begreifen, als die neuen Investoren in der hier darge­ stellten Situation im Verhältnis zu den übrigen Mitgliedern ihrer Gruppe mehr investieren, so dass sie wirtschaftlich benachteiligt werden. Auch hierzu ein stark vereinfachtes Beispiel: Erhöht sich die Anzahl der An­ teile des Altinvestors446 aufgrund einer Schutzklausel von 10 auf 20, ohne dass er hierfür eine Gegenleistung erbringt, und erwirbt der neue Kapitalgeber 10 Anteile zu dem Preis, der nach Anpassung für die 20 des Altinvestors gezahlt wurde, ergibt sich ein Ungleichgewicht bei der Erlösverteilung, sofern das Un­ ternehmen sich wirtschaftlich gut entwickelt. Wird etwa ein Erlös von 60 er­ zielt, erhält der erste Investor hiervon 40, der zweite lediglich 20.447 Für den neuen Investor gibt es kaum eine Ausgleichsmöglichkeit: Je mehr Anteile er erwerben möchte, desto niedriger müssen sie bei gleichbleibendem Investitions­ volumen bewertet werden, was wiederum den Verwässerungsschutz des Altin­ vestors auslöst.448 Es ist daher notwendig, die Schutzrechte ausgewogen zu ge­ stalten. Die gleichen Schwierigkeiten treten hinsichtlich der Erhaltung der Stimm­ rechtsmacht auf. b)  Verwässerung durch sonstige Maßnahmen Befinden sich die Investoren gegenüber den Gründern in der Minderheit, was insbesondere bei Erstrundenkapitalgebern der Fall sein kann, besteht die Ge­ fahr, dass die Gründer Wert- und Stimmrechtsverschiebungen zu ihren Lasten vornehmen. Dafür stehen prinzipiell vier juristische Wege offen: Anteilsteilung (Stock Split), die Ausgabe neuer Stammanteile, Dividendenausschüttungen und Anteilsrückkäufe zu überhöhten Preisen.449 Die vierte Variante kann im hier relevanten Kontext vernachlässigt werden. Die Gesellschaft ist eine Close Cor­ poration. Es besteht also kein liquider Markt für Anteile, was Rückkäufe er­ 446  „Erhöhung“ ist hier bezogen auf die Anzahl der Common Shares nach Konversion der Vorzugsanteile. 447  Der erste Investor hält 20 von 30 Anteilen (= 2/3), der zweite 10 von 30 (= 1/3). 448  Zu dieser „Todesspirale“ noch unten II.1.c)aa). 449 Vgl. Kahan, 2 Stan. J. L. Bus. & Fin. 147, 148 (1995), der die Ausgabe neuer Common Shares nicht erwähnt.

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schwert. Zudem gibt es noch keine oder nur wenige außenstehende Dritte, von denen Anteile zurückgekauft werden könnten.450 Zwar haben sich inzwischen Sekundärmärkte für den Handel mit Anteilen an Close Corporations gebildet. Doch handeln hier Venture Capital-Investoren und Private Equity-Fonds un­ tereinander.451 In diesem Zusammenhang ist erneut darauf hinzuweisen, dass das Recht von Delaware nach §  102(3) DGCL ausdrücklich kein automatisches Bezugsrecht der Altanteilsinhaber vorsieht.452 aa)  Ausgabe von Stammanteilen und Anteilsteilung Die Ausgabe neuer Stammanteile oder Anteilsteilungen führen zu Einflussver­ lusten der Investoren, wenn ihre Umwandlungsrechte nicht angepasst wer­ den.453 Richtet sich ein Wandlungsrecht auf den Erhalt eines Stammanteils, wird es aus Sicht des Berechtigten beeinträchtigt, sofern sich die Zahl der Stamman­ teile deutlich erhöht. Denn relativ betrachtet verringert sich sein Beteiligungs­ umfang: Zwar erhält er noch die gleiche Anzahl an Stammanteilen, doch ist seine Quote am Gesamtvolumen der Anteile geringer als im Zeitpunkt des Er­ werbs des Wandlungsrechts. Das in den Ausgabebedingungen der Vorzugsan­ teile festgelegte Verhältnis von für die Vorzugsanteile gezahltem Preis und Kon­ versionspreis (Conversion Price) passt nicht mehr zu den aufgrund der Teilung eingetretenen Änderungen. Liquidations- und Dividendenvorzüge können das nicht auffangen, weil sie keine unbegrenzten Teilhaberechte bieten. Zusätzlich zu diesem Wertverlust tritt eine Beeinträchtigung der Abstimmungsmacht der betroffenen Investoren ein. Berechnen sich die Stimmrechte, wie üblich, auf ei­ ner „as-converted basis“454 und passen sich die Konversionsrechte der Investo­ ren nicht an die Teilung an, schrumpft ihr Einfluss. bb) Dividendenzahlungen Veranlassen die Gründer die Ausschüttung einer Bardividende an sich, verrin­ gert sich der Unternehmenswert, so dass damit eine Verminderung des Anteils­ 450  Ein Verkauf von Anteilen der Gründer an die Gesellschaft ergibt aus Sicht der Gründer keinen Sinn, weil sie dann selbst Stimmrechte verlören. Ihr Ziel besteht aber gerade darin, die eigene Position gegenüber den Investoren zu stärken. 451 Hierzu Ibrahim, 65 Vand. L. Rev. 1, 16 f., 19 f. (2012). 452  „(3) Such provisions as may be desired granting to the holders of the stock of the corpo­ ration, or the holders of any class or series of a class thereof, the preemptive right to subscribe to any or all additional issues of stock of the corporation of any or all classes or series thereof, or to any securities of the corporation convertible into such stock. No stockholder shall have any preemptive right to subscribe to an additional issue of stock or to any security conver­tible into such stock unless, and except to the extent that, such right is expressly granted to such stockholder in the certificate of incorporation. [...]“ (Kursivsetzung vom Autor hinzugefügt) 453  Vgl hierzu Bartlett, Equity Finance, §  9.10 (S.  205). 454  Dazu oben §  3 II.1.b)aa).

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wertes einhergeht. Denn die zukünftigen Erlöse, an denen die Investoren teil­ haben können, nehmen ab. Die Kapitalgeber können sich unter Umständen nicht auf eine unzulässige Ungleichbehandlung berufen, weil sie als Inhaber von Vorzugsanteilen einer anderen Anteilsklasse als die Gründer angehören. Da nach dem Recht von Delaware allein das Board of Directors über die Ausschüt­ tung von Dividenden entscheidet455 , kann ein nicht oder nur mit einem einzigen Mitglied im Board vertretener Investor die Auszahlung nicht ohne Weiteres verhindern. Das gilt insbesondere, wenn sich die Gründer mit einem anderen Investor verbünden. Hat dieser andere Investor die Stimmenmehrheit innerhalb der Klasse der Vorzugseigner, nützen auch Sonderstimmrechte oder Covenants nichts mehr, soweit sie Mehrheitsentscheidungen vorsehen.456 Es besteht mithin die Gefahr des sogenannten Trilateral Bargaining.457 Für den Fall, dass außer­ dem andere Rechte leerlaufen, etwa ein Dividendenvorzug des betroffenen Ka­ pitalgebers, bedarf es eines ergänzenden Schutzmechanismus.

2.  Einführende Typologie a)  Preisbasierter Schutz I: Weighted Average und Full Ratchet-Klauseln Die Rechte aus Klauseln zur Verhinderung einer wertmäßigen Verwässerung ihrer Beteiligung geben den Investoren einen Anspruch auf eine nachträgliche Preisanpassung (nach unten), wenn ein später eintretender Kapitalgeber seine Anteile oder Optionen über den Erwerb neuer Anteile zu einem Preis erwirbt, der unter dem von den früheren Kapitalgebern zu zahlenden Konversionspreis liegt. Dabei kann entweder der nach bestimmten Kriterien gewichtete Durch­ schnittspreis der letzten Finanzierungsrunden als Bezugspunkt gewählt wer­ den (Weighted Average-Klausel) oder allein der Preis der aktuellen Finanzie­ rungsrunde (Full Ratchet-Klausel). Solche Regelungen sind als Bestandteil der Ausgabebedingungen der Vorzugsanteile Gegenstand fast aller Wagniskapital­ finanzierungen in den USA.458 b)  Preisbasierter Schutz II: Structural Antidilution Protection Full Ratchet- und Weighted Average-Klauseln greifen nicht bei Maßnahmen innerhalb einer laufenden Finanzierungsrunde, die die Anteilsstruktur oder Dividendenausschüttungen betreffen. Insoweit sind besondere Vorkehrungen zum Verwässerungsschutz notwendig. Diese steuern ebenfalls den Konversi­ 455 

S.  oben §  2 II.1. Maßnahmen müssen nicht illegal sein. So lassen sich die Dividenden etwa als Bonus für Gründer darstellen, die zugleich als Officer beschäftigt sind. 457  Dazu oben A. §  2 V. 458 Zahlen bei Bengtsson/Ravid, Geography, S.  13 f.; Kaplan/Strömberg, 70 Rev. Econ. Stud. 281, 289 (Table 2 E.), 292 (2003). Die gewichtete Variante überwiegt deutlich. 456  Diese

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

onspreis und werden in der Regel – so auch hier – 459 unter dem Stichwort „Structural Antidilution Protection“ erörtert.460 c)  Pay to Play und Pull Up Provisions Ein Gegengewicht zu den eben skizzierten Arten des Verwässerungsschutzes sind „Pay to Play“-Klauseln.461 Diese sehen vor, dass derjenige Nachteile erlei­ det, der Verwässerungsschutz in Anspruch nimmt, ohne sich an einer neuen Finanzierungsrunde zu beteiligen. Pull Up Provisions enthalten Rechte, die statt einer Sanktion bei Nichtbetei­ ligung an einer weiteren Finanzierungsrunde einen positiven Anreiz setzen, erneut zu investieren. Der Anreiz besteht darin, ein Umwandlungsrecht zu ge­ währen, das den Altinvestoren ermöglicht, ihre alten Vorzugsanteile ganz oder teilweise in solche der neuen Serie zu konvertieren und damit zugleich deren bessere Rechte zu erhalten. Während die erste Variante selten, aber immerhin statistisch signifikant ist, handelt es sich bei der zweiten um eine Neuerung, die nach dem Eindruck von Anwälten462 langsam mehr Verwendung findet.463 d)  Performance Deals Eine weitere Variante des Verwässerungsschutzes sind unter der Rubrik „Per­ formance Deals“ geführte Vereinbarungen, wonach bei Nichterfüllung be­ stimmter Entwicklungsziele die Rechte der Investoren verstärkt werden.

II.  Preisbasierter Verwässerungsschutz 1.  Full Ratchet-Klauseln a)  Inhalt und Funktionsweise Eine Full Ratchet-Klausel sieht vor, dass im Fall der Ausgabe eines Anteils zu einem niedrigeren Preis nachträglich dieser Preis für die früher erlangten Antei­ 459 

Unten II.3. S.  nur Bartlett, Equity Finance, §  9.10 (S.  205). 461  Gelegentlich auch als „Play or Pay“-Klausel bezeichnet. Im Text wird die häufiger ge­ nutzte Beschreibung „Pay to Play“ verwendet. 462  Kramer/Patrick (Fenwick & West), Silicon Valley Venture Capital Survey Fourth Quarter 2014, S.  20 („anecdotal evidence“). 463  Zahlen zu Pay to Play: Bengtsson/Ravid, Geography, S.  14 (17%). Im Silicon Valley sind diese Bestimmungen noch seltener, vgl. Cooley, Venture Financing Report 2014, S.  6: 5% in 2012, 6% in 2013, 4% in 2014; Kramer/Patrick (Fenwick & West), Silicon Valley Venture Ca­ pital Survey Fourth Quarter 2014, S.  20 (in 2014 nicht mehr als 5%, in 2013 nie mehr als 8% der in vier Quartale eingeteilten Stichprobe); Wilson Sonsini Goodrich & Rosati, Entrepre­ neurs Report 2014, S.  5 (in 2013 insgesamt 6%, in 2012 insgesamt 8%). 460 

B.  Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA

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le zugrunde gelegt wird.464 Die Anpassung vollzieht sich durch eine Erweite­ rung der Konversionsrechte, indem mehr Stammanteile pro Vorzugsanteil mit Full Ratchet-Rechten gewährt werden.465 Full Ratchet-Vereinbarungen treffen die Beteiligten gelegentlich erst nachträglich und mit Wirkung für die Vergan­ genheit („retroactive ratchets“). b)  Auswirkungen auf die Gründer Full Ratchet-Klauseln haben in der Regel verheerende Wirkung466 auf die Betei­ ligung der Gründer, wie sich an dem Fall „Sagi v. Infinity Capital, LLC“467 zeigen lässt: Sagi, einer der beiden Gründer der Gesellschaft „Unwired“, hatte im August 2000 noch 23,41% der Anteile inne. Die beteiligten Wagniskapital­ geber hielten insgesamt 46,84% der Anteile in Form von 4.000.000 Vorzugsan­ teilen, für die sie insgesamt USD 7.000.000 gezahlt hatten. Aufgrund wirt­ schaftlicher Turbulenzen sahen die Investoren sich im Jahr 2001 gezwungen, Kapital nachzuschießen. Im Gegenzug wollten sie eine Mehrheitsbeteiligung von insgesamt 80% erhalten. Hierzu nutzten sie eine Full Ratchet-Klausel, mit­ tels derer sie im Rahmen der Ausgabe der Serie B 122.000.000 zusätzliche (Stamm-) Anteile erlangten. Im Gegenzug zahlten sie USD 6.000.000. Der Be­ teiligungsumfang von Sagi sank dadurch von 23,41% auf 1%, zudem fiel der Preis für Stammanteile ganz erheblich.468 c)  Auswirkungen auf das Verhältnis der Investoren untereinander aa)  Abschreckende Wirkung und „Todesspirale“ Neben der Vernichtung der Gründerbeteiligung erachtet das US-amerikani­ sche Schrifttum die abschreckende Wirkung von Full Ratchet-Bedingungen auf neue Investoren als problematisch, weil sie angesichts der stark zu Gunsten der alten Kapitalgeber verschobenen Mehrheitsverhältnisse die Beteiligung als kaum lohnenswert erscheinen lässt.469 Wird eine Full Ratchet-Klausel durchge­ 464  Bartlett, Equity Finance, §  9.11 (S.  206); Gump, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 10A-9. 465 Zwar ist als Alternative die Ausgabe weiterer Anteile an den berechtigten Investor denkbar. Doch müsste dieser dafür bezahlen. Um das Entstehen einer Gegenleistungspflicht zu verhindern, wird in den USA der Konversionspreis angepasst. 466  Vgl. auch Bartlett, Equity Finance, §  9.11 (S.  206), der Full Ratchet-Klauseln als „real killers“ aus Gründersicht bezeichnet. 467  Sagi v. Infinity Capital, LLC, 2005 WL 383711 (Cal.App.4th Dist. 2005). Diese Ent­ scheidung entfaltet in rechtlicher Hinsicht keine Bindungskraft und wird hier nur der Fakten wegen zitiert. 468  Ein weiteres Beispiel liefert Bartlett, Equity Finance, §  9.11 (S.  206), in dem die Ausgabe eines einzigen neuen Anteils in Verbindung mit einer Full Ratchet-Klausel zur Verringerung der Gründerbeteiligung von 50% auf 33,33% führt. 469  O’Donnell/Commissaris, Anti-Dilution, S.  5.

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

setzt, führt dies bei großen Unterschieden zwischen Vorrundenpreisen und ak­ tuellem Preis zu einer nicht endenden, als Todesspirale470 bezeichneten Ab­ wärtsbewegung bei der Anteilsbewertung. Das lässt sich anhand eines weiteren Beispiels verdeutlichen: Investor 1 erwarb 4471 Anteile zu jeweils USD 10, ausgehend von einer Pre-money Bewertung von 60 und einer Post-money Bewertung von 100, die Gründer halten derzeit 6 Anteile.472 Wollen neue Kapitalgeber basierend auf einer Pre-money Bewertung von 50 insgesamt USD 12,5 investieren, um eine 20%-Beteiligung auf Post-money Basis zu erwerben, ergibt sich für die Preis­ bildung Folgendes: Ohne Full Ratchet-Klausel betrüge der Preis pro Anteil USD 5,473 so dass die neuen Investoren 2,5 Anteile erwürben. Da der Anteils­ preis von USD 5 unter dem für die Serie A von USD 10 liegt, greift die Full Ratchet-Klausel ein. Damit verdoppelte der erste Investor auf einer „as-conver­ ted basis“474 seine Beteiligung ohne Gegenleistung.475 Das führte zu einer sofor­ tigen Verwässerung der Anteile der neuen Kapitalgeber. Bestehen diese deshalb darauf, die ihrem Vorgänger zustehenden weiteren Anteile in die Pre-Money Bewertung einzubeziehen (anderenfalls erwürben sie keine 20% Post-money), vermindert sich der für die „series B shares“ zu zahlende Preis auf ca. USD 3,57.476 Dieser Preis wäre aber wiederum geringer als der angepasste Preis von USD 5, so dass die Full Ratchet-Klausel erneut zum Zuge käme. Das Ende der Spirale stellt dann einen Bruchteil des ursprünglich gezahlten Preises dar.477 Im Extremfall führt eine Full Ratchet-Klausel sogar dazu, dass mehr als 100% Stammanteile zur Verfügung stehen müssten, um die Beteiligungsver­ hältnisse so auszugestalten, wie dies der neue Investor möchte.478 Es bedarf kei­ ner weiteren Erklärung, dass dies die Beteiligung durch den interessierten Ka­ pitalgeber unmöglich macht. 470 Z.B.

Bartlett, Equity Finance, §  9.11 (nach S.  208, Einfügung durch Ergänzungsband). Auf die Hinzufügung von „Millionen“ wird aus Gründen der Lesbarkeit verzichtet. 472  Zur Pre-money und Post-money Bewertung oben Fußnote 165. 473  Pre-money Bewertung von 50 geteilt durch die Gesamtzahl bisher ausgegebener Antei­ le von 10. 474  Dazu oben §  3 II.1.b)aa). 475 „Verdoppeln“ in dem Sinne, dass sich sein Konversionsrecht auf die doppelte Zahl Common Shares richtete. Damit einher ginge eine Verdoppelung der Stimmrechte, sofern diese, wie im Text angegeben, auf einer „as-converted basis“ berechnet würden. 476  Die Gesamtmenge der Pre-money zu berücksichtigenden ausgegebenen Anteile steigt auf 14 (6 Gründeranteile + 4 Anteile des ersten Investors aus der Serie A + 4 zusätzliche An­ teile für den ersten Investor), so dass sich der Quotient von Pre-money Bewertung in Höhe von 50 und Gesamtzahl bisher ausgegebener Anteile entsprechend verringert. 477  In dem Beispiel von Bartlett/Barrett/Butler, Advanced Private Equity, 6-7 ff., reduziert sich die Konversionsrate der Series A Preferred Share auf das Verhältnis von USD 1:0,8397, während der neue Series D-Investor statt ursprünglich angedachter USD 0,80 pro Anteil nur noch USD 0,5054 zahlen muss. 478  Beispiel bei R.Bartlett, 59 Bus. Law. 23, 28 (2003). 471 

B.  Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA

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bb)  Probleme bei syndizierten Beteiligungsstrukturen Beteiligen sich mehrere Investoren im Rahmen einer syndizierten Finanzie­ rung, führen Full Ratchet-Klauseln unter Umständen zu Schwierigkeiten beim Management des Syndikats. Verfügen die Anteile über einen Full RatchetSchutz, besteht insbesondere für am Syndikat beteiligte kleine Kapitalgeber kein Anreiz, sich an weiteren Finanzierungsrunden zu beteiligen.479 Ihre Quote bleibt aufgrund des Verwässerungsschutzes erhalten und sie können von den Zahlungen von Investoren mit größerem Beteiligungsumfang profitieren. Das oben480 beschriebene Trittbrettfahrerproblem wird verschärft, da sich die ge­ schützten Kapitalgeber auf vollständige Wertsicherung ihrer Anteile verlassen können. Im Ergebnis hat dies unter Umständen zur Folge, dass der Lead Inves­ tor einen größeren Anteil der Finanzierung einer weiteren Runde übernehmen muss, weil einige Mitglieder der von ihm geleiteten Kapitalgebergruppe nicht bereit sind, neues Kapital aufzubringen.481 d)  Umgang mit und praktischer Sinn von Full Ratchet-Klauseln Angesichts dieser gravierenden Auswirkungen einer Full Ratchet-Klausel wird häufig als Voraussetzung der Finanzierung einer neuen Runde gefordert, dass die Altinvestoren auf solche Rechte verzichten.482 Zudem demotivieren derart starke Verwässerungsschutzklauseln die Gründer und die Angestellten. Weil deren Vergütung vor allem in Stammanteilen und Stock Options auf Stamman­ teile besteht, wird die wirtschaftliche Attraktivität der Arbeit in einem von gro­ ßen Risiken geprägten Umfeld verringert. Daher verlassen einige Angestellte mit solchen Vertragsbedingungen belastete Unternehmen.483 Diese Art von Verwässerungsschutz mag angesichts der einschneidenden Konsequenzen kontraproduktiv und deshalb überflüssig erscheinen. Für be­ stimmte Konstellationen lässt sie sich allerdings aus Investorensicht sinnvoll nutzen. Zunächst können Full Ratchet-Klauseln die Durchführung einer umfassen­ den Restrukturierung vereinfachen, anlässlich derer die Gesellschafterstruktur verändert werden soll. Mit solchen „get well provisions“ lässt sich ein – um im Jargon zu bleiben – „reset“ verwirklichen, etwa weil ein neuer Investor nur dann eine Chance sieht, das Unternehmen fortzuführen, wenn das komplette Gründerteam ausgewechselt wird.484 479 

O’Donnell/Commissaris, Anti-Dilution, S.  5.

480 I.1.a)bb). 481 

O’Donnell/Commissaris, Anti-Dilution, S.  5. Bartlett/Barrett/Butler, Advanced Private Equity, 4-8; R.Bartlett, 59 Bus. Law. 23, 30 (2003); Gump, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 10A-9 mit Fußn. 15. 483  Bartlett/Barrett/Butler, Advanced Private Equity, 3-191 Fußn. 26. 484  Darum ging es im Alantec-Fall, der unten im Abschnitt §  12 II. näher dargestellt wird. 482 

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

Weiterhin begegnen Full Ratchet-Klauseln dem Problem des Window Dres­ sing:485 Bestehen die Gründer auf sehr aggressiven Unternehmensbewertungen im Rahmen der Pre-money Bewertung, können die Investoren im Gegenzug ihr Investitionsrisiko durch die Nutzung von Full Ratchet-Klauseln wirksam be­ grenzen.486 Das ermöglicht den Gründern, die Finanzierungsgestaltung ihren Risikopräferenzen und Erfolgserwartungen anzupassen, während die Kapital­ geber die Bewertungsunsicherheiten auszugleichen vermögen. Schließlich ge­ ben Full Ratchet Rights den Inhabern einen langen Hebel für zukünftige Ver­ handlungen in die Hand. Diesen Vorteilen stehen jedoch die negativen Auswir­ kungen auf die Gründermotivation gegenüber. Kritiker verweisen in diesem Zusammenhang auf ein insgesamt verdorbenes Investitionsklima.487 Eine in der Praxis vorzufindende vermittelnde Lösung be­ steht darin, die Geltung von Full Ratchet-Klauseln entweder zeitlich zu be­ schränken und ab einem bestimmten Zeitpunkt nur noch Weighted Avera­ ge-Rechte vorzusehen488 oder nur frühen Investoren die Full Ratchet-Rechte zu gewähren, weil spätere Kapitalgeber aufgrund der längeren Unternehmensge­ schichte eine bessere Bewertungsgrundlage haben.489 Das deckt sich insbeson­ dere mit der Funktion von Ratchet Rights, einer möglichen Überbewertung des Unternehmens durch die Gründer vorzubeugen. Für einen gewissen Zeitraum kann die Gründereinschätzung getestet werden. Erweist sie sich als solide, kön­ nen die Investoren ihren Schutz dem Nachlassen der Unsicherheit folgend nach unten anpassen. Eine weitere Möglichkeit, die Reichweite von Full Ratchet-Klauseln ein­ zugrenzen, besteht darin, „carve-outs“ vorzusehen, die Preisregionen fest­ schreiben, in denen der Verwässerungsschutz nicht greift. Weiterhin werden gelegentlich Ausnahmen vereinbart, die Minderheitsinvestoren die Anpassung verwehren, wenn sie sich nicht an der nächsten Finanzierungsrunde beteiligen möchten.490 Das wirkt insbesondere in syndizierten Finanzierungen dem oben491 beschriebenen Konflikt der Kapitalgeber untereinander entgegen. Ein gewisses Substitut für Full Ratchet-Vereinbarungen in wirtschaftlicher Hinsicht stellen Liquidationsvorzüge dar. Während ein Ratchet Right vor allem in einem Zwischenstadium von Finanzierung und Exit zum Zuge kommt, ver­ liert es im Zeitpunkt der Liquidation vollständig an Bedeutung. Eine Liquidati­ 485 

Zum Window Dressing A. §  2 IV. O’Donnell/Comissaris, Anti-Dilution, S.  7. Das ist insbesondere in Boomphasen rele­ vant, wenn eine hohe Nachfrage nach Investitionsmöglichkeiten in junge Unternehmen be­ steht, vgl. Bartlett/Barrett/Butler, Advanced Private Equity, 6-2. 487  Bartlett/Barrett/Butler, Advanced Private Equity, 3-191 mit Fußnote 26. 488  Bartlett/Barrett/Butler, Advanced Private Equity, 3-192. Zu Weighted Average-Klau­ seln unten 2. 489  Im zuletzt genannten Sinne O’Donnell/Comissaris, Anti-Dilution, S.  8 . 490 Vgl. Bartlett/Barrett/Butler, Advanced Private Equity, 3-192. 491  Oben c)bb). 486 

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onspräferenz bietet insoweit den Vorteil, einen kalkulierbaren Betrag einfor­ dern zu können, ohne dass die zugrunde liegende Klausel ebenso demotivierend auf die Gründer wirkt. Die Konsequenzen des Vorzugs sind, abhängig von sei­ ner Höhe, nicht in derselben Weise unmittelbar nachteilig spürbar.

2.  Weighted Average-Klauseln Weighted Average-Klauseln sehen vor, dass die Anpassung durchgeführt wird, indem das gewichtete Mittel aus dem Preis der bisher ausgegebenen („outstan­ ding“492) Anteile und demjenigen der neu auszugebenden Anteilen gebildet wird.493 Eine übliche Formel lautet CP2 = CP1[(A+B)/(A+C)].494 Hinsichtlich des zu wählenden Bezugspunktes der bislang ausgegebenen Anteile (das „A“ in der Formel) gibt es zwei Methoden: Nach der „broad-based“-Formel495 zählen dazu in der Regel sämtliche in ge­ wöhnliche Anteile wandelbaren Wertpapiere, also auch Optionen und Wandel­ anleihen.496 Das schließt etwa als Vergütung gewährte Stock Options in die Berechnung mit ein. Werden hinsichtlich dieser Berechnungsbasis Einschrän­ kungen vorgenommen, handelt es sich um eine „narrow-based“-Gewichtung. Die engste mögliche Definition ist dabei die Beschränkung auf die Zahl der ausgegebenen Anteile der geschützten Serie. Je breiter die Grundlage für die Berechnung der Preisanpassung ist, desto weniger stark ist die Anpassung spür­ bar.497 Zur Veranschaulichung ein Beispiel in mehreren Varianten:

492  „Outstanding“ sind solche Anteile, für deren Schaffung im Certificate of Incorpora­ tion eine Ermächtigung existiert, die also „authorized“ sind, die von der Gesellschaft ausge­ geben („issued“) wurden und von anderen Personen als der Gesellschaft gehalten werden (vgl. §  1.20(2) revised MBCA: „“Authorized shares” means the shares of all classes a […] corpora­ tion is authorized to issue.“; §  6 .03(a) revised MBCA: „A corporation may issue the number of shares of each class or series authorized by the articles of incorporation. Shares that are issued are outstanding shares until they are reacquired, redeemed, converted, or cancelled.”). 493  Hierzu und zum Folgenden Bartlett, Equity Finance, §  9.11 (S.  207 f.); Gump, in: Hallo­ ran, Venture Capital, Band I, 10A-9. 494  Vgl. die inhaltsgleiche Formel bei Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 8-47, die lediglich hinsichtlich der Bezeichnung der Variablen abweicht. „CP2“ ist der neue Konversionspreis der geschützten Serie, „CP1“ der Konversionspreis vor Ausgabe der neuen Serie, „A“ die Anzahl von ausgegebenen (outstanding) Anteilen vor der Ausgabe der neuen Serie, „B“ das Produkt der Anzahl der Anteile der neuen Serie und des Ausgabepreises für die Anteile aus der alten Serie, „C“ die Gesamtzahl der neu ausgegebenen Anteile. 495  Auch bekannt als „outstanding shares on a fully diluted basis“. 496  Insoweit gibt es vielfältige Varianten in der Vertragsgestaltungspraxis. 497  Bartlett/Barrett/Butler, Advanced Private Equity, 4-8.

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

Grundfall – kein Verwässerungsschutz: Gründer G498 hält 400.000 Anteile, der Option Pool499 umfasst weitere 100.000 Anteile, die noch nicht zugeteilt sind. Investor A möchte nach Post-money Maßstäben 50% der Anteile auf einer „fully-diluted basis“500 erhalten und da­ für USD 500.000 zahlen. Er erwirbt 500.000 Anteile zu einem Preis von USD 1 pro Anteil. Damit hat er nach der Transaktion die Hälfte von 1.000.000 Antei­ len inne.501 Der Post-Money Wert des Unternehmens beträgt gleichfalls USD 1.000.000.502 Die Stimmrechte hält A auf einer „as-converted basis“503 in Höhe von 55,56%, G hat die restlichen 44,44%.504 Nachdem die Unternehmensentwicklung nicht wie geplant verläuft, wird eine weitere Finanzierungsrunde durchgeführt. In dieser bietet B für eine 50%-Beteiligung auf einer „fully-diluted basis“ gleichfalls USD 500.000, aus­ gehend von einer Pre-money Bewertung von USD 500.000. Für die 1.000.000 Anteile (50% von zwei Millionen Anteilen Post-money) zahlt er also USD 0,5 pro Anteil. Post-Money ist das Unternehmen USD 1.000.000 wert. Damit sinkt der Wert der Anteile von A auf USD 250.000.505 Die Stimmrechte sind auf einer „as-converted basis“ ohne Berücksichtigung des Option Pools506 wie folgt ver­ teilt: A 26,32%, B 52,63%, G 21,05%.507 Variante 1: Narrow-based Weighted Average-Klausel für A Die Gesamtzahl der ausgegebenen Anteile wird allein auf Grundlage der in der Serie A ausgegebenen Anteile berechnet, das heißt ohne Berücksichtigung des Option Pools und der Anteile von G. Die Anwendung der Formel CP2 = CP1[(A+B)/(A+C)] ergibt: CP2 = 1[(500.000 + 500.000)/(500.000 + 1.000.000)] = 1/1,5 ≈ 0,67.

Damit können die Anteile der Serie A nunmehr in (500.000)(1/0,67) = 746.268 Common Shares umgewandelt werden. Die Konversionsrate beträgt also ca. 1,49 zu 1. 498 

Der Einfachheit halber wird angenommen, dass es nur einen Gründer gibt. Zum Option Pool unten §  11. 500  Das heißt unter Berücksichtigung der im Option Pool befindlichen Anteile zu Lasten der Gründer. 501  (400.000 von G + 100.000 aus dem Option Pool + 500.000 von A). 502  1 Million Anteile zu je USD 1. 503  Zum Begriff oben §  3 II.1.b)aa). 504  Für die Stimmrechte werden die Anteile aus dem Option Pool nicht mitgerechnet. Das geht zu Lasten der Gründer. 505  500.000 Anteile multipliziert mit 0,5. 506  Aus Vereinfachungsgründen wird unterstellt, dass noch keine Optionen zugeteilt wur­ den. 507  Ausgangspunkt: 2 Millionen Anteile insgesamt abzüglich 100.000 Option Pool = 1,9 Millionen Anteile. Hierzu werden die jeweiligen Beteiligungen von A, B und G ins Verhältnis gesetzt (A: 500.000 Anteile zu 1.900.000; B: 1.000.000 Anteile zu 1.900.000; G: 400.000 An­ teile zu 1.900.000). 499 

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Die Stimmrechte berechnen sich wie folgt: Die Gesamtzahl der Anteile auf einer „as-converted basis“ beträgt 2.146.268,508 so dass A 34,77%, B 46,59% und G 18,64% halten. Diese Verteilung ist für den neuen Investor (B) nicht akzeptabel, da er eine 50%-Beteiligung erwerben möchte, was aus seiner Sicht 50% der Stimmen ein­ schließt. Deshalb wird er eine Berechnung vornehmen, die die Schutzklausel des A in seine Überlegungen einbezieht. Das führt zu einer weiteren Verwässe­ rung der Stimmrechte von G.509 Variante 2: Broad-based Weighted Average-Klausel für A: Die Gesamtzahl der ausgegebenen Anteile bezieht den Option Pool und die Anteile von G mit ein. Daraus folgt: CP2 = 1[(1.000.000 + 500.000)/(1.000.000 + 1.000.000)] = 1,5/2 = 0,75.

Damit können die Anteile der Serie A nunmehr in (500.000)(1/0,75) ≈ 666.667 Common Shares umgewandelt werden. Die Konversionsrate beträgt demnach 1,33 zu 1, liegt also (wie oben beschrieben) niedriger als in Variante 1. Auch hier ist zu berücksichtigen, dass B die Rechte des A in seine Überlegungen einbezie­ hen wird.

3.  Structural Antidilution Protection Vereinbarungen, die unter der hier benutzten Überschrift diskutiert werden, sind insoweit mit Full Ratchet- und Weighted Average-Klauseln vergleichbar, als sie ebenfalls preisbasierte Anpassungsmechanismen vorsehen. Von der Aus­ zahlung einer Bardividende abgesehen, sind die Auslöser jedoch Eingriffe in die Beteiligungsstruktur.510 Zwar ließe sich der gleiche Schutz über die Einräumung von Bezugsrechten für solche Fälle erreichen. Doch wird die Vereinbarung ei­ nes solchen Bezugsrechts zumeist daran scheitern, dass die Investoren kein In­ teresse haben, bei der Ausgabe neuer Stammanteile weitere Mittel für deren Erwerb aufzuwenden.511 Für sie ist es billiger, automatische Anpassungsrechte zu vereinbaren. Zudem beeinträchtigen Bezugsrechte die Planbarkeit der Inves­ tition, weil die Kapitalgeber stets einen gewissen Betrag einkalkulieren müss­ 508 

400.000 (G) + 746.268 (A) + 1.000.000 (B). Der Preis pro Anteil der Serie B berechnet sich dann so: Pre-Money Bewertung/(ausge­ gebene Anteile + Anpassung Serie A). Schwierig wird die Berechnung deshalb, weil die An­ passung des Preises der Serie A wiederum vom Preis der Serie B abhängt. Da es im Text vor­ rangig um die Verdeutlichung der grundsätzlichen Wirkungsweise von Weighted Avera­ ge-Klauseln in ihren verschiedenen Ausprägungen geht, werden die Folgen der weiteren Anpassung hier nicht dargestellt. Ein vollständig durchgerechnetes Beispiel findet sich bei R.Bartlett, 59 Bus. Law. 23, 27 f. (2003). 510  Oben I.1.b). 511  Bartlett, Equity Finance, §  9.10 (S.  206). 509 

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

ten, ihre Beteiligung über die Dauer der Finanzierung mit zusätzlichen Mitteln zu stützen. Im Fall einer Anteilsteilung (Stock Split) oder der Ausgabe zusätzlicher Stammanteile an die Gründer kommt eine automatische proportionale Anpas­ sung des Konversionspreises in Betracht. Das kann etwa – im Fall der Anteils­ teilung – dadurch geschehen, dass der neue Preis die Reduktion des Buchwertes eines einzelnen Stammanteils widerspiegelt.512 Allgemein basieren solche Klau­ seln auf der Anpassung durch die Multiplikation des alten Preises mit der Um­ kehrung des Faktors, der der Erhöhung der Menge an Stammanteilen zugrunde liegt.513 Die Schwierigkeit bei diesen Rechten besteht darin, den richtigen Be­ zugspunkt für die Wertanpassung zu finden.514 Für Bardividenden kommen zwei Varianten des Verwässerungsschutzes in Betracht:515 Zum einen ist die Minderung des Konversionspreises auf Grundla­ ge des gesunkenen Unternehmenswertes denkbar. Zum anderen lässt sich ein „partaking adjustment“ vornehmen, indem die Inhaber der betroffenen Anteile neben den Stammanteilen auf Basis des unangepassten Konversionspreises eine Bardividende auf diese Anteile in der Höhe erhalten, wie sie an die Gründer ausgeschüttet wurde.

III.  Pay to Play und Pull Up Provisions Die eben beschriebenen Formen des preisbasierten Verwässerungsschutzes, insbesondere Full Ratchet-Klauseln, können unter zwei Gesichtspunkten pro­ blematisch sein: Der geschützte Altinvestor darf in einer neuen Finanzierungs­ runde zwar mehr Rechte in Anspruch nehmen, muss aber kein weiteres Kapital zuschießen.516 Außerdem werden neue Kapitalgeber in Anbetracht der Siche­ rung der bisherigen Vorzugseigner möglicherweise von einer Investition abge­ schreckt, weil aus ihrer Sicht die Gefahr besteht, dass die Altgesellschafter von der Zuführung neuer Mittel profitieren, ohne das damit einhergehende Risiko zu tragen.517 Hieran knüpfen Klauseln über „Pay to Play“ und „Pull Up“ an, indem sie den Altinvestoren Anreize setzen,518 an der neuen Finanzierungsrunde durch Kapi­ talvergabe teilzunehmen, entweder durch Androhung von Nachteilen für den Fall des Unterlassens (Pay to Play) oder mit dem Angebot von Vorteilen für die Teilnahme (Pull Up). 512 Vgl. Bartlett, Equity Finance, §  9.10 (S.  205); Benton/Gunderson/Robinson, in: Hallo­ ran, Venture Capital, Band I, 8.42 ff. 513  Kahan, 2 Stan. J. L. Bus. & Fin. 147, 150 (1995). 514  S.  Bartlett, Equity Finance, §  9.10 (S.  205). 515 Hierzu Kahan, 2 Stan. J. L. Bus. & Fin. 147, 150 f. (1995). 516  Zu dieser Art des Trittbrettfahrertums schon oben I.1.a)bb). 517  Oben II.1.c)aa). 518  Für Pay to Play-Klauseln O’Donnell/Commissaris, Anti-Dilution, S.  5.

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1.  Pay to Play Widersetzt sich der frühere Investor dem Verlangen der übrigen Beteiligten, an der neuen Runde mitzuwirken, hat er nach einer „Pay to Play“-Bedingung Nachteile hinzunehmen. Diese können verschiedene Formen annehmen, etwa den Verlust seiner Rechte aus dem Verwässerungsschutz, die Zwangsumwand­ lung seiner Vorzugsanteile in Stammanteile oder ihre Subordination unter die Rechte der an der neuen Finanzierung teilnehmenden Kapitalgeber, indem die Anteile des Altinvestors in eine andere Serie von Vorzugsanteilen konvertiert werden (sogenannte „shadow preferred“519).520 Solche Klauseln bieten demnach aus Sicht der an der Finanzierung teilnehmenden Alteigner Schutz vor der Ver­ wässerung ihrer Beteiligung durch die Ausübung der Schutzrechte des betref­ fenden Vorzugseigners. Im Ergebnis erhalten die durch eine Ratchet-Klausel geschützten Investoren zwar Zugriffsrechte auf die ihnen nach dem Verwässe­ rungsschutzrecht zustehenden weiteren Anteile. Wegen der Play or Pay-Bedin­ gungen müssen sie sie im Ergebnis jedoch trotzdem bezahlen. Pay to Play-Klauseln werden in der Satzung implementiert, häufig erst nach­ träglich in Down Rounds durch eine Satzungsänderung auf Verlangen neuer Investoren, die dies zur Bedingung für ihre Beteiligung machen. Von „Pay to Play“ profitieren sowohl das Unternehmen samt den Gründern als auch die Investoren, da eine einheitliche Erwartungshaltung über zukünfti­ ges Verhalten erzeugt wird und sich die Kapitalgeber zur Unterstützung des Unternehmens verpflichten. Das ist insbesondere in wirtschaftlich schwierigen Situationen von großer Bedeutung, weil weniger Zeit für langwierige Verhand­ lungen zwischen Investoren über die weitere Beteiligung aufgewendet werden muss und deshalb Entscheidungen schneller fallen.

2.  Pull Up Provisions Waren bis vor wenigen Jahren Pay to Play-Klauseln das Mittel, Investoren durch Androhung einer unter Umständen harten Sanktion zur Teilnahme an einer neuen Finanzierungsrunde zu bewegen, gibt es inzwischen einen weiteren Me­ chanismus, sogenannte Pull Up Provisions.521 Wirtschaftlich gesehen wird das gleiche Ergebnis wie mit „Pay to Play“ zu erreichen versucht: Die Beteiligung 519  Typisches Merkmal von „Shadow Preferred“ ist der zumindest teilweise Erhalt der Li­ quidationsvorrechte unter gleichzeitigem Verlust des Verwässerungsschutzes für die gegen­ wärtige Finanzierungsrunde und kommende Finanzierungsrunden. In der Praxis sind vielfäl­ tige weitere Ausgestaltungen denkbar. 520 Zu den verschiedenen Varianten Bartlett, Equity Finance, §   9.12 (S.  209); Gump, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 10A-16 f. 521  Der Regelungsinhalt dieser Klausel wurde dem Autor von einem US-Praktiker in ei­ nem Interview beschrieben. In die einschlägigen Handbücher hat sie bislang keinen Einzug gehalten, weil ihre Verwendung offenbar noch nicht etabliert genug ist.

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

des mit Antidilution Protection ausgestatteten Kapitalgebers an einer weiteren Runde. Der Unterschied zu „Pay to Play“ liegt in der Ausgestaltung des Anrei­ zes. Statt die Nichtteilnahme zu bestrafen, wird den betroffenen Investoren ein Recht eingeräumt, an einer nachfolgenden Runde teilzunehmen und ihre nach­ rangigen522 Vorzugsanteile wenigstens zum Teil in solche der folgenden Serie zu konvertieren und so von deren besseren Rechten profitieren zu können. Pull Ups werden in der Regel nicht anstelle von Pay to Play-Klauseln genutzt, son­ dern mit diesen kombiniert, um neben der Sanktionsandrohung noch einen po­ sitiven Anreiz zu setzen („Zuckerbrot und Peitsche“ oder „carrot and stick“). Im Gegensatz zu Pay to Play-Klauseln finden sich Pull Up Provisions in ge­ sonderten Vereinbarungen außerhalb der Satzung. Sie sind Bestandteil des Zeichnungsvertrages zwischen der Gesellschaft und den neuen Investoren. Technisch handelt es sich um vertraglich begründete Umtauschrechte, die für die gegenwärtige Finanzierungsrunde gelten.

3.  Schutz der Altinvestoren vor Trilateral Bargaining Aus Sicht der Altinvestoren stellt sich mit Blick auf nachträglich verhandelte Pay to Play- und Pull Up-Klauseln das oben beschriebene Problem, dass Grün­ der und neue Investoren unter Umständen Bedingungen zu ihren Lasten aus­ handeln (Trilateral Bargaining).523 Einen gewissen Schutz bietet §  242(b)(2) DGCL, wonach die absolute Mehr­ heit der Inhaber von Benachteiligungen betroffener Anteile den Änderungen zustimmen muss.524 Allerdings wirkt dies nur gegen direkte Eingriffe, nicht ge­ gen mittelbare Benachteiligungen durch die Schaffung einer weiteren Anteilsse­ rie mit vorrangigen Rechten. Aus diesem Grund ist die Etablierung besonderer Zustimmungsrechte wesentlich, die etwa die Ausgabe neuer Anteile derselben Klasse mit besseren Vorzügen betreffen.525

IV.  Performance Deals Eine weitere Variante der „Downside Protection“ ist die Einräumung von Rech­ ten zu Gunsten der Investoren, die unter der Überschrift „Performance Deals“ 522  Die nachfolgende Serie wird in der Regel mit vorrangigen Rechten ausgestattet, weil die neuen Investoren einen höheren Preis bezahlen und deshalb einen im Verhältnis zu ihren Vorgängern besseren Schutz verlangen. 523  A. §  2 V. 524  Der Normtext ist wiedergegeben in Fußnote 357. 525  Vgl. zu den strengen Anforderungen an die Formulierung solcher Schutzklauseln in Delaware Benchmark Capital Partners IV, L.P. v. Vague, 2002 WL 1732423 (Del.Ch. 2002), affirmed, 822 A.2d 396 (Del. 2003). Zu der Möglichkeit, entsprechende Stimmrechte und Class Voting-Strukturen zu schaffen, bereits oben §  3 II.1.b)bb).

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diskutiert werden. Dabei geht es um Optionen der Kapitalgeber, ihre Rechte zu verbessern, wenn bestimmte Finanzierungsziele, etwa ein Meilenstein, verfehlt werden. Schaffen es die Gründer zum Beispiel nicht, rechtzeitig ein bestimmtes Stadium der Produktentwicklung zu erreichen, kann dies eine Erweiterung der Konversionsrechte zur Folge haben (mehr Stammanteile nach Ausübung des Konversionsrechts) oder die Verstärkung der Liquidationsvorzüge durch Erhö­ hung der „Multiples“ (etwa von „1x“ auf „2x“).526 Zweck dieser Regelungen ist es, die Finanzierungsbedingungen an eine nach dem Closing eingetretene Veränderung anzupassen. Im Ergebnis führen die Verstärkung von Wandlungsrechten und die Erhöhung von Liquidationsvorzü­ gen zu den gleichen Konsequenzen wie eine offen verhandelte Down Round. Folge einer derartigen Verbesserung der Position der berechtigten Kapitalgeber ist nämlich die Ausgestaltung ihrer Rechte in der Weise, als hätte bereits den Verhandlungen über die derzeit laufende Finanzierungsrunde eine im Vergleich zu früheren Runden niedrigere Unternehmensbewertung zugrunde gelegen.527 Ähnlich wie bei anderen starken Schutzmechanismen, etwa einer FullRatchet-Klausel, wirken die Bedingungen eines solchen Performance Deals ab­ schreckend auf andere Investoren, die sich in einer der folgenden Finanzie­ rungsrunden beteiligen wollen. Denn die Beteiligungsverhältnisse sind nicht sicher, genauso wenig wie die Bewertungsgrundlage für die Verhandlung der Runde. Aus diesem Grund empfehlen Praktiker zeitliche Beschränkungen für das Bestehen der Ansprüche aus dem Performance Deal.528

V. Bezugsrechte 1. Grundlagen Eine in vielen Finanzierungsvereinbarungen vorzufindende Klausel sind Be­ zugsrechte (Preemptive Rights) auf neue Anteile in verschiedenen Varianten.529 Die Terminologie ist nicht einfach zu überblicken und zudem uneinheitlich. Grundsätzlich können folgende Formulierungen zugrunde gelegt werden, die aber in jedem Dokument auf ihre konkrete Nutzung hin zu überprüfen sind: Bei „Preemptive Rights“ handelt es sich um Bezugsrechte für die bisherigen Gesellschafter auf die Zuteilung neu ausgegebener Anteile, um den verhältnis­ mäßigen Beteiligungsumfang erhalten zu können. Das Recht von Delaware sieht diesen Anspruch nicht (mehr530) standardmäßig vor. Vielmehr muss er in 526 Vgl.

Bartlett/Barrett/Butler, Advanced Private Equity, 4-15. Bartlett/Barrett/Butler, Advanced Private Equity, 4-15. 528  Bartlett/Barrett/Butler, Advanced Private Equity, 4-16. 529  So jedenfalls die Einschätzung von Gunderson/Benton/Robinson, in: Halloran, Ven­ ture Capital, Band I, 9-36. 530  Kurzer Überblick zur Historie bei Folk, GCL-V-97. 527 Vgl.

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

der Satzung gesondert eingeräumt werden, §  102(b)(3) DGCL.531 Die entspre­ chende Ermächtigung enthält §  157(a) DGCL.532 Bezugsrechte sind herkömmlicher Kategorisierung nach ein Unterfall von Vorerwerbsrechten (Rights of First Refusal).533 In einigen Finanzierungsabre­ den werden sie daher auf diese Weise bezeichnet.534 Da dies eine Verwechs­ lungsgefahr mit den auf die Gründeranteile bezogenen Vorerwerbsrechten er­ zeugt, bezeichnen andere Autoren Bezugsrechte als „right of first offer“.535 Das ist insofern verwirrend, als ein Right of First Offer in den USA an sich ein Recht vorsieht, bei einer beabsichtigten Veräußerung des belasteten Gegenstandes das erste Angebot machen zu dürfen, ohne dass der Empfänger dieses annehmen müsste.536

2. Ausgestaltung Häufig sieht das Bezugsrecht ein Recht auf den pro rata-Erwerb neuer Anteile vor.537 Oft haben nur „Major Investors“ ein Bezugsrecht. Selten sind nach Aus­ kunft von Praktikern538 Vereinbarungen, wonach nicht nur ein Anspruch auf den anteiligen Bezug besteht, sondern über diesen hinaus die Anteile bezogen werden können, hinsichtlich derer andere Bezugsberechtigte ihr Recht nicht ausgeübt haben (sogenannter „gobble-up“). Die hier beschriebenen Rechte ent­ halten regelmäßig eine Ausnahme für die Ausgabe von Common Stock und Stock Options an Angestellte, Directors und „service providers“.539 Zudem er­ löschen sie im Zuge eines ersten öffentlichen Angebots und dürfen nicht über­ 531  „(3) Such provisions as may be desired granting to the holders of the stock of the corpo­ ration, or the holders of any class or series of a class thereof, the preemptive right to subscribe to any or all additional issues of stock of the corporation of any or all classes or series thereof, or to any securities of the corporation convertible into such stock. No stockholder shall have any preemptive right to subscribe to an additional issue of stock or to any security conver­tible into such stock unless, and except to the extent that, such right is expressly granted to such stockholder in the certificate of incorporation. [...]“ 532  Normtext in Fußnote 285. 533  S.  Folk, GCL-V-97. 534 Z.B. bei Gunderson/Benton/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 9-34, als Unterpunkt 2.3 („Right of First Refusal“) des Investor’s Rights Agreement, Punkt 2 („Co­ venants Of The Company“): „The Company hereby grants to each Holder who owns any Shares [...] the right of first refusal to purchase a pro rata share of New Securities [...].“ 535 Z.B. O’Connor et al., Emerging Growth Companies, 19-35. 536  In diesem Sinne z.B. PCTV Gold, Inc. v. SpeedNet, LLC, 508 F.3d 1137, 1141 (8th Cir. 2007); Kahan, Rights of First Refusal, S.  4. 537  Zu den möglichen Inhalten Gunderson/Benton/Robinson, in: Halloran, Venture Capi­ tal, Band I, 9-34 ff.; O’Connor et al., Emerging Growth Companies, 19-35 ff. 538  Interview am 08.03.2010. 539  S.  Gunderson/Benton/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 9-35; O’Connor et al., Emerging Growth Companies, 19-37. „Service provider“ sind häufig Gründer, die für die Gesellschaft tätig sind, ohne gleichzeitig Angestellte zu sein.

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tragen werden. Es gibt etliche Varianten zu verschiedenen Details, die hier nicht im Einzelnen darzustellen sind.

3.  Auswirkungen in der Praxis und Funktion Ein Bezugsrecht schreckt nach Auskunft von US-Praktikern neue Investoren ab. In der Praxis verhandeln die Begünstigten deshalb typischerweise vor der Ausgabe der neuen Anteile über den Anspruch auf Teilnahme an einer Finan­ zierungsrunde und verzichten in der Folge auf die Ausübung des Bezugsrechts, auch, um die Durchführung der nächsten Finanzierungsrunde nicht zu verzö­ gern.540 Man könnte sich daher fragen, warum solche Rechte überhaupt in eine Fi­ nanzierungsabrede aufgenommen werden. Doch erfüllen die Rechte selbst bei Verzicht ihren Zweck. Denn sie gewährleisten, dass vor der Ausgabe neuer An­ teile mit den Begünstigten über die Teilnahme an einer weiteren Finanzierungs­ runde verhandelt werden muss. Fehlte es an solchen Optionen, bestünde die Gefahr, dass frühe Kapitalgeber im Laufe der Zeit gegen ihren Willen aus der Gesellschaft gedrängt werden.541 Sofern die Gründer die Stimmenmehrheit und die Mehrheit im Board of Directors haben, könnten sie mit neuen Kapitalge­ bern auf Kosten der Altinvestoren Beteiligungsbedingungen aushandeln. Das Gleiche gilt in späteren Stadien im Verhältnis der Investoren untereinander, etwa wenn zwei Kapitalgeber in einer wirtschaftlich schwierigen Lage im Zuge einer Down Round einen „wash-out“ durchführen wollen, um die Beteiligung der Gründer und früherer Investoren auf einen möglichst geringen Umfang zu drücken.542 Nun verfügen, wie unter 2. ausgeführt, gerade Minderheitseigner häufig nicht über ein Bezugsrecht. Zudem darf nach dem Gesellschaftsrecht von Delaware das Board of Directors die Ausgabe von Stock Options beschließen, ohne die Zustimmung der Gesellschafter einholen zu müssen.543 Insofern entfalten die Treuepflichten der Mitglieder des Board of Directors gewisse Schutzwirkun­ gen. In der Regel stellen die Mehrheitseigner gerade im Zeitpunkt späterer Fi­ nanzierungsrunden zugleich die Mehrheit im Board of Directors, so dass eine Entscheidung zu ihren Gunsten möglicherweise als nicht von der Business Judgment Rule gedeckte „interested transaction“ beurteilt wird.544 540  Gunderson/Benton/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 9-37; O’Connor et al., Emerging Growth Companies, 19-39. 541  Zu diesem Problem des Trilateral Bargaining oben A. §  2 V. 542  Zum Down Round-Financing unten §  12. 543  Folk, GCL-V-97. 544  Ob, wie in Folk, GCL-V-98, dargestellt, Gottlieb v. Heyden Chem. Corp., 90 A.2d 660, 666 (Del. 1952), on reargument, 91 A.2d 57 (Del. 1952), adhered to, 92 A.2d 594 (Del. 1952), ein Gegenmittel bietet, ist zu bezweifeln. Dieser Fall wurde auf der Grundlage eines existie­ renden Bezugsrechts entschieden. Das Gericht urteilte, der fragliche Stock Option Plan führe

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

Hier ist eine weitere Besonderheit des Gesellschaftsrechts von Delaware zu beachten. Es kennt keine Kapitalaufbringungskontrolle im deutschen Sinne. Diejenigen, die Klage einreichen, weil sie meinen, im Rahmen einer „interested transaction“ vom Board gezielt benachteiligt worden zu sein, weil das Board mit Schädigungsabsicht zu niedrig bewertete Anteile ausgegeben habe, stehen vor einer schwierigen Aufgabe.545 Unter Umständen scheitern sie schon daran, ihre Ak­tiv­legitimation („Standing“) darzulegen. Dass die Ausgabe von Anteilen zu zu niedrigen Preisen verwässernd auf die nicht zum Bezug Berechtigten wirkt, genügt nicht ohne Weiteres. Diese Konsequenz hält die Rechtsprechung in Delaware in erster Linie für einen bloßen Reflex der Gesellschaftsschädi­ gung. Daher bedarf es des Nachweises besonderer Umstände.546

§  6  Bindung der Gründer: Nachvertragliche Wettbewerbsschranken, Share Transfer Restrictions, Tag Along/Drag Along und IPO Lock-up Insbesondere zu Beginn der Finanzierung des Unternehmens stellen die Grün­ der die wertvollsten „Vermögensgegenstände“ dar, weil sie das für die Weiter­ entwicklung notwendige Know-how haben. Verlassen sie das Unternehmen, bevor das Wissen der Gründer ausreichend in Rechte der Gesellschaft transfor­ miert wurde (etwa Patente), sinkt der Unternehmenswert. Das möchten die üb­ rigen Gründer und die Wagniskapitalgeber vermeiden.547 Hinzu kommt aus Sicht der bleibenden Gesellschafter die Gefahr, dass die ausscheidenden Gründer Geschäftsgeheimnisse mitnehmen und ein Konkur­ renzunternehmen aufbauen. Außerdem ergibt sich ohne Restriktionen der oben beschriebene Fehlanreiz, bei Verlassen des Unternehmens die Gesellschaftsan­ teile zu behalten und so von den Anstrengungen der ehemaligen Geschäftspart­ ner zu profitieren, ohne sich selbst einbringen zu müssen.548

zur Aushöhlung dieses Bezugsrechts und sei deshalb rechtswidrig. Wenn von vornherein kein Bezugsrecht besteht, ist fraglich, ob ein anderes Gericht den zitierten Fall als bindend ansähe. Das gilt umso mehr, als Bezugsrechte in Delaware 1967 gerade abgeschafft wurden (Nachweis oben Fußnote 530). 545  Ein eindrucksvolles Beispiel hierfür ist der Fall Carsanaro v. Bloodhound Technologies, Inc., 65 A.3d 618 (Del.Ch. 2013). 546  Eine ausführliche Erörterung dieser Problematik findet sich in Carsanaro v. Bloodhound Technologies, Inc., 65 A.3d 618, 654 ff. unter 5. (Del.Ch. 2013). 547  Bartlett/Barrett/Butler, Advanced Private Equity, 2-10; Walker, 5 Stan. J. L. Bus. & Fin. 1, 43 (1999). Allgemein auch Kahan, Rights of First Refusal, S.  18: „Strategic bargaining may be of special concern where the wealth of the rightholder is affected by the identity of the owner of the subject property.“ 548  Oben A. §  2 III.3.a).

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Regelungen zur Bindung von Gründern haben nicht nur aus Sicht der Inves­ toren große Bedeutung. Praktiker machen darauf aufmerksam, wie wichtig sol­ che Vereinbarungen überdies gerade im Verhältnis der Gründer untereinander seien, um Streitigkeiten und eine frühe Unternehmenspleite zu vermeiden.549 Konflikte ergeben sich möglicherweise auch dadurch, dass Investoren sich nicht an die von der Mehrheit gewünschten Konditionen bei einer Beteiligungsauflö­ sung halten und etwa mehr Anteile am Markt anbieten als zuvor vereinbart. Dieses Problem tritt vor allem bei Börsengängen auf. Fünf Ansatzpunkte der Regulierung lassen sich unterscheiden: Zunächst kann die Tätigkeit der Gründer nach dem Ausscheiden beschränkt werden, ent­ weder hinsichtlich des Geschäftsfeldes durch Wettbewerbsverbote (Noncom­ petition Agreements) oder mit Hilfe eines Verbots, wichtige Informationen wei­ terzugeben (hierzu I.). Das Ausscheiden selbst zu erschweren ist Ziel von Abre­ den, die die Übertragung der Anteile auf Dritte beschränken und den übrigen Gesellschaftern Zustimmungsrechte einräumen (zu solchen Share Transfer Re­ strictions II.). An der Veräußerung der Anteile setzen Klauseln an, die Ansprü­ che enthalten, sich einem Anteilsverkauf anschließen zu können (Tag Along, III.) oder einen Anteilsverkauf zu erzwingen (Drag Along, IV.). Schließlich gibt es die im Punkt V. zu behandelnden Absprachen, die dazu verpflichten, bei ei­ nem Börsengang nicht über die vereinbarte Quote hinaus Anteile auf dem Markt anzubieten (IPO-Lock-up/Market Stand-off). 

I.  Nachvertragliche Wettbewerbsschranken: Noncompetition Agreements und Informationsweitergabeverbote Wie bereits eingangs dieses Abschnitts angedeutet, kommen zwei Strategien in Betracht, das Verhalten der Gründer nach ihrem Ausscheiden zu regulieren: Wettbewerbsverbote (Noncompetition Agreements) verbieten dem Ausge­ schiedenen jede geschäftliche Tätigkeit, die eine Konkurrenzsituation zwischen ihm und dem Unternehmen herbeiführte. Solche Vereinbarungen sind in den USA jedoch nicht in jedem Staat zulässig (dazu 1.). Um solche Regelungsverbo­ te zu umgehen, bedienen sich die Marktteilnehmer teilweise Vereinbarungen, die nicht den Wettbewerb verbieten, aber die Weitergabe von Geschäftsgeheim­ nissen. Der Effekt ist vergleichbar, weil ein anderes Unternehmen den ehemali­ gen Gründer gerade wegen seines Sonderwissens einstellte (unten 2.).

1.  Noncompetition Agreements Regelmäßig unterliegen die Gründer nachvertraglichen Wettbewerbsbeschrän­ kungen. Diese sind nicht nach Gesellschaftsrecht zu beurteilen. Noncompetiti­ 549 

Interview am 08.03.2010.

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

on Agreements werden von Staat zu Staat unterschiedlich behandelt, was eine Einzelfallprüfung erfordert. In Delaware müssen vier Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Wettbe­ werbsverbot im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses gültig ist: (i) Die Klausel muss nach allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsätzen wirksam so­ wie (ii) hinsichtlich Reichweite und Dauer angemessen sein, sowohl geogra­ phisch als auch zeitlich, (iii) der Förderung eines legitimen wirtschaftlichen Interesses der Partei dienen, die die Vereinbarung durchsetzen möchte, und (iv) einer Interessenabwägung standhalten.550 Ähnliche Kriterien unter Berufung auf §  515 des Restatement (First) of Con­ tracts551 entwickelte die Rechtsprechung in Massachusetts, wo sich an der Mas­ sachusetts Route 128 das zweitgrößte Gebiet in den USA für Innovationsfinan­ zierung mittels Venture Capital befindet.552 Die Gerichte, soweit sie auf der Basis solcher Common Law-Grundsätze ju­ dizieren, tendieren zu einer restriktiven Auslegung wettbewerbsbeschränken­ der Vereinbarungen. Die legitimen Interessen der sich auf die Abrede berufen­ den Partei werden eng definiert.553 In der Regel fallen hierunter lediglich „trade secrets“, „goodwill“ (insbesondere Kundendaten) sowie vertrauliche Informa­ tionen.554 Der für das Silicon Valley bedeutsame California Business and Professions Code verbietet in §  16600 dem Grunde nach jede wettbewerbsbeschränkende

550  American Homepatient, Inc. v. Collier, 2006 WL 1134170, S.  2 (Del.Ch. 2006). Eine Ausnahme gilt in Delaware nach §  2707 des sechsten Titels, Kapitel 27, des Delaware Codes (Vertragsrecht) für Wettbewerbsbeschränkungen, die Ärzte betreffen. Solche Klauseln sind gemäß dieser Norm allgemein verboten. 551  „A restraint of trade is unreasonable, in the absence of statutory authorization or domi­ nant social or economic justification, if it (a) is greater than is required for the protection of the person for whose benefit the restraint is imposed, or (b) imposes undue hardship upon the person restricted, or (c) tends to create, or has for its purpose to create, a monopoly, or to control prices or to limit production artificially, or (d) unreasonably restricts the alienation or use of anything that is a subject of property, or (e) is based on a promise to refrain from competition and is not ancillary either to a contract for the transfer of good-will or other subject of property or to an existing employment or contract of employment.“ Eine ähnliche Regelung enthält jetzt das Restatement (Second) of Contracts in §  188. 552  All Stainless, Inc. v. Colby, 308 N.E.2d 481, 485 (Mass. 1974); Wells v. Wells, 400 N.E.2d 1317, 1319 (Mass.App. 1980). 553  Auf eine nähere Diskussion und Darstellung der Rechtsprechung wird hier verzichtet, da es lediglich um die Grundlagen geht. Einen Überblick über aktuelle Entwicklungen bieten z.B. Garrison/Wendt, 45 Am. Bus. L. J. 107, 114 ff. (2008), eine Diskussion im Hinblick auf Auswirkungen auf die High-Tech Industrie Bishara, 27 Berkeley J. Emp. & Lab. L. 287 (2006). 554 Z.B. Wells v. Wells, 400 N.E.2d 1317, 1319 (Mass.App. 1980).

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Vereinbarung.555 Daraus leiten die dortigen Gerichte ein striktes Verbot von Klauseln über nachvertraglich wirkende Wettbewerbsbeschränkungen ab.556 Jede Rechtsordnung sieht allerdings Ausnahmen für die Veräußerung eines Geschäfts oder Unternehmens vor, so dass der Veräußerer eher einer entspre­ chenden Schranke unterliegen kann.557 Denn hier habe der Erwerber das Recht, sämtliche Vorteile des erworbenen Unternehmens zu vereinnahmen.558 Diese Ausnahmeregelung wird von den Gerichten eng ausgelegt.559 Wird eine als „Noncompetition Agreement“ bezeichnete Abrede getroffen, steht diese in der Regel im Zusammenhang mit einem „buy-sell agreement“, das die Anteile der Gründer betrifft.560

2.  Informationsweitergabeverbote und die Doctrine of Inevitable Disclosure Die Praxis versucht, die für den Abschluss von wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen geltenden Restriktionen zu umgehen, indem die Beteiligten als Ersatzkonstruktion eine Vereinbarung schließen, die den Missbrauch geschäfts­ wesentlicher Informationen verbietet.561 Damit lassen sich vergleichbare Ergeb­ nisse erzielen: Wechselt ein Beschäftigter das Unternehmen, wird er regelmäßig in einem vergleichbaren Bereich weiterarbeiten, um seine im alten Unternehmen erwor­ benen Kenntnisse weiterhin nutzen zu können. Hierin liegt aus Sicht des neuen Dienstberechtigten die Attraktivität des Kandidaten begründet. Ein Verbot der Offenlegung von Informationen führte insbesondere bei hochspezialisierten Experten zu einem faktischen Verbot der Tätigkeit für ein im Wettbewerb mit dem alten Dienstberechtigten stehendes Unternehmen. Treffend bezeichnet die Literatur diesen Weg daher auch als „de facto noncompete agreement“.562 555  „Except as provided in this chapter, every contract by which anyone is restrained from engaging in a lawful profession, trade, or business of any kind is to that extent void.“ 556  Edwards v. Arthur Andersen LLP, 44 Cal. 4th 937, 945 f. (Cal. 2008); Fillpoint, LLC v. Maas, 208 Cal.App.4th 1170, 1177 (Cal.App.4th Dist. 2012); Metro Traffic Control, Inc. v. Shadow Traffic Network, 22 Cal.App.4th 853, 859 (Cal.App. 2nd Dist. 1994). Eine verglei­ chende Untersuchung der Divergenzen zwischen kalifornischem Recht und dem des Staates Massachusetts und ihre Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung der High-Tech Industrie liefert Gilson, 74 N.Y.U. L. Rev. 575 (1999). 557  S.  §  16601 des California Business and Professions Code zu Abreden zwischen Käufer und Verkäufer anlässlich eines Unternehmenskaufes und §  16602 hinsichtlich von Beschrän­ kungen, die den Partner einer Limited Liability Company betreffen. Für Massachusetts Wells v. Wells, 400 N.E.2d 1317, 1320 (Mass.App. 1980). 558  Wells v. Wells, 400 N.E.2d 1317, 1320 (Mass.App. 1980). 559  Fillpoint, LLC v. Maas, 208 Cal.App.4th 1170, 1177 ff. (Cal.App.4th Dist. 2012). 560  Bartlett, Equity Finance, §  10.30 (S.  250). Zu Buy-Sell Agreements unten §  9 I. 561 Vgl. Bartlett, Equity Finance, §  10.30 (S.  247 f.). 562  Garrison/Wendt, 45 Am. Bus. L. J. 107, 148 (2008).

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Solche Vereinbarungen über das Verbot der Offenlegung von bei dem alten Dienstberechtigten erlangten Informationen werden in ihrer Wirksamkeit er­ heblich verstärkt durch die von der Rechtsprechung entwickelte Doctrine of Inevitable Disclosure. Sie ermöglicht es einem Arbeitgeber563, einem ehemali­ gen Arbeitnehmer die Tätigkeit für einen anderen Arbeitgeber zu untersagen, wenn ein „imminent threat“ der Verletzung der Geheimhaltungspflichten des Arbeitnehmers besteht, weil der Beschäftigte unvermeidlich seine Kenntnisse über Geschäftsgeheimnisse in seiner neuen Position nutzen wird. Ihre moderne Ausprägung hat diese Doktrin in der einflussreichen Entscheidung „PepsiCo“ des 7th Circuit erfahren.564 Nach diesem Urteil genügt bereits die drohende Nutzung der Kenntnisse, unabhängig von bösen Absichten und trotz bestehen­ der Geheimhaltungsvereinbarungen.565 In Kalifornien hat die Rechtsprechung die Übernahme der Doctrine of Ine­ vitable Disclosure abgelehnt mit dem Hinweis auf §  16600 des California Busi­ ness and Professions Code und darauf, sie schaffe einen „de facto covenant not to compete“, der der Politik in Kalifornien zuwiderlaufe, die größtmögliche Mobilität von Arbeitnehmern gewährleisten wolle.566 Das Hauptproblem dieses faktischen Wettbewerbsverbotes sei die damit verbundene nachträgliche Verän­ derung des Dienstvertrages ohne die Zustimmung des Beschäftigten.567

II.  Share Transfer Restrictions 1. Grundlagen Grundsätzlich gilt das Prinzip der freien Übertragbarkeit von Gesellschaftsan­ teilen.568 §  202 DGCL erlaubt jedoch in weitem Umfang, Schranken aufzustel­ len. Die Regelungen hierzu können nach §  202(b) DGCL in der Satzung (dem Certificate of Incorporation), in den Bylaws oder mittels einer Gesellschafter­ 563 „Employer“ – dieser Terminus ist nicht mit dem deutschen technischen Begriff des Arbeitgebers gleichzusetzen. Aus dem deutschen Recht herrührende gedankliche Anknüp­ fungspunkte sind wegen der grundverschiedenen Lage in den USA nur im Weg einer ersten Orientierung nutzbar. 564  PepsiCo, Inc. v. Redmond, 53 F.3d 1262 (7th Cir. 1995). Leitentscheidungen der älteren Common Law-Doktrin (die vor Veröffentlichung des Uniform Trade Secrets Act ergingen, dessen im Illinois Trade Secrets Act umgesetzte Fassung die Grundlage für PepsiCo bildete): E. I. duPont de Nemours & Co. v. American Potash & Chemical Corp., 200 A.2d 428, 431 (Del.Ch. 1964); Allis-Chalmers Mfg. Co. v. Continental Aviation & Engineering Corp., 255 F.Supp. 645, 654 (E.D.Mich. 1966). Nähere Darstellung und Diskussion der Unterschiede zwischen der älteren Rechtsprechung und PepsiCo sowie der weiteren Entwicklungen bei Garrison/Wendt, 45 Am. Bus. L. J. 107, 149 ff. (2008). 565 Vgl. PepsiCo, Inc. v. Redmond, 53 F.3d 1262, 1269 ff. (7th Cir. 1995). 566  Whyte v. Schlage Lock Co., 101 Cal.App.4th 1443, 1462 f. (Cal.App.4th Dist. 2002). Zu weiteren ablehnenden Entscheidungen Garrison/Wendt, 45 Am. Bus. L. J. 107, 160 ff. (2008). 567  Whyte v. Schlage Lock Co., 101 Cal.App.4th 1443, 1463 (Cal.App.4th Dist. 2002). 568 Vgl. Capital Group Companies, Inc. v. Armour, 2005 WL 678564, S.  6 f. (Del.Ch. 2005).

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abrede getroffen werden. Im Einzelnen sieht §  202(c) fünf Grundformen von Übertragungsbeschränkungen vor: – Vorkaufsrecht zu Gunsten der Gesellschaft oder anderer Gesellschafter (Nr.  1), – Verpflichtung der Gesellschaft oder anderer Gesellschafter zum Kauf ange­ botener Anteile (Nr.  2), – Pflicht der Gesellschaft oder anderer Gesellschafter, der Übertragung von Anteilen als solcher, dem Erwerber oder der Zahl der zu übertragenden An­ teile zuzustimmen (Nr.  3), – Pflicht zur Übertragung oder automatische Übertragung der Anteile an die Gesellschaft, andere Gesellschafter oder Dritte (Nr.  4) oder – Verbot, die Anteile an bestimmte Dritte zu übertragen, sofern dieses Verbot nicht unangemessen ist (Nr.  5). Daneben gestattet §  202(e) DGCL alle anderen „lawful restrictions“ der Über­ tragbarkeit.569 Mit der Einführung von §  202 DGCL sollte weitgehende gestalterische Frei­ heit gewährt werden, die über das im Common Law und in anderen Gesell­ schaftsrechten in den USA Erlaubte hinausgeht.570 Als Überbleibsel aus der Common Law-Rechtsprechung zu Transfer Restrictions in Delaware halten die Gerichte allerdings vielfach einschränkend an dem Erfordernis fest, es bedürfe eines vernünftigen Grundes im Sinne eines Interesses der Gesellschaft an der Schranke.571 Im Allgemeinen erachtet die Rechtsprechung Übertragungsbe­ schränkungen als gültig, sofern sie in eine der Fallgruppen des §  202(c) DGCL eingeordnet werden können.572 Regelungen, die die Übertragung der Anteile zu einem bestimmten Preis vor­ sehen, sind nicht deshalb ungültig, weil eine gravierende Divergenz zwischen 569  Damit sind etwa Transfer Restrictions gemeint, die nach §  342(b) DGCL in die Satzung einer sogenannten Statutory Close Corporation aufgenommen werden können, vgl. Folk, GCL-VI-15. 570  Joseph E. Seagram & Sons v. Conoco, Inc., 519 F. Supp 509, 512 (D.Del. 1981). 571  Grynberg v. Burke, 378 A.2d 139, 143 (Del.Ch. 1977) unter Bezugnahme auf die grund­ legende Common Law-Entscheidung Lawson v. Household Finance Corp., 152 A. 723 (Del. 1930); Capital Group Companies, Inc. v. Armour, 2005 WL 678564, S.  6 f. (Del.Ch. 2005). A.A. jedoch St. Louis Trust Co. v. Merrill Lynch, Pierce, Fenner & Smith Inc., 562 F.2d 1040, 1046 f. (8th Cir. 1977): „[The] purpose [of §  202(c) DGCL] was to broaden, not limit, the cir­ cumstances in which such restrictions would be enforced in order to clear up the preexisting uncertain contours of the common law. […] Before s 202(c) was adopted in 1967, the Delaware courts required that a stock restriction be supported by specific justification, e. g., a reaso­ nable or lawful purpose, to be enforceable. […] What specific justification was sufficient to sustain a restriction under the common law was the subject of much uncertainty. […] It was the purpose of s 202(c) to eliminate this uncertainty by substantively validating a wide variety of commonly accepted stock restrictions […].“ §  6 .27 MBCA verlangt, die Beschränkung dürfe nicht „manifestly unreasonable“ sein. 572  Thompson, Close Corporations, §  7:7.

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

Transferpreis und Marktwert besteht. Das gilt sowohl für Unterschiede im Zeitpunkt der Übertragung als auch für solche, die bereits bei Preisfestlegung bestanden.573 Die Gerichte prüfen unter §  202(e) DGCL fallende Transfer Restrictions of­ fenbar mittels einer Abwägung zwischen der Notwendigkeit einer Beschrän­ kung und dem Grundsatz der freien Übertragbarkeit. Dies entspricht der Com­ mon Law-Rechtsprechung.574

2. Vesting Vesting-Regeln enthalten Verfügungsbeschränkungen. Sie sollen die Bindung der Gründer an das Unternehmen gewährleisten, um zwei Ziele zu erreichen: Einerseits wollen sich die Kapitalgeber vor einer Erpressung mit der gründersei­ tigen Drohung schützen, das Unternehmen zu verlassen.575 Andererseits geht es darum, innerhalb der Gruppe der Gründer Konflikte zu vermeiden, die sich insbesondere aus dem bereits oben dargestellten Anreiz zum Trittbrettfahrer­ tum (free riding) ergeben.576 Die entsprechenden Vereinbarungen beziehen sich auf die volle Übertragung der Rechte an Anteilen und Optionen, die ein Gründer erworben hat oder die einem Angestellten als Vergütung gewährt wurden. Bevor nicht eine bestimmte Frist abgelaufen ist, kann der Inhaber nicht voll über seine Anteile und Optio­ nen verfügen. Erreicht wird das mittels einer in ihrem Bestand zeitlich befristeten Kombi­ nation aus einem Verfügungsverbot unter Erlaubnisvorbehalt und Rückkauf­ rechten (Repurchase Rights) 577 der Gesellschaft. Soweit es sich um Vergütungs­ bestandteile handelt, sind die Rückkaufrechte durch die Beendigung des Dienstvertrages im Verhältnis von Gründer und Gesellschaft aufschiebend be­ dingt.578 Denkbar ist beispielsweise eine Vereinbarung, wonach das Verfü­ gungsverbot und das Rückkaufsrecht für den Zeitraum von drei Monaten beste­ hen. Anschließend erhält der Gründer „vested interests“ hinsichtlich eines Teils der ihm als Vergütung gewährten Anteile. Die Bindung der übrigen Anteile vollzieht sich zu gleichen Teilen jeweils nach Ablauf weiterer Zyklen, häufig verteilt auf eine Gesamtperiode von drei bis fünf Jahren.579 573  Darstellung und Rechtsprechungsübersicht bei Thompson, Close Corporations, §  7:7 mit den Fußnoten 17, 21. 574  Im Einzelnen Folk, GCL-VI-15 ff.; Thompson, Close Corporations, §  7:7. 575  Hierzu oben A. §  2 III.2. 576  Hierzu oben A. §  2 III.3.a). 577  Hierzu unten §  9. 578  Bartlett, Equity Finance, §  10.28 (S.  245). 579  Dem Fall Olsen v. Seifert, 1998 Mass. Super. Lexis 592 (Mass.Super.Ct. 1998), lag fol­ gendes Schema zugrunde (aaO., S.  3): 20% Vesting nach einem Jahr, anschließend Vesting von weiteren 5% alle drei Monate, so dass die Gesamtperiode fünf Jahre betrug. Für Umwandlun­

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Zusätzlich enthalten viele Vestingvereinbarungen Klauseln zum vorzeitigen Entfallen der Beschränkungen bei Eintritt bestimmter Ereignisse.580 Solche Be­ schleunigungsabreden (Acceleration Trigger) können an verschiedene Vorgänge gekoppelt sein. Möglich ist die Verknüpfung des kurzfristigen Vesting mit der Veräußerung des Unternehmens oder mit einem Börsengang. Das beugt einem Hold-up der Kapitalgeber durch die Gründer in Form der Verzögerung einer von den Investoren angestrebten Beendigung des Beteiligungsverhältnisses vor:581 Erhalten sie vorzeitig volle Zugriffsrechte auf die ihnen in Anteilsform gewährte Vergütung, bietet dies einen starken finanziellen Anreiz, dem Liqui­ dationsverlangen der Wagniskapitalgeber nachzugeben. Weiterhin gibt es Beschleunigungsabreden, die durch die Beendigung der Anstellung eines Gründers im Senior Management, etwa die Aufgabe der Posi­ tion als CEO, ausgelöst werden, wenn dieser Umstand nicht auf einer Entschei­ dung des Gründers beruht und kein Beendigungsgrund angegeben wird („ter­ mination without cause“). Es existieren viele weitere Spielarten solcher Klau­ seln, auf deren Darstellung hier verzichtet wird.582 Die Übertragung von Anteilen innerhalb der Vesting-Periode wird regelmä­ ßig an die Einwilligung der Gesellschaft oder die der übrigen Gesellschafter geknüpft.583 Solche Regelungen zu „consent restrictions“ sind von §  202(c)(3) DGCL gedeckt.584 Auch wenn diese Norm keine weitere Einschränkung bei der Ausübung der Zustimmungsregelung vorsieht, gehen Rechtsprechung und Literatur davon aus, es gelte das bereits unter Common Law-Grundsätzen ent­ wickelte Kriterium der Ausübung „in good faith“, so dass die Zustimmung nicht willkürlich verweigert werden darf.585

gen (Merger und Consolidations) enthielt die Vereinbarung eine sogenannte Acceleration Clause für 20% der Anteile. Vgl. auch das Klauselbeispiel von Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 13-11 ff. Zu Acceleration Clauses sogleich oben im Text. 580  S.  h ierzu und zum Folgenden Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Ca­ pital, Band I, 13-11 ff. 581  Zum Problem des Hold-up der Investoren durch die Gründer schon oben A. §  2 III.2. 582  Um ein letztes Beispiel zu geben: Acceleration Trigger hinsichtlich eines Teils der An­ teile bei Kontrollwechsel, kombiniert mit einem weiteren Acceleration Trigger bei Beendi­ gung der Anstellung als Officer nach vollzogenem Kontrollwechsel. 583 Vgl. Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 13-11; Bartlett, Equity Finance, §  11.2 (Fassung nach Supplement 2008). 584  Folk, GCL-VI-13. 585  Rechtsprechungsnachweise oben in Fußnote 571; Folk, GCL-VI-13; ausführliche Dar­ stellung bei Thompson, Close Corporations, §  7:16.

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

3.  Vorerwerbsrechte und Andienungspflichten (Rights of First Refusal und Reverse Vesting) a) Grundlagen Die Vereinbarungen zum Vesting werden durch ein Vorerwerbsrecht (Right of First Refusal) ergänzt, das den Umgang mit den Anteilen regelt, die nicht mehr den eben beschriebenen Verfügungsbeschränkungen unterliegen. Solche Vorer­ werbsrechte lassen sich die Gesellschaft und häufig auch die Wagniskapitalge­ ber einräumen. Teile des Schrifttums bezeichnen sie angesichts ihrer Konse­ quenzen als Regelungen zum „Reverse Vesting“,586 weil sie im Ergebnis den Zustand herstellen, der während des Zeitraums des Vesting besteht. Vorer­ werbsrechte der Gesellschaft werden in der Satzung verankert, diejenigen der Mitglieder in einer Gesellschaftervereinbarung.587 Die Regelungsgrundlage bietet §  202(c)(1) DGCL. In technischer Hinsicht ist zu beachten, dass Vorer­ werbsrechte typischerweise nicht mit Vorkaufsrechten, wie sie im deutschen Recht in den §§  463 ff. BGB geregelt sind, gleichzusetzen sind. Vorerwerbsrech­ te greifen schon früher ein. Der Abschluss eines Kaufvertrages mit einem Drit­ ten ist keine Voraussetzung ihrer Ausübung, vielmehr kommen sie bereits ab der Offenlegung der Veräußerungsabsicht zum Zuge.588 Die hier besprochenen Vorerwerbsrechte, die sich auf bereits zugeteilte An­ teile beziehen, sind von den oben beschriebenen Bezugsrechten auf neue Antei­ le zu unterscheiden (Preemptive Rights), die teilweise gleichfalls Right of First Refusal genannt werden.589 b) Ausgestaltung Der Anspruch aus einem Vorerwerbsrecht bezieht sich regelmäßig auf sämtliche angestrebten Übertragungen, seien sie gewollt oder ungewollt.590 Die Höhe des Rückkaufspreises muss nicht dem Angebot eines Dritten entsprechen. Möglich und praktisch üblich sind Regelungen, die vorsehen, dass ein Preis gezahlt wer­ den kann, den das Board of Directors als Marktpreis ansieht, der jedoch unter dem Drittangebot liegt.591 Oft ist das Recht durch das erste öffentliche Angebot der Anteile auflösend bedingt.592 Da der Gesellschaft wegen ihrer regelmäßig 586 Etwa

Bartlett/Barrett/Butler, Advanced Private Equity, 2-10. Bartlett, Equity Finance, §  4.9 (S.  58); §  10.13 (S.  231). 588  S.  etwa die Klausel in O’Connor et al., Emerging Growth Companies, 21-5: „If at any time [a] [the] Founder proposes to Transfer Equity Securities (a “Selling Founder”), then the Selling Founder shall promptly give the Company and each Holder written notice of the Sel­ ling Founder’s intention to make the Transfer […].“ 589  Dazu oben §  5 V.1. 590  Bartlett, Equity Finance, §  4.9 (S.  59). 591  So die Klausel bei Bartlett/Barrett/Butler, 2-10. 592  Bartlett, Equity Finance, §  4.9 (S.  59). 587 Vgl.

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dünnen Kapitaldecke häufig das zur Ausübung des Vorerwerbsrechts notwen­ dige Geld fehlen wird, enthalten die Ansprüche der Gesellschaft (Company Rights of First Refusal) nicht selten eine Bestimmung, wonach sie im Fall der Nichtausübung auf die Investoren übergehen.593 Weitere denkbare Regelungsgegenstände sind die Möglichkeit einer Teilab­ lehnung des Angebotes sowie die Verteilung der aufgrund eines Vorerwerbs­ rechts erworbenen Anteile unter den Erwerbsberechtigten gemäß bestimmten Quoten.594 Eine Variante besteht darin, ein Right of First Refusal nur in Höhe der Beteiligungsquote vorzusehen.595 Damit wird ein Effekt erzielt, der demje­ nigen eines gesellschaftsrechtlichen Bezugsrechts bei Kapitalerhöhungen gleichkommt. Auf diese Weise bleiben die Beteiligungsverhältnisse zwischen den übrigen Mitgliedern gewahrt. Werden nicht sämtliche angebotene Anteile im Rahmen eines solchen pro rata-Vorerwerbsrechts von den Berechtigten er­ worben, hat sich nur die Beteiligungsquote innerhalb der Gesellschaft verscho­ ben, sofern nicht ein Dritter sich auch mit der verbleibenden Menge an Anteilen zufrieden gibt. Teilweise sehen die Bestimmungen zu pro rata-Vorerwerbsrech­ ten vor, dass weitere Angebotsrunden stattfinden, in denen die jeweils in der Vorrunde nicht veräußerten Anteile wiederum nach einem solchen quotenori­ entierten Modell denjenigen Mitgesellschaftern anzubieten sind, die in der Vor­ runde ihre Rechte ausgeübt haben.596 c)  Auswirkungen und praktischer Sinn aa) Auswirkungen Vorerwerbsrechte schrecken Dritte ab, ein Angebot für damit belastete Anteile vorzulegen.597 Da sie die Kosten der Verhandlung und der Bewertung der An­ teile tragen,598 führt die Ausübung des Vorerwerbsrechts für sie zu nicht ausge­ glichenen Verlusten.599 Zudem müssen sie fürchten, der Verzicht der Gesell­ schaft auf die Ausübung ihres Rechts beruhe darauf, dass das über die Aus­ übung entscheidende Board of Directors aufgrund der ihm zur Verfügung 593 

Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 12-2. Bartlett, Equity Finance, §  10.13 (S.  232). 595  Klauselbeispiel zu einem solchen Recht der übrigen Gesellschafter bei O’Connor et al., Emerging Growth Companies, 21-7. 596  Bartlett, Equity Finance, §  10.13 (S.  232); Klauselbeispiel bei O’Connor et al., Emerging Growth Companies, 21-7 unter (d)(ii). 597  Walker, 5 Stan. J. L. Bus. & Fin. 1, 23, 25 (1999), der auf Interviews mit Praktikern hin­ weist. Ebenso O’Connor et al., Emerging Growth Companies, 19-39 f., für ein von ihnen als „first of last offer“ bezeichnetes Recht auf den Bezug neuer Aktien, das der inhaltlichen Aus­ gestaltung nach dem hier besprochenen Right of First Refusal gleicht (= Vorerwerbsrecht der Gesellschaft, zu einem Preis zu erwerben, der zuvor von einem Dritten geboten wurde). 598  Mangels eines transparenten Marktes für die Anteile sind die Bewertungskosten unter Umständen erheblich, Walker, 5 Stan. J. L. Bus. & Fin. 1, 16 (1999). 599  Walker, 5 Stan. J. L. Bus. & Fin. 1, 16 f. (1999). 594 

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

stehenden Insiderinformationen den gebotenen Preis für überhöht hält und sie als Außenstehende zu viel zahlen. 600 Für die veräußerungswilligen Gründer stellt sich ein weiteres Problem: Man­ gels eines Bieterwettbewerbs zwischen Dritten und Gesellschaft ist es für sie schwierig, den Preis zu optimieren. 601 Die Gesellschaft kauft, wenn sie den von einer dritten Partei gebotenen Preis für günstig hält, das heißt die Anteile als durch den Außenstehenden unterbewertet erachtet. Da der Veräußerer keine Wahl hat, muss die Gesellschaft den Dritten nicht überbieten. Ist das Recht zudem so ausgestaltet, dass ein vom Board of Directors bestimmter niedrigerer „Marktpreis“ existiert, kann es die Gesellschaft sogar zu noch günstigeren Be­ dingungen ausüben. bb)  Praktischer Sinn Angesichts dieser negativen Auswirkungen auf die Verfügungsrechte des An­ teilsinhabers beurteilen Praktiker Vorerwerbsrechte häufig kritisch. 602 Daher stellt sich die Frage nach der Rechtfertigung solcher Belastungen und nach einer möglichen Gestaltungsalternative. Zur Rechtfertigung wird zunächst auf die Notwendigkeit der Eintrittskon­ trolle verwiesen (hierzu [1]): Soweit die Gründeranteile einem Vorerwerbsrecht unterlägen, diene dieses Recht der Kontrolle über den Gesellschafterkreis.603 Das entspricht den Begründungen zu Vorerwerbsrechten bei Close Corpora­ tions generell, also über den Bereich der Wagniskapitalfinanzierung hinaus.604 Weiterhin sollen Vorerwerbsrechte gerade durch ihre abschreckende Wirkung auf Dritte der Austrittskontrolle dienen, um so die Gründer weiter an das Un­ ternehmen zu binden (unten [2]).605 (1) Eintrittskontrolle Auf den ersten Blick scheinen die Argumente zur Notwendigkeit einer Ein­ trittskontrolle überzeugend zu sein: Investoren verwenden viel Zeit auf die Selektion aus ihrer Sicht fähiger Gründer. Tritt ein unbekannter Dritter in die 600 Vgl.

Walker, 5 Stan. J. L. Bus. & Fin. 1, 17 (1999). Walker, 5 Stan. J. L. Bus. & Fin. 1, 19 ff. (1999). 602 Vgl. Bartlett/Barrett/Butler, Advanced Private Equity, 2-10 (die Rights of First Refusal aber im Ergebnis für gerechtfertigt halten): „Reverse vesting is often considered an aggressive and abusive tactic by venture capitalists to assert control over the founder, entrepreneur, and other employees who, prior to the round in question, enjoyed vesting shares. Many view it as a method of turning the founder into an employee and giving the VCs the opportunity to treat him/her accordingly.“ 603  Bartlett, Equity Finance, §  4.9 (S.  59). 604 Etwa Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S.   229; Thompson, Close Corpora­ tions, §  7:2. 605  Hierzu oben in der Einleitung zum Abschnitt §  6 . 601 Vgl.

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Gesellschaft ein, ist dessen Qualität nicht einschätzbar. Zudem ist in kleineren Einheiten wie einem wagniskapitalfinanzierten Unternehmen die persönliche Ebene von Bedeutung – zwischenmenschliche Probleme entwickeln schnell eine wirtschaftliche Dimension, etwa weil ein Gesellschafterstreit die Einigung auf eine einheitliche Geschäfts- und Entwicklungsstrategie erschwert oder un­ möglich macht. 606 Hiergegen wird zum Teil eingewandt, die beschriebenen Bedenken seien zur Rechtfertigung eines Vorerwerbsrechts ungeeignet:607 Wenn die anderen Ge­ sellschafter die „Störerfreiheit“ für wesentlich halten, sei dies ein Grund, die Anteile des ausscheidenden Gründers höher zu bewerten als ein außenstehen­ der Dritter. Treffe dies zu, sollten die verbleibenden Mitglieder der Gesellschaft jedoch ohnehin aus freien Stücken die Anteile kaufen. Eines Vorerwerbsrechts bedürfe es insoweit nicht. Unter Wertmaximierungsgesichtspunkten sei ein Auktionsmechanismus vorzuziehen, der die Ausnutzung von Insiderwissen verhindere und gewährleiste, dass die Anteile von demjenigen erworben wer­ den, der sie tatsächlich am höchsten bewertet.608 Dieser Einwand überzeugt im Venture Capital-Kontext jedoch nur bedingt: Wie schon oben609 beschrieben, besteht ein Trittbrettfahrerproblem. Ein aus­ scheidender Gründer hat möglicherweise ein erhebliches Interesse daran, seine Anteile zu behalten, um von künftigen Wertsteigerungen zu profitieren, die al­ lein auf den Anstrengungen seiner ehemaligen Mitstreiter beruhen. Ein Vorer­ werbsrecht (Right of First Refusal) stellt insofern eine Teillösung dar. Zwar verhindert es den Eintritt Externer in die Gesellschaft nicht absolut – der Grün­ der kann seine Anteile in jedem Fall veräußern, allein die Auswahl des Vertrags­ partners steht nicht zur Gänze in seinem Belieben. Doch mildert das Recht ein weiteres Problem, das mit dem skizzierten Fehlanreiz zu tun hat und das ein Auktionsmechanismus nicht zu bewältigen vermag: Der Gründer ist in der Lage, den Preis für seine Anteile in einer Höhe festzu­ setzen, dass sie zwar für einen erwerbswilligen Dritten gerade noch attraktiv sind, die Gesellschaft aber keine ausreichenden liquiden Mittel zur Ausübung ihres Rechts hat. Selbst wenn sie die Anteile höher bewertet als der Dritte, ver­ mag sie dessen Eintritt damit nicht zu verhindern, so dass aus der Trittbrettfah­ rerproblematik die Gefahr der Erpressung resultiert, weil der Gründer von der Gesellschaft geldwerte unbare Vorteile einfordern kann, die ihn für einen nied­ rigeren „offiziellen“ Kaufpreis entschädigen sollen. 610 Eine solche Strategie wird 606 

In diese Richtung z.B. Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S.  228 f. Walker, 5 Stan. J. L. Bus. & Fin. 1, 28 (1999). 608  Walker, 5 Stan. J. L. Bus. & Fin. 1, 40 ff. (1999). 609  A. §  2 III.3.a). 610  Beispiel: Statt 10 in bar zu erhalten, nimmt der Gründer die von der Gesellschaft noch verkraftbaren 6 und erhält Optionen auf neue Anteile. Selbst wenn das Vorerwerbsrecht zu­ ließe, nur einen Teil der Anteile zu erwerben (im Beispiel im Gegenwert von 6), wäre das für 607 

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

unterbunden, wenn die Gesellschaft ein Wahlrecht hat, entweder zu „fair mar­ ket value“ oder dem von einem Dritten gebotenen Preis zu erwerben. Der Wert des Vorerwerbsrechts liegt damit für den Inhaber in der Verminderung der Ver­ haltensoptionen des ausscheidenden Gründers. 611 Der Gründer ist selbst Insider, so dass er nicht der Gefahr unterliegt, dass das Board of Directors bei der Entscheidung über die Ausübung einen Informati­ onsvorsprung ausnutzt. Ihm stehen alle Mittel zur Verfügung, sich die notwen­ digen Informationen zur Bewertung seiner Anteile zu verschaffen. Da das Board of Directors mit Vertretern der übrigen Gründer und der Investoren be­ setzt ist und damit ein erheblicher Interessenkonflikt besteht, gilt zudem die Business Judgment Rule nicht, so dass ein Gericht auf Grundlage des „entire fairness tests“ überprüfen kann, ob der vom Board festgesetzte „fair market value“ tatsächlich angemessen ist. 612 Demnach muss der Gründer nicht befürch­ ten, benachteiligt zu werden. (2) Austrittskontrolle Eine erhebliche Rolle bei der Begründung von Rights of First Refusal spielt die Austrittskontrolle. Angesichts der Wichtigkeit des Gründerwissens gerade in frühen Stadien der Unternehmensfinanzierung und mit Blick auf die Unzuläs­ sigkeit stärker wirkender Austrittsschranken, vor allem von Wettbewerbsver­ boten,613 besteht ein dringendes Bedürfnis, die Gründer zu binden. 614 Insoweit hat das Interesse der Wagniskapitalgeber besondere Bedeutung. Ist das Grün­ derwissen noch nicht materiell der Gesellschaft zugeordnet, etwa mittels eines Patents, ergibt sich ein wirtschaftliches Ungleichgewicht: Grundannahme der Finanzierung eines jungen Unternehmens ist die wert­ mäßige Äquivalenz der Bereitstellung des intellektuellen Kapitals der Gründer und der Geldmittel, die der Investor aufbringt. Kann ein Gründer die Gesell­ schaft ungehindert verlassen, nimmt er seine „Investition“ vollständig mit, während die Beteiligung des Kapitalgebers möglicherweise zu einhundert Pro­ zent entwertet wird. Ein milderes Mittel als ein Right of First Refusal liefe stets auf eine Vereinfachung des Ausstiegs hinaus. Das aber wäre kontraproduktiv.

die Gesellschaft nur ein schwacher Trost, weil der Eintritt des Dritten dann hinsichtlich der dem Gründer verbleibenden Anteile immer noch stattfinden könnte. 611 Vgl. Kahan, Rights of First Refusal, S.  8 . 612  Zur Nichtanwendung der Business Judgment Rule in Fällen von Interessenkonflikten unten §  12 III.1.b)aa). 613  Zur Unzulässigkeit von Wettbewerbsverboten I.1. 614  Das anerkennt auch Walker, 5 Stan. J. L. Bus. & Fin. 1, 43 ff. (1999).

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III.  Mitnahmeklauseln (Drag Along Rights) Mitnahmeklauseln, sogenannte Drag Along Rights, verpflichten die Gründer, ihre Anteile in derselben Weise wie die Investoren zu veräußern, also an die gleiche Partei zum gleichen Preis. 615 Die ökonomische Funktion liegt darin, eine Blockade der Unternehmensver­ äußerung durch die Gründer zu verhindern. 616 Diese Möglichkeit kann zum einen daraus resultieren, dass die Gründer über die entsprechenden rechtlichen Mittel verfügen, etwa Sperrminoritäten für die Abstimmung über die Exitent­ scheidung. Zum anderen ergibt sich auch ohne solche Rechtsmacht ein erhebli­ ches Erpressungspotential, wenn die am Anteilskauf interessierte Partei sämtli­ che Anteile erwerben möchte und die Gründer die Veräußerung ihrer Beteili­ gung schlicht verweigern. Ob solche Vereinbarungen zulässig sind, ist nicht gerichtlich geklärt. Mit Blick auf §  202 DGCL hat der Delaware Chancery Court aber immerhin einen auf einer Gesellschaftervereinbarung beruhenden „forced sale“ für zulässig ge­ halten. 617 Das juristisch entscheidende Problem der Drag Along Rights liegt in einer möglichen Verletzung der Treuepflichten von Mehrheitsgesellschaftern gegenüber der zur Veräußerung gezwungenen Minderheit. 618 Da die Rechtspre­ chung zu Close Corporations in Delaware Treuepflichten zwischen Mehrheit und Minderheit bislang ablehnt,619 stellt sich dieses Problem vor allem in Gesell­ schaften, die nach dem Recht anderer Staaten wie Massachusetts oder Kalifor­ nien gegründet wurden. 620

IV.  Mitveräußerungsrechte (Tag Along Rights/Rights of Co-sale) Bei Mitveräußerungsrechten, im englischen Sprachgebrauch: Tag Along/­Take(me-)Along Rights oder Rights of Co-sale, handelt es sich um Gesellschafter­ vereinbarungen, die von einem veräußernden (Mehrheits-)Gesellschafter ver­ langen, dass er mit seinem Vertragspartner die Übernahme der Anteile eines anderen Gesellschafters zu gleichen Konditionen aushandelt. 621 Oft werden sie 615  Bartlett, Equity Finance, §  10.15 (S.  234). Zur Häufigkeit solcher Bestimmungen gibt es wenige Aussagen. Nach Cooley, Venture Financing Report 2014, S.  6 , enthielten in 2013 69% und in 2014 82% der untersuchten Stichprobe solche Klauseln. 616  Bienz/Walz, 19 J. Econ. & Man. Strat. 1071, 1098 ff. (2012); Chemla/Habib/Ljungqvist, 5 J. Eur. Econ. Ass. 93, 107 (2007); Lacave/Gutiérrez, 11 EBOR 423, 433 (2010). 617  Shields v. Shields, 498 A.2d 161, 168 (Del.Ch. 1985). 618  Bartlett, Equity Finance, §  10. 15 (S.  234). 619  Dazu ausführlich §  9 II.2.a). 620  Zu diesen Rechtsordnungen und den Auswirkungen auf die Venture Capital-Finanzie­ rung im Kontext von Down Round Finanzierungen Leavitt, 6 N.C. J. L. & Tech. 223, 240 ff., 244 ff. (2005). 621  Bartlett, Equity Finance, §  10.12 (S.  231).

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

mit Vorerwerbsrechten kombiniert. 622 In der Regel bezieht sich das Co-sale Agreement auf die Anteile der Gründer. Später können weitere Eigner einbezo­ gen werden, insbesondere Angehörige des höheren Managements. In den Klau­ seln findet sich dann regelmäßig eine Bezugnahme auf die von der Vereinbarung betroffenen „key holders“. 623 Der wirtschaftliche Sinn von Mitveräußerungsrechten besteht darin, eine Ausbeutung der Investoren zu verhindern: Blieben diese zurück, etwa weil der Käufer bereits durch den Erwerb der Gründerbeteiligung die Kontrolle über die Gesellschaft erlangte, hätten die Kapitalgeber keine oder nur schlechte Möglichkeiten, ihre Anteile zu veräußern. Käufer für eine Minderheitsbeteili­ gung in geschlossenen Gesellschaften gibt es typischerweise nicht viele. Das führte zu einem Einschluss („lock-in“). Wollen die betroffenen Mitglieder „he­ raus“, müssten sie in vielen Fällen erhebliche Preisabschläge in Kauf nehmen. Das ist gewissermaßen die Kehrseite einer Kontrollprämie, die der Erwerber zuvor an die veräußernden Gesellschafter gezahlt hat. Zwar hat der Court of Appeals für den zweiten Federal Circuit in der viel diskutierten Entscheidung „Perlman v. Feldman“ entschieden, eine Kontrollprämie sei an die Gesellschaft weiterzuleiten, so dass auch die übrigen – nicht veräußernden – Anteilseigner an ihr teilhaben.624 Doch wird dieser Entscheidung kaum gefolgt. In Delaware gilt grundsätzlich, dass die Kontrollprämie nicht geteilt werden muss. 625 Betrachtet man das Verhältnis der Anteilseigner untereinander, ergibt sich hieraus eine Umverteilung von der Minderheit auf die Mehrheit, weil, bezogen auf den Gesamterlös für alle Anteile,626 die Erstveräußerer im Verhältnis zu ih­ rem Beteiligungsumfang überproportional stark an diesem Gesamterlös parti­ zipieren.627 Das Mitveräußerungsrecht ermöglicht im Ergebnis also, die Kont­

622 

Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 12-3. Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 12-3. 624  Perlman v. Feldmann, 219 F.2d 173, 176 ff. (2nd Cir. 1955). 625  Manacher v. Reynolds, 165 A.2d 741 (Del.Ch. 1960). Einschränkend auch der Second Circuit in Essex Universal Corp. v. Yates, 305 F.2d 572, 576 (2nd Cir. 1962). Einzelheiten bei Thompson, Oppression, §  4:7. 626  Das heißt die Summe der Erlöse aus der Veräußerung der Kontrollmehrheit im Zeit­ punkt t1 und aus der Veräußerung der Minderheitsanteile in t2. Unterstellt wird hier, dass die Transaktion in t2 die vollständige Auflösung der Beteiligung von Gründern und Investoren herbeiführt, so dass im Ergebnis die Situation besteht, die sich bei einem Verkauf von 100% der Anteile in t1 ergeben hätte. Beispiel: Erwerber 1 zahlt in t1 an Gesellschafter A für 9 von insgesamt 10 Anteilen 100, Erwerber 2 zahlt in t2 für den verbleibenden Anteil des Gesell­ schafters B nur 6. Erwerber 1 hat eine Kontrollprämie gezahlt, Erwerber 2 dagegen einen Preisabschlag vorgenommen. Der Gesamterlös aus den Transaktionen t1 und t2 beträgt 106. Hätten die Gesellschafter diesen Erlös nach Beteiligungsumfang aufgeteilt, hätte B nicht le­ diglich 6 erhalten, sondern 10,6 (10% von 106). Das über 10,6 hinausgehende „Plus“ von A in Höhe von 0,51 (11,1 ./. 10,6) erzielte dieser also in wirtschaftlicher Hinsicht auf Kosten von B. 627  Chemla/Habib/Ljungqvist, 5 J. Eur. Econ. Ass. 93, 105 (2007); Lacave/Gutiérrez, 11 EBOR 423, 431 f. (2010). 623 

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rollprämie mit zu vereinnahmen, die der Erwerber für die Kontrollerlangung zahlt. 628 Technisch umgesetzt wird das Mitveräußerungsrecht in der Regel durch eine Ersetzungsbefugnis. Der Berechtigte darf einen begrenzten Teil der Grün­ deranteile mit eigenen Anteilen substituieren. Damit kann er zu gleichen Kon­ ditionen wie die Gründer veräußern. Dabei wird hingenommen, dass die Vor­ zugsanteile der Investoren mehr wert sind als die Stammanteile der Gründer. 629

V.  IPO-Lock-up/Market Stand-off Sowohl die Anteile der Gründer als auch die Vorzugsanteile der Investoren wer­ den im jeweiligen Zeichnungsvertrag einem IPO Lock-up/Market Stand-off unterworfen. Sie dürfen ihre Anteile während und in einem bestimmten Zeit­ raum nach Beendigung des ersten öffentlichen Angebotes (typischerweise zwi­ schen drei und sechs Monate) nicht verkaufen.630 Sinn dieser Regelung ist es, die Anzahl der auf dem Markt befindlichen Anteile für eine gewisse Zeit nach dem öffentlichen Angebot beständig und in einer Größenordnung zu halten, dass die Preise nicht zu niedrig sind und sich stabilisieren können. 631

§  7  Börseneinführungsrechte (Registration Rights) I. Grundlagen Börseneinführungsrechte geben dem Berechtigten die Möglichkeit, ein öffentli­ ches Angebot zu initiieren oder daran teilzunehmen. Damit erhält er sich die Chance, aus einer Minderheitsposition heraus seine Beteiligung beenden zu können und so dem Problem des Einschlusses in die Gesellschaft zu entgehen. Da ein Gesellschafter kein Antragsrecht auf Durchführung der Registrie­ rung eines öffentlichen Angebots (Public Offering) bei der Securities and Ex­ change Commission hat, sondern nach Section 6(a) des Securities Act 1933 der

628 

Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 12-2. Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 12-7 f. 630  Die Klauseln erfassen zudem jede Form von Derivategeschäft auf die eigenen Anteile. Ein Beispiel findet sich bei Gunderson/Benton/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band 1, 9-26 f. Eine Art gesetzlichen Lock-up bietet Section 16 des Securities Exchange Act 1934, der eine Anzeigepflicht für den Handel in Anteilen der Gesellschaft durch Unterneh­ mensinsider (Directors, Officers, Beneficial Owners von mehr als 10% Equity Shares) vor­ sieht und der Gesellschaft bei Verstößen nach Section 16(b) ermöglicht, jeden innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten erzielten Gewinn herauszuverlangen (sogenannte „short swing profits“). 631 Vgl. Gunderson/Benton/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band 1, 9-27. 629 

162

1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

Issuer632 entsprechende Anträge einreichen muss, 633 bedarf es einer vertragli­ chen Regelung. Selbst wenn die Gesellschaft ihrerseits keinen Börsengang an­ strebt, darf der Gesellschafter, der seine Anteile veräußern möchte, ohne ihre Zustimmung aufgrund der genannten Norm kein öffentliches Angebot durch­ führen. Section 5(c) des Securities Act 1933 verbietet das öffentliche Angebot von Wertpapieren ohne vorherige Registrierung. 634 Dieses Verbot trifft den Ge­ sellschafter, weil er für die Zwecke dieser Norm als „Underwriter“ im Sinne von Section 4(1) Securities Act 1933 angesehen wird. 635 Regelungsort für Registrie­ rungsrechte ist eine Vereinbarung zwischen Gesellschaftern und Gesellschaft, ein sogenanntes Registration Rights Agreement, das entweder als Teil des Zeichnungsvertrages oder gesondert abgeschlossen werden kann. 636

II. Ausgestaltung 1.  Anspruch auf Börseneinführung (Demand Registration Rights) a) Grundlagen Mit einem – standardmäßig vereinbarten637 – Demand Registration Right erhält der Begünstigte das Recht, von der Gesellschaft die Registrierung seiner Antei­ le für deren öffentliches Angebot zu verlangen. 638 Es dient dazu, den Investoren eine Exitoption zu verschaffen. Anderenfalls könnten die Gründer möglicher­ weise einen Börsengang verzögern.639 Demand Registration Rights sind deshalb von wesentlicher Bedeutung, weil sie den Kapitalgebern die Befugnis zur Ent­ scheidung über den Zeitpunkt des öffentlichen Angebots geben.640 Die übrigen Rechte und Mitwirkungsmöglichkeiten der Investoren sind weniger spezifisch und aus der ex ante-Perspektive möglicherweise an die Zustimmung der Grün­

632 

Definiert in Section 2(a)(4) Securities Act 1933. Auszug aus Section 6(a): „Any security may be registered with the Commission under the terms and conditions hereinafter provided, by filing a registration statement in triplicate, at least one of which shall be signed by each issuer, its principal executive officer or officers, its principal financial officer, its comptroller or principal accounting officer, and the majority of its board of directors or persons performing similar functions (or, if there is no board of directors or persons performing similar functions, by the majority of the persons or board having the power of management of the issuer), [...].“ 634  Näher dazu Kuntz, in: Ekkenga/Schröer, §  8 Rn.  398 ff. 635 Dazu Kuntz, in: Ekkenga/Schröer, §  8 Rn.  422 ff. 636  Bartlett, Equity Finance, §  9.3 (S.  193); Beispiel für ein gesondertes Registration Rights Agreement bei Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 9-1 ff. 637  Smith, 53 UCLA L. Rev. 315, 353 (2005): 90% der Stichprobe. 638  Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 9-12. 639  Smith, 53 UCLA L.Rev. 315, 350 (2005). 640  Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 9-5; Smith, 53 UCLA L. Rev. 315, 352 (2005). 633 

B.  Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA

163

der gebunden. 641 Eine langwierige Diskussion im Board of Directors über das „Ob“ eines Börsenganges entfällt. Zugleich lassen sich Konflikte der Investoren untereinander bewältigen. Ein Kapitalgeber, der lediglich eine Minderheit der Anteile hält, kann die Entscheidung nicht blockieren, etwa indem er sich zum Zweck des Trilateral Bargaining642 mit den ebenfalls widersprechenden Grün­ dern verbündet. Ein Anspruch auf Börseneinführung wird in der Regel nicht unbeschränkt zugestanden, da sich die Gesellschaft anderenfalls möglicherweise einer „Regis­ trierungskaskade“ ausgesetzt sähe, wollten mehrere Minderheitsgesellschafter nacheinander ein öffentliches Angebot ihrer Beteiligung durchführen. 643 Zu­ dem würde dies unter Umständen die Reputation der Gesellschaft im Markt gefährden. Darüber hinaus hätten es die Minderheitsgesellschafter mit unmodi­ fizierten Demand Registration Rights in der Hand, der Gesellschaft und der Gesellschaftermehrheit einen grundlegenden Wechsel der Finanzierungsstrate­ gie aufzuzwingen. 644 In der Praxis gebräuchliche Bedingungen sind etwa die Bindung an Fristen, bevor das Recht überhaupt erstmalig ausgeübt werden kann (sogenannte „stand-asides“), die Bindung an Fristen, die mit Durchführung eines öffentli­ chen Angebots von Anteilen zu laufen beginnen, und besondere Zustimmungs­ erfordernisse wie die Voraussetzung, dass mehrere Anteilseigner die Registrie­ rung betreiben müssen. Weitere Grenzen betreffen die Reduzierung der Anzahl der zu registrierenden Anteile, um eine Unterbringung am Markt zu gewähr­ leisten („Haircut“ oder „Cut-back“), oder Verbote, Anteile kurz nach einem öffentlichen Angebot seitens der Gesellschaft privat nach der Rule 144 zum Se­ curities Act 1933 unterzubringen („Lock-up“). 645 Solche Klauseln, vor allem zum „Cut-back“, werden spätestens vor der Durchführung des ersten öffentli­ chen Angebots von den Underwritern verlangt, um ihre vollständige Kontrolle über den Angebotsprozess zu gewährleisten. 646 b)  Bedeutung von Demand Registration Rights in der Praxis Tatsächlich ausgeübt werden Demand Registration Rights eher selten. Sie fun­ gieren in erster Linie als Druckmittel. 647 Das stimmt mit der Beobachtung über­ 641  Letzteres kann etwa der Fall sein, wenn die Gründer noch über starke Stimmrechte verfügen. 642  Dazu oben A. §  2 V. 643  Hierzu und zum Folgenden Bartlett, Equity Finance, §  9.4 (S.  196 f). 644  Weitere Diskussion bei Bartlett, Equity Finance, §  9.4 (S.  197); §  9.6 (S.  199). 645  Zum Inhalt und zur Formulierung dieser Bedingungen Gunderson/Benton/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 9-12 ff. Zur Rule 144 Kuntz, in: Ekkenga/Schröer, §  8 Rn.  459 ff. 646  Bartlett, Equity Finance, §  9.6 (S.  199). 647  Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 9-5.

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

ein, dass sich in typischen Gestaltungsvarianten mit jedem öffentlichen Ange­ bot die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Rechts nach hinten verschiebt.648 Die Nutzung von Ansprüchen auf Börseneinführung als Druckmittel lässt sich im Kontext der Klauseln zur automatischen Konversion von Vorzugsantei­ len bei Börsengängen erklären: Wegen dieser Bestimmungen verlieren die In­ vestoren bei einem Börsengang ihre Vorzüge.649 Daher präferieren sie nicht sel­ ten einen Unternehmensverkauf als Weg der Beteiligungsauflösung. Das gilt insbesondere dann, wenn sie nicht nur durch ihre Vorzüge an der Erlösvertei­ lung teilhaben, sondern das Recht haben, nach der Befriedigung dieser Ansprü­ che gemeinsam mit den Stammeignern den verbleibenden Betrag zu vereinnah­ men. 650 In diesen Fällen versuchen die Gründer, die lediglich Stammanteile halten, Änderungen bei der Gewinnverteilung zu ihren Gunsten durchzuset­ zen. Es gibt durchaus Anhaltspunkte dafür, dass ihnen dies gelingen kann. 651 In der Praxis sind solche Unternehmensverkäufe trotz des „Mythos Börsengang“ die signifikant häufiger vorkommende Variante der Beteiligungsauflösung. 652 In diesem Kontext kommt die Bedeutung des Rechts als Druckmittel zur Geltung. Es dient den Investoren dazu, gleichsam eine „rote Linie“ zu markie­ ren. Sie können den Gründern, die aus ihrer Sicht nicht gerechtfertigte Forde­ rungen erheben, drohen, einen Weg der Beteiligungsauflösung zu wählen, der nur ihnen, den Kapitalgebern, zu Gute kommt. Da es im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht keinen Grundsatz der Gesamtzulassung gibt, 653 bezieht sich der Anspruch auf Veranlassung der öffentlichen Notierung der Anteile allein auf die Beteiligung der Investoren. Dann bleibt den Gründern die Veräußerung ihrer Anteile verwehrt, vorbehaltlich der Möglichkeit, im Wege eines sogenann­ ten Piggyback Registration Rights am Börsengang wenigstens in gewissem Umfang zu partizipieren.654 Dass der Verlauf und die Ergebnisse unmittelbar von dem rechtlichen Ein­ fluss der Gründer auf die Besetzung des Kontrollorgans und von der Stimm­ rechtsverteilung abhängen, bedarf keiner weiteren Erläuterung. 655 Selbst bei Unterlegenheit sind sie allerdings nicht vollkommen schutzlos: Die Androhung einer Klage wegen eines Interessenkonflikts bei der Entscheidung über die Wahl zwischen Unternehmensveräußerung und Börsengang – der Investor ist regel­ mäßig in Personalunion vorrangig zu befriedigender Anteilseigner und Mit­ 648 Vgl.

Smith, 53 UCLA L. Rev. 315, 353 (2005). Dazu oben §  2 IV.2.a). 650  Zu diesen „Participating Preferred Shares“ oben §  2 II.2.b), III.2. 651  Broughman/Fried, 95 J. Fin. Econ. 384, 390 ff. (2010). 652  Dazu oben §  2 IV.1.b)bb). 653  Oben I. 654  Zu diesen Piggyback Rights sogleich unten 2. 655  S.  dazu und zu Unterschieden zwischen Gesellschaften, die nach dem Recht von Dela­ ware und dem Recht von Kalifornien gegründet wurden, Broughman/Fried, 95 J. Fin. Econ. 384, 392 ff. (2010). 649 

B.  Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA

165

glied des Kontrollorgans – vermag unter Umständen ebenfalls Wirkung zu ent­ falten. 656

2.  Huckepackrechte (Piggyback Rights) Piggyback Rights geben den Berechtigten die Möglichkeit, sich mit ihren An­ teilen in gewissem Umfang an der von anderen Personen, typischerweise den Investoren, betriebenen Registrierung zu beteiligen und an demselben öffentli­ chen Angebot auf Anbieterseite zu partizipieren. 657 Huckepackrechte sind funktionsäquivalent zu Tag Along Rights. 658 Es handelt sich angesichts der weniger starken Eingriffsintensität in die Ge­ schäftspolitik des Unternehmens um die praktisch häufiger genutzte Variante von Registrierungsrechten. 659 Gebräuchlich sind Beschränkungen der Art, wie sie bereits im Zusammenhang mit Demand Registration Rights diskutiert wur­ den. 660

3.  S-3 Rights Eine weitere Kategorie von Registrierungsrechten sind sogenannte S-3 Rights. 661 Diese beziehen sich auf das Formular S-3, das für eine Registrierung von Antei­ len nach einem bereits zuvor durchgeführten IPO gilt (sogenannte „short-form registration“).662 S-3 Registrierungen sind insbesondere möglich für Secondary Public Offerings und für Wertpapiere, die aufgrund der Ausübung von Konver­ sionsrechten und Rights Offerings angeboten werden.663

656 Vgl. R.Bartlett, 54 UCLA L. Rev. 37, 89 (2006), für den Intrainvestorenkonflikt. Der Schutz, den die Gründer mit Hilfe einer Klage erreichen können, liegt vor allem in der aus Sicht der Investoren unerwünschten Publizität. Juristisch wird ein Prozess häufig kaum hel­ fen, weil die Treuepflichten der Mitglieder des Board of Directors die Gründer nur unzurei­ chend schützen, s. Fried/Ganor, 81 N.Y.U. L. Rev. 967, 999 ff. (zu den Pflichten der Directors in den USA), 1005 ff. (zu den Grenzen des Reputationsarguments) (2006). 657  Bartlett, Equity Finance, §   9.3 (S.  194); Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 9-5. 658 Vgl. Chemla/Habib/Ljungqvist, 5 J. Eur. Econ. Ass. 93, 111 (2007). 659  Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 9-5. 660 Vgl. Bartlett, Equity Finance, §  9.3 (S.  194); §  9.6 (S.  199). Anders Möller, S.  45, mit Ver­ weis auf Bartlett §  9.3, jedoch unter Vernachlässigung der am Ende des Abschnitts und in §  9.6 beschriebenen Einschränkung. Darstellung von Gestaltungsmöglichkeiten im Einzelnen bei Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 9-15 ff. 661  Beispiel bei Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 9-18 f. 662  Zu finden unter http://www.sec.gov/about/forms/forms-3.pdf. 663  S.  Abschnitt „I.B.“ des Formulars.

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

§  8  Rückübertragungsrechte (Redemption Rights) I. Grundlagen Grundlage für die Schaffung sogenannter Redemption Rights in den Ausgabe­ bedingungen664 ist §  151(b) DGCL. 665 Danach kann sowohl der Gesellschaft als auch den Inhabern von Anteilen das Recht eingeräumt werden, entweder nach eigenem Ermessen oder bei Eintritt bestimmter Ereignisse die Rückgabe oder die Rücknahme der ausgegebenen Anteile an/durch die Gesellschaft zu fordern. Art und Höhe der Gegenleistung sind gemäß §  151(b) DGCL beliebig ausge­ staltbar. Die Ausübung des Rückübertragungsrechts muss mit den zuvor festge­ legten Bedingungen übereinstimmen.666 Der bei Ausgabe der Anteile für die Übertragung festgelegte Preis ist verbindlich, selbst wenn etwa der als Gegen­ leistung vorgesehene Buchwert deutlich unter Marktwert liegt.667 Ist der „fair value“ als Gegenleistung zu entrichten, trifft das Board of Directors bei der Bestimmung des konkreten Preises die – aus dem Vertrag, nicht aus den Treue­ pflichten abzuleitende – Pflicht, diesen tatsächlich „fair“ zu berechnen. 668 Außerdem darf ein Rückübertragungsrecht nicht auf eine Weise ausgeübt werden, die allein dazu dient, das Management im Amt zu halten. Das ist etwa der Fall, wenn das Board of Directors, dessen Mitglieder zugleich Anteilseigner sind, beschließt, die Gesellschaft solle nur Anteile anderer Gesellschafter zu­ rückkaufen. 669 Regelungsorte sind die Satzung oder die vom Board of Directors festgelegten Ausgabebedingungen der Vorzugsanteile. Hinsichtlich der Regelungshäufig­ 664  Werden Rückübertragungsrechte und -pflichten mittels einer Abrede zwischen Gesell­ schaft und Gesellschaftern vereinbart, handelt es sich um sogenannte Buy-Sell Agreements, die unter §  202(c) DGCL fallen. Dazu unten §  9 I. 665  „(b) Any stock of any class or series may be made subject to redemption by the corpo­ ration at its option or at the option of the holders of such stock or upon the happening of a specified event; […].“ 666  Folk, GCL-V-26. 667  Corbett v. McClintic-Marshall Corporation, 151 A. 218, 221 (Del.Ch. 1930). S.   auch Dart v. Kohlberg, Kravis, Roberts & Co., 1985 WL 21145, S.  6 (Del.Ch. 1985): „Any claim that the redemption price is necessarily the fair price is [because preferences are contractual in nature] foreclosed.” Selbst die Rückübertragung von Anteilen im Wert von USD 800.000 für eine Gegenleistung von USD 36.000 wurde – nach kalifornischem Recht – aufrechterhalten, Cutter Laboratories, Inc. v. Charles M. Twining, 221 Cal.App.2d 302, 315 ff. (Cal.App. 1st D.). Aus Sicht eines deutschen Lesers oder jedenfalls des Autors nur schwierig nachvollzieh­ bar ist die Entscheidung Pitt v. Soltar Insituforum, Inc., 1990 WL 92659 (Del.Ch. 1990), in der das Gericht den Beschluss des Board of Directors über die Anteilsrücknahme zu USD 0,001 pro Anteil unter Berufung auf das Corbett-Urteil für verbindlich erachtete, obwohl die Be­ dingungen der Vorzugsanteile nach den wiedergegebenen Fakten offenbar USD 1 pro Anteil vorsahen. 668  Gale v. Bershad, 1998 WL 118022, S.  4 f. (Del.Ch. 1998). 669  Petty v. Penntech Papers, Inc., 347 A.2d 140, 143 (Del.Ch. 1975).

B.  Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA

167

keit bestehen wiederum erhebliche Unterschiede zwischen Kalifornien und an­ deren Regionen in den Vereinigten Staaten. 670

II.  Ausgestaltung und Bedeutung in der Praxis 1.  Rückübertragungsrechte der Investoren a) Ausgestaltung Rückübertragungsrechte zu Gunsten der Investoren sehen üblicherweise vor, dass die Kapitalgeber von der Gesellschaft den Erwerb ihrer Anteile gegen Zah­ lung des ursprünglich gezahlten Preises zuzüglich bis zur Rückgabe aufgelaufe­ ner und noch nicht befriedigter Dividendenansprüche oder, sofern höher, den „fair market value“ verlangen können. In der Regel ist die Ausübung an den Eintritt bestimmter Tatsachen geknüpft, die zumeist Liquidationsereignissen gleichen. 671 Gelegentlich werden die Klauseln mit einem Automatismus ausgestattet, die Anteile nach Ablauf einer bestimmten Frist (häufig: 5 Jahre) zurückzunehmen (Mandatory Redemption). 672 Das ist aus bilanz- und steuerrechtlichen Gründen allerdings die Ausnahme: Sehen die Ausgabebedingungen von Vorzugsanteilen Rückübertragungsrechte vor, ist der Rechnungslegungsstandard FAS 150 zu beachten. Danach sind Vorzugsanteile mit Mandatory Redemption Rights – bi­ lanziell – als Verbindlichkeiten auszuweisen. Für die Finanzarchitektur des fi­ nanzierten Unternehmens ist das in den meisten Fällen nachteilig. Selbst wenn die Vorzugsanteile in der Bilanz Verbindlichkeiten darstellen, ändert das nichts an ihrer gesellschaftsrechtlichen Einordnung als Eigenkapital. Denn insoweit ist

670  Zahlen bei Bengtsson/Ravid, Geography, S.  14, 36 (Table 3, Panel C). Unterschiede in den Regionen zeigt auch Cooley, Venture Financing Report 2014, S.  7, wo allerdings eine deut­ lich geringere Gesamthäufigkeit dieser Klauseln wiedergeben wird (für 2014: 8,8% [2013: 12%] in San Francisco und im Silicon Valley kombiniert, 28,4% [2013: 36,6%] in anderen Regionen, gegenüber einer Gesamthäufigkeit von 58% bei Bengtsson/Ravid aaO., S.  14 und sogar 79% bei Kaplan/Strömberg, 70 Rev. Econ. Stud. 281, 289 [Table 2 D.], 291 [2003]). Smith, 53 UCLA L. Rev. 315, 349 (2005), fand in 43,43% von 367 Finanzierungsvereinbarun­ gen „optional redemption rights“. 671 Vgl. Gump, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 10A-10. 672  Nach den verschiedenen Kanzleistatistiken finden diese Bedingungen in Kalifornien nur in sehr geringem Maße Verwendung: Wilson Sonsini Goodrich & Rosati, Entrepreneurs Report 2014, S.  5: 1% in 2012, 1% in 2013; Kramer/Patrick (Fenwick & West), Silicon Valley Venture Capital Survey Fourth Quarter 2014, S.  20, die Mandatory Redemption Rights und solche nach Option des Investors zusammenrechnen, geben für 2013 und 2014 folgende Wer­ te an: höchster Wert 15% (erstes Quartal 2014), niedrigster Wert 8% (zweites Quartal 2014); Wilson Sonsini Goodrich & Rosati, Entrepreneurs Report 2014, S.  5, Klauseln mit Option des Investors: 19% in 2013, 22% in 2012 und 2011. Vgl. auch (kritisch) Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 8-20 f.

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

nach Ansicht des Delaware Chancery Court allein maßgeblich, ob die Anteile einen Residualanspruch enthalten. 673 b)  Bedeutung in der Praxis Die tatsächliche Durchsetzung der Rückübertragungsrechte ist wenig wahr­ scheinlich:674 Geht es dem Unternehmen gut, wird die Beteiligung mit Wertstei­ gerungspotenzial aufrechterhalten. In Krisensituationen besteht wenig Aus­ sicht, dass die Gesellschaft ihre Gegenleistungspflicht erfüllt. So gibt es nicht wenige dieser Klauseln, die Ratenzahlungen erlauben. 675 Außerdem beschränkt die Rechtsprechung das Recht zur Ausübung, wenn seine Wahrnehmung dazu führte, dass die Gesellschaft nicht als going concern fortgeführt werden oder ihre fälligen Verbindlichkeiten nicht bedienen könnte. 676 Die Kapitalgeber nutzen die Rechte nach Auskünften von Praktikern vor al­ lem als Druckmittel, um eine Realisierung des Beteiligungswertes auf anderem Wege677 zu erzielen, etwa durch einen Börsengang oder die Veräußerung des Unternehmens an einen bestimmten Bieter. 678 Mit ihnen lässt sich die Wirkung einer gestaffelten Finanzierung verstärken, indem den Investoren ein weiterer Hebel für Verhandlungen mit den Gründern an die Hand gegeben wird, den die Kapitalgeber etwa dann nutzen, wenn sie das Kontrollorgan nicht mehrheitlich besetzen oder sich die Gründer auf anderem Wege nicht auf eine Neuverhand­ lung einlassen. 679 Ein weiterer Grund für die Aufnahme der hier besprochenen Klauseln liegt aus Investorensicht darin, dass die Laufzeit der Beteiligungsgesellschaften in der Regel auf sieben bis zehn Jahre beschränkt ist, so dass eine Möglichkeit zur 673  Harbinger Capital Partners Master Fund I, LTD. v. Granite Broadcasting Corpora­ tion, 906 A.2d 218, 230 (Del.Ch. 2006). 674  Bartlett, Equity Finance, §  9.13 (S.  210); Gump, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 10A-10. Dazu vom Autor befragte Praktiker berichteten sämtlich, ihnen sei im Verlauf ihrer Jahrzehnte währenden Tätigkeit fast keine Geltendmachung solcher Vereinbarungen unter­ gekommen. 675 Vgl. Smith, 53 UCLA L. Rev. 315, 349 (2005) – ca. 50%. 676  TCV VI, L.P., et al. v. TradingScreen, Inc., et al., C.A. No. 10164-VCN, S.  11 ff., 21 f. (Del.Ch. Feb 26, 2015, redacted March 27, 2015, abrufbar über die Seite des Delaware Chan­ cery Court http://courts.delaware.gov/chancery/). 677  Das heißt gerade nicht durch Rückgabe der Anteile an die Gesellschaft. 678 Das Drohpotenzial betonen auch Bartlett/Barrett/Butler, Advanced Private Equity, 4-8 f.; Gump, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 10A-10. Die Funktion als Zwangsmittel im Rahmen von Fortführungsentscheidungen betont auch Dessí, 36 RAND J. Econ. 255, 267 f. (2005). 679  Auf diese Druckfunktion, die von allen befragten Praktikern bestätigt wurde, verweist Yerramilli, Joint Control, S.  10 ff. Damit lässt sich auch das verbleibende – aufgrund der finan­ ziellen Nöte der Gründer begrenzte – Problem der Erpressung der Kapitalgeber durch die Gründer bewältigen, das aus der Zuweisung der Fortführungsentscheidung an die Gründer bei guter Unternehmensentwicklung resultiert (vgl. Yerramilli, 42 RAND J. Econ. 705, 717 [2011]).

B.  Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA

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Verfügung stehen muss, die Beteiligung aufzulösen, um den Pflichten gegen­ über den eigenen Gesellschaftern nachkommen zu können. 680

2.  Rückübertragungsrechte der Gesellschaft Als Gegenstück zu den Rechten der Investoren kann die Gesellschaft sich ihrer­ seits ein Rückübertragungsrecht ausbedingen. Eine solche Option dient vor al­ lem dazu, die Gewinnpartizipation der Investoren zu kappen, indem diese zur Ausübung ihrer Umwandlungsrechte gezwungen werden, wenn der Wert der Stammanteile über dem Konversionspreis liegt. 681 Die Ausgestaltung des Rechts der Gesellschaft variiert, möglich sind etwa Regelungen zur Zahlung einer Prämie zusätzlich zum Rückübertragungspreis, die sich wiederum auf unterschiedliche Berechnungsgrundlagen beziehen. 682 Häufig gibt es zeitliche Beschränkungen oder die Anknüpfung an bestimmte Ereignisse wie das erste öffentliche Angebot. 683 Insgesamt sind gegen die Wag­ niskapitalgeber gerichtete Rückübertragungsrechte selten. 684

§  9  Repurchase Rights und Buy-Sell Agreements I.  Inhalt und Ausgestaltung Repurchase Rights und Buy-Sell Agreements geben dem Begünstigten das Recht, von dem Verpflichteten dessen Anteile ganz oder zum Teil zu fordern, sobald dessen Beschäftigung endet. Die hier genannten Termini werden nicht einheitlich genutzt, gebräuchlich sind auch die Begriffe Buy-back Agreement, Buy-out Agreement, Stock Repurchase Rights oder Stock Redemption Agree­ ment. Zum Teil werden die Begrifflichkeiten je nach Berechtigtem – Gesell­ schaft oder Investoren – unterschiedlich verwendet. 685 Dazu befragte Praktiker und einschlägige Handbuchliteratur differenzieren für Wagniskapitalgestal­ tungen nach dem typischen Regelungsinhalt: Buy-Sell Agreements sehen regelmäßig den Rückerwerb sämtlicher Anteile zum Marktpreis oder auf Grundlage einer Preisformel vor. Sie schließen solche Anteile ein, die nach Ablauf zeitgebundener Übertragungsbeschränkungen als

680 

S.  oben A. §  2 III.3.b). Bartlett, Equity Finance, §  9.13 (S.  209). 682 Hierzu Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 8-24. 683  Bartlett, Equity Finance, §  9.13 (S.  209). 684  In der Stichprobe von Smith, 53 UCLA L. Rev. 315, 349 (2005), enthielten 7,63% der Vereinbarungen solche Rechte. 685  Zur Terminologie Thompson, Close Corporations, §  7:18 mit Fußnote 7, einerseits und Stephenson v. Drever, 16 Cal.4th 1167, 1173 Fußnote 3 (Cal.4th 1997), andererseits. 681 

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

sogenannte Vested Shares an sich zur freien Verfügung des Inhabers stehen. 686 Demgegenüber erstrecken sich Rückkaufrechte (Repurchase Rights) lediglich auf Unvested Shares, über die der Inhaber ohnehin noch nicht frei verfügen darf, und berechtigen zum Erwerb dieser Anteile „at cost“, also zu dem Preis, den der Anteilsinhaber selbst bei Anteilserwerb gezahlt hat. 687 Im Kontext von Wagniskapitalfinanzierungen sind Rückkaufrechte im zu­ letzt beschriebenen Sinne üblich. 688 Buy-Sell Agreements kommen eher selten vor. 689 Das erklärt sich daraus, dass funktional vergleichbare Ergebnisse auf an­ derem Weg erreicht werden, weil die Vested Shares einem Vorerwerbsrecht (Right of First Refusal) unterliegen und bereits aus diesem Grund nicht voll­ kommen frei an Dritte veräußerbar sind. 690 Es bleibt der Unterschied, dass die Unvested Shares „at cost“ zurückverkauft werden müssen, wenn die Gesell­ schaft ihr Rückkaufrecht ausübt. Das ist allerdings wesentlich, weil ansonsten die Wirkung der Regelungen zum Vesting verloren ginge – der vom Vesting Betroffene erhielte eine Gegenleistung über seinem Kaufpreis, so dass der Aus­ tritt für ihn weniger schmerzhaft wäre. Nicht ungewöhnlich ist die Ausgestaltung eines Rückkaufrechts in der Wei­ se, dass es als ausgeübt gilt, falls die Gesellschaft nicht ausdrücklich auf die Ausübung verzichtet. 691 Typischerweise wird das Recht als Teil der Vesting-Re­ gelungen auflösend bedingt, indem es nach Ablauf bestimmter Perioden hin­ sichtlich eines Prozentsatzes der Anteile erlischt. 692

II.  Durchsetzung des Rückerwerbs von Vergütungsbestandteilen („equity recapture“)  Ein besonderes Problem tritt bei dem Rückerwerb solcher Anteile auf, die den Gründern als Teil ihrer Vergütung gewährt wurden. Kontrollieren die Wagnis­ kapitalgeber die Mehrheit der Mitglieder des Board of Directors, besteht ein Potenzial, die Gründer aus der Gesellschaft zu drängen, indem das Dienstver­ hältnis mit der Gesellschaft gegen den Willen der Gründer beendet und damit die Rückgabepflicht ausgelöst wird. Diese Gefahr tritt vor allem in späteren 686  S.  L evin, Structuring Venture Capital, 202, 2-26, der dies als „buy-back“ bezeichnet. Zum Vesting bereits oben §  6 II.2. 687  Beispiel für ein solchermaßen ausgestaltetes Rückkaufrecht bei Bartlett/Barrett/Butler, Advanced Private Equity, 2-9 f.; Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Ca­ pital, Band I, 13-12. Vgl. auch Levin, Structuring Venture Capital, 202, 2-14. 688  So auch die Handbuchliteratur, s. die Nachweise in der vorigen Fußnote. 689  In diesem Sinne sämtliche vom Autor befragten Praktiker. Vgl. zudem Levin, Structu­ ring Venture Capital, 202, 2-14, der eine derartige Vereinbarung offenbar als Sonderfall be­ handelt. 690  Dazu oben §  6 II.3. 691  S.  Bartlett/Barrett/Butler, Advanced Private Equity, 2-9 f.; Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 13-12. 692  Dies. aaO.

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Finanzierungsrunden auf. 693 Damit stellt sich die Frage, ob die Gründer ge­ schützt sind, wenn es keine ausdrücklichen Regelungen in den Finanzierungs­ vereinbarungen gibt, die ein solches Vorgehen unterbinden. Insoweit kann nicht nur an der Beendigung des Dienstvertrages angesetzt werden (dazu 1.), sondern auch an den Rechten der Gründer als Gesellschafter (unten 2.).

1.  Dienstvertragsrechtliche Aspekte Hinsichtlich der vertraglichen Aspekte, insbesondere der Beendigung des Dienstverhältnisses, besteht für die Gründer angesichts der einflussreichen Entscheidung des New York Court of Appeals „Ingle v. Glamore Motor Sales, Inc.“694 wenig Hoffnung, weil das Gericht mit Blick auf die dienstvertragliche Komponente der Bindung von Gesellschafter und Gesellschaft hervorhob, ein „minority shareholder in a close corporation, by that status alone, who contractually agrees to the repurchase of his shares upon termination of his employment for any rea­ son, acquires no right from the corporation or majority shareholders against at-will discharge.“695

Die zitierte „at-will“ Doktrin gilt in Delaware und Kalifornien jedenfalls dem Grunde nach. 696

693 

Vgl. oben §  3 III.2.a)cc). 73 N.Y.2d 183 (N.Y.App. 1989). 695  Ingle v. Glamore Motor Sales, Inc., 73 N.Y.2d 183, 188 (N.Y.App 1989). 696  Für Delaware: Bailey v. Wilmington, 766 A.2d 477, 480 (Del. 2001); für Kalifornien: Shapiro v. Wells Fargo Realty Advisors, 152 Cal.App. 3rd 467, 478 f. (Cal.App. 1984). Zur Ein­ schränkung aufgrund des „implied covenants of good faith and fair dealing“ etwa Bailey v. Wilmington, aaO.: „There are four primary situations in which an employer’s authority to terminate an employee is limited by the implied covenant of good faith and fair dealing: (1) where the employee’s termination violates public policy, (2) where the employer misrepresents an important fact and the employee relies on it when deciding to accept a new position or to remain at a present one, (3) where the employer uses its superior bargaining power to deprive an employee of identifiable compensation related to an employee’s past service, and (4) where an employer through deceit, fraud, and misrepresentation manipulates the record to create fictitious grounds to terminate employment.“ Die Grundlage für die Einschränkung der atwill Doktrin variiert nach Bundesstaat. Neben dem in Delaware als Ausgangspunkt gewähl­ ten „covenant of good faith and fair dealing“ werden noch herangezogen „public policy“ und „implied contract“. Eine Übersicht über die Geltung der Einschränkungen orientiert an die­ ser Kategorisierung bietet Miles, 16 J. L., Econ., and Org. 74, 86 f. (2000). Zur Entwicklung dieser Grenzen und ihren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt in den USA ders., aaO., 74 ff. 694 

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

2.  Gesellschaftsrechtliche Aspekte Von dem vertragsrechtlichen Problem zu unterscheiden und schwieriger zu be­ antworten ist die Frage nach den Einflüssen der gesellschaftsrechtlichen Treue­ pflichten, die unabhängig von dem Bestand eines Dienstverhältnisses sind. 697 a)  Rechtslage in Delaware Eindeutig auf diesen Fall passende Rechtsprechung in Delaware nach Inkraft­ treten von §  202(c) DGCL ist nicht ersichtlich. In der 1938 ergangenen Entschei­ dung „Greene v. E.H. Rollins & Sons“ befand der Delaware Chancery Court, eine Klausel, wonach die Gesellschaft Anteile nach eigenem Gutdünken von den Inhabern zum Kauf fordern könne, um „the harmonious conduct of the business“ sicherzustellen, sei ungültig, sofern nicht besondere rechtfertigende Umstände existierten. 698 Wie bereits oben dargestellt wurde, hat die Rechtsprechung nach Inkrafttre­ ten des §  202 DGCL jedoch betont, diese Norm diene gerade auch dazu, die einschränkende Common Law-Judikatur aufzuheben. 699 Da die Entscheidung bislang aber nicht ausdrücklich als bindender Präzedenzfall verworfen wurde, sondern lediglich ein sogenanntes Distinguishing vorliegt für Situationen, in denen die Klausel ihrem Inhalt nach nicht grundlos ausgeübt werden darf, und der Chancery Court in Delaware die Fortgeltung von „Greene“ lediglich in ei­ nem Nebensatz anzweifelte,700 ist die Rechtslage nicht eindeutig. In der jüngeren Vergangenheit hat sich der Delaware Supreme Court in „Nixon v. Blackwell“ mit starken Worten ablehnend zu Treuepflichten der Mehrheit gegenüber der Minderheit in einer Close Corporation geäußert, da jeder Minderheitsgesellschafter bei Eintritt in die Gesellschaft ausreichenden Schutz verhandeln könne.701 Das gleiche Gericht hat allerdings – ohne sich mit der Nixon-Entscheidung auseinanderzusetzen oder sie auch nur zu erwähnen – im späteren Urteil „Riblet Products Corporation v. Nagy“ befunden, „[t]o be sure, the Majority Stockholders [sic] may well owe fiduciary duties to Nagy 697  So auch das ausdrückliche Distinguishing des Gerichts in Gallagher v. Lambert, 74 N.Y.2d 562, 568 (N.Y.App. 1989). Zu dieser Entscheidung noch weiter unten im Text. 698  Greene v. E.H. Rollins & Sons, 2 A.2d 249, 252 (Del.Ch. 1938). 699  Oben §  6 II.1. 700  Mitchell Associates, Inc. v. Mitchell, 1980 WL 268106, S.  3 (Del.Ch. 1980). 701  Nixon v. Blackwell, 626 A.2d 1366, 1379 f. (Del. 1993). Vgl. aaO., 1379: „It would do violence to normal corporate practice and our corporation law to fashion an ad hoc ruling which would result in a court-imposed stockholder buy-out for which the parties had not contracted.“ Für Public Corporations kommen Treuepflichten gegenüber der Minderheit al­ lerdings in Betracht, vgl. z.B. Ivanhoe Partners v. Newmont Mining Corporation, 535 A.2d 1334, 1344 (Del. 1987). Zur Treuepflichten-Rechtsprechung in Delaware Ragazzo, 77 Wash. U. L. Q. 1099 ff. (1999) mit instruktiver Diskussion der Nixon-Entscheidung auf den S.  1125 ff.; aus rechtsvergleichender Sicht Kuntz, GmbHR 2008, 121, 124 f.

B.  Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA

173

[Anm.: Kläger und Berufungsbeklagter] as a minority stockholder.“702 An­ schließend befand der Delaware Supreme Court diese Frage als unerheblich, weil er nicht die Stellung von Nagy als Gesellschafter, sondern allein seine ver­ traglichen Rechte für entscheidungsrelevant hielt.703 Damit kann die Rechtslage in Delaware als offen bezeichnet werden,704 mit einer Präferenz für das Abstel­ len auf vertragliche Lösungen.705 In einem den Urteilen „Nixon“ und „Riblet“ zeitlich nachgelagerten Fall ent­ schied der Massachusetts Superior Court auf Grundlage des Rechts von Dela­ ware, die Beendigung des Dienstverhältnisses „without warning and without cause“ sei nicht unter Berufung auf Treuepflichten angreifbar.706 Es gelte allein der Dienstvertrag (das Employment Agreement), der Kündigung „at will“ vor­ sehe, in Verbindung mit einer Vereinbarung über Verfügungsbeschränkungen, die den Rückkauf der Unvested Shares zum Ausgabepreis bei Beendigung des Dienstverhältnisses aus beliebigem Grund („for any cause“) erlaubte.707 Dass der Beklagte sich auf diese Weise „on the eve of a very profitable merger“ güns­ tig weitere Anteile verschafft hatte, die ihm im Zuge der folgenden Verschmel­ zung zu hohen Gewinnen verhalfen, vermerkte das Gericht, nahm es allerdings nicht zum Anlass, gegen ihn zu entscheiden. b)  Andere Rechtsordnungen Die Gerichtspraxis in anderen Staaten orientiert sich stark am Einzelfall, ver­ weist aber stets auf den prinzipiellen Vorrang vertraglicher Abreden: In einem nach kalifornischem Recht zu beurteilenden Fall zu einem Buy-Sell Agreement betonte das zuständige Gericht, zwar gehe es in erster Linie um Rechte aus ei­ nem Vertrag, der nach vertragsrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen sei.708 Doch müsse die Besonderheit Berücksichtigung finden, dass der Kläger der ein­ zige Minderheitsgesellschafter sei. Ein Gericht habe sowohl die einschlägigen Entscheidungen zum Verhältnis von Directors und Mehrheitseignern als auch diejenigen zur Beziehung von Gesellschaftermajorität und -minorität in den Blick zu nehmen.709 702 

Riblet Products Corporation v. Nagy, 683 A.2d 37, 40 (Del. 1996). Riblet Products Corporation v. Nagy, 683 A.2d 37, 40 (Del. 1996). Nagy selbst hatte sich nicht auf Verletzung seiner Gesellschafterrechte berufen. 704  Zweifelnd auch Ragazzo, 77 Wash. U. L. Q. 1099, 1131 (1999): „[...] there is substantial reason to question whether Nixon has permanently established that Delaware will not recognize any common law protections for minority shareholders in closely held corporations.“ (Kursivdruck im Original). 705 Zur Entwicklung und zur Interpretation des Status Quo in Delaware Ragazzo, 77 Wash. U. L. Q. 1099, 1120 ff. (1999). 706  Olsen v. Seifert, 1998 Mass.Super. Lexis 592, S.  6 (Zitat), 13 ff. (Mass.Super.Ct. 1998). 707  Olsen v. Seifert, 1998 Mass.Super. Lexis 592, S.  15 (Mass.Super.Ct. 1998). 708  Stephenson v. Drever, 16 Cal. 4th 1167, 1173 (Cal. 1997). 709  Stephenson v. Drever, 16 Cal. 4th 1167, 1178 (Cal. 1997). 703 

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

Zwar sei es denkbar, eine Vereinbarung über den Rückkauf von Anteilen durchaus als „Wegverhandeln“ („negotiating away“) der einem Minderheitseig­ ner zustehenden Rechte zu interpretieren.710 Doch bleibe im konkreten Fall der Kläger ein „shareholder without a shareholder’s rights“, obschon er weiter das Eigentum an den Anteilen halte.711 Der Wisconsin Court of Appeals befand den mittels Entlassung herbeige­ führten Rückkauf aufgrund eines Treuebruchs der Mehrheit gegenüber dem Minderheitsgesellschafter für rechtswidrig, weil diesem so ein – im Vergleich zu einer hypothetischen späteren Entlassung – höherer Preis entgangen sei.712 Demgegenüber betonte etwa der New York Court of Appeals, der Kläger „got what he bargained for--book value for his minority shares [...].“ Das Buy-Back Agreement definiere die Reichweite der Treuepflichten und schaffe so Sicherheit für beide Parteien.713 Damit verfolgt das Gericht eine Linie, der ein Gericht in Delaware viel Sympathie schenken dürfte.

3. Fazit Insgesamt ist festzuhalten, dass hinsichtlich der „equity recapture“ bei dienst­ vertraglich gebundenen Gründern das Prinzip der Vertragsfreiheit regiert und allein eine sorgfältig formulierte Abrede Schutz bietet. Die Gerichte werden, von extremen Missbrauchsfällen abgesehen, nicht intervenieren. Eine andere Frage ist die nach der Ausübung der Rechte im konkreten Fall, soweit es um die Offenlegung von Informationen geht, die dem Minderheitseig­ ner eine korrekte Bewertung seiner Anteile ermöglichen. Insoweit hat sich die Richtermehrheit des United States Court of Appeals des 7th Circuit in einer viel beachteten Entscheidung auf Grundlage der Special Facts-Doktrin, die Insider­ handelssachverhalte betrifft, für eine Pflicht zur Offenlegung ausgesprochen.714 Dies ist jedoch kein Problem der Gestaltungsfreiheit, sondern eines der konkre­ ten Ausübung einzelner Rechte aus ansonsten gültig zustande gekommenen Verträgen.

710 

Hierzu grundlegend Coleman v. Taub, 638 F.2d 628 (3rd Cir. 1981). Stephenson v. Drever, 16 Cal. 4th 1167, 1177 (Cal. 1997). 712  Jensen v. Christensen & Lee Insurance, Inc., 157 Wis.2d 758 (Ct.App. 1990). 713  Gallagher v. Lambert, 74 N.Y.2d 562, 566 (Zitat), 567 (Ct.App. 1989). 714  Jordan v. Duff & Phelps, 815 F.2d 429 (7th Cir. 1987, auf der Grundlage des Rechts von Illinois). Zur Special Facts-Doktrin Kuntz, Informationsweitergabe, S.  106 ff. Zur Abgren­ zung von Jordan vgl. die ebenfalls nach dem Recht von Illinois ergangene Entscheidung Scarabello v. Reichle, 856 F.Supp. 404 (N.D.Illinois 1994). Die Frage der Reichweite von Jordan v. Duff & Phelps bedarf hier keiner weiteren Erörterung. 711 

B.  Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA

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§  10  Steuerrechtliche Rahmenbedingungen Die ökonomische Literatur hat die steuerrechtliche Dimension der Wagniskapi­ talfinanzierung bislang weitgehend ausgeblendet.715 Steuern berücksichtigt sie häufig nur, soweit diese Abweichungen vom US-Modell erklären und aus US-amerikanischer Sicht die optimale – lies: US-orientierte – Lösung verhin­ dern.716 Neuere juristische Untersuchungen717 und etablierte juristische Stan­ dardwerke zur Strukturierung von Venture Capital Transaktionen seit ihrem ersten Erscheinen718 belegen jedoch den erheblichen Einfluss des Steuerrechts auf die Gestaltung der Finanzierungsmodalitäten in den USA. Aus Sicht von US-Praktikern liegt im Steuerrecht der entscheidende Grund, warum in den USA wandelbare Vorzugsanteile so populär sind.719 Inzwischen gibt es erste Beiträge von Ökonomen, die entsprechende empirische Belege beibringen.720 Um das Verständnis der steuerrechtlichen Details zu erleichtern, seien schon vorab die wesentlichen Gründe für die Wahl von Vorzugsanteilen dargestellt: Die Schaffung einer Anteilsklasse721 „oberhalb“ der Stammanteile ermög­ licht es, diese und auf sie gerichtete Optionen niedriger zu bewerten als Vor­ 715 Ausnahme: Cumming, 11 J. Corp. Fin. 550, 579 (2005); ders., 20 J. Bus. Venturing 573, 589, 608 (2005). 716  S.  K aplan/Martel/Strömberg, 16 J. Fin. Intermediation 273, 289 f. (2007): „The Europe­ an Venture Capital Association […] argues that the heavy taxation of stock option grants in Europe hampers the ability of investors to provide incentives to portfolio company manage­ ment. The EVCA’s lobbying activity has recently led several countries to change their tax rules for employee stock options to more closely resemble the US treatment.“ 717 Ausführlich Gilson/Schizer, 116 Harv. L. Rev. 874 (2003). 718 Z.B. Levin, Structuring Venture Capital, Private Equity, and Entrepeneurial Transac­ tions, 201, 2-5 ff., erste Auflage 1995. 719  Jeder der vom Autor befragten Anwälte in den USA antwortete auf die Frage, welche Rolle diese steuerlichen Überlegungen bei der Wahl von „Convertible Preferred Shares“ im Vergleich zu anderen Beteiligungsformen spielten, dass diese entscheidend seien. Selbst die Haftungsrisiken von Fremdkapitalfinanzierungen sahen die Praktiker als nicht ausschlagge­ bend an und verwiesen darauf, Überbrückungsdarlehen etwa seien durchaus ein übliches Ge­ staltungsmittel. Der Hinweis von Hellmann, 81 J. Fin. Econ. 649, 653 (2006), Gilson/Schizer würden in ihrem Beitrag in 116 Harv. L. Rev. 874 (2003) davon ausgehen, „taxes alone cannot explain the use of convertible preferred equity, because there are many other securities that can also achieve similar tax advantages“, leitet in die Irre. Gilson/Schizer betonen (116 Harv. L. Rev. 874, 885 [2003]) im Gegenteil im Zusammenhang mit den Klauseln zur automatischen Konversion und dem Ansatz von Hellmann aaO.: „This effect is also unlikely to be sufficient to account for the ubiquity of preferred stock.“ Zudem verweisen Gilson/Schizer aaO., 901 ff., darauf, es gebe aus steuerlicher Perspektive gerade keine gleichwertige Gestaltungsvariante. Zu einer Bestätigung der Überlegungen zur Relevanz des Steuerrechts aus empirischer Sicht Cumming, 11 J. Corp. Fin. 550, 579 (2005). 720  Cumming, 20 J. Bus. Venturing 573, 589, 608 (2005). 721  Das Delaware General Corporation Law unterscheidet begrifflich zwischen „classes“ und „series“, etwa in §§  102(a)(4), 151(a), 151(g). Die Generalkategorie ist die „class“. Innerhalb ihrer kann es mehrere „series“ geben, Siegman v. Palomar Medical Technologies, Inc., 1998 WL 118201, S.  4 (Del.Ch. 1998). Verschiedene Anteilsklassen sind mit unterschiedlichen

176

1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

zugsanteile. Auf diese Weise wird die Steuerquote gesenkt. Das ist vor allem deshalb wichtig, weil die Vergütung von Mitarbeitern junger Unternehmen mangels ausreichender Liquidität nicht in bar geleistet werden kann und Stock Options einen Ausweg bieten.722 Erhielten die Investoren ebenfalls Stamman­ teile – aus Sicht der Gründer zu einem möglichst hohen Preis –723 führte dies unter Steuerlastgesichtspunkten zu ungünstigen Folgen für die Gründer. Denn die Steuerverwaltung würde der Besteuerung der Gründer den von den Kapi­ tal­gebern gezahlten – höheren – Preis zugrunde legen. Wählen die Investoren eine andere Anteilsgattung, die ihnen einen besseren Rang bei der Liquidation einräumt, reduziert dies aus steuerlicher Sicht den Wert der Stammanteile der Gründer.724 In dieser Möglichkeit der Steuerung des Einkommens der Gründer und qualifizierter Angestellter liegt nach Praktikermeinung der Hauptgrund für die Verwendung von wandelbaren Vorzugsanteilen.725 Die Vorrangüberle­ gungen werden lediglich als ein weiterer Grund genannt.726 Die folgenden Ausführungen sind auf das Bundessteuerrecht der USA be­ schränkt, Besonderheiten einzelstaatlicher Regelungen bleiben außen vor. Aus­ geblendet werden auch besondere Steuerarten wie etwa Medicare Taxes. Diese Eingrenzung ist für die Zwecke dieser Arbeit unschädlich, weil die maßgebliche Steuerungswirkung aus dem United States Internal Revenue Code (nachfol­ gend: IRC) resultiert. Besonderheiten der Behandlung von „qualified small bu­ siness stock“ bleiben gleichfalls unberücksichtigt.727

Rechten ausgestattet. Kompliziert wird diese Terminologie dadurch, dass unterschiedliche Vorzugsrechte gelegentlich ebenfalls als „classes of preferences“ bezeichnet werden, vgl. als Beispiel Goldman v. Postal Telegraph, Inc., 52 F.Supp. 763, 767 (D.Del. 1943). 722  Gilson/Schizer, 116 Harv. L. Rev. 874, 890 (2003). 723  Damit die Kontroll- und Gewinnbezugsrechte der Kapitalgeber am investierten Betrag dem Umfang nach möglichst klein bleiben. 724  Gilson/Schizer, 116 Harv. L. Rev. 874, 898 (2003). 725  Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 6-7 f. sowie sämt­ liche Interviewpartner des Autors. 726  S.  Benton/Gunderson/Robinson, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 6-8. Weitere steuerliche Erwägungen (dazu dies., aaO., 6-10) sind hier nicht von Belang und bleiben des­ halb unberücksichtigt. Zu den Grenzen des auf den Vorrang abstellenden Erklärungsansatzes bereits oben §  2 V.3. 727  Handelt es sich bei den Anteilen um „qualified small business stock“, können die Inha­ ber nach der „exclusion provision“ 50% eines Wertzuwachses von ihrem „gross income“ nach §  61 IRC abziehen, wenn sie die Anteile länger als fünf Jahre gehalten haben, §  1202(a) IRC. Außerdem dürfen nach der „roll over provision“ des §  1045 IRC unter bestimmten Bedingun­ gen Wertzuwächse in die Zukunft verschoben werden, so dass bei der Veräußerung der An­ teile im Zeitpunkt der Veräußerung keine Steuer anfällt. Überblick bei Hugg, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 15-6 ff.

B.  Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA

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I.  Gestaltungsfaktoren im Rahmen von Vergütungsvereinbarungen Das Ziel bei der Gestaltung von Vergütungsvereinbarungen besteht nicht nur darin, überhaupt eine steueroptimierte Struktur zu schaffen, die zu einer mög­ lichst geringen Steuerbelastung des Vergütungsempfängers führt. Vielmehr spielen zwei weitere Faktoren eine erhebliche Rolle: Zunächst hat ein junges Unternehmen nicht genügend liquide Mittel, um ein Festgehalt zu zahlen, das Gründern und sonstigen Angestellten einen ausrei­ chenden Anreiz bietet, andere Angebote auszuschlagen oder sogar eine bisheri­ ge Anstellung aufzugeben. Aus diesem Grund ist die Bereitstellung einer unba­ ren Vergütung unabdingbar. Für die Vergütungsempfänger stellt sich nun ein weiteres Problem: Grund­ sätzlich löst die Gewährung unbarer Vergütung für geleistete Dienste nach §  83(a) IRC die Pflicht zur Entrichtung von Steuern aus. Da die Gründer und häufig auch andere Angestellte im Zeitpunkt des Empfangs nicht in der Lage (oder willens) sind, diese Steuern zu entrichten, bevor sie die Rechte aus Optio­ nen geltend machen oder erlangte Anteile veräußern,728 kommt es darauf an, die Steuerpflicht durch eine entsprechende Vereinbarung in die Zukunft zu ver­ schieben (Deferred Compensation Scheme). Für die Wagniskapitalpraxis relevant sind die Vergütung in Form von Stamm­ anteilen (dazu II.) und Stock Options (unten III.). Soweit unter IV. weitere Va­ rianten dargestellt werden (Phantom Stock und Stock Appreciation Rights), dient dies in erster Linie der Vollständigkeit. Phantom Stock und Stock Appre­ ciation Rights sind – jedenfalls noch – nicht üblicher Bestandteil von Vergü­ tungsvereinbarungen in wagniskapitalfinanzierten Unternehmen. Nach der Darstellung der steuerrechtlichen Rahmenbedingungen wird ab­ schließend noch einmal die Frage aufgegriffen, welche Gründe für die Gestal­ tung des Finanzierungsverhältnisses mit wandelbaren Vorzugsanteilen spre­ chen (V.).

II.  Besteuerung von als Vergütung gewährten Stammanteilen Nach §  61(a) IRC729 umfasst die Definition von „gross income“ sowohl „Com­ pensation for services“ ([a][1]) als auch „Gains derived from dealings in proper­ ty“ ([a][3]). Damit fällt der Anteilserwerb ebenso in den Bereich des zu versteu­ 728 

Verwiesen sei hier auf die Regelungen zum Vesting, oben §  6 II.2. „§ 61. Gross income defined (a) General definition Except as otherwise provided in this subtitle, gross income means all income from what­ ever source derived, including (but not limited to) the following items: (1) Compensation for services, including fees, commissions, fringe benefits, and similar items; (2) […]; (3) Gains derived from dealings in property; (4) […].“ 729 

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

ernden730 Einkommens wie die spätere Veräußerung. Für die Besteuerung ist jedoch zwischen der Übertragung der Anteile als Vergütung für geleistete Dienste und der Veräußerung dieser Anteile zu differenzieren, es handelt sich um zwei Einkommensarten. Der erste Vorgang unterliegt der Einkommensteu­ er (Income Tax), der zweite der Kapitalertragsteuer (Capital Gains Tax). We­ sentlich ist diese Unterscheidung, weil der Grenzsteuersatz der Einkommen­ steuer deutlich über dem der Kapitalertragsteuer liegt.731 Die Einkommensteuer für als Vergütung gewährte Anteile richtet sich gemäß §  83(a) IRC732 nach dem Unterschiedsbetrag zwischen dem „fair market value“ und dem tatsächlich gezahlten Kaufpreis. Sofern es keine Differenz gibt, entfällt die Besteuerung. Allerdings ergibt sich ein Problem, wenn die Anteile, wie üblich, einer Rege­ lung zum Vesting und Rückübertragungsrechten (Redemption Rights) unter­ 730 

Die Ausnahmen der §§  101 ff. IRC sind hier nicht von Belang. Seit 2013 beträgt der Grenzsteuersatz der Income Tax der höchsten Einkommensgrup­ pe 39,6%, der Grenzsteuersatz der Capital Gains Tax in der höchsten Einkommensgruppe für „long-term capital gains“ 20%, vgl. §  1 IRC. „Long-term capital gains“sind nach §  1222(3) IRC „[gains] from the sale or exchange of a capital asset held for more than 1 year, if and to the extent such gain is taken into account in computing gross income“. Seit 2013 werden Dividen­ den einheitlich der Income Tax unterworfen (bis 2012 gab es eine Trennung in Ordinary Di­ vidends [Income Tax] und Qualified Dividends [Capital Gains Tax], vgl. §  1(h)(11) IRC in der bis Ende 2012 gültigen Fassung). 732  Gilson/Schizer, 116 Harv. L. Rev. 874, 890 (2003); Levin, Structuring Venture Capital, 201, 2-5 ff. Die Norm im Wortlaut: „§  83. Property transferred in connection with performan­ ce of services (a) General rule If, in connection with the performance of services, property is transferred to any person other than the person for whom such services are performed, the excess of— (1) the fair market value of such property […] at the first time the rights of the person having the beneficial interest in such property are transferable or are not subject to a substantial risk of forfeiture […] over (2) the amount (if any) paid for such property, shall be included in the gross income of the person who performed such services in the first taxable year in which the rights of the person having the beneficial interest in such property are transferable or are not subject to a substan­ tial risk of forfeiture […]. The preceding sentence shall not apply if such person sells or other­ wise disposes of such property in an arm’s length transaction before his rights in such proper­ ty become transferable or not subject to a substantial risk of forfeiture. (b) Election to include in gross income in year of transfer (1) In general Any person who performs services in connection with which property is transferred to any person may elect to include in his gross income for the taxable year in which such property is transferred, the excess of— (A) the fair market value of such property at the time of transfer […] over (B) the amount (if any) paid for such property. If such election is made, subsection (a) shall not apply with respect to the transfer of such property, and if such property is subsequently forfeited, no deduction shall be allowed in re­ spect of such forfeiture. (2) […].“ 731 

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liegen.733 Hierbei kann es sich, je nach konkreter Ausgestaltung der genannten Klauseln, um ein „substantial risk of forfeiture“ handeln. Geht die Steuerbehör­ de von einem solchen „substantial risk of forfeiture“ aus, hat dies zur Folge, dass im Zeitpunkt der Ausgabe des Anteils noch kein „transfer of property“ im Sin­ ne von §  83(a) IRC angenommen wird.734 Der „transfer“ und damit das besteu­ erbare Ereignis findet dann erst statt, wenn das „substantial risk of forfeiture“ entfällt. Mit jedem Vesting Date wird in diesem Fall Einkommensteuer fällig. Steigt zwischenzeitlich der Wert der Stammanteile, gibt es – anders als mögli­ cherweise bei der Ausgabe – eine Wertdifferenz, die von der Einkommensteuer­ pflicht erfasst wird. Veräußert der Inhaber die Stammanteile, unterliegt die Wertsteigerung zusätzlich der Kapitalertragsteuer. Diese doppelte Belastung lässt sich vermeiden, indem der Empfänger der Stammanteile im Ausgabezeitpunkt das Wahlrecht nach §  83(b) IRC geltend macht. Dann hat er lediglich die Steuer zu entrichten, die anfiele, unterlägen die Anteile keinem „substantial risk of forfeiture“. Zahlt er für die Stammanteile den „fair market value“, entsteht keine Steuerpflicht und weitere Wertsteigerun­ gen sind nicht mehr Gegenstand der Einkommensteuer. Es bleibt lediglich die – niedrigere – Kapitalertragsteuer.

III.  Besteuerung von als Vergütung gewährten Stock Options Ein zentrales Vergütungselement sind Stock Options. Steuerrechtlich bedarf es der Unterscheidung verschiedene Kategorien: Es gibt Incentive Stock Options, auch als Statutory oder Qualified Stock Op­ tions bekannt, sowie Unqualified oder Nonstatutory Stock Options. Gemein­ sam ist beiden Formen, dass sie aufgrund eines Stock Option Plans ausgegeben werden, den das Board of Directors beschlossen und die Gesellschafter ratifi­ ziert haben. Er formuliert die Bedingungen der Optionsgewährung und Ober­ grenzen für die Anzahl von Anteilen, die die Optionsempfänger erhalten kön­ nen.735 Häufig finden sich in den Stock Option Plans Regelungen darüber, wie die Rechte auszuüben sind. So kann der Preis in bar zu entrichten sein oder in der Hingabe „alter“ Anteile.736

733  Zum

§  8.

734 

Vesting oben §  6 II.2., zu Rückübertragungsrechten (Redemption Rights) oben

Vgl. §  83(a)(1) IRC und Treasury Regulation §  1.83-3(a)(3), (c). Bartlett, Equity Finance, §  11.2 (S.  256). Die Obergrenze lässt sich durch einen „evergreen plan“ verändern, in dem festgelegt wird, dass von Zeit zu Zeit Erweiterungen vor­ zunehmen sind, ders., aaO. (Einfügung nach S.  256 durch Supplement). Ausführlich zu Non­ statutory Stock Option Plans Mancoff/Bengel, in: Mancoff/Weiner, §  7.01 ff. Zur Besteuerung von Stock Options beider Arten Bittker/McMahon/Zelenak, Federal Income Taxation, 4028 ff. 736  Zu verschiedenen Varianten Bartlett, Equity Finance, §  11.2 (Einfügung nach S.  256). 735 Vgl.

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

1.  Incentive Stock Options Nach §  421(a)(1) IRC realisiert der Inhaber der Option kein Einkommen bei der Ausübung seines Optionsrechts, hält er die Haltefristen des §  422(a) IRC ein.737 Damit verschiebt sich der Zeitpunkt der Besteuerung auf die Veräußerung der Stammanteile. Zudem fällt nur Kapitalertragsteuer an. Der Begriff „incentive stock option“ ist in §  422 IRC definiert.738 Unter ande­ rem ([b][4]) darf der Optionspreis nicht unter dem „fair market value“ der An­ teile im Zeitpunkt der Zuwendung der Option liegen. Weiterhin darf der aggre­ gierte Fair Market Value der Anteile, für die die Optionsrechte gewährt werden, pro „employee“ im Zeitpunkt der Zuwendung nicht über USD 100.000 pro Ka­ lenderjahr hinausgehen, §  422(d) IRC. Empfänger können nur „employees“ sein, also nicht etwa ein Gründer, der lediglich Mitglied des Board of Directors ist, §  422(b)(1) IRC.739 Weiterhin gelten nach §  422(a)(1) IRC Haltefristen. Für Gründer besteht die Schwierigkeit, dass der Begünstigte nach §  422(b)(6) IRC im Zeitpunkt der Zuwendung der Option nicht Anteile halten darf, die 10% der kombinierten Stimmrechte sämtlicher Anteilsklassen übersteigen. Al­ lerdings bietet §  422(c)(5) eine Ausnahmeregelung, wonach die genannte Be­ schränkung nicht eingreift, falls der Optionspreis wenigstens 110% des Fair Market Value der Anteile beträgt und die Option nach Ablauf von 5 Jahren ab Entstehung des Optionsrechts nicht mehr ausgeübt werden darf. Abhängig von der Höhe der erzielten Gewinne wird die Befreiung von der regulären Einkommensteuer von den Regelungen zur sogenannten Alternative Minimum Income Tax nach den §§  55 ff. IRC aufgefangen. Hierbei handelt es sich um ein Parallelsystem zu den herkömmlichen Steuerarten, das eingeführt wurde, um die Besteuerung hoher Einkommen sicherzustellen, deren Empfän­ ger gemäß den regulären Regeln durch Nutzung von Abzugs- und Ausnahme­ regelungen ihr besteuerbares Einkommen stark reduzieren. Inzwischen betrifft sie jedoch ca. 16% aller Steuerpflichtigen.740 Wenn die Steuerlast nach den her­ kömmlichen Regeln unter der nach dem Alternativsystem berechneten liegt, muss die Alternative Minimum Income Tax gezahlt werden.741 Ein Faktor, der 737  „§ 421. General rules (a) Effect of qualifying transfer If a share of stock is transferred to an individual in a transfer in respect of which the re­ quire­ments of section 422 (a) or 423 (a) are met— (1) no income shall result at the time of the transfer of such share to the individual upon his exercise of the option with respect to such share; […].“ 738  Aufgrund der Länge der Norm wird vom Abdruck abgesehen. 739  Hugg, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 15-12. 740  Ursprünglich sollten nur sehr hohe Einkommen erfasst werden. Doch versäumte es der Gesetzgeber über mehrere Jahrzehnte hinweg, die Freibeträge der Inflation anzupassen. Aus­ führlich zur Geschichte und Berechnung der Alternative Minimum Tax Bittker/MacMahon/ Zelenak, Federal Income Taxation, Kapitel 45. 741  Allerdings kann der gezahlte Betrag als Verlust in die Folgejahre übertragen werden.

B.  Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA

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in die Berechnung des Alternativeinkommens einfließt, ist die Differenz zwi­ schen Ausübungspreis und Fair Market Value des Anteils am Tag der Ausübung der Incentive Stock Option, wenn der erworbene Anteil nicht im gleichen Jahr veräußert wird.742 Im letzteren Fall verliert der Anteil allerdings den Steuervor­ teil nach §  422 IRC, weil die Haltefristen nicht eingehalten wurden.

2.  Nonstatutory/Unqualified Stock Options Nonstatutory Stock Options, die nicht §  422 IRC unterliegen, sind nach §  83 IRC zu behandeln, sofern sie, so §  83(e)(3) IRC, keinen „readily ascertainable fair market value“ haben. Diese Voraussetzung ist im Fall wagniskapitalfinan­ zierter Unternehmen stets erfüllt, weil weder die Option auf einem etablierten Markt gehandelt werden kann noch die Möglichkeit freier Übertragbarkeit und sofortiger Ausübung besteht.743 Übt der Inhaber der Option sein Recht aus, greift §  83(a) IRC ein und er hat – hierin liegt der Unterschied zu Statutory Stock Options – Einkommensteuer auf den Wertunterschied zwischen Ausübungspreis und Fair Market Value der Stammanteile zu zahlen.744 Damit hat der Optionsberechtigte Steuern in einem Zeitpunkt zu entrichten, in dem er noch nicht über liquide Mittel verfügt. Eine Veräußerung eines Teiles der Papiere, um die Steuerschuld begleichen zu kön­ nen, ist schwierig: Rule 144 zum Securities Act 1933 verbietet dem Steuerpflich­ tigen, Anteile unmittelbar öffentlich anzubieten.745 Er muss also entweder die Wartefrist von zwei Jahren einhalten oder einen erheblichen Abschlag bei der Veräußerung in Kauf nehmen.746 Veräußert er später den Anteil, fällt zudem Kapitalertragsteuer an.

3.  Employee Stock Purchase Plans §  423 IRC enthält Regelungen zu Steuervergünstigungen bei Erwerb von Antei­ len nach einem Employee Stock Purchase Plan, der die Anforderungen dieser Sobald die nach dem herkömmlichen System berechnete Steuer über dem Betrag der Alterna­ tive Minimum Tax liegt, findet eine Anrechnung statt. 742  Vgl. §  56(b)(3) IRC: „(3) Treatment of incentive stock options Section 421 shall not apply to the transfer of stock acquired pursuant to the exercise of an incentive stock option (as defined in section 422). Section 422(c)(2) shall apply in any case where the disposition and the inclusion for purposes of this part are within the same taxable year and such section shall not apply in any other case. The adjusted basis of any stock so ac­ quired shall be determined on the basis of the treatment prescribed by this paragraph.“ 743  Diese Konkretisierung von „readily ascertainable“ ist der Treasury Regulation §  1.837(b) zu entnehmen. 744  Ausführlich zu steuerrechtlichen Folgen von aufgrund eines entsprechenden Plans er­ worbenen Nonqualified Stock Options Mancoff/Bengel, in: Mancoff/Weiner, §  7.04. 745  Zur Rule 144 Kuntz, in: Ekkenga/Schröer, §  8 Rn.  459 ff. 746  Der Käufer unterliegt ebenfalls den Restriktionen der Rule 144.

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

Norm erfüllt.747 Die Besonderheit von Employee Stock Purchase Plans im Ver­ gleich zu Incentive Stock Options liegt darin, dass die „employees“ den Dienst­ berechtigten ermächtigen, für die Dauer des Angebots einen Teil ihres Gehalts einzubehalten. Nach Ablauf der Angebotsperiode wird mit diesen einbehalte­ nen Beträgen der Kaufpreis geleistet, wenn sich die Berechtigten nicht gegen den Kauf entscheiden. Üblicherweise gewährt der Dienstberechtigte einen Preis­abschlag auf die Anteile. Sofern die Voraussetzungen von §  423 IRC erfüllt sind, greift hinsichtlich der Besteuerung §  421(a) IRC, so dass weder für den Erwerb der Option noch für deren Ausübung Steuern anfallen.

IV.  Phantom Stock Plans und Stock Appreciation Rights Phantom Stock Plans gewähren den Berechtigten Ansprüche, die wirtschaftlich mit denen der Inhaber von Stock Options zu vergleichen sind. Es handelt sich um Formen aufgeschobener Vergütung (Deferred Compensation). Dem Be­ rechtigten werden Bewertungseinheiten (Units) zugewiesen, deren Wert sich nach dem Fair Market Value der Anteile der Gesellschaft im Zeitpunkt der Zu­ teilung richtet. Sobald er nach dem zugrunde liegenden Plan die Ausschüttung verlangen kann, erhält er eine Geldauszahlung. Stock Appreciation Rights, die teilweise ebenfalls unter der Überschrift „Phantom Stock“ behandelt werden, geben dem Inhaber einen Anspruch auf Auszahlung eines an der Wertentwick­ lung der Gesellschaftsanteile gemessenen Wertzuwachses. Zumeist werden Stock Appreciation Rights mit einer Option auf den Erwerb von Anteilen ver­ knüpft. Der Berechtigte kann sich bei Fälligkeit entscheiden, ob er die Baraus­ zahlung in Anspruch nimmt oder die Option ausübt. Möglich ist die teilweise Nutzung der Rechte, indem mit den ausgeschütteten Barmitteln der Erwerb der Anteile bezahlt wird.748 Die Grundlage zur Schaffung von Phantom Stocks bietet §  122(15) DGCL.749 Da keine Option im juristischen Sinne entsteht, ist §  157 DGCL nicht anwend­ bar.750 Es handelt sich um ein „compensation arrangement“ und muss als sol­ ches ein angemessenes Verhältnis zwischen dem Wert des dem Begünstigten zu gewährenden Vorteils und dem Wert der Dienstleistung des Begünstigten für die Gesellschaft aufweisen.751 Hinsichtlich der Besteuerung handelt es sich bei der Ausschüttung der Beträ­ ge, die nach den zugrunde liegenden Verträgen fällig werden, um reguläre Ver­ gütung durch Geldzahlung, die im Zeitpunkt der Auszahlung der Einkommen­ steuer unterliegt. Gleiches, das heißt Besteuerung im Rahmen der Einkommen­ 747 

Aufgrund der Länge der Norm wird vom Abdruck abgesehen. Vgl. zu beiden Varianten Mancoff/Bengel, in: Mancoff/Weiner, §  1.04, §  5.01 ff. 749  Folk, GCL-V-99. 750  Testa v. Nixon Uniform Service Inc., 2008 WL 4958861, S.  2 (Del.Ch. 2008). 751 Vgl. Lieberman v. Becker, 155 A.2d 596, 201 (Del. 1959). 748 

B.  Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA

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steuer, gilt für die Bonusausschüttung in Form der Gewährung von Anteilen, §  83(a) IRC.

V.  Nochmals: Zur Bedeutung von Convertible Preferred Shares Bereits oben wurde deutlich, dass wandelbare Vorzugsanteile funktional nicht einzigartig sind, sondern sich ihre Steuerungswirkungen ebenso durch eine Kombination von Eigen- und Fremdkapitalfinanzierung erzielen lassen.752 Das wesentliche Argument dafür, das Beteiligungsverhältnis in den USA in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle unter Zuhilfenahme von wandelbaren Vor­ zugsanteilen zu gestalten, wird, wie sämtliche vom Autor interviewten Prakti­ ker betonten, aus dem Steuerrecht abgeleitet. Unter Berücksichtigung der eben dargelegten Grundsätze zur Besteuerung von Stammanteilen und Stock Op­ tions ergibt sich der steuerliche Anreiz konkret aus Folgendem: Da sich die Besteuerung der verschiedenen „taxable events“ stets nach dem Fair Market Value der Anteile richtet, ist es wesentlich, diesen möglichst gering zu halten. Das Argument gegenüber der Steuerverwaltung (dem Internal Re­ venue Service), die Bewertung eines Stammanteils etwa mit lediglich USD 0,01 durchzuführen, folgt aus der Existenz einer übergeordneten Anteilsklasse. Aufgrund der Präferenzen der Vorzugsanteile lässt sich begründen, dass diese einen deutlich höheren Wert haben. So ist es üblich, die Vorzugsanteile in einer Größenordnung von USD 0,70 bis USD 1 zu bewerten, für die Stammanteile aber lediglich ein Zehntel hiervon oder noch weniger – je nach Lebensstadium des Unternehmens – anzusetzen.753 Das mag wenig glaubhaft klingen, weil es kaum nachvollziehbar scheint, dass sich die Steuerbehörden mit einer solch einfach gestalteten Konstruktion gewis­ sermaßen „täuschen“ lassen. Doch beschreibt nicht nur die US-amerikanische Literatur diese Praxis.754 Alle vom Autor wegen seiner Zweifel hierzu befragten Praktiker bestätigten entsprechende Angaben ausdrücklich.755 Ein Anwalt wies darauf hin, eine große Sorge der Gestalter im Silicon Valley sei, dass die Steuer­ 752 

§  2 V.3.

753  Ausführlicher

zu diesem Gesichtspunkt Gilson/Schizer, 116 Harv. L. Rev. 874, 890 ff. (2003). 754  Dies. aaO. 755 Ohnehin scheint, jedenfalls wenn man anekdotischen Berichten Glauben schenken darf, die Einstellung der Behörden in den USA zur Kontrolle von Venture Capital-Finanzie­ rungen aus Sicht eines deutschen Beobachters eine andere als hierzulande zu sein. So wurde von einem erfolgreichen Gründer als einer der Erfolgsfaktoren der US-Finanzierungspraxis im Vergleich zur europäischen ausgemacht, dass die US-Behörden laxer im Vollzug von Ge­ setzen seien: „[…] another aspect of the strictly controlled European work environment: re­ port filing, certification courses and tax inspections – all of which are conducted with much more rigor than in the U.S.“ (Ilja Laurs, „U.S.  is still the land of opportunity for VC funding“, http://venturebeat.com/2011/02/10/u-s--is-still-the-land-of-opportunity-for-vc-funding/; Kursivsetzung hinzugefügt).

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

verwaltung ihre Ansicht in Zukunft ändere. Dies würde Venture Capital we­ sentlich weniger attraktiv machen, weil die gesenkten Gewinnaussichten für Gründer sich auf die Bereitschaft auswirkten, ein großes Misserfolgsrisiko ein­ zugehen.756 Selbst wenn die Dividenden- und Liquidationsvorrechte als Investitions­ schutz wenig bedeutsam sind,757 ermöglichen sie es also immerhin, einen Anteil als Vorzugsanteil einstufen zu können, um das gewünschte steuerrechtliche Er­ gebnis zu erzielen.758 Ohne diesen Steuereffekt, so Aussagen von Anwälten im Gespräch mit dem Autor, würden deutlich mehr Finanzierungen unter Nut­ zung wandelbarer Fremdkapitaltitel (Convertible Debt) durchgeführt.759 Eine mittelbare Bestätigung finden diese Überlegungen darin, dass US-In­ vestoren, die in Kanada Wagniskapital vergeben, häufig andere Finanzierungs­ formen als konvertierbare Vorzugsanteile wählen.760 Hinweise auf die ver­ meintliche Überlegenheit des US-Gestaltungsmodells sind daher jedenfalls mit Vorsicht zu genießen. Ohne die Berücksichtigung des nationalen institutionel­ len Umfelds im weitesten Sinne lässt sich die Gestaltungspraxis weder sinnvoll vergleichen noch eine „beste“ Lösung herausarbeiten.761

§  11  Die Bereitstellung eines Stock Option Pools für Employee Stock Options Die Vereinbarungen zwischen den Gründern und den Wagniskapitalgebern in der ersten Finanzierungsrunde sehen in der Regel die Schaffung eines soge­ nannten Stock Option Pools für die Bedienung von Stock Options vor, wenn ein solcher Vorrat nicht schon bei Gründung der Gesellschaft bereitgestellt wurde. Die Anteile im Stock Option Pool existieren juristisch, ihre Rechte kön­ nen aber noch nicht geltend gemacht werden, da sie keine ausgegebenen („out­ standing“) Anteile sind.762 In diesem Zusammenhang stellt sich nicht nur die Frage nach den rechtlichen Grundlagen der Ausgestaltung (dazu I.). Vielmehr hat der Stock Option Pool eine erhebliche Bedeutung für die Stellung der Grün­ der in der Gesellschaft. Werden die im Pool befindlichen Anteile zu Lasten der Gründer auf die Beteiligungsquoten angerechnet, führt dies zu einer sofortigen Verwässerung ihrer Mitwirkungsrechte, wie unter II. näher erläutert wird. 756 

Interview am 12.03.2010. Dazu oben §  2 V.3.c). 758 Zu haftungsrechtlichen Überlegungen als Grund für die Finanzierung mittels Vor­ zugsanteilen schon oben §  2 V.2.a). 759  Interview am 12.03.2010. 760  Cumming, 20 J. Bus. Vent. 573 (2005). 761  Zum Regelungsumfeld im Silicon Valley unten §  13. 762  Hierzu oben Fußnote 492. 757 

B.  Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA

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I. Grundlagen Technisch wird die Schaffung des Pools abgewickelt, indem entweder bereits bei der Gründung oder gleichzeitig mit der ersten Serie von Vorzugsanteilen (der „series A“) neue Stammanteile autorisiert werden. Im zweiten Fall bedarf es gemäß §  151(a) DGCL763 entweder einer Änderung der Satzung, die die Zahl auszugebender Anteile erhöht („authorization“), oder einer ausdrücklichen Er­ mächtigung des Board of Directors, weitere Anteile zu schaffen und auszuge­ ben. Das Recht zur Ausübung der Optionen hängt regelmäßig vom Verbleib im Unternehmen oder der Dauer der Anstellung ab.764 Der Berechtigte hat inner­ halb einer bestimmten Frist über die Ausübung zu entscheiden, häufig 90 Tage oder drei Monate. Hinzu kommen weitere Bedingungen, etwa Geheimhal­ tungsvereinbarungen oder sonstige Abreden, die oben allgemein im Zusam­ menhang mit der Bindung der Gründer diskutiert wurden.765 Die konkrete Ausgestaltung dieser Zusatzvereinbarungen richtet sich danach, welche Posi­ tion der Optionsberechtigte im Unternehmen hatte. Gründer werden strenge­ ren Regeln unterworfen als sonstige Angestellte, da sie für den Unternehmens­ erfolg wichtiger sind.766 Ebenso wie im Zusammenhang mit den Vesting-Regeln für Stammanteile dargestellt,767 ist eine zeitliche Begrenzung der Ausübbarkeit der Optionen wichtig, weil ansonsten ein Anreiz entstehen könnte, mit der Geltendmachung des der Option innewohnenden Rechts zu warten, um von den Anstrengungen der verbleibenden Anteilseigner zu profitieren.768 Der Ausübungspreis der Option kann flexibel ausgestaltet sein, um eine Angleichung von Optionswert und Unternehmenswert zu erreichen. Die An­ knüpfungspunkte für die Preisberechnung sind frei wählbar. Zudem kommen Regelungen in Betracht, welche die Bewegung des Preises auf eine Richtung beschränken.769 In der Regel spiegelt der Ausübungspreis den Fair Market Value der Anteile im Zeitpunkt der Gewährung der Option wider.770 763 

Text oben in Fußnote 110. Hierzu und zum Folgenden Bartlett, Equity Finance, §  11.2 (Einfügung nach S.  256). 765  Oben §  6 . 766  Vgl. dazu oben A. §  2 III.2. 767  Oben §  6 II.2. 768  Beispiel: Ein Angestellter verlässt das Unternehmen und hat Kenntnis davon, dass in absehbarer Zeit die Entwicklung eines wichtigen Produkts abgeschlossen sein wird. 769 Hierzu Bartlett, Equity Finance, §  11.2 (Einfügung nach S.  256). 770  Eine bis 2004 nicht selten anzutreffende Variante war die sogenannte „deep-in-themoney“ oder „deep discount“ Option, die den Berechtigten die Möglichkeit gibt, die Option unter Fair Market Value (bezogen auf den Zeitpunkt der Optionsgewährung) auszuüben. Da­ mit hatte der Berechtigte in Höhe des Spread sofort einen Wert realisiert, der nicht der Besteu­ erung unterlag. Diese Möglichkeit ist durch den im Oktober 2004 in Kraft getretenen §  409A IRC weniger attraktiv geworden, weil eine solche Konstruktion nunmehr eine sofortige 764 

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

II.  Auswirkungen des Stock Option Pools auf die Beteiligung der Gründer Aus Sicht der Gründer hat der Stock Option Pool eine erhebliche Bedeutung für ihr Verhältnis zu den Investoren und die Machtverteilung. Denn wird der Stock Option Pool im Rahmen der Anteilsbewertung zu Lasten der Gründer ange­ rechnet, führt dies bereits zu Beginn der Finanzierung zu einer möglicherweise erheblichen Verwässerung der Beteiligung der Gründer. Das ergibt sich aus fol­ gender Vorgehensweise: Die Investoren geben ein bestimmtes Beteiligungsziel vor, welches sie im Ge­ genzug für die Hingabe ihrer Mittel erreichen wollen. Der betreffende Prozent­ satz, etwa 50% sämtlicher Anteile in einer Erstrundenfinanzierung, also die Summe aus Stamm- und Vorzugsanteilen nach Zeichnung der Vorzugsanteile der Serie A, wird nun berechnet, indem die anderen 50% sich aus Anteilen der Gründer und den Anteilen im Pool zusammensetzen. Lassen sich die Gründer hierauf ein, halten sie bereits zu Beginn der Finanzierung keine „echte“ 50%-Be­ teiligung.771 Das führt im Laufe der Zeit zu einer weiteren Verwässerung der Beteiligung der Gründer im Verhältnis zu den Wagniskapitalgebern. Zwar sind die zur Be­ dienung später auszugebender Stock Options vorgehaltenen Anteile zunächst nicht stimmberechtigt. Doch sobald ausgegebene Optionsrechte ausgeübt wer­ den, verlieren die Gründer relativ gesehen an Einfluss. Das lässt sich an einem Beispiel verdeutlichen: Wurden bei Gründung die Ausgabe von 10 Millionen Anteilen autorisiert und von diesen 10 Millionen insgesamt 4 Millionen an die Gründer ausgegeben sowie 2 Millionen Anteile dem Stock Option Pool zugewiesen, halten die Grün­ der 100% der Anteile gemessen an den „outstanding shares“772 und, unter Be­ rücksichtigung der Anteile im Pool, 67% auf der sogenannten „fully-diluted share basis“.773

Pflicht zur Versteuerung nach sich zieht. Zum Ganzen Bartlett, Equity Finance, §  11.4 (S.  259) mit einer durch Supplement eingefügten Fußnote 44.10 in §  11.5C mit einer „Note on §  409A of the Internal Revenue Code“. Ausführlich zu §  409A IRC Bittker/McMahon/Zelenak, Fe­ deral Income Taxation, S40-3 ff. (Supplement 2010); Mancoff/Bengel, in: Mancoff/Weiner, §  10.02. 771  Vgl. bereits oben Fußnote 165. 772  Zum Begriff „outstanding shares“ in Fußnote 492. 773  Zum Begriff der „fully diluted basis“ oben bei Fußnote 495.

B.  Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA

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§  12  Probleme des Down Round Financing I. Ausgangslage Das Recht von Delaware gewährt umfassende Gestaltungsfreiheit bei der Schaf­ fung von Vorzugsrechten. Allerdings erlangen die Kapitalgeber im Verlaufe des Finanzierungsprozesses über verschiedene Runden hinweg beständig mehr Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft. Sie besetzen das Board of Directors mit eigenen Mitgliedern, in späteren Runden stellen die Investoren häufig die Mehrheit im Board.774 Hinzu kommen ihre Stimmrechte sowie verschiedene Möglichkeiten, die Geschäftspolitik über Zustimmungsrechte, etwa in Financi­ al Covenants, erheblich in ihrem Sinne zu steuern.775 Steht eine weitere Finanzierungsrunde an, können die Kapitalgeber aufgrund der ihnen aus der Summe dieser Rechte erwachsenen Kontrollmacht die Bedin­ gungen der Kapitalbeschaffung zu eigenen Gunsten beeinflussen. Insbesondere in einer wirtschaftlich schwierigen Situation, in der eine Down Round durchge­ führt werden soll, also die Anteile zu einer niedrigeren Bewertung als in frühe­ ren Runden ausgegeben werden sollen, ergibt sich hieraus ein erhebliches Kon­ fliktpotenzial im Verhältnis zu den Gründern. Vor allem in Konstellationen, in denen die Investoren die Gründer möglichst aus der Gesellschaft drängen wol­ len („Wash-out“), um einen wirtschaftlichen Neustart zu ermöglichen („Re­ set“), stellt sich die Frage, ob die Kapitalgeber ihre Interessen und Ziele unbe­ schränkt umsetzen können. Mit Blick auf das Thema der Gestaltungsfreiheit geht es hier darum, ob und in welchem Umfang nachträglich in privat gesetzte Regeln eingegriffen werden kann, inwieweit also unter Berufung auf besondere Umstände ex post die Gestaltungsfreiheit beschränkt wird. Zur Illustration und zu den Auswirkungen eines Wash-out widmet sich der folgende Abschnitt dem 1994 in Kalifornien zu Gericht gelangten Fall Kalash­ ian v. Advent VI Limited Partnership776 (in der Regel kurz als „Alantec“ be­ zeichnet777), den Beobachter zwar als extrem einschätzen778 und der mit einem Vergleich endete, dessen praktische Auswirkungen aber unter Praktikern als immens gelten (II.). Im Anschluss werden einige Kontrollvarianten erörtert, zunächst die in der Praxis wesentlichen Treuepflichten von Directors und An­ teilseignern (III.), dann einige besondere Regeln (IV.). 774 

S.  oben §  3 III.2.a)cc). Dazu jeweils die Angaben in den betreffenden Abschnitten zu den Einzelrechten. 776  Kalashian v. Advent VI Limited Partnership, Case No. CV-739278 (Sup.Ct. Santa Cla­ ra Co., Cal.), filed March 23, 1994. Der Fall ging 1997 vor Gericht. 777  Die Bezeichnung „Alantec“ rührt daher, dass die Gesellschaft, um die es ging, diesen Namen als Firma trug. Kalashian und Advent waren die Gesellschafter, die sich als Pro­zess­ parteien gegenüberstanden. 778 Z.B. Bartlett/Barrett/Butler, Advanced Private Equity, 4-28; Padilla, 1 Hous. Bus. & Tax L. J. 269, 276 (2001). 775 

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

II.  Fallstudie: Kalashian v. Advent VI Limited Partnership („Alantec“) 1987 gründeten zwei Unternehmer mit einer Einlage von jeweils USD 30.000 die Alantec Corporation. Über mehrere Finanzierungsrunden hinweg beteilig­ ten sich verschiedene Investoren mit insgesamt USD 16,5 Millionen und hielten 1990, Common und Preferred Shares zusammengenommen, ca. 90% der Antei­ le an Alantec. Gegen Ende des Jahres 1990 war die Gesellschaft nahezu bank­ rott und die Gründer verloren ihre Posten im Management. Im Zuge der Um­ strukturierung wurden zwei externe Manager eingesetzt, die die Entwicklung eines neuen Produkts vorantreiben sollten, und weitere USD 500.000 investiert. Dieser Mittelzufluss basierte auf einem Wash-out. Das Board of Directors, dem die Gründer nicht mehr angehörten, entschied, an drei den Investoren wohlge­ sonnene Mitglieder des Managements, darunter der neue Executive Vice Presi­ dent, im Rahmen einer Satzungsänderung 779 neue Stammanteile auszugeben. Bis dato waren die beiden Gründer Inhaber sämtlicher Stammanteile, die insge­ samt 8% der Anteile780 repräsentierten. Die neuen Anteile wurden zu USD 0,005 pro Anteil an die drei Manager zugeteilt. 1991 folgte eine weitere Finanzierungsrunde auf Grundlage des gleichen Schemas. Nach Durchführung dieser beiden Runden hielten die Gründer nur noch 0,007% der Gesamtanteile an Alantec. Das neue Produkt erwies sich als extrem erfolgreich, 1994 folgte der Börsengang. Daraufhin reichten die Grün­ der Klage gegen Alantec, die Investoren und das Board of Directors ein. 1996 wurde Alantec zu einem Preis von USD 70 pro Anteil für insgesamt USD 770 Millionen verkauft. Die Gründer erhielten USD 600.000 – statt der USD 40 Millionen, die ihnen bei Inhaberschaft von 8% zugeflossen wären. Als der Fall 1997 zur mündlichen Verhandlung vor Gericht ging, argumen­ tierten die Gründer, die Mitglieder des Board of Directors sowie die Investoren als Mehrheitseigner hätten sich betrügerisch verhalten und ihre Treuepflichten verletzt. Dem hielten die Beklagten entgegen, Alantec habe sich im Zeitpunkt der beiden Down Rounds an der Grenze zur Insolvenz befunden, das Unter­ nehmen wäre ohne die durchgeführten Maßnahmen unweigerlich zusammen­ gebrochen. Die Parteien einigten sich schließlich außergerichtlich auf die Zah­ lung von USD 15 Millionen an die Gründer. Zwar erkannten die Investoren und die übrigen Beklagten keinerlei Zah­ lungspflicht auf Basis der gegen sie gerichteten Vorwürfe an. Doch sorgte der Fall für erhebliches Aufsehen. Er hat die Praxis nach Auskunft von hierzu be­ fragten Anwälten stark verändert. Das gilt allerdings weniger für die Substanz, das heißt den Inhalt der verschiedenen Beteiligungsbedingungen, als für die Einhaltung von Prozeduren, die es den Gründern unmöglich machen sollen, 779  Damit umging das Board of Directors Zustimmungsrechte der Gründer, die ihnen auf­ grund der Common Shares an sich zugestanden hätten. 780  Das heißt sämtlicher Anteile einschließlich Vorzugsanteile.

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sich auf die Interessenkonflikte der Investoren, die zugleich im Board of Direc­ tors präsent sind, zu berufen und hieraus Schadensersatzansprüche abzulei­ ten.781

III.  Treuepflichten als Steuerungsinstrument 1. Grundlagen a)  Treuepflichten der Investoren als Anteilseigner Die Investoren halten ab einem bestimmten Zeitpunkt, nicht selten bereits ab der ersten Finanzierungsrunde, die Stimmrechtsmehrheit bezogen auf die Ge­ samtmenge von Stamm- und Vorzugsanteilen.782 Doch gibt es in der Close Cor­ poration nach dem Recht von Delaware kaum eine Chance für die Gründer, sich auf eine Verletzung von Treuepflichten der Kapitalgeber als Mehrheitseigner zu berufen, die diese ihnen, den Gründern, gegenüber einzuhalten hätten.783 Diese Frage wurde oben schon diskutiert, so dass auf die vorherigen Ausführungen zu verweisen ist.784 b)  Treuepflichten der Directors Die Gerichte in Delaware haben für die Delaware Corporation entschieden, dass die Treuepflichten der Directors nicht abdingbar sind.785 Diese fehlende Disponibilität der Treuepflichten hat insbesondere deshalb eine nicht zu unter­ schätzende Bedeutung, weil sie eine maßgebliche Einbruchstelle sind, Maßnah­ men der Inhaltskontrolle unterziehen zu können und so letztlich mittelbar die Gestaltungsfreiheit einzuschränken, indem die Ausübung bestimmter ausge­ handelter Rechte für rechtswidrig erklärt wird. aa)  Business Judgment Rule und Entire Fairness Test Grundsätzlich gilt für das Board of Directors der Schutz der Business Judgment Rule, wonach (kurz gesagt) ordnungsgemäßes Verhalten vermutet wird, so dass 781 

Zu den prozeduralen Anforderungen sogleich III. Vgl. das Beispiel oben §  11.II. 783  Für Venture Capital-Finanzierungen: Leavitt, 6 N.C. J. L. & Tech. 223, 248 ff. (2005); Padilla, 1 Hous. Bus. & Tax. L. J. 269, 283 ff., 289 (2001). Allgemein Ragazzo, 77 Wash. U. L. Q. 1099, 1120 ff. (1999). 784  Oben §  9 II.2.a). 785  McAllister v. Kallop, 1995 WL 564410, 21 (Del.Ch. 1995), affirmed, 678 A.2d 526 (Del. 1996): „To the extent that a contract, or a portion of a contract, limits a director’s exercise of his fiduciary duties, it is unenforceable.“ Zuvor schon Paramount Communications, Inc. v. QVC Networks, Inc., 637 A.2d 34, 51 (Del. 1994): „To the extent that a contract, or a provision thereof, purports to require a board to act or not act in such a fashion as to limit the exercise of fiduciary duties, it is invalid and unenforceable.“ 782 

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

ein Gericht sich der Überprüfung der Substanz der Entscheidung enthält.786 Sind die für die Entscheidung verantwortlichen Directors allerdings „interes­ ted“, entfällt die Vermutung mit der Folge der materiellen Kontrolle durch den Richter (Entire Fairness Test).787 (1)  Interessenkonflikt der Vertreter der Investoren Die von den Investoren benannten Mitglieder des Board of Directors befinden sich bereits qua ihrer Position als Vertreter der Anteilseignermehrheit in einem Interessenkonflikt.788 Aus diesem Grund stehen die Chancen für die Gründer nicht schlecht, die Vermutung ordnungsgemäßen Verhaltens nach Maßgabe der Business Judgment Rule zu widerlegen, so dass der Entire Fairness Test zum Zuge kommt.789 Zwar wiederholen die Gerichte gebetsmühlenhaft, nicht jeder Vorteil, den ein Director zu Lasten der Anteilseigner oder einer bestimmten Gruppe von Anteilseignern erziele, genüge für die Bejahung eines Eigeninteres­ ses. Vielmehr müsse der Vorteil ein Ausmaß erreicht haben, dass ein Einfluss auf die Ausübung der Amtspflichten wahrscheinlich sei.790 Werden die Stamm­ anteils­inhaber im Vergleich zu den Vorzugseignern benachteiligt, führt dies etwa dann nicht zur Ausschaltung der Business Judgment Rule, falls die Be­ nachteiligten auch ohne die angegriffene Maßnahme schlechter gestanden hät­ ten.791 786  Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805, 812 (Del. 1984); für einen Venture Capital-Kontext In re Trados Incorporated Shareholder Litigation, 2009 Del.Ch. Lexis 128, 21 (Del.Ch. 2009). Vgl. näher zum Inhalt der Business Judgment Rule im Zusammenhang mit GmbH und Close Corporation Kuntz, GmbHR 2009, 121 ff. 787  Weinberger v. UOP, Inc., 457 A.2d 701, 710 (Del. 1983). 788  Leavitt, 6 N.C. J. L. & Tech. 223, 255 f., 276 ff. (2005); Padilla, 1 Hous. Bus. & Tax. L. J. 269, 289 (2001). Vgl. auch Carsanaro v. Bloodhound Technologies, Inc., 65 A.3d 618, 637 ff. (Del.Ch. 2013). 789  Padilla, 1 Hous. Bus. & Tax. L. J. 269, 289 (2001). Vgl. allgemein Ragazzo, 77 Wash. U. L. Q. 1099, 1135 ff. (1999). Der Entire Fairness Test wurde vor allem in Urteilen zur Public Corporation entwickelt, so dass im Folgenden einige Urteile zu Public Corporations zitiert werden. 790 Z.B. In re Trados Incorporated Shareholder Litigation, 2009 Del.Ch. Lexis 128, 22 (Del. Ch. 2009): „The receipt of any benefit is not sufficient to cause a director to be interested in a transaction. Rather, the benefit received by the director and not shared with stockholders must be “of a sufficiently material importance, in the context of the director’s economic cir­ cumstances, as to have made it improbable that the director could perform her fiduciary duties . . . without being influenced by her overriding personal interest [...].”[Fußnote ausgelassen]“ Weiter allerdings Rales v. Blasband, 634 A.2d 927, 936 (Del. 1993): „[A director is interested if] he or she will receive a personal financial benefit from a transaction that is not equally shared by the stockholders.“ 791 Vgl. Blackmore Partners, L.P. v. Link Energy LLC, 2005 Del.Ch. Lexis 155, 20 f. (Del. Ch. 2005): Den Klägern standen von vornherein keine Stimmrechte zu, zudem sei „no better transaction available“ gewesen; In re Trados Incorporated Shareholder Litigation, 2009 Del. Ch. Lexis 128, 24 (Del.Ch. 2009): Die Stammeigner wären in jedem Fall leer ausgegangen,

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Im Wagniskapitalkontext kommt jedoch hinzu, dass die Vertreter der Inves­ toren auf „both sides of the transaction“ stehen und in Down Rounds ein Inte­ resse haben, das erheblich von den Interessen der Gründer abweicht.792 Insbe­ sondere üben die Kapitalgeber in ihrer Eigenschaft als Mehrheitseigner Einfluss derart aus, dass zur Bewältigung einer wirtschaftlichen Krise die Stellung der Vorzugsanteilsinhaber – und damit die eigene Position – zu Lasten der Gründer als Minderheitsgesellschafter gestärkt wird. Diese Verbindung wird häufig ge­ nügen, von der Business Judgment Rule abzugehen.793 Das gilt umso mehr, wenn ein gezielter Eingriff in die Position der Gründer stattfindet, um etwa die Ausübung bestimmter Zustimmungs- und Blockaderechte unmöglich zu ma­ chen.794 Die aus einer Down Round folgende Verwässerung geht stets und not­ wendig zu Lasten der Gründer.795 Verschiebungen können allein innerhalb der Gesamtmenge von Anteilen stattfinden, so dass die Erweiterung des Beteili­ gungsumfangs einer Partei zwingend mit der Verringerung des Beteiligungs­ umfangs einer anderen einhergeht.796 Schaffen die Beteiligten einen neuen Stock Option Pool, dessen Anteile für die Berechnung des Post-Money Beteiligungs­ umfangs erneut allein den Gründern angelastet werden, verstärkt dies die Ver­ wässerung zu Lasten der Gründer zusätzlich.797 (2)  Fair Dealing und Fair Price Die Anwendung des Entire Fairness Tests ermöglicht den Gerichten, die in Rede stehende Transaktion unter prozeduralen Aspekten und substanziellen Gesichtspunkten zu untersuchen. Diese beiden Kriterien werden als „fair dea­ ling“ und „fair price“ bezeichnet.798 Das „fair dealing“ als prozedurale Kompo­ nente betrifft die Frage, ob das Geschäft einem Drittvergleich („bargaining at unabhängig davon, ob die angegriffene Umwandlungsmaßnahme durchgeführt worden wäre oder nicht. 792  Zu diesen Umständen als Grund für die Anwendung des Entire Fairness Tests im Zu­ sammenhang mit einer Close Corporation Litle v. Waters, 1992 Del.Ch. Lexis 25, 11 f. (Del. Ch. 1992). 793 Vgl. Orman v. Cullman, 794 A.2d 5, 30 f. (Del.Ch. 2002); In re Trados Incorporated Shareholder Litigation, 2009 Del.Ch. Lexis 128, 33 (Del.Ch. 2009). 794  Blackmore Partners, L.P. v. Link Energy LLC, 2005 Del.Ch. Lexis 155, 19 (Del.Ch. 2005): Keine Geltung der Business Judgment Rule, wenn die Directors „solely or primarily for the express purpose of depriving a shareholder of effective enjoyment of a right conferred by law“ handeln. 795  Ausgeblendet bleiben hier Investoren aus frühen Runden, etwa solche aus einer Angel Round vor der ersten Wagniskapitalrunde, weil es vor allem um den Konflikt zwischen Inves­ toren und Gründern geht. Dass andere Investoren ebenfalls benachteiligt werden können, bedarf keiner weiteren Erläuterung. 796  Bartlett/Garlitz, 20 J. Corp. L. 593, 596 (1995). 797  Vgl. etwa R.Bartlett, 59 Bus. Law. 23, 31 f. (2003). Zur Berücksichtigung des Stock Op­ tion Pools bei der Berechnung der Beteiligung durch die Investoren §  11 II. 798  S.  Weinberger v. UOP, Inc., 457 A.2d 701, 711 (Del. 1983).

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arm’s-length“) standhält, ob den Minderheitseignern sämtliche wesentlichen Informationen offengelegt wurden und ob sich gegenüber diesen inadäquater Verhandlungstaktiken (etwa hinsichtlich der zeitlichen Durchführung) bedient wurde.799 Für „fair price“ kommt es darauf an, dass nach einer zulässigen Bewertungs­ methode ein angemessener Preis für die Anteile der Minderheitseigner berech­ net wurde. 800 Der Delaware Court of Chancery nutzt den vor allem im Kontext von Public Corporations entwickelten Entire Fairness Test auch bei Close Cor­ porations im Zusammenhang mit Ansprüchen gegen die Directors.801 (3) Erfolgsaussichten Für die Minderheitseigner sind die Chancen eher gering, sich mit Erfolg auf den Entire Fairness Test und damit auf eine Verletzung der Treuepflichten der Di­ rectors berufen zu können. Als Beispiel hierfür kann die Entscheidung „Orban v. Field“ dienen, in der es um das Verhalten von Wagniskapitalgebern und des CEO im Zusammenhang mit der angestrebten Veräußerung der Gesellschaft „Office Mart“ ging:802 Im Zuge einer Restrukturierung wurden an Fremdkapitalgeber unter ande­ rem Warrants ausgegeben, die zum Erwerb von 40% der „fully diluted equity shares“803 der Gesellschaft berechtigten. Als Ausgleich für die Verschiebung von Zinszahlungen erhielten diese Gläubiger weitere auf den Erwerb von Stam­ manteilen gerichtete Warrants. Um die Bilanz zu bereinigen, regte der CEO eine Rekapitalisierung durch einen Debt to Equity Swap an. Die Fremdkapital­ gläubiger sollten ihre Fremdkapitaltitel im Austausch für nicht wandelbare Vor­ zugsanteile und Stammanteile aufgeben. Das Board of Directors billigte diesen Plan einstimmig und führte ihn aus. Zudem wurde der Ausübungspreis der Warrants von USD 1,39 auf USD 0,75 pro Anteil gesenkt. Der spätere Kläger Orban stimmte als Mitglied des Board of Directors und Inhaber von „series A 799  Weinberger v. UOP, Inc., 457 A.2d 701, 711 (Del. 1983): „[Fair dealing] embraces ques­ tions of when the transaction was timed, how it was initiated, structured, negotiated, disclo­ sed to the directors, and how the approvals of the directors and the stockholders were ob­ tained.“ Ausführlich Ragazzo, 77 Wash. U. L. Q. 1099, 1137 ff. (1999), mit zahlreichen Nach­ weisen der Rspr. 800  Weinberger v. UOP, Inc., 457 A.2d 701, 712 f. (Del. 1983): „[Fair price] relates to the economic and financial considerations of the proposed merger, including all relevant factors: assets, market value, earnings, future prospects, and any other elements that affect the intrin­ sic or inherent value of a company’s stock.“ 801  S.  L itle v. Waters, 1992 Del.Ch. Lexis 25, 11 f. (Del.Ch. 1992). Zur Einordnung von Start-up Corporations als Close Corporations Leavitt, 6 N.C. J. L. & Tech. 223, 233 ff. (2005). 802  Orban v. Field, 1997 Del.Ch. Lexis 48 (Del.Ch. 1997). 803 Damit hatten die Fremdkapitalgeber das Recht, eine 40%-Beteiligung in Form von Common Shares zu erwerben, berechnet anhand der Gesamtmenge von Vorzugs- und Stam­ manteilen. Die damit einhergehende gravierende Änderung der Beteiligungsverhältnisse be­ darf keiner weiteren Erläuterung.

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preferred shares“ zu. Die Zustimmung der Stammeigner wurde nicht eingeholt. Als Folge der Transaktion sollte sich die Gesamtbeteiligung (Stamm- und Vor­ zugsanteile) von Orban von 13,27% auf 2,54% reduzieren. In der Folgezeit wurden mit einem Interessenten Verhandlungen über einen Unternehmensverkauf mit dem Ziel einer Verschmelzung geführt. Da die Stamm­anteils­inhaber – und damit auch Orban – im Zuge der Umwandlungs­ maßnahme keine Gegenleistung erhalten hätten, machte Orban Bedenken ge­ gen die Transaktion geltend. Aufgrund einer Unklarheit, die sich mit Blick auf die ordnungsgemäße Umsetzung verschiedener geplanter Maßnahmen im Rah­ men der Rekapitalisierungsbestrebungen ergab, war unsicher, ob Orban mögli­ cherweise noch Inhaber einer Sperrminorität war. Nachdem Orban das Board of Directors verlassen hatte, veranlassten die verbliebenen Mitglieder des Board of Directors verschiedene Vorgänge, die dazu führten, dass Orbans Quote an Stammanteilen mit Sicherheit unter die Sperrminorität fiel und er den Merger nicht mehr verhindern konnte. Orban klagte und argumentierte, die Mitglieder des Board of Directors hät­ ten ihre Treuepflichten verletzt. Das Gericht entschied gegen ihn. Es verwies auf die Entscheidungsmöglichkeiten des Board. Dieses sei gezwungen gewesen „to decide whether it would support the common stock’s (Mr. Orban’s) effort to extract value from the preferred position or whether it would seek to accom­ plish the negotiated transaction, which it believed to be the transaction at the highest available price.“804 Zwar könne das Board of Directors gegen eine ver­ tragliche Verpflichtung verstoßen, wenn hieraus ein „net benefit“ für die Ge­ sellschaft folge. Dies sei in manchen Situationen „socially efficient“.805 Daran fehle es jedoch: „In economic terms, Mr. Orban’s position does not represent an allocatively efficient transaction, the presence of which may make efficient breach socially desirable. Rather, it could be preferable to deny the preferred their full liquidation preference (or the fullest amount of it available) only on the assumption that, as a practical matter, Office Mart would not be required to repair the loss with damages.“806

Kommt demnach einer vertraglichen Lösung stets ein Vorrang zu und hat ein Gericht auf die „best interests der corporation“807 nach dem Grundsatz „the greater good justif[ies] the action“808 zu entscheiden, wird sich ein Board of 804 

Orban v. Field, 1997 Del.Ch. Lexis 48, 31 (Del.Ch. 1997). Orban v. Field, 1997 Del.Ch. Lexis 48, 31 (Del.Ch. 1997), auch für das Zitat im vorher­ gehenden Satz. Vgl. allerdings die Entscheidung Halifax Fund, L.P. v. Response USA (1997 WL 33173241 [Del.Ch. 1997]), in der der Delaware Chancery Court betonte, die „vertragli­ chen“ Rechte der Vorzugseigner dürften nicht zum Wohle der Gesellschaft und der Anteils­ eigner in ihrer Gesamtheit geopfert werden. 806  Orban v. Field, 1997 Del.Ch. Lexis 48, 32 Fußn. 26 (Del.Ch. 1997). 807 Vgl. Orban v. Field, 1997 Del.Ch. Lexis 48, 27 Fußn. 23 (Del.Ch. 1997). 808  Orban v. Field, 1997 Del.Ch. Lexis 48, 29 (Del.Ch. 1997). 805 

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Directors anlässlich einer Down Round in einer wirtschaftlich problematischen Situation in der Regel darauf berufen können, ein Insolvenzverfahren und den Zusammenbruch des Unternehmens zu vermeiden.809 In einer Entscheidung aus dem Jahr 1996 hob der Delaware Chancery Court hervor, das Board of Directors habe keine „obligation not to enter into or au­ thorize transactions that will have an effect of diluting his [i.e. a minority shareholder’s] proportionate shareholding; nor does it have a duty not to threa­ ten him with litigation so long as it acts in furtherance of its good faith view of the corporate interest.“810 bb)  Verwässerung als faktischer Ausschluss („freeze out“) Zwar besteht formal ein Unterschied zwischen einer „bloßen“ Verwässerung und einem Ausschluss in Form eines „freeze out“ der Minderheitseigner, da ihnen im ersten Fall noch Anteile verbleiben, während sie im zweiten Fall alles verlieren. Doch je mehr sich die Verwässerung ihrer Wirkung nach einem Aus­ schluss annähert, desto wahrscheinlicher ist die Anwendung der Grundsätze zur Kontrolle von Freeze Outs.811 So hat der Delaware Chancery Court betont, wenn dem betroffenen Minderheitseigner lediglich die Alternativen verblieben, neu auszugebende Anteile zu kaufen, die sehr niedrig bewertet sind, oder eine starke Verwässerung seiner Beteiligung hinzunehmen,812 bestehe zumindest hinsichtlich der Preisfestsetzung ein Recht auf gerichtliche Kontrolle.813 Diese Feststellung traf das Gericht, nachdem es die Urteilsgründe mit dem Hinweis eingeleitet hatte, „[a]s a starting point it must be conceded that action by majo­ rity stockholders having as its primary purpose the “freezing out” of a minority interest is actionable without regard to the fairness of the price.“814 cc)  Business Purpose Die Gerichte betonen, diene die Ausgabe neuer Anteile nicht allein dem „pur­ suit of a business purpose“, sondern auch dem Erhalt oder der Erlangung von Kontrolle über die Gesellschaft, „a court will not accept the argument that the control effect of an agreement is merely incidental to its primary business objec­ tive.“815 Unabhängig von der Existenz von Bezugsrechten stelle es eine Verlet­ 809 Vgl.

Padilla, 1 Hous. Bus. & Tax. L. J. 269, 292 (2001). Gagliardi v. TriFoods International, Inc., 683 A.2d 1049, 1051 (Del. Ch. 1996). 811  Bartlett/Garlitz, 20 J. Corp. L. 593, 621 (1995). Vgl. auch Blackmore Partners, L.P. v. Link Energy LLC, 2005 Del.Ch. Lexis 155, 19 (Del.Ch. 2005) unter Verweis auf die Situation in Orban v. Field (zu dieser Entscheidung oben aa][3]). 812  Liegt der Ausgabepreis der neuen Anteile unter ihrem tatsächlichen Wert, erlangen die Erwerber mit weniger Mitteln mehr Anteile als der Alteigner. 813  Bennett v. Breuil Petroleum Corp., 99 A.2d 236, 240 f. (Del.Ch. 1953). 814  Bennett v. Breuil Petroleum Corp., 99 A.2d 236, 239 (Del.Ch. 1953). 815  Benihana of Tokyo, Inc. v. Benihana, Inc., 891 A.2d 150, 186 (Del.Ch. 2005). 810 

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zung der Treuepflichten der Mitglieder des Board of Directors gegenüber den Anteilseignern dar, wenn die Directors mittels der Ausgabe neuer Anteile ver­ suchten, einer bestimmten Person gegen die Zustimmung derjenigen die Kon­ trolle zukommen zu lassen, die sie durch die Transaktion verlieren.816 Es wurde das gleiche Zitat bemüht wie das am Ende des vorangegangenen Abschnitts vor­ gestellte.817

2.  Strategien in der Praxis zur Haftungsvermeidung Der Alantec-Fall hat für erhebliches Aufsehen gesorgt. 818 Die Praxis bemüht sich, den Vorwurf der Treuepflichtverletzung und der gezielten Benachteili­ gung von Gesellschaftern zu vermeiden, indem den Gründern Bezugsrechte angeboten werden (hierzu a]) und die Maßnahme formal ratifiziert wird (unten b]). Ziel ist die Legitimation der Mehrheitshandlungen durch Verfahren. a)  Bezugsrechtsangebote (Rights Offerings) In der Praxis wird seit dem Alantec-Streit unter anderem mit Hilfe von Bezugs­ rechtsangeboten ([Preemptive] Rights Offerings) versucht, dem Vorwurf zu begegnen, die Investoren verschafften sich unter Ausnutzung ihrer Mehrheiten (Mitglieder im Board of Directors, Stimmrechte) durch die Verwässerung der Beteiligung der Gründer einen unzulässigen Vorteil. Wenn das Board of Direc­ tors sämtlichen Anteilseignern die Teilnahme an einer Finanzierungsrunde an­ bietet, soll dies als Indiz für pflichtgemäßes Handeln der Directors „in good faith“ gelten, weil sie Ungleichbehandlungen vermeiden und zudem jeder der­ zeitige Gesellschafter die Chance erhält, seinen relativen Beteiligungsumfang stabil zu halten.819 Das ist jedoch nicht mehr als ein Feigenblatt. Insbesondere die Gründer ver­ fügen in der Regel nicht über die Mittel, ihnen zugeteilte Bezugsrechte über­ haupt ausüben zu können.820 Ein freier Markt für die Bezugsrechte fehlt, die Gründer können ihre Rechte nicht an beliebige Dritte veräußern. Anderenfalls verlören die Investoren die Kontrolle über den Gesellschafterbestand. Zudem ist fraglich, ob Dritte Bezugsrechte für Anteile einer Gesellschaft kauften, die sich in einem wirtschaftlich schwierigen Zustand befindet. Hinzu kommt, dass selbst bei dem Verkauf eines Teils der Bezugsrechte zur Finanzierung der Aus­ 816  Condec Corporation v. The Lunkenheimer Company, 230 A.2d 769, 775 (Del.Ch. 1967). 817  Condec Corporation v. The Lunkenheimer Company, 230 A.2d 769, 776 (Del.Ch. 1967). 818  Jeder der vom Autor befragten Anwälte verwies unaufgefordert auf den Fall. 819 Z.B. Bartlett/Barrett/Butler, Advanced Private Equity, 4-21. 820  Für Angel Investors, die sich insoweit in einer den Gründern vergleichbaren Lage be­ finden, Leavitt, 6 N.C. J. L. & Tech. 223, 282 (2005).

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übung des Rests die Gründer ihren Beteiligungsumfang kaum wahren können, weil ihnen keine insgesamt ausreichende Menge an Bezugsrechten mehr zur Verfügung steht.821 Das Argument, die Gründer hätten es selbst in der Hand, eine Verwässerung ihrer Beteiligung zu verhindern, ist daher fadenscheinig. Es handelt sich bei realistischer Betrachtung um nicht mehr als den Versuch, in einem sehr stark auf formalistisches Vorgehen ausgerichteten rechtlichen Umfeld einen weiteren Pflock einzuschlagen, um im Prozess „fair dealing“ nachweisen zu können. Eine gewisse Relevanz hat das Bezugsrechtsangebot für in früheren Runden beteiligte Wagniskapitalgeber. Diese werden jedoch in vielen Fällen ohnehin über Pay to Play-Klauseln oder Pull Ups in die Down Round einbezogen und benötigen keine Bezugsrechte, um einen Anreiz zur Teilnahme an der Down Round zu haben. 822 b)  Ratifikation nach §  144 DGCL Anwälte und Autoren einschlägiger Handbücher empfehlen zudem, sich mög­ lichst auf §  144 DGCL823 zu stützen und die dort vorgesehenen Methoden zu nutzen, insbesondere einen mit unabhängigen Directors besetzten Ausschuss einzusetzen sowie die Ratifizierung durch umfassend informierte (Minder­ heits-)Anteilseigner herbeizuführen. 824 Weiterhin wird auf die Möglichkeit der Einholung einer Fairness Opinion verwiesen.825 Diese zuletzt genannten Stra­ tegien bieten keinen sicheren Ausweg: Zum einen ist die Bewertung von Close Corporations mangels eines Marktes, der entsprechende Anhaltspunkte liefern könnte, problematisch, insbesondere angesichts der engen zeitlichen Vorgaben bei dem Versuch, das Unternehmen 821  Beispiel: Die Gründer halten 300 Anteile, die 33,33% der Gesamtmenge von 900 ent­ sprechen. Im Zuge einer Down Round werden ihnen 100 Bezugsrechte zugeteilt, die sie für die Erhaltung ihrer Quote ausgeüben müssten (um am Ende 400 von 1200 Anteilen zu halten). Müssen die Gründer 50 Bezugsrechte veräußern, um die restlichen 50 ausüben zu können, ist ihnen die Wahrung ihres Beteiligungsumfanges bezogen auf die Gesamtmenge der Anteile nicht mehr möglich. Ihre Quote beträgt nur noch 29,16%. 822  Zu Pay to Play-Klauseln und Pull Up Provisions oben §  5 III. 823  „§  144. Interested directors; quorum. (a) No contract or transaction between a corporation and 1 or more of its directors or of­ ficers, or between a corporation and any other corporation […] in which 1 or more of its di­ rectors or officers, are directors or officers, or have a financial interest, shall be void or voida­ ble solely for this reason, or solely because the director or officer is present at or participates in the meeting of the board or committee which authorizes the contract or transaction, or solely because any such director’s or officer’s votes are counted for such purpose, if: […] (3) The contract or transaction is fair as to the corporation as of the time it is authorized, ap­ proved or ratified, by the board of directors, a committee or the shareholders.“ 824 Vgl. Bartlett/Barrett/Butler, Advanced Private Equity, 4-23 f.; Cowley/Pike, 9 Securi­ ties Litigation & Regulation 1, 3 (2003). 825  Cowley/Pike, 9 Securities Litigation & Regulation 1, 3 (2003).

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aus einer wirtschaftlich schwierigen Lage zu retten.826 Außerdem sind Fairness Opinions sehr teuer und deshalb im Venture Capital-Bereich eher selten ein geeignetes Mittel.827 Zum anderen ist es in der Praxis schwierig, einen Aus­ schuss mit tatsächlich unabhängigen Directors zu besetzen, da die Investoren faktisch einen erheblichen Einfluss auf die Besetzung ausüben werden. 828 Im Ergebnis wird es für den Ausgang eines Prozesses wesentlich von der Motiva­ tion der Investoren abhängen, die Verwässerung durchzuführen. Je schlechter es dem Unternehmen geht und je schneller eine Entscheidung herbeigeführt werden muss, desto eher wird ein Gericht geneigt sein, den Argumenten der Kapitalgeber zu folgen. 829

IV.  Sonstige Kontrollansätze im Down Round Financing Es gibt weitere Ansätze, eine Verantwortlichkeit der Investoren zu begründen. Diese sind in der Gerichtspraxis bislang nur in Ausnahmefällen genutzt wor­ den. Die folgende Darstellung soll nicht den Eindruck erwecken, es handele sich um Standardinstrumente, die auf einer ebenso anerkannten Grundlage wie die Treuepflichten beruhten. Die Ausführungen sollen vielmehr aufzeigen, dass Richter in den USA gelegentlich zu unorthodoxen Methoden oder Auslegungs­ mitteln greifen, wenn ihnen dies angemessen erscheint.

1.  Gerichtliche Umwandlung von Preferred Shares in Common Stock Wie bereits oben dargestellt wurde, sind die Gerichte in Delaware keine Befür­ worter von Treuepflichten der Gesellschaftermehrheit gegenüber der Gesell­ schafterminderheit in der Close Corporation. Das Kontrollinstrument der Wahl in Delaware ist der Entire Fairness Test, der stets dann ins Spiel gebracht wird, sofern eine Partei aus Sicht des Gerichts auf beiden Seiten einer Transak­ tion steht. 830 In einer Entscheidung aus dem Jahr 2008 hat der Court of Chancery of Dela­ ware diese Strategie in einem Zusammenhang gewählt, der für die Wagniskapi­ talfinanzierung Bedeutung hat:831 Eine Gesellschaft gab wandelbare Vor­ zugsanteile im Wert von USD 300 Millionen an einen Gesellschafter (MHR) 826 

Leavitt, 6 N.C. J. L. & Tech. 223, 283 (2005). Leavitt, 6 N.C. J. L. & Tech. 223, 283 (2005). 828  Kritisch zu Fairness Opinions und Special Committees Bartlett/Garlitz, 20 J. Corp. L. 593, 607 f., 620 (1995); Leavitt, 6 N.C. J. L. & Tech. 223, 283 ff. (2005). 829  Bartlett/Garlitz, 20 J. Corp. L. 593, 624 (1995); Leavitt, 6 N.C. J. L. & Tech. 223, 285 ff. (2005). 830  Nixon v. Blackwell, 626 A.2d 1366, 1379 ff., 1381 (Del. 1993). Zum Entire Fairness Test und seinen Elementen schon oben III.1.b)aa). 831  In re Loral Space And Communications Inc. Consolidated Litigation, 2008 WL 4293781 (Del.Ch. 2008), rehearing denied, 2008 WL 4561146 (Del.Ch. 2008). 827 

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aus, der zwar nicht über die absolute Stimmenmehrheit verfügte, dem aber fünf der acht Mitglieder des Board of Directors zugeordnet werden konnten, was ihm, kombiniert mit seinem signifkanten Beteiligungsumfang, die faktische Möglichkeit zur Kontrolle der Gesellschaft verschaffte. Die Vorzugsrechte soll­ ten ihm weitreichende Class Voting Rights sowie Zustimmungs- und Blockade­ rechte hinsichtlich sämtlicher Transaktionen gewähren, die eine Satzungsände­ rung notwendig machten. Zwar wurde ein „Special Committee“ eingesetzt, das den Vorgang neutral auf seine Ordnungsgemäßheit hin überprüfen sollte. Doch waren weder die Mitglieder ausreichend unabhängig noch der Finanzberater des Ausschusses kompetent.832 Hinzu kam eine zu niedrig angesetzte Bewer­ tung der Anteile und ein nicht durchgeführter Test des Marktes für Unterneh­ menskontrolle als ein alternativer Weg, die notwendige Finanzierung zu erhal­ ten. Angesichts dieser Defizite und wegen des Umfangs an Rechten, die MHR nach den Bedingungen der Vorzugsanteile zugestanden und ihm die unanfecht­ bare Kontrolle über die Gesellschaft verschafft hätten, wandelte das Gericht die Anteile im Rahmen einer sogenannten „equity“-Entscheidung833 in „non-vo­ ting common stock on terms fair [for the minority]“ um.834 Angesichts der vielen Besonderheiten des Falles erscheint es jedoch wenig aussichtsreich, aus dem Urteil allgemeine Folgerungen zu ziehen. 835 Das gilt zumal mit Blick auf die Entscheidung des Gerichts, die Anteile umzugestalten statt Schadensersatz zu gewähren. Immerhin zeigte es eine äußere Grenze auf.

2.  Equitable Subordination a)  Nachordnung von Gläubigerrechten Unter insolvenzrechtlichen Gesichtspunkten kann sich für einen Anteilseigner, der zugleich Gläubiger der Gesellschaft ist, ein Problem ergeben, wenn er kon­ trollierenden Einfluss auf Letztere auszuüben vermag. In der grundlegenden Entscheidung „Pepper v. Litton“ führte der United States Supreme Court aus: „The mere fact that an officer, director, or stockholder has a claim against his bankrupt corporation or that he has reduced that claim to judgment does not mean that the bank­ ruptcy court must accord it pari passu treatment with the claims of other creditors. Its disallowance or subordination may be necessitated by certain cardinal principles of 832  In re Loral Space And Communications Inc. Consolidated Litigation, 2008 WL 4293781 (Del.Ch. 2008), S.  23: „[T]he Special Committee’s financial advisor was outgunned and out­ witted.“ 833  Soweit ein Gericht unter Berufung auf „equity“-Prinzipien entscheidet, bedient es sich allgemeiner Gerechtigkeitserwägungen, vgl. Newman, 16 Hastings L. J. 401, 403 ff. (1965). Der Terminus ist unscharf und über seine Reichweite im moderneren Recht in den USA be­ steht keine Klarheit. Einen guten Überblick bietet Newman aaO. 834  In re Loral Space And Communications Inc. Consolidated Litigation, 2008 WL 4293781, S.  32 (Del.Ch. 2008). 835  Gump, in: Halloran, Venture Capital, Band I, 10A-40.

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equity jurisprudence. A director is a fiduciary. [...] So is a dominant or controlling stock­ holder or group of stockholders. [...] Their powers are powers in trust. [...] Their dealings with the corporation are subjected to rigorous scrutiny and where any of their contracts or engagements with the corporation is challenged the burden is on the director or stock­ holder not only to prove the good faith of the transaction but also to show its inherent fairness from the viewpoint of the corporation and those interested therein. [...] The es­ sence of the test is whether or not under all the circumstances the transaction carries the earmarks of an arm’s length bargain. […] If it does not, equity will set it aside. [...] For that standard of fiduciary obligation is designed for the protection of the entire commu­ nity of interests in the corporation […] -creditors as well as stockholders.“836

Diese Überlegungen bilden den Kern dessen, was heute unter der Überschrift „equitable subordination“ diskutiert wird – die Möglichkeit, unter allgemeinen Gerechtigkeitserwägungen („equity“) 837 die Ansprüche eines Gläubigers, der (im hier relevanten Zusammenhang) zugleich Anteilseigner ist, den Ansprü­ chen anderer Gläubiger im Rang nachzuordnen. Mit dem Inkrafttreten der re­ formierten Fassung des US Bankruptcy Codes als Titel 11 des US Codes hat das Institut der Equitable Subordination seinen Platz in §  510(c) des genannten Re­ gelwerks gefunden.838 b)  Übertragung auf Rechte des Mehrheitsgesellschafters Die Anwendung dieser Grundsätze auf das Verhältnis von Mehrheits- und Minderheitsgesellschaftern wird für nicht vollständig ausgeschlossen gehal­ ten.839 Doch ist ein solches Vorgehen eher unwahrscheinlich.840 Eine wichtige Einschränkung resultiert nach Ansicht des Delaware Chancery Courts bereits daraus, dass sich die Entscheidung des Supreme Court „Pepper v. Litton“ auf Pflichten der kontrollierenden Anteilseigner gegenüber der Gesellschaft bezieht und nicht auf Pflichten gegenüber den anderen Gläubigern.841 Ob diese Ansicht zutrifft oder ob sie eher dem Anliegen entspricht, der eigenen Linie hinsichtlich der gesellschaftsrechtlichen Pflichten eines Mehrheitsgesellschafters Gehör zu verschaffen, ist nicht ganz klar. Der United States Supreme Court selbst hat in der oben zitierten Entscheidung auf ein älteres Urteil Bezug genommen, in dem 836 

Pepper v. Litton, 308 U.S.  295, 306 f. (S.Ct. 1939). Übersetzung trifft den Inhalt des Begriffs „equity“ nur unzureichend. Für das hier diskutierte Problem genügt sie allerdings. Zum Begriff der Entscheidung „in equity“ Newman, 16 Hastings L. J. 401, 403 ff. (1965). 838  „(c) Notwithstanding subsections (a) and (b) of this section, after notice and a hearing, the court may— (1) under principles of equitable subordination, subordinate for purposes of distribution all or part of an allowed claim to all or part of another allowed claim or all or part of an allowed interest to all or part of another allowed interest; or (2) order that any lien securing such a subordinated claim be transferred to the estate.“ 839  Bartlett, Equity Finance, §  9.2 (S.  192). 840  So auch Bartlett, Equity Finance, §  9.2 (S.  192). 841  Simons v. Cogan, 542 A.2d 785, 789 mit Fußn. 7 (Del.Ch. 1987). 837  Diese

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

er sich mit der Frage auseinandersetzte, ob im konkreten Fall die „doctrine un­ der which majority stockholders exercising control are deemed trustees for the minority should not be applied here [...]“, weil die betroffene Partei die Kontrol­ le lediglich mittelbar über eine Gesellschaft ausübte, die die Anteile hielt.842 Das Gericht führte insoweit aus: „But the doctrine by which the holders of a majority of the stock of a corporation who dominate its affairs are held to act as trustee for the minority does not rest upon such technical distinctions. It is the fact of control of the common property held and exerci­ sed, not the particular means by which or manner in which the control is exercised, that creates the fiduciary obligation.“843

Auf diese Passage wird auch in der Rechtsprechung anderer Gerichte verwie­ sen.844 aa)  Notwendigkeit besonderer Umstände Grundsätzlich gilt jedoch, dass allein die Stellung als Mehrheitsgesellschafter keinen Anlass zur Nachordnung seiner Ansprüche gibt. Vielmehr bedarf es weiterer Umstände. 845 Hierzu zählen unter anderem betrügerisches Verhalten (im weiteren Sinne), Erzielung ungerechtfertigter Vorteile im Verhältnis zu an­ deren Gläubigern oder deren Schädigung, Unterkapitalisierung und die Nut­ zung der Gesellschaft als „alter ego“.846 Von besonderer Bedeutung ist die Ant­ wort auf die Frage, ob die untersuchten Transaktionen einem Drittvergleich („at arm’s length“) standhalten.847 Das gilt etwa nicht, wenn Vermögenswerte fehlerhaft deutlich zu niedrig bewertet werden848 oder ein Gesellschafter Dar­ lehen gewährt, wenn die Gesellschaft sich in einer Krise befindet und unter­ kapitalisiert ist („deep rock doctrine“).849 Das beanstandete Verhalten muss

842  Southern Pac. Co. v. Bogert, 250 U.S.  483, 491 (U.S.  1919). Zitiert in Pepper v. Litton, 308 U.S.  295, 306 (S.Ct. 1939). 843  Southern Pac. Co. v. Bogert, 250 U.S.  483, 492 (U.S.  1919). 844 Z.B. DeMet v. Harralson, 399 F.2d 35, 39 (5th Cir. 1968). 845 Leitentscheidung: Matter of Mobile Steel Co., 563 F.2d 692, 700 (5th Cir. 1977); vgl. auch In the Matter of Multiponics, Incorporated, 622 F.2d 709, 717 (5th Cir. 1980). Dieses Erforder­ nis wurde vom US Supreme Court bestätigt in United States v. Noland, 517 U.S.  535, 538 ff. (S.Ct. 1996). 846 Vgl. Frasher v. Robinson, 458 F.2d 492, 493 (9 th Cir. 1972), cert. denied, 409 U.S.  1109 (S.Ct. 1972); In the Matter of Mobile Steel Co., 563 F.2d 692, 700 (5th Cir. 1977); In the Matter of Multiponics, Incorporated, 622 F.2d 709, 714 (5th Cir. 1980); In the Matter of Herby’s Foods, Inc., 2 F.3d 128, 131 (5th Cir. 1993) – diese Entscheidung erging zu einem Gläubiger, der eine „Insiderstellung“ innehatte. 847  Pepper v. Litton, 308 U.S.  295, 306 f. (S.Ct. 1939). 848  In the Matter of Multiponics, Incorporated, 622 F.2d 709, 715 (5th Cir. 1980). 849 Diese Bezeichnung ist abgeleitet von der Firma „Deep Rock Oil Corporation“, die Schuldnerin im Verfahren Taylor v. Standard Gas Co. (306 U.S.  307 [S.Ct. 1939]) war. Zur „deep rock doctrine“ Pepper v. Litton, 308 U.S.  295, 309 f. (S.Ct. 1939); In the Matter of Mul-

B.  Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA

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nicht mit dem von der Unterordnung betroffenen Anspruch in Zusammenhang stehen. 850 Eine Ausnahme von der Notwendigkeit, ein vorwerfbares Verhalten nach­ weisen zu müssen, wird in Fällen gemacht, in denen die Gesellschaft Anteile von einem Gesellschafter zurückkauft: „A transaction by which a corporation acquires its own stock from a stockholder for a sum of money is not really a sale. The corporation does not acquire anything of value equivalent to the depletion of its assets, if the stock is held in the treasury, as in this case. It is simply a method of distributing a proportion of the assets to the stockholder. The assets of a corporation are the common pledge of its creditors, and stockholders are not entitled to receive any part of them unless creditors are paid in full. When such a transac­ tion is had, regardless of the good faith of the parties, it is essential to its validity that there be sufficient surplus to retire the stock, without prejudice to creditors, at the time payment is made out of assets [...].“851

Ein solcher Rückkauf wird, wenn die Gesellschaft die Zahlungsverpflichtung gegenüber dem (ehemaligen) Gesellschafter nicht aus freien Mitteln bedienen kann, als per se „unfair“ im Sinne der Equitable Subordination-Doktrin ange­ sehen.852 bb)  Einschränkungen für Beteiligungen unter 50% Weiterhin ist zu beachten, dass der Delaware Chancery Court im Zusammen­ hang mit einer Public Corporation die Ansicht geäußert hat, dass, wenn der Anteilseigner nicht über mehr als 50% der Anteile verfüge, seine Einstufung als „controlling shareholder“ mit daraus resultierenden Treuepflichten grundsätz­ lich nur in Betracht komme, wenn er das Board of Directors kontrolliere, ver­ tragliche Blockaderechte eines 44%-Eigners genügten insoweit nicht.853 Diese Rechtsprechung wurde in einem insolvenzrechtlichen Zusammenhang für die Prüfung der Frage aufgegriffen, ob ein Vorzugseigner, der zugleich Inhaber von Fremdkapitaltiteln war, Kontrolle im Sinne der Rechtsprechung zur Equitable Subordination ausübe. Trotz der Tatsache, dass die betrachtete Gesellschaft, die die Vorzugsanteile hielt, zwei Sitze des Board of Directors innehatte und ohne sie keine Abstimmungsmehrheiten gebildet werden konnten, meinte das Ge­ richt, die Gesellschaft habe ihre Rechte im Wesentlichen nur als Fremdkapital­ tiponics, 622 F.2d 709, 717 (5th Cir. 1980). Zur Unterkapitalisierung In the Matter of Mobile Steel Co., 563 F.2d 692, 702 ff. (5th Cir. 1977). 850  In the Matter of Multiponics, Incorporated, 622 F.2d 709, 713 (5th Cir. 1980). 851  Robinson v. Wangemann, 75 F.2d 756, 757 (5th Cir. 1935); als gültiges Precedent im Zu­ sammenhang mit §  510(c) des Bankruptcy Code zitiert in: Reiner v. Washington Plate Glass Co., Inc., 27 B.R. 550, 551 f. (D.C.D.C. 1982). 852  Reiner v. Washington Plate Glass Co., Inc., 27 B.R. 550, 552 (D.C.D.C. 1982). 853  Supervision Services, Inc. v. ReliaStar Life Insurance Co., 2006 WL 2521426, 4 f. (Del. Ch. 2006).

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

gläubigerin ausgeübt und verneinte daher im Ergebnis die Einstufung als „con­ trol person“.854 c)  Besonderheiten der Venture Capital-Finanzierung Die Literatur verweist darauf, diese Rechtsprechung habe bislang für Wagnis­ kapitalfinanzierungen keine besondere Bedeutung erlangt, weil die Investoren sich in der Regel nicht mittels Fremdkapitals beteiligten.855 Angesichts der in­ zwischen häufiger üblichen Brückenfinanzierungen zwischen zwei Finanzie­ rungsrunden und in Down Rounds ist die dargestellte Judikatur durchaus rele­ vant.856 Zudem ist unklar, ob sich ein Gericht in einem besonders gelagerten Fall nicht doch der erläuterten Grundsätze bedienen wird, wenn anders der Schutz der Gründer nicht mehr zu gewährleisten ist. Der Sprung hierzu ist nicht weit. Auch Steueransprüche des Staates wurden vom United States Supreme Court schon für nachrangig erklärt.857 Darüber hinaus ist der Weg von der Androhung der Ausübung von Rückübertragungsrechten der Wagniskapitalgeber zur unter b)aa) zitierten Anteilsrückkaufrechtsprechung zu §  510(c) des Bankruptcy Code gleichfalls kurz. Im Übrigen finden sich Argumentationsmuster, deren sich die Gerichte im insolvenzrechtlichen Zusammenhang bedienen, in anderen Berei­ chen wieder, wie der Folgeabschnitt zeigt.

3.  Veränderung von Investitionsbedingungen Dass die am Ende des vorhergehenden Abschnitts vorgestellten Überlegungen zur Übertragbarkeit der Equitable Subordination-Rechtsprechung nicht aus der Luft gegriffen sind, belegt das Urteil des 7th Federal Circuit in „Wright v. Heizer Corporation“, dem ein Wagniskapitalfinanzierungssachverhalt zugrun­ de lag:858 Heizer hatte sich mittels Preferred Stock an der Gesellschaft IDC beteiligt und ihr gleichzeitig Darlehen zur Verfügung gestellt. Später erhielt Heizer wei­ tere Anteile, darunter auch Common Stock, wählte mehrere Mitglieder des Board of Directors und reichte daneben immer wieder Fremdkapital an IDC aus. Die Finanzierungsbedingungen waren stets zu seinem Vorteil, so enthiel­ ten die Vorzugsanteile etwa Wandlungsrechte mit Bedingungen zum Verwässe­ rungsschutz. Die Minderheitsgesellschafter klagten schließlich im Wege einer Derivative Action gegen Heizer. Dieser habe sich in den Finanzierungsrunden vier und fünf auf unlautere Weise Anteile verschafft. Dabei stützten sie sich auf 854  In re Marketxt Holdings Corp., 361 B.R. 369, 387 ff. (S.D.N.Y. 2007), unter Berufung auf Supervision Services, Inc. v. ReliaStar Insurance Co. (vorige Fußnote). 855  Bartlett, Equity Finance, §  9.2 (S.  192). 856  Zum Debt Financing oben §  2 V.1. 857  United States v. Noland, 517 U.S.  535 (S.Ct. 1996). 858  Wright v. Heizer Corporation, 560 F.2d 236 (7th Cir. 1977).

B.  Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA

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die allgemeine Vorschrift gegen Securities Fraud, Rule 10(b)5 zum Securities Exchange Act 1934, die auch auf Close Corporations anwendbar ist.859 In den Urteilsgründen argumentierte das Gericht ganz maßgeblich mit der kontrollierenden Stellung Heizers sowie mit Fairnesserwägungen. Heizer habe die Minderheitseigner nicht ausreichend über die Investitionsbedingungen auf­ geklärt. 860 Zwar lehnten die Richter die Anordnung eines Nachranges für die Darlehen ab.861 Doch ordneten sie eine Verlängerung der Fälligkeitsfristen der Darlehen an, „to make them commensurate with IDC’s ability to pay.“862 Bislang hat dieses Urteil keine Anhänger gefunden und wird in später ergan­ genen Entscheidungen kritisch betrachtet. Es vermische Fragen der Verletzung und der Existenz von aus einzelstaatlichem Recht herrührenden Treuepflichten mit solchen, die dem Bundesrecht zuzuordnen seien. Die Verletzung der Federal Securities Laws könne nicht mittels auf dem Recht eines Bundesstaates beru­ henden Überlegungen begründet werden. 863 Dennoch zeigt die Entscheidung, dass im Einzelfall aufgrund einer Heranziehung von Equity-Argumenten Er­ gebnisse erzielt werden, die aus Sicht des Gerichts Verstöße gegen den Grund­ satz des fairen Umgangs mit Minderheitsgesellschaftern ausgleichen sollen.

V. Fazit Die besondere Situation in Down Rounds führt grundsätzlich nicht dazu, dass Gerichte in die Gestaltungsfreiheit der Beteiligten – rückwirkend – eingreifen. Insbesondere dann, wenn es ausdrückliche Vereinbarungen gibt, die spezielle Sachverhalte betreffen, respektieren Richter die privat gesetzten Regeln. Die Benachteiligung von Gründern oder anderen Minderheitsgesellschaftern führt nicht per se dazu, dass die Kapitalgeber um ihre Rechte fürchten müssen. Kon­ trolliert wird weniger die Substanz oder das Ergebnis einer Handlung in mate­ rieller Hinsicht als vielmehr die Einhaltung bestimmter prozeduraler Vorga­ ben.

§  13  Gestaltungsbedingungen im Silicon Valley Das Silicon Valley ist der größte Markt für Venture Capital-Finanzierungen in den Vereinigten Staaten. 864 Die Vertragspraxis lässt sich nicht verstehen, ohne 859 

Zur Rule 10(b)(5) Kuntz, in: Ekkenga/Schröer, §  8 Rn.  494 f. Wright v. Heizer Corporation, 560 F.2d 236, 252 (7th Cir. 1977). 861  Wright v. Heizer Corporation, 560 F.2d 236, 254 (7th Cir. 1977). 862  Wright v. Heizer Corporation, 560 F.2d 236, 254 (7th Cir. 1977). 863  So selbst der 7th Circuit in Harris Trust and Sav. Bank v. Ellis, 810 F.2d 700, 704 (7th Cir. 1987). Vgl. des Weiteren Krieger v. Gast, 1998 WL 677161, 6 (N.D.Ill. 1998). 864  Zahlen im NVCA Yearbook 2015, S.  31 ff. 860 Vgl.

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

die Besonderheiten der dort herrschenden Marktverhältnisse zu betrachten. Außerrechtliche Faktoren prägen in ganz erheblichem Maße die Vertragsgestal­ tung und Vertragsdurchführung. Da viele Rechte der Investoren Kontrolle zwar ermöglichen, nicht aber die Kontrollausübung inhaltlich determinieren, etwa bei der Wahrnehmung von Stimmrechtsmehrheiten oder von Positionen im Board of Directors, hängt der Erfolg einer Finanzierung vielfach von den frei zu treffenden Entscheidungen ab. 865 Hier spielen außerrechtliche Steue­ rungsmittel, insbesondere die Reputation der Marktteilnehmer, eine erhebliche Rolle.866 Die Tragweite der oben beschriebenen Klauseln, so sie denn Eingang in eine der Abreden finden, und das Ausmaß der Kontrolle des finanzierten Unterneh­ mens lassen sich gerade aus Sicht des deutschen Betrachters deshalb sinnvoll nur dann bewerten, wenn Reputationsüberlegungen und die Rolle der Anwälte Be­ achtung finden. Daher werden im Folgenden zumindest die Grundstrukturen skizziert.

I.  Externe Verhaltenskontrolle der Investoren durch Reputation und Syndizierung Angesichts einer Vertragspraxis, die den Investoren viele Rechte gegenüber den Gründern einräumt, und mit Blick auf die Tatsache, dass die Kontrolle über das Unternehmen häufig nach relativ kurzer Zeit in die Hände der Kapitalgeber übergeht, liegt der Vorwurf nahe, Wagniskapitalfinanzierungen gingen zu Las­ ten der Gründer. Schließlich sind sie es, die die Ideen einbringen und die sich in der wirtschaftlich schwächeren Position befinden. Dies als Anlass zu nehmen, die Ausgestaltung des Beteiligungsverhältnisses als unfair oder überhart zu charakterisieren, wäre allerdings voreilig. Zunächst wären die Gründer niemals in der Lage gewesen, ihr Projekt überhaupt in die Tat umzusetzen, wenn nicht die Investoren bereit gewesen wären, das notwendige Geld zur Verfügung zu stellen. Aufgrund des hohen Investitionsrisikos sind Wagniskapitalbeteiligun­ gen mit sonstigen Finanzierungsformen nicht vergleichbar, insbesondere nicht mit Bankkrediten. Entscheidend ist jedoch ein weiterer Faktor – die faktischen Schranken einer allzu aggressiven Durchsetzung der aus dem Vertrag resultierenden Rechte. Eine sowohl in der wissenschaftlichen Literatur867 als auch in Interviews mit Praktikern immer wieder hervorgehobene Rolle spielt hierbei die Reputation der Investoren (dazu 2.). Um sich die Auswirkungen von Reputationsverlusten

865 

Gilson, 55 Stan. L. Rev. 1067, 1085 (2003). Für Reputation Gilson, 55 Stan. L. Rev. 1067, 1086 (2003). 867 Grundlegend Black/Gilson, 47 J. Fin. Econ. 243, 262 (1998). 866 

B.  Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA

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vor Augen führen zu können, bedarf es zunächst eines Exkurses zur Bedeutung der Syndizierung von Finanzierungen (sogleich 1.).

1.  Syndizierung und Netzwerkeffekte Häufig beteiligt sich ein Investor nicht allein an einem Unternehmen, sondern mehrere Kapitalgeber bilden ein Konsortium. 868 In den USA schwankte der Prozentsatz solcher syndizierter Beteiligungen zwischen ca. 45% und etwas mehr als 50% in den Jahren von 1989 bis 1998 und stieg schließlich 1999 und 2000 auf deutlich über 60% an. 869 Die Gründe für Syndizierung liegen unter anderem in dem Bemühen der Kapitalgeber, Investitionsrisiken zu streuen, die Informationsbasis zu verbreitern und die Beteiligung an zukünftigen Transak­ tionen zu sichern.870 Das wiederholte Mitwirken von Investoren in verschiede­ nen Konsortien führt zu einem Netzwerkeffekt, der erhebliche Auswirkungen auf den wirtschaftlichen Erfolg der Kapitalgeber hat.871 Je kleiner die Region ist, in der sich Netzwerke ausbilden können, die für Syndizierungsentscheidungen von Bedeutung sind, desto größer wird die Relevanz guter Vernetzung. In Ka­ lifornien sind die wirtschaftlichen Effekte doppelt so stark wie in den übrigen Staaten der USA. 872 Von wesentlicher Bedeutung aus Kapitalgebersicht sind der Zugang zu besser vernetzten Investoren sowie die Häufigkeit, mit der zur Teil­ nahme an einer Syndizierung eingeladen wird.873

2. Reputation a)  Der Markt für Reputation im Silicon Valley Die Venture Capital-„Industrie“ in Kalifornien konzentriert sich sowohl hin­ sichtlich der finanzierten Unternehmen als auch mit Blick auf die Investoren auf einen sehr überschaubaren Raum, die South Bay Area südlich von San Francis­ co.874 Investoren und Gründer stehen daher schon aufgrund dieser geographi­ 868 Einen Überblick über die Struktur solcher Konsortien geben Wright/Lockett, 40 J. Man. Stud. 2073, 2078 ff. (2003). 869  Wright/Lockett, 40 J. Man. Stud. 2073, 2075 (2003), die für den Zeitraum nach 2000 keine Angaben mehr für die USA machen. 870 Vgl. Casamatta/Haritchabalet, 16 J.Finan.Intermediation 368 (2007), die weiterhin da­ rauf verweisen, dass Syndizierung der Beschränkung von Wettbewerb diene; Wright/Lockett, 40 J. Man. Stud. 2073, 2096 f. (2003). 871 Hierzu Hochberg/Ljungqvist/Lu, 62 J. Fin. 251 (2007). „Netzwerk“ ist nicht vollstän­ dig deckungsgleich mit „Syndizierung“, vgl. dies., aaO., 280. Zudem benutzen Hochberg/ Ljungqvist/Lu zwei unterschiedliche Begriffe von Syndizierung, je nach untersuchten Fakto­ ren (aaO., 259). Das ändert aber nichts an der Aussagekraft für die hier diskutierte Problema­ tik der Bedeutung von Reputationsverlusten für Investoren. 872  Hochberg/Ljungqvist/Lu, 62 J. Fin. 251, 254, 292 f. (2007). 873  Hochberg/Ljungqvist/Lu, 62 J. Fin. 251, 253, 284 ff. (2007). 874  Zur Entwicklung dieser Region Saxenian, Regional Advantage, S.  29 ff.

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

schen Enge in intensivem Kontakt, sowohl jede Marktseite für sich als auch marktseitenübergreifend. Zudem wird die Ausprägung einheitlicher Standards und einer bestimmten „Marktkultur“ begünstigt. aa)  Vernetzung der Investoren Ein großer Teil der Investoren hat seinen Sitz entlang einer einzigen Straße, der Sand Hill Road, zudem beschränken die Kapitalgeber ihre Beteiligungen häufig auf in näherem Umkreis befindliche Unternehmen. 875 1992 etwa befanden sich von ca. 650 Beteiligungsgesellschaften in den USA ungefähr 120 in der Region des Silicon Valley und San Franciscos.876 An einer einzigen Adresse – 3000 Sand Hill Road, Menlo Park, California – hatten 1992 mehr als dreißig Gesellschaf­ ten entweder ihren Hauptsitz oder eine Zweigniederlassung. Diese Gesellschaf­ ten allein kontrollierten mit mehr als USD drei Milliarden 10% des gesamten Wagniskapitals in den USA. In nahegelegenen Gebäudekomplexen befanden sich sieben weitere Kapitalgeber mit weiteren USD 750 Millionen an verwalte­ tem Vermögen. 877 In einer 2003 veröffentlichten Untersuchung wird dargestellt, dass zu dieser Zeit Investoren im Silicon Valley im Durchschnitt zwei bis drei durch Investiti­ onen in dasselbe finanzierte Unternehmen vermittelte Verbindungen zu ande­ ren Kapitalgebern aus dieser Region hatten.878 Die Verbindungsdichte zwischen den erfolgreichsten Investoren, sämtlich mit Sitz im Bereich Los Altos/Menlo Park/Palo Alto, lag dreimal bis fünfmal höher als der auf das gesamte unter­ suchte Netzwerk von Beteiligungsgesellschaften bezogene durchschnittliche Wert. 879 Die 20 erfolgreichsten Unternehmen, die für über 50% der vergebenen Mittel im Silicon Valley verantwortlich zeichneten, hatten durchschnittlich acht durch Investitionen in das gleiche Unternehmen vermittelte Kontakte.880 Es ist nicht anzunehmen, dass sich dieses Bild entscheidend geändert hat. Von den aktivsten 25 US-Investoren im Jahr 2014, die für 33% der Transaktionen in 2014 verantwortlich sind, befanden sich allein 15 im Silicon Valley sowie einer in San Francisco.881 875 Dazu Lerner, 50 J. Fin. 301 (1995); vgl. auch Black/Gilson, 47 J. Fin. Econ. 243, 262 mit Fußn. 10 (1998). Empirisch Bernstein/Giroud/Townsend, The Impact of Venture Capital Mo­ nitoring. Zur Geschichte der Investoren, die ursprünglich der Gründerseite entstammten und daher mit der Kultur stark vertraut waren, Saxenian, Regional Advantage, S.  39 f. 876  Bygrave/Timmons, S.  186. Zum Vergleich: 75 in Boston und 125 in New York City. 877  Sämtliche Angaben nach Bygrave/Timmons, S.  186 f. 878  Castilla, 25 Int. J. Technology Management 113, 118 (2003). 879  Castilla, 25 Int. J. Technology Management 113, 118 (2003). 880  Castilla, 25 Int. J. Technology Management 113, 119 (2003). 881  In Menlo Park (9), Mountain View (2), Palo Alto (3) und Santa Clara (1), s. Pricewater­ houseCoopers, MoneyTree Report 2014, S.  12. Zum Vergleich 2009: Von den aktivsten 58 US-Investoren im Jahr 2009 befanden sich allein 27 im Silicon Valley und 3 in San Francisco, PricewaterhouseCoopers, MoneyTree Report 2009, S.  12.

B.  Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA

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Diese Faktoren haben zur Etablierung eines Marktes für Reputation ge­ führt.882 Wenn sich ein Investor zu aggressiv verhält oder sogar zu unlauteren Mitteln greift, führt dies aufgrund der engen Vernetzung – jedenfalls im Silicon Valley – zu einem Verlust von Reputation bei anderen Kapitalgebern, Gründern und den Fondsinvestoren, so dass sich jedenfalls die „guten“ Marktteilnehmer abwenden.883 Eine Literaturmeinung äußerte kritisch, weil es an einer zentralisierten Plattform für den Informationsaustausch, vergleichbar mit einer Wertpapier­ börse, fehle, sei der Markt für Informationen nicht effizient. Neben dem Pro­ blem der Zentralisierung mangele es unter Umständen an Anreizen, Informati­ onen über unlauteres Verhalten offen zu legen.884 Intermediäre wie Anwälte hätten außerdem möglicherweise keine neutrale Einstellung zur Weitergabe von Informa­tionen. 885 Diese Kritik ist nicht nur hinsichtlich ihrer theoretischen Prämissen angreif­ bar.886 Sie unterschätzt vielmehr die vielen Formen der Förderung von Vernet­ zung im Silicon Valley, die von den Marktteilnehmern aktiv betrieben wird. Zum einen geht die Vermittlerrolle von Anwälten weit über die bloße Interme­ diation von Informationen hinaus.887 Zum anderen gibt es einen engen Aus­ tausch zwischen Investoren und Gründern. Die Kapitalgeber beschäftigen re­ gelmäßig „Entrepreneurs in Residence“, die für die Bewertung und Betreuung von Portfoliounternehmen sowie zur Evaluation von Geschäftsplänen einge­ setzt werden. So sichern sich die Investoren aktuelles technisches Know-how, das erfolgreiche Gründer liefern können. Gleichzeitig erhalten Gründer auf diese Weise besseren Zugang zu Kapital und allgemein zum Netzwerk des In­ vestors. Insgesamt gewährleistet dieses System eine vertikale Verknüpfung von Kapitalgebern und Gründern, die jeweils Sonderwissen aus ihrer Gemeinschaft haben. In jüngerer Zeit gibt es Versuche, gezielt soziale Netzwerke zu schaffen. So hat etwa ein Kapitalgeber an für Venture Capital zentralen Orten Einrichtun­ gen geschaffen, die das Aufeinandertreffen von Gründern und Investoren ver­ einfachen sollen.888 882  Black/Gilson, 47 J. Fin. Econ. 243, 254 f., 263 (1998). Die Bedeutung von Reputation betont auch Sahlman, 27 J. Fin. Econ. 473, 513 (1990). 883  Black/Gilson, 47 J. Fin. Econ. 243, 254 f. (1998). 884  Smith, 2 J. Small & Emerging Bus. L. 133, 161 (1998). 885  Smith, 2 J. Small & Emerging Bus. L. 133, 162 (1998). 886  Aus den sogleich im Text genannten Gründen bedarf es insoweit keiner weiteren Dis­ kussion. Hingewiesen sei auf einen zu eng gefassten Begriff des „Marktes“, auf den fragwür­ digen Vergleich mit einer Wertpapierbörse sowie auf die unreflektierte Nutzung des Effizi­ enzbegriffes, für den es im Zusammenhang mit Informationen nicht darauf ankommt, dass jede Information weitergegeben wird, solange die Menge tatsächlich ausgetauschter Informa­ tionen ausreicht, um ein Bild vom Geschäftsgebaren eines Investors zu vermitteln. 887  Dazu unten III. 888 http://dogpatchlabs.com.

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

bb)  Ähnliche Prägung der Gründer Historisch verstehen sich die Gründer als Teil einer besonderen Gemeinschaft, die in den Anfängen der Entwicklung der Region, die heute als Silicon Valley bekannt ist, ein hohes Maß an Homogenität hinsichtlich der Gründerpersön­ lichkeiten aufwies: Anfang zwanzig, männlich, weiße Hautfarbe, Studium in Stanford oder am MIT, keine vorherige Bindung an die Region, keine Erfah­ rung in der Industrie. Hieraus entwickelte sich ein informelles Netzwerk mit starken persönlichen Verflechtungen der Unternehmensmitarbeiter.889 Viele dieser Aspekte spielen auch heute noch eine große Rolle. 890 Die Univer­ sitäten Stanford und Berkeley pflegen enge Verbindungen zu den Marktteilneh­ mern, viele Gründer haben ein Studium in Stanford absolviert oder sind der Universität auf andere Weise verbunden. 891 Etliche Gründer stammen nicht aus den USA, so dass die Bedeutung der Pflege persönlicher Netzwerke vor Ort eine größere Bedeutung hat, weil nicht auf anderweitig vorhandene soziale Strukturen zurückgegriffen werden kann. 892 Außerdem findet jeder Gründer eine bereits etablierte Geschäftskultur vor, die er nicht ignorieren kann, selbst wenn er nicht mehr den traditionellen Mustern entspricht. Ein vom Autor be­ fragter deutscher „Seriengründer“ hob hervor, wie einfach es sei, mit jemandem ins Gespräch zu kommen.893 b) Empirie Die bislang getroffenen Aussagen finden weitere Bestätigung in der Empirie: Generell lässt sich für Venture Capital-Finanzierungen zeigen, dass die Beteili­ gung eines Investors an einem Prozess seine Reputation schädigt ([aa]). Das gilt dann umso mehr, je enger die Bindungen der Marktteilnehmer sind, also insbe­ sondere in eng vernetzten Regionen wie dem Silicon Valley. Außerdem sind die 889 

Saxenian, Regional Advantage, S.  30 ff. zum Frauenanteil und zum Anteil verschiedener Minderheiten den Venture Census 2011, herausgegeben von der National Venture Capital Association mit DowJones Venture Source, abrufbar unter http://nvcaccess.nvca.org/index.php/topics/research-andtrends/256-2011-venture-census-results-out-today.html. Zur nach wie vor geringen Quote von Gründerinnen Candida Brush/Nancy Carter/Elizabeth Gatewood/Particia Greene/ Myra Hart, Gatekeepers of Venture Growth, 2004, abrufbar unter http://www.kauffman. org/uploadedFiles/Diana_2004.pdf. 891  Auch andere Universitäten sind bekannt dafür, erfolgreiche Gründerpersönlichkeiten hervorgebracht zu haben (etwa Harvard). Der Kreis dieser Universitäten ist jedoch gemessen an der Gesamtzahl von Hochschulen in den USA sehr klein. Daraus ergeben sich erneut An­ satzpunkte für eine Vernetzung der Absolventen untereinander. 892  Nach einem Bericht im Magazin „The Economist“ (vom 28.07.2012, S.  18) befanden sich zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Hefts ca. 50.000 Deutsche im Silicon Valley und 500 junge Unternehmen mit französischen Gründern in der „San Francisco Bay area“. 893  Gespräch am 23.02.2010. Der Befragte passt im Übrigen in das oben beschriebene Mus­ ter: Stanford-Alumnus, bei der ersten Unternehmensgründung wenig Geschäftserfahrung, zwischenzeitlich in der Lehre in Stanford tätig. 890 Vgl.

B.  Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA

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Beteiligungsvereinbarungen im Silicon Valley deutlich gründerfreundlicher als entsprechende Abreden an anderen Orten in den Vereinigten Staaten (bb]). aa)  Prozessbeteiligung und Reputationsverluste Ausnahmslos jeder Gesprächspartner des Autors betonte, wie wichtig der In­ formationsfluss im Silicon Valley sei und wie schnell sich Neuigkeiten verbrei­ teten. Mag dies wegen des eher anekdotischen Charakters der Berichte noch kein ausreichender empirischer Nachweis für die Bedeutung von Reputation sein, lässt sich inzwischen eine Studie heranziehen, in der die Auswirkungen der Prozessbeteiligung eines Investors auf dessen wirtschaftlichen Erfolg un­ tersucht werden. In dieser Studie werden wirtschaftlich nachteilige Verände­ rungen im Anschluss an die Prozessbeteiligung eines Wagniskapitalgebers als Stellvertretermerkmal für einen eingetretenen Reputationsverlust genutzt. In jeder Dimension ihrer Geschäftsbeziehungen müssen in Prozesse verstrickte Kapitalgeber Verluste hinnehmen. Insbesondere mehrfach als Beklagte auftre­ tende Investoren erleiden signifikante Rückgänge im verwalteten Vermögen.894 Zudem sinkt die Zahl der Transaktionen, an denen sie mitwirken. 895 Am schäd­ lichsten wirken sich Klagen von Gründern gegen die Kapitalgeber aus.896 Dass die hier beschriebenen Phänomene auch in umgekehrter Richtung wir­ ken, Gründer also unter Umständen befürchten müssen, aufgrund einer Klage bei den Investoren in Verruf zu geraten, bedarf keiner weiteren Erläuterung.897 bb)  Der „California Effect“ in der Klauselgestaltung Wie bereits im Zusammenhang mit den einzelnen Klauseln dargestellt wurde, gibt es insbesondere mit Blick auf für Gründer nachteilige Klauseln erhebliche Differenzen zwischen der Verwendungshäufigkeit in Kalifornien beziehung­ weise im Silicon Valley und in sonstigen Regionen in den USA, die für Venture Capital-Finanzierungen bekannt sind. 898 Vereinbarungen aus dem Silicon Val­ ley sind deutlich gründerfreundlicher, bestimmte Abreden gibt es fast nur au­ ßerhalb dieser Region.899

894 

Atanasov/Ivanov/Litvak, 67 J. Fin. 2215, 2241 (2012). Atanasov/Ivanov/Litvak, 67 J. Fin. 2215, 2240 (2012). 896  Atanasov/Ivanov/Litvak, 67 J. Fin. 2215, 2241 (2012). 897  Dies vermuten auch Atanasov/Ivanov/Litvak, 67 J. Fin. 2215, 2221 (2012), die diesen Gedanken aber angesichts ihres Studienziels nicht weiter verfolgen. 898  Verwiesen sei hier noch einmal auf die Studie von Bengtsson/Ravid, Geography, S.  36 (Table 3, Panel C). Unterschiede in den Regionen werden häufig auch in den von Antwalts­ kanzleien herausgegeben Statistiken aufgeführt, vgl. etwa Cooley, Venture Financing Report 2014, S.  7. 899  Zu verschiedenen Covenants O’Connor et al., Emerging Growth Companies, 19-1. 895 

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

II. Opportunitätskosten Zu berücksichtigen ist, dass die Kapitalgeber ihre Beteiligung nicht unter juris­ tischen, sondern unter geschäftlichen Aspekten betrachten. Für sie ist allein die Wertmaximierung ihres Portfolios maßgeblich. Der wesentliche Anteil ihrer Erträge fließt ihnen aus den „home runs“ zu, einer relativ geringen Anzahl sehr erfolgreicher junger Unternehmen.900 Weniger ertragsstarke oder gar verlustrei­ che Beteiligungen versuchen die Investoren möglichst zügig abzuwickeln, weil die Opportunitätskosten des eingesetzten Kapitals anderenfalls zu hoch wer­ den. Es lohnt sich in vielen Fällen, sich zur Not unter Inkaufnahme von Verlus­ ten von einem mäßig erfolgreichen Unternehmen zu lösen, weil mit einer Rein­ vestition der wiedergewonnenen Mittel in ein wirtschaftlich aussichtsreicheres Unternehmen die Verluste schnell wieder ausgeglichen werden. Das bedeutet nicht, dass die Investoren auf ihre Rechte aus dem Vertrag verzichten. Aber sie setzen sie häufig nicht in letzter Konsequenz durch. Ein Prozess kostete Zeit und Geld, zudem wäre der eintretende Reputationsverlust schädlich, wie oben gezeigt wurde. Die Rechte der Investoren dienen mehr als Druckmittel und Orientierungs­ punkt für Neuverhandlungen, um die Gründer zur Kooperation zu bewegen. Doch sind die Dinge hier angesichts einer zunehmenden Zahl an Marktteilneh­ mern und in Zeiten knapper(er) Mittel nach 2001 und 2008 ein Stück weit im Wandel. So gibt es inzwischen einen „Venture Capital Litigation Reporter“, des­ sen Herausgeber damit wirbt, jeden Monat mehr als 20 laufende Fälle darzustel­ len.901

III.  Besonderheiten des anwaltlichen Beratungsgeschäfts 1.  Beschränkung des Marktes auf wenige Kanzleien Neben den eben beschriebenen Faktoren ist ein weiterer Aspekt bei der Begren­ zung der Vertragsgestaltung zu berücksichtigen, nämlich die spezifische Rolle der Kanzleien, die im Silicon Valley das Wagniskapitalgeschäft begleiten.902 Der Markt wird von wenigen903 Kanzleien beherrscht, die sämtlich vor Ort ansässig sind. Die größeren – und älteren – Einheiten im nahe gelegenen San Francisco, die umfassende wirtschaftsrechtliche Beratung anbieten, spielen eine deutlich 900 

Statistische Angaben oben in A. §  2 I.2. Venture Capital Litigation Reporter, s. http://pagemillpublishing.net/. Zu beachten ist, dass es sich keineswegs um jeweils 20 neue Verfahren handelt, sondern jede Ausgabe Berichte zum Prozessfortgang schon bekannter Fälle enthält. Des Weiteren wird nicht nach Regionen differenziert, die Fälle stammen aus allen Staaten der USA. 902  Ausführlich hierzu Suchman, in: Kenney (Ed.), Understanding Silicon Valley, S.  71 ff. 903  Im Jahr 2010 handelte es sich, je nach Gesprächspartner, um vier bis fünf Kanzleien, die die bei weitem größte Zahl an Transaktionen betreuen. 901 

B.  Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA

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geringere Rolle.904 Jede dieser marktführenden Kanzleien vertritt beide Seiten, also Gründer und Wagniskapitalgeber.905 Aufgrund des engen Marktes kann sich kein Anwalt leisten, einen Mandantentypus zu verprellen, weil er die Inte­ ressen seines Mandanten in einer Transaktion – in der Wahrnehmung des Ge­ genübers – zu aggressiv vertritt. Solches Verhalten schädigt nicht nur seine Re­ putation bei den Mandanten, sondern auch bei den anderen Vertretern des Be­ rufsstandes. Letzteres ist deshalb ein Problem, weil sich immer wieder die gleichen Personen begegnen. Anekdotisch wurde dem Autor etwa davon be­ richtet, dass, nachdem ein angestellter Anwalt der Kanzlei A (Vertreterin der Investoren) aus Sicht der Kanzlei B marktunüblich harte Bedingungen verhan­ deln wollte, sich der zuständige Partner von B bei dem verantwortlichen Partner von A beschwerte. Dies hatte – nach einer Zurechtweisung des Associates – eine unmittelbar vollzogene Abmilderung des zugrunde gelegten Vertragsentwurfs zur Folge.906 Jeder befragte Anwalt wies darauf hin, es gebe einen allgemein anerkannten Marktstandard für Klauseln, die annehmbar seien. Das Eigeninte­ resse der Advokaten, den Mandantenstamm zu erhalten, führt zu einer Diszi­ pli­nierung und zu einer gewissen Regulation dessen, was überhaupt zur Ver­ handlung gelangt. Das heißt natürlich nicht, dass ein Anwalt nicht im Interesse seines Mandanten verhandelt oder gar, dass Gründer ohne anwaltliche Vertreter keine Nachteile zu befürchten hätten.907

2.  Beschränkter Beratungsumfang Vertritt eine Kanzlei die Gründerseite, gibt es einen Beratungsumfang, der als realistischerweise einforderbar gilt. Das verstärkt die ohnehin vorhandenen Anreize zur Standardisierung, weil umfassende Verhandlungen für die Grün­ der nicht bezahlbar wären. Für die Investoren hat das den Vorteil, dass die Be­ teiligung schneller zustande kommt und sie die Vertragsinhalte vorhersehen können. Verhandelt wird deshalb nicht ausführlich über die Aufnahme be­ stimmter Klauseln, sondern über die konkrete Gestaltung der als Standard gel­ tenden Bedingungen. So dreht sich die Diskussion nicht um die Frage, ob Rege­ lungen zum Vesting überhaupt Vertragsinhalt werden sollen, sondern darum, wann die Vesting Period beginnt. Diese als Notwendigkeit begriffene Verein­ heitlichung der Grundstrukturen jeder Beteiligung führt zur Begrenzung der Bereitschaft, ungewöhnliche Klauseln zu diskutieren.908 904 

90 ff.

Zu den Gründen Suchman, in: Kenney (Ed.), Understanding Silicon Valley, S.  71, 77 f.,

905  Lediglich die Angaben zur Verteilung schwanken: zwischen 40% Gründervertretung und 60% Investorenvertretung bis zu einer 50-50-Verteilung. 906  Gespräch am 12.03.2010. 907 Hierzu Bengtsson, Intermediaries. 908  Änderungen sind in späten Finanzierungsrunden üblicher, wenn Investoren hinzutre­ ten, die nicht mehr dem „klassischen“ Venture Capital-Bereich zugeordnet werden. Das be­

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

3.  Contingency Fees Die Vergütungsstrukturen von Anwälten sind den Besonderheiten des Marktes angepasst. Vertritt eine Kanzlei die Gründer, werden Vergütungsforderungen regelmäßig gestundet („deferred billing“) oder mittels einer Beteiligung an der Gesellschaft in Form von Anteilen beglichen („equity compensation“).909 Das prägt und begrenzt den Beratungsmarkt erheblich. Zweigniederlassungen größerer Kanzleien, die traditionell wirtschaftsrecht­ liche Beratung außerhalb des Venture Capital-Bereichs betreiben und erst seit einigen Jahren verstärkt versuchen, im Silicon Valley Fuß zu fassen, akzeptieren „never, ever“910 Anteile als Vergütung. Auch sind sie weniger flexibel im Defer­ red Billing. Ein Grund hierfür liegt nach Auskunft eines dazu befragten Prak­ tikers in den kanzleiinternen Vergütungsstrukturen, die den Erfolg der Partner nach Kriterien bemessen, die aus dem herkömmlichen Beratungsgeschäft her­ rühren und laufende Zahlungen für Beratungsleistungen voraussetzen.911 Hin­ zu kommen eine weniger laxe Einstellung zu den Interessenkonflikten, die aus Contingency Fees entstehen, und steuerrechtliche Probleme.912 Daher be­ schränken sich diese Kanzleien auf sogenannte „repeat founders“ und „serial entrepreneurs“ oder auf Gründer, die zumindest eine belastbare Hintergrund­ geschichte haben. Der erwähnte Anwalt betonte ausdrücklich: „We do not counsel two kids from Stanford with just an idea in their pocket.“913 Die aus den dargestellten Vergütungsstrukturen resultierenden Probleme, was die standesrechtlichen und berufsethischen Vorgaben angeht, werden in Kauf genommen.914 Für die Gründer besteht angesichts fehlender finanzieller Mittel häufig keine andere Wahl. Wenn sie Wert auf eine Beratung durch eine mit den Besonderheiten des Venture Capital-Geschäfts vertraute Kanzlei legen, müssen sie die damit verbundenen Beratungskosten in jeder Hinsicht akzeptie­ ren.915 Die Beauftragung eines günstigeren marktexternen Anwalts bietet keine trifft etwa Private Equity Fonds, die kurz vor der Liquidation der Beteiligungsverhältnisse (nota bene: Liquidation meint hier Verkauf oder IPO, oben §  2 III.1.) hinzukommen. In die­ sem Stadium sind Überlegungen zur Vergütung allerdings weit weniger relevant. 909  Aus der Literatur hierzu etwa Suchman, in: Kennedy (Ed.), Understanding Silicon Val­ ley, S.  71, 91 f.; Suchman/Cahill, 21 Law and Social Inquiry 679, 691 ff. (1996). 910  Interview am 22.03.2010. 911  Interview am 22.03.2010. 912  S.  den anekdotischen Bericht von Suchman/Cahill, 21 Law and Social Inquiry 679, 694 (1996). 913  Interview am 22.03.2010. 914  Vgl. aber McAlpine, 47 UCLA L. Rev. 549 ff. (1999), die argumentiert, der Mandanten­ schutz sei grundsätzlich nicht gefährdet. Aufgrund der standardisierten Praktiken und wegen des aus der Beteiligung resultierenden Anreizes, den Unternehmern zum Erfolg zu verhelfen, hält McAlpine aaO., 569 ff., die tatsächliche Entstehung eines Interessenkonfliktes für wenig wahrscheinlich. 915  Typischerweise werden als Vergütung gewährte Anteile in einen von der Kanzlei gehal­ tenen Fonds eingebracht. Zudem müssen die Gründer auf sämtliche Ansprüche wegen der

B.  Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA

213

Perspektive, da er im Regelfall die Interessen nicht korrekt gewichtet und keine adäquate Beratung anbieten kann.916 Spätestens mit der ersten Finanzierungs­ runde sehen sich die Gründer gezwungen, auf erfahrene Berater zurückzugrei­ fen.

4.  Unternehmerische Beratung durch Anwälte Über die Rechtsberatung hinaus sind Anwälte im Silicon Valley häufig an dem Zustandekommen von Finanzierungen beteiligt. Die Investoren verlassen sich auf die Qualität der Hinweise von Anwälten, die ihnen Gründer empfehlen. Anwälte nehmen folglich eine Rolle ein, die in anderen Wirtschaftszweigen von Marktteilnehmern wahrgenommen wird, die keine genuine juristische Bera­ tung leisten. Sie fungieren als Kontrolleure und „Gatekeeper“, indem sie Grün­ der unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten beurteilen und nur die aus ihrer Sicht „guten“ Unternehmer weiterempfehlen.917 Dieser Umstand und die aus langjähriger Beratungstätigkeit resultierende Erfahrung der Anwälte führen zudem dazu, dass sich Gründer in vielen Fällen an ihre Berater nicht nur wegen juristischer Fragen wenden, sondern mit ihnen auch wirtschaftliche Probleme erörtern.918 Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Partner, der im Laufe von Jahrzehnten insgesamt mehrere tausend Finanzie­ rungsrunden hat beobachten und gestalten können, ein auftauchendes Problem schon einmal gesehen hat und bewältigen helfen musste, ist sehr hoch. Diese Rolle als Unternehmensberater fördert die Herausbildung einheitlicher Trans­ aktions- und Wirtschaftsstandards. Zum einen bleibt die Zahl der Berater ge­ messen an der Zahl der Marktteilnehmer klein. Zum anderen begünstigt diese Tätigkeit den Standardisierungsprozess hinsichtlich der Verhaltensnormen im Silicon Valley. Es haben sich so Strukturen entwickeln können, die die Grenzen für „akzep­ tables“ Verhalten ziehen. Neben die Standardisierung juristischer Dokumente tritt eine Standardisierung von Vorgehensweisen, die soziale Normen erzeugt. Das begrenzt die Varianten möglicher Problembewältigungsstrategien und sorgt gleichzeitig für eine hohe Wahrscheinlichkeit von tatsächlichen Sanktio­ nen bei einem Verstoß gegen die informell definierten sozialen Standards im Markt. auftretenden Interessenkonflikte, die sich aus der Doppelstellung der Kanzlei als Mitglied und Beraterin ergeben können, verzichten und ausdrücklich in die Beratung durch diese Kanzlei einwilligen. 916  Zu den tatsächlichen Auswirkungen der Vertretung von Gründern durch nicht spezia­ lisierte Anwälte Bengtsson, Intermediaries, S.  13 ff. 917 Hierzu Suchman, in: Kenney (Ed.), Understanding Silicon Valley, S.  71, 78 ff.; Suchman/Cahill, 21 Law and Social Inquiry 679, 698 f. (1996). 918  Hierzu und zum Folgenden ausführlich Suchman, in: Kenney (Ed.), Understanding Silicon Valley, S.  71 ff.; Suchman/Cahill, 21 Law and Social Inquiry 679, 699 ff. (1996).

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

IV.  Standardisierung der Klauselwerke im Silicon Valley Zu der Standardisierung der Verhaltensweisen und sozialen Normen im Silicon Valley tritt ein hohes Maß an Standardisierung der Finanzierungsvereinbarun­ gen. Diese Standardisierung geht so weit, dass eine der renommiertesten Kanz­ leien im Silicon Valley einen „term sheet generator“ in das Internet eingestellt hat, der nach Auskünften der dazu befragten Anwälte anderer Kanzleien die gebräuchlichen Bedingungen im Wesentlichen generiert.919 Der Vereinheitlichungsprozess ist nicht nur Nebenprodukt der finanziellen Zwänge, sondern wird von den Kanzleien aktiv betrieben. So wurden unter der Schirmherrschaft der National Venture Capital Association Musterdokumente entworfen, die für jeden Interessierten von der Homepage der Vereinigung her­ untergeladen werden können.920 Hierauf verwies wiederum jeder Gesprächs­ partner des Autors mit der Bemerkung, sie setzten Standards, die in der „com­ munity“ Widerhall fänden.921 Dieses hohe Maß an Konformität prägt die Erwartungen der Beteiligten und senkt die Toleranz für Abweichungen und die Verhandlung besonderer Bedin­ gungen erheblich. Jede unbekannte oder ungewöhnliche Klausel verursacht Kosten, die unter allen Umständen vermieden werden sollen. Aus Sicht der An­ wälte wird die entsprechende Arbeit – Entwurf neuer Klauseln und längere Ver­ handlungen – nicht ausreichend entlohnt. Von der Warte der Investoren aus, die den Marktstandard erwarten, erzeugen neue Bedingungen Rechtsunsicherheit und sind wegen des mit der Prüfung verbundenen Zeit- und Kostenaufwands unbeliebt.922

V.  Vorprägung der Klauseln späterer Finanzierungsrunden durch die Erstrundengestaltung Zu den eben genannten Faktoren, die jedenfalls in einem gewissen Rahmen für eine faktische Kontrolle des Investorenverhaltens sorgen, tritt ein weiterer Ge­ sichtspunkt: In der ersten Finanzierungsrunde werden die Rahmenbedingun­ gen für die gesamte weitere Unternehmensentwicklung geschaffen. Die Klau­ seln der Series A bestimmen das Verhalten neuer Kapitalgeber. Denn diese wol­ len mindestens die gleichen Rechte haben wie die Inhaber der Vorzugsanteile 919 http://www.wsgr.com/wsgr/Display.aspx?SectionName=practice/termsheet.htm. 920 

Abrufbar unter http://www.nvca.org/. betonten allerdings die im Silicon Valley tätigen Anwälte, die Doku­ mente der National Venture Capital Association litten an einem „Eastcoast Bias“, seien also deutlich investorenfreundlicher als die typischen Bedingungen in Kalifornien und würden daher an der Westküste nur unter Vorbehalt herangezogen. 922  Vgl. zur geringen Varianz der von den einzelnen Investoren genutzten Bedingungen Bengtsson/Bernhardt, Different Problem, S.  12 ff. 921  Einschränkend

B.  Ein Modell freier Gestaltung: Venture Capital-Vereinbarungen in den USA

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der ersten Serie.923 Setzt ein Investor also eine Full Ratchet-Klausel in der Serie A durch, wird im Zuge der Verhandlungen über die Serie B entweder ein Ver­ zicht verlangt werden oder aber ein gleichwertiger Verwässerungsschutz. Hat sich das Unternehmen plan- und hoffnungsgemäß gut entwickelt, werden die Anteile in der zweiten Runde höher bepreist. Das bedeutet zugleich, dass sich eine Verwässerungsschutzklausel wesentlich stärker auf die Beteiligungsver­ hältnisse auswirkt als eine Erstrundenvereinbarung. Es macht einen Unter­ schied, ob die Inhaber der Serie A gegen Verwässerung von Anteilen geschützt werden, für die sie einen Dollar bezahlt haben, oder ob es sich um Inhaber der Serie B handelt, die ein Mehrfaches hiervon leisten mussten. Gleiches gilt für Dividenden- und Liquidationsvorzugsrechte. Zu harte Bedingungen in frühen Finanzierungsrunden führen dazu, dass sich die Berechtigten wirtschaftlich ins eigene Fleisch schneiden, weil sie später eine Verschlechterung ihrer Position hinnehmen müssen, die sie selbst verur­ sacht haben. Das gilt umso mehr, wenn die nachfolgende Finanzierungsrunde eine Flat Round (zu gleichen Preisen) oder eine Down Round sein sollte, weil die in diesem Fall hinzutretenden neuen Kapitalgeber noch mehr auf mindes­ tens gleichwertigen Schutz achten.924 Es hat unter wirtschaftlichen Gesichts­ punkten deshalb wenig Sinn, zu aggressiv vorzugehen. Das gilt erst recht einge­ denk des Umstandes, dass das wirksamste Instrument eines Wagniskapitalge­ bers zur Finanzierungskontrolle das Staging bleibt.925 Befindet sich das Unternehmen in der denkbar schlechtesten Lage, schützen auch sehr weitrei­ chende Rechte nicht mehr vor einem Verlust des eingesetzten Kapitals. Die not­ wendige Verlustbeschränkung kann besser über die Begrenzung des Mittelzu­ flusses mit der Orientierung an Zwischenzielen erreicht werden.

VI.  Die Finanzierungsvereinbarungen als Grundlage der Organisationsstruktur Finanzierungsvereinbarungen etablieren vor allem Organisationsstrukturen. Aus Sicht der Marktteilnehmer dienen sie jedoch nicht oder nur im äußersten Notfall zur Konfliktbewältigung. Für die Beteiligten erfüllen die Verträge in erster Linie die Funktion, einen Rahmen zu schaffen, der eine Beziehung zwi­ schen ihnen begründet und ein Arbeitsumfeld bereitstellt, innerhalb dessen sie sich bewegen können. In Krisensituationen wird jedoch erwartet, dass entstan­ dene Probleme auf Grundlage wirtschaftlicher Überlegungen gelöst werden. Wer sich auf die Ansprüche aus den Finanzierungsabreden beruft, gilt als schlechter Mitspieler und erleidet starke Reputationsverluste. Selbst nach dem 923 Empirische Nachweise zur Entwicklung der Finanzierungsbedingungen im Verlauf der Zeit bei Bengtsson/Sensoy, Changing the Nexus. 924  S.  Bengtsson/Sensoy, Changing the Nexus, S.  17 ff. 925  Hierzu oben §  4.

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

Platzen der „dotcom“- Blase im Jahr 2000 und vielen folgenden Down Rounds gab es verhältnismäßig wenige Gerichtsverfahren. Die oben angesprochene anekdotische Aussage zur Weigerung eines renom­ mierten Westküsteninvestors, mit einem Ostküsteninvestor zusammenzuar­ beiten, der unübliche Bedingungen überhaupt nur vorschlägt,926 wurde von sämtlichen Interviewpartnern des Autors für verschiedene Situationen unge­ fragt wiedergegeben. Damit verbunden war stets der – unprovozierte – Hinweis zu Beginn des Gesprächs, es gelte, die Besonderheiten des Wagniskapitalge­ schäfts im Silicon Valley zu erfassen. Ein Faktor, der hier eine wesentliche Rolle spielt, ist die Erfahrung der Inves­ toren im Silicon Valley. Nach Auskunft von Anwälten nutzen die erfolgreichs­ ten Kapitalgeber vor Ort die gründerfreundlichsten Term Sheets. Eine empiri­ sche Studie weist eine starke Korrelation von Erfahrung und Finanzierungsbe­ dingungen nach: Je häufiger Investoren an Finanzierungen teilgenommen haben und im Board of Directors vertreten waren, desto weniger strikte Schutzbe­ stimmungen fordern sie ein.927 Offenbar verlassen sie sich eher auf ihre Fähig­ keit, die Gründer zu überwachen und diese sinnvoll zu beraten.

926 

927 

Oben III.1. Bengtsson/Sensoy, 20 J. Fin. Intermed. 477 (2012).

C. Schlussbetrachtung Die US-amerikanische Gestaltungspraxis, insbesondere diejenige im Silicon Valley, hat eine Vielzahl von Lösungen entwickelt, die komplexen Regelungs­ probleme von Venture Capital-Finanzierungen zu bewältigen. In den Vereinba­ rungen wird die Organisationsstruktur der finanzierten Unternehmen und ih­ rer Trägergesellschaften umfassend geregelt. Sämtliche Aspekte des Lebens und Sterbens einer Kapitalgesellschaft, von der Gründung, Einlagepflichten, Ge­ schäftsleitung, Umfang und Übertragung der Mitgliedschaftsrechte bis hin zur Abwicklung sind privatautonom getroffenen Absprachen unterworfen, die den besonderen Interessen der Beteiligten Rechnung zu tragen suchen. Das an­ wendbare US-amerikanische Recht gewährt weitgehende Gestaltungsfreiheit, die auch in problematischen Situationen wie einer Down Round von den Ge­ richten respektiert wird. Im Zweifel triumphiert die vertragliche Abrede über den Versuch, unter Hinweis auf Argumente wie die Übermacht der Mehrheits­ gesellschafter die Finanzierungsbedingungen nachträglich zu ändern. Ein vorläufiger Vergleich mit der Gestaltungsfreiheit von Gründern und Ka­ pitalgebern im deutschen Recht zeigt erhebliche Unterschiede auf, insbesondere bezogen auf das deutsche Aktienrecht. Wer, wie so viele Beobachter, die Gestal­ tung mittels wandelbarer Vorzugsanteile für eine oder sogar „die“ sinnvoll(st)e Strukturentscheidung hält und sie als Folie für die Bewertung der Lage in Deutschland nutzt, stößt jedenfalls bei einer Betrachtung der Ebene von Gesetz und Satzung der Aktiengesellschaft wegen §  23 Abs.  5 S.  1 AktG auf eine Viel­ zahl von Problemen.928 Einige Beispiele: – §  12 Abs.  2 AktG untersagt Mehrstimmrechte. Die Beteiligten haben also nicht die Möglichkeit, durch Satzungsgestaltung Stimmrechte auf einer „as-converted basis“ einzuführen. – Einen Aufsichtsrat mit der für Venture Capital typischen Board-Besetzung mit fünf Mitgliedern verhindert §  95 S.  3 AktG. – Wegen §  186 Abs.  1 S.  1 AktG ist die satzungsmäßige Begrenzung des Bezugs­ rechts auf besondere Aktionärsgruppen unzulässig. 928 Die Aktiengesellschaft wird hier hervorgehoben, weil sich das Problem wegen §   23 Abs.  5 S.  1 AktG besonders deutlich darstellen lässt. Zu den Grenzen der Gestaltungsfreiheit im Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung näher unten im Zusammenhang mit der Beurteilung einzelner Klauseln.

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1. Teil:  Gestaltungsanlässe und ein Modell freier Gestaltung

– §  36a Abs.  1  HS.  2 AktG macht es unmöglich, in der Satzung eine mitglied­ schaftsrechtliche Pflicht zur gestaffelten Finanzierung zu verankern, die Zu­ zahlungen an Bedingungen wie bestimmte wirtschaftliche Kennziffern oder andere Unternehmensziele (Meilensteine) knüpft.929 Einige wichtige Steuerungsinstrumente, die in den Vereinigten Staaten als we­ sentlich für die Gestaltung erachtet werden, können demnach in Deutschland jedenfalls in der Aktiengesellschaft nicht satzungsmäßig umgesetzt werden. Das leitet über zur Untersuchung der Reichweite der Gestaltungsfreiheit im deutschen Recht und zu dem Problem, ob funktionsäquivalente Gestaltungen auf anderem Wege zu erreichen sind. Damit verbunden ist die Frage nach dem Grund und der Legitimation der hier genannten und möglicherweise zusätzli­ cher Schranken, die die Beteiligten an der freien Organisation ihres Zusammen­ wirkens hindern.

929 

Arnold, in: KK-AktG, §  36a Rn.  4.

2. Teil

Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente Im ersten Teil hat sich am Beispiel von Venture Capital-Vereinbarungen in den USA gezeigt, wie in einem System, das Privatautonomie großzügig Raum lässt, eine Kapitalgesellschaft eng an die praktischen Bedürfnisse angepasst werden kann. Mit diesem Testfall ausgestattet ist es nun möglich, die Rahmenbedingun­ gen für die Gestaltung im deutschen Recht auszuloten. Konkret stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang das deutsche Recht privat getroffene Abre­ den über die Gestaltung von Kapitalgesellschaften der Kontrolle unterwirft und eingrenzt. Für die Antwort hierauf ist es notwendig, zunächst zu untersuchen, welche Instrumente überhaupt zur Anwendung gelangen. So macht es etwa ei­ nen erheblichen Unterschied, ob lediglich die allgemein-privatrechtlichen Schranken der §§  134, 138 BGB greifen oder Venture Capital-Vereinbarungen dem engmaschigen Netz der AGB-Kontrolle unterfallen. Erst wenn das maß­ gebliche Regime feststeht, lässt sich sinnvoll fragen, welche Wertungen für die Kontrolle gelten, weil jedes Kontrollinstrument auf eigenen Regulierungsprä­ missen beruht. Damit ist die Aufgabe dieses zweiten Teils der Arbeit vorgege­ ben: Er behandelt die Instrumente, die für die Gestaltungskontrolle zur Verfü­ gung stehen. Die zuletzt angesprochenen Wertungen sind demgegenüber Ge­ genstand des dritten Teils. Die weitere Untersuchung in diesem zweiten Teil der Arbeit konzentriert sich zunächst auf die Kontrollinstrumente, die aus allgemein-privatrechtlicher Sicht zu berücksichtigen sind, etwa die §§  134, 138 BGB und das AGB-Recht (Ab­ schnitt A). Anschließend rückt das Konzernrecht als spezifisch gesellschafts­ rechtliches Mittel der Vertragskontrolle in den Blick (Abschnitt B.). Schließlich verschaffen sich die Investoren auf schuldrechtlicher Grundlage eine Stellung, die ihnen Herrschaftsmöglichkeiten einräumt. Wer die Gestaltung von Kapital­ gesellschaften in Deutschland betrachten möchte, muss außerdem angesichts der Lehre von der „Verbandsordnung im weiteren Sinne“ das Verhältnis der Gestaltungsebenen zueinander klären, also die Wechselwirkungen zwischen Gesetz, Satzung und schuldrechtlicher Nebenabrede (Abschnitt C.).

A.  Kontrollinstrumente des allgemeinen Privatrechts In den USA sind Venture Capital-Abreden hinsichtlich der Regelungsthemen weitgehend standardisiert, in Deutschland gibt es gleichfalls zunehmende Ver­ einheitlichungstendenzen.1 Das liegt nicht nur daran, dass sich über Jahrzehnte hinweg Muster entwickelt haben, die als sinnvolle Antwort auf die bestehenden Regelungsprobleme gelten. Die verhältnismäßig geringe Varianz von Klauselty­ pen resultiert zumindest auch aus der fehlenden Bereitschaft, neue und unbe­ kannte Gestaltungsvorschläge zu verhandeln.2 Berücksichtigt man noch die fi­ nanziell angespannte Lage der Gründer, lässt dies die Kapitalgeber als über­ mächtige Vertragspartner erscheinen. Es handelt sich offenbar um eine Situation, auf die das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen dem Schutzzweck nach passt (§  2). Die Frage nach der Anwendung des AGB-Rechts bedarf jedoch nur dann näherer Betrachtung, wenn die Abreden über die Gestaltung des Fi­ nanzierungsverhältnisses nicht schon an den allgemeinen Hürden scheitern, also an den §§  134, 138 BGB sowie wegen Überschreitens der rechtsgeschäftli­ chen Gestaltungs- und Verfügungsmacht (§  1). Die besondere Schwierigkeit be­ züglich dieser Schranken der Privatautonomie rührt daher, dass ihre Anwen­ dung im Kapitalgesellschaftsrecht nicht ausreichend geklärt ist. Insoweit be­ steht Diskussionsbedarf in mehrerlei Hinsicht: Zunächst sind die Grundlagen der Anwendung der allgemein-privatrechtlichen Schranken im Kapitalgesell­ schaftsrecht zu konturieren. Vor allem die Figur der Grenzen der rechtsge­ schäftlichen Gestaltungs- und Verfügungsmacht findet im gesellschaftsrechtli­ chen Schrifttum unzureichende Beachtung. In diesem Kontext stellt sich die weitere Frage, ob neben den genannten Instrumenten weitere Grenzen der Ge­ staltungsfreiheit existieren. Das betrifft die Versuche, die Privatautonomie mit Hilfe von Ansätzen wie der Institutionentheorie oder des „Wesens“ der Gesell­ schaft zu beschränken.

1  Bienz/Hirsch/Walz, in: Lethmathe/Witt, S.  15, 23 ff. Vgl. auch Antonczyk/Breuer/Mark, FB 2008, 225, 229 ff. 2  Für die USA 1. Teil B. §  13 III.2.

A.  Kontrollinstrumente des allgemeinen Privatrechts

221

§  1  Allgemeine Lehren zu Gestaltungsschranken Um die Grenzen der Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht auszuloten, zie­ hen Literatur und Rechtsprechung seit längerem nicht ausdrücklich geregelte allgemeine Argumentationsansätze heran. Darunter fallen das „Wesen der Sa­ che“, die Institutionenlehre und der Numerus Clausus der Gesellschaftsformen (hierzu I.). Ordnen Aktiengesetz und GmbHG nicht ausdrücklich die Unwirk­ samkeit von privatautonom getroffenen Regelungen an, verbleiben die aus dem Bürgerlichen Recht bekannten Vorschriften der §§  134, 138 und 242 BGB sowie das Instrument der Grenzen der Gestaltungs- und Verfügungsmacht als Kont­ rollmittel (II.).

I.  „Natur“ der Sache, Typenlehre, Numerus Clausus und Institutionenschutz Im allgemeinen Privatrecht finden sich die gesetzlich niedergelegten Schranken der §§  134, 138, 242 BGB sowie die ungeschriebene dogmatische Figur der Grenzen der rechtsgeschäftlichen Gestaltungsmacht.3 Neben diesen etablierten Wegen der Kontrolle, die die freie Gestaltung von Rechtsverhältnissen durch Private begrenzen, unternehmen Rechtsprechung und Literatur seit längerem Versuche, weitere ungeschriebene Grenzen der Privatautonomie aufzufinden. Die Überschriften, unter denen diese Bemühungen der Etablierung einschlägi­ ger Konstruktionen diskutiert werden, lauten „Wesen der Sache“, „Natur der Sache“, „Typus“ und „Institutionenlehre“. Insbesondere in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts bedienten sich die Autoren diverser Monogra­ phien solcher Topoi, um die Grenzen der Abdingbarkeit dispositiven Personen­ gesellschaftsrechts auszuloten.4 Die Rechtsprechung verweist noch heute häufig auf das „Wesen“.5 Auch im Gesetz taucht das „Wesen“ an verschiedenen Stellen auf. 6 Diese Denkansätze sind in einer Weise präsent, die es unmöglich macht, sie unter Hinweis auf den wissenschaftlichen haut goût einfach zu übergehen. Da ihre Reichweite größer ist als die zuerst genannten Kontrollmechanismen, be­ ginnt dieser Abschnitt mit ihrer Erörterung. 3  Letztere bezieht sich an sich weiter auf die rechtsgeschäftliche Verfügungsmacht, statt aller Armbrüster, in: MünchKommBGB, §  134 Rn.  5. Auf diesen Aspekt kommt es hier nicht an, so dass im Folgenden allein von „Grenzen der rechtsgeschäftlichen Gestaltungsmacht“ die Rede ist. 4  Etwa die Habilitationsschriften von Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Per­ sonengesellschaft, 1970; Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unter­ nehmen, 1973; A.Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970; H.P. Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, 1970. 5  Nachweise unten 1.b). 6  Nachweise unten 1.b).

222 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente

1.  Zum „Wesen“ und der „Natur“ der Sache als Gestaltungsschranke Die Argumentationsmuster „Wesen der Sache“, „Natur der Sache“, „Typus“ und „Institutionenlehre“ sind darauf angelegt, ein Phänomen zu erfassen, in­ dem sie über die gesetzlich niedergelegten Einzelregelungen hinausgehen und auf ein hinter den Vorschriften stehendes holistisches Konzept abstellen.7 Die­ ses Konzept beruht nicht nur auf einer Gesamtschau der gesetzlichen Regeln durch Systematisierung und Ordnung des Normenbestandes, sondern reicht weiter. Im Ergebnis wird eine Matrix geschaffen, in die sich die im Gesetz aus­ geprägten Regelungen einfügen müssen. Die Lehre vom „Wesen der Sache“ weist inhaltlich keine Unterschiede zu der­ jenigen von der „Natur der Sache“ auf. 8 Die Natur der Sache, so ist etwa zu le­ sen, „ist ihr Wesen, ihr Sinn, und zwar nicht ein von irgend jemandem [sic!] wirklich gedachter, vielmehr der allein aus der Beschaffenheit der Lebensver­ hältnisse selbst zu entnehmende objektive Sinn, die Antwort auf die Frage: wie kann dieses so beschaffene Lebensverhältnis als sinnvoll gedacht werden, d.h. als Verwirklichung einer Idee – und welcher Idee? Und zwar wird gesucht der juristische Sinn und die Rechtsidee, die sich in ihm verwirklicht.“9 Die Details waren vor einigen Jahrzehnten Gegenstand der Diskussion.10 Unabhängig von dieser Frage, die hier keiner Antwort bedarf, lässt sich der gemeinsame Bezugs­ punkt ausmachen, nämlich eine „den Dingen innewohnende Ordnung“.11 An­ gesichts dieser Gemeinsamkeit können das Argument des „Wesens“ sowie das der „Natur der Sache“ zusammen behandelt werden. Im Folgenden wird nach einem kurzen Blick in die Rechtsgeschichte12 (a]) die Nutzung der Formel vom Wesen oder der Natur der Sache in Gesetzgebung und Rechtsprechung (dazu b]) sowie ihre Verwendung in der wissenschaftli­

7 

Wüst, FS Duden, S.  749, 759. Vgl. die Gleichsetzung bei Dreier, Zum Begriff der „Natur der Sache“, S.  19 f., sowie die folgenden Nachweise. 9  Radbruch, Die Natur der Sache, S.  13. 10  Kritisch zur Gleichsetzung von „Natur“ und „Sinn“ etwa Ballweg, Zu einer Lehre von der Natur der Sache, S.  63 f. 11  So schon Dernburg, Pandekten Band 1, 1, §  38 2., S.  84; ähnlich ders., Die allgemeinen Lehren des bürgerlichen Rechts, S.  85 (Formulierung dort: „eine ihnen [sicul den Lebensver­ hältnissen, Anm.  des Autors] und ihren Zwecken angemessene Ordnung innewohnt [...]“). Auf Dernburg (bzw. dessen an zweiter Stelle genanntes Werk) nehmen sowohl Radbruch, Natur der Sache, S.  8 , Bezug als auch Ballweg, Zu einer Lehre von der Natur der Sache, S.  6 4. 12  Eine auf die allgemeine Philosophie bezogene Gesamtschau bietet Dreier, Zum Begriff der „Natur der Sache“, S.  5 ff. Hinsichtlich der rechtshistorischen Wurzeln sei darauf hinge­ wiesen, dass hier keine ausführliche rechtshistorische Analyse vorgelegt wird. Vielmehr sol­ len anhand weniger Schlaglichter lediglich unterschiedliche Formen des Gebrauchs der „Na­ tur der Sache“ beleuchtet werden. Mehr bedarf es in dieser Untersuchung nicht. Insoweit bieten die Arbeit von Dreier aaO., S.  35 ff., sowie der Aufsatz von Mayer-Maly, GS Tammelo, S.  273 ff., ausführlichere Darstellungen. 8 

A.  Kontrollinstrumente des allgemeinen Privatrechts

223

chen Diskussion (unten c]) betrachtet, um auf dieser Grundlage (unter d]) Stel­ lung zu beziehen. a)  Das „Wesen “ zwischen Rechtsbeschränkung und Rechtserzeugung Ein Blick in die Rechtsgeschichte zeigt, dass der Begriff der Natur der Sache aus – modern gesprochen – dogmatischer Sicht nicht einheitlich genutzt wurde, sondern sich für die rechtsbeschränkende Nutzung als auch für die Heranzie­ hung als Rechtsquelle Belege beibringen lassen: In den Digesten findet sich die dem Celsus zugeordnete Stelle, wonach „[q]uae rerum natura prohibentur, nulla lege confirmata sunt.“13 Einer jeden­ falls dem Text der Digesten nach von Iavolenus stammenden14 Ansicht gemäß kann nach römischem Recht kein Besitz an Gegenständen erlangt werden, in­ dem ein freier Mann besiegt wird, der Besitz an den fraglichen Gegenständen hatte. Das scheitere bereits daran, dass der Sieger nicht Besitzer des Besiegten werde: „[N]eque enim rerum natura recipit, ut per eum aliquid possidere pos­ sumus, quem civiliter in mea potestate non habeo.“15 Der Natur der Sache kommt in beiden Fällen eher rechtsbeschränkende als rechtsbegründende Wir­ kung zu.16 Darüber hinaus liefert sie jedenfalls in der zweiten Quelle nicht das inhaltlich entscheidende Argument, sondern nur eine Hülle für die Formulie­ rung des sachlichen Kriteriums.17 Justus Runde, ein prominenter Naturrechtler des neunzehnten Jahrhunderts, stufte die Natur der Sache dagegen als Rechtsquelle ein.18 Wo es an einer „be­ sondern deutschen Legislation“ fehle, müsse in Ermangelung positiven Rechts gelten, was „aus der Natur der Sache [...] richtig gefolgert werden kann [...].“19 Die „Cultur dieser letzteren Quelle“ sei „nichts anders, als die naturalis ratio, 13 

D. 50, 17, 188, 1. Streit, ob dieser Teil der Digesten wirklich Iavolenus wiedergibt, Benöhr, S.  28,

14  Zum

31 ff. 15  D. 41, 2, 23, 2. Die vollständige Textstelle lautet: „Item quaero, si vinxero liberum ho­ minum ita, ut eum possideam, an omnia, quae is possidebat, ego possideam per illum. respon­ dit: si vinxeris hominem liberum, eum te possidere non puto: quod cum ita se habeat, multo minus per illum res eius pit, ut per eum aliquid possidere possumus, quem civiliter in mea potestate non habeo.“ 16  Mayer-Maly, GS Tammelo, S.  273, 278, auch zu weiteren einschlägigen Stellen in den Digesten. 17  Mayer-Maly, GS Tammelo, S.  273, 278. 18  J. Runde in der letzten von ihm selbst besorgten, vierten Auflage seiner „Grundsätze des gemeinen deutschen Privatrechts“, §  40 (S.  38). Zur Sonderstellung Rundes in der germanisti­ schen Rechtswissenschaft Dreier, Zum Begriff der „Natur der Sache“, S.  36 ff. Ausführlicher zu den rechtshistorischen Hintergründen aus der Aufsatzliteratur Mayer-Maly, GS Tamme­ lo, S.  273 ff. m. w. Nachw. Zum Argument der „Natur der Sache“ im Naturrecht Thieme, ZRG GA, 56 (1936), 202, 231 ff. Zur Funktion der „Natur der Sache“ als Rechtsquelle in der gemein­ deutschen Prozessrechtswissenschaft Dreier aaO., S.  40 ff. 19  J. Runde, Grundsätze des gemeinen deutschen Privatrechts, §  8 0 (S.  6 4).

224 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente deren Gebothe für Jedermann verbindlich“ seien.20 Nicht nur die römischen Rechtsgelehrten, sondern „[a]uch der deutsche Gerichtsgebrauch konnte[n] die­ ser aus der Natur der Sache hergeleiteten Entscheidungsgründe nicht entbehren [...].“21 b)  „Wesen“ und „Natur“ in Gesetz und Rechtsprechung Das „Wesen“ findet im Gesetz an mehreren Stellen Erwähnung. So definiert §  1 AktG das „Wesen der Aktiengesellschaft“, §  139 AktG regelt das „Wesen“ der Vorzugsaktien ohne Stimmrecht, §  241 Nr.  3 AktG enthält einen Nichtigkeits­ grund für den Fall, dass ein Beschluss „mit dem Wesen der Aktiengesellschaft nicht zu vereinbaren ist“. Gemäß §  69 GmbHG beschränkt das „Wesen der Li­ quidation“ unter Umständen die Anwendbarkeit bestimmter Vorschriften auf die Liquidation.22 Die Rechtsprechung beruft sich häufiger auf „Natur“ und „Wesen“ der Sache: Das Bundesverfassungsgericht verwendet die „Natur der Sache“ für die soge­ nannte zweite Formel hinsichtlich der Feststellung einer Verletzung des Gleich­ heitssatzes.23 Nach dem Bundesgerichtshof kann die Berechtigung zur Aus­ kunftsverweigerung gemäß §  131 Abs.  3 AktG der Natur der Sache wegen häu­ fig zweifelhaft sein.24 Der Eintritt in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zieht den Eintritt in die bereits bestehenden Gesellschaftsverbindlichkeiten nach sich, weil dies neben dem Grundsatz der Akzessorietät der Haftung „dem We­ sen der Personengesellschaft“ entsprechen soll.25 Zur Parteifähigkeit der Gesell­ schaft bürgerlichen Rechts formuliert der Bundesgerichtshof, diese sei „ebenso­ wenig abschließend geregelt worden wie das „Wesen der Gesamthand“ allge­ mein.“26 Die Beispiele ließen sich fortführen.27 c)  „Wesens“- und „Natur“argumente in der Literatur Insbesondere in der Literatur der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts bis in dessen sechziger Jahre hinein war die Argumentation mit dem „Wesen“ 20 

Ders. aaO., Hervorhebung im Original. Ders. aaO., S.  65. 22  Weitere Beispiele aus dem BGB: §  93 BGB, §  307 Abs.  2 Nr.  2 BGB, §  1314 Abs.  2 Nr.  3 BGB. 23  „Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder anderweitig einleuchtender Grund für die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt [...].“, BVerfGE 55, 114, 128 (Kur­ sivsetzung hinzugefügt); aus jüngerer Zeit BVerfG, NVwZ 2011, 355, 358 Tz 27. 24  BGHZ 119, 1, 15. 25  BGHZ 154, 370, 373. 26  BGHZ 146, 341, 355. 27  Auswahl: BGHZ 185, 74, 80 Tz 17; BGHZ 183, 242, 247 Tz 16; BGHZ 178, 243, 248 Tz 14; BGHZ 174, 39, 46 Tz 23; BGHZ 128, 93, 100; BGHZ 117, 323, 326; BGHZ 104, 50, 58; BGHZ 97, 382, 386; BGHZ 96, 253, 255. 21 

A.  Kontrollinstrumente des allgemeinen Privatrechts

225

und Rückgriffe auf die „Natur der Sache“ verbreitet.28 Ein einheitliches Ziel der Verwendung dieser Begrifflichkeiten gab es nie,29 genauso wenig wie die Vor­ stellungen über den Zweck der Berufung auf die Natur der Sache uniform wa­ ren und sind.30 Da sich auch modernere Autoren noch auf das Wesensargument berufen,31 ist dennoch eine kurze Darstellung unumgänglich. Grundlegend für die Diskussion war ein ursprünglich im Jahr 1948 veröffent­ licher Beitrag Gustav Radbruchs.32 Die „Natur“ der Sache soll sein „ihr Wesen, ihr Sinn, und zwar nicht ein von irgend jemandem [sic!] wirklich gedachter, vielmehr der allein aus der Beschaffenheit der Lebensverhältnisse selbst zu ent­ nehmende objektive Sinn [...].“33 Das Ziel der Erforschung der Natur der Sache liege in der Zusammenfassung juristischer Merkmale „unter der Herrschaft ei­ ner Rechtsidee zu einem einheitlichen Sinngefüge [...].“34 Auf diese Weise werde „das Lebensverhältnis in ein Rechtsinstitut umgeformt, in Gestalt eines Ideal­ typus [...].“35 Die Natur der Sache rechnete Radbruch nicht zu den Rechtsquel­ len, sondern betrachtete sie als „Mittel der Auslegung und Lückenausfüllung, soweit der von ihr ermittelte Sinn des Lebensverhältnisses und die Idee, auf der sie sich gründet, mit dem Geiste des Gesetzes nicht in Widerspruch steht.“36 Ihre Geltung werde begrenzt durch die Reichweite einer existierenden Rechts­ quelle.37 Weiterhin diene die Natur der Sache dem Gesetzgeber als Leitgedanke, etwa für die Sammlung von Merkmalen unter einheitlichen Gesichtspunkten.38 An die Herstellung eines Zusammenhangs von normativer Regelung und Zweckadäquanz anknüpfend wird von anderen Autoren teilweise hervorgeho­ ben, im Zweifel wolle die Rechtsordnung „eine der Natur der Sache entspre28  Vgl. bereits die oben (bei Fußnote 11) zitierte Äußerung Dernburgs in seinem Pandek­ tenrechtslehrbuch. Zum „Wesen“ und zur älteren Literatur ausführlich Dreier, Zum Begriff der „Natur der Sache“, S.  67 ff.; Scheuerle, AcP 163 (1964), 429 ff. mit zahlreichen Nachweisen. 29  Das Ausmaß der Unklarheit war so groß, dass eine Dissertation verfasst wurde, der ausschließlich eine „begriffsklärende Absicht“ zugrunde lag: Dreier, Zum Begriff der „Natur der Sache“, S.  1. Die Unklarheiten bestehen auch heute noch. 30  Zur Argumentationsstruktur der Verfechter der Natur bzw. des Wesens der Sache Dreier, Zum Begriff der „Natur der Sache“, S.  114 ff.; Scheuerle, AcP 163 (1964), 429 ff. 31 Etwa Dießelhorst, Die Natur der Sache, in: Rechtsdogmatik, S.  258 ff.; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S.  239. 32  Radbruch, Die Natur der Sache als juristische Denkform, zuerst veröffentlicht in der Festschrift für Rudolf Laun, 1948, S.  283 ff. Der Beitrag wird in dieser Arbeit in Form des 1960 publizierten Sonderdrucks zitiert (s. Literaturverzeichnis). 33  Radbruch, Die Natur der Sache, S.  13. Vollständiges Zitat dieser Stelle oben bei Fußnote 9. 34  Radbruch, Die Natur der Sache, S.  13. 35  Radbruch, Die Natur der Sache, S.  14. Radbruch entlehnt den Begriff des Idealtypus bei Max Weber, s. Radbruch aaO., S.  14. Hierzu näher Dreier, Zum Begriff der „Natur der Sache“, S.  107 f. 36  Radbruch, Die Natur der Sache, S.  15, s. auch S.  34. 37  Radbruch, Die Natur der Sache, S.  15. 38  Radbruch, Die Natur der Sache, S.  15.

226 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente chende Regelung treffen [...].“39 Insofern sei die Natur der Sache von Bedeutung für die Auslegung des Rechts.40 Ihre Funktion vermag dann sowohl darin zu bestehen, bestimmte denkbare Auslegungsergebnisse zu verwerfen, als auch da­ rin, eine Norm extensiv zu interpretieren oder eine Analogie zu begründen. Über diese Position hinaus geht diejenige, die sich unter anderem in einem der nach wie vor führenden Methodenlehrbücher findet: Wenn, so ist zu lesen, „die gesetzliche Regelung die Natur der Sache in grober Weise verfehlt, da hat sie die Rechtsprechung mitunter durch eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung korrigiert.“41 Andere Stimmen liegen auf der gleichen Linie, wenn sie hervorhe­ ben, zwar seien Gesetz und Recht „Ordnungsprinzipien ersten Ranges“, doch seien sie ihrerseits „an die Natur der Sache, näherhin an die Realien der Rechts­ ordnung gebunden.“42 Wenn diese „Realien“ unberücksichtigt blieben, verfalle das betreffende Recht früher oder später in Ungültigkeit.43 Auch wenn die Natur der Sache von diesen Autoren teilweise lediglich als Auslegungskriterium vorgestellt44 und die Gesetzesbindung des Richters be­ tont wird,45 erscheinen diese Einschränkungen häufig nur als nolens volens er­ klärte Konzessionen.46 Wie schon die Zitate deutlich machen, soll nämlich das Verfehlen der Natur der Sache seitens des Gesetzgebers Anlass und Grund bie­ ten, contra legem zu entscheiden. Wenn die Rechtsordnung der Natur der Sa­ che, der sie entsprechen soll, nicht gerecht wird, berechtigt das offenbar zur Annahme eines gesetzgeberischen Versehens. Angereichert mit einem verkürz­ 39  Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S.  120 (Kursivsetzung im Original). Ähnlich Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S.  54. 40  Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S.  5 4; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S.  120. 41  Larenz/Canaris, Methodenlehre, S.  239, unter Hinweis auf den nichtrechtsfähigen Ver­ ein. Ähnlich, ebenfalls anknüpfend an vorherige Erläuterungen zur Rechtsprechung zum nichtrechtsfähigen Verein, Dießelhorst, Die Natur der Sache, in: Rechtsdogmatik, S.  258, 280: „Ein Gesetzgeber, der die Natur der Sache geradezu verfehlt, beschwört die Ungültigkeit der von ihm gesetzten Normen herauf.“ 42  Dießelhorst, Die Natur der Sache, in: Rechtsdogmatik, S.  258, 280. 43  Dießelhorst, Die Natur der Sache, in: Rechtsdogmatik, S.  258, 280. 44  Larenz/Canaris, Methodenlehre, S.  238. Deutlicher die Bedeutung als Auslegungsmit­ tel betonend Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S.  118 ff., der jedoch dort die Frage der Rechtsfortbildung contra legem ausklammert, aaO., S.  120. Noch zurückhaltender Dießelhorst, Die Natur der Sache, in: Rechtsdogmatik, S.  258, 278: „[D]ie Natur der Sache gibt keine präzise methodische Urteilsanweisung.“ [Fußnote ausgelassen, Anm.  des Autors] 45  Dießelhorst, Die Natur der Sache, in: Rechtsdogmatik, S 258, 280. S.  aber auch dens., Natur der Sache als Rechtsquelle, S.  242: „Die Untersuchung zeigte, daß vorgesetzliche, von der Natur der Sache her gewonnene Urteilsmaßstäbe die richterliche Gesetzesauslegung lenk­ ten.“ Das rechtfertigt nach Meinung Dießelhorsts Entscheidungen, die „gerade gegen die ur­ sprüngliche gesetzgeberische Ordnungsvorstellung“ getroffen werden (aaO., Kursivsetzung im Original). 46  Deutlich dagegen Maihofer, ARSP 44 (1958), 145, 172. Dieser sieht die Gesetzesbindung „unter dem Vorbehalt der Übereinstimmung des nach dem abstrakten Rechtssatz vorgezeichneten Sollens mit dem im konkreten Rechtssachverhalt aus der „Natur der Sache“ (der sozialen Rolle und Lage) geforderten Sollens.“ (Kursivsetzung im Original)

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227

ten Horaz-Zitat47 wird die Entscheidung gegen die positive Rechtsordnung als Folge gleichsam naturwissenschaftlicher Gegebenheiten dargestellt. Der Rich­ ter vollziehe nur das Natur„gesetz“, dessen Auswirkungen niemand, auch nicht der Gesetzgeber, auszuweichen vermöge.48 Im Ergebnis billigt diese Ansicht der Natur der Sache die Eigenschaft einer außergesetzlichen Rechtsquelle zu.49 d)  Ablehnung von „Wesen“ und „Natur“ als normative Kategorie Dem Verweis auf das Wesen oder die Natur der Sache kommt richtiger Ansicht nach keine normative Bedeutung zu. Es handelt sich um ein „Kryptoargument, d.h. eines, hinter welchem sich andere Argumente verbergen“.50 Hierbei geht es nicht allein um den Vorwurf, bereits vorauszusetzen, was erst noch zu begrün­ den wäre.51 Selbst wenn es stimmte, dass dies nicht willkürlich geschähe und die Figur der „Natur der Sache“ eine Garantie dafür böte, „daß die ermittelte Er­ gänzung mit den vom Gesetzgeber aufgestellten Normen zusammenstimme, ja von ihnen gefordert werde“52 , bliebe immer noch der Bezugspunkt unklar. Die Beispiele für die Verwendung der Figur der „Natur der Sache“ zeigen, dass ihr keine einheitliche Bedeutung zugemessen wird. Während etwa die Normen, die sich mit dem Wesen der Aktiengesellschaft oder der Kommanditgesellschaft be­ fassen, in dem der entsprechenden Überschrift nachfolgenden Text Definitio­ nen enthalten und so die spezifisch juristische Ausprägung dieser Rechtsformen klarstellen, setzen andere Vorschriften für das Eintreten oder die Begrenzung

47  „Naturam expelles furca, tamen usque recurret et mala perrumpet furtim fastidia vic­ trix.“ (Horaz, Epistulae I, 10, 24, zitiert nach: Friedrich Klingner (Hrsg.), Quintus Horatius Flaccus, Opera, 3.  Aufl. 1959). Zitiert wird, häufig unter Verwendung des Konjunktivs „ex­ pellas“ statt des Futur I, nur die erste Hälfte des Satzes bis „recurret“, etwa von Dießelhorst, Natur der Sache, in: Rechtsdogmatik, S.  258, 280; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S.  239; Stoll, Gegenwärtige Lage der Vereine ohne Rechtsfähigkeit, in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, hrsgg. v. Otto Schreiber, Band II, Zivil- und Handelsrecht I, 1929, S.  49 f. 48 Dezidiert Maihofer, ARSP 44 (1958), 145, 172 f. Vgl. auch Ballweg, Zu einer Lehre von der Natur der Sache, S.  53: „Die Konstitutivkraft der konkreten Ordnungen auf die Rechts­ entwicklung gründet auf der sachlogischen Struktur dieser Ordnungen; sie ist nachhaltig ge­ nug, sich über dogmatisch-begriffliche Bedenken [Fußnote ausgelassen] hinwegzusetzen und formale Unterscheidungen zu unterwandern [...].“ 49 So Dießelhorst, Die Natur der Sache als Rechtsquelle, S.  218 ff., 244; Maihofer, ARSP 44 (1958), 145, 172. Zu weiteren Ansätzen in der Literatur Dreier, Zum Begriff der „Natur der Sache“, S.  67 ff. Deren Darstellung ist nicht notwendig, weil schon anhand der im Text erläu­ terten Ansichten deutlich geworden sein sollte, dass es auch im neueren Schrifttum, das heißt in der Literatur des zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhunderts weder einen einheitli­ chen Begriff noch eine einheitliche Zielsetzung bei der Nutzung der „Natur“ der Sache gibt. 50  Scheuerle, AcP 163 (1963), 429, 430 (Kursivsetzungen im Original). 51  Radbruch, Die Natur der Sache, S.  34, erkennt diesen Umstand ohne zu zögern an, hält ihn aber für begrüßenswert (s. im Text folgendes Zitat). 52  Radbruch, Die Natur der Sache, S.  34 f.

228 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente bestimmter Rechtsfolgen ein gegebenes „Wesen“ voraus, das sie selbst nicht nä­ her beschreiben.53 Ein ähnlicher Befund ergibt sich anlässlich der Analyse der Verwendung in der Rechtsprechung. In einigen Fällen fungieren „Wesen“ und „Natur“ gleich­ sam lediglich als Überschriften, denen inhaltliche Beschreibungen folgen. An anderer Stelle werden weder vor noch nach Nennung des Schlagworts nähere Erklärungen geliefert, dafür aber spezifische Rechtsfolgen aus dem „Wesen“ ab­ geleitet, etwa die Haftung neu eintretender Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts für die Altverbindlichkeiten der Gesellschaft.54 Eine Einschränkung der Privatautonomie mit einem Konzept zu begründen, das in jeder Hinsicht klarer Konturen entbehrt, trägt die Gefahr der Entker­ nung des Grundsatzes der freien Gestaltbarkeit privater Rechtsverhältnisse in sich.55 Das begründete einen Verlust an Flexibilität und Freiheit, der im Gesetz nicht angelegt ist.56 Weitere Argumente gegen die Heranziehung der Natur der Sache wurden in der Literatur bereits umfassend erörtert, so dass es hier keiner weiteren Aufar­ beitung im Einzelnen bedarf und auf die einschlägigen früheren Beiträge ver­ wiesen werden kann.57

2.  Typenlehre und Schranken der Gestaltungsfreiheit Eine Variante des Arguments der Natur der Sache ist die Berufung auf Schran­ ken der Gestaltungsfreiheit, die aus einem Vergleich mit einem gesellschafts­ rechtlichen Typus hergeleitet werden. Die Verknüpfung typologischen Denkes mit der Figur der „Natur der Sache“ wurde im Schrifttum immer wieder be­ tont.58 Zu unterscheiden sind zwei Formen typologischen Denkens: Typologisches Denken (i) im Sinne einer bloß der Systematisierung von Rechtsstoff dienenden Vorgehensweise und (ii) im Sinne der Anerkennung eines Typus als ungeschrie­ 53 

S.  nur §  69 GmbHG, §  241 Nr.  3 AktG, §  1314 Abs.  2 Nr.  3 BGB. Dass der BGH insoweit auch auf die Akzessorietät der Haftung abstellt, ist kein Gegen­ argument. Die Akzessorietät der Gesellschafterhaftung wird nämlich in BGHZ 154, 370, 373, unter anderem mit „dem Wesen der Personengesellschaft“ begründet. Zudem ist die Akzesso­ rietät der Haftung in der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ihrerseits kein sich direkt aus dem Gesetz ergebender Grundsatz, sondern nach dem BGH ausdrücklich „Konsequenz“ (BGHZ 146, 341, 358) der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die ihrerseits eine Rechtsfortbildung darstellt, die unter anderem mit praktischen Bedürfnissen begründet wurde (s. BGHZ 146, 341, 343 f.). 55 Ähnlich Hey, Freie Gestaltung, S.  2 25. 56 Ähnlich Hey, Freie Gestaltung, S.  2 25. 57  Vor allem Scheuerle, AcP 163 (1963), 429 ff. Im Zusammenhang mit der Gestaltungsfrei­ heit in Gesellschaftsverträgen Hey, Freie Gestaltung, S.  223 ff. 58  S.  nur Kaufmann, Analogie, S.   47; H.P.Westermann, Vertragsfreiheit, S.  110, 111 und passim. 54 

A.  Kontrollinstrumente des allgemeinen Privatrechts

229

bene Schranke der rechtsgeschäftlichen Gestaltungsmacht.59 Im ersten Fall handelt es sich lediglich um ein Ordnungsverfahren, um Materien in verschie­ dene Klassen einteilen zu können. Unmittelbare Auswirkungen auf die Reich­ weite der Privatautonomie hat diese Variante typologischer Betrachtung nicht.60 Anders liegen die Dinge hingegen im zweiten Fall. Danach kommt die „Leitidee eines Typus [...] als Quelle für die Wesensbestimmung eines Rechtsinstituts in Betracht.“61 Veränderungen, die über eine bestimmte Schwelle hinausreichen, sollen als unzulässige Modifikationen der für zwingend gehaltenen Grund­ struktur eines Typus unwirksam sein. 62 „[D]es Rechtsschutzes nicht würdige oder strukturfremde Elemente [sollen] von den normierten Gesellschaftstypen ferngehalten werden.“63 Bereits der Umstand, dass die Befürworter einer solchen Lösung bislang nicht in der Lage waren, Kriterien für eine anwendungsfeste Beschreibung der kritischen Schwelle der Abweichung von einem Typus herauszuarbeiten, spricht für sich. Was die zwingende Wirkung von Typen im Gesellschaftsrecht angeht, ist die Diskussion abgeschlossen. 64 Zwei umfassende Untersuchungen aus den siebziger Jahren haben, mit Unterschieden im Einzelnen, nachgewiesen, dass aus dem Typusgedanken keine immanente Schranke der Vertragsfreiheit abge­ leitet werden kann. 65 Angesichts der heute für zulässig erachteten Typenvermischungen hat sich hieran nichts geändert. Wenn sogar eine Kombination mit ausländischen Rechtsformen möglich ist, etwa im Wege einer Limited & Co. KG,66 geriete jede Berufung auf eine inhaltliche Typenfixierung zur Farce.

59 

Hierzu näher Hey, Freie Gestaltung, S.  228 f.; Kern, S.  7 ff., 30 ff. Hey, Freie Gestaltung, S.  228; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S.  295 ff. Vgl. auch Kern, S.   12 ff. Mittelbare Auswirkungen dagegen können sich ergeben, etwa im Rahmen der AGB-Kontrolle oder für die ergänzende Vertragsauslegung. 61  H.P.Westermann, Vertragsfreiheit, S.  110, der aber der Ableitung konkreter Rechtsfol­ gen wegen vermeintlicher Verstöße gegen den Typus insgesamt kritisch gegenübersteht, vgl. dens. aaO., S.  123 ff. 62  Für das Gesellschaftsrecht etwa Kuhn, Strohmanngründung, S.  35 ff., 165 ff. Siehe auch die eingängige Beschreibung – ohne im Ergebnis eine solche Lösung zu bevorzugen – von H.P.Westermann, Vertragsfreiheit, S.  110, 112 ff. Zu möglichen Überschneidungen mit einem Numerus Clausus und zur Eigenständigkeit der Wirkungen einer Typenfixierung differen­ zierend Kern, S.  12 ff., 25 f., speziell zur Typengesetzlichkeit im Gesellschaftsrecht ders. aaO. S.  29 ff. 63  Kuhn, Strohmanngründung, S.  36. 64  Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, §  1 IV 1 b) aa) (S.  73): „Im Hinblick auf den Zusam­ menhang mit dem zwingenden Recht kann der Typusstreit heute als ausgetragen gelten; das Ergebnis ist insoweit negativ.“ Negativ auch der Befund von Kern, S.  31: „wenig fruchtbar“. 65  Nietschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, S.   5  ff., 108  ff.; H.P.Westermann, Vertragsfreiheit, S.  123 ff. Aus neuerer Zeit Hey, Freie Gestaltung, S.  227 ff.; von einer übergreifenden Warte aus zum Gesellschaftsrecht Kern, S.  30 ff. 66  Hierzu OLG Frankfurt ZIP 2008, 1286. 60 

230 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente Aus der Ablehnung des Typengedankens als Ansatzpunkt für die Etablie­ rung immanenter Schranken der Gestaltungsmacht folgt nicht die vollständige Disqualifizierung typologischen Denkens. Unter systematischen Gesichts­ punkten kann dieses, wie bereits eingangs des Abschnitts angedeutet, wertvolle Dienste leisten. Das Abstellen auf einen bestimmten Typus ermöglicht, Rege­ lungskomplexe zu kategorisieren. Zwar bedarf es dann immer noch der Arbeit mit konkreten Vorschriften und den Gegebenheiten des Einzelfalles, um ein Urteil über die Zulässigkeit der in Rede stehenden Vereinbarung fällen zu kön­ nen. Doch ist die Einordnung der Vereinbarung unter eine bestimmte Über­ schrift der zuvor erforderliche Schritt. 67

3.  Der Numerus Clausus der Gesellschaftsformen Eine weitere Schranke für die freie Ausgestaltung von Korporationen folgt un­ ter Umständen aus dem sogenannten Numerus Clausus der Gesellschaftsfor­ men. Das Schrifttum hebt dessen Bedeutung stets hervor, selbst in den Teilen, die kein Prinzip der Typenfixierung im Gesellschaftsrecht annehmen. 68 Die Relevanz des Konzepts zeigte sich in jüngerer Zeit im Urteil des Bundesge­ richtshofs zur „GbR mbH“: a)  Der Bundesgerichtshof zur „GbR mbH“ Der Bundesgerichtshof hatte zu entscheiden, ob die persönliche Haftung der Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegenüber Dritten be­ schränkt werden kann, indem gesellschaftsvertraglich eine Regelung zur Be­ grenzung der Vertretungsmacht etabliert und diese nach außen durch einen Hinweis in der Geschäftsbezeichnung angezeigt wird. 69 Das Gericht begründete sein ablehnendes Urteil damit, dass „[e]ine Haf­ tungsbeschränkung durch einseitigen Akt der Gesellschaft [...] entgegen dem System des geltenden Rechts im Ergebnis wie die Schaffung einer neuen Gesell­ schaft wirken [würde], bei der den Gläubigern nur das – ungesicherte – Gesell­ schaftsvermögen haftet.“70 Für eine solche Konstruktion bestehe „für die Gesell­schaft bürgerlichen Rechts kein Bedürfnis [...].“71 „[E]in einseitiger Haf­ tungsausschluss durch einen Gesellschafter bei Vertragsschluss ohne Zustim­ 67  Für ein solches zweistufiges Vorgehen schon Nitschke, Die körperschaftlich struktu­ rierte Personengesellschaft, S.  9. 68  Zum Beispiel von K.Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  5 III.1.c) (S.  111); H.P.Westermann, Vertragsfreiheit, S.  115 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, §  1 IV.1.b)aa) (S.  73). Wohl auch Nitschke, Die körperschaftlich organisierte Personengesellschaft, S.  6. Kritisch Hey, Freie Gestaltung, S.  159 f. 69  BGHZ 142, 315. 70  BGHZ 142, 315, 322. 71  BGHZ 142, 315, 322.

A.  Kontrollinstrumente des allgemeinen Privatrechts

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mung der Vertragsgegenseite [sei] ebensowenig möglich, wie etwa eine Einzel­ person bei Abschluß eines Vertrages einseitig festlegen“ könne, sie hafte nicht mit ihrem Vermögen.72 Der Sache nach beruft sich der Bundesgerichtshof in den Entscheidungsgrün­ den ausweislich der eben zitierten Stellen auf einen Numerus Clausus der Ge­ sellschaftsformen sowie auf das „Wesen“ der Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Gegen die Wesensargumentation wurde oben Stellung bezogen. Die Heranzie­ hung des Numerus Clausus in abstrakter Form ist ebenfalls wenig überzeu­ gend: b)  Schnittmengen von Numerus Clausus und Typenlehre Die Literatur unterscheidet zwischen Numerus Clausus und Typenlehre. Wäh­ rend Letztere ausgedient habe, komme dem Numerus Clausus-Argument Be­ deutung zu. Beide Konzepte seien gedanklich scharf voneinander zu trennen.73 In der Tat entfaltet der Numerus Clausus erhebliche Kraft, soweit es um die Schaffung von Rechtsformen geht, die dem deutschen Recht unbekannt sind. Eine Limited Liability Company lässt sich nur innerhalb des Systems nachbil­ den, nicht jedoch als solche gründen. Mehr vermag der Numerus Clausus je­ doch nicht zu leisten. Der gesellschaftsrechtliche Numerus Clausus verhindert weder die Kombination verschiedener Rechtsformen noch die weitreichende Verformung einzelner Elemente des gesetzlichen Modells.74 Wer sich auf ihn beruft, um die Verwendung einer grundsätzlich zur Wahl stehenden Rechtsform zu rügen, weil die Gestalter sie so weit verformt hätten, dass sie mit dem gesetzlichen Modell nichts mehr zu tun habe, argumentiert letztlich typologisch: Ein Verstoß gegen den Numerus Clausus muss in dieser Situation gerade damit begründet werden, die Parteien entfernten sich so weit vom Grundtypus, dass sie im Ergebnis eine neue Gesellschaftsform schaffen.75 Die Gesellschaft wird in diesem Fall so stark atypisch ausgestaltet, dass sie nicht mehr bloß a-typisch, sondern extra-typisch ist. So stützt sich der Bundesgerichtshof in der Entscheidung zur Zulässigkeit einer „GbR mbH“ zwar darauf, es würde im Ergebnis eine neue – heißt: unzu­ lässige – Gesellschaftsform geschaffen. Doch behandelt er zuvor ausführlich entlang einzelner Normen und Grundgedanken das Haftungssystem in der Ge­ sellschaft bürgerlichen Rechts.76 Der Sache gestalteten die Parteien eben eine 72 

BGHZ 142, 315, 320. K.Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  5 III 1. c) (S.  111). 74  Hey, Freie Gestaltung, S.  159; H.P.Westermann, Vertragsfreiheit, S.  117 f. 75  Vgl. die Schriften von Nitschke und H.P.Westermann, die zwar einen strengen Typen­ zwang im Gesellschaftsrecht ablehnen, aber trotzdem durchgängig typologisch argumentie­ ren, s. etwa Nitschke, Personengesellschaft, S.  108 ff. 76  Kritisch zum Urteil BGHZ 142, 315, auch Altmeppen, ZIP 1999, 1758, 1760, der aus­ führt, der Hinweis des Senats auf eine der Privatrechtsordnung bislang unbekannte Rechts­ 73 

232 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente vom Gesetz vorgesehene Vereinigungsvariante in bestimmter Weise aus.77 Die Regelung zur Haftungsbeschränkung änderte nichts daran, dass im Übrigen die personengesellschaftsrechtlichen Bestimmungen der §§  705 ff. BGB galten.78 Überdies muss das hier diskutierte Urteil im Kontext der Nachfolgeentschei­ dung des Bundesgerichtshofes zur Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerli­ chen Rechts eingeordnet werden.79 Unter Berufung auf die frühere Entschei­ dung zur „GbR mbH“ und anknüpfend an die Bemerkung, in dieser „die Frage der rechtlichen Einordnung der Gesellschafterhaftung noch offengelassen“ zu haben, stellte das Gericht nunmehr auf eine Analogie zu den §§  128 f. HGB ab.80 Der Sache nach fand sich diese Sichtweise schon in dem älteren Urteil. 81 Der Numerus Clausus eignet sich demnach genauso wenig wie das Typus­ denken, allein unter Berufung unter Abweichung von gesetzlichen Grundmo­ dellen eine Schranke der Gestaltungsmacht abzuleiten. Den Numerus Clausus der Gesellschaftsformen als Argument zu gebrauchen, die Gestaltungsfreiheit der Parteien einzuschränken, sofern sie sich im Ansatz einer von der Rechtsord­ nung angebotenen Rechtsform bedienen, beruht im Kern gerade auf der Art typologischen Denkens, die die ganz herrschende Literaturansicht zu Recht als methodisch zweifelhaften Weg ansieht.82

4.  Institutionenbezogene Ansätze Die dritte Variante ungeschriebener Schranken der Gestaltungsfreiheit, die sich wie die zuvor diskutierten Ansätze auf ein ganzheitliches Konzept stützt, rückt die Bedeutung von Institutionen in den Fokus. Im Wege institutionellen Rechts­ denkens sollen sich Grenzen ausfindig machen lassen, die zur Unwirksamkeit privat getroffener Vereinbarungen führen können. Im Wege einer ersten Orien­ tierung lassen sich zwei Versuche unterscheiden, institutionenbezogen zu argu­ mentieren:

form diene „[w]eniger zur dogmatischen Begründung der persönlichen Haftung, sondern eher zur Bekräftigung eines ihr zugrunde liegenden Vor- oder besser „Grundverständnis­ ses““. 77  Beuthien, WM 2012, 1, 3. 78 Ähnlich Beuthien aaO. 79  Vgl. die Besprechung des Urteils BGHZ 142, 315, von Altmeppen, ZIP 1999, 1758, 1760, und die dortigen Ausführungen unter III. 5. 80  BGHZ 146, 341, 358. 81 Vgl. Altmeppen, ZIP 1999, 1758, 1760. Das Argument, das entscheidende Problem bezo­ gen auf eine Haftungsbeschränkung zu Gunsten der Gesellschafter von Personengesellschaf­ ten resultiere aus einer Verletzung des §  128 HGB, wurde im Übrigen im Zusammenhang mit der Bildung einer „oHGmbH“ bereits in der 1970 erschienen Habilitationsschrift von Nitschke dargelegt (Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, S.  6 Fußn. 22 [entscheidender Text der Fußnote auf S.  7]). 82  Oben 2.

A.  Kontrollinstrumente des allgemeinen Privatrechts

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Einige Autoren wollen unter Rückgriff auf die Figur des institutionellen Rechtsmissbrauchs eine Innenschranke der Privatautonomie errichten (dazu a]). Die Wurzeln dieser Sichtweise reichen (mindestens) zurück bis zu Savigny. Im Gegensatz dazu stehen Bemühungen, soziologische Ansätze fruchtbar zu machen (unten b]). Die Gestaltungsfreiheit wird dann nicht bereits der Konzep­ tion nach beschränkt, sondern erst infolge der Ausprägung von Institutionen, die bestimmte Strukturen verfestigen und aus diesem Grund Berücksichtigung erfahren müssen. Gemeinsam ist diesen verschiedenen Sichtweisen, dass sie, wie schon die Verfechter des Wesensarguments und des Typusgedankens, auf ein nicht dem gesetzten Recht innewohnendes Gefüge zugreifen wollen. Wiederum werden einzelne Normen in ihrer Reichweite durch außerhalb der konkreten Vorschriften und Regelungskomplexe befindliche Wertungen bestimmt. Im Einzelnen: a)  Institutionentheorie und Innenschranken aa)  „Rechtsinstitut“ und Innentheorie Der Begriff des Rechtsinstituts ist schillernd. Savigny beschreibt das Rechtsin­ stitut in seinem „System des heutigen Römischen Rechts“ als eine Einrichtung „organische[r] Natur“, deren Bestandteile einen „lebendigen Zusammenhang“ aufwiesen und das sich in „fortschreitende[r] Entwicklung“ befinde.83 Jedes Rechtsverhältnis stehe „unter einem entsprechenden Rechtsinstitut, als seinem Typus“, jede Rechtsregel habe „ihre tiefere Grundlage in der Anschauung des Rechtsinstituts [...].“84 Rechtsregeln würden mittels Abstraktion aus den Rechts­ instituten gebildet. 85 Die Rechtsinstitute seien die Gestalt, in der das Recht im „gemeinsamen Bewußtsein des Volks lebt“86 als ein „gegebenes schon wirkli­ ches Dasein“.87 Savigny sieht die Bedeutung des Rechtsinstituts also in seiner den einzelnen Rechtsregeln vorgelagerten Ordnungsfunktion. Die Vertreter der moderneren Interpretation88 der Institutionentheorie defi­ nieren das Rechtsinstitut als ein „vom objektiven Recht geordnete[s] typische[s] Lebensverhältnis[...].“89 Im Rechtsinstitut werde ein typisches Lebensverhält­ nis, „ein sinnhaftes, von menschlichem Leben erfülltes soziales Gebilde durch rechtliche Anerkennung zugleich“ bewertet und „dieser Wertung entspre­ chend“ geordnet.90 Rechtsinstitute in diesem Sinne seien etwa die Ehe, der 83 

Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, S.  9. Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, S.  9. 85  Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, S.  11. 86  Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, S.  16. 87  Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, S.  14. 88  „Moderner“ im zeitlichen Sinne. 89  L.Raiser, Rechtsschutz und Institutionenschutz im Privatrecht, in: Aufgabe, S.  126. 90  L.Raiser, Rechtsschutz und Institutionenschutz im Privatrecht, in: Aufgabe, S.  126. 84 

234 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente Schuldvertrag, die Vertragsfreiheit sowie der Typenzwang im Sachenrecht.91 Das objektive Recht, das die Institute in juristischer Hinsicht konstituiere und ausforme, bleibe an das einschlägige Lebensverhältnis als soziologisches Phäno­ men gebunden.92 Ein Rechtsinstitut ist dieser Lesart nach funktionsbezogen und dient der Verwirklichung der Zwecke, die den Regelungsanlass für die Schaffung objektiv-rechtlicher Normen boten.93 Die hinter den Rechtsinstitu­ ten stehenden sozialen Institutionen verschwinden demnach nicht einfach im Zuge ihrer „Verrechtlichung“94, sondern behalten eine maßgebliche Bedeutung. Der Gesetzgeber greife die soziale Erscheinung als zu regelndes tatsächliches Phänomen lediglich auf und versehe sie mit einem rechtlichen Ordnungsrah­ men.95 Die Interpretation des den Rahmen bildenden Normengeflechts setze damit notwendig voraus, die soziale Wirklichkeit als Regelungsmotivation im Blick zu behalten.96 Von dieser Verbindung zwischen Regelungsanlass und Regelsetzung ausge­ hend wird die Brücke zur Nutzung der institutionellen Betrachtungsweise als juristisches Arbeitsmittel geschlagen: Rechtsinstitute sollen nicht im Wider­ spruch zu ihrer Funktion eingesetzt werden, einem funktionswidrigen Ge­ brauch bleibe „die rechtliche Anerkennung versagt.“97 Die Theorie vom institutionellen Rechtsmissbrauch ist eine Ausprägung der sogenannten Innentheorie.98 Nach dieser im Privatrecht maßgeblich an Vorar­ beiten Sieberts99 anknüpfenden Meinung geht ein Recht nur so weit, wie die guten Sitten und Treu und Glauben gestatten.100 Jedem subjektiven Recht sind damit immanente Grenzen gesetzt.101 Eine Rechtsausübung wird nicht unzu­ lässig, sondern von vornherein wird das Bestehen des Rechts verneint.102 Nach

91 

Habersack, Vertragsfreiheit und Drittinteressen, S.  36. L.Raiser, Rechtsschutz und Institutionenschutz im Privatrecht, in: Aufgabe, S.  128; Habersack, Vertragsfreiheit und Drittinteressen, S.  36, 38. 93  Habersack, Vertragsfreiheit und Drittinteressen, S.  37. 94  Henkel, Rechtsphilosophie, S.  367. 95  Henkel, Rechtsphilosophie, S.  367; in diesem Sinne wohl auch L.Raiser, Rechtsschutz und Institutionenschutz im Privatrecht, in: Aufgabe, S.  125 f. 96  Henkel, Rechtsphilosophie, S.  369; A.Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschafts­ verträgen, S.  43 ff., 51. 97  Habersack, Vertragsfreiheit und Drittinteressen, S.   37 m. zahlr. Nachw.; L.Raiser, Rechtsschutz und Institutionenschutz im Privatrecht, in: Aufgabe, S.  128. 98 Vgl. Habersack, Vertragsfreiheit und Drittinteressen, S.  39; L.Raiser, Rechtsschutz und Institutionenschutz im Privatrecht, in: Aufgabe, S.  129. 99  Siebert, Verwirkung und Unzulässigkeit der Rechtsausübung, S.  83 ff., 97 f., 153 ff. Zu den höchst problematischen und von Siebert selbst vorangetriebenen Auswirkungen dieser Arbeit in der Nazizeit etwa Haferkamp, in: HKK-BGB, §  242 Rn.  74 ff. m. w. Nachw. 100  Vgl. nur BGHZ 30, 140, 145; BAG BB 1995, 204; Roth/Schubert, in: MünchKomm­ BGB, §  242 Rn.  78; Palandt/Grüneberg §  242 Rn.  16. 101  Dies. aaO. 102  Dies., Fußnote 100. 92 Vgl.

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der viel zitierten Formulierung Sieberts liegt in einer missbräuchlichen Hand­ lung „Handeln[...] ohne Recht“.103 bb)  Rechtsinstitute und Innentheorie im Gesellschaftsrecht Teile des Schrifttums haben sich bemüht, in Anlehnung an die eben beschriebe­ nen Ideen eine Beschränkung der Gestaltungsfreiheit von Gesellschaftern ab­ zuleiten.104 Ausgangspunkt ist die Behauptung, bestimmte Anpassungen des Gesellschaftsrechts „an die Organisationsbedürfnisse »der Wirtschaft«“ seien „ganz überwiegend negativ“, etwa die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Publikumspersonengesellschaften.105 Dementsprechend kennzeichnet die­ sen Ansatz das Bestreben, die Reichweite der „Satzungsautonomie“ zu be­ schränken, um deren „richtigen“ Gebrauch sicherzustellen.106 Vermieden wer­ den müsse unter anderem, dass eine „ungleichgewichtige Verteilung des inner­ gesellschaftlichen Einflusses“ dazu führe, dass „Sonderinteressen die Oberhand über das Gesellschaftsinteresse gewinnen und ein Handeln der Gesellschaft nach Maßgabe ihres Eigeninteresses unterbinden.“107 Regelungen, „mit deren Hilfe gesellschaftsfremde Sonderinteressen sich gegen das Gesellschaftsinteres­ se durchzusetzen vermögen“, sollen grundsätzlich verboten sein.108 Im Ergebnis dienen ordnungspolitische Erwägungen dazu, die Gestaltungsfreiheit der Ge­ sellschafter einzuschränken.109 Institutionelles Rechtsdenken in diesem Sinne ist nach der hier wiedergegebenen Ansicht dazu geeignet „überholte Prämissen zu überwinden und die Sachgerechtigkeit des positiven Rechts zu verbessern.“110 cc)  Notwendigkeit institutionellen Denkens Die Institutiontheorie überzeugt insofern, als sie die Notwendigkeit einer funktionalen Betrachtung von Rechtsnormen in das Blickfeld rückt. Wie im Schrifttum schon früher bemerkt wurde, bestehen gesellschaftliche Einrichtun­ gen nie ohne ein entsprechendes Normensystem und umgekehrt setzen Nor­ mensysteme gesellschaftliche Einrichtungen111 voraus.112 Cum grano salis lässt sich hier Kant paraphrasieren, Gedanken ohne sozialen Inhalt seien leer, der 103 

Siebert, Verwirkung und Unzulässigkeit der Rechtsausübung, S.  98. allem Reuter, Privatrechtliche Schranken, S.  54 ff., 68 ff.; ders., FS Mestmäcker, S.  271, 277 ff. 105  Reuter, FS Mestmäcker, S.  271, 279. 106  Reuter, Privatrechtliche Schranken, S.  68 ff. 107  Reuter, Privatrechtliche Schranken, S.  73. 108  Reuter, Privatrechtliche Schranken, S.  74. 109  S.  nur Reuters „Fazit“, Privatrechtliche Schranken, S.  86. 110  Reuter, FS Mestmäcker, S.  271, 287. Deutlich zurückhaltender dagegen Ulrich Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, S.  115 ff., dessen Ansatz weniger weit reicht. 111  Zumindest als Möglichkeit einer sozialen Erscheinung, die durch Rechtsnormen er­ zeugt werden soll. 112  Weinberger, Recht, Institution und Rechtspolitik, S.  176. Dort (S.  169 ff.) auch zu Über­ 104 Vor

236 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente Verweis auf soziale Anschauungen ohne (Rechts-)Begriffe jedoch blind. Der allfeile Hinweis darauf, hier werde unzulässig vom Sein auf das Sollen geschlos­ sen,113 schlägt nicht durch, weil dem Sein – der sozialen Erscheinung – keine Rechtserzeugungsaufgabe zukommt, sondern lediglich genauer bestimmt wird, worauf sich das „Sollen“ genau richtet.114 Funktional-teleologisches Denken ist dem Zivilrecht demnach keineswegs fremd, sondern vielmehr Voraussetzung jeder Rechtsanwendung. Vorstellun­ gen über den wirtschaftlichen Regelungshintergrund können und müssen eine Rolle spielen. Aber dabei besteht das Ziel weniger darin, Systemvorstellungen zu nutzen, um Normen in eine solche Vorlage „einzupassen“, um „Richtigkeit“ zu gewährleisten, als vielmehr darin, sich der Rolle bestimmter Regelungsberei­ che für die Steuerung der sozialen Wirklichkeit bewusst zu werden. In diesem Sinne vermag „institutionelles Rechtsdenken“ eine Hilfestellung zu leisten.115 Vertrags- und Gesellschaftsrecht etwa dienen – auch – der freien und effizienten Allokation von Gütern und Dienstleistungen.116 Insoweit besteht eine Schnitt­ menge dieser sich die auf das Kollektiv sämtlicher Marktakteure bezogenen Sicht mit der Funktion des Vertrags- und Gesellschaftsrechts für den Einzel­ nen: Gesellschaftsrecht ist Teil des Privatrechts und dient damit grundsätzlich der privatautonomen Regelsetzung zur Ermöglichung selbstgesteuerter Ziel­ verfolgung.117 Hierbei handelt es sich um die individuelle Seite von Marktförde­ rungsrecht. Beide Aspekte, der kollektive und der individuelle, sind Grundlage eines teleologischen Verständnisses der das Gesellschafts- und Vertragsrecht betreffenden Rechtsregeln.118 einstimmungen und Unterschieden zu soziologischen Institutionen- und Systemtheorien, denen hier nicht näher nachzugehen ist. 113 Vgl. Fikentscher, Methoden I, S.  530. 114  Im Übrigen ist hier zu berücksichtigen, dass mit den Rechtsnormen des Kapitalgesell­ schaftsrechts ein „Sein“ geschaffen wird, das es ohne sie nicht gäbe. Generell bedürfte die Anwendung der Figur des naturalistischen Fehlschlusses auf die juristische Argumentation einer gesonderten Untersuchung. 115  Für institutionelles Rechtsdenken im Sinne funktionaler Betrachtung etwa Reinhardt, ZGR 1975, 366, 383; K.Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  3 III (S.  53 f.); Wiedemann, Gesell­ schaftsrecht II, §  2 IV 2. A) bb) (S.  139). 116  Einleitung C. §  2. 117  Fastrich, Funktionales Rechtsdenken, S.  35. 118  Das betonte in jüngerer Zeit im Zusammenhang mit dem Gesellschaftsrecht vor allem Fastrich, Funktionales Rechtsdenken, S.  9. Die insbesondere von Ernest Weinrib in seinem Werk „The idea of private law“ wiederbelebte Debatte um die Autonomie des Privatrechts kann hier nicht weiter aufgegriffen werden. Gegen ihn etwa Dagan, The Limited Autonomy of Private Law, in: Jansen/ Michaels (Eds.), Beyond the State, S.  387, 390 ff. Das Problem hier nicht weiter zu vertiefen ist vertretbar, weil striktes Autonomiedenken à la Weinrib auf breiter Front abgelehnt wird und für die hier zu diskutierenden Fragen keinen nennenswerten Ein­ fluss gewinnen dürfte. Selbst diejenigen, die dem Institutionendenken im deutschen Privat­ recht skeptisch gegenüberstehen, anerkennen die Notwendigkeit, den Regelungsgegenstand, die soziale Wirklichkeit, bei der Auslegung von Normen zu berücksichtigen. Anders ist eine teleologische Interpretation nicht möglich.

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Dass die gesellschaftsrechtlich relevanten Gesetze Schranken vorsehen bis hin zu §  23 Abs.  5 S.  1 AktG, widerspricht dem nicht. Denn das ändert nichts daran, dass den Beteiligten grundsätzlich freisteht, ob sie nach dem Gesetz wählbare Gestaltungsvarianten nutzen. Maßgeblich ist insoweit die Möglich­ keit einer eigenverantwortlichen, das heißt nicht vom Staat gelenkten Organisa­ tion eigener Angelegenheiten.119 Zudem dienen die gesetzlichen Gestaltungs­ grenzen wie im allgemeinen Privatrecht der Aufrechterhaltung und Durchset­ zung bestimmter Funktionsbedingungen des Rechtssystems.120 dd)  Dogmatische Umsetzung So überzeugend eine institutionenbezogene Einordnung der Rechtsregeln im Sinne einer funktionalen Betrachtung grundsätzlich ist, so problematisch ist die von den Vertretern der hier diskutierten Form der Institutionenlehre befürwor­ tete dogmatische Umsetzung. Im Ergebnis wird eine außerhalb des positiven Rechts stehende, von jeder normativen Anknüpfung freie Geltungsschranke errichtet. „[E]inem funktionswidrigen Gebrauch“ des Instituts ist danach „die rechtliche Anerkennung“ zu versagen.121 Es soll sich um eine eigenständige dogmatische Figur handeln.122 Eine derart mehr oder weniger frei schwebende Konstruktion ist abzulehnen und vollkommen entbehrlich.123 Eine ungeschriebene Schranke der Vertrags­ freiheit der hier beschriebenen Art bleibt ohne normative Anknüpfung diffus, sowohl hinsichtlich ihrer Voraussetzungen als auch mit Blick auf ihren Gehalt – wo beginnt eine Institution und wo hört sie auf?124 Insoweit besteht eine enge Verwandtschaft zur Lehre vom „Wesen“, damit gelten alle diesbezüglich vorge­ tragenen Argumente.125 Der Verweis darauf, die Institutionentheorie stehe auf dem Boden des gesetz­ ten Rechts, weil „Gehalt und Funktion des Instituts innerhalb der geltenden Rechtsordnung zu bestimmen“126 seien und die Institutionentheorie „zunächst 119 Vgl.

Fastrich, Funktionales Rechtsdenken, S.  35. Fastrich, Funktionales Rechtsdenken, S.  36, und unten 3. Teil B. §  3. 121  Habersack, Vertragsfreiheit und Drittinteressen, S.  37. Ähnlich etwa Larenz/Canaris, Methodenlehre, S.  238 f. 122  A.Teichmann, in: Soergel, 12. Auflage 1990, §  242 Rn.  11 ff. 123  Die Institutionenlehre im hier verworfenen Sinne ebenfalls kritisch bis ablehnend be­ urteilend Flume, Personengesellschaft, §  13 I (S.  189 ff.); H.P.Westermann, AcP 175 (1975), 375, 412 f.; Reinhardt, ZGR 1975, 366, 383 f. Sehr zurückhaltend auch K.Schmidt, Gesellschafts­ recht, §  5 III 1. b) (S.  116 f.). Offener dagegen Wiedemann, Gesellschaftsrecht II, §  2 IV 2. A) bb) (S.  140). Die Lehre vom institutionellen Rechtsmissbrauch unter dem Blickwinkel des all­ gemeinen Privatrechts ablehnend Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, S.  69 f.; Looschelders/Olzen, in: Staudinger, §  242 Rn.  213. 124 Ähnlich bereits Nitschke, Personengesellschaft, S.   8; Schultze-von Lasaulx, ZfgG 21 (1971), S.  332; diesen zustimmend etwa Flume, Personengesellschaft, §  13 I. (S.  191). 125  Auf dieses Problem verwies schon Schultze-von Lasaulx, ZfgG 21 (1971), S.  332. 126  Habersack, Vertragsfreiheit und Drittinteressen, S.  39 (Kursivsetzung im Original). 120 

238 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente nicht mehr bezeichne als einen Inbegriff von Rechtsvorschriften, die sich auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis bzw. Institut beziehen“,127 ist für sich genom­ men richtig, geht aber am Problem vorbei. Denn welche Vorschriften sich auf das Institut beziehen und, noch wichtiger, unter welchen Voraussetzungen sie aufhören, mit seiner außerrechtlich bestimmten „Funktion“ zu korrespondie­ ren, kann die Institutionentheorie ihrem Ansatz gemäß nicht auf Grundlage des gesetzten Rechts beantworten. Zahl und Inhalt der geltenden Regeln des positi­ ven Rechts sollen doch auf Grundlage dieser Betrachtungsweise gerade von der Institution her bestimmt werden. Abgesehen von diesen Ungereimtheiten besteht der Sache nach kein Bedürf­ nis für die Etablierung dieser ungeschriebenen Schranke der Vertragsfreiheit, weil sich auf Basis des vorhandenen Normenbestandes das von der Institutio­ nentheorie angestrebte Ziel der Verknüpfung von Normebene und Regelungs­ sachverhalt wirksam verfolgen lässt. Dieses Ziel besteht im Kern darin, Rechts­ missbrauch zu verhindern. Das ermöglicht der Rückgriff auf Generalklauseln wie die §§  138, 226, 242 und 826 BGB.128 In §  242 BGB lässt sich sowohl die Ausübungskontrolle wegen individuellen Rechtsmissbrauchs als auch die In­ haltskontrolle wegen institutionellen Rechtsmissbrauchs unterbringen.129 Nun zeichnen sich die genannten Generalklauseln nicht eben durch ein hohes Maß an inhaltlicher Präzision aus. Ein kritischer Betrachter mag anmerken, die normative Verbrämung des institutionellen Denkens durch §  242 BGB (oder eine der anderen Generalklauseln) helfe nicht, das Unbestimmtheitsproblem zu lösen, sondern öffne lediglich die Tür zu einer Scheinsicherheit. Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen, am Ende aber kein schlagendes Gegenargument. Denn immerhin sind die zitierten Normen inzwischen durch Fallgruppenbil­ dung ein Stück weit konkretisiert worden. Damit bietet sich die Chance, we­ nigstens ansatzweise unter Rekurs auf das bereits angesammelte Material eine vorhersehbare Entscheidung treffen zu können. Selbst wenn also im Ergebnis keine der hergebrachten Fallgruppen für einschlägig gehalten werden sollte, ist doch in Auseinandersetzung mit den Gründen für und gegen die Zulässigkeit zumindest verwandter Gestaltungen und Rechtshandlungen die Herausarbei­ tung nachvollziehbarer Maßstäbe möglich. b)  Institutionentheorie und Außenschranken Die zweite Version der Institutionentheorie als Grundlage für immanente Schranken der Gestaltungsfreiheit setzt nicht an schuldrechtlichen Vertragsty­ pen oder der Vertragsfreiheit selbst als „Institut“ an. Mit „Institutionalisierung“ 127 So

Habersack, Vertragsfreiheit und Drittinteressen, S.  38. Looschelders/Olzen, in: Staudinger, §  242 Rn.  213 ff. 129  Statt aller Heinrich, FS Laufs, S.  585, 589 ff.; Looschelders/Olzen, in: Staudinger, §  242 Rn.  213 ff., 217, jeweils mit zahlreichen Nachweisen. 128 Ähnlich

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wird vielmehr ein außerhalb der Rechtsordnung stattfindender Prozess be­ zeichnet, der zu einer Ausprägung und Verfestigung von sozialen Erscheinun­ gen führt, die die Vertragsfreiheit einschränken sollen.130 Er sei „eine Abkehr von vertraglichen, d.h. im Inhalt durch Vereinbarung zu gestaltenden Elemen­ ten [...].“131 Die Beschränkung resultiert demnach nicht aus stets schon vorhan­ denen Innenschranken, die sich aus dem Wesen eines Rechtsinstituts ergeben.132 Vielmehr kann sich nach diesem Ansatz außerhalb des Gesetzes zwingendes Recht entwickeln.133 Der Grund für solche Entwicklungen liege darin, dass „bestimmte Motive“ sie forderten.134 Aufgabe und Wert dieser Spielart der Ins­ titutionentheorie lägen in der Herausarbeitung dieser Motive.135 Das Ende des Verfestigungsprozesses sei erreicht, wenn Gesetzgebung und Rechtsprechung die Kriterien aufgriffen.136 Diese gerade beschriebene Variante der Institutionenlehre vermeidet das dog­ matische Defizit der zuerst genannten Version. Die sich außerhalb der Rechts­ ordnung vollziehende Institutionalisierung gewinnt erst dann Bedeutung für die Einschränkung der Vertragsfreiheit, wenn Gesetzgebung und Rechtspre­ chung auf die extralegalen Entwicklungen Rücksicht nehmen. Die Inanspruch­ nahme von Vertragsfreiheit etwa steht damit nicht stets und von vornherein unter dem Vorbehalt, nur bei funktionsgerechter Ausrichtung Wirkung entfal­ ten zu können. Allerdings stellen sich zwei andere Probleme, die letztlich nicht zufriedenstellend gelöst werden können: (i) Die Feststellung einer Motivation des Institutionalisierungsprozesses per se ist wenig aussagekräftig, weil ihr Einfluss auf diesen Vorgang damit nicht schon feststeht.137 Ähnliches gilt für das Zusammenwirken mehrerer Motive – wenn sich mehrere Motive ausmachen lassen, die zu einer Verfestigung von Strukturen geführt haben, sagt dies noch nichts darüber, in welchem Umfang jedes Motiv zum Prozess beigetragen hat. So ist denkbar, dass für die Teilneh­ mer des Rechtsverkehrs von mehreren Erwägungen nur einige wesentlich wa­ ren, während andere lediglich in Korrelation stehen, nicht aber kausal wirken. (ii) Hinzu kommt, dass die Herausarbeitung einiger wichtiger Motivationen für die Verfestigung von Strukturen (Öffentliches Interesse, Gesellschafter­ schutz, Gläubigerschutz, Funktion der Gesellschaft)138 im Regelfall nicht ge­ 130 

A.Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, S.  46, 53 ff. A.Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, S.  47. 132  S.  d ie Abgrenzungen von A.Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, S.  46, 47. 133  A.Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, S.  48. 134 So A.Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, S.  51. 135  A.Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, S.  51. 136  A.Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, S.  51. 137  Schultze-von Lasaulx, ZfgG 21 (1971), 325, 339. Ablehnend auch Hey, Freie Gestaltung, S.  234 ff. 138  A.Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, S.  96 ff. 131 

240 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente nügt, die Ausbildung von Institutionen zu erklären. Die Rückführung auf we­ nige Prinzipien wird häufig nicht von der Notwendigkeit entheben, sehr diffe­ renzierte Betrachtungen anzustellen.139 Um dies zu tun, ist der Rückgriff auf die Vorstellung einer sich in der sozialen Wirklichkeit vollziehenden histori­ schen Entwicklung häufig entbehrlich, jedenfalls soweit dies eine eigenständige Institutionenlehre als Methode darstellen soll.140

II.  Zwingendes Recht, Verbotsgesetze, gute Sitten, die Grenzen rechtsgeschäftlicher Gestaltungsmacht sowie Gesetzesumgehung Nachdem sich die Ansätze des „Wesens“, die Typentheorie sowie die Institutio­ nentheorie in ihren beiden Spielarten als ungeeignet erwiesen haben, dogmati­ sche Grundlagen für eine Vertragsinhaltskontrolle zu liefern, bleibt nur der Rückgriff auf die anerkannten allgemeinen Schranken der Gestaltungsfreiheit. Relevant für die Untersuchung sind die §§  134, 138 und 242 BGB (dazu 1.). Als allgemeine Kategorie weniger bekannt scheinen allerdings die Grenzen der Gestaltungsmacht.141 So ist die Aussage nicht ungewöhnlich, eine Vereinba­ rung sei wegen des Verstoßes gegen eine abschließende gesetzliche Regelung „unzulässig“ – ohne sich näher damit auseinanderzusetzen, um welches dogma­ tische Argument es sich handelt und wieso bei Überschreiten einer „abschlie­ ßenden“ Vorschrift die Folge der „Unzulässigkeit“ die Nichtigkeit ist, wenn doch offenbar implizit die Verbotsgesetzeigenschaft verneint wird.142 Um hier etwas mehr Klarheit zu schaffen, wird die Wirkung der Figur der „Grenzen der Gestaltungsmacht“ anhand einiger Beispiele aus dem Gesellschaftsrecht erläu­ tert (2.). Weiterhin ist kurz darauf einzugehen, welche dogmatische Qualität das Ar­ gument der Gesetzesumgehung hat (3.).

139 

Hey, Freie Gestaltung, S.  235; Schultze-von Lasaulx, ZfgG 21 (1971), 325, 341. K.Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  5 III 2. c) (S.  118). 141 Paradigmatisch Dittert, S.  98, 108, 114 ff. (zwar erwähnt Dittert auf S.  116 die Grenzen der Gestaltungsmacht, doch nutzt er diese dogmatische Kategorie nicht und operiert selbst dort, wo er nur die „Regelungsform Satzung“ anerkennt, mit §  134 BGB oder dem „Gedanken der Umgehung, etwa S.  98); Hüffer, ZGR 2001, 833, 835, der Nichtigkeitsgründe für Be­ schlussmängel zwar „in das Erste Buch des BGB“ einordnet, aber nur die §§  134, 138 BGB nennt; Otto, NZG 2013, 930, 935 mit Fußnote 38, der §  76 AktG als Verbotsgesetz wertet. Ausdrücklich auf §  60 Abs.  3 AktG im Kontext des §  23 Abs.  5 AktG als Verbotsgesetz im Sinne des §  134 BGB verweist Koch, AG 2015, 213, 218. Auf die §§  138, 242 BGB als die zwin­ genden Grenzen der Satzungsautonomie verweist auch Ursula Stein, Rechtsschutz gegen ge­ setzeswidrige Satzungsnormen bei Kapitalgesellschaften, ZGR 1994, 472 f. Anders Kiefner, ZHR 178 (2014), 547, 573 f., 578, der den §  134 BGB-Ansatz hinsichtlich Kompetenzregeln kritisiert und für die Anwendung von ultra vires-Lehren plädiert. 142  Beispiel: BGH ZIP 2012, 472. 140 

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1.  Zwingendes Recht, §§  134, 138, 242 BGB Die Geltung der §§  134, 138, 242 BGB im Gesellschaftsrecht ist unumstritten, soweit nicht bereits spezielle Normen wie §  136 Abs.  2 AktG bestimmte Gestal­ tungen untersagen.143 Eine nähere Darstellung über die Anwendungsvorausset­ zungen dieser Vorschriften kann daher unterbleiben.

2.  Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Gestaltungsmacht Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Gestaltungsmacht verbieten nicht, schränken also nicht das „Dürfen“ ein, sondern schließen bereits die Möglichkeit wirksa­ mer Gestaltung – das „Können“ – schlechthin aus.144 Sie liegen den Verbotsge­ setzen „voraus“ und fallen daher nicht unter §  134 BGB. Beispiele aus dem Bür­ gerlichen Recht sind der sachenrechtliche Typenzwang, die §§  106, 107 Abs.  1 BGB sowie das Verbot des Selbstkontrahierens nach §  181 BGB.145 Niemand kann ein nichtakzessorisches Mobiliarpfandrecht begründen, weil das Sachen­ recht insofern Akzessorietät zwingend voraussetzt.146 Im Gesellschaftsrecht lassen sich verschiedene Beispiele für solche Grenzen finden: a)  Allgemeine Grenzen rechtsgeschäftlicher Gestaltungsmacht aa)  Aktienrecht: §  2 3 Abs.  5 AktG Eine Regelung, die ausdrücklich die Gestaltungsmacht im eingangs beschriebe­ nen Sinne begrenzt, ist §  23 Abs.  5 AktG, sowohl hinsichtlich von Abweichun­ gen (Satz 1) als auch mit Blick auf Ergänzungen (Satz 2).147 Die Behandlung von Abweichungen und Ergänzungen unterscheidet sich nur im Ausgangspunkt hinsichtlich ihrer Zulässigkeit, nicht aber in der Einordnung bezogen auf die allgemeine zivilrechtliche Dogmatik. So scheiterten Satzungsbestimmungen, nach denen „der Aufsichtsrat abgeschafft“ sei oder „diese Gesellschaft ohne Aufsichtsrat errichtet“ werde, nicht an §  134 BGB. Es ist nicht „verboten“, eine Aktiengesellschaft ohne Aufsichtsrat zu errichten. Das Aktiengesetz stellt viel­ mehr von vornherein keine monistische Strukturierungsvariante zur Verfü­ gung. Anders als etwa ein Kaufvertrag über Betäubungsmittel, für die die Betei­ ligten keine Handelserlaubnis haben, ist nicht der Abschluss eines Vertrages über die Errichtung einer Gesellschaft im Einzelfall untersagt, so wie den Be­ 143 

S.  nur K.Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  5 III 1.a), b) (S.  109 f.). Armbrüster, in: MünchKommBGB, §  134 Rn.  5; Hefermehl, in: Soergel, §  134 Rn.  3; Sack/Seibl, in: Staudinger, §  134 Rn.  33. Die Details sind nicht geklärt. 145  Nachweise in der vorhergehenden Fußnote. 146  BGHZ 23, 293. 147  Armbrüster, in: MünchKommBGB, §  134 Rn.  5. Anders offenbar Koch, AG 2015, 213, 218 im Zusammenhang mit §  60 Abs.  3 AktG. Zur von Armbrüster aaO. in Fußn. 22 zitierten Entscheidung OLG Düsseldorf WM 1973, 1425, unten im Text bei Fußnote 160. 144 

242 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente täubungsmittelhandelnden der Abschluss dieses speziellen Kaufvertrages ver­ boten ist, nicht jedoch die Abrede über den Kauf von Sachen generell. Vielmehr kann das Geschäft „Errichtung der Aktiengesellschaft“ nur in der Version getä­ tigt werden, die das Gesetz vorsieht.148 Es gibt niemanden, der es auf eine ande­ re Weise zu tun vermag.149 Der Klarstellung halber sei hinzugefügt, dass es sich hierbei nicht um ein Typusargument handelt. §  23 Abs.  5 AktG gibt diese Folge konkret vor – wer eine Gesellschaft als „Aktiengesellschaft“ errichtet, hat nur die „Freiheit“, die §  23 Abs.  5 AktG gewährt. Dass einzelne Normen wie §  113 Abs.  3 S.  2 AktG eine selbständige Anord­ nung der Nichtigkeit bei Abweichungen vom Gesetz vorsehen, ist kein Argu­ ment gegen die hier vorgenommene dogmatische Qualifikation von §  23 Abs.  5 AktG und für die Erfassung von §  113 Abs.  3 S.  2 AktG als Verbotsnorm mit eigener Rechtsfolgenanordnung. Denn §  113 Abs.  3 S.  2 AktG, ebenso wie viele weitere Normen des Aktiengesetzes, war bereits Inhalt des Aktienrechts vor der Novelle des Jahres 1965.150 Doch erst mit dieser Reform wurde §  23 Abs.  5 AktG eingeführt.151 Angesichts der Dürftigkeit der einschlägigen Erwägungen in den Gesetzgebungsmaterialien ist zudem höchst zweifelhaft, dass die Gesetzesver­ fasser sich Gedanken über die allgemeine privatrechtliche Dogmatik und ihre Verknüpfung mit dem Aktienrecht gemacht haben. bb) GmbH-Recht Zwar kennt das GmbHG keine §  23 Abs.  5 AktG vergleichbare Norm. Doch enthält es Vorschriften, die ebenso wie §  23 Abs.  5 AktG bereits die Regelungs­ kompetenz der Gesellschafter einschränken. Das gilt etwa für §  51a Abs.  3 ­GmbHG, der vorsieht, dass von den in §  51a Abs.  1 und Abs.  2 GmbHG enthal­ tenen Auskunfts- und Einsichtsrechten im Gesellschaftsvertrag nicht abgewi­ chen werden kann. Dabei handelt es sich nicht um ein gesetzliches Verbot. Den Gesellschaftern ist vielmehr von vornherein die Möglichkeit entzogen, die ge­ nannten Rechte einzuschränken. Dementsprechend stützt sich die Literatur

148  Vgl. zum umgekehrten Fall, der Erweiterung des Aufsichtsrates über das Gesetz hin­ aus, BGH ZIP 2012, 472: Keine Überschreitung der nach §  7 Abs.  1 MitbestG festgelegten Höchstzahl von Aufsichtsratsmitgliedern in der Satzung einer mitbestimmten GmbH. Inso­ weit modifiziert das Mitbestimmungsgesetz 1976 die aktienrechtlichen Vorgaben zum Auf­ sichtsrat. Der Bundesgerichtshof beruft sich in dieser Entscheidung (richtig) nicht auf §  134 BGB, sondern allein darauf, dass „Abweichungen von dieser abschließenden Regelung [...] nicht zulässig“ seien (aaO., 472). 149  Während im Betäubungsmittelbeispiel immerhin diejenigen einen wirksamen Kaufver­ trag über Betäubungsmittel schließen dürfen, die Inhaber der entsprechenden Erlaubnis sind. 150  §  113 Abs.  3 S.  2 AktG etwa entspricht §  98 Abs.  3 S.  2 AktG 1937. 151  Ausführlich unten 3.Teil A. §  4.

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nicht auf §  134 BGB, sondern verweist allgemein nur darauf, §  51a sei „zwin­ gend“ oder „nicht abdingbar“.152 §  25 GmbHG ist ein vergleichbares Beispiel.153 b)  Echte Satzungsbestandteile und Satzungsvorbehalt Eine weitere Form der Gestaltungsbeschränkung ergibt sich aus der Notwen­ digkeit, bestimmte Abreden in die Satzung aufzunehmen, um ihnen – überhaupt oder „satzungsmäßige“ – Wirkung zu verleihen. Solche „echten“ Satzungsbe­ standteile154 beziehen sich auf Regelungen, die entweder, wie diejenigen nach §  3 Abs.  1 GmbHG und §  23 Abs.  2 bis 4 AktG, notwendig in die Satzung aufzu­ nehmen sind (notwendige echte Satzungsbestandteile) oder in die Satzung ge­ schrieben werden müssen, wenn sie Wirkung gegenüber künftigen Gesellschaf­ tern und Dritten entfalten sollen (fakultative echte Satzungsbestandteile).155 Die Abgrenzung zwischen echten und unechten Satzungsbestandteilen ist unklar. Im Vordergrund steht, ob die Regelung Drittwirkung entfaltet oder entfalten soll.156 Ergänzend werden weitere Kriterien angeführt, die jedoch ih­ rerseits keinen Königsweg zu einer einheitlichen Lösung von Zweifelsfragen bieten.157 Dazu ist hier nicht weiter Stellung zu nehmen. Relevanz für die Dogmatik des zwingenden Rechts hat dagegen die Folge der Einordnung einer Bestimmung als echter oder unechter Satzungsbestandteil: Wenn die Gesellschafter eine Klausel mit Satzungswirkung versehen wollen, steht ihnen nur das Gestaltungsmittel „Satzung“ zur Verfügung. Ihnen fehlt die Macht, die betroffene Regelung wirksam in einer schuldrechtlichen Vereinba­ rung vorzunehmen. Das gilt erst recht, sofern es sich um einen notwendigen Satzungsbestandteil handelt. „Verboten“ sind abweichende Abreden nicht.158 152  Statt aller: Bayer/Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, §  51a Rn.  32; Hilmmann, in: Münch­ KommGmbHG, §  51a Rn.  93; Roth, in: Roth/Altmeppen, §  51a Rn.  41; Zöllner, in: Baumbach/ Hueck, §  51a Rn.  2. Anders dagegen Hüffer/Schürnbrand, in: GK-GmbHG, §  51a Rn.  70, der von einem „Verbot“ schreibt. 153  Zu §  25 GmbHG Kuntz, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, §  25 Rn.  1; Schütz, in: Münch­ KommGmbHG, §  25 Rn.  9. 154  Weitere Bezeichnungen in Literatur und Rechtsprechung: „Materielle“, „körperschaft­ liche“, „korporative“ oder „mitgliedschaftliche“ Bestandteile, vgl. Pentz, in: MünchKomm­ AktG, §  23 Rn.  40 mit Nachweisen. 155  Für die AG BGHZ 123, 347, 350; Hüffer/Koch, §  23 Rn.  3; Pentz, in: MünchKomm­ AktG, §  23 Rn.  40; Röhricht, in: GK-AktG, §  23 Rn.  8; Seibt, in: Schmidt/Lutter, §  23 Rn.  4. Für die GmbH: BGHZ 116, 359, 364; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, §  3 Rn.  2; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, §  3 Rn.  2; Simon, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, §  3 Rn.  34; Ulmer, in: GK-GmbHG, §  53 Rn.  8; Wicke, in: MünchKommGmbHG, §  3 Rn.  102. Überblick über Re­ gelungen, die nach dem GmbHG unter Satzungsvorbehalt stehen, bei Wicke aaO., §  3 Rn.  116. 156  So vor allem die Rechtsprechung, etwa BGHZ 123, 347, 350; BGHZ 116, 359, 364. Aus der Literatur Röhricht, in: GK-AktG, §  23 Rn.  10; Ulmer, in: GK-GmbHG, §  53 Rn.  14. 157  Dazu nur, jeweils mit weiteren Nachweisen, Röhricht, in: GK-AktG, §  23 Rn.  11; Ulmer, in: GK-GmbHG, §  53 Rn.  14. 158  Sie sind auch nicht wegen Formmangels im Sinne von §  125 S.  1 BGB nichtig (so Joussen, S.  137), da neben dem Regelungsort „Satzung“ weitere Anforderungen an satzungspflichtige

244 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente Das zeigt sich besonders deutlich bei solchen Gegenständen, hinsichtlich de­ rer ein Gestaltungswahlrecht existiert, die also in den Rang echter Satzungsbe­ standteile erhoben werden können, aber nicht müssen. Ein Beispiel hierfür bie­ tet §  3 Abs.  2 GmbHG: Die Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung können zusätzliche Leistungspflichten, etwa die Pflicht zur Leistung von Deckungsbeiträgen zu den Kosten der Gesellschaft, sowohl in Form eines echten Satzungsbestandteils mit Wirkung gegenüber zukünftigen Mitgliedern begründen als auch mit lediglich schuldrechtlichem Effekt gegenüber den Betei­ ligten einer entsprechenden schuldrechtlichen Vereinbarung.159 Bei dieser Frage handelt es sich nicht bloß um eine solche der Formbedürftig­ keit einer Regelung. Vielmehr werden die Effekte schuldrechtlicher Abreden begrenzt. Drittwirkung ist mit ihnen nicht zu erzielen. Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für andere Formen der Regulierung außerhalb der Satzung, insbesondere im Aktienrecht. Ein Beispiel hierfür bietet die Geschäftsordnung des Aufsichtsrates, wie sich anhand eines praktischen Falles darstellen lässt: Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die in der Ge­ schäftsordnung des Aufsichtsrates vorgenommene Verschärfung der Ver­ schwiegenheitspflichten des Aufsichtsrates über den Maßstab der §§  93 Abs.  1 S.  3, 116 AktG hinaus für nichtig gehalten.160 In der Begründung stützte es sich auf §  134 BGB in Verbindung mit §  23 Abs.  5 AktG.161 Richtigerweise hätte sich das Gericht hier auf die Grenzen der Gestaltungsmacht beziehen müssen. Das ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus §  23 Abs.  5 AktG,162 doch folgt es aus der Notwendigkeit, eine solche Regelung als satzungspflichtig einzustufen. Denn Konsequenz der einschlägigen Klausel in der Geschäftsordnung war die Ände­ rung der Pflichten des Aufsichtsrats im Verhältnis zur Gesellschaft. Die Ausge­ staltung von Organen und ihrer Kompetenzen fällt nach einhelliger Meinung in die Fallgruppe notwendig echter Satzungsbestimmungen.163 Mittelbare Bestäti­ gung findet diese Qualifikation in §  52 Abs.  1 GmbHG, wonach §  93 Abs.  1 Maßnahmen gestellt werden (Mehrheitserfordernisse, „sonstige Erfordernisse“ im Sinne von §  53 Abs.  2 S.  2 GmbHG etc.). Die von Joussen aaO. in den Fußnoten 235, 236 zitierten Nach­ weise stützen seine Ansicht nicht. Entweder es handelt sich um andere Konstellationen (etwa BGH DB 1977, 764, 765) oder aber mit „Form“ ist nicht die Form im Sinne von §  125 S.  1 BGB gemeint (etwa Bartz, in: GK-AktG, Band I/1, 3. Auflage 1973, §  23 Rn.  27, der von der „Um­ gehung“ der „Formvorschrift“ des §  23 AktG schreibt). 159  BGH NJW-RR 1993, 607, 608. 160  OLG Düsseldorf WM 1973, 1425, 1426. Im Ergebnis ebenso die Revisionsentscheidung BGHZ 64, 325, 327 ff. Den Entscheidungen lag noch die alte Fassung von §  93 Abs.  1 AktG zugrunde, in der die Verschwiegenheitspflicht sich in Satz 2 befand. 161  OLG Düsseldorf WM 1973, 1425, 1426; ebenso Hüffer, ZGR 2001, 833, 872 (ohne direk­ ten Hinweis auf §  23 Abs.  5 AktG unter alleiniger Betonung des abschließenden Charakters von §§  93 Abs.  1 S.  2 [a.F.], 116 AktG). 162  So allerdings die Revisionsentscheidung BGHZ 64, 325, 333 (Regelung „wegen Versto­ ßes gegen §  23 Abs.  5, §  116 i.V.m. §  93 Abs.  1 S.  2 AktG“ nichtig); Armbrüster, in: Münch­ KommBGB, §  134 Rn.  5. 163  Statt aller Röhricht, in: GK-AktG, §  23 Rn.  13.

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AktG entsprechend anzuwenden ist, „soweit nicht im Gesellschaftsvertrag ein anderes bestimmt ist.“ Verschärfungen der Verschwiegenheitspflichten der Mit­ glieder eines fakultativen Aufsichtsrates bedürfen also der Regelung in der Sat­ zung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Den Beteiligten stand im hier besprochenen Fall die Regelung außerhalb der Satzung nicht als Gestaltungs­ mittel offen, die Frage hätte in der Satzung geregelt werden müssen. Damit war die Regelung in der Geschäftsordnung nichtig, weil es den Beteiligten an der Gestaltungsmacht fehlte.164 §  134 BGB konnte von vornherein nicht zum Tra­ gen kommen. c) Kompetenzregeln Eine weitere Variante der Beschränkung von Gestaltungsmacht durch das Ka­ pitalgesellschaftsrecht sind Kompetenzregeln, die bestimmten Organen zwin­ gend Befugnisse zuweisen. Für diese Arbeit von Bedeutung sind vor allem §  76 Abs.  1 AktG – etwa im Zusammenhang mit Covenants – 165 und §  53 Abs.  1 Gm­ bHG. Um im weiteren Verlauf die einzelnen Sachfragen der Reichweite der Ge­ staltungsfreiheit klären zu können, ist hier in angemessener Kürze die dogmati­ sche Grundlage zu den Wirkungen der zitierten Vorschriften zu legen. aa)  §  76 Abs.  1 AktG §  76 Abs.  1 AktG soll nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht Verbotsge­ setz im Sinne von §  134 BGB sein unter anderem für die Übertragung von Ge­ schäftsführungsaufgaben auf nachgeordnete Mitarbeiter, hinsichtlich der Un­ terstellung der Leitung unter Dritte und der Übertragung von wesentlichen Entscheidungsbefugnissen auf Dritte ohne konzernvertragliche Basis.166 Dafür spricht zunächst, dass die in §  76 Abs.  1 AktG geregelte Leitung der Aktienge­ sellschaft von der herrschenden Meinung als Teil der Geschäftsführung einge­ ordnet wird,167 und Geschäftsführung die „Aufgabenstellung“ des Organs be­ trifft, das heißt „welche Maßnahmen getroffen werden sollen oder dürfen“.168 Dagegen regle die Vertretungsmacht die „Rechtsmacht“, also die Frage, „welche 164  Dass die Regelung mit Blick auf §   23 Abs.  5 AktG in der Satzung (ebenfalls) wegen fehlender Gestaltungsmacht unzulässig gewesen wäre, ist richtig. Doch stellt sich dieses Pro­ blem im dargestellten Fall bei genauer Betrachtung von vornherein nicht. 165  Vgl. im 4. Teil B. §  5. 166  Mertens/Cahn, in: KK-AktG, §  76 Rn.  45, 46. Die übrigen Kommentare schweigen sich zur Rechtsnatur des §  76 Abs.  1 AktG aus und erklären nur, bestimmte Vereinbarungen seien unzulässig oder könnten nicht vorgenommen werden, ohne dies in dogmatische Kategorien zu fassen, vgl. etwa Fleischer, in: Spindler/Stilz, §  76 Rn.  79; Kort, in: KK-AktG, §  76 Rn.  158; Spindler, in: MünchKommAktG, §  76 Rn.  26 ff. 167  Für die herrschende Meinung Mertens/Cahn, in: KK-AktG, §  76 Rn.  4 mit Nachweisen zum Streitstand. 168  Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, §  10 II.1.a) (S.  525), Kursivsetzungen im Original.

246 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente Rechtsgeschäfte [...] im Namen des Verbandes durchgeführt werden können [...].“169 Sind Geschäftsführungsbefugnisse demnach kein Problem der Rechts­ macht, ergibt sich daraus scheinbar zwanglos, dass Verstöße gegen die Vorgaben des §  76 Abs.  1 AktG nicht schon am Fehlen von rechtsgeschäftlicher Gestal­ tungsmacht scheitern. Dass die Vorschrift die Gestaltungsfreiheit als Verbots­ gesetz beschränkt, soll sich aus der abschließenden Regelung der Organstruk­ tur der Aktiengesellschaft sowie den zwingenden Regelungen über die Kompe­ tenzen der einzelnen Organe und aus der zentralen Bedeutung des §  76 Abs.  1 AktG ergeben.170 Legt man dieses Argument – zu Recht – zugrunde, kann die Übertragung von Leitungsmacht keine durch Verbotsgesetz untersagte Maßnahme sein. Das ergibt sich nicht direkt aus §  76 Abs.  1 AktG, sondern mittelbar unter Berück­ sichtigung der angestrebten Konsequenzen einer solchen Regelung: Die Ver­ lagerung von Leitungsaufgaben änderte die innerverbandliche Kompetenz­ zuweisung und damit die Organisationsstruktur mit Wirkung für sämtliche zukünftige Gesellschafter und Gläubiger, da dem Vorstand entgegen der Vor­ schrift nicht mehr exklusiv die Leitung obläge.171 Im Ergebnis würde ein weite­ res Organ geschaffen, das bestimmte Leitungsaufgaben übernehmen soll. Sol­ che Regelungen sind grundsätzlich notwendige echte Satzungsbestandteile.172 Sie stehen demnach unter Satzungsvorbehalt und können nicht wirksam zum Gegenstand eines Vertrages gemacht werden, sofern das Gesetz nicht wie in §  293 AktG anderes vorsieht.173 Das gilt umso mehr, als Verträge über die Ver­ lagerung von Leitungsmacht, die der Vorstand in eigenem Namen oder namens der Gesellschaft schließt, Strukturentscheidungen verwirklichen (sollen), die, wenn überhaupt, nur die Gesellschafter beschließen können. Deshalb ist Folge der Verlagerung von Leitungsaufgaben die Unwirksamkeit der zugrunde lie­ genden Rechtsgeschäfte wegen Überschreitens der rechtsgeschäftlichen Gestal­ tungsmacht. Lässt das Aktienrecht wie in §  293 Abs.  1 AktG die Handlung mit Zustimmung eines anderen Organs zu, kommt die Heilung nach den allgemei­ nen Regeln (§  177 Abs.  1 BGB) in Betracht. Mit einer „ultra vires“-Lehre hat dies nichts zu tun.174 Die Bindung des Vor­ stands bezieht sich nicht auf die Satzung oder bestimmte Geschäfte. Vielmehr geht es um die Wahrung der vom Gesetz vorgenommenen Zuordnung von Zu­ ständigkeiten für die Leitung der Gesellschaft, unabhängig vom konkreten Ge­ genstand.

169 

Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, §  10 II.1.a) (S.  525), Kursivsetzung im Original. Mertens/Cahn, in: KK-AktG, §  76 Rn.  46. 171  Zum gesetzgebungsgeschichtlichen Hintergrund unten 4. Teil B. §  5 I.3.b)aa). 172  BGHZ 123, 347, 350; Röhricht, in: GK-AktG, §  23 Rn.  13. 173  Vgl. oben §  1 II.2.b). Beispiel 4. Teil B. §  5 I.3.b)cc)(3). 174  So aber der Ansatz von Kiefner, ZHR 178 (2014), 549, 574, 578. 170 

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bb)  §  53 Abs.  1 GmbHG §  53 Abs.  1 GmbHG enthält eine zwingende Kompetenzzuweisung. Danach „kann“ eine Abänderung des Gesellschaftsvertrages „nur durch Beschluß der Gesellschafter erfolgen.“ Daraus ergibt sich, dass etwa ein Beirat selbst bei ent­ sprechender satzungsmäßiger Aufgabenverteilung keine Satzungsänderungen herbeizuführen imstande ist. Insoweit weist §  53 Abs.  1 GmbHG die Befugnis unabänderlich der Gesellschafterversammlung zu.175 Das wirkt sich in doppel­ ter Hinsicht aus: Sowohl eine entgegenstehende Satzungsklausel ist nichtig mangels entsprechender Gestaltungsmacht der Gesellschafter als auch (aus dem gleichen Grund) der Beschluss eines Beirates, der auf der Basis einer Bestim­ mung in der Satzung handelt, die ihm §  53 Abs.  1 GmbHG zuwider die Kompe­ tenz zur Satzungsänderung überträgt.

3. Gesetzesumgehung Die Umgehung von Gesetzen ist nicht per se untersagt. Ein allgemeines Umge­ hungsverbot gibt es ebenso wenig wie besondere Regeln für die Behandlung von Umgehungsgeschäften.176 Kennzeichen eines unzulässigen Umgehungsge­ schäfts ist nach allgemeiner Ansicht, dass es objektiv den Zweck hat, einen vom Gesetz verbotenen Erfolg zu erreichen.177 Absicht ist nicht erforderlich.178 Mit der Möglichkeit, Umgehungsgeschäfte für unzulässig zu erklären, wird die Durchsetzung zwingender Vorschriften vervollständigt. Dogmatisch werden verschiedene Wege für gangbar gehalten, dem Verbots­ gesetz zur Wirkung zu verhelfen: Während vor allem die Rechtsprechung sich auf §  134 BGB in Verbindung mit einer (extensiven) Auslegung der verbietenden Vorschrift, gelegentlich auch auf §  138 BGB stützt, wird in der Literatur teilwei­ se für die analoge Anwendung der Verbotsnorm plädiert.179 Die Übergänge zur

175  Statt aller: BGHZ 43, 261, 264; Harbath, in: MünchKommGmbHG, §  53 Rn.  55; Leitzen, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, §  53 Rn.  38; Ulmer, in: GK-GmbHG, §  53 Rn.  2; Zöllner/ Noack, in: Baumbach/Hueck, §  53 Rn.  3. 176  S.  nur Armbrüster, in: MünchKommBGB, §  134 Rn.  12; Benecke, Gesetzesumgehung, S.  182 ff.; Hefermehl, in: Soergel, §  134 Rn.  37; Sack/Seibl, in: Staudinger, §  134 Rn.  144. 177  BGH NJW 2006, 1066, 1067; Armbrüster, in: MünchKommBGB, §  134 Rn.  11; Hefermehl, in: Soergel, §  134 Rn.  37; Sack/Seibl, in: Staudinger, §  134 Rn.  145. 178  BGH NJW 2006, 1066, 1067; Armbrüster, in: MünchKommBGB, §  134 Rn.  16; Benecke, Gesetzesumgehung, S.  23; Hefermehl, in: Soergel, §  134 Rn.  40; Sack/Seibl, in: Staudin­ ger, §  134 Rn.  145. 179  Für §  134 BGB etwa BGH NJW 1987, 780; Armbrüster, in: MünchKommBGB, §  134 Rn.  17; Hefermehl, in: Soergel, §  134 Rn.  37; für §  138 BGB: BGH NJW 1983, 2873; Sack/Seibl, in: Staudinger, §  134 Rn.  152; für Analogie grundlegend Arndt Teichmann, Die Gesetzesum­ gehung, 1962, S.  50 ff., 78 ff.; als Grundregel auch Benecke, Gesetzesumgehung, S.  111 ff. Überblick über die Diskussion bei Benecke, Gesetzesumgehung, S.  84 ff.

248 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente Rechtsfortbildung sind dabei fließend.180 Eine Stellungnahme ist hier entbehr­ lich.

III. Ergebnisse Als Schranken der Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht kommen allein die allgemein-privatrechtlichen Prinzipien und Vorschriften in Betracht, das heißt die §§  134, 138, 242 BGB und die Grenzen der rechtsgeschäftlichen Gestal­ tungsmacht, wenn nicht das Aktiengesetz oder GmbHG Sonderregeln vorse­ hen. Konzepte wie das „Wesen“ oder die „Natur“ der Sache sind dagegen ge­ nauso wenig wie die Typenlehre oder die Institutionentheorie geeignet, die Pri­ vat­ autonomie der Beteiligten auf Satzungs- oder Schuldvertragsebene zu begrenzen.

§  2  Kontrollinstrument AGB-Recht am Beispiel Venture Capital Venture Capital-Vereinbarungen in Deutschland haben sich in den letzten Jahr­ zehnten zunehmend US-amerikanischen Standards angenähert.181 Zwar gibt es keine vollständige inhaltliche Standardisierung, die Bedingungswerke unter­ scheiden sich vor allem nach Art des finanzierten Unternehmens und dessen Risikostruktur.182 Doch hat eine Angleichung insofern stattgefunden, als be­ stimmte Vertragselemente zumindest typischerweise zum Gegenstand von Ver­ handlungen gemacht werden. Verwässerungsschutzklauseln, verschiedene Zu­ stimmungs- und Kontrollrechte (Covenants), Vestingregelungen und weitere Klauseln finden sich in nahezu sämtlichen Vereinbarungen. Die Wagniskapital­ finanzierung ist „handbuchtauglich“ geworden.183 Es scheint sich also um Bedingungswerke zu handeln, die Investoren für eine Vielzahl von Fällen bereithalten, um ihre Geschäfte zu tätigen. Aus diesem Grund stellt sich die Frage nach der Anwendbarkeit der Regelungen in den §§  305 ff. BGB über die Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen. In der Literatur wird dies gelegentlich bejaht.184 Einige Autoren verweisen als Argu­ ment gegen die Anwendbarkeit der §§  305 ff. BGB auf den Umstand, Beteili­ gungsvereinbarungen seien Gegenstand umfassender Verhandlungen, weshalb 180 Dazu

Benecke, Gesetzesumgehung, S.  116, S.  165 ff., S.  179 ff. Bienz/Hirsch/Walz, in: Lethmathe/Witt, S.  15, 23 ff. Vgl. auch Antonczyk/Breuer/ Mark, FB 2008, 225, 229 ff. 182  Antonczyk/Breuer/Mark, FB 2008, 225, 231 ff.; Bienz/Hirsch/Walz, in: Lethmathe/ Witt, S.  15, 27 ff. 183  S.   etwa das von Weitnauer herausgegebene Handbuch Venture Capital, und die Ab­ schnitte zum Inhalt der Beteiligungsvereinbarungen. 184  Winkler, S.  91 ff. A.A. Brehm, S.  4 4 ff.; Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 76 ff.; Ziegert, S.  40 f. 181 

A.  Kontrollinstrumente des allgemeinen Privatrechts

249

der Vorrang der Individualabrede nach §  305 Abs.  1 S.  3 BGB und §  305b BGB gelte.185 Angesichts der Bindung dieser Wertung an die Fakten des Einzelfalles hat es wenig Sinn, diese Ansicht im Rahmen der folgenden Überlegungen zu erörtern. Abstrakte Feststellungen lassen sich insoweit nicht treffen. Hier liegt der Fokus daher ausschließlich auf der Auslegung der Bereichsausnahme des §  310 Abs.  4 S.  1 BGB für Verträge auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts. Wenn die §§  305 ff. BGB schon dem Grunde nach keine Anwendung finden, ist das Problem des Aushandelns der Bedingungen im Sinne von §  305 Abs.  1 S.  3 BGB nicht mehr von Relevanz. Zu diesem Zweck wird zunächst (unter I.) der Inhalt und die Reichweite der Bereichsausnahme Gesellschaftsrecht diskutiert, um den Rahmen für die sich unter II. anschließende Erörterung der Besonderheiten der Venture Capital Fi­ nanzierung zu setzen.

I.  Bereichsausnahme Verträge auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts Nach §  310 Abs.  4 S.  1 BGB finden die Vorschriften zur Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen keine Anwendung auf Verträge auf dem Gebiet des Ge­ sellschaftsrechts. Über den Inhalt und die Reichweite dieser Ausnahme wird nach wie vor gestritten. Der Wortlaut gibt nichts zur Ausfüllung des Begriffes „Gesellschaftsrecht“ her. Systematische Anhaltspunkte für die Norminterpre­ tation bestehen ebenfalls keine oder jedenfalls nicht in ausreichendem Maße. Auf eine nähere Beschreibung von „Gesellschaftsrecht“ wurde bei Schaffung des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBG) ausdrücklich verzichtet,186 sie fehlt bis heute. Die Gesetzesbegrün­ dung zum AGBG führt lediglich aus, der Begriff „erschein[e] weit genug, um das Recht aller Handelsgesellschaften einschließlich des Genossenschaftsrechts sowie das Vereinsrecht zu umfassen“, die Abgrenzung zum Schuldrecht sei „ohne detaillierte Regelung vollziehbar.“ Als nicht unter die Bereichsausnahme fallende Vereinbarung nennt sie Depotstimmrechtsverträge.187 Allgemein wird in der Begründung des Regierungsentwurfs zum AGBG noch auf die Eigenar­ ten des Rechtsgebietes Gesellschaftsrecht verwiesen, auf die die auf schuldrecht­ liche Austauschverträge zugeschnittenen Bestimmungen des AGB-Rechts nicht passten. Angesichts dieser unklaren Regelung herrscht erhebliche Unsicherheit, wie weit die Bereichsausnahme geht. Nach übereinstimmender Ansicht fallen zumindest Gesellschaftsverträge und Satzungen von Gesellschaften, Genossenschaften sowie Vereinen aus dem Anwendungsbereich der AGB-Kontrolle heraus.188 Gleiches nehmen der Bun­ 185 

Brehm, S.  45 ff.; Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 77 ff.; Ziegert, S.  41. BT.-Dr. 7/3919, S.  41, auch für die folgenden Aussagen und Zitate. 187 AaO. 188  Basedow, in: MünchKommBGB, §   310 Rn.  86; Grunewald, FS Semler, S.  179, 181; 186 

250 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente desgerichtshof und die herrschende Meinung in der Literatur für die stille Ge­ sellschaft an.189 Einhellig anerkannt ist zudem, dass über die Einstufung als „Vertrag auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts“ nicht der Regelungsort ent­ scheidet und daher eine als „Satzung“ oder „Gesellschaftsvertrag“ bezeichnete Abrede Regelungen enthalten kann, die als Austauschbeziehung einzuordnen und deshalb den §§  305 ff. BGB unterworfen sind.190 Die Abgrenzung zwischen Austauschverträgen und Gesellschaftsverträgen wird auch mit Blick auf §  310 Abs.  4 S.  1 BGB danach getroffen, ob die Beteiligten einen gemeinsamen Zweck verfolgen.191

II.  Venture Capital-Vereinbarungen als Verträge auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts Allgemein werden schuldrechtliche Nebenabreden zur Regelung des Abstim­ mungsverhaltens oder zur Sicherung des Einflusses auf die Gesellschaft (soge­ nannte Schutzgemeinschaftsverträge) zwischen Gesellschaftern als Gesell­ schaft bürgerlichen Rechts angesehen.192 Eine Literaturansicht bestreitet die Übertragbarkeit dieser Meinung auf Venture Capital-Vereinbarungen, soweit sie in einer solchen schuldrechtlichen Abrede verankert werden.193 Zunächst fehle es an einem gemeinsamen Zweck, den die Investoren zusammen mit den Gründern verfolgten. Da die Lage eher einem Darlehensvertrag gleiche als ei­ ner gemeinsamen Unternehmung, seien Beteiligungsvereinbarungen bereits keine Gesellschaftsverträge. Damit entfiele auch die Anwendung von §  310 Abs.  4 S.  1 BGB.

Schlosser, in: Staudinger, §  310 Rn.  76, 80; Schmidt, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, §  310 Rn.  11; Stein, in: Soergel, §  23 AGBG Rn.  9. 189  BGHZ 127, 176, 183 ff.; BGH NJW-RR 1992, 379. Ebenso Palandt/Grüneberg §  310 Rn.  49; Grunewald, FS Semler, S.  179, 187 ff.; Schlosser, in: Staudinger, §  310 Rn.  76; Schmidt, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, §  310 Rn.  11; Stein, in: Soergel, §  23 AGBG Rn.  9. Wohl auch Basedow, in: MünchKommBGB, §  310 Rn.  86, mit Einschränkung in Rn.  92 für Verbraucherver­ träge. Dagegen etwa H.Schmidt, ZHR 159 (1995), 734, 742 ff.; Ulmer/C.Schäfer, in: Ulmer/ Brandner/Hensen, §  310 Rn.  128. 190  Grunewald, FS Semler, S.   179, 181, 183; Schlosser, in: Staudinger, §  310 Rn.  76, 78; Schmidt, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, §  310 Rn.  12. 191  BGH NJW 1951, 308; Hadding/Kießling, in: Soergel, Vor §  705 Rn.  8; Ulmer/C.Schäfer, in: MünchKommBGB, §  705 Rn.  128. 192  Vgl. BGHZ 126, 226, 234 (Schutzgemeinschaft); BGH WM 2008, 875 (Stimmrechts­ pool); Hadding/Kießling, in: Soergel, Vor §  705 Rn.  47, 49; Hoffmann-Becking, ZGR 1994, 442, 445 (für Grundvereinbarungen von Gemeinschaftsunternehmen); Joussen, S.  59 ff.; Noack, S.  47 ff.; Ulmer/C.Schäfer, in: MünchKommBGB, Vor §  705 Rn.  68 f.; im Zusammen­ hang mit §  310 Abs.  4 S.  1 BGB differenzierend dies., in: Ulmer/Brandner/Hensen, §  310 Rn.  123 (Stimmbindung zur Einflussnahme vs. Stimmbindung zur Absicherung von Treu­ hand- oder anderen Interessenwahrungsverhältnissen). 193  Winkler, S.  53 ff.

A.  Kontrollinstrumente des allgemeinen Privatrechts

251

Für die Erörterung des gemeinsamen Zwecks von Beteiligungsvereinbarun­ gen lassen sich konkrete Anhaltspunkte gewinnen, wenn die Diskussion über die Abgrenzung zwischen partiarischem Darlehen und stiller Gesellschaft in den Blick genommen wird. Hinsichtlich dieser Unterscheidung, dem Parade­ beispiel eines Grenzfalles der Bestimmung eines gemeinsamen Zwecks, kommt folgenden Indizien eine tragende Rolle zu: Abreden über die Pflichten des Un­ ternehmensträgers, über die Ertragsbeteiligung, vor allem die Beteiligung am Verlust, die Existenz von Kontrollrechten, Geschäftsleitungsrechten und Stimmrechten. Die genannten Gesichtspunkte bieten die Möglichkeit, die Pro­ blematik der Einordnung einer Beteiligungsvereinbarung entlang weitgehend akzeptierter Maßstäbe zu erörtern. Diese Einwände gegen die Anwendbarkeit der Bereichsausnahme Gesell­ schaftsrecht in §  310 Abs.  4 S.  1 BGB sind bei näherer Betrachtung wenig über­ zeugend. Der Klarstellung, an welcher Gesellschaft sich die Investoren beteiligen (1.), folgt die Betrachtung ihrer Stellung in der Finanzierung. Dafür wird zunächst die Bedeutung einer Position als „bloßer Finanzierungsgesellschafter“ für den gemeinsamen Zweck diskutiert (2.), um danach die Beteiligung der Kapitalgeber an der Geschäftsführung der finanzierten Gesellschaft zu beleuchten (3.). Die Gewinnerzielungsabsicht der Investoren (4.), ein Vergleich der Wagniskapital­ vereinbarungen mit Covenants in Kreditverträgen (5.) und die Relevanz der Be­ teiligungsdauer (6.) sind Gegenstand der anschließenden Überlegungen. Der Unterabschnitt endet mit der Frage, wie weit der gemeinsame Zweck reicht, das heißt, ob wenigstens einzelne Absprachen außerhalb seiner liegen (7.).

1.  Das Objekt der Investorenbeteiligung Zu argumentieren, die Investoren beteiligten sich nicht an einer gemeinsam mit den Altgesellschaftern zu gründenden Gesellschaft, sondern vielmehr an der Aktiengesellschaft der Gründer,194 überzeugt nicht. Diese Sichtweise stellt übertrieben formalistisch auf einen Zufall im zeitlichen Ablauf des Beteili­ gungsvorganges ab. Gründeten die Parteien die Aktiengesellschaft gemeinsam, griffe das Argument bereits nicht mehr, die Investoren beteiligten sich an einer schon bestehenden Gesellschaft. Zudem zeigt ein Vergleich zur stillen Gesellschaft die Fragwürdigkeit einer derartigen Betrachtung. Der stille Gesellschafter beteiligt sich bereits von Ge­ setzes wegen „an dem Handelsgewerbe, das ein anderer betreibt, mit einer Ver­ mögenseinlage“ (§  230 Abs.  1 HGB). Die stille Gesellschaft ist dennoch eine (Innen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts.195 194  195 

Winkler, S.  53. Dazu unten §  2 III.4.

252 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente

2.  Die Investoren als „reine Finanzierungsgesellschafter“ Irrelevant für das Vorliegen eines gemeinsamen Zweckes ist, ob ein Mitglied sich „lediglich“ zu Anlagezwecken beteiligt oder sich aktiv in die Geschäftslei­ tung einbringt.196 Das Personengesellschaftsrecht sieht zwar standardmäßig die Beteiligung der persönlich haftenden Gesellschafter an der Geschäftsleitung vor.197 Doch sind die entsprechenden Vorschriften jeweils dispositiv.198 Es ist demnach ohne Bedeutung, die Investoren als „reine Finanzierungsgesellschaf­ ter“ einzustufen. Abgesehen davon, dass dies nicht stimmt, wie sogleich unter 3. erörtert wird, steht es den Gesellschaftern frei, die Art der Beitragsleistung und das Maß der Involvierung in die Geschäftsführung nach eigenem Gutdünken auszugestalten. Darüber hinaus unterscheidet die hier kritisierte Ansicht nicht genau genug zwischen der Ebene des Verhältnisses der Gesellschafter untereinander einer­ seits und dem Verhältnis der Investoren zur finanzierten Gesellschaft anderer­ seits. So ist zwar die Mitgliedschaft der Wagniskapitalgeber in der finanzierten Gesellschaft von vornherein auf eine begrenzte Zeit hin angelegt. Hinsichtlich des Zusammenschlusses von Altgesellschaftern und Investoren dauert die Be­ teiligung Letzterer aber bis zu der Auflösung des Zusammenschlusses an. Diese Auflösung folgt dem Ausscheiden der Kapitalgeber, entweder weil die finan­ zierte Gesellschaft veräußert, an die Börse gebracht oder – im Misserfolgsfall – im Zuge eines Insolvenzverfahrens abgewickelt wird.

3.  Beteiligung an der Geschäftsleitung im weiteren Sinne a)  Juristische Involvierung der Kapitalgeber in die Geschäftsleitung Auf Ebene der Beteiligungsvereinbarung sind Gründer und Investoren jeweils stimmberechtigt und haben Kontrollrechte inne, soweit es um die Einhaltung der im Vertrag niedergelegten Abreden geht. Für die umfassende Beurteilung der Rechtslage ist es sinnvoll, über die Ebene der Beteiligungsvereinbarung hinauszugehen und das Verhältnis der Parteien zur Kapitalgesellschaft in die Überlegungen einzubeziehen. Die schuldrechtli­ chen Abreden dienen dazu, die Kapitalgesellschaft zu organisieren, so dass der Einfluss auf der Ebene der Kapitalgesellschaft berücksichtigt werden muss, soll ein vollständiges Bild gewonnen werden:

196 Anders Winkler, S.   54: „VC-Investoren fungieren […] als reine Finanzierungsgesell­ schafter.“ 197  §  709 Abs.  1 BGB, §  114 Abs.  1 HGB. 198  Vgl. §  710 S.  1 BGB, §  114 Abs.  2 HGB. Zur Abdingbarkeit für die Gesellschaft bürger­ lichen Rechts Hadding/Kießling, in: Soergel, §  709 Rn.  20; C. Schäfer, in: MünchKommBGB, §  709 Rn.  16. Zu §  114 HGB Hopt, in: Baumbach/Hopt, §  114 Rn.  20.

A.  Kontrollinstrumente des allgemeinen Privatrechts

253

Die Investoren sind am Ertrag der Kapitalgesellschaft beteiligt. Zwar genie­ ßen sie in der Regel bestimmte Vorrechte gegenüber den Gründern und, je nach Zeitpunkt des Eintritts in die Gesellschaft, gegenüber anderen Investoren hin­ sichtlich der Gewinn- und Erlösverteilung. Doch ändert dies nichts daran, dass ihre Einlage grundsätzlich den gleichen Gefahren ausgesetzt ist wie die Einlage der übrigen Beteiligten. Die bloße Existenz eines Vorrangs ist kein durchschla­ gendes Gegenargument. Es ist gesellschaftsrechtlich möglich, unterschiedliche Anteilsklassen zu schaffen. Vorzugsaktionäre etwa sind genauso Mitglieder der Gesellschaft wie Stammaktionäre. Bei Vorzugsanteilen handelt es sich lediglich um – so die Überschrift von §  11 AktG – „Aktien besonderer Gattung.“ §  722 Abs.  1 BGB lässt es zu, Gesellschaftern einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts unterschiedliche Gewinn- und Verlustanteile zuzuweisen. Vorzugsdividenden oder sonstige vom Gesetz divergierende Verteilungsschlüssel in Abweichung zu §  121 Abs.  1 S.  1 HGB sind möglich und praktisch üblich.199 §  29 Abs.  3 S.  2 ­GmbHG erlaubt ebenfalls die freie Bestimmung eines Maßstabes der Vertei­ lung von Jahresüberschuss oder Bilanzgewinn im Gesellschaftsvertrag.200 Die Behauptung, die Kapitalgeber beteiligten sich nicht an der Geschäftslei­ tung der Kapitalgesellschaft, 201 führt ein Stück weit in die Irre. Zwar sind die Investoren in der Regel nicht selbst Mitglieder des Vorstands der Aktiengesell­ schaft oder der Geschäftsleitung der GmbH.202 Vermittelt über Sitze im Auf­ sichtsrat können und müssen die Investoren nach §  111 Abs.  1 AktG jedoch zu­ mindest Leitungsmaßnahmen des Vorstandes überwachen.203 Zudem ist es zu­ lässig und gerade in der Wagniskapitalfinanzierungspraxis üblich, dass sich der Aufsichtsrat gemäß §  111 Abs.  4 S.  2 AktG Zustimmungsrechte für bestimmte Maßnahmen vorbehält.204 In der Gesellschaft mit beschränkter Haftung bietet, sofern kein Aufsichtsrat eingerichtet ist, das Weisungsrecht der Gesellschafter nach §  37 Abs.  1 GmbHG ein probates Kontrollmittel. Zu diesen Schranken kommen vertragliche Grenzen, die durch Covenants und andere Klauseln gezo­ gen werden.205 Der Bundesgerichtshof bezeichnet die Mitwirkungs- und Kon­ troll­rechte von Aktionären als „Mitverwaltungsrechte“, die ihnen die Möglich­ keit geben, auf die Geschäftsleitung durch den Vorstand einzuwirken und „auf eine verantwortungsvolle Geschäftsleitung“ Einfluss zu nehmen.206 Für die Mitwirkungs- und Kontrollrechte eines stillen Gesellschafters gilt dies eben­ so.207 199 Baumbach/Hopt/Hopt,

§  121 Rn.  8. Im Einzelnen Ekkenga, in: MünchKommGmbHG, §  29 Rn.  189 ff. 201 Vgl. Winkler, S.  56. 202  Insoweit zutreffend Winkler, S.  56. 203  Zur Reichweite der Überwachungspflicht Hüffer/Koch, §  111 Rn.  2 ff. 204  Zu den Schranken Hüffer/Koch, §  111 Rn.  40 ff. 205  Vgl. im Einzelnen 4. Teil B. 206  BGHZ 119, 305, 328. 207  BGHZ 127, 176, 184. 200 

254 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente b)  Faktische Involvierung der Kapitalgeber in die Geschäftsleitung Über die eben beschriebenen rein juristischen Aspekte hinaus ist die Geschäfts­ politik von Wagniskapitalinvestoren auch in tatsächlicher Hinsicht darauf aus­ gerichtet, sich aktiv in die Belange ihrer Portfoliounternehmen einzumischen. Ein wesentlicher Teil der Leistung von Wagniskapitalinvestoren besteht in der Betreuung der Gründer.208 Die Überwachung der Unternehmensentwicklung, Hilfe bei der strategischen Planung und die kontinuierliche Bewertung des Vor­ stands sind zentrale Aspekte der Tätigkeit von Kapitalgebern.209 Diese wird zwar auch mittels der Ausübung von Zustimmungs- und Verweigerungsrechten geleistet, die lediglich bei Über- oder Unterschreiten bestimmter Kennzahlen zum Tragen kommen, etwa bei der Aufnahme eines Darlehens über einen be­ stimmten Betrag. Doch findet zusätzlich eine Betreuung der Gründer statt. Vertreter der Beteiligungsgesellschaft sind regelmäßig vor Ort, um sich zu in­ formieren und die Gründer in Geschäftsleitungsfragen zu beraten. So betreuen Beteiligungsmanager des Leadinvestors nach einer 2001 veröffentlichen Studie in Deutschland durchschnittlich 3,6 (Median: 3) Portfoliounternehmen, bei Co-Investments durchschnittlich 4,1 (Median: 3).210 Üblicherweise sind diese Vertreter des Investors in Deutschland mindestens einmal pro Monat vor Ort, um geschäftliche Fragen mit den Gründern zu besprechen.211 Hinzu kommen vielfältige telefonische Kontakte oder Kommunikation über Email. Investoren bieten den in der Regel in kaufmännischen Dingen unerfahrenen Gründern geschäftliche Erfahrung und fungieren als Intermediäre, indem sie Kontakte zu potentiellen Geschäftspartnern und zu weiteren Investoren her­ stellen. Die Kapitalgeber begnügen sich also nicht mit einer bloßen Kontroll­ funktion, sondern unterstützen die Geschäftsleitung aktiv. Daran haben sie ein profundes Eigeninteresse, weil eine gute Geschäftsleitung eine bessere Rendite verspricht. Es ist (auch) deshalb ein gravierender Fehler, Wagniskapitalfinanzie­ rung und Darlehensgewährung als funktional austauschbar oder erstere als „Fortsetzung des Kreditgeschäfts mit anderen Mitteln“ zu betrachten.212 208 

Dazu allgemein 1. Teil A. §  2 I.2. Deutschland Feinendegen/Hommel/Wright, FB 2001, 569, 575; Hommel/Ritter/ Wright, FB 2003, 323, 329. 210  Feinendegen/Hommel/Wright, FB 2001, 569, 575. Diese Abweichung wird von den Au­ toren der Studie damit erklärt, dass die Co-Investments vor allem im Bereich der Spätphasen­ finanzierung durch Private Equity-Fonds üblich sind. 211  Nachweise in der vorhergehenden Fußnote. 212  So aber Winkler, S.  56 f.; Zitat im Text aus Lohmiller, WM 2000, 2473, 2475. Diese in Deutschland lange verbreitete Einstellung hat katastrophale Auswirkungen auf den Erfolg von Venture Capital-Finanzierungen. Während das Geschäft im Silicon Valley stets als eigen­ ständig gegenüber bloßer Fremdkapitalfinanzierung begriffen wurde und die Kapitalgeber ihre Tätigkeit stark am im Text beschriebenen Aspekt des „value added“ orientieren, hat die aus dem Bankensektor hervorgegangene Beteiligungsindustrie in Deutschland zu lange ein Bankmodell für die Finanzierung verfolgt. Eine instruktive Studie hierzu bieten Becker/Thomas, in: Keuschnigg/Kanniainen (eds.), Venture Capital, S.  33 ff. 209  Für

A.  Kontrollinstrumente des allgemeinen Privatrechts

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Der Hinweis auf angeblich fehlende personelle Kapazitäten, der in der Litera­ tur als Beleg für die mangelnde Wahrnehmung unterstützender Funktionen in der Aktiengesellschaft angeführt wird, 213 überzeugt ebenfalls nicht. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Investoren sich in der Praxis auch in Deutschland inzwischen stark in der Unterstützung der Gründer engagieren, vor allem in der Frühphasenfinanzierung. Hierzu ist eine Involvierung in das Tagesgeschäft im Wortsinne oder in das operative Geschäft nicht notwendig. Durch die regelmäßige Kontrolle vor Ort, mit Hilfe von Berichtspflichten und sonstigen Informationsrechten können die Wagniskapitalgeber ausreichend tä­ tig werden. Zwar haben die Kapitalgeber in Deutschland sich traditionell weniger stark in der Unterstützung der Geschäftsleitung engagiert, insbesondere im Vergleich zu den USA – oder genauer: zum Silicon Valley. Dort wird gerade diese Tätig­ keit der Investoren als zentrales Merkmal einer Wagniskapitalbeteiligung be­ trachtet.214 Doch hat sich die Lage in Deutschland seit dem Platzen der „dot­ com“-Blase im Jahr 2000 deutlich geändert.215 Inzwischen ist diese Unterstüt­ zungsfunktion hierzulande als wichtig für den Erfolg der Finanzierung anerkannt und wird wahrgenommen. Dies bestätigten neben der zitierten Stu­ die die vom Autor befragten deutschen Praktiker durchgängig.216 c)  Zum Problem der „gewerblichen Infektion“ Dem Verweis auf die faktische Involvierung der Kapitalgeber in die Geschäfts­ leitung der Gesellschaft im weiteren Sinne scheint entgegenzustehen, dass In­ vestoren in Deutschland weder Interesse noch die Möglichkeit zu einem derar­ tigen Verhalten haben sollten, um eine „gewerbliche Infektion“ zu vermeiden. Das meint die Gefahr, als Beteiligungsgesellschaft den steuerrechtlichen Status einer lediglich vermögensverwaltenden Gesellschaft zu verlieren und nach §  15 Abs.  3 Nr.  1 S.  1 EStG als gewerblich geprägte Personengesellschaft behandelt zu werden. Nach einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums aus dem Jahr 2003217 dürfen sich die kapitalgebenden Fonds nicht am aktiven Management der Port­ folio-Gesellschaften beteiligen. Ausdrücklich wird jedoch hervorgehoben, dass „die Wahrnehmung von Aufsichtsratsfunktionen in den gesellschaftsrechtli­ chen Gremien der Portfolio-Gesellschaften [...] unschädlich“ sei. Gleiches gelte für die Einräumung von Zustimmungsvorbehalten im Sinne von §  111 Abs.  4 213 

Winkler, S.  56. die grundlegende Studie von Gorman/Sahlman, 4 J. Bus. Venturing 231 ff. (1989), und oben 1. Teil A. §  2 I.2. 215 Hierzu Hommel/Ritter/Wright, FB 2003, 323, 329, die eine „nachhaltige Verhaltensän­ derung“ nach dem Einbruch annehmen. 216  Anders, aber ohne jeden Hinweis auf die neuere Empirie, Winkler, S.  56. 217  BMF-Schreiben vom 20.11.2003 – IV A 6, BStBl I 2004, S.  40. 214 Hierzu

256 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente S.  2 AktG, soweit diese nicht derart stark ausgestaltet seien, dass kein echter Spielraum mehr für unternehmerische Entscheidungen bleibe.218 Dieses Schrei­ ben ist nach wie vor maßgeblich. So wurde es in der Begründung des Regie­ rungsentwurfes des Gesetzes zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen (MoRaGK) im Zusammenhang mit dem Entwurf von §  19 WKBG als Zusammenfassung der geltenden Grundsätze zur Bestimmung der gewerblichen Tätigkeit einer Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaft hervor­ gehoben.219 Der Bundesfinanzhof betrachtet das Streben nach Einfluss auf die Geschäftsleitung per se nicht als Grund für eine gewerbliche Einstufung.220 Im Zusammenhang mit Wagniskapitalfinanzierungen sind die üblichen Tätigkei­ ten der Kapitalgeber nicht geeignet, die Gewerblichkeit im steuerrechtlichen Sinne zu begründen.221 Die Finanzverwaltung geht von der bloß vermögensver­ waltenden Tätigkeit von Wagniskapitalfonds aus und betrachtet die Gewerb­ lichkeit offenkundig als Ausnahme.222 Da es an dieser Stelle nicht darauf ankommt, die Grenzen der Tätigkeit von Investoren in steuerrechtlicher Hinsicht auszuloten, bedarf es keiner näheren Diskussion der Details. Festzuhalten bleibt, dass die Mitwirkung der Investo­ ren in Aufsichtsgremien sowie die Einräumung und Ausübung von Zustim­ mungsvorbehalten nicht deshalb als praktisch unüblich bestritten werden kön­ nen, weil das Steuerrecht dem von vornherein entgegenstünde. In der Praktiker­ literatur werden die durch das Schreiben des Bundesfinanzministeriums eingeräumten Bewegungsspielräume als für die effiziente Beteiligungsverwal­ tung ausreichend erachtet.223

4.  Bedeutung der Gewinnerzielungsabsicht der Investoren Selbst die beschriebene enge Einbindung der Investoren in die Geschäfte der Aktiengesellschaft könnte von jenen als für die Annahme eines gemeinsamen Zwecks nicht genügend angesehen werden, die das vorrangige Gewinninteresse der Kapitalgeber betonen.224 Die Kontroll- und Mitwirkungsrechte sollen inso­ 218  BMF-Schreiben (vorige Fußn.), S.  42 Rn.  16. Eine Erörterung der Konsequenzen für die Praxis findet sich bei Rodin/Veith/Bärenz, DB 2004, 103. 219  BT.-Dr. 16/6311, S.  24. Die Europäische Kommission hat §  19 WKBG als unzulässige Beihilfe betrachtet, so dass die Norm niemals in Kraft getreten ist, Entscheidung der Kom­ mission vom 30.09.2009 – K(200) 7387, ABl. L 6/32 vom 9.01.2010. Aus diesem Grund bedarf es keiner Erläuterung des darin vorgesehenen Merkmals der Beratungstätigkeit. Dazu Veith, in: Frankfurter Kommentar Private Equity, §  19 WKBG Rn.  28 ff. 220  BFH BStBl. II 1980, 389, 391; BFH BStBl. II 2001, 809, 811. Ebenso aus der Literatur Wacker, in: Schmidt, EStG, §  15 Rn.  9 0. 221 Ausführlich Veith, in: Frankfurter Kommentar Private Equity, §  19 WKBG Rn.  30 ff. 222  Vgl. OFD Magdeburg, Verfügung vom 05.04.2006 – S 2240 – 58 – St 214, DStR 2006, 1505; OFD Rheinland, Verfügung vom 08.01.2007 – S 2241 – 1002 – St 222, DB 2007, 135. 223  Rodin/Veith/Bärenz, DB 2004, 103, 107. 224 So Winkler, S.  56.

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weit lediglich als Ersatzsicherheiten dienen, ohne dass dies den Austauschcha­ rakter der Beteiligungsabreden in Frage stelle.225 Dieses Argument vermischt die individuellen Endzwecke der Beteiligten und den Zweck des Zusammenschlusses. Zwischen diesen beiden Aspekten ist sorg­ fältig zu trennen.226 Endzweck der Beteiligung ist die Erzielung von Gewinn. Das gilt allerdings nicht nur für die Investoren, sondern genauso für die Grün­ der. Letztere wollen ein Produkt zur Marktreife bringen, um es anschließend verkaufen zu können. Ziel der Unternehmensgründung ist aus Gründersicht nicht die offenbar von der einen gemeinsamen Zweck ablehnenden Ansicht als höherwertige Zielsetzung angesehene Innovation, sondern deren gewinnbrin­ gende Vermarktung. Die Entwicklung ist lediglich notwendiges Durchgangs­ stadium. Selbst wenn die Gründer, anders als die Investoren, auf Dauer als Mit­ glieder in der Gesellschaft verbleiben wollen, handelt es sich hierbei lediglich um ein bloßes Motiv. Die dauerhafte Eignerstellung hängt nämlich wiederum vom Erfolg des Unternehmens ab. Bei ausbleibendem Erfolg lohnt sich die Be­ teiligung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht mehr und die Gesell­ schaft wird veräußert oder sogar abgewickelt. In der Abrede über den Zusammenschluss legen die Parteien die Bedingun­ gen für diese Zusammenarbeit fest. Die Vereinbarung dient der Errichtung ei­ nes Organisationsrahmens, der Rechte und Pflichten der Beteiligten näher spe­ zifiziert und mittels eines Systems aus Anreiz- und Kontrollelementen dafür sorgt, dass Kapitalgeber und Gründer sich der Fortentwicklung des Unterneh­ mens widmen. Um ihren jeweiligen Endzweck verfolgen zu können, ist es aus Sicht von Investoren und Gründern notwendig, das Unternehmen erfolgreich aus der Gründungsphase herauszuführen. Anderenfalls können weder die Ka­ pitalgeber noch die Gründer eine Rendite erzielen. Der Erfolg setzt voraus, dass beide Seiten zusammenarbeiten. Während die Gründer das notwendige techni­ sche Know-how mitbringen, verfügen die Investoren über die finanziellen Mit­ tel und die geschäftliche Erfahrung, ein Unternehmen zu führen. Das zur Ver­ fügung gestellte Geld der Kapitalgeber auf der einen und das Wissen der Grün­ der auf der anderen Seite sind die jeweils eingebrachten Leistungen. Beide Parteien ergänzen sich also. Anders als bei einem partiarischen Darlehen kann das von den Beteiligten betriebene Projekt nur Erfolg haben, wenn beide Seiten sich mit ihren Kennt­ nissen für die Unternehmensentwicklung einsetzen. Die zur Verfügung gestell­ ten finanziellen Mittel sind hierfür nur notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung. Das ist bei partiarischen Darlehen anders. Die ausgeübte Kontrolle ist insoweit beschränkt. Besonders risikoreiche Geschäfte sollen allein insoweit verhindert werden, als sie die Rückzahlung des Darlehens gefährden. Das 225  226 

Winkler, S.  56 f. Fikentscher, FS H.Westermann, S.  87, 95.

258 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente Schicksal des Unternehmens im Übrigen ist für den Kapitalgeber nicht von In­ teresse. Bei den Gewinnbezugsrechten der Investoren geht es nicht wie bei den par­ tiarischen Rechtsverhältnissen um die erfolgsabhängige Vergütung für Dienst­ leistungen, die die Kapitalgeber für die Kapitaleinlage und Beratungs- sowie Kontrollleistungen erhalten.227 Zwar sind diese Leistungen stets vorausgesetz­ ter Bestandteil der von ihnen übernommenen Förderpflichten hinsichtlich des gemeinsamen Zwecks. Doch fehlt das einem Dienstverhältnis immanente Merkmal der Abhängigkeit des Dienstverpflichteten.228 Die Gründer haben keine Weisungsrechte. Überdies unterscheiden sich die Gewinnbezugsrechte von den Vergütungen bei partiarischen Darlehen, weil sie nicht im Sinne eines „do ut des“ als Gegenleistung im eigentlichen Sinne gewährt werden. Zudem wird in der Literatur zu Recht darauf hingewiesen, dass die Gegen­ überstellung von Gründern und Investoren als Antipoden zu kurz greift, weil die in frühen Finanzierungsrunden in die Gesellschaft eingetretenen Kapitalge­ ber neuen Investoren gegenüber in ähnliche Konfliktsituationen geraten kön­ nen wie die Gründer.229

5.  Vergleich mit Covenants in Kreditverträgen Auf den ersten Blick scheint gegen die hier vorgenommene Einstufung des Zu­ sammenschlusses von Gründern und Investoren zu sprechen, dass Covenants in Kreditverträgen nach wohl allgemeiner Ansicht als Allgemeine Geschäftsbe­ dingungen betrachtet werden.230 Obwohl die unter der Überschrift „Co­ venants“ diskutierten Kontroll- und Einwirkungsrechte in Wagniskapitalver­ einbarungen denen in Kreditverträgen inhaltlich durchaus ähneln, beruhen die Regelungen auf verschiedenen Grundvereinbarungen: Covenants in Kreditverträgen werden gewissermaßen auf ein reguläres Aus­ tauschverhältnis aufgesetzt. Vertragskern ist der Darlehensvertrag. Die zusätz­ lichen Abreden dienen aus Sicht des Gläubigers dazu, die Rückzahlung sicher­ zustellen. Er hat kein Interesse daran, sich in die Unternehmenssteuerung ein­ zubringen. Vielmehr sollen seine Rechte ihm ermöglichen, Gefährdungen entgegenzuwirken. Sie stellen ihm ein flexibles System bereit, dem Schuldner Grenzen ziehen zu können. Das Schicksal des Unternehmens ist dem Darle­ hensgeber gleichgültig, solange die Befriedigung seiner Forderung nicht gefähr­ 227  Vgl. zu den partiarischen Rechtsverhältnissen Wiedemann, Gesellschaftsrecht II, §  2 III 1c) (S.  126). 228  Zur Maßgeblichkeit dieses Kriteriums und der übrigen im Text nach der Fußnote ge­ nannten Merkmale bei der Abgrenzung partiarischer Dienstverhältnisse zur Gesellschaft K. Schmidt, in: MünchKommHGB, §  230 Rn.  55. 229  Weitnauer, ZIP 2005, 1443, 1444. 230 Hierzu etwa Kästle, S.  84 ff.; Servatius, Gläubigereinfluss, S.  125 ff.; Weitnauer, ZIP 2005, 1443, 1445 ff.

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det wird. Ob über den hierfür notwendigen Betrag hinaus Gewinne erzielt ­werden, ist für ihn bedeutungslos. Es ist nicht vorgesehen, dass er sich konzep­ tionell an der Unternehmensentwicklung beteiligt. Das ist bei Beteiligungsver­ einbarungen grundlegend anders: Zwar haben die Kapitalgeber hier ebenfalls ein erhebliches finanzielles Inter­ esse. Doch richtet sich ihr Leistungsversprechen von vornherein nicht nur auf die Hingabe finanzieller Mittel, sondern zusätzlich auf die Mitwirkung an der Geschäftsentwicklung. Gründer und Investoren arbeiten gerade in den frühen Phasen der Unternehmensfinanzierung zusammen, um durch die Nutzung ih­ rer spezifischen Kompetenzen – technisches Know-how einerseits und Ge­ schäftserfahrung andererseits – einen wirtschaftlichen Erfolg zu erzeugen. An­ ders als bei einem Darlehensvertrag dienen die Rechte der Kapitalgeber nicht nur dazu, Grenzen zu setzen. Sie bezwecken zusätzlich, die Mitwirkung an der Unternehmensentwicklung zu gewährleisten.

6.  Dauer der Gesellschaft und Dauer der Beteiligung Das Argument, es fehle den Kapitalgebern am Interesse dauerhafter unterneh­ merischer Beteiligung,231 spricht nicht gegen die Annahme des gemeinsamen Zwecks der Vereinbarungen von Investoren und Gründern. Für die Existenz eines gemeinsamen Zwecks sind weder die Dauer der Beteiligung noch die Dau­ er der Gesellschaft bedeutsame Faktoren. Im Wirtschaftsleben bestehen vielge­ staltige sogenannte Gelegenheitsgesellschaften, deren Zweck auf die Durchfüh­ rung eines Einzelgeschäfts beschränkt ist, angeführt seien insoweit nur ARGE, Emissionskonsortien und Kreditkonsortien.232 Börsenmäßig gehandelte Antei­ le an Aktiengesellschaften werden jeden Tag tausendfach veräußert oder erwor­ ben, ohne dass dies einen Einfluss auf die Gesellschafterstellung desjenigen hät­ te, der eine bestimmte Aktie gerade für sich hält. Die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften zu den einzelnen Gesellschaftsformen sehen keine Regelung zu einer Mindesthaltefrist vor, um eine bestimmte Person als Mitglied qualifizie­ ren zu können. §  736 Abs.  1 BGB lässt zu, die Gesellschaft nach Ausscheiden eines Gesellschafters fortzusetzen, §  131 Abs.  1 HGB definiert das freiwillige Ausscheiden eines Gesellschafters von vornherein nicht als Auflösungsgrund.

7.  Reichweite des gemeinsamen Zwecks Ist die schuldrechtliche Beteiligungsabrede als Gesellschaftsvertrag zur Grün­ dung einer Innengesellschaft bürgerlichen Rechts zu interpretieren, bleibt die Frage nach der Reichweite dieser Einstufung. Da die Bereichsausnahme des 231  232 

Winkler, S.  54. S.  nur Hadding/Kießling, in: Soergel, Vor §  705 Rn.  45, 47.

260 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente §  310 Abs.  4 S.  1 BGB nur greift, soweit es sich bei der zu prüfenden Vereinba­ rung um ein Gesellschaftsverhältnis handelt, unterliegen in einen Gesellschafts­ vertrag aufgenommene Klauseln, die als Austauschvertrag anzusehen sind, in vollem Umfang der Kontrolle nach den §§  305 ff. BGB.233 Problematisch sind insbesondere die in Beteiligungsvereinbarungen vorzufindenden Andienungsund Vorkaufsrechte, die etwa im Rahmen sogenannter Vesting-Regelungen ei­ nen Gründer zwingen, bei Ausscheiden aus der Gesellschaft seine Anteile den verbleibenden Gesellschaftern zum Verkauf anzubieten.234 Im AGB-rechtli­ chen Schrifttum wird vielfach vertreten, formularmäßige Verträge, die eine Verpflichtung des Gesellschafters zur Verfügung über seinen Anteil enthalten, seien im Regelfall bloße Austauschverträge.235 Diese Ansicht kann jedenfalls für Wagniskapitalvereinbarungen nicht über­ zeugen. Soweit die Gründer die Verpflichteten sind, liegt eine enge Verknüp­ fung der Verkaufsregelungen mit dem Gesellschaftszweck vor. Gerade in der Frühphase des Unternehmens hängt der Erfolg des Unterfangens maßgeblich vom Know-how der Gründer ab. Könnte ein Dritter ohne Weiteres in die Ge­ sellschaft eintreten, wäre nicht gewährleistet, dass er vergleichbare Kenntnisse wie der Ausscheidende mitbrächte und, angesichts der geringen Zahl der Betei­ ligten ein wesentliches Kriterium, dass die Zusammenarbeit mit den verbleiben­ den Gesellschaftern auf der persönlichen Ebene funktionierte. In dieser Hin­ sicht geben Vorkaufsrechte zum einen die Möglichkeit, den Eintritt eines poten­ ziellen „Störenfrieds“ zu verhindern. Zum anderen wird verhindert, dass mit dem Ausstieg eines Gründers infolge des damit verbundenen Know-how-Ver­ lusts zugleich der Unternehmenswert absinkt.236 Je nach Ausgestaltung verhindern Vorkaufsrechte oder Andienungspflichten bei entsprechender Festlegung des Kaufpreises im Vorhinein außerdem, dass ein Gründer die übrigen Gesellschafter erpresst, indem er mit der Veräußerung seiner Anteile an einen Dritten droht, wenn nicht ein sehr hoher Preis an ihn gezahlt wird. Angesichts der stark gespannten Liquiditätsdecke eines jungen Unternehmens gefährdete eine Auszahlung die Zukunft des Unternehmens ganz erheblich. Darüber hinaus unterbinden Vorkaufsrechte und Regelungen 233  Statt aller: Schmidt, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, §  310 Rn.  12; Ulmer/C.Schäfer, in: Ul­ mer/Brandner/Hensen, §  310 Rn.  125. 234  Dazu schon oben 1. Teil B. §  6 II., III. 235  Basedow, in: MünchKommBGB, §  310 Rn.  89; S.  Roloff, in: Erman, §  310 Rn.  29; Schlosser, in: Staudinger, §  310 Rn.  77; Schmidt, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, §  310 Rn.  14; Ulmer/C. Schäfer, in: Ulmer/Brandner/Hensen, §  310 Rn.  123. Ebenso für zwei Gesellschafter, die sich gegenseitig solche Rechte einräumen, im Grundsatz Joussen, S.  61. Der BGH hat die Frage für Managementbeteiligungsmodelle offengelassen, BGHZ 164, 98, 106. Die Entscheidung KG WM 1999, 731 ff., die etwa von Schlosser aaO. als Belegstelle zitiert wird, ist für die hier disku­ tierte Konstellation nicht einschlägig. In dem vom KG entschiedenen Fall ging es um Kapital­ anlagemodelle. 236  Dazu schon oben 1. Teil A. §  2 III.2., B. §  6 .

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zum Vesting die Entstehung eines Trittbrettfahrerproblems, das daraus resul­ tierte, dass ein Gründer nach Aufgabe seiner Tätigkeit für die Gesellschaft die Anteile behielte und so von zukünftigen Anstrengungen seiner ehemaligen Mitstreiter profitieren könnte.237 Die Beschränkungen dienen demnach der Erhaltung der Fortführungsfähig­ keit des jungen Unternehmens, indem es sowohl vor überhöhten Zahlungs­ ansprüchen als auch seine Wissensbasis geschützt werden soll. Dieser Zweck dient nicht lediglich der Erfüllung der Endzwecke einzelner Gesellschafter, sondern dem gemeinsamen Zweck, Unternehmenswachstum zu ermöglichen.

8.  Ergebnis: Gemeinsamer Zweck Gründer und Investoren verfolgen mit der Wagniskapitalfinanzierung einen ge­ meinsamen Zweck. Die unterschiedlichen Gewinnerwartungen und die ledig­ lich auf Zeit angelegte Beteiligung der Kapitalgeber ändern hieran nichts. Sie sind lediglich Ausdruck individueller Motive. Diese können jedoch ebenso wie die Ziele der Gründer nur erreicht werden, indem beide Seiten gemeinsam die Unternehmensentwicklung betreiben.

III.  Keine Beschränkung der Bereichsausnahme Gesellschaftsrecht In der Literatur gibt es verschiedene Ansätze, Rückausnahmen von §  310 Abs.  4 S.  1 BGB zu implementieren und so die AGB-Kontrolle auszuweiten. Unter Zu­ hilfenahme teleologischer Überlegungen versuchen nicht wenige Autoren, schuldrechtliche Nebenabreden der AGB-Kontrolle zu unterwerfen, obwohl deren Rechtsnatur als Gesellschaft bürgerlichen Rechts dem Grunde nach aner­ kannt wird (1.). Weiterhin gibt es Ansätze in der Rechtsprechung, den Anwen­ dungsbereich der Bereichsausnahme Gesellschaftsrecht unter verbraucher­ schutzrechtlichen Gesichtspunkten zu beschränken (2.). Speziell mit Blick auf Venture Capital-Vereinbarungen wird argumentiert, hier bestehe ein besonde­ res Schutzbedürfnis, das die AGB-Kontrolle legitimiere (3.). Ähnliche Meinun­ gen existieren mit Blick auf die stille Gesellschaft, die, wären sie schlüssig, Aus­ wirkungen auf die Kontrolle von Wagniskapitalabreden ingesamt hätten (4.).

1.  Keine Beschränkung für Gesellschaftervereinbarungen Der erste Ansatz, den Anwendungsbereich des §  310 Abs.  4 S.  1 BGB zu be­ schränken, liegt darin, die Bereichsausnahme lediglich auf materielle Satzungs­ bestandteile anzuwenden (dazu a]). Verwiesen wird auf die (angebliche) Kon­ troll­bedürftigkeit von Vereinbarungen in Form lediglich formeller Satzungsbe­ 237 

Oben 1. Teil A. §  2 III.3.a).

262 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente standteile, deren Inhalt nicht anderweitig zwingendem Recht unterliege oder auf vermeintliche Schwerpunkte einer Gestaltung im Schuldrecht.238 Andere meinen, da es ohnehin keine Unterschiede zwischen der Kontrolldichte nach AGB-Recht und den Rechtsprechungsgrundsätzen zur Kontrolle von Gesell­ schaftsverträgen gemäß den allgemeinen Vorschriften wie §  242 BGB gebe, sei die Anwendung der §§  305 ff. BGB konsequent (hierzu b]). Ein weiterer Ansatz, §  310 Abs.  4 S.  1 BGB teleologisch zu reduzieren, resultiert aus einem Vergleich von Verträgen der Gesellschafter untereinander und Verträgen von Gesellschaf­ tern mit Dritten – wenn Letztere der AGB-Kontrolle unterfielen, müsse dies auch für Erstere gelten (c]). Schließlich orientieren sich Einige für die Bestim­ mung der Verträge, auf die die Bereichsausnahme Anwendung finden solle, an typologischen Kriterien wie der Stellung der Gesellschafter als eher vereini­ gungsfremder „bloßer“ Anleger (unten d]). a)  Keine Beschränkung der Bereichsausnahme auf materielle Satzungsbestandteile aa)  Die These von der Beschränkung der Bereichsausnahme auf materielle Satzungsbestandteile Ein Teil der Literatur vertritt die Ansicht, im Rahmen der AGB-Kontrolle sei zwischen materiellen und formellen Satzungsbestandteilen zu unterscheiden.239 Nur materielle Satzungsbestandteile fielen unter die Ausnahme des §  310 Abs.  4 S.  1 BGB. Der Sinn der Trennung ergebe sich daraus, dass auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts keine AGB-Kontrolle stattfinde und mitgliedschaftliche Vereinbarungen „wohl schon vom Wortlaut des §  23 AGBG her [hierzu] gezählt werden“ müssten.240 Die Notwendigkeit eines besonderen Abänderungsverfah­ rens bewahre die Gesellschafter vor sich ständig ändernden Regelwerken, au­ ßerdem nähmen die Mitglieder materielle Satzungsbestandteile bei einem Ein­ tritt eher wahr und prüften sie auf Zweckmäßigkeit. „Rechtsschutzlücken“ werde die Rechtsprechung „ohne weiteres unter Rückgriff auf §  242 BGB“ und die mittelbare Berücksichtigung AGB-rechtlicher Normen beseitigen.241 Dar­ aus ergebe sich als Konsequenz, satzungsergänzende Nebenabreden generell dem Anwendungsbereich des §  310 Abs.  4 S.  1 BGB zu entziehen und jede dieser Vereinbarungen der AGB-Kontrolle zu unterwerfen, unabhängig von ihrer

238  Zu diesen Aspekten und entsprechenden Nachweisen im folgenden Text. Eine abstrak­ te Diskussion ist im gegebenen Zusammenhang entbehrlich. 239  Grunewald, FS Semler, S.  179, 183, unter Verweis auf BGHZ 103, 219, sowie BGH WM 1999, 99. 240  Grunewald, FS Semler, S.  179, 183. 241  Grunewald, FS Semler, S.  179, 184.

A.  Kontrollinstrumente des allgemeinen Privatrechts

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Qualifizierung als Vertrag zur Begründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts.242 Das läuft darauf hinaus, Verträge, die nach allgemeinen Grundsätzen als Ge­ sellschaftsverträge zu qualifizieren sind, nicht als „Verträge auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts“ im Normsinne zu werten. bb) Kritik (1)  Keine Verankerung formaler Kriterien im Gesetz und in den Materialien Mag die Trennung nach echten und unechten Satzungsbestandteilen, soweit es das Verhältnis des Dokuments „Satzung“ und daneben getroffener, gesonderter Vereinbarungen angeht, ein „klares Abgrenzungskriterium“ sein, 243 bleibt seine Herkunft unklar. Weder folgt es aus dem Wortlaut von §  310 Abs.  4 S.  1 BGB noch taucht es in den Materialien auf. Das Argument, es könne nur das dem Anwendungsbereich der §§  305 ff. BGB entzogen sein, was die Satzungsurkun­ de enthalte, 244 lässt sich ebenfalls auf keine der beiden genannten Quellen zu­ rückführen. Nach dem Gesetz geht es um das auf den Vereinbarungsinhalt bezogene Merkmal der Verträge „auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts“. Da gemäß all­ gemeiner Ansicht Gesellschaftsverträge einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts unter die Bereichsausnahme fallen und Absprachen zwischen Gesellschaftern der Verfolgung gemeinsamer Zwecke dienen können, 245 fehlt der gesetzliche Anker, jede schuldrechtliche Nebenabrede bei Kapitalgesellschaften aus dem Anwendungsbereich des §  310 Abs.  4 S.  1 BGB auf Basis einer lediglich formalen Betrachtung herauszuinterpretieren. Nach den Vertretern der eben dargestellten Meinung soll die Abgrenzung anhand der Einteilung des Gesellschaftsvertrages in echte und unechte Be­ standteile allerdings auch für Personengesellschaften gelten.246 Im Ergebnis be­ deutete dies, dass für die Anwendung von §  310 Abs.  4 S.  1 BGB nicht mehr entscheidend wäre, ob ein Vertrag auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts vor­ liegt. Vielmehr hinge das Eingreifen der Bereichsausnahme vom Zweck der Per­ sonengesellschaft ab – Gesellschaftsverträge von Personengesellschaften, deren Zweck auf die Beeinflussung und interne Organisation einer anderen Gesell­ schaft gerichtet wäre, unterfielen grundsätzlich der AGB-Kontrolle. Ihre Rege­ 242  Grunewald, FS Semler, S.   179, 185 ff. Ebenso Eißer, S.  181; Schlosser, in: Staudinger, §  310 Rn.  77 (mit Einschränkung: Stimmbindungsverträge zum Zwecke der gemeinsamen Einflussnahme auf die Gesellschaft unterfallen Bereichsausnahme). Unter fehlgehendem Ver­ weis auf die Bundestagsdrucksachen, die Stimmbindungsvereinbarungen nicht erwähnen, S.Roloff, in: Erman, §  310 Rn.  29. 243  Grunewald, FS Semler, S.  179, 185. 244  Grunewald, FS Semler, S.  179, 185 f. 245  Viel zu eng daher S.Roloff, in: Erman §  310 Rn.  29. 246  Eißer, S.  169; Grunewald, FS Semler, S.  179, 184.

264 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente lungen lägen nämlich außerhalb des Gesellschaftsvertrages der anderen Gesell­ schaft. Wieso hier aber der Zweck der Gesellschaft offenbar als makelhaft begriffen wird, leuchtet nicht ein. Die vermeintliche Klarheit des Abgrenzungskriteriums führt im Ergebnis zu einer Übervereinfachung, die weder vom Wortlaut oder den Materialien gedeckt ist noch – wie sogleich unter (2) diskutiert wird – mit teleologischen Erwägungen gerechtfertigt werden kann. Im Übrigen: Die ver­ meintliche Klarheit bei der Abgrenzung mittels der Unterscheidung zwischen echten und unechten Satzungsbestandteilen wird – was die Vertreter dieser An­ sicht nicht einmal im Ansatz diskutieren – ohnehin nicht erreicht, sieht man einmal von tatsächlich außerhalb des Satzungsdokuments getroffenen Verein­ barungen ab. Die Differenzierung zwischen echten und unechten Satzungsbe­ standteilen ist eine nach wie vor ungelöste Aufgabe, trennscharfe Kriterien gibt es nicht.247 Der Rechtsanwender gelangte vom Regen in die Traufe, wollte er sich des hier abgelehnten Kriteriums bedienen. Im Personengesellschaftsrecht stellt sich außerdem das Problem, dass sich die Perspektive jederzeit umkehren lässt: Während von Gesellschaft A aus betrachtet der Gesellschaftsvertrag der Gesellschaft B „außerhalb“ ihres eigenen Gesellschaftsvertrages liegen mag, gilt das Gleiche, wenn von B auf A geblickt wird. Welche Blickrichtung maßgeblich sein soll, bleibt jedoch genauso ungelöst wie die Frage nach dem Verhältnis von Henne und Ei. (2)  Keine Erfassung disponiblen materiellen Satzungsrechts Eine sachliche Rechtfertigung, die Anlass für eine derart weitgehende teleologi­ sche Reduktion des §  310 Abs.  4 S.  1 BGB geben könnte, sucht man vergebens. Wenn im Zusammenhang mit Kapitalgesellschaften darauf verwiesen wird, ge­ sellschaftsrechtliche Vereinbarungen seien von der AGB-Kontrolle ausgenom­ men, weil sie in weiten Bereichen zwingend ausgestaltet seien,248 kann das be­ reits deshalb nicht überzeugen, weil dieses Argument schon bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung angesichts erheblicher Freiheiten für die Ausgestal­ tung dieser Rechtsform schwach wirkt und zudem nicht erklären kann, warum die Personengesellschaften von der AGB-Kontrolle verschont bleiben sollen.249 Darüber hinaus ist der gedankliche Ausgangspunkt einer derartigen Betrach­ tung unter grundsätzlichen Gesichtspunkten fragwürdig. Denn ihm liegt letz­ ten Endes der Gedanke zugrunde, Gestaltungen, die nicht von vornherein aus­ 247 

S.  nur Zöllner, in: KK-AktG, 2.  Aufl., §  179 Rn.  6 ff. Basedow, in: MünchKommBGB, §   310 Rn.   86; Ulmer/C.Schäfer, in: Ulmer/ Brandner/Hensen, §  310 Rn.  119. 249  Kritisch auch Bieder, ZHR 174 (2010), 705, 715. Es irritiert daher, dass Grunewald, FS Semler, S.  179, 187, sich für die stille Gesellschaft schlicht mit der Feststellung begnügt, Grund für die Einordnung in die Bereichsausnahme des §  310 Abs.  4 S.  1 BGB sei der Umstand, dass Verträge über stille Gesellschaften Verträge auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts seien. 248 Z.B.

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drücklich zwingendem Recht unterworfen sind, bedürften stets der Inhalts­ kontrolle nach den Vorgaben des AGB-Rechts. Das steht im Widerspruch zum Prinzip der Vertragsfreiheit im Zivilrecht. Zwar ist Inhaltskontrolle selbstre­ dend auch außerhalb des Anwendungsbereiches der §§  305 ff. BGB möglich, zu­ lässig und findet alltäglich statt. Doch reicht die Kontrolle anhand der Maßstä­ be des AGB-Rechts weiter als diejenige nach den Vorgaben der allgemeinen Vorschriften wie §  138 Abs.  1 BGB. Für §  307 Abs.  1 S.  1 BGB genügt bereits die bloße Unangemessenheit, während in sonstigen Fällen, von Publikumsgesell­ schaften abgesehen, die Eingriffsschwelle regelmäßig bei einem groben Miss­ verhältnis liegt.250 Das denkbare Gegenargument, die Parteien hätten es sozusagen „selbst in der Hand“, durch Individualvereinbarung im Sinne von §  305 Abs.  1 S.  3 BGB den Regelungen der §§  305 ff. BGB zu entgehen, 251 vermag diesen Einwand nicht zu entkräften. Es setzte nämlich selbst bei der Wahl einer der „gesetzestypischen“ Organisation nahekommenden Gestaltungsvariante voraus, dass die Parteien über die Konstruktion verhandeln. Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass ein Richter davon ausginge, die hingenommenen Klauseln seien ihrem Kern nach vom Verwender nicht zur Disposition gestellt worden. Das wäre wenig effizient und vom Ergebnis her problematisch: Je enger sich die Parteien an den einschlä­ gigen dispositiven Normen orientierten, ohne zugleich das gesetzliche Modell voll zu übernehmen, desto eher griffe die AGB-Kontrolle ein.252 b)  Keine Vergleichbarkeit der Maßstäbe von Gesellschaftsvertragskontrolle und AGB-Kontrolle In der Literatur wird behauptet, „die gesellschaftsrechtliche Spruchpraxis“ prü­ fe, ob eine Vertragsbedingung Gründungsgesellschafter unangemessen benach­ teilige.253 Die Kontrolle sei also nicht auf Extremfälle begrenzt.254 Ein Unter­ schied zum AGB-Recht bestünde in diesem Fall jedenfalls hinsichtlich der maßgeblichen Eingriffsschwelle nicht mehr. Doch beruht die zitierte Meinung auf einer unzutreffenden Interpretation der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Sämtliche der als Stütze benann­ ten Belegstellen 255 betreffen Publikumskommanditgesellschaften. Damit wird 250 Jedenfalls für die zentrale Generalklausel §   138 Abs.  1 BGB, vgl. Canaris, AcP 184 (1984), 201, 242; Ellenberger, in: Palandt, §  138 Rn.  25, 27, 34a; Soergel/Hefermehl §  138 Rn.  66. S.  sogleich noch im Text (2) und b). 251  In diese Richtung Eißer, S.  182. 252  Hier wiederum auf §  307 Abs.  2 Nr.  1 zu verweisen, wäre unbefriedigend: Denn jede Abweichung von einer Norm unterläge der Kontrolle. 253  Bieder, ZHR 174 (2010), 705, 710, mit Verweis in Fußnote 20 auf die Entscheidungen BGHZ 64, 238, 241; BGHZ 84, 11, 14; BGHZ 102, 172, 178; BGHZ 104, 50, 54, 57. 254  Bieder, ZHR 174 (2010), 705, 710. 255  BGHZ 64, 238, 241; BGHZ 84, 11, 14; BGHZ 102, 172, 178; BGHZ 104, 50, 54, 57 (Bieder, ZHR 174 (2010), 705, 710 Fußn. 20).

266 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente ausgerechnet der Bereich des Gesellschaftsrechts als pars pro toto der „gesell­ schaftsrechtliche[n] Spruchpraxis“ betrachtet, der eine Sonderstellung ein­ nimmt. Wer einen Gleichlauf der Rechtsprechung zu Gesellschaftsverträgen allgemein und dem AGB-Recht belegen möchte, darf sich nicht auf die Heran­ ziehung eines Teilgebietes beschränken, das im Gesellschaftsrecht als Sonder­ fall gilt. Die Aussage, es gehe „[im Gesellschaftsrecht und im AGB-Recht] nicht um die Bekämpfung extremer Missbräuche der Gestaltungsfreiheit, sondern um eine [...] umfassend abwägende, auf die Angemessenheit der verwendeten Bedingungen zielende Konkordanzkontrolle“, 256 beruht auf einer fehlerhaften Bewertung. Es ist gerade umgekehrt: Der Bundesgerichtshof betonte etwa im Zusammenhang mit einer Regelung, wonach ein ausscheidender Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts den anderen Gesellschaftern seinen Anteil zu einem bestimmten Preis anbieten musste: „Die Kläger meinen, dieses Ergebnis [Ausschluss der Sittenwidrigkeit durch die Beru­ fungsinstanz, Anm.  des Autors] beruhe darauf, daß der Beurteilung der Sittenwidrigkeit ein falscher Bewertungsmaßstab zugrunde gelegt worden sei. Dieser werde überspannt, wenn man mit dem Berufungsurteil das Vorliegen eines solch groben Mißverhältnisses zwischen dem nach der Vereinbarung zu ermittelnden Übernahmepreis und dem Ver­ kehrswert der Gesellschaftsanteile fordere, daß dadurch die wirtschaftliche Bewegungs­ freiheit des veräußerungswilligen Gesellschafters eingeengt werde. Um die berechtigten Vertragszwecke einheitlicher Stimmrechtsausübung und des Überfremdungsschutzes abzusichern, sei es nicht erforderlich, daß der veräußerungswillige Gesellschafter erheb­ liche Vermögensverluste hinnehmen müsse und die verbleibenden Gesellschafter die Anteile unter Wert erwerben könnten. [...] Diese Überlegungen [...] werden den Anforderungen, die an die Sittenwidrigkeit der Klausel über die Abgeltung von Anteilen zu stellen sind, die ein Gesellschafter bei Inaussichtnahme ihrer Veräußerung an einen Dritten den übrigen Mitgliedern der Schutzgemeinschaft anzubieten hat, nicht gerecht.“257

Weitere Beispiele mit einer Betonung der Notwendigkeit eines groben Missver­ hältnisses zur Begründung der Sittenwidrigkeit lassen sich schnell finden, ohne dass es hier einer Darstellung im Einzelnen bedürfte.258 Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Publikumsgesellschaften beruht ganz maßgeblich auf dem Argument, es fehle den Anlagegesellschaftern an persönlichen und sonstigen Beziehungen zu den Unternehmensgesellschaftern, „wie es in der „normalen“ [Gesellschaft] regelmäßig der Fall“ sei.259 Hieraus ergebe sich wie bei einem vorformulierten Vertrag die Notwendigkeit „bei Gesellschaftsverträ­ 256 

So jedoch Bieder, ZHR 174 (2010), 705, 710. BGHZ 126, 226, 239 (Kursivsetzung hinzugefügt). 258 Auswahl: BGHZ 116, 359, 368  f. (Buchwertklausel GmbH); BGHZ 123, 281, 287 (Buchwertklausel KG); vgl. auch die Rechtsprechung zu sogenannten Hinauskündigungs­ klauseln, etwa BGHZ 81, 263, 366 (KG); BGHZ 164, 98, 101 (Managermodell); BGH NJW 2004, 2013, 2014 (GbR/Gemeinschaftspraxis). 259  Grundlegend BGHZ 64, 238, 241. 257 

A.  Kontrollinstrumente des allgemeinen Privatrechts

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gen [dieser] besonderen Art zum Schutze der Anlagegesellschafter ein Bedürf­ nis [für eine an §  242 BGB ausgerichtete] Inhaltskontrolle [...].“260 Die Inhalts­ kontrolle, die sich zur Zeit der zitierten grundlegenden Entscheidung schon deshalb nicht auf AGB-Recht im technischen Sinn des AGBG stützen konnte, weil das AGBG noch nicht in Kraft getreten war, wird demnach vom Bundes­ gerichtshof auf eine Abweichung der Publikumsgesellschaftsverträge von (ge­ setzes)typischen Gesellschaftsverträgen gestützt. Festzuhalten ist damit, dass es entgegen der oben zitierten Meinung wesent­ liche Unterschiede zwischen dem Kontrollmaßstab der AGB-Kontrolle und dem für die Inhaltskontrolle von Gesellschaftsverträgen gibt. Während im AGB-Recht nach §  307 Abs.  1 S.  1 BGB Unangemessenheit genügt, wird im Ge­ sellschaftsrecht grundsätzlich auf ein schweres Missverhältnis abgestellt. Die Rechtsprechung zu den Publikumsgesellschaftsverträgen beruht auf besonde­ ren Schutzerwägungen und wird auch vom Bundesgerichtshof als Sonderfall eingeordnet. c)  Ungleichbehandlung von Gesellschaftervereinbarungen und Vereinbarungen eines Gesellschafters mit Dritten Einige Autoren meinen, es sei nicht gerechtfertigt, Gesellschaftervereinbarun­ gen unter Berufung auf §  310 Abs.  4 S.  1 BGB dem Anwendungsbereich der §§  305 ff. BGB zu entziehen. Grundlage ist ein Vergleich: Da Vereinbarungen eines Gesellschafters mit nicht der Gesellschaft angehörenden Dritten nicht in die Bereichsausnahme einbezogen würden und damit den §§  305 ff. BGB unter­ fielen, gebe es keine Rechtfertigung, Vereinbarungen eines Gesellschafters mit einem anderen Gesellschafter der AGB-Kontrolle zu entziehen.261 Eine derartig rigorose Abgrenzung findet sich in der in Bezug genommenen AGB-rechtlichen Literatur jedoch überhaupt nicht.262 Vielmehr nennt diese stets bestimmte Fallgruppen von Abreden, die als Schuldvertrag definiert und daher der AGB-Kontrolle unterworfen werden. Nichts anderes ergibt sich aus den Materialien zum AGBG mit Blick auf das dort genannte Beispiel des De­ potstimmrechtsvertrages zwischen einem Gesellschafter und einer Bank.263 In der Begründung des Regierungsentwurfs zum AGBG wird dieser Vertrag im Rahmen des Verweises auf die notwendige Abgrenzung zwischen Schuldrecht und Gesellschaftsrecht lediglich als Beispiel für eine schuldrechtliche Regelung dargestellt.264 Mehr lässt sich hieraus nicht ableiten. Vereinbarungen von Ge­ 260 

BGHZ 64, 238, 241 (Kursivsetzung hinzugefügt). Eißer, S.  181; in die gleiche Richtung Grunewald, FS Semler, S.  179, 191. 262  S.  etwa Basedow, in: MünchKommBGB, §  310 Rn.  89, 91; Schlosser, in: Staudinger, §  310 Rn.  77; Schmidt, in: Wolff/Lindacher/Pfeiffer, §  310 Rn.  14; Ulmer/C.Schäfer, in: Ulmer/ Brandner/Hensen, §  310 Rn.  122. 263  BT.-Dr. 7/3919, S.  41. 264  BT.-Dr. 7/3919, S.  41. 261 So

268 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente sellschaftern mit Dritten fallen also nicht bereits kraft dieser Parteienkonstella­ tion in den Anwendungsbereich der §§  305 ff. BGB. Vielmehr gilt hier das allge­ meine Abgrenzungskriterium des gemeinsamen Zwecks: Begründet der Vertrag zwischen Gesellschafter und Drittem eine Gesellschaft, greift die Bereichsaus­ nahme des §  310 Abs.  4 S.  1 BGB. d)  Untauglichkeit einer typologischen Abgrenzung Teile der Literatur schlagen vor, eine „typologische Gesamtbetrachtung“ durch­ zuführen, statt die Geltung der Bereichsausnahme Gesellschaftsrecht in §  310 Abs.  4 S.  1 BGB danach zu bestimmen, ob eine bestimmte Vereinbarung dem Gesellschaftszweck zu dienen bestimmt und damit Teil des Gesellschaftsver­ trages im engeren Sinne ist oder ob sie bloß eine schuldrechtliche Abrede dar­ stellt.265 Die Abgrenzung anhand der Zuhilfenahme des Gesellschaftszwecks sei nicht für alle Fallgestaltungen widerspruchsfrei möglich.266 Abzustellen sei demgegenüber auf die „Würdigung des gesamten Vertragswerks [...] anhand ei­ ner Vielzahl von Wertungskriterien, die jeweils für sich genommen kein ent­ scheidendes Gewicht haben und einander in der Gesamtschau relativieren, aber auch verstärken können.“267 Das Wertungssystem sei nicht abschließend for­ mulierbar. Herangezogen werden könnten der „Beitrag [des] Vertragswerk[s] für die Erreichung des Vereinigungszwecks“.268 Weiterhin sei zu berücksichti­ gen, „ob die Vereinigung eher auf dem persönlichen Zusammenwirken der Ge­ sellschafter beruht oder als Kapitalsammelbecken fungiert, ob eine der ver­ tragsschließenden Parteien außerhalb des Gesellschafterkreises steht [und] ob das Rechte- und Pflichtenprogramm des Vertragswerks ausschließlich für die Gesellschafter gilt oder in ähnlicher Form auch für die Rechtsbeziehungen zwi­ schen der Gesellschaft und Dritten zur Anwendung kommt.“ Darüber hinaus soll von Bedeutung sein, „ob und in welchem Maße zwingende gesellschafts­ rechtliche Schutzstandards die Vertragskontrolle präjudizieren und inwieweit sich die besonderen Klauselverbote der §§  308, 309 BGB für die Kontrolle [...] eignen, weil vergleichbare Leistungen auch ohne gesellschaftsrechtliche Einbet­ tung auf dem Markt angeboten werden.“ Dieser Ansatz führt nicht weiter. Zunächst bietet er schon keinen handhab­ baren Maßstab angesichts der „Vielzahl von Wertungskriterien“, die zudem nicht abschließend bestimmbar sein sollen. Jeder Anspruch an eine wenigstens in Grenzen vorhersehbare Entscheidung über die Einordnung einer bestimm­ ten Vertragsgestaltung in §  310 Abs.  4 S.  1 BGB wird aufgegeben, wenn selbst 265 

Bieder, ZHR 174 (2010), 705, 724. Bieder, ZHR 174 (2010), 705, 723. 267  Bieder, ZHR 174 (2010), 705, 724. 268  Bieder, ZHR 174 (2010), 705, 725. AaO. und auf S.  726 finden sich auch die im Text folgenden Zitate. 266 

A.  Kontrollinstrumente des allgemeinen Privatrechts

269

für die genannten Wertungskriterien jeder Abwägungsmaßstab fehlt. Der Rechtssicherheit ist nicht damit gedient, einen Anknüpfungspunkt deshalb zu verwerfen, weil gelegentlich Ausnahmen gemacht werden. Die Möglichkeit von Ausnahmeentscheidungen allein genügt nicht, ein Prüfungsverfahren als in­ konsistent verwerfen zu können. Das gilt umso mehr, wenn die vorgeschlagene Alternative darin besteht, überhaupt keinen Maßstab mehr anzubieten, der noch eine Regel erkennen lässt. Der von der hier kritisierten Ansicht als Beispiel für eine gelungene typologi­ sche Betrachtung herangezogene Fall der Feststellung der Arbeitnehmereigen­ schaft im Arbeitsrecht 269 ist nicht vergleichbar. Denn insoweit geht es um die einheitliche Bewertung eines gesamten Vertragswerkes. Wollte man dieses Ver­ fahren tatsächlich auf Gesellschaftervereinbarungen anwenden, entzöge man private Vereinbarungen in noch weiterem Umfang als bislang der AGB-Kon­ trolle. Denn wenn vor allem der Vertragsschwerpunkt oder das Vertragswerk in seiner Gesamtheit maßgeblich sein soll, entfällt die Möglichkeit, eine einzelne Klausel abweichend zu bewerten. Diese Folge ist eine wenig überzeugende Konsequenz des hier kritisierten Alternativansatzes einer typologischen Ge­ samtbetrachtung. Dass bei Nutzung der herkömmlichen Abgrenzungsmethode anhand der Zuordnung der einzelnen Abreden zum Gesellschaftszweck die Grenzen nicht immer klar gezogen werden können, ist kein für die juristische Arbeit derart ungewöhnliches Ergebnis, dass es eine grundlegende Umorientie­ rung rechtfertigte. Das gilt erst recht, wenn für die vorgeschlagene Alternative ebenfalls keine trennscharfen Kriterien zur Verfügung stehen. Im Ergebnis ist damit am gemeinsamen Zweck als wesentlichem Abgrenzungs­ merkmal festzuhalten. Die Bereichsausnahme des §  310 Abs.  4 S.  1 BGB greift, wenn es sich bei dem in Rede stehenden Vertrag um einen Gesellschaftsvertrag handelt. Ausnahmen, das heißt die Anwendung der §§  305 ff. BGB, bleiben möglich, sofern eine bestimmte Klausel sich als lediglich schuldrechtliche Ver­ einbarung charakterisieren lässt. e) Fazit Eine formale Abgrenzung von Vereinbarungen, die in die Bereichsausnahme des §  310 Abs.  4 S.  1 BGB fallen und solchen, die der AGB-Kontrolle unterlie­ gen, lässt sich nicht in sachlich nachvollziehbarer Weise durchführen. Es kommt demnach nicht darauf an, ob die betroffene Abrede materieller Satzungsbe­ standteil ist. Zudem eignet sich weder der Vergleich zur Kontrolle von Gesell­ schaftsvereinbarungen nach §  242 BGB noch derjenige zu schuldrechtlichen Verträgen von Gesellschaftern mit Dritten dazu, die Reichweite von §  310 Abs.  4 S.  1 BGB unter Konsistenzgesichtspunkten zu beschränken. Der Versuch, ty­ 269 

Bieder, ZHR 174 (2010), 705, 724.

270 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente pologische Kriterien zu bemühen, scheitert daran, dass sich keine klaren Maß­ stäbe herausarbeiten lassen, die zur rechtssicheren Abgrenzung von Fallgrup­ pen taugen.  Allein maßgeblich ist das Kriterium des gemeinsamen Zweckes, das zur Abgrenzung von Verträgen auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts und regulären Austauschverträgen dient.

2.  Kein Kontrollbedürfnis unter Schutzzweckgesichtspunkten Verschiedentlich wird für die Kontrollbedürftigkeit von Gesellschafterverein­ barungen außerhalb der Satzung, die zugleich Gesellschaftsverträge sind, auf den Schutzzweck des AGB-Rechts hingewiesen. Wer einem anderen vorformu­ lierte Bedingungen vorlege, missbrauche die Vertragsgestaltungsfreiheit.270 Zu­ dem unterwirft der Bundesgerichtshof Gesellschaftsverträge von Publikums­ personengesellschaften der Inhaltskontrolle nach §  242 BGB, die im Kern nichts anderes als eine Form der AGB-Kontrolle darstellt.271 Offenbar gibt es also ein Kontrollbedürfnis auf „dem Gebiet des Gesellschaftsrechts“, das für bestimmte Formen gesellschaftsrechtlicher Zusammenschlüsse anerkannt wird.272 Der Bundesgerichtshof begründet die Kontrolle solcher Gesellschaftsverträ­ ge vor allem damit, dass die Gesellschafter lediglich einen fertig vorformulier­ ten Vertrag unterzeichneten, ohne die Möglichkeit zu haben, „auf dessen Inhalt [einen] irgendwie gearteten mitgestaltenden, ihre Interessen wahrnehmenden Einfluß ausüben [zu] können.“273 Die Kommanditisten stünden untereinander und zu den Unternehmergesellschaftern in keinerlei Beziehung und würden in der Öffentlichkeit geworben.274 Ein Teil der Literatur weist noch darauf hin, die Kontrolle sei deshalb gerechtfertigt, weil die Anlagegesellschafter ein rationales Desinteresse am Inhalt der Vereinbarung hätten, was ein großes Miss­brauchs­ potential eröffne.275 Da Beteiligungsvereinbarungen eine gewisse Konformität bei der Gestaltung aufweisen, liegt es auf den ersten Blick nahe zu argumentie­ ren, die Bereichsausnahme solle nicht eingreifen.276 Das wird nun näher geprüft, in der gedanklichen Abfolge orientiert an den vier Ansatzpunkten, die der eben zitierten Begründung zur Kontrolle von Publi­kums­personengesellschaft zugrunde liegen: Gleichförmigkeit der Verein­ barungen (dazu a]); Eingliederung in eine vorgefertigte Struktur (b]); Massen­ charakter des Beteiligungsgeschäfts (c]); rationale Apathie der Gründer (d]). 270 

Eißer, S.  181 f.; Grunewald, FS Semler, S.  179, 190. Ähnlich Winkler, S.  98. BGHZ 64, 238, 241 ff. Zum Ganzen Fastrich, Richterliche Inhaltskon­ trolle, S.  124 ff. 272  Hierzu mit Nachweisen Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, S.  128 ff. 273  BGHZ 64, 238, 241. 274  BGHZ 64, 238, 241. 275  Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, S.  131. 276  So der Sache nach für Beteiligungsvereinbarungen, wenn auch nicht unter Verweis auf die Rechtsprechung zur Publikumskommanditgesellschaft, Winkler, S.  97 f. 271  Grundlegend

A.  Kontrollinstrumente des allgemeinen Privatrechts

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a)  Nur formale Gleichförmigkeit der Vereinbarungen Venture Capital-Vereinbarungen sind zwar insofern gleichförmig, als sie sich inzwischen auch in Deutschland ähneln, was ihre Grundstruktur angeht (aa]). Doch folgt hieraus nicht die Vergleichbarkeit der Klauselinhalte, wie dies bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Fall ist (bb]). aa)  Strukturelle Standardisierung Die Beteiligungsvereinbarungen ähneln sich jedenfalls den Regelungsgegen­ ständen nach auch in Deutschland immer mehr.277 Das ermöglicht bei ober­ flächlicher Betrachtung einen Vergleich, der für die Anwendbarkeit des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen spricht: Wenn das Aktiengesetz mit Hilfe von §  23 Abs.  5 AktG nach herrschender Meinung die Standardisierung der Rechtsform Aktiengesellschaft sicherstellt 278 und keine entsprechende Norm für schuldrechtliche Vereinbarungen existiert, muss das AGB-Recht die Standardisierungs- und Kontrollfunktion übernehmen. Das allerdings über­ zeugt nicht: Schon aus einer gewissen Gleichförmigkeit von Beteiligungsvereinbarungen auf die Notwendigkeit einer Inhaltskontrolle nach Maßgabe der §§  305 ff. BGB zu schließen, ist bedenklich. Allgemeine Geschäftsbedingungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht nur wiederkehrend bestimmte Regelungsgegenstän­ de betreffen und damit die Grundstrukturen eines Vertrages bestimmen. Viel­ mehr determinieren sie zusätzlich den Abredeinhalt bis in die Einzelheiten. Dies ist bei Venture Capital-Vereinbarungen anders: bb)  Keine Vergleichbarkeit der Klauselinhalte Im Bereich der Wagniskapitalfinanzierung tätige Praktiker hoben in Gesprä­ chen hervor, es gebe zwar in Deutschland eine gewisse Tendenz zur Behand­ lung gleicher Themen in Beteiligungsvereinbarungen, doch nehme gleichzeitig die Differenziertheit hinsichtlich des Umgangs mit einem Regelungsproblem zu. Empirische Studien zu Gestaltungen in Deutschland verweisen darauf, es gebe keine Standardisierung insofern, als nicht von einer Vergleichbarkeit der Klauselinhalte über sämtliche Abreden hinweg gesprochen werden könne.279 Vielmehr hänge die genauere Ausformung der Rechte und Pflichten stark von der Risikostruktur des finanzierten Unternehmens ab.280

277 

Oben bei Fußnote 182. Besonders deutlich Röhricht, in: GK-AktG, §  23 Rn.  167. Hierzu 3. Teil A. §  1. 279  Bienz/Hirsch/Walz, in: Letmathe/Witt, S.  15, 27. 280  Antonczyk/Breuer/Mark, FB 2008, 225, 231 ff.; Bienz/Hirsch/Walz, in: Lethmathe/ Witt, S.  15, 27 ff. 278 

272 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente Selbst wenn also zwei Verträge Regelungen mit der Überschrift „Anteilsbin­ dung“/„Vesting“ enthalten, kann der konkrete Inhalt der jeweiligen Bedin­ gungswerke stark voneinander abweichen. Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: Für die Gestaltung der Bestimmungen zur Bindung von Anteilen der Grün­ der ist es relevant, ob diese bereits vor Unternehmensgründung Leistungen er­ bracht haben, etwa Vorarbeiten bei der Entwicklung eines Prototyps. Falls ja, kann dies bei der Berechnung der Bindungsfristen einbezogen werden, so dass die begünstigen Personen von Anfang an oder früher als ohne entsprechende Anrechnungen solcher Tätigkeiten frei über die Veräußerung eines bestimmten Kontingents ihrer Anteile entscheiden dürfen.281 Ein weiterer Ansatz zur Diffe­ renzierung ergibt sich aus dem typischerweise entstehenden Aufwand für die Herstellung des neuen Produkts. Dieser kann sich je nach Art des Projekts stark unterscheiden. Insofern ist eine gewisse Skepsis geboten, von – überspitzt formuliert – Klau­ selüberschriften auf inhaltliche Kongruenz und, anknüpfend daran, auf einsei­ tige Vorgaben gegenüber dem Partner des Vorschlagenden zu schließen. b)  Keine Einbeziehung in eine vorgefertigte Struktur Gründer werden nach dem eben Gesagten bei Beteiligungsvereinbarungen nicht in eine von Anderen vorgefertigte Struktur einbezogen. Selbst wenn ein Investor bestimmte Klauseln oder sogar ein komplettes Term Sheet vorlegt, sind dies keine fertigen unverhandelbaren Bedingungswerke, die der Gründer ent­ weder in jedem Detail akzeptiert oder bei deren Zurückweisung er auf die Fi­ nanzierung verzichtet. Insoweit besteht wiederum die eben erwähnte Notwen­ digkeit, zwischen einem vorgegebenen Thema und der konkreten Gestaltung einer Abrede zu differenzieren. Zudem etabliert die Beteiligungsvereinbarung die Grundlage für eine enge Zusammenarbeit zwischen Altgesellschaftern und Kapitalgebern. Dem Vertragsschluss gehen intensive Verhandlungen voraus, in denen regel­ mäßig beide Seiten anwaltlich vertreten sind. In diesem Rahmen wird die Struk­ tur für den Zusammenschluss erst geschaffen, es gibt keinen zuvor aufgestellten festen Rahmen. Hier ist zu vergegenwärtigen, dass jede Investition einen Ein­ zelfall darstellt, weil das Stadium der Unternehmensentwicklung, das Ge­ schäftsfeld sowie die Personen der Gründer zentrale Determinanten der Gestal­ tung der Finanzierungsabrede sind. Anders als dies in der Literatur gelegentlich suggeriert wird,282 gibt es kein strukturelles Patentrezept, das jeder Finanzierung ihre Gestalt verleihen könn­ te. Der Verweis auf die Existenz von Vertragshandbüchern 283 eignet sich nicht 281 

Vgl. bereits oben 1. Teil B., vor §  1. Vgl. etwa Winkler, S.  98. 283 So Winkler, S.  98. 282 

A.  Kontrollinstrumente des allgemeinen Privatrechts

273

als Gegenargument. In solchen Werken abgedruckte Beispielsverträge sind nicht mehr als eben das: Beispiele, die von den Autoren für sinnvoll erachtet werden. Weder der Urheber noch die Nutzer werden davon ausgehen, der abge­ druckte Vertrag sei das non plus ultra der Vertragspraxis, von dem abzuweichen Frevel wäre. c)  Kein gleichförmiges Massengeschäft Der Grund dafür, die Satzungen von Publikumspersonengesellschaften einer dem AGB-Recht ähnlichen Form der Inhaltskontrolle zu unterwerfen, liegt in der Ausgestaltung des Beteiligungserwerbs als Massengeschäft.284 Daran fehlt es bei Venture Capital-Vereinbarungen. Das Angebot von Kapital gegen Betei­ ligung ist nicht an eine unbestimmte Anzahl von Adressaten gerichtet. Die In­ vestoren wollen sich vorbehalten, mit wem sie ins Geschäft kommen. Weil jede Investition Besonderheiten aufweist, etwa hinsichtlich des Alters und der Ge­ schäftstätigkeit des Unternehmens und der Gründerpersönlichkeiten, scheidet eine Vergabe finanzieller Mittel zu gleichen Konditionen von vornherein aus. So wird ein Kapitalgeber kaum in der Lage sein, im Zuge der Kapitalvergabe an ein Unternehmen, das bereits einen nicht unerheblichen Jahresumsatz aufweist, die Gründer zur Bindung ihrer Anteile zu verpflichten.285 Spezialisiert sich der In­ vestor nicht auf eine bestimmte Branche, wäre die Übernahme von Vertragsbe­ dingungen, die auf ein kapitalintensives Biotechnologieunternehmen passen, für eine Beteiligung an einem Softwareunternehmen wenig sinnvoll. d)  Keine rationale Apathie Anders als bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen, hinsichtlich derer regelmä­ ßig der Prüfungsaufwand in keinem Verhältnis zum Ertrag steht,286 hat die ge­ naue Analyse der Klauseln im wahrsten Sinne des Wortes existentielle Bedeu­ tung für die Gründer. Sie haben also erhebliche Anreize, sich genau mit den Bedingungen zu beschäftigen. Schließlich bestimmen die Beteiligungskautelen die Zusammenarbeit mit den Kapitalgebern und die wirtschaftlichen Erfolgs­ chancen. Die Gründer binden sich umfassend und investieren nicht lediglich einen verhältnismäßig geringfügigen Teil ihres Vermögens. Überdies besteht, wiederum im Unterschied zu Allgemeinen Geschäftsbe­ dingungen, in der Regel keine große Zahl an Angeboten, deren Konditionen schon aufgrund der schieren Masse von Klauselwerken kaum zu überblicken sind. Weder gleichen die Angebote von Wagniskapitalgebern standardisierten Massenprodukten, die im Wesentlichen vergleichbar auf dem Markt mehr oder 284 

S.  nur BGHZ 64, 238, 241; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, S.  124 ff. Vgl. zu solchen Bindungen schon oben 1. Teil B. §  6 II. 286 Hierzu Kuntz, AcP 209 (2009), 242, 259 mit Nachweisen. 285 

274 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente weniger frei verfügbar sind, noch haben die Gründer im Regelfall die Möglich­ keit, zwischen einer Vielzahl verschiedener Investoren auszuwählen. Aus die­ sem Grund stellt sich nicht das Problem fehlender Chancen zum Vergleich un­ terschiedlicher Vertragsbedingungen. e)  Entwicklung struktureller Standardisierung über die Zeit Beteiligungsvereinbarungen hatten keinen schon immer quasi erfahrungsunab­ hängig gegebenen notwendigen Inhalt. Die inzwischen auch in Deutschland zu beobachtende zunehmende strukturelle Gleichförmigkeit gab es nicht von Be­ ginn an, sondern hat sich im Laufe einer inzwischen mehrere Jahrzehnte dau­ ernden Gestaltungspraxis entwickelt.287 Nunmehr Verträge aufgrund einer ge­ wissen Ähnlichkeit der AGB-Kontrolle zu unterziehen, hätte eine wenig nach­ vollziehbare Konsequenz: Die ursprünglichen Beteiligungsabreden wären aufgrund ihrer großen Gestaltungsvarianz nicht nach den §§  305 ff. BGB kon­ trolliert worden. Sobald sich ein Marktstandard herauskristallisiert, der deshalb zum Marktstandard wird, weil sämtliche Marktteilnehmer jedenfalls in einem gewissen Rahmen bestimmte Vereinbarungen als effizient erachten, gälten strengere Regeln für die Inhaltskontrolle. Das wäre insofern fragwürdig, als auch die vermeintlich unterlegenen Vertragspartner zur fortschreitenden Ver­ einheitlichung beitragen, indem sie gewisse Klauseln im Verlaufe der Zeit als nicht akzeptabel ablehnen, bis sich ein grosso modo erträglicher Kompromiss herausschälte. Hiergegen einzuwenden, die eingetretene Standardisierung sei auf die Markt­ macht der Kapitalgeber zurückzuführen, die einseitig Bedingungen diktierten, wäre wenig überzeugend. Vielmehr spricht die Vielfältigkeit der Klauselinhalte dafür, dass ein erheblicher Spielraum für die konkrete Ausgestaltung des Finan­ zierungsverhältnisses besteht.288 Anders als bei herkömmlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen existiert kein Bedingungswerk, das den Gründern und der finanzierten Gesellschaft gewissermaßen unmodifiziert „übergestülpt“ wird.

3.  Keine Beschränkung unter Verbraucherschutzgesichtspunkten Nach einer verbreiteten Meinung gilt die Bereichsausnahme des §  310 Abs.  4 S.  1 BGB nicht, wenn Gesellschaftsverträge allein zu Zwecken privater Vermögens­ anlage geschlossen werden.289 Dies ergebe sich aus einer richtlinienkonformen 287  Zu starken Veränderungen in der deutschen Vertragspraxis nach dem Jahr 2000 Antonczyk/Breuer/Mark, FB 2008, 225, 231 ff. 288  Eindringlich aus Praktikersicht Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 78 f. 289 OLG Oldenburg NZG 1996, 896, 897 m.abl.Anm.  Michalski/Schuldenburg; OLG Frankfurt NJW-RR 2004, 991, 992; Basedow, in: MünchKommBGB, §  310 Rn.  92; Grundmann, JZ 1996, 274, 284; Heinrichs, NJW 1996, 2190, 2191 f. A.A. Drygala, ZIP 1997, 968, 970;

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Auslegung der Norm auf Grundlage der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen.290 Wer dieser Ansicht folgt, schränkt §  §  310 Abs.  4 S.  1 BGB ein, indem unabhängig vom Vertragsgegenstand der Blick auf die Vertragsparteien gelenkt wird. Mit anderen Worten: Selbst wenn ein Vertrag auf dem Gebiet des Gesellschafts­ rechts vorliegen sollte, gelangen die §§  305 ff. BGB entgegen dem Wortlaut von §  310 Abs.  4 S.  1 BGB trotzdem und deshalb zur Anwendung, weil ein Verbrau­ cher an der Vereinbarung beteiligt ist. Hier ist nicht der Ort, dies grundständig unter AGB-rechtlichen Gesichtspunkten zu diskutieren. Es genügt zu zeigen, dass die Gründer bereits keine Verbraucher sind. Das bedarf indes näherer Prü­ fung. Teile des Schrifttums vertreten nämlich, es entspreche „einhelliger An­ sicht“, „dass sowohl GmbH-Gesellschafter als auch Aktionäre keine Unterneh­ mer im Sinne des §  14 BGB“ seien.291 Allein auf die Stellung der Gründer als Mitglied und Partei der Wagniskapitalvereinbarungen zu verweisen, genügt demnach nicht. Angesichts des Umstandes, dass es nach wie vor keine Einigkeit über die Reichweite des Verbraucherbegriffs gibt, und mit Blick auf die Rechtsprechung, die einige gesellschaftsrechtlich relevante Konstellationen unter verbraucher­ schutzrechtlichen Gesichtspunkten gewürdigt hat, ist im Folgenden zunächst der Verbraucherbegriff zu untersuchen (sogleich a]), um anschließend (unter b]) die Verbrauchereigenschaft der Gründer prüfen zu können. a) Verbraucherbegriff aa)  Verbraucherbegriff in Deutschland und Gesellschaftsrecht Die herrschende Meinung betrachtet den Erwerb oder das Halten von Gesell­ schaftsanteilen als (private) Vermögensverwaltung.292 Selbst der zur alleinigen Geschäftsleitung berechtigte Mehrheits- oder Alleingesellschafter, der einer Gesellschaftsschuld beitritt, soll nach dem elften Senat des Bundesgerichtshofs Verbraucher sein.293 Gleiches hält der achte Zivilsenat für den Abschluss eines Eißer, S.  23 ff., 61 ff.; Schlosser, in: Staudinger, §  310 Rn.  44; Ulmer/C.Schäfer, in: Ulmer/ Brandner/Hensen, §  310 Rn.  120. Der Bundesgerichtshof hat die Antwort auf die Frage bis­ lang offen gelassen, s. NJW 2001, 1270, 2171. 290  ABl. Nr.  L 095 vom 21.04.1993, S.  29. 291  Winkler, S.  94 mit einem Hinweis auf eine Bemerkung „zur Kaufmannseigenschaft“ in der 30. Auflage des HGB-Kommentars von Baumbach/Hopt (Winkler aaO., Fußn. 324). 292  BGHZ 133, 71, 78 (für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung); Habermann, in: Staudinger, §  14 Rn.  37; Micklitz, in: MünchKommBGB, §  13 Rn.  45; Mülbert, FS Hadding, S.  575, 579 f.; Pfeiffer, in: Soergel, §  13 Rn.  32; Tamm, S.  341; Ulmer/C.Schäfer, in: Ulmer/ Brandner/Hensen, §  310 Rn.  61 (der aber den Erwerb von Gesellschaftsanteilen regelmäßig §  310 Abs.  4 S.  1 BGB unterstellen möchte). 293  BGHZ 133, 71, 76 ff.; BGHZ 165, 43, 47 ff.; BGH NJW-RR 2007, 1673, 1675; aus der Literatur Tamm, S.  334 f., sowie die Kommentarstellen in der vorigen Fußnote. Ablehnend z.B. Mülbert, FS Hadding, S.  575, 580 f.; ders., FS Goette, S.  333, 337 ff.

276 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente Finanzierungsleasingvertrages seitens eines Alleingesellschafter-Alleinge­ schäftsführers für richtig.294 Der dritte Senat stimmt der Verbraucherqualifika­ tion ebenfalls zu, 295 während der neunte Senat diesen nicht als Verbraucher im Sinne der Vorschriften zum Verbraucherinsolvenzverfahren nach den §§  304 ff. InsO ansieht.296 Das Bundesarbeitsgericht verweist „jedenfalls“ für solche Ge­ sellschafter-Geschäftsführer, die nicht über eine Sperrminorität verfügen, auf ihre Weisungsabhängigkeit als Grund für die Einordnung solcher Personen als Verbraucher.297 Die Vermögensverwaltung überschreitet nach herrschender Ansicht die Schwelle zur im Sinne von §  14 Abs.  1 BGB unternehmerischen Tätigkeit, wenn der Umfang der Geschäfte einen planmäßigen Geschäftsbetrieb erfordert, also etwa ein Büro unterhalten oder die Organisation geschäftsmäßig eingerichtet werden muss.298 Dafür genügt nicht allein die Anlage von Kapital in erhebli­ chem Umfang, auch die Größe der Beteiligung ist irrelevant.299 Die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die zum Zweck der Errichtung und Veräußerung einer Wohnanlage dienen sollte, hat das Ober­ landesgericht Koblenz für Unternehmer gehalten.300 Das Gericht stellte auf die Planmäßigkeit und die „gewisse Dauer“ der Tätigkeit der Gesellschafter ab. Existenzgründer werden von der Rechtsprechung nicht als Verbraucher be­ trachtet.301 Das gilt auch für Geschäfte im Zuge der Aufnahme einer gewerbli­ chen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit, also für das Vorbereitungsstadi­ um.302 Für den kreditfinanzierten Beitritt zu einem als Personengesellschaft organi­ sierten Immobilienfonds gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesge­ richtshofs, dass der Vertrag über den Erwerb der Mitgliedschaft einem Vertrag über eine entgeltliche Leistung im Sinne von §  312 Abs.  1 BGB zumindest gleichkommt. Zwar liege in der Begründung der Mitgliedschaft ein organisati­ onsrechtliches Geschäft, das grundsätzlich aus dem Anwendungsbereich des 294 

BGHZ 144, 370, 380. BGH NJW 2004, 3039, 3040. 296  BGH NJW 2006, 917, 918. 297  BAG GmbHR 2010, 1142, 1144, wonach der Geschäftsführer „jedenfalls dann Verbrau­ cher [...] ist, wenn er nicht zugleich als Gesellschafter über eine Sperrminorität verfügt und Leitungsmacht über die Gesellschaft ausüben kann.“ Gegen die Weisungsrecht-Argumenta­ tion zu Recht Mülbert, FS Goette, S.  333, 340. 298 BGHZ 119, 252, 256 f.; BGHZ 149, 80, 86; Habermann, in: Staudinger, §   14 Rn.  37; Micklitz, in: MünchKommBGB, §  13 Rn.  45; Tamm, S.  341. 299  BGHZ 149, 80, 86; Mülbert, FS Hadding, S.  575, 582. A.A. Ulmer/C.Schäfer, in: Ul­ mer/Brandner/Hensen, §  310 Rn.  61, für den Erwerb einer Beteiligung von mehr als 25%. 300  OLG Koblenz BauR 2003, 546, 550. 301  BGH NJW 1994, 2579 f. (zum HWiG); BGH NJW 2005, 1273, 1274; ebenso aus der Literatur Habermann, in: Staudinger, §  14 Rn.  45; Pfeiffer, in: Soergel, §  13 Rn.  35; Tamm, S.  332; Weick, in: Staudinger, §  13 Rn.  55 ff. A.A. etwa Micklitz, in: MünchKommBGB, §  14 Rn.  51 ff. 302  BGH NJW 2005, 1273, 1274. 295 

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Haustürwiderrufsrechts falle. Weil der Zweck des Beitritts jedoch „vorrangig in der Anlage von Kapital und nicht darin bestehe, Mitglied der Gesellschaft zu werden“, sei Haustürwiderrufsrecht grundsätzlich anwendbar.303 Diese Recht­ sprechung hat der Europäische Gerichtshof bestätigt.304 bb)  Europäischer Verbraucherbegriff Einen einheitlichen Verbraucherbegriff gibt es im europäischen Recht nicht, je­ denfalls nicht in dem Sinne, dass an einer Stelle eine übergreifend gültige ein­ heitliche Bestimmung vorgenommen worden wäre.305 Die Richtlinien enthalten unterschiedliche Definitionen, der Europäische Gerichtshof hat bislang eben­ falls keine allgemeine Umschreibung vorgenommen.306 Der Regelungsversuch der Kommission mit dem Vorschlag einer vollharmonisierenden Verbraucher­ rechterichtlinie aus dem Jahr 2008307 ist gescheitert. Das darin enthaltene Ver­ braucherleitbild wich vom Begriffsverständnis in den verschiedenen gültigen Regelungen ab308 und wird daher hier nicht weiter berücksichtigt. Die weniger weittragende Lösung der Verbraucherrechte-Richtlinie 2011/83/EG309 betrifft nicht die Klauselrichtlinie und enthält keine Neuerungen zum Verbraucherbe­ griff.310 Sie bleibt deshalb ebenfalls ausgeblendet. Angesichts der verschiedenen Regelungsmaterien muss Ausgangspunkt der Überlegungen die Normenord­ nung sein, die für die konkret zu entscheidende Materie maßgeblich ist, hier

303 Zusammenfassung der Rechtsprechungsgrundsätze und Nachweise der Literatur in BGH NZG 2008, 460 f. 304  Dazu unten bb)(3)(b). 305  Dass in den verschiedenen Regelungsmaterien ähnliche Kriterien für die Bestimmung des Verbraucherbegriffs genutzt werden (hierauf verweist Meller-Hannich, Verbraucher­ schutz, S.  73), ist freilich wenig überraschend. 306  Einen Überblick bieten etwa Faber, ZEuP 1998, 854; Meller-Hannich, Verbraucher­ schutz, S.  63 ff., 67 ff., Micklitz/Rott, in: Dauses, H.V Rn.  92 ff. 307  Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Rechte der Verbraucher, KOM(2008) 614 endgültig vom 08.10.2008. Hierzu auch Tamm, S.  324 mit Nachweisen. Zu neueren Entwicklungen, die hier mangels Umsetzung in rechtswirksame Normen keiner weiteren Erörterung bedürfen, Augenhofer, in: Dies. (Hrsg.), Verbraucher­ recht im Umbruch, 2012, S.  1 ff. 308 Hierzu Nobbe, ZBB 2008, 78, 80: „Dem Kommissionsentwurf liegt nicht das Leitbild eines mündigen Bürgers und verständigen, aufmerksamen und durchschnittlich informierten Verbrauchers zugrunde, von dem das Grundgesetz, das BGB und auch der europäische Ge­ richtshof ausgehen, sondern das eines bemitleidenswerten Blödians mit Sonderschulniveau aus der früheren deutschen Wettbewerbsrechtsprechung, eines Verbrauchers, der Aqua mine­ rale mit Aquavit verwechselt und der deshalb der Fürsorge bedarf.“ 309  Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhe­ bung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 304/64 vom 22.11.2011. 310 Vgl. Micklitz/Rott, in: Dauses, H.V Rn.  209.

278 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente also die Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Vertragsklauseln.311 Ge­ mäß Art.  2 b) ist Verbraucher „eine natürliche Person, die bei Verträgen, die unter diese Richtlinie fallen, zu einem Zweck handelt, der nicht ihrer gewerbli­ chen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann“.312 Eine ausdrückliche Beschränkung auf selbständige Berufstätige, wie sie in §  13 BGB zu finden ist, enthält die Regelung also nicht. Dennoch wird im deut­ schen Schrifttum im Zusammenhang mit Arbeitnehmern vielfach vertreten, die Definition in der Richtlinie sei in dieser Weise zu interpretieren.313 Von Bedeu­ tung ist diese Frage für das hier zu diskutierende Problem insofern, als die feh­ lende automatische Gleichsetzung unselbständig Tätiger mit Verbrauchern im Sinne eines europäischen Verbraucherbegriffs der Übernahme der formalen Argumentation des Bundesgerichtshofs in den Gesellschafter-Geschäftsfüh­ rer-Fällen für die Auslegung des europäischen Rechts entgegenstünde. Denn wenn jedenfalls einige Gruppen unselbständig Tätiger keine Verbraucher sind, entfällt die Grundlage einer rein formalen Betrachtung, wie sie der Bundesge­ richtshof anstellt. Vielmehr müsste nach materiellen Kriterien entschieden wer­ den, ob ein unselbständig Tätiger als Verbraucher eingestuft werden kann. Um diese Frage zu klären, bietet der Sprachgebrauch in verschiedenen Rechts­ ordnungen einen ersten Anhaltspunkt (dazu [1]). Der sogenannte „Bericht Gi­ uliano/Lagarde“, der im Kontext des Übereinkommens über das auf vertragli­ che Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (EVÜ) zum Begriff des Verbrau­ chervertrages Stellung nahm, dient als zweites Indiz (unten [2]). Abschließend wird die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs betrachtet ([3]).

311  Zweifelhaft sind daher die Ausführungen von Armbrüster, ZIP 2006, 406, 407, der für die Erörterung der „Reichweite des europäischen Verbraucherschutzrechts“ allein auf den in Deutschland geltenden Verbraucherbegriff abstellt, ohne den Streit um die Auslegung des europäischen Verbraucherbegriffs überhaupt nur anzureißen. Die Richtlinie legt Armbrüster aaO., 409, allein für die Frage des Vorliegens eines entgeltlichen Geschäfts aus. 312  Englische Fassung: „any natural person who, in contracts covered by this Directive, is acting for purposes which are outside his trade, business or profession“; französische Fassung: „toute personne physique qui, dans les contrats relevant de la présente directive, agit à des fins qui n’entrent pas dans le cadre de son activité professionnelle“. 313  S.  nur Faber, ZEuP 1998, 854, 871 ff.; Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, Rn.  89; Tamm, S.  335 ff. A.A. etwa Micklitz, in: MünchKommBGB, §  14 Rn.  30 (wesentliche Abwei­ chung des deutschen Rechts vom europäischen Recht); Heiderhoff, IPrax 2005, 230; Mohr, AcP 204 (2004), 660, 671, 673; Pfeiffer, in: Grabitz/Hilf, A 5 Rn.  7; Wolf, in: Wolf/Lindacher/ Pfeiffer, Art.  2 RL Rn.  9, 15. Das Bundesarbeitsgericht hat europarechtliche Gesichtspunkte in seinem Urteil v. 25. 5. 2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111, 1115, nicht angesprochen. Für das Internationale Privat- und Zivilprozessrecht entspricht die Beschränkung auf selbständi­ ge berufliche Tätigkeiten der ganz herrschenden Meinung, s. nur Calliess, S.  45 ff.; Sachse, S.  95 ff.

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(1)  Sprachgebrauch in verschiedenen Rechtsordnungen Für die Interpretation „des“ europäischen Verbraucherbegriffs (oder wohl ge­ nauer: der europäischen Verbraucherbegriffe) im Sinne der deutschen Ausprä­ gung soll sprechen, dass Arbeitnehmer nach dem Sprachgebrauch keine Gewer­ betreibenden seien.314 Beruflich-gewerbliche Tätigkeiten implizierten selbstän­ diges Handeln.315 Die englische Sprachfassung gebe keinen Anlass zu abweichender Betrachtung. „Profession“ bezeichne „eindeutig“ nur ständisch organisierte, freie und akademische Berufe, nicht aber die Tätigkeit von Arbeit­ nehmern und Beamten.316 Während für den Unternehmer das „Prinzip der Ei­ genverantwortung für geschäftliche Entscheidungen“ gelte, treffe „dieses Risi­ ko“ den Unselbständigen gerade nicht.317 Dieser sei typischerweise wirtschaft­ lich schwächer und rechtlich weniger erfahren.318 Sich im Zusammenhang mit der Verbraucherdefinition auf den Sprachge­ brauch zu berufen, ist allerdings zweifelhaft. Schon die Einbeziehung des Ver­ tragsgegenstandes in die Definition entspricht eher nicht allgemeinen Sprachge­ pflogenheiten.319 Darüber hinaus ist in grundsätzlicher Hinsicht fraglich, in­ wieweit von deutscher Methodik geprägte Wortlauterwägungen für die autonom vorzunehmende Interpretation 320 europäischer Vorschriften maßgeb­ lich sein können. Hier ist insbesondere darauf zu verweisen, dass das auch mit Blick auf die englische Sprachfassung als eindeutig dargestellte Sprachverständ­ nis mitnichten den unterschiedlichen Vertragsrechten in der EU entspricht. In den Ausführungen zur Definition des Verbrauchers in I.–1:105 des Draft Com­ mon Frame of Reference, die auf „trade, business or profession“ abstellt, wird ausdrücklich auf den deutschen Weg als Sonderweg verwiesen.321 Das Gleiche gilt für die Acquis Principles, die einen Verbraucher in Article I:201 als „any natural person who is mainly acting for purposes which are outside this per­

314 

Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, Rn.  89. Sachse, S.  96. 316  Calliess, S.  46. 317  Sachse, S.  96. 318  Sachse, S.  96. 319 Vgl. Mohr, AcP 204 (2004), 660, 669. Zur „consumer“-Definition in Art.  12 Abs.  1 des Unfair Contract Terms Act 1977 Bridgen v. American Express Ltd, [2000] IRLR 94. 320  Zur EuGVVO etwa EuGH, Urt. v. 17.09.2009 – Rs C-347/08, Slg. 2009, I-8661, Tz 35 – Vorarlberger Gebietskrankenkasse/WGV-Schwäbische Allgemeine Versicherungs AG; EuGH, Urt. v. 26.01.2005 – Rs C-464/01, Slg. 2005, I-439 Tz 31 – Johann Gruber/Bay Wa AG; zum EuGVÜ EuGH, Urt. v. 3.07.1997 – Rs C-269/95, Slg. 1997, I-3767 Tz 12 – Benincasa/ Dentalkit. 321  S.  von Bar/Clive (Eds.), DCFR, Volume I, S.  92, 99 („peculiarity of GERMAN law“; Großschreibung im Original auf S.  99). 315 

280 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente son’s business activity“ definieren.322 Verschiedene Rechtsordnungen, unter an­ derem diejenige Frankreichs, kennen keine allgemeine Verbraucherdefinition.323 (a) England In der Literatur wird vorgeschlagen, „business“ in vermeintlicher Anlehnung an „englische Rechtstexte“ als Oberbegriff zu „trade“ und „profession“ heran­ zuziehen.324 Verbraucher sei danach derjenige, der nicht zu geschäftlichen Zwe­ cken handele.325 Als Stütze dient Section 12(1) des Uniform Contract Terms Act 1977.326 Doch handelt es sich hierbei nicht um eine allgemeine Definition des Verbraucherbegriffs.327 Der englische High Court of Justice beurteilte in der Entscheidung „Bridgen v American Express Ltd“328 einen Arbeitnehmer als „consumer“ im Sinne des Unfair Contract Terms Act 1977. Die nächsthöhere Instanz, der Court of Appe­ al, entschied jedoch in einem anderen Verfahren, es sei nicht sinnvoll, abstrakt zu umschreiben, wer Verbraucher sei, oder einen Arbeitnehmer seinem Arbeit­ geber gegenüber als Verbraucher im Sinne der Unangemessenheitsklausel (Sec­ tion 3) des Unfair Contract Terms Act einzustufen. Maßgeblich sei die konkre­ te Klausel.329 Bezogen auf die im Fall relevante Entgeltvereinbarung hielt der Court of Appeal den Arbeitnehmer gerade nicht für einen Verbraucher.330 Einen einheitlichen Verbraucherbegriff hat die englische Rechtsprechung zum Unfair Contract Terms Act nicht entwickelt, sie stellt auf materielle Erwä­ gungen im Einzelfall ab.331 Im Zusammenhang mit dem Unfair Contract Terms Act 1977 ist außerdem zu berücksichtigen, dass er nicht auf der Richtlinie be­ ruht, die erst aus dem Jahr 1993 stammt.332 Das Umsetzungsgesetz sind die Un­ fair Terms in Consumer Contracts Regulations (im Folgenden: Regulations).333 322 Vgl. Ebers, in: Research Group on the Existing EC Private Law, Contract II, S.   58, Rn.  9; S.  59 Rn.  14. 323  Vgl. die Angaben bei von Bar/Clive (Eds.), DCFR, Volume I, S.  95. Zum französischen Recht Calais-Auloy, Liber Amicorum Stauder, S.  65, 67 ff. 324  So der Vorschlag von Calliess, S.  47. 325  Calliess, S.  47. 326  Calliess, S.  47 mit Fußnote 87. 327  Commerzbank AG v James Keen [2007] I.C.R. 623, 635. Zur Reichweite des Unfair Contracts Terms Act 1977 Whittaker, in: Beale (Ed.), Chitty on Contracts I, 15-039. 328  Bridgen v American Express Ltd [2000] I.R.L.R. 94. Zur Definition des „consumers“ nach dem Unfair Contract Terms Act auch Howells/Weatherill, S.  287 f. 329  Commerzbank AG v James Keen [2007] I.C.R. 623, 636: “I do not think that the answer to this point lies in simply asking in a general kind of way what is a consumer or whether an employee is a consumer in relation to his employer. It is necessary to focus on the particular contract term which is said to be caught by section 3.” 330  Commerzbank AG v James Keen [2007] I.C.R. 623, 637: 331  Weitere Nachweise und Diskussion bei Horler, S.  174 ff. 332  Zur Gesetzgebungsentwicklung in England Horler, S.  34 f. 333  S.  Howells/Weatherill, S.  267 ff.

A.  Kontrollinstrumente des allgemeinen Privatrechts

281

In einer Entscheidung aus dem Jahr 2008 hielt der Court of Appeal für die Einstufung einer Person als „consumer“ im Sinne dieser Regulations für ent­ scheidend, dass der maßgebliche Vertrag „for purposes outside [the Claimant’s] trade, business or profession“ geschlossen worden sei.334 Einer der Richter be­ tonte in seinem Votum, dies sei keine allgemeine Definition des Verbraucherbe­ griffs, vielmehr sei diese in einem „future case“ zu bilden.335 Arbeitsverträge fallen nach der im englischen Schrifttum vorherrschenden Meinung nicht unter die Definition des Verbrauchervertrages, Arbeitnehmer nicht unter den Ver­ braucherbegriff der Regulations.336 Die „englischen Rechtstexte“ sind also gerade im Hinblick auf die Umset­ zung der Richtlinie nicht eindeutig im Sinne eines weiten europäischen Ver­ braucherbegriffs. Aus ihnen Rückschlüsse zu ziehen führt daher allenfalls dazu, sich gegen die Ausdehnung des Verbraucherbegriffs auf jede unselbständig täti­ ge Person unabhängig von den konkreten Umständen des Falles zu wenden. (b) Frankreich Der französische Gesetzgeber hat sich ausdrücklich einer allgemeingültigen Definition des Verbraucherbegriffs enthalten, weil dieser entsprechend der französischen Tradition von der Rechtsprechung situationsbezogen interpre­ tiert werden solle.337 Die französische Übersetzung der Richtlinie nutzt nicht wie die englische und deutsche Version mehrere Ausdrücke, sondern rekurriert allein auf „le cadre de son activité professionnelle“ der Person, deren Verbrau­ chereigenschaft zu untersuchen ist. Die französische Rechtsprechung betrach­ tet nur solche Geschäfte als nicht seitens eines Verbrauchers getätigte, die in unmittelbarem Zusammenhang („rapport directe“) zur „activité professionelle“ stehen.338 Diese Definition ist nach Ansicht des französischen Schrifttums we­ sentlich weiter als die europäischen Vorgaben.339

334 

Evans v Cherry Tree Finance Ltd [2008] E.W.C.A. Civ. 331. Anthony Clarke. 336  Whittaker, in: Beale (Ed.), Chitty on Contracts I, 15-038. Zum Ganzen (mit weiteren Nachweisen) Horler, S.  190 ff., 193. 337  Rapport au Président de la République relatif à l’ordonnance n° 2005-136 du 17 février 2005 relative à la garantie de la conformité du bien au contrat due par le vendeur au consom­ mateur, JO n° 41 du 18 février 2005, 2777: „Traditionnellement, dans la conception française du droit de la consommation, l’appréciation de la qualité de « consommateur » est en effet laissée à la jurisprudence. Cette solution qui permet de tenir compte de la diversité des situa­ tions n’est pas remise en cause.“ 338  Für das Recht der „clauses abusives“ Cass.civ. 1re, 17 Juillet 1996, JCP 1996, II, 22747, note G.Paisant. Hierzu der Überblick bei Calais-Auloy, Liber Amicorum Stauder, S.  65, 57 f. 339  Calais-Auloy, Liber Amicorum Stauder, S.  65, 71 ff. 335 Richter

282 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente (2)  Der Bericht Giuliano/Lagarde Für die Einbeziehung unselbständiger Berufsträger in den Verbraucherbegriff verweisen einige Autoren 340 auf den Bericht Giuliano/Lagarde.341 Doch eignet sich dieser nicht als Belegstelle. Zwar findet sich darin die Formulierung, die Regel über Verbraucherverträge gelte „nicht für Verträge, die von Kaufleuten, Industriellen oder freiberuflich tätigen Personen (z.B. Ärzten) abgeschlossen werden, welche für die Ausübung ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit Geräte kaufen oder Dienstleistungen in Anspruch nehmen.“342 Neben der Fra­ ge, ob es sich hierbei tatsächlich um die „richtige[...] Übersetzung“ handelt343 – dies ist gerade Teil des zu lösenden Problems –, wird das Zitat jedoch in ein eindeutigeres Licht gerückt, als ihm bei vollständiger Lektüre der Passage des Berichts zukommt. Zunächst gab es unter den Delegationen der Regierungen Meinungsunterschiede über die Definition des Verbrauchervertrages.344 Weiter­ hin werden die Kaufleute, Industriellen oder freiberuflich tätigen Personen nicht als Beispiele für berufliche oder gewerbliche Tätigkeiten aufgezählt, son­ dern der Formulierung nach als weitere Fallgruppe von Personen, die keine Ver­ braucher sind.345 Auch die englische346 und französische347 Version des Berichts führen nicht weiter. 340 

Calliess, S.  46 Fußn. 80; Sachse, S.  96. über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzu­ wendende Recht von Herrn Mario Giuliano, Professor an der Universität Mailand, und Herrn Paul Lagarde, Professor an der Universität Paris I, ABl. EG C 282 vom 31.10.1980, S.  1. Zur englischen und französischen Fassung im nächsten Absatz des Textes. 342  Bericht (Fußnote 341), S.  23, rechte Spalte. 343 So Calliess, S.  46 Fußnote 80. 344  Bericht (Fußnote 341), S.  23, rechte Spalte: „Diese Bestimmung sollte unter Berücksich­ tigung des angestrebten Ziels [...] ausgelegt werden. Deshalb waren die meisten Delegationen der Ansicht, dass sie in der Regel nur zur Anwendung gelangen wird, wenn eine Person [...] im Rahmen ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt.“ 345  Bericht (Fußnote 341), S.  23, rechte Spalte, im Anschluss an den in der vorigen Fußnote zitierten Satz: „Desgleichen gilt die Vorschrift nicht für Verträge, die von Kaufleuten, Indus­ triellen oder freiberuflich tätigen Personen (z.B. Ärzten) abgeschlossen werden.“ (Unterstrei­ chung hinzugefügt) 346  „Thus, in the opinion of the majority of the delegations it will, normally, only apply where the person who supplies goods or services or provides credit acts in the course of his trade or profession. Similarly, the rule does not apply to contracts made by traders, manufac­ turers or persons in the exercise of a profession (doctors, for example) who buy equipment or obtain services for that trade or profession. If such a person acts partly within, partly outside his trade or profession the situation only falls within the scope of Article 5 if he acts primarily outside his trade or profession.“ 347  „Ainsi, la majorité des délégations a estimé qu’en règle générale elle ne s’appliquera que lorsqu’une personne qui fournit des objets mobiliers corporels ou des services ou qui accorde un crédit agit dans le cadre de son activité professionnelle. De même, la règle ne s’applique pas aux contrats conclus par des commerçants, industriels ou personnes exerçant une profession libérale (par exemple : médecins) qui achètent des appareils ou qui obtiennent des services pour l’exercice de leurs activités professionnelles.“ 341  Bericht

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283

In der englischen Fassung wird zwar „profession“ im Zusammenhang mit „traders, manufacturers or persons in the exercise of a profession“ genutzt. Doch folgt dann der Rest des Satzes, nach dem diese Personen „equipment or obtain services for that trade or profession“348 kaufen müssen. Die Ausdrücke werden also nicht in dem Sinne trennscharf verwendet, dass sich „profession“ lediglich im Sinne des deutschen „freien Berufs“ und „trade“ im Sinne des deut­ schen „Gewerbe“ interpretieren ließe. Die französische Fassung bestätigt diese Zweifel, da sie statt „trade or profes­ sion“ oder „berufliche oder gewerbliche Tätigkeit“ die „activité profession­nelle“ erwähnt und im zweiten Satz des Passus fortfährt, „commerçants, industriels ou personnes exerçant une profession libérale“ und am Ende des Satzes mit Blick auf diese Personen auf „l’exercice de leurs activités professionnelles“ ­abstellt. Es ist kaum anzunehmen, dass ausschließlich „commerçants“ und „in­ dustriels“ eine „activité professionnelle“ ausüben. Anderenfalls machte der An­ schluss an den vorhergehenden Satz mittels des in den unterschiedlichen Über­ setzungen verwandten Adverbs349 keinen Sinn. Wäre die Aufzählung abschlie­ ßend gemeint gewesen, hätte es keinen Verweis auf eine vergleichbare Lage gegeben, sondern es hätte sich eine Fortführung durch die Nutzung einer ein Kausalverhältnis andeutenden Vokabel350 angeboten. Im Ergebnis lässt sich aus dem Bericht Giuliano/Lagarde deshalb keine Klar­ heit über die Reichweite des europäischen Verbraucherbegriffs gewinnen. Ganz abgesehen von den Schwierigkeiten des Vergleichs verschiedener Übersetzun­ gen eines Dokuments ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei einem derartigen Bericht nicht um ein mit Akribie verfasstes Regelwerk handelt, das für die In­ terpretation durch die Gerichte geeignet sein muss. Vielmehr handelt es sich um Hintergrundarbeit, die Entwicklungen und Diskussionsstände aufzeigen soll, ohne selbst den Anspruch zu haben, Auslegungsprobleme endgültig zu klären. Anderenfalls reichte ein Hinweise auf die Meinung der nicht näher definierten „Mehrheit der Delegationen“ nicht aus, sondern es wäre eine dezidierte Stel­ lungnahme unter Darstellung verschiedener Ansichten und Argumente abzu­ geben. Diesen Anspruch erheben die Autoren des Berichts an keiner Stelle. Hinzu kommt, dass die im Bericht dargestellte Diskussion sich allein auf das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht bezog. Aufgrund der fehlenden Vereinheitlichung der Verbraucherbe­ griffe in europarechtlichen Normen ist die Bedeutung der erörterten Aussagen deshalb ohnehin gering, jedenfalls aber nicht bestimmend.

348 

Unterstreichung hinzugefügt. „Desgleichen“, „Similarly“, „De même“. 350  „Deshalb“, „Therefore“, „Pour cette raison“ o.ä. 349 

284 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente (3)  Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (a)  Grundsatz: Enger Verbraucherbegriff Der Europäische Gerichtshof hebt in seiner Rechtsprechung hervor, der Ver­ braucherbegriff sei eng auszulegen.351 Nach der von ihm als „ständige Recht­ sprechung“ bezeichneten Judikatur zu Art.  13 Abs.  1 EuGVÜ, die für Art.  15 Abs.  1 EuGVVO/Brüssel I-VO weiterhin herangezogen wird,352 „bezieht sich diese Vorschrift nach ihrem Wortlaut und ihrem Zweck nur auf den nicht be­ rufs- oder gewerbebezogen handelnden privaten Endverbraucher.“353 Im Urteil Benincasa/Dentalkit führte der Gerichtshof weiter aus, unter die Norm fielen nur solche Verträge, die allein zu dem Zweck geschlossen würden, den „Eigen­ bedarf beim privaten Verbrauch zu decken.“354 Das Vorliegen der Vorausset­ zungen für die Einordnung einer Person als Verbraucher sei nach der Stellung der Person „innerhalb des konkreten Vertrages in Verbindung mit dessen Natur und Zielsetzung und nicht nach der subjektiven Stellung“ zu beurteilen.355 (b)  Das Friz-Urteil zu GbR-Immobilienfonds Der Europäische Gerichtshof hat 2010 die oben unter aa) zitierte Rechtspre­ chung des Bundesgerichtshofs zu Immobilienfonds bestätigt, ohne sich weiter mit dem Verbraucherbegriff auseinanderzusetzen.356 Er führte lediglich aus, „der Beitritt eines Verbrauchers [...] unter Umständen wie den vom vorlegenden Gericht beschriebenen“ falle in den Anwendungsbereich der Haustürwider­ rufsrichtlinie 85/577/EWG.357 Zuvor konkretisierte er die Vorlagefrage des 351  EuGH, Urt. v. 3.07.1997 – Rs C-269/95, Slg. 1997, I-3767 Tz 16 – Benincasa/Dentalkit; bestätigt in EuGH, Urt. v. 26.01.2005 – Rs C-464/01, Slg. 2005, I-439 Tz 36 – Johann Gruber/ Bay Wa AG. In der Literatur wird dies nicht nur als Phrase angesehen, sondern die Rechtspre­ chung des EuGH tatsächlich als enge Interpretation des Verbraucherbegriffs bewertet, s. Micklitz/Rott, in: Dauses, H.V Rn.  93. Dass Begriffe nicht im engeren Sinne „ausgelegt“ wer­ den können, sondern vielmehr die Auslegung der Ermittlung des anwendbaren Begriffs dient, sei hier nur am Rande erwähnt. 352  Vgl. nur A.Staudinger, in: Rauscher, Art.  15 Brüssel I-VO Rn.  1 ff. 353  EuGH, Urt. v. 3.07.1997 – Rs C-269/95, Slg. 1997, I-3767 Tz 15 – Benincasa/Dentalkit; EuGH, Urt. v. 19.01.1993 – Rs C-89/91, Slg 1993, I-139 Tz 20 – Shearson Lehman Hutton Inc./ TVB Treuhandgesellschaft für Vermögensverwaltung und Beteiligungen mbH. 354  EuGH, Urt. v. 3.07.1997 – Rs C-269/95, Slg. 1997, I-3767 Tz 16 – Benincasa/Dentalkit; bestätigt in EuGH, Urt. v. 26.01.2005 – Rs C-464/01, Slg. 2005, I-439 Tz 36 – Johann Gruber/ Bay Wa AG. 355  EuGH, Urt. v. 3.07.1997 – Rs C-269/95, Slg. 1997, I-3767 Tz 16 – Benincasa/Dentalkit. 356  EuGH, Urt. v. 15.04.2010 – Rs C-215/08, ZIP 2010, 772 – Friz. Konkret ging es um eine GbR. Der EuGH hat sich ausdrücklich nicht mit anderen Personenvereinigungen befasst, EuGH, aaO., ZIP 2010, 772, 773 Tz 20 ff. – Friz. Für den Zweck der Darstellung ist dies un­ problematisch, da der EuGH die Rechtsprechung des BGH nicht in ihrer Tragweite einge­ schränkt hat. 357  EuGH, Urt. v. 15.04.2010 – Rs C-215/08, ZIP 2010, 772, 773 Tz 25 ff. – Friz. Haustür­ widerrufsrichtlinie: Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den

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Bundesgerichtshofs dahingehend, dass die Anwendbarkeit der Richtlinie frag­ lich sei, „wenn der Zweck [des] Beitritts, wie [der BGH] meint, vorrangig nicht darin besteht, Mitglied dieser Gesellschaft zu werden, sondern Kapital anzule­ gen.358 Überdies schloss er Personenhandelsgesellschaften, Vereine und Genos­ senschaften aus verfahrensrechtlichen Gründen als irrelevant aus.359 Die Generalanwältin hatte noch geäußert, der Europäische Gerichtshof wer­ de „bei seiner Entscheidung die besonderen Merkmale des Gesellschaftsver­ trags berücksichtigen müssen, durch den eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet wird, und beurteilen müssen, ob die Richtlinie 85/577, die für synal­ lagmatische Verträge konzipiert wurde, auch dann anwendbar ist, wenn ein neuer Gesellschafter der Gesellschaft beitritt, der auf diese Weise Vertragspart­ ner des Gesellschaftsvertrags wird.“360 Eine ausführliche Diskussion des Ver­ braucherbegriffs unterließ die Generalanwältin, weil die Verbrauchereigen­ schaft des Beigetretenen im Verfahren von allen Beteiligten als gegeben angese­ hen wurde.361 Mit einer haarsträubenden logischen Fehlleistung schloss sie allerdings von der Tatsache, dass die Verbrauchereigenschaft allseits angenom­ men wurde, darauf, der Beigetretene sei „daher“ Verbraucher im Sinne der juris­ tischen Vorgaben der Richtlinie.362 So leitete die Generalanwältin aus einer all­ gemeinen Übereinstimmung der Verfahrensbeteiligten das Vorliegen der von ihr zu prüfenden Voraussetzungen des Rechtsbegriffs „Verbraucher“ ab. (4) Fazit Eine Klärung des Verbraucherbegriffs im Richtlinienrecht steht weiterhin aus. Immerhin lässt sich auf Grundlage der Ausführungen des Europäischen Ge­ richtshofs vermuten, er wolle zwischen Anlagegeschäften und solchen unter­ scheiden, bei denen es darum geht, „echtes“ Mitglied einer Gesellschaft zu ­werden.363 Dies wäre eine Erweiterung seiner in der Benincasa-Entscheidung Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, ABl. L 372 vom 31.12.1985, S.  31. 358  EuGH, Urt. v. 15.04.2010 – Rs C-215/08, ZIP 2010, 772, 773 Tz 25 – Friz. 359  EuGH, Urt. v. 15.04.2010 – Rs C-215/08, ZIP 2010, 772, 773 Tz 23 – Friz. 360 Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 8.09.2009, unter I. 2., http:// eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:62008C0215:DE:HTML, inso­ weit nicht in ZIP 2009, 1902, abgedruckt. 361  Schlussanträge (vorige Fußn.), ZIP 2009, 1902, 1905 Tz 56. Die von der Generalanwäl­ tin zitierten Gegenstimmen aus dem deutschen Schrifttum sind unvollständig ausgewertet. Sie bezog sich allein auf das – zugegebenermaßen – fragwürdige Argument, die Verbraucher­ eigenschaft sei zu verneinen, weil der Beitretende nichts verbrauche (so etwa K.-R.Wagner, NZG 2000, 169, 171). Die weiteren Argumente (die auch bei K.-R.Wagner aaO. zu finden sind) berücksichtigte die Generalanwältin nicht. Sie setzte dem zitierten Argument entgegen, die Richtlinie verlange nicht ausdrücklich, dass Verbrauchsgüter Vertragsgegenstand sein müssen. 362  Schlussanträge (Fußnote 361), ZIP 2009, 1902, 1905 Tz 56. 363  In diese Richtung wohl auch Eißer, S.  40. Kritisch etwa Drygala, ZIP 1997, 968, 969.

286 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente vorgenommenen Definition des Verbrauchervertrages mit Blick auf die Voraus­ setzung der Deckung des Eigenbedarfs, ohne allerdings das Merkmal des priva­ ten Verbrauchs aufzugeben.364 Möglicherweise hat den Gerichtshof der Gedanke geleitet, der Beitritt zu ei­ nem Immobilienfonds sei damit gekoppelt, auf ein ganzes Bündel von Rechten zu verzichten, die einem Gesellschafter typischerweise zustehen. Insofern ließe sich davon sprechen, die gesellschaftsrechtliche Beteiligung sei mit dem Einver­ ständnis der Parteien durch den Verzicht auf typische organisationsrechtliche Elemente einer Austauschbeziehung möglichst nah angepasst worden. Legt man diesen dogmatisch nicht unproblematischen,365 aber für den Europäischen Gerichtshof offenbar wenig anrüchigen Gedanken zugrunde, ergeben sich zwei miteinander verbundene Merkmale zur Differenzierung zwischen Kapitalanle­ ger-Verbrauchern und Gesellschafter-Nichtverbrauchern: Erstens der Wille des Beteiligten zur Partizipation an den Geschäften der Gesellschaft durch Aus­ übung gesellschaftsrechtlicher Mitgliedsrechte und zweitens die juristische Möglichkeit hierzu, also das Fehlen weitreichender Ausschlüsse typischer Ge­ sellschafterrechte. Der Sache nach liegt die Differenzierung zwischen Kapitalanlegern und „echten“ Gesellschaftern auf den ersten Blick nicht weit entfernt von der deut­ schen Rechtsprechung, wenn die Judikatur zur Kontrolle von Gesellschaftsver­ trägen von Publikumskommanditgesellschaften berücksichtigt wird. Der Bun­ desgerichtshof spricht von „Anlagegesellschaftern“ und erwähnt deren Schutz­ bedürfnis.366 Doch besteht ein entscheidender Unterschied hinsichtlich der Konsequenzen dieser Rechtsprechung im Vergleich zu einer Einordnung von Kapitalanlegern in den Anwendungsbereich der Klauselrichtlinie: Die vom Bundesgerichtshof durchgeführte Kontrolle basiert auf §  242 BGB und nutzt damit ein flexibles Instrument, das sich den gesellschaftsrechtlichen Besonder­ heiten anpassen lässt und ohne die Notwendigkeit einer auf teleologischen Er­ wägungen fußenden weitgehenden Umformung der §§  305 ff. BGB auskommt. Genau dies würde notwendig, sollte die Klauselrichtlinie auf Gesellschaftsver­ träge angewandt werden. b)  Fehlende Verbrauchereigenschaft der Gründer Der Abschluss einer Beteiligungsvereinbarung gleicht einer Existenzgrün­ dungssituation. Allerdings besteht im Rahmen von Wagniskapitalfinanzierun­ 364  Vgl. auch Heiderhoff, IPrax 2005, 230, 231, die meint, Anlagegeschäfte könnten nach Ansicht des EuGH Verbraucherverträge sein. 365  Schließlich ändert die Annäherung organisationsrechtlicher Beziehungen an eine Aus­ tauschbeziehung nichts daran, dass die Vereinbarung immer noch im Kern der Begründung einer Gesellschafterstellung dient. 366  S.  nur die grundlegende Entscheidung BGHZ 64, 238, 241.

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gen die Gesellschaft 367 selbst im Bereich der Frühphasenfinanzierung368 in der Regel schon vor dem Hinzukommen der Investoren. Insofern ist es denkbar einzuwenden, es gehe bei der Finanzierung durch die Kapitalgeber nicht um die Ermöglichung zukünftiger eigener unternehmerischer Tätigkeit der Gründer, sondern um die Bereitstellung von Betriebsmitteln für die das Unternehmen tragende Gesellschaft. Mit Hinweis auf die Urteile des Bundesgerichtshofs zum Gesellschafter-Geschäftsführer ließe sich deshalb argumentieren, auch im Fall des Abschlusses einer Beteiligungsvereinbarung müssten die Gründer als Ver­ braucher behandelt werden. Die Gründer hielten lediglich die Anteile an der Kapitalgesellschaft, während diese das Unternehmen trage und daher gewerbli­ che Tätigkeit allein auf ihrer Ebene vorliege. Soweit die Gründer gleichzeitig als Vorstands- oder Geschäftsleitungsmitglied tätig werden, handele es sich um eine unselbständige berufliche Tätigkeit.369 Zudem existiere eine vergleichbare Verknüpfung von Kapitalvergabe an die Gesellschaft und Abschluss einer Ver­ einbarung zwischen Kapitalgeber und Mitgliedern. Denn die Beteiligungsver­ einbarung werde geschlossen, um Investitionsmodalitäten zu regeln, so dass sie ebenso wie der Schuldbeitritt im vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall eine komplementäre Abrede zu einem Geschäft der Gesellschaft bilde. Diese Überlegung ist im Ergebnis nicht geeignet, die Verbrauchereigenschaft der Gründer zu belegen. aa)  Unterschiede zum Gesellschafter-Geschäftsführer Die der Rechtsprechung zugrunde liegenden Fälle unterscheiden sich wesent­ lich von der hier diskutierten Konstellation: Während in den Gesellschaf­ ter-Geschäftsführer-Fällen der Vertragsschluss dieser Person immer der Absi­ cherung einer Schuld der Gesellschaft diente und der Gesellschafter-Geschäfts­ führer letztlich den gleichen Pflichten wie die Gesellschaft unterliegen sollte, schließen die Gründer oder, in einer späteren Finanzierungsrunde, die Altge­ sellschafter eine Beteiligungsvereinbarung nicht zu diesem Zweck. Die aus ei­ ner Beteiligungsvereinbarung folgenden Pflichten etablieren kein inhaltlich zu Pflichten der Gesellschaft vergleichbares Programm, sondern dienen der Er­ richtung einer Organisationsstruktur. Zwar hängen Beteiligungsvereinbarung und Kapitalvergabe an die Gesellschaft zusammen, doch fehlt es an der inhalt­ lichen Konvergenz. Die Beteiligungsvereinbarung dient der Errichtung einer Gesellschaft mit eigenständigem Zweck.370 Aus diesem Grund greift es zu kurz, allein auf die Kapitalbeteiligung der Gründer an der Kapitalgesellschaft abzu­ stellen. Die Beteiligungsvereinbarung wird nicht im „Geschäftsbereich“ der 367 

Gemeint ist die Aktiengesellschaft oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Zur Abgrenzung verschiedener Finanzierungsphasen Einleitung A. §  2 II.2. 369  So zum Gesellschafter-Geschäftsführer BGHZ 133, 71, 78. 370  Dazu ausführlich oben II. 368 

288 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente Gesellschaft geschlossen, sondern dient der Gründung einer neuen Gesell­ schaft, hinsichtlich derer die Mitgliedsstellung erst noch erlangt werden muss. Außerdem wird keine Außengesellschaft errichtet, auf die die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Rechtsfähigkeit Anwendung fände. Damit entfällt das Argument, die auf der Beteiligungsvereinbarung beruhende Gesellschaft bürgerlichen Rechts sei Trägerin der Geschäftstätigkeit, so dass gleichzeitig die formale Abgrenzung der Rechtsprechung nicht zum Tragen kommen kann. Abgesehen von der fehlenden Vergleichbarkeit hinsichtlich der zu beurteilen­ den Sachverhalte überzeugt ein Rückgriff auf die Geschäftsführer-Gesellschaf­ ter-Judikatur deshalb nicht, weil diese Rechtsprechung ein übertriebener For­ malismus prägt, der den Sachfragen nicht gerecht wird. Hätte der Geschäfts­ führer-Gesellschafter den Vertrag geschlossen, ohne das Unternehmen von einer Gesellschaft tragen zu lassen, hätte er also als Einzelunternehmer gehan­ delt, schiede die Anwendung von §  13 BGB aus. Es ist fragwürdig, allein die Zwischenschaltung einer juristischen Person bei ansonsten unveränderten Tat­ sachen zum Anlass zu nehmen, die Schutzbedürftigkeit nunmehr zu bejahen.371 Soll das Verbraucherschutzrecht tatsächlich von der Schutzbedürftigkeit von Verbrauchern abhängen, kann die Anwendung der einschlägigen Vorschriften nicht an das gesellschaftsrechtliche Trennungsprinzip anknüpfen. Dass dieser Gedanke der Rechtsprechung nicht fremd ist, zeigt die oben beschriebene Spruchpraxis372 zur Prüfung des Eintritts in eine Personengesellschaft anhand des Haustürwiderrufsrechts mit dem Argument, der Gesellschafter sei aus­ schließlich zu Anlagezwecken beigetreten. Wenn insoweit nicht die Form – ge­ sellschaftsrechtlicher Vertrag –, sondern teleologische Kriterien den Ausschlag geben, muss dies unter Konsistenzgesichtspunkten auch für die hier relevante Situation gelten. Insoweit lassen sich die Argumente des neunten Senats des Bundesgerichtshofs für die Verneinung der Verbrauchereigenschaft des ge­ schäftsführenden Alleingesellschafters ergänzend heranziehen: Der neunte Se­ nat stellte in seiner Entscheidung unter anderem darauf ab, der geschäftsführen­ de Alleingesellschafter sei „[a]ngesichts seiner Teilhabe am Erfolg oder Misser­ folg der Gesellschaft [...] wirtschaftlich betrachtet wie bei einer Tätigkeit im eigenen Namen betroffen“.373 Genauso liegt der Fall bei einem wagniskapitalfinanzierten Unternehmen. An dessen Erfolg hängt das finanzielle Wohl und Wehe der Gründer. Die Lei­ tung der Gesellschaft und des von ihr getragenen Unternehmens stellt die be­ rufliche Tätigkeit der Gründer dar. Einkünfte erzielen sie aus Vergütungszah­ lungen für die Aktivität als Mitglied der Geschäftsleitung oder Erbringer sons­ tiger Dienstleistungen für die Gesellschaft sowie – vor allem – durch den 371 Überzeugend

Mülbert, FS Hadding, S.  575, 581. a)bb)(3)(b). 373  BGH NJW 2006, 917, 918. 372  Unter

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Wertzuwachs ihrer Anteile. Sie stehen nicht anders da als Einzelkaufleute oder persönlich haftende Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft, die sich nach dem zeitlichen Umfang ihres Engagements im Wesentlichen für den Erfolg der Gesellschaft einsetzen. Deren Vergütung stammt gleichfalls aus regelmäßi­ gen Entnahmen aus dem Vermögen der Gesellschaft, während das sonstige Ver­ mögen zumeist vor allem im Wert der Gesellschaftsanteile besteht. Es über­ zeugt nicht, bei dem Einzelkaufmann auf die ihn direkt treffenden wirtschaft­ lichen Risiken zur Begründung seiner Unternehmereigenschaft abzustellen, die Gründer eines wagniskapitalfinanzierten Unternehmens, deren Risiken ver­ gleichbar sind, jedoch als Verbraucher zu betrachten. bb)  Gründer keine „Anlegergesellschafter“ Auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bietet keinen ausrei­ chenden Anhaltspunkt, die Gründer als Verbraucher im Sinne der Klauselricht­ linie einzustufen. Wer unter Berufung auf diese Judikatur374 zwischen bloßen Kapitalanlegern und „echten“ Gesellschaftern unterscheiden möchte, muss Gründer als „echte“ Gesellschafter betrachten. Sie haben ein Interesse daran, ihre mitgliedschaftlichen Befugnisse in der Gesellschaft auszuüben. Zwar wer­ den einige Modifikationen ihrer Rechte vorgenommen, doch gibt es zwei gra­ vierende Unterschiede zu den Immobilienfondsfällen oder einem Beitritt zu Publikumspersonengesellschaften: Erstens wird jede Modifikation eines gesetzestypischen Rechts zwischen den Parteien ausgehandelt. Es fehlt an den vorgefertigten Bedingungen, die der Gründer entweder vollständig – thematisch und(!) im inhaltlichen Detail – zu akzeptieren hätte. Zweitens gibt es keinen derart weitreichenden Verzicht auf gesellschaftertypische Rechte. Selbst die Änderung gesetzlicher Auffangregeln, etwa hinsichtlich der Gewinnverteilung, führt nicht zu einer vollständigen Ab­ bedingung der Rechte der Gründer. Denkbar ist angesichts der eher großzügigen Betrachtung nationaler Rege­ lungen seitens des Europäischen Gerichtshofs, dass unter dem Lichte des Euro­ parechts eingewandt wird, wahres Ziel der Modifikationen sei nicht die Ebene der Beteiligungsvereinbarung, sondern die Kapitalgesellschaft. Diesbezüglich verzichteten die Gründer sehr wohl auf ihnen zustehende Rechte. Um das von der Gesellschaft getragene Unternehmen betreiben zu können, bleibe den Gründern keine andere Wahl, als die Modifikationen aus der Beteiligungsver­ einbarung hinzunehmen. Funktional handele es sich damit um eine Art Sat­ zungsänderung, die jedenfalls bei einer Aktiengesellschaft nur deshalb nicht formal auf Satzungsebene durchgeführt werde, weil das deutsche Recht dies mittels §  23 Abs.  5 S.  1 AktG verhindere. 374 

Dazu oben a)bb)(3).

290 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente Dieses Argument ist aus dogmatischer Sicht zwar zweifelhaft. Doch stören solche Bedenken den Europäischen Gerichtshof nicht, wenn es um die Durch­ setzung von Rechten zu Gunsten vermeintlich Unterlegener und die mögliche Geltung europäischer Vorschriften geht.375 Selbst bei Berücksichtigung der Kreativität des Gerichts kann dem Verweis auf eine funktionale Betrachtung kein Gewicht zukommen. Die tatsächlichen Gegebenheiten sind bei Abschluss einer Beteiligungsvereinbarung anders gela­ gert als bei dem Beitritt zu Immobilienfonds oder Publikumskommanditgesell­ schaften: Die Gründer sind im Vorstand oder der Geschäftsleitung vertreten und stellen gerade zu Beginn häufig die Mehrzahl der Organmitglieder. Sie ver­ fügen damit über ein hohes Maß an tatsächlichem Einfluss auf die Geschicke der Kapitalgesellschaft. Ihre Situation ist deshalb mit derjenigen eines Kapital­ anlegers im (begründet vermuteten) Sinne der Rechtsprechung nicht vergleich­ bar, weil insoweit regelmäßig der Verzicht auf Mitwirkung an der Geschäftslei­ tung der Gesellschaft Kern der Beitrittsvereinbarung ist. Die Gründer haben zudem ein großes Interesse daran, in der Gesellschaft mitzuwirken, so dass sie sich nicht auf die Rolle eines ausschließlich seine Rendite beobachtenden passi­ ven Beobachters zurückziehen.

4.  Exkurs: Keine Beschränkung für die stille Gesellschaft In Deutschland nutzen die Kapitalgeber für Venture Capital-Finanzierungen nicht selten die stille Gesellschaft als Ergänzung zur Eigenkapitalbeteiligung.376 Insofern ist es von erheblicher Bedeutung, ob die stille Gesellschaft aus dem Anwendungsbereich der Bereichsausnahme des §  310 Abs.  4 S.  1 BGB herausge­ nommen werden sollte. Anderenfalls ließe sich unter Umständen eine Kontrol­ le der gesamten Beteiligungsvereinbarung erreichen. Das Argument lautete möglicherweise, wegen der engen sachlichen Verbindung von schuldrechtlicher Nebenabrede der Gesellschafter in ihrer Eigenschaft als Mitglieder und den 375  Wer meint, diese Argumentation sei an den Haaren herbeigezogen, sei nochmals auf das Friz – Urteil verwiesen und die Begründung des EuGH, warum die Beteiligung an einem Immobilienfonds kein „anderes Recht“ an einer Immobilie im Sinne von Art.  3 Abs.  2 lit. a) der Haustürwiderrufsrichtlinie darstelle (Urt. v. 14.05.2010 – Rs C-215/08, ZIP 2010, 772, 773 Tz 32 f.): Verbrauchervorschriften sind nach EuGH eng auszulegen (Tz 32); „[d]eshalb“ genü­ ge es, dass der Vertrag „nicht irgendwelche Rechte an einer Immobilie“ betroffen habe, „son­ dern ausschließlich den Beitritt zu einem Immobilienfonds mittels des Erwerbs von Beteili­ gungen an einer Personengesellschaft gegen Leistung einer Kapitaleinlage.“ Dass der Beitre­ tende überhaupt kein Recht an einer Immobilie erworben hatte, sondern allein die Gesellschaft Eigentümerin war, stellte offenbar nicht nur kein Problem für den Europäischen Gerichtshof dar, sondern lieferte ihm sogar noch das Argument, einen Verbrauchervertrag anzunehmen. 376  S.  Inhester, in: Jesch/von Beauvais (Hrsg.), Rechtshandbuch Private Equity, S.   237; Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, D 26 ff. Empirische Angaben bei Antonczyk/Breuer/Mark, FB 2008, 225, 230; Bienz/Hirsch/Walz, in: Letmathe/Witt, S.  15, 24; I.Stein, Kapi­ talstruktur, S.  15.

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Vereinbarungen zwischen ihnen und der Gesellschaft im Vertrag über die stille Gesellschaft lasse sich das Vertragswerk nur einheitlich erfassen. Der Bundesgerichtshof unterzieht Verträge über die stille Gesellschaft keiner AGB-Kontrolle. Er argumentiert,377 der Geschäftsinhaber dürfe ohne Zustim­ mung des stillen Gesellschafters keine strukturändernden Maßnahmen herbei­ führen,378 sei am Verlust beteiligt und habe Informations- und Kontrollrechte. Die herrschende Meinung im Schrifttum sieht dies ähnlich.379 Dem wird entgegengehalten,380 diese Rechte fänden sich genauso bei Darle­ hensverträgen, zudem liege ein über die Gewinnerzielung hinausgehender Zweck zumindest bei der typischen stillen Gesellschaft nicht vor. Jedenfalls un­ ter AGB-rechtlichen Gesichtspunkten solle wegen der Ähnlichkeit zu partiari­ schen Rechtsverhältnissen die Bereichsausnahme nicht greifen.381 Bestritten wird damit nicht die Rechtsnatur der stillen Gesellschaft als Innengesellschaft bürgerlichen Rechts,382 sondern die Anwendbarkeit des §  310 Abs.  4 S.  1 BGB auf sie.383 Diese Kritik geht im Ergebnis fehl. Zunächst ist fraglich, ob nicht anders he­ rum argumentiert werden müsste: Gerade weil partiarische Darlehensverträge „gesellschaftsähnlich“ ausgestaltet werden können, müsste zumindest in Fäl­ len, in denen nicht nur die Vergütung gewinnabhängig ist, sondern der Darle­ hensgeber sich noch starke Informations- und Zustimmungsrechte einräumen lässt, §  310 Abs.  4 S.  1 BGB in der Weise teleologisch ausgeweitet werden, dass die §§  305 ff. BGB aufgrund der starken Ähnlichkeit des Vertrages zu einem Gesellschaftsvertrag keine Anwendung finden. Darüber hinaus ist die inhaltli­ che Nähe von stiller Gesellschaft und partiarischem Darlehen kein neues Prob­ lem. Wenn das Gesetz trotzdem, wie die Kritiker selbst zugestehen, dem Wort­ 377 

BGHZ 127, 176, 183 ff.; BGH NJW-RR 1992, 379. In dem in der in der vorigen Fußnote zitierten Urteil BGHZ 127, 176, lag eine explizite vertragliche Regelung solcher Zustimmungsvorbehalte vor. 379 Ebenso die herrschende Meinung in der Literatur, s. nur Palandt/Grüneberg §  310 Rn.  49; Grunewald, FS Semler, S.  179, 187 ff.; Schlosser, in: Staudinger, §  310 Rn.  76; Schmidt, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, §  310 Rn.  11; Stein, in: Soergel, §  23 AGBG Rn.  9. Wohl auch Basedow, in: MünchKommBGB, §  310 Rn.  86, mit Einschränkung in Rn.  92. 380 Etwa H.Schmidt, ZHR 159 (1995), 734, 742 ff. Ablehnend auch Ulmer/C.Schäfer, in: Ulmer/Brandner/Hensen, §  310 Rn.  128. 381  Ulmer/C.Schäfer, in: Ulmer/Brandner/Hensen, §  310 Rn.  128. 382  Diese Einordnung der stillen Gesellschaft wird im Übrigen auch nicht von jenen be­ stritten, die wie K.Schmidt (in: MünchKommHGB, §  230 Rn.  17) das Einlageverhältnis als Kreditverhältnis betrachten, vgl. K.Schmidt, in: MünchKommHGB, §  230 Rn.  6 (deutlich auch ders., aaO. Rn.  4: „Ein stilles Gesellschaftsverhältnis, das nicht sämtliche Voraussetzun­ gen des §  705 BGB erfüllt, gibt es nicht.“), oder die unter AGB-rechtlichen Gesichtspunkten das Eingreifen der Bereichsausnahme des §  310 Abs.  4 S.  1 BGB verneinen (s. Ulmer/C.Schäfer, in: MünchKommBGB, §  705 Rn.  282, einerseits und dies., in: Ulmer/Brandner/Hensen, §  310 Rn.  128, andererseits). 383  H.Schmidt, ZHR 159 (1995), 734, 742; Ulmer/C.Schäfer, in: Ulmer/Brandner/Hensen, §  310 Rn.  128. 378 

292 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente laut nach die stille Gesellschaft erfasst und die Entstehungsgeschichte dafür spricht, dass die weite Fassung der Bereichsausnahme Absicht war,384 spricht dies dafür, bezüglich der stillen Gesellschaft keine teleologische Reduktion des §  310 Abs.  4 S.  1 BGB vorzunehmen.

IV. Ergebnis Beteiligungsvereinbarungen sind als Innengesellschaften bürgerlichen Rechts nach Maßgabe der Bereichsausnahme für Verträge auf dem Gebiet des Gesell­ schaftsrechts von der AGB-Kontrolle ausgenommen. Die Parteien der schuld­ rechtlichen Nebenabrede verfolgen einen gemeinsamen Zweck. Sie wollen ein eigenes, ihren Bedürfnissen angepasstes Organisationsrecht für die Kapitalge­ sellschaft schaffen und ihr Zusammenwirken im Einzelnen in einer Weise re­ geln, wie es vor allem §  23 Abs.  5 S.  1 AktG in der Satzung nicht zuließe. Eine teleologische Reduktion des §  310 Abs.  4 S.  1 BGB scheidet aus. Weder kommt eine Einschränkung des Anwendungsbereichs mit dem Argument in Betracht, die Norm gelte nur für materielle Satzungsbestandteile, noch sind die vom Bun­ desgerichtshof praktizierte Inhaltskontrolle von Gesellschaftsverträgen und die Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen vergleichbar. Typologische Kri­ terien sind ungeeignet, die Reichweite des §  310 Abs.  4 S.  1 BGB näher zu be­ stimmen. Da Gründer keine Verbraucher sind, scheidet selbst für diejenigen die AGB-Kontrolle aus, die meinen, bei Verbraucherverträgen gälten die §§  305 ff. BGB unabhängig vom Vertragsgegenstand.

384 

H.Schmidt, ZHR 159 (1995), 734, 742.

B.  Konzernrecht als Kontrollinstrument am Beispiel Venture Capital Die wirtschaftliche Funktion der Abreden im Rahmen der Venture Capital-Fi­ nanzierung besteht darin, ein umfassendes Organisationsgefüge zu schaffen. Erreicht werden soll eine sinnvolle Steuerung der Vorgänge in der finanzierten Gesellschaft. Ihre Gesellschafter regeln nicht nur ihr Verhältnis zueinander, sondern auch die Einflussnahme auf die Gesellschaft. Zu diesem Zweck wird diese jedenfalls hinsichtlich einiger Klauseln der Venture Capital-Vereinbarung möglicherweise selbst Vertragspartnerin. Das legt die Frage nahe, ob hier ver­ deckt die Leitung der finanzierten Gesellschaft einem anderen – dem herr­ schenden – Unternehmen unterstellt wird mit der Folge, dass die §§  291 ff. AktG angewendet werden müssen. Nach §  291 Abs.  1 S.  1 Var. 1 sind Verträge, durch die eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien die Leitung ihrer Gesellschaft einem anderen Unternehmen unterstellt, Unternehmensver­ träge. Für diese gelten besondere Voraussetzungen hinsichtlich Form und Zu­ standekommen. Angesichts der Tatsache, dass Beteiligungsvereinbarungen in erster Linie das Verhältnis der Gesellschafter untereinander betreffen, die Gesellschaft sich nicht hinsichtlich sämtlicher Abreden dem Vertrag anschließt und darüber hin­ aus regelmäßig keine umfassenden Weisungsrechte im Sinne des §  308 Abs.  1 AktG eingeräumt werden, kommt von vornherein nur in Betracht, das Vorlie­ gen eines sogenannten „atypischen“ oder „verdeckten“ Beherrschungsvertra­ ges385 zu diskutieren.386 385 Die Terminologie ist uneinheitlich, s. etwa (kritisch) Altmeppen, in: MünchKomm­ AktG, §  291 Rn.  41; Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 38 f. Hier wird im Folgenden von ei­ nem verdeckten Beherrschungsvertrag gesprochen, ohne dass damit eine sachliche Stellung­ nahme verbunden wäre. Es geht allein um die begriffliche Erfassung der im Text beschriebe­ nen Problematik der Einflussnahme auf die finanzierte Gesellschaft. 386  Die Aussage im Text gilt unabhängig davon, ob man die Existenz des Weisungsrechts nach §  308 Abs.  1 AktG als Merkmal des Beherrschungsvertrages einstuft (hierzu etwa Koppensteiner, in: KK-AktG, §  291 Rn.  21 ff.). Selbst wenn der Meinung gefolgt wird, die auch bei Abbedingung des Weisungsrechts die Qualifikation einer Vereinbarung als Beherrschungs­ vertrag nicht ausschließt (etwa Altmeppen, in: MünchKommAktG, §  291 Rn.  97 ff.), ändert sich an der im Text dargestellten Schlussfolgerung nichts. Denn bereits Fälle, in denen von vornherein die Gesellschaft Hauptvertragspartnerin ist, sie also sämtliche Rechte und Pflich­ ten aus dem Vertrag treffen sollen, werden nur zurückhaltend dem Vertragskonzernrecht un­ terstellt, s. Koppensteiner, in: KK-AktG, §  291 Rn.  41.

294 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente Die Parteien wollen gerade vermeiden, dass ihre Abreden unter das Konzern­ vertragsrecht samt den darin enthaltenen Unannehmlichkeiten – Formzwang, Publizität, Ausgleichspflichten etc. – fallen. Damit stellt sich nicht die Frage nach der Ermöglichung der Anwendbarkeit der §§  291 ff. AktG, sondern umge­ kehrt das Problem, die Vereinbarung unter Umständen zwangsweise dem Kon­ zernrecht zu unterwerfen.387 Für einige Fallgestaltungen wird dies bereits in­ tensiv diskutiert.388 Folge der Umgehung soll die Rechtswidrigkeit des herbei­ geführten Zustandes sein, das heißt die Unwirksamkeit der geschlossenen Vereinbarungen.389 Angesichts der Vielfältigkeit der Sachverhalte erscheint eine pauschale Stellungnahme im Rahmen dieser Untersuchung wenig sinnvoll.390 Es genügt, spezifisch die Lage für Wagniskapitalfinanzierungen zu untersu­ chen. Fehlen insoweit die Gefahren, die das Vertragskonzernrecht regeln soll, kann die allgemeine Diskussion um das Für und Wider der Nichtigkeit „ver­ deckter“ Beherrschungsverträge dahinstehen. Im Folgenden wird demgemäß diskutiert, ob die Summe der Vertragsteile, die der Einflusssicherung auf die finanzierte Gesellschaft dienen, so groß ist, dass von einer rechtlich erheblichen Umgehung der §§  291 ff. AktG ausgegangen werden muss. Das gilt insbesondere deshalb, weil die Einflussnahme nicht nur „von außen“ in Form der Inanspruchnahme der finanzierten Gesellschaft als Vertragspartnerin vorgenommen werden kann, sondern die an der Abrede be­ teiligten Gesellschafter in ihrer Stellung als Anteilsinhaber und Mitglied von Organen „von innen“ die finanzierte Gesellschaft zu steuern vermögen.391 Die folgenden Ausführungen beziehen sich in erster Linie auf die Aktienge­ sellschaft. Zwar ist das Vertragskonzernrecht grundsätzlich auch auf die Ge­ sellschaft mit beschränkter Haftung anwendbar.392 Das Problem der schädli­ chen Einflussnahme auf die Gesellschaft ohne einen bestehenden Unterneh­ mensvertrag wird für diese Rechtsform jedoch nach ganz herrschender Ansicht seit dem Urteil „Bremer Vulkan“393 nicht mehr unter Heranziehung aktien­ 387  Diesen Aspekt des Problems „verdeckter“ Beherrschungsverträge hervorhebend Ederle, Verdeckte Beherrschungsverträge, S.  83. 388  S.  nur die Monographien von Dette und Ederle sowie die Ausführungen bei Veil, Un­ ternehmensverträge, S.  224 ff., 284 ff. Weitere Nachweise zum sonstigen Schrifttum finden sich in den Fußnoten zum Text des folgenden Abschnitts §  1. 389  Statt aller OLG Schleswig, AG 2009, 374, 377; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, §  291 Rn.  24f; H.-F.Müller, in: Spindler/Stilz, Vor §  311 Rn.  25; Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 53. 390  Vgl. auch Veil, Unternehmensverträge, S.  286, der die Notwendigkeit der gesonderten Prüfung der Voraussetzungen einer Analogie für jeden Vertragstyp betont. 391  Auf dieses Problem der Doppelstellung von Gesellschaftern, die an einer Gesellschaf­ tervereinbarung beteiligt sind, verweisen bereits Ederle, Verdeckte Beherrschungsverträge, S.  88, und Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 46 f. 392  BGHZ 105, 324, 442. 393 BGHZ 149, 10. Überblick über die Rechtsprechungsentwicklung z.B. bei Maul, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, Anh zu §  13 Rn.  68 ff.

B.  Konzernrecht als Kontrollinstrument am Beispiel Venture Capital

295

rechtlicher Grundsätze, sondern unter Zuhilfenahme von §  826 BGB als Innen­ haftung gelöst. Die Figur des qualifiziert faktischen Konzerns wurde vom Bun­ desgerichtshof ausdrücklich aufgegeben.394 Selbst die Befürworter der (analo­ gen)395 Anwendung des Vertragskonzernrechts in den Fällen „verdeckter“ Beherrschung gehen davon aus, angesichts der Weisungsbefugnis in §  37 Abs.  1 GmbHG sei die Problemlage in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung eine andere.396 Die Figur des verdeckten Beherrschungsvertrages auf die Gesellschaft mit beschränkter Haftung als „beherrschte“ Gesellschaft zu übertragen, hieße die alten Grundsätze durch die Hintertür wieder in den Gerichtssaal zu tragen. Doch bedarf die Frage, ob für bestimmte Konstellationen an der grundsätzli­ chen Anwendbarkeit konzernrechtlicher Vorschriften festgehalten werden soll­ te,397 hier keiner Entscheidung. Denn die sogleich zu diskutierenden Überle­ gungen lassen sich auf die Gesellschaft mit beschränkter Haftung übertragen. Zur Einführung in die Problematik werden zunächst verschiedene Konstel­ lationen verdeckter Beherrschungsverträge vorgestellt, die dem Sachverhalt nach Venture Capital-Vereinbarungen jedenfalls hinsichtlich einiger Merkmale nahe kommen (§  1). Daran schließt die Betrachtung von Venture Capital-Ver­ einbarungen an (§  2.).

§  1  Konstellationen verdeckter Beherrschungsverträge I.  Die Fälle HVB/UniCredit und MobilCom/France Télécom Im Fall HVB/UniCredit schlossen die Parteien einen als „Business Combina­ tion Agreement“ bezeichneten Vertrag, der Vereinbarungen für den geplanten Zusammenschluss enthielt. UniCredit war im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits Gesellschafterin der HVB. Unter anderem wurden Abreden über die Besetzung des Aufsichtsrates der HVB sowie über die zu schaffende Organisa­ tionsstruktur in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht für die Zeit nach der Übernahme getroffen.398 Das Landgericht hielt diese Vereinbarung der Summe ihrer Teile nach für einen verdeckten Beherrschungsvertrag.399 394 

BGHZ 173, 246, 252 Tz 18. den hier nicht relevanten unterschiedlichen methodischen Ansätzen Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 39 f. 396 Etwa Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 47. Zur unterschiedliche Reichweite des Wei­ sungsrechts und den Wirkungen der Leitung auf Grundlage eines Beherrschungsvertrages Maul, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, Anh. zu §  13 Rn.  13. 397  S.  statt aller Habersack, in: Emmerich/Habersack, Anhang zu §  318 Rn.  3 ff. mit umfas­ senden Nachweisen. 398  Nähere Beschreibung des Sachverhalts bei OLG München AG 2008, 672; Ederle, Ver­ deckte Beherrschungsverträge, S.  86 f. 399  LG München I, AG 2008, 301, 302. Das OLG München hat die Einordnung dahinste­ 395  Zu

296 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente Im Fall MobilCom/France Télécom wurde eine Vereinbarung geschlossen zwischen der France Télécom und Gerhard Schmid, zu diesem Zeitpunkt in Personalunion Vorstandsvorsitzender und Mehrheitsgesellschafter von Mobil­ com, wonach die Leitung von Mobilcom nach Maßgabe einer umfassenden Ge­ sellschaftervereinbarung zwischen Schmid und der France Télécom vorzuneh­ men war.400 Dieser Vertrag diente der Vorbereitung der Übernahme der Mehr­ heit an MobilCom seitens der France Télécom. Das Landgericht Flensburg hielt die Vereinbarung zwar nicht für einen wirksamen Beherrschungsvertrag, weil es an der Zustimmung der Hauptversammlung nach §  293 AktG sowie weiteren Voraussetzungen eines wirksamen Unternehmensvertrages fehlte.401 Es betonte jedoch, Zweck der Abrede sei der Abschluss einer Aktionärsvereinbarung, nicht aber die Übertragung von Leitungsmacht.402 Sofern faktische Beherr­ schung Folge sei, sei diese allein nach den §§  311 ff. AktG zu beurteilen.403 Die Folgeinstanz, das Oberlandesgericht Schleswig, bestätigte die Ansicht des Landgerichts, die Vereinbarung sei kein Beherrschungsvertrag, und unterstrich, dass es an einem Weisungsrecht fehle.404 Zum einen müsse der Aufsichtsrat von MobilCom sämtliche Handlungen des Vorstandes in wichtigen Angelegenhei­ ten genehmigen.405 Zum anderen handele es sich bei einem wichtigen Abschnitt über die Verhaltenskoordinierung406 „um Gesellschaftervereinbarungen nur zwischen den Hauptaktionären“.407 Insoweit war für das Oberlandesgericht die Überschneidung von Vorstandsvorsitz und Mehrheitsinhaberschaft des einen Vertragsteils nicht von entscheidender Bedeutung. Weite Teile der Literatur stimmen der Einstufung der Vereinbarung im Fall „HVB/UniCredit“ zu und kritisieren die Entscheidungen im Verfahren Mobil­ Com/France Télécom.408

hen lassen, weil die Vereinbarung seines Erachtens selbst als Beherrschungsvertrag unwirk­ sam gewesen wäre, AG 2008, 672. 400 Zum Sachverhalt der Tatbestand des Beschlusses des LG Flensburg, Der Konzern 2006, 303 f. 401  LG Flensburg, Der Konzern 2006, 303, 306 f. 402  LG Flensburg, Der Konzern 2006, 303, 306 f. 403  LG Flensburg, Der Konzern 2006, 303, 307. 404  OLG Schleswig, AG 2009, 374, 375 f. Ebenso für eine Investorenvereinbarung OLG München, AG 2012, 802, 803. 405  OLG Schleswig, AG 2009, 374, 375. 406  S.  LG Flensburg, Der Konzern 2006, 303, 304, unter „II. Gesellschaftervereinbarun­ gen“. 407  OLG Schleswig, AG 2009, 374, 376. 408 Etwa Emmerich, in: Emmerich/Habersack, §  291 Rn.  24c; ders., FS Hüffer, S.  179 ff.; Hirte/Schall, Der Konzern 2006, 243, 244 ff.; Veil, Unternehmensverträge, S.  275 ff. A.A. z.B. Decher, FS Hüffer, S.  145 ff.; Ederle, Verdeckte Beherrschungsverträge, S.  119 ff., 127 ff.

B.  Konzernrecht als Kontrollinstrument am Beispiel Venture Capital

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II.  Kreditverträge und Gesellschaftervereinbarungen Eine in der Literatur häufig im Zusammenhang mit der Umgehung der §§  291 ff. AktG diskutierte Fallgruppe sind mit Covenants versehene Kreditverträge. Vielfach wird hier angenommen, die indirekten Einflussmöglichkeiten über Zustimmungs-, Kontroll- und Informationsrechte seien im Ergebnis der Befug­ nis zur Weisung im Sinne von §  308 Abs.  1 S.  1 AktG gleichzusetzen. Es komme nicht darauf an, ob die Leitung vollständig der Einwirkung des Kreditgebers ausgesetzt sei. Allein die abstrakte Einflussmöglichkeit im Einzelfall reiche aus, wenn die Zustimmungsrechte eine gewisse Dichte erreichten.409 Darüber hinaus wird vertreten, Gesellschaftervereinbarungen könnten, je­ denfalls in der Aktiengesellschaft, unter vertragskonzernrechtlichen Gesichts­ punkten problematisch sein, soweit sie Zustimmungsrechte vorsehen und Abre­ den über die Geschäftspolitik enthalten. Das gelte insbesondere, wenn mindes­ tens eine Vertragspartei nicht nur Anteilseigner der betroffenen Gesellschaft sei, sondern zudem eine Position im Vorstand innehabe.410

§  2  Venture Capital-Vereinbarungen und Vertragskonzernrecht Legt man die oben unter §  1 dargestellten „weiten“ Ansichten zugrunde, die Zustimmungsrechte als ausreichend erachten, um einen Schuldvertrag zum ver­ deckten Beherrschungsvertrag zu erklären, rücken Venture Capital-Vereinba­ rungen in einen rechtlich bedenklichen Bereich. Denn sie enthalten regelmäßig umfassende Abreden über die Besetzung von Leitungsorganen, Zustimmungs-, Einsichts- und Kontrollrechte sowie weitere Klauseln, die Inhalte haben, die etwa im Zusammenhang mit Covenants die oben beschriebenen Bedenken be­ gründen.411 Zudem wird die Möglichkeit der Einflussnahme nicht nur vertrag­ lich niedergelegt, sondern mit Hilfe der Doppelstellung jedenfalls einiger Ver­ tragsbeteiligter, nämlich der Gründer, als Mitglied der Geschäftsleitung Wir­ kung verliehen. Da außerdem noch der Aufsichtsrat mit Personen besetzt wird, die entweder selbst dem Kreis der Vertragspartner angehören oder zumindest dem Lager einiger dieser Parteien zugerechnet werden können, scheint zusätz­ lich der letzte Restriktionsmechanismus, die Kontrolle des Vorstands durch den Aufsichtsrat, ausgehebelt zu werden. 409  S.  nur Altmeppen, in: MünchKommAktG, §  291 Rn.  41; Dierdorf, Herrschaft, S.  148 ff.; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, §  291 Rn.  24 f. mit weiteren Nachweisen; Veil, Unter­ nehmensverträge, S.  286; ders., in: Spindler/Stilz, §  291 Rn.  69. A.A. etwa Ederle, Verdeckte Beherrschungsverträge, S.  119 ff., 130 ff.; Servatius, Gläubigereinfluss, S.  354. Zurückhaltend auch Hüffer/Koch, §  291 Rn.  10; Koppensteiner, in: KK-AktG, §  291 Rn.  23. 410  S.  neben den in der vorhergehenden Fußnote Genannten noch Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 47. 411  Ausführlich oben 1. Teil B. §  3 IV.

298 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente Stellt man allein auf die Übertragung der Leitungsmacht vom Vorstand auf Dritte ab, ist der Weg zur Nichtigkeit wegen Umgehung der §§  291 ff. AktG bei Venture Capital-Vereinbarungen augenscheinlich sehr kurz. Das scheint mit der konzernrechtlichen Literatur und Rechtsprechung konform zu gehen: Kri­ terium der Einordnung einer Vereinbarung als verdeckter Beherrschungsver­ trag ist die Leitungsunterstellung.412 Im Hintergrund steht hier offenbar die Begründung zu §  302 AktG, die darauf hinweist, derjenige, der Leitungsmacht habe, müsse auch für Verluste einstehen.413 Diejenigen, die an der Figur des qua­ lifiziert faktischen Aktienkonzerns festhalten, argumentieren der Sache nach vergleichbar.414 Die Vertreter beider Ansätze ziehen den Umgehungsschutz als maßgebliches Motiv für die Analogie zu vertragskonzernrechtlichen Normen heran.415 Ziel ist die Anwendung von §  302 Abs.  1 AktG als zentrale Schutz­ norm des Vertragskonzernrechts.416 Das Problem wird gerade in dem Versuch der Umgehung des §  302 Abs.  1 AktG gesehen, indem der formale Abschluss eines Beherrschungsvertrages im Sinne von §  291 Abs.  1 S.  1 Var. 1 AktG unter­ bleibt. Dem ist im Folgenden für Venture Capital Finanzierungen nachzugehen. Da­ für werden zunächst die Verhältnisse von finanzierter Gesellschaft und Inves­ toren im Wagniskapitalbereich mit dem Verhältnis von abhängiger Gesellschaft und herrschendem Unternehmen im gesetzestypischen Vertragskonzern vergli­ chen (I.), um hierauf aufbauend das Vorliegen einer konzernspezifischen Ge­ fährdungslage näher zu betrachten (II.). In diesem Zusammenhang ist es not­ wendig, den Geltungsgrund von §  302 Abs.  1 AktG zu untersuchen. Wenn die „Umgehung“ von §  302 Abs.  1 AktG Anlass bietet, Verträge gegen den Willen der Beteiligten dem Vertragskonzernrecht zu unterwerfen, kann nur eine Ana­ lyse der Gefahren, denen mit dieser Vorschrift begegnet werden soll, Aufschluss über die maßgeblichen Wertungskriterien geben.417 412 

Nachweise oben in Fußnote 409. einschlägige Passage in den Materialien zum Aktiengesetz 1965 lautet: „Wer die Geschicke der Gesellschaft bestimmen kann oder ihren ganzen Gewinn erhält, muß auch für Verluste einstehen.“ (Begründung Regierungsentwurf Aktiengesetz 1965, abgedruckt bei Kropff, Aktiengesetz, S.  391). Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass gerade Zöllner als derjenige, der für den Zusammenhang von Herrschaft und Verantwortung zitiert wird, gegen eine herrschaftsbezogene Begründung von §  302 AktG Stellung bezogen hat (Zöllner, Referat für den 59. DJT, R 35, 43). Zu dieser Frage noch unten II.2.b)aa). 414  S.  etwa Habersack, in: Emmerich/Habersack, Anh. §   317 Rn.   5a; H.-F.Müller, in: Spindler/Stilz, Vor §  311 Rn.  25 415  Nachweise in der vorhergehenden Fußnote und oben in Fußnoten 409, 410. 416  Nachweise oben in Fußnoten 415 und 409. A.A. hinsichtlich §  302 AktG Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 56 f. 417 Insoweit ist die organisationsrechtliche Funktion des Konzernrechts (dazu Veil, in: Spindler/Stilz, Vor §  291 Rn.  6 f.) von untergeordneter Bedeutung. Wenn die Parteien das Ver­ tragskonzernrecht gerade nicht nutzen wollen, kommt es in seiner Ermöglichungsfunktion nicht zum Tragen. Soll dennoch die Einordnung in eine unternehmensvertragsrechtliche Ka­ tegorie vorgenommen werden, kann dies, wie im Text beschrieben, nur unter Schutzzweckge­ 413  Die

B.  Konzernrecht als Kontrollinstrument am Beispiel Venture Capital

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I.  Verhältnis von finanzierter Gesellschaft und Investoren 1.  Keine dauernde Steuerung im Fremdinteresse Ausgangspunkt der Überlegungen zur Anwendung unternehmensvertrags­ rechtlicher Normen auf solche Vereinbarungen, die nicht „als“ Beherrschungs­ vertrag im Sinne von §  291 Abs.  1 S.  1, Var. 1 AktG geschlossen werden, ist das Merkmal der Leitungsunterstellung. Nach herrschender Meinung setzt dies die vollständige oder teilweise Unterstellung der Leitung der abhängigen Gesell­ schaft unter die Leitung des herrschenden Unternehmens hinsichtlich Planung, Koordination und Kontrolle sowie Besetzung der Führungspositionen voraus, so dass das herrschende Unternehmen eine am Konzerninteresse orientierte Leitungspolitik zu verfolgen in der Lage ist.418 Das damit vorausgesetzte Wei­ sungsrecht419 bezieht sich auf sämtliche Fragen der Geschäftsführung und Ver­ tretung bis hinein in das Tagesgeschäft.420 Im Zusammenhang mit §  302 AktG wird betont, die abhängige Gesellschaft werde im Interesse des herrschenden Unternehmens tätig.421 Die Rede ist von der „Umorientierung“ der abhängigen Gesellschaft „auf die Interessen des anderen Vertragsteils“.422 Im Bereich der Wagniskapitalfinanzierung fehlt es an dieser Ausrichtung der finanzierten Gesellschaft am Interesse der Kapitalgeber. Zwar verfügen die Ka­ pitalgeber über vielfältige Eingriffsmöglichkeiten zur Verfolgung eines Ziels, dem wirtschaftlichen Erfolg der finanzierten Gesellschaft mit dem Endzweck, eine möglichst hohe Rendite zu realisieren. Doch wird hierfür nicht eine Ge­ samtkoordination sämtlicher Portfoliogesellschaften der Investoren vorgenom­ men, genauso wenig wie es eine einheitliche Finanzsteuerung (etwa in Form eines Cash-Pools) gibt oder eine bezogen auf ein übergeordnetes Gruppeninte­ sichtspunkten stattfinden (insofern nicht überzeugend Veil, in: Spindler/Stilz, Vor §  291 Rn.  9), insbesondere dann, wenn man (wie Veil, Unternehmensverträge, S.  224 ff.) einen Nu­ merus Clausus der Unternehmensverträge ablehnt. 418  OLG Schleswig, AG 2009, 374, 375; Altmeppen, in: MünchKommAktG, §  291 Rn.  76, 90; Dierdorf, Herrschaft, S.  111; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, §  291 Rn.  11, 13 f.; Hüffer/Koch, §  291 Rn.  10; Langenbucher, in: Schmidt/Lutter, §  291 Rn.  23; Veil, Unternehmens­ verträge, S.  235. Gegen die Möglichkeit nur teilweiser Beherrschung z.B. Koppensteiner, in: KK-AktG, §  291 Rn.  49. 419 Hierzu im Sinne der ein Weisungsrecht fordernden herrschenden Meinung OLG Schleswig, AG 2009, 374, 375; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, §  291 Rn.  14, 23; Koppensteiner, in: KK-AktG, §  291 Rn.  21 ff. A.A. etwa Altmeppen, in: MünchKommAktG, §  291 Rn.  97 ff. Die Abdingbarkeit des Weisungsrechts ist hier nicht weiter zu diskutieren. Für die Zwecke dieser Untersuchung genügt es, den typischen Beherrschungsvertrag vorzustellen, weil dessen Inhalte die Orientierung für die Betrachtung von Venture Capital-Vereinbarun­ gen geben. 420  Emmerich, in: Emmerich/Habersack, §  308 Rn.  39 mit Nachweisen. 421 Statt aller Altmeppen, in: MünchKommAktG, §   302 Rn.  10; Koppensteiner, in: KKAktG, §  302 Rn.  5, jeweils mit Nachweisen. 422  Koppensteiner, in: KK-AktG, §  302 Rn.  5.

300 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente resse abgestimmte Geschäftspolitik. Erfolgreich sein soll das einzelne Unter­ nehmen gerade in seinem angestrebten Geschäftsbereich. Die Beraterfunktion der Kapitalgeber423 ist nicht damit zu verwechseln, dass sie selbst eine eigenständige Strategie durchsetzen wollten, die von einem über­ geordneten geschäftspolitischen Blickwinkel aus gesetzt würde. Die zentrale Steuerung von Personal oder der finanziellen Angelegenheiten der Portfolioge­ sellschaften, ein klassischer Bereich typischer Konzernpolitik, ergibt für Ven­ ture Capital wenig Sinn: Die Gründer als das maßgebliche Personal können als Gesellschafter gegen ihren Willen nicht in andere Gesellschaften versetzt wer­ den. Außerdem haben sie spezifisches technisches Know-how, das der von ih­ nen (mit)gegründeten Gesellschaft zugutekommen soll. Einen Gründer der Gesellschaft A in der Gesellschaft B einzusetzen, wäre angesichts des häufig fehlenden Fachwissens im Regelfall kontraproduktiv. Der Renditeerfolg der In­ vestoren hängt davon ab, ihre Anteile an der jeweiligen Portfoliogesellschaft möglichst gewinnbringend zu veräußern. Gewinn kann schon mangels fehlen­ der Liquidität nicht damit erzielt werden, die finanziellen Mittel in einem grup­ penweiten Cash-Management-System bei den Investoren zentral zusammenzu­ führen.

2.  Vergleich mit Fallgruppen „verdeckter“ Beherrschungsverträge Die oben beschriebenen Fallgruppen, in denen das Vorliegen eines verdeckten Beherrschungsvertrages diskutiert wird, zeichnen sich dadurch aus, dass sich Dritte, die (noch) nicht Gesellschafter sind, mit Hilfe vertraglicher Regelungen in gewissem Umfang gesellschaftergleiche Rechte verschaffen wollen. Das gilt für Covenants424 genauso wie für Business Combination Agreements425 und ähnliche Verträge. In der zweiten Fallgruppe sollen bereits vor Erwerb der An­ teile Maßnahmen durchgeführt werden, die die eben unter 1. beschriebene Steu­ erung im Fremdinteresse vorbereiten. Insofern liegt der Ansatzpunkt für die Umgehungsargumentation der Befürworter der Figur der verdeckten Beherr­ schungsverträge darin begründet, dass sich Personen mitgliedschaftsähnlicher Rechte bedienen, ohne zugleich den Schranken unterworfen zu sein, die für Gesellschafter gelten. Augenfällig wird dies etwa bei Covenants: Für die Gläubiger, die solche Klauseln verwenden, gelten die Kapitalerhaltungsvorschriften nicht. Genauso wenig unterliegen sie gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten gegenüber den Gesellschaftern oder der Gesellschaft selbst. Bei den Business Combination Agreements ergibt sich das Problem vor allem aus Sicht der gegenwärtigen Mit­ 423 

Oben A. §  2 II.3.b). Betont etwa von Veil, Unternehmensverträge, S.  273. 425 Stellvertretend Reichert, ZGR 2015, 1, 6 ff. mit Nachweisen. 424 

B.  Konzernrecht als Kontrollinstrument am Beispiel Venture Capital

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glieder daraus, dass die Gesellschaft ohne ihr Zutun, das heißt konkret ohne Beschluss der Hauptversammlung, dem Einfluss Dritter unterworfen wird. Wiederum bestehen Unterschiede zu Wagniskapitalfinanzierungen: Die In­ vestoren sind herrschendes Unternehmen426 im Sinne von §  17 Abs.  1 AktG:427 Halten sie die Anteilsmehrheit, ergibt sich dies bereits aus §  17 Abs.  2 AktG. Sind sie nicht Mehrheitsgesellschafter, verfügen sie kraft ihrer in der Beteili­ gungsvereinbarung gesicherten vertraglichen Einflussrechte auf die Besetzung von Organen und Geschäftsführungsmaßnahmen sowie angesichts ihrer wirt­ schaftlichen Position als die für die Fortführung des Unternehmens maßgebli­ chen Kapitalquellen ausreichenden rechtlichen und tatsächlichen Einfluss, trotz einer Minderheitsbeteiligung herrschendes Unternehmen im Sinne von §  17 Abs.  1 AktG zu sein.428 Das gilt umso mehr, als sich der Beteiligungsumfang der Kapitalgeber deutlich über 30% bewegt, häufig von Beginn an nahe an 50%. Die Investoren unterliegen demnach den §§  311 ff. AktG429 und als Gesell­ schafter den Kapitalerhaltungsregeln sowie sämtliche sonstigen gesellschafts­ rechtlichen Bindungen, insbesondere den Treuepflichten. Zu beachten ist, dass ein Problem nicht auftritt, das sich vor allem im Zusammenhang mit Covenants und ähnlichen Vertragsbeziehungen stellt, die zwischen der Gesellschaft und gesellschaftsfremden Dritten bestehen: Voraussetzung für die Anwendung der §§  311 ff. AktG ist die Beherrschung im Sinne von §  17 Abs.  1 AktG. Hierfür verlangt die ganz herrschende Meinung eine gesellschaftsrechtlich vermittelte Einflussmöglichkeit.430 Kredit- und Lieferbeziehungen genügen grundsätzlich selbst dann nicht, wenn der Gläubiger zugleich Gesellschafter ist, jedenfalls bei einem nicht erheblichen Beteiligungsumfang.431 426  Nicht eine möglicherweise unter den Investoren bestehende Gesellschaft selbst, da die­ se nicht die Anteile hält, vgl. Koppensteiner, in: KK-AktG, §  17 Rn.  86 ff.; Noack, Gesellschaf­ tervereinbarungen, S.  265. 427  Die für die Annahme gemeinsamer Beherrschung notwendige Koordination des Inves­ torenverhaltens (dazu nur BGHZ 62, 193, 199; Koppensteiner, in: KK-AktG, §  17 Rn.  9 0 ff.) liegt bei Venture Capital-Finanzierungen vor: Die erforderlichen Absprachen ergeben sich zum einen aus der Beteiligungsvereinbarung selbst, zum anderen aus den Konsortialverträ­ gen der verschiedenen Investoren. Weiterhin sind aufgrund der verschiedenen Mechanismen zur Abstimmung und zur Ausübung von Zustimmungs- und Kontrollrechten ausreichende prozedurale Strukturen vorhanden, eine koordinierte Kontrolle bejahen zu können. So verfü­ gen die Investoren etwa über gemeinsame Vertreter in den Kontrollorganen. 428 Vgl. zur Kombination mehrerer Herrschaftsmittel OLG Düsseldorf, Der Konzern 2003, 841, 843; Bayer, in: MünchKommAktG, §  17 Rn.  31 ff.; Emmerich, in: Emmerich/Ha­ bersack, §  17 Rn.  18; Hüffer/Koch, §  17 Rn.  9. 429  Die Anwendung der §§  311 ff. AktG setzt keine einheitliche Leitung im Sinne von §  18 Abs.  1 S.  1 AktG voraus, es genügt das Vorliegen von Abhängigkeit gemäß §  17 Abs.  1 AktG, statt aller Hüffer/Koch, §  311 Rn.  2, 8. 430  BGHZ 90, 381, 394 ff.; BGHZ 135, 107, 114; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, §  17 Rn.  16; Hüffer/Koch, §  17 Rn.  8; Koppensteiner, in: KK-AktG, §  17 Rn.  59; Windbichler, in: GK-AktG, §  17 Rn.  40 f., alle mit umfassenden Nachweisen. Dem Grunde nach auch Bayer, in: MünchKommAktG, §  17 Rn.  29. 431  BGHZ 90, 381, 395 f.; Hüffer/Koch, §  17 Rn.  8 mit weiteren Nachweisen.

302 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente Aus diesem Grund gehen speziell bei Covenants in Darlehensverträgen man­ gels gesellschaftsrechtlich vermittelter Beteiligung die §§  311 ff. AktG ins Leere, so dass trotz unter Umständen gesellschafterähnlicher vertraglicher Rechte und des damit verbundenen Entstehens einer Gefahrenlage, die das Konzernrecht bewältigen helfen soll, keiner der besonderen Schutzmechanismen zum Tragen kommt. Hierin liegt ein wesentlicher Grund, solche Verträge unter dem Stich­ wort „verdeckte Beherrschungsverträge“ zu problematisieren.432 Ziel ist es, die Umgehung des Konzernrechts, also der §§  291 ff. AktG und der §§  311 ff. AktG, zu verhindern.433

II.  Zur konzernspezifischen Gefährdungslage Um die Konzerngefahren von Wagniskapitalfinanzierungen erfassen zu kön­ nen (unten III.), bedarf es in einem Zwischenschritt der stärkeren Konturierung der maßgeblichen Wertungen. Zu diesem Zweck werden im Folgenden zunächst der Regelungsanlass erörtert (1.), um dann Sinn und Reichweite der zentralen Schutznorm des §  302 Abs.  1 AktG herauszuarbeiten (2.).

1.  Gefährdung außenstehender Gesellschafter und Gläubiger als Regelungsanlass Der Regierungsentwurf zum Aktiengesetz 1965 erläutert den Zweck der Rege­ lungen zu den verbundenen Unternehmen mit dem Entstehen einer Interessen­ kollision:434 Resultat der vertraglichen Bindung im Rahmen der (damals aus steuerrechtlichen Gründen häufig vorkommenden) Organverträge435 sei, dass das Organunternehmen – die heutige „abhängige Gesellschaft“ – so stark in ein anderes Unternehmen eingegliedert werde, dass es jede Eigenständigkeit verlie­ re. Ergebnis der „Verlagerung der Unternehmensleitung auf Stellen außerhalb der Gesellschaft“ sei „eine Hauptversammlung, in der die Minderheitsaktionäre der Verwaltung und dem mit ihr identischen, seine Macht außerhalb der Haupt­ versammlung ausübenden Großaktionär“ gegenüberstünden. Statt zu überwa­ chen, bestimme der Aufsichtsrat die Grundlinien der Geschäftsführung, der Vorstand befolge entgegen §  76 Abs.  1 AktG436 bloß Anordnungen. Die Gefahr resultiere nun nicht aus der Veränderung der bloß formalen Zu­ ständigkeitsordnung, weil diese „nicht um ihrer selbst willen geschützt“ werden 432  Das wird freilich selten offen gelegt. S.  aber in diesem Sinne explizit Emmerich, in: Em­ merich/Habersack, §  17 Rn.  14. 433  So offenbar auch Emmerich, in: Emmerich/Habersack, §  17 Rn.  14. 434  Begründung Regierungsentwurf Aktiengesetz 1965, abgedruckt bei Kropff, Aktienge­ setz, S.  373. 435  Zu den steuerrechtlichen Hintergründen Altmeppen, in: MünchKommAktG, Einl zu §§  291 ff. Rn.  10 ff. 436  Damals: §  70 AktG 1937.

B.  Konzernrecht als Kontrollinstrument am Beispiel Venture Capital

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müsse.437 Vielmehr rühre der sachliche Grund für die Sondervorschriften der §§  291 ff. AktG von den Auswirkungen auf außenstehende Aktionäre und Gläu­ biger her.438 So könnten die Minderheitsgesellschafter einer allein dem Interesse des Mehrheitsinhabers dienenden Politik nicht entgegenwirken.439 Den Gläubi­ gern drohe die Aushöhlung der Substanz der abhängigen Gesellschaft aufgrund von Vermögensverschiebungen hin zum herrschenden Unternehmen.440 Maßgeblich ist danach also gerade nicht lediglich die formale Unterstellung der abhängigen Gesellschaft unter die Leitung des herrschenden Unterneh­ mens. Es geht um den Schutz außenstehender Gesellschafter und um Gläubi­ gerschutz. Umgekehrt gilt dann: Wo es keine außenstehenden Gesellschafter gibt und die Gefahr der konzerntypischen Vermögensverschiebungen nicht be­ steht oder nicht über die Gefahren hinausgeht, die jeder unabhängigen Gesell­ schaft inhärent sind, beanspruchen die §§  291 ff. AktG keine Geltung. Anderen­ falls wäre Regulierungsanlass doch die selbst vom Gesetzgeber des Aktienge­ setzes 1965 als nicht genügend erachtete bloß formale Abhängigkeit. Ohne „Konzerngefahr“ für Gesellschafter und Gläubiger bedarf es demnach keiner Regelung durch das Sonderrecht des Konzerns.441

2.  Zum Zweck und zur Reichweite von §  302 Abs.  1 AktG a)  Ausgleich der Aufhebung der Kapitalerhaltung Ein Grund für die Existenz von §  302 Abs.  1 AktG ist nach herrschender Mei­ nung der Ausgleich der Wirkung des §  291 Abs.  3 AktG, das heißt die Außer­ kraftsetzung der Kapitalerhaltungsvorschriften.442 Dem entgegenzuhalten, die­ 437  Begründung Regierungsentwurf Aktiengesetz 1965, abgedruckt bei Kropff, Aktienge­ setz, S.  373 f. 438  Begründung Regierungsentwurf Aktiengesetz 1965, abgedruckt bei Kropff, Aktienge­ setz, S.  373 f. 439  Begründung Regierungsentwurf Aktiengesetz 1965, abgedruckt bei Kropff, Aktienge­ setz, S.  373. 440  Begründung Regierungsentwurf Aktiengesetz 1965, abgedruckt bei Kropff, Aktienge­ setz, S.  373 f. 441  Es ist nicht anzunehmen, dass diejenigen, die (wie etwa Veil, in: Spindler/Stilz, §  302 Rn.  3) betonen, dieser Schutz sei Reflex des Schutzes der abhängigen Gesellschaft bei Fehlen schutzwürdiger Interessen, allein mit dem Verweis auf das abstrakte Konstrukt „Gesell­ schaft“ zur Anwendung der Norm kämen (so stellt denn Veil in seiner Monographie zu Un­ ternehmensverträgen auch auf den Schutz von Außenseitern und Gläubigern als maßgebli­ chen Gesichtspunkt ab: Veil, Unternehmensverträge, S.  220). Das Regelungsziel wäre voll­ kommen unklar. Die Regierungsbegründung zeigt dies deutlich (Nachweis schon oben Fußnote 438): Obwohl die Gesellschaft als Schutzobjekt erwähnt wird, wird der Regelungs­ anlass unter Verweis auf die Gefahren für außenstehende Aktionäre und Gläubiger erläutert. In diesem Sinne etwa auch deutlich BGHZ 62, 193, 196; Altmeppen, in: MünchKommAktG, §  302 Rn.  1; Koppensteiner, in: KK-AktG, Vorb. §  300 Rn.  1, 8. 442  BGHZ 103, 1, 10; BGHZ 107, 7, 18; BGHZ 168, 285, 288; Hüffer/Koch, §  302 Rn.  3; Ulmer, AG 1986, 123, 126; Veil, in: Spindler/Stilz, §  302 Rn.  5; Wimmer-Leonhardt, S.  15; zu­

304 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente ser Erklärungsansatz versage, weil sich ein vergleichbares Problem nicht stelle, sofern ein Nichtgesellschafter einen Beherrschungsvertrag mit der Gesellschaft schließe,443 oder auf die unterschiedliche Reichweite der §§  57, 58, 60 AktG im Vergleich zu §  302 Abs.  1 AktG hinzuweisen,444 greift zu kurz. Auch wenn §  302 Abs.  1 AktG die aus gesetzgebungshistorischer Perspektive im Vergleich zu §  291 Abs.  3 AktG ältere Norm ist,445 sprechen gute Gründe dafür, den Aus­ fall der §§  57 ff. AktG als jedenfalls einen Ansatz für den Ausgleichsanspruch zu sehen.446 Zwar ist richtig, dass §  291 Abs.  3 AktG und die damit verbundene Aufhebung der Kapitalerhaltungsvorschriften im Vertragskonzern vor allem dazu dienen sollte, den Abschluss von Beherrschungsverträgen überhaupt erst zu ermöglichen und sicherzustellen, dass Leistungen aufgrund des Vertrages nicht als Verstoß gegen die §§  57 ff. AktG gewertet werden.447 Doch endet der einschlägige Absatz in der Begründung zum Regierungsentwurf des Aktienge­ setzes 1965 mit folgendem Satz: „Der Schutz der Aktionäre und Gläubiger, den diese Grundsätze [scl. die Kapitalerhal­ tungsvorschriften] sicherstellen sollen, wird bei diesen Verträgen durch die besonderen Sicherungen der §§  300 ff. erreicht.“448

§  302 Abs.  1 AktG als Teil der „besonderen Sicherungen der §§  300 ff.“ hat damit aus Sicht der Entwurfsverfasser durchaus die Funktion, das Entfallen der Kapi­ talerhaltungsvorschriften auszugleichen, selbst wenn dies nicht der originäre Regelungsanlass gewesen sein mag und obwohl die Reichweite beider Aus­ gleichssysteme stark differiert. Im Übrigen nennen die Materialien nur den Zweck der Regelung, bis zu ihrer Schaffung angenommenen „allgemeinen Rechtsgrundsätzen“ normative Gestalt zu verleihen449 und begründen die Aus­ gleichspflicht damit, dass derjenige, der „die Geschicke der Gesellschaft be­ stimmen“ könne, „auch für Verluste einstehen“ müsse.450 rückhaltender Emmerich, in: Emmerich/Habersack, §  302 Rn.  17;. Trotz seiner Kritik dem Grunde nach auch Priester, BB 2005, 2483, 2484. A.A. etwa U.Bälz, AG 1992, 277, 286, sowie die in der folgenden Fußnote Genannten. 443 Etwa Dette, S.  219; Mülbert, Aktiengesellschaft, S.  185; Pentz, Enkel-AG, S.  35. 444  Cahn/Simon, Der Konzern 2003, 1, 13. 445 So das Argument von Altmeppen, in: MünchKommAktG, §   302 Rn.  9; Pentz, En­ kel-AG, S.  35; Priester, BB 2005, 2483, 2484. Vgl. dazu die Begründung des Regierungsent­ wurfs zum Aktiengesetz 1965, abgedruckt bei Kropff, Aktiengesetz, S.  377 f. 446 Ähnlich Wimmer-Leonhardt, S.  15. 447  Das wird in den Materialien ausgeführt, s. Kropff, Aktiengesetz, S.  377 f. Argumentativ stützen sich hierauf etwa Altmeppen, in: MünchKommAktG, §  302 Rn.  9; Pentz, Enkel-AG, S.  35; Priester, BB 2005, 2483, 2484. 448  Begründung des Regierungsentwurfs zum Aktiengesetz 1965, abgedruckt bei Kropff, Aktiengesetz, S.  378. 449  Begründung Regierungsentwurf Aktiengesetz 1965, abgedruckt bei Kropff, Aktienge­ setz, S.  390. 450  Begründung Regierungsentwurf Aktiengesetz 1965, abgedruckt bei Kropff, Aktienge­ setz, S.  391.

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b)  Ausgleich von Einwirkungsmacht aa)  Herrschaft und Haftung Der eben in a) zuletzt genannte Ansatz findet in der Literatur Widerhall, die ihn in den Satz von Herrschaft und Haftung ummünzt: Wem die Möglichkeit zu­ stehe, Einfluss auszuüben und so die Erträge auf sich umzuleiten, der habe als Kehrseite die allgemeinen Risiken zu tragen.451 Anderenfalls verbliebe das un­ ternehmerische Risiko bei den außenstehenden Aktionären und Gläubigern der abhängigen Gesellschaft, ohne dass diese Zugriff auf den Ertrag hätten.452 In den Materialien wird hervorgehoben, die Sicherungen der §§  300 ff. AktG er­ möglichten, das Weisungsrecht zur Verfügung zu stellen und eine Folgepflicht des Vorstands der beherrschten Gesellschaft vorzusehen.453 Die Verfasser des Entwurfs des Aktiengesetzes 1965 gingen von einer tatsächlich durchgeführten Leitung der beherrschten Gesellschaften im Interesse des herrschenden Unter­ nehmens aus.454 Ausgangspunkt der Konzernrechtsgesetzgebung war die Lei­ tung der abhängigen Gesellschaft im übergeordneten Interesse des Konzerns und nicht in ihrem eigenen.455 Dem entspricht die Annahme, Leitungsmacht werde tatsächlich ausgeübt, wenn ihre Voraussetzungen gegeben seien.456 Die Sichtweise, §  302 Abs.  1 AktG sei die gesetzlich angeordnete Folge des Abschlusses eines Unternehmensvertrags und damit eine Zustandshaftung in Form eines gesetzlichen Schuldverhältnisses,457 weicht hiervon nur auf den ers­ ten Blick ab. Denn Ausgangspunkt dieser Ansicht ist die Einordnung des Be­ herrschungsvertrages als eine Form „qualifizierter“ Konzernierung.458 Gemeint sind Zustände, in denen Leitungsmacht intensiv ausgeübt wird, das heißt konti­ nuierlich mit einer erheblichen Steuerungswirkung.459 Dies entspricht den eben skizzierten Prämissen der Entwurfsverfasser des Aktiengesetzes 1965.460 Kei­ 451  BGHZ 116, 37, 41 f.; U.Bälz, AG 1992, 277, 286; Koppensteiner, in: KK-AktG, §  302 Rn.  6; Mülbert, Aktiengesellschaft, S.  187 f.; Veil, in: Spindler/Stilz, §  302 Rn.  5. Strikt ableh­ nend Cahn/Simon, Der Konzern 2003, 1, 13, allerdings vor allem unter dem Blickwinkel iso­ lierter Gewinnabführungsverträge; ablehnend auch Wimmer-Leonhardt, S.  17. 452  Mülbert, Aktiengesellschaft, S.  188. 453  Begründung Regierungsentwurf Aktiengesetz 1965, abgedruckt bei Kropff, Aktienge­ setz, S.  375. 454  Vgl. die Zustandsbeschreibung in der Begründung Regierungsentwurf Aktiengesetz 1965, abgedruckt bei Kropff, Aktiengesetz, S.  373. 455  Wimmer-Leonhardt, S.  16. 456  BGHZ 116, 37, 41; Mülbert, Aktiengesellschaft, S.  188 („Erfahrungstatsache“). 457  K.Schmidt, ZGR 1983, 513, 517; Wimmer-Leonhardt, S.  2 2. Kritisch hierzu z.B. Cahn/ Simon, Der Konzern 2003, 1, 13 f. 458  K.Schmidt, ZGR 1983, 513, 516. 459  So auch die Interpretation dieses Ansatzes von Mülbert, Aktiengesellschaft, S.  186. 460 Nach Cahn/Simon, Der Konzern 2003, 1, 13, fielen bis zum Aktiengesetz 1965 Beherr­ schungs- und Gewinnabführungsvertrag stets zusammen, so dass sich das Problem der Rechtfertigung der Verlustübernahme nicht stellte.

306 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente nesfalls wird §  302 Abs.  1 AktG damit für den einfachen faktischen Konzern für maßgeblich erachtet.461 bb)  Maßgebliche Tiefe der Einwirkungsmacht Die Formulierung des Zusammenhangs von Herrschaft und Haftung ist „mehr eingängig als nützlich“462 und bedarf näherer Betrachtung. Der vielfach zu Gunsten einer analogen oder weiten Anwendung der §§  291 ff. AktG vorge­ nommene Vergleich von Weisungsrechten, die ein Beherrschungsvertrag eröff­ net, mit solchen Einwirkungsmöglichkeiten, die auf anderer vertraglicher Basis beruhen,463 greift bezogen auf zwei Gesichtspunkte zu kurz: (1)  Weisungsrechte und andere Einwirkungsmöglichkeiten Die Weisungsrechte sind deshalb „gefährlich“464, weil ihrer Durchsetzung we­ der die Kapitalerhaltung entgegensteht noch die Befolgung nachteiliger Wei­ sungen verweigert werden darf. Im Gesetzgebungsverfahren wurde §  291 Abs.  3 AktG gerade aus dem Grund geschaffen, die Umsetzung von Weisungen zu ermöglichen.465 Dass die Kapitalerhaltungsvorschriften im Verhältnis zu Nicht­ gesellschaftern keine Anwendung finden und §  291 Abs.  3 AktG insoweit leer­ läuft, ist irrelevant. Denn den Entwurfsverfassern stand als Gestaltungsmodell, das geregelt werden sollte, die gesellschaftsrechtliche Verbundenheit und die daraus folgende Anwendbarkeit der §§  57 ff. AktG vor Augen.466 Jedenfalls in den Fällen, in denen aufgrund „gesellschaftsrechtlicher Vermitt­ lung“467 die §§  311 ff. AktG Anwendung finden, können vertragliche „Leitungs“­ rechte nicht allein ausschlaggebend sein. Wäre es anders, müssten die §§  311 ff. AktG als Sanktion verstanden werden, die indirekt einen Zwang zum Abschluss eines Beherrschungsvertrages erzeugte:468 Die faktischen Einflussmöglichkeiten eines Mehrheitsgesellschafters können auch ohne vertragliche Fundierung ganz erheblich sein. Ist er kraft seiner Mehr­ 461 

Hierzu noch die Bemerkung bei K.Schmidt, ZGR 1983, 513, 517 Fußnote 15. Hüffer/Koch, §  302 Rn.  2. 463  So die Stimmen in der Literatur, die für die Notwendigkeit der Erfassung solcher Ge­ staltungen durch das Vertragskonzernrecht plädieren. Statt aller: Altmeppen, in: Münch­ KommAktG, §  291 Rn.  41; Dette, S.  165 („Kerngedanke der Gleichsetzung weit reichender Zustimmungsrechte mit Weisungsrechten ist die funktionale Vergleichbarkeit beider im Hin­ blick auf die Einwirkungsmöglichkeit auf die Unternehmensführung.“); Dierdorf, Herr­ schaft, S.  148 ff.; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, §  291 Rn.  24a; Hirte/Schall, Der Kon­ zern 2006, 243, 245 f.; Koppensteiner, in: KK-AktG, §  291 Rn.  29 ff.; Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 42 ff.; Veil, Unternehmensverträge, S.  286; ders., in: Spindler/Stilz, §  291 Rn.  69. 464 Vgl. Altmeppen, in: MünchKommAktG, §  291 Rn.  41. 465  S.  oben bei Fußnote 453. 466  S.  oben a). 467  Dazu oben I.2. 468  So noch U.Bälz, AG 1992, 277, 283. 462 

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heit in der Lage, den Aufsichtsrat nach eigenem Gutdünken zu besetzen und die Satzung in seinem Sinne zu ändern, vermag er in tatsächlicher Hinsicht „durch­ zuregieren“ und genauso einheitlich zu leiten wie das herrschende Unterneh­ men im Vertragskonzern. Dennoch sieht die heute wohl allgemeine Ansicht den (einfachen) faktischen Konzern als zulässig an, der legitimerweise als Weg zur Ausübung einheitlicher Leitung gewählt werden dürfe.469 (2)  Relevanz tatsächlicher Ausübung von Weisungsrechten Dass es für §  302 Abs.  1 AktG nicht auf die tatsächliche Ausübung von Wei­ sungsrechten ankommt, ist kein Argument, „schwache“ schuldvertragliche Einwirkungsmöglichkeiten mit den beherrschungsvertragsrechtlichen Mitteln gleichzusetzen. Denn die Gefahr des Beherrschungsvertrages liegt darin, als herrschendes Unternehmen den gesamten Ertrag der beherrschten Gesellschaft zu einem beliebigen Zeitpunkt vereinnahmen zu können, unabhängig vom Zu­ stand und den Auswirkungen auf die beherrschte Gesellschaft.470 Das ist bei Anwendbarkeit der §§  311 Abs.  1, 57 Abs.  1 S.  1 AktG gerade nicht möglich. In diesem Zusammenhang ist auf das konzernrechtliche Trennungsprinzip zu ver­ weisen: Es gibt keine allgemeine Pflicht von herrschenden Unternehmen, für die Ver­ bindlichkeiten ihrer abhängigen Gesellschaften einzustehen.471 Der Vorstoß in der Unternehmensrechtskommission 1980, die Verlustübernahmepflicht auf einfache faktische Konzerne auszudehnen,472 lief leer.473 Dafür findet sich in den Materialien zum Aktiengesetz 1965 die Aussage, mit den Regelungen des Ent­ wurfs zum faktischen Konzern werde „[i]n Kauf genommen, daß das herrschen­ de Unternehmen nicht nur durch Ausübung seiner Gesellschaftsrechte, sondern auch außerhalb der aktienrechtlichen Zuständigkeitsordnung auf die Geschäfts­ führung“ einwirke.474 „Diese Haftungserleichterung“ müsse durch Publizitäts­ pflichten und Prüfung von Konzernbeziehungen kompensiert werden.475 469  OLG Hamm NJW 1987, 1030 f.; OLG Köln, AG 2009, 416, 418; Altmeppen, in: Münch­ KommAktG, §  311 Rn.  20; Habersack, in: Emmerich/Habersack, §  311 Rn.  8; Hüffer/Koch, §  311 Rn.  3; Koppensteiner, in: KK-AktG Vor § 311 Rn. 9 ff.; Mülbert, Aktiengesellschaft, S.  285 ff.; H.-F.Müller, in: Spindler/Stilz, Vor § 311 Rn. 5, jeweils mit weiteren Nachweisen. Die abweichende Ansicht (z.B. U.Bälz, AG 1992, 277, 303 f.) wird heute, soweit ersichtlich, nicht mehr vertreten. 470  Oben a). 471  BGHZ 81, 311, 317; BGHZ 166, 85, 98 Tz 57; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, §  302 Rn.  5 mit weiteren Nachweisen; Lutter, AG 1990, 179, 182. 472 Bericht über die Verhandlungen der Unternehmensrechtskommission, hrsgg. vom Bundesministerium der Justiz, 1980, Rn.  1408. 473  S.  K .Schmidt, ZGR 1983, 513, 517 Fußnote 15. 474  Begründung Regierungsentwurf Aktiengesetz 1965, abgedruckt bei Kropff, Aktienge­ setz, S.  375. 475  Begründung Regierungsentwurf Aktiengesetz 1965, abgedruckt bei Kropff, Aktienge­ setz, S.  375.

308 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente (3)  Abgrenzung zulässiger und unzulässiger Konzernierung Die Reichweite des Vertragskonzernrechts auszudehnen, um „verdeckte“ Be­ herrschungsverträge zu erfassen, bringt die Probleme mit sich, die schon im Zusammenhang mit dem sogenannten „qualifiziert faktischen“ Konzern ergeb­ nislos diskutiert wurden. Die Grenzen zwischen zulässiger „faktischer“ und unzulässiger „qualifiziert faktischer“ Konzernierung bleiben genauso unklar wie diejenigen zwischen zulässigen „einfachen“ und unzulässigen „gesteiger­ ten“ vertraglichen Einwirkungsrechten.476 Nach wie vor besteht die Gefahr, dass „der qualifizierte Konzern die Regel, der normale faktische Konzern aber zur praktischen Ausnahme wird“,477 nur dass an die Stelle des qualifiziert faktischen Konzerns der „verdeckte“ Beherr­ schungsvertrag getreten ist. Das „Hinausgreifen“ vertraglicher Einwirkungs­ möglichkeiten auf außerhalb des Vertragszwecks liegende Angelegenheiten der verpflichteten Gesellschaft478 ist genauso wenig ein klar anwendbares Kriteri­ um wie die „Dichte“ des Einflusspotentials.479 Je weiter der Vertragszweck ge­ fasst ist, desto einfacher ließe sich nach dem ersten Modell die Anwendung des Konzernrechts verhindern, obwohl doch gerade eine solche Gestaltung „ge­ fährlich“ erscheint. Richtet sich ein Vertrag, etwa ein Business Combination Agreement, schon seiner Funktion nach auf die Schaffung eines einheitlichen Rahmens für die Abstimmung der Tätigkeit zweier Unternehmen, ließe sich überhaupt nicht mehr begründen, wie ein vertragliches Leitungsrecht außer­ halb des Vertragszwecks liegen kann. Es ist bezeichnend, dass in diesem Zusammenhang doch nicht der Vertrags­ zweck für maßgeblich erachtet wird, sondern die Möglichkeit der Entwicklung einer „eigene[n] Zielkonzeption“, die die verpflichtete Gesellschaft „der einheit­ lichen Leitung“ unterwürfe.480 Am Ende verbleibt doch nur die „Dichte“ oder „Intensität“ der Leitung als Maßstab, um anhand eines „Funktionenvergleichs“ ohne klare Kriterien zu prüfen, ob die nicht näher definierte Schwelle zum qua­ si-Weisungsrecht schon überschritten ist.

476 

Zu Recht kritisch Veil, Unternehmensverträge, S.  225. Lutter, AG 1990, 179, 182, zum qualifiziert faktischen Konzern. 478  So etwa Dette, S.  122 ff. 479  In letzterem Sinne etwa Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 45. 480  So im Zusammenhang mit Business Combination Agreements Dette, S.  160. Vollends ad absurdum wird dieser Ansatz geführt, wenn nach der Diskussion einzelner Fallgestaltun­ gen, etwa „atypischen stillen Gesellschaften“ (Dette, S.  142 ff.), in der Zusammenfassung die Feststellung folgt, „jedenfalls in ihrer typischen Ausgestaltung“ stellten die „diskutierten Vertragsarten“, die weder Betriebsführungsverträge noch Betriebspachtverträge mit be­ stimmten Modifikationen seien, „keine verdeckten Beherrschungsverträge dar, […].“ (Dette, S.  160). Wann, ist man geneigt zu fragen, ist die „typische atypische stille Gesellschaft“ derart „atypisch“, dass sie als „atypische atypische stille Gesellschaft“ doch als verdeckter Beherr­ schungsvertrag zu behandeln sein soll? 477 

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Dass dies in einigen besonders gelagerten Extremfällen notwendig sein mag, wenn die §§  57 ff., 311 ff. AktG nicht greifen, sei zugestanden. Doch im Anwen­ dungsbereich der zitierten Normen sollte ein Höchstmaß an Zurückhaltung herrschen. Maßgeblich muss dann sein, wie in der Literatur zutreffend betont wird, dass das System des Einzelausgleichs versagt.481 Das kommt nur in Be­ tracht, wenn sich aufgrund einer Vielzahl von Maßnahmen und mangelnder Dokumentation bestimmte Einwirkungen nicht mehr isolieren lassen.482 Kann eine isolierbare nachteilige Einzelmaßnahme in ihren Auswirkungen nicht ge­ nau quantifiziert werden, ist dies kein Grund, auf §  302 Abs.  1 AktG zurückzu­ greifen. Grundsätzlich wird nämlich §  287 ZPO die Durchführung eines Ein­ zelausgleichs auf Grundlage einer Schadensschätzung zulassen.483 Dass die bi­ lanzrechtliche Lösung des §  302 Abs.  1 AktG einfacher handzuhaben ist als der Weg der Schadensschätzung nach §  287 ZPO, liefert kein teleologisches Argu­ ment für den Systembruch, der aus einer Anwendung des §  302 Abs.  1 AktG resultierte. Zudem ist fraglich, ob den schutzbedürftigen Gruppen (außenste­ hende Aktionäre und Gläubiger) mit der Verlustausgleichspflicht angesichts ih­ rer Defizite484 besser gedient wäre als mit einer Schadensschätzung. c)  Zur auftragsrechtlichen Einordnung von §  302 Abs.  1 AktG Ob die Verlustausgleichspflicht des §  302 Abs.  1 AktG als Fortführung der all­ gemein-privatrechtlichen Ausgleichsansprüche nach den §§  683, 670 BGB zu verstehen ist,485 ist hier nicht weiter von Belang.486 Denn nach wie vor müsste für die hier in Rede stehenden Konstellationen die Frage beantwortet werden, ab wann die verpflichtete Gesellschaft der Situation im Beherrschungsvertrag vergleichbar „im Fremdinteresse“ tätig wird. Das führt wiederum zum Problem der Leitungsintensität und den damit zusammenhängenden Schwierigkeiten.

III.  Zur Konzerngefahr bei Venture Capital-Vereinbarungen Nach der Konkretisierung der Schutzziele des Vertragskonzernrechts und der Analyse der Ratio von §  302 Abs.  1 AktG existiert nun die Grundlage, Wagnis­ 481  Habersack, in: Emmerich/Habersack, Anh. §  317 Rn.  16 ff. mit Nachweisen. Dass Ha­ bersack gegen den „verdeckten“ Beherrschungsvertrag Stellung bezieht und auf Grundlage der Lehre vom qualifiziert faktischen Konzern argumentiert, ist insoweit unschädlich, weil es sich der Sache nach um die gleiche Problemlage handelt. 482 Vgl. Habersack, in: Emmerich/Habersack, Anh. §  317 Rn.  17; H.-F.Müller, in: Spind­ ler/Stilz, Vor §  311 Rn.  27, jeweils mit Nachweisen. 483  H.-F.Müller, in: Spindler/Stilz, Vor §  311 Rn.  27. Prinzipiell auch Habersack, in: Emme­ rich/Habersack, Anh. §  317 Rn.  20. 484 Dazu Cahn/Simon, Der Konzern 2003, 1, 12 ff. 485 Dafür Altmeppen, in: MünchKommAktG, §  302 Rn.  12; wohl auch Cahn/Simon, Der Konzern 2003, 1, 13 mit Fußnote 110. 486  Kritisch etwa Veil, in: Spindler/Stilz, §  302 Rn.  5; Wimmer-Leonhardt, S.  17 ff.

310 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente kapitalfinanzierungen auf das Bestehen von „Konzerngefahren“ zu überprüfen. Bezugspunkte sind der Schutz außenstehender Gesellschafter (1.) sowie der Gläubigerschutz (2.).

1.  Schutz außenstehender Gesellschafter a)  Schutz gegenwärtiger außenstehender Gesellschafter Der Schutz außenstehender Gesellschafter ist bei Venture Capital-Vereinbarun­ gen unproblematisch – in der Regel gibt es keine außenstehenden Gesellschaf­ ter. Die Abreden werden zwischen den Gründern und den Investoren getroffen. Entweder die Gründer waren vor Abschluss der Verträge Alleingesellschafter und nehmen die Investoren durch Anteilsübertragung oder Kapitalerhöhung in die Gesellschaft auf. Oder die finanzierte Gesellschaft wird von Investoren und Gründern gemeinsam gegründet. In beiden Fällen fehlt es an der Situation, die den Abschluss einer Vereinbarung zur Steuerung der abhängigen Gesellschaft unter Schutzaspekten in die Nähe eines Beherrschungsvertrages rückt: Sämtliche Mitglieder schließen die Verträge einstimmig, so dass für Ände­ rungen das Konsensprinzip vor Benachteiligung schützt. Im Verlaufe späterer Finanzierungsrunden ändert sich dieses Bild nicht. So werden neue Investoren immer Parteien der verschiedenen Abreden und erhalten umfassende Kenntnis über das Investitionsobjekt. Sie können sich also vollständig absichern. aa)  Die Stellung von Angel Investors Kritiker mögen einwenden, die Dinge lägen bei Angel Investors487 anders, da diese weder Gründer noch Wagniskapitalgeber seien und deshalb an den Ver­ handlungen nicht beteiligt würden. Doch ist dies nicht sehr wahrscheinlich: Häufig nutzen Angel Investors den Beginn der „eigentlichen“ Wagniskapitalfi­ nanzierung als Möglichkeit zum Ausscheiden aus der Gesellschaft oder wan­ deln ihre Anteile ab der Start-up Phase in solche der Serie A um.488 Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, diese frühen Kapitalgeber also ihre Anteile behal­ ten und nicht an weiteren Finanzierungsrunden teilnehmen,489 ist das Schutz­ problem anders gelagert als in der Konstellation, die dem Konzernrecht zu­ grunde liegt: Im Konzernrecht ergibt sich das Problem daraus, dass die Mitgliedermehr­ heit die Gesellschaft in ein Abhängigkeitsverhältnis bringen kann, ohne dass der Minderheit die Möglichkeit zur Verfügung steht, besondere Schutzmecha­ nismen für sich zu verlangen. Das ist bei Angel Investors nicht so. Da ohne ihre 487 

Hierzu Einleitung A. §  2 II.4.a). Vgl. Einleitung A. §  2 II.4.a). 489  Und deshalb weiterhin nicht an den Beteiligungsvereinbarungen partizipieren. 488 

B.  Konzernrecht als Kontrollinstrument am Beispiel Venture Capital

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Finanzierung die Gründer ihr Projekt nicht in Gang setzen können, haben die Kapitalgeber sowohl die Verhandlungsmacht als auch die Verhandlungsmög­ lichkeit, sich für die Zukunft abzusichern, etwa indem sie sich Teilnahmerechte und Zustimmungsrechte einräumen lassen. Wer als Angel Investor auftritt, weiß, dass es in Zukunft mit Sicherheit zur Aufnahme weiterer Kapitalgeber in die Gesellschaft kommt. Die gewährten Leistungen dienen gerade dazu, das Projekt so weit entwickeln zu können, dass es aus Sicht von Wagniskapitalin­ vestoren für eine Finanzierung in Betracht kommt. bb)  Verschiebung von Vermögenswerten Unter Hinweis auf das oben beschriebene Problem des „Tunneling“, das heißt die Verschiebung von Vermögenswerten der finanzierten Gesellschaft in andere Gesellschaften des Portfolios der Investoren,490 ließe sich einwenden, es drohe eine Benachteiligung der Gründer. Wenn die Investoren ihre Gewinne dadurch steigern wollen, dass sie Vermögensverlagerungen über verschiedene Gesell­ schaften aus ihrem Anlageportfolio hinweg vornehmen, etwa indem sie Patente oder Geschäftschancen transferieren, handelt es sich zumindest um verdeckte Gewinnausschüttungen zu Lasten der übrigen Gesellschafter. Doch wird diese Gefahr der Unterhöhlung des Gesellschaftsvermögens zum Nachteil anderer Anteilseigner nicht durch die Abrede über Venture Capital begründet. Sie resultiert aus der Einflussmöglichkeit, die jedem Mitglied einer Kapitalgesellschaft zusteht, das kraft Beteiligungsumfangs über erhebliche Ein­ wirkungsmöglichkeiten verfügt. Die Venture Capital-Vereinbarung beschränkt diesen Einfluss eher noch, indem sie die Investoren neben den Pflichten aus den gegebenenfalls anwendbaren §§  311 ff. AktG und den gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten vertraglich bindet, so dass die Gründer bei Vertragsverletzungen direkt von den Investoren Schadensersatz verlangen können. Insbesondere die Vereinbarungen über die Verwendung von Vermögensgütern der finanzierten Gesellschaft und die Geschäftspolitik wirken nicht eröffnend im Sinne der Her­ beiführung von konzernspezifischen Gefahren, sondern begrenzend. Insoweit ist eine weitere Besonderheit im Venture Capital-Bereich zu beach­ ten: Die Gesellschaft verfügt in der Regel nicht über so viele Vermögensgegen­ stände, dass deren Abzug nicht als Einzelmaßnahme nachvollzogen werden könnte. Wenn etwa ein Patent auf eine andere Portfoliogesellschaft eines Inves­ tors übertragen oder ein Arbeitnehmer abgeworben wird, sind dies einfach auf­ zudeckende und eingegrenzte Eingriffe. Die übrigen Gesellschafter, insbeson­ dere die Gründer, sind sämtlich Unternehmensinsider und haben starke Anrei­ ze, derartigen Handlungen anderer Mitglieder entgegenzuwirken. Das Problem der intensiven Steuerung der finanzierten Gesellschaft mit der Folge einer „Waschkorblage“ stellt sich aus diesem Grund nicht. Damit entfällt eines der 490 

Oben 1. Teil A. §  2 VI.

312 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente wesentlichen Argumente, mit der in anderen Konstellationen die Annahme ei­ nes „verdeckten“ Beherrschungsvertrages gefordert wird.491 Auch die Folgen einer Einzelmaßnahme lassen sich quantifizieren und besei­ tigen, indem im Wege des Schadensersatzes Naturalrestitution gefordert wird. So kann ein Patent rückübertragen werden und die Bezahlung eines gleicher­ maßen fähigen Ersatzes für den abgeworbenen Arbeitnehmer verlangt werden. b)  Schutz zukünftiger außenstehender Gesellschafter durch Publizität Die Eintragung des Unternehmensvertrages in das Handelsregister gewährleis­ tet Publizität:492 Alle Investitionswilligen können die Eigenschaft der Gesell­ schaft als abhängige Gesellschaft durch Einsichtnahme feststellen, die Art des Konzernverhältnisses eruieren und ihre Preisvorstellungen anpassen, wenn sie nicht ohnehin ganz vom Anteilserwerb Abstand nehmen. Insoweit ist im Kontext von Wagniskapitalfinanzierungen zu berücksichti­ gen, dass der Eintritt neuer Gesellschafter anlässlich einer Finanzierungsrunde nur professionelle Investoren betrifft. Einen freien Anteilseignerwechsel gibt es schon aufgrund der verschiedenen Bindungs- und Zustimmungsmechanismen nicht.493 Ein gleichsam „zufälliger“ Beitritt findet aus diesem Grund nicht statt. Wer sich als neues Mitglied beteiligen will, handelt in der Regel aus einer Posi­ tion heraus, die ihm Verhandlungsmöglichkeiten und Verhandlungsmacht ga­ rantiert, weil er weitere Mittel investieren soll. Im Fall eines Börsenganges der wagniskapitalfinanzierten Gesellschaft er­ setzt die Prospektpublizität die Registerpublizität. Dient die Eintragung des Beherrschungsvertrages in das Handelsregister (auch) dem Schutz des Rechts­ verkehrs, ergibt sich der Umstand, dass die Gesellschaft und ihr Unternehmen mit Wagniskapital finanziert werden und entsprechende Vereinbarungen beste­ hen, bei einem Börsengang aus dem Wertpapierprospekt. Bei Anwendung der §§  311 ff. AktG gelten zudem die Publizitätspflichten des Rechts des faktischen Konzerns. Ein Problem kann sich aus Sicht der Gründer stellen, wenn die Investoren einen Exit durch Anteilsverkauf außerhalb der Börse wählen. Halten die Inves­ toren, wie häufig, im Zeitpunkt des Exits die Mehrheit der Anteile, tritt der Erwerber in ihre Stellung ein, ohne sich jedoch den bislang geltenden Vertrags­ regelungen zu unterwerfen. In diesem Fall ist es möglich, dass die verbleibenden Gesellschafter in den Rang Außenstehender zurückfallen. Doch ist dies kein Problem, welches aus der Venture Capital-Vereinbarung resultiert. Vielmehr schließt es sich an die Auflösung der in dieser Abrede niedergelegten Beziehung zwischen den Beteiligten an. Zudem steht den übrigen Gesellschaftern ange­ 491 

Vgl. oben I.2. Veil, in: Spindler/Stilz, Vor §  291 Rn.  3. 493  Vgl. oben 1. Teil B. §  6 . 492 

B.  Konzernrecht als Kontrollinstrument am Beispiel Venture Capital

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sichts der Vorhersehbarkeit dieser Situation die Möglichkeit offen, sich über an­ gemessene vertragliche Mechanismen selbst zu schützen. 

2. Gläubigerschutz Auf den ersten Blick stellen sich in mit Wagniskapital finanzierten Gesellschaf­ ten die Probleme, die in jeder Konzerngesellschaft auftreten. Wie schon im Zu­ sammenhang mit dem Gesellschafterschutz erwähnt und im Abschnitt über die allgemeinen Regelungsprobleme von Venture Capital geschildert, gibt es das Problem des „Tunneling“.494 Diese Gefahr der Aushöhlung des Vermögens der abhängigen Gesellschaft durch verdeckte Verlagerungsstrategien ist ein altbe­ kanntes Problem im Konzern, das klassische Beispiel sind Konzernverrech­ nungspreise.495 Damit wird der Gesellschaft Vermögensmasse entzogen, die nicht mehr zur Gläubigerbefriedigung zur Verfügung steht. Indes spricht eine genauere Analyse dafür, dass diese Gefahr nicht als besondere „Konzernge­ fahr“ zu betrachten ist: a)  Investoreninteresse, Wert der Portfoliogesellschaft zu steigern Wie oben unter I.1. dargestellt, ist das Interesse der Wagniskapitalgeber anders ausgerichtet als das eines typischen herrschenden Unternehmens. Ziel der Be­ teiligung ist, die Gesellschaft selbst wirtschaftlich zum Erfolg zu führen. Die Strategie zur Erzielung von möglichst hohen Gewinnen liegt nicht in der Ein­ bindung in eine Großstruktur „Konzern“, die anschließend die Perspektive für die Beurteilung der Gewinnerzielung bestimmt. Die Gewinne werden weder durch kontinuierlichen Entzug von Vermögens­ werten erzielt noch gibt es das Ziel einer Haftungssegmentierung im Konzern, indem Geschäftsbereiche so auf verschiedene abhängige Gesellschaften verteilt werden, dass den Gläubigern einer Gesellschaft gezielt nur eine möglichst ge­ ringe Haftungsmasse zur Verfügung steht. Hinzu kommt, dass Wagniskapitalinvestoren als „repeat player“ daran inter­ essiert sind, ihre Reputation nicht zu schädigen, weil sie sonst Investitionsmög­ lichkeiten verlieren. Gründer mit vergleichsweise vielversprechenden Konzep­ ten werden nicht solche Investoren wählen, die dafür bekannt sind, die Gesell­ schaft auszubeuten. b)  Gläubigergefährdung in der Krise Als Einwand gegen die Annahme einer konzerntypischen Gläubigergefähr­ dung bleibt, dass sich diese gerade in der Krise zeigt und sich Schutzmechanis­ 494  495 

Oben 1. Teil A. §  2 VI. Zu diesen Problemen Liebscher, in: MünchKommGmbHG, §  13 Anh. Rn.  20.

314 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente men daher für diesen Fall eignen müssen. Entwickle sich das finanzierte Unter­ nehmen nicht erfolgreich, so die Fortführung des Gedankens, ergebe sich auch bei Wagniskapitalfinanzierungen jedenfalls in der Krise das aus sonstigen Kon­ zernkonstellationen bekannte Problem der Verschiebung von Vermögenswer­ ten und der Untertunnelung. Hier gelten zunächst die oben unter 1.a) zum Schutz gegenwärtiger Gesell­ schafter angestellten Überlegungen zur Isolierbarkeit der Maßnahmen und zur Möglichkeit des Einzelausgleichs. Angesichts der Anwendbarkeit der §§  311 ff. AktG sowie der Möglichkeit, gegebenenfalls nach §  117 Abs.  1 S.  1 AktG und §  826 BGB auf Grundlage der Existenzvernichtungs-Rechtsprechung des Bun­ desgerichtshofs vorgehen zu können, gilt nach dem zweispurigen System der §§  291 ff., §§  311 ff. AktG, dass der dem Konzernrecht zugrunde liegenden Re­ gelungsintention gemäß die Berufung darauf, §  302 Abs.  1 AktG wirke stärker als die §§  311 Abs.  1, 317 Abs.  1 AktG, als Argument nicht trägt.496 Aus Gläubigersicht kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu: Die Gefahr einer nachteiligen Maßnahme, die die Gesellschafter zu ihren Lasten durchführen, ist deshalb geringer als in einer typischen Konzernsituation, weil sich die Gesell­ schafter untereinander blockieren. Verschafft sich ein einzelner Kapitalgeber einen Vorteil, geht dies nicht nur zu Lasten der Gläubiger, sondern auch zu Lasten der übrigen Gesellschafter. Diese sind sämtlich Insider, so dass sie nicht nur einen hohen Anreiz haben, entsprechende Nachteilszufügungen zu verhin­ dern und zu verfolgen, sondern auch über die Möglichkeit verfügen, solche Maßnahmen aufzudecken. Um aus Investorensicht effektiv, das heißt ohne Gefahr der Inanspruchnah­ me durch die übrigen Mitglieder, Vermögensgegenstände zu entziehen, muss sich der Kapitalgeber mit den übrigen Gesellschaftern einigen. Das ist insbeson­ dere im Verhältnis zu den Gründern unwahrscheinlich.

IV.  Sonderproblem: Stille Gesellschaft als Beteiligungsform Beteiligen sich die Investoren neben einer Eigenkapitalbeteiligung in Form ei­ ner stillen Gesellschaft im Sinne der §§  230 ff. HGB, unterliegt diese Vereinba­ rung wegen der damit einhergehenden Pflicht zur teilweisen Gewinnabführung als Teilgewinnabführungsvertrag im Sinne von §  292 Abs.  1 Nr.  2 AktG den §§  293 ff. AktG. Das ist für die Aktiengesellschaft einhellige Ansicht.497 Nichts anderes gilt herrschender Meinung nach für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung.498 496  Dazu

oben II.2.b)bb). Statt aller: BGHZ 156, 38, 43; BGH AG 2006, 546, 548; Altmeppen, in: MünchKomm­ AktG §  292 Rn.  65 f.; Hüffer/Koch, §  292 Rn.  15; Koppensteiner, in: KK-AktG §  292 Rn.  61 ff. 498  Statt aller: Emmerich, in: Emmerich/Habersack, §  292 Rn.  37; Liebscher, in: Münch­ KommGmbHG, Anh. §  13 Rn.  694; Maul, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, Anh. zu §  13 Rn.  50; 497 

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Nun ließe sich argumentieren, mit der Einstufung der stillen Gesellschaft als Teilgewinnabführungsvertrag sei noch nichts über das Schicksal der Beteili­ gungsvereinbarung gesagt. Wenn eine weitere Vereinbarung, die nicht nur von den Kapitalgebern und der Gesellschaft, sondern mit anderen oder jedenfalls weiteren Parteien499 geschlossen worden sei, zusätzliche Einfluss- und Kon­ troll­möglichkeiten vorsähe, müsse diese Abrede auch eigenständig beurteilt werden. Daher stelle sich das Problem des sogenannten verdeckten Beherr­ schungsvertrages. Die Beteiligungsvereinbarung, welche die Investoren in ihrer Eigenschaft als Mitglieder abgeschlossen haben, wäre dann nicht wegen der in ihr enthaltenen Rechte als verdeckte Beherrschung zu qualifizieren, sondern aufgrund der externen Verstärkung durch den Vertrag über die stille Gesell­ schaft. Hiergegen spricht, dass bereits die §§  311 ff. AktG zur Anwendung kommen: Bei der stillen Gesellschaft als Beteiligungsform handelt es sich regelmäßig um eine atypische stille Gesellschaft, wenn sie statt einer Eigenkapitalbeteiligung gewählt wird. Die atypische Gesellschaft reicht allgemeiner Ansicht gemäß für die Begründung einer Beherrschung im Sinne von §  17 Abs.  1 AktG aus.500 Selbst wenn der Vertrag über die stille Gesellschaft selbst die notwendigen Wege zur Einflussnahme auf die Geschäftsführung nicht zur Verfügung stellt, genügt die Kombination mit den Rechten aus der Beteiligungsvereinbarung. Denn für die Annahme von Herrschaft gemäß §  17 Abs.  1 AktG lassen sich mehrere Steu­ erungskanäle in einer Gesamtbetrachtung bewerten, wie dies etwa bei Minder­ heitsbeteiligungen üblich ist, die durch vertragliche Rechte verstärkt werden.501 Hierfür spricht insbesondere, dass die finanzierte Gesellschaft selbst regelmä­ ßig hinsichtlich einiger Zustimmungs- und Kontrollrechte Partnerin der Betei­ ligungsvereinbarung wird. Zudem besetzen die Gründer, die sich sämtlichen Abreden als Vertragspartei unterwerfen, die Geschäftsleitungsorgane der Ge­ sellschaft mit. Jedenfalls im Wege einer Gesamtschau ist daher eine abhängig­ keitsbegründende Wirkung der verschiedenen Abreden anzunehmen. Diese Lösung hat zudem den Vorzug, systematisch dem geltenden Konzernrecht zu Casper, in: GK-GmbHG, Anh. §  77 Rn.  204. A.A. mit guten Gründen z.B. BayObLG NZG 2003, 636, 637; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Anh §  13 Rn.  113; Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 239. Da es hinsichtlich dieses Problems keine Besonderheiten der Venture Capital Finanzierung gibt, die gegen eine Einordnung der stillen Gesellschaft als Teilge­w inn­ abführungsvertrag sprechen, ist dieses Problem hier nicht gesondert zu diskutieren. 499  Nämlich den Gründern. 500  Statt aller: Bayer, in: MünchKommAktG, §  17 Rn.  122; Hüffer/Koch, §  17 Rn.  9 (mit Einschränkung, dass Einflusspotential Mehrheitsbeteiligung entsprechen muss); Emmerich, in: Emmerich/Habersack, 6. Auflage 2010, §  17 Rn.  16; Koppensteiner, in: KK-AktG, §  17 Rn.  82; Schall, in: Spindler/Stilz, §  17 Rn.  42; Vetter, in: Schmidt/Lutter, §  17 Rn.  42 f. Enger Windbichler, in: GK-AktG, §  17 Rn.  42. 501 OLG Düsseldorf, Der Konzern 2003, 841, 843; Bayer, in: MünchKommAktG, §   17 Rn.  31 ff.; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, §  17 Rn.  18; Hüffer/Koch, §  17 Rn.  5, 9.

316 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente entsprechen. Analogien oder Erweiterungen wie die unter dem Stichwort des verdeckten Beherrschungsvertrages diskutierten bedarf es nicht. Da die §§  311 ff. AktG greifen und zudem die besondere Interessenlage zu berücksichtigen ist, die von der typischen Konzernsituation abweicht,502 sind die Beteiligungsvereinbarungen nicht selbst den §§  291 ff. AktG (analog) zuzu­ ordnen. Auch die (atypische) stille Gesellschaft selbst ist nicht den §§  291 ff. AktG zu unterwerfen, selbst wenn einige der Rechte, die üblicherweise in einer Beteili­ gungsvereinbarung gesondert geregelt werden, Eingang in den Vertrag über die stille Gesellschaft finden. Hier ist, was die Befürworter der verdeckten Beherr­ schungsverträge regelmäßig nicht tun,503 wiederum das Eingreifen der §§  311 ff. AktG zu berücksichtigen. Dass die Zustimmungsvorbehalte eine gewisse „Dichte“ erreichen können,504 ist für sich genommen kein Gegenargument.505 Insofern ist auf die oben vorgetragenen Argumente zu verweisen, insbesondere die systematische Zweiteilung des Konzernrechts im Aktiengesetz.506

§  3  Ergebnisse Venture Capital-Vereinbarungen, die mittels einer Eigenkapitalbeteiligung der Investoren umgesetzt werden, sind keine verdeckten Beherrschungsverträge und deshalb nicht unwirksam mangels Eintragung in das Handelsregister. Die Investoren sind daran interessiert, dass die finanzierte Gesellschaft selbst er­ folgreich bleibt. Eine Koordination sämtlicher Portfoliogesellschaften hinsicht­ lich Finanz- und Personalplanung oder Geschäftskoordination, wie sie für den Konzern typisch ist, findet nicht statt. Nachteilige Maßnahmen, wie sie insbe­ sondere in der Krise im Wege des Entzugs einzelner Vermögensgegenstände oder des Abwerbens von Arbeitnehmern vorkommen können, sind in der Regel isolierbar und im Wege des Schadensersatzes ausgleichbar. Aus diesem Grund fehlt es an dem Kriterium der „Leitungsdichte“, das die herrschende Meinung nutzt, um einen Vertrag als „verdeckten“ Beherrschungsvertrag einzuordnen. 502 

Oben III. Bachmann/Veil, ZIP 1999, 348, 350 f. Unklar ist, ob Emmerich, in: Emmerich/ Habersack, §  291 Rn.  24a, voraussetzt (wie aaO. §  17 Rn.  14 angedeutet), dass auch die §§  311 ff. AktG nicht zum Zuge kommen. 504  Hierauf kaprizieren sich die Befürworter der Figur verdeckter Beherrschungsverträge, s. nur Bachmann/Veil, ZIP 1999, 348, 350 f.; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, §  291 Rn.   24a ff.; Liebscher, in: MünchKommGmbHG, Anh. §  13 Rn.  678; Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 45. 505  Gegen die Annahme, mittels der Zustimmungsvorbehalte in der Vereinbarung über eine atypische stille Gesellschaft überhaupt eine Leitungsunterstellung bewirken zu können, Dette, S.  144 f. 506  Oben II.2.b)bb)(1). 503 Z.B.

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Die stille Gesellschaft als Beteiligungsform ist wegen der Pflicht zur teilwei­ sen Abführung des Gewinns als Teilgewinnabführungsvertrag im Sinne von §  292 Abs.  1 Nr.  2 AktG einzustufen und unterliegt damit den Wirksamkeitsvo­ raussetzungen der §§  293 ff. AktG.

C.  Einheit und Vielheit der Verbandsordnung Mehrere Autoren vertreten, Gesetz, Satzung und schuldrechtliche Nebenabre­ de bildeten eine „Verbandsordnung im weiteren Sinne“.507 Im Unterschied zur herrschend vertretenen Trennungstheorie, deren Vertreter Wechselwirkungen von korporativer und schuldrechtlicher Ebene grundsätzlich ausschließen,508 wird argumentiert, mit Blick auf „die Realität des Wirtschaftslebens“, die „Wis­ senschaftler und Richter nicht ignorieren“ dürften,509 müssten schuldrechtliche Absprachen für die Auslegung von Satzungsregelungen und für die Bestim­ mung von deren Reichweite berücksichtigt werden.510 Das hat auch Bedeutung für die Frage, inwieweit durch schuldrechtliche Vereinbarungen von Satzungs­ regelungen abgewichen werden kann. Haben etwa die Gesellschafter in der Sat­ zung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung vorgesehen, der Abschluss von Stimmbindungsvereinbarungen sei ganz oder in bestimmter Hinsicht un­ zulässig, und schließen alle oder einige Mitglieder trotzdem einen solchen Ver­ trag, stellt sich die Frage nach dem Verhältnis der sich widersprechenden Rege­ lungen. Im Folgenden wird zunächst dieser Aspekt aufgegriffen (§  1). Daran schließt sich eine Untersuchung der Theorie von der Verbandsordnung im weiteren Sin­ ne an (§  2.).

507 Grundlegend Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S.  101 ff.; der Sache nach ebenso, mit Abweichungen im Detail, Westermann, Satzung und Nebenordnungen, S.  32 ff.; Zöllner, in: RWS-Forum 8 (1995), S.  89, 98 ff. 508  Statt aller A.Arnold, in: KK-AktG, §   23 Rn.  179; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, §  3 Rn.  91; Ehricke, S.  14; Hüffer/Koch, §  23 Rn.  47; Lieder, in: Fleischer/Kalss/Vogt (Hrsg.), Ak­ tuelle Entwicklungen, S.  231, 248; Pentz, in: MünchKommAktG, §  23 Rn.  192; Seibt, in: Schmidt/Lutter, §  23 Rn.  68; Simon, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, §  3 Rn.  62; Ulmer, FS Röh­ richt, S.  633, 650 ff.; Ulmer/Löbbe, in: GK-GmbHG, §  3 Rn.  130; Wicke, in: MünchKomm­ GmbHG, §  3 Rn.  144 f. für Auslegung. Grundsätzlich auch der BGH: NJW 2010, 3718, 3719 Tz 8; BGHZ 179, 13, 18 Tz 12, 22 Tz 18; NJW 1987, 1890, 1891; NJW 1983, 1910, 1911. Offener etwa Röhricht, in: GK-AktG, §  23 Rn.  255, im Zusammenhang mit der Auslegung der Treue­ pflichten. 509  Noack, NZG 2010, 1017. 510 Einen Mittelweg beschreiten diejenigen, die zumindest für die Konkretisierung der Treuepflichten der Gesellschafter omnilaterale Nebenvereinbarungen heranziehen möchten (z.B. Hoffmann-Becking, ZGR 1994, 442, 462 ff.; Röhricht, in: GK-AktG, §  23 Rn.  255), dazu noch unten §  2 II.

C.  Einheit und Vielheit der Verbandsordnung

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Außer Betracht bleibt die Problematik der sogenannten satzungsdurchbre­ chenden Beschlüsse.511 Selbst wenn diese in eine schuldrechtliche Nebenabrede umgedeutet werden dürften,512 handelte es sich nur um Gesellschafterentschei­ dungen im Einzelfall.513 Dagegen stehen im Zentrum dieser Arbeit langfristig angelegte Absprachen, hinsichtlich derer sich die Konkurrenzfrage zum Ver­ hältnis von schuldrechtlicher Gesellschaftervereinbarung und Satzung deshalb prononcierter stellt, weil beide Ordnungen auf andauernden Parallellauf ange­ legt sind. Schließlich werden im Folgenden die Konsequenzen treuepflichtwidriger Nebenabreden nicht als eigenständige Frage behandelt.514 Häufig handelt es sich in solchen Fällen um das Problem eines in der speziellen Situation auftretenden Konflikts zwischen einer abstrakt formulierten schuldvertraglichen Pflicht und den konkreten Anforderungen an das Verhalten eines Gesellschafters.515 Das berührt nicht die Wirksamkeit der Vereinbarung, sondern nur die Wirksamkeit der in Rede stehenden Einzelmaßnahme.516 Sollte bereits der Abschluss einer schuldrechtlichen Vereinbarung gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verstoßen, hängt die Rechtsfolge von der hier nicht zu diskutierenden dogmati­ schen Einstufung der Treuepflicht ab.517 Die sich dann anschließende Lösung des Konflikts folgt dieser Kategorisierung,518 insoweit gibt es keine Besonder­ heiten, die in dieser Arbeit gesonderter Erörterung bedürften.

511 

Zur Terminologie Goette, RWS-Forum 8, S.  113, 115 ff. Habersack, ZGR 1994, 354, 358. 513 Siehe zur Auswirkung dieser Umdeutung sub specie BGHZ 123, 15, 19; Goette, RWS-Forum 8, S.  113, 119 f. Gegen die Möglichkeit einer Umdeutung zu Recht Habersack, ZGR 1994, 354, 370 ff. 514  Hierzu etwa Söntgerath, S.  186 ff. 515 Vgl. Koppensteiner, ZIP 1994, 1325, 1327. 516  Zu den insoweit auftretenden dogmatischen Problemen Koppensteiner, ZIP 1994, 1325, 1326 f.; Söntgerath, S.  186 ff.; Zöllner, Schranken, S.  366 ff. 517  Zu den verschiedenen Ansätzen etwa Merkt, in: MünchKommGmbHG, §  13 Rn.  95 f.; Drygala, in: KK-AktG, §  53a Rn.  82. 518  Wer sie als immanente Schranke der Mitgliedschaft betrachtet, muss einen Verstoß ge­ gen sie als Grenze der Gestaltungsmacht ansehen und aus diesem Grund zur Nichtigkeit kommen. Wer sie als eigenständiges Rechstinstitut betrachtet, wird Verstöße gegen sie nach §  134 BGB (vgl. Armbrüster, in: MünchKommBGB, §  134 Rn.  32) oder §  138 BGB (vgl. Armbrüster, in: MünchKommBGB, §  138 Rn.  84) sanktionieren. Wird die Treuepflicht als mittel­ bar der Satzung zu entnehmende Pflicht qualifiziert, handelt es sich um das allgemeine Pro­ blem von Widersprüchen schuldrechtlicher Nebenabreden zur Satzung. 512 Vgl.

320 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente

§  1  Widersprüche zur Satzung in schuldrechtlichen Nebenabreden I.  Die These von der Wirksamkeit der schuldrechtlichen Nebenabrede Die ganz herrschende Meinung hält es für zulässig, in der Satzung einer Gesell­ schaft mit beschränkter Haftung den Gesellschaftern zu untersagen, schuld­ rechtliche Stimmbindungsvereinbarungen zu treffen.519 Wird dennoch ein sol­ cher Vertrag geschlossen, unterscheiden einige Autoren danach, ob es sich um eine Fraktionsabsprache lediglich einiger Anteilseigner oder um eine allseitige Abrede handelt.520 Jedenfalls die zuletzt genannte Variante halten viele für wirksam.521 Die dogmatische Begründung hierfür sehen manche darin, dass ein satzungs­ mäßiges Verbot kein „gesetzliches Verbot“ im Sinne von §  134 BGB sei.522 Ein „anderer rechtlicher Gesichtspunkt mit vergleichbaren Wirkungen“ greife ebenfalls nicht ein.523 Diejenigen, die zumindest den Fraktionsabsprachen die Wirksamkeit verweigern wollen, verweisen zumeist lediglich darauf, es könne durch eine solche Absprache, an der nicht alle Gesellschafter beteiligt seien, „keine Entbindung von einer gesellschaftsvertraglichen Pflicht erfolgen.“524 Die hier thematisierte Frage hat erhebliches Gewicht für die Gestaltungspra­ xis. Bei Lichte betrachtet geht es nämlich nicht nur um solche ausdrücklichen „Widersprüche“ schuldrechtlicher Nebenabreden zu Regelungen in der Sat­ zung. Vielmehr stellt sich das Problem jedenfalls in der Aktiengesellschaft in allen Fällen, in denen der Schuldvertrag von der Satzung abweicht. Da §  23 Abs.  5 Abs.  1 S.  1 AktG den Satzungsinhalt weitgehend vorgibt, ließe sich argu­ mentieren, jede Abweichung von der gesetzlichen Regel sei zugleich eine Ab­ weichung von der Satzung.

519  Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, §  47 Rn.  15; Casper, in: Bork/Schäfer, §  47 Rn.  27; Hüffer/Schürnbrand, in: GK-GmbHG, §  47 Rn.  93; K.Schmidt, in: Scholz, §  47 Rn.  48; Teichmann, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, §  47 Rn.  23; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, §  47 Rn.  116, jeweils mit weiteren Nachweisen. 520  So vor allem Zöllner, RWS-Forum 8, S.  89, 99 f. 521  S.  nur Hüffer/Schürnbrand, in: GK-GmbHG, §   47 Rn.  93; Joussen, Gesellschafterab­ sprachen, S.  101; Lieder, in: Fleischer/Kalss/Vogt (Hrsg.), Aktuelle Entwicklungen, S.  231, 259; K.Schmidt, in: Scholz, §  47 Rn.  48; Zöllner, RWS-Forum 8, S.  89, 99 f. A.A. Söntgerath, S.  202. 522 Etwa Hüffer/Schürnbrand, in: GK-GmbHG, §  47 Rn.  93. Ebenso Joussen, Gesellschaf­ terabsprachen, S.  101. 523  Hüffer/Schürnbrand, in: GK-GmbHG, §  47 Rn.  93. 524  Zöllner, RWS-Forum 8, S.  89, 100. Anders Söntgerath, S.  202: Nichtigkeit nach §  138 BGB wegen „Missachtung der Interessen der Mitgesellschafter“.

C.  Einheit und Vielheit der Verbandsordnung

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II.  Kritische Bewertung der Wirksamkeitsthese Die eben dargestellten Ansichten weisen sämtlich ein Defizit auf, das für die Beantwortung der Frage nach der Wirksamkeit der Satzung widersprechender schuldrechtlicher Abreden behoben werden muss: Die dogmatische Begrün­ dung ist entweder nicht zureichend oder fehlt sogar vollständig. Weder wird zwischen formellen und materiellen Satzungsbestandteilen differenziert noch finden die allgemein-privatrechtlichen Grundlagen umfassend Berücksichti­ gung. So wird in der Literatur darauf verwiesen, die korporationsrechtlichen Regelungen im Gesellschaftsvertrag seien „ranghöher“ als schuldrechtliche Ne­ benabreden, es existiere ein „allgemeine[s] Vorrangverhältnis[...]“ von Gesetz und Satzung in Relation zur schuldrechtlichen Ebene.525 Worum es sich bei die­ sem „Vorrang“ dogmatisch handelt, wird nicht erläutert.526 Diese Unklarheiten bieten den Anlass, nachfolgend die dogmatische Basis der Beurteilung der hier relevanten schuldrechtlichen Vereinbarungen einer einge­ henden Untersuchung zu unterziehen. Da formelle und materielle Satzungsbe­ standteile unterschiedliche Bindungswirkungen erzeugen,527 wird im Folgen­ den getrennt zwischen Widersprüchen zu formellen Satzungsbestandteilen (dazu 2.) und Widersprüchen zu materiellen Satzungsbestandteilen (3.). Einlei­ tend bedarf es jedoch unter Rückgriff auf die oben unter A. durchgeführte Grundlegung zu den allgemein-privatrechtlichen Einschränkungen der Gestal­ tungsfreiheit einer Vorbemerkung, um die dogmatische Basis zu schaffen (1.). Die hier zu diskutierende Schwierigkeit wird vor allem zur Gesellschaft mit beschränkter Haftung diskutiert, selten zur Aktiengesellschaft. Das hat indes weniger mit grundsätzlichen Unterschieden hinsichtlich der Natur und Wir­ kung der Satzung als normative Quelle zu tun als mit der Praxis: Offenbar wer­ den solche Widersprüche häufiger bei der Gesellschaft mit beschränkter Haf­ tung relevant.528 Der rechtsdogmatische Kern der Frage ist vergleichbar,529 so dass es im Folgenden keiner Trennung nach Rechtsform bedarf.

1.  Dogmatische Grundlagen Die kapitalgesellschaftsrechtlichen Gesetze ziehen den Befugnissen der Gesell­ schafter Grenzen.530 Am deutlichsten zeigt dies §  23 Abs.  5 S.  1 AktG, der die 525 

Söntgerath, S.  366, 370 f. Insoweit zu Recht kritisch hinsichtlich des Standes der Diskussion Koch, AG 2015, 213, 215. Die im Text formulierte Kritik gilt auch für Aussagen wie diejenige, für eine nebenver­ tragliche Bestimmung sei „jedenfalls dann kein Platz, soweit das Statut eine abschließende Regelung“ vorsehe (Söntgerath, S.  372). 527  Dazu sogleich im weiteren Verlauf des Textes. 528  Koch, AG 2015, 213, 218. 529  Koch, AG 2015, 213, 218. 530  Außerdem eröffenen sie auch Handlungsmöglichkeiten, die ohne sie nicht zur Verfü­ 526 

322 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente rechtsgeschäftliche Gestaltungsmacht stark beschränkt. Betroffen ist insoweit nicht (erst) das rechtliche „Dürfen“, sondern (schon) das „Können“.531 Mit sol­ chen Schranken kollidierende Gestaltungen sind unwirksam, weil den Gesell­ schaftern die Rechtsmacht fehlt, sie zu treffen. Die Gestaltung geht dann in ge­ wisser Weise ins Leere. Hieraus lässt sich auf den ersten Blick folgende Argumentationslinie ableiten: Wenn die Gesellschafter keine vom Gesetz abweichende Regelung in der Sat­ zung treffen, gilt die gesetzliche Vorgabe. Dieser Fall ist genauso zu behandeln wie derjenige, in dem die Mitglieder vom Gesetz abweichen, indem sie eine an­ dere korporative Bestimmung vorsehen. Denn die Wirkungen sind prinzipiell identisch: Neugesellschafter sind unabhängig von ihrem Willen gebunden, die Altgesellschafter dürfen nur nach Maßgabe der besonderen Vorgaben für die Satzungsänderung Modifikationen vornehmen. Ob die Satzung eine besondere Gewinnverteilungsregelung enthält oder die Grundvorgabe aus Aktiengesetz oder GmbH-Gesetz greift, ist mit Blick auf die Bindungswirkung dieser Kau­ telen unerheblich. Es kommt im Ergebnis also nicht darauf an, ob das Gesetz, wie im Aktienrecht, von vornherein streng reguliert, oder, wie im GmbH-Recht, große Freiheiten lässt. Ob die Satzung etwas explizit regelt oder in der Satzung lediglich nicht vom Gesetz abgewichen wird, hat aus Sicht von Mitgliedern und Dritten denselben Bindungseffekt. Aus diesem Befund lässt sich nun offenbar folgern, dass, ordnet man etwa §  23 Abs.  5 AktG als Grenze rechtsgeschäftli­ cher Gestaltungsmacht ein, den Gesellschaftern ganz grundsätzlich die Mög­ lichkeit fehlt, abweichende Regelungen zu treffen. Solche Beschränkungen tangieren allerdings nicht ohne Weiteres schuld­ rechtliche Regelungen. Hier ist zu berücksichtigen, dass die Gestaltungsmacht unterschiedlich begrenzt wird. Für schuldrechtliche Vereinbarungen gilt: Ge­ sellschafter können Vereinbarungen mit Drittwirkung532 grundsätzlich nur treffen, wenn sie sich der speziellen gesellschaftsrechtlichen Mittel bedienen, das heißt der Satzung als Gestaltungsinstrument.533 Bedienen sich die Mitglie­ der der Satzung, um Klauseln mit korporativer Wirkung zu versehen, das heißt Drittwirkung zu erreichen, unterliegen sie insoweit eigenen Grenzen der Ge­ staltungsmacht. Sie können in der Satzung nur innerhalb des Rahmens agieren, den die kapitalgesellschaftsrechtlichen Vorgaben ziehen. Anhand dieser Differenzierung lässt sich klarer darstellen, worin das Prob­ lem einer „Überlagerung“ oder eines „Vorranges“ der Satzung im Verhältnis zu gung stünden. Darauf kommt es hier indes nicht an. Zur Ermöglichungs- und Vereinfa­ chungsfunktion des Kapitalgesellschaftsrechts ausführlich 3. Teil B. §  2. 531  Oben A. §  1 II.2.a)aa), bb). 532  Drittwirkung verstanden als die beabsichtigte und unbeabsichtigte Erstreckung von Effekten auf Neugesellschafter, Gläubiger und andere Personen, die nicht an der Entschei­ dung über die Vereinbarung teilhaben. 533 Ähnlich Koch, AG 2015, 213, 218. S.  bereits oben A. §  1 II.2.b) am Beispiel echter Sat­ zungsbestandteile.

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einer schuldrechtlichen Vereinbarung in rechtlicher Hinsicht liegen kann: Wol­ len die Parteien schuldrechtlich regeln, was nur in der Satzung regelbar ist, weil ihre Vereinbarung Dritteffekte entfaltet, fehlt ihnen diesbezüglich die rechtsge­ schäftliche Gestaltungsmacht. In diesem Umfang besteht ein Vorrang der Sat­ zung als exklusives Gestaltungsinstrument. Entfaltet die Nebenabrede hinge­ gen keine Drittwirkung, kann es insofern zu einer „Überlagerung“ kommen, als Personen, die als Mitglied Satzungsklauseln unterliegen, sich zugleich mit Wirkung (allein) für diejenigen, die Schuldvertragspartei sind, einer anderen Bestimmung unterwerfen. Da auf diese Weise keine satzungsmäßigen Pflichten mit Wirkung für und gegen Dritte geändert werden, besteht mit Blick auf das Verhältnis von Satzung und Nebenvereinbarung keine Effektkonkurrenz. Viel­ mehr stellt sich allein die Frage, ob das Gesetz der Nebenvereinbarung entge­ gensteht. Kann die gewünschte Regelung noch nicht einmal in der Satzung getroffen werden, was angesichts von §  23 Abs.  5 S.  1 AktG vor allem für die Aktiengesell­ schaft relevant ist, geht es von vornherein nicht um einen Konflikt zwischen Schuldvertrag und Satzung, sondern um einen zwischen Schuldvertrag und Ge­ setz.

2.  Formelle Satzungsbestandteile und Nebenabreden Formelle Satzungsbestandteile sind schuldrechtliche Regelungen, die lediglich im Dokument „Satzung“ platziert wurden. Als nichtkorporative Satzungsbe­ standteile unterliegen sie nicht den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften zur Satzungsänderung, also weder den §§  53 ff. GmbHG noch der Voraussetzung der Eintragung im Handelsregister.534 Zudem sind private Absprachen in Form formeller Satzungsbestandteile keine gesetzlichen Verbote im Sinne von §  134 BGB.535 Dieser Aspekt hat wesentliche Bedeutung für die Beurteilung von Ne­ benabreden, die im Widerspruch zur Satzung stehen: a)  Allseitig getroffene Nebenabreden Von allen Gesellschaftern geschlossene Nebenabreden, die im Widerspruch zu formellen Satzungsbestimmungen stehen, sind wirksam. Denn es handelt sich der Sache nach um die einvernehmliche Aufhebung der im Satzungsdokument niedergelegten Vereinbarung durch die Nebenabrede. Dann entsteht allenfalls der Formulierung nach ein „Widerspruch“ zur Satzung, nicht aber inhaltlich. 534 Statt aller: Ulmer/Löbbe, in: GK-GmbHG, §   3 Rn.   42; Wicke, in: MünchKomm­ GmbHG, §  3 Rn.  108. 535  Insoweit zutreffend Drescher, in: MünchKommGmbHG, §  47 Rn.  256, der allerdings verkennt, dass die von ihm angegebenen Literaturstellen sich nur mit korporativ wirkenden Stimmverboten befassen.

324 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente Da Dritte an formelle Satzungsbestandteile ohne ihre Zustimmung nicht un­ mittelbar gebunden sind,536 ist die Einhaltung besonderer prozeduraler Regeln zur Änderung nicht notwendig. Mit der Frage, ob schuldrechtliche Verbote die Anwendung von §  134 BGB zu begründen vermögen, hat das von vornherein nichts zu tun.537 Da formelle Satzungsbestandteile ohnehin lediglich schuldrechtlich wirken und (nur) die Regeln des Schuldvertragsrechts hinsichtlich ihrer Änderung greifen, steht es den Beteiligten frei, jederzeit Modifikationen vorzunehmen, sofern nur sämtli­ che Parteien des Vertrages zustimmen. b) Fraktionsabsprachen Schwieriger zu beurteilen als omnilaterale Vereinbarungen sind die sogenann­ ten Fraktionsabsprachen. Weil hier nicht sämtliche an der bisherigen Abrede Beteiligte der Änderung zustimmen, kommt wegen des vertragsrechtlichen Konsensprinzips keine Anpassung zustande. Vielmehr schließen diejenigen, die von der im Satzungsdokument niedergelegten schuldrechtlichen Vereinbarung abweichen, einen eigenen Vertrag, der zusätzlich zur bisherigen Regelung exis­ tiert. Jedenfalls das allgemeine Schuldrecht steht dem nicht entgegen. Zu Recht verweist das Schrifttum als Argument zu Gunsten der Wirksamkeit beider Stimmbindungsabreden darauf, der doppelte Verkauf einer Sache seitens dessel­ ben Verkäufers führe nicht zur Unwirksamkeit einer der Vereinbarungen.538 §  137 S.  1 BGB kommt nicht zum Zuge, weil der Stimmbindungsvertrag keine Verfügung über das Stimmrecht enthält. Zwar lässt sich in tatsächlicher Hinsicht davon reden, aus der Verpflichtung eines Mitglieds, sein Stimmrecht nur in Übereinstimmung mit anderen auszu­ üben, resultiere eine Belastung des Stimmrechts. Zur Stütze ließe sich darauf verweisen, die herrschende Meinung gehe von der Möglichkeit aus, eine Stimm­ bindung im Wege des §  894 ZPO zu vollstrecken.539 Inhalt des entsprechenden Beschlusses sei die Fiktion der Abgabe der Stimme selbst.540 Doch führt dies im Ergebnis nicht weiter, weil §  894 ZPO sich allgemein auf die Abgabe von Wil­ lenserklärungen bezieht und auch die Vollstreckung einer „bloßen“ Verpflich­ 536  Insoweit greift das Verbot von schuldrechtlichen Verträgen zu Lasten Dritter. Freilich können sich aus den im Text behandelten Absprachen erhebliche mittelbare Auswirkungen auf das Verhältnis Dritter zur Gesellschaft und zu den Mitgesellschaftern ergeben. 537  Das übersieht Drescher, in: MünchKommGmbHG, §  47 Rn.  256. 538  Zöllner, ZHR 155 (1991), 168, 173. Ebenso Lieder, in: Fleischer/Kalss/Vogt (Hrsg.), Aktuelle Entwicklungen, S.  231, 259. 539  BGHZ 48, 163, 173; BGH WM 1989, 1021; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, §  47 Rn.  18; Hüffer/Schürnbrand, in: GK-GmbHG, §  47 Rn.  88; K.Schmidt, in: Scholz, §  47 Rn.  56; Teichmann, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, §  47 Rn.  24, jeweils mit weiteren Nachweisen zum Streitstand. 540  Dies. aaO.

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tung erlaubt.541 Dass die übrigen Vertragsbeteiligten die Möglichkeit haben, das Stimmrecht, vermittelt über das Prozessrecht, auszuüben, indem sie einen Be­ schluss542 nach §  894 Abs.  1 ZPO herbeiführen,543 ist daher kein durchschlagen­ des Argument, die Stimmbindungsvereinbarung als Verfügungsgeschäft bezo­ gen auf das Stimmrecht zu betrachten. Im Ergebnis sind Fraktionsabsprachen, die zusätzlich zu einer schon zuvor bestehenden Stimmbindungsvereinbarung geschlossen werden, wie der Fall des Doppelverkaufs einer Sache zu beurteilen und damit wirksam.

3.  Materielle Satzungsbestandteile und Nebenabreden Anders als lediglich formelle Satzungsbestandteile entfalten materiell wirkende Satzungsklauseln Dritteffekte. Das ist für die Beurteilung des Verhältnisses schuldrechtlicher Nebenabreden zur Satzung von erheblicher Bedeutung. Wie sogleich gezeigt wird, ist die Drittwirkung das entscheidende Lösungskriteri­ um. Als Beispiele dienen als materielle Satzungsbestandteile geregelte Stimm­ bindungsverbote und diesen widersprechende schuldrechtliche Nebenabreden (a]) sowie Widersprüche zu Gewinnverteilungsregeln (b]). a)  Nebenabreden mit Drittwirkung: Widerspruch zu satzungsmäßigen Stimmbindungsverboten Mit Hilfe einer korporationsrechtlich wirkenden Satzungsklausel, die schuld­ rechtliche Stimmbindungsvereinbarungen untersagt, wird eine Inhaltsbestim­ mung des Stimmrechts vorgenommen (aa]). Was dies für Widersprüche zwi­ schen Satzung und Nebenabrede bedeutet, ist allerdings unklar. Einigkeit be­ steht insoweit, dass die Lösung jedenfalls nicht in §  134 BGB liegt.544 Dennoch halten einige Autoren Fraktionsabsprachen (zu diesen unten cc]) im Gegensatz zu Absprachen sämtlicher Gesellschafter (hierzu bb]) für unwirksam.545

541 Stellvertretend

Lackmann, in: Musielak (Hrsg.), ZPO, 11. Auflage 2014, §  894 Rn.  5. ist hier die verfahrensrechtliche Entscheidungsform, nicht der Beschluss im gesellschaftsrechtlichen Sinne. 543 Dass dies in gewissem Widerspruch dazu steht, die vertragswidrige Ausübung des Stimmrechts vollstreckungsrechtlich lediglich über §  890 ZPO zu sanktionieren (dazu Drescher, in: MünchKommGmbHG, §  47 Rn.  252; Hüffer/Schürnbrand, in: GK-GmbHG, §  47 Rn.  88), sei hier nur am Rande erwähnt. Die vollstreckungsrechtlichen Probleme von Stimm­ bindungsvereinbarungen sind hier nicht von Relevanz. 544  Hüffer/Schürnbrand, in: GK-GmbHG, §  47 Rn.  93; Joussen, Gesellschafterabsprachen, S.  101. 545 Für Wirksamkeit in jedem Fall: Hüffer/Schürnbrand, in: GK-GmbHG, §   47 Rn.  93; Joussen, Gesellschafterabsprachen, S.  101; K.Schmidt, in: Scholz, §  47 Rn.  48. Für Unwirk­ samkeit von Fraktionsabsprachen Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S.   135; Zöllner, RWS-Forum 8, S.  89, 100. 542  Gemeint

326 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente aa)  Inhaltsbestimmung durch Rechtsgestaltung Die in der Satzung mit korporativer Wirkung versehene Untersagung des Ab­ schlusses von Stimmbindungsvereinbarungen bestimmt den Inhalt des Mit­ gliedschaftsrechts. Es handelt sich nicht bloß um eine Konkretisierung der ge­ sellschaftsrechtlichen Treuebindung.546 Denn das Stimmrecht entspringt der Mitgliedschaft und ist einer ihrer konkreten Teilinhalte. Der Stimmrechtsaus­ schluss oder, um ein weiteres Beispiel zu nennen, die Vereinbarung von Höchst­ stimmrechten, betrifft anerkanntermaßen die Ausgestaltung der Mitgliedschaft selbst, nicht bloß allgemein die Treuepflicht.547 Das Abspaltungsverbot wird gleichfalls als Bestimmung des Inhalts der Mitgliedschaft und der aus ihr flie­ ßenden Befugnisse begriffen.548 Angesichts der engen funktionalen Nähe von Abspaltung und Stimmbindung549 liegt es näher, in der Untersagung der Stimm­ bindung letztlich eine Ausweitung oder Präzisierung des Abspaltungsverbotes zu sehen.550 Eine derartige Ausgestaltung der mitgliedschaftlichen Rechtsverhältnisse durch korporativ wirkende Stimmbindungsverbote wird für zulässig erach­ tet.551 Die notwendige Ermächtigung, die Verfügbarkeit des Stimmrechts über das Verbot der Übertragung hinaus hinsichtlich der Belastung zu beschränken, folgt für materielle Satzungsregelungen aus §  45 Abs.  1 GmbHG. Damit wird nicht ausgeschlossen, den Abschluss einer schuldrechtlichen Ver­ einbarung entgegen einer Satzungsbestimmung gleichzeitig als einen Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht einzustufen. Die Verletzung der Treuepflicht resultiert allerdings daraus, sich entgegen den gemeinsamen Regeln verhalten zu haben, also nicht aus dem Verstoß in Form der schuldrechtlichen Abrede per se. Hieraus folgen unter Umständen Schadensersatzansprüche.

546 So etwa K.Schmidt, in: Scholz, §   47 Rn.  48. Wohl auch Söntgerath, S.  201. Anders Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S.  135. 547  S.  nur Casper, in: Bork/Schäfer, §   47 Rn.  32; Hüffer/Schürnbrand, in: GK-GmbHG, §  47 Rn.  97; Teichmann, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, §  47 Rn.  21; Zöllner, in: Baumbach/ Hueck, §  47 Rn.  67, jeweils mit weiteren Nachweisen. 548  BGHZ 43, 261, 267; RGZ 139, 224, 228; Raiser, in: GK-GmbHG, §  14 Rn.  45; Reichert/ Weller, in: MünchKommGmbHG, §  14 Rn.  119; Seibt, in: Scholz, §  14 Rn.  39a; Teichmann, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, §  47 Rn.  19. 549  So zu Recht Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S.  150, mit weiteren Nachweisen. 550  Vor diesem Hintergrund ist sogar fraglich, ob nicht im Hinblick auf den Effekt der Stimmbindung die Möglichkeit der Stimmbindung als Ausnahmeregelung in die Satzung auf­ genommen werden müsste. Dies entspräche der Regelungstechnik im Bürgerlichen Gesetz­ buch, s. etwa §  473 S.  1 (keine Übertragbarkeit des Vorkaufsrechts, „sofern nicht ein anderes bestimmt ist“). Dem ist hier nicht weiter nachzugehen. 551  Hüffer/Schürnbrand, in: GK-GmbHG, §  47 Rn.  93; Joussen, Gesellschafterabsprachen, S.  101; K.Schmidt, in: Scholz, §  47 Rn.  48; Zöllner, RWS-Forum 8, S.  89, 99.

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bb)  Allseitig getroffene Nebenabreden Wenn das Stimmrecht nicht mehr tauglicher Belastungsgegenstand sein kann, fehlt den Gesellschaftern die Regelungskompetenz, über das Stimmrecht auf schuldrechtlichem Wege zu verfügen.552 Sie haben sich diese Kompetenz selbst genommen, indem sie das Stimmrecht dem Rechtsverkehr insoweit durch Sat­ zungsregelung entzogen haben. Anders als bei der Abweichung von bloß ­formellen Satzungsregelungen zu Stimmbindungsverboten kann die schuld­ rechtliche Abweichung daher nicht als Aufhebung der Satzungsregelung interpretiert werden. Eine „vertragliche Freistellung von einer mitgliedschaftli­ chen Pflicht“553 ist unmöglich, weil die Anteilseigner die „Freistellung“554 per Schuldvertrag überhaupt nicht mehr zu regeln vermögen.555 Es gelten vielmehr die §§  53 ff. GmbHG. Dem steht auf den ersten Blick der Einwand entgegen, dies sei im Ergebnis nicht mehr als Förmelei. Schließlich könnten die Mitglieder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach §  48 Abs.  2 Alt. 2 GmbHG sogar im Umlauf­ verfahren Beschlüsse fassen.556 Zudem fehle es bei allseitigen Abreden an Dritt­ betroffenheit. Berührt würden von der Untersagung des Abschlusses von Stimmbindungsvereinbarungen nur die derzeit an der Gesellschaft als Mitglied Beteiligten. Wenn diese übereinstimmend auf die Wirkung der Satzungsklausel verzichteten, sei dies lediglich ein stets zulässiger Verzicht auf eine Vergünsti­ gung. Diese bestehe hier darin, sich sicher sein zu können, dass jede Stimme „voll“ zähle und sich kein Gesellschafter einem Abstimmungsblock gegen­ übersehe. (1)  Begründung des Formzwangs Unabhängig davon, wie der Einwand der „bloßen Förmelei“ generell zu ge­ wichten ist,557 sind ihm im konkreten Zusammenhang zwei Argumente entge­ genzuhalten: 552  Ähnlich wohl Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S.  135, der auf einen allgemeinen Grundsatz verweist „daß eine Gesellschaftervereinbarung nicht Satzungsregelungen wider­ sprechen darf, die gerade diesen Sachverhalt abschließend geregelt haben.“ Dieser Aspekt wird übersehen von Söntgerath, S.  202. 553 So Zöllner, RWS-Forum 8, S.  89, 100. 554  In welche dogmatische Kategorie eine „Freistellung“ fällt, ist unklar. Hier wird unter­ stellt, gemeint sei die Aufhebung der mitgliedschaftlichen Pflicht. 555  Zu solchen Grenzen der rechtsgeschäftlichen Gestaltungsmacht A. §  1 II.2. 556 Vgl. Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S.  139. Zur Möglichkeit des Umlaufverfah­ rens statt aller Liebscher, in: MünchKommGmbHG, §  48 Rn.  141. 557  Kritisch etwa in allgemeinerem Zusammenhang Ulmer, FS Röhricht, S.  633, 653; Zöllner, ZHR 155 (1991), 168, 181, der darauf verweist, es müsse „um der Klarheit willen institu­ tionelle Grenzen für die korporationsrechtliche Gestaltung der Mitgliedschaftsrechte“ geben (ganz anders dagegen, ohne Auseinandersetzung mit seiner älteren Bemerkung, Zöllner, RWS-Forum 8, S.  89, 97).

328 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente Erstens haben die Gesellschafter selbst die Regelungsform gewählt, indem sie das Stimmbindungsverbot als materiellen Bestandteil in der Satzung verankert haben. Wenn sie die Möglichkeit einfacher Änderung der Klausel in der Zu­ kunft wünschen, steht ihnen frei, die Regelung als bloß schuldrechtliche im Sat­ zungsdokument niederzulegen oder von vornherein eine Vereinbarung außer­ halb des Satzungstextes zu treffen. Zweitens stehen durchaus die Interessen Dritter im Raum, nämlich die Inter­ essen zukünftiger Gesellschafter. Diese gehen nach dem Stand der Handelsre­ gisterunterlagen davon aus, sich im Unterschied zum „regellosen“ Normalfall an einer Gesellschaft zu beteiligen, in der es gerade keine Stimmbindungsver­ träge gibt. Da die abweichende schuldrechtliche Abrede jedenfalls herkömmli­ cher Ansicht nach nicht unter den Registerzwang fällt558 und damit nicht öf­ fentlich zugänglich ist, hat ein Eintrittswilliger keine Möglichkeit, sich über die Stimmverhältnisse in der Gesellschaft zu informieren, wenn die derzeitigen Gesellschafter nicht von sich aus den Vertrag offenlegen. Ein Anlass zu fragen besteht angesichts der Satzungsregelung eher nicht. Gerade der Schutz zukünf­ tiger Gesellschafter vor Überraschungen hinsichtlich der wahren Verhältnisse der Gesellschaft ist ein Grund für die Satzungspflichtigkeit wesentlicher Rege­ lungsgegenstände und vor allem für den Grundsatz der Satzungspublizität. (2)  Materielle Satzungsbestimmungen und Vertrauensschutz Gegen das bislang Dargestellte liegt der Einwand nahe, bei formellen Satzungs­ bestandteilen dürfe ein Dritter gleichfalls nicht auf ihren Bestand vertrauen, obwohl diese Regelungen aufgrund der Satzungspublizität für ihn einsehbar seien. Er könne also vom Bestand einer Gesellschaftervereinbarung entgegen einer im Satzungsdokument enthaltenen Bestimmung ebenfalls überrascht wer­ den. Zu überzeugen vermag dies nicht: Träfe das Argument zu, entfiele die Legitimation des Grundsatzes der Sat­ zungspublizität, weil es sich prinzipiell auf sämtliche Regelungsgegenstände des Gesellschafterinnenverhältnisses erstrecken ließe. Dürften die Gesellschafter ihre Innenbeziehungen mittels einstimmig getroffener schuldrechtlicher Ver­ einbarung ohne Beurkundung und Handelsregistereintragung regeln, wäre die Konsequenz, den Schutz zukünftiger Gesellschafter von der Satzungspublizität auszunehmen. Schließlich müssten die Neugesellschafter, vom notwendigen Satzungsinhalt abgesehen, immer davon ausgehen, die von ihnen eingesehene Regelung sei infolge einer Änderung unwirksam.

558 

Zu schuldrechtlichen Zuzahlungspflichten unten 4. Teil C.

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(3)  Bedeutung der Satzungspublizität Auf die nur schwierig durchführbare Abgrenzung von materiellen und formel­ len Satzungsbestandteilen zu verweisen, überzeugt zudem aus prinzipiellen Gründen nicht. Wer, wie die wohl allgemeine Ansicht in Deutschland, Sat­ zungspublizität für eine tragende Säule des Kapitalgesellschaftsrechts hält, müsste in der Konsequenz dafür plädieren, lediglich schuldrechtlich wirkende Bestimmungen überhaupt nicht zum Inhalt des Satzungsdokuments machen zu können. Nur diese – zugegebenermaßen radikale – Lösung ermöglichte eine stringente Umsetzung der mit der Satzungspublizität verbundenen Vorstellung des Schutzes Dritter. Denn allein ein um bloß schuldrechtlich wirkende Klau­ seln bereinigtes Satzungsdokument garantierte, dass ein Dritter als Vorausset­ zung für die Satzungsinterpretation im engeren Sinne, das heißt der Auslegung der materiellen Bestimmungen, die ihn ohne seine ausdrückliche Zustimmung bereits ab Erwerb eines Anteils binden, nicht erst überlegen müsste, welche Be­ stimmungen diese Wirkung überhaupt entfalten. Anders gewendet: Der Dritte kann sich gerade nicht darauf verlassen, dass eine ihm durch Einsichtnahme bekannte Bestimmung nach Anteilserwerb fortbesteht oder bei Eintritt über­ haupt gilt.559 Auf einer vergleichbaren Linie hat der Bundesgerichtshof argumentiert, als er urteilte, von der Satzung abweichende, für die Gesellschaftsorganisation rele­ vante Regelungen durch Beschluss seien „ohne Einhaltung der für eine Sat­ zungsänderung geltenden Formvorschriften auch dann unwirksam, wenn die­ ser Zustand auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt ist.“560 Dauerwirkung entfaltende Abweichungen von der Satzung berührten „auch den Rechtsver­ kehr einschließlich etwaiger später eintretender Gesellschafter.“561 Seinem Schutz diene die Registerpublizität. Gebe die Satzungsurkunde den materiellen Satzungsinhalt nicht korrekt wieder, werde „der Rechtsverkehr über die Ver­ hältnisse der Gesellschaft entgegen dem mit der Registerpublizität verfolgten Zweck unzutreffend informiert.“562 Die Alternative bestünde darin, sämtliche Änderungen formeller Bestandtei­ le dem Registerzwang zu unterwerfen.563 Das allerdings wird, soweit ersicht­ lich, nicht vertreten564 und ist angesichts der gesetzlichen Ausgangslage nicht weiterzuverfolgen. 559  Sie könnte bereits durch Schuldvertrag außerhalb des Satzungsdokuments abbedungen worden sein. 560  BGHZ 123, 15, 19, unter Verweis auf Priester, ZHR 151 (1987), 40, 52, 55 f. 561  BGHZ 123, 15, 19. 562  BGHZ 123, 15, 19. Zuvor schon Priester, ZHR 151 (1987), 40, 55 f. 563  Diese Frage ist von derjenigen abzugrenzen, ob bei Zweifeln an der Wirksamkeit einer Kapitalmaßnahme zur Aufklärung des Sachverhaltes die Vorlage schuldrechtlicher Verwen­ dungsabreden an das Registergericht verlangt werden kann (in diesem Sinne BayObLG AG 2002, 510). 564  Nur erwogen von M.Winter, ZHR 154 (1990), 259, 282, für den Fall, dass die satzungs­

330 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente (4)  Wandel zur Fraktionsabsprache Schließlich stellt sich noch ein Problem: Mit dem Beitritt eines neuen Gesell­ schafters wird die ehemals allseitig getroffene Abrede zur Fraktionsabsprache, wenn die übrigen Mitglieder nicht die Aufnahme des Neuen von seiner Zustim­ mung zum Stimmbindungsvertrag abhängig machen. Jedenfalls diejenigen, die Fraktionsabsprachen für unzulässig halten, müssten zu dem Ergebnis gelangen, die bis zum Eintritt des neuen Anteilseigners ihres Erachtens legale allseitige Vereinbarung nunmehr für unwirksam zu erklären, wenn er ihr nicht spätes­ tens im Zeitpunkt des Erwerbs der Mitgliedschaft zugestimmt hat. Woraus sich diese Rechtsfolge dogmatisch ergeben soll, ist allerdings unklar. cc) Fraktionsabsprachen Von der hier eingenommenen Warte aus sind schuldrechtliche Fraktionsabspra­ chen, die im Widerspruch zu materiellen Satzungsbestimmungen stehen, erst recht unwirksam.565 Wenn schon die Gesellschaftergesamtheit keine einstim­ mige schuldrechtliche Regelung zu treffen vermag, muss dies gleichfalls für Ab­ sprachen gelten, die nur einige Gesellschafter getroffen haben. b)  Nebenabreden ohne Drittwirkung: Widerspruch zu Gewinnverteilungsregeln In der Praxis treffen die Beteiligten auf Verlangen von Investoren nicht selten Absprachen zur Gewinnverteilung, die von der gesetzlichen Grundregel und Satzungsvorgaben abweichen. Ein Beispiel hierfür sind disquotale Gewinnver­ teilungsabreden, die einem Kapitalgeber das Recht einräumen, über seine Betei­ ligungsquote hinaus Gewinne zu vereinnahmen. An dieser Stelle geht es nicht um die Gestaltungshintergründe und die diffizilen gesellschafts- und bilanz­ rechtlichen Fragen, die mit solchen Vereinbarungen verbunden sind. Deren Er­ örterung findet im vierten Teil statt.566 Gegenstand der folgenden Ausführun­ gen ist allein die in diesem Abschnitt im Vordergrund stehende Grundsatzpro­ blematik. Zwei Konstellationen lassen sich unterscheiden: Schuldrechtliche Gewinn­ verteilungsabreden, die von einer ausdrücklichen materiellen Satzungsregelung abweichen (aa]), und solche, die für die Beteiligten den gesetzlichen Verteilungs­

mäßige Verweisung auf schuldrechtliche Nebenabreden für zulässig gehalten werden sollte. Zur Reichweite der Offenlegungspflicht im Kontext des Gläubigerschutzes Priester, FS Claussen, S.  319, 330. 565  Für die Unwirksamkeit von Fraktionsabsprachen auch Söntgerath, S.  202 (unter frag­ würdiger Berufung auf §  138 BGB); Zöllner, RWS-Forum 8, S.  89, 100 (ohne dogmatische Begründung). 566  4. Teil A. §  1 III.

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schlüssel modifizieren, ohne dass dieser explizit Niederschlag in der Satzung gefunden hätte (bb]). aa)  Ausdrückliche Satzungsregelung zur Gewinnverteilung Enthält die Satzung eine ausdrückliche Regelung zur Gewinnverteilung und weichen die oder einige Mitglieder in einer schuldrechtlichen Vereinbarung hiervon ab, ergeben sich keine Dritteffekte. Das folgt aus einer einfachen Kon­ troll­überlegung: Über den Gewinnauszahlungsanspruch können die Gesell­ schafter frei verfügen.567 Es bestehen also keine Bedenken, wenn die Mitglieder nach der Entstehung des Gewinnauszahlungsanspruchs Vereinbarungen über das Schicksal ihres Rechts treffen.568 Drittinteressen werden hiervon nicht be­ rührt. Daran ändert sich nichts, sofern der Vertragsschluss vorher stattfindet und sich auf die Gewinnverwendung bezieht. Es geht allein um die – potenziel­ len – Ansprüche der an der Nebenabrede Beteiligten. bb)  Keine ausdrückliche Satzungsregelung zur Gewinnverteilung Enthält die Satzung keine ausdrückliche Regelung zur Gewinnverteilung, gilt die gesetzliche Grundregel. Abweichungen hiervon in Nebenabreden stehen daher nicht im Widerspruch zur Satzung, sondern zum Gesetz.569 Gründe ge­ gen die Wirksamkeit von Gewinnverteilungsabreden in Schuldverträgen gibt es keine. Sie erzeugen keine Drittwirkung, sonstige Gesichtspunkte, die gegen ihre Wirksamkeit sprächen, sind nicht ersichtlich.570

III. Ergebnisse Schuldrechtliche Nebenabreden, die formelle Satzungsbestandteile betreffen, sind wirksam. Allseitig geschlossene Verträge heben die im Satzungsdokument niedergelegten Bestimmungen auf. Fraktionsabsprachen sind gleichfalls gültig und enthalten eine weitere schuldrechtliche Abrede der an ihr Beteiligten. Schuldrechtliche Nebenabreden, die im Widerspruch zu in der Satzung ge­ troffenen korporativen Regelungen stehen, insbesondere solche, die den Ab­ schluss von Stimmbindungsvereinbarungen untersagen, sind unwirksam, so­ fern sie satzungsgleich wirken, also Dritteffekte entfalten. Den Gesellschaftern fehlt in solchen Fällen die Kompetenz, Regelungen anders als im Wege einer Satzungsänderung zu schaffen.

567  Drygala, in: KK-AktG, §   58 Rn.   135; Ekkenga, in: MünchKommGmbHG, §   29 Rn.  118 ff. 568  Koch, AG 2015, 213, 219 f. (für die Aktiengesellschaft). 569  So auch der Ausgangspunkt von Koch, AG 2015, 213, 218. 570  Für die Aktiengesellschaft ebenso Koch, AG 2015, 213, 218 f.

332 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente

§  2  Rückwirkungen schuldrechtlicher Abreden auf die Auslegung von Satzung und Gesetz Nach der These von der Verbandsordnung im weiteren Sinne, die Gesetz, Sat­ zung und schuldrechtliche Nebenabrede als Einheit begreift, werden die Ver­ hältnisse der Gesellschaft nicht nur „von oben nach unten“, das heißt vom Ge­ setz hin zur Nebenabrede geprägt, sondern auch „von unten nach oben“, indem der schuldrechtlichen Gesellschaftervereinbarung in bestimmtem Umfang Wirkung für die Auslegung gesetzlicher und satzungsmäßiger Vorgaben zuge­ billigt wird. Dies gilt insbesondere hinsichtlich zweier Aspekte:571 (i) Die Auslegung der Satzung soll nicht, wie von der herrschenden Meinung gefordert,572 allein nach objektiven Maßstäben, das heißt ausschließlich auf­ grund der zum Handelsregister eingereichten und daher allgemein zugäng­ lichen Unterlagen, durchgeführt werden, sondern darüber hinaus schuld­ rechtliche Nebenabreden einbeziehen.573 (ii) Schuldrechtliche Nebenabreden sollen, wiederum anders als die herrschen­ de Ansicht meint,574 dazu dienen können, Inhalt und Reichweite gesell­ schaftsrechtlicher Treuepflichten näher zu bestimmen.575 Dem haben sich nicht wenige Autoren angeschlossen, die dem Grunde nach an der Trennungstheorie festhalten.576 Angesichts dieser „Konvergenzen“ von Einheits- und Trennungsdenken577 werden beide Ansichten zur Klärung der genannten Sachfragen gemeinsam diskutiert. Da (nur) diese für das Thema der Arbeit im Hinblick auf die Möglichkeit der freien Gestaltung der Verhältnisse 571 Instruktive Darstellung zu den sachlichen Unterschieden von Trennungs- und Ein­ heitstheorie schon bei Ulmer, FS Röhricht, S.  633, 650 f. 572  Für diese herrschende Meinung im GmbH-Recht: BGHZ 142, 116, 125; BGHZ 116, 359, 366; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, §  2 Rn.  13; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, §  2 Rn.  29; Lieder, in: Fleischer/Kalss/Vogt (Hrsg.), Aktuelle Entwicklungen, S.  231, 252; Ulmer, NJW 1987, 1849, 1851; Ulmer/Löbbe, in: GK-GmbHG, §  3 Rn.  131; Wicke, in: MünchKomm­ GmbHG, §  3 Rn.  145. Zur Aktiengesellschaft: Dittert, S.  259; Hüffer/Koch, §  23 Rn.  47; Pentz, in: MünchKommAktG, §  23 Rn.  192; Seibt, in: Lutter/Schmidt, §  23 Rn.  68. Allgemein etwa K.Schmidt, GesR, §  5 I.4.b) (S.  9 0), der aber für abweichende Einzelfallregelungen Ausnah­ men zulassen will. Grundsätzlich auch Lutter, AcP 180 (1980), 84, 95 f., mit Relativierung auf 96 für die Zwei-Mann-AG. Für eine „modifizierte Trennungstheorie“ plädiert Priester, FS Claussen, S.  319, 335. 573  Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S.  8 0 ff.; Westermann, Satzung und Nebenord­ nungen, S.  43 ff.; Zetzsche, NZG 2002, 942, 946; Zöllner, RWS-Forum 8, S.  89, 105 ff. 574  Nachweise in Fußnote 563. 575  Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S.  162 ff.; Westermann, Satzung und Nebenord­ nungen, S.  49 ff.; Zöllner, RWS-Forum 8, S.  89, 107 ff. Grundsätzlich offen hierfür auch Lieder, in: Fleischer/Kalss/Vogt (Hrsg.), Aktuelle Entwicklungen, S.  231, 253; Wicke, in: Münch­ KommGmbHG, §  3 Rn.  146. 576  Nachweise folgen im Verlaufe des Textes. 577  Ulmer, FS Röhricht, S.  633, 651.

C.  Einheit und Vielheit der Verbandsordnung

333

in der Gesellschaft von Bedeutung sind, bedarf es keiner umfassenden Ausein­ andersetzung mit der Theorie von der Verbandsordnung im weiteren Sinne. Zwar beschränken die meisten Befürworter der Durchbrechung der Ebenen „von unten nach oben“ die Geltung ihrer Argumente auf Einzelfallregelungen und halten auf Dauer angelegte Veränderungen für satzungspflichtig.578 Doch gehen einige Vertreter der Einheitsthese darüber hinaus und wollen sogar auf andauernde Wirkung angelegte allseitige schuldrechtliche Vereinbarungen zu­ lassen.579 Da sich diese Arbeit nur mit dieser zuletzt genannten Form von Ne­ benabreden beschäftigt, bleiben im Folgenden Einzelfallregelungen außer Be­ tracht, handele es sich um schuldrechtliche Vereinbarungen oder um sogenann­ te satzungsdurchbrechende Beschlüsse.

I. Begründungsansätze Ausgangspunkt der Debatte um die Auswirkungen omnilateraler Abreden sind im gegebenen Zusammenhang zwei Judikate des Bundesgerichtshofes zur Be­ schlussanfechtung.580 In der „Kerbnägel“-Entscheidung urteilte das Gericht, eine einverständliche Regelung aller Gesellschafter sei „– auch ohne Bestandteil der Satzung zu sein – zumindest solange zugleich als eine solche der Gesell­ schaft zu behandeln, als dieser nur die aus der Abrede Verpflichteten angehö­ ren.“581 Unter Rekurs auf die Prozessökonomie hielt der zweite Senat eine Be­ schlussmängelklage gegen die Gesellschaft für möglich, um nicht den „vertrags­ widrig überstimmten Gesellschafter auf den umständlichen Weg einer Klage gegen die Mitgesellschafter“ verweisen zu müssen.582 Bestätigung fand diese Entscheidung in einem Urteil aus dem Jahr 1987.583 Der Bundesgerichtshof be­ tonte in beiden Fällen, ein Verstoß gegen die Satzung oder gegen die Treue­ pflicht sei nicht gegeben.584 In einer Entscheidung aus dem Jahr 2010 hob der zweite Senat hervor, in Ab­ weichung zur Satzungsbestimmung getroffene schuldrechtliche Vereinbarun­ 578 Etwa Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S.  142, 166; Karsten Schmidt, in: Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 1988/1989, 1989, S.  147; anders aber ders., GesR, §  5 I.5. (S.  95): Rückwirkung auch bei dauerhaften schuldrechtlichen Bindungen. 579 Insbesondere Westermann, Satzung und Nebenordnungen, S.  39 ff.; Zöllner, RWS-Fo­ rum 8, S.  89, 104. S.  auch K.Schmidt, GesR, §  5 I.5. (S.  95). 580  Dass diese Entscheidungen heute wohl so nicht gefällt würden (s. Goette, RWS-Forum 8, S.  113, 119 f., zum Verhältnis der späteren Entscheidung BGHZ 123, 15, zu den beiden älte­ ren Urteilen), ist hier nicht relevant (vgl. auch Dittert, S.  254 ff., der meint, die alte Rechtspre­ chung sei nicht aufgegeben worden). Denn dieser Umstand ändert nichts daran, dass die älte­ ren Judikate Ausgangspunkt der Diskussion sind. 581  BGH NJW 1983, 1910. 582  BGH NJW 1983, 1910. 583  BGH NJW 1987, 1890. 584  BGH NJW 1983, 1910; BGH NJW 1987, 1890, 1891. Übernommen unter (alleiniger) Berufung auf die Prozessökonomie von OLG Hamm NZG 2000, 1036, 1037.

334 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente gen bänden grundsätzlich nur die Vertragsparteien585 und unterstrich so impli­ zit das Trennungsprinzip. Dass der Senat im Ergebnis trotzdem die schuld­ rechtliche Vereinbarung nutzte, einem Gesellschafter ein nach der Satzung zustehendes Recht zu verwehren, erklärt sich aus den Besonderheiten des Fal­ les. Im Kern ging es insoweit um einen Verstoß gegen das Verbot widersprüch­ lichen Verhaltens.586 Ein Übergang zur Lehre von der Verbandsordnung im weiteren Sinne lässt sich dem nicht entnehmen.587 Die Prozessökonomie wird zwar auch in der wissenschaftlichen Diskussion als Argument herangezogen.588 Einige Autoren begründen das vom Gericht er­ zielte Ergebnis aber ergänzend mit dem dogmatischen Argument, es handele sich bei allseitigen Abreden um eine Konkretisierung der Treuepflichten inner­ halb des Satzungszwecks.589 Diesen Weg beschreiten auch diejenigen, die Regelungen für zulässig halten, welche zeitlich andauernde Wirkung aufweisen.590 Selbst bei Eingriffen in die Kompetenzordnung sei die schuldrechtliche Abweichung von der Satzung un­ bedenklich, wenn Einstimmigkeit vorliege. Die Minderheit würde nicht in ih­ ren Rechten beeinträchtigt.591 Dass die herrschende Meinung den Grundsatz der objektiven Satzungsauslegung damit begründet, die materiellen Regelungen des Gesellschaftsvertrages müssten einheitlich für alle gegenwärtigen und zu­ künftigen Gesellschafter und Gläubiger gelten, wird als „schlichte Behaup­ tung“ bezeichnet, die ihrerseits begründungsbedürftig sei.592

585 

BGH NJW 2010, 3718, 3719 Tz 8. Lieder, in: Fleischer/Kalss/Vogt (Hrsg.), Aktuelle Entwicklungen, S.  231, 255 f. 587  Dafür spricht zum einen, dass der Bundesgerichtshof (NJW 2010, 3718, 3619 Tz 8) die Trennungstheorie unterstrich und (aaO. in Tz 10) das venire-Verbot als Argumentationsan­ satz hervorhob. 588 Etwa Karsten Schmidt, in: Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 1988/1989, 1989, S.  146; Westermann, Satzung und Nebenordnung, S.  41; Zöllner, RWS-Forum 8, S.  89, 110. Ablehnend Goette, RWS-Forum 8, S.  113, 127 f.; Ulmer, FS Röhricht, S.  633, 652 f.; Winter, Mitgliedschaftliche Treubindungen, S.  46 ff., 51 f. Umfassende Nachweise zum Streitstand bei J.Mayer, in: MünchKommGmbHG, §  2 Rn.  150 ff. 589  Karsten Schmidt, in: Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 1988/1989, 1989, S.  146. Zustimmend Hoffmann-Becking, ZGR 1994, 442, 458 f. Ebenso Baumann/Reiß, ZGR 1989, 157, 214 f.; Zöllner, RWS-Forum 8, S.  89, 109 f. Mit der Treuepflichtlösung sympathisierend Westermann, Satzung und Nebenordnung, S.  50. Allgemein, das heißt nicht unmittelbar auf Treuepflichten bezogen, Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S.  142 f. 590  Hoffmann-Becking, ZGR 1994, 442, 458 f.; Westermann, Satzung und Nebenordnun­ gen, S.  39, 43 ff.; Zöllner, RWS-Forum 8, S.  89, 109 f. 591  Zöllner, RWS-Forum 8, S.  89, 104. 592  Grunewald, ZGR 1995, 68, 87. 586 Überzeugend

C.  Einheit und Vielheit der Verbandsordnung

335

II.  Kritische Würdigung Bevor die eben genannten Argumente noch einmal auf ihre Tragfähigkeit hin überprüft werden, erscheint es sinnvoll, sich vor Augen zu führen, welches dog­ matische Problem zu bearbeiten ist: Es geht darum zu untersuchen, ob den Ge­ sellschaftern in ihrer Gesamtheit die Möglichkeit zusteht, Regeln außerhalb der Satzung zu treffen, die Gegenstände tangieren, die den gesetzlichen Grundla­ gen nach entweder notwendig materieller Satzungsinhalt sind oder von den Ge­ sellschaftern selbst zum materiellen Satzungsinhalt erklärt wurden. Insbesondere hinsichtlich der zuerst genannten Inhalte gilt prinzipiell, dass sie als Basiskonstituenten der Gesellschaft – man denke nur an das organisati­ onsrechtliche Gefüge – in der Satzung zu regeln sind.593 Mit Blick auf schuld­ rechtliche Vereinbarungen formuliert: Das Gesetz räumt den Gesellschaftern bezogen auf diese Gegenstände rechtliche Gestaltungsmacht ein, indem es ih­ nen die Satzung als spezielles Gestaltungsmittel zur Verfügung stellt. Die Kehr­ seite der Medaille besteht darin, dass für eine – bloß – schuldvertragliche Abre­ de jedenfalls grundsätzlich keine rechtliche Gestaltungsmacht existiert.594 Das führt zu der Frage, ob die oben dargestellten Argumente für die Regelbarkeit solcher Angelegenheiten außerhalb der Satzung ausreichen, den Gesellschaftern trotz fehlender ausdrücklicher gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage doch Ge­ staltungsmacht zuzusprechen. Die Argumente werden zunächst mit Blick auf die Gesellschaft mit be­ schränkter Haftung diskutiert, da diese im Mittelpunkt der Diskussion steht. Die Aktiengesellschaft erfährt unter 4. eine eigene Würdigung.

1.  Prozessökonomie als Argument Insbesondere der Bundesgerichtshof stützt sich für seine Rechtsprechung auf die Prozessökonomie.595 Der für das Urteil aus dem Jahr 1987 verantwortliche Senatsvorsitzende erklärte später, dieser Gesichtspunkt sei das „tragende Ele­ ment“ der Judikatur.596 Bei der Berufung auf „Prozessökonomie“ handelt es sich allerdings nicht um mehr als ein phrasenartiges „Globalargument“.597 Sein konkreter Inhalt, seine normative Verankerung und seine verfassungsrechtliche Zulässigkeit sind un­

593 

Näher dazu oben A. §  1 II.2.b). §  1 II.2. Im gegebenen besonderen Zusammenhang M.Winter, Mitgliedschaftli­ che Treuebindungen, S.  51. 595  BGH NJW 1983, 1910; BGH NJW 1987, 1890, 1891. Übernommen unter (alleiniger) Berufung auf die Prozessökonomie von OLG Hamm NZG 2000, 1036, 1037. 596  Alfred Kellermann, in: Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 1988/1989, 1989, S.  146. S.  auch Goette, RWS-Forum 8, S.  113, 127. 597  Pflughaupt, Prozessökonomie, S.  352. 594  Oben

336 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente klar.598 Zwar mag das Gebot der Prozessökonomie, versteht man es als verfas­ sungsrechtliches Prinzip, bei der Gesetzesauslegung zu berücksichtigen sein.599 Doch kann die Umsetzung mit Blick auf die Einschätzungsprärogative der Le­ gislative grundsätzlich nur innerhalb der von den einfach-rechtlichen Vor­ schriften vorgegebenen Rahmenbedingungen stattfinden. Unter Berufung auf einen Verstoß gegen das Gebot der „Prozessökonomie“ einer Norm ihre Wirk­ samkeit zu nehmen, bedürfte ganz erheblicher negativer Auswirkungen dieser Vorschrift, die angesichts der erheblichen verfassungsrechtlichen Hürden die Unzumutbarkeitsschwelle überschreiten müssten. Dass ein Prozess ohne An­ wendung des fraglichen Gesetzes schneller zur Entscheidung führte, ist kein valides Argument. 600 Die verfassungskonforme Interpretation bestehender Vorschriften mit Rücksicht auf ein – unterstelltes – Gebot der Prozessökonomie darf daher allenfalls dazu führen, bei der Normauslegung zu beachten, dass die Entscheidungsfindung mit den vom einfach-rechtlichen Gesetzgeber zur Verfü­ gung gestellten Mitteln möglichst beschleunigt wird. Im Regelfall dürfen dem­ nach einfache Gesetze nicht vom Richter als Ersatzgesetzgeber unter Zuhilfe­ nahme einer prozessökonomisch orientierten Argumentation derogiert wer­ den. 601 So verweist die Literatur, unabhängig davon, wie sie zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Sachen Beschlussmängelklage steht, zu Recht auf die Notwendigkeit eines „Sachargument[s].“602 Das Schlagwort von der Prozes­ sökonomie vermag die gewünschte Wirkung der schuldrechtlichen Nebenabre­ den nicht zu begründen. Im Übrigen ist fraglich, ob die alte Rechtsprechung tatsächlich „prozessöko­ nomisch“ in dem Sinne ist, dass sie erhebliche Vorteile gegenüber der vom Bun­ desgerichtshof verworfenen Austragung des Streits allein im Verhältnis der an der Nebenabrede beteiligten Gesellschafter untereinander mit sich bringt. Denn die Gesellschafter haben es selbst in der Hand, den einfacheren Weg für Rechtsstreitigkeiten zu eröffnen, indem sie die betroffene Regelung von vornhe­ rein per Satzungsänderung vornehmen. Tun sie das nicht, sind sie nicht schutzwürdig. 603 Außerdem verfügt der Geschäftsführer der beklagten Gesell­ 598  Im Einzelnen Pflughaupt, Prozessökonomie, S.  31 ff. (Begriff), 135 ff. (normative Ver­ ankerung), 302 ff. (Relevanz für Gesetzesanwendung). 599  Pflughaupt, Prozessökonomie, S.  302. 600  Vgl. zum effektiven Rechtsschutz und zum Beschleunigungsgebot Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Art.  19 Abs.  4 Rn.  262. 601  Pflughaupt, Prozessökonomie, S.  305 ff. (für Vorschriften des Prozessrechts); Söntgerath, S.  403. Das Problem stellt sich bei der Auslegung des materiellen Rechts in gleicher Art und Weise, Pflughaupt aaO., S.  304. 602  So aus der Riege der Befürworter etwa Karsten Schmidt, in: Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 1988/1989, 1989, S.  146; Zöllner, RWS-Forum 8, S.  89, 110. Aus kritischer Per­ spektive Dittert, S.  267; Söntgerath, S.  403; Ulmer, FS Röhricht, S.  633, 652 f. 603  Goette, RWS-Forum 8, S.  113, 127; Hüffer/Schürnbrand, in: GK-GmbHG, §  47 Rn.  92; Wicke, in: MünchKommGmbHG, §  3 Rn.  147.

C.  Einheit und Vielheit der Verbandsordnung

337

schaft möglicherweise überhaupt nicht über die notwendigen Informationen für die Prozessführung. 604

2.  Dogmatische Tragfähigkeit des Treuepflichtansatzes Grundsätzlich spricht nichts dagegen, wenn die Gesellschafter Inhalt und Reichweite der Treuepflichten in der Satzung eigenständig ausfüllen, wenn sie diese Pflichten nicht abschaffen. 605 Mit dem Hinweis darauf, die Kapitalgesell­ schaft sei als juristische Person von einem Mitgliederwechsel unabhängig und bar eines „personenrechtlichen Elements“, den Gesellschafterwillen für irrele­ vant zu erklären,606 vermag kaum zu überzeugen. Denn zum einen wird der Zweck der Gesellschaft durch ihre Mitglieder bestimmt. 607 Zum anderen bleibt die Korporation in ihrer Existenz zwar vom Wechsel der Anteilseigner unbe­ rührt. Sie ist jedoch in ihrer Existenz nicht unabhängig vom Willen der Anteils­ eigner: So können diese ohne Notwendigkeit einer Rechtfertigung anderen ge­ genüber die Auflösung der Gesellschaft beschließen, §  60 Abs.  1 Nr.  2 GmbHG und §  262 Abs.  1 Nr.  2 AktG. Der Minderheitenschutz bietet bei allseitiger Zu­ stimmung in der Tat keine Grundlage für einen Einwand.608 a)  Notwendigkeit des Drittschutzes Doch wird bei der Befürwortung der Regelungsmöglichkeit auf schuldrechtli­ cher Ebene nicht ausreichend berücksichtigt, dass es eben nicht nur um die Ge­ sellschafter – soll heißen: sämtliche gegenwärtige Anteilseigner – geht. Bei Maß­ nahmen, die sich nicht in einer punktuellen Regelung erschöpfen, sondern die auf Dauer wirken, ist der Schutz Dritter, insbesondere der Schutz zukünftiger Gesellschafter und der Gläubiger, ein wichtiger Gesichtspunkt. 609 Dieser As­ 604 

M.Winter, ZHR 154 (1990), 259, 274; ders., Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S.  52. Zur Unabdingbarkeit der Treuepflicht 3. Teil B. §  3 V. 606  Dittert, S.  261; Goette, RWS-Forum 8, S.  113, 125, 126; ähnlich Söntgerath, S.  393; Ulmer, NJW 1987, 1849, 1850. Für den Verein deutlich BGHZ 47, 172, 180, wonach „Gründer­ wille und -interessen“ zurücktreten und dafür „Vereinszweck und die Mitgliedsinteressen“ an „rechtsgestaltende[r] Kraft“ gewinnen sollen. 607 Insofern überzeugt der Ansatzpunkt der Befürworter der Treuepflichtlösung, etwa Ehricke, S.  29 ff.; Hoffmann-Becking, ZGR 1994, 442, 458; Lieder, in: Fleischer/Kalss/Vogt (Hrsg.), Aktuelle Entwicklungen, S.  231, 253; K.Schmidt, in: Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 1988/1989, 1989, S.  146. 608  Auf den Minderheitenschutz stellen ab Söntgerath, S.  392; Zöllner, RWS-Forum 8, S.  89, 104. 609  Das hat bereits der Bundesgerichtshof zu Beschlüssen betont, die in das Organisations­ gefüge eingreifen, BGHZ 123, 15, 19; ebenso Wicke, in: MünchKommGmbHG, §  3 Rn.  144. M.Winter, ZHR 154 (1990), 259, 271, weist zusätzlich auf den Fremdgeschäftsführer hin, der unter Umständen gefährdet sei. Kritisch zur Abgrenzung von „punktuellen“ von „zustands­ begründenden“ satzungsdurchbrechenden Beschlüssen Habersack, ZGR 1994, 354, 362 ff. Dieser Frage ist hier nicht weiter nachzugehen. Das gilt auch deshalb, weil die alten Entschei­ 605 

338 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente pekt ist einer der tragenden Gründe für die Satzungspflichtigkeit strukturent­ scheidender Regelungen. 610 Die Argumentationslast liegt insoweit bei den Befürwortern des Treue­ pflichtansatzes. Sie müssen belegen, wieso zukünftige Gesellschafter oder Gläubiger, die sich etwa hinsichtlich der Vermögensbindung der Gesellschaft im weiteren Sinne611 anhand der Satzung informieren wollen, ob die gegenwär­ tigen Mitglieder besondere Regeln aufgestellt haben, nicht schutzwürdig sind.612 b)  Bedeutung der Satzungspublizität Ob „realistischerweise“ der tatsächliche Wert der Publizität gering ist, weil die Gläubigerschutzvorschriften zwingend wirken613 und lediglich formelle Sat­ zungsbestandteile für die Gläubiger ebenfalls von hohem Interesse sein kön­ nen,614 ist bei Zugrundelegung des geltenden Systems nicht wesentlich. Wären diese – nicht von der Hand zu weisenden – praktischen Gesichtspunkte ein zu­ lässiges Argument, würden die Grundsätze der Satzungspflichtigkeit und Sat­ zungspublizität in Frage gestellt. 615 Mit Blick auf die erhebliche Tragweite dieses Vorgehens ist dies jedoch ein Unterfangen, das allein dem Gesetzgeber obliegt. c)  Schicksal allseitiger Gesellschaftervereinbarungen Zusätzlich stellt sich das Problem, auf das oben schon im Zusammenhang mit der Satzung widersprechenden Regelungen hingewiesen wurde:616 Welches Schicksal erleidet die allseitige Gesellschafterabsprache, wenn ein neuer Gesell­ schafter hinzutritt, ohne sich an die Abrede zu binden? Das mag zwar eher sel­ ten der Fall sein, schon weil Mitgliederwechsel bei geschlossenen Gesellschaf­ ten nicht die Regel sind. 617 Doch ausgeschlossen ist das nicht. In dieser Situation müsste die Wirkung der schuldrechtlichen Vereinbarung auf korporativer Ebe­ ne auch nach den hier kritisierten Autoren enden, weil die omnilaterale Abspra­

dungen des Bundesgerichtshofes, die überhaupt erst Anlass für diese Unterscheidung bieten, vom Gericht selbst wohl nicht mehr als maßgeblich erachtet werden. Siehe dazu den Nachweis in Fußnote 580. 610  Zur Ratio Legis der Satzungspublizität BGHZ 123, 15, 19; Priester, FS Claussen, S.  319, 327 f. 611 Etwa hinsichtlich der Möglichkeit der Ausnutzung von Geschäftschancen oder der Reichweite von Wettbewerbsverboten. 612  Anders der Ausgangspunkt von Ehricke, S.  32; Grunewald, ZGR 1995, 68, 87, der aber aus den im Text genannten Gründen nicht überzeugt. 613 So Westermann, Satzung und Nebenordnungen, S.  40. 614  So etwa Grunewald, ZGR 1995, 68, 89. 615  Vgl. bereits oben §  1 II.3.a)bb)(3). 616  Oben §  1 II.3.a)bb)(4). 617  In diese Richtung Westermann, Satzung und Nebenordnungen, S.  45.

C.  Einheit und Vielheit der Verbandsordnung

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che zur Fraktionsvereinbarung degenerierte. 618 Das ist dogmatisch kaum zu begründen. Tritt das Neumitglied wieder aus, bleibt aber der Gesellschafterbestand an­ sonsten unverändert, müsste zudem die „alte“ Vereinbarung selbst dann wieder für die Treuepflichteninterpretation verbindlich werden, wenn sie zwischen­ zeitlich – bei fehlender Bindung des Neumitglieds – nicht mehr maßgeblich war. Dieses Hin- und Herschwanken von Verbindlichkeit und Unverbindlichkeit der Nebenabrede ist weder unter praktischen Gesichtspunkten sinnvoll noch dogmatisch begründbar. 619 §  45 Abs.  1 GmbHG lässt den Gesellschaftern ausreichend Spielraum, die In­ nenbeziehungen der Gesellschaft flexibel zu regeln. Es gibt keinen Anlass, dau­ erhaft wirkende schuldrechtliche Vereinbarungen anzuerkennen, die „sat­ zungsgleichen“ Effekt haben sollen.

3. Satzungsauslegung Für die Satzungsauslegung gelten die gleichen Überlegungen wie für den Treue­ pflichtansatz. Maßgeblich berührte Schutzinteressen sind nicht diejenigen der gegenwärtigen Minderheitsgesellschafter, sondern die Interessen Dritter, na­ mentlich diejenigen zukünftiger Gesellschafter und Gläubiger. Insoweit spre­ chen die Aspekte der Rechtsklarheit und der Rechtssicherheit, nicht bei jeder Auslegungsfrage über deren Bedeutung für den Drittschutz streiten zu müssen, dafür, es bei der herrschenden Theorie der objektiven Auslegung materieller Satzungsbestandteile zu belassen. 620 Ob ein Gläubiger hinnehmen müsste, dass die objektive Auslegung einer Satzungsklausel ergibt, „Ausscheiden“ meine nur Ausscheiden aus der Geschäftsführung, so dass dieses Resultat genauso als Er­ gebnis einer „subjektiven“ Satzungsinterpretation akzeptiert werden sollte, ist nicht der entscheidende Punkt. Vielmehr liegt dieser darin, dass der Gläubiger sein Verhalten am objektiv erkennbaren Satzungsinhalt ausrichten kann, etwa bei der Liquiditätsprognose vor einer Darlehensvergabe. Den Kreis der Regelungen, auf die sich die Gläubiger „verlassen“ können, deren Reichweite also in objektiver Auslegung bestimmt wird, nach Maßgabe der §  15 HGB, §  10 GmbHG einzugrenzen,621 überzeugt nicht. Unklar ist schon, welche Bestimmungen im Hinblick auf die Interpretationsproblematik zu berücksichtigen wären. Denn die zitierten Vorschriften zur Registerpublizi­ tät betreffen nur eintragungsfähige Tatsachen – §  10 GmbHG definiert, was in 618  Vgl. etwa Grunewald, ZGR 1995, 68, 87. Auf das im Text beschriebene Problem verwei­ sen auch Dittert, S.  261; Söntgerath, S.  384 (im Zusammenhang mit der Satzungsauslegung), 393. 619 Ähnlich Goette, RWS-Forum 8, S.  113, 125. 620  Ulmer, FS Röhricht, S.  633, 653. 621  Grunewald, ZGR 1995, 68, 88.

340 2. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Instrumente das Handelsregister einzutragen ist, §  15 HGB knüpft hieran lediglich an. Die nach §  10 GmbHG anzugebenden Tatsachen decken sich keineswegs mit der Menge zwingender Normen, die im Gläubigerinteresse objektiv ausgelegt wer­ den sollen. 622 Hinzu kommt die Gruppe der optionalen Regelungen, die wegen der Satzungspflicht zwingend (mittelbar) der Registerpublizität unterliegen.623 Für die Gläubiger ist durchaus von Interesse, ob ein Gesellschafter seine Einla­ geleistung durch Sacheinlage erbringen durfte. 624 Die Möglichkeit der Sachein­ lage bedarf nach §  5 Abs.  4 S.  1 der Festsetzung im Gesellschaftsvertrag, ist aber nicht nach §  10 GmbHG gesondert im Handelsregister einzutragen. Es wäre unter Gläubigerschutzgesichtspunkten nicht zu rechtfertigen, den Inhalt dieser Satzungsbestimmung von einer schuldrechtlichen Absprache abhängig zu ma­ chen. 625

4.  Zur Lage in der Aktiengesellschaft In der Aktiengesellschaft sind die Gründe noch gewichtiger, keine dauerhaft wirkenden schuldrechtlichen Absprachen außerhalb der Satzung zuzulassen, wie sie hier in Rede stehen. 626 Mit der Anerkennung von Vereinbarungen mit „satzungsgleicher“ Wirkung wäre der Weg eröffnet, den engen Rahmen des §  23 Abs.  5 AktG zu überspielen. Dass hierfür ein praktisches Bedürfnis existiert und die Norm viel zu restriktiv konzipiert ist, lässt sich nicht bestreiten.627 Doch ist nicht zu rechtfertigen, angesichts dieser Vorschrift über „satzungs­ gleich“ wirkende Abreden das zu erreichen, was in der Satzung selbst nicht mit korporativer Wirkung geregelt werden kann. Eine andere Frage ist, wie weit die gesetzlichen Vorgaben in die schuldvertragliche Regelungskompetenz der Ge­ sellschafter hineinreichen mit der Folge, schuldrechtlich einen bestimmten Sachverhalt nicht regeln zu können. Hierauf gibt es keine allgemeingültige Ant­ wort. 628 Diese Frage ist jedoch von der hier diskutierten Problematik zu unter­ scheiden.

622 Anders

Grunewald, ZGR 1995, 68, 88. Beispiele bei Priester, FS Claussen, S.  319, 332 f. 624  Etwa im Hinblick auf die Differenzhaftung nach §  9 Abs.  1 S.  1 GmbHG, die der Gläu­ biger im Wege der Pfändung des Anspruchs der Gesellschaft gegen den Gesellschafter für sich nutzen kann. 625  Das aber wäre Konsequenz der Ansicht Grunewalds (ZGR 1995, 68, 88), die die Inter­ essen der Gläubiger über die Inhalte von §  10 GmbHG, §  15 HGB hinaus nicht berücksichti­ gen möchte. Zur Gläubigerschutzfunktion des §  5 Abs.  4 GmbHG etwa Frantzmann, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, §  5 Rn.  19. 626  Für die Aktiengesellschaft denn auch schuldrechtliche Absprachen der im Text proble­ matisierten Art ablehnend Westermann, Satzung und Nebenordnungen, S.  41 f. Zur objekti­ ven Satzungsauslegung im Aktienrecht BGH AG 2008, 83. 627  Hierzu unten 3. Teil A. §  1. 628  Insoweit zutreffend Zöllner, RWS-Forum 8, S.  89, 103. 623 

C.  Einheit und Vielheit der Verbandsordnung

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§  3  Ergebnisse Schuldrechtliche Nebenabreden, die formelle Satzungsbestandteile betreffen, sind wirksam. Allseitig geschlossene Verträge heben die im Satzungsdokument niedergelegten Bestimmungen auf. Fraktionsabsprachen sind gleichfalls gültig und enthalten eine weitere schuldrechtliche Abrede der an ihr Beteiligten. Schuldrechtliche Nebenabreden, die im Widerspruch zu in der Satzung ge­ troffenen korporativen Regelungen stehen, insbesondere solche, die den Ab­ schluss von Stimmbindungsvereinbarungen untersagen, sind unwirksam, so­ fern sie satzungsgleich wirken, also Dritteffekte entfalten. Den Gesellschaftern fehlt in solchen Fällen die Kompetenz, Regelungen anders als im Wege einer Satzungsänderung zu schaffen. Schuldrechtliche Nebenabreden, die auf dauernde Ergänzung, Satzungskon­ kretisierung oder Änderung der satzungsmäßig vorgegeben Lage ausgerichtet sind, können weder für die Satzungsauslegung noch für die Konkretisierung der Treuepflicht herangezogen werden. Das gilt wiederum unabhängig von der Zahl der mitwirkenden Gesellschafter. Mit dieser Befürwortung der Tren­ nungsthese ist keine petitio principii verbunden. 629 Denn Argument für die Durchführung der Trennung ist nicht die Trennungsthese als solche. Vielmehr hat eine Überprüfung der Sachargumente, insbesondere der Grundsätze der Satzungspublizität und des Drittschutzes, ergeben, dass allein die Trennung zwischen den Ebenen den Regelungszielen des Gesellschaftsrechts und Schutz­ interessen Dritter entspricht.

629  So der Vorwurf von Zöllner, RWS-Forum 8, S.  89, 110. Dagegen zu Recht schon Ulmer, FS Röhricht, S.  633, 646 ff.

D. Ergebnisse Die allgemeinen privatrechtlichen Gestaltungsschranken greifen auch im Ge­ sellschaftsrecht. Besondere Bedeutung kommt hier den häufig vernachlässigten Grenzen der Gestaltungsmacht zu, die das rechtliche Können der Parteien be­ schränken. So sind satzungspflichtige Regelungsgegenstände allein den beson­ deren kapitalgesellschaftsrechtlichen Regelungsformen zugänglich. Die „Na­ tur“ der Sache, Typenlehre und Institutionentheorie bieten keine tauglichen Ansatzpunkte, als eigenständige dogmatische Instrumente die Gestaltungsfrei­ heit zu begrenzen. Die Gesellschafter sind grundsätzlich frei darin, in schuldrechtlichen Neben­ abreden von der Satzung abweichende Vereinbarungen zu treffen, sofern die im Satzungsdokument niedergelegte Regel selbst bloß schuldrechtliche Wirkung hat. Ob es sich um allseitige oder Fraktionsabsprachen handelt, ist hierfür nicht entscheidend. Anderes gilt für Absprachen in Schuldverträgen, die von materi­ ellen Satzungsbestimmungen divergieren. Aufgrund der in diesem Fall vorge­ nommenen Inhaltsbestimmung der Mitgliedschaft fehlt den Gesellschaftern die Regelungskompetenz, schuldrechtliche Abreden zu treffen. Das gilt unabhän­ gig von der Zahl der beteiligten Gesellschafter. Schuldrechtliche Nebenabreden, die auf dauernde Ergänzung, Satzungskon­ kretisierung oder Änderung der satzungsmäßig vorgegeben Lage ausgerichtet sind, können weder für die Satzungsauslegung noch für die Konkretisierung der Treuepflicht herangezogen werden. Das gilt wiederum unabhängig von der Zahl der mitwirkenden Gesellschafter. Allein die getrennte Bewertung der Re­ gelungsebenen Satzung und schuldrechtliche Nebenabrede (Trennungsthese) gewährleistet den Schutz Außenstehender. Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen kommt auf Beteiligungs­ vereinbarungen nicht zur Anwendung. Die Bereichsausnahme des §  310 Abs.  4 S.  1 BGB für Verträge auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts gilt auch für Ven­ ture Capital-Abreden. Beteiligungsvereinbarungen sind keine verdeckten Beherrschungsverträge, die aufgrund einer Umgehung der §§  291 ff. AktG nichtig wären. Bei der Betei­ ligung mittels einer stillen Gesellschaft greift zwar §  292 Abs.  1 Nr.  2 AktG. Im Übrigen gilt jedoch das Recht des faktischen Konzerns. Auch insoweit liegt kein verdeckter Beherrschungsvertrag vor, weder hinsichtlich der Beteiligungs­ vereinbarung noch mit Blick auf die stille Gesellschaft selbst.

3. Teil

Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen Nachdem der erste Teil am Beispiel von Venture Capital-Vereinbarungen An­ lässe für privatautonome Gestaltung von Kapitalgesellschaften und die Mög­ lichkeiten hierzu in einer sehr gestaltungsfreundlichen Rechtsordnung zum Gegenstand hatte, standen im zweiten Teil die Instrumente im Vordergrund, die in Deutschland der Kontrolle freier Gestaltung dienen und diese begrenzen. Ergebnis des zweiten Teils war, dass spezielle Kontrollinstrumente wie das AGB-Recht sowie das Vertragskonzernrecht nicht zur Anwendung gelangen. Es verbleiben die allgemein-privatrechtlichen Normen und Institute, insbeson­ dere die §§  134, 138 BGB sowie die Grenzen der rechtsgeschäftlichen Gestal­ tungs- und Verfügungsmacht. Die Gestaltungskontrolle wird damit nicht von besonderen Wertungen und Einzelvorgaben gesteuert, wie dies etwa bei An­ wendung des AGB-Rechts der Fall wäre. Infolge dessen verbleibt lediglich, sich Rechenschaft über die allgemeinen Gesichtspunkte abzulegen, die dem Kapital­ gesellschaftsrecht zugrunde liegen. Wer sich mit den Möglichkeiten und Grenzen freier Gestaltung im Kapitalge­ sellschaftsrecht befasst, muss demnach die für seine Regulierung maßgeblichen Wertungen ermitteln und überprüfen, welche Argumente für die Lösung von konkreten Rechtsproblemen in Betracht kommen. Das gilt nicht nur für die Satzungsebene, sondern – bei der Aktiengesellschaft sogar: vor allem – auch für schuldrechtliche Nebenabreden. Wenn diese, wie es die herrschende Meinung formuliert, frei gestaltbar sind, solange sie nicht gegen zwingendes Recht ver­ stoßen,1 insbesondere die Normen des Aktiengesetzes aber wegen §  23 Abs.  5 AktG überwiegend zwingend wirken, stellt sich die Frage, nach welchen Maß­ stäben die Abreden außerhalb der Satzung beurteilt werden müssen. Für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung kommt hinzu, dass zwar der gesetzli­ chen Konzeption nach weitgehende Gestaltungsfreiheit für die Ausformung des Innenverhältnisses durch die Satzung gelten soll, in der Realität aber die Recht­ sprechung vielfältige Schranken errichtet hat.2 1 Stellvertretend A.Arnold, in: KK-AktG, §   23 Rn.  173; Pentz, in: MünchKommAktG, §  23 Rn.  188; Röhricht, in: GK-AktG, §  23 Rn.  256. 2  Einführender Überblick bei Teichmann, RNotZ 2013, 346, 347 ff.; Zöllner, FS GmbHG, S.  85, 93 ff.

344 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen Das gilt unabhängig von der technischen Natur der Absprachen, mithin ohne Rücksicht darauf, ob die Parteien sie in einem Schuldvertrag oder in der Sat­ zung3 verankern. Damit wird nicht ignoriert, dass die Wirkungen dieser unter­ schiedlichen Regelungsformen divergieren, etwa was die Bindung Dritter an­ geht. Doch handelt es sich hierbei um eine Frage, die erst Bedeutung gewinnt, wenn festgestellt wurde, ob es überhaupt Gesichtspunkte gibt, die als allgemei­ ne Wertung dazu beitragen, Privatautonomie zu begrenzen. Auf Grundlage dieser Vorüberlegungen lassen sich Aufgabe und Aufbau die­ ses Teils der Arbeit skizzieren: Die Prüfung der Wertungen, die dem zwingen­ den Kapitalgesellschaftsrecht zugrunde liegen, und ihrer Wirkungsweise. Den Anknüpfungspunkt bieten die Argumente der herrschenden Meinung für die Einschränkung von Gestaltungsfreiheit im Kapitalgesellschaftsrecht. Dabei steht die Aktiengesellschaft im Vordergrund, was sich schon aus der Existenz von §  23 Abs.  5 AktG erklärt und der Ausrichtung der Diskussion in Deutsch­ land entspricht (Abschnitt A). Sodann wendet sich die Untersuchung rechts­ formübergreifenden Rechtfertigungsansätzen für Gestaltungskontrolle zu (Ab­ schnitt B).

3 

Als materielle Satzungsregelung.

A.  Satzungsstrenge in der Aktiengesellschaft Im Aktienrecht gilt das Prinzip der Satzungsstrenge. Wie bereits in der Einlei­ tung dargestellt wurde, handelt es sich bei §  23 Abs.  5 AktG um einen Fremd­ körper im Privatrecht, dessen Rechtfertigung der Klärung bedarf.4 Gerechtfer­ tigt wird die Norm von vielen Autoren mit dem Argument, zwingendes Kapi­ tal­gesellschaftsrecht sei notwendig, um die erforderliche Standardisierung der Rechtsform zu gewährleisten, die wiederum dem Schutz des Kapitalmarkts und der Anleger dienen soll (dazu §  1). Träfe dieses Argument zu, bestünde bereits auf einfachrechtlicher Ebene die Notwendigkeit, jedenfalls das Aktienrecht für die börsennotierte Gesellschaft weitgehend zwingend auszugestalten. Aus die­ sem Grund und weil sich die Diskussion ganz überwiegend auf diese Aspekte konzentriert, folgen die verfassungsrechtlichen Vorgaben erst an zweiter Stelle (§  2). Daran knüpfen Überlegungen zum Anlegerschutz (§  3) und zur Entste­ hung der Satzungsstrenge in historischer Perspektive (§  4) an. Darauf folgt die Betrachtung kapitalmarktorienter Ansätze, die mit Blick auf Effizienztheorien meinen, zwingendes Kapitalgesellschaftsrecht sei jedenfalls für börsennotierte Gesellschaften überflüssig (§  5). Abschließend rückt das Argument in den Blick, die Satzungsstrenge sei notwendig, um einen „Seriositätsabstand“ der Aktien­ gesellschaft zur Gesellschaft mit beschränkter Haftung sicherzustellen (§  6).

§  1  Zwingendes Recht zur Gewährleistung der Standardisierung Eine Folge der in weitem Umfang zwingenden Ausgestaltung des Aktienrechts durch §  23 Abs.  5 AktG ist die Standardisierung der Rechtsform. Aktiengesell­ schaften weisen zumindest der Satzung nach im Wesentlichen gleichförmige Strukturen auf. In der deutschsprachigen Literatur ist die Herbeiführung dieses Standardisierungseffektes ein wesentliches Argument dafür, jedenfalls das Ak­ tienrecht zwingend auszugestalten.5 Für die schuldrechtliche Ebene soll jedoch, 4 

Einleitung A. §  1. Bayer, Gutachten 67. DJT, E 85; Bendfeld, S.  42; Dittert, S.  93; Hommelhoff, AG 1995, 529, 531; Hüffer/Koch, §  23 Rn.  34; Koch, AG 2015, 213 und 218; Pentz, in: Münch­ Komm­A ktG, §  23 Rn.  150; Pleßke, S.  53; Regierungskommission Corporate Governance, in: Theodor Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rn.  4; Röhricht, in: GK-AktG, §  23 Rn.  167; C.Schäfer, NJW 2008, 2536, 2539; Solveen, in: 5 Etwa

346 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen obwohl Nebenabreden als „Hauptdokument“ für die Organisation bezeichnet werden,6 Vertragsfreiheit als das prägende Prinzip gelten. Das erscheint wider­ sprüchlich: Wenn die „Standardisierung“ der Rechtsform das entscheidende Argument für zwingende Regelungen im Umfang des §  23 Abs.  5 AktG sein soll, müsste die Konsequenz sein, gerade die Dokumente den Standardisie­ rungswirkungen der aktienrechtlichen Normen zu unterwerfen, die als für die tatsächliche Gestalt der Gesellschaft wesentlich erachtet werden: Schuldrechtli­ che Nebenabreden. Allein der Verweis darauf, es handele sich bei Satzung und Nebenabrede aus formaler Sicht um unterschiedliche Dokumente, ist kein tauglicher Einwand. Anderenfalls ließe sich jedem Regelungsanliegen einfach durch die Wahl eines bestimmten technischen Gestaltungsmittels ausweichen. Indirekt erkennen dies auch Literatur und Rechtsprechung an, wenn sie als Grenze der schuld­ recht­lichen Gestaltungen formulieren, die Gesellschafter dürften nicht gegen zwingendes Recht verstoßen.7 Um diesen Problemen nachzugehen, bedarf es einer eingehenden Untersuchung, in welchem Umfang Aktienrecht tatsächlich standardisiert und inwieweit Standardisierung als Regelungsanliegen erfordert, zwingende Vorgaben zu setzen. Damit hat das Kapitel sowohl einen rechtspraktischen als auch einen rechts­ politischen Bezugspunkt: Wenn auf schuldrechtlicher Ebene als Regel Gestal­ tungsfreiheit herrschen soll, solange die Parteien nicht gegen zwingende aktien­ rechtliche Regelungen verstoßen, das Aktienrecht selbst aber von zwingenden Vorschriften durchzogen ist, ohne dass dies nach allgemeiner Ansicht prinzipi­ ell auf die schuldrechtliche Ebene durchschlägt, stellt sich die Frage, wieso der gemäß herrschender Meinung für das Aktiengesetz geltende Standardisierungs­ gedanke nicht gilt. Insofern dienen die folgenden Überlegungen der Rechtspra­ xis. Mit der kritischen Betrachtung des Standardisierungsarguments indirekt verbunden ist eine rechtspolitische Aussage über einen der wesentlichen Recht­ fertigungsansätze für §  23 Abs.  5 AktG. Zunächst werden zwei Hypothesen zum Zusammenhang von zwingendem Recht und der Standardisierung der Rechtsform Aktiengesellschaft vorgestellt (I.). Die anschließenden Schritte dienen der Präsentation von Beispielen für Standardisierungen, die nicht auf zwingendem Recht beruhen (II.), und der Entwicklung von Erklärungsansätzen für solche Vereinheitlichungsprozesse (III.). Abschnitt IV. handelt von Genussscheinen und Publikumspersonenge­ Hölters, §  23 Rn.  29. Für Österreich: Kalss, in: Kalss/Schauer, Gutachten ÖJT 2006, S.  37, 42 f., 54 f. Kritisch hinsichtlich der Verankerung im Gesellschaftsrecht Hey, Freie Gestaltung, S.  171 f., 173 ff. Dezidiert a.A. Mertens, ZGR 1994, 426, 428; das Standardisierungsargument ablehnend auch Hirte, in: Lutter/Wiedemann (Hrsg.), Gestaltungsfreiheit, S.  61, 80: Staatliche Aufgabe nur, Vorschläge für eine Standardisierung zu machen. 6  S.  bereits in der Einleitung A. §  1. 7  Nachweise oben Einleitung A. §  1.

A.  Satzungsstrenge in der Aktiengesellschaft

347

sellschaften als Problemfällen, Abschnitt V. betrachtet eine von der herrschen­ den Meinung geduldete Form der Gestaltungsvielfalt im Aktienrecht, die schuld­recht­lichen Nebenabreden. Das Kapitel schließt mit Folgerungen für die Legitimation zwingenden Rechts im Zusammenhang mit dem Standardisie­ rungsgedanken (VI.).

I.  Standardisierung und zwingendes Recht: Zwei Hypothesen Für die Diskussion um den Sinn des Kapitalgesellschaftsrechts als Mittel der Standardisierung bedarf es einer Zuspitzung der Fragestellung, die in den fol­ genden Abschnitten des Kapitels näher untersucht wird. Dazu werden zwei Hypothesen zum Zusammenhang von Standardisierung und zwingendem Recht vorgestellt: Zuerst die herrschende Meinung zum deutschen Aktienrecht, nach der ohne eine §  23 Abs.  5 AktG vergleichbare Beschränkung der Gestal­ tungsfreiheit keine Standardisierung der Rechtsform Aktiengesellschaft zu­ stande komme (1.), danach die eigene, entgegengesetzte Hypothese (2.).

1.  Herrschende Meinung: Ohne zwingendes Recht keine Standardisierung Einheitliche Regelungen, so ist zu lesen,8 stellten ein öffentliches Gut dar. Ließe das Gesetz zu viele Variationen zu, könne es zu einer Denaturierung des nor­ mativen „Standardvertrags“ kommen.9 Die Fungibilität der Aktie würde aufge­ hoben, müssten sich die Aktionäre erst anhand der Satzung über die Struktur der Gesellschaft informieren.10 Zwingendes Aktienrecht dient nach der herr­ schenden Meinung der Rechtsklarheit und der Rechtssicherheit, indem es Stan­ dardisierung herstellt.11 Der Anleger solle keiner „Verwirrung durch Vielfalt“ zum Opfer fallen.12 Zukünftige Aktionäre könnten sich ohne eingehendere Prüfung darauf verlassen, eine einheitliche Grundstruktur vorzufinden.13 Die herrschende Meinung beruht demnach auf einer empirisch testbaren Er­ wartung: Ohne zwingendes Recht tritt keine Standardisierung ein oder ist zu­ 8  So, im Zusammenhang mit einem Plädoyer für zwingende Regeln im US-Gesellschafts­ recht, Gordon, 89 Colum. L. Rev. 1549, 1567 (1989). 9  Röhricht, in: GK-AktG, §  23 Rn.  167; in den USA Gordon, 89 Colum L. Rev. 1549, 1567 (1989). 10  Pentz, in: MünchKommAktG, §  23 Rn.  150. Ähnlich z.B. Koch, AG 2015, 213. 11 Etwa Bayer, Gutachten 67. DJT, E 85; Bendfeld, S.  42; Dittert, S.  93; Hommelhoff, AG 1995, 529, 531; Hüffer/Koch, §  23 Rn.  34; Koch, AG 2015, 213 und 218; Pentz, in: Münch­ Komm­A ktG, §  23 Rn.  150; Pleßke, S.  53; Regierungskommission Corporate Governance, in: Theodor Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rn.  4; Röhricht, in: GK-AktG, §  23 Rn.  167; C.Schäfer, NJW 2008, 2536, 2539; Solveen, in: Hölters, §  23 Rn.  29. Für Österreich: Kalss, in: Kalss/Schauer, Gutachten ÖJT 2006, S.  37, 42 f., 54 f. 12  Kalss, in: Kalss/Schauer, Gutachten ÖJT 2006, S.  42. 13  Nachweise oben in Fußnote 11.

348 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen mindest unwahrscheinlich. Folge des Fehlens zwingenden Rechts ist nach die­ ser Ansicht die zumindest starke Gefährdung der Handelbarkeit der Aktie und damit die Gefährdung des Kapitalmarkts.14 Für diese Thesen lassen sich, so scheint es jedenfalls, ohne Mühe Belege finden, nämlich Genussscheine und Publikumspersonengesellschaften.15 Für Genuss­ scheine sieht das Aktiengesetz in §  221 Abs.  3 allenfalls rudimentäre Regelungen vor. In der Praxis gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Gestaltungen und kei­ nen nennenswerten Börsenhandel. Die Gestaltung von Publikumspersonenge­ sellschaften war Gegenstand intensiver Rechtsprechungsaktivitäten des Bun­ desgerichtshofs. Eine indirekte Bestätigung der eben dargestellten Thesen scheint sich zudem aus der herkömmlichen rechtsökonomischen Literatur in den USA zu ergeben. Diese verweist darauf, „corporate contracts“ seien „wonderfully diverse, matching the diversity in economic activity carried on within corporations.“16 Wenn diese „wunderbare Vielfalt“ wegen ihrer Gefährlichkeit nicht gewollt ist, so lässt sich die Überlegung umkehren, bedarf es der Standardisierung durch zwingendes Recht.

2.  Gegenhypothese: Das Standardisierungsziel rechtfertigt keine Satzungsstrenge Die von der herrschenden Meinung geäußerte Hypothese, ohne zwingendes Recht komme es nicht zur Standardisierung, lässt sich nicht belegen. Umfassen­ de Vorgaben, wie sie §  23 Abs.  5 AktG enthält, sind unter rechtstatsächlichem Blickwinkel weder notwendige Voraussetzung von Standardisierung noch ist Standardisierung stets wünschenswert. Es gibt viele Beispiele dafür, dass Stan­ dardisierungsprozesse unabhängig von zwingender gesetzlicher Normierung

14 Das ist keineswegs zu stark formuliert. Ausdrücklich etwa Pentz, in: MünchKommAktG, §  23 Rn.  150: „Der Hintergrund dieses Anliegens liegt in der Sicherstellung der Fungibilität der Aktie; ihre Handelbarkeit an der Börse wäre praktisch aufgehoben, wenn sich jeder Aktionär zuvor anhand der Satzung über die Verfassung der Gesellschaft im Einzelnen vergewissern müsste.“ Ähnlich, wenn auch etwas zurückhaltender formuliert, Röhricht, in: GK-AktG, §  23 Rn.  167: „Eine Aufgabe dieser normierten Standards zugunsten einer wesent­ lich erweiterten Satzungsfreiheit würde nicht zu mehr Wettbewerb führen, sondern lediglich die Zahl der beim Kauf zu berücksichtigenden Zahl der Vergleichsparameter in sehr diffiziler Weise vermehren und schon aus diesem Grunde – ganz abgesehen von dem […] Verlust an Rechtssicherheit – die Unübersichtlichkeit der Verhältnisse vergrößern. Die Attraktivität der Aktie […] würde dadurch nicht verbessert, vielmehr eher die in Deutschland häufig beklagte Zurückhaltung privater Anleger gegenüber der Aktie weiter verstärkt.“ 15 Vgl. Bayer, Gutachten 67. DJT, E 37. 16  Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S.  12. Dazu, dass diese Behauptung von der Empirie nicht gedeckt wird, unten II.1.a).

A.  Satzungsstrenge in der Aktiengesellschaft

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ablaufen und nichtstaatliche Regelungen Fehlentwicklungen erfolgreich begeg­ nen. Die im Folgenden vorgenommene Begründung dieses Ansatzes ruht auf drei Säulen, die in den weiteren Abschnitten der Untersuchung ausführlich darge­ stellt werden:17 (i)  Die Annahmen der herrschenden Meinung sind einseitig, weil sie Fälle nicht berücksichtigt, in denen ohne zwingendes Recht ein weitreichendes Maß an Standardisierung eintritt. Satzungen von Public Corporations in den USA etwa sind weitgehend uniform, obwohl das für die dortige Gestal­ tungspraxis so bedeutsame Recht von Delaware ein erhebliches Maß an Freiheit gewährt und auch die Börsen keine Vorgaben machen, die mit §  23 Abs.  5 AktG vergleichbar wären. Trotzdem verfügen die Vereinigten Staa­ ten über funktionsfähige Kapitalmärkte. (ii) Das Fehlen von (Börsen-)Handel belegt nicht pauschal die Notwendigkeit, per zwingendem Recht zu vereinheitlichen: Gerade im Zusammenhang mit Genussscheinen betonen Praktiker immer wieder, die bestehende Flexibili­ tät komme den individuellen Bedürfnissen der Marktteilnehmer sehr ent­ gegen. (iii) „Schlechten“ Marktstandards muss weder notwendig vom Staat noch stets mit zwingenden Regelungen begegnet werden. Zum einen gibt es nicht­ staatliche Standardsetzer, deren Änderungsvorschläge die Marktteilneh­ mer annehmen. Die Loan Market Association und die Baltic and Internati­ onal Maritime Conference (BIMCO) etwa entwickeln Vertragsmuster für komplexe Verträge stetig weiter. Sämtliche Marktteilnehmer, das heißt An­ bieter, Nachfrager und ihre Berater, greifen in der Praxis stark auf diese Möglichkeit zurück, bessere Klauseln in die Gestaltungsarbeit zu überneh­ men. Zum anderen führt die erstmalige Einführung oder die Veränderung dispositiver staatlicher Vorschriften in vielen Fällen schon die gewünschten Änderungen herbei. Das Denken in der Dichotomie „Gestaltungsfreiheit oder zwingendes Recht“ ist zu grobkörnig. Dass in besonderen Situationen zwingende Regelungen angebracht sind, um be­ stimmte Personen oder Personengruppen zu schützen, wird damit ebenso we­ nig in Abrede gestellt wie die Notwendigkeit punktuell eingesetzter zwingen­ der Vorgaben, um die Funktionsfähigkeit von Kapitalgesellschaften zu erhalten. Doch sind diese Fragen von der Standardisierungsproblematik zu trennen. Das lässt sich besser nachvollziehen, führt man sich vor Augen, welche Ziele die herrschende Meinung mit gesetzlich erzwungener Vereinheitlichung zu errei­ chen sucht: Vermeidung verwirrender Gestaltungsvielfalt und Verringerung 17  Da eine ausführliche Erläuterung einschließlich der Nachweise folgt, werden die Fund­ stellen hier noch nicht genannt.

350 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen von Transaktionskosten, die aus Aufwendungen für Suche nach sowie Informa­ tion über unterschiedliche Klauseln und deren Nutzung in unterschiedlichen Gestaltungstypen resultieren. Das Problem, dem mit zwingendem Recht als Standardisierungsmittel begegnet werden soll, liegt also nicht in den Auswir­ kungen bestimmter Bedingungen auf Anleger und Gläubiger, sondern vielmehr darin, dass diese angesichts einer nur schwierig überschaubaren Vielfalt von Ge­ staltungen die ihnen drohenden Gefahren ebenso wenig beurteilen können wie sie einzuschätzen vermögen, welche Anlagemöglichkeit ihren Wünschen am ehesten entspricht. Anders gewendet: Wesentliches Ziel von Standardisierung ist nicht der Ausgleich unangemessener Regelungen, sondern die Herstellung einer einheitlichen Bewertungsgrundlage, von der ausgehend die Angemessen­ heit erst beurteilt werden kann. Wer das anders sieht, will mit Standardisierung nicht in erster Linie Rechtsklarheit und Schutz vor Gestaltungsvielfalt per se erreichen, sondern materiell ausgewogene Normen. Dabei handelt es sich aller­ dings um einen anderen Gesichtspunkt, der keine unmittelbare Verbindung zur Vereinheitlichung von Gestaltungsbedingungen aufweist. Das lässt sich anhand des Beispiels der Publikumspersonengesellschaften nachweisen, bei denen nicht fehlende Uniformität zu Problemen führte, sondern umgekehrt die Standardi­ sierung Schutzdefizite verursachte.18

II.  Standardisierung ohne zwingendes Gesellschaftsrecht: Beispiele Wer sich mit der Gestaltungspraxis beschäftigt, stößt schnell auf Beispiele für Standardisierungen komplexer Regelwerke. Empirische Untersuchungen zei­ gen, dass die Satzungen von Public Corporations in den USA trotz weitgehen­ der Gestaltungsfreiheit kaum voneinander abweichen (dazu 1.).19 Starke Verein­ heitlichungstendenzen sind schließlich bei komplexen Vertragswerken wie Wagniskapitalvereinbarungen, Unternehmenskaufverträgen, Kreditverträgen und Covenants in Anleihebedingungen zu verzeichnen (unten 2.).

1.  Uniforme Corporate Contracts in den USA: Die Einheitscorporation a)  Vergleichbare Corporate Charters Für die Debatte um die Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht ist aus rechts­ vergleichender Perspektive von Interesse, dass trotz der Offenheit des Delaware 18 

Ausführlich unten IV.2.a)bb), dd). gilt offenbar für Belgien (Wymeersch, in: Lutter/Wiedemann (Hrsg.), Gestal­ tungsfreiheit, S.  152, 185) und die Schweiz (Forstmoser, in: Lutter/Wiedemann (Hrsg.), Ge­ staltungsfreiheit, S.  254, 256 Fußnote 10). Da für diese Länder jedoch keine ausführlicheren empirischen Studien vorliegen und der Bezugspunkt für den Rechtsvergleich in dieser Arbeit das US-Recht ist, beschränken sich die im Text folgenden Ausführungen auf die dortige Situ­ ation. 19  Gleiches

A.  Satzungsstrenge in der Aktiengesellschaft

351

General Corporation Law für Abweichungen vom Gesetz von dieser Gestal­ tungsfreiheit praktisch nur wenig Gebrauch gemacht wird, jedenfalls im Be­ reich der Public Corporation. Die Certificates of Incorporation weisen einen hohen Grad an Uniformität auf und enthalten kaum Detailregelungen.20 In der Literatur wird in diesem Zusammenhang festgestellt: „They [d.h. die Certifi­ cates of Incorporation] effectively defer to the default terms of the state corpo­ ration law in virtually all matters of significance.“21 Demnach führt das im Vergleich zu Deutschland deutlich größere Mehr an Flexibilität nicht zu einem Mehr an Diversität hinsichtlich der tatsächlichen Ausgestaltung der Gesellschaftsorganisation. Die Einheitlichkeit der Satzun­ gen in den USA tritt ein, obwohl gerade das Delaware General Corporation Law zu großen Teilen aus abdingbaren Normen besteht. Das steht der Vermu­ tung der herrschenden Meinung in Deutschland diametral entgegen, ohne eine §  23 Abs.  5 AktG vergleichbare Vorschrift komme es zu einer „verwirrenden“ Vielfalt von Gestaltungen.22 b)  Unterschiedliche Einzelklauseln als Spiegel abdingbarer Vorgaben Abweichungen weisen die Satzungen von Public Corporations in den USA in­ soweit auf, als sie unterschiedliche Regelungen für Unternehmensübernahmen enthalten. Dies betrifft sogenannte „fair price“-Regelungen, die sicherstellen sollen, dass die Gesellschafter der Zielgesellschaft einen angemessenen Preis für ihre Anteile erhalten.23 Der Grund für die unterschiedliche Satzungsgestaltung liegt offenbar darin, dass die Satzungen mit in den jeweiligen staatlichen Über­ nahmegesetzen enthaltenen abdingbaren Regelungen korrelieren:24 Während eine Vielzahl von US-Bundesstaaten „opt out“-Regelungen vor­ sieht und damit die Vereinfachung von Übernahmen zulässt, stellen andere Bundesstaaten „opt in“-Regelungen zur Verfügung, um Übernahmen zu er­ schweren.25 Obwohl die der Stichprobe zugrunde gelegten Gesellschaften hät­ ten gleich organisiert werden können, blieb die ganz überwiegende Zahl bei der jeweiligen Grundregel.26 Im Vergleich von Bundesstaaten, die weder eine entsprechende abdingbare Norm vorsahen noch eine entsprechende Bestimmung in der Corporate Char­ ter verboten, zu solchen Bundesstaaten, die die Möglichkeit der Wahl einer „fair 20 

Hansmann, 8 Am. L. & E. Rev. 1, 4 (2006). Hansmann, 8 Am. L. & E. Rev. 1, 4 (2006) mit Bsp. für Abweichungen in der Gestaltung auf 6 f.; gleichsinnig Klausner, 31 J. Corp. L. 779, 784 (2006). 22  S.  oben bei Fußnote 12. 23  Die Details sind hier nicht relevant. S.  dazu die Erläuterungen bei Listokin, 6 J. Emp. Legal Stud. 279, 285 f. (2009). 24  Listokin, 6 J. Emp. Legal Stud. 279 (2009). 25  Nähere Darstellung der – hier nicht wesentlichen – rechtlichen Einzelheiten bei Listokin, 6 J. Emp. Legal Stud. 279, 285 ff. (2009). 26  Ausführliche Darstellung bei Listokin, 6 J. Emp. Legal Stud. 279, 292 ff. (2009). 21 

352 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen price“-Klausel gesetzlich als „opt in“ anboten, entschieden sich deutlich mehr Gesellschaften für „fair price“ bei Existenz einer ausdrücklichen normativen Eröffnung des „opt in“.27 Das ist deshalb erstaunlich, weil die Transaktionskosten eines Wechsels je­ denfalls hinsichtlich der Implementierung in der Corporate Charter sich nicht wesentlich unterscheiden dürften, was die Ausübung des Rechts zum „opt out“ oder zum „opt in“ angeht.28 Wenn Änderungen des Inhalts von Organisations­ vereinbarungen selbst bei abdingbarem Recht in vielen Fällen von einer gesetz­ geberischen Veränderung der Normen abhängen, weil die Marktteilnehmer selbst kaum Abweichungen vornehmen, kommt die Wirkung abdingbaren Rechts derjenigen von zwingendem Recht gleich.29 Betont sei an dieser Stelle, dass sich aus den Divergenzen in den Corporate Charters bezogen auf „fair price“-Regelungen kein Argument ableiten lässt, Standardisierung setze eben doch zwingendes Recht voraus. Denn die Abwei­ chungen hinsichtlich dieser speziellen Übernahmeschutzklauseln sind ihrer­ seits überwiegend auf gesetzliche Vorgaben zurückzuführen: Sieht das einzel­ staatliche Übernahmerecht „fair price“-Regelungen vor, werden sie nicht abbe­ dungen. Umgekehrt werden beim Fehlen solcher gesetzlicher Vorgaben kaum „fair price“-Klauseln in die Satzung aufgenommen. Die Variation der Corpora­ te Charters korreliert also weitgehend mit den normativen Ausgangsbedingun­ gen, obwohl die Gesellschafter insoweit Gestaltungsfreiheit genießen. c)  Zur Vielfalt der Corporate Governance Strukturen Um einen Einwand vorwegzunehmen: Die Ähnlichkeit der Satzungen US-ame­ rikanischer Public Corporations bedeutet nun nicht, dass diese Gesellschaften sämtlich umfassend gleich strukturiert wären. Das betrifft vor allem die Corpo­ rate Governance. Unterschiede existieren hinsichtlich der Zusammensetzung von Ausschüssen („board committees“), der internen Organisation des Board of Directors, der Existenz und des Gehalts von Übernahmeabwehrmaßnahmen („poison pills“) und der Dividendenpolitik.30 Hieraus folgt dennoch kein Beleg der Hypothese der herrschenden Meinung zur Notwendigkeit zwingenden Rechts, um die Standardisierung der Rechts­ form herbeizuführen. Zum einen ändern die eben genannten Divergenzen 27 

Listokin, 6 J. Emp. Legal Stud. 279, 304 (2009). Listokin, 6 J. Emp. Legal Stud. 279, 284 (2009). 29  So bereits Hansmann, 8 Am. L. & E. Rev. 1, 13 f. (2006), nach Vorstellung einer Arbeits­ version der Studie Listokins: „In short, the difference between mandatory and default terms of corporate law may often be of little significance, not because, as Black (1990) argued, man­ datory rules are nearly as easy to avoid as default rules, but because the incentives for defer­ ring to default rules are sufficiently strong to make them nearly as unavoidable as mandatory rules.“ Mit „Black (1990)“ ist folgender Beitrag gemeint: Bernard S.  Black, Is Corporate Law Trivial?: A Political and Economic Analysis, 84 Northwestern Law Review 542, 544 (1990). 30  Sämtliche Beispiele bei Klausner, 31 J. Corp. L. 779, 785 (2006). 28 

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nichts daran, dass hinsichtlich vieler anderer Regelungsgegenstände in den USA Vereinheitlichung tatsächlich besteht. Zum anderen schützt auch die deutsche Lösung des §  23 Abs.  5 AktG nicht davor, dass Aktiengesellschaften in Corpo­ rate Governance-Fragen strukturell stark voneinander abweichen. Genannt sei­ en hier exemplarisch: Die Etablierung eines Vorstandsvorsitzenden angelehnt an die US-amerika­ nische Figur des „Chief Executive Officer“;31 die Einrichtung von Aufsichts­ ratsausschüssen gemäß §  107 Abs.  3 S.  1 AktG; von §  87 Abs.  1 S.  1 AktG sogar geforderte individualisierte Vergütungsstrukturen; die strikte oder weniger strikte Kopplung des Vorstands an den Aufsichtsrat im Wege von Zustim­ mungsvorbehalten in einer Geschäftsordnung nach §  111 Abs.  4 S.  2 AktG so­ wie die Ermächtigung des Vorstands zu Abwehrmaßnahmen gegen Übernah­ men durch die Hauptversammlung auf Grundlage von §  33 Abs.  2 WpÜG. Aus der Satzung ist all dies nicht ersichtlich. Angesichts dieser Beispiele vermag aus den skizzierten Unterschieden von Corporate Charters in den USA nicht darauf geschlossen werden, es bestehe eben doch genau die Vielfalt, die in Deutschland §  23 Abs.  5 AktG verhindern solle. Verbleiben trotz §  23 Abs.  5 AktG in Deutschland noch diese und weitere Spielräume für individuelle Strukturentscheidungen, ist aus Gestaltungen in den USA, die funktional vergleichbare Regelungsgegenstände betreffen und zu­ mindest in ähnlicher Weise hierzulande umgesetzt werden dürften, kein Argu­ ment im Sinne der herrschenden Meinung abzuleiten. „Standardisierung“ heißt nicht „Übereinstimmung im Detail“. d)  Bedeutung von Gesellschafterabreden neben der Satzung Eine von der deutschen Warte aus naheliegende Erklärung für die mangelnde Diversität und Inhaltsarmut der Satzungen (Corporate Charters) sowie das „Kleben am Gesetz“ ist der Verweis auf Gesellschafterabreden als entscheiden­ des Organisationsinstrument. In der gesellschaftsrechtlichen Diskussion in den Vereinigten Staaten und in rechtsvergleichenden Beiträgen argumentieren US-Autoren jedoch routinemäßig, in den USA sei die Anteilseignerstruktur so beschaffen, dass es keine oder jedenfalls nur wenige „blockholder“ gebe.32 Sie betonen speziell den vermeintlichen Unterschied zu Deutschland.33 In der Lo­ 31 Hierzu

Kort, in: GK-AktG, §  77 Rn.  49, 52 und §  84 Rn.  123 ff. S.  nur Bebchuk/Roe, 52 Stan. L. Rev. 127, 133 (1999): „At present, publicly traded com­ panies in the United States and the United Kingdom commonly have dispersed ownership, whereas publicly traded companies in other advanced economies commonly have a con­ trolling shareholder. Indeed, while most large American companies have diffuse ownership, [...].“ (Fußnoten ausgelassen); aus rechtsvergleichender Sicht z.B. Bechtold, Grenzen, S.  161; Klaus J. Hopt, Comparative Corporate Governance: The State of the Art and International Regulation, 59 Am. J. Comp. L. 1, 7 (2011). Weitere Nachweise bei Holderness, 22 Rev. Fin. Stud. 1377 (2009). 33  Statt aller Bebchuk/Roe, 52 Stan. L. Rev. 127, 133 (1999). 32 

354 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen gik dieser Annahme liegt der Hinweis, in der Public Corporation fänden sich keine Gesellschafterabreden, weil die Vereinbarung solcher Verträge angesichts der „dispersed ownership structure“ technisch schlicht nicht umsetzbar sei.34 Diese Aussage ist zum einen überprüfungsbedürftig, weil eine neuere Unter­ suchung die Existenz von Paketaktionären nahelegt (dazu aa]). Zum anderen wird offenbar nicht berücksichtigt, dass gerade bei mit Wagniskapital finanzier­ ten Gesellschaften Stimmbindungsvereinbarungen häufig über den Zeitpunkt des ersten öffentlichen Angebotes hinaus in Geltung bleiben (bb]). aa)  Paketaktionäre in Public Corporations Neuere empirische Studien lassen das eben zitierte Ceterum Censeo der US-amerikanischen Wissenschaftler in zweifelhaftem Licht erscheinen und werfen die Frage nach notwendigen Einschränkungen auf. So kommt der Autor einer Untersuchung auf der Grundlage einer Stichprobe von 375 Public Corpo­ rations35 zum Ergebnis, 96% dieser Gesellschaften wiesen Eigner auf, die min­ destens 5% der Anteile hielten und damit als „blockholder“ einzustufen seien.36 89% der im Index „S & P 500“ gelisteten Corporations hätten „blockholder“.37 Im Durchschnitt hielten „blockholder“, die nicht zugleich Director oder Of­ ficer der Gesellschaft seien, insgesamt 39% der Stimmrechte, nehme man die Directors und Officers hinzu, erhöhe sich die Quote auf 43%.38 Bestandteil der Stichprobe sind große Verbände wie American Express und McDonald’s. Diese Zahlen sprechen dafür, die weit verbreitete Ansicht zur „dispersed ow­ nership structure“ von Public Corporations in den USA jedenfalls insoweit in Zweifel zu ziehen, als sie meint, die Streuung des Anteilsbesitzes sei derart groß, dass jeder Versuch einer Nebenabrede notwendig scheitern müsse. bb)  Fortwirkung von Stimmbindungsvereinbarungen nach dem Börsengang Anlass zur Skepsis an der These vom Fehlen jeglicher Form von Nebenabrede außerhalb der Satzung von Public Corporations gibt ein weiterer Umstand: In den USA existieren bei nicht börsennotierten Gesellschaften vielfach Anteils­

34  Diese – dem Verfasser dieser Arbeit gegenüber in Gesprächen mit US-Wissenschaftlern mehrfach getätigte – Aussage findet sich selten explizit, weil „shareholders’ agreements“ ex­ klusiv als Problem der Close Corporation begriffen werden. S.  aus praktischer Sicht die Be­ merkung im Bericht „The Enforcability and Effectiveness of Typical Shareholders[sic!] Agreement Provisions“, erstellt von dem Corporation Law Committee of the Association of the Bar of the City of New York, 65 Bus. Law. 1153, 1155 (2010). 35  Zur Zusammensetzung und zur Repräsentativität der Stichprobe Holderness, 22 Rev. Fin. Stud. 1377, 1379 ff. (2009). 36  Holderness, 22 Rev. Fin. Stud. 1377, 1378, 1384 (2009). 37  Holderness, 22 Rev. Fin. Stud. 1377, 1378 (2009). 38  Holderness, 22 Rev. Fin. Stud. 1377, 1382 ff. (2009).

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eignervereinbarungen.39 Gerade im Bereich von Venture Capital-Gestaltungen enthalten diese komplexe und weitreichende Abreden.40 Wenn dies so ist, stellt sich die Frage, ob diese Vereinbarungen sämtlich den Weg alles Vergänglichen gehen, sobald Anteile der Gesellschaft zum öffentlichen Handel angemeldet werden. Jedenfalls bei mit Wagniskapital finanzierten Gesellschaften besteht Grund, eine verneinende Antwort zu geben, wie sich am Beispiel des Börsen­ ganges von Facebook, Inc., demonstrieren lässt: Das Initial Public Offering von Facebook wurde dem Volumen nach als au­ ßergewöhnlich bewertet, die Erwartungen hinsichtlich des Anteilsabsatzes wa­ ren hoch.41 Im Registration Statement von Facebook, Inc.,42 wird in mehreren Abschnitten die Existenz von Stimmbindungsvereinbarungen als Risikofaktor für Erwerbsinteressierte genannt. So findet sich etwa folgende Passage: „As a result of voting agreements with certain stockholders, together with the shares he holds, Mark Zuckerberg, our founder, Chairman, and CEO, will be able to exercise vo­ ting rights with respect to an aggregate of shares of common stock, representing a majo­ rity of the voting power of our outstanding capital stock following our initial public offering. As a result, Mr. Zuckerberg has the ability to control the outcome of matters submitted to our stockholders for approval, including the election of directors and any merger, consolidation, or sale of all or substantially all of our assets. In addition, Mr. Zu­ ckerberg has the ability to control the management and affairs of our company as a result of his position as our CEO and his ability to control the election of our directors. Addi­ tionally, in the event that Mr. Zuckerberg controls our company at the time of his death, control may be transferred to a person or entity that he designates as his successor. As a board member and officer, Mr. Zuckerberg owes a fiduciary duty to our stockholders and must act in good faith in a manner he reasonably believes to be in the best interests of our stockholders. As a stockholder, even a controlling stockholder, Mr. Zuckerberg is entitled to vote his shares, and shares over which he has voting control as a result of vo­ ting agreements, in his own interests, which may not always be in the interests of our stockholders generally.“43

S.  123 des Facebook-Wertpapierprospektes beschreibt die Inhalte verschiedener sonstiger Stimmrechtsvereinbarungen, die über den Börsengang hinaus fort­ dauern.44 Solche und andere Abreden sind typisch für Venture Capital-Finan­ zierungen. Vergleichbare Regelungen finden sich bei diversen großen Gesell­

39  S.  nur Corporation Law Committee of the Association of the Bar of the City of New York, 65 Bus. Law. 1153, 1155 (2010). 40  Dazu 1. Teil B. 41  Hierzu nur die einschlägige Tagespresse, etwa das Wall Street Journal vom 02.02.2012 unter der Überschrift „Facebook Sets Historic IPO“. 42  Abrufbar über die Datenbank EDGAR auf der Homepage der SEC, http://sec.gov/Ar­ chives/edgar/data/1326801/000119312512034517/d287954ds1.htm. 43  S.  20 f. des Wertpapierprospekts, der Teil des Registration Statements ist (Nachweis in Fußnote 42). 44  Abrufbar über den in Fußnote 42 dargestellten Link.

356 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen schaften, die mit Hilfe von Wagniskapital gegründet wurden, etwa Google und Amazon.45 cc) Bewertung Die eben beschriebenen Phänomene („blockholder“ und Nebenabreden) kom­ men einem deutschen Betrachter allzu bekannt vor. Im Zusammenhang mit den eben genannten Beispielen mag die Fortwirkung von Stimmbindungsvereinba­ rungen über einen Börsengang hinaus damit erklärt werden, dass sie geschlos­ sen wurden, als der Gesellschafterkreis noch kleiner war. Andererseits entste­ hen die meisten Gesellschaften nicht als börsennotierte. Das wiederum spräche dafür zu vermuten, die Gestaltungsarmut auf Satzungsebene sei damit zu erklä­ ren, dass in den USA die in der Gesellschaft verbleibenden Gründer schlicht keinen Bedarf sehen, zusätzlich zu Nebenabreden die Satzung als Organisa­ tions­mittel zu nutzen. Mangels sicherer Beurteilungsgrundlage lässt sich hier allerdings kein ab­ schließendes Urteil fällen. Da es über die zitierte Studie zu „blockholdern“ hin­ aus keine systematischen, von US-Wissenschaftlern verfassten Untersuchungen gibt,46 die die oben beschriebenen Ergebnisse in neuerer Zeit bestätigten, wird im Folgenden die in den Vereinigten Staaten vorherrschende Ansicht zugrunde gelegt, die von einer einer „dispersed ownership structure“ ausgeht. Unabhän­ gig davon, was zukünftige Untersuchungen zu Tage fördern: Bei Zugrundelegung der Existenz von Paketeignern und Nebenabreden gli­ che die Lage immer noch derjenigen in Deutschland mit Blick auf die Standar­ disierung der Satzungsinhalte, ohne dass es eine §  23 Abs.  5 AktG vergleichbare Vorschrift gäbe. Zurück bleibt ein gewisses Unbehagen mit Blick auf den Umgang des US-Schrifttums mit dem Forschungsgegenstand.

2.  Wagniskapitalvereinbarungen und andere komplexe Bedingungswerke Ein weiterer Beleg für sich faktisch vollziehende Standardisierungsprozesse ohne gesetzgeberischen Anlass ist die „Angloamerikanisierung“ der Vertrags­ praxis im Bereich des Unternehmensrechts im weitesten Sinne.47 Vielfach ent­ 45  Für Google s. unter der Firma „Google Inc.“ mit Sitz im Bundesstaat Kalifornien, S.  82 des Registration Statements vom 29.04.2004, abrufbar unter http://www.sec.gov/Archives/ edgar/data/1288776/000119312504073639/ds1.htm. Für Amazon s. unter der Firma „Ama­ zon.com, Inc.“ mit Sitz im Bundesstaat Washington die verschiedenen in der Anlage 10 zum Registration Statement vom 24.03.1997 beschriebenen Vereinbarungen, abrufbar unter http:// www.sec.gov/Archives/edgar/data/1018724/0000891618-97-001309.txt. 46  Jedenfalls nach Wissen des Autors. 47 Dazu Merkt, ZHR 171 (2007), 490; ders., in: Merkt/Göthel, §  3 (S.  119 ff.). Eine kritische Sicht auf den viel beschriebenen Einfluss des Common Law auf die internationale Vertrags­ praxis findet sich etwa bei Kötz, FS Heldrich, S.  771.

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sprechen Strukturen und Inhalte von in Deutschland abgefassten Verträgen in­ zwischen Regelungsmustern, die aus den Vereinigten Staaten oder England be­ kannt sind. Wagniskapitalvereinbarungen sind hinsichtlich der Regelungsgegenstände in weitem Umfang vereinheitlicht. So finden sich in jeder Abrede Klauseln zum Verwässerungsschutz nach ähnlichen Mustern, Absprachen zu Dividendenvor­ zügen und Liquidationsvorrechten, zum Vesting und zur Besetzung von Orga­ nen, um nur einige Beispiele zu geben. Das wurde oben für das US-Recht be­ reits ausführlich beschrieben.48 Auch in Deutschland lässt sich inzwischen von einem weitreichenden Maß an Standardisierung sprechen.49 In ähnlicher Weise standardisierte Vertragsstrukturen gibt es bei Unterneh­ menskaufverträgen, Kreditverträgen, Anleihen und Wertpapieren.50 Praktiker begründen etwa die Wahl New Yorker Rechts für Anleihen auch deutscher Ge­ sellschaften damit, es habe in den Vereinigten Staaten eine „etablierte Rechts­ praxis“ gegeben.51 Grund der Rechtswahl war mithin das Vorhandensein stan­ dardisierter Strukturen. Weitere für die USA dokumentierte Beispiele für Standardisierungen im gsellschaftsrechtlich relevanten Bereich sind die Abfindungsregelungen in Form sogenannter Golden Parachutes und Regelungen zur Übernahmeabwehr („Poi­ son Pills“).52 Als Beispiel dafür, wie schnell solche Vereinheitlichungsprozesse trotz Feh­ lens gesetzlicher Vorgaben ablaufen können, eignet sich die Entwicklung soge­ nannter „event risk covenants“ in US-Anleihebedingungen Ende der achtziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts: 1987 löste die Ankündigung von RJR Na­ bisco, im Wege eines Leveraged Buyouts übernommen zu werden, einen Ab­ sturz des Preises der von RJR Nabisco ausgegebenen Anleihen um 20% aus.53 Als Reaktion hierauf wurden zum Schutz der Anleiheninhaber „event risk co­ venants“ entwickelt.54 Über die knappe Zeitspanne von November 1988 bis Ja­ nuar 1989 hinweg gab es bereits eine Standardisierungsquote von 90% bezogen auf zehn von zwölf wesentliche Elemente dieser Covenants.55 Innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums vollzog sich also eine Standardisierung komplexer Ver­ 48 

S.  dazu die Ausführungen im 1. Teil B. Oben 2. Teil A. vor §  1. 50  Zu Kreditverträgen Haag, in: International Acquisition Finance, 2008, unter 2., zu An­ leihen neben Kahan/Klausner, 83 Va. L. Rev. 713 (1997) noch (für den europäischen Anleihe­ markt) Engert/Hornuf, Stanford Law and Economics Olin Working Paper No. 434, sowie (zu Staatsanleihen) Choi/Gulati/E.Posner, 4 J. Leg. Anal. 131 (2012); zu Wertpapieren Kern, S.  253 ff. 51  Schlitt/Hekmat/Kasten, AG 2011, 429, 430. 52  Davis/Greve, 103 Am. J. Soc. 1 (1997). 53  Kahan/Klausner, 83 Va. L. Rev. 713, 740 f. (1997). 54  Zur Entwicklung von Event Risk Covenants Kahan/Klausner, 83 Va. L. Rev. 713, 740 ff. (1997). Zur Verwendungshäufigkeit dies. aaO., 743 f. 55  Kahan/Klausner, 83 Va. L. Rev. 713, 747 (1997). 49 

358 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen tragsbedingungen. Dabei fehlte es nicht nur an zwingendem Recht, sondern auch an dispositiven Regelungsmodellen. 

3.  Randnotiz: Standardisierung in Deutschland vor 1843 Bevor das Preußische Aktiengesetz von 1843 in Kraft trat, gab es keine spezi­ fisch aktienrechtliche Gesetzgebung, die Kapitalvereinigungen als solche erfasst hätte.56 So fand der „Actienverein“ im Preußischen Allgemeinen Landrecht zwar Erwähnung, erfuhr aber keine gesetzliche Formung.57 Obwohl ein (inlän­ disches) Regelungsmodell fehlte, bildeten sich unter Einfluss ausländischer Vor­ bilder einheitliche Grundstrukturen heraus.58 Broicher und Grimm beschrieben in ihrem 1835 erschienenen Erläuterungs­ werk zum Handelsgesetzbuch der Königlich Preußischen Rheinprovinzen un­ ter Verweis auf französische Quellen, es existiere bei der „anonymen Gesell­ schaft“ eine Trennung von Gesellschaftsvermögen und Privatvermögen der Gesellschafter und ein Vorrang der Gläubigerbefriedigung bei der Verteilung des Gesellschaftsvermögens.59 Sie skizzierten die Voraussetzungen für die rich­ tige Vertretung der Gesellschaft. 60 „Actionnairs“ müssten nicht mehr als ihre Einlage leisten. 61 Weiterhin verwiesen sie auf die Möglichkeit, „daß ein Gesell­ schafter ohne Einwilligung des andern sein Interesse an der Gesellschaft über­ trage“. 62 Weitere typische Merkmale ließen sich aufzählen. 63 Obwohl es zu dieser Zeit weder Satzungsstrenge im heutigen Sinne gab64 noch umfassende gesetzliche Vorgaben bestanden, auf die die Gestalter hätten zurückgreifen können, bildete sich ein Standardmodell der Gesellschaftsform heraus, die heute als Aktiengesellschaft firmiert. Zwar gab es Sonderregelungen im Preußischen Allgemeinen Landrecht für die Gesellschaften, die kraft Oktroi zur „Korporation“ wurden.65 Zudem bestanden erhebliche Defizite bei der praktischen Nutzung von Aktienvereinen ohne Oktroi.66 Doch ändert dies nichts daran, dass sich in der Gestaltungspraxis in weitem Umfang uniforme Strukturen ausbreiteten. 56 

S.  noch unten §  4 I. Hadding/Kießling, FS Hattenhauer, S.  159, 162. 58  Hadding/Kießling, FS Hattenhauer, S.  159, 163. 59  Broicher/Grimm, Handelsgesetzbuch, S.  12 Anm.  5. 60  Broicher/Grimm, Handelsgesetzbuch, S.  13 Anm.  d)3. zu Art.  2 2. 61  Broicher/Grimm, Handelsgesetzbuch, S.  18 Anm.  a)2. zu Art.  29. 62  Broicher/Grimm, Handelsgesetzbuch, S.  19 Anm.  d) zu Art.  34. 63  S.  Hadding/Kießling, FS Hattenhauer, S.  159, 163. 64  Hierzu noch unten §  4 I. 65 Hierzu Hadding/Kießling, FS Hattenhauer, S.  159, 163. 66  Hierzu die Motive des Kommissionsentwurfs zum Preußischen Aktiengesetz 1843, ab­ gedruckt bei Baums (Hrsg.), Preußisches Gesetz über die Aktiengesellschaften, S.  58 ff., und die Zusammenfassung von Hadding/Kießling, FS Hattenhauer, S.  159, 163. 57 

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Die Defizite, die Grund für die Inkraftsetzung des Preußischen Aktiengeset­ zes 1843 waren, hatten ihre Ursache nicht allein in fehlenden gesetzlichen Rege­ lungen, sondern beruhten wenigstens zum Teil auf der rechtlichen Aufarbei­ tung der sich zur damaligen Zeit im deutschen Reichsgebiet vollziehenden wirt­ schaftlichen Entwicklung von der Agrar- zur Industriegesellschaft. 67 Für die Debatte um die Standardisierung und §  23 Abs.  5 AktG lässt sich auf Grundlage des hier schlaglichtartig angestrahlten historischen Materials jeden­ falls begründet vermuten, eine gründliche Aufarbeitung der Geschichte der Aktiengesellschaft in Deutschland zeigte, dass die Satzungsstrenge in ihrer heutigen Form jedenfalls keine Voraussetzung war, Standardisierung herbeizu­ führen.

4. Zwischenergebnis Unter Zuhilfenahme eines Rechtsvergleichs zu den USA wird deutlich, dass die Hypothese, ohne weitreichende zwingende Vorgaben komme keine Standardi­ sierung der Rechtsform „Aktiengesellschaft“ zustande, sich nicht halten lässt. Obwohl das Gesellschaftsrecht von Delaware keine §  23 Abs.  5 AktG vergleich­ bare Norm kennt und weder die staatliche Kapitalmarktgesetzgebung noch die Börsenordnungen vergleichbare Restriktionen vorsehen, sind die „corporate charters“ der Public Corporations nahezu uniform. Abweichungen dieser Sat­ zungsäquivalente, die im Wesentlichen sogenannte „fair price“-Regelungen für Unternehmensübernahmen betreffen, korrelieren mit divergierenden Vorgaben im staatlichen Übernahmerecht. Gegen die herrschende Meinung zur Rechtfertigung der Satzungsstrenge als notwendige Voraussetzung der Standardisierung spricht darüber hinaus die Uniformisierung anderer komplexer Gestaltungen. Auch rechtshistorisch be­ stehen Anhaltspunkte dafür, dass bereits vor den ersten genuin aktienrechtli­ chen Gesetzgebungsmaßnahmen einheitliche Strukturen von Kapitalvereini­ gungen bestanden, die aus heutiger Sicht mit der Aktiengesellschaft jedenfalls verwandt waren.

III.  Standardisierung ohne zwingendes Recht: Erklärungsansätze Es kommen mehrere Ansätze in Betracht, die Standardisierung ohne zwingen­ des Recht zu erklären. Zunächst entfalten abdingbare Normen offenbar ein ge­ wisses „Beharrungsvermögen“. Die Marktteilnehmer weichen vielfach nicht von den gesetzlichen Regelungsmodellen ab, selbst wenn dies möglich wäre, ohne in erheblichem Umfang Transaktionskosten zu verursachen. Eine in den USA vorgetragene Erklärung sieht die Ursache hierfür in der Delegation von 67 Vgl.

Hadding/Kießling, FS Hattenhauer, S.  159, 161 f.

360 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen Anpassungsentscheidungen an den Gesetzgeber (dazu 1.). Außerdem gibt es Anreize für die Marktteilnehmer, sich einheitlicher Standards zu bedienen, weil dies der Rechtssicherheit dient, Transaktionskosten spart und der Gefahr vor­ beugt, als Anbieter Preisabschläge hinnehmen zu müssen, weil die Nachfra­ geseite unbekannte Klauseln skeptisch bewertet (unten 2.). Schließlich spielen die wirtschaftlichen Interessen der Rechtsberater eine Rolle (unten 3.).

1.  Delegation von Anpassungsentscheidungen an den Gesetzgeber Wieso sich die Satzungen von Public Corporations in den USA so stark äh­ neln,68 wird in den Vereinigten Staaten seit einiger Zeit diskutiert. Bundesge­ setzliche Vorgaben oder Vorschriften der Wertpapierbörsen reichen als Begrün­ dung nicht aus, da diese nur einzelne Aspekte der Organisation regeln. Einige Autoren vermuten, die Beteiligten delegierten Anpassungsentscheidungen an den Gesetzgeber (a]). Die Erklärungskraft dieses Konzepts hat allerdings Gren­ zen, da es durchaus in einem wichtigen Punkt, nämlich der Haftung der Ge­ schäftsleiter in der Corporation, (einheitliche) Abweichungen vom Gesetz gibt (b]). a)  Das Konzept der Delegationstheorie Einige Autoren in den USA sehen den Grund für das geringe Ausmaß an Ab­ weichungen der Corporate Charters (dem Satzungsäquivalent) vom gesetzli­ chen Modell darin, die Satzungsgestalter delegierten die Entscheidung über Änderungen und Anpassungen an den Gesetzgeber. 69 Auf diese Weise würde Problemen bei Änderungen der Gesellschaftssstruktur vorgebeugt, die mögli­ cherweise aufgrund von Konflikten zwischen Gesellschaftern oder auf andere Weise entstünden.70 Der Gesetzgeber nimmt dieser Theorie nach gewisserma­ ßen die Rolle eines neutralen Dritten ein, der für angemessene Regelungen sorgt. Im Zusammenhang mit dem Thema der Gestaltungsfreiheit im Gesell­ schaftsrecht ist die daraus gezogene Schlussfolgerung bemerkenswert: „The delegated contracting theory of corporate law offered here has the ironic implica­ tion that the most heavily regulated organizational forms may be, in the long term, the most adaptable. Most publicly traded business corporations, with their vacuous charters, are subject to the ever changing governance rules promulgated by the Delaware legisla­ ture and courts—rules that, it is frequently argued, in fact seem to change rather too of­ ten. In contrast, firms with detailed, privately crafted governing instruments are poten­

68 

Oben II.1.a). Hansmann, 8 Am. L. & E. Rev. 1, 9 ff. (2006); Hansmann/Kraakman, FS Hopt, Band I, S.  747, 760. Kritisch zur Delegationstheorie Häusermann, 9 Hastings Bus. L. J. 45, 60 ff. (2012). 70  Hansmann, 8 Am. L. & E. Rev. 1, 9 ff. (2006). 69 

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tially rather rigid, capable of structural change only by securing the acquiescence of both shareholders and managers to a formal amendment of the charter.“71

Zur Eignung des Staates als Regelsetzer wird, bezogen auf Delaware, hinzuge­ fügt: „Evidently, what is needed for the role of delegated contracting agent is an institution that has substantial expertise, that has an interest in keeping the terms of corporate char­ ters reasonably efficient, that can be counted on to last indefinitely, and that will remain relatively free from regulatory capture by one or the other corporate constituency. The state of Delaware fits this role well, for a number of familiar reasons [...].“72

Im Grunde, das ist das Erstaunliche an diesem Erklärungsansatz, liefert er eine Begründung dafür, ganz im Gegensatz zur Rechtslage in Delaware Gestal­ tungsfreiheit in erheblichem Maße zu beschneiden. Wenn die „most heavily re­ gulated organizational forms“ langfristig die anpassungsfähigsten sind, liefert dies für die Vertreter der deutschen herrschenden Meinung zur Satzungsstrenge ein zusätzliches Argument. Indes ist durchaus fraglich, ob die Delegationstheo­ rie trägt, weil sie zum einen eine recht begrenzte Erklärungswirkung hat und zum anderen gerade in ihrem Hauptanwendungsbereich, der Public Corpora­ tion, die Anpassungsfähigkeit aus anderen Gründen besteht. b) Kritik aa)  Begrenzte Erklärungskraft der Delegationstheorie Die Erklärungskraft der Delegationstheorie ist im Kontext von Standardisie­ rungen komplexer Bedingungswerke in zweierlei Hinsicht kritisch zu bewer­ ten: Zum einen betrifft sie vorrangig die Public Corporation ([1]). Zum anderen setzt sie sich nicht damit auseinander, dass es jedenfalls hinsichtlich eines Rege­ lungsgegenstandes systematische Abweichungen der Satzungen (Corporate Charters) vom gesetzlichen Modell gibt, nämlich mit Blick auf die Haftung des Board of Directors ([2]). (1)  Ausrichtung auf die Public Corporation Ein Problem der Delegationstheorie liegt darin, dass sie stark auf die Public Corporation zugeschnitten ist.73 Sie bezieht sich allein auf die Übereinstim­ mung von Satzungsbestimmungen und gesetzlichem Modell. Standardisierun­ gen, die sich trotz Ausnutzung normativer Gestaltungsspielräume vollziehen, 71 

Hansmann, 8 Am. L. & E. Rev. 1, 13 (2006), Kursivsetzung im Original. Hansmann, 8 Am. L. & E. Rev. 1, 14 (2006). 73  Kritisch hinsichtlich der Grundannahmen der Delegationstheorie Häusermann, 9 Has­ tings Bus. L. J. 45, 61 f. (2012). Diesem Problem muss hier nicht nachgegangen werden, weil der Erklärungsansatz auch dann keine ausreichende Kraft hat, wenn seine Prämissen nicht in Frage gestellt werden. Dazu oben im Text. 72 

362 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen erfasst sie nicht. Das gilt etwa für Venture Capital. Hier gibt es weitreichende Standardisierungen von Vereinbarungen, die von den Grundregeln des Dela­ ware General Corporation Law abweichen.74 Über die Corporation hinaus ver­ mag die Delegationstheorie Vereinheitlichungen in der Gestaltung von Publi­ kumspersonengesellschaften in den USA75 nicht ausreichend zu erklären, die gleichfalls auf der Abbedingung der Geltung bestimmter Normen beruhen. Zur allgemeinen Theorie über die Standardisierung komplexer Vertragsbedingun­ gen taugt sie demnach nicht. Es bedarf also wenigstens einer Ergänzung der Delegationstheorie, die die genannten Defizite zu erfassen in der Lage ist.76 Weiterhin gilt selbst für die Public Corporation eine Einschränkung der De­ legationstheorie, nämlich die systematische Abweichung vom Gesetz mit Blick auf die Haftung des Board of Directors: (2)  Systematische Abweichung vom Gesetz: Haftungsbeschränkungen Gegen die Delegationstheorie spricht ein Befund, der von ihren Verfechtern nicht gewürdigt wird: In einer wichtigen Gestaltungsfrage weichen die Satzun­ gen von Public Corporations – standardmäßig – vom Gesetz ab: §  102(b)(7) DGCL ermöglicht eine weitreichende Enthaftung der Mitglieder des Board of Directors für Sorgfaltspflichtverletzungen. Ähnliche Regeln gibt es in anderen US-Bundesstaaten.77 Von 100 Satzungen der 2009 im Index „Fortune 100“ aufgenommenen Corporations sah nur eine keine Enthaftungs­ klausel vor.78 Sämtliche zur Zeit der Datenerhebung in Delaware registrierten Gesellschaften (65 der 100) nutzten §  102(b)(7) DGCL.79 Die jeweils satzungs­ mäßig verankerten Haftungsregeln wiesen keinerlei Divergenzen hinsichtlich des Maßes an Enthaftung auf, sondern schöpften den gesetzlich zur Verfügung gestellten Spielraum vollständig aus.80 Dieses Ergebnis lässt sich zwar damit rechtfertigen, dass die Anteilseigner den Satzungsänderungen nach Einführung der Möglichkeit zur Enthaftung qua Satzung zustimmen mussten und sich daher mit ihrer Zustimmung freiwil­ lig ihres Schutzes begeben hätten. Problematisch an diesem Argument ist je­ doch, dass nach den Regeln zur Satzungsänderung das Recht von Delaware den Gesellschaftern nur wenige Möglichkeiten bietet, sich gegenüber dem Board of Directors in einem „proxy contest“ durchzusetzen.81 74 

Ausführlich oben 1. Teil B. Zu diesen ausführlich unten IV.2.b). 76  Einen solchen Ansatz bietet die Netzwerktheorie, wie sogleich unter 2. gezeigt wird. 77  Nachweise bei Brown/Gopalan, 42 Ind. L. Rev. 285, 309 f. (2009). 78  Brown/Gopalan, 42 Ind. L. Rev. 285, 307 ff. (2009). 79  Brown/Gopalan, 42 Ind. L. Rev. 285, 309 f. (2009). 80  Brown/Gopalan, 42 Ind. L. Rev. 285, 310 (2009). 81 Plastisch Brown/Gopalan, 42 Ind. L. Rev. 285, 287: „It is management that drafts the proposal, management that has the authority to initiate the proposal, management that deci­ des the most propitious moment to put forth the proposal, and management that has the cor­ 75 

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Wie auch immer diese Gestaltung der Sache nach zu bewerten ist – zwei Ge­ sichtspunkte sind im gegebenen Zusammenhang wesentlich: Erstens beein­ trächtigt das beschriebene Phänomen die Erklärungskraft der Delegationstheo­ rie ganz erheblich. Zweitens vermag diese Abweichung vom Gesetz der deut­ schen herrschenden Meinung zur Notwendigkeit der Standardisierung durch zwingendes Recht nicht als Stütze dienen. Denn die Abbedingung von §  102(b) (7) DGCL ist Routine, sie ist mit anderen Worten: Standard. Wer argumentiert, die Abbedingung von Haftungsvorschriften sei schlechte Gestaltung, so dass es gesetzlicher Gegenmaßnahmen bedürfe, beruft sich nicht auf Standardisierung als Argument, sondern auf eine materielle Wertung, warum punktuell ein anderer Standard gesetzt werden sollte. Dieser Aspekt wird unten am Beispiel der Publikumspersonengesellschaften vertieft.82 bb)  Langfristige Anpassungsfähigkeit aus anderen Gründen Über die bisher genannten Einwände hinaus ist die Tragfähigkeit der Delega­ tions­theorie noch aus einem anderen Grund fraglich. So verweisen ihre Vertre­ ter darauf, 83 dass möglicherweise gerade weitreichender Zwang für die langfris­ tige Anpassungsfähigkeit sorge. Berücksichtigt man, dass die Satzungen ausge­ rechnet der Public Corporation, die im Fokus der Delegationstheorie steht, sich gleichen und, abgesehen von der Abweichung von §  102(b)(7)DGCL, dem ge­ setzlichen Modell entsprechen, ist die Möglichkeit der langfristigen Anpassung durch gesetzgeberische Tätigkeit auch so gegeben.

2.  Netzwerkbildung und Netzeffekte als Standardisierungsanreiz Aus Sicht der Marktteilnehmer gibt es erhebliche Anreize, sich standardisierter Klauselwerke zu bedienen. Denn insoweit ist die Rechtssicherheit größer, weil die Bedingungen bereits einem Prüfungsprozess unterzogen wurden und es je­ denfalls einen Kern an einheitlicher Auslegungspraxis gibt, insbesondere wenn schon Rechtsprechung zu einzelnen Bestimmungen existiert. Damit treten Transaktionskosten als maßgeblicher Faktor in den Vordergrund (b]). Dieser Aspekt kommt auch bei der Änderung bestehender Standards zum Tragen (un­ ten c]). Zur Einbindung dieser Aspekte in ein einheitliches Konzept bietet sich die ökonomische Netzwerktheorie an, die sich mit den Auswirkungen der Nut­ zung gleicher oder sich ergänzender Güter beschäftigt. Rechtliche Regelungen kommen genauso als solche Güter in Betracht wie sonstige Güter (dazu a]). porate treasury at its disposal to ensure adoption of the proposal.“ Die Details können hier nicht dargestellt werden, zu den Verfahrensabläufen Bainbridge, Corporation Law and Eco­ nomcis, S.  439 ff., 472 ff. 82  Unten IV.2. 83  Oben a) bei Fußnote 69.

364 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen a)  Netzgüter und rechtliche Regelungen aa)  Netzgüter, Netzwerkbildung und Netzeffekte Nutzt jemand ein bestimmtes Gut, profitiert er möglicherweise davon, dass weitere Personen das gleiche Gut gebrauchen. Ein Beispiel aus dem Alltag ist das Telefon:84 Hat nur eine Person ein Telefon, ist das Gerät nutzlos. Je mehr Perso­ nen über ein Telefon verfügen, desto größer ist der Nutzen für seine Besitzer und desto interessanter wird es für jemanden, der kein Telefon hat, sich eines zu beschaffen. So etabliert sich ein Standard, über welche Kommunikationsmittel der Durchschnittsbürger verfügt. Die ökonomische Theorie beschreibt solche Prozesse als die Herausbildung von Netzgütern, die Folge von Netzeffekten sind, die wiederum auf der Bil­ dung eines Netzwerkes beruhen.85 Allgemein formuliert entstehen Netzeffekte, wenn die Nutzer eines Gutes davon profitieren, dass weitere Personen das glei­ che Gut oder sich ergänzende Güter gebrauchen. 86 Mit „Netzwerk“ ist also nicht gemeint, dass sich die Marktteilnehmer verabreden oder gar untereinan­ der Verträge schließen. Der Begriff dient lediglich der Beschreibung der fakti­ schen Verbindung der Beteiligten, die sich aus der Nutzung gleicher oder kom­ plementärer Güter ergibt.87 In ökonomischer Hinsicht hängt die Erzielung von Vorteilen damit nicht mehr nur von eigenen Anstrengungen ab, sondern auch von den Anstrengungen der übrigen Beteiligten. 88 Es kommt ein Standardisierungsprozess in Gang, weil gleichförmiges Verhalten kostensparend wirkt.89 Auf diese Weise wird ein (lokales) öffentliches Gut geschaffen, das sogenannte Netzgut.90 Es handelt sich um positive Externalitäten.91

84  Das Telefon ist eines der Standardbeispiele aus der Literatur zur ökonomischen Netz­ werktheorie, s. nur Farrell/Saloner, 16 RAND J. Econ. 70 (1985); Katz/Shapiro, 75 Am. Econ. Rev. 424 (1985); Klemperer, network goods (theory), in: The New Palgrave Dictionary of Eco­ nomics. In der deutschen rechtsökonomischen Literatur etwa Engert, AcP 213 (2013), 321, 325. 85  Nachweise in der vorhergehenden Fußnote. 86  Nachweise Fußnote 84. 87  Hierzu noch unten 3.b). 88  Goyal, Connections, S.  35. 89  Engert, AcP 213 (2013), 321, 342; Farrell/Klemperer, in: Handbook of Industrial Orga­ nization, S.  1967, 1971. 90  Goyal, Connections, S.  35 Fußnote 7. 91  Katz/Shapiro, 75 Am. Econ. Rev. 424 (1985); Goyal, Connections, S.  35. Zum hieraus folgenden Trittbrettfahrerproblem unten c)aa)(2).

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bb)  Rechtliche Regelungen als Netzgüter Der eben skizzierte Ansatz ist auf rechtliche Regelungen übertragbar.92 Recht­ liche Regelungen eignen sich grundsätzlich ebenso wie ein Telefon als Netzgut. Je mehr Marktteilnehmer bestimmte Klauseln gebrauchen, desto größer ist der Nutzen des Gebrauchs und desto größer wird der Anreiz, gebräuchliche Klau­ seln zu übernehmen. Das wird deutlicher, wenn man die Transaktionskosten der Verwendung von rechtlichen Regelungen betrachtet:93 Wer sich bereits etablierter Regelungsmodelle bedient, spart die Kosten der Erstellung neuer Bedingungen. Zudem ziehen sich Verhandlungen weniger in die Länge, wenn es – gewissermaßen: nur noch – um die Details geht, nicht aber um die Frage, welche Regelungsgegenstände überhaupt berücksichtigt werden. Darüber hinaus ist aus Sicht der Nachfrager und Marktbeobachter die Ver­ wendung unüblicher Klauseln mit Unsicherheiten über ihre rechtliche Validität und ihre Auslegung behaftet. Diese Unsicherheiten führen dann zu Preisab­ schlägen. Das setzt einen weiteren Anreiz, gerade keine ungebräuchlichen Be­ dingungen zu nutzen, sondern sich des Marktstandards zu bedienen. b)  Transaktionskostenreduzierung durch Nutzung etablierter Standards Können nach dem oben Gesagten rechtliche Regelungen grundsätzlich als Netzgüter betrachtet werden, ist nun näher zu entfalten, worin die Netzeffekte im Einzelnen bestehen. „Marktteilnehmer“ sind in erster Linie die Anbieter und die Nachfrager, also etwa der Emittent von Wertpapieren und institutionelle Anleger.94 Während das Interesse der Anbieter an der Standardisierung gut anhand des Transak­ tions­kosten­arguments erklärt werden kann, mag hinsichtlich der Nachfragesei­ te spontan der Einwand aufkommen, diese seien nun gerade nicht an standardisierten, sondern an den für ihre Anlage- und Investitionszwecke besten Klau­ seln interessiert. Entsprechend trennt die folgende Darstellung zwischen An­ bietern (aa]) und Nachfragern (bb]). Anschließend wird erläutert, wieso nicht nur neu auf den Markt tretende An­ bieter und Nachfrager ein Interesse an der Verwendung von Standards haben, die andere Marktteilnehmer nutzen, sondern warum den bisherigen Standard­ nutzern gleichfalls an der Verbreitung der von ihnen verwandten Muster liegt (cc]). Erst dies erklärt die Netzwerkbildung vollständig. 92  Engert, AcP 213 (2013), 321, 329; Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 775 (1995); vgl. auch Ayres, 73 U. Chi. L. R. 3, 9 (2006). 93  Ausführlich hierzu sogleich b). Da es hier nur um eine erste Einführung und die Präsen­ tation dem Grunde nach in der ökonomischen Theorie allgemein bekannter Umstände geht, werden Nachweise erst im Zusammenhang mit den Detailerläuterungen im Abschnitt b) auf­ geführt. 94  Zur Rolle der Rechtsberater unten d). Zum Begriff des Nutzers einer Regelung auch Engert, AcP 213 (2013), 321, 330.

366 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen aa)  Interesse der Anbieter an Transaktionskostenreduzierung Möchte ein Anbieter neue Klauseln nutzen, etwa eine neue Bestimmung in An­ leihebedingungen, muss er diese entwerfen und auf ihre juristische Validität hin überprüfen. Schaffen Marktteilnehmer eine neue Struktur zur Organisation von Kooperationsbeziehungen oder einen neuen Vertragstypus, unterliegen die maßgeblichen Vereinbarungen rechtlicher Unsicherheit. Denn es ist unklar, in welchem Umfang Gerichte die ihnen unbekannten Klauseln anerkennen95 und wie sie die Abreden auslegen werden.96 Aus Sicht der Anbieter führt dies auch deshalb zu einem Nachteil, weil sie befürchten müssen, dass die Nachfrageseite und andere Marktbeobachter wie Analysten Unsicherheiten mit Preisabschlä­ gen quittieren.97 Anders gewendet: Je häufiger eine Klausel genutzt wird, desto stärker neh­ men die Kosten der Nutzung ab. Sobald sich eine Spruchpraxis entwickelt hat, steigt die Rechtssicherheit.98 Außerdem sinkt die Fehleranfälligkeit bei dem Umgang mit den Klauseln, so dass sowohl die Vertragsgestaltungskosten fal­ len99 als auch die Qualität der konkreten Formulierung steigt.100 Die Implementierung neuer Vertragsklauseln verursacht zudem deshalb Kos­ ten, weil sich Verhandlungen länger hinziehen und die Bestimmungen mögli­ cherweise mehrfach modifiziert werden müssen, bis sie aus Sicht der Beteiligten „passen“.101 Wer dagegen Regelungsmuster nutzt, die bereits Eingang in den Markt gefunden haben, spart Zeit und Geld.102 Sämtliche dieser Aspekte wurden von Praktikern im Silicon Valley im Zu­ sammenhang mit Venture Capital-Finanzierungen betont.103 Mehrfach verwie­ sen Anwälte darauf, insbesondere in den ersten „Runden“, wenn wenig Geld zur Verfügung stehe, sei es schlicht unmöglich, sich auf langwierige Verhand­ lungen einzulassen, weil dies die Beratungskosten in die Höhe treibe und die Zuführung von Kapital verzögere. Die Kapitalgeber im Silicon Valley nutzen 95 

Man denke hier aus der deutschen Perspektive nur an §  307 Abs.  1, 2 BGB. Klausner, 31 J. Corp. L. 779, 793 (2006); ders., 81 Va. L. Rev. 757, 775 (1995). Vgl. auch Engert, AcP 213 (2013), 321, 331 ff. Die Bedeutung der Reduzierung von Informationskosten für die Typenbildung betont auch Kern, S.  467 ff., allerdings nicht im Kontext des hier verfolg­ ten Netzwerkansatzes und mit Blick vor allem auf das Sachen- und Wertpapierrecht. 97  Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 785 (1995). 98  Kahan/Klausner, 83 Va. L. Rev. 713, 722 (1997); Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 776 ff. (1995). 99  Weil die Sicherheit im Umgang mit der Formulierung steigt, so dass weniger Zeit auf die Erstellung eines Klauselentwurfs verwendet werden muss. 100  Kahan/Klausner, 83 Va. L. Rev. 713, 720, 723 (1997); Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 782 ff. (1995). 101  Kahan/Klausner, 83 Va. L. Rev. 713, 720 (1997); Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 782 ff. (1995). 102  Hierzu auch (mit weiteren, hier nicht relevanten Differenzierungen) Engert, AcP 213 (2013), 321, 331 ff. 103  Vgl. bereits oben 1. Teil B. §  13 III. und IV. 96 

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einen begrenzten Satz von Klauseln, den sie von Transaktion zu Transaktion reproduzieren.104 bb)  Interesse der Nachfrager an Transaktionskostenreduzierung Wie bereits oben angedeutet, scheint aus Sicht der Nachfrager wenig dafür zu sprechen, standardisierte Bedingungen zu akzeptieren. Schließlich hat jeder In­ vestor besondere Interessen hinsichtlich seiner Anlagestrategie und seiner Risi­ kopräferenzen. Zudem ist auf den ersten Blick kaum nachvollziehbar, wieso ausgerechnet die Seite, die von im Vergleich besseren Angeboten profitierte, dies nicht goutieren sollte. Hier spielen zwei Faktoren eine Rolle, die bei der Diskussion über Standardisierung zu berücksichtigen sind, nämlich die Unsi­ cherheit bei der Bewertung neuer Klauseln einerseits ([1]) und die Einforderung bekannter Vertragsmuster andererseits ([2]). (1)  Unsicherheit bei der Bewertung neuer Klauseln Aus Sicht der Nachfrageseite hat die Standardisierung der Bedingungen, die die Anbieter nutzen, den Vorteil der Vergleichbarkeit. Investoren und Analysten können so die verwendeten Klauseln schneller und auf verlässlicherer Grundla­ ge bewerten als dies der Fall wäre, unterschieden sich die auf dem Markt ange­ botenen Varianten stark.105 Für Investoren ermöglicht gerade diese Vergleich­ barkeit den Erwerb von Wertpapieren oder den Abschluss von Verträgen, etwa über Darlehen für komplexe Finanztransaktionen, nach Maßgabe ihrer Bedürf­ nisse. Sie können etwa Unternehmen aus demselben Wirtschaftszweig besser bewerten, wenn die gleichen Angaben vorhanden sind.106 Nicht umsonst soll beispielsweise das Wertpapierprospektrecht eine einheit­ liche Struktur von Angaben über Wertpapiere und deren Emittenten sicherstel­ len. Nutzte jeder Anbieter andere Bedingungen, wäre die Informationsvielfalt selbst seitens professioneller Anleger zumindest deutlich schwieriger zu bewäl­ tigen. Es stellt sich das inzwischen bekannte Problem der Informationsüberlas­ tung („information overload“). Auch die Nachfrageseite hat damit wegen der hier beschriebenen Bewertungsschwierigkeiten ein Interesse an Standardisie­ rung.

104 Zur geringen Varianz der von den einzelnen Investoren genutzten Bedingungen Bengtsson/Bernhardt, Different Problem, S.  12 ff. 105  Kahan/Klausner, 83 Va. L. Rev. 713, 723 (1997); Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 780 ff. (1995). 106 Zur Autarkie der Vertragspraxis in den USA gegenüber dem geschriebenen Recht Merkt, ZHR 171 (2007), 490, 499.

368 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen (2)  Einforderung bekannter Vertragsmuster Das eben eher abstrakt begründete Interesse der Nachfrager an standardisierten Bedingungen findet in der Praxis insbesondere bei institutionellen Investoren aus dem anglo-amerikanischen Raum Ausdruck darin, dass diese mit Nach­ druck die Verwendung von Vertragsmustern einfordern, die sie aus ihren Hei­ matjurisdiktionen kennen.107 Ob aus Sicht eines objektiven Dritten, wer auch immer dies sei, die Rechtsordnung des Investitionsobjektes „bessere“ Regelun­ gen vorsieht, ist irrelevant.108 Maßgeblich ist die Sicherheit, die der Umgang mit anerkannten und erprobten Mustern garantieren soll.109 Es handelt sich um eine Entscheidung nach wirtschaftlichen Kriterien, für die vor allem die Transaktionskosten als Folge der Verwendung unbekannter Klauseln eine erhebliche Rolle spielen. Dass die nach ausländischem Vorbild konzipierten Muster in rechtlicher Hinsicht mitunter erheblichen Bedenken ausgesetzt sind, verwiesen sei nur auf das deutsche Konzernrecht als Problem­ quelle, wird dabei hingenommen.110 Dem Autor dieser Arbeit gegenüber wurde von deutschen Anwälten ver­ schiedener Kanzleien, die ausländische Investoren beraten, anekdotisch berich­ tet, selbst der Hinweis auf Wirksamkeitshemmnisse dringe nicht immer zum Mandanten durch, weil dieser die Lage vor allem aus der Perspektive seines Hei­ matrechts beurteile und von bestimmten Rechten faktisch nicht lassen wolle. Um es pointiert zu formulieren: Ein Private Equity Manager aus den USA, der aus wirtschaftlichen Gründen Transaktionen zügig abwickeln will, legt we­ nig Wert auf eine Diskussion über die Vorzüge von nach deutschem Recht ge­ stalteten Klauseln, die möglicherweise in juristisch-dogmatischer Hinsicht „besser“ sind als die ihm aus den USA bekannten. Das gilt zumal dann, wenn es, wie häufig, nicht um die Wirksamkeit einzelner Bedingungen geht. Weiterhin haben international tätige Unternehmen häufig ein Interesse dar­ an, jedenfalls aus der eigenen Wahrnehmung wichtige Dokumente nach inter­ national anerkannten – das heißt in der Regel: anglo-amerikanisch geprägten – Standards zu verfassen, selbst wenn es sich etwa um Verträge handelt, die deut­ sche Konzerngesellschaften miteinander abschließen. Der Hintergrund ist auch hier, gegebenenfalls ohne größeren Aufwand den Forderungen ausländischer 107  Hierzu etwa Liebscher, in: MünchKommGmbHG, §  13 Anh. Rn.  675; Merkt, ZHR 171 (2007), 490, 500. Das gilt auch für Rechtsordnungen innerhalb der USA. Inzwischen wird die Vormacht von Delaware von einigen Autoren in jüngeren Studien der Sache nach mit Netz­ werkeffekten erklärt, s. Anderson IV/Manns, 93 N.C. L. Rev. (2015, im Erscheinen); Kahan, State Competition. 108  Engert, AcP 213 (2013), 321, 354 mit Nachweisen, und die eher rhetorischen Fragen von Merkt, ZHR 171 (2007), 490, 491, zur Bereitschaft von Marktteilnehmern, sich auf deutsche Vorstellungen einzulassen. 109  Dazu auch Engert, AcP 213 (2013), 321, 344. 110  S.  L iebscher, in: MünchKommGmbHG, §  13 Anh. Rn.  675.

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Investoren oder Darlehensgebern, die Verträge nach standardisiertem Modell einfordern, nachkommen zu können. cc)  Interesse bisheriger Standardverwender an der Nutzung etablierter Standards Kritiker des hier beschriebenen Netzwerkansatzes verweisen darauf, es sei nicht ersichtlich, worin der Nutzen für die bisherigen Verwender der Standards liege, dass weitere Marktteilnehmer sich der gleichen Bedingungen bedienten.111 Es handele sich aus Sicht der Anbieter lediglich um Skaleneffekte, die mit der Nutzung einer Klausel endeten.112 Zudem seien die Gewinne an Rechtssicher­ heit, die aus einer zunehmenden Zahl von Urteilen und größerer Verbreitung bestimmter Klauseln resultierten, vernachlässigbar.113 Das folge daraus, dass zwar der Nutzen der ersten Entscheidung über die Zulässigkeit einer Vertrags­ bedingung oder Satzungsbestimmung hoch sei, der Grenznutzen jedes weiteren Urteils jedoch abnehme.114 Mehr gerichtliche Entscheidungen brächten keine größere Sicherheit bei der Auslegung einer Klausel.115 Abgesehen davon, dass diese beiden Aussagen im Widerspruch zueinander stehen,116 vermögen sie auch für sich genommen nicht zu überzeugen: So ist jede Satzungsklausel, die dem Aktiengesetz entspricht, legal, wenn nicht das Gesetz seinerseits verfassungswidrig sein sollte. Dennoch ändert dies nichts daran, dass immer wieder über die Auslegung der entsprechenden Be­ stimmungen im Zusammenhang mit bestimmten Praktiken geurteilt werden muss. Zwar mögen neue Entscheidungen weniger „spektakulär“ wirken, weil die Gerichte über Grundsätze bereits befunden haben. Doch heißt dies nicht, dass die noch zu klärenden Probleme wirtschaftlich weniger bedeutsam wären oder rechtlich weniger intrikat, zumal wenn berücksichtigt wird, wie häufig der Bundesgerichtshof in bestimmten Bereichen seine Rechtsprechung geän­ dert hat. Ökonomisch besehen mag insofern zwar der Grenznutzen neuer Urteile ab­ nehmen. Doch ist er selten vernachlässigbar. Als Stichwort genüge hier die Haf­

111 

Häusermann, 9 Hastings Bus. L. J. 45, 63 f. (2012). Häusermann, 9 Hastings Bus. L. J. 45, 62 (2012) in Verbindung mit den Ausfüh­ rungen auf 63 ff. 113  Häusermann, 9 Hastings Bus. L. J. 45, 62 (2012); Lemley/McGowan, 86 Cal. L. Rev. 479, 574 ff. (1998). 114  Häusermann, 9 Hastings Bus. L. J. 45, 64 (2012); der Sache nach ebenso Lemley/McGowan, 86 Cal. L. Rev. 479, 572, 575 (1998). 115  Häusermann, 9 Hastings Bus. L. J. 45, 64 (2012); ähnlich Lemley/McGowan, 86 Cal. L. Rev. 479, 572 (1998). 116  Der Grenznutzen weiterer Entscheidungen nimmt nur ab, wenn die Sicherheit im Um­ gang mit der Klausel steigt, also gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit sinkt, dass ein Gericht für die Klärung einer Rechtsfrage in Anspruch genommen werden muss. 112 Vgl.

370 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen tung im GmbH-Konzern.117 Der Zustand, dass „alles“ entschieden ist, wird eher selten eintreten. Die Zahl der Entscheidungen und der wissenschaftlichen Publikationen zum deutschen Aktienrecht spricht eine andere Sprache. Ein Mehr an Entscheidungen bringt zwar unter Umständen neue Unsicher­ heiten mit sich, weil die Reichweite der Urteile unklar ist oder sich die Recht­ sprechung ändert.118 Doch in den meisten Fällen stecken verschiedene Urteile zu gleichen gesetzlichen Vorgaben oder ähnlichen Vertragsklauseln aus Sicht der Nutzer den Rahmen weiter ab, innerhalb dessen sich die Gestalter bewegen dürfen. Insofern lässt sich durchaus von einer größeren Rechtssicherheit bei steigender Anzahl von Entscheidungen sprechen. Werden im Markt standardisierte Bedingungen gebraucht, haben demnach auch die bisherigen Verwender einen Nutzen davon, dass andere Marktteilneh­ mer sich ihrer bedienen. Je weniger Variation es gibt, desto eher können Urteile, die bestimmten Gestaltungen ergehen, auf die eigenen Bedingungen übertragen werden und so zur steigenden Sicherheit im Umgang mit ihnen beitragen. Im Übrigen steht die Netzwerktheorie nicht in ausschließender Konkurrenz zu anderen Konzepten wie dem der Skaleneffekte, sondern in einem Ergän­ zungsverhältnis: „[F]rom a cooperative game theory perspective, network ef­ fects are just economies of scale […].“119 Die Netzwerktheorie erweitert die zu betrachtenden Dimensionen, indem nicht lediglich die Anbieterseite in den Blick genommen wird, sondern die Perspektive sämtlicher Marktseiten unter Einbeziehung von Wechselwirkungen und Erwartungen über solche Effekte, die aus der Reaktion Anderer auf das eigene Verhalten resultieren. Abschließend ist darauf zu verweisen, dass die Kritiker des Netzwerktheo­ rieansatzes ihrerseits die Existenz erheblicher ökonomischer Standardisie­ rungsanreize nicht bestreiten.120 Wer den Einwänden der Kritik folgt, ordnet daher die beschriebenen Anreize lediglich in andere ökonomische Konzepte ein, ohne jedoch die für die hiesige Arbeit wesentliche Aussage in Abrede zu stellen, wonach die Vereinheitlichung komplexer Gestaltungen auch ohne zwingende gesetzliche Vorgaben des Gesetzgebers zustande kommt.121

117 

Dazu statt aller Liebscher, in: MünchKommGmbHG, §  13 Anh. Rn.  519 ff. Häusermann, 9 Hastings Bus. L. J. 45, 64 f. (2012). 119  Farrell/Klemperer, in: Handbook of Industrial Organization, S.  1967, 1974. 120 Vgl. Häusermann, 9 Hastings Bus. L. J. 45, 75 ff. (2012); Lemley/McGowan, 86 Cal. L. Rev. 479 (1998), die lediglich die Nutzung der Netzwerktheorie kritisieren, nicht aber Ska­len­ effekte und andere Standardisierungsanreize bestreiten (im Gegenteil: Sie ziehen gerade diese zur Erklärung von Standardisierungen heran). 121 Besonders dezidiert in diese Richtung Häusermann, 9 Hastings Bus. L. J. 45, 75 ff. (2012), der für eine vollständige Verlagerung der Standardherstellung auf den privaten Sektor plädiert. 118 Vgl.

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c)  Transaktionskostenreduzierung und Entwicklung neuer Standards Leuchtet das Argument der Transaktionskostenreduzierung für die Übernah­ me bereits etablierter, das heißt praktisch gebräuchlicher Klauseln ein, bleibt immer noch die Frage zu klären, wie die Entwicklung neuer Bedingungen von­ statten geht. Von Vertretern der herrschenden Meinung lässt sich einwenden, genau dies sei die Stelle, an der das Eingreifen des Gesetzgebers notwendig werde: Da die Marktteilnehmer selbst angesichts der oben skizzierten Gefahr von Preisabschlägen und sonstigen Nachteilen bei der Verwendung neuer Klauseln in vielen Fällen davon absähen, Standards fortzuentwickeln oder vollständig neu zu konzipieren, trage der Gedanke der Transaktionskostenreduzierung nichts mehr zur in dieser Arbeit vorgestellten Hypothese bei, wonach Standar­ disierung nicht zwingend gesetzliche Vorgaben voraussetze.122 Außerdem gebe es einen (Fehl-)Anreiz zum zum Trittbrettfahrertum („free riding“). Die Beschreibung dieser Probleme ist Gegenstand des folgenden Abschnitts aa). Anschließend wird gezeigt, dass aus den genannten Schwierigkeiten nicht abgeleitet werden kann, der Staat müsse eingreifen, weil sich sonst keine Ände­ rungen vollzögen. So gibt es Beispiele dafür, dass Veränderungen der Marktver­ hältnisse Standardanpassungen nach sich ziehen (bb]). Im Übrigen belegt die Existenz privater Einrichtungen wie der Loan Market Association und der BIMCO, dass die Marktteilnehmer durchaus eigenständig Koordinationspro­ blemen und Fehlanreizen begegnen (cc]). Es handelt sich um ein Beispiel für die Möglichkeit, mit Hilfe fokaler Punkte die Handlungsbedingungen zu verän­ dern und so Änderungsprozesse anzustoßen (dd]). Selbst wenn es an solchen Einrichtungen fehlt und staatliche Regulierung angezeigt sein sollte, folgt hier­ aus nicht umstandslos die Notwendigkeit zwingender Vorgaben (ee]). aa)  Wechselkosten und Trittbrettfahrertum als Änderungshemmnisse Überlegt der Nutzer eines Standards, diesen zu wechseln oder anzupassen, hat er zwei Umstände zu berücksichtigen: Zum einen verursacht jeder Standard­ wechsel Kosten (hierzu [1]). Zum anderen hat der Nutzer einen Anreiz abzu­ warten, ob andere Marktteilnehmer vor ihm Änderungen vornehmen, um die­ se, statt sie selbst zu entwickeln, einfach zu übernehmen ([2]). Hieraus resultie­ ren Hemmnisse, individuell neue Klauseln zu nutzen ([3]). (1) Wechselkosten Bereits oben wurde das Interesse der Marktteilnehmer erwähnt, die mit der Klauselerstellung und -verwendung einhergehenden Transaktionskosten mög­ lichst zu reduzieren. Ohne äußere Anreize zur Anpassung der Standards, etwa 122 

Zur Hypothese oben I.2.

372 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen infolge der Veränderung des wirtschaftlichen Umfeldes, halten Anbieter und Nachfrager daher häufig an üblichen Bedingungen fest. Sie müssen befürchten, dass ihnen die übrigen Marktteilnehmer bei einem Standardwechsel nicht fol­ gen.123 Der Aufwand der Entwicklung neuer Standards und des Versuchs ihrer Durchsetzung wäre damit verloren. Darüber hinaus bestünde wiederum die Gefahr von Preisabschlägen. Diese Wechselkosten („switching costs“) wirken vielfach prohibitiv.124 Solange die Kosten der Einführung einer neuen Klausel höher sind als diejenigen, die aus der Verwendung des „schlechten“ Standards resultieren, behindert das Reformüberlegungen.125 Weil jeder erwartet, dass die übrigen Marktteilnehmer auch in Zukunft ange­ sichts der beschriebenen Wechselkostenproblematik ihrerseits an den etablier­ ten Standards festhalten,126 sieht er regelmäßig davon ab, selbst verbesserte Konditionen anzubieten. Praktiker in den USA verwiesen mit Blick auf die Gestaltung von Venture Capital-Finanzierungen auf genau dieses Phänomen: Wer unübliche Bedingun­ gen oder vollständig neue Klauseln in die Verhandlungen über die Beteiligungs­ vereinbarungen einbringt, muss damit rechnen, dass er – im besten Fall – auf umstandslose Ablehnung stößt oder sich sogar – im schlechtesten Fall – Man­ danten von ihm abwenden, weil er die Verhandlungen verlängert und damit die Kosten in die Höhe treibt.127 Dass Marktteilnehmer unter Umständen eher am Marktstandard festhalten als abweichende Bedingungen einzufordern, zeigt auch das Beispiel der Anlei­ hestrukturierung in Europa.128 Der Wunsch, ein einheitliches Vertragsrecht für die Gestaltung nutzen zu können, überwiegt hier offenbar ganz erheblich den­ jenigen nach Durchsetzung individueller Präferenzen. So ist es seit 1999 zu ei­ ner Vorherrschaft des englischen Rechts im europäischen Anleihemarkt ge­ kommen.129 (2)  Trittbrettfahrertum („free riding“) Gerade in dem eben beschriebenen Zusammenhang ist der Anreiz zum Tritt­ brettfahren („free riding“) relevant: Wer die Möglichkeit hat, von Anderen ein­ geholte und bereitgestellte Informationen zu nutzen, wird selbst weniger An­ 123 

Farrell/Saloner, 16 RAND J. Econ. 70, 75 (1985). Zum Problem der Wechselkosten Farrell/Klemperer, in: Handbook of Industrial Orga­ nization, S.  1967, 1977. Im Zusammenhang mit rechtlichen Regelungen Engert, AcP 213 (2013), 321, 335. 125  Engert, AcP 213 (2013), 321, 335. 126 Zur zentralen Bedeutung dieser Erwartungshaltung für Netzwerkbildung Farrell/ Klemperer, in: Handbook of Industrial Organization, S.  1967, 1971. 127  Zum ersten Fall vgl. das oben im 1. Teil B. §  13 III.1. beschriebene Beispiel, zum zweiten Fall 1. Teil B. §  13 III.2. und IV. 128 Hierzu Engert/Hornuf, Stanford Law & Economics Olin Paper Nr.  434. 129  Ausführlich zum Ganzen Engert/Hornuf aaO. 124 

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strengungen unternehmen, neue Informationen zu beschaffen.130 Übertragen auf die hier relevante Problemstellung heißt das: Wenn etwa die für ihre solide juristische Arbeit bekannte Kanzlei A neue Bedingungen entworfen hat, ist es aus Sicht anderer Marktteilnehmer rational, dieses bereits vorhandene Modell zu nutzen und gegebenenfalls weiterzuentwickeln. Auf diese Weise sind die Kosten geringer als bei der vollkommen eigenständigen Konzeption neuer Klauseln. Im Übrigen lässt sich so beobachten, wie die übrigen Marktteilnehmer auf die in den Verkehr gebrachten neuen Klauseln reagieren. Preisabschläge und sons­ tige Nachteile entstehen in diesem Fall nur auf der anderen Seite, nicht auf der eigenen. (3)  Wechselkosten und Trittbrettfahrertum als Änderungshemmnisse Im Ergebnis können die erwarteten Wechselkosten verbunden mit dem Prob­ lem des Trittbrettfahrertums dazu führen, dass sämtliche Marktteilnehmer an dem bisherigen Standard festhalten, obwohl sie individuell einen Wechsel für sinnvoll erachteten.131 Diese Situation ändert sich nicht notwendig dadurch, dass Einigkeit über die Anpassungsnotwendigkeit herrscht und die Marktteil­ nehmer von ihren Einschätzungen wissen. Denn keiner von ihnen kann aus Sicht des Rests glaubhaft versichern, einen Wechsel mitzumachen. Jeder muss einkalkulieren, am Ende als derjenige, der sich „zuerst bewegt“, Nachteile in Kauf nehmen zu müssen und gegenüber seinen Wettbewerben ins Hintertreffen zu geraten. Es handelt sich um eine Situation, die derjenigen gleicht, die in der Spieltheo­ rie als Hirschjagd oder Versicherungsspiel bekannt ist:132 Zwei Parteien haben, arbeiten sie nicht zusammen, ein sicheres Ergebnis. Ein besseres Ergebnis errei­ chen sie nur, indem sie kooperieren. Hält sich lediglich eine Partei an die Ab­ sprache, die andere Partei jedoch nicht, geht erstere leer aus, während die zweite wenigstens vom sicheren Ergebnis profitiert. Hieraus ergibt sich zugleich ein Ansatzpunkt für eine Lösung des Problems: Setzt ein Dritter, sei dies eine private Einrichtung oder der Staat, einen Ände­ rungsanreiz, hinsichtlich dessen sämtliche Nutzer des etablierten Standards er­ warten, dass ihn die übrigen Marktteilnehmern berücksichtigen, lässt sich eine Veränderung in Gang setzen. Bevor dies unter cc) näher dargestellt wird, ist zunächst auf einen anderen Anpassungsanreiz einzugehen, nämlich die Ände­ rung der Marktverhältnisse:

130 

Goyal, Connections, S.  36 f. Farrell/Saloner, 16 RAND J. Econ. 70, 77 (1985). 132 Vgl. Baird/Picker/Gertner, Game Theory, S.   35; Dixit/Skeath, Games of Strategy, S.  107. 131 

374 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen bb)  Veränderung der Marktverhältnisse als Änderungsanreiz Wechselkosten hemmen nur dann die Etablierung neuer Standards, sofern sie verglichen mit den Kosten des Festhaltens an weniger effizienten Standards zu hoch sind. Ändern sich die wirtschaftlichen Bedingungen, ändert dies das Er­ gebnis der Kosten-Nutzen-Rechnung, so dass es zu Anpassungen kommen kann, ohne dass rechtlicher Zwang ausgeübt wird. Ein Beispiel hierfür ist be­ reits oben unter II.2. erwähnte Entwicklung und Durchsetzung von Event Risk Covenants auf dem US-amerikanischen Anleihemarkt. Vergleichbare Entwick­ lungssprünge infolge der Veränderung der Marktverhältnisse lassen sich für Staatsanleihen nachweisen.133 Als Reaktion auf die Veränderung der wirtschaft­ lichen Umstände setzte eine äußerst zügige Anpassung und Vereinheitlichung der Anleihebedingungen ein. Hieraus ergibt sich allerdings ebenso ein Anhalts­ punkt für eine differenzierte Betrachtung: Die Marktteilnehmer versuchten, drohende Nachteile aufgrund von starken Veränderungen der wirtschaftlichen Umstände abzuwenden. Es bestand also ein konkreter Regelungsanlass und, von der Warte der Klauselverwender aus, in wirtschaftlicher Hinsicht ein faktischer Regelungszwang. Hieraus ergab sich für sämtliche Anleiheemittenten die Notwendigkeit, neue Vertragsbestimmun­ gen zu entwerfen und zu nutzen, unabhängig von dem Verhalten der übrigen Marktteilnehmer. Da dies für alle Anbieter galt und sie zeitlich übereinstim­ mend tätig werden mussten, hatten die Erstverwender keine der im vorangegan­ genen Unterabschnitt beschriebenen Nachteile zu befürchten, die daraus resul­ tieren, dass die übrigen Anbieter am Marktstandard festhalten. Allerdings haben in Fällen wie den eben skizzierten sämtliche Marktteilneh­ mer, die neue Klauseln in den Verkehr bringen möchten, ein erhebliches Inter­ esse daran, möglichst schnell einen Marktstandard zu schaffen. Insoweit kommt das Transaktionskostenargument wieder zum Tragen: Der Vereinheitlichungs­ prozess beginnt, sobald die ersten Varianten öffentlich einsehbar sind, etwa weil ein Emittent sie im Rahmen eines Angebots neuer Wertpapiere veröffentlicht. Hieran orientieren sich die anderen Anbieter und ihre Berater, so dass die oben beschriebene wechselseitige Beeinflussung der Gestaltung in Gang gesetzt wird.134 Das Beispiel der Event Risk Covenants belegt eindrücklich, mit wel­ cher Geschwindigkeit ein solcher Standardisierungsprozess abzulaufen vermag. Innerhalb eines Netzwerkes können sich also neue Gestaltungsmodelle schnell verbreiten und ohne gesetzliche Vorgaben Standards herausbilden.135 Zu erläutern bleibt allerdings, wie sich Standardanpassungen ohne solche Marktveränderungen vollziehen. Dieses Problem lässt sich am Beispiel der 133 Hierzu

Choi/Gulati/E.Posner, 4 J. Leg. Anal. 131, 150 ff. (2012). Für Staatsanleihen Choi/Gulati/E.Posner aaO. 135  Zur Bedeutung von Netzwerken auf Innovationen s. den einführenden Überblick bei Granovetter, 19 J. Econ. Persp. 33, 44 ff. (2005). 134 

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Loan Market Association und der Baltic and International Maritime Confe­ rence (BIMCO) klären: cc)  Änderungsvorgaben nichtstaatlicher Regelsetzer: Beispiele Loan Market Association und BIMCO (1)  Loan Market Association Die Loan Market Association mit Sitz in London136 entwirft Modellverträge für syndizierte Darlehen unter anderem für den Europäischen Markt. Die Marktbeteiligten, das heißt Darlehensnehmer, Darlehensgeber und ihre Rechts­ berater, verhandeln zwar eigene Vertragsbedingungen. Es gibt keinen standard­ mäßigen Verweis in den Finanzierungsverträgen, wonach „im Übrigen die Bedin­g ungen der Loan Market Association in der Fassung vom...“ gelten. Aller­ dings betrachten sämtliche Marktteilnehmer die Musterdokumente als Orien­ tierungspunkt und Regelungsvorbild. Änderungen in den Vertragsmustern zie­ hen in der Regel Anpassungen in der Gestaltungspraxis nach sich.137 Mit Hilfe derartiger Vorgaben erhalten die am Netzwerk Beteiligten einen starken Anreiz, ihr Verhalten anzupassen: Der neue Standard erlangt für alle Beteiligten nachvollziehbar zum gleichen Zeitpunkt Geltung. Da der Einfüh­ rung zumindest bereichsöffentliche Diskussionen und Prüfungen der juristi­ schen Gültigkeit vorausgegangen sein werden, steht eine novellierte Regelung zur Verfügung, deren Auswirkungen die betroffenen Kreise bereits debattiert haben. Die Loan Market Association berücksichtigt Besonderheiten nationaler Rechtsordnungen.138 So gibt sie unter anderem gesonderte Berichte zum deut­ schen Recht heraus.139 Da jedenfalls die Marktteilnehmer den Entstehungsprozess wahrgenommen haben, konnten sie die Konsequenzen der neuen Regelungen antizipieren. Da­ mit entfallen die Ursachen des oben beschriebenen Koordinationsproblems. Denn der Verwender der neuen Standards kann die Reaktion der Marktgegen­ seite einschätzen. (2)  Baltic and International Maritime Conference (BIMCO) Bei der Loan Market Association handelt sich nicht um einen Einzelfall privater Standardsetzung. Aus dem Seehandel bekannt sind die Standarddokumente der Baltic and International Maritime Conference (BIMCO) mit Sitz in Bagsværd in der Nähe von Kopenhagen.140 Der internationale Seehandel wird von diesen 136 www.lma.eu.com. Zur Loan Market Association Schalast/Grieser/Wulfken, NPL Jahrbuch 2010/2011, S.  129, 132 ff. 137  Haag, in: International Acquisition Finance, 2008, unter 2. 138 Vgl. Schalast/Grieser/Wulfken, NPL Jahrbuch 2010/2011, S.  129, 135. 139 Hierzu Schalast/Grieser/Wulfken, NPL Jahrbuch 2010/2011, S.  129, 135. 140 https://www.bimco.org/.

376 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen Klauselwerken ganz wesentlich geprägt.141 Es ist zwar möglich, die Rechtswahl zu ändern. Doch die Vereinbarungsinhalte und die Struktur der Vertragsbedin­ gungen gelten trotzdem als dem Grunde nach unabdingbar. Die Standardisie­ rung geht so weit, dass die Beteiligten in einem – ebenfalls vorgefertigten Doku­ ment (dem sogenannten Box Layout) – nur noch darauf verweisen, in welcher Zeile welche Bedingungen abgeändert werden sollen. Die Geltung der BIM­ CO-Bedingungen als solche und die wesentlchen Vertragselemente stehen da­ bei nicht mehr zur Disposition. Die BIMCO-Muster werden wie diejenigen der Loan Market Association ständig weiterentwickelt.142 Dabei ist die Beteiligung der Marktteilnehmer ins­ titutionell vorgesehen. Entwürfe stehen den „interessierten Kreisen“ zur Verfü­ gung, der Änderungsprozess findet marktöffentlich statt. dd)  Fokale Punkte als Änderungsanreize Die ökonomische Netzwerktheorie bezeichnet die eben geschilderte Möglich­ keit, das entstandene Koordinationsproblem mittels Veränderung der Hand­ lungsbedingungen herbeizuführen, als die Setzung eines fokalen Punktes oder, nach einem der wichtigen Vordenker, als Schaffung eines Schelling-Punktes:143 An einem solchen einheitlichen Bezugspunkt können sich sämtliche Marktteil­ nehmer orientieren, er bildet so die Grundlage für die Schaffung eines neuen Gleichgewichts.144 Zentraler Aspekt ist die Setzung gemeinsamen, das heißt allgemein zugängli­ chen Wissens und die Erzeugung des Vertrauens, dass sich alle Beteiligten an eine bestimmte Handlungsstrategie halten werden.145 Mit der Herausgabe neuer Musterdokumente, verbunden mit Erläuterungen zu den Verbesserungen ge­ genüber dem alten Klauselwerk, schaffen so etwa die Loan Market Association und die BIMCO solch ein neues gemeinsames Wissen, das sämtlichen Markt­ teilnehmern gleichzeitig in gleicher Weise zur Verfügung steht. Es existiert eine Vielzahl privater Einrichtungen, die von den Marktteilneh­ mern akzeptierte Standards setzen. Neben der bereits genannten Loan Market Association und der BIMCO bemüht sich in den Vereinigten Staaten die Na­ tional Venture Capital Association, einheitliche Musterdokumente zu schaffen, in Deutschland geben die verschiedenen Verbände Musterbedingungen heraus, etwa die Musterbedingungen der Privatversicherungswirtschaft oder die Mo­ 141 

Zu den folgenden Ausführungen zum BIMCO A.Maurer, S.  5, 70 f. mit weiteren Nachw. Hierzu und zum Folgenden A.Maurer, S.  71. 143 Grundlegend Thomas C. Schelling, The strategy of conflict, 1960, S.  57. S.  auch Baird/ Gertner/Picker, Game Theory, S.  39; Dixit/Skeath, Games of Strategy, S.  10; Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 828 (1995). 144  Schelling, The strategy of conflict, 1960, S.  57 f. Aus der neueren Literatur Baird/Gertner/Picker, Game Theory, S.  39; Dixit/Skeath, Games of Strategy, S.  10, 106. 145  Dazu etwa Dixit/Skeath, Games of Strategy, S.  143. 142 

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dellwerke des Bankenverbandes. Seit 2011 besteht ein deutsches Gegenstück zur Loan Market Association, der Verein Deutsche Kreditmarkt-Standards e.V.146 ee)  Erste Folgerungen zur Rolle des Staates als Standardsetzer Die Beispiele der Loan Market Association und der BIMCO ermöglichen erste Folgerungen zur Rechtfertigung zwingenden Rechts, wenn der Staat als Stan­ dardsetzer handelt: Entfalten sogar von privaten Standardsetzern vorgeschlage­ ne Muster ohne rechtliche Verbindlichkeit eine erhebliche Wirkung im Markt, genügt regelmäßig die Vorgabe abdingbarer Normen.147 Das folgt bereits dar­ aus, dass die Tätigkeit privater Standardsetzer Wirksamkeit entfaltet, obwohl diese keine rechtlich verbindlichen Vorgaben machen. Maßgeblich ist, dass der Entstehungsprozess jedenfalls für die sprichwörtlichen „interessierten Kreise“ nachvollziehbar war und das oben beschriebene Unsicherheitsproblem bewäl­ tigt wird. Vielfach lässt sich der gewünschte Effekt, die Änderung der Gestal­ tungspraxis, also mit Hilfe der Bereitstellung abdingbarer Normen erreichen. In diesem Zusammenhang ist an das „Beharrungsvermögen“ abdingbarer Rechtsnormen zu erinnern, auf das oben im Kontext der Satzungen von Public Corporations und „fair price“-Klauseln verwiesen wurde.148 Zudem hat die Re­ gulierung mit Hilfe dispositiver Vorschriften den Vorteil, dass sie Raum für Abweichungen im Einzelfall lässt, um besondere Umstände bei der Gestaltung berücksichtigen zu können. d)  Zur Rolle von Rechtsberatern Die Frage, welche Bedingungen Anbieter nutzen und welche Klauseln Nachfra­ ger akzeptieren, hängt in der Praxis in nicht unerheblichem Maß von den Vor­ schlägen der mandatierten Rechtsanwaltskanzleien ab. Diese haben eigene wirt­ schaftliche Interessen, die nicht außer Acht bleiben dürfen, soll ein möglichst vollständiges Bild der Faktoren gezeichnet werden, die Standardardisierungs­ prozesse beeinflussen. Hier spielen insbesondere die Erwartungen der Mandan­ ten eine tragende Rolle. Unabhängig davon, ob eine Kanzlei ihren Stammsitz im Ausland hat oder ob es sich um eine „rein“ deutsche Kanzlei handelt:149 Die Transaktionsgestaltung hängt in ganz erheblichem Maße davon ab, welche For­ 146 Hierzu

Schalast/Keibel, in: NPL Jahrbuch 2011/2012, S.  137, 142 ff. Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 826 ff., 836 (1995). 148  Oben II.1.b). Auf diesen Aspekt konzentriert Ayres, 73 U. Chi. L. Rev. 3 (2006). 149  Die Diskussion über die Gründe für die Zusammenschlüsse von deutschen Kanzleien mit ausländischen Kanzleien und die Marktstruktur in Deutschland nach den verschiedenen Fusionen seit 1989 spielt im Folgenden keine Rolle. Dazu etwa Aronson, 40 Vand. J. Transnat’l L. 763 (2007), der die Stellung deutscher Kanzleien wenig schmeichelhaft beschreibt, und, ausgewogener, Luschin, 14 Touro Int’l L. Rev. 26 (2010). Vgl. auch Henssler/Terry, 19 Dick. J. Int’l L. 269 (2001). 147 

378 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen derungen die Mandanten stellen. Deren Interessen wurden oben bereits be­ schrieben.150 Abgesehen davon, was die Mandanten verlangen, hat jede Kanzlei aus wirt­ schaftlichen Gründen ein Interesse, nicht bei jeder Gestaltungsaufgabe Doku­ mente von Grund auf neu entwickeln zu müssen. Die Anwälte greifen auf Mo­ dellunterlagen („templates“) zurück, die sie nach Bedarf anpassen.151 Das er­ zeugt bereits kanzleiintern ein gewisses Maß an Standardisierung. Jedenfalls auf dem Markt für komplexe Transaktionen wie Unternehmenskäufe und der Finanzierung von Beteiligungen durch institutionelle Investoren gibt es damit angesichts einer überschaubaren Anzahl von beteiligten Kanzleien keine unbe­ grenzte Vielfalt an Grundmustern, die zum Einsatz kommen. Ob diese Stan­ dardisierungsanreize gleichfalls als Netzeffekte charakterisiert werden können oder als Skaleneffekte,152 ist im vorliegenden Zusammenhang nicht weiter von Bedeutung. Zum einen ändert die Einordnung in ökonomische Konzepte nichts daran, dass auch Rechtsberater ein Interesse an Standardisierung haben. Zum anderen handeln die Rechtsberater nicht unabhängig von den Wünschen ihrer Mandanten, deren Verhalten mit der Netzwerktheorie nach dem oben Gesagten adäquat erfasst werden kann. Dies alles soll nicht heißen, Rechtsberatern stünde kein Spielraum für indi­ vuelle Gestaltungen zur Verfügung oder es käme wegen starker Vereinheitli­ chungstendenzen auf die Qualität der einzelnen Anwälte nicht an. Im Detail unterscheiden sich die Klauselwerke durchaus in erheblichem Maße. Das gilt auch in den Bereichen, die besonders stark durch die internationale Trans­ aktions­praxis geprägt sind, etwa im Zusammenhang mit komplexen Finanzie­ rungsverträgen. Doch spricht dies nicht gegen die hier insgesamt verfolgte Ar­ gumentationslinie. Denn das geltende deutsche Aktienrecht, das die herrschen­ de Meinung für ein Musterbeispiel der Standardisierung durch zwingende Vorgaben hält, lässt ebenfalls Freiheiten.153 Die anwaltliche Kunst besteht dar­ in, trotz des gegebenen Rahmens Wege zu finden, den individuellen Bedürfnis­ sen des Mandanten gerecht zu werden.

3.  Öffentliche Verfügbarkeit von Informationen als Voraussetzung der Standardisierung Voraussetzung für die Standardisierung ohne staatlichen Eingriff ist, dass die Marktteilnehmer Zugriff auf die Informationen über die Klauselgestaltung ha­ ben, die Informationen also (markt-)öffentlich verfügbar sind (dazu näher a]). 150  Oben

b). S.   Engert, AcP 213 (2013), 321, 330. 152  Im zuerst genannten Sinn Klausner, 81 Va. L. Rev. 757, 782 ff. (1995), im zweiten Lemley/McGowan, 86 Cal. L. Rev. 479, 576 ff. (1998). 153  Oben II.1.c). 151 

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Dies wird nicht schon dadurch verhindert, dass insbesondere Rechtsberater Kompetenzvorsprünge nicht freiwillig aufgeben, um die eigene Stellung im Wettbewerb um Beratungsmandate zu erhalten (unten b]). a)  Zur Bedeutung öffentlich verfügbarer Informationen Damit der Standardisierungsprozess ohne staatliche Regulierung in Gang kommt, müssen den Marktteilnehmern die notwendigen Daten öffentlich zur Verfügung stehen. Die Informationen über die Regelungen bestimmen die Handlungsoptionen und beeinflussen die Entscheidung weiterer Marktteilneh­ mer, sich unter Umständen an Vereinheitlichungsprozessen zu beteiligen.154 Individuelle Überzeugungen und Einstellungen hängen auch von der Einstel­ lung anderer Marktteilnehmer ab, Handlungen und Überzeugungen beeinflus­ sen sich gegenseitig.155 Modifiziert Kanzlei A eine Klausel und nimmt Kanzlei B ebenfalls leichte Änderungen vor, veranlasst dies Kanzlei A möglicherweise dazu, ihr eigenes Modell erneut zu prüfen. Sollte Kanzlei A infolge dieser Prü­ fung die Bedingungen ändern, zieht dies unter Umständen einen weiteren An­ passungsprozess bei Kanzlei B (und anderen Kanzleien) nach sich. Dieser Pro­ zess beginnt nicht, fehlt die Möglichkeit, die von anderen Marktteilnehmern genutzten Vereinbarungen einzusehen.156 „Öffentlich“ müssen die Informationen nur in dem Sinne sein, dass für die Marktteilnehmer überhaupt die Möglichkeit besteht, die Bedingungswerke An­ derer wahrzunehmen. Das Bestehen eines Registers wie des Handelsregisters oder einer Einrichtung wie der Loan Market Association verbessert die Aus­ gangsbedingungen, ist aber keine conditio sine qua non.157 So wird Öffentlich­ keit etwa schon dadurch hergestellt, dass eine Gesellschaft verschiedenen insti­ tutionellen Anlegern Aktien zum Erwerb anbietet. Selbst wenn es sich nicht um ein öffentliches Angebot nach Maßgabe des Wertpapierprospektgesetzes han­ delt, sondern um eine Privatplatzierung, gelangen zentrale Merkmale über die juristische Struktur der Gesellschaft und die Wertpapierbedingungen in Um­ lauf.

154  Goyal, Connections, S.  8 . Dieser zuletzt genannte Aspekt spielt vor allem bei institu­t io­ nalisierten Standardisierungsprozessen eine Rolle, etwa hinsichtlich der Frage, ob sich die Beteiligung an einer Einrichtung wie der Loan Market Association lohnt. Zur Loan Market Association 2.c)cc). 155  Engert, AcP 213 (2013), 321, 327; Goyal, Connections, S.  94. 156  Das widerspricht nicht der oben geschilderten Beobachtung, nach der neue Klauseln wegen der Verzögerung von Verhandlungen zum Gefahr des Abbruchs führen können (oben 1. Teil B. §  13 VI.). Es gibt insoweit kein Schwarz oder Weiß. Vielfach kommt es darauf an, ob ein neuer Vorschlag auf einem bekannten Muster aufsetzt und daher schnell und sicher beur­ teilt werden kann oder ob es sich um eine bislang vollkommen unbekannte Regel handelt, die zudem möglicherweise noch der gegenwärtigen Praxis widerspricht. 157  Zum Problem des Geheimhaltungsinteresses noch unten b).

380 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen b)  Irrelevanz freiwilliger Offenlegung Auf den ersten Blick leuchtet möglicherweise nicht für jeden Fall ein, warum sich Standardisierungsprozesse ohne normativen Zwang vollziehen. Schließlich haben insbesondere Anwälte kein Interesse an der freiwilligen Offenlegung von Informationen. Ihr Geschäftsmodell beruht gerade darauf, mit der Behauptung, über größere Gestaltungskompetenz als die Beratungskonkurrenz zu verfügen, Mandanten zu gewinnen. Keiner Kanzlei ist daran gelegen, Wissensvorsprünge marktöffentlich zum Besten zu geben, weil sie so ihre Wettbewerbsvorteile auf­ gibt – und damit gleichzeitig das Argument für eine besonders hohe Vergütung. Der Anbieter hat grundsätzlich ebenfalls kein Interesse daran, dass seine Kon­ kurrenten vergleichbar gute Konditionen offerieren. Denn auf diese Weise ver­ liert er seine Sonderstellung. Die Anleger werden keinen Zuschlag mehr für die besonders guten Bedingungen zahlen.158 Doch treten die Netzwerkeffekte unabhängig davon ein, ob die Beteiligten Wissen und Ressourcen freiwillig und gezielt anderen Marktteilnehmern über­ lassen. Es genügt für die Entstehung eines Netzwerkes, dass Mehrere auf eine Information zugreifen und ihr Verhalten unter Berücksichtigung dieser Infor­ mation als Reaktion auf das Verhalten Anderer anpassen können. Bereits die Nutzung tatsächlich zur Verfügung stehender Informationen und Ressourcen führt also zu einer Beteiligung am Netzwerk.159 So hatten im Beispiel der Event Risk Covenants sämtliche Marktteilnehmer Zugriff auf eine bestimmte Infor­ mation (die Anleihebedingungen) und passten ihr eigenes Verhalten (ihre Aus­ gestaltung von Anleihebedingungen) an das der anderen Marktteilnehmer (de­ ren Zuschnitt der Bedingungen) an. Dass vermutlich weder der Emittent noch die beratende Kanzlei Maßnahmen ergriffen, diese verbesserten Bedingungen weiterzugeben, war irrelevant. Auch im Bereich der Venture Capital-Finanzierung kommt es nicht darauf an, dass die Marktteilnehmer ein Interesse daran haben, einheitliche Bedin­ gungswerke durch Informationsaustausch zu etablieren.160 Allein aus der Viel­ zahl von Transaktionen im Silicon Valley und der verhältnismäßig geringen Anzahl an beratenden Anwälten und Investoren ergeben sich derart viele An­ knüpfungspunkte für eine Einsichtnahme in die Verhandlungs- und Regelungs­

158  Hier wird theoriegemäß vorausgesetzt, dass solche Bedingungen bepreisbar sind. Zu dieser Frage noch unten §  5 III. 159  Vgl. etwa Goyal, Connections, S.  6 . Auf die verschiedenen Spielarten der Netzwerkthe­ orie und verschiedene Definitionsvarianten ist hier nicht einzugehen. Für die Zwecke dieser Untersuchung genügt die im Text vorgestellte Arbeitsversion. Instruktive Einführung in Teil­aspekte der Erforschung der wirtschaftlichen Auswirkungen sozialer Strukturen Granovetter, 19 J. Econ. Persp. 33 (2005). 160  Im Unterschied zu vielen anderen Fällen der wirtschaftsrechtlichen Beratung existiert dieses Interesse allerdings. Dazu bereits oben 1. Teil B. §  13 IV.

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strategien der Konkurrenz, dass eine Vereinheitlichung auf dem hier skizzier­ ten Weg unvermeidlich eintritt.

4. Fazit Es gibt zahlreiche praktische Beispiele dafür, dass die Gestaltung komplexer Strukturen auch ohne zwingende gesetzliche Vorgaben auf standardisierten Grundlagen aufbaut. Die Satzungen börsennotierter Delaware Corporations sind trotz Fehlens einer Norm wie §  23 Abs.  5 AktG im Gesellschaftsrecht von Delaware und in den Vorgaben der US-Wertpapierbörsen weitgehend uniform. Gleiches gilt für andere Bedingungswerke wie Beteiligungsvereinbarungen, Anleihebedingungen und, jedenfalls den Basisstrukturen nach, Finanzierungs­ verträge und Unternehmenskaufverträge. Die Gründe hierfür liegen zum einen im „Beharrungsvermögen“ abdingbarer Normen, zum anderen im Interesse der Marktteilnehmer, Transaktionskosten zu sparen, indem sie standardisierte Be­ dingungen nutzen.  Voraussetzung für die Standardisierung ohne staatliches Zutun ist die Mög­ lichkeit, auf die notwendigen Informationen zugreifen zu können. Die einschlä­ gigen Bedingungen müssen den Marktteilnehmern zugänglich sein. Halten die Marktteilnehmer an „schlechten“ Standards fest, impliziert dies nicht automatisch die Notwendigkeit staatlichen Handelns. Häufig wird ein von Dritten entwickelter Vorschlag zur Neuregelung genügen, um einen neuen Standardisierungsprozess in Gang zu setzen. Beispiele hierfür sind die prak­ tisch sehr einflussreichen Vertragsmuster der Loan Market Association und der BIMCO. Fehlt es an solchen Einrichtungen oder werden diese nicht tätig, folgt hieraus zwar möglicherweise, dass der Gesetzgeber handeln sollte. Doch ist die gebotene Regulierungsform nicht ohne Weiteres zwingendes Recht.

IV.  Problemfälle: Genussscheine und Publikumspersonengesellschaften Die bislang geäußerte Kritik an der von der herrschenden Meinung befürwor­ teten Notwendigkeit der Standardisierung durch zwingendes Recht hat zwei Problemfälle ausgeklammert, die nun näher zu betrachten sind: Genussscheine und Publikumspersonengesellschaften. Insbesondere Publikumspersonenge­ sellschaften dienen im deutschen Schrifttum als abschreckendes Beispiel dafür, welche Fehlentwicklungen eintreten können, wenn das Gesetz dem Grunde nach nahezu unbeschränkte Gestaltungsfreiheit gewährt.161 Das Problem der Genussscheine liegt nach Ansicht Einiger im kaum stattfindenden Börsenhan­ 161  Bayer, Gutachten 67. DJT., E 37, führt die Publikumspersonengesellschaft gerade als Beispiel für die „Defizite des gesetzlichen Anlegerschutzes“ an, „die in einem mühsamen und langwierigen Prozess durch die Rechtsprechung ausgeglichen werden mussten.“

382 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen del dieser Titel, ein Umstand, den Teile des Schrifttums auf die fehlende Ein­ heitlichkeit der Strukturierung zurückführen.162 Beide Fallgestaltungen werden nachfolgend im Kontext des Für und Wider gesetzlich erzwungener Standardisierung beleuchtet, zunächst die Genuss­ scheine (1.), dann die Publikumspersonengesellschaften (2.). Einbezogen wer­ den, der rechtsvergleichenden Anlage der Arbeit entsprechend, Publikumsper­ sonengesellschaften in den USA. Das ist insbesondere deshalb interessant, weil deren Gesellschaftsverträge im Unterschied zu den Satzungen der Public Cor­ porations hinsichtlich einiger Aspekte stark vom gesetzlichen Regelungsmodell abweichen.

1. Genussscheine Genussscheine sind nicht standardisiert und werden an den Börsen kaum ge­ handelt (a]). Doch betrachten viele Marktteilnehmer gerade die Möglichkeit, die Genussscheinbedingungen individuell zuzuschneiden, als Vorteil (b]). Insge­ samt kann das Fehlen von Standardisierung und der geringfügige Börsenhandel von Genussscheinen nicht als Anlass für zwingende Regulierung dienen (c]). a)  Geringes Maß an Standardisierung und wenig Börsenhandel Genussscheine haben im Aktiengesetz in §  221 Abs.  3 eine bestenfalls als rudi­ mentär zu bezeichnende Regelung erfahren. Die Zahl der Gestaltungsvarianten ist groß.163 Börsenmäßiger Handel mit Genussscheinen findet nur begrenzt statt.164 Obwohl die Informationen über Genussscheine für alle Marktteilneh­ mer öffentlich zur Verfügung stehen und damit die entscheidende Vorausset­ zung der Netzwerkbildung gegeben ist, kommt es nicht zu einem marktlichen Vereinheitlichungsprozess. b)  Geringes Maß an Standardisierung als Vorteil Viele Praktiker heben gerade die Flexibilität des Genussscheins als positiven Aspekt hervor. Es handele sich um ein vielfältig einsetzbares Finanzierungsins­ trument.165 162 

Nachweise sogleich unter 1. Berghaus/Bardelmeier, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinan­ zierung, §  14 Rn.  14 ff.; ausführlich Frantzen, Genußscheine, S.  97 ff. Empirische Studie zur Ausstattung von im Jahr 1996 börsenmäßig gehandelten Genussscheinen bei Steinbach, Ge­ nussschein, S.  59 ff. 164  Statistisches Material bei Steinbach, Genussschein, S.  151 f. 165 Z.B. Berghaus/Bardelmeier, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfi­ nanzierung, §  14 Rn.  5; Claussen, AG 1985, 77 ff. Ausführlich zur Vielgestaltigkeit von Ge­ nussscheinen Frantzen, Genußscheine, S.  47 ff. 163 

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Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass hinsichtlich einiger Genussschein­ bedingungen durchaus Standardisierung existiert: So sehen die meisten Ge­ nussscheine sogenannte „Steuerangstklauseln“ vor, wonach die Emittenten sich Kündigungsrechte für den Fall vorbehalten, dass sich die steuerrechtliche Situ­ ation zu ihrem Nachteil ändert.166 Häufig verwendet werden Nachrangklau­ seln.167 Ein Grund für diese sind die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an als Eigenmittel anrechenbare Positionen nach §  10 Abs.  5 KWG und §  53c Abs.  3a VAG.168 c)  Kein Anlass zu zwingender Standardisierung Die weitgehend fehlende Standardisierung bei Genussscheinen gibt keinen An­ lass, zwingende Regeln einzuführen: Die Gestaltungsvielfalt ist keine Folge von Marktversagen (aa]). Zudem ist der Anlegerschutz trotz der Komplexität der Genussscheinbedingungen über andere Mechanismen gesichert (bb]). aa)  Kein Marktversagen Bislang gibt es keine umfassenden Missbrauchsfälle in Form eines großen „Ge­ nussscheinschwindels“, der den Ereignissen des Jahres 1873 vergleichbar wäre und wie für die Aktienrechtsnovelle 1884 ein Gesetzgebungsmotiv liefern könnte.169 Dann aber stellt sich die Frage, insbesondere vor dem Hintergrund des Erfolgs des Genussscheins in der Praxis, wozu reguliert werden soll.170 Of­ fenbar erachtet der Markt einheitliche Genussscheinbedingungen nicht als vor­ dringliches Problem.171 Vertreter der herrschenden Meinung mögen einwenden, selbst wenn es am Missbrauch fehle, gebe es doch eine andere Form von Marktversagen, nämlich das weitgehende Fehlen des börsenmäßigen Genussscheinhandels. Offenbar

166  167 

Frantzen, Genußscheine, S.  154; empirisch Steinbach, Genussschein, S.  86 f. Frantzen, Genußscheine, S.  129 f.; empirisches Material bei Steinbach, Genussschein,

S.  71 f. 168  Frantzen, Genußscheine, S.  130, auch zu weiteren Gründen. 169  S.  auch Claussen, AG 1985, 77, 78, der darauf verweist, es seien keine Genussscheinbe­ dingungen bekannt, die deren Inhaber wirtschaftlich schlechter als Aktionäre stellten. Zur Kursentwicklung von Genussscheinen im Jahr des Börsenkrachs 1987 Claussen, ZBB 1989, 25, 28, nach dem sich Genussscheine besser gehalten haben als Aktien. 170  Vgl. auch die Darstellung der Diskussion auf dem 55. Deutschen Juristentag 1984 zur Regulierung von Genussrechten bei Claussen, AG 1985, 77 ff., mit dem Hinweis (aaO. 78), „der Abteilungsleiter für Gesellschafts- und Handelsrecht im BMJ“ habe die Diskussion da­ hin zusammengefasst, „daß für den Gesetzgeber kein Handlungsbedarf bestünde.“ 171  Deutlich die Antwort des Staatssekretärs Kinkel vom 05.10.1984 auf die Anfrage des Abgeordneten Langner, abgedruckt in BT-Dr. 10/2079, S.  8: „Für die inhaltliche Ausgestal­ tung von Genußrechten besteht grundsätzlich Gestaltungsfreiheit. Insoweit ist eine neue ge­ setzliche Regelung nicht erforderlich.“

384 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen stimme also ihre zu §  23 Abs.  5 AktG entwickelte Hypothese, ohne Standardi­ sierung funktioniere der Markt nicht. Dieser Einwand vermag bei näherer Betrachtung die bislang an der herr­ schenden Meinung vorgetragene Kritik nicht zu entkräften. Er setzt implizit voraus, dass als Folge einer neu eingeführten zwangsweisen gesetzlichen Stan­ dardisierung von Genussscheinen ein liquider Sekundärmarkt entsteht. Das ist indes keineswegs sicher, wie sich anhand einer differenzierteren Analyse zeigen lässt: Eine der wesentlichen Bedingungen für einen funktionsfähigen Sekundär­ markt ist das Bestehen eines Primär- oder Absatzmarktes. Finden sich schon keine Abnehmer für die vom Emittenten offerierten Genussscheine, kommt ein Handel zwischen den Zeichnern und Dritten bereits nicht in Gang. Stimmen nun die Aussagen der Praktiker, wonach die Attraktivität des Finanzierungs­ instruments gerade auf der freien Gestaltbarkeit im Einzelfall und der Mög­ lichkeit seines individuellen Zuschnitts beruht, erscheint es zumindest sehr wahrscheinlich, dass Konsequenz einer erzwungenenen Vereinheitlichung die erhebliche Beeinträchtigung des Primärmarktes wäre. Mangelt es an einer ausreichen­den Zahl und Auswahl handelbarer Güter, fehlt zugleich eine der Funktionsvoraussetzungen für den Sekundärmarkt. Eine Verbesserung des Börsenhandels in Genussscheinen ist also, anders als dies der oben angedachte Einwand unausgesprochen voraussetzt, keineswegs notwendiges Ergebnis ge­ setzlicher Standardisierung. Dann aber taugen Genussscheine nicht als Beispiel dafür, ohne gesetzliche Standardisierung würde „der Kapitalmarkt“ gefährdet. Der von den Vertretern der herrschenden Meinung in Bezug genommene Kapi­ talmarkt besteht eben nicht nur aus dem Sekundärmarkt für bereits emittierte Finanzinstrumente, sondern auch aus dem Primärmarkt. Legen die Emittenten, wie Praktiker immer wieder betonen, tatsächlich auf die freie Gestaltbarkeit im Einzelfall Wert, führte eine vereinheitlichende Zwangsregulierung nach dem eben Gesagten eher zu volkswirtschaftlichen Verlusten als zu einer Verbesserung der Handelbarkeit.172 Dass die Marktteil­ nehmer durchaus in der Lage sind, Standardisierungen des Genussscheins selbst herbeizuführen, soweit sämtliche Abnehmer gleichermaßen von bestimmten Gestaltungsproblemen betroffen sind und sie Vereinheitlichung für notwendig erachten, zeigen etwa die oben unter b) erwähnten Steuerangst- und Nachrang­ klauseln. 172  In diese Richtung bereits Claussen, ZBB 1989, 25, 27. Andere Einschätzung auf Grund­ lage allein theoretischer ökonomischer Modellerwägungen bei Steinbach, Genussscheine, S.  103. Steinbach verweist aaO. darauf, eine staatliche Regulierung könne die (von ihm) ge­ wünschten Netzwerkeffekte besser erzielen als eine freiwillige Selbstregulierung. Da es keine freiwillige Selbstregulierung gibt, ist das ein fragwürdiger Vergleich. Zudem ist eben unklar, ob die erzwungene Vereinheitlichung der Praxis tatsächlich entgegenkäme. Die Indizien spre­ chen eine andere Sprache.

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Selbst diejenigen, die dies alles deutlich kritischer sehen als hier vertreten, haben einen weiteren Umstand zu berücksichtigen: Wer die Notwendigkeit von Standardisierung befürwortet, hat damit noch nicht belegt, dass es hierfür ge­ setzlichen Zwanges bedarf. Schon oben wurde auf darauf hingewiesen, dass vielfach die Bereitstellung eines von einer privaten Einrichtung entwickelten Gestaltungsmodells oder die Setzung abdingbaren Rechts genügt, als soge­ nannter fokaler Punkt starke Vereinheitlichungsanreize zu erzeugen.173 Der Gesetzgeber könnte etwa in Form abdingbaren Rechts einen Standard­ genussschein anbieten. Sollte sich hier der Effekt zeigen, der in den USA bei Gesellschaftssatzungen von Public Corporations auftritt,174 wäre sämtlichen Interessengruppen gedient. Einerseits stünde weiter ein flexibles Finanzie­ rungsinstrument zur Verfügung, andererseits vermochte sich jeder interessierte Emittent der Einfachheit halber eines Modells zu bedienen. Setzte sich dieses Modell nicht durch, würde der Schaden vermieden, der aufgrund der bei zwin­ gender Regulierung einsetzenden Ausweichbewegungen auf ausländische Sub­ situte175 einträte. Ausbleibender Erfolg, das heißt mangelnde Inanspruchnahme der Gestaltungsoption, hieße nicht nur, dass die Anbieter kein Interesse hätten, sondern auch, dass keine ausreichende Nachfrage bestünde. Würde das staatli­ che Modell angenommen, wäre das Standardisierungsziel erreicht, ohne gleich­ zeitig jede im Einzelfall sinnvolle Anpassung zu verbieten. Wenn beide Markt­ seiten die Annahme verweigern, hilft keine Zwangsregulierung. bb)  Komplexität und Anlegerschutz Das Argument, für den normalen Anleger sei die Investition in Genussscheine zu kompliziert, weil er zur vernünftigen Entscheidung Bedingungen verglei­ chen müsse,176 ist spätestens mit Rücksicht auf die heutigen umfassenden Bera­ tungspflichten nach den §§  31 ff. WpHG von Anlageberatern und die Sonderre­ geln für die in §  31a Abs.  3 WpHG genannten Privatkunden kaum noch von Relevanz.177 Inhaltlicher Schutz wird über die Kontrolle nach den Regeln über das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gewährleistet.178 173 

Zu Begriff und Funktion fokaler Punkte oben III.2.c)dd). Oben III.1.b)aa)(1). 175  Wie im Fall der High Yield Bonds nach dem Recht von New York. Zur Anwendung deutschen Rechts seit der Finanzkrise Schlitt/Hekmat/Kasten, AG 2011, 429 ff. 176 Etwa Reckinger, Handelsblatt vom 27.08.1984, Nr.  161, S.  2. Anders Claussen, AG 1985, 77, 78, der Genussscheine „für beispielhaft für effizienten Anlegerschutz“ hält. Nach den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts ist die Diskussion um die Standardisierung, offen­ bar unter Einfluss des Scheiterns entsprechender Vorschläge beim 55. Deutschen Juristentag 1984 (dazu Claussen, AG 1985, 77 ff.), zum Erliegen gekommen. 177 Zum Anlegerschutz bei Genusssrechten früher schon Claussen aaO.; van Look, in: Recht und Praxis der Genußscheine, S.  35 ff. 178  So die herrschende Meinung, BGHZ 119, 305, 312 ff.; Hüffer/Koch, §  2 21 Rn.  35 mit Nachweisen zum Streitstand. 174 

386 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen Angesichts von §  307 Abs.  2 Nr.  1 BGB ließe sich dem Grunde nach mit ab­ dingbaren Vorschriften auf gesetzgeberischem Wege ein erhebliches Maß an Vereinheitlichung erreichen. Diese Regulierungsvariante, sofern überhaupt ge­ setzgeberisches Eingreifen durch gesellschaftsrechtliche Regelungen befürwor­ tet wird, ist zwingenden Vorgaben vorzuziehen. Denn so bliebe die von den Marktteilnehmern geschätzte Flexibilität bei der Gestaltung wenigstens in ei­ nem gewissen Rahmen aufrechterhalten.

2.  Publikumspersonengesellschaften in Deutschland und den USA Bieten Genussscheine keinen tauglichen Ansatzpunkt zur Verteidigung der herrschenden Meinung zur Notwendigkeit der Standardisierung durch zwin­ gendes Recht, bleibt noch das Beispiel der Publikumspersonengesellschaften. Wie oben bereits angedeutet, stützten sich die Verfechter der herrschenden Mei­ nung hierauf. Dieser Aspekt wird im Folgenden näher betrachtete (a]), unter Einbeziehung der Situation in den Vereinigten Staaten (unten b]). a)  Publikumspersonengesellschaften in Deutschland Unter Verweis auf die rege Tätigkeit der Rechtsprechung im Bereich der Publi­ kumspersonengesellschaften und die kaum noch überschaubare Literatur zum Thema179 scheint sich recht eindrücklich begründen zu lassen, dass zwingende Normen jedenfalls bei Publikumsgesellschaften, seien sie nun Kapitalgesell­ schaft oder Personengesellschaft, das Regulierungsmittel der Wahl darstellen. Schließlich hat vermeintlich zumindest vor dem Ende des Entscheidungsmara­ thons des Bundesgerichtshofs in den siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhun­ derts eher Chaos als Ordnung geherrscht (hierzu aa]).180 Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass das Problem weniger fehlende Standardisierung war als die Standardisierung hin zu einem Modell, das nach Ansicht vieler Beobachter erhebliche Defizite im Bereich des Minderhei­ tenschutzes mit sich brachte (bb]). Insbesondere spielte das Steuerrecht hierbei eine tragende Rolle, so dass fraglich ist, inwieweit aus regelungssystematischen Gesichtspunkten das Fehlen zwingenden Gesellschaftsrechts einen hilfreichen Anknüpfungspunkt für die herrschende Meinung bietet (cc]).

179 Vgl. die umfassenden Nachweise bei Gummert/Horbach, in: Münchener Handbuch Gesellschaftsrecht 2, §  61. 180  In diese Richtung Bayer, Gutachten 67. DJT, E 37 f. Zur Rechtsprechung des Bundesge­ richtshofs in dieser Zeit Kraft, FS R. Fischer, S.  321; A.Krieger, FS Stimpel, S.  307, 312 ff.

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aa)  Ausgangsbefund: Gestaltungsfreiheit und Grenzziehung durch den Bundesgerichtshof Im Personengesellschaftsrecht herrscht weitgehende Gestaltungsfreiheit. In den fünfziger und sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts trat vermehrt ein Ty­ pus der Personengesellschaft auf, der mit dem gesetzlichen Muster nur noch wenig zu tun hatte.181 Die Strukturen dieser Publikumspersonengesellschaften waren in verschiedener Hinsicht kapitalgesellschaftsrechtlichen Modellen ange­ nähert. Das gilt etwa für die Einführung des Mehrheitsprinzips, die Einrich­ tung von Organen und Regelungen zur Beendigung der Gesellschafterstel­ lung.182 Beginnend mit einem Urteil im Dezember 1972183 fällte der Bundesgerichts­ hof allein bis zum Ende des Jahres 1977 achtzehn Entscheidungen auf diesem Gebiet.184 Vorteil einer Zwangsregulierung von Publikumspersonengesell­ schaften wäre also aus Sicht der herrschenden Meinung gewesen, dass es keiner Habilitationsschriften zur „Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften“185 bedurft hätte. bb)  Gesellschafterschutz als zentrales Problem Bei näherer Betrachtung der Rechtsprechung zu den Publikumspersonengesell­ schaften lag das Problem allerdings gerade nicht, wie offenbar von der herr­ schenden Meinung zugrunde gelegt wird, in der fehlenden Standardisierung. Anlass zur Sorge war vielmehr, dass sich in Marktprozessen ein Typus – eben „die“ Publikumspersonengesellschaft – mit einheitlichen Merkmalen herausge­ bildet hatte, die keinem der gesetzlich normierten Typen von Personengesell­ schaften entsprach. Der Bundesgerichtshof selbst beschrieb früh die typische Gestalt einer sol­ chen Publikumspersonengesellschaft, indem er die wiederkehrenden Kennzei­ chen skizzierte.186 Mit anderen Worten: Ziel der Rechtsprechung war nicht die Vereinheitlichung von Gestaltungsvielfalt. Der Bundesgerichtshof wollte um­ 181  Dieser Gesellschaftstypus und seine Besonderheiten waren aus historischer Perspekti­ ve keineswegs neu, K.Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  57 I.1.a) (S.  1665 f.). 182  Eine ausführliche Analyse der „körperschaftlich strukturierten Personengesellschaft“ auf Basis des in dieser Zeit maßgeblichen Anschauungsmaterials bietet etwa Nitschke, S.  31 ff. 183  BGH NJW 1973, 1604. 184  BGH NJW 1973, 1606; BGHZ 63, 338; NJW 1975, 1700; BGHZ 64, 238; WM 1976, 15; BGHZ 66, 82; NJW 1976, 894; DB 1976, 764; WM 1976, 446; BGHZ 69, 160; BGHZ 69, 207; NJW 1977, 2263; NJW 1978, 424; NJW 1978, 1000; NJW 1978, 376. 185  H.P.Westermann, 1970. 186  S.  etwa BGHZ 64, 238, 241. Vgl. auch Kellermann, FS Stimpel, S.  295, 296: „Der II. Zi­ vilsenat […] hat die wesentlichen Merkmale, die ihn zur Herausbildung des Sonderrechts veranlaßten, wie folgt beschrieben: […].“ (Kursivsetzung hinzugefügt) Zu Begriff und Definiti­ on der Publikumskommanditgesellschaft im neueren Schrifttum Gummert/Horbach, in: Münchener Handbuch Gesellschaftsrecht 2, §  61 Rn.  1.

388 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen gekehrt die Folgen eines nicht durch das Gesellschaftsrecht187 gesteuerten Uni­ formisierungsprozesses bewältigen. Standardisierung stand nicht am Ende, sondern am Anfang der Urteilsserie. Jeder, der sich an einer Publikumsperso­ nengesellschaft beteiligen wollte, konnte schon vor dem ersten Urteil aus dem Jahr 1972 seine Rechte und Pflichten ohne größere Mühe einschätzen. Die Schwierigkeit, welcher der zweite Senat begegnen wollte, war eine andere: Die Standardisierung wirkte sich ihm und weiten Teilen des Schrifttums zu sehr zum Nachteil der Anlegergesellschafter aus. Fehlende Mitspracherechte und der Mangel an Möglichkeiten, auf den Gesellschaftsvertrag Einfluss zu nehmen, waren die wesentlichen Gründe für die in der Judikatur entwickelten Grenzen der Gestaltungsfreiheit.188 Es ging also darum, die Regeln für die Stan­ dardisierung zu verändern, nicht aber darum, überhaupt, das heißt: erstmalig, Vereinheitlichung herbeizuführen. So kam es auch nicht zum Inkrafttreten gesetzlicher Vorgaben, für die es Entwürfe gab.189 Die Umsetzung unterblieb nach Berichten damit befasster Personen (unter anderem) deshalb, weil der Rechtsprechung eher als dem Ge­ setzgeber zugetraut wurde, für Einzelfallgerechtigkeit zu sorgen.190 Das zeigt wiederum, dass das wesentliche Problem nicht in einem „Gestaltungschaos“ gesehen wurde, sondern in einem Standard, der eine Gesellschaftergruppe zu stark benachteiligte. cc)  Bedeutung des Steuerrechts als Standardisierungsanreiz Wer die Publikumspersonengesellschaften als abschreckendes Beispiel heran­ ziehen möchte, um die Notwendigkeit der Standardisierung durch (zwingen­ des) Recht zu begründen, sollte einen Umstand berücksichtigen, der in der Dis­ kussion um Sinn und Unsinn der Vereinheitlichung mit Hilfe des Gesellschaftsrechts bislang nicht ausreichend gewichtet wurde: Der entscheidende Faktor hinter dem gehäuften Auftreten von Publikumspersonengesellschaften waren die vom Gesetzgeber durch Änderungen des Steuerrechts geschaffenen Rah­ menbedingungen.191 Es gab also durchaus eine rechtlich veranlasste Standardi­ sierung.

187 

Zum Steuerrecht sogleich cc). aller Kellermann, FS Stimpel, S.  295, 296; vgl. auch A.Krieger, FS Stimpel, S.  307,

188  Statt

329.

189 Hierzu

A.Krieger, FS Stimpel, S.  307, 309 ff. A.Krieger, FS Stimpel, S.  307, 312. 191  Gummert/Horbach, in: Münchener Handbuch Gesellschaftsrecht 2, §  61 Rn.  3; Kellermann, FS Stimpel, S.  395, 296; K.Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  57 I.1.b) (S.  1666): „Die Publi­ kumspersonengesellschaft ist vor allem […] ein Kind der Abschreibungsbranche.“ Vgl. auch Kraft, FS R. Fischer, S.  321, 322 f. 190 

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dd)  Gesellschaftsrechtliche Vorgaben zum Ausgleich von Fehlanreizen Nun mag ein Vertreter der herrschenden Meinung argumentieren, der Hinweis auf das Steuerrecht sei nicht geeignet, die Notwendigkeit zwingender gesell­ schaftsrechtlicher Regelungen zu verneinen. Denn die Missstände seien offen­ sichtlich. Gerade weil erwartbar war, dass aufgrund der steuerrechtlichen An­ reize die fraglichen Gestaltungen gehäuft auftreten würden, wäre die Gegen­ steuerung mit Hilfe des Gesellschaftsrechts wichtig gewesen. In der Tat erscheint gerade dann zwingendes Recht als naheliegende Option, wenn ausgeschlossen werden soll, dass die Marktteilnehmer durch privatrecht­ liche Gestaltungen im Steuerrecht eröffnete Ausweichmöglichkeiten nutzen. Abdingbares (Gesellschafts-)Recht wird hier wenig „Beharrungsvermögen“ entfalten. Doch geht es im gegebenen Zusammenhang bei genauerer Betrach­ tung nicht um diese Frage: Die herrschende Meinung beruft sich auf das Beispiel der Publikumsperso­ nengesellschaften, um zu begründen, dass ohne zwingende Regelungen keine Standardisierung eintrete. In dieser Hinsicht lässt sich aus dem Beispiel jedoch nichts ableiten. Hier ist auf das zu verweisen, was bereits oben unter bb) festge­ stellt wurde: Die Probleme, die den Bundesgerichtshof in seinen Urteilen zur Beschränkung von Gestaltungsfreiheit bewegten, waren Schutzdefizite, die als Folge einer Standardisierung eintraten. Das Ziel war demnach nicht, Vereinheit­ lichung erst herbeizuführen. Vielmehr sollten „schlechte“ Standards durch „bessere“ ersetzt werden. Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass selbst bei einer deutlich kritische­ ren Haltung als der hier im Text präsentierten längst nicht feststeht, dass der Gesetzgeber mit zwingendem Recht hätte regulieren müssen.192 Jedenfalls ein Grund für die Angleichung der Strukturen von Publikumspersonengesellschaf­ ten an diejenigen von Kapitalgesellschaften war, dass das Personengesellschafts­ recht keine Mechanismen vorsah, mit einer Vielzahl von Gesellschaftern umzu­ gehen.193 Aus Sicht der Gestalter ergab sich als zu lösendes Problem, die Funk­ tionsfähigkeit einer Personengesellschaft zu erhalten, obwohl die Instrumente, die das Handelsgesetzbuch und das Bürgerliche Gesetzbuch zur Verfügung stellten, nur auf eine geringe Zahl von Beteiligten ausgerichtet waren.194 Hätte der Gesetzgeber unter Berücksichtigung dieser Schwierigkeiten ein weiteres Personengesellschaftsmodell, etwa eine „HGB-Publikumskomman­ ditgesellschaft“, angeboten, wäre dies ein fokaler Punkt zur Orientierung der Marktteilnehmer gewesen.195 Initiatoren, die zum Nachteil der Anleger vom Gesetz abgewichen wären, hätten sich gegenüber dem Anlegerpublikum recht­ 192 

So jedoch die Einschätzung von A.Krieger, FS Stimpel, S.  307, 330. S.  Nitschke, S.  19 ff. 194  Nitschke, S.  19 f. 195  Zum Begriff des fokalen Punktes oben III.2.c)dd). 193 

390 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen fertigen müssen. Der Nachfrageseite hätte die Möglichkeit zur Verfügung ge­ standen, ohne größeren Aufwand ein vom Gesetzgeber für „gerecht“ gehaltenes Modell als Messlatte an praktisch angebotene Gestaltungen anzulegen. Im Ergebnis lassen sich daher zwar Argumente entwickeln, warum ein steu­ ernder Eingriff durch gesellschaftsrechtliche Gesetzgebung sinnvoll gewesen wäre. Doch vermag hieraus keine Rechtfertigung zwingenden Rechts abgeleitet werden. Weder mangelte es an Standardisierung überhaupt noch gibt es Anlass zum Zweifeln, dass bei Vorhandensein eines gesetzlichen Modells für Publi­ kumspersonengesellschaften keine vergleichbare Anzahl von Entscheidungen des Bundesgerichtshofes notwendig gewesen wäre, um die Grundlagen der Sat­ zungsgestaltung zu klären. Insbesondere die prinzipielle Zulässigkeit der Ein­ richtung von Organen und spezieller Regelungen zur Änderung des Gesell­ schaftsvertrages sowie zum Eintritt und Austritt von Anlagegesellschaftern hätte bei entsprechender gesetzlicher Normierung keines höchstrichtlichen Spruches mehr bedurft. b)  Vereinigte Staaten: Limited Liability Company und Limited Partnership Stützen lässt sich die Schlussfolgerung, nicht fehlende Standardisierung sei das Problem der Gestaltung von Publikumspersonengesellschaften, sondern viel­ mehr die aus einer bestimmten Form der Vereinheitlichung resultierenden Schwierigkeiten, mit Hilfe eines Blickes auf die Situation in den USA. Auch dort besteht Gestaltungsfreiheit im Personengesellschaftsrecht, die wie in Deutschland ausgiebig genutzt wird. Doch führt dies dort wie hier nicht zu ei­ nem signifikantem Ausmaß an Diversität, sondern zu einer Standardisierung in Abweichung vom Gesetz. Wer das deutsche Recht der Publikumspersonengesellschaften mit der Lage in den USA vergleichen will, muss über die Limited Partnership196 hinaus die Limited Liability Company einbeziehen, die seit den Neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten erheblich an Bedeutung gewon­ nen hat.197 Nach einer neueren Untersuchung beträgt das Verhältnis von Limi­ ted Liability Company-Gründungen und Gründungen von Corporations in Delaware mehr als drei zu eins.198 Die Limited Liability Company tritt mehr und mehr an die Stelle der „klassischen“ Corporation, eine Entwicklung, die als „Rise of the Uncorporation“ beschrieben wird.199

196 

Die einer deutschen Kommanditgesellschaft ähnelt. Chrisman, 15 Ford. J. Corp. & Fin. L. 459 (2010). 198  Chrisman, 15 Ford. J. Corp. & Fin. L. 459, 460 (2010). S.  auch die Angaben bei Steele, 46 Am. Bus. L. J. 221, 222 (2009). 199  So der Titel des in den Vereinigten Staaten als grundlegend geltenden Buches von Larry Ribstein, der bis zu seinem Tod 2012 der prominenteste Wissenschaftler in Sachen „Limited Liability Company“ war. 197 Hierzu

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Die Gesellschafter einer Limited Liability Company haben, das ist im Kon­ text der hier durchgeführten Untersuchung interessant, hinsichtlich der Gestal­ tungsfreiheit deutlich mehr Spielraum als in der Corporation.200 Hieraus ergibt sich der Ansatzpunkt für die funktionale Vergleichbarkeit des Rechts der Pu­bli­ kums­personengesellschaften in Deutschland mit den Regelungen über die Li­ mited Liability Company: Es handelt sich in beiden Fällen um Gesellschaftsty­ pen, die einem breiten Publikum offen stehen und für die dem Grunde nach Gestaltungsfreiheit herrscht. Insofern stellt sich auch für die Limited Liability Company die Frage, ob angesichts fehlender Regelungen ein Gestaltungspro­ blem auftritt, wie es die herrschende Meinung bei der deutschen Personen­publi­ kumsgesellschaft ausgemacht hat und welches sie zur Begründung von Gestal­ tungszwang heranzieht. Um dies alles näher zu untersuchen, bedarf es zunächst einer kurzen Vorbe­ merkung zur Gestaltungsfreiheit in der Limited Liability Company und der Limited Partnership (aa]). Anschließend werden das Ausmaß der Nutzung der für die Gestaltung von Limited Liability Companies und Limited Partnerships geltenden Freiheit untersucht (bb]) und die Ursachen und Folgen der Abwei­ chungen vom Gesetz näher betrachtet (cc]). aa)  Gestaltungsfreiheit in Limited Liability Companies und Limited Partnerships Bei der Limited Liability Company handelt sich um eine Rechtsform, die ihrer Gestalt nach zwischen Partnership und Corporation steht.201 Die Gesellschaf­ ter haften gemäß §  303(a) des Delaware Limited Liability Company Act nicht persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft.202 Unter steuerlichen Ge­ sichtspunkten wird die Limited Liability Company dagegen wie eine Partner­ ship behandelt.203

200 

Dazu sogleich unter aa). auch Elf Atochem North America, Inc. v. Jaffari, 727 A.2d 286, 290 (Del. 1999): „The LLC is an attractive form of business entity because it combines corporate-type limited liability with partnership-type flexibility and tax advantages.“ 202  „§  303. Liability to 3rd parties. (a) Except as otherwise provided by this chapter, the debts, obligations and liabilities of a limited liability company, whether arising in contract, tort or otherwise, shall be solely the debts, obligations and liabilities of the limited liability company, and no member or manager of a limited liability company shall be obligated personally for any such debt, obligation or liability of the limited liability company solely by reason of being a member or acting as a manager of the limited liability company. […]” 203  „§  1107. Taxation of limited liability companies. (a) For purposes of any tax imposed by the State of Delaware or any instrumentality, agen­ cy or political subdivision of the State of Delaware, a limited liability company formed under this chapter or qualified to do business in the State of Delaware as a foreign limited liability company shall be classified as a partnership unless classified otherwise for federal income tax 201  Vgl.

392 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen Ein wesentliches Merkmal der Regeln über die Limited Liability Company ist die weitgehende Gestaltungsfreiheit, die in einer gesonderten Norm hervor­ gehoben 204 und von den Gerichten durchgehend betont wird.205 Sogar die Gel­ tung gesellschaftsrechtlicher Treuepflichten kann abbedungen werden.206 Mit der abnehmenden Zahl von Börsengängen und der steigenden Zahl von Gesell­ schaften, die die börsenmäßige Notierung ihrer Anteile aufgeben, beginnt sich die Limited Liability Company als Rechtsform zu etablieren, die sogar für gro­ ße Unternehmen in Frage kommt.207 So ist die „Chrysler Group LLC“ die aus der Restrukturierung in den Jahren 2008/2009 hervorgegangene Holding des Chrysler-Konzerns.208 Angesichts dieser Entwicklungen bedarf die rechtsver­ purposes, in which case the limited liability company shall be classified in the same manner as it is classified for federal income tax purposes. [...]“ 204 §   1101 Delaware Limited Liability Company Act („Construction and application of chapter and limited liability company agreement“): „[…] (b) It is the policy of this chapter to give the maximum effect to the principle of freedom of contract and to the enforceability of limited liability company agreements. (c) To the extent that, at law or in equity, a member or manager or other person has duties (including fiduciary duties) to a limited liability company or to another member or manager or to another person that is a party to or is otherwise bound by a limited liability company agreement, the member’s or manager’s or other person’s duties may be expanded or restricted or eliminated by provisions in the limited liability company agreement; provided, that the li­ mited liability company agreement may not eliminate the implied contractual covenant of good faith and fair dealing.“ 205 Z.B. CML V, LLC v. Bax, 6 A.3d 238, 250 (Del.Ch. 2010): „LLCs “are creatures of contract, ‘designed to afford the maximum amount of freedom of contract, private ordering and flexibility to the parties involved.’ ”“; In re Grupo Dos Chiles, LLC, 2006 WL 668443, 2 (Del.Ch. 2006). 206  §  1101(c) Delaware Limited Liability Company Act (oben Fußnote 204). Davon zu un­ terscheiden ist der vertragsrechtliche „implied covenant of good faith and fair dealing“, der nach der zitierten Norm nicht abbedungen werden kann. S.  Manesh, 37 J. Corp. L. 555, 588 (2012), mit Nachweisen. Dieser dem deutschen Gebot von Treu und Glauben im Schuldver­ hältnis ähnelnde Grundsatz wird jedoch enger interpretiert als die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht (Nemec v. Shrader, 991 A.2d, 1120, 1128 [Del. 2010]; Gerber v. Enterprise Products Holdings, LLC, 2012 WL 34442, 12 [Del.Ch. 2012]) und kann daher deren Abbedin­ gung nicht vollständig kompensieren, zumal er selbst in gewissen Grenzen der vertraglichen Beschränkung zugänglich ist (vgl. Gerber v. Enterprise Products Holdings, LLC, 2012 WL 34442, 12 [Del.Ch. 2012]; Manesh, 37 J. Corp. L. 555, 589 [2012], mit Nachweisen). Dazu be­ reits oben 1. Teil B. §  2 I.2.b). 207 Eine allgemeine Übersicht zu dieser Entwicklung bietet etwa der Economist vom 19.05.2012 in der Rubrik „Briefing“ unter dem Titel „The big engine that couldn’t“. Vgl. auch Elf Atochem North America, Inc. v. Jaffari, 727 A.2d 286, 290 (Del. 1999): „The LLC is an attractive form of business entity because it combines corporate-type limited liability with partnership-type flexibility and tax advantages.“ 208  Bereits zuvor war die Holding des Chrysler-Konzerns als Limited Liability Company organisiert: Im Rahmen der Auflösung der Verbindung „DaimlerChrysler“ wurde das US-Geschäft auf die neu geschaffene „Chrysler Holding LLC“ übertragen, s. die ad hoc-Mit­ teilung der Daimler Chrysler AG nach §  15 WpHG vom 14.05.2007, abrufbar unter http:// www.daimler.com/Projects/c2c/channel/documents/1202712_dcx_ir_ 2007_releases_ 20070514adhoc_g.pdf.

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gleichende Analyse einer Ausweitung über die Delaware Corporation hinaus. Das ist auch deshalb notwendig, weil in der Delaware Limited Liability Com­ pany die vom Gesetz eingeräumten Gestaltungsspielräume anders als in der Corporation in erheblichem Umfang genutzt werden, wie sogleich gezeigt wird. Bei der Limited Partnership handelt es sich um eine Rechtsform, die der deut­ schen Kommanditgesellschaft ähnelt. Wie bei der Limited Liability Company regiert nach dem Delaware Limited Partnership Act für die Gestaltung des Ge­ sellschaftsvertrages ausdrücklich das Prinzip der Privatautonomie einschließ­ lich der Möglichkeit, die Geltung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten abzubedingen.209 bb)  Nutzung von Gestaltungsfreiheit in der Limited Liability Company und der Limited Partnership Der Autor einer empirischen Studie, die sich mit der Inanspruchnahme von Gestaltungsfreiheit hinsichtlich solcher Limited Liability Companies und Li­ mited Partnerships mit Registersitz in Delaware befasst, deren Anteile öffent­ lich gehandelt werden, 210 stellte fest, dass in der Stichprobe von 85 untersuchten Gesellschaften 211 – in 42 Gesellschaften die Treuepflichten der Manager und General Partner (bei der Limited Partnership) abbedungen wurden; – in 33 weiteren Gesellschaften zwar nicht die Treuepflichten, aber die Haftung wegen der Verletzung von Treuepflichten ausgeschlossen wurde; – in 69 Gesellschaften Regelungen vorhanden sind, regelmäßig „available cash“ auszuschütten, wobei die Bestimmung dessen, was „available cash“ darstellt, den Managern obliegt; – in 20 Gesellschaften die Bestandsdauer begrenzt ist;212 – in 10 von 12 Limited Liability Companies die Anlagegesellschafter das Recht haben, die Manager in regelmäßigen Abständen zu wählen, während dieses Recht in lediglich 12 von 73 Limited Partnerships besteht. Wahlrechte gibt es dabei eher in Gesellschaften, die keine Ausschaltung der Treuepflicht oder 209  §  1101 des Delaware Limited Partnership Act: „[…] (c) It is the policy of this chapter to give maximum effect to the principle of freedom of contract and to the enforceability of part­ nership agreements. (d) To the extent that, at law or in equity, a partner or other person has duties (including fiduciary duties) to a limited partnership or to another partner or to another person that is a party to or is otherwise bound by a partnership agreement, the partner’s or other person’s duties may be expanded or restricted or eliminated by provisions in the partnership agree­ ment; provided that the partnership agreement may not eliminate the implied contractual covenant of good faith and fair dealing.“ 210  Manesh, 37 J. Corp. L. 555 (2012). Sämtliche der folgenden Zahlen sind dieser Studie entnommen. 211  Davon 12 Limited Liability Companies und 73 Limited Partnerships. 212  16 Gesellschaften werden allerdings erst 2080 oder später aufgelöst.

394 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen Enthaftung bei Treuepflichtverletzung vorsehen, als in solchen, in denen Treuepflichten oder Schadensersatzpflichten abbedungen wurden. Diese Klauseln werden wie folgt kombiniert: –  In den 63 Gesellschaften, in denen den Anlagegesellschaftern kein Recht zur regelmäßigen Wahl von Managern zusteht, existieren in sechs Gesellschaften weder Klauseln zur Pflichtausschüttung noch zur begrenzten Lebensdauer. In 40 Gesellschaften ohne Managerwahlrecht existiert eine Regelung zu Pflichtausschüttungen, nur drei Gesellschaften sind in ihrer Bestandsdauer begrenzt. –  In den 75 Gesellschaften ohne Treuepflicht oder ohne Haftung für Treue­ pflichtverletzungen gibt es in 9 Gesellschaften weder Vorschriften zur Pflichtausschüttung noch zur Begrenzung der Bestandsdauer, in 51 Gesell­ schaften existieren Vorschriften allein zu Pflichtausschüttungen, in einer Ge­ sellschaft allein zur begrenzten Bestandsdauer und in 14 Gesellschaften beide Klauseln (Pflichtausschüttung und Bestandsdauerbegrenzung).213 –  In den 59 Gesellschaften, in denen weder das Recht zur regelmäßigen Mana­ gerwahl noch Treuepflichten oder Haftung wegen Treuepflichtverletzung vorgesehen sind, sind 40 mit Vorschriften zu Pflichtausschüttungen ausge­ stattet, lediglich 13 Gesellschaften sehen Pflichtausschüttungen und eine be­ grenzte Bestandsdauer vor. Im Ergebnis besteht also ein erheblicher Grad an Vereinheitlichung. Das gilt insbesondere bei Berücksichtigung der praktisch vergleichbaren Effekte recht­ lich unterschiedlicher Gestaltungen: Für die Gesellschafter ist es unerheblich, ob ein Manager oder General Partner trotz eines Fehlverhaltens nicht haftet, weil die Treuepflicht ingesamt abbedungen wurde oder nur die Haftung wegen Verletzungen dieser Pflicht. Verbleibende Divergenzen, die insbesondere hinsichtlich der Regelungen zur Wahl der Manager und General Partner bestehen, lösen sich auf, sobald nach Rechtsform getrennt analysiert wird. Bezogen auf Limited Partnership und Li­ mited Liability Company sind die entsprechenden Kautelen weitgehend uni­ form. cc)  Ursachen und Folgen der Nutzung von Gestaltungsfreiheit bei Limited Liability Company und Limited Partnership Im Unterschied zur Corporation werden bei der Limited Liability Company und der Limited Partnership die vom Gesetz eröffneten Gestaltungsspielräume vielfältig genutzt und vertragliche Regelungen geschaffen – diese allerdings wie­ derum standardisiert. Empirisch gesicherte Befunde zu den Gründen für diese 213 

Eine Gesellschaft sieht ausschließlich eine Bestandsbegrenzung vor.

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Diskrepanz gibt es nicht. Versucht man das Ganze vom jeweiligen Blickwinkel einer „race to the bottom“- und „race to the top“-Perspektive aus zu beurteilen, lassen sich folgende gedankliche Ansatzpunkte ausmachen: Die zitierte Studie zur Gestaltung von Gesellschaftsverträgen von Limited Partnerships und Limited Liability Companies hat nicht den wichtigen Aspekt der Inhaberstruktur beleuchtet. Es fehlen Angaben dazu, ob es sich bei den Gesellschaften im Wesentlichen um solche mit Gesellschafter-Managern han­ delt.214 Sollten Limited Partnerships und Limited Liability Companies typi­ scherweise eine derartige Inhaberstruktur aufweisen, werden denkbare Agen­ cy-Probleme jedenfalls ein Stück weit abgemildert, weil ein Interessengleichlauf zwischen Management und Anteilseignern besteht.215 Tatsächlich allerdings sind jedenfalls Limited Partnerships, deren Anteile öffentlich gehandelt wer­ den, in den meisten Fällen so organisiert, dass sich die Manager volle Kontroll­ rechte durch den Gesellschaftsvertrag sichern, obwohl sie nur über geringe An­ teilsquoten in Höhe von 2% verfügen.216 Das spricht für die Existenz der allge­ mein bekannten Probleme, die unter der Überschrift Prinzipal-Agenten-Konflikt diskutiert werden. Dann wirkt sich die nahezu vollständige Enthaftung mit Hilfe der Abbedin­ gung der Treuepflichten, verbunden mit dem weitgehenden Fehlen alternativer Kontrollmechanismen, stark ungünstig zu Lasten nicht am Management betei­ ligter Gesellschafter aus. Verschärft wird die Situation von Außenseitergesell­ schaftern häufig noch dadurch, dass ihnen in Limited Partnerships und Limited Liability Companies regelmäßig kein Recht zusteht, das Management (ab-)zu­ wählen oder sie jedenfalls keine Vorschlagsrechte haben.217 Unter Anreizgesichtspunkten, mögen Vertreter der „race to the top“-These einwenden, spreche aber einiges für die Vermutung, dass Gesellschaften, die ihre Anteile öffentlich anbieten wollen, investorenfreundliche Regelungen auf­ nehmen müssten. Anderenfalls riskiere man, auf Desinteresse von Anlegern zu stoßen. Hierfür ließe sich eine Studie heranziehen, wonach die Gesellschafts­ verträge von Master Limited Partnerships218 durchaus Bestimmungen zum 214 

Darauf weist der Autor der Studie selbst hin, Manesh, 37 J. Corp. L. 555, 593 (2012). Manesh, 37 J. Corp. L. 555, 593 (2012). 216  Manesh, 37 J. Corp. L. 555, 593 (2012). 217  Manesh, 37 J. Corp. L. 555, 594 (2012). 218  Bei einer Master Limited Partnership handelt es sich in gesellschaftsrechtlicher Hin­ sicht um eine reguläre Limited Partnership. „Master“ ist sie deshalb, weil sie in der Praxis als Obergesellschaft im Rahmen einer zweistufigen Konstruktion dient: Eine abhängige Limited Partnership, deren „Kommanditanteile“ (Limited Partnership Interests) nicht öffentlich ge­ handelt werden, führt die Geschäfte. Die Master Limited Partnership hält die Kommanditan­ teile der abhängigen Partnership. Öffentlich gehandelt werden die Kommanditanteile dieser Master Limited Partnership. Der für die Praxis maßgebliche Unterschied zwischen Limited Partnership und Master Limited Partnership resultiert aus dem Steuerrecht – Limited Part­ nerships, die bestimmte Geschäfte führen, können Steuervorteile in Anspruch nehmen, vgl. 215 

396 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen Schutz von Anlegern enthielten.219 Je kleiner die Anteilsquote der General Part­ ner (≈ Manager) war und je weniger Eigner mit großem Beteiligungsumfang beteiligt waren, desto mehr Schutz erhielten Anleger.220 Doch lässt sich das Ergebnis nicht ohne Weiteres generalisieren, da Investo­ renschutzklauseln nicht gleichmäßig über sämtliche der Stichprobe angehören­ den Gesellschaften verteilt waren, sondern nur ein Teil der Gesellschaftsverträ­ ge der Master Limited Partnerships sie enthielt.221 c) Analyse Weder in Deutschland noch in den Vereinigten Staaten stellt sich das Problem, dass die Marktteilnehmer für eine unübersehbare Vielfalt von Gestaltungsvari­ anten sorgen. Im Gegenteil: Sowohl bei deutschen Publikumspersonengesell­ schaften als auch in US-amerikanischen Limited Liability Companies und Li­ mited Partnerhips gibt es einen Grundstock an Modifikationen des gesetzlichen Modells, der sich jedenfalls in den meisten Satzungen findet. Entgegen der herrschenden Meinung lassen sich Publikumspersonengesell­ schaften also nicht als Beispiel dafür heranziehen, dass ohne zwingende gesetz­ liche Vorgaben keine Standardisierung von Rechtsformen zustande komme. Das ist eine Bestätigung der Ergebnisse aus dem vorhergehenden Abschnitt III. zur Erklärung von Standardisierungsprozessen ohne solch strikte gesetzgeberi­ sche Maßnahmen. Selbst diejenigen, die das Beispiel der Publikumspersonengesellschaften in den Vereinigten Staaten anders als hier vorgenommen interpretieren und die Restdivergenzen als Beleg ihrer Hypothese ansehen, ohne zwingendes Recht ergebe sich keine Standardisierung, vermögen einen wesentlichen Umstand nicht in Abrede zu stellen: Die Anteile dieser Gesellschaften werden öffentlich gehandelt. Offenbar führt die fehlende (vollständige) Vereinheitlichung also, anders als von der herrschenden Meinung in Deutschland suggeriert, nicht not­ wendig zu einer Gefährdung des Kapitalmarkts. Nicht zu bestreiten ist, dass die sich in Marktprozessen vollziehende Verein­ heitlichung von Gestaltungen in einigen Fällen unter Schutzgesichtspunkten durchaus problematische Ergebnisse nach sich zieht. Doch ist dies keine Frage der Herbeiführung von Standardisierung an sich, sondern, wie schon oben be­ tont,222 ein Problem des „richtigen“ Niveaus von Vereinheitlichung. Zentraler Regulierungsanlass nach der Standardisierungshypothese, wie sie die herr­ schende Meinung formuliert, ist gerade nicht die Beseitigung von Schutzdefizi­ §  7704(b) Internal Revenue Code und die Treasury Regulation 26 CFR §  7704-1. Zum Ganzen Sloan/Lay, 88 Taxes 229 (2010). 219  S.  Ciccotello/Muscarella, 7 J. Corp. Fin. 1, 13 ff. (2001). 220  Ciccotello/Muscarella, 7 J. Corp. Fin. 1, 16 (2001). 221  Ciccotello/Muscarella, 7 J. Corp. Fin. 1, 21 (2001). 222  Oben a)bb).

A.  Satzungsstrenge in der Aktiengesellschaft

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ten, die aus materiell unangemessenen Bedingungen herrühren und Anleger sowie Gläubiger beeinträchtigen. Vielmehr soll die gesetzlich erzwungene Uni­ formität dazu dienen, eine Bewertungsgrundlage herzustellen, von der ausge­ hend die Angemessenheit erst beurteilt werden kann.223 Stehen bei den Publikumspersonengesellschaften nicht diese Evaluationspro­ bleme, sondern einzeln herauspräparierbare Effekte spezifischer Klauseln im Vordergrund, lassen sich daher allenfalls punktuelle Eingriffe des Gesetzgebers in die Gestaltungsfreiheit durch zwingende Normen rechtfertigen. Eine pau­ schale Regelung wie §  23 Abs.  5 AktG erfährt in dieser Hinsicht keine Legiti­ mation. Das gilt erst recht, wenn man berücksichtigt, dass die Entwicklung in Deutschland zumindest auch dem Umstand geschuldet war, dass das Handels­ gesetzbuch gerade kein Modell anbot, dessen sich die Marktteilnehmer sinnvol­ lerweise hätten zur Gestaltung einer Publikumspersonengesellschaft bedienen können.224

3.  Klauselkontrolle und Satzungsstrenge im Vergleich Sowohl Genussscheinbedingungen als auch die Satzungen von Publikumsper­ sonengesellschaften sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Klauselkontrolle unterworfen, erstere nach den §§  305 ff. BGB, letztere gemäß §  242 BGB.225 Offenbar wird also wenigstens mittelbar gesetzlich eine Standar­ disierung gefördert. Das wiederum stellt scheinbar die oben dargestellten Aus­ führungen infrage, wonach Vorteil von Genussscheinen gerade die fehlende Standardisierung sei 226 und es jedenfalls aus heutiger Sicht bei Publikumsperso­ nengesellschaften an einer gesetzlichen Typenprägung fehle.227 Im Ergebnis, so ließe sich dieser Gedanke fortführen, bestehen Unterschiede zwischen Aktien­ gesellschaften auf der einen und Genussscheinen sowie Publikumspersonenge­ sellschaften auf der anderen Seite offenbar lediglich in der normativen Technik der Vereinheitlichung, nicht jedoch hinsichtlich der Konsequenz, der gesetzlich zwingenden Gestaltung. Auch für andere vielschichtige Bedingungswerke, die oben als Beispiel für Standardisierung ohne zwingendes Recht dargestellt wur­ den, etwa für die Klauseln komplexer Kreditverträge, gelten die §§   305 ff. BGB.228 Doch leitet sich hieraus kein Argument dafür ab, dies als Nachweis dafür zu sehen, jede Form anspruchsvoller Gestaltung bedürfe umfassender zwingender 223 

S.  bereits oben I.2. Oben a)dd). 225  S.  nur die grundlegenden Entscheidungen BGHZ 119, 305, 312 ff., für Genussscheine, und BGHZ 64, 238, 241 ff., für Publikumspersonengesellschaften. 226  Oben 1.b). 227  Oben 2.a)dd). 228  Zur Anwendbarkeit des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf Covenants statt aller Servatius, Gläubigereinfluss, S.  125 ff. 224 

398 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen gesetzlicher Regulierung, wie dies für einen Vertreter der herrschenden Mei­ nung vielleicht naheliegen mag. Zwar wirkt insbesondere §  307 Abs.  2 Nr.  1 BGB standardisierend. Doch sind §  23 Abs.  5 AktG und die §§  305 ff. BGB nicht miteinander vergleichbar. Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zieht lediglich Außen­ grenzen. Es setzt einen Rahmen, innerhalb dessen sich die Parteien frei bewegen können. Vielfach sind mehrere zulässige Gestaltungen denkbar, untersagt wer­ den nur bestimmte Varianten, die, von den gesetzlichen Vorgaben aus betrach­ tet, Extreme darstellen. Die Abänderung dispositiver gesetzlicher Vorschriften ist also grundsätzlich zulässig. Demgegenüber liegt §  23 Abs.  5 AktG das umge­ kehrte Konzept zugrunde: Erlaubt sind im Regelfall nur bestimmte Gestaltun­ gen, Abweichungen von den gesetzlichen Vorgaben sind nach §  23 Abs.  5 S.  1 AktG grundsätzlich unzulässig. Wären Satzungen von Aktiengesellschaften lediglich den §§  305 ff. BGB oder einem vergleichbaren Regime unterworfen, bestünden bei nicht den Mitbestim­ mungsgesetzen unterliegenden Gesellschaften etwa keine prinzipiellen Beden­ ken, ein Wahlrecht einzuräumen für ein monistisches oder dualistisches Sys­ tem, wie es Art.  38b) der Verordnung über das Statut der Europäischen Gesell­ schaft vorsieht.229

4. Fazit Genussscheine und Publikumspersonengesellschaften mögen in mancherlei Hinsicht Schwierigkeiten bereiten. Doch sind sie nicht geeignet, im Sinne der herrschenden Meinung die umfassende zwingende Regulierung komplexer Ge­ staltungen zu begründen. Im Fall der Genussscheine wäre dies schädlich. Bei Publikumspersonengesellschaften lag das Problem nicht in fehlender Standar­ disierung, sondern gerade in den Folgen eines Standardisierungsprozesses. Zwar wäre unter Umständen gesetzgeberisches Handeln sinnvoll gewesen. Doch hätte für die Setzung eines fokalen Punktes die Ergänzung des Handels­ gesetzbuches um einen Typus der Publikumskommanditgesellschaft oder ein vergleichbares Modell genügt. So lässt sich mit Blick auf die hier beschriebenen Fälle allenfalls rechtfertigen, dass der Gesetzgeber ein abdingbares Gestal­ tungsmuster anbietet, keineswegs jedoch eine §  23 Abs.  5 AktG vergleichbare Vorschrift.

229  Verordnung (EG) Nr.  2157/2001 des Rates vom 08.10.2001 über das Statut der Europä­ ischen Gesellschaft (SE), ABl. Nr.  L 294, S.  1, zuletzt geändert durch Art.  1 der Verordnung (EG) 1791/2006 vom 20. 11. 2006, ABl. Nr.  L 363, S.  1.

A.  Satzungsstrenge in der Aktiengesellschaft

399

V.  Geduldetes Fehlen von Standardisierung im Aktienrecht: Schuldrechtliche Nebenabreden Über die eben diskutierten Problemfälle hinaus ist nun ein Phänomen zu be­ trachten, das in einem Spannungsverhältnis zum überwiegend befürworteten Standardisierungszwang steht: Schuldrechtliche Nebenabreden im Aktien­ recht. Für schuldrechtliche Nebenabreden gilt §  23 Abs.  5 AktG nach herrschender Meinung nicht.230 Im Gegenteil betont sie, diese böten „Möglichkeiten einer flexibleren und geschmeidigeren Gestaltung der Rechtsverhältnisse der Gesell­ schaft […].“231 Das soll gelten, obwohl in der Praxis die Gestaltungsvielfalt groß ist und mangels öffentlicher Informationen über die Abredeinhalte keine außer­ gesetzliche Standardisierung in Gang kommen kann. Übliche Vereinbarungen betreffen die Vergütung der Geschäftsleiter, den Be­ stand der Gesellschaft in Form von Abreden über Auflösung und Umwandlung sowie die Festlegung von Bilanzierungsgrundsätzen.232 Diese Gestaltungsvielfalt steht in einem merkwürdigen Spannungsverhältnis zur Strategie der herrschenden Meinung, §  23 Abs.  5 AktG zu rechtfertigen. Selbst Befürworter der deutschen Satzungsstrenge erkennen an, dass „Neben­ absprachen [...] diejenigen Vereinbarungen [enthalten], die das Leben der Ge­ sellschaft maßgeblich bestimmen. Die Nebenvereinbarungen werden damit zur Hauptabrede, während die Satzung nur noch den formalen organisatorischen Rahmen vorgibt, in dem anderweit getroffene Entscheidungen umgesetzt wer­ den.“233 In der Literatur wird also ohne Umschweife akzeptiert, dass die wesentlichen Entscheidungen auf Organisationsvereinbarungen außerhalb der Satzung beru­ hen, deren Inhalt nach allgemeiner Ansicht nicht vom Aktiengesetz determi­ niert wird und die, ebenfalls anerkanntermaßen, grundsätzlich keiner Publizi­ tät unterworfen sind.234 Worin hier noch die Standardisierungswirkung des Gesetzes und die Informationskostenersparnis aufgrund vereinheitlichter Strukturen liegen soll, ist kaum nachvollziehbar. Allenfalls ließe sich zynisch bemerken, dass Anleger deshalb Informationskosten sparen, weil sie die wichti­ gen Informationen über die Existenz und den Inhalt von Gesellschafterverein­ barungen ohnehin nicht einzuholen in der Lage sind. Das Argument, Nebenabreden entfalteten im Unterschied zur Satzung keine Außenwirkung, ist von zweifelhafter Güte (1.). Kapitalmarktrechtliche Vor­ 230  A.Arnold, in: KK-AktG, §   23 Rn.  173; Pentz, in: MünchKommAktG, §  23 Rn.  188; Röhricht, in: GK-AktG, §  23 Rn.  240, 256. 231  Röhricht, in: GK-AktG, §  23 Rn.  240. 232  Diese und weitere Beispiele finden sich bei Wicke, DStR 2006, 1137 f. 233  Röhricht, in: GK-AktG, §  23 Rn.  252. 234  Sieht man von den Stimmrechtsmeldungen einmal ab. Dazu noch unten 2.

400 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen schriften schaffen bei börsennotierten Gesellschaften keinen vollständigen Ausgleich (2.). Außerdem bewältigen Nebenabreden nicht das Problem der strikten organisationsrechtlichen Vorgaben des deutschen Aktienrechts (3.).

1.  Zum Argument fehlender Außenwirkung von Nebenabreden Neugesellschafter sollen vor den Wirkungen von Nebenabreden geschützt sein, weil diese nur die an dem Vertrag Beteiligten bänden.235 Das ist ein aus wirt­ schaftlicher Sicht nur schwierig nachvollziehbares Argument: Wenn die schuldrechtlichen Vereinbarungen tatsächlich, wie die herrschende Meinung einräumt, die für die tatsächliche Organisation und Führung der Ge­ sellschaft wesentlichen Bedingungen enthalten, können Dritte gerade nicht nachvollziehen, ob sie überhaupt eine Möglichkeit haben, ihre de iure bestehen­ den Rechte de facto auszuüben. So mag den Außenstehenden zwar weiterhin möglich sein, Aufsichtsräte mit (ab-)zu wählen. Doch eine Steuerungswirkung lässt sich damit nicht erzielen (zu dieser faktischen Außenwirkung a]). Weiter­ hin ist die andauernde Wirkung von Nebenabreden zu berücksichtigen. Sie schreiben die praktisch maßgeblichen Strukturen für eine längere Zeit fest, ohne dass diese von den an der Vereinbarung nicht beteiligten Gesellschaftern verän­ dert werden könnten (b]). Dass bei einer allseitigen Nebenabrede sämtliche Ge­ sellschafter Kenntnis von der „wahren“ Form der Gesellschaft haben, vermag die Standardisierungsthese als ein auf die Satzungsebene bezogenes Konstrukt nicht zu stützen (c]). a)  Faktische Außenwirkung schuldrechtlicher Nebenabreden Die Abwahl eines Aufsichtsrates hilft wenig, wenn Bilanzpolitik und Ge­ schäftsleitervergütung anderweitig bestimmt werden. Mit der Bilanzpolitik wird zudem unmittelbar Einfluss auf die Möglichkeit der Dividendenausschüt­ tung genommen. Das gilt zum einen, weil die Dividendenzahlung überhaupt von der Höhe des Bilanzgewinns abhängt, §  58 Abs.  4 AktG. Zum anderen kann die Hauptversammlung nach §  58 Abs.  3 S.  1 AktG über anderweitige For­ men der Gewinnverwendung bestimmen, die den ausschüttungsfähigen Betrag weiter mindern. Schließen mehrere Gesellschafter einen Vertrag über die Bi­ lanzpolitik, wirkt sich dies also unmittelbar auf die Gewinnaussichten Dritter aus. Das Fehlen einer juristischen Bindung darf daher nicht gleichgesetzt wer­ den mit dem Schutz davor, von den wirtschaftlichen Folgen des Zusammenwir­ kens der mittels Nebenabrede verbundenen Mitglieder verschont zu bleiben. Nicht umsonst sprechen Praktiker von „Schattensatzungen.“236 235 

236 

C.Schäfer, NJW 2008, 2536, 2540. Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 80.

A.  Satzungsstrenge in der Aktiengesellschaft

401

Da die Informationen über die Bedingungen der Nebenabreden nicht öffent­ lich zur Verfügung stehen, 237 können sie nicht für die Berechnung von Preisab­ schlägen oder, bei Gesellschaften mit kleinerem Mitgliederkreis, für die Ver­ handlung von Schutzklauseln als Kriterium herangezogen werden. Selbst wenn der Anteilserwerber abstrakte Kenntnis von der Existenz solcher Abreden hat, hilft das allenfalls begrenzt weiter. Aufgrund der vielfältigen denkbaren Rege­ lungsgegenstände in Nebenvereinbarungen ist es ihm nämlich kaum möglich, eine valide Einschätzung ihres Inhalts vorzunehmen. Es macht einen erheblichen Unterschied, ob sich die Abrede lediglich auf die Besetzung von Organen bezieht oder ob konkrete Absprachen zur Gewinnver­ teilung bestehen. Ersteres ist für einen an Ausschüttungen interessierten Anle­ ger weniger relevant als der zweite Punkt, weil mit diesem unter Umständen eine erhebliche Beeinträchtigung seiner Dividendenziele einhergeht. Unter die­ sen Umständen muss er auf der Grundlage der Abstimmungsergebnisse der Hauptversammlungen der letzten Jahre und mit Blick auf sonstige Entschei­ dungen, etwa bezogen auf die Vergütung des Vorstands, raten, welche Gegen­ stände in der Nebenvereinbarung geregelt sind. Wirksamer Schutz über Preis­ abschläge oder Absprachen, die möglicherweise bei einem kleinen Mitglieder­ kreis theoretisch im Zuge des Anteilserwerbs verhandelbar wären, ist damit kaum zu erreichen.238 Dem lässt sich aus finanzierungswirtschaftlicher Sicht nicht entgegenhalten, einbehaltene Gewinne schlügen sich in einem erhöhten Anteilspreis nieder, so dass es auf Ausschüttungen nicht ankomme. Jedenfalls in geschlossenen Gesell­ schaften, bei denen es nicht immer einen funktionierenden Anteilsmarkt gibt, kann der betroffene Gesellschafter diese Werterhöhung nicht im Wege eines Verkaufs liquidieren. Das gilt insbesondere, falls, wie etwa in mit Wagniskapital finanzierten Gesellschaften, vielfältige Veräußerungsschranken bestehen. Im Übrigen stellt sich stets das Problem, dass das Mitglied unter Umständen ein höheres Interesse an ständigen Ausschüttungen hat, etwa weil es auf den Zu­ fluss liquider Mittel angewiesen ist oder wegen steuerlicher Gründe. b)  Andauernde Wirkung schuldrechtlicher Nebenabreden Nun sind all dies Umstände, die selbst ohne Nebenabrede jeden Minderheitsge­ sellschafter treffen können. Jeder Erwerber eines Minderheitsanteils muss da­ mit rechnen, dass die Mehrheit offen in genau der Weise entscheidet, wie dies in Nebenabreden verdeckt geschieht. Der maßgebliche Unterschied liegt darin, dass Nebenabreden dauerhaft in die Unternehmenspolitik eingreifen. Betreffen die Klauseln der schuldrechtlichen Absprachen die Gewinnausschüttung und 237 

Hierzu sogleich näher unter 2. zuletzt genannten Problem der Verhandlung vertraglicher Schutzmechanismen bei Eintritt in die Gesellschaft noch unten B. §  1 III. 238  Zum

402 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen die Bilanzpolitik, ergeben sich hieraus unter Umständen ganz erhebliche Ein­ flüsse auf die zu erwartenden zukünftigen Zahlungsströme, die als Basis jeder Anteilsbewertung dienen. Das verschärft die oben skizzierte Schwierigkeit, bei Erwerb der Mitgliedschaft die Renditeaussichten und andere Risiken einzu­ schätzen. Aus Sicht eines Erwerbsinteressierten ergibt sich die Gefahr, einen gemessen an den tatsächlichen Gewinnaussichten zu hohen Preis zu zahlen. Ein schneller Ausstieg aus der Beteiligung nach Aufdecken der in einer Ne­ benabrede festgelegten Steuerung hilft dem Minderheitsgesellschafter gleich­ falls nur begrenzt weiter. Angesichts der Üblichkeit von Nebenabreden bei deutschen Aktiengesellschaften bliebe ihm nur übrig, von der Anlage in Aktien generell Abstand zu nehmen, möchte er nicht von Gesellschafterabreden der Altmitglieder berührt werden. c)  Auswirkungen allseitiger Nebenabreden Diese Probleme stellen sich nicht, sofern sämtliche Gesellschafter als Beteiligte Kenntnis von den Nebenabreden haben. Wer deshalb allseitige Nebenabreden für unbedenklich hält, muss sich jedoch eines vor Augen führen: Damit bricht das Argument für die weitgehend zwingende Ausgestaltung des Aktienrechts – Stichworte: „Verwirrung durch Vielfalt“ und „Transaktionskostenersparnis“ – in sich zusammen. Wer anerkennt, dass die Gesellschafter fähig und willens sind, ihre Angele­ genheiten in vom Gesetz abweichender Weise zu regeln, muss konsequenter­ weise den im Ausmaß von §  23 Abs.  5 AktG vorgenommenen gesetzgeberischen Eingriff in die Gestaltungsfreiheit auf Satzungsebene für illegitim halten. Hier fügt sich ein, dass einigen Verfechtern der herrschenden Meinung die Rigorosität ihrer Argumente offenbar selbst nicht vollständig behagt. So findet sich die Bemerkung, die Beteiligten wollten „[...] vielleicht oder vielfach ohne komplexe rechtliche Analysen auskommen, sondern sich auf ein mit einem „Gütesiegel“ des Gesetzgebers versehenes Regelungsmodell verlassen kön­ nen.“239 Dann aber gibt es für zwingendes Recht insoweit keine Rechtfertigung. Wer sich eines vom Gesetzgeber vorgegebenen Regelungsmusters bedienen möchte und keine „komplexen rechtlichen Analysen“ anstellen will, dem steht diese Möglichkeit genauso offen, wenn das Modell auf abdingbaren Vorschrif­ ten beruht. Alles, was die Beteiligten hierfür tun müssen ist, sich abweichender Gestaltung enthalten. Ist ausreichender Schutz im Wesentlichen dadurch erreichbar, dass alle Mit­ glieder Kenntnis von den tatsächlichen Organisationsstrukturen haben, bedarf es nicht der Satzungsstrenge, sondern lediglich einer strengen Satzungspublizität. Alle wesentlichen Regelungen müssten satzungspflichtig werden. Dann wä­ 239  Kalss, in: Kalss/Schauer, Gutachten ÖJT 2006, S.  39, Kursivsetzung hinzugefügt. Ähn­ lich im Impetus z.B. Koch, AG 2015, 213, 218.

A.  Satzungsstrenge in der Aktiengesellschaft

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ren sie für sämtliche gegenwärtigen Gesellschafter und Erwerbsinteressierte erkennbar und es käme nicht zu den oben unter a) und b) beschriebenen Schwie­ rigkeiten. Das geltende Recht zwingt dagegen dazu, auf nicht einsehbare Abreden aus­ zuweichen, weil in dem öffentlichen Dokument der Satzung vieles, was rege­ lungsbedürftig ist, nicht wirksam geregelt werden darf. Das ist mit Blick auf den Schutz von Erwerbswilligen und derjenigen Gesellschafter, die nicht Partei der schuldrechtlichen Vereinbarungen sind, sowie hinsichtlich der Kontrolle der Gesellschaft durch den Kapitalmarkt eine fragwürdige Konsequenz des §  23 Abs.  5 AktG.240

2.  Unzureichender Schutz durch kapitalmarktrechtliche Publizität Hinsichtlich des zuvor genannten Publizitätsproblems scheint jedenfalls in der börsennotierten Aktiengesellschaft ausreichender Schutz in Form gesetzlicher Informationspflichten zu bestehen: Organisieren sich einzelne Gesellschafter per schuldrechtlicher Vereinbarung außerhalb der Satzung, kann dies bei Über­ schreiten bestimmter Anteilsschwellen nach den §§  21 ff. WpHG zu Stimm­ rechtsmitteilungen führen. Der Inhalt dieser Stimmrechtsmitteilungen bezieht sich aber nach der maßgeblichen Verordnung nicht auf den sachlichen Gehalt etwaiger Gesellschaftervereinbarungen, sondern auf die (potentielle) Stimm­ rechtshöhe sowie Ausübungszeitpunkte bei Erwerbsrechten, sofern der Zeit­ punkt feststeht.241 Auch das Prospektrecht sieht keine umfassende Veröffentlichung der Inhalte von Gesellschaftervereinbarungen bei einem Börsengang vor. Zwar müssen bei Wertpapierprospekten für Aktien nach der EU-Prospektverordnung242 gemäß Anhang I.14.2 und Anhang I.18 bestimmte Angaben unter anderem zu Verein­ barungen über Interessenkonflikte im Hinblick auf die Besetzung von Orga­ nen 243 gemacht werden. Gleiches gilt, sofern dem Emittenten bekannt, für Ver­ einbarungen, die zu einer Kontrollveränderung bei dem Emittenten führen 240 

Ähnlich bereits Hey, Freie Gestaltung, S.  175. Diese und weitere Inhalte ergeben sich aus §  17 der Wertpapierhandelsanzeige- und In­ siderverzeichnisverordnung vom 13. Dezember 2004 (BGBl. I S.  3376), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 25. Januar 2012 (BGBl. I S.  121). 242  Verordnung (EG) Nr.  8 09/2004 der Kommission vom 29. April 2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die in Pro­ spekten enthaltenen Angaben sowie die Aufmachung, die Aufnahme von Angaben in Form eines Verweises und die Veröffentlichung solcher Prospekte sowie die Verbreitung von Wer­ bung, ABl. EU L 149 vom 30.04.2004, S.  1, zuletzt geändert durch die Delegierte Verordnung (EU) Nr.  486/2012 der Kommission vom 30. März 2012 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr.  809/2004 in Bezug auf Aufmachung und Inhalt des Prospekts, des Basisprospekts, der Zusammenfassung und der endgültigen Bedingungen und in Bezug auf die Angabepflichten, ABl. EU L 150 vom 09.06.2012. 243  Das betrifft in der Praxis insbesondere die Besetzung des Aufsichtsrates. 241 

404 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen können (Anhang I.18.4.). Weitere Ansätze zu einer Offenlegung ergeben sich aus Anhang I.22 (wesentliche Verträge) und im Zusammenhang mit der allge­ meinen Beschreibung von Risikofaktoren (Anhang I.4).244 Zudem verlangt die Generalklausel des §  5 Abs.  1 WpPG zur Prospektwahrheit und Prospektklar­ heit die Präsentation aller bewertungserheblichen Tatsachen.245 Das hilft dem Anleger zwar besser als die Mitteilungen nach den §§  21 ff. WpHG, führt im Ergebnis aber ebenfalls nicht zu einer umfassenden Informa­ tion. Zu einer vollständigen Offenlegung der Vereinbarung kommt es nicht, vielmehr sind lediglich einzelne Inhalte darzustellen. Diesbezüglich reichen häufig Umschreibungen aus, unter Umständen sogar abstrakte Hinweise.246 Wie viele Informationen preisgegeben werden, hängt zudem stark von der Einschätzung des Emittenten ab, insbesondere davon, ob er mehr Informatio­ nen als die Mindestangaben veröffentlichen will. Weil der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Gesellschaftervereinbarungen nicht vorgelegt werden müssen, kann sie allenfalls nach §  13 Abs.  1 S.  2 WpPG die Angaben der Emittenten im Prospekt auf Verständlichkeit und Kohärenz prüfen und unter Umständen Ergänzungen verlangen. Hinzu kommt, dass selbst bei weitgehender Offenlegung von Abreden im Wertpapierprospekt diese gesteigerten Publizitätsanforderungen nur für den Börsengang gelten. Mit dem nach §  16 Abs.  1 S.  1 WpPG maßgeblichen Zeit­ punkt für die Pflicht zur Veröffentlichung eines Nachtrags endet die Geltung des Prospektrechts für spätere Maßnahmen.247 Vielfach fehlen dem an einem Anteilserwerb interessierten Anleger deshalb wichtige Informationen, um die Auswirkung von Gesellschaftervereinbarun­ gen einpreisen zu können. Dieses Problem löst auch das Prospektrecht nicht vollständig, weil die Wertpapierprospekte ebenfalls keine umfassenden Infor­ mationen enthalten.

3.  Strukturelle Starrheit des Aktienrechts Selbst wenn man den eben diskutierten Aspekt hintanstellt, verbleibt eine ent­ scheidende Schwierigkeit: Wesentliche strukturelle Vorgaben des Aktiengeset­ zes, die im Einzelfall aus praktischer Sicht nachteilig sein mögen, lassen sich nicht durch Ersatzkonstruktionen in Nebenabreden ausgleichen. Das Aktien­ gesetz kennt, um nur ein prominentes Beispiel zu geben, kein monistisches Mo­ 244  Weitere Ansatzpunkte sind Anhang III.5.2.2 (Lock-ups) und unter Umständen An­ hang III.20.7 mit dem Argument, Dividendenpolitik der Hauptgesellschafter sei gleichzuset­ zen mit der Dividendenpolitik des Emittenten. 245 Vgl. Kuntz, in: Ekkenga/Schröer, §  8 Rn.  182 ff. 246  So etwa im Regelfall bei Interessenkonflikten im Sinne von Anhang I.14.2, s. Heidelbach/Doleczik, in: Schwark/Zimmer, KMRK, §  7 WpPG Rn.  33. 247  Vorausgesetzt, diese Maßnahmen sind nicht ihrerseits prospektpflichtig.

A.  Satzungsstrenge in der Aktiengesellschaft

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dell.248 Die Möglichkeit des Abschlusses von schuldrechtlichen Vereinbarungen bietet keinen Ausweg aus organisationsrechtlichen Strukturen, die nicht in vol­ lem Umfang über jeden Zweifel erhaben sind, was ihre Effizienz angeht. Die Einsicht der Entwurfsverfasser der Aktiennovelle von 1884, uniforme Vorgaben würden den Notwendigkeiten des Wirtschaftslebens und der Vielfalt der mit einer Gesellschaft verfolgten Zwecke nicht gerecht,249 ging offenbar verloren.250 Zudem: Sollte die Angst vor Uneinheitlichkeit in Gestalt der Abweichung vom Gesetz ein Grund für die weitgehend zwingende Ausgestaltung eines Rechtsverhältnisses sein, wäre dies ein Argument für die Abschaffung der Ver­ tragsfreiheit auch auf der schuldvertraglichen Ebene der Nebenabreden. Noch bedenklicher ist es, ausgerechnet die Möglichkeit zum Abschluss von Gesellschafterabreden als Grund für die Beibehaltung der Satzungsstrenge an­ zuführen.251 Denn die Frage nach der Begründung einer Norm wie §  23 Abs.  5 AktG bleibt damit unbeantwortet. Es geht nicht darum, wie gravierend sich §  23 Abs.  5 AktG in der Praxis in Anbetracht von Umgehungsmechanismen auswirkt. Vielmehr steht die konzeptionelle Problematik im Vordergrund, wel­ che Gründe es überhaupt gibt, die Gestaltungsfreiheit im Privatrecht derart strikt zu beschränken.

4. Fazit Es überzeugt nicht, dass die herrschende Meinung einerseits die Notwendigkeit von Satzungsstrenge betont, andererseits jedoch auf der Ebene „unterhalb“ der Satzung Gestaltungsvielfalt zulässt. Hier ist zu ergänzen, dass §  23 Abs.  5 AktG eine höchst problematische Konsequenz hat: Weil die Gestalter vom Gesetz grundsätzlich nicht abweichen dürfen, zwingt das Aktiengesetz sie geradezu, schuldrechtliche Nebenvereinbarungen abzuschließen. Diese wiederum neh­ men nicht an der Satzungspublizität teil und können, obwohl sie in der Praxis vielfach die „wahren Organisationsdokumente“ sind, von Aktionären und Marktbeobachtern nicht eingesehen werden. Welchen Vorteil dies gegenüber einer Regelungstechnik aufweist, die mehr Gestaltungsfreiheit einräumt, im Gegenzug aber die Satzungspublizität stärkt, indem Abweichungen vom Ge­ setz stets der Aufnahme in die Satzung bedürfen, ist kaum nachvollziehbar. Nach dem geltenden Modell weichen die Gestalter etlichen Vorgaben des Akti­ 248 

Vgl. hierzu bereits Mertens, ZGR 1994, 426, 429. Näher unten §  4. 250  Pointiert das „rechtspolitische[...] Furioso“ von Mertens, ZGR 1994, 426, 427: „[...] ich stelle mir vor, daß in jenem Dereinst [der Zukunft, Anm.  des Autors] einige Wirtschaftshisto­ riker [...] darüber rätseln, ob die Aktiengesellschaft [...] ein Produkt der BRD oder der DDR darstellt.“ 251  So in der Tat C.Schäfer, NJW 2008, 2536, 2540: „Wegen der anerkannten Zulässigkeit so genannter Nebenabreden ist eine weitere Aufweichung der Satzungsstrenge nicht beson­ ders dringlich.“ (Kursivsetzung im Original) 249 

406 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen engesetzes nach Auffassung der herrschenden Meinung rechtmäßigerweise aus. Dass dies Neugesellschafter und sonstige Dritte wie etwa Gläubiger der Mög­ lichkeit beraubt, ihre eigene Stellung kraft privatautonomer Regelung zu schüt­ zen, wird hingenommen.

VI.  Standardisierung durch zwingendes Recht Die oben angestellten Überlegungen führen dazu, im Folgenden drei Fallgrup­ pen zu unterscheiden, in denen zwingendes Recht als Standardisierungsinstru­ ment sinnvoll sein kann, soweit es um die punktuelle Steuerung des Gestal­ tungsverhaltens der Marktteilnehmer geht. Indisponible Normen kommen in Betracht, wenn anders keine angemessenen privaten Regeln gewährleistet sind (1.), wenn die Notwendigkeit sofortiger Änderungen besteht (2.) oder gesell­ schaftspolitische Maßnahmen durchgesetzt werden sollen, die mit der effizien­ ten Organisation von Kapitalgesellschaften nicht in unmittelbarem Zusammen­ hang stehen (3.). Der starken Verbreitung von Vertragsmustern, die sich an Common Law-Vorbilder anlehnen, vermag nationales Recht dagegen keinen Einhalt zu gebieten (4.).

1.  Keine angemessenen privaten Regelungen Zwingendes Recht kommt dort in Betracht, wo abdingbare Regeln in einer Wei­ se ausgenutzt werden, dass Schutzdefizite entstehen. Als Beispiele wurden oben die Publikumspersonengesellschaft in Deutschland und die Gestaltungen in den vergleichend herangezogenen Rechtsformen Limited Liability Company und Limited Partnership genannt.252 Im Zusammenhang mit den oben erwähn­ ten Satzungsbestimmungen zu „fair price“- Regelungen in Übernahmesituatio­ nen wird in der Literatur diskutiert, ob ein Grund für die wenig ausgeprägte Neigung zur Abweichung vom disponiblen Gesetzesrecht auf einem dem Recht der dortigen Bundesstaaten innewohnenden Kompetenzkonflikt von Ge­ schäftsleitung und Anteilseignern beruht.253 Doch ist insoweit zu beachten, dass der Ausgleich einzelner Schutzdefizite, etwa eine nicht hinnehmbare Benachteiligung von Minderheitsgesellschaftern infolge der Abbedingung von Treuepflichten und jeglicher Haftungsregeln zu Gunsten von Gesellschaftern, die zugleich die Geschäftsführung kontrollieren, keine pauschale Einschränkung der Gestaltungsfreiheit rechtfertigt. Verhindert werden müssen die konkret problematischen Vereinbarungen. Insoweit bedarf es einer Standardisierung hin zu einem anderen Modell. Doch impliziert dies 252  Oben

IV.2. Dazu die Diskussion bei Listokin, 6 J. Emp. Legal Stud. 279, 305 (2009). Hansmann, 8 Am. L. & E. Rev. 1, 12 f. (2006), erachtet diese Probleme offenbar nicht als entscheidend. Aus dem deutschen Schrifttum Bechtold, Grenzen, S.  248. 253 

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nicht zugleich, alle anderen Abweichungen von gesetzlichen Vorgaben gleich­ falls unterbinden zu müssen. Überdies: Konzeptionell ist die Einführung zwingender Regeln nicht damit gleichzusetzen, bestimmte Inhalte gesetzlich indisponibel vorzugeben. Denk­ bar ist in vielen Fällen die Inkraftsetzung gesetzlicher Regelungsaufträge:254 Solche normativ gegebenen Aufträge fordern die Beteiligten – zwingend – dazu auf, bestimmte Regelungen zu treffen, belassen aber die Details des inhaltlichen Zuschnitts dem Willen der Gestalter. Das bewirkte hinsichtlich dieser Einzel­ fragen eine Mindeststandardisierung und die Sicherung materiell angemessener Gestaltungen, ohne zugleich in andere Bereiche, in denen keine Schutzdefizite auftreten, hineinzusteuern. Zwar verursacht dies Transaktionskosten.255 Doch sind diese abzuwägen gegen die Kosten, die daraus entstehen, überhaupt keine den eigenen Bedürfnissen angepassten Vereinbarungen treffen zu dürfen.

2.  Notwendigkeit sofortiger Änderungen Sind sofortige Änderungen notwendig, gibt es zur Inkraftsetzung zwingenden Rechts keine Alternative. Vorgaben wie diejenigen des Finanzmarktstabilisie­ rungsgesetzes bedürfen staatlichen Handelns. Doch werden solche Situationen eher die Ausnahme als die Regel sein, so dass sie kaum als Rechtfertigung von §  23 Abs.  5 AktG dienen können.

3.  Durchsetzung gesellschaftspolitischer Maßnahmen Zwingendes Recht ist die einzig wirksame Regulierungsform, soll ein gesell­ schaftspolitisches Ziel durchgesetzt werden, das mit der effizienten Organisati­ on von Kapitalgesellschaften nicht in unmittelbarem Zusammenhang steht. Das Musterbeispiel hierfür ist die unternehmerische Mitbestimmung der Arbeit­ nehmer in Deutschland. Ohne zwingende gesetzliche Vorgaben bestünde die Gefahr, dass die Marktteilnehmer die Mitbestimmung abbedingen, wie schon die Diskussion um das „Einfrieren“ solcher Regelungen in der Europäischen Aktiengesellschaft zeigt.256 Doch selbst solche Anliegen rechtfertigen keine derart weitreichende Rege­ lung wie §  23 Abs.  5 AktG. Bereits die Vorschriften der Börsen in den USA be­ legen, dass zwingende Vorgaben zur Organzusammensetzung nicht mit einem 254 In diesem Sinne bereits Hommelhoff, in: Lutter/Wiedemann, Gestaltungsfreiheit, S.  36, 57 f.; Weller, ZGR 2012, 386, 401. Eingehende Analyse von Regelungsaufträgen als Mit­ tel kapitalgesellschaftsrechtlicher Regulierung bei Binder, Regulierungsinstrumente, S.  352 ff. 255 Kritisch daher Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, in: Rechtsregeln, S.  21 f. 256  Vgl. nur den programmatischen Beitrag von Rieble, BB 2006, 2018: „Schutz vor paritä­ tischer Unternehmensmitbestimmung“.

408 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen breiten Ausschluss von Gestaltungsfreiheit einhergehen müssen. So verlangt das Listed Company Manual der New York Stock Exchange in Section 303A.01, dass das Board of Directors mit einer Mehrheit von „independent directors“ besetzt zu sein hat, Section 303A.05 die Einrichtung eines „compensation com­ mittee“.257 Satzungsstrenge folgt hieraus nicht. Denkbar ist etwa, mit einer §  52 Abs.  1 GmbHG ähnelnden Regelungstech­ nik ab einer bestimmten Größe ein dualistisches System zwingend vorzuschrei­ ben, kombiniert mit Vorgaben zur Besetzung des Aufsichtsrates. Dies ließe sich unproblematisch in den Mitbestimmungsgesetzen verankern.258

4.  Das Problem des Einflusses von Common Law-Gestaltungsmustern Einen weiteren Grund für zwingendes Recht mögen manche Betrachter darin sehen, deutsche Rechtsstandards zu erhalten und die zunehmende „Angloame­ rikanisierung“ der Vertragspraxis einzuschränken. Die mehrfach erwähnte Loan Market Association sitzt in London und gestaltet ihre Vertragsmuster im Wesentlichen nach englischem Vorbild. Unternehmenskaufverträge ähneln stark US-amerikanischen Modellen. Dieser Prozess wird weiter dadurch ver­ stärkt, dass englische und US-amerikanische Kanzleien ihre Stellung in Deutschland (und anderen Staaten) festigen und Wettbewerbsvorsprünge errei­ chen wollen, indem sie den Markstandard definieren und die nationalen Kanz­ leien dem folgen wie die Lemminge. Dies alles lässt sich sowohl in rechtskultu­ reller Hinsicht als auch mit Blick auf die Stellung Deutschlands und deutscher Kanzleien im „Kampf um’s Recht“ kritisch beurteilen.259 Aus deutscher Sicht ist allerdings insoweit zu berücksichtigen, dass aufgrund der Netzwerkeffekte nicht notwendig Qualität regiert, sondern das Gesetz der großen Zahl. Der Standard setzt sich durch, der von den meisten Marktteilneh­ mern – aus welchen Gründen auch immer – genutzt wird.260 Es ist eine in Deutschland vorherrschende Illusion, durch die Setzung „besseren“ Rechts An­ teile auf dem Markt für Recht zurückgewinnen zu wollen. Wegen der hohen Wechselkosten, die mit der Nutzung eines neuen Systems entstehen,261 kommt 257 

Abrufbar unter http://nysemanual.nyse.com/lcm/. Windbichler, JZ 2008, 840, 846. 259  Vgl. hierzu nur die vom deutschen Staat mit ins Leben gerufene Initiative „Kontinenta­ les Recht“ zur Förderung der Verwendung deutscher bzw. der kontinentalen Rechtstradition zuzuordnenden Muster, http://www.kontinentalesrecht.de/. S.  auch im Zusammenhang mit Kreditvertragsmustern und der Rolle der Loan Market Association kritisch Schalast/Keibel, in: NPL Jahrbuch 2011/2012, S.  137, 139 ff. 260  S.  bereits oben III.2.c). 261  Anpassung von Abreden, Verhandlungskosten, Preisabschläge, weil die übrigen Markt­ teilnehmer den Standard nicht kennen, eventuell sogar der Verlust von Geschäftschancen bei vollständiger Ablehnung des neuen Standards durch andere Marktteilnehmer. Hierzu bereits oben III.2.c) und Engert, AcP 213 (2013), 321, 335. 258 Ähnlich

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es aus Sicht der Marktteilnehmer weniger auf den Inhalt der neuen Regeln an als auf die Zahl derjenigen, die ebenfalls wechselwillig sind. Da eine englische oder US-amerikanische Kanzlei ebenso wenig wie eine der „Big Four“- Wirtschafts­ prüfungsgesellschaften 262 ein Interesse daran hat, den Vorteil der Herkunft und der Standardsteuerung aufzugeben, 263 spielen Qualitätsverbesserungen nur dann eine Rolle, wenn sie ganz erheblich sind. Hat sich erst einmal ein Standard etabliert, ist dies kaum zu revidieren.264 Insofern mag man aus deutscher Sicht von einem Marktversagen sprechen, dem nur mit zwingendem Recht abzuhelfen sei.265 Das ist hier nicht weiter zu vertiefen. Denn es ändert nichts daran, dass Standardisierung aufgrund von Netzwerkeffekten eintritt. Ob im Wettbewerb der Rechtsordnungen hieraus dem Wirtschaftsstandort Deutschland Nachteile entstehen und welche Maß­ nahmen sich dagegen anbieten, hat mit der Regulierung des Gesellschaftsrechts im Zusammenhang mit der Standardisierungsfrage nichts zu tun. Dass Standar­ disierung eintritt, ist nicht zu leugnen. Weitreichenden Zwangsregelungen zur Durchsetzung nationaler Rechtsvor­ stellungen stünde ohnehin das Europarecht entgegen. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Niederlassungsfreiheit im Gesellschaftsrecht zeigt, welch schlechte Chancen der Versuch hat, sich auf nationale Besonderhei­ ten zum Gesellschafter- und Anlegerschutz zu berufen. Außerdem bestehen andere Möglichkeiten, eine den Interessen der Marktteil­ nehmer besser gerecht werdende, nämlich eine den individuellen Zuschnitt er­ laubende Lösung zu finden. So wurde etwa 2011 der Deutsche Kredit­ markt-Standards e.V. gegründet, um ein deutsches Äquivalent zur Loan Market Association zu etablieren.266 Sollten sich die Muster dieses Vereins in der Praxis bewähren, stünde eine europarechtskonforme Alternative zur Verfügung, Stan­ dardisierung nach deutschem Recht zu veranlassen. Wie wahrscheinlich dies ist angesichts der Stellung von Partnern mit Common Law-Hintergrund in den deutschen Dependancen von Kanzleien mit Stammsitz in Ländern des angloa­ merikanischen Raumes, lässt sich allerdings füglich bezweifeln.

262 

Die sämtlich dem angloamerikanischen Rechtskreis entstammen. über die Loan Market Association, die, wie beschrieben, in London ansässig ist und von englischen Marktteilnehmern gegründet wurde. 264  Vgl. hierzu Engert/Hornuf, Stanford Law and Economics Olin Working Paper No. 434. 265  Eine positive Sicht auf Netzwerkeffekte im Kontext des Wettbewerbs der Rechtsord­ nungen vertritt Engert, AcP 213 (2013), 321, 364. 266 Hierzu Schalast/Keibel, in: NPL Jahrbuch 2011/2012, S.  137, 142 ff. 263  Etwa

410 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen

VII. Ergebnisse Entgegen der herrschenden Meinung rechtfertigt der Wunsch nach Standardi­ sierung keine umfassende Zwangsregulierung, wie sie §  23 Abs.  5 AktG vor­ sieht. Der herrschenden Meinung ist dreierlei anzulasten: Erstens werden von ihr Marktmechanismen missachtet, die auf vielfältige Weise für Vereinheitlichung auch komplexer Klauselwerke sorgen. Beispiele hierfür sind die Satzungen von Public Corporations in den USA und andere komplexe Gestaltungen wie Beteiligungsvereinbarungen und Kreditverträge. Erklären lassen sich solche faktisch ablaufenden Vereinheitlichungsprozesse mit Hilfe der Netzwerktheorie.267 Das Beispiel der Genussscheine eignet sich nicht dazu, den Gegenbeweis zu führen. Zwar gibt es eine Korrelation fehlender umfassender Standardisierung und fehlenden Börsenhandels. Doch folgt hieraus kein kausaler Zusammen­ hang. Ob ein staatliches Angebot vereinheitlichter Bedingungen oder gar die erzwungene Standardisierung zu einem verstärkten Börsenhandel führte, wäre erst noch zu belegen. Die Marktteilnehmer betonen, die Möglichkeit flexibler Gestaltung sei ein Vorteil. Eine gesetzliche Uniformisierung führte unter Um­ ständen dazu, dass der Absatz von Genussscheinen auf dem Primärmarkt stark sänke und das Ergebnis, fehlender Börsenhandel, gleich bliebe. Die Änderung von Standards setzt nicht notwendig staatliches Handeln vor­ aus. Verdeutlicht wurde dies unter anderem anhand der Beispiel der Loan Mar­ ket Association und der BIMCO.268 Insofern sind allenfalls gezielte Eingriffe des Staates vonnöten, etwa um konkret aufgetretenen Missbräuchen entgegen­ zuwirken und um fokale Punkte zu setzen.269 Letztere erfordern allerdings nicht ohne Weiteres, zwingende Normen zu schaffen, in vielen Fällen wird ab­ dingbares Recht helfen.270 Das führt hin zum zweiten Vorwurf: Die herrschende Meinung sieht offenbar eine Zweiteilung – entweder Gestal­ tungsfreiheit ohne rechtliche Vorgaben oder Gestaltungszwang durch indispo­ nible Vorschriften. Dabei übergeht sie, dass abdingbares Recht in seiner Wir­ kung zwingendem Recht ähneln kann, ohne aber jede im Einzelfall sinnvolle Abweichung auszuschließen.271 Drittens vermag die herrschende Meinung den konzeptionellen Widerspruch nicht zu erklären, einerseits Satzungsstrenge zu fordern, andererseits aber hin­ zunehmen, dass §  23 Abs.  5 AktG die Gestalter geradezu zwingt, auf nicht öf­ fentlich einsehbare schuldrechtliche Abreden auszuweichen und dass diese Ver­ einbarungen vielfach vom aktiengesetzlichen Modell stark divergieren. 267 

Oben III.2. Oben III.2.c)cc). 269  Oben III.2.c)dd). 270  Oben III.2.c)ee) 271  Oben III.2. 268 

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Für die Analyse der zwingenden Grundsätze, die freier Gestaltung in Schuld­ verträgen oder in der Satzung entgegenstehen, bedeutet dies im Ergebnis, dass das Standardisierungsargument kaum etwas beizutragen vermag. Die zwingen­ de Ausgestaltung einer bestimmten Norm des Kapitalgesellschaftsrechts bietet keinen Ansatzpunkt, abweichende schuldrechtliche Vereinbarungen für unzu­ lässig zu erklären. Hierfür bedarf es der Diskussion anderer Gesichtspunkte. Das gilt erst recht für die Satzungsebene, wenn keine ausdrücklich die Gestal­ tungsfreiheit beschränkende Vorschrift existiert. Wer dies anders sieht, muss konsequenterweise die Schranken der Gestal­ tungsfreiheit, die für die Satzungsebene gelten, gleichermaßen auf schuldrecht­ liche Vereinbarungen anwenden. Der übliche Hinweis auf fehlende Drittbetrof­ fenheit bei schuldrechtlichen Nebenabreden ist kein valides Argument, wie anhand des Beispiels von Vereinbarungen über die Bilanzpolitik demonstriert wurde.272

§  2  Verfassungsrecht: „Anteilseigentum“ und Vereinigungsfreiheit Das wesentliche Ergebnis des ersten Abschnitts, wonach das Standardisie­ rungsargument der herrschenden Meinung die aktienrechtliche Satzungsstren­ ge nicht zu rechtfertigen vermag, wäre wenig relevant, existierten verfassungs­ rechtliche Vorgaben, die es geböten, weitreichenden gesetzlichen Zwang vorzu­ sehen. Hat der Gesetzgeber mit Blick auf das Grundgesetz keine andere Wahl, als das Aktienrecht nicht abdingbar auszugestalten, kommt Überlegungen zu Marktmechanismen, die zu vergleichbaren Ergebnissen führen können, kaum noch Bedeutung zu. Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Rechtsprechung des Bundesverfas­ sungsgerichts, das seit seinem „Feldmühle“-Urteil aus dem Jahr 1962273 in einer Vielzahl von Entscheidungen die Beteiligung an der Aktiengesellschaft eigen­ tumsrechtlich interpretiert hat.274 In diesem Kontext und in demjenigen von Art.  9 Abs.  1 GG275 hat das Gericht Aussagen vor allem zum Minderhei­ tenschutz und zur Organisation der Aktiengesellschaft getroffen, deren Trag­ weite im Folgenden näher zu untersuchen ist. Da die Ausprägung dieser grundrechtlichen Dimension der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft maßgeblich auf der verfassungsgerichtlichen Judikatur beruht, wird der folgenden Darstellung die Rechtsprechung zugrunde gelegt.276 Damit soll nicht einer unkritischen Übernahme der Überlegungen des Gerichts 272  Oben

V.1. BVerfGE 14, 263. 274  Zur Entwicklung der Rechtsprechung ausführlich Schoppe, Aktieneigentum, S.  68 ff. 275  Vor allem im Mitbestimmungsurteil BVerfGE 50, 290. 276  Zu dieser einfachgesetzlichen Prägung der Grundrechtsprüfung noch unten III.1. Die 273 

412 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen das Wort geredet werden. Vielmehr wird der schlichten Einsicht gefolgt, dass die „verfassungsrechtliche Dogmatik [...] durch die Fallgestaltungen der Leit­ entscheidungen und durch die Interessenstrukturen derjenigen Referenzgebiete mitbestimmt [ist], denen diese Fälle entstammen.“277 Vor diesem Hintergrund ist es nicht angezeigt, in einer Arbeit zum Vertrags- und Gesellschaftsrecht den Versuch zu unternehmen, eine grundlegene verfassungsrechtliche Konzeption zur Vereinigungsfreiheit und zum Eigentum samt ihren Implikationen für die Beurteilung des Gesellschaftsrechts zu entwickeln.278 Das Kapitel gliedert sich wie folgt: Nach der Erläuterung der Aufgabe des Kapitalgesellschaftsrechts in grundgesetzlicher Perspektive (I.) wird in gebote­ ner Kürze die eigentumsrechtliche Verankerung des „Anteilseigentums“ in Art.  14 Abs.  1 GG vorgestellt (II.), um anschließend die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen der gesetzgeberischen Gestaltung von (Kapital-)Gesell­ schaftsrecht zu erläutern (III.). Am Ende des Abschnitts stehen (IV.) die Folge­ rungen aus den vorangegangenen Grundsätzen für die Rechtfertigung zwin­ genden Kapitalgesellschaftsrechts aus der Sicht des Verfassungsrechts.

I.  Ausgangspunkt: Kapitalgesellschaftsrecht als ermöglichendes Recht Gesellschaftsrecht dient in grundgesetzlicher Perspektive der Ermöglichung des Handelns in einer Kollektivordnung. Es soll den Marktteilnehmern eine Handlungsform zur Verfügung stellen, derer sie sich ohne gesetzliche Hilfestel­ lung nicht bedienen könnten.279 Verfassungsrechtlich folgt dieser Gestaltungs­ auftrag an den Gesetzgeber aus Art.  9 Abs.  1 GG. Das Bundesverfassungsge­ richt hielt dazu in seinem Mitbestimmungsurteil fest: „[Die Ausgestaltung] muß auf einen Ausgleich gerichtet sein, der geeignet ist, freie As­ soziation und Selbstbestimmung der Vereinigungen unter Berücksichtigung der Not­ wendigkeit eines geordneten Vereinslebens und der schutzbedürftigen sonstigen Belange zu ermöglichen und zu erhalten. Der Gesetzgeber hat daher eine hinreichende Vielfalt von Rechtsformen zur Verfügung zu stellen, die den verschiedenen Typen von Vereini­ gungen angemessen und deren Wahl deshalb zumutbar ist. Er hat die Grundlagen für das Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich ablehnend Mülbert/Leuschner, ZHR 170 (2006), 615; Leuschner, Gibt es das Anteilseigentum wirklich?, NJW 2007, 3248. 277  Schmidt-Aßmann, FS Badura, S.   1009, Kursivsetzung im Original hier ausgelassen. Zum Problem der Perspektivenverengung Schmidt-Aßmann aaO.; Schoppe, Aktieneigentum, S.  7 ff. 278  Zu den Unsicherheiten schon in der grundlegenden Frage, ob die Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht in Art.  9 Abs.  1 GG oder in Art.  2 Abs.  1 GG einzuordnen ist, Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 687 ff. mit zahlreichen Nachweisen. 279 BVerfGE 50, 290, 354 f.; Hüffer/Schmidt-Aßmann, in: Anteilseigentum, S.   52, 54 f.; Schmidt-Aßmann, FS Badura, S.  1009, 1016 f.; Schön, FS Ulmer, S.  1359, 1377. Ablehnend Mülbert/Leuschner, ZHR 170 (2006), 615, 644, die meinen, die kollektive Nutzung von Vermö­ gensgegenständen sei auch ohne Gesellschaftsrecht auf schuldrechtlicher Basis möglich. Das überzeugt nicht, s. dazu unten B. §  2 I.

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Leben in diesen Rechtsformen so zu gestalten, daß seine Regelung die Funktionsfähig­ keit der Vereinigungen, im besonderen ihrer Organe gewährleistet. Was darüber hinaus ausgestaltender gesetzlicher Regelung zugänglich und bedürftig ist, läßt sich nicht ab­ schließend und generell festlegen. Insofern sind für den Umfang und die Dichte einer erforderlichen Regelung maßgebend der jeweilige Sachbereich sowie die Ordnungs- und Schutznotwendigkeiten, die sich aus ihm ergeben; in jedem Fall muß jedoch das Prinzip freier Assoziation und Selbstbestimmung grundsätzlich gewahrt bleiben.“280

Der Gesetzgeber hat demnach einen funktionsfähigen Ordnungsrahmen zu schaffen.281 Es geht also konzeptionell nicht primär um den Ausgleich von typi­ scherweise vorhandenen Ungleichgewichtslagen, die den Schutz einer unterle­ genen Partei erfordern.282 Zwar genießt der Gesetzgeber ein erhebliches Maß an Freiheit bei der Ausgestaltung der Beziehungen der Beteiligten und der Organi­ sation der Gesellschaftsformen insgesamt.283 Doch bietet das Verfassungsrecht keine konkrete Handhabe, die Konflikte zwischen Anteilseignern im Einzel­ nen zu „lösen“ und starre Handlungsvorgaben zu machen.284 Die Regulierung darf nicht so weit reichen, die Handlungen der Beteiligten unter einen allgemei­ nen Rechtfertigungsvorbehalt zu stellen.285 Maßgeblich ist insoweit die Überlegung, dass nicht nur die in einem konkre­ ten Fall vermeintlich schwächere oder benachteiligte Partei Trägerin von Grundrechten ist, sondern sämtliche Gesellschafter unabhängig von ihrer Ein­ stufung als Mehrheits- oder Minderheitseigner Grundrechtsträger sind.286

II.  Alleineigentum als Paradigma Das Bundesverfassungsgericht betrachtet das Anteilseigentum ausgehend vom Alleineigentum an beweglichen Gegenständen als Paradigma einer von Art.  14 GG geschützten Rechtsposition. Es geht davon aus, ein Gesellschafter könne „sein Eigentum regelmäßig nicht unmittelbar nutzen und die mit ihm verbun­ denen Verfügungsbefugnisse [nicht unmittelbar] wahrnehmen“, das Gesell­ schaftsrecht vermittle also bloß „das Vermögensrecht durch das Mitglied­ 280 

BVerfGE 50, 290, 355. Zur Funktionsfähigkeit als Argument schon früher BVerfGE 14, 263, 279. 282 BVerfGE 50, 290, 355; Hüffer/Schmidt-Aßmann, in: Anteilseigentum, S.   52, 54 f.; Schmidt-Aßmann, FS Badura, S.  1009, 1016 f.; Schön, FS Ulmer, S.  1359, 1377. Dass die Recht­ sprechung des Bundesverfassungsgerichts aber zu einer solchen Prüfung der Störung von Vertragsparität führt, befürchten mit gewichtigen Gründen Mülbert/Leuschner, ZHR 170 (2006), 615, 649 ff. 283  BVerfGE 50, 290, 342. 284  Schmidt-Aßmann, FS Badura, S.  1009, 1020. Mülbert, FS Hopt, Band I, S.  1039, 1059, betont, es stehe „die Abwehr gesetzlich eingeräumter privatrechtlicher Zugriffsmöglichkeiten im Mittelpunkt.“ 285  Schmidt-Aßmann, FS Badura, S.  1009, 1020. 286  Bryde, in: von Münch/Kunig, Art.   14 Rn.  37; Schmidt-Aßmann, FS Badura, S.  1009, 1020; Schön, FS Ulmer, S.  1359, 1383. 281 

414 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen schaftsrecht“.287 Anteilseigner seien „hinsichtlich der Nutzung auf den Vermö­ genswert beschränkt, während [ihnen] Verfügungsbefugnisse – abgesehen von der Veräußerung oder Belastung – nur mittelbar über die Organe der Gesell­ schaft“ zustünden.288 Der Zusammenhang der Freiheit des Eigentumsgebrauchs und der Zurechnung der Gebrauchswirkungen, der beim Sacheigentum existie­ re, sei „beim Anteilseigentum also weitgehend gelöst“.289 Zu beachten ist, dass diese Mediatisierung sich nur auf die Rechte des Anteilseigners bezieht, die Mit­ gliedschaft als solche hingegen unmittelbar „Eigentum“ im Sinne von Art.  14 Abs.  1 GG darstellt.290 Für die Ausgestaltung des Gesellschaftsrechts erfordert dies, die Gesell­ schaftstypen in einer Art und Weise zu modellieren, dass sie „die Rechte und Pflichten ihrer Gesellschafter so austarieren, dass sich das ursprüngliche Al­ leineigentum mit seinen herrschaftsrechtlichen und vermögensrechtlichen Komponenten in vermittelter Form fortsetzt.“291 Rechte und Pflichten sind aus­ gehend vom Alleineigentum zu konstruieren, so dass den Gesellschaftern Einwir­kungs- oder gesellschaftsrechtliche Mitwirkungsrechte genauso wie ver­ mögensbezogene Partizipationsrechte zur Verfügung stehen.292 Das heißt für das Kriterium der „Funktionsfähigkeit“ der Rechtsform, den Gesellschaftern Instrumente an die Hand zu geben, die sowohl die Mitwirkung an der Willens­ bildung in der Gesellschaft als auch die Teilhabe am Gesellschaftsvermögen sicher­stellen.293 Dem entspricht, dass das Bundesverfassungsgericht stets die Bedeutung der Gesellschaftsbeteiligung als zweispurige Garantie von Herr­ schaftsrechten und Vermögensrechten betont.294

287  BVerfGE 50, 290, 342. Mülbert, in: GK-AktG, Vor §§  118–147 Rn.  188 f., hält diese Ein­ stufung des Gesellschafters für bereits dem Grunde nach verfehlt, weil Bezugspunkt der Mit­ gliedschaft die Gesellschaft selbst sei, nicht jedoch die der Gesellschaft zugeordneten Vermö­ genswerte. Dafür spricht einiges, doch ist diese Frage hier nicht zu vertiefen. 288  BVerfGE 50, 290, 342. Zur Stellung des Aktionärs hinsichtlich der Vermögensgüter des Gesellschaftsvermögens Rölike/Tonner, in: Linien der Rechtsprechung, S.  199, 207 f.; Schön, FS Ulmer, S.  1359, 1368 ff. Skeptisch hinsichtlich der eigenständigen Bedeutung vom gesell­ schaftsrechtlich vermittelten Eigentum Mülbert, FS Hopt, Band I, S.  1039, 1053. 289  BVerfGE 50, 290, 342. 290  Schoppe, Aktieneigentum, S.  87 m. Nachw. 291  Schön, FS Ulmer, S.  1359, 1367 f. 292  Schön, FS Ulmer, S.  1359, 1367 f. 293  Depenheuer, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art.  14 Rn.  143; Schön, FS Ulmer, S.  1359, 1368. 294  Etwa BVerfGE 14, 263, 276 f.; BVerfG ZIP 1999, 1798, 1799; BVerfG AG 2013, 255, 256; BVerfG AG 2007, 544, 545; BVerfG AG 2001, 1051, 1053.

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415

III.  Verfassungsrechtliche Determinanten der Gestaltung von Gesellschaftsrecht Betrachtet man die verfassungsrechtlichen Determinanten der Gestaltung von Gesellschaftsrecht, ist es wichtig, sich die Prämissen des Bundesverfassungsge­ richts vor Augen zu führen: Das Grundgesetz gibt nicht nur den Auftrag zur Schaffung verschiedener Rechtsformen, sondern lässt gleichzeitig einen breiten Spielraum für die Konstruktion unterschiedlicher Gesellschaftstypen, die hin­ sichtlich der Rechte der Anteilseigner sehr verschieden ausgestaltet sein kön­ nen.295 Die lediglich mittelbare „Eigentümerstellung“ der Gesellschafter und der Umstand, dass diese nach Meinung des Gerichts nicht „volle Verantwor­ tung“ für ihr Handeln tragen, wertet die Rechtsprechung als ausschlaggeben­ den Grund für die weitreichende Freiheit des Gesetzgebers, Inhalts- und Schrankenbestimmungen nach Art.  14 Abs.  1 S.  2 GG zu treffen.296

1.  Einfachgesetzliche Prägung der Grundrechtsprüfung Ausgehend von dieser dem Gesetzgeber zugestandenen Freiheit legt das Bun­ desverfassungsgericht seiner Rechtsprechung für die Prüfung der Verfassungs­ mäßigkeit angegriffener Normen stets eine einfachrechtliche Basis zugrunde, nämlich die konkret durch das einfache Gesetz geprägte Gesellschaftsstruk­ tur.297 Für das Aktienrecht etwa geht das Gericht wie selbstverständlich davon aus, der Satzungsautonomie der Mitglieder seien „durch die zwingenden Befug­ nisse des Vorstands und des Aufsichtsrats [Grenzen] gezogen (§  23 Abs.  5 Akt­ G)“.298 Selbst ein privatautonomes Handeln weitgehend ausschließendes Kor­ sett wie die deutsche aktienrechtliche Satzungsstrenge ist nach Ansicht der Ju­ dikatur verfassungsrechtlich unproblematisch. Während es also einerseits formelhaft immer wieder der Schutz der Mitgliedschaft durch Artikel 14 Abs.  1 GG sowohl in ihrer Einwirkungsfunktion als auch hinsichtlich ihrer Vermö­ genskomponente betont, nimmt das Gericht andererseits starke Beschränkun­ gen wie die Eingrenzung der Informationsrechte der Aktionäre durch §  131 AktG hin.299 Von der an sich gefestigten Unterscheidung zwischen Eingriff in 295 

BVerfGE 50, 290, 342. Papier, in: Maunz/Dürig, Art.  14 Rn.  195, der diesem Unterschied unter Verweis auf BVerfGE 50, 290, 342, „ausschlaggebende Bedeutung“ zumisst. 297  Vgl. BVerfG ZIP 1999, 1798, 1799: „Es ist deshalb von Verfassungs wegen nicht zu be­ anstanden, wenn der Gesetzgeber den Informationsanspruch eines Gesellschafters rechts­ formspezifisch – korrespondierend zu den Befugnissen in der jeweiligen Gesellschaftsform – ausgestaltet.“ S.  a llerdings auch BVerfGE 50, 289, 343. 298  BVerfG ZIP 1999, 1798, 1800. Zu Recht kritisch Schön, FS Ulmer, S.  1359, 1372 ff. Zu den Folgen für die Schutzbereichsbestimmung Hofmann, FS Hopt, Band I, S.  833, 840 ff. 299  BVerfG ZIP 1999, 1798, 1799 f.; BVerfG ZIP 1999, 1801, 1803. Zur letzteren Entschei­ dung Schön, FS Ulmer, S.  1359, 1378. Zu den Begründungen des Bundesverfassungsgerichts kritisch Klöhn, Abfindungsansprüche, S.  85 f., der auf S.  86 meint, der Verweis auf die sachli­ 296 So

416 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen den Schutzbereich des Grundrechts und deren Rechtfertigung bleibt in diesem verfassungsrechtlichen Zirkel, in dem der zu prüfenden Materie die Maßstäbe für die Prüfung ihrer selbst entnommen werden, nicht mehr viel übrig.300 Für den Gestaltungsauftrag, den der Gesetzgeber mit Hilfe der Bereitstellung von Gesellschaftsformen zu erfüllen hat,301 liefert das einfache Recht einen Ori­ entierungspunkt: Eigentum im verfassungsrechtlichen Sinne ist nur das durch die einfachrechtlichen Normen vorgeprägte Eigentum.302 Zwar gibt es jeden­ falls bei der Neuschaffung einer Rechtsform keine spezifischen Maßstäbe, an denen sich der Gesetzgeber orientieren könnte. Ähnliches gilt für wesentliche Änderungen des Regelungsgefüges – werden etwa Rechte neu begründet, die es vorher nicht gab und die nicht Gegenstück oder Ergänzung anderer Rechte sind, kann der bereits existierende Ordnungsrahmen kaum einen Anhaltspunkt bieten. Die Ausrichtung am schon vorhandenen Vorschriftengefüge bietet sich jedoch immer dann an – und ist in diesen Fällen auch notwendig –, wenn es um die Austarierung des Verhältnisses der Gesellschafter untereinander oder der Gewichtung der Gesellschafterstellung innerhalb der Rechtsform geht. Hier führt ein über die Form in ihrer konkreten Ausprägung hinausgehender Maß­ stab303 nicht weiter, weil die Neuerungen ins Verhältnis zum normativen Altbe­ stand gesetzt werden müssen.

2.  Gebot der Sachgerechtigkeit Ein wesentliches Argumentationsmuster ist die Berufung auf eine effiziente Ordungsstruktur. So hat das Bundesverfassungsgericht bei der Prüfung, ob die Vorschriften zum aktienrechtlichen Squeeze-Out (§§  327a ff. AktG) einen legi­ timen Zweck verfolgen, darauf verwiesen, bereits die Existenz von Minderheits­ aktionären bringe für den Hauptaktionär „erheblichen Aufwand mit sich.“304 An anderer Stelle hob es das Interesse an der Geheimhaltung stiller Reserven hervor, weil diese bei Offenlegung ihre ihnen vom Gericht zugeschriebenen Funktionen nicht mehr erfüllen könnten.305 Auch im verfassungsrechtlichen Schrifttum herrscht, soweit es sich mit diesen Fragen auseinandersetzt, die An­ chen Gründe zur Legitimation des Eingriffs sei zu einem „rein formalen Begründungserfordernis degeneriert.[…]“ (Kursivsetzung im Original); ähnliche Einschätzung bei Schön, FS Ulmer, S.  1359, 1388. Gegen eine strikte Verhältnismäßigkeitskontrolle Rölike/Tonner, in: Leitlinien der Rechtsprechung, S.  199, 209. 300  Kritisch bereits Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 688. 301  Zur Unterscheidung zwischen der Bedeutung des Art.  14 GG als Eingriffsschutz einer­ seits und Gestaltungsauftrag andererseits Mülbert, FS Hopt, Band I, S.  1039, 1046 ff. 302  Bryde, in: von Münch/Kunig, Art.   14 Rn.  12, 56; Papier, in: Maunz/Dürig, Art.  14 Rn.  307; Wieland, in: Dreier, Art.  14 Rn.  25. Ablehnend Cornils, Ausgestaltung, S.  253 ff.; Mülbert, FS Hopt, Band I, S.  1039, 1048. 303  Diesen fordernd Mülbert, FS Hopt, Band I, S.  1039, 1049. 304  BVerfG AG 2007, 544, 545; zuvor schon BVerfG NJW 2001, 279, 280. 305  BVerfG ZIP 1999, 1801, 1803. Dazu kritisch Schön, FS Ulmer, S.  1359, 1378 f.

A.  Satzungsstrenge in der Aktiengesellschaft

417

sicht, ausschlaggebend für die Grundrechtsprüfung seien Sachgerechtigkeitsge­ sichtspunkte, weil „Effizienz der Unternehmenstätigkeit [...] wesentlich dem Anteilseigentümer selbst zugute“ komme.306 Auf diese Weise hat das Bundesverfassungsgericht aktienrechtliche Regelun­ gen unabhängig vom angelegten Maßstab an die Legitimation des Eingriffs ge­ rechtfertigt. Sowohl „gewichtige[...] Gründe[...] des Gemeinwohls“307 als auch einen „generell [...] legitimen Zweck“308 stützte das Gericht häufig auf sachliche Notwendigkeiten, ohne aus der unterschiedlichen Formulierung der Begrün­ dungsmaßstäbe inhaltlich divergierende Anforderungen an die notwendige Ar­ gumentationstiefe abzuleiten.

3.  Gebot der Folgerichtigkeit Für die Normgestaltung gilt das Gebot der Folgerichtigkeit.309 Entschließt sich der Gesetzgeber dazu, eine bestimmte Form bereitzustellen, muss er die Posi­ tion der Mitglieder innerhalb dieses Ordnungsrahmens der äußeren Gestalt an­ passen, also die Mediatisierung der „Eigentümerstellung“ durch gestaltgerechte Mitwirkungs- und Vermögensrechte ausgleichen.310 Im Blick zu behalten ist dabei stets die Marktbezogenheit von Kapitalgesellschaften, insbesondere der Aktiengesellschaft.311 Vor allem bei der Gestaltung des Minderheitenschutzes hat der Gesetzgeber zu berücksichtigen, dass Gesellschaften grundsätzlich „auf Ewigkeit“ angelegt sind. Die Rechtsordnung muss sicherstellen, dass die in ihr organisierten Akteure den von ihnen gewählten Ordnungsrahmen den sich be­ ständig wandelnden ökonomischen und sozialen Bedingungen anpassen kön­ nen.312 Deshalb hat die Rechtsordnung leistungsfähige Instrumente anzubieten, die die aufgrund von Veränderungen des Wirtschaftsumfelds notwendig wer­ denden Anpassungen der rechtlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten ermöglichen.313 Der Gesetzgeber muss Mechanismen vorsehen, die die Rege­ lung nicht vorhersehbarer künftiger Entwicklungen ermöglichen, unabhängig davon, ob diese aus Mehrheitsentscheidungen oder wirtschaftlichen Verände­ 306  Wendt, in: Sachs, Art.  14 Rn.  108, 118a (dort Zitat). Ähnlich wohl Depenheuer, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art.  14 Rn.  143. Zur Rechtfertigung mittels sachlicher Notwendig­ keiten auch Schön, FS Ulmer, S.  1359, 1373 ff. 307  Z.B. BVerfGE 14, 263, 282; BVerfGE 100, 289, 302. 308  Z.B. BVerfG AG 2007, 544, 545. 309  Zur Folgerichtigkeit als Auftrag an den Gesetzgeber im Aktienrecht Schön, FS Ulmer, S.  1359, 1368 ff. Zustimmend Schmidt-Aßmann, FS Badura, S.  1009, 1017; Schoppe, Aktienei­ gentum, S.  94 ff. A.A. Mülbert/Leuschner, ZHR 170 (2006), 615, 645 f. 310  Schön, FS Ulmer, S.  1359, 1368; Schmidt-Aßmann, FS Badura, S.  1009, 1017; Schoppe, Aktieneigentum, S.  95. 311  Schmidt-Aßmann, FS Badura, S.  1009, 1014 ff.; Schoppe, Aktieneigentum, S.  110 ff. 312 Ähnlich Schmidt-Aßmann, FS Badura, S.  1009, 1015; Schoppe, Aktieneigentum, S.  111. 313  Schmidt-Aßmann, FS Badura, S.  1009, 1015; Schoppe, Aktieneigentum, S.  111.

418 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen rungen resultieren.314 Wegen dieser Probleme, die insbesondere der Langfristig­ keit der Beziehungen geschuldet sind, wird unter verfassungsrechtlichen Ge­ sichtspunkten das Argument, der (Minderheits-)Gesellschafter habe bei Ein­ tritt gewusst oder wissen können, welche Stellung er erwerbe, nur begrenzt Wirkung entfalten können.315 Zumindest ein Kern an Rechten muss zur Verfü­ gung stehen.316 Aus diesem Grund verfängt der Einwand nicht, zwar sei die Gesellschaft „auf Ewigkeit“ angelegt, nicht aber die Mitgliedschaft in ihr.317 Zwar genießt der Bestand der Mitgliedschaft als solcher keinen Ewigkeits­ schutz, doch unterliegt die unfreiwillige Beendigung der Mitgliedschaft Gren­ zen.318

4.  Vorrang des Vermögensschutzes für Minderheitseigner Das Bundesverfassungsgericht betont seit langem den Vorrang des Vermögens­ schutzes vor dem Schutz der Mitwirkungskomponente, wenn es um Minder­ heitseigner geht.319 Ihren Ausgangspunkt nahm die Rechtsprechung in der Feldmühle-Entscheidung und dem dort ausgedrückten Gedanken der Notwen­ digkeit des Schutzes vor dem „Mißbrauch der wirtschaftlichen Macht“.320 Ein­ griffe in die Rechte der Minderheit bedürfen danach wirksamer Rechtsbehel­ fe321 und voller Entschädigung in wirtschaftlicher Hinsicht für den Rechtsver­ lust.322 In der Spruchpraxis hat das Bundesverfassungsgericht in den letzten Jahren vor allem die Rechte von Minderheitsaktionären bei Umstrukturierun­ 314  Eine vergleichbare Interpretation der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung findet sich bereits bei Schön, FS Ulmer, S.  1359, 1385. 315  Schoppe, Aktieneigentum, S.  178 ff. Zur Bedeutung und Problemen des Mehrheitsprin­ zips in diesem Zusammenhang Hofmann, FS Hopt, Band I, S.  833, 836 ff. Vgl. auch Schön, FS Ulmer, S.  1359, 1385, der betont, es gebe keine Kontrollfreiheit von gegen die Minderheit ge­ richteten Maßnahmen. 316  Vgl. BVerfG AG 2013, 255, 256. Wie hier die Interpretation des Bundesverfassungsge­ richts durch Schön, FS Ulmer, S.  1359, 1385. 317 Ähnlich Schoppe, Aktieneigentum, S.  181. 318  Schoppe, Aktieneigentum, S.  188 ff., 191. 319 Eingehende Analyse der Rechtsprechung bei Klöhn, Abfindungsansprüche, S.  85 ff.; Schoppe, Aktieneigentum, S.  185 ff. Ablehnend zu dieser vermögensrechtlichen Konzeption etwa Hanau, NZG 2002, 1040; Wiedemann, FS K. Schmidt, S.  1731 ff. Zur Geltung der verfas­ sungsrechtlichen Rechtsprechung auch bei nicht börsennotierten (Aktien-)Gesellschaften Klöhn aaO., S.  91 f. 320 BVerfGE 14, 263, 283; ebenso BVerfGE 100, 289, 303. Zur Bedeutungslosigkeit des Merkmals des Machtmissbrauchs in der Rechtsprechung Klöhn, Abfindungsansprüche, S.  86 f. 321  So schon von Falkenhausen, Grenzen der Mehrheitsherrschaft, S.  122. Aus neuerer Zeit hierzu Mülbert, FS Hopt, Band I, S.  1039, 1077; Rölike/Tonner, in: Leitlinien der Rechtspre­ chung, S.  199, 222 f. 322  BVerfGE 14, 263, 283; aus neuerer Zeit etwa BVerfG AG 2013, 255, 256; BVerfG AG 2007, 544, 545; BVerfG ZIP 2011, 1051, 1053. Zu diesen „Feldmühleanforderungen“ und ihrer Weiterentwicklung etwa Mülbert, FS Hopt, Band I, S.  1039, 1040 ff.

A.  Satzungsstrenge in der Aktiengesellschaft

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gen und erzwungener Desinvestition definiert. Seiner Ansicht nach steht die „Vermögenskomponente“ des „Aktieneigentums“ häufig im Vordergrund.323 Das entspricht der Meinung des verfassungsrechtlichen Schrifttums, das ange­ sichts der beschränkten Mitwirkungsbefugnisse insbesondere der Aktionäre vorträgt, diese könnten „nur“ den „Vermögenswert“ nutzen.324 Seine mittler­ weile wohl ständige Rechtsprechung hat das Gericht in einer Entscheidung aus dem Jahr 2011 zusammengefasst: „Verliert der Minderheitsaktionär diese mitgliedschaftliche Stellung oder wird er hierin durch eine aktienrechtliche Strukturmaßnahme in relevantem Maße eingeschränkt, muss er für den Verlust seiner Rechtsposition und die Beeinträchtigung seiner vermö­ gensrechtlichen Stellung wirtschaftlich voll entschädigt werden.“325

Die Folgen eines erzwungenen Ausscheidens dürfen wirtschaftlich zu keinen schlechteren Folgen führen als eine freiwillige Desinvestition. In den Worten des Gerichts: „Der Schutz der Minderheitsaktionäre gebietet, dass sie jedenfalls nicht weniger erhalten, als sie bei einer freien Deinvestitionsentscheidung zum Zeitpunkt der unternehmensrechtlichen Maßnahme erhalten hätten.“326 Ist die­ ser vermögensmäßige Schutz gewährleistet, dürfen die Interessen eines „Groß­ aktionärs“ – wohl besser: die Interessen der Mehrheit – vorrangig berücksich­ tigt werden.327 Insoweit gilt das Prinzip „dulde und liquidiere“.328 Was aller­ dings eine „volle“ Kompensation genau ist, lässt sich der verfassungsgerichtlichen Judikatur kaum entnehmen.329

5.  Sozialbindung und Schutz Dritter In der Mitbestimmungsentscheidung verwies das Bundesverfassungsgericht darauf, der „Gestaltungsbereich des Gesetzgebers“ sei „bei sozialem Bezug und bei sozialer Funktion des Eigentums im Blick auf dessen Sozialbindung relativ 323 

BVerfGE 100, 289, 305; BVerfG NJW 2001, 279, 280.

324 Etwa Depenheuer, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art.  14 Rn.  143; Wieland, in: Dreier,

Art.  14 Rn.  49. Zum Entschädigungsprinzip auch von Falkenhausen, Grenzen der Mehrheits­ herrschaft, S.  218 ff. 325  BVerfG AG 2011, 128, 129; nahezu identische Formulierung in BVerfG AG 2013, 255, 256. Eine erhebliche Beeinträchtigung, die einem Verlust der Mitgliedschaft gleichsteht, ist etwa der Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages, BVerfGE 100, 289, 303. 326  BVerfG AG 2011, 128, 129 mit Nachweisen; BVerfGE 100, 289, 306; BVerfG ZIP 2011, 1051, 1053. 327  BVerfG NJW 2001, 279, 280. 328  Ekkenga, ZGR 2003, 878, 899. Zustimmend Schoppe, Aktieneigentum, S.  189. 329  S.  nur Klöhn, Abfindungsansprüche, S.  97: „So klar das Prinzip der vollen Entschädi­ gung in das Dogmengebäude des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes passt, so kryp­ tisch bleibt sein Inhalt, wenn man es sich näher vor Augen führt.“ Kritisch auch Mülbert, FS Hopt, Band I, S.  1039, 1064 ff. Eingehende Darstellung der Rechtsprechung zum Gebot der vollen Kompensation bei Adolff, Unternehmensbewertung, S.  292 ff.

420 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen weit [...].“330 Diesem Gedanken maß es für die Unternehmensmitbestimmung durch die Arbeitnehmer erhebliches Gewicht bei. Zwar folge aus den Grund­ rechten der Arbeitnehmer kein verbindlicher Verfassungsauftrag, Unterneh­ mensmitbestimmung einzuführen. Doch verdeutlichten und verstärkten die Grundrechte der Arbeitnehmer die soziale Bindung, die Mitbestimmung im Unternehmen beeinflusse die Wahrnehmung der Berufsfreiheit nämlich „zu ei­ nem nicht unwesentlichen Teil.“331 Weitere unter dem Blickwinkel der Sozial­ bindung zu berücksichtigende Drittinteressen sind Interessen der Gläubiger und der Konkurrenten.332

IV.  Folgen für die Rechtfertigung zwingenden Kapitalgesellschaftsrechts Aus der Perspektive des Bundesverfassungsgerichts ist es für den Gesetzgeber relativ simpel, die Einführung zwingenden Kapitalgesellschaftsrechts zu recht­ fertigen. Da es im Aktienrecht von der Verfassungsmäßigkeit des §  23 Abs.  5 AktG ausgeht,333 bedarf die Etablierung neuer zwingender Normen im Aktien­ recht keiner umfassenden Begründung. Ein vor den Augen des Bundesverfas­ sungsgerichts legitimes Ziel findet sich schnell. Da der Gesetzgeber nach An­ sicht der Verfassungsrechtler nicht verpflichtet ist, bestimmte Rechtsformen zu schaffen, wird der Möglichkeit zur freien Gestaltung „innerhalb“ einer Rechts­ form kein besonderer Wert beigemessen.334 Freiheit besteht nach dieser Ansicht lediglich hinsichtlich der Auswahl unter mehreren Rechtsformen, ansonsten nur, sofern der Gesetzgeber Freiheit gewährt.335 Teile der Literatur äußern viel­ mehr pauschal, die „Typen von „Vereinen und Gesellschaften“, die der Gesetz­ geber bereitgestellt hat, wirkten nicht freiheitsbeschränkend.“336 Wie diese Aus­ sage mit §  23 Abs.  5 AktG übereinzubringen ist, bleibt offen. Außerdem gerät die Aufgabe, zwingende Normen zu rechtfertigen, zu einer simplen Routineübung, weil die Prüfung ihren Ausgangspunkt im einfachen Recht nimmt und so bereits teilweise voraussetzt, was der Sache nach zu prüfen 330 

BVerfGE 50, 289, 341. BVerfGE 50, 289, 349. 332  Schön, FS Ulmer, S.  1359, 1363. 333  Oben III.1. 334 Deutlich Kemper, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art.  9 Rn.  51: „Art.  9 Abs.  1 enthält aber keinen Grund, das Instrument des Vertrages gerade beim Bilden einer Vereinigung ge­ genüber Art.  2 Abs.  1 privilegiert zu schützen: [...]. Die Freiheit, eine Vereinigung zu bilden, umfasst also nicht notwendig die Freiheit, inter partes verbindliches (Vertrags-)Recht zu set­ zen.“ 335  Vgl. die aus privatrechtlicher Sicht kaum noch nachvollziehbaren Bemerkungen von Kemper, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art.  9 Rn.  10, zur Vereinigungsfreiheit und zur Rol­ le des Gesellschaftsrechts. 336  Kemper, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art.  9 Rn.  51. 331 

A.  Satzungsstrenge in der Aktiengesellschaft

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wäre.337 So wird eine Petitio Principii zum verfassungsgerichtlich sanktionier­ ten Prinzip erhoben. Zudem steht die Betonung des Minderheitenschutzes in einem Spannungsverhältnis zur vom Verfassungsgericht angenommenen Läs­ tigkeit der Minderheit. Eine stärker differenzierende Judikatur wäre begrü­ ßenswert.338 Betrachtet man das Rechtfertigungsproblem nicht aus dieser ex post-Pers­ pektive, sondern von einem ex ante-Blickwinkel aus, indem die Frage auf die verfassungsrechtliche Notwendigkeit der Etablierung zwingenden Rechts hin ausgerichtet wird, lassen sich noch weniger klare Anhaltspunkte finden. Das entspricht dem Umstand, dass das Bundesverfassungsgericht zwar annimmt, der Gesetzgeber müsse eine hinreichende Vielfalt von Gesellschaftsformen schaffen, andererseits jedoch eben keinen Anspruch auf die Schaffung einer bestimmten Gesellschaftsform oder bestimmter gesellschaftsrechtlicher Normen vorsieht.339 Insoweit gelten lediglich die Gebote der Sachgerechtigkeit und der Folgerichtigkeit. Das impliziert der Sache allerdings nicht notwendig zwingendes Recht. Doch wird das Bundesverfassungsgericht angesichts seiner offenen Haltung zur Zwangsregulierung im Aktienrecht wohl nur selten Anlass sehen, indisponible Vorschriften für problematisch zu halten. Umgekehrt befindet es das Bundes­ verfassungsgericht aber ebenfalls häufig für unbedenklich, wenn der Gesetzge­ ber keine besonderen Schutzmechanismen vorsieht, die als Lösungsstrategien für typische Konflikte in Kapitalgesellschaften in Betracht kommen.340 Ein Bei­ spiel hierfür ist die Entscheidung der dritten Kammer des ersten Senats aus dem Jahr 2011, wonach selbst die Veräußerung von Unternehmensteilen und die gleichzeitige Verlagerung von Aktivitäten auf andere Gesellschaften dann kei­ ner besonderen Zustimmungsrechte der Hauptversammlung bedarf, sofern da­ mit eine Tätigkeit abgewickelt wird, die nach der Satzung Unternehmensgegen­ stand ist.341 Es bedürfe einer ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenz im Sinne der Holzmüller-Rechtsprechung nicht schon dann, wenn ein Unter­ nehmensteil veräußert werde.342 Zum einen führe dies grundsätzlich zu keiner Verkürzung der mitgliedschaftlichen Aktionärsrechte, zum anderen genügten die §§  311 ff. AktG für einen Ausgleich etwaiger Nachteile.343 337  Verwiesen sei auf die Bemerkung von Cornils, Ausgestaltung, S.  402, trotz der freiheits­ betonenden Rhetorik rechtfertige das Bundesverfassungsgericht letztlich die meisten Be­ schränkungen. 338  Für eine Anknüpfung an die 5%-Grenze aber Schoppe, Aktieneigentum, S.   193 f., der im Folgenden jedoch ebenfalls für mehr Differenzierungen plädiert. 339  S.  BVerfG 50, 290, 355; dazu auch Schön, FS Ulmer, S.  1359, 1367. 340  Zu den Konflikten und Lösungsstrategien unten B. §  1 I., II. 341  BVerfG NZG 2011, 1379, 1380 Tz 19. 342  BVerfG NZG 2011, 1379, 1380 Tz 19. 343  BVerfG NZG 2011, 1379, 1380 Tz 19. Zu Recht kritisch Nietsch EWiR §  23 AktG 1/12, 3, 4.

422 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen Abschließend lässt sich festhalten, dass das Verfassungsrecht nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts keinen Anhaltspunkt für die Missbilligung der Satzungsstrenge bietet. Auf der anderen Seite fordert das Grundgesetz in der Interpretation des Gerichts ihre Existenz jedoch auch nicht.

§  3  Anlegerschutz als Argument Neben der vermeintlichen Notwendigkeit, die Standardisierung der Rechts­ form durch zwingendes Aktienrecht zu gewährleisten, verweist die herrschende Meinung zur Legitimation von §  23 Abs.  5 AktG darauf, die Norm diene dem Kapitalanlegerschutz.344 Dass der Gesichtspunkt des Kapitalanlegerschutzes ei­ nen Ansatz liefert, zwingende Regeln zu rechtfertigen, lässt sich schwerlich be­ streiten. Doch ist unklar, in welchem Umfang dies zutrifft. Nach wie vor gilt für die Verwendung des Wortes „Anlegerschutz“, dass die „Häufigkeit des Ge­ brauchs in keinem Verhältnis zur Klärung [seiner] konzeptionellen Grundla­ gen“ steht.345 Hier ist nun nicht der Ort, sämtliche denkbaren Schutzinstru­ mente des verbandsrechtlichen Anlegerschutzes auf die Notwendigkeit zwin­ gender Ausgestaltung zu überprüfen. Jedenfalls in der derzeit geltenden Fassung lässt sich §  23 Abs.  5 AktG nicht rechtfertigen. §  23 Abs.  5 AktG erzeugt sowohl in geschlossenen als auch in börsennotierten Aktiengesellschaften zwar keine untermäßige Regulierung (I.), dafür aber eine Übermaßregulierung (II.). Der Einwand, die nicht börsennotierte Aktiengesellschaft bedürfe aus „Seriositäts­ gründen“ eines enger geschnittenen regulatorischen Kleides als die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, ist gleichermaßen zweifelhaft (III.).

I.  Keine untermäßige Wirkung von §  23 Abs.  5 AktG Gegen die Satzungsstrenge wendet ein Teil der Literatur ein, diese schütze nur unzureichend vor Ausweichbewegungen: Sie erfasse die Fremdkapitalfinanzie­ rung bloß am Rande.346 Aufgrund der Nähe moderner Fremdkapitalinstrumen­ te zur Eigenkapitalbeteiligung versage §  23 Abs.  5 AktG als Mittel des Kapital­ anlegerschutzes.347 Dieser Einwand sieht sich Bedenken ausgesetzt: 344  Bayer, Gutachten 67. DJT, E 85; Bendfeld, S.  42; Dittert, S.  93; Koch, AG 2015, 213 und 218; Pentz, in: MünchKommAktG, §  23 Rn.  150; Pleßke, S.  53; Regierungskommission Cor­ porate Governance, in: Theodor Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corpo­ rate Governance, 2001, Rn.  4; Röhricht, in: GK-AktG, §  23 Rn.  167; C.Schäfer, NJW 2008, 2536, 2539; Solveen, in: Hölters, §  23 Rn.  29. Für Österreich: Kalss, in: Kalss/Schauer, Gutach­ ten ÖJT 2006, S.  37, 42 f., 54 f. 345  Assmann, ZBB 1989, 49; aufgegriffen in jüngster Zeit durch Mülbert, ZHR 177 (2013), 161, 164. 346  Kritisch unter Verweis auf Genussrechte bereits Hey, Freie Gestaltung, S.  175. 347  Hey, Freie Gestaltung, S.  176.

A.  Satzungsstrenge in der Aktiengesellschaft

423

Zunächst geht es insoweit nicht um den Anleger als Gesellschaftertypus, son­ dern um den Anleger als Gläubigertypus.348 Diesbezüglich ist von vornherein fraglich, ob das Verbandsrecht die richtige Regelungsmaterie ist oder nicht eher vertriebs- und kapitalmarktrechtliche Konzepte im Vordergrund stehen soll­ ten.349 Wer das Aktienrecht für die sedes materiae hält, müsste konsequenter­ weise sogar für eine Ausweitung des gesellschaftsrechtlichen Zwangsregimes plädieren. Im Ergebnis erführe die Satzungsstrenge eine Stärkung. Weiterhin hebt das Schrifttum als Argument gegen die Rechtfertigbarkeit von §  23 Abs.  5 AktG hervor, die Norm schütze nicht vor Ausweichbewegun­ gen im Wege der Wahl anderer Rechtsformen sogar innerhalb der deutschen Rechtsordnung.350 Stützung scheint dies zu erfahren, berücksichtigt man noch die Selektion ausländischer Rechte für die Finanzierung mittels Unternehmens­ anleihen 351 sowie die Nutzung ausländischer Rechtsformen in der Europäischen Union.352 Das ist allerdings gleichfalls keine valide Kritik an der Satzungsstrenge. Wie­ derum impliziert sie nämlich das Gegenteil: Wer die genannten Phänome für problematisch hält, müsste für die Ausweitung gesetzlichen Zwanges plädieren. Allein die Tatsache, dass die Marktteilnehmer §  23 Abs.  5 AktG ausweichen können, taugt nicht zum Beleg der Fehlerhaftigkeit des Konzepts per se.

II.  Übermäßige Wirkung von §  23 Abs.  5 AktG §  23 Abs.  5 AktG wirkt bereits deshalb überschießend, weil er auch geschlosse­ ne Aktiengesellschaften erfasst, in denen sich wegen eines kleinen Mitglieder­ kreises die skizzierten Probleme des Kapitalanlegerschutzes nicht stellen.353 Zudem erkennt selbst die herrschende Meinung das Bedürfnis an, den Interes­ sen der Beteiligten angepasste Regelungen zu schaffen. Zugestanden wird dies im Aktienrecht wenig konsequent stets nur im Zusammenhang mit schuld­ rechtlichen Nebenabreden.354 348 Zu dieser Differenzierung Ekkenga, Anlegerschutz, S.   15 ff. (Gesellschaftertypus), 18 ff. (Gläubigertypus). 349  Zum Vertriebsrecht und Kapitalmarktrecht als unterschiedliche Regulierungsstrategi­ en Assmann, ZBB 1989, 49, 58 ff.; Hopt, Kapitalanlegerschutz, S.  339 f.; Schwark, Anleger­ schutz, S.  364 ff., 373 ff. 350  Hey, Freie Gestaltung, S.  176. 351  Zur Popularität New Yorker Rechts Schlitt/Hekmat/Kasten, AG 2011, 429 f. Im gege­ benen Zusammenhang geht es allein um die Tatsache, dass §  23 Abs.  5 AktG nicht vor einer solchen Ausweichbewegung schützt. Es wird nicht behauptet, die Wahl New Yorker Rechts habe ihren Grund in §  23 Abs.  5 AktG. 352  Zu den Ausmaßen des Wettbewerbs der Gesellschaftsrechte mit Blick auf geschlossene Gesellschaften Braun/Eidenmüller/Engert/Hornuf, ZHR 177 (2013), 131 ff. 353  So selbst die meisten Verfechter der Satzungsstrenge für börsennotierte Gesellschaften, etwa Bayer, Gutachten 67. DJT E 82; Pleßke, S.  133 ff. 354  Vgl. nur Röhricht, in: GK-AktG, §  23 Rn.  255.

424 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen Das spricht zunächst einmal dafür, nicht börsennotierte Aktiengesellschaf­ ten einem weniger strengen Regime zu unterwerfen als börsennotierte. Damit ist die Notwendigkeit eines speziellen „Börsengesellschaftsrechts“ angespro­ chen.355 Ob dieses jedoch die Reichweite von §  23 Abs.  5 AktG haben sollte, ist damit noch keineswegs ausgemacht. So mag etwa in Publikumsgesellschaften die zwingende Einrichtung eines Kontrollorgans auf der Ebene zwischen Ge­ schäftsleitung und Gesellschaftern begründbar sein.356 Vorgaben wie diejenigen zur Größe des Aufsichtsrates leuchten dagegen weniger ein.357 Hier ist daran zu erinnern, dass international die Regelungsdichte deutlich geringer ist als dieje­ nige im deutschen Aktienrecht.358 Die Funktionsfähigkeit der ausländischen Kapitalmärkte erschüttert das ebenso wenig wie sich ernsthaft behaupten ließe, in keinem Land außer Deutschland gebe es ein angemessenes Maß an Anleger­ schutz. Das impliziert einen erheblichen Spielraum für Lockerungen. Hinzu kommt, dass selbst die Anleger, die die Chance hätten, selbstständig individuell passende Ausgleichsmechanismen auszuhandeln,359 dies nicht sat­ zungsfest tun können, weil §  23 Abs.  5 AktG einen solchen Selbstschutz aus­ schließt. Damit bleibt wiederum nur der Weg in die schuldrechtliche Vereinba­ rung, die aber weniger stark wirkt: Sobald auf der „Gegenseite“ ein Gesellschaf­ terwechsel stattfindet, ohne dass der Neugesellschafter sich der Abrede anschließt, steht der Anleger erneut vor dem Problem, das er mit der Vereinba­ rung zu lösen gehofft hatte. Das ist Folge einer Vorschrift wie §  23 Abs.  5 AktG, nicht Anlass zur umfassenden Zwangsregulierung. Hiermit verbindet sich ein weiterer Aspekt: Kleinanleger oder „bloße Anla­ gegesellschafter“ profitieren davon, dass professionelle Anleger die Gesell­ schaftsstrukturen analysieren und bewerten.360 Insofern ist es nicht notwendig, dass jeder Anleger vor einer Kauf- oder Verkaufsentscheidung die Satzung ein­ sieht, wie dies von einigen Autoren als Horrorvorstellung an die imaginäre Ar­ gumentationswand gezeichnet wird.361

355 Hierzu Fleischer, ZIP 2006, 451, 454 ff.; Moßdorf, S.  1 ff. und passim. S.  auch Bayer, Gut­ achten 67. DJT, E 56. 356  Zum Bedürfnis für besondere Regeln zur Gestaltung der internen Organisation der Kontrollorgane Moßdorf, S.  157 ff. 357  Eine rechtsvergleichende Analyse des Umfangs besonderer Regeln für börsennotierte Gesellschaften liefert Moßdorf, S.  71 ff. 358  Vgl. nur die Länderberichte im von Marcus Lutter und Herbert Wiedemann herausge­ gebenen Band zur Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht (1998). 359  Sei es, weil die von ihnen erworbene Beteiligung groß genug ist, dies zu erzwingen, sei es, weil die übrigen Gesellschafter freiwillig Zugeständnisse zu machen bereit sind. 360  Dazu unten §  5 I. 361  Etwa von Pentz, in: MünchKommAktG, §  23 Rn.  150.

A.  Satzungsstrenge in der Aktiengesellschaft

425

III. Folgerungen Der Gedanke des Kapitalanlegerschutzes bietet hinsichtlich einiger spezieller Fragen bei Publikumsgesellschaften einen Ansatz, Einschränkungen der Privat­ auto­nomie zu rechtfertigen.362 Doch vermag er §  23 Abs.  5 AktG in seiner Brei­ te nicht zu legitimieren. Insbesondere in geschlossenen Aktiengesellschaften versagt er. Dass die Parteien in einem Schuldvertrag Regelungsprobleme anders lösen als vom Aktiengesetz vorgesehen, ist damit kein Grund, die Vereinbarung als per se bedenklich zu erachten. „Kapitalanlegerschutz“ ist demnach nicht mehr als eine Überschrift, unter deren Dach sich verschiedene Fragen eingrup­ pieren lassen. Zur Lösung von Rechtsproblemen bedarf es stets einer Analyse im Einzelfall, ob aufgrund der Besonderheiten der Situation die Notwendigkeit besteht, der Gestaltungsfreiheit Grenzen zu ziehen.

§  4  Die historische Entwicklung der Satzungsstrenge Trotz der rechtsvergleichenden, teleologischen und verfassungsrechtlichen Überlegungen der vorangegangenen Kapitel ließe sich immer noch einwenden, die Satzungsstrenge sei Ergebnis einer historischen Entwicklung. Sie sei ein Beispiel für Pfadabhängigkeiten und müsse deshalb vielleicht sogar vor allem im Lichte ihrer geschichtlichen Wurzeln betrachtet werden. Das ist Aufgabe dieses Kapitels. Dem einführenden Blick auf das Oktroi- und Konzessionssystem im 17. und 18. Jahrhundert (I.) folgen die Betrachtung des Systems der Normativbestim­ mungen des Aktiengesetzes 1965 (II.) und die Bewertung der Normierung der Satzungsstrenge im Aktiengesetz 1965 aus historischer Sicht (III.).

I.  Oktroi- und Konzessionssystem Das „Aktienrecht“363 des Octroi- und Konzessionssystems364 im 17. und 18. Jahrhundert 365 kannte kein in einem Aktiengesetz niedergelegtes Prinzip der 362  Am Beispiel der Unzulässigkeit satzungsmäßiger Vinkulierungen von Inhaberaktien unten 4. Teil E. §  1 II.1.b)cc). 363  Um Aktienrecht handelte es sich noch nicht im eigentlichen Sinne, weil es an einer ge­ nerellen Regelung des Rechts sämtlicher Gesellschaften eines bestimmten Typus fehlte, vgl. Fleckner, in: Aktienrecht im Wandel I, S.  999, 1003 Rn.  12. 364  Zur Entwicklung des Aktienrechts vor den ersten spezifisch aktienrechtlichen Kodifi­ zierungen Wiethölter, Interessen und Organisation, S.  53 ff. Einen einführenden Überblick liefern Assmann, in: GK- AktG, Einl Rn.  13 ff.; Spindler, in: Aktienrecht im Wandel II, S.  995, 998 f. Speziell zum Preußischen Allgemeinen Landrecht Hadding/Kießling, FS Hattenhauer, S.  159, 179. Zur Kapitalvereinigung in der Antike grundlegend Andreas Fleckner, Antike Ka­ pitalvereinigungen, 2010. 365 Als zeitliche Wegmarke kann aus deutscher Sicht die Gründung der Brandenbur­

426 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen Satzungsstrenge. Aufgrund der ohnehin greifenden hoheitlichen Kontrolle be­ durfte es nicht noch weitgehender gesetzlicher Gestaltungsschranken. Funkti­ onal übernahmen Vorgaben der Exekutive die Aufgabe detaillierterer gesetzli­ cher Vorschriften.366 Im 19. Jahrhundert traten erste, explizit die Aktiengesellschaft regulierende Gesetze in Kraft.367 Eine umfassende inhaltliche Gestaltungssperre sahen diese nicht vor. Aktiengesellschaften durften ohnehin, wie es §  1 Abs.  1 des Preußi­ schen Gesetzes über die Aktiengesellschaften formulierte, „nur mit landesherr­ licher Genehmigung errichtet werden.“368 Der Gesellschaftsvertrag unterlag ebenfalls der „landesherrlichen Genehmigung“.369 Aus diesem Grund war eine weitreichende gesetzliche Inhaltsregulierung entbehrlich. Das Aktienrecht enthielt im Vergleich zur heutigen Rechtslage relativ wenige Vorgaben für die Gestaltung.370 Insbesondere gab es kein Prinzip der Satzungsstrenge.371 Im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch aus dem Jahr 1861 und seinen Nachfolgern wie auch im Code de Commerce wurde die Aktiengesellschaft ausführlicher geregelt.372 Ein grundsätzlicher gesetzlicher Ausschluss der Ge­ staltungsfreiheit oder auch nur eine weitgehende ausdrückliche normative Ein­ engung des Gestaltungsspielraums war mit den Neuerungen nicht verbun­ den.373 In dem von einem der führenden Aktienrechtler des 19. Jahrhunderts verfassten Lehrbuch findet sich im Jahr 1875 folgende Passage: „Hiernach ist denn für jede einzelne Actiengesellschaft eine besondere Festsetzung der Vereinssatzung nöthig, […].  Bei dieser Sachlage kann es die Aufgabe einer Gesetzgebung über Actiengesellschaf­ ten nicht sein, die Verfassung aller derartigen Vereine, die sich unter deren Herrschaft bilden, zu regeln, oder sie auch nur subsidiär, d.h. für den Fall, dass es an einer besonde­ ren Festsetzung derselben für eine gegebene Actienverbindung fehlen sollte, zu bestim­ gisch-Ostindischen Kompagnie im Jahr 1651 als erste aktiengesellschaftsähnliche Kapitalver­ einigung gelten, s. den Octroi in Schück, Band II, Nr.  10, S.  23. 366  Wiethölter, Interessen und Organisation der Aktiengesellschaft, S.  6 4. 367  Zu Anlässen und Gründen aktienrechtlicher Gesetzgebung Fleckner, in: Aktienrecht im Wandel I, S.  999, 1005 ff. 368  Gesetz über die Aktiengesellschaften für die Königlich Preussischen Staaten vom 9. November 1843 (Text in Baums [Hrsg.], Preußisches Gesetz über die Aktiengesellschaften, S.  211 ff.). Gleicher Regelungsinhalt etwa in Art.  208 Abs.  1 ADHGB 1861. Zum Preußischen Gesetz über die Aktiengesellschaften Hadding/Kießling, FS Hattenhauer, S.  159, 164 ff.; Landwehr, ZRG GA 99 (1982), 1, 8 ff. Ausführlich zur Rechtslage in Preußen nach 1815 Bösselmann, Entwicklung des deutschen Aktienwesens, S.  63 ff. 369  §  1 Abs.  2 des Preußischen Gesetzes über die Aktiengesellschaften (Fußnote 368). 370  Das Preußische Gesetz über die Aktiengesellschaften (Fußnote 368) bestand aus ledig­ lich dreißig Paragraphen. 371  Hadding/Kießling, FS Hattenhauer, S.  159, 173. 372  Einzelheiten bei Assmann, in: GK-AktG, Einl Rn.  30 ff.; Bösselmann, Entwicklung des deutschen Aktienwesens, S.  63 ff.; Landwehr, ZRG GA 99 (1982), 1, 11 ff., 21 ff.; Spindler, in: Aktienrecht im Wandel II, S.  995, 1000 ff.; Wiethölter, Interessen und Organisation, S.  73 ff. 373 Vgl. Landwehr, ZRG GA 99 (1982), 1, 21 ff.; Spindler, in: Aktienrecht im Wandel II, S.  995, 1001 f.

A.  Satzungsstrenge in der Aktiengesellschaft

427

men. Vielmehr liegt es einer solchen Gesetzgebung nur ob, indem sie die mannigfachen Gestaltungen, welche die Verschiedenheit der Verkehrsbedürfnisse mit sich bringt, auto­ nomischer Bestimmung zu überlassen, einerseits darauf hinzuwirken, dass die besonde­ ren Satzungen, durch welche die Verfassung eines jeden einzelnen Actienvereins festzu­ stellen ist, dies in genügender Weise thun, andererseits dafür zu sorgen, dass diese beson­ deren Normen nichts enthalten, was mit dem Wesen der Actiengesellschaft unverträglich ist oder entschieden zu einem Missbrauche dieser Vereinsform führen könnte.“374

Insoweit ist allerdings zu beachten, dass das Konzessionserfordernis weiterhin einen erheblichen hoheitlichen Einfluss ermöglichte. Insbesondere in Preußen wurde diese Möglichkeit mit Hilfe verschiedener ministerialer Erlasse genutzt, um detaillierte, von den Gesellschaftsgründern zu beachtende Vorgaben zu schaffen, etwa durch die „Instruktion über die Grundsätze in Ansehung der Konzessionierung von Aktiengesellschaften“375 und verschiedene sog. „Cirku­ lar-Verfügungen“.376 Trotz Fehlens umfassender gesetzlicher Regelungen waren die Gründer einer Aktiengesellschaft also niemals vollkommen frei in der Ge­ staltung der Gesellschaft. Jede Regelung stand unter dem Vorbehalt hoheitli­ cher Billigung, falls nicht ohnehin zwingende staatliche Vorgaben existierten.377 Der Sinn des Konzessionserfordernisses wurde darin gesehen, das Publikum vor Schäden zu schützen. Entscheidendes Kriterium für die Genehmigungsfä­ higkeit war, ob „die Gesellschaft durch die Art ihrer Begründung eine genügen­ de Bürgschaft gegen Täuschungen und Beeinträchtigungen des Publikums ge­ währe.“378 Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es einen entscheidenden Unterschied zum heutigen System gab: Während heute dank §  23 Abs.  5 AktG Gestaltungsfreiheit von vornherein beschnitten ist und aufgrund der Gesetzes­ bindung auch nicht bei „guten Argumenten“ für eine sinnvolle Gestaltung, die vom Gesetz abweicht, seitens der Exekutive Gestaltungsfreiheit gewährt wer­ den kann, bestand für die Gründer unter dem Konzessionssystem immerhin die theoretische Möglichkeit, die staatliche Verwaltung von der privatautonom ge­ wählten Lösung zu überzeugen. Es gab also zwar keine Institutsgarantie, auf die sich die Gründer als Abwehrrecht gegenüber der Exekutive stützen konnten. Allerdings war der Eingriff in ihre Gestaltungsfreiheit nicht unausweichlich.

374 

Renaud, S.  298 f. Vom 22.04.1845, abgedruckt in Weinhagen, Anhang, S.  41 ff. 376  Nachweise und Inhaltsdarstellung bei Landwehr, ZRG GA 99 (1982), 1, 22 ff. 377  Vgl. nochmals das Zitat aus dem Lehrbuch von Renaud im Text bei Fußnote 374. 378  Instruktion vom 22.04.1845, Fußnote 375. Ähnlich die „Cirkular-Verfügung betref­ fend die Bedingungen, von welchen die Genehmigung zur Errichtung von Aktien-Gesell­ schaften abhängig ist“, vom 07.03.1856 (abgedruckt in Weinhagen, Anhang S.  79 f.). S.  auch Landwehr, ZRG GA 99 (1982), 1, 23 f. 375 

428 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen

II.  System der Normativbestimmungen vor 1965 1. Gesetzgebung Nachdem bereits einige Länder von der Öffnungsklausel des Artikel 249 des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs379 zumindest in gewissem Um­ fang Gebrauch gemacht hatten, vom Konzessionssystem zu einem System der Normativbestimmungen überzugehen,380 wurde das Konzessionssystem mit Gesetz vom 11. Juni 1870381 zu Gunsten des Systems der Normativbestimmun­ gen endgültig abgeschafft.382 Das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch sah kein Genehmigungserfordernis mehr vor. Spätere Änderungen dieses Geset­ zeswerkes, die Aktienrechtsnovelle von 1884383 und das Aktiengesetz von 1937, behielten das System der Normativbestimmungen bei. Im Gegenzug nahm die Zahl der Vorschriften deutlich zu, was den den Gründern neu zugestandenen Gestaltungsspielraum sogleich wieder einschränkte.384 Interessant ist im hiesigen Zusammenhang, die Materialien zur Novelle von 1884 einer näheren Betrachtung zu unterziehen, weil diese sich an verschiede­ nen Stellen mit Vertragsfreiheit im Aktienrecht befassen.385 Die Entwurfsbe­ gründung erläutert zu der Frage, ob das Gesetz, dem englischen Vorbild fol­ gend,386 Auffangregelungen für den Fall enthalten solle, in denen „es an einer besonderen Festsetzung für die Gesellschaft fehl[t]“:

379  „Den Landesgesetzen bleibt vorbehalten, [sic] zu bestimmen, daß es der staatlichen Ge­ nehmigung zur Errichtung von Aktiengesellschaften im Allgemeinen oder von einzelnen Ar­ ten derselben nicht bedarf. Auch in diesem Falle kommen jedoch die Bestimmungen dieses Titels zur Anwendung, ausgenommen insoweit dieselben: [...].“ Die Fassungen des Artikel 249 im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch 1861 und in demjenigen des Jahres 1869 ent­ sprechen sich. 380 1870: Hamburg, Lübeck, Bremen, Oldenburg, Sachsen, Baden, Württemberg. Dazu August Anschütz/Otto von Völderndorff, Kommentar zum Allgemeinen Deutschen Handels­ gesetzbuche, Zweiter Band, 1870, Art.  208, Abschnitt II mit Fußnote 3. 381  Gesetz „betreffend die Kommanditgesellschaft auf Aktien und die Aktiengesellschaf­ ten“, Bundes-Gesetzblatt des Norddeutschen Bundes 1870, S.  375. Hierzu Lieder, in: Aktien­ recht im Wandel I, S.  318. 382  Zum Gesetzgebungsverfahren Schubert, ZGR 1981, 285, 292 ff.; Hofer, in: Aktienrecht im Wandel I, S.  388. 383 Hierzu Schubert, ZGR 1981, 285, 313. 384  Übersicht bei Assmann, in: GK-AktG, Einl Rn.  79 ff.; Schubert, ZGR 1981, 285, 313; Spindler, in: Aktienrecht im Wandel II, S.  995, 1005 f. Ausführliche Quellennachweise der aktienrechtlichen Gesetzgebung liefert Fleckner, in: Aktienrecht im Wandel I, S.  999 ff. 385  Die Entwurfsbegründung zur Aktienrechtsnovelle von 1884 wird im Folgenden zitiert nach: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, 5. Legislaturperio­ de, IV. Session 1884, Band 3, Anlage Nr.  21. Einen Überblick über wesentliche Beweggründe der Gesetzgebung unter Berücksichtigung der Materialien liefert Hofer, in: Aktienrecht im Wandel I, S.  388, 395 ff. 386 Dazu Kenßner, ZHR 7 (1864), 533.

A.  Satzungsstrenge in der Aktiengesellschaft

429

„Allein gegen diese Nachahmung der englischen Gesetzgebung sprechen mancherlei Er­ wägungen. Jede Aktiengesellschaft erhält durch ihren besonderen Zweck ein ihr eigen­ thümliches individuelles Gepräge, so daß die Ausstellung eines Normalstatuts, welches die verschiedenen Besonderheiten der einzelnen Gesellschaft unmöglich berücksichti­ gen kann, der Entwickelung des Gesellschaftszweckes Hindernisse bereiten muß. Gera­ de die Pflege des individuellen Zweckes, wie er sich bei der Verschiedenheit der Ver­ kehrsbedürfnisse in so mannichfaltiger Gestaltung geltend macht, muß der autonomi­ schen Bestimmung überlassen werden. Aufgabe der Gesetzgebung kann es allein sein, diejenigen Bedingungen als Normativbestimmungen aufzustellen, welche im öffentli­ chen Interesse für alle Gesellschaften maßgebend sein sollen. Ein derartiges Verfahren hat vor der Ausstellung eines Normalstatuts den Vorzug, daß es innerhalb der gesetzlich weitgezogenen Schranken jeder einzelnen Gesellschaft diejenige freie Bewegung gestat­ tet, die für sie ihrem besonderen Zweck gemäß zu einem gedeihlichen Bestehen noth­ wendig ist. Auch das Normalstatut hat in England das Publikum, wie die verschiedenen parlamentarischen Untersuchungen ergeben, vor Ausschreitungen auf dem Gebiete des Aktienwesens nicht schützen können.“387

Dieses Plädoyer für eine vor allem aus Sicht des §  23 Abs.  5 AktG in seiner heu­ tigen Fassung weitgehende Gestaltungsfreiheit ist bemerkenswert. Die Verfas­ ser der Entwurfsbegründung lehnen die Verabschiedung eines „Normalsta­ tuts“, das bei fehlenden Regelungen eingriffe, ab, weil eine solche Maßnahme der Vielfältigkeit der mittels einer Aktiengesellschaft verfolgbaren Zwecke nicht gerecht werde. Es wird am Ende der zitierten Passage ausdrücklich anerkannt, dass auch eine umfassende Regelung Missbräuche und Fehlentwicklungen nicht zu verhindern vermag. Die die Gestaltungsfreiheit beschränkenden Normen wurden jeweils im Ein­ zelfall als notwendige Grenze gerechtfertigt, in der Regel unter Verweis auf be­ stimmte „Uebelstände“. Das Material hierfür lieferte vor allem der „Gründer­ krach“ des Jahres 1873.388 So begründeten die Entwurfsverfasser das Vollein­ zahlungsgebot für die Erhöhung des Grundkapitals damit, das Gesetz dürfe nicht „gewagten Spekulationen“ dienen.389 Diese Frage habe „eine vorwiegend wirthschaftliche Bedeutung, der gegenüber Rücksichten auf die Vertragsfreiheit nicht entscheidend sein dürfen.“390 Missbrauch als Grund für die Einschrän­ kung der Vertragsfreiheit wurde gleichermaßen angeführt im Zusammenhang mit der Bestellung von Aufsichtsrat und Vorstand.391 Die Kompetenz der Akti­ onäre zur „Beschlussfassung und Entscheidung in allen das Wesen der Gesell­ schaft berührenden Angelegenheiten“ dürfe nicht „durch den Gesellschaftsver­

387 

Stenographische Berichte (Fußnote 385), S.  262 (linke Spalte). wird zwar in den Stenographischen Berichten (Fußnote 385), S.  260, unter der Überschrift „Uebelstände des bisherigen Rechts“ nicht ausdrücklich gesagt, bildet aber impli­ zit die Folie, vor der die „Novelle von 1870“ und ihre Defizite diskutiert wurden. 389  Stenographische Berichte (Fußnote 385), S.  283. 390  Stenographische Berichte (Fußnote 385), S.  283. 391  Stenographische Berichte (Fußnote 385), S.  287. 388 Das

430 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen trag“ entziehbar oder durch Delegationsbeschluss übertragbar sein.392 Insoweit habe das bis dato geltende Recht „die Vertragsfreiheit weit über die zulässigen Grenzen ausgedehnt.“393 Einschränkungen der Vertragsfreiheit werden in der Entwurfsbegründung also normbezogen und mit Blick auf konkret als Missstände interpretierte Vor­ gänge gerechtfertigt. Die Begründung stellt stets einen Zusammenhang her zwischen bislang in einer bestimmten Frage bestehender Gestaltungsautono­ mie, aufgetretenen Problemen und der daraus resultierenden Notwendigkeit, genauer beschriebene Restriktionen vorzusehen. Dass dem Anlegerschutz mit einem Mehr an nicht abdingbaren Vorschriften gedient werden sollte,394 ist zwar richtig. Im Kontext der Darstellung der Ziele des Entwurfs der Novelle wird jedoch auch darauf hingewiesen, „[g]egen Täuschung und Irrthum [sic], Illusion und Leichtsinn muß wesentlich die eigenen Sorgsamkeit der Betheilig­ ten [sic] sichern. Das Gesetz hat dieser nur die Wege zu öffnen und ihr schüt­ zend zur Seite zu stehen.“395 Basierend auf diesem der Aktienrechtsnovelle 1884 zugrunde liegenden Gedanken der Verantwortlichkeit zur Selbsthilfe396 sind staatliche Maßnahmen grundsätzlich nur legitim, wenn sie dem Schutz der Ge­ sellschafter zugute kommen.397 Dennoch ist ein gewisse negative Konnotation der Verwendung des Begriffs der Vertragsfreiheit nicht zu verkennen.398 Zwar gibt es die oben zitierte Grund­ aussage zur „autonomische[n] Bestimmung“ der Verhältnisse der Gesellschaft durch die Aktionäre. Auf der anderen Seite wird, wie im Bericht der neunten Kommission zum Gesetzentwurf zu lesen ist, betrachtet man sie isoliert, die Struktur des Regelwerkes in einer Weise interpretiert, die dem heutigen Ver­ ständnis ähnelt. Insbesondere diese Passage wirft Licht auf die Haltung der Kommission: „Gelegentlich der Berathung des Artikels 204 ist zur Sprache gekommen, ob die Vor­ schriften über das Maaß der vom Aufsichtsrath und vom Vorstande anzuwendenden Sorgfalt durch Gesellschaftsvertrag abgeändert werden könnten. Darauf ist unter Hinweis auf die Technik des Gesetzes, in welchem in allen Fällen, welche eine anderweitige Normirung durch den Gesellschaftsvertrag zulassen, hinzugefügt ist sofern der Gesell­ schaftsvertrag nicht andere Erfordernisse feststellt, erwidert, daß die bezüglichen Vor­ 392 

Stenographische Berichte (Fußnote 385), S.  293. Stenographische Berichte (Fußnote 385), S.  293. 394  Bayer, in: FS Hopt, Band I, S.  373, 378. 395  Stenographische Berichte (Fußnote 385), S.  245 (rechte Spalte). 396  Zu den verschiedenen Ausprägungen Hofer, in: Aktienrecht im Wandel I, S.  388, 403 ff. 397  Hofer, in: Aktienrecht im Wandel I, S.  388, 413, mit Einschränkung hinsichtlich der dem Entwurf zugrunde liegenden Konzeption auf S.  414. Diese Einschränkung ändert jedoch nichts an der Grundaussage. 398  Noch entschiedener Hofer, in: Aktienrecht im Wandel I, S.  388, 397, die meint, der Be­ griff der Vertragsfreiheit werde ausschließlich mit negativer Färbung genutzt. Das erscheint angesichts der zuvor im Text zitierten Passagen aus den stenographischen Berichten allerdings überzogen. 393 

A.  Satzungsstrenge in der Aktiengesellschaft

431

schriften, welche auch das Interesse der Gläubiger berücksichtigen, derartig öffentlichen Rechts seien, daß sie nicht gemindert werden könnten; die Frage, ob sie verschärft wer­ den könnten, sei nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu entscheiden.“399

Dem liegt offenbar implizit die Prämisse zugrunde, die „anderweitige Normi­ rung durch den Gesellschaftsvertrag“ – also die Abweichung von den gesetzli­ chen Vorgaben – komme nach der „Technik des Gesetzes“ überhaupt nur in Betracht, wenn das Gesetz sie zulässt. In die gleiche Richtung geht eine von Karl Lehmann, einem der großen Akti­ enrechtler des 19. Jahrhunderts, 1896 formulierte Einschätzung: „So ist die Aktiengesellschaft in vielen Ländern ein schwerfälliger und starrer Mechanis­ mus geworden, noch starrer durch eine formalistische Praxis, welche alle Nebenklauseln für unstatthaft erklärte, die an dem Princip der beschränkten Haftung bis zum Nomi­ nalbetrag modeln wollten. Wer Gelegenheit hat, die Statuten moderner AG. durchzule­ sen, wird eine mechanische Gleichmässigkeit beobachten. Die absolute Gesetzgebung zwängt die Privatautonomie in die engsten Schranken, sie kommt fast einem Zwangs­ musterstatut gleich, welches nur hier und da in Nebenpunkten ein Blanquett für eine andersartige Regelung frei lässt, im Grossen aber die Parteien unter ihr Joch beugt, mag es sich um industrielle oder landwirthschaftliche, um binnenländische oder See-, um inländische oder für das Ausland berechnete Unternehmungen handeln.“400

Die Tragweite dieser Bemerkung wie auch die der zuvor zitierten Passage aus den Materialien darf allerdings nicht überschätzt werden. Noch die Materialien zum Handelsgesetzbuch von 1897 verweisen im Zusammenhang mit §  250 (der Nachfolgenorm zu Art.  221 Abs.  1 ADHGB 1884) darauf, hinsichtlich der Kompetenzen der Generalversammlung seien, abgesehen von einigen Sonder­ vorschriften, die Gesellschafter zuständig.401 Das von Lehmann gerügte „Joch“ ist eine Bewertung, die vor dem Hintergrund einer Verschiebung von nahezu vollständiger Gestaltungsfreiheit hin zum festeren Rahmen des Aktiengesetzes 1884 zu wägen ist. Die Gleichförmigkeit der Satzungen war gleichfalls kein neu­ es Phänomen, sondern schon vor dem Preußischen Aktiengesetz von 1843 zu beobachten.402 Der heutige Leser darf nicht §  23 Abs.  5 AktG als Lupe nutzen, die im 19. Jahrhundert getroffenen Aussagen zu lesen. Er muss sich stets vor Augen halten, dass anders als heute große Teile der internen Struktur und damit 399  Bericht der IX. Kommission über den Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Kom­ manditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften, abgedruckt in Stenographi­ sche Berichte über die Verhandlungen des Reichstages 1884, 5., Band 4, Anlage Nr.  128, S.  1020 (linke Spalte), Kursivsetzung hinzugefügt. 400  Lehmann, Kolonialgesellschaftsrecht, S.  20, 41. 401 Vgl. zu dem §   221 Abs.  1 ADHGB entsprechenden §  209 des ersten Entwurfs eines Handelsgesetzbuchs für das Deutsche Reich von 1895 dessen Begründung, S.  127 (abgedruckt in: Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Band 2, 1. Halb­ band, S.  127) und zur endgültigen Fassung in §  250 die Denkschrift zur Reichstagsvorlage, S.  309 (abgedruckt in: Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Band 2, 2. Halbband, S.  1069). S.  auch noch unten 4. Teil B. §  2 II.3.c)cc). 402  Oben §  1 II.3.

432 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen die Regelung des Verhältnisses der Gesellschafter untereinander sowie die Kompetenzordnung von Vorstand, Aufsichtsrat und – in moderner Terminolo­ gie – Hauptversammlung in weitem Umfang privatautonomer Gestaltung zu­ gänglich waren. Eine Gesamtschau dieser unterschiedlichen Aussagen spricht dafür, dass die Frage des Bestehens von Gestaltungsfreiheit je nach Sachmaterie differenziert betrachtet wurde. Daher wäre der Schluss verfehlt, dass bereits die Verfasser der Aktienrechtsnovelle des Jahres 1884 gedanklich mit einer zumindest im Ansatz dem heutigen §  23 Abs.  5 AktG vergleichbaren eisernen Klammer arbeiteten.

2. Rechtsprechung a) Reichsgericht Die aus heutiger Sicht wesentliche Entwicklung hin zur Satzungsstrenge im Aktienrecht nahm ihren Anfang mit der Entscheidung des Reichsgerichts vom 25. September 1901.403 Das Gericht befasste sich mit der Frage, ob „die Bestim­ mung des Statutes einer Aktiengesellschaft gültig [ist], daß der Aktionär ausge­ schlossen werden kann, insbesondere wenn er aufhört, Mitglied des Bundes der Landwirte zu sein, und daß er in diesem Falle seine Aktien gegen Zahlung des Nominalbetrages an einen ihm zu bezeichnenden Dritten übertragen muß [...].“ Zunächst stellte das Reichsgericht fest, das Aktienrecht enthalte „über das Aus­ scheiden von Aktionären keinerlei Bestimmungen [...]“ und behandele „den Ausschluß von Aktionären nur“ in bestimmten, im Fall nicht einschlägigen Si­ tuationen.404 Die folgende Passage ist die entscheidende und lohnt daher ein längeres Zitat: „Aus dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, daß es [das Gesetz, Anm.  des Autors] andere Fälle des unfreiwilligen Ausscheidens von Aktionären der Bestimmung durch den Ge­ sellschaftsvertrag hat überlassen wollen. Weder das alte noch das neue Handelsgesetz­ buch bestimmt für die Aktiengesellschaft, wie für die offene Handelsgesellschaft, daß das Rechtsverhältnis der Aktionäre zu der Aktiengesellschaft sich zunächst nach dem Gesellschaftsvertrage richte. Die Vorschriften über die Rechtsverhältnisse der Gesell­ schafter und der Aktiengesellschaft sind vielmehr dispositiver Natur nur soweit, als das Gesetz es ausdrücklich zuläßt [...]. Eine ausdrückliche Vorschrift, welche eine Verwir­ kungsklausel zur Strafe für Handlungen oder Unterlassungen außerhalb des Kreises der Leistungen zu den Zwecken der Gesellschaft zuläßt, enthält weder das alte noch das neue Handelsgesetzbuch. Jeder Ausschluß eines Aktionärs unter Rückzahlung seiner Einlage auf das Grundkapital enthält eine Herabsetzung des Grundkapitals, die das Ge­ setz nur unter Voraussetzungen zuläßt, die hier nicht zutreffen. Der §  14 der Statuten sieht zwar vor, daß der ausgeschlossene Aktien an einen Dritten übertragen muß. Aber was geschehen soll, wenn ein Dritter sich zum Erwerbe der Aktien nicht bereit findet, ist 403 

404 

RGZ 49, 77. RGZ 49, 77, 80.

A.  Satzungsstrenge in der Aktiengesellschaft

433

nicht gesagt, und der erzwungene Erwerb der Aktien des ausgeschlossenene Aktionärs durch die Aktiengesellschaft steht einer Enteignung des Aktionärs gleich, die das Gesetz nicht zuläßt.“405

Und, im Widerspruch zur heutigen herrschenden Meinung zur Wirksamkeit schuldrechtlicher Nebenabreden: „Die angefochtene Bestimmung des Statuts läßt sich auch nicht von dem Gesichtspunkte eines separaten Vertrages des Aktionärs mit der Gesellschaft halten. Was das Gesetz, wie dargelegt, als Inhalt des Gesellschaftsvertrages nicht zuläßt, kann nicht dadurch Gültig­ keit erlangen, daß man ihm, obwohl es zum Inhalte des Gesellschaftsvertrages gemacht ist, die Hinterthür des Separatsvertrages öffnet.“406

In einer Entscheidung aus dem Jahr 1907 erweiterte das Reichsgericht diesen Grundsatz vom Rechtsverhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern auf das Aktienrecht insgesamt: „Überall, wo in dem Abschnitt [des Allgemei­ nen Deutschen Handelsgesetzbuchs, Anm.  des Autors] über die Aktiengesell­ schaft dem Gesellschaftsvertrage keine ergänzende oder abändernde Macht eingeräumt ist, sind die Vorschriften des Abschnitts als absolute anzusehen, die durch den Gesellschaftsvertrag weder ergänzt, [sic] noch abgeändert werden können.“407 Bis auf den Umkehrschluss bezogen auf den Vorrang des Gesellschaftsvertra­ ges in der offenen Handelsgesellschaft408 mangelt es an einer Begründung für diese weitreichenden Folgerungen. Zweckerwägungen, die die Zulässigkeit des Umkehrschlusses in Form der Darstellung eines vorhandenen Tertium Compa­ rationis hätten nachvollziehbar erscheinen lassen, fehlen vollständig.409 Ange­ sichts der eklatanten Abweichung vom sonst geltenden Grundsatz der Vertrags­ freiheit und mit Blick auf die fehlenden ausdrücklichen Bestimmungen versteht sich diese Leichtigkeit des reichsgerichtlichen Vorgehens nicht von selbst. Die dritte relevante Entscheidung des Reichsgerichts, die zugleich die letzte höchstrichterliche Stellungnahme bis zum Inkrafttreten des Aktiengesetzes 1965 darstellt, erging 1928.410 In diesem Urteil hielt das Gericht eine Satzungs­ bestimmung für zulässig, die eine Ergänzung gesetzlicher Regelungen enthielt.411 Die Möglichkeit der fraglichen Satzungsbestimmung bejahte es, ohne sich näher mit der Tragweite der früheren Entscheidungen auseinanderzu­ setzen. Das Urteil aus dem Jahr 1901 wurde als irrelevant betrachtet, weil es

405 

RGZ 49, 77, 80. RGZ 49, 77, 80. 407  RGZ 65, 91, 92. 408  §  109 HGB 1897, Art.  9 0 Abs.  1 ADHGB 1869. 409  Aus diesem Grund ablehnend bereits Fischer, in: Ehrenberg, Band 3, S.  21, 85; Pinner, ZBH 1930, 307, 308. 410  RGZ 120, 177. 411  RGZ 120, 177, 180 f. 406 

434 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen einen anderen Fall betroffen habe, das zweite einschlägige Judikat von 1907 fand überhaupt keine Berücksichtigung.412 b) Instanzgerichte Die instanzgerichtliche Rechtsprechung war uneinheitlich. Das Oberlandesge­ richt Dresden führte 1924 in einem Beschluss aus, fehle es an einer ausdrückli­ chen Vorgabe in einer Norm, ob diese eine Regelung im Gesellschaftsvertrag ausschließe, sei „aus dem Zusammenhang und der Natur der Rechtsregel zu entscheiden, ob sie eine zwingende oder eine nachgiebige ist.“413 „Dabei“ sei „nicht ausschlaggebend, daß das HGB. in anderen Fällen durch einen besonde­ ren Zusatz die Natur der Rechtsregel ausdrücklich“ feststelle.414 Das Kammergericht Berlin sowie das Oberlandesgericht Karlsruhe bezogen jedoch im Sinne der Reichsgerichtsurteile 1901 und 1907 gegen die Satzungsfrei­ heit Stellung.415

3. Schrifttum Im Schrifttum diskutierten nur wenige Autoren die Entscheidungen des Reichs­ gerichts sowie die weitere Rechtsprechung.416 Kritisch vermerkten sie, die Ver­ neinung der Satzungsfreiheit werde den Anforderungen des Wirtschaftslebens nicht gerecht.417 Die Aktiengesellschaft des Gesetzes sei „nicht identisch mit der AktG. der Praxis und ihren eigentlichen Betätigungsformen. Vielfache Grün­ de“ hätten „zu einem Strukturwandel der AktG. geführt und einen Gegensatz geschaffen zwischen der AktG. des Gesetzes und der AktG. in der Rechtswirk­ lichkeit.“418 Das dritte Urteil des Reichsgerichts interpretierte die Literatur teilweise als Abkehr von den vorherigen Entscheidungen.419 Die Notwendigkeit dieser ver­ meintlichen Wende wurde unter anderem damit begründet, anders zu denken „hieße dem Aktienrecht den Todesstoß versetzen, wollte man annehmen, daß 412 

S.  RGZ 120, 177, 180 f. OLG Dresden, JFG 1, 227, 229. 414  OLG Dresden aaO. 415  KG JW 1930, 2712, 2713; OLG Karlsruhe JFG 1, 213, 217. S.  auch den Überblick bei Spindler, in: Aktienrecht im Wandel II, S.  995, 1009. 416 Ewa Altschul, SächsArch 1908, 49 ff.; Fischer, in: Ehrenberg, Band 3, S.  85; Pinner, ZBH 1930, 307; ders., JW 1930, 2712 ff. Überblick über die Diskussion im Schrifttum bei Spindler, in: Aktienrecht im Wandel II, S.  995, 1010 ff. 417 Etwa Pinner, ZBH 1930, 307. 418  Netter, JW 1930, 3692, 3693. 419  Goldschmit, JW 1928, 2618, 2619; Netter, JW 1930, 3692, 3692; wohl auch Pinner, ZBH 1930, 307, 308; zuvor schon ders., JW 1930, 2712 ff. Dass auch spätere Autoren die Rechtspre­ chung des Reichsgerichts für keineswegs eindeutig hielten, zeigen etwa die Äußerungen Geßlers, FS Luther, S.  69, 70. 413 

A.  Satzungsstrenge in der Aktiengesellschaft

435

die gesamte Entwicklung des Aktienrechts praeter legem so, wie sie doch un­ zweifelhaft erfolgt ist, zu Unrecht vor sich gegangen ist.“420 Schließlich spreche das Aktienrecht nicht von der Zulässigkeit der Stellung von Reserven, Vor­ ratsaktien, Genussscheinen, Convertible Bonds und anderer Gestaltungen, die bereits in der damaligen Praxis üblich waren.421 Ergänzungen müssten auch bei fehlender ausdrücklicher Gestattung möglich sein, „wo es ohne Verstoß gegen grundsätzliche Vorschriften oder gegen hinter den Vorschriften stehende Rechtsgrundsätze über das Wesen der Aktiengesellschaft möglich ist [...].“422 Maßgeblich sei der Einzelfall.423 Kritisch merkte ein Autor zur oben zitierten restriktiven Rechtsprechung des Kammergerichts an, „die Theorie wie die Praxis“ stünden „neuerdings auf ei­ nem ganz anderen Standpunkt“ als das Gericht, das die Satzungsfreiheit ver­ neint hatte.424 Als herrschende Meinung sah jedenfalls Pinner diejenige, die Sat­ zungsfreiheit bejahte.425 Ein größerer Widerhall auf Ebene der Gesetzgebung oder in der Rechtspre­ chung war diesen Stellungnahmen nicht beschieden.426

III.  Satzungsstrenge im Aktiengesetz 1965 Nachdem das Aktiengesetz 1937 keine Veränderungen mit sich gebracht hatte und keine neuen Urteile zu der Frage der Satzungsstrenge mehr ergangen wa­ ren,427 regelte das Aktiengesetz 1965 den Grundsatz der Satzungsstrenge aus­ drücklich im neuen §  23 Abs.  4.428 Der einschlägige Abschnitt der Begründung des Regierungsentwurfs hielt ohne weitere Diskussion fest: „Der neue Absatz 4 entspricht der herrschenden Lehre. Da aber demgegenüber die Rechtsprechung zur Frage der Zulässigkeit ergänzender Satzungsbestimmungen kein einheitliches Bild ergibt und es sich in beiden Fragen, der Zulässigkeit abweichender und der Zulässigkeit ergänzender Satzungsbestimmungen, um das gesellschaftsrechtlich sehr wichtige Verhältnis von Gesetz und Satzung handelt, erscheint eine ausdrückliche Klarstellung angebracht.“429 420 

Pinner, ZBH 1930, 307, 308. Pinner, ZBH 1930, 307, 308. 422  Schlegelberger/Quassowski/Herbig/Geßler/Hefermehl, Aktiengesetz, 3.   Aufl. 1939, §  16 Rn.  27. 423  Schlegelberger/Quassowski/Herbig/Geßler/Hefermehl, Aktiengesetz, 3.   Aufl. 1939, §  16 Rn.  27. 424  Pinner, JW 1930, 2712, 2713. 425  Pinner aaO. 426 Vgl. Geßler, FS Luther, S.  69, 70 f.; Spindler, in: Aktienrecht im Wandel II, S.  995, 1011 f. 427  Zu den Entwicklungen bis zum Aktiengesetz 1937 und Neuerungen durch das Aktien­ gesetz 1937 Assmann, in: GK- AktG, Einl Rn.  116 ff.; Spindler, in: Aktienrecht im Wandel II, S.  995, 1013 ff. 428  Wortgleich zum heutigen §  23 Abs.  5 AktG. 429  Abgedruckt bei Kropff, Aktiengesetz, 1965, S.  4 4. 421 

436 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen Im Gesetzgebungsverfahren vorgebrachte Einwände fanden kein Gehör.430 Die Sprengkraft der Regelung war den Beteiligten offenbar überhaupt nicht be­ wusst. Trotz ihrer systematischen Bedeutung war sie etwa kein Thema der Sachverständigenanhörungen.431 Der Effekt der Satzungsstrenge war unter anderem deshalb so stark, weil das Aktiengesetz 1965 zugleich etliche gesetzliche Einzelregelungen einführte, die es vorher nicht gab.432 Der Regierungsentwurf 1960, der mit Beginn der Legis­ laturperiode 1961 unverändert neu eingebracht wurde,433 sah 106 Vorschriften mehr als das Aktiengesetz 1937 vor.434 Wäre die Zahl der Vorschriften im Akti­ engesetz im Wesentlichen auf dem Stand des Aktiengesetzes 1937 geblieben, hätte §  23 Abs.  4 AktG mehr Spielraum für die freie Gestaltung gelassen. Mög­ licherweise ist dies der Grund, warum trotz der Reichsgerichtsurteile unter Geltung des Aktienrechts vor der Novelle des Jahres 1965 wenig über die Sat­ zungsstrenge diskutiert wurde. Mangels einer großen Zahl gesetzlicher Nor­ men bestanden aus praktischer Sicht ausreichende Möglichkeiten, speziellen Regelungsanliegen nachzukommen. Denn diese waren im Regelfall „Ergän­ zung“ zum, nicht „Abweichung“ vom Gesetz und damit, am heutigen §  23 Abs.  5 S.  2 AktG gemessen, im Zweifel zulässig. Die Einführung des §  23 Abs.  4 AktG im Aktiengesetz 1965 brachte also nicht per se erhebliche Änderungen mit sich. Ihre die Privatautonomie zerstö­ rende Kraft vermochte sie erst aufgrund der Kombination mit der Menge neuer Normen zu Einzelfragen zu entfalten. Selbst diejenigen, die meinen, die Vor­ schrift habe nur die alte Rechtslage festgeschrieben, kommen demnach nicht umhin, sie im weiteren Kontext der Maßnahmen der aktienrechtlichen Gesetz­ gebung des Jahres 1965 als Innovation zu begreifen.435 Im Ergebnis ist daher die umfassende Beschränkung von Privatautonomie im Aktienrecht unabhängig von der Bewertung der Vorgeschichte des Aktienge­ setzes 1965 ein relativ junges Phänomen. Als effektive Beschränkung der Sat­ zungsfreiheit wirkt der Gedanke der Satzungsstrenge erst sei 1965. Insofern ist jeder Versuch, auf „Pfadabhängigkeiten“ oder vermeintliche Traditionen im deutschen Aktienrecht zu verweisen, um die Satzungsstrenge zu legitimieren, (auch) aus historischer Perspektive zweifelhaft.

430 Ausführlich Assmann, in: GK-AktG, Einl Rn.  173 ff. Überblick bei Spindler, in: Akti­ enrecht im Wandel II, S.  995, 1016 f. Bahrenfuss befasst sich in seiner Monographie nicht näher mit der Satzungsstrenge. 431  Vgl. die am 28.02.1962 beschlossene Themenliste der Sachverständigenanhörung, wie­ dergegeben bei Bahrenfuss, S.  396. 432  Luther, FG Hengeler, S.  167, 169. 433 Hierzu Bahrenfuss, S.  389 ff. 434  Bahrenfuss, S.  340. 435  S.  i n diesem Sinne Luther, FG Hengeler, S.  167, 169.

A.  Satzungsstrenge in der Aktiengesellschaft

437

IV. Ergebnisse Die Einführung der Satzungsstrenge beruht in gewisser Weise auf einem ge­ setzgeberischen Unfall. Ohne dass jemals die Gründe für die Einführung eines derartig rigiden Regimes näher diskutiert worden wären und unter fragwürdi­ ger Einschätzung des Meinungsstandes im Schrifttum,436 schuf der Gesetzge­ ber eine Vorschrift, die angesichts diametral entgegengesetzter allgemeiner Prinzipien im Privatrecht dringend der Begründung bedarf. Im Ergebnis wurde eine Rechtsprechungslinie des Reichsgerichts fortgesetzt, die weitgehend argu­ mentationsfrei ein System perpetuierte, das auf der Möglichkeit umfassender staatlicher Kontrolle beruhte. Letztlich brachte die Judikatur im Vergleich zum Konzessionssystem sogar eine Verschärfung mit sich, weil sie statt der bloßen Gefahr gezielter staatlicher Eingriffe in die Gestaltungsfreiheit im Einzelfall den stets und pauschal von vornherein wirkenden Ausschluss der Privatautono­ mie begründete. Die Erfindung des mit §  23 Abs.  4 AktG 1965 eingeführten umfassenden Zwangsregimes war nicht die notwendige Folge der Aktienrechtsnovelle 1884. Zwar gibt es einerseits die Aussage zur „Technik des Gesetzes“.437 Andererseits findet sich jedoch die oben zitierten Hinweise auf die „autonomische Bestim­ mung“ und die „eigene[...] Sorgsamkeit der Betheiligten“.438 Zudem wurde das „enge“ Verständnis nicht normativ umgesetzt. Darüber hinaus sah man es of­ fenbar als notwendig an, jeweils im spezifischen Zusammenhang mit Einzelvor­ schriften zu begründen, warum keine Vertragsfreiheit gelten solle. Hätten die Gesetzesverfasser der Novelle des Jahres 1884 grundsätzlich Gestaltungszwang für das allgemeine Regelungsprinzip gehalten, hätten sie im Einzelfall begrün­ det, warum dennoch Gestaltungsspielraum zu gewähren sei. Das Prinzip der Satzungsstrenge stellt, was seine Konsequenzen angeht, eine Fortführung des Konzessionssystems mit anderen Mitteln dar. Während aber im Konzessionssystem wenigstens ansatzweise die Möglichkeit bestand, eine von den Gründern auf die Bedürfnisse ihres Unternehmens abgestimmte Ge­ sellschaftssatzung im Einzelfall zu genehmigen, so dass ein gewisser Spielraum zur Individualisierung verblieb, schert §  23 Abs.  5 AktG sämtliche Gesellschaf­ ten über einen Kamm.

436 Vgl. Spindler, in: Aktienrecht im Wandel II, S.  995, 1017. Einer Fehleinschätzung unter­ liegt im neueren Schrifttum auch Dittert, S.  92 f., der ohne jede Prüfung von Primärquellen aus der oben III. zitierten Passage der Begründung des Regierungsentwufs zum Aktiengesetz 1965 folgert, die Einfügung von §  25 Abs.  4 AktG 1965 sei Ausdruck der „herrschende[n] Lehrmeinung“ und habe „teilweise gegenläufigen Tendenzen der Rechtsprechung eine Absa­ ge […] erteilen“ sollen. Kritisch hierzu aus der älteren Literatur bereits Geßler, FS Luther, S.  69, 70 f. 437  Oben II.1. 438 Ebenda.

438 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen Im Ergebnis lässt sich aus der Gesetzgebungsgeschichte nichts für die Reich­ weite der Satzungsstrenge folgern. Selbst wenn man den Umkehrschluss des Reichsgerichts für methodisch valide hält und die Historie zum Ausgangspunkt des heutigen §  23 Abs.  5 AktG macht, lassen sich zwei Gesichtspunkte nicht verleugnen: Ihre Wirkung erhielt die Satzungsstrenge erst durch die Kombina­ tion mit der Einführung einer Vielzahl anderer, bis dato unbekannter Vor­ schriften im Aktiengesetz 1965. Zudem fehlt es in der historischen Entwicklung immer noch an einer teleologischen Begründung für die weitgehende zwingen­ de Wirkung des Aktienrechts.

§  5  Gestaltungskontrolle durch den Kapitalmarkt Seit längerem diskutieren Wissenschaftler über die Frage, ob jedenfalls bei bör­ sennotierten Gesellschaften der Kapitalmarkt als Kontrollinstanz ausreiche, so dass es der Strenge des §  23 Abs.  5 AktG nicht bedürfe.439 Die Debatte kreist dabei im Wesentlichen um die Allokationseffizienz, das heißt die „richtige“ Be­ wertung kursrelevanter Daten, ob also der korrekte Schluss, eine neue Informa­ tion sei preisrelevant, zu einem angemessenen korrespondierenden Maß an Preisänderung führt.440 Während die eine Seite darauf verweist, prinzipiell genüge der Zwang zur Offenlegung wesentlicher Informationen,441 damit die Marktpreismechanis­ men in Gang gesetzt werden, machen andere, verstärkt seit den Entwicklungen auf den Finanzmärkten seit 2008,442 auf die Defizite der Informationsverarbei­ tung an Kapitalmärkten aufmerksam und plädieren weiterhin für verhältnismä­

439 Zum älteren Schrifttum Hirte, in: Lutter/Wiedemann (Hrsg.), Gestaltungsfreiheit, S.  61, 74 ff. Aus neuerer Zeit Bak, S.  47 ff.; Bak/Bigus, ZBB 2006, 430 ff.; Hellgardt, FS Hopt, Band I, S.  765, 791 ff.; Spindler, AG 2008, 598, 601. 440  Adolff, Unternehmensbewertung, S.  84. Allokationseffizienz bezieht sich also auf das Maß des Einflusses von Informationen auf den Preis. Informationseffizienz betrifft dagegen die Frage, ob Informationen sich überhaupt im Preis niederschlagen. Instruktive Darstellung bei Adolff, aaO., S.  16 f. Bak betrachtet allein die Informationseffizienz des deutschen Kapital­ markts (ders., S.  55 ff.), so dass seine Ausführungen schon aus diesem Grund auf einer frag­ würdigen Basis beruhen. Zur Kategorisierung verschiedener denkbarer Stufen von Marktef­ fizienz („schwache“ Effizienz, „Semieffizienz“, „starke Effizienz“) grundlegend Fama, 25 J. Fin. 383 (1970). Ausführliche Diskussion der Effizienzthesen bei Adolff, Unternehmensbe­ wertung, S.  89 ff. 441 Etwa, mit unterschiedlich weittragenden Schlussfolgerungen im Einzelnen, Grunewald, NZG 2009, 967, 969; Hellgardt, FS Hopt, Band I, S.  765, 791; Report of the High Level Group of Company Law Experts on a Modern Regulatory Framework for Company Law in Europe vom 04.11.2002, S.  34 (abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/company/ docs/modern/report_en.pdf). 442 Deutlich Spindler, AG 2008, 599, 601, und allgemein ders., AG 2010, 601 ff., unter Ab­ kehr von seiner früher geäußerten Meinung (AG 1998, 53, 60 ff.).

A.  Satzungsstrenge in der Aktiengesellschaft

439

ßig strikte inhaltliche Gestaltungsvorgaben.443 Als Extremposition vertreten einige Autoren, es gebe überhaupt keine Rechtfertigung für inhaltlich zwingen­ des Aktienrecht, weil der Kapitalmarkt ausreichende Kontrolle gewährleiste, indem „schlechte“ Klauseln Preisabschläge nach sich zögen.444 Allein diese zuletzt genannte Meinung bedarf in der vorliegenden Arbeit nä­ herer Betrachtung. Wäre sie tragfähig, erschütterte dies nicht nur die Grundla­ gen des Aktienrechts. Darüber hinaus ergäbe sich die dogmatische Konsequenz, Abweichungen vom Gesetz in schuldrechtlichen Nebenabreden unabhängig vom Regelungsgegenstand für wirksam zu halten. Denn es gäbe keinen taugli­ chen Bezugspunkt mehr, Begrenzungen schuldvertraglicher Vereinbarungen zu legitimieren. Die Unwirksamkeit schuldrechtlicher Abreden ließe sich nur noch mit allgemein-privatrechtlichen Erwägungen begründen, die nicht mehr ohne Weiteres an spezifisch (kapital-)gesellschaftsrechtliche Konflikte anschließen dürften. Eine Stellungnahme zu der angesprochenen Problematik hat zwei Aspekte zu berücksichtigen: Zum einen stellt sich die – vorgelagerte –Frage, ob die Kon­ trolle durch den Kapitalmarkt bei Annahme von (mindestens) Semieffizienz überhaupt ausreichte.445 Das wäre nur der Fall, wenn diejenigen, die schlechte Regelungen träfen, die (monetären) Folgen schlechterer Bewertungen zu tragen hätten (dazu II.). Zum anderen bedarf die eingangs skizzierte Extremposition unter dem Gesichtspunkt näherer Betrachtung, ob es überzeugt, jegliche Regu­ lierung mit Blick auf den Preismechanismus an den Kapitalmärkten abzulehnen (III.). Abschnitt IV. fasst die Ergebnisse zusammen und zieht Folgerungen für das Problem der Gestaltungsfreiheit im Kapitalgesellschaftsrecht, um so die Basis für die Bewertung des Vorschlags zu errichten, nach dem §  23 Abs.  5 AktG für börsennotierte Gesellschaften teleologisch zu reduzieren sei (V.). Vorab ist allerdings dem Argument nachzugehen, ohne zwingende Regulie­ rung seien zumindest Privatanleger überfordert, weil diese nicht die Kompe­ tenz hätten, sich die notwendigen Informationen zu beschaffen und diese aus­ zuwerten (sogleich I.).446

I.  Zur Auswirkung fehlender Kompetenz von Privatanlegern Die Notwendigkeit zwingender Vorschriften zum Schutz der Anleger wird bei börsennotierten Gesellschaften häufig damit begründet, die Anleger verfügten 443 Etwa Bayer, Gutachten 67. DJT, E 84. Insoweit zurückhaltender Spindler, AG 2008, 599, 601. 444  Bak, S.  47 ff. und passim; Bak/Bigus, ZBB 2006, 430 ff. 445  Semi-Effizienz bedeutet, dass sämtliche öffentlich verfügbaren Informationen einge­ preist sind und neu veröffentlichte Daten sich sofort im Preis niederschlagen, siehe Fama, 25 J. Fin. 383, 383, 404 ff. (1970). 446  Nachweise sogleich unten im Text.

440 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen in der Regel nicht über ausreichende Erfahrung bei der Auswertung kapital­ marktrelevanter Informationen, hätten bereits an der Informationsbeschaffung kein ausreichendes Interesse und seien daher nicht in der Lage, sinnvolle Inves­ titionsentscheidungen zu treffen.447 Ihnen würde mit einer Abkehr von §  23 Abs.  5 AktG zugemutet, vor jeder Anlageentscheidung die Satzung einzusehen, um eine Bewertung vornehmen zu können.448 Dem hält ein großer Teil der Literatur zu Recht entgegen, dass es auf den einzelnen Anleger, insbesondere den Privatanleger, nicht ankommt: Selbst wenn nicht jeder Anleger individuell korrekt zu bewerten vermag, garantiert doch die Teilnahme professioneller Akteure auf den Kapitalmärkten wie Ana­ lysten, Investmentbanken und Wirtschaftsprüfer, dass neue Informationen er­ fasst, verbreitet und ausgewertet werden.449 Kennzeichen eines funktionieren­ den Preisbildungsmechanismus ist, dass der Durchschnitt der Einschätzung sämtlicher Marktteilnehmer der korrekten Bewertung näher kommt als die Einschätzung individueller Marktteilnehmer.450 Aus diesem Grund ist es nicht notwendig, dass der einzelne Anleger jeweils für sich die Satzung der Gesell­ schaft einsieht, deren Anteile er erwerben möchte.451 Damit steht allerdings zunächst nur fest, dass insoweit kein Argument für weitgehenden inhaltlichen Gestaltungszwang begründet werden kann. Für die eingangs präsentierte Extremmeinung, es bedürfe überhaupt keiner zwingen­ den Regeln, weil der Markt stets „richtig“ bepreise, ist nichts entschieden.

II.  Effektivität des Kapitalmarkts als Kontrollinstanz Wer die Effektivität des Kapitalmarkts als Kontrollinstanz im hier relevanten Zusammenhang erörtern möchte, muss sich zunächst vor Augen führen, wel­ ches Regelungsproblem besteht und unter welchen Voraussetzungen der Kapi­ talmarkt seine Aufgabe erfüllen kann. Das Regelungsproblem, um das es geht, wurde aus ökonomischer Sicht be­ reits 1976 von Jensen und Meckling beschrieben452 und stellt eines der Grund­ probleme des Konzernrechts dar: Veräußern die Gründer einer Gesellschaft 447  Im Zusammenhang mit der Satzungsstrenge Bayer, Gutachten 67. DJT, E 84. Im Zu­ sammenhang mit zwingenden Informationspflichten Hopt, Kapitalanlegerschutz, S.  89 ff.; Mülbert, Unternehmensgruppe, S.  112. Nach wie vor verwendbarer Überblick über den Mei­ nungsstand bei Hirte, in: Lutter/Wiedemann (Hrsg.), Gestaltungsfreiheit, S.  61, 72 ff. 448  Aus jüngerer Zeit C.Schäfer, NJW 2008, 2536, 2539. 449 Etwa Bak/Bigus, ZBB 2006, 430, 431; Eidenmüller, JZ 2001, 1041, 1046; Grunewald, NZG 2009, 967, 969; Hellgardt, FS Hopt, Band I, S.  765, 791; Spindler, AG 1998, 53, 61. Zur Preiskorrektur durch Arbitrage Bak/Bigus aaO. 450  Hellgardt, FS Hopt, Band I, S.  765, 791. 451  So gegen C.Schäfer NJW 2008, 2536, 2539, bereits Grunewald, NZG 2009, 967, 969 mit Fußnote 27. 452  Jensen/Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305, 312 (1976).

A.  Satzungsstrenge in der Aktiengesellschaft

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einige Anteile an Außenseiter, ohne die Mehrheit aufzugeben, oder erwerben Anleger neue Anteile aus einer Kapitalerhöhung, ergibt sich im Zuge des ent­ stehenden Mehrheits-Minderheits-Verhältnisses ein Fehlanreiz für Mehrheits­ eigner-Insider. Aufgrund ihres faktischen und rechtlichen Einflusses auf die Unternehmensgeschicke453 ergibt sich für sie die Möglichkeit, Vorteile zu ver­ einnahmen, die über die ihnen aus der Mitgliedschaft folgenden Partizipations­ rechte hinausgehen, vor allem bei gleichzeitiger Beteiligung an der Unterneh­ mensleitung. Die Nachteile solcher Maßnahmen tragen sie allerdings nicht in vollem Umfang, weil die Reduktion des Unternehmenswertes und des Dividen­ denausschüttungspotentials, die Folge der Vorteilsvereinnahmung sind, auch die Außenseiter treffen. Das gilt insbesondere, wenn die Rechte der außenste­ henden Anteilseigner „schlecht“ gestaltet sind, also keine ausreichende Kon­ trolle der Insider und des Managements gewährleisten. Ein Weg, dieses Risiko zu kompensieren, besteht aus Sicht von Anteilserwerbern darin, einen Preisab­ schlag vorzunehmen.454 Für die Mehrheitseigner-Insider erhöht das die eigenen Kosten, weil sie entweder (mittelbar) darunter leiden, dass bei einer Kapitaler­ höhung die Kapitalzuflüsse geringer ausfallen, oder weil sie ihre Anteile auf dem Sekundärmarkt nur zu niedrigeren Preisen veräußern können.455 Dass die­ ses Verhalten einen wirksamen Kontrapunkt zu dem beschriebenen Fehlanreiz bildet, setzt freilich voraus, dass Preisabschläge diejenigen, die für die „schlech­ ten“ Klauseln verantwortlich sind, überhaupt treffen. Und genau hier liegt ein wesentliches Problem. Denn vielfach werden Abwertungen den Vorteil, den sich die Unternehmensinsider verschaffen, nicht vollständig kompensieren.456 Ein Beispiel:457 Ein Gründer, der zugleich Geschäftsleiter ist, verfügt über eine Million Anteile im Wert von einer Million Euro. Die Satzung enthält eine ob­ jektiv „schlechte“ Klausel, die etwa seine Absetzung schwieriger macht oder ihm Anteilsoptionen zu besonders günstigen, nicht marktgerechten Konditio­ nen sichert. Fiele nun die Bewertung der Anteile bei „besseren“ Klauseln um 100% höher aus, ist damit kaum etwas gewonnen, wenn aus Sicht des Gründers der Wert des Amts oder das Gewinnpotential der Optionen für ihn persönlich einen größeren Wert als eine Million Euro hat. Noch problematischer sind Satzungsbestimmungen, deren Auswirkungen sich die Satzungsgestalter sofort zunutze machen können, etwa in Form von sofort fälligen und auszahlbaren Ausschüttungen, wenn gleichzeitig oder kurz danach die Anteilsveräußerung noch zu „alten Preisen“ möglich ist. 453  Sie haben Kenntnis oder jedenfalls bessere Kenntnis von den Verhältnissen im Unter­ nehmen und können kraft Stimmenmehrheit die maßgeblichen Entscheidungen in ihrem Sin­ ne beeinflussen. 454  Jensen/Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305, 313, 323 f. (1976). Dass ein solcher Preisabschlag eintritt, ist allerdings nicht garantiert, siehe Bebchuk, 102 Harv. L. Rev. 1820, 1838 f. (1989). 455 Vgl. Jensen/Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305, 313 (1976). 456 Vgl. Bebchuk, 102 Harv. L. Rev. 1820, 1842 f. (1989). 457  Angelehnt an das Beispiel bei Bebchuk, 102 Harv. L. Rev. 1820, 1842 (1989).

442 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen Das bedeutet im Ergebnis, dass sogar informationseffiziente Kapitalmärkte keine ausreichende Kontrolle „schlechter“ Klauseln gewährleisten. Selbst wenn es zu Abwertungen kommt und der Preis die Qualität von Satzungsbestandtei­ len widerspiegelt, erwächst hieraus nicht automatisch ein Gegengewicht zum (Fehl-)Anreiz für Insider, solche Bestimmungen in Kraft zu setzen, die objektiv betrachtet der guten Unternehmensführung nicht dienlich sind.

III.  Das Problem „richtiger“ Preise Gegen jegliche zwingende Regulierung soll sprechen, dass „Informationen über Satzungen relativ kostengünstig zu besorgen und zu interpretieren“ seien, weil es „sich nicht um Prognosen, sondern um feste Rechtsfakten“ handele.458 Der Kapitalmarkt könne die Informationen über rechtliche Aspekte der Satzungs­ gestaltung aufgrund ihrer einfachen Verfügbarkeit „deutlich besser verarbei­ ten“ als etwa Informationen über Patente.459 Abgesehen von der Frage, was „fes­ te Rechtsfakten“ sein sollen, ist über das bereits unter II. beschriebene Problem der unter Umständen fehlenden Anreizwirkung des Preismechanismus hinaus in Rechnung zu stellen, dass der Kapitalmarkt nur dann eine ausreichende Ge­ staltungskontrolle bietet, wenn er Informationen stets und „richtig“ bewertet. Genau hier haben sich in den letzten Jahren Defizite gezeigt, die Anlass bieten, die Rolle des Kapitalmarkts mit einer gewissen Vorsicht zu interpretieren.460 Es gibt Hinweise darauf, dass selbst in den USA jedenfalls bezogen auf Merger Agreements Preisreaktionen ausbleiben.461 Die Autoren einer auf den deutschen Kapitalmarkt bezogenen empirischen Studie, die Prognosen von Finanzanalysten aus der Zeit von Januar 1995 bis März 2004 untersuchten, kommen zu dem Ergebnis, dass die Vorhersagen „im Durchschnitt ungenau und positiv verzerrt“ waren.462 Wenig überraschend „nimmt die Prognosegenauigkeit mit zunehmendem Prognosehorizont ab.“463 Je volatiler die Aktienmärkte waren, desto ungenauer waren die Prognosen.464 458 So

Bak/Bigus, ZBB 2006, 430, 440. Bak/Bigus, ZBB 2006, 430, 439. 460  Für einen ersten Einblick in die ökonomische Debatte lesenswert Andrew W. Lo, in: Steven N. Durlauf/Lawrence E. Blume (eds.), The New Palgrave Dictionary of Economics, 2nd Edition 2008, Stichwort „efficient market hypothesis“. Aus rechtswissenschaftlicher Sicht etwa Adolff, Unternehmensbewertung, S.  96 ff., 101 ff., Gesamturteil auf S.  129 f., mit ausführlicher Darstellung und Diskussion der Literatur; Spindler, AG 2008, 599, 601, und allgemein ders. AG 2010, 601 ff. Kaum nachvollziehbar ist der Ansatz von Bak/Bigus, ZBB 2006, 430, 440, auf Studien zur Lage in den USA zu verweisen, um hieraus Argumente gegen deutsche Autoren abzuleiten, die höchstens schwache Effizienz des deutschen Kapitalmark­ tes annehmen. 461  Manns/Anderson IV, 98 Cornell L. Rev. 1143 (2013). 462  Bessler/Stanzel, Kredit und Kapital 40 (2007), 89, 123. 463  Bessler/Stanzel, Kredit und Kapital 40 (2007), 89, 102 ff., Zitat auf S.  123. 464  Bessler/Stanzel, Kredit und Kapital 40 (2007), 89, 105 f. 459 

A.  Satzungsstrenge in der Aktiengesellschaft

443

Gründe für solche Fehleinschätzungen sind unter anderem Überoptimismus und Überreaktionen auf neue Informationen.465 Auch hinsichtlich des US-Kapitalmarkts, dem Vorbild der Vertreter der kapi­ talmarktbasierten Kritik am zwingenden Aktienrecht,466 gibt es Zweifel.467 So ist etwa die Aussagekraft von Dividendenänderungen hinsichtlich der Profita­ bilität eines Unternehmens in der Zukunft eher vorsichtig zu bewerten.468 Wäh­ rend der Theorie nach Dividendenerhöhungen bessere Aussichten signalisieren, lassen sich empirisch hierfür nahezu keine Belege finden.469 Die im Journal of Economic Perspectives von Richard Thaler publizierte „Anomalies“-Reihe wies verhältnismäßig früh470 auf verschiedene Phänomene hin, die mit der klas­ sischen Theorie nur schwierig übereins zu bringen sind. Es gibt etliche weitere Belege, bei denen fraglich erscheint, was aus ihnen für die Efficient Market Hy­ pothesis folgt.471 Abgesehen von diesen Schwierigkeiten ist ein ganz anderes, grundsätzliches Problem ungelöst: Bei genauerer Betrachtung der Effizenzmarkthypothese und ihrer Verwendung in der ökonomischen Theorie stellt sich die Frage, ob in ihrer Heranziehung für die (De-)Legitimation zwingenden Gesellschaftsrechts nicht zugleich eine Überforderung liegt. Das wird bei Lektüre der ersten Beiträge zur Effizienzmarkthypothese klarer: Ursprung der Überlegungen zu effizienten Märkten war die Frage, ob sich Preisentwicklungen vorhersagen lassen. So schrieb etwa Paul Samuelson in der Einleitung seines 1965 erschienenen Beitrags, der die Hypothese – wenn auch nicht mit ihrer heute bekannten Bezeichnung – 472 das erste Mal formal entwi­ ckelte:473 „By positing a rather general stochastic model of price change, I shall deduce a fairly sweeping theorem in which next period’s price differences are shown to be uncorrelated with (if not completely independent of) previous period’s price differences.”

465 

Bessler/Stanzel, Kredit und Kapital 40 (2007), 89, 116 ff. Statt aller Bak, S.  29 ff. 467  Ganz grundsätzlich Manns/Anderson IV, 98 Cornell L. Rev. 1143 (2013). 468  Empirische Studie in Auseinandersetzung mit älterem Schrifttum Grullon/Michaely/ Benartzi/Thaler, 78 J. Bus. 1659 (2005). Diese Studie betrifft zwar den US-Kapitalmarkt. Dass der deutsche Markt insoweit effizienter wäre, ist wohl auszuschließen. 469  S.  G rullon/Michaely/Benartzi/Thaler, 78 J. Bus. 1659 (2005); Skinner/Soltes, 16 Rev. Acc. Stud. 1, 21 (2011): „[...] there is little evidence that the magnitude of payouts matters for earnings quality.“ 470  Beginnend mit Richard H. Thaler, Seasonal Movements in Security Prices I: The Janu­ ary Effect, 1 J. Econ. Perspectives 197 (1987). 471  Verwiesen sei wiederum als Ausgangspunkt auf den Beitrag von Lo im New Palgrave Dictionary of Economics (oben Fußnote 460). 472  Diese wurde erstmals eingeführt von Fama, 21 Fin. Analysts J. 55, 56 (1965). 473  Samuelson, 6 Ind. Man. Rev. 41, 42 (1965). 466 

444 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen Ähnliche Ansätze verfolgten sämtliche der frühen Beiträge.474 Zwar haben einige Ökonomen zu Beginn (und längere Zeit) als Teil der Hypothese angese­ hen, in einem effizienten Markt entspreche der Preis dem „wahren“ Wert des Gegenstandes.475 Doch dürfte dies heute nicht mehr in dieser Weise gelten, je­ denfalls nicht mehr der communis opinio in der Ökonomie entsprechen.476 Dann aber kann der Preisbildungsmechanismus als solcher allenfalls ergänzend, nicht aber exklusiv zur Kontrolle von Satzungsklauseln dienen. Die vor nunmehr mehr als vier Jahrzehnten geäußerten Einschränkungen sowie Bedenken von Samuelson zur Effizienzmarktthese sind immer noch lesenswert und gültig:477 „One should not read too much into the established theorem. It does not prove that ac­ tual competitive markets work well. It does not say that speculation is a good thing or that randomness of price changes would be a good thing. It does not prove that anyone who makes money in speculation is ipso facto deserving of the gain or even that he has accomplished something good for society or for anyone but himself. All or none of these may be true, but that would require a different investigation. I have not here discussed where the basic probability distributions are supposed to come from. In whose minds are they ex ante? Is there any ex post validation of them? Are they supposed to belong to the market as a whole? And what does that mean? Are they supposed to belong to the “representative individual,” and who is he? Are they some defensible or necessitous compromise of divergent expectation patterns? Do price quo­ tations somehow produce Pareto-optimal configuration of ex ante subjective probabili­ ties?”

IV. Folgerungen Mancher mag einwenden, die Relevanz und Aussagekraft der oben genannten und anderer Studien sei unklar, die Debatte in den Wirtschaftswissenschaften sei noch lange nicht beendet. Ob und wie die verschiedenen Defizite in Über­ einstimmung oder Widerspruch zur klassischen ökonomischen Effizienz­ markthese stehen, kann hier jedoch offenbleiben. Denn jedenfalls lässt sich mit etwas Abstand konstatieren, dass der Preismechanismus zumindest nicht so effizient funktioniert, dass jegliche Regulierung überflüssig wäre. Gegen eine solche Sichtweise wird argumentiert, der Gesetzgeber unterliege den gleichen Beschränkungen wie die Marktteilnehmer, was die Bewertung „guter“ und „schlechter“ Klauseln sowie Probleme angehe, Auswirkungen von

474  Siehe, mit unterschiedlichen Problemstellungen, die grundlegenden Beiträge von Fama, 21 Fin. Analysts J. 55 (1965), und Samuelson, 6. Ind. Man. Rev. 41 (1965). 475 Bekannt: Fama, 21 Fin. Analysts J. 55, 56 (1965): “In other words, in an efficient market at any point in time the actual price of a security will be a good estimate of its intrinsic value.“ 476  Vgl. wiederum Lo, in: New Palgrave Dictionary of Economics (Fußnote 460), unter „The current state of the EMH“. 477  Samuelson, 6 Ind. Man. Rev. 41, 48 f. (1965), Kursivsetzungen im Original.

A.  Satzungsstrenge in der Aktiengesellschaft

445

Regulierungsmaßnahmen einzuschätzen.478 Dann aber sei es besser, wenn der Gesetzgeber nicht tätig werde.479 Abgesehen davon, dass sich so ein nahezu an­ archisches Staatssystem begründen ließe, ist zweifelhaft, ob bei einem aner­ kannten Regelungsbedürfnis, bei dem allein die Qualifikation der potentiellen Regelgeber, nicht aber das Regelungsbedürfnis in Frage steht, die Lösung darin bestehen kann, am Ende überhaupt keine Regel zu setzen. Die Verfechter dieses Ansatzes unterschätzen die Möglichkeit, differenzierte Formen der Regulie­ rung zu nutzen. Nicht jede zwingende Vorschrift verbietet oder gebietet von vornherein ein konkretes Verhalten oder eine spezifische Gestaltung. Gerade für nur schwierig einzuschätzende Entwicklungen eignen sich flexible Stan­ dards, die lediglich eine ausfüllungsbedürftige Grundregel aufstellen, etwa die Treuepflicht.480 Damit bleibt es bei einem Befund, der demjenigen zum Standardisierungsar­ gument ähnelt: Es gibt kein „großes“, allentscheidendes Argument für oder ge­ gen zwingende gesetzlichen Regeln. Maßgeblich für die Bestimmung der kon­ kreten Grenzen der Gestaltungsfreiheit muss sein, ob die Notwendigkeit be­ steht, spezifischen Problemen im Einzelfall durch gesetzgeberisches Einschreiten entgegenzuwirken. Das setzt allerdings empirische Vorarbeiten voraus, die derzeit nicht existie­ ren. Die Debatte kreiste zu lange um die allgemeine Frage, ob überhaupt regu­ liert werden sollte oder nicht. Nun ist es an der Zeit, Studien zu konkreten Ge­ staltungen durchzuführen. Bevor keine solche Datengrundlage besteht, ist es kaum sinnvoll möglich, unter Hinweis auf den Preismechanismus am Kapital­ markt die Notwendigkeit spezifischer kapitalgesellschaftsrechtlicher Normen zu begründen oder in Abrede zu stellen.

V.  Exkurs: Keine teleologische Reduktion von §  23 Abs.  5 AktG Ein Teil der Literatur schlägt unter Verweis auf die Wirkungen des Preisbil­ dungsmechanismus am Kapitalmarkt vor, §  23 Abs.  5 AktG für die börsenno­ tierte Aktiengesellschaft teleologisch zu reduzieren, weil insoweit der Kapital­ markt Kontrollaufgaben übernehme.481 Ersetzt werden solle §  23 Abs.  5 AktG durch eine Kontrolle, die dem Modell der §§  305 ff. BGB entspreche, um Abwei­ chungen vom Gesetz zu bewerten.482 478 

S.  19.

479 

Bak, S.  47 f.; Bak/Bigus, ZBB 2006, 430, 439; Easterbrook/Fischel, Economic Structure,

Bak/Bigus, ZBB 2006, 430, 439 f. Dazu noch B. §  3 V. 481  Hirte, in: Lutter/Wiedemann (Hrsg.), Gestaltungsfreiheit, S.   61, 81 ff. Zustimmend Hey, Freie Gestaltung, S.  181. 482  Hirte, in: Lutter/Wiedemann (Hrsg.), Gestaltungsfreiheit, S.  61, 87 ff. Kritisch hierzu Hey, Freie Gestaltung, S.  183. 480 

446 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen Das überzeugt indes aus zwei Gründen nicht: Aus methodischer Sicht lässt sich ein solch systemumstürzender Vorschlag nur vom Gesetzgeber vollziehen. Es geht nicht mehr nur um Randkorrekturen bei einzelnen Normen oder um eine Zweifelsregel, wie sie denjenigen vorschwebt, die eine restriktive Ausle­ gung von §  23 Abs.  5 AktG befürworten.483 Eine derart wesentliche Entschei­ dung liegt außerhalb der Reichweite der Rechtsfortbildung. Weiterhin erscheint die Tragweite des Vorschlags angesichts der Schwächen des Preisbildungsme­ chanismus zu weit. Ob etwa Gläubigerschutznormen und der gesamte Minder­ heitenschutz grundsätzlich abdingbar sein sollten, ist zweifelhaft.484 So spricht zwar Einiges für eine Lockerung des gesetzlichen Rahmens. Doch bedarf es sorgfältiger Abwägung hinsichtlich jedes Regelungsproblems, welcher Regulie­ rungsstärke sich der Gesetzgeber bedienen sollte.

§  6  Kein Seriositätsabstand zur Gesellschaft mit beschränkter Haftung Die Satzungsstrenge für die nicht börsennotierte Aktiengesellschaft damit zu begründen, ihre Abschaffung ebne angesichts der vermuteten Reaktion der Ge­ staltungspraxis die Unterschiede zwischen dieser Gesellschaftsform und der Gesellschaft mit beschränkter Haftung ein, so dass das dreistufige System bör­ sennotierte Aktiengesellschaft, nicht börsennotierte Aktiengesellschaft und Gesellschaft mit beschränkter Haftung „materiell entwertet und formal in Fra­ ge gestellt“ würde,485 vermag nicht zu überzeugen.486 Haben die existierenden „unterschiedlichen Zielgruppen“, auf die das Schrift­ tum verweist,487 kein Interesse daran, die mit Hilfe des Gesetzes zur Verfügung gestellten Grundmodelle in ihrer Unterschiedlichkeit in Anspruch zu nehmen, ist nicht nachvollziehbar, wieso ihnen die Divergenz aufgezwungen werden 483 Etwa Hopt, in: Lutter/Wiedemann (Hrsg.), Gestaltungsfreiheit, S.   123, 145. Wenig überzeugend ist die Ansicht von Hey, Freie Gestaltung, S.  181 mit Fußnote 165, restriktive Auslegung und teleologische Reduktion lägen nicht weit auseinander. Für §  23 Abs.  5 AktG und den im Text diskutierten Vorschlag stimmt das nicht. Es ist eine Sache, die Grundregel zu akzeptieren und im Zweifel für Gestaltungsfreiheit zu plädieren, eine ganz andere, überhaupt keine Zwangswirkung mehr anzuerkennen. 484  Für eine Zwangswirkung insoweit Fleischer, ZHR 168 (2004), 673, 691. 485  Bayer, Gutachten 67. DJT, E 97, der allerdings für mehr Ausnahmen bei der nicht bör­ sennotierten Aktiengesellschaft plädiert. Noch deutlicher ders., FS Hopt, Band I, S.  373, 388: Deregulierungen bei nicht börsennotierten Aktiengesellschaften seien „das Gebot der Stun­ de“. Die Lockerungen sollen aber nur „punktuell[...]“ sein. Für eine Aufrechterhaltung einer deutlichen Dreiteilung auch C. Schäfer, NJW 2008, 2536, 2539. Ähnlich Bendfeld, S.  49, aller­ dings nicht unter Bezugnahme auf ein dreiteiliges System, sondern generell bezogen auf die Unterschiede zwischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Aktiengesellschaft. 486  Im Ergebnis ebenso Spindler, AG 2008, 598, 602; Windbichler, JZ 2008, 840, 844. 487  Bayer, Gutachten 67. DJT E 97.

A.  Satzungsstrenge in der Aktiengesellschaft

447

soll.488 Im Gegenteil gilt hier das, was schon seit längerem zu Gunsten einer Deregulierung der „kleinen“ Aktiengesellschaft ins Feld geführt wird:489 Es kommt zu einer „statischen Verkrustung“,490 zudem fehlt es an ausreichenden Möglichkeiten, sich Veränderungen der wirtschaftlichen Umwelt anzupassen. Führen die Marktteilnehmer selbst die Vereinheitlichung der Modelle nicht börsennotierter Gesellschaftsformen herbei, ist zudem zweifelhaft, ob sicherge­ stellt werden muss, „dass die (nichtbörsennotierte [sic!]) AG gegenüber der GmbH ein Mehr an „Ansehen“ und „Seriosität“ behält“.491 Denn die Gesell­ schafter, derzeitige und künftige, halten, sollten die Unterschiede zwischen nicht börsennotierter Aktiengesellschaft und Gesellschaft mit beschränkter Haftung tatsächlich schwinden, eine effizient gestaltete Rechtsform offenbar für wichtiger und betrachten sie als hinreichend „seriös“. In der Literatur wurde bereits vor Jahren darauf hingewiesen, das Festhalten an der starren Regulie­ rung auch der nicht börsennotierten Aktiengesellschaft führe dazu, „die „Klei­ ne AG“ mit [dem] zersetzenden Mißtrauen eines preußischen Oberstaatsan­ walts [zu] durchtränken“.492 Die Erschwerung des Börsenganges, weil die nicht börsennotierte Aktienge­ sellschaft ihrer börsennotierten Schwester nicht mehr hinreichend ähnele,493 ändert die argumentative Situation nicht. Ob die Anzahl der Börsengänge in den Vereinigten Staaten sich deutlich erhöhte, unterwürfe das dortige Recht nicht kapitalmarktorientierte Gesellschaften einer starren Regulierung deut­ scher Art, ist fraglich. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass bei der sachlich gebotenen Lockerung des §  23 Abs.  5 AktG für die börsennotierte Aktienge­ sellschaft der Schock des Übergangs vom Stadium der Börsenferne hin zum Börsengang kleiner wäre, weil es weniger starker Anpassungen der Satzung be­ dürfte.

488 Ähnlich

Spindler, AG 2008, 598, 603; Windbichler, JZ 2008, 840, 844. Hommelhoff, AG 1995, 529, 531. 490  Auch für die börsennotierte Aktiengesellschaft in diesem Sinne Mertens, ZGR 1994, 426, 431. 491  So das Argument von Bayer, Gutachten 67. DJT, E 97; ähnlich C. Schäfer, NJW 2008, 2536, 2539. Dagegen Spindler, AG 2008, 598, 604. 492  Hommelhoff, AG 1995, 529, 531. 493  Bayer, Gutachten 67. DJT, E 97. 489 

B.  Rechtsformübergreifende Wertungen Existieren keine Wertungen, die spezifisch für die Aktiengesellschaft umfassen­ den Gestaltungszwang rechtfertigen, bleiben noch rechtsformübergreifende Gesichtspunkte zu würdigen. Möglicherweise gibt es Argumente für die Ein­ schränkung von Privatautonomie im Kapitalgesellschaftsrecht, die nichts mit der konkreten Gestalt der Korporation zu tun haben, sondern immer zu be­ rücksichtigen sind. In Betracht kommen der Gesellschafterschutz (§  1), soweit es nicht um Anlegerschutz geht,494 die Aufgabe des Gesellschaftsrechts, Gestal­ tung zu ermöglichen und zu vereinfachen (§  2), sowie der Funktionenschutz (§  3).

§  1  Gesellschafterschutz Nachdem sich weder das Argument der Notwendigkeit gesetzlich erzwungener Standardisierung noch der Verweis auf den Kapitalmarkt als tauglich erwiesen haben, Lösungsansätze für die Analyse konkreter Probleme bei der Gestaltung von Kapitalgesellschaften herauszubilden, wendet sich das folgende Kapitel ei­ nem Gesichtspunkt zu, der traditionell einen der Schwerpunkte der Debatte um Schranken der Privatautonomie im Kapitalgesellschaftsrecht bildet: Der Gesell­ schafterschutz.495 Nach einer kurzen Darstellung der Regelungsprobleme (I.) und grundlegen­ der Lösungsstrategien (II.) rücken Möglichkeiten und Grenzen des Selbstschut­ zes (III.) in den Fokus.

I.  Regelungsprobleme des Gesellschafterschutzes Der Schutz der Gesellschafter ist wesentlicher Regelungsgegenstand des Kapi­ tal­gesellschaftsrechts und seit langem Objekt der wissenschaftlichen Diskus­ sion. Aufgrund der Mechanismen der Drittorganschaft sowie infolge des Mehr­ heitsprinzips stellen sich besondere Regelungsprobleme, die so weder im allge­ 494 

Dazu bereits oben A. §  3. Begründung dieser Themenbeschränkung und des damit verbundenen Ausklam­ merns von Gläubigerinteressen und Fragen der unternehmerischen Arbeitnehmermitbestim­ mung Einleitung A. §  4. 495  Zur

B.  Rechtsformübergreifende Wertungen

449

meinen Vertragsrecht noch bei (gesetzestypischen) Personengesellschaften auftreten. Da das Thema des Gesellschafterschutzes nicht neu ist, bedarf es hier keiner umfassenden Darstellung in allen Facetten unter Ausweis des gesamten Schrift­ tums.496 Vielmehr ist Sinn dieses Abschnitts eine einleitende Skizze. Es ist not­ wendig, die Grundlagen darzustellen, um eine Basis für die Diskussion der konkreten Gestaltungsfragen zu erarbeiten. Anderenfalls bestünde die Gefahr, im Zusammenhang mit den Spezialproblemen den Eindruck zu erwecken, Wer­ tungsprinzipien quasi aus dem Nichts zu gewinnen, deren Einbettung in den allgemeinen Rahmen der Regulierung von Kapitalgesellschaften unklar bliebe. Dazu werden zunächst die Probleme der Organkontrolle bei der Drittorgan­ schaft (1.) betrachtet, danach (2.) das Verhältnis der Gesellschafter untereinan­ der.

1.  Drittorganschaft und Kontrolle des Organs Im Gegensatz zu herkömmlichen vertraglichen Austauschbeziehungen ist das Verhältnis zwischen den Gesellschaftern und der Geschäftsleitung einer Kapi­ tal­gesellschaft im Wesentlichen offen gestaltet.497 Die genaue Eingrenzung von Pflichten ist unmöglich, so dass es im Wesentlichen auf Verfahrensregeln und abstrakte Verhaltensstandards ankommt.498 Dieses Problem wirkt sich gravierend aus, weil, anders als bei einem typi­ schen Dienst- oder Arbeitsvertrag, in der Regel noch nicht einmal der Leis­ tungsgegenstand genau beschrieben werden kann.499 Der Gesellschaftszweck entfaltet zwar eine gewisse Steuerungswirkung, indem er eine bestimmte Rich­ tung vorgibt.500 Doch angesichts der in der Praxis vorzufindenen eher großzü­ gigen Beschreibungen à la „Betrieb eines Handelsgeschäfts“ ist der Einhegungs­ effekt begrenzt. 496 Umfassend Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, §§  7 – 9 (S.  357 ff.); aus neuerer Zeit in rechtsvergleichender Perspektive Armour/Hansmann/Kraakman, in: Anatomy, S.   35  ff. (Agency-Probleme); Enriques/Hansmann/Kraakman, in: Anatomy, S.  55 ff. (Anteilseigner in ihrer Gesamtheit) und S.  89 ff. (Minderheitenschutz, Arbeitnehmerschutz); Hertig/Kraakman/Rock, in: Anatomy, S.  275 ff. (Anlegerschutz). Für geschlossene Kapitalgesellschaften Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln, S.  25 ff., S.  75 ff. Zum Min­ derheitenschutz zuletzt umfassend Hofmann, Minderheitsschutz, 2011. 497  Cooter/Freedman, 66 N.Y.U. L. Rev. 1045, 1051 (1991); Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S.  9 0 f.; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 91 f.; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen, S.  211. 498  Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S.  91; Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln, S.  80; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 92; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen, S.  211. Plastisch Easterbrook/Fischel aaO. zur Beschreibung des Pflichtenpro­ gramms eines Managers: „The only promise that makes sense in such an open-ended relati­ onship is to work hard and honestly.“ 499  Cahn, FS Wiese, S.  71, 79. 500  Lutter, AcP 180 (1980), 84, 90.

450 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen Die Geschäftsleitung hat es weitgehend in der Hand, neue Geschäftsfelder zu betreten, alte Tätigkeiten zu beenden und die Organisation des von der Gesell­ schaft getragenenen Unternehmens in wirtschaftlich relevanter Weise zu verän­ dern. Weisungen an die Geschäftsleitung dienen in erster Linie der konkreten Beschränkung im Einzelfall. Im Ergebnis führt dies zu einem der bekanntesten Regelungsprobleme in Ka­ pitalgesellschaften, nämlich zum – so inzwischen auch in der überwiegenden Zahl juristischer Beiträge so bezeichneten – Agency-Problem:501 Da die Gesell­ schafter nicht kraft ihrer Mitgliedschaft an der Geschäftsführung teilhaben und dem von der Gesellschaft getragenen Unternehmen vor allem in der Aktienge­ sellschaft bereits dem Konzept nach eher fern stehen, haben sie keinen vollstän­ digen Einblick in die Tätigkeit der Geschäftsleitung. Die daraus resultierenden Kontrollprobleme sind bekannt und hier nicht weiter auszuführen.502

2. Gesellschafterkonflikte Auf der Gesellschafterebene gilt ebenfalls, dass es keine klar definierten Grund­ lagen für das gemeinsame Handeln gibt.503 Das Mehrheitsprinzip führt dazu, dass der im allgemeinen Vertragsrecht durch das Erfordernis eines Konsenses gewährleistete Schutz verloren geht.504 In jeder Hinsicht bestehen Möglichkei­ ten zur Beeinflussung der Verhältnisse Anderer.505 Auch die Minderheit506 kann durch Blockade auf die Mehrheit einwirken.507 Die allgemeinen privatrechtli­ chen Kontrollinstrumente fangen diese Probleme nicht vollständig auf.508 Wäh­ rend die Geschäftsleitung bei Missfallen abgesetzt werden darf, wenn sie gegen das Kollektivinteresse der Gesellschafter handelt, scheidet diese Lösung bei Ge­ sellschafterkonflikten häufig aus. Die Mehrheit hat es in der Hand, kraft ihrer 501 Allgemeiner Überblick zur Agenturtheorie bei Richter/Furubotn, Neue Institutio­ nenökonomik, IV.4.1 (S.  173 ff.). Aus rechtsvergleichend-funktionaler Perspektive Armour/ Hansmann/Kraakman, in: Anatomy, S.  35, 36. Für die Aktiengesellschaft ausführlich A.Arnold, Steuerung, S.  13 ff., für geschlossene Kapitalgesellschaften Bachmann/Eidenmüller/ Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln, S.  6 f. 502  Dazu die in der vorhergehenden Fußnote Genannten, jeweils mit ausführlichen Nach­ weisen zum einschlägigen Schrifttum. 503  Lutter, AcP 180 (1980), 84, 91 f.; Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S.  78. 504  Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln, S.  28; Verse, Gleichbe­ handlungsgrundsatz, S.  78. 505  Aus Sicht des Minderheitenschutzes Hofmann, Minderheitsschutz, S.  11 f. 506  Der „Personenkreis in einer Gesellschaft [...], der dauernd und institutionell auf die Willensbildung in einem Verband keinen Einfluß gewinnen kann, und dessen Angelegenhei­ ten daher ständig, soweit die Verbandssphäre reicht, von der Mehrheit mitbesorgt werden.“ (Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, §  8 I.3.a] [S.  417]). 507  Cahn, FS Wiese, S.  71, 79. 508 Überzeugend Cahn, FS Wiese, S.   71, 80 ff., gegen Grundmann, Treuhandvertrag, S.  169 ff.

B.  Rechtsformübergreifende Wertungen

451

Übermacht an Kontroll- und Verwaltungsbefugnissen die Geschicke der Ge­ sellschaft in vielfältiger Weise zu beeinflussen.509 Da die Kapitalgesellschaft „auf Ewigkeit“ angelegt und ihr Bestand grund­ sätzlich mitgliederunabhängig ist, besteht vor allem für Minderheitsgesellschaf­ ter die Gefahr, dass ihre Investition in einer Weise „eingeschlossen“ wird, die nicht mehr ihren Risikopräferenzen entspricht.510 Hieraus resultieren vielfältige Anreize zu opportunistischem Verhalten der übrigen Mitglieder. So ist der Be­ troffene darauf angewiesen, dass seine Miteigner seine Interessen berücksichti­ gen. Es handelt sich hier um eine Situation, die Erpressung ermöglicht, indem unter Verweis auf mögliche Vermögenseinbußen Verhaltenskonformität er­ zwungen wird. Dem kann sich das betroffene Mitglied nicht ohne Weiteres durch Austritt aus dem Verband entziehen. Dieser gestaltet sich nämlich unter wirtschaftli­ chen Gesichtpunkten möglicherweise schwierig, etwa weil der Austrittswillige durch Anteilsveräußerung nicht den Preis zu erzielen vermag, den er für ange­ messen hält. Dieses Problem stellt sich verschärft, sofern die Mehrheit das Aus­ scheiden erzwingt. Wer hinausgekündigt oder ausgeschlossen wird, hat keine Herrschaft über den Zeitpunkt des Ausscheidens. In dieser Situation ist es dem hinausgedrängten Gesellschafter noch nicht einmal möglich, auf einen Käufer zu setzen, der einen möglichst hohen Preis für den Anteil zahlt. Im schlimmsten Fall geht er leer aus.

II. Lösungsstrategien Denkbare Lösungsstrategien lassen sich zu heuristischen Zwecken einteilen in solche, die dem Individualschutz der einzelnen Gesellschafter dienen (1.), ­solche, die den Schutz der Mitglieder in ihrer Gesamtheit bewirken (2.), und solche, die einen Ausgleich zwischen Mehrheit und Minderheit herbeiführen sollen (3.).511

1. Individualschutz Zentrale Mittel des Individualschutzes sind Mitverwaltungsrechte (vor allem das Stimmrecht), Kontrollrechte (insbesondere Auskunfts- und Einsichtsrech­ te) und Vermögensrechte.512 Um wirksamen Gesellschafterschutz zu gewähr­ 509 Ausführliche Darstellung verschiedener Konflikte bei Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln, S.  28 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, §   8 I.1. (S.  406 ff.). 510  Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln, S.   30; Fischel, 8 Am. Bar Found. Res. J. 875, 878 (1983); Letsou, 39 B.C. L. Rev. 1121, 1140 ff. (1998). 511  Vgl. bereits die Unterteilung bei Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, §§  7, 8, 9. 512  Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, §  7 II. (S.  366).

452 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen leisten, muss nicht jedem Mitglied jedes Recht in vollem Umfang zustehen. Denkbar sind Kombinationen der genannten Strategien. Als Beispiel sei aus dem geltenden deutschen Aktienrecht der Inhaber stimmrechtsloser Vorzugs­ aktien genannt: Dieser verfügt im Regelfall über kein Stimmrecht, dafür erhält er einen Gewinnvorzug (§§  139 Abs.  1, 140 Abs.  1 AktG). Schließlich sind zwei Wege der Beschlusskontrolle Mittel des Individual­ schutzes: So schützen Zustimmungsrechte bei drohenden Beeinträchtigungen besonderer Rechte513 präventiv vor einem Eingriff und stellen insoweit die Lage her, die im allgemeinen Vertragsrecht bestünde.514 Der Beschluss erlangt über­ haupt nur dann Wirksamkeit, wenn die von der Beeinträchtigung Betroffenen zustimmen. Mit der Anfechtung von Beschlüssen oder Klagerechten, etwa in Form von actiones pro societate oder Klageerzwingungsverfahren, stehen Inst­ rumente der nachträglichen Kontrolle zur Verfügung.515 Die Gleichwertigkeit von Vermögens- und Stimmrechten sämtlicher Mitglie­ der lässt sich durch Investitionskontrolle bewerkstelligen. So dient etwa die Ka­ pitalaufbringungskontrolle dem Investitionsschutz insofern, als sie vor allem bei Sacheinlagen sicherstellt, dass niemand höhere Gewinne abschöpft als seiner Einlageleistung entspricht.516 Mutatis mutandis gilt dies auch für Stimmrechte.

2. Kollektivschutz Mit dem Stichwort des Kollektivschutzes sind die Probleme gemeint, die die Gesamtheit der Gesellschafter aufgrund des Prinzips der Trennung von Inha­ berschaft und Leitung treffen, also die Frage, wie sich Prinzipal-Agenten-Kon­ flikte bewältigen lassen. Zu deren Überwindung lassen sich in rechtlicher Hin­ sicht vor allem drei Kontrollen einrichten:517 (i) Erstens eine Treuebindung, verbunden mit der Haftung jedenfalls für – un­ technisch gesprochen – grobe Fehlentscheidungen sowie der Haftung für die Aneignung von der Gesellschaft zugeordneten Vermögensgütern wie etwa Geschäftschancen. (ii) Zweitens Rechte zur Einflussnahme von Gesellschaftern auf die Geschäfts­ führung: Einerseits im Wege der Beeinflussung der Geschäftsleitung durch die Befugnis zur Einschränkung der Geschäftsführungsbefugnis im In­ nenverhältnis und die Möglichkeit der sofortigen Abberufung; andererseits 513 

Beispiel: Beeinträchtigung von Vorzugsrechten. S.  Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, §  7 V. (S.  403). 515  Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, §  7 V. (S.  402 f.). 516  Pentz/Priester/Schwanna, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft, S.  42, 71. 517 Zu den sogleich genannten Strategien als Lösungskonzepte bereits Enriques/Hansmann/Kraakman, in: Anatomy, S.  55 ff.; s. auch Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/ Schön, Rechtsregeln, S.  87 ff. Zur Kontrolle der Geschäftsleiter in der Aktiengesellschaft A.Arnold, Steuerung des Vorstandshandelns, 2007, S.  73 ff., 165 ff. 514 

B.  Rechtsformübergreifende Wertungen

453

durch den Vorbehalt, dass die Gesellschafter über zentrale Fragen des Ge­ sellschaftsschicksals selbst entscheiden, der Mitgliederversammlung also bestimmte Kompetenzen ausdrücklich per Gesetz zugewiesen werden. (iii) Drittens Rechte zur Überwachung, angefangen bei der Einrichtung beson­ derer Überwachungsorgane über Informationsrechte zu Gunsten der Ge­ sellschafter selbst bis hin zur Möglichkeit der Überprüfung von Maßnah­ men der Geschäftsführung, etwa mittels der Beauftragung externer Exper­ ten wie Sonderprüfer.

3. Minderheitenschutz Der Schutz der Minderheit lässt sich zunächst als ex post-Kontrolle konstruie­ ren.518 Hierunter zählen etwa Sonderrechte zur Durchsetzung von Schadenser­ satzansprüchen519 und die Beschlussanfechtung.520 Präventive Schutzinstrumente sind insbesondere Gleichbehandlungs- und Treuepflichten, verbunden mit Schadensersatzpflichten bei ihrer Verletzung.521 Schutz vor der Vereinnahmung von Investitionen der Minderheit durch deren Hinauskündigung oder sonstige Formen des Ausschlusses ist mit Hilfe vermö­ gensrechtlicher Mechanismen zu erreichen, insbesondere im Wege von Abfin­ dungen.522 Nicht zu verkennen ist, dass die Gewährung von Rechten zu Gunsten der Minderheit unter Umständen zu einer Situation führt, in der diese wie ansons­ ten die Mehrheit agiert. Beispiele hierfür sind missbräuchliche Anfechtungskla­ gen und die Blockade von Beschlüssen. Das ist allerdings weniger ein Problem des Gesellschafterschutzes als eines des Funktionenschutzes. Dieser Funktio­ nenschutz ist Thema von §  3.

4. Kapitalanlegerschutz Die Instrumente des verbandsrechtlichen Kapitalanlegerschutzes unterscheiden sich nicht grundlegend von den bisher angesprochenen Lösungsstrategien.523 518  Zu verschiedenen Regulierungsstrategien nach Zeitpunkten (ex ante versus ex post) Armour/Hansmann/Kraakman, in: Anatomy, S.   35, 44; Binder, Regulierungsstrategien, S.  172 ff., 231 f. 519  Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, §  8 I.4.a) (S.  419). 520  Aus Perspektive des Minderheitenschutzes Hofmann, Minderheitsschutz, S.  2 29 ff. 521  S.  Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, §  8 II.2., 3. (S.  427 ff.). 522 Umfassend Klöhn, Abfindungsansprüche; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, §  8 IV.3. (S.  468 ff.). 523  S.  Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, §  9 II.2. (S.  489). Zum Kapitalanlegerschutz als Re­ gelungsaufgabe des Gesellschaftsrechts Assmann, in: GK-AktG, Einl Rn.  353, 364 ff.; ders., ZBB 1989, 49, 52 ff.; Fleischer, ZIP 2006, 451, 453 ff.; Hopt, Kapitalanlegerschutz, S.  289 ff. (jeweils bezogen auf bestimmte Anlegerrisiken); ders., in: Lutter/Wiedemann (Hrsg.), Ge­ staltungsfreiheit, S.  123, 129; Mülbert, Aktiengesellschaft, S.  116 ff., 143 ff.; ders., in: GK-

454 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen Die Schwierigkeit besteht darin, die Regelungen auf die besonderen Bedürfnisse des Anlegers anzupassen. Weder kann der Anleger in einem anonymen Markt den Veräußerer nach Informationen fragen noch die Gesellschaft vorab auf In­ formation in Anspruch nehmen. Ihm stehen außer öffentlich verfügbaren Quel­ len kaum Möglichkeiten zur Verfügung, sein Anlagerisiko einzuschätzen.524 Darüber hinaus bestehen erhebliche Kollektivhandlungsprobleme, weil sich eine große Zahl von Gesellschaftern deutlich schwieriger auf Änderungen eini­ gen kann. Verschärft wird dieses Problem durch die rationale Apathie von An­ legern mit geringem Beteiligungsumfang, weil diese angesichts der Kosten der Wahrnehmung ihrer Mitgliedschaftsrechte häufig davor zurückschrecken, sie auszuüben, um nicht ihre Gewinnchancen wirtschaftlich zunichte zu ma­ chen.525 Dem müssen sich etwa Informationsrechte und Rechte zum Schutz des Bestands- und Ertragsinteresses anpassen.526 Dass dies nicht genügt, um den Schutz von Gesellschafter-Kapitalanlegern527 zu gewährleisten, ist bekannt. Allerdings bedarf die Diskussion über die Ausge­ staltung eines prinzipiell rechtsformunabhängigen Marktordnungsrechts hier mangels Zusammenhangs mit dem Untersuchungsthema keiner Vertiefung.528

III.  Privatautonomie und zwingende Regeln zum Gesellschafterschutz Die beschriebenen Probleme dürfen nicht zu dem Fehlschluss verleiten, sämtli­ che denkbaren Schutzinstrumente müssten notwendig umfassend zwingend ausgestaltet sein. Da die Kapitalgesellschaft effizientes wirtschaftliches Handeln durch kollek­ tiven Zusammenschluss ermöglichen soll, bringt bereits die gesetzliche Konst­ ruktion eine Einschränkung vertragsrechtlich selbstverständlicher Schutzme­ chanismen mit sich. Deshalb kann allein das Fehlen bestimmter Instrumente oder die mit der Nichtgewährung einzelner Rechte verbundene Beeinträchti­ gung von Gesellschafterinteressen nicht per se als problematisch angesehen werden. Wollte man alle Defizite beheben, beseitigte man die Rechtsform der Kapitalgesellschaft gleich mit. Kapitalgesellschaften sind notwendig ein Kind des Kompromisses zwischen Handlungsfähigkeit und, verglichen mit den AktG, Vor §§  118-147 Rn.  199; Schwark, Anlegerschutz, S.  354 ff.; Wiedemann, BB 1975, 1591, 1596. 524 Grundlegend zu den Anlegerrisiken beim Effektengeschäft Hopt, Kapitalanleger­ schutz, S.  82 ff.; s. auch Schwark, Anlegerschutz, S.  10 ff. 525  Vgl. die Gegenüberstellung von geschlossenen und Publikumsgesellschaften bei Fleischer, in: MünchKommGmbHG, Einl. Rn.  275; Weller, ZGR 2012, 386, 392. 526 Hierzu Hopt, Kapitalanlegerschutz, S.  289 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, §   9 II.2. (S.  488 ff.). 527  Eine Typologie von Kapitalanlegern bietet Ekkenga, Anlegerschutz, S.  15 ff. 528 Grundlegend dazu Hopt, Kapitalanlegerschutz, S.  219 ff.; Schwark, Anlegerschutz, S.  364 ff. S.  noch Assmann, ZBB 1989, 49, 58 ff., sowie dens., in: GK-AktG, Einl Rn.  353 ff.

B.  Rechtsformübergreifende Wertungen

455

Rechten von Schuldvertragsbeteiligten, der „Erhaltung“529 von Gesellschafter­ rechten.530 Hiervon ausgehend ließe sich aus klassisch-liberaler Sicht die These formu­ lieren, gemäß dem Prinzip der Privatautonomie sei jeder verantwortlich für sei­ nen Schutz (sogleich 1.). Zwingende Regeln zum Gesellschafterschutz wären danach ein nicht zu rechtfertigender Fremdkörper im Privatrecht. Ganz auf dieser Linie hob die ältere Rechtsprechung hervor, wer sich in Kenntnis ihrer Gefahren auf eine Gesellschaftsmitgliedschaft einlasse, sei darin frei und für seinen Schutz prinzipiell selbst verantwortlich. Danach ist etwa derjenige, der eine Hinauskündigungsklausel oder eine Verwässerungsschutzklausel in Form eines Full Ratchet Rights531 akzeptiert, an diese Entscheidung gebunden. Dem betroffenen Gesellschafter stünden nur die Gegenrechte zu, die er sich ausbe­ dungen hat. Jedenfalls dann, wenn ihm für seine Entscheidung vollständige In­ formationen über deren Tragweite zur Verfügung gestanden haben, scheint dies konsequent. Zu rechtfertigen ist also offenbar der gesetzliche Zwang zur Bereitstellung von entscheidungserheblichen Informationen, nicht aber ohne Weiteres eine in­ haltliche Vorgabe wie die Unzulässigkeit von Klauseln zur Hinauskündigung ohne sachlichen Grund. Doch stellt sich gerade die Frage, ob dieses Informationsmodell den umfas­ senden Selbstschutz tatsächlich ermöglicht. Die Einbeziehung von Erkenntnis­ sen aus der Kognitionsforschung und Überlegungen zur sinnvollen Gestaltung von länger andauernden vertraglichen Beziehungen werfen Zweifel hieran auf (dazu 2.). Auf diesen Überlegungen aufbauend lassen sich Folgerungen für die Rechtfertigung zwingender Normen zum Gesellschafterschutz im Kapitalge­ sellschaftsrecht ziehen (unten 3.).

1.  Zum Vorrang der Privatautonomie Die ältere Rechtsprechung betonte die Privatautonomie und die Entscheidungs­ freiheit von Gesellschaftern als Gründe, die Mitglieder an für sie nachteiligen Folgen festzuhalten. So urteilte das Reichsgericht in der „Hibernia“-Entschei­ dung, Beeinträchtigungen der Interessen von Minderheitsaktionären aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses seien von der Minderheit hinzunehmen. Dies sei „unabwendbare Folge des [...] Grundsatzes, daß die Mehrheit des Aktienbesit­ zes über die Verwaltung der Gesellschaft und darüber entscheidet, was im Inte­

529 

„Erhaltung“ im Vergleich mit den Rechten von Vertragsbeteiligten. das Mehrheitsprinzip Baltzer, Beschluß, S.  214 f.; K.Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  16 III.1.a) (S.  467). 531  Zu Full Ratchet Rights oben 1. Teil B. §  5 II.1. und unten 4. Teil D. §  2 I.1. 530  Für

456 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen resse der Gesellschaft und ihrer Aktionäre zu tun und zu lassen ist.“ Damit müsse „sich jeder abgefunden haben, der Aktien erwirbt [...].“532 Stark kritisiert unter Verweis auf die Privatautonomie wurde die Rechtspre­ chung des Bundesgerichtshofs zu Hinauskündigungsklauseln und zu „Gesell­ schaftern minderen Rechts“.533 Hatte der Bundesgerichtshof zunächst noch un­ ter Anschluss an die Rechtsprechung des Reichsgerichts Klauseln für zulässig erachtet, die der Gesellschaftermehrheit die Möglichkeit einräumten, ein ande­ res Mitglied nach freiem Ermessen aus der Gesellschaft auszuschließen, ohne einen wichtigen Grund nachweisen zu müssen,534 nahm das Gericht hiervon in den Siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts Abstand.535 Solche Klauseln eröffneten die Möglichkeit zum Ausschluss aus „sachfrem­ den Gründen“ und begründeten die Gefahr, dass die mit der Klausel Belasteten sich angesichts des über ihnen hängenden „Damoklesschwertes“ selbst sachlich nicht gerechtfertigten Wünschen der Mehrheit beugten.536 Ein Teil der Literatur klagt, die Rechtsprechung opfere mit dieser Judikatur die Privatautonomie.537 Schließlich seien etwa „nur mit der Kündigungsklausel berufene Kommanditist[en] [...] keine Unmündigen [...].“538 Weiter wird ausge­ führt: „Sie wissen, was die Kündigungsklausel bedeutet und wie wichtig sie für den Fortbestand von Personenunternehmen ist. Die [...] betroffenen Komman­ ditisten mögen sich an ihre Vereinbarungen oder an die von ihren Rechtsvor­ gängern getroffenen Vereinbarungen halten.“539 Jedenfalls der Gesellschafter minderen Rechts müsse „von vornherein mit seinem Ausschluß aus der Gesell­ schaft rechnen.“540 „[N]iemand würde mit klarem Kopf und freiwillig eine ge­ minderte Rechtsstellung grundlos übernehmen.“541 Es mache „betroffen, wie gering die Rechtsprechung offenbar die Privatautonomie erachtet.“542 Aus rechtsvergleichender Perspektive lässt sich die Rechtsprechung des Dela­ ware Supreme Court hinzuziehen, der zum Schutz von Minderheitsgesellschaf­ 532 

Beide Zitate RGZ 68, 235, 246. Überblick bei K.Schmidt, in: MünchKommHGB, §  140 Rn.  98 ff. 534  So noch (zur Kommanditgesellschaft) BGH NJW 1973, 1606, mit zahlreichen Nach­ weisen zur älteren Rechtsprechung. 535  Beginnend mit BGHZ 68, 212, 215 f.; BGHZ 81, 263, 266 ff.; aus neuerer Zeit BGHZ 164, 98, 101 mit weiteren Nachweisen. Zu Einschränkungen der Rechtsprechung Sandhaus, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, §  34 Rn.  22; Strohn, in: MünchKommGmbHG, §  34 Rn.  141. 536  Grundlegend BGHZ 81, 263, 266 ff. 537  Loritz, JZ 1986, 1073, 1082; ähnlich Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, §  34 Rn.  41; K. Schmidt, in: MünchKommHGB, §  140 Rn.  103. Ausführliche Darstellung bei Hey, Freie Ge­ staltung, S.  212 ff. 538  Flume, DB 1986, 629, 633. 539  Flume, DB 1986, 629, 633. Flume möchte diese Aussagen aber, wie er aaO. weiter schreibt, auf „minderberechtigte“ Gesellschafter beziehen. 540  Eiselt, FG v. Lübtow, S.  6 43, 656; ähnlich Flume, NJW 1979, 902, 904; K.Schmidt, in: MünchKommHGB, §  140 Rn.  103 mit weiteren Nachweisen. 541  Eiselt, FG v. Lübtow, S.  6 43, 656. 542  Loritz, JZ 1986, 1073, 1078. 533 

B.  Rechtsformübergreifende Wertungen

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tern in der Close Corporation meint, diese seien in der Lage, sich selbst zu schützen:543 „A stockholder who bargains for stock in a closely-held corporation and who pays for those shares [...] can make a business judgment whether to buy into such a minority po­ sition, and if so on what terms. One could bargain for definitive provisions of self-orde­ ring permitted to a Delaware corporation through the certificate of incorporation or by-laws [...]. Moreover, in addition to such mechanisms, a stockholder intending to buy into a minority position in a Delaware corporation may enter into definitive stockholder agreements, and such agreements may provide for elaborate earnings tests, buy-out pro­ visions, voting trusts, or other voting agreements.“

An dieser Stelle kommt es nicht auf die Einzelheiten der Diskussion zu Hinaus­ kündigungsklauseln und zur Kontrolle von Mehrheitsbeschlüssen an.544 Interessant ist vielmehr das Argument, Gesellschafter müssten sich an einmal getroffenen Vereinbarungen in jedem Fall festhalten lassen, weil sie gewusst hätten, auf was sie sich einlassen, oder weil sie einen vertraglichen oder sat­ zungsmäßigen Schutz hätten aushandeln können. Auf den ersten Blick leuchtet das ein: Sind die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen abdingbar und las­ sen sich Gesellschafter auf die Abbedingung ein oder ist von vornherein kein Schutz vorgesehen, erscheint nicht einsichtig, warum hier regulierend gegen den in der Vereinbarung zum Ausdruck gekommenen Willen der Beteiligten eingegriffen werden soll.

2.  Das Informationsmodell und Grenzen des Selbstschutzes Der Verweis auf die Privatautonomie von Gesellschaftern und deren Vermögen, sich selbst zu schützen und die Gesellschaft mit sinnvollen Steuerungsmecha­ nismen auszustatten, bedarf indes näherer Betrachtung. Den Rahmen hierfür bietet die Diskussion um das sogenannte Informationsmodell. Anküpfend an die insbesondere in den Fünfziger und Sechziger Jahren des letzten Jahrhun­ derts geübte Kritik an der klassisch-liberalen Vertragsrechtskonzeption („Ma­ terialisierung des Privatrechts“545), sollte die gesetzlich erzwungene Bereitstel­ lung von Informationen die freie Entscheidungen ermöglichen, ohne in Verein­ barungsinhalte als solche regulierend einzugreifen (hierzu a]). Angesichts damit einhergehender neuer Probleme wie dem der Informationsüberlastung (Infor­

543  Nixon v. Blackwell, 626 A.2d 1366, 1379 f. (Del. 1993). Dazu schon oben 1. Teil B. §  9 II.2.a). 544  Zu Hinauskündigungsklauseln Hey, Freie Gestaltung, S.  212 ff. 545  S.  etwa L.Raiser, FS DJT I, S.  101 ff.; ders., Vertragsfreiheit heute, in: Die Aufgabe des Privatrechts, 1977, S.  38 ff. Vgl. im Übrigen aus der Aufsatzliteratur Canaris, AcP 200 (2000), 276; Schön, FS Canaris, Band I, S.  1191 ff. Eingehend Busche, Privatautonomie, S.  74 ff.; Heinrich, Formale Freiheit, S.  174 ff.

458 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen mation Overload) stößt dieses Konzept jedoch an seine Grenzen, worauf die Literatur in jüngerer Zeit immer deutlicher hinweist (unten b]). a)  Das Informationsmodell Das Informationsmodell basiert auf der Erkenntnis, dass selbst bei orthodoxen Rationalitätsannahmen vielfältige Fehlanreize und Informationsdefizite beste­ hen, die die Gefahr eines Marktversagens auslösen.546 Ziel des Informationsmo­ dells ist die Wahrung der inhaltlichen Gestaltungsfreiheit, indem gesetzliche Vorgaben nicht den Inhalt des Rechtsgeschäfts bestimmen, sondern sie im Vor­ feld der Abgabe einer Willenserklärung die Bereitstellung eines ausreichenden Maßes an Informationen erzwingen, um eine rationale Entscheidung zu ermög­ lichen.547 Das Informationsmodell setzt also Informationspflichten an die Stelle inhaltlich zwingenden Rechts.548 Das Informationsmodell, welches insbesondere in der Europäischen Gesetz­ gebung prominenten Status erlangt hat,549 dient demnach der Wiederherstel­ lung der Entscheidungssituation im Sinne des liberalen Vertragsdenkens, indem es informationelle Parität zwischen den Parteien gewährleisten soll.550 Zugleich vermeidet es, dem Verbraucher unabhängig von dessen Willen selbst bei voll­ ständiger Information die rechtsgeschäftliche Betätigung zu verwehren, weil er, orientiert an einem von außen an das Geschäft herangetragenen Maßstab, nicht „richtig“ gehandelt habe.551 Im Ergebnis wird damit jedenfalls dem Konzept nach minimalinvasiven Eingriffen in die Handlungsfreiheit der informations­

546 S.   die Übersichten bei Grundmann/Kerber/Weatherill, in: Grundmann et al., S.  3, 12 ff.; Wein, in: Grundmann et al., S.  80 ff. Aus der monographischen Literatur Dauner-Lieb, Verbraucherschutz, S.  63 ff., 105 ff.; umfassend zu Informationsasymmetrien und Marktversa­ gen Fleischer, Informationsasymmetrie, S.  121 ff., zum Konsumentenschutz als Regulierungs­ grund ders., aaO., S.  203 ff. Für die AGB-Kontrolle anhand eines konkreten Anwendungsbei­ spiels Kuntz, AcP 209 (2009), 242 ff. 547  Dauner-Lieb, Verbraucherschutz, S.  70 f.; Grundmann/Kerber/Weatherill, in: Grund­ mann et al., S.  3, 7. Zum Zusammenspiel inhaltlich ausgestaltender zwingender Normen, die auf einem Sozialschutzmodell beruhen, und den Informationspflichten auf Grundlage des Informationsmodells Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  4 44 ff.; Meller-Hanich, Verbraucherschutz, S.  225 ff. 548  Schön, FS Canaris, Band I, S.  1191, 1196, mit Beispielen auf den S.  1196 ff. 549  S.  A rt.  169 Abs.  1 AEUV: „Zur Förderung der Interessen der Verbraucher und zur Ge­ währleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus leistet die Union einen Beitrag zum Schutz der Gesundheit, der Sicherheit und der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher sowie zur Förderung ihres Rechtes auf Information [...].“ Vgl. im Übrigen zum Informations­ modell im Gemeinschaftsprivatrecht Fleischer, ZEuP 2000, 772; Grundmann/Kerber/Weatherill, in: Grundmann et al., S.  3, 16 ff.; Schön, FS Canaris, Band I, S.  1191, 1200 ff., und die Darstellung von Weatherill, in: Grundmann et al., S.  173 ff. 550  Dauner-Lieb, Verbraucherschutz, S.  69 ff. 551  Dauner-Lieb, Verbraucherschutz, S.  71.

B.  Rechtsformübergreifende Wertungen

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pflichtigen Partei der Vorzug gegeben vor einer pauschalen und beide Parteien in ihrer Gestaltungsfreiheit treffenden Regelung.552 Dieses Informationsmodell ist nicht auf das Verbraucherschutzrecht im enge­ ren Sinne beschränkt, sondern lässt sich auf sämtliche Situationen übertragen, in denen eine Partei typischerweise nicht über ausreichende Informationen ver­ fügt, eine Entscheidung unter Berücksichtigung sämtlicher bewertungsrelevan­ ter Faktoren treffen zu können.553 So hat es ohne Weiteres Relevanz im Kapital­ markt- und Gesellschaftsrecht.554 Sowohl Reformvorschläge zum Gesellschaftsrecht in Europa als auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs555 sind vom Gedanken des Schutzes durch Bereitstellung von Information getragen.556 Dieser hielt es nicht für erforderlich, ausländische Kapitalgesellschaften inländischen zwingenden Bestimmungen zum Mindestkapital zu unterwerfen, weil für die Gläubiger er­ kennbar sei, dass die Gesellschaft fremdem Recht unterliege.557 b)  Grenzen des Schutzes durch Information Nach dem Siegeszug des Informationsmodells mehren sich in den letzten Jahren kritische Stimmen, die in Frage stellen, ob das mit der Bereitstellung von Infor­ mationen verfolgte Ziel überhaupt erreicht werden kann.558 Insbesondere unter dem Eindruck der Erkenntnisse der Kognitionspsychologie, die im Wesentli­ chen auf dem Umweg über neuere Forschungsarbeiten von Ökonomen ihren Weg in die rechtswissenschaftliche Diskussion gefunden haben („behavioral law and economics“), diskutiert das Schrifttum die Fähigkeit des Informations­ empfängers zur Verarbeitung des Datenmaterials als Bruchstelle.559 Soll die Be­ reitstellung von Informationen die tatsächliche Entscheidungsfreiheit (wieder) herstellen, bedürfen die tatsächlichen Möglichkeiten der Informationsverarbei­ tung der Überprüfung. Das wirft gleichzeitig die Frage auf, inwieweit der Ge­ setzgeber sich angesichts einiger anerkannter Regulierungsanlässe legitimer­ weise darauf zurückziehen kann, nur vertragsschlussbezogene Vorschriften in 552 Zu den – freilich nicht stark ausgeprägten – Selbstinformationsobliegenheiten der Nachfrager Fleischer, ZEuP 2000, 772, 791. 553  Dauner-Lieb, Verbraucherschutz, S.  105 f.; Fleischer, Informationsasymmetrie, S.  571. 554  Umfassend die Monographien von Fleischer, Informationsasymmetrie; Hopt, Kapital­ anlegerschutz, S.  88 ff., 304 ff.; Merkt, Unternehmenspublizität. Zum Anlegerschutz durch Rechnungslegungspublizität Ekkenga, Anlegerschutz. Zum Europäischen Gesellschaftsrecht Grohmann, S.  56 ff.; Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, §  8 I. (Rn.  228 ff.). 555  Zum Informationsmodell in der gesellschaftsrechtlichen Rechtsprechung Grohmann, jeweils im Zusammenhang mit materiellen Regelungsproblemen. 556  S.  den Report of the High Level Group of Company Law Experts on a Modern Regu­ latory Framework for Company Law in Europe vom 04.11.2002, S.  34 (oben Fußnote 441). 557  EuGH, Slg. 2003, I-10155 Tz 135 – Inspire Art. 558  Eine vernichtende Kritik bieten Ben-Shahar/Schneider, 159 U. Penn. L. Rev. 647 (2011). S.  auch Hadfield/Howse/Trebilcock, 21 J. Cons. Pol. 131 (1998). 559  Nachweise sogleich im weiteren Verlauf des Textes.

460 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen Form von Informationspflichten zu schaffen und den Vertragsinhalt als solchen unberührt zu lassen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass selbst Regeln, die auf dem Informationsmodell beruhen, keine vollständige Information herbeifüh­ ren, wie das Prospektrecht zeigt (dazu aa]). Weitere Einwände ergeben sich in zweierlei Hinsicht: Zunächst geht es um das Problem des richtigen Maßes an Information, sowohl hinsichtlich der Bewältigung von Information als auch bezüglich der Informationskosten, die die Informationsempfänger treffen (bb]).560 Außerdem ist unter der Überschrift „begrenzte Rationalität“ im Zuge der Aufnahme psychologischer Erkenntnisse in wirtschafts- und rechtswissen­ schaftliche Überlegungen die Bedeutung kognitiver Defizite in den Fokus ge­ rückt (unten cc]). aa)  Keine vollständige Information Für das Prospektrecht und zu Meldepflichten wurde bereits demonstriert,561 dass diese nur ein Mindestmaß an Informationen gewährleisten. Vollständige Offenlegung ist auf diesem Wege weder möglich noch – angesichts legitimer Geheimhaltungsinteressen – sinnvoll. Es verbleibt damit stets ein Restbereich, den selbst derjenige nicht zu bewerten vermag, der sich wie ein idealer Anleger verhält. bb)  Informationsbewältigung und Informationskosten Empfänger von Informationen sind der Gefahr einer Informationsüberlas­ tung (Information Overload) ausgesetzt.562 Sie erhalten in diesem Fall eine sol­ che Informationsmenge, dass sie sie in ihrer Gesamtheit entweder nicht mehr verarbeiten oder jedenfalls die wesentlichen Tatsachen nicht herausfiltern kön­ nen.563

560  Nicht verkannt werden hier die Kosten der Einrichtung und Unterhaltung eines Infor­ mationssystems, die den Informationspflichtigen treffen. Doch sind diese Kosten im hiesigen Zusammenhang als eigenständiges Problem nicht relevant, weil es um die Wirksamkeit des Informationsmodell als Schutzinstrument des Nichtinformierten geht. 561  A. §  1 V.2. 562  Grundmann/Kerber/Weatherill, in: Grundmann et al., S.   3, 27. Für das Kapital­ marktrecht etwa Assmann, Prospekthaftung, S.  30. 563  Assmann, Prospekthaftung, S.  30 f.; Ben-Shahar/Schneider, 159 U. Penn. L. Rev. 647, 687 ff., 711 ff. (2011), die neben dem Information Overload im Rahmen einer bestimmten In­ formationsveröffentlichung noch ein „Accumulation Problem“ ausmachen, das aus der Ge­ samtheit verfügbarer verschiedener Informationen zu unterschiedlichen Gegenständen resul­ tiert (aaO. 689 ff.); Überblick über einige empirische Studien bei Hibbard/Slovic/Jewett, 75 Milbank Q. 395, 398 ff. (1997). Zu denkbaren Gegenmaßnahmen im Bereich des Kapital­ marktrechts Klöhn, Kapitalmarkt, S.  185 f.; für das Verbraucherrecht Schmolke, Grenzen, S.  839 ff.; skeptisch allerdings Ben-Shahar/Schneider, aaO., 713ff.

B.  Rechtsformübergreifende Wertungen

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Hinzu kommen sonstige Defizite bei der Informationsverarbeitung. Empiri­ sche Studien weisen auf erhebliche Mängel hinsichtlich der Kompetenz zur Auswertung von Informationen hin, insbesondere im Bereich von Zahlen und Relationen.564 Weiterhin können Menschen unabhängig von ihrem Grundwis­ sen nur eine beschränkte Anzahl von Variablen auf einmal in einem Entschei­ dungsprozess bewältigen.565 Selbst gut ausgebildete und erfahrene Menschen und Experten unterliegen erheblichen kognitiven Grenzen bei der Analyse ver­ schiedener gleichzeitig präsentierter Größen.566 Dazu gesellt sich als weiteres Problem, dass der Empfänger in erheblichem Maße Ressourcen567 aufwenden muss, um zur Verfügung gestellte Informatio­ nen zu verarbeiten.568 Die Informationspflichtigen wälzen die ihnen aufgrund der Implementierung von Systemen zur Beschaffung und Verbreitung der In­ formationen entstehenden Kosten auf die Empfänger ab.569 Hinzu kommt die Gefahr des Missbrauchs, indem der Informationspflichtige bewusst so viele In­ formationen produziert, dass der Empfänger durch schiere Masse an der ord­ nungsgemäßen Verarbeitung gehindert wird.570 Gesetzgeberische Gegenmaß­ nahmen sind in dieser Hinsicht manipulationsanfällig.571 cc)  Grenzen der Informationsverarbeitung Über die eben beschriebenen Phänomene hinaus werden inzwischen verschie­ dene Probleme des Entscheidungsverhaltens von Marktteilnehmern unter der Überschrift „Behavioral Law and Economics“ diskutiert. Dabei geht es um die Frage, inwieweit selbst vollständig informierte, in ihrer Entscheidungsfreiheit objektiv freie Menschen Fehlern bei der Entscheidungsfindung unterliegen.572 564  Überblick über englischsprachige Studien bei Ben-Shahar/Schneider, 159 U. Penn. L. Rev. 647, 711 f. (2011). 565 Beispiel bei Hibbard/Slovic/Jewett, 75 Milbank Q. 395, 396 ff. (1997). Grundlegend und, was die im Titel genannte Zahl „Sieben“ angeht, populär ist der Beitrag Miller, 63 Psych. Rev. 81 (1956). Zur Bedeutung dieses Artikels in der neueren psychologischen Forschung Baddeley, 101 Psychological Review 353 (1994). 566  Beispiel bei Hibbard/Slovic/Jewett, 75 Milbank Q. 395, 397 (1997); mehrere Beiträge zur Entscheidungsfindung von Experten finden sich in Thomas Gilovich/Dale Griffin/Daniel Kahneman (eds.), Heuristics and Biases, 2002, S.  666 ff. 567  Zeit und Geld für die Inanspruchnahme von Experten und Informationsmittlern, siehe nur Schön, FS Canaris, Band I, S.  1191, 1207. 568  Ben-Shahar/Schneider, 159 U. Penn. L. Rev. 647, 736 f. (2011). 569  S.  nur Hopt, Kapitalanlegerschutz, S.  425 ff.; Rehberg, in: Ökonomische Analyse der Zivilrechtsentwicklung, S.  284, 308 f.; Schön, FS Canaris, Band I, S.  1191, 1206. 570  Rehberg, in: Ökonomische Analyse der Zivilrechtsentwicklung, S.  284, 333 ff. 571 Dazu Hadfield/Howse/Trebilcock, 21 J. Cons. Pol. 131, 143 ff. (1998). 572  Wichtige einführende Beiträge aus juristischer und ökonomischer Sicht: Jolls/Sunstein/ Thaler, 50 Stan. L. Rev. 1471 (1998); Richard Thaler (ed.), Advances in Behavioral Finance I, 1993, und Advances in Behavioral Finance II, 2005; ferner das Symposion „Homo Economi­ cus, Homo Myopicus“, 73 U. Chi. L. Rev. 1 (2006). Lesenswerte Zusammenfassung der Dis­ kussion der letzten Jahre Sunstein, 122 Yale L. J. 1826 (2013). Rezeptionsbeiträge in deutscher

462 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen Eine Vielzahl empirischer Studien weist auf Defizite hin, die die Fähigkeit be­ einträchtigen, sinnvolle Entscheidungen für die Zukunft zu treffen. Die Litera­ tur unterscheidet drei Kategorien: Bounded Rationality, Bounded Willpower und Bounded Self-Interest.573 (i) Bounded Rationality erfasst Fälle, in denen Schranken der kognitiven Fä­ higkeiten häufig zu einem Beurteilungsfehler führen.574 Hierunter wird eine Vielzahl systematischer Verzerrungen (Biases) 575 und anderer Fehler subsumiert, die zu Abweichungen von für rational erachteten Handlungs­ strategien führen. Zunächst handeln Menschen häufig überoptimistisch be­ zogen auf die Zukunft, weil sie die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines für sie negativen Ereignisses zu gering einschätzen (Optimism Bias) und gleichzeitig ihre Urteile zu selbstgewiss für zutreffend halten sowie ihre Fähigkeiten überschätzen (Overconfidence).576 Andererseits werden Ver­ luste im Verhältnis zu Gewinnen zum einen nicht anhand der möglichen Endvermögenszustände, sondern relativ zu einem Ausgangspunkt be­ stimmt, zum anderen neigen Entscheider aufgrund des Bemühens, Verluste zu vermeiden, zu risikofreudigem Verhalten ausgerechnet bei drohenden Vermögensverlusten (Loss Aversion).577 Sprache etwa von van Aaken, in: Paternalismus und Recht, S.  109; Eidenmüller, JZ 2005, 216; Fleischer, FS Immenga, S.  575; ausführlich Klöhn, Kapitalmarkt, insbes. S.  80 ff.; Schmolke, Grenzen, S.  178 ff. Bei Klöhn (aaO., S.  137 ff.) und Schmolke (aaO., S.  205 ff.) findet sich ein Überblick über die Diskussion zum Für und Wider von „Behavioral Law and Economics“. Pointiert zum Neuigkeitswert dieses Forschungsfeldes Schön, FS Canaris, Band I, S.  1191, 1209: „Der Juristenstand hat solche Sachverhalte in vielen hunderttausend Gerichtsverfahren erlebt; Ökonomen und Verhaltensforscher machen sich diese Zusammenhänge erst seit eini­ gen Jahren unter der Überberschrift „behavioural law“ oder (spezieller) „behavioural finan­ ce“ klar.“ 573  Jolls/Sunstein/Thaler, 50 Stan. L. Rev. 1471, 1476 (1998). Der Text folgt der Übung deutschsprachiger Autoren, die in der – maßgeblichen – englischsprachigen Literatur gepräg­ ten englischen Fachbegriffe zu benutzen. Einen Überblick über die Forschung, insbesondere diejenige eines der maßgeblichen Forscher auf dem Gebiet der Psychologie, bietet die Nobel­ preisrede Daniel Kahnemans in 58 Am. Psych. 697 (2003). 574  Jolls/Sunstein/Thaler, 50 Stan. L. Rev. 1471, 1477 (1998). 575  Grundlegend sind die Forschungen zu „Heuristics and Biases“ sowie zur „Prospect Theory“ von Tversky/Kahneman, 185 Science 1124 (1974); Tversky/Kahneman 47 Econome­ trica 263 (1979); zu Modifikationen ihrer Theorie Tversky/Kahneman, 5 J. Risk and Uncer­ tainty 297 (1992). Neuerer Überblick bei Gilovich/Griffin, in: Heuristics and Biases, S.  1 ff. Kurze Erläuterung der Veränderungen in den psychologischen Modellbildungen bei Kahneman, 58 Am. Psych. 697, 707 (2003). 576  Zur Overconfidence etwa der Überblicksaufsatz von Griffin/Varey, 65 Organ. Behav. Hum. Dec. 227 (1996); zum Overoptisim etwa Armor/Taylor, in: Heuristics and Biases, S.  334. 577 Grundlegend Kahneman/Tversky, 47 Econometrica 263 (1979); Kahneman/Tversky, 39 Am. Psych. 341 (1984); zur Loss Aversion s. auch die Beiträge im 42 Journal of Marketing Research 119 ff. (2005). Zur Auswirkung von Loss Aversion auf Investorenverhalten Thaler/ Tversky/Kahneman/Schwartz, 112 Q. J. Econ. 647 (1997). Zu weiteren Effekten, die mit der Verlustaversion zusammenhängen, etwa dem Endowment Effect, Kahneman/Knetsch/Thaler, 5 J. Econ. Perspect. 193 (1991); Überblick bei Klöhn, Kapitalmarkt, S.  97 f. m. Nachw.; zum

B.  Rechtsformübergreifende Wertungen

463

  Informationen werden oft stark zu eigenen Gunsten bewertet und Fehl­ schläge nicht eigenem Versagen, sondern Fremdursachen zugeschrieben (Self-Serving Bias).578 Die dritte Fehlergruppe innerhalb der Kategorie der Bounded Rationality betrifft den Availability Bias, der zu einer zu starken Gewichtung neuer Informationen führt.579 Ähnlich verhält es sich mit dem Rückschaufehler (Hindsight Bias). Dieser liegt darin, Ereignissen allein deshalb eine hohe Wahrscheinlichkeit zuzuschreiben, weil die Ereignisse eingetreten sind.580   Erheblichen Einfluss auf die Urteilsbildung hat die Darstellung der zur Verfügung stehenden Optionen (Framing):581 Vielfach wird die der klassi­ schen Entscheidungstheorie zugrundeliegende Invarianzannahme verletzt, wonach Entscheider indifferent gegenüber zwei möglichen Zuständen sind, die sich inhaltlich gleichen und lediglich der Formulierung nach voneinan­ der abweichen.582 Schließlich gibt es ein Problem der Zeitkonsistenz583, das aus einer Untergewichtung der Auswirkungen von sich erst in der Zukunft verwirklichenden Nutzen und Lasten im Verhältnis zu gegenwärtigen Möglichkeiten des Konsums und gegenwärtigen Kosten resultiert (Dis­ counting Bias oder Hyperbolic Discounting).584 Empirische Studien weisen darauf hin, dass die Einrichtung oder der Einkauf von Schutzmechanismen insbesondere dann eher unterbleibt, sobald es um den Schutz vor Risiken mit geringer Eintrittswahrscheinlichkeit geht.585 Gerade dieser Aspekt hat Endowment Effect und möglichen Auswirkungen auf den Umgang mit dispositivem Ver­ tragsrecht Bechtold, Grenzen, S.  226 ff. 578 Grundlegend Bem, 1 J. Exp. Soc. Psychol. 199 (1965); aus neuerer Zeit etwa das Sonder­ heft zum Hindsight Bias in 25 Social Cognition 1 (2007). 579 Grundlegend Tversky/Kahneman, 5 Cognitive Psychol. 207 (1973); Tversky/Kahneman, 185 Science 1124, 1127 (1974); aus neuerer Zeit Schwarz/Vaughn, in: Heuristics and ­Biases, S.  103, 112 ff. Einzelheiten mit Nachweisen bei Klöhn, Kapitalmarkt, S.  108 ff. 580 Grundlegend Fischhoff, 1 J. Exp. Psychol. Human. 288 (1975); aus neuerer Zeit Schwarz/ Vaughn, in: Heuristics and Biases, S.  103. 581 Grundlegend Tversky/Kahneman, 211 Science 453 (1981). Nähere Darstellung mit Nachweisen bei Klöhn, Kapitalmarkt, S.  95 ff. 582 Berühmt ist das „Asian Disease“-Beispiel von Tversky/Kahneman, 211 Science 453 (1981). Weitere Beispiele für den Framing-Effekt bei Kahneman, 58 Am. Psych. 697, 702 f. (2003). 583  Begriff nach Schön, FS Canaris, Band I, S.  1191, 1210. Ähnlich schon van Aaken, in: Paternalismus und Recht, S.  109, 120. 584  Vgl. etwa die Metaanalyse von Frederick/Loewenstein/O’Donoghue, 40 J. Econ. Lit. 351 (2002), sowie den Beitrag von Kunreuther/Onculer/Slovic, 16 J. Risk Uncertainty 279 (1998), und die dort zitierten Studien; van Aaken, in: Paternalismus und Recht, S.  109, 120 ff. Offenbar gibt es insoweit jedoch Unterschiede je nachdem, welche Güter betroffen sind bzw. welche Entscheidungen getroffen werden müssen (Bsp.: Keine angemessene Diskontierung hinsichtlich der Investition in besondere Schutzmaßnahmen; Einbezug von Energieeffizienz und Sicherheitserwägungen beim Kauf von Kraftfahrzeugen [Nachweise und Diskussion bei Frederick/Loewenstein/O’Donoghue aaO., 360 ff:, Kunreuther/Onculer/Slovic aaO.]). 585 Etwa Shafran, 42 J. Risk Uncertainty 263 (2011).

464 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen für die Regelung gesellschaftsrechtlicher Beziehungen wegen ihrer langfris­ tigen Anlage erhebliche Bedeutung. (ii) Bounded Willpower bezeichnet Sachverhalte, in denen Personen gegen ihr eigenes Interesse handeln und zur Gegensteuerung gefasste Langzeitpläne trotz grundsätzlicher Einsicht in die Sinnhaftigkeit dieser Pläne nicht ein­ halten.586 (iii) Bounded Self-Interest meint, dass im Unterschied zum rationalen egoisti­ schen Nutzenmaximierer der klassischen ökonomischen Theorie „reale“ Menschen in einigen Situationen auf „gerechte“ Entscheidungen und Er­ gebnisse achten, die sie auch von anderen einfordern.587 Experten unterliegen den eben beschriebenen Problemen ebenfalls.588 Training, richtig gesetzte Verhaltensanreize und Lernprozesse vermögen zwar die Häu­ figkeit bestimmter Fehler einzudämmen.589 Doch bedarf es hierfür gezielter Maßnahmen, die zudem nur eine Hilfestellung bieten, nicht aber die verschie­ denen Verzerrungen ausschalten.590 Lernprozesse hängen häufig davon ab, dass kurz vor der Entscheidung negative Ereignisse eingetreten sind, die den glei­ chen Gegenstand betreffen, oder dass die entscheidenden Ereignisse häufig auf­ treten.591 So werden etwa mehr Versicherungen gegen schwere Schäden auf­ grund von Umweltereignissen wie starken Überschwemmungen abgeschlossen, wenn sich kurz zuvor eine Überschwemmung ereignet hat.592 Diese Einflüsse auf Entscheidungsprozesse haben nicht zu unterschätzende Konsequenzen für die Geltung des Informationsmodells.593 Sollte sich die Exis­ tenz dieser Fehlerquellen in der Zukunft weiterhin empirisch untermauern las­ sen,594 stellt sich die Frage nach notwendigen Korrekturen.595 586  Jolls/Sunstein/Thaler, 50 Stan. L. Rev. 1471, 1479 (1998). Beispiel: Raucher, die trotz Wissens um die Schädlichkeit der Sucht keinen ernsthaften Entziehungsversuch unterneh­ men. 587  Jolls/Sunstein/Thaler, 50 Stan. L. Rev. 1471, 1479 (1998); Kahneman/Knetsch/Thaler, 76 Am. Econ. Rev. 728 (1986). 588  Für das Framing etwa McNeil/Pauker/Sox/Tversky, 306 New Engl. J. Med. 1259 (1982). 589  Hierauf verweisen insbesondere die Kritiker der „Behavioral Law and Econo­ m ics“Vertreter, etwa Glaeser, 73 U. Chi. L. Rev. 133, 136 ff. (2006). 590  S.  K ahneman, 58 Am. Psych. 697, 711 f. (2003). 591 Vgl. Shafran, 42 J. Risk Uncertain. 263, 278 ff. (2011). 592  S.  Browne/Hoyt, 20 J. Risk Uncertainty 291 (2000). 593  Dazu nur Jolls/Sunstein/Thaler, 50 Stan. L. Rev. 1471, 1533 ff. (1998); Ulen, in: Grund­ mann et al., S.  98, 111 ff. 594  Das Ausmaß der beschriebenen Fehler und ihre Bedeutung im Einzelnen ist auch in­ nerhalb der psychologischen Forschung immer noch umstritten, s. etwa Gigerenzer, 2 Eur. Rev. Soc. Psychol. 83 (1991); Sonderheft „Rationality Restored“ 27 Social Cognition 635 (2009). Eine große Rolle spielt insbesondere das Design der den empirischen Studien zugrun­ deliegenden Experimente und das Konzept von Rationalität. Einen guten Überblick liefert Krueger im Einführungsaufsatz zum Sonderheft von Social Cognition, 27 Soc. Cogn. 635 (2009). Verteidigungen aus psychologischer Sicht etwa bei Gilovich/Griffin, in: Heuristics and Biases, S.  1, 7 ff.; Kahneman, 58 Am. Psych. 697, 711 f. (2003).

B.  Rechtsformübergreifende Wertungen

465

c)  Grenzen des Informationsmodells und zwingendes Recht Einfache Lösungen zur Bewältigung der beschriebenen Defizite der Informa­ tion­sverarbeitung gibt es nicht.596 Die Literatur schreibt resignierend von „dis­ tanzierter Hilflosigkeit vor einer Situation, in der auch eine Überflutung mit Informationen die Verbesserung von Lebensentscheidungen – auch auf rechts­ geschäftlichem Gebiet – nicht bewirkt.“597 Der Gesetzgeber steht mithin vor einem Dilemma: „There is rarely a good solution in principle: incomplete dis­ closure leaves people ignorant, but complete disclosure creates crushing over­ load problems.“598 Ein eindeutiges Urteil für oder gegen mehr zwingende Regeln lässt sich nicht fällen.599 Allerdings ergibt sich eine Konsequenz: Versuche zur Rechtfertigung zwingenden Rechts können in vielen Fällen argumentativ in einer Weise unter­ füttert werden, wie es in den weitgehend von Empiriebezügen baren theoreti­ schen Diskussionen um die Reichweite der Vertragsfreiheit nicht möglich war. 600 Eingriffe in frei getroffene Entscheidungen Einzelner liegen damit in einer für viele Betrachter unangenehm kurzen Entfernung. 601 Insbesondere in den Vereinigten Staaten ist die Diskussion darüber in vollem Gange. Diese kann und soll hier nicht wiedergegeben werden, eine konzeptionelle Stellungnahme über Konzepte wie das des „Libertarian Paternalism“602 ist für die Zwecke die­ ser Arbeit nicht notwendig. 603 595

595 

Schön, FS Canaris, Band I, S.  1191, 1211. wird sogar vertreten, die Ergebnisse der psychologischen Forschung gä­ ben Anlass, dem Gesetzgeber noch weniger zu trauen, so etwa Glaeser, 73 U. Chi. L. Rev. 133 (2006). 597  Schön, FS Canaris, Band I, S.  1191, 1211; in der Sache ähnlich Ben-Shahar/Schneider, 159 U. Penn. L. Rev. 647, 688 (2011). 598  Ben-Shahar/Schneider, U. Penn. L. Rev. 647, 688 (2011). 599  Schön, FS Canaris, Band I, S.  1191, 1211 („Das „Informationsmodell“ versagt hier und doch fallen beide Alternativen – die Rückkehr zur schlichten Vertragsfreiheit oder die pater­ nalistische Inhaltskontrolle – nicht leicht. Die Rechtspolitik ist hier verwiesen auf die tradi­ tio­nelle Frage nach dem Einsatz zwingenden Rechts; die Antworten werden zu verschiedenen Zeiten verschieden ausfallen.“); Spindler, 34 J. Cons. Pol. 315, 325 (2011). 600 Ähnlich Wiedemann/Wank, JZ 2013, 340, 344. 601  Spindler, 34 J. Cons. Pol. 315, 327 (2011). 602  So der Titel des von zwei der führenden Köpfen der „Behavioral“-Forschung, Cass R. Sunstein und Richard H. Thaler, verfolgten Ansatzes, s. dies., 93 Am. Econ. Rev. 175 (2003) und 70 U. Chi. L. Rev. 1159 (2003). Sunstein und Thaler befürworten die Einführung verhal­ tenssteuernder Regelungen unabhängig von Externalitäten. Diese Regelungen sollen jedoch nicht zwingend ausgestaltet sein, sondern ein „opt out“ ermöglichen, so dass die Entschei­ dungsfreiheit im Sinne liberaler (bzw. sogar libertärer) Vorstellungen im Ergebnis gewahrt bleibt. 603  Kritisch aus neuerer Zeit etwa Glaeser, 73 U. Chi. L. Rev. 133, 142 ff. (2006). Zu ver­ schiedenen diskutierten Konzepten Klöhn, Kapitalmarkt, S.  149 ff.; Schmolke, Grenzen, S.  10 ff. Zum schillernden Begriff des Paternalismus Enderlein, S.  7 ff.; van Aaken, in: Paterna­ lismus und Recht, S.  109, 122 ff.; Schmolke, aaO. 596  Gelegentlich

466 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen Festzuhalten ist jedoch immerhin, dass die Argumente der Befürworter von „Behavioral Law and Economics“ nicht einfach verworfen werden können. 604 Selbst wenn es für die Herausbildung abstrakter Regelungskonzepte noch zu früh ist, vermögen die Erkenntnisse der Kognitionsforschung im Einzelfall Be­ gründungsmuster zu liefern, die eine umfassendere Diskussion der Situation zulassen als bisher üblich. 605 Insbesondere im Bereich von Verhaltensannahmen und Einsichtsmöglichkei­ ten ergeben sich neue Chancen der Urteilsbegründung. Je stärker etwa damit argumentiert wird, ein Individuum sei an seiner Entscheidung festzuhalten, weil ihm die Konsequenzen hätten bewusst sein müssen oder es sich hätte schützen können, desto eher ist eine genauere Analyse der Grundlagen dieser Annahmen angebracht. Das heißt aber auch: Grundregel ist und bleibt das Prin­ zip der Eigenverantwortlichkeit im Privatrecht. Objektiv unsinnige Entschei­ dungen sind nicht deshalb zu korrigieren, weil sie töricht erscheinen. 606 Ergänzend ist auf problematische Aspekte des Informationsmodells hinzu­ weisen, die bereits Schön hervorgehoben hat:607 Informationspflichten können nicht mehr gewährleisten, als die Bereitstellung – bestenfalls – ausreichender und der Entscheidungsfindung förderlicher Informationen zu forcieren. Über den Inhalt des auf Basis der ausgewerteten Informationen geschlossenen Vertra­ ges ist damit noch nichts gesagt, die Frage nach der „Richtigkeit“ des Vertrages nicht beantwortet. Nimmt man die Problemkreise zusammen, lässt sich jedenfalls festhalten, dass Verweisen auf eine verstärkte Nutzung des Informationsmodells mit einer gewissen Vorsicht zu begegnen ist.608 Insbesondere seine Eignung zur Rechtfer­ tigung der Abschaffung verhaltenssteuernder Normen und Rechtsgrundsätze ist im Einzelfall kritisch zu hinterfragen. Allerdings wird damit umgekehrt kein Grundsatz von „im Zweifel für eine Regulierung“ aufgestellt. Die Begrün­ dungslast liegt nach wie vor bei denjenigen, die die Handlungsfreiheit der Marktteilnehmer einschränken wollen.609 604 

Spindler, 34 J. Cons. Pol. 315, 326 (2011). Berücksichtigung etwa Eidenmüller, JZ 2011, 814, 816 ff.; Fleischer, FS Immenga, S.   575, 579 („bei der Lösung konkreter Rechtsprobleme“); Klöhn, Kapitalmarkt, S.   153; Schmolke, Grenzen, S.  269 f. und öfter; Spindler, 34 J. Cons. Pol. 315, 328 ff. (2011); Wiedemann/Wank, JZ 2013, 340, 344; wohl auch Schön, FS Canaris, Band I, S.  1191, 1210 f. 606  Wiedemann/Wank, JZ 2013, 340, 344. 607  Schön, FS Canaris, Band I, S.  1191, 1208. 608  Vgl. auch Ulen, in: Grundmann et al., S.  98, 128: „The thrust of these errors [...] is that even when the traditional imperfections (informational asymmetry and information as a pu­ blic good) are not present, individuals may make predictable and systematic errors in their maximizing decisions.“ (Kursivsetzung hinzugefügt) 609 Ähnlich Klöhn, Kapitalmarkt, S.  153; Schmolke, Grenzen, S.  266 f.; Spindler, 34 J. Cons. Pol. 315, 326 (2011). Vgl. auch Krueger, 27 Soc. Cogn. 635, 636 (2009), der betont, es sei not­ wendig, Rationalität als Hypothese zu begreifen und nicht als Prämisse, die man entweder zugrundelege oder verwerfe. 605  Für

B.  Rechtsformübergreifende Wertungen

467

3.  Grenzen des Selbstschutzes und zwingendes Kapitalgesellschaftsrecht Ausgehend von den oben dargestellten allgemeinen Folgerungen zu den Gren­ zen des Selbstschutzes im Zusammenhang mit dem Informationsmodell stellt sich nun die Frage, was sich hieraus für die Rechtfertigung zwingender Regeln speziell im Kapitalgesellschaftsrecht ergibt. Sollte, um nur einige Beispiele zu nennen, die vollständige Abbedingung der Treuepflicht der Geschäftsleitung, 610 die Abbedingung von Gleichbehandlungspflichten und die Vereinbarung der bereits oben erwähnten Hinauskündigungsklauseln erlaubt sein? Jeweils ließe sich, wie das Schrifttum in seiner unter 1. zitierten Rechtsprechungskritik im­ mer wieder hervorhebt, daran ansetzen, „jedem“ müsse klar sein, dass ein Ver­ zicht auf Rechte bei Eintritt in die Kapitalgesellschaft spätere Beeinträchtigun­ gen der eigenen Rechtsposition nach sich ziehen kann. Dass dies trägt, ist jedoch nach den oben beschriebenen Grenzen des Informationsmodells fraglich (hier­ zu sogleich unter a]). Ob anhand dieser Zweifel die Notwendigkeit zwingender inhaltlicher Vorgaben begründet werden kann, steht nicht fest (unten b]). a)  Grenzen des Selbstschutzes bei Eintritt in die Kapitalgesellschaft Selbst bei Offenlegung wichtiger Informationen verbleibt ein entscheidendes Problem, nämlich die oben vorgestellten Einschränkungen des Erkenntnisver­ mögens: Menschen sind notorisch schlecht darin, die Konsequenzen langfristig wirkender Entscheidungen einzuschätzen. Auch wer „mit klarem Kopf“ ent­ scheidet, unterliegt im Kern kaum behebbaren kognitiven Defiziten. Deshalb ist es fragwürdig, mit einem Verweis auf die der Rechtsordnung zugrunde lie­ gende Vorstellung des mündigen Bürgers, der seine Angelegenheiten selbst zu regeln in der Lage sei, den nahezu vollständigen Verzicht auf zwingende Regeln zu begründen, die den Inhalt von Gestaltungsmaßnahmen betreffen. Das Ar­ gument der Mündigkeit trägt nur so weit, wie Mündigkeit reicht. 611 Insoweit ist zunächst die Wirkung dispositiver Regelungen auf langfristig wirkende privatautonome Gestaltungen zu betrachten (aa]), um anschließend die fehlende Vorhersehbarkeit zukünftiger Ereignisse als Kriterium zu analy­ sieren (bb]) und die Figur des „Gesellschafters minderen Rechts“ (cc]) zu disku­ tieren. aa)  Dispositives Recht und langfristig wirkende privatautonome Gestaltung Ein Teil der Literatur meint, es gebe eine „Korrelation zwischen Unwissenheit und der Wirkkraft dispositiver Regeln“, wonach die Abbedingung umso un­

610 

Ausführlich hierzu unten §  3 V. Zusammenhang mit der Notwendigkeit, wenigstens dispositives Recht zu setzen, Möslein, Dispositives Recht, S.  308 ff. 611  Im

468 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen wahrscheinlicher werde, je weiter solche privatautonomen Gestaltungen in die Zukunft reichen. 612 Indes dürfte der Zusammenhang eher umgekehrt sein: Gerade weil die Parteien weniger über die weiter entfernte Zukunft wissen (können), werden sie häufig aufgrund der fehlenden Gewichtung zukünftiger Risiken vom Gesetz abweichen, weil sie keine negativen Folgen ihres Handelns zu sehen vermögen. Die Empirie belegt, wie oben dargestellt,613 dass der die Notwendigkeit des Schutzes vor Ereignissen mit geringer Eintrittswahrschein­ lichkeit häufig unterschätzt wird (Discounting Bias oder Hyperbolic Discoun­ ting). Trotz der gravierenden Auswirkungen von Abreden, die den sachgrundlosen Ausschluss eines Mitglieds erlaubten, waren diese Klauseln Gegenstand einer Vielzahl von Gesellschaftsverträgen, bevor der Bundesgerichtshof sie für nich­ tig erklärte. Für die US-Gestaltungspraxis zeigen aktuelle Studien, dass unter anderem Haftungs- und Treuepflichtregeln in Gesellschaftsverträgen von Li­ mited Liability Companies und Limited Partnerships in weitem Umfang und ohne Ausgleich mittels maßgeschneiderter Sondergestaltungen abbedungen werden. 614 bb)  Fehlende Vorhersehbarkeit als Regelungsanlass Nun ließe sich einwenden, dies sei lediglich die Beschreibung eines Zustan­ des. Doch folge hieraus nichts in normativer Hinsicht, weil die Parteien in An­ betracht der genannten – und den meisten bei erwartbarer geistiger Anstren­ gung zumindest abstrakt vorhersehbaren – Schwierigkeiten es in der Hand hät­ ten, selbst für Ausgleich zu sorgen, indem sie entsprechende Klauseln in eine Vereinbarung aufnehmen oder schlicht keine Abreden mit dem Inhalt etwa von Hinauskündigungsklauseln treffen. Wer keine Gleichbehandlung oder Treuepflichten bei Eintritt in die Gesell­ schaft vereinbart, soll später nicht Ungleichbehandlung und fehlende Rück­ sichtnahme bei der Ausübung von Gesellschafterrechten durch andere Gesell­ schafter als rechtswidrig geltend machen können. Dem Hinweis, Treuepflichten und Gleichbehandlungsgrundsatz dienten der Durchsetzung von Gerechtigkeit im Gesellschaftsrecht,615 zu deren Schutz die Privatautonomie und das vertrags­

612 So

Möslein, Dispositives Recht, S.  314. Allgemein zu diesem Defizit oben 2.b)cc). 614  Oben A. §  1 IV.2.b)bb). 615  So für den Gleichbehandlungsgrundsatz im Kapitalgesellschaftsrecht Verse, Gleichbe­ handlungsgrundsatz, S.   77 f.: Gleichbehandlungsgrundsatz im Gesellschaftsrecht ist „in Wahrheit ein Instrument zur Verwirklichung der iustitia commutativa [...]; es geht – jedenfalls primär – um die Wahrung der ausgleichenden Gerechtigkeit gegenüber Eingriffen der Gesell­ schaft in die Mitgliedschaft des Gesellschafters[…].“ 613 

B.  Rechtsformübergreifende Wertungen

469

rechtliche Konsensprinzip nicht ausreichten, 616 lässt sich gerade Letzteres ent­ gegenhalten: Dem Grunde nach sollte jedermann klar sein, dass sich im Laufe einer lang­ jährigen Beziehung Spannungen aufbauen können, zu deren Lösung besondere Regeln notwendig sind. Das gilt nicht nur für die Ehe, sondern auch im Gesell­ schaftsrecht. 617 In diesem Fall pauschalen Verzichts stellt sich auch nicht das Problem zu komplex werdender Vereinbarungen.618 Ebenso kommt es nicht zu einer Lähmung aufgrund des Konsensprinzips. 619 Muss nicht jeder Gesellschafter zustimmen, weil alle diejenigen keine Be­ nachteiligung aufgrund Ungleichbehandlung geltend machen dürfen, denen kein zuvor explizit vereinbarter Gleichbehandlungsgrundsatz zur Verfügung steht, scheinen andere Schutzinstrumente gerade entbehrlich zu sein. Wer in eine Gesellschaft eintritt, so schon das Reichsgericht in der Hibernia-Entschei­ dung, 620 muss mit Benachteiligung rechnen. „Zur Immunisierung gegen Zeit­ strömungen“621 wird im Schrifttum gelegentlich auf Florentinus verwiesen:622 „Libertas est naturalis facultas eius quod cuique facere libet, nisi quid vi aut iure prohibetur.“623 Diese Einwände beruhen jedoch im Ergebnis auf einem Zirkelschluss:624 Denn die Fähigkeit und die Möglichkeit, sich bei Eintritt in eine Gesellschaft durch entsprechende Vereinbarungen zu schützen, hängt wiederum davon ab, in welchem Umfang überhaupt eine Urteilsbildung denkbar und Erkenntnis­ grundlagen ermittelbar sind. Der pauschale Verzicht auf die Geltung etwa von Treuepflichten oder des Gleichbehandlungsgrundsatzes basiert eben nicht auf einer vollständig informierten Entscheidung in Kenntnis sämtlicher möglicher Nachteile. Dies mittels eines „richtigen“ Preises ausgleichen zu wollen, 625 unterliegt den gleichen Schwierigkeiten – die Berechnung eines Abschlags setzt wiederum vo­ raus, die Zukunft vollständig beurteilen zu können. 626 Es stellt sich gerade die Frage, ob die vermeintlich in freier Willensausübung geschlossene Vereinba­ rung etwa §  138 BGB unterfällt. Wer das pauschal verneint, begeht eine Petitio

616 

Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S.  78. Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln, S.  26. 618  Hierauf verweist etwa Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S.  78. 619 So Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S.  78. 620  Oben 1. 621  Gemeint sind die vertragsrechtlichen Strömungen der Sechziger und Siebziger Jahre des Zwanzigsten Jahrhunderts, s. Eiselt, FG v. Lübtow, S.  6 43, 663 f. 622  Eiselt, FG v. Lübtow, S.  6 43, 664. 623  Digesten 1, 5, 4, 1. 624  Kritisch bereits Hommelhoff, in: Lutter/Wiedemann, Gestaltungsfreiheit, S.  36, 50. 625  Also zukünftige Risiken einpreisen zu wollen. 626  Hierzu schon oben A. §  5 III. 617 Vgl.

470 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen Principii, weil er der Interpretation der Sittenwidrigkeitsklausel undeklariert das gewollte Ergebnis zugrunde legt. Zu Recht verweist Karsten Schmidt darauf, gesellschaftsvertragliche Rege­ lungen für die Zukunft zu treffen, sei „schwer beherrschbares Hexenwerk“, das „an natürliche Grenzen“ stoße. 627 cc)  Der Gesellschafter minderen Rechts Es bleibt der insbesondere von Flume erhobene Einwand zum „Gesellschafter minderen Rechts“, eine Benachteiligung sei dann nicht relevant, wenn bereits bei Eintritt in die Gesellschaft die Mitgliedschaft in einer Weise ausgestaltet worden sei, dass ansonsten geltende Grundsätze a priori nicht zum Zuge kom­ men könnten. 628 Stützen lässt sich dieser Gedanke noch mit einem Verweis auf das geltende Aktienrecht: Niemand käme auf die Idee, etwa den Ausschluss des Stimmrechts zum Nachteil von Vorzugsaktionären gemäß §§  12 Abs.  1 S.  2, 139 Abs.  1 AktG zum Anlass zu nehmen, die Rechtfertigungsfähigkeit dieser Gestaltungsoption zu bezweifeln. Vorzugsaktionäre können sich Änderungen der Gesellschaftsorga­ nisation nicht ohne Weiteres entgegenstellen und sind abhängig von den Stamm­ anteils­eignern. Damit stellt sich die Frage nach dem Tertium Comparationis. Auch Vorzugsaktionäre sind in gewisser Weise „Gesellschafter minderen Rechts“. Doch knüpft das Gesetz an den Ausschluss des Stimmrechts Bedingungen. §  139 Abs.  1 AktG setzt ein Recht auf nachzuzahlenden Vorzug voraus. Ferner lebt das Stimmrecht auf, wenn der Vorzugsbetrag nicht oder nicht vollständig gezahlt wird, §  140 Abs.  2 S.  1 AktG. Weiterhin bedarf ein Eingriff in den Vor­ zug gemäß §  141 Abs.  1 AktG der Zustimmung der Betroffenen. Der von vorn­ herein feststehende Rechts„verzicht“ ist nach alledem nicht mit der Stellung ei­ nes „Gesellschafters minderen Rechts“ vergleichbar, weil der Verzicht kein end­ gültiger ist. Vielmehr verliert er stets dann seine Wirkung, sobald sich typische Gefährdungsszenarien entfalten.  b)  Zwingendes Recht als Ausgleich begrenzter Regelungskompetenz Um einen naheliegenden Einwand vorwegzunehmen: Aus den eben beschriebe­ nen Schwierigkeiten der Regelung komplexer Langfristbeziehungen folgt nicht sogleich die Notwendigkeit umfassender inhaltlicher Vorgaben und Kontrolle, weil Privatautonomie eine leere Floskel sei. Es geht nicht um die Verneinung der Existenz von Privatautonomie unter Verweis auf „anonyme Mächte“ im „kapi­ 627 

K.Schmidt, GmbHR 2011, 1289, 1296; zustimmend Weller, ZGR 2012, 386, 396. Flume, NJW 1979, 902, 903; ders., DB 1986, 629, 633; ders., Personengesellschaft, §  10 III. (S.  137). Aus jüngerer Zeit vor allem Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, §  34 Rn.  41; K. Schmidt, in: MünchKommHGB, §  140 Rn.  103. 628 

B.  Rechtsformübergreifende Wertungen

471

talistischen System“, die außerhalb des Einflussbereichs Privater lägen, wie dies Teile der vertragsrechtlichen Literatur der Sechziger und Siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts vertreten haben. 629 Wie schon oben betont, 630 gilt als Grundregel die Annahme selbstverant­ wortlichen Regelungsvermögens. Doch darf diese Prämisse nicht verabsolutiert werden. 631 Für die Diskussion um die Ausgestaltung zwingenden Rechts im Kontext begrenzter Rationalität und kognitiver Defizite ist zu berücksichtigen, dass die Rechtfertigung nicht abdingbarer Normen nur so weit reicht, wie die beschriebenen Defizite wirken. 632 Diese Mängel resultieren vor allem aus dem Unvermögen, über langfristige Zeiträume hinweg Fakten zu erkennen und richtig zu gewichten. 633 Der Sache nach geht es um die Abwägung zwischen dem Grundsatz, dass ungewollte Rechtswohltaten nicht gewährt werden („Invito beneficium non datur“634), und dem im Bürgerlichen Gesetzbuch an verschiedenen Stellen zum Ausdruck kom­ menden „Schutz der Freiheit gegen sich selbst.“635 Insoweit bietet es sich an, zwei Aspekte zu diskutieren: Im Kapitel zur Stan­ dardisierung wurde bereits die Netzwerktheorie vorgestellt. 636 In diesem Zu­ sammenhang ist an die Möglichkeit zu erinnern, Vereinheitlichungsprozesse durch sogenannte fokale Punkte zu steuern. 637 Hierauf aufbauend ist zu überle­ gen, ob der Vereinbarung von Hinauskündigungsklauseln, der Abbedingung von Treuepflichten und ähnlichen Maßnahmen dadurch begegnet werden kann, dass mit Hilfe abdingbaren Rechts ein besserer Markstandard vorgeschlagen wird (hierzu aa]). Des Weiteren bedarf der Umgang mit dem eben angedeuteten Spannungsverhältnis im Gesetz näherer Betrachtung. Das Bürgerliche Gesetz­ buch bietet hier einen guten Ansatz, indem es bestimmte Vereinbarungen, die erhebliche Vermögensrisiken mit sich bringen, selbst dann untersagt, wenn eine Person sich freiwillig und in voller Kenntnis der Risiken einer entsprechenden Verpflichtung unterwerfen möchte (bb]). 629  In diese Richtung etwa L.Raiser, Vertragsfreiheit heute, in: Aufgabe, S.  38, 43 („anony­ me Mächte[...]“); Zweigert, FS Rheinstein, Band 2, S.  493, 504. Aus neuerer Zeit etwa Heinrich, Formale Freiheit, S.  223. 630  Oben 2.c). 631  Vgl. zum Vereinsbeitritt schon Wiedemann, JZ 1968, 219; s. auch Hommelhoff, in: Lut­ ter/Wiedemann, Gestaltungsfreiheit, S.  36, 50 ff., und Weller, ZGR 2012, 386, 396, die die Regelungsverantwortung des Gesetzgebers hervorheben. 632  Allgemein zum „Dispositionsverhalten“ und seiner Auswirkung auf die notwendige Regelungsintensität Möslein, Dispositives Recht, S.  265 ff., 427 ff. 633  Zur Empirie des Discounting Bias und dem Problem der Zeitkonsistenz oben 2.b)cc). 634  D. 50, 17, 69. Hierzu und zu weiteren Formeln im Römischen Recht Altmeppen, Dispo­ nibilität, S.  4 ff. (S.  7 zur im Text zitierten Wendung). In der Literatur findet sich häufig auch die Formulierung „beneficia non obtruduntur“, z.B. bei Bachmann, Private Ordnung, S.  294. 635  Hedemann, Fortschritte des Zivilrechts, Teil 1, S.  27 ff. (Zitat in Kapitelüberschrift). 636  Oben A. §  1 III.2. 637  Dazu oben A. §  1 III.2.c)dd).

472 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen aa)  Grenzen abdingbaren Rechts als fokaler Punkt US-amerikanische Autoren schlagen vor, zum Schutz insbesondere von Min­ derheitsgesellschaftern in Close Corporations abdingbare Standards vorzuse­ hen, die den beschriebenen kognitiven Defiziten entgegenwirken. 638 Das führe den Gesellschaftern die Wichtigkeit der Vereinbarungen vor Augen. Jedenfalls gäbe es Klarheit vor Gericht, welche Rechte zu Gunsten der Minderheit gäl­ ten. 639 Umgekehrt wäre die Abbedingung der Modellklauseln Zeichen für eine bewusste Abkehr vom Regelfall, so dass ein Richter in dieser Situation keine ungeschriebenen Rechte in die Abrede hineinlesen solle. 640 Dies ist der Sache nach ein Vorschlag, die Gestaltungspraxis zu verändern, indem den Marktteil­ nehmern eine neue Orientierung für die sinnvolle Regelung ihrer Angelegen­ heiten geboten wird. Das entspricht dem in der Netzwerktheorie bekannten Konzept, einen fokalen Punkt zu setzen. 641 Attraktiv erscheint an dieser Lösung, dass sie nicht auf zwingendem Recht beruht. Die Parteien dürfen in vollem Umfang über ihre Rechte und Pflichten disponieren. Allerdings spricht die empirische Evidenz zum tatsächlichen Ge­ staltungsverhalten dafür, dass die Setzung eines fokalen Punktes nicht stets hilft, einen höheren Schutzstandard zu etablieren. Sowohl in Deutschland als auch in den USA gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Marktteilnehmer viel­ fach gerade solche Regeln endgültig abbedingen, die dem Schutz von Minder­ heitsgesellschaftern oder sogar dem Schutz der Anteilseigner insgesamt dienen: Für Deutschland sei wiederum an das Beispiel der Hinauskündigungsklau­ seln erinnert. Die Grundregel, dass der Ausschluss eines Gesellschafters eines Sachgrundes bedarf, existierte vor Etablierung der besagten Klauseln. Sie dien­ ten gerade dazu, diese Schwelle abzusenken. In den Vereinigten Staaten zeigen Studien zur Limited Liability Company und zur Limited Partnership, dass die Satzungsgestalter in weitem Umfang Treuepflichten und Haftungsnormen in ihrer Wirkung stark beschränken oder sogar vollständig ausschalten. 642 Die im Delaware General Corporation Law eingeräumte Möglichkeit, die Haftung we­ gen Treuepflichtverletzungen in der Corporation – auch in der Public Corpora­ tion – zu beschränken, wird in fast allen Satzungen genutzt. 643 Angesichts dieser Tatsachen ist es zweifelhaft, dass die Setzung neuer abding­ barer Vorschriften das Problem der Gesellschafter bewältigen hilft, die langfris­ 638  Sneirson, 2008 Wis. L. Rev. 899, 923 ff., 932 f. Sneirson diskutiert aaO. zwar keine ge­ setzgeberischen Maßnahmen, sondern bezieht sich auf von dritter Seite bereitgestellte Mus­ tervereinbarungen. Dieser Grundgedanke lässt sich jedoch auf die Rechtssetzung übertragen (in diesem Sinne wohl auch Fleischer/Schmolke/Zimmer, in: Beitrag der Verhaltensökonomie, S.  9, 60). 639  Sneirson, 2008 Wis. L. Rev. 899, 932. 640  Sneirson, 2008 Wis. L. Rev. 899, 933. 641  Oben A. §  1 III.2.c)dd). 642  Oben A. §  1 IV.2.b)bb). 643  Oben A. §  1 IV.2.b)bb).

B.  Rechtsformübergreifende Wertungen

473

tigen Folgen ihres Verhaltens nicht richtig einschätzen zu können. Hieraus den Schluss zu ziehen, es bedürfte dann umfassend zwingender Regeln nach dem Modell von §  23 Abs.  5 AktG, das heißt solcher, die keinerlei Form des Verzichts auf ihre Geltung zulassen, wäre indessen voreilig. Die geltende Rechtsordnung weist, wie sogleich darzustellen ist, eine Vielzahl von Ansatzpunkten auf, dass langfristig wirkende Entscheidungen auch dann zu akzeptieren sind, wenn sie mit erheblichen Risiken für denjenigen einhergehen, der sie trifft. An dieser Stelle geht es allein darum, die Grenzen des Modells eines fokalen Punktes im Zusammenhang mit langfristig wirksamen Entscheidungen zu de­ monstrieren. bb)  „Schutz der Freiheit gegen sich selbst“ im Bürgerlichen Recht Schon das Römische Recht kannte die Regula Iuris, niemand müsse sich eine Rechtswohltat aufdrängen lassen. 644 Diese Parömie machen viele Autoren für das geltende Privatrecht fruchtbar und schreiben ihr dogmatischen Gehalt zu. 645 Im Unterschied etwa zu einem Vertrag zu Lasten Dritter, hinsichtlich dessen die belastete Person geschützt werden muss, weil sie von ihrer Verpflichtung keine Kenntnis und auf ihren Umfang daher keinen Einfluss nehmen konnte, geht es hier um die Frage, inwieweit auf rechtlichen Schutz freiwillig verzichtet werden darf. Auf das „Recht“, sich erheblichen Belastungen auszusetzen, ohne dass ein Gericht korrigierend eingreifen dürfe, verweist auch der Bundesgerichtshof. Es sei zulässig, risikoreiche Geschäfte zu tätigen und sich zu Leistungen zu ver­ pflichten, die nur unter besonders günstigen Bedingungen erbracht werden können. 646 Bei einem Volljährigen sei grundsätzlich davon auszugehen, dass er auch ohne besondere Erfahrung in der Lage sei, die Tragweite seines Handelns abzuschätzen. 647 Sittenwidrigkeit im Sinne von §  138 Abs.  1 BGB liege (nur) bei Hinzutreten weiterer Umstände vor. 648

644 

Nachweise oben Fußnote 634. die Disponibilität des Rechtssscheins etwa Altmeppen in seiner gleichnamigen Schrift (s. die Zusammenfassung aaO. S.  315 ff.). 646  BGHZ 109, 92, 98; BGH NJW 1991, 2015, 2016; BGHZ 125, 206, 209; BGHZ 151, 34, 37. 647  BGH NJW 1991, 2015, 2016; BGHZ 125, 206, 210, jeweils im Zusammenhang mit der Abgabe einer Bürgschaftserklärung. Zur Erfahrenheit im Geschäftsverkehr BGH NJW 1997, 940. 648  Grundlegend für das Bürgschaftsrecht BGHZ 125, 206, 210; später etwa BGHZ 151, 34, 37. Dagegen spricht nicht die neuere Judikatur des Bundesgerichtshofs zu Angehörigen­ bürgschaften. Vielmehr leitet der Bundesgerichtshof hier gerade aus der Eigenschaft als nahe­ stehende Person die widerlegliche Vermutung ab, es gebe über die finanzielle Belastung hin­ aus einen Umstand, der die Annahme von Sittenwidrigkeit rechtfertige, vgl. BGH NJW 2009, 2671, 2672 mit weiteren Nachweisen. 645 Für

474 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen Doch gilt dies alles bereits dem geschriebenen Recht nach nicht unbegrenzt. 649 Selbst wenn die Wendung „invito beneficium non datur“ ein aktuell gültiges Rechtsprinzip ausdrücken sollte, enthält das Gesetz – auch außerhalb des Ver­ braucherrechts – Durchbrechungen. §  311b Abs.  3 erklärt einen Vertrag für nichtig, durch den sich jemand verpflichtet, sein künftiges Vermögen oder einen Bruchteil hiervon zu übertragen. Diese Regelung wurde (als §  310 BGB) in das Bürgerliche Recht eingeführt, um zu verhindern, dass sich jemand im Wege der Ausübung von Vertragsfreiheit im Ergebnis jeglicher Freiheit beraubt.650 Die Begründung hierfür leiten die meisten Autoren nicht in erster Linie aus dem volkswirtschaftlichen Argument ab, wonach Arbeitsanreize fortbestehen soll­ ten, sondern aus einer ethischen Überlegung: Es müsse Schutz vor Verpflich­ tungen mit unabsehbaren Folgen geben.651 Vielfach wird die von der Norm be­ wirkte Erhaltung der Vermögensfähigkeit mit der Erhaltung der Rechtsfähig­ keit gleichgesetzt. 652 Verneint man diesen Zusammenhang und sieht allein den „Schutz vor Hoff­ nungslosigkeit“ sowie die Freiheitsbeschränkung für sich genommen als Grund an, Verpflichtungen für unwirksam zu halten, 653 hat das eine einschneidende Konsequenz: Ob der Freiheitsverlust freiwillig herbeigeführt wurde oder nicht, ist dann irrelevant. 654 Das gilt zwar nicht für §  311b Abs.  2 BGB, weil dort die Freiwilligkeit aufgrund der Tatbestandsvoraussetzung „vertragliche Verpflich­ tung“ implizite Prämisse der Normanwendung ist. Doch gilt dies für die Ausle­ gung des §  138 Abs.  1 BGB, den Einige insoweit flankierend heranziehen.655 Die herrschende Meinung sieht dies freilich anders und fordert über die langfristige wirtschaftliche Bindung hinausgehende Umstände, die die Sittenwidrigkeit be­ gründen. 656 Für freiwillig eingegangene Verpflichtungen ist damit festzuhalten, dass mit Ausnahme von §  311b Abs.  2 BGB das objektive Bestehen einer langfristigen, wirtschaftlich unter Umständen ruinösen vertraglichen Bindung allein keinen normativen Anküpfungspunkt bietet, die Gültigkeit dieser Vereinbarung anzu­ 649  Allgemein skeptisch Bachmann, Private Ordnung, S.   294 ff.; im Zusammenhang mit der Rechtsscheinhaftung Chiusi, AcP 202 (2002), 494 ff. 650 Ausführlich Becker, FS Pleyer, S.   485 ff. In allgemeinem Kontext Hedemann, Fort­ schritte des Zivilrechts, Teil 1, S.  27 ff. 651  Vgl Motive, S.  186 f. = Mugdan II, S.  102 f.; Kanzleiter, in: MünchKommBGB, §  311b Rn.  87 f.; Schumacher, in: Staudinger, §  311b Abs.  2 Rn.  1; Wolf, in: Soergel, §  310 Rn.  1. Weiter Grziwotz, in: Erman, §  311b Rn.  83 f. 652 Etwa Schumacher, in: Staudinger, §  311b Abs.  2 Rn.  1. Kritisch hierzu Becker, FS Pleyer, S.  485, 492 ff. 653  Becker, FS Pleyer, S.  485, 492 ff., 495; Grziwotz, in: Erman, §  311b Rn.  84 (Zitatquelle). 654  Becker, FS Pleyer, S.  485, 495. 655  In diesem Sinne Becker, FS Pleyer, S.  485, 495; Grziwotz, in: Erman, §  311b Rn.  84. 656  Zur Rechtsprechung schon oben Fußnote 648. Aus der Literatur statt aller Ellenberger, in: Palandt, §  138 Rn.  34; Hefermehl, in: Soergel, §  138 Rn.  120; Sack/Fischinger, in: Staudin­ ger, §  138 Rn.  302. Wohl auch Armbrüster, in: MünchKommBGB, §  138 Rn.  68, 71 f.

B.  Rechtsformübergreifende Wertungen

475

zweifeln. Aus gesellschaftsrechtlicher Perspektive ließe sich die Solidarhaftung etwa nach §  128 S.  1 HGB ergänzen, die unter Umständen ganz erhebliche Be­ lastungen eines Mitglieds mit sich bringt. Diese Haftung ist sogar von Gesetzes wegen nicht ohne Individualvereinbarung mit dem Gläubiger beschränkbar (§  128 S.  2 HGB). Auch wenn das Gesetz an einigen Stellen Normen zum „Schutz der Freiheit gegen sich selbst“ vorhalten mag, lässt sich aus ihnen kein allgemeiner Grundsatz ableiten, wonach die Privatautonomie nicht genüge, sich in erheblichem Umfang Pflichten aufzubürden. Vielmehr bedarf es stets eines gesonderten Anknüpfungspunktes für eine Einschränkung der Vertragsfrei­ heit. cc)  „Liberaler Paternalismus“ und Schutz vor der eigenen Entscheidung Unter Übernahme von in den Vereinigten Staaten entwickelten Regulierungs­ konzepten vertritt eine steigende Anzahl deutscher Autoren, angesichts der mittlerweile offen zu Tage liegenden systematischen Fehler bei der Urteilsbil­ dung sei Schutz vor langfristig wirkenden Entscheidungen notwendig.657 Dieser „Liberale Paternalismus“ gebe eine neue – bessere – Rechtfertigung etwa für die Kontrolle von Hinauskündigungsklauseln. 658 Unabhängig davon, wie „Liberaler Paternalismus“ unter rechtstheoretischen und allgemein-philosophischen Gesichtspunkten zu bewerten ist,659 lässt sich jedenfalls im Zusammenhang mit der hier in Rede stehenden Problematik der Rechtfertigung zwingenden Kapitalgesellschaftsrechts zum Schutz von Gesell­ schaftern konstatieren, dass die genannten tatsächlichen Erkenntnisdefizite im geltenden deutschen Privatrecht für sich genommen nicht genügen, in freiwillig geschlossene Vereinbarungen mit Nichtigkeitsfolge einzugreifen. 660 §  311b Abs.  2 BGB bietet keinen normativen Anknüpfungspunkt. Zwar soll die Vorschrift, wie im vorangegangenen Abschnitt dargestellt, vor unabsehba­ ren Folgen langfristiger Bindungen schützen. Doch gilt dies gerade nicht für jede Verpflichtung, sondern nur für solche, die das Vermögen insgesamt oder einen Bruchteil im Sinne einer Quote des Vermögens betreffen, also die Ge­ samtheit aller Aktiva. 661 Verbunden mit den Anforderungen an §  138 Abs.  1 BGB, neben der Verpflichtung noch weitere Umstände darlegen zu müssen, um Sittenwidrigkeit zu begründen, lässt das geltende Recht allein den Schluss zu, 657 Für das Gesellschaftsrecht Fleischer, FS Immenga, S.   575, 581 f.; Schmolke, ECFR 9 (2012), 380, 406 ff.; ders., Grenzen, S.  215 ff., 626 ff.; Schön, FS Canaris, Band I, S.  1191, 1210. Allgemein etwa Eidenmüller, JZ 2011, 814, 816 ff. 658  Schmolke, ECFR 9 (2012), 380, 406 ff.; ders., Grenzen, S.  671 ff. 659  Ausführliche Diskussion bei Schmolke, Grenzen, S.  9 ff. Zur Debatte in den USA aus Sicht eines der Begründer dieser Denkrichtung Sunstein, 122 Yale L.J. 1826 (2013). 660  So schon Enderlein, S.  296, allerdings noch ohne Diskussion der Ergebnisse der Kogni­ tionsforschung. 661  Kanzleiter, in: MünchKommBGB, §   311b Rn.  93; Schumacher, in: Staudinger, §  311b Abs.  2 Rn.  10; Wolf, in: Soergel, §  310 Rn.  7

476 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen aus begrenzter Erkenntnisfähigkeit keine begrenzte Vertragsfreiheit ableiten zu dürfen. Wollte man dies anders sehen und wäre tatsächlich „Schutz vor Hoffnungslo­ sigkeit“662 das ausschlaggebende Argument, leitete dies hin zu einer umfassen­ den Inhaltskontrolle sämtlicher Vereinbarungen nach Maßgabe von §  138 Abs.  1 BGB, die nicht sofort oder jedenfalls in unmittelbarer zeitlicher Nähe des Ver­ tragsschlusses vollständig abgewickelt werden. Einseitige Rechtsgeschäfte wie der Verzicht, die Geltendmachung des Rechts auf Rücktritt und andere Maß­ nahmen stünden unter dem Vorbehalt, sie nachträglich auf ihre Konsequenzen untersuchen zu müssen. Folge wäre das Ende der Privatautonomie. Des Weite­ ren liegt in der einer Partei gewährten Rechtswohltat zugleich ein Rechtsnach­ teil – zu Lasten der anderen Seite. Dies alles spricht dafür, Beschränkungen der Gestaltungsfreiheit unter Ver­ weis auf die Schutzbedürftigkeit von Gesellschafter nicht lediglich auf deren kognitive Defizite zu stützen. Um einen Gleichlauf mit der allgemeinen bürger­ lich-rechtlichen Dogmatik herzustellen, bedarf es des Nachweises weiterer be­ lastender Umstände. Erst diese Kombination mehrerer Begründungsansätze legitimiert den Eingriff in die Privatautonomie der Beteiligten. Für den Gesell­ schafterschutz kommt hierfür die Notwendigkeit des Funktionenschutzes in Betracht. So stützen sich denn auch die Autoren, die Liberalen Paternalismus ausdrücklich gutheißen, im Ergebnis eher auf funktionale Gesichtspunkte. 663

§  2  Gestaltungsermöglichung und Gestaltungsvereinfachung Im Folgenden stehen zwei Aufgaben des Kapitalgesellschaftsrechts im Fokus, die insbesondere im deutschen Schrifttum in den letzten Jahrzehnten nur selten Erwähnung gefunden haben, nämlich die Ermöglichung und Vereinfachung von Gestaltung. 664 Interessant sind diese Aspekte, weil sie regelmäßig abding­ baren Normen zugeschrieben werden und gerade nicht zwingendem Recht, dem vor allem die rechtsökonomisch geprägte Literatur traditionell einschrän­ kende Wirkung beimisst. 665

662 

Grziwotz, in: Erman, §  311b Rn.  84. Vgl. die in Fußnote 657 Genannten. 664  Vgl. bereits Einleitung A. §  2 I. Die Ermöglichungsfunktion als Legitimationsansatz für zwingendes Kapitalgesellschaftsrecht wird angesprochen von Binder, Regulierungsinst­ rumente, S.  71, 158; prononciert für das US-amerikanische Recht Gordon, 89 Colum. L. Rev. 1549, 1555 ff., 1585 ff. (1989). 665 Vgl. nur Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S.   15 ff. Eine detaillierte Darstel­ lung der Debatte in den USA mit ausführlichen Nachweisen findet sich bei Binder, Regulie­ rungsinstrumente, S.  70 ff., auf die verwiesen sei. 663 

B.  Rechtsformübergreifende Wertungen

477

In der Einleitung wurden die Merkmale vorgestellt, die eine Kapitalgesell­ schaft im Unterschied zu sonstigen Vereinigungen prägen:666 Trennung von In­ haberschaft und Leitung, beidseitige Vermögenstrennung und freie Übertrag­ barkeit der Anteile. Indem das Gesetz eine solcherart vorstrukturierte Gesell­ schaftsform zur Verfügung stellt, eröffnet es den Marktteilnehmern die Chance, sich in einer Weise zu organisieren, wie ihnen das auf rein vertraglicher Grund­ lage oder mit Hilfe des Personengesellschaftsrechts nicht oder nur schwierig möglich wäre. 667 Dem Kapitalgesellschaftsrecht eignet also eine ermöglichende und vereinfachende Funktion, die das deutsche Schrifttum erst in Ansätzen entfaltet hat. 668 Die besondere Bedeutung dieses Aspekts im hiesigen Kontext liegt darin, die Untersuchung der Rechtfertigung zwingender Normwirkungen und ihrer Reichweite präziser durchführen zu können. 669 Die bisher für den deutschen Sprachraum typische, am Schutz einzelner Gruppen orientierte Betrachtung670 erweist sich als zu eng, weil sie nicht berücksichtigt, ob und in welchem Maße über den Schutz Einzelner hinausgehende Aspekte zu berücksichtigen sind.

I.  Gestaltungsermöglichung: Beidseitige Vermögenstrennung Das Prinzip der beidseitigen Vermögenstrennung ist aus gestalterischer Sicht das wichtigste Charakteristikum von Kapitalgesellschaften. Ohne entsprechen­ de gesetzliche Vorgaben wären die Parteien nicht in der Lage, vergleichbare Re­ gelungen zum Schutz des individuellen Vermögens (1.) und zum Schutz des ge­ meinsamen Vermögens (2.) zu schaffen. Eine ermöglichende Funktion hat das Kapitalgesellschaftsrecht insoweit, als es den Beteiligten Gestaltungsmittel an die Hand gibt, die ohne gesetzliche Vorgaben nicht bestünden.

1.  Schutz des individuellen Vermögens a)  Inhalt und Wirkung des Schutzes des individuellen Vermögens Grundsätzlich ist das Privatvermögen der Gesellschafter davor geschützt, nach der Beitragsleistung von der Gesellschaft oder deren Gläubigern in Anspruch genommen werden zu können. 671 Weder sind die Gesellschafter ohne eine von 666 

Einleitung A. §  2 I.1. Dazu sogleich näher unten im Text. 668  In jüngster Zeit hat sie insbesondere Binder betont (Regulierungsinstrumente, S.  157). 669 Das hebt bereits Binder, Regulierungsinstrumente, S.   158, hervor; allgemein Bachmann, JZ 2008, 11, 19 f. 670 Für Österreich besonders deutlich Haberer, Zwingendes Kapitalgesellschaftsrecht, S.  75 ff., der „die zentralen Schutzziele ermittel[n]“ möchte, die „das Kapitalgesellschaftsrecht zu verwirklichen trachtet.“ (Zitat S.  75) 671 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, §   4 I.2.a) (S.  197). Umfassend zur „Haftungsbe­ schränkung im Recht der Handelsgesellschaften“ Meyer in der gleichnamigen Schrift. 667 

478 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen ihnen selbst veranlasste Maßnahme672 zur Leistung weiterer Einlagen oder sonstiger Beiträge verpflichtet noch haben die Gläubiger der Gesellschaft ein unmittelbares Forderungsrecht gegen die Gesellschafter zur Erfüllung ihrer Forderungen gegen die Gesellschaft. 673 aa)  Vertragliche Verbindlichkeiten Hinsichtlich der Haftung für vertragliche Verbindlichkeiten sind privatautono­ me Begrenzungen durchaus denkbar.674 Lautete die Grundregel auf umfassende persönliche und unmittelbare Haftung, ohne dass zugleich eine Norm wie §  128 S.  2 HGB existierte, könnte wenigstens mit Hilfe von Allgemeinen Geschäfts­ bedingungen eine Beschränkung erreicht werden. Hierfür gibt es einen histori­ schen Präzedenzfall aus dem Vereinigten Königreich: Vor dem Inkrafttreten des Limited Liability Acts 1855675 galt für Joint Stock Companies der Grundsatz der unbeschränkten gemeinschuldnerischen Haf­ tung ihrer Anteilseigner. Dem versuchten die Mitglieder entgegenzuwirken, indem sie und die Geschäftsleitung in den satzungsähnlichen Deeds of Settle­ ment und in Verträgen gegenüber den Gläubigern eine allgemeine Haftungs­ beschränkung zu Gunsten der Gesellschafter vorsahen. 676 Zwar hielt die ­Rechtsprechung allein die Bestimmung in der Deed of Settlement nicht für aus­ reichend, 677 selbst bei Kenntnis der Gläubiger von der Regelung. 678 Eine stan­ dardmäßige Vertragsklausel desselben Inhalts bewerteten die Gerichte jedoch als wirksam.679 Die Schwierigkeiten einer solchen Haftungsbeschränkung mittels – in deut­ scher Terminologie – Allgemeiner Geschäftsbedingungen liegen auf der Hand, bereits die bloße Möglichkeit der Abbedingung umfassender persönlicher Haf­ tung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ist nicht umfassend gegeben: 672 

Kapitalerhöhungsbeschluss, freiwillig vereinbarte Zuzahlungspflichten etc. Meyer, Haftungsbeschränkung, S.  199 ff., 289 ff.; Wiedemann, Gesellschafts­ recht I, §  4 I.2.a) (S.  197). 674  Hansmann/Kraakman, 110 Yale L. J. 387, 430 (2000). 675  18 & 19 Victoria, 1855 chapter 133. 676  S.  d ie Hinweise in Hallet et al. v. Dowdall, 118 E.R. 1, 20 f. (Q.B. 1852) zur Üblichkeit solcher Klauseln. 677  Hallett et al. v. Dowdall, 118 E.R. 1 (Q.B. 1852); In The Matter of The Sear Fire and Life Assurance Company, 43 E.R. 180 (Q.B. 1854). 678  In The Matter of The Sear Fire and Life Assurance Company, 43 E.R. 180, 188 (Q.B. 1854). Der Fall wies allerdings die Besonderheit auf, dass die Haftung auf ein Pfund pro Ge­ sellschafter und nicht vollständig beschränkt war. Das wesentliche Argument für die Un­ wirksamkeit der Haftungsbeschränkung nach außen lag darin, dass für Gläubiger selbst bei Kenntnis der Vereinbarung in der Deed of Settlement nicht nachvollziehbar gewesen wäre, in welcher Höhe die Gesellschafter bereits für Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber an­ deren Gläubigern haften. 679  Halket v. The Merchant Traders’ Ship, Loan and Insurance Association, 116 E.R. 1530 (Q.B. 1849); Hallett et al. v. Dowdall, 118 E.R. 1 (Q.B. 1852). 673 Hierzu

B.  Rechtsformübergreifende Wertungen

479

Insbesondere bei verhandlungsstarken Gläubigern mit hohen Forderungen ist zweifelhaft, ob sie sich auf eine solche Vertragsklausel einließen. Hinzu käme das Problem sich widersprechender Allgemeiner Geschäftsbedingungen.680 Es ist sehr wahrscheinlich, dass Geschäftspartner die Gefahr des Verlusts eines nach der gesetzlichen Standardvorgabe vorhandenen Schuldners ausglichen, in­ dem sie ihrerseits in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Geltung der Grundregel vorsähen. Außerdem ist hinsichtlich des deutschen Rechts zu bedenken, dass etwa ein dem §   128 HGB geltender Fassung entsprechender hypothetischer §   13a ­GmbHG nicht einfach der Abbedingung kraft Allgemeiner Geschäftsbedin­ gungen zugänglich wäre. Selbst wenn dieser §  13a GmbHG keine §  128 S.  2 HGB gleichende Gestaltungsschranke enthielte, bliebe doch zweifelhaft, inwie­ weit die Gerichte eine entsprechende Klausel hinnähmen. Sollte es sich um Pu­ blikumsgesellschaften handeln, läge die Anwendung der Rechtsprechungs­ grundsätze zur Inhaltskontrolle der Gesellschaftsverträge von Publikumsper­ sonengesellschaften nahe. bb)  Verbindlichkeiten aus Delikt Hinsichtlich der Deliktsgläubiger der Gesellschaft, die nicht gleichzeitig per Vertrag mit ihr verbunden sind, scheidet eine solche vertragliche Lösung von vornherein aus, weil es keine Möglichkeit gibt, vor einer Schädigung eine ent­ sprechende Vereinbarung zu treffen. 681 b)  Keine Rechtfertigung umfassenden gesetzlichen Zwanges Für das deutsche Kapitalgesellschaftsrecht lässt sich zwar festhalten, dass die Einführung des Grundsatzes der beschränkten Haftung der Anteilseigner nur mittels entsprechender gesetzlicher Regeln sicherzustellen ist. Die Gesellschaf­ ter können sich selbst gegenüber Vertragspartnern der Gesellschaft mit den all­ gemeinen privatrechtlichen Gestaltungsmitteln nur unzureichend vor einer un­ beschränkten Haftung schützen. Doch rechtfertigt dies keinen umfassenden gesetzlichen Zwang. Es gibt kei­ nen sachlichen Grund, Gesellschaftern, die individuell auf den ihnen zustehen­ den Schutz verzichten möchten, entsprechende Verpflichtungen zu untersagen. Dem Gesellschafter-Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haf­ tung die Übernahme einer Bürgschaft für Gesellschaftsverbindlichkeiten zu

680 

Hierauf verweisen auch Hansmann/Kraakman, 110 Yale L. J. 387, 429 (2000). Hansmann/Kraakman, 110 Yale L. J. 387, 431 (2000). Eine andere Frage ist, ob eine beschränkte Haftung gegenüber solchen Deliktsgläubigern immer sinnvoll ist. Dazu Hansmann/Kraakman, 110 Yale L. J. 387, 431 ff. (2000), sowie ausführlich dies., 100 Yale L. J. 1879 ff. (1991). 681 

480 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen verwehren wäre genauso wenig einsichtig wie die Übernahme von Verbindlich­ keiten seitens eines herrschenden Aktionärs im Wege einer Patronatserklärung. Legitimieren lässt sich gesetzlicher Zwang allein mit Blick auf Kollektivent­ scheidungen zu Lasten Dritter. Dass die Mitgliedermehrheit nicht die Minder­ heit verpflichten darf, persönlich für Gesellschaftsverbindlichkeiten einzuste­ hen, ergibt sich bereits aus dem Verbot von Rechtsgeschäften, die den Zweck haben, Dritte ohne deren Zustimmung zu belasten. Die ermöglichende Funktion des Kapitalgesellschaftsrechts hinsichtlich des Schutzes des individuellen Vermögens der Anteilseigner beschränkt sich damit auf die Bereitstellung von Handlungsoptionen, welche die Mitglieder auf allge­ mein-privatrechtlicher Grundlage entbehrten. Ob und in welchem Umfang sie diese Instrumente in Anspruch nehmen, liegt dagegen prinzipiell in der Hand der Begünstigten. Mit Rücksicht auf den Numerus Clausus der Gesellschaftsformen stellt sich die Frage, ob dies jedenfalls für den Fall eingeschränkt werden muss, dass sich sämtliche Gesellschafter gesondert verpflichten, für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft einzustehen, unabhängig von Grund und Umfang der Haftung. Schließlich, so ließe sich argumentieren, stünde hierfür die Rechtsform der of­ fenen Handelsgesellschaft zur Verfügung. Das blendete allerdings aus, dass die Mitglieder einer Kapitalgesellschaft die Kontrolle darüber haben, wie und wem gegenüber sie Leistungen versprechen. Anders als persönlich haftende Gesell­ schafter einer Personenhandelsgesellschaft unterliegen sie keiner §  128 S.  2 HGB vergleichbaren Schranke. Eine mitgliedschaftsrechtliche Haftung lässt sich in der Satzung nicht begründen, sofern das Gesetz keine entsprechenden Wege eröffnet. Die Haftung des Inhabers eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft über seine Einlageverpflichtung hinaus bedarf stets der vertraglichen Fundie­ rung und damit seiner Zustimmung. Aus diesem Grund ist die Lage in einer Kapitalgesellschaft mit derjenigen in einer offenen Handelsgesellschaft selbst dann nicht vergleichbar, wenn sämtliche Mitglieder die persönliche Haftung für die Gesellschaftsverbindlichkeiten übernehmen. Der Numerus Clausus bietet demnach keine Handhabe, die Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter zu be­ schränken.

2.  Schutz des gemeinsamen Vermögens a)  Inhalt und Wirkung Die zweite Komponente des Prinzips der beidseitigen Vermögenstrennung ist der Schutz des gemeinsamen Vermögens. Das Vermögen der Gesellschaft ist in gewissem Umfang vor dem Zugriff durch ihre Mitglieder und vor deren Gläu­ bigern geschützt. 682 Geleistete Einlagen können nicht – jedenfalls nicht voll­ 682 

Fleckner, Antike Kapitalvereinigungen, S.  49; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, §  4

B.  Rechtsformübergreifende Wertungen

481

ständig – 683 zurückgefordert werden. 684 Zum Vergleich: Im (deutschen) Perso­ nengesellschaftsrecht gibt es keine derartigen Ausschüttungssperren. 685 Viel­ mehr enthält es statt einer starren, ex ante wirkenden Regel eine gemessen am Ausschüttungszeitpunkt nachträglich greifende Gesellschafterhaftung. 686 Au­ ßerdem dürfen Gesellschaftergläubiger zur Befriedigung ihrer Forderungen nicht unmittelbar das Gesellschaftsvermögen vereinnahmen. 687 Der Schutz des gemeinsamen Vermögens, also der Schutz des Gesellschafts­ vermögens vor Zugriffen durch die Gesellschafter und deren Gläubiger, ist mit vertraglichen Mitteln nicht umfassend zu erreichen. 688 Das wird deutlich, ver­ gegenwärtigt man sich die Wirkung dieser Form der Vermögenstrennung: Die Gläubiger der Gesellschaft erhalten ein von Forderungsursprung und Forderungsinhalt unabhängiges vorrangiges Recht, zur Befriedigung ihrer For­ derungen auf das Vermögen der Gesellschaft zuzugreifen.689 Die Gesellschafter kommen also erst nach Befriedigung sämtlicher Gläubigeransprüche zum Zuge. Ausschüttungen an die Gesellschafter sind nur zulässig, sofern keine Unterbi­ lanz entsteht. Zu welchen Problemen das Fehlen derartiger gesellschaftsrechtlicher Rege­ lungen führte, lässt sich anhand eines Beispiels verdeutlichen: A, B und C wol­ len gemeinsam Geschäfte betreiben und schließen einen „Vertrag über Koope­ ration und die Organisation eines zu gemeinsamen Zwecken betriebenen Ge­ schäfts“. In diesem Vertrag vereinbaren sie unter anderem die Pflicht des A, ein Grundstück zur Verfügung zu stellen, das zukünftig ausschließlich den Zwe­ cken des gemeinsamen Geschäfts als Betriebsgelände dienen soll. Um dies abzu­ sichern, verspricht A, keine Verfügungen über das Grundstück ohne Einwilli­

I.2.a) (S.  196 f.). In der englischsprachigen Literatur wird dieses Merkmal unter dem Stichwort „entity shielding“ (Armour/Hansmann/Kraakman, in: Anatomy, S.  9 f.) oder „affirmative as­ set partitioning“ (Hansmann/Kraakman, 110 Yale L. J. 387, 394 [2000]) diskutiert. Unter Ver­ weis auf Hansmann/Kraakman aaO. auch Tröger, FS H.P. Westermann, S.  1533, 1542. Die Trennung der Vermögensmassen im Zusammenhang mit dem deutschen System des nominel­ len Grundkapitals bei der Aktiengesellschaft betont auch Ekkenga, Anlegerschutz, S.  87 f. Zur Trennung und Sicherung der Vermögenssphären im deutschen Personengesellschaftsrecht Tröger aaO., S.  1533, 1543 ff. 683  So enthält etwa das deutsche GmbHG mit den §§  30, 31 kein umfassendes Verbot der Einlagenrückgewähr, statt aller Kuntz, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, §  30 Rn.  2. 684  Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, §  4 I.2.b) (S.  198). 685  Auch die Haftung eines Kommanditisten bei Rückzahlung der Einlage ist nicht mit den kapitalgesellschaftsrechtlichen Regeln vergleichbar. Denn zum einen haftet der Kommandi­ tist nur bis zur Höhe seiner Einlage (§§  172 Abs.  4, 171 Abs.  1, 1.  HS.  HGB), zum anderen gibt es keine Ausfallhaftung der übrigen Kommanditisten. 686  Zu diesen Systemunterschieden Tröger, FS H.P.Westermann, S.  1533, 1548 ff. 687  Fleckner, Antike Kapitalvereinigungen, S.   49; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, §  4 I.2.a) (S.  197). 688  Hansmann/Kraakman, 110 Yale L. J. 387, 406 ff. (2000). 689  Hansmann/Kraakman, 110 Yale L. J. 387, 394 (2000).

482 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen gung von B und C zu treffen. Weiterhin sollen die Privatgläubiger des A nicht auf das Grundstück zugreifen dürfen. aa)  Schutz vor Privatgläubigern der Gesellschafter Ohne entsprechende gesetzliche Regelung könnten die Gesellschafter den Ge­ schäftsgläubigern keinen umfassenden Vollstreckungsvorrang hinsichtlich der Vermögensgegenstände einräumen, die sie dem Geschäftsbetrieb zur Verfü­ gung gestellt haben. Die bisherigen und zukünftigen Gläubiger des A hätten mit den Geschäftsgläubigern gleichrangige Zugriffsrechte bei Zahlungsausfall. A, B und C wären nicht in der Lage, den Gläubigern, die dem Geweberbetrieb zuzu­ ordnen sind, rechtssicher zu garantieren, dass das Grundstück nicht doch von As Privatgläubigern für private Zwecke vereinnahmt wird. Selbst wenn die Zu­ stimmungsrechte von B und C durch deren Eintragung im Grundbuch als Miteigentümer dinglich verstärkt würden, hinderte das nicht die Verwertung des Grundstücks durch einen Privatgläubiger des A, indem etwa dessen Mitei­ gentumsanteil mit einem Pfandrecht belastet oder sogar die Teilungsversteige­ rung betrieben würde. Aus Sicht der Geschäftsgläubiger bliebe nur die Belastung mit Pfandrechten oder anderen Sicherungsrechten zu ihren Gunsten, um einen Befriedigungsvor­ rang zu etablieren. Das bedeutete jedoch, dass sie sich vor jeder Transaktion informieren müssten, welche Vermögensgegenstände überhaupt dem Ge­ schäftsbetrieb zu dienen bestimmt wären, um dann – mit sämtlichen Gesell­ schaftern – die dem Umfang des Geschäfts angemessenen Sicherungsrechte zu vereinbaren. Zwar stehen theoretisch gewisse Vereinfachungen zur Verfügung, etwa über die Stellvertretung von A, B und C durch nur einen von ihnen. Doch ist dieses Modell in der Praxis kaum umsetzbar. Mag es im Kleinen noch ansatz­ weise funktionieren, versagt es für größere Einheiten. Der einzige Weg, als Geschäftsgläubiger das Recht des ersten Zugriffs auf die von A, B und C dem Geschäftsbetrieb zugeordneten Vermögensgegenstände zu haben, besteht darin, mit deren Privatgläubigern Vereinbarungen zu schließen oder sich von diesen wenigstens entsprechende Erklärungen einzuholen. Das ist schon bei einer einzigen Person schwierig, bei mehreren Gesellschaftern stellt es eine unüberwindliche Hürde dar. 690 Das gilt sowohl angesichts der geringen Wahrscheinlichkeit der Zustimmung seitens sämtlicher Privatgläubiger als auch hinsichtlich der Komplexität der Vertragswerke. Darüber hinaus kann der Ge­ sellschafter den Geschäftsgläubigern nicht glaubhaft versichern, er habe tat­ sächlich von allen seinen Privatgläubiger entsprechende Zustimmung eingeholt oder werde mit sämtlichen seiner zukünftigen Privatgläubigern eine angemesse­

690 

Hansmann/Kraakman, 110 Yale L. J. 387, 407 f., 410 f. (2000).

B.  Rechtsformübergreifende Wertungen

483

ne Abrede treffen, weil dies aus Sicht der Geschäftsgläubiger nicht überprüfbar ist. 691 Hinzu kommt, dass selbst die erfolgreiche Vereinbarung der beschriebenen Vorrangabreden für die Vollstreckung keine Wirkung entfaltete. 692 Auch wenn ein Privatgläubiger einen Nachrang akzeptiert, möchte er vermutlich nicht voll­ ständig auf die Beitreibung seiner Forderung verzichten. Vollstreckt er wegen seiner Forderung in das Vermögen der Gesellschaft, wird er zwar nicht vorran­ gig befriedigt. Doch ändert dies nichts daran, dass der Gesellschaft der konkre­ te Vermögensgegenstand verloren geht. 693 Das kann, je nachdem, wie wichtig der betroffene Gegenstand für die Fortführung der Gesellschaft ist,694 zur Exis­ tenzgefährdung bis hin zum Zusammenbruch führen. Nun ließe sich die Nachrangabrede theoretisch so ausgestalten, dass der Pri­ vatgläubiger ohne die Zustimmung der Gesellschaftsgläubiger nicht einmal vollstrecken dürfte. Den Gesellschaftsgläubigern verbliebe dann die Möglich­ keit, den Verlust des Gegenstandes zu verhindern. Doch ist die praktische Um­ setzung einer solchen Klausel kaum sinnvoll denkbar: Wer „die“ Gesellschafts­ gläubiger sind, lässt sich nur schwierig ermitteln. Insbesondere bei nicht bereits aktenkundig mit der Gesellschaft verbundenen Gläubigern, etwa solchen mit Ansprüchen aus unerlaubter Handlung, scheitert dieser Ansatz. Selbst wenn sämtliche Gesellschaftsgläubiger bekannt sein sollten, wäre das Verfahren ange­ sichts seiner Komplexität für den Wirtschaftsverkehr ungeeignet. bb)  Schutz des Gesellschaftsvermögens vor Zugriffen der Gesellschafter Fehlt es an Ausschüttungsverboten wie §  30 GmbHG oder §  57 AktG, besteht keine Sicherung gegen die Rückführung von Vermögensgegenständen in das Privatvermögen. Dinglich wirkende Zusicherungen gegenüber den Geschäfts­ gläubigern scheiden wegen §  137 S.  1 BGB und §  354a HGB aus. Schadenser­satz­ ansprüche helfen den Geschäftsgläubigern nur begrenzt. Denn es ist höchst fraglich, ob die Gesellschafter über ausreichende private Mittel verfügen, die entsprechenden Forderungen zu tilgen. Außerdem stünden die Geschäftsgläu­ biger wiederum in Konkurrenz zu den Privatgläubigern.

691 

Hansmann/Kraakman, 110 Yale L. J. 387, 408 (2000). S.  Hansmann/Kraakman, 110 Yale L. J. 387, 411 (2000). 693  Beispiel: Der Privatgläubiger betreibt die Zwangsversteigerung eines Grundstücks aus einem gegenüber einer den Geschäftsgläubigern oder der Gesellschaft selbst eingeräumten Grundschuld nachrangigen Grundpfandrecht und hat im Rahmen der Vorrangabrede auf sei­ nen Anspruch aus §  1179a Abs.  1 S.  1 BGB verzichtet. 694  Man denke nur an wichtige Patente, Betriebsgrundstücke und Maschinen. 692 

484 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen b)  Begrenzte Rechtfertigung gesetzlichen Zwangs Um den Schutz des gemeinsamen Vermögens zu sichern, bedarf es jedenfalls – aber auch lediglich – eines Grundfundus an zwingenden Regeln. So mag zwar die Untergrenze des Vermögensschutzes disponibel sein, ein Mindestkapital­ system etwa ist konzeptionell nicht notwendig. 695 Doch muss es zumindest eine zwingende gesellschaftsrechtliche Nulllinie geben, die das gemeinsame Vermö­ gen vor Zugriffen der Gesellschafter und ihrer Privatgläubiger schützt. Ande­ renfalls hätten die Mitglieder es in der Hand, während des Bestehens der Ge­ sellschaft dieser Mittel zu Lasten ihrer Gläubiger zu entziehen. Hiergegen ein­ zuwenden, jedenfalls bei Einwilligung sämtlicher Gläubiger müsse die Aufhebung der Vermögenstrennung erlaubt sein, überzeugte nicht. Es bestünde stets die Gefahr, dass ein Deliktsgläubiger im Zeitpunkt der Entscheidung über diese Frage noch unbekannt wäre. Nichts anderes gilt für die Gründung der Gesellschaft: Da sich die Delikts­ gläubiger nicht vertraglich zu schützen vermögen, umgekehrt aber die Gesell­ schafter aufgrund des Grundsatzes des Schutzes ihres individuellen Vermögens nicht für Gesellschaftsverbindlichkeiten haften, muss aus Gläubigerschutz­ gründen wenigstens die Trennung der Vermögenssphären gewährleistet sein.

3.  Form, Gestaltungsermöglichung und Gestaltungszwang Wer einen Schritt von den spezifisch gesellschaftsrechtlichen Fragen zurücktritt und die Frage nach der Rechtfertigung zwingenden Kapitalgesellschaftsrechts stellt, wird möglicherweise einwenden, dass die Notwendigkeit, zwingende Re­ geln vorzusehen, aus den Formanforderungen resultiert: Die Kapitalgesell­ schaft entsteht nur, wenn besondere Regeln existieren und beachtet werden, die über diejenigen hinausgehen, die das allgemeine Privatrecht bereithält. Ohne spezielles Kapitalgesellschaftsrecht gibt es keine Kapitalgesellschaft im Rechts­ sinne. Damit gewinnt die Einhaltung besonderer Vorschriften über das Verfah­ ren und dessen Dokumentation fundamentale Bedeutung. 696 Hier geht es nicht nur um die Beweisfunktion der Form, sondern viel grundsätzlicher um deren Aufgabe, Verhalten zu kanalisieren, also einen bestimmten Weg vorzugeben, mit Hilfe bestimmter Akte ein bestimmtes Ziel zu erreichen. 697 Die ermöglichende Funktion des Kapitalgesellschaftsrechts hat also eine Kehrseite, nämlich die Beschränkung der rechtsgeschäftlichen Gestaltungs695  Zur Unabhängigkeit der Ausschüttungssperren von einem Mindestkapital Kuntz, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, §  30 Rn.  2. 696  Allgemein zu einem solchen Zusammenhang zwischen der Ermöglichung bestimmter Handlungsarten durch das Recht und der Form Fuller, 41 Colum. L. Rev. 799, 800 ff., 805 f. (1941). 697 Allgemein zur „channeling function“ der Form Fuller, 41 Colum. L. Rev. 799, 801 (1941).

B.  Rechtsformübergreifende Wertungen

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und Verfügungsmacht. 698 Unter anderem die Satzungsstrenge ist in diesen Kon­ text einzuordnen. 699 Dies vermag jedoch ebenfalls keinen umfassenden gesetz­ lichen Zwang zu rechtfertigen. Die Kanalisierungsfunktion besagt nicht mehr, als dass Formvorgaben not­ wendig sind. Sie sagt nichts zu ihren Inhalten und Grenzen der Gestaltungsfrei­ heit. So wäre es ohne Weiteres möglich, den Dokumentationszwang zu verstär­ ken, indem etwa die Inhalte bislang satzungsextern getroffener Absprachen zum Satzungsinhalt erhoben würden. Doch heißt dies nicht, dass die Gestalter hinsichtlich der Inhalte nicht freier sein könnten, als sie es heute in Deutschland sind. So ließe sich unter dem Vorbehalt der Regelung in der Satzung das Menü der zur Verfügung stehenden Optionen erweitern. So wäre es denkbar, §  23 Abs.  5 AktG dahingehend zu ändern, dass jede Abweichung vom Gesetz nur zulässig wäre, wenn die Änderung notariell beurkundet und Teil der Satzung würde. Die gesetzlichen Vorgaben behielten ihre Lenkungsfunktion (Verfah­ rensvorgaben im Hinblick auf Mehrheiten, Fristen, Dokumentation etc.), ohne indes inhaltlich so stark von allgemeinen privatrechtlichen Prinzipien abzuwei­ chen.

II.  Gestaltungsvereinfachung: Trennung von Inhaberschaft und Leitung sowie freie Übertragbarkeit der Mitgliedschaft Neben dem Prinzip der beidseitigen Vermögenstrennung zeichnet sich das Ka­ pitalgesellschaftsrecht im Vergleich zu anderen Vereinigungsformen dadurch aus, dass es die Trennung von Inhaberschaft und Leitung (1.) sowie die freie Übertragbarkeit der Mitgliedschaft (2.) vorsieht. Im Unterschied zum erstge­ nannten Grundsatz könnten die Gesellschafter jedoch beide Grundregeln auf vertragsrechtlicher Basis ohne entsprechende kapitalgesellschaftsrechtliche Vorgaben jedenfalls in gewissen Grenzen selbst gestalten. Das Kapitalgesell­ schaftsrecht dient insoweit lediglich der Gestaltungsvereinfachung, nicht der Gestaltungsermöglichung.

1.  Trennung von Inhaberschaft und Leitung a)  Inhalt und Wirkung Die Trennung von Inhaberschaft und Leitung erlaubt den Gesellschaftern, ei­ nen Gesellschaftsfremden zum Organ zu bestellen. Hieraus folgt nicht notwen­ dig, dass Drittorganschaft in Kapitalgesellschaften, sähen die einschlägigen Re­ gelungsordnungen diese nicht ohnehin vor, unmöglich dem Grunde nach zu vereinbaren wäre. 698 

699 

Hierzu schon 2. Teil A.§  1 II. 2. Teil A.§  1 II.2.a)aa).

486 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen Ein wesentliches Argument für die Geltung des Prinzips der Selbstorgan­ schaft in Personengesellschaften ist die unbeschränkte Haftung der Gesell­ schafter.700 Die Gesellschafter sollen sich nicht jeglichen Einflusses auf den Um­ fang ihrer Verpflichtungen begeben können.701 Wegen der beschränkten Haf­ tung der Mitglieder einer Kapitalgesellschaft entfaltet dieses Argument für Kapitalgesellschaften nur eingeschränkte Wirkung.702 Dennoch ist unklar, inwieweit die Abbedingung einer solchen Grundregel in Kapitalgesellschaften von den Gerichten tatsächlich anerkannt würde. So dür­ fen sich die Gesellschafter einer Personengesellschaft selbst nach der großzügi­ gen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht vollständig in ihrer Gesamt­ heit ihrer Berechtigung und Verpflichtung zur Geschäftsführung entäußern.703 Je näher eine Kapitalgesellschaft ihrer sonstigen Ausgestaltung und praktischen Nutzung nach einer Personengesellschaft stünde,704 desto weniger gewiss wäre die Durchsetzbarkeit der privat getroffenen Vereinbarung. b)  Keine Rechtfertigung gesetzlichen Zwangs Die Nützlichkeit der eben skizzierten Regelungen impliziert nicht ihre zwin­ gende Geltung. Es geht allein darum, den Gesellschaftern Handlungsoptionen zur Verfügung zu stellen, die ihnen die Gestaltung vereinfachen. Sie sollen rechtssicher auf die Wahrnehmung von Geschäftsführungsaufgaben verzichten und aus ihrer Sicht besser geeignete Personen in die entsprechenden Ämter be­ rufen können. Wollen sie selbst Geschäftsführungsaufgaben übernehmen, gibt es keinen Grund, sie daran zu hindern.

2.  Freie Übertragbarkeit der Anteile Der Grundsatz der freien Übertragbarkeit der Anteile an Kapitalgesellschaf­ ten705 wirkt sich in mehrfacher Hinsicht aus: Zunächst gilt, dass die Anteile selbst Gegenstand des Rechtsverkehrs sind. Sie können als solche mittels Ver­ 700 

S.  etwa Flume, Personengesellschaft, S.  247; Werra, Selbstorganschaft, S.  94. Flume, Personengesellschaft, S.  247; Werra, Selbstorganschaft, S.  94. 702  Gleiches gilt für den Hinweis, die Selbstorganschaft diene dem Verkehrsschutz, weil Gläubiger davon ausgehen könnten, dass ein Gesellschafter-Organ nur Verbindlichkeiten eingehe, die von der Gesellschaft noch erfüllt werden könnten. Solche Mechanismen seien bei Kapitalgesellschaften angesichts des dort angeordneten Kapitalschutzes nicht notwendig. So etwa Reuter, Privatrechtliche Schranken, S.  194. 703  Vgl. BGH NJW 1982, 877, 878; BGH NJW 2006, 2980, 2981. 704 Man denke etwa an eine kleine GmbH, deren Geschäfte ausschließlich von Gesell­ schaftern geführt werden, und die in ihrer Ausgestaltung des Innenverhältnisses stark dem Recht der Offenen Handelsgesellschaft angenähert ist. 705 §   15 Abs.  1 GmbHG: „Die Geschäftsanteile sind veräußerlich und vererblich.“ Zum Grundsatz der freien Übertragbarkeit der Mitgliedschaft im Aktienrecht BGHZ 160, 253, 256. 701 

B.  Rechtsformübergreifende Wertungen

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trages zwischen Anteilsinhaber und Erwerber übertragen werden. Rechte be­ stehen am Anteil selbst, Anteile sind also mit Sicherheiten belastbar und vererb­ lich. a)  Funktion und Wirkung Auf rechtsgeschäftlicher Grundlage lässt sich diese umfassende freie Übertrag­ barkeit von Gesellschaftsanteilen nur schwierig verwirklichen:706 Zwar schließt das Personengesellschaftsrecht die Übertragung der Gesellschafterstellung we­ der unter Lebenden noch die Vererbung aus. Doch bedarf es hierfür kompli­ zierter Konstruktionen, da es sich jeweils um Änderungen des Gesellschafts­ vertrages handelt.707 Insbesondere besteht stets Abhängigkeit von der Zustim­ mung der Mitgesellschafter des Veräußerers.708 Eine vorab erteilte Zustimmung kann grundsätzlich jederzeit widerrufen werden.709 Im Erbfall tritt eine Viel­ zahl von Problemen auf, die aus der fehlenden Abstimmung von Erbrecht und Gesellschaftsrecht herrühren.710 Ein konkretes Beispiel macht dies noch deutli­ cher: Klauseln wie die im Wagniskapitalfinanzierung üblichen Vereinbarungen zum Vesting711 wären auf rechtsgeschäftlicher Grundlage kaum begründbar. Die aus der Mitgliedschaft erwachsenden Ansprüche ließen sich zwar prinzipi­ ell bedingen und befristen, indem etwa die Gewinnausschüttung an bestimmte zeitliche Schwellen geknüpft würde. Doch hülfe dies dem betroffenen Gründer angesichts der angespannten Kapitaldecke nicht. Er ist darauf angewiesen, die Wertsteigerungen des Anteils in erster Linie durch Veräußerung an Dritte zu vereinnahmen, das heißt durch den im Gegenzug für die Rechtsübertragung erhaltenen Kaufpreis.712 Das setzt voraus, seine Rechte teilen und die Teile ge­ 706  Nach wie vor grundlegend zu Möglichkeiten und Grenzen der Übertragung im Rah­ men einer vergleichenden Darstellung von Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften Wiedemann, Übertragung, S.  4 4 ff., 61 ff., 397 ff. 707  Für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts etwa C.Schäfer, in: MünchKommBGB, §  719 Rn.  25 ff. 708  C.Schäfer, in: MünchKommBGB, §  719 Rn.  27; Wiedemann, Übertragung, S.  61 f. 709  C.Schäfer, in: MünchKommBGB, §  719 Rn.  30 (mit Einschränkung für Fall ohne Wi­ derrufsvorbehalt, wenn Zustimmungsbeschluss noch wirksam gefasst werden kann). 710 Dazu C. Schäfer, in: MünchKommBGB, §  727 Rn.  28 ff. 711  1. Teil B. §  6 II.2. Zur Zulässigkeit von Vesting-Regeln im deutschen Recht unten 4. Teil E. §  2. 712  Selbst wenn die Gesellschaft über ausreichende Mittel verfügte, Gewinnansprüche der Gründer zu bedienen, wäre die Gewinnausschüttung als Weg der Vereinnahmung von Wert­ stei­gerungen wenig sinnvoll. Denn damit würden der Gesellschaft gerade die Mittel entzo­ gen, die zu Investitionszwecken für die Fortentwicklung ihres Geschäfts zur Verfügung ste­ hen müssen. Zudem ließe sich im Wege der Gewinnausschüttung niemals die gesamte Wert­ steigerung in Form der Aussichten auf umfangreichere zukünftige Zahlungsströme geltend machen, sondern nur der konkret entstandene Dividendenanspruch. Wollte der Gründer mehr Geld erhalten, müsste er ohne freie Übertragbarkeit von Anteilen seine Mitgliedschaft insgesamt aufgeben.

488 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen sondert übertragen zu können. Dass die fehlende Notwendigkeit der Änderung des Gesellschaftsvertrages der Vereinfachung der Anteilsveräußerung an Dritte dient, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Die Verkehrsfähigkeit des Anteils mag angesichts der heute im deutschen Per­ sonengesellschaftsrecht weitgehend verwirklichten Verkehrsfähigkeit der Mit­ gliedschaft713 wenig spektakulär anmuten. Doch wäre eine solche vom derzeit als maßgeblich beurteilten Zustand des Personengesellschaftsrecht ausgehende Schlussfolgerung verfehlt. Sie blendete die Entwicklungen über die Zeit aus. Dass die Mitgliedschaft in der Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder in der of­ fenen Handelsgesellschaft überhaupt übertragen werden kann, ist Ergebnis ei­ ner lange währenden Diskussion, deren Ergebnis bei ihrem Beginn nicht abseh­ bar war. So entsprach es selbst nach Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs vielfach vertretener Ansicht, die – noch heute wortgleichen – Vorschriften zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts ließen eine Übertragung der Gesellschafter­ stellung nicht zu.714 Abgesehen hiervon beruht das Personengesellschaftsrecht nach wie vor auf dem Prinzip der Einheitlichkeit der Mitgliedschaft, das die oben im Zusammenhang mit den Vesting-Regeln beschriebenen Schwierigkei­ ten der nur teilweisen Vereinnahmung von Wertsteigerungen mit sich brächte. Ohne Einfluss auf die vorhergehenden Überlegungen ist der sich aus §  5 Abs.  1 BörsZulVO niedergelegte börsenrechtliche Grundsatz der Vollvalutie­ rung von Aktien für die Zulassung zum Handel. Die Börsenzulassungsverord­ nung ändert nichts am gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der freien Übertrag­ barkeit einmal wirksam entstandener Aktien. Das Börsenrecht betrifft insoweit allein die Frage, ob ein bestimmter Markt für den Handel zur Verfügung steht. b)  Rechtfertigung zwingender Regelungen Wer meint, mit seinen Einflussmitteln nichts bewirken zu können, muss grund­ sätzlich über die Chance zur Lösung vom Verband verfügen.715 Anderenfalls entstünde für einen Gesellschafter das Problem des Einschlusses („Lock-in“) in die Gesellschaft, also dauerhaft in einer Weise gebunden zu sein, die nicht den eigenen Investitionsinteressen entspricht. Es bedarf daher wenigstens der Mög­ lichkeit der freien Übertragung der Mitgliedschaft, um mittels ihrer den Ver­ mögenswert über den Kaufpreis zu realisieren zu können.716 Die freie Über­ tragbarkeit der Mitgliedschaft substituiert in gewissem Umfang das in Perso­ nengesellschaften bestehende Recht zum Austritt durch Kündigung.717 713 

Vgl. die Nachweise in den vorhergehenden Fußnoten. So etwa noch Staudinger/Kobler, 8.  Aufl. 1912, §  717 Anm.  1. Anders z.B. der Bearbeiter in Planck, BGB, 4.  Aufl. 1928, §  717 Anm.  3. 715  Zur Vinkulierung unten 4. Teil E. §  1. 716  Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, §  7 IV.2.b) (S.  400). 717  Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, §  7 IV.2.b) (S.  400). Zum Zusammenhang zwischen Kapitalerhaltung und Übertragbarkeit der Mitgliedschaft (statt Austritt wie bei der Perso­ 714 

B.  Rechtsformübergreifende Wertungen

489

Ein vollständiger Ausschluss jeder Form der Übertragung der Mitglied­ schaft, etwa im Wege einer Kombination eines satzungsmäßigen Zustimmungs­ verbots zur Übertragung vinkulierter Anteile mit dem Ausschluss eines Rechts des Gesellschafters, seine Anteile im Zuge eines außerordentlichen Austritts aus der Gesellschaft gegen Vergütung zu übertragen,718 ist nicht zu rechtfertigen. Diese Frage spielt insbesondere im Zusammenhang mit dem Minderhei­ tenschutz eine Rolle. Wer nicht über eine satzungsändernde Mehrheit verfügt, vermag die beschränkenden Regelungen nicht zu ändern. Insbesondere in grö­ ßeren Gesellschaften ist der Erweber einer Minderheitsbeteiligung häufig kaum in der Lage, sich vertraglichen Schutz auszubedingen. Dies wäre bei einer Sat­ zungsgestaltung wie der eben beschriebenen allein im Wege einer Gesellschaf­ tervereinbarung möglich, auf Basis derer der Berechtigte von einem Altmitglied verlangen dürfte, die Anteile zu übernehmen. Ob sich jemand fände, der sich verpflichtete, allein nach dem Willen eines seiner Miteigner zu einem von die­ sem gewählten Zeitpunkt dessen Anteile zu Marktpreisen zu übernehmen, er­ scheint mehr als zweifelhaft. Wenigstens eine Form der Möglichkeit zur Übertragung der Mitgliedschaft muss daher zur Verfügung stehen. Der vollständige Ausschluss der freien Über­ tragbarkeit scheidet demnach aus. Ob es stets ein Recht zum außerordentlichen Austritt gibt, das heißt selbst dann, wenn etwa die Anteile nicht vinkuliert sind, ist eine andere Frage, die an dieser Stelle keiner Antwort bedarf.719

§  3  Funktionenschutz mittels Verfahrensregeln Neben der Aufgabe des Kapitalgesellschaftsrechts, Gestaltung zu ermöglichen und zu vereinfachen, ist ein dritter Gesichtspunkt zu berücksichtigen: Das Pro­ blem, inwieweit das Kapitalgesellschaftsrecht während des Bestands des Ver­ bands Regeln zur Verfügung stellen muss, seine Funktionsfähigkeit zu gewähr­ leisten. Damit rückt eine überindividuelle Perspektive in den Mittelpunkt, die die Sicherung der Struktur möglicherweise sogar gegen den Willen der Beteilig­ ten fordert. Das erfordert Überlegungen zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Gesellschaft durch Verfahrensregeln, die der Bewältigung von Interessen­

nengesellschaft) Wiedemann, Übertragung, S.  4 4 ff. Zur Diskussion um ein Austrittsrecht aus wichtigem Grund in der Aktiengesellschaft Klöhn, Abfindungsansprüche, S.  45 ff. mit Nach­ weisen; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, §  7 IV.2.b) (S.  401). 718  Zu diesen „Appraisal Rights“ Fischel, 8 Am. Bar Found. Res. J. 875, 878 f. (1983); Klöhn, Abfindungsansprüche, S.  36 ff. S.  auch Rock/Davies/Kanda/Kraakman, in: Anatomy, S.  183, 200 f. 719 Dazu Fischel, 8 Am. Bar Found. Res. J. 875, 878 ff., 880 (1983); Klöhn, Abfindungs­ ansprüche, S.  45 ff.

490 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen konflikten dienen, die in auf lange Dauer angelegten Beziehungen unweigerlich auftreten und sich nicht oder nur schlecht vorhersehen lassen.720 Im ersten Schritt stehen Regelungsanlass und Regelungsziel des Funktionen­ schutzes im Zentrum der Erörterung (I.), sodann das Verhältnis des Funktio­ nenschutzes zum Individualschutz (II.), um hierauf aufbauend Formen des Funktionschutzes (III.) und seine Eignung als Argument für die Rechtfertigung zwingenden Rechts zu diskutieren (IV.). Die Frage, ob unter Funktionenschutz­ gesichtspunkten die Abbedingung der Geschäftsleitertreuepflichten in Betracht kommt, bildet ein abschließendes Anwendungsbeispiel (V.).

I.  Regelungsanlass und Regelungsziel des Funktionenschutzes 1.  Das Mehrheitsprinzip als Regelungsanlass Das Abstimmungssystem der Kapitalgesellschaft steht von zwei Seiten unter Rechtfertigungsdruck: Einerseits beruht die Legitimität des Systems darauf, dass es die gewünschten Ergebnisse hervorbringt, das heißt zügige Entschei­ dungen ausgerichtet am Verbandszweck der Förderung der Interessen sämtli­ cher Gesellschafter.721 Die Verschiebung der Entscheidungsmacht auf die Mehr­ heit eröffnet jedoch andererseits die Möglichkeit, sachfremde, also außerhalb des Verbandszwecks liegende Ziele zu verfolgen. Dem ist nicht nur im Hinblick darauf entgegenzuwirken, dass Angehörige der Minderheit individuell beeinträchtigt werden können, sondern gerade auch wegen der Erhaltung der Legitimation des Mehrheitsprinzips. Sobald sich typi­ sche Konstellationen herauskristallisieren, die die systematische Benachteili­ gung einer Gruppe ermöglichen und wahrscheinlich machen, gerät das Gesamt­ gefüge in den Verdacht der Dysfunktionalität.722 Es bedarf also der Bereitstel­ lung von Instrumenten, Beschlüssen zur Verfolgung verbandsexterner Ziele zumindest vorzubeugen.723 Doch birgt dies das Potential, das System aus der entgegengesetzten Richtung zu beeinträchtigen: Mit der Gewährung von Minderheitenrechten als ausglei­ chendes Kontrollinstrument verbunden ist die Gefahr, dass die Nutzung dieser Rechte – verbunden mit einer dichten Inhaltskontrolle – zu einer Aushebelung 720 Vergleichbare Unterscheidungen mit Blick auf Gestaltungsermöglichung, Gestal­ tungsvereinfachung und Funktionenschutz mit teilweise abweichender Terminologie bei Binder, Regulierungsinstrumente, S.  157 f.; Beier, S.  46; Gordon, 89, Colum. L. Rev. 1549, 1585 (1989). 721 Implizit K.Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  16 III.1.a) (S.  467), indem er den Minderhei­ tenschutz als Mittel bezeichnet, Legitimationsdefizite der Mehrheitsherrschaft zu verhindern oder auszugleichen. 722 Vgl. Roitzsch, Minderheitenschutz, S.  176. 723  In diesem Sinne auch K.Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  16 III.1.a) (S.  467).

B.  Rechtsformübergreifende Wertungen

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des Mehrheitsprinzips unter Verweis auf die „materielle Gerechtigkeit“ führt.724 Bekannte Schlagzeilen in diesem Zusammenhang betreffen „räuberische Ak­ tionäre“ und die „Erpressung“ der Mehrheit durch Blockade sinnvoller Maß­ nahmen mittels einer Sperrminorität („hold out“ oder „hold up“), wie sie etwa dem Fall „Girmes“725 zugrunde lag.726 Insoweit geht es nicht darum, die Mehr­ heit vor der Minderheit wegen struktureller Unterlegenheit schützen zu müs­ sen. Vielmehr liegt der maßgebliche Gedanke darin, die Effizienz des Mehr­ heitsprinzips nicht zu gefährden.

2. Regelungsziel Funktionenschutz soll in langfristig angelegten Verbindungen den Vollzug der Rechte und Pflichten der Parteien gewährleisten. Ziel ist, einer von einer Partei beabsichtigten einseitigen Umverteilung der Kooperationsvorteile entgegen dem ursprünglich vereinbarten Verteilungsmodell entgegenzuwirken, also ex post-Opportunismus etwa im Wege eines Hold-ups zu verhindern.727 Während die betroffene Partei im Verlauf der Vertragsanbahnung solches Verhalten wirk­ sam mittels Wechsels des Verhandlungspartners beenden kann, steht ihr dieses marktorientierte Mittel nach Entstehung der rechtlichen Bindung nicht mehr ohne Weiteres zur Verfügung, weil typischerweise die Kosten eines solchen Wechsels zu hoch sind.728 Wurden die zur Ermöglichung und Sicherung der Durchführung getätigten Investitionen noch nicht wieder erwirtschaftet, verursacht der Abbruch der Be­ ziehung unter Umständen erhebliche Verluste.729 Einer der Väter der Transak­ tions­kostenökonomik beschreibt das Problem, geeignete Überwachungs- und Durchsetzungsstrukturen für die Abwicklung langfristig angelegter Beziehun­ gen vorzusehen, treffend wie folgt: „Planning is necessarily incomplete (because of bounded rationality), promise predicta­ bly breakes down (because of opportunism), and the pairwise identity of the parties now matters (because of asset specificity). [...] Since the efficacy of court ordering is proble­ matic, contract execution falls heavily on the institutions of private ordering. [...] The organizational imperative that emerges in such circumstances is this: Organize transac724 

K.Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  16 III.1.a) (S.  467). BGHZ 129, 136 ff. 726  Allgemein zu diesem Problem als Grund für die Ermöglichung der Hinausdrängung von Minderheiten Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S.  134; Fischel, 8 Am. Bar Found. Res. J. 875, 877 (1983); Fleischer, ZGR 2002, 757, 762; Klöhn, Abfindungsansprüche, S.  32. 727  Allgemein für Langfristbeziehungen Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, III.2.2 (S.  100). Im Zusammenhang mit der Rechtfertigung zwingenden Vertragsrechts Fleischer, Informationsasymmetrie, S.  184; Fornasier, S.  87; Trebilcock, S.  16. 728  Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, III.2.2 (S.  100), V.6 (S.  271); Fornasier, S.  87. 729  Fornasier, S.  87. 725 

492 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen tions so as to economize on bounded rationality while simultaneously safeguarding them against the hazards of opportunism.“730

Einer solchen auf den Erhalt der Funktionsfähigkeit abzielenden, die „hazards of opportunism“ berücksichtigenden Sichtweise bedarf es vor allem wegen der Austattung von Kapitalgesellschaften mit prinzipiell unbegrenzter Bestands­ kraft. Das Gesetz sieht zwar Auflösungsgründe vor, doch sind diese nach §  262 AktG und §  60 GmbHG an inhaltliche Kriterien geknüpft, nicht an zeitliche. Die Gesellschafter können in der Satzung festlegen, dass die Gesellschaft nur für eine bestimmte Zeit eingegangen sein soll, §  262 Abs.  1 Nr.  1 AktG, §  60 Abs.  1 Nr.  1 GmbHG. Wegen der Grundregel besteht eine erhebliche Gefahr, dass sich über mehrere Jahre und Jahrzehnte hinweg Konfliktpotentiale auf­ bauen. Aus diesem Grund ist es für die Erhaltung der Gesellschaft als „going concern“ wesentlich, Regelungen vorzuhalten, die unvorhergesehene Entwick­ lungen zu bewältigen helfen.731 Angesichts der Tatsache, dass nicht immer privatautonome Lösungen zur Verfügung stehen oder diese nicht genügen, gibt es zumindest einen Anlass, die Setzung zwingender Gestaltungsgrenzen zu prüfen.

II.  Paritätsneutralität und Verhältnis zum Individualschutz Schutz der Funktionsfähigkeit meint damit weniger die Orientierung an kon­ kret definierten Bedürfnissen denn die Verfolgung bestimmter Ordnungsziele. Diese beziehen sich nicht auf den Ausgleich eines Machtgefälles, sie sind pari­ tätsneutral.732 Wessen Handeln den Anlass bietet, bestimmte Maßnahmen zu prüfen, ob es sich um die Mehrheit oder die Minderheit handelt, ist irrelevant. Eine allein auf die Interessen einzelner Beteiligter bezogene schutzzielorientier­ te Interpretation des Kapitalgesellschaftsrechts griffe zu kurz, weil sie die Ein­ bettung der Gruppen in das System nicht ausreichend berücksichtigte. Darüber hinaus liefe eine derartige einseitige Betrachtungsweise Gefahr, die Mechanismen auszuschalten, die für Funktionsfähigkeit sorgen sollen.733 Bei­ spiel hierfür ist das Beschlussanfechtungsrecht als Mittel des Minderhei­ tenschutzes, das bei uneingeschränkter Nutzbarkeit das Mehrheitsprinzip be­ einträchtigt, wie sich am Phänomen der „räuberischen Aktionäre“ zeigt. Alfred Hueck wies bereits 1963 darauf hin, „man sollte insoweit [d.h. hinsichtlich der Organisation der Kapitalgesellschaften durch Gesetz] nicht verkennen, wie wichtig eine gut funktionerende zweckmäßige Organisation für jedes Unter­ 730  Williamson, Ecomomic Institutions, S.  32. Zu diesem Richter/Furubotn, Neue Institu­ tionenökonomik, IV.4.3. (S.  194 ff.). 731 Ebenso Binder, Regulierungsinstrumente, S.  158. 732  Formulierung nach Dauner-Lieb, RW 2010, 316, 321. 733  K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  16 III.1.a) (S.  467).

B.  Rechtsformübergreifende Wertungen

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nehmen ist und zwar nicht nur in technischer und kaufmännischer, sondern auch in rechtlicher Hinsicht.“734 Der Funktionenschutz ist demnach ein eigenständiges Regelungsziel, das ge­ sonderter Betrachtung bedarf.735 In den letzten Jahrzehnten sind diese Aspekte des Gesellschaftsrechts im Zuge der verstärkten Betonung von Schutzinteressen bestimmter Gruppen und gesellschaftspolitischer Diskussionen736 in den Hin­ tergrund getreten.737 Nicht verkannt wird hier, dass die individuellen Schutzinteressen der Betei­ ligten, etwa das Anliegen, nicht aus der Gesellschaft gedrängt zu werden, mit dem Gedanken des Funktionenschutzes eine Schnittmenge aufweisen.738 Insbe­ sondere Überlegungen zu den Grenzen des Selbstschutzes prägen beide Seiten der Medaille. Der Unterschied im Ansatz liegt darin, die Beschwerden von Betroffenen nur als Anlass, ihre Benachteiligung aber als solche nicht zum (wesentlichen) Grund für ein Unwirksamkeitsurteil zu erheben.739 Argument ist also nicht die Be­ nachteiligung etwa des Gesellschafters G, weil ihm ein bestimmter Geldbetrag verweigert wird, den die Gesellschafter B, C und D erhalten haben. Vielmehr liegt die Ursache für die rechtliche Bewertung darin, dass Regelungen wie die den Gesellschafter G belastende Ungleichbehandlung zu systematischen Steue­ rungsdefiziten führen können und sie deshalb nach einer typisierenden, vom Einzelfall abstrahierenden Betrachtung nicht anerkannt werden sollten. So sind, um eine Formulierung aus dem Schrifttum aufzugreifen, der Schutz des Einzelnen und der Schutz der Funktionsfähigkeit des Systems zwar aufeinan­ der bezogen, aber nicht dasselbe.740

III.  Formen des Funktionenschutzes Funktionenschutz kann auf zwei Wegen erreicht werden: Zunächst ist es mög­ lich, generell-abstrakte Normen vorzusehen, die ein bestimmtes Verhalten von vornherein gebieten oder verbieten. Das kommt vor allem für Situationen in Betracht, in denen Probleme aufgrund typischer Interessenkonflikte vorherseh­ 734 

A.Hueck, S.  6. Fastrich, Funktionales Rechtsdenken, S.  9; im Anschluss an diesen Armbrüster, ZGR 2014, 333, 342; der Sache nach ebenso Zöllner, FS GmbHG, S.  85, 117. 736  Man denke nur an die Arbeitnehmermitbestimmung. 737  Vgl. paradigmatisch aus dem Jahr 1963 A.Hueck, S.  6 , der im Kontext der angelaufenen Umsetzungsmaßnahmen zur Aktienrechtsreform und der damals in Arbeit befindlichen Gm­ bHG-Reform betont, die gesellschaftsrechtliche Reform beschränke „sich keineswegs auf bloße Organisationsvorschriften.“ Vielmehr verfolge sie „weitreichende wirtschaftspoliti­ sche, sozialpolitische, gesellschaftspolitische […] Ziele […].“ 738 Ähnlich Fastrich, Funktionales Rechtsdenken, S.  10. 739  Fastrich, Funktionales Rechtsdenken, S.  10. 740  Formulierung nach Fastrich, Funktionales Rechtsdenken, S.  10. 735 

494 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen bar sind und sich regelmäßig in vergleichbarer Weise auswirken. Das vermutlich bekannteste Beispiel ist der Stimmrechtsausschluss in Sachverhalten, in denen typischerweise eine Interessenkollision vorliegt.741 Auch das Konzernrecht ge­ hört in diese Kategorie.742 Die weitaus wichtigere Variante des Funktionenschutzes ist die Errichtung beweglicher Schranken wie etwa der Beschlusskontrolle. Maßgeblich ist dabei nicht der Beschlussgegenstand als solcher. Denn allein die „Gefährlichkeit“ der Konsequenzen einer Entscheidung743 sagt nichts darüber aus, ob diese Folgen sämtliche Gesellschafter treffen oder nur einzelne Mitglieder.744 Im Fokus muss vielmehr stehen, ob Rechte zur Durchsetzung von außerhalb des Systems lie­ genden Zielen eingesetzt werden. Beide Formen des Funktionenschutzes basieren letztlich auf einem verfah­ rensorientierten Konzept. Die Entscheidung über das „Ob“ der Inanspruch­ nahme bestimmter Rechte und Befugnisse liegt bei dem Begünstigten. Das herrschende Unternehmen kann genauso frei von der beherrschten Gesellschaft Vermögenswerte abziehen wie die Mehrheit Beschlüsse fassen oder der Minder­ heitseigner Anfechtungsklage erheben darf. Regeln zum Funktionenschutz konkretisieren lediglich starr die Anforderungen an die Durchführung der Maßnahme – etwa das Nachteilsverbot des §  311 Abs.  1 AktG oder Stimmaus­ schlüsse nach §  47 Abs.  4 GmbHG – oder errichten, wo es an typisierbaren Ge­ fahren fehlt, bewegliche allgemeine Schranken wie diejenige der Treuepflicht. Dass diese Verfahrensregeln niemals „rein“ sein können, sondern stets Schnittmengen mit materiellen Vorgaben aufweisen, lässt sich nicht vermei­ den.745 Ohne entsprechende Anküpfungspunkte blieben Regelungen zum Funktionenschutz bloße Hülsen, deren Anwendungsbereich unklar wäre.

IV.  Funktionenschutz und zwingendes Recht Die Sinnhaftigkeit des Funktionenschutzes begründet nicht per se zugleich die Notwendigkeit, ihn auf zwingendes Recht zu stützen. In erster Linie stellt das Kapitalgesellschaftsrecht eine Möglichkeit der Selbstorganisation zur Verfü­ 741  Fastrich, Funktionales Rechtsdenken, S.   23. Zur Problematik der Reichweite von Stimmverboten ist hier nicht Stellung zu nehmen, vgl. hierzu etwa Zöllner, Schranken, S.  267 ff. 742  Fastrich, Funktionales Rechtsdenken, S.  24; Hofmann, Minderheitsschutz, S.  599; vgl. auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, §  8 I.2.c) (S.  414 f.). 743  So die „gefahrenenbezogene“ Begründung der Beschlusskontrolle im Sinne der Recht­ sprechung des Bundesgerichtshofs „Kali + Salz“, BGHZ 71, 40, 44 f. Mit Recht kritisch Fastrich, Funktionales Rechtsdenken, S.  25. 744  In der Regel betreffen die Gefahren alle Gesellschafter, so dass es keinen Anlass gibt, verschärfte Kontrollen durchzuführen, weil die Mehrheit einen ausreichend hohen Anreiz hat, überlegt zu entscheiden (Fastrich, Funktionales Rechtsdenken, S.  24 f.). 745  Binder, Regulierungsinstrumente, S.  157.

B.  Rechtsformübergreifende Wertungen

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gung. Es eröffnet den Marktteilnehmern einen Weg, eigene Ziele privatautonom zu verwirklichen, die sie auf Basis des Vertragsrechts nicht in gleicher Weise verfolgen könnten.746 Damit erhalten sie Freiheit zur Gestaltung in Selbstver­ antwortung. Im Vordergrund steht damit die Sicherstellung der Funktionsfä­ higkeit des rechtlichen Vehikels „Kapitalgesellschaft“ als Aufgabe der an ihr Beteiligten.747 Das setzt allerdings voraus, dass Letztere diese Aufgabe tatsäch­ lich wahrnehmen und eine sinnvolle Organisationsverfassung vorsehen. Kön­ nen die Gesellschafter die zu regelnden Angelegenheiten nicht selbst steuern oder führt die eigenständige Regulierung zu Missbrauch, liegt die Einführung zwingender Normen nahe (hierzu 1.).748 Diese sind allerdings sinnvollerweise primär auf Verfahrenskontrolle hin auszurichten, nicht auf eine umfassende In­ haltskontrolle (unten 2.). 

1.  Grenzen der privaten Regulierung Ein besonderes Problem stellt sich hinsichtlich der Frage, in welchem Umfang tatsächlich getroffene private Dispositionen für die Gesellschaftsorganisation anzuerkennen sind. Diskussionswürdige Aspekte gibt es viele, genannt seien nur das Problem der Abdingbarkeit von Treuepflichten der Geschäftsleiter,749 die Wirksamkeit von Hinauskündigungsklauseln und die Kontrolle von Haupt­ versammlungsbeschlüssen. Warum sollen die Gesellschafter insoweit nicht vereinbaren können, was sie wollen? Gemäß klassisch-liberaler vertragsrechtlicher Tradition gilt schließlich Privatautonomie: Wer auf Rechte verzichtet oder sich von vornherein in eine Stellung „minderen Rechts“ begibt, soll sich später nicht darauf berufen kön­ nen, gerade der akzeptierte Nachteil führe zur Unwirksamkeit der Klausel. Zu­ dem zeigen insbesondere Hinauskündigungsklauseln, dass die Gesellschafter durchaus in der Lage sind, Ordnungsmechanismen einzurichten, die dem Funktionenschutz – jedenfalls dem Grunde nach – dienen, indem etwa der Aus­ schluss blockierender Gesellschafter ermöglicht wird. Insoweit hat vor allem die Reichweite der Regelungskompetenz der Beteilig­ ten Bedeutung, da sich die angesprochenen Konflikte häufig dadurch auszeich­ nen, dass sie erst eine Weile nach Abschluss einer Vereinbarung auftreten. Die Schwierigkeiten der kognitiven Bewältigung von langfristig wirkenden Ent­ scheidungen wurden oben bereits diskutiert750 und sind hier nicht noch einmal darzustellen.

746 

S. schon oben §  2 vor I. Fastrich, Funktionales Rechtsdenken, S.  35, 37. 748  Fastrich, Funktionales Rechtsdenken, S.  37. 749  Dazu unten V. 750  Oben §  1 III.2. 747 

496 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen Über diesen Aspekt hinaus kommt im gegebenen Zusammenhang zum Tra­ gen, was Vertreter der Neuen Institutionenökonomik im Zusammenhang mit der Regelung langfristiger Vertragsbeziehungen diskutieren: Typischerweise besteht und entwickelt sich eine Vielzahl von Opportunismusproblemen. Die vollständige Regelung solcher Probleme scheidet jedoch aus, weil Verträge not­ wendig unvollständig bleiben. Es ist den Parteien schlicht nicht möglich, sämt­ liche zukünftigen Zustände zu berücksichtigen. Sogar solche Wirtschaftswis­ senschaftler, die grundsätzlich von Omniszienz ausgehen, gestehen ein, dass diese Annahme mit der Realität wenig zu tun hat.751 Selbst bei möglicher Kenntnis der maßgeblichen Umstände bleibt der Vertrag deshalb unvollständig, weil die Parteien sich nicht auf eine komplette Beschrei­ bung dieser Umstände hinsichtlich ihrer Wichtigkeit und ihrer denkbaren Aus­ wirkungen einigen können und den Vertrag aus diesem Grund angesichts pro­ hibitiv hoher Transaktionskosten unvollständig lassen.752 Insbesondere die Ver­ treter der Transaktionskostenökonomie gehen von begrenzter Rationalität aus.753 Das Wissen der Parteien ist zeitgebunden und unvollständig. Gesell­ schaftsverträge sind ein Musterbeispiel solcher im ökonomischen Sinn unvoll­ ständiger Verträge.754 Folge dieser Einschränkungen ist die Erkenntnis, dass die Organisation von Tauschbeziehungen allein durch marktmäßig organisierte Transaktionen nicht möglich ist.755 Insoweit geht es nicht um Fehlgewichtungen und Fehleinschät­ zungen objektiv offen zutage liegender Bewertungsfaktoren, sondern um die Auswirkungen notwendig vorhandener Grenzen des Wissens über die Zukunft und sich in ihr möglicherweise realisierender Zustände der Welt. Hier kommt zum Tragen, was Fastrich im Zusammenhang mit der Notwendigkeit von Funktionenschutz auch gegen den Willen der Gesellschafter treffend formuliert hat: „Man muß die Selbstregulierung gegen Selbstauflösung sichern.“756 Dass es hier keine einfachen Lösungen gibt, bedarf keiner weiteren Erläuterung.

751 Etwa Bolton/Dewatripont, Contract Theory, S.  13: „The rationality requirement impo­ sed on the contracting parties and the enforcement abilities assumed of the courts should be kept in mind as caveats for the theory of contracting when faced with very complex actual contractual situations where the parties may have limited abilities to describe possible future events and the courts have limited knowledge to be able to effectively stick to the original intentions of the contracting parties.“ 752  Bolton/Dewatripont, Contract Theory, S.  13; für das Gesellschaftsrecht Wiedemann, Gesellschaftsrecht II, §  2 I.1.c) (S.  95). 753 Stellvertretend Williamson, Economic Institutions, S.  4 4: „Bounded Rationality is the cognitive assumption on which transaction cost economics relies.“ 754  Weller, ZGR 2012, 386, 396; Wiedemann, Gesellschaftsrecht II, §  2 I.1.c) (S.  94 f.). 755  Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, I.1.c) (S.  4), IV.4.3 (S.  192). 756  Fastrich, Funktionales Rechtsdenken, S.  4 4.

B.  Rechtsformübergreifende Wertungen

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2.  Verfahrenskontrolle vor Inhaltskontrolle Resultieren die Grenzen der privaten Regulierung daraus, dass insbesondere Langzeitauswirkungen privater Abreden nicht vollständig beurteilt werden können, muss der gesetzliche Ausgleich hieran anzuknüpfen. Im Vordergrund steht demnach die Wiederherstellung der Möglichkeit von Selbstregulierung. Es ist kein Widerspruch, die Notwendigkeit des Funktionenschutzes damit zu begründen, bestimmte Defizite träten bei der Nutzung der zur Selbstregulie­ rung zur Verfügung gestellten Instrumente auf, und gleichzeitig das Rege­ lungsziel des Funktionenschutzes in der Wiederherstellung der Selbstregulie­ rung zu sehen. Denn Inhalt funktionenschützender Regeln ist die Kontrolle der Verfahrensabläufe in Form einer Zielüberprüfung, nicht dagegen eine Ergeb­ niskontrolle. Ein Beispiel hierfür ist der Umgang mit Beschlüssen und ihrer Anfechtung: Die Möglichkeit, die Angelegenheiten der Gesellschaft im Beschlusswege zu regeln, ist ein Modus der Selbstregulierung. Beschlusskontrolle, die darauf be­ ruht, die Verfolgung verbandsfremder Zwecke zu verhindern, reguliert nicht ergebnisbezogen, sondern handlungszielbezogen. Werden keine verbandsfrem­ den Ziele verfolgt, bedarf das konkrete Ergebnis keiner Überprüfung. Im Fall der Beschlussanfechtung gilt, dass sie ebenfalls nur daraufhin zu überprüfen ist, ob sie sich auf die Verschaffung von Sondervorteilen bezieht,757 deren Erhalt allein auf Basis der mitgliedschaftlichen Rechte nicht zu erreichen wäre. Verfahrenskontrolle lässt sich mit beweglichen und starren Schranken durch­ führen. Sowohl der oben genannte (starre) Stimmrechtsausschluss als auch fle­ xible Schranken im Zusammenhang mit Beschlüssen sind geeignete Mittel. Eine andere Frage ist die nach der dogmatischen Umsetzung flexibler Schranken. Ob hierfür etwa §  826 BGB oder ein Treuepflichtansatz gewählt wird, kann an die­ ser Stelle dahinstehen. Bezogen auf die richterliche Kontrolle privater Abreden wie Hinauskündi­ gungsklauseln sprechen die hier vorgetragenen Überlegungen für eine Abkehr von der Abschluss- und Inhaltskontrolle hin zu einer Ausübungskontrolle.758 Das trägt einerseits den Erkenntnissen der Kognitionsforschung über die Grenzen der Informationsverarbeitung Rechnung, während andererseits die Chance einer weitestgehend autonomen privaten Regulierung erhalten bleibt.

V.  Anwendungsbeispiel: Treuepflichten der Geschäftsleiter Als konkretes Beispiel für die Rechtfertigung zwingender Verfahrensregeln dienen im Folgenden die gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten der Geschäfts­ 757 

Überblick über das Fallmaterial bei Hüffer/Koch, §  245 Rn.  22 ff. Zur Ausübungskontrolle versus Abschlusskontrolle im Zusammenhang mit Verwässe­ rungsschutzklauseln 4. Teil D. §  2 I.1.c). 758 

498 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen leiter. Einen Anlass aus der Gestaltungspraxis bieten die Satzungen von Limited Liability Companies in den USA, in denen häufig nicht nur die Haftung wegen einer Treuepflichtverletzung abbedungen wird, sondern bereits die Pflicht an sich.759 Der erste der folgenden Unterabschnitte ordnet Treuepflichten als Mittel des Funktionenschutzes ein (1.), der zweite widmet sich dem Umfang der Zwangs­ wirkung (2.). Im dritten geht es um das Problem der vollständigen Abbedin­ gung der Treuepflichten im Wege einer nach Gründung stattfindenden Sat­ zungsänderung (3.), der vierte zeigt auf, dass pauschale Pflichtenbegrenzungen als unzulässige Teilabbedingungen einzustufen sind (4.). Der fünfte Unterab­ schnitt beschäftigt sich mit Pflichtenmodifikationen (5.), der sechste (6.) mit Besonderheiten in börsennotierten Gesellschaften und der siebte (7.) mit der Frage, ob Treuepflichten tauglicher Anwendungsfall von sogenannten Penalty Defaults sind. Zur weiteren Verdeutlichung führe sich der Leser folgenden Grundfall vor Augen: Als Bedingung für die Kapitalvergabe verlangt der Investor I, dass die von ihm zu benennenden Mitglieder der Geschäftsleitung sowohl Geschäfts­ chancen vereinnahmen als auch in Konkurrenzunternehmen tätig werden dür­ fen. Nachdem sich die Gründer und I über die Finanzierung geeinigt haben, verankern sie diese Befreiungstatbestände in der Satzung.

1.  Treuepflichten als Mittel des Funktionenschutzes Die Treuepflichten der Geschäftsleiter in Aktiengesellschaft und Gesellschaft mit beschränkter Haftung sind allgemein anerkannt und bedürfen hier keiner besonderen dogmatischen Begründung mehr.760 Sie stellen ein klassisches Bei­ spiel für Regeln dar, die dem Funktionenschutz dienen.761 Aufgrund der fehlen­ den Möglichkeit, das Handeln der Geschäftsleiter im Vorhinein genau zu be­ schreiben, und wegen der Schwierigkeiten bei der Überwachung ist es notwen­ dig, über einen Mechanismus zu verfügen, der im Wege einer offen formulierten Pflicht den Fehlanreizen entgegensteuert, die sich aus den genannten Problemen

759 

Oben A. §  1 IV.2.b)bb). BGH NJW 2009, 68, 70; BGH NJW 1986, 585, 586; BGHZ 49, 30, 31 (jeweils zur Ge­ sellschaft mit beschränkter Haftung). Aus dem Schrifttum für die Aktiengesellschaft: Fleischer, in: Spindler/Stilz, §  93 Rn.  113; Hopt/Roth, in: GK-AktG, §  93 Rn.  224; Hüffer/Koch, §  84 Rn.  10; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, §  93 Rn.  95; Spindler, in: MünchKommAktG, §  93 Rn.  108. Für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Buck-Heeb, in: Gehrlein/Ekkenga/ Simon, §  43 Rn.  27; Fleischer, in: MünchKommGmbHG, §  43 Rn.  152; Paefgen, in: GK-­ GmbHG, §  43 Rn.  70. In funktionaler Perspektive Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/ Schön, Rechtsregeln, S.  102. 761  S.  bereits Zöllner, FS GmbHG, S.  85, 117 f. 760 

B.  Rechtsformübergreifende Wertungen

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ergeben. Das entspricht der Communis Opinio und ist daher hier nicht vertie­ fend zu behandeln.762 Indem die Treuepflicht den Anker für konkrete Verhaltenspflichten bildet, etwa diejenigen, nicht in Wettbewerb zur Gesellschaft zu treten und keine der Gesellschaft zuzuordnenden Geschäftschancen wahrzunehmen, hilft sie, das Organverhältnis den sich im Laufe der Geschäftsleitertätigkeit ändernden Umwelt­bedingungen anzupassen.763 Diese Tatbestände und die damit einherge­ henden Haftungsregeln schützen also nicht nur die Anteilseigner als in der Ge­ sellschaft verbundenes Kollektiv, sondern dienen darüber hinaus dazu, eine Neuverhandlung der Tätigkeitsbedingungen zu ermöglichen: Will ein Vor­ standsmitglied etwa ein Handelsgewerbe betreiben, muss es, um die Haftung zu vermeiden, nach §  88 Abs.  1 S.  1 AktG die Einwilligung des Aufsichtsrates einholen.764 Dieser kann dann die Pflichten des Vorstandsmitglieds konkreti­ sieren, indem er entweder den Wettbewerb ganz untersagt oder an bestimmte Bedingungen knüpft.

2.  Zwang zur Verfahrensregel und Abbedingung im Einzelfall a)  Grundsatz: Erlaubnisvorbehalt Die im Gesetz vorhandenen konkreten Ausprägungen der Treuepflichten der Geschäftsleiter sehen die Möglichkeit der Abbedingung im Einzelfall vor. Der eben schon erwähnte §  88 Abs.  1 AktG räumt die Möglichkeit ein, einem Vor­ standsmitglied für bestimmte Handelsgeschäfte oder Handelsgesellschaften oder für spezielle Arten von Geschäften die Einwilligung zu erteilen. Die Lite­ ratur betont, eine pauschale Einwilligung sei unzulässig.765 Zwingend wirkt die Norm danach nur in Grenzen: Im Einzelfall kann ihre Geltung abbedungen werden, etwa hinsichtlich der Wahrnehmung einer Ge­ schäftschance.766 Grundsätzlich sichert die Treuepflicht lediglich das Vorrecht der Gesellschaft, Maßnahmen von Geschäftsleitungsmitgliedern, die typischer­ weise besonderes Konfliktpotential erzeugen, vor ihrer Durchführung zu steu­ ern. Sie enthält demnach ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt.767 762  Statt aller Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S.  9 0 ff.; Fleischer, WM 2003, 1045, 1048 f.; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen, S.  211 ff., jeweils mit Nachweisen des ein­ schlägigen Schrifttums. Zu Grenzen dieses Ansatzes in Endspiel-Situationen am Beispiel von Management Buyouts Kuntz, Informationsweitergabe, S.  21. 763  Easterbrook/Fischel, Economic Structure, S.  91; Fleischer, WM 2003, 1045, 1049; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen, S.  213. 764 Zur Reichweite von §   88 AktG und dem Problem der pauschalen Abbedingung des Wettbewerbsverbots noch unten 4. 765  Hüffer/Koch, §  88 Rn.  5; Kort, in: GK-AktG, §  88 Rn.  58; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, §  88 Rn.  16; Spindler, in: MünchKommAktG, §  88 Rn.  26. 766  S.  Fleischer, WM 2003, 1045, 1051 f. 767  Fleischer, WM 2003, 1045, 1051.

500 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen Das gleicht die Schranken aus, denen die Beteiligten bei der Regulierung des Verhältnisses zwischen Organmitglied und Gesellschaft unterliegen, sowohl hinsichtlich der Schwierigkeit, einen vollständigen Vertrag zu schreiben, als auch mit Blick auf das Problem der Defizite bei der Abschätzung der Folgen langfristiger Vereinbarungen.768 Doch stellt sich nun die Frage, ob dieser Be­ fund zugleich rechtfertigt, die Abbedingung allein im Einzelfall zuzulassen. b)  Keine pauschale Abbedingung bei Gründung der Gesellschaft Sind sich im eingangs vor 1. genannten Beispiel der Investor I und die Gründer bereits vor Gründung der zu finanzierenden Gesellschaft einig geworden, und schlägt I vor, der Einfachheit halber und wegen der erheblichen Risiken bei der Leitung eines jungen Unternehmens die Treuepflicht für sämtliche Geschäfts­ leitungsmitglieder allgemein abzubedingen,769 ist fraglich, ob sich dies in der Satzung verankern lässt. Zwar tritt dieses Problem im geltenden Recht bei der Aktiengesellschaft wegen §  23 Abs.  5 AktG nicht auf, doch ist eine derartige Satzungsbestimmung für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung nicht von vornherein ausgeschlossen.770 Entgegen einer in der Literatur vertretenen An­ sicht771 sollte bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung ebenfalls keine pauschale Abbedingung möglich sein: aa)  Aufleben von Regelungskonflikten Fehlt die Treuepflicht, beschwört dies all die Konflikte herauf, die unter der Überschrift der Principal-Agent-Theorie diskutiert werden. Dass das allgemei­ ne Schikaneverbot des §  226 BGB greift und sich durch Vergütungsstrukturen den Fehlanreizen teilweise entgegensteuern lässt,772 ist zwar theoretisch richtig. Nur ist unter praktischen Gesichtspunkten höchst zweifelhaft, ob Gestalter tatsächlich maßgeschneiderte Vertragsstrukturen mit anderen Steuerungsme­ chanismen etablieren. Die bereits im Kapitel zur Standardisierung vorgestellte Studie zur Vertragsgestaltung bei Limited Liability Companies und Limited Partnerships spricht stark für die gegenteilige Annahme.773

768 

Oben §  1 III.3.a). Interesse der Wagniskapitalgeber, die Treuepflicht abzubedingen, Hellgardt, FS Hopt, Band I, S.  765, 766. 770  Hellgardt, FS Hopt, Band I, S.  765, 784. 771  Hellgardt, FS Hopt, Band I, S.  765, 784 ff. Gegen Abdingbarkeit Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln, S.  45, 103; Schmolke, Grenzen, S.  668 ff. 772  Hierauf verweist Hellgardt, FS Hopt, Band I, S.  765, 786 (Schikaneverbot), 789 (Vergü­ tung). 773  Zur Studie oben A. §  1 IV.2.b)bb). 769  Zum

B.  Rechtsformübergreifende Wertungen

501

Selbst bei einer Vergütung, die der Höhe nach vollständig von dem Unterneh­ mensgewinn abhängig wäre,774 besteht nicht immer ein Anreiz, sich gerade für die Gesellschaft voll einzusetzen, mit der die Vergütungsvereinbarung besteht. Maßgeblich sind allein die Opportunitätskosten, das heißt konkret: die Höhe der Vergütung, die dem betroffenen Geschäftsleitungsmitglied entgeht, weil es auf die Tätigkeit zu Gunsten eines konkurrierenden Unternehmens verzichtet. Ob die Sorgen um Reputationsverluste hier stets ausreichen, dieses Verhalten zu unterbinden,775 ist wenig wahrscheinlich. Das gilt insbesondere in solchen Märkten, in denen Reputation per se nur eine sehr begrenzte Bedeutung hat. So herrschen selbst in den USA an der Ostküste für die Gründer deutlich schlech­ tere Bedingungen vor als an der Westküste im Silicon Valley.776 Sind die Inves­ titionsmittel so knapp wie derzeit in Deutschland und besteht für die Gründer kaum eine Chance, sich ihre Investoren auszusuchen, verliert das Reputations­ argument endgültig an Relevanz. Im Gegenteil: Könnte ein Investor gerade durch solche Strategien überdurchschnittliche Erfolge erzielen, wie sie eben an­ gedeutet wurden, wäre sein Fonds für Investoren sehr interessant. Das wieder­ um setzte einen Anreiz, Ausbeutungsstrategien jedenfalls in gewissem Umfang bewusst zu nutzen. bb)  Probleme bei der nachträglichen Einführung der Treuepflicht Schließlich ist noch ein anderer Aspekt von Bedeutung: Wäre die Abbedingung der Treuepflicht zulässig und wollten die Gesellschafter 777 sie später einführen, weil sich herausstellt, dass sich Geschäftsleiter nicht in ausreichendem Maße für die Interessen der Gesellschaft einsetzen, stünden die Mitglieder vor einem Pro­ blem. Denn mit der Inkraftsetzung von Treuepflichten veränderten die Anteils­ eigner die Tätigkeitsbedingungen der Geschäftsleiter. Dem wird in den meisten Fällen der Anstellungsvertrag entgegenstehen. Die Erweiterung des gesell­ schaftsrechtlichen Pflichtenprogramms führte gleichzeitig zu einer einseitigen Vertragsänderung. Selbst wenn man für einen Augenblick das Koordinations­ problem außer Acht lässt, die notwendigen Mehrheiten für die Satzungsände­ rung überhaupt zu organisieren,778 dürften die Änderungen allenfalls für die Zukunft – genauer: für die Zeit nach Ablauf der Dauer des Anstellungsvertrages – wirken. Eine vorzeitige Beendigung des Vertrages mit der Begründung, der Ge­ schäftsleiter betreibe Wettbewerb oder ziehe Geschäftschancen der Gesellschaft an sich, kommt nicht in Betracht. Außer im Fall gezielter Schädigungen, die 774  Vgl. zur Vergütungsstruktur in Venture Capital-Fonds Möller, S.  157 ff., sowie die Be­ merkungen bei Haar, S.  87, und Hellgardt, FS Hopt, Band I, S.  765, 789. 775  Hellgardt, FS Hopt, Band I, S.  765, 789. 776  Dazu 1. Teil B. §  13 I.2.b)bb). 777  Ihre Zuständigkeit für die Entscheidung unterstellt. 778  Hierzu am Ende dieses Abschnitts.

502 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen unter das Schikaneverbot des §  226 BGB fielen, liefe das Recht auf außerordent­ liche Kündigung des Anstellungsverhältnisses im Ergebnis leer.779 Setzt der au­ ßerordentliche Widerruf der Bestellung wie nach §  84 Abs.  3 S.  1 AktG oder aufgrund gesellschaftsvertraglicher Bestimmungen780 das Vorliegen eines wich­ tigen Grundes voraus, ist auch dieser Weg versperrt. Die Gesellschafter dürften noch nicht einmal unter Hinnahme von Schadensersatzansprüchen wegen Ver­ letzung des Anstellungsvertrages zumindest die Organtätigkeit beenden.781 Gegenwärtig wirksame Handlungen des Geschäftsleiters könnten damit nie­ mals unterbunden werden, solange sie keine gezielte Schädigung der Gesell­ schaft beinhalteten. Welche Maßstäbe für die Annahme einer solchen Schikane oder sittenwidrige Beeinträchtigung gälten, bliebe ebenfalls unklar. Wäre die Treuepflicht insgesamt ausgeschlossen, müsste die Eingriffsschwelle eher hoch liegen, weil ansonsten auf dem Weg über §  242 BGB oder §  226 BGB gleichsam „durch die Hintertür“ doch eine allgemeine Treuepflicht eingeführt würde. Die Probleme eines Modells, das statt einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvor­ behalt auf nachträgliche Missbrauchskontrolle setzt, haben sich in Deutschland bereits im Zusammenhang mit dem Bezugsrecht der Aktionäre gezeigt.782 Eine Änderung für die Zukunft durch Änderung der Satzung wird zudem vor allem in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung dadurch erschwert, dass Geschäftsführer häufig zugleich Mitglied sind. Ihr fehlendes Interesse da­ ran, die Regeln zu ändern, bedarf keiner weiteren Begründung. Ob §  47 Abs.  4 GmbHG in dieser Situation greift, ist fraglich. So gibt es keinen Stimmrechts­ ausschluss bei der Abberufung als und bei der Bestellung zum Geschäftsführer einschließlich der Regelungen zum Anstellungsvertrag und zu den Bezügen.783 Dass der Bundesgerichtshof für die Befreiung eines Gesellschafters vom Wettbewerbsverbot von der Geltung des §  47 Abs.  4 GmbHG ausgeht,784 ist hier nicht von Belang. Denn die Befreiung ist eine Begünstigung im Sinne von §  47 Abs.  4 S.  1 Var.  2,785 während die Einführung des Wettbewerbsverbotes eine Be­ lastung begründete, auf die keine der in §  47 Abs.  4 GmbHG genannten Fall­ gruppen passt. Da es kein allgemeines Verbot des Entscheidens in eigener Sache gibt,786 spricht viel dafür, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer mitstimmen 779  Hierauf verweist auch Hellgardt, FS Hopt, Band I, S.  765, 787, der dies allerdings nicht als Grund sieht, die Abbedingung der Treuepflicht zu unterbinden. 780  Vgl. §  38 Abs.  2 S.  1 GmbHG. 781  Eine Suspendierung wäre ebenfalls problematisch, weil diese voraussetzt, dass die Um­ stände für das Vorliegen eines wichtigen Grundes zum Widerruf der Bestellung im Sinne von §  88 Abs.  3 S.  1 AktG sprechen, s. im Einzelnen Kort, in: GK-AktG, §  84 Rn.  239, 242 ff. 782 Dazu Zöllner, AG 2002, 585, 586. 783  Statt aller BGHZ 190, 45, 48 Tz 15; Drescher, in: MünchKommGmbHG, §  47 Rn.  161 ff., jeweils mit Nachweisen. 784  BGH WM 1981, 357, 358 (insoweit in BGHZ 80, 69, nicht vollständig abgedruckt). 785  Jaeger, in: MünchKommGmbHG, §  35 Rn.  366 mit Nachweisen. 786  Statt aller Drescher, in: MünchKommGmbHG, §  47 Rn.  134.

B.  Rechtsformübergreifende Wertungen

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dürfte. Verfügt der Gesellschafter-Geschäftsführer über eine Sperrminorität (oder sogar die Stimmenmehrheit), fehlt den übrigen Gesellschaftern die Macht, Änderungen durchsetzen. cc)  Preisabschläge als untaugliches Steuerungsinstrument Kein Argument gegen zwingenden Funktionenschutz ist der Einwand, Anteils­ erwerber könnten fehlende Regelungen mittels Preisabschlags bei Eintritt in die Gesellschaft kompensieren. Das löste die akuten Probleme nämlich nicht. Auf­ grund der häufig vorhandenen emotionalen Aufladung von Konflikten in per­ sonalen Kapitalgesellschaften werden die Beteiligten oft nur schwierig ohne Eingreifen Dritter zu Lösungen gelangen.787 Sollten sie sich nicht auf eine Me­ diation einlassen, bleibt nur der Weg zum Gericht. Wenn jedoch den Richtern mangels einschlägiger gesetzlicher Vorschrift oder Vertragsbestimmung keine juristischen Hilfsmittel zur Verfügung stehen, in einem Streit zu entscheiden, bleiben die Probleme möglicherweise auf Dauer – oder bis zur Insolvenz – un­ gelöst. Das betrifft dann nicht nur die Gesellschafter. Regelmäßig werden die Interessen Dritter wie Gläubiger und Arbeitnehmer ebenfalls beeinträchtigt. Ein an sich überlebensfähiges Unternehmen an einer fehlenden rechtlichen Lö­ sungsmöglichkeit scheitern zu lassen, ist unter volkswirtschaftlichen Gesichts­ punkten nicht sinnvoll. Es gibt ein öffentliches Interesse an der Erhaltung der grundsätzlich funktionsfähigen Zweckgemeinschaft.788 Zwar steht die Beendi­ gung im Belieben der Gesellschafter. Doch müssen diese dafür nach Regeln vor­ gehen, die Dritte, etwa Gläubiger, schützen. dd)  Vergleich zur Einwilligung im Einzelfall Es verbleibt ein Einwand: Spricht gegen die Befugnis zur pauschalen Abbedin­ gung der Treuepflicht, dass die Beteiligten die Auswirkungen einer derartigen Entscheidung nicht hinreichend kalkulieren können, müsste dies gleicherma­ ßen für die Einwilligung im Einzelfall gelten. Träfe dies zu, stellte dies die Le­ gitimation der ausdrücklich im Gesetz vorzufindenden Regeln wie §  88 Abs.  1 AktG in Frage. Im Ergebnis trägt die Überlegung jedoch nicht. Zwar ist richtig, dass jede Entscheidung Folgen nach sich ziehen kann, die sich erst in der Zukunft auswirken. Im Zeitpunkt des Verzichts auf eine Ge­ schäftschance oder der Gestattung von Wettbewerb ist nicht vollständig beur­ teilbar, welche Konsequenzen die Einwilligung hat. Doch unterscheiden sich die Situationen der Entscheidungsfindung bei pauschalem Verzicht und Einwil­ ligung im Einzelfall: 787  Dazu den Vergleich von Familien- und Gesellschafterstreitigkeiten bei Bachmann/Eidenmüller/Engert/Fleischer/Schön, Rechtsregeln, S.  26. 788  Lutter, AcP 180 (1980), 84, 150; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, Vorb. §  76 Rn.  10.

504 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen Die oben in §  1 III.2.b) beschriebenen Defizite wirken insbesondere bei ei­ nem pauschalen Verzicht. Eine vollständige Aufgabe von Rechten wird regel­ mäßig nur in einer Situation stattfinden, in der es keinen Konflikt gibt. Gerade hier treten die Probleme der Berücksichtigung und Bewertung möglicher zu­ künftiger Entwicklungen auf.789 Wer die Entscheidung dagegen in einer aktuel­ len Konfliktlage trifft, vermag ihre Konsequenzen eher abzuschätzen, die Trag­ weite des Verzichts ist klarer. Immerhin die kurzfristigen Wirkungen liegen jetzt offen zu Tage. Zudem überlegt sich jeder von einer bestimmten Regel Be­ günstigte bei einem deutlich erkennbaren Nachteil wie einer Ungleichbehand­ lung die Entscheidung gründlicher, was in gewissem Maße den verschiedenen Mängeln der Urteilsbildung entgegenarbeitet. Das mag zwar nicht jedes Problem beheben. Doch wäre die Alternative eine weitgehende Einschränkung privatautonomen Handelns. Der hier dargestellte Weg bietet einen gangbaren Kompromiss. Für die Verwendung eines solchen Ansatzes der Geltung einer dem Grunde nach pauschal greifenden Regelung mit der Möglichkeit des Verzichts im Ein­ zelfall spricht zudem, dass die Ergebnisse der Kognitionsforschung bislang nicht ergiebig genug sind, aus ihnen klare Normstrukturvorgaben im Einzelfall abzuleiten.790 Auch institutionenökonomische Gesichtspunkte streiten für eine dieserart flexible Lösung: Wie erläutert, handelt es sich bei den hier diskutierten Fragen um solche, die aus unvollständigen Verträgen resultieren, also aus Vereinbarun­ gen, die aufgrund von begrenzter Rationalität und transaktionskostenbezoge­ ner Überlegungen791 nicht für jeden Konfliktfall eine adäquate Klausel enthal­ ten. Das Eingreifen einer Rechtsregel, die solche Lücken zu füllen sucht, kombi­ niert mit der Möglichkeit, ihre Durchsetzung im Einzelfall zu suspendieren, kommt dem Wiederherstellen der ursprünglichen Verhandlungssituation gleich. Allerdings verfügen die Parteien nunmehr über die notwendigen Informatio­ nen, in Kenntnis tatsächlich bestehender Probleme über deren Lösung zu ver­ handeln. Statt unter Inkaufnahme hoher Transaktionskosten Abreden über die Bewältigung von Konflikten zu treffen, die möglicherweise niemals auftreten, werden die Beteiligten so in die Lage versetzt, sich tatsächlich realisierender Fragen passgenau mittels privatautonomer Vereinbarungen anzunehmen. So mag sich die Gesellschaft als Gegenleistung für die Gestattung der privaten Vereinnahmung einer Geschäftschance seitens des Geschäftsleiters eine ange­ messene Ausgleichszahlung ausbedingen. 789 Auf die Gefahren von Fehlern bei der der Urteilsbildung verweist auch Schmolke, Grenze, S.  668 ff. 790  S.  bereits oben §  1 III.3.b). 791 Zu hohe Transaktionskosten bei Aushandlung von Vertragsklauseln für sämtliche denkbaren Zustände, wie unwahrscheinlich deren Eintritt auch sein mag.

B.  Rechtsformübergreifende Wertungen

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3.  Zur vollständigen Abbedingung durch Satzungsänderung Nach Eintragung der Gesellschaft spricht ein weiterer Aspekt gegen die endgül­ tige Abdingbarkeit zwingender Treue- und Gleichbehandlungspflichten durch Satzungsänderungen. Das dann geltende Mehrheitsprinzip führt zu der Gefahr, dass sich aufgrund der rationalen Apathie vieler Minderheitseigner und einer häufig kaum möglichen Einschätzung der langfristigen Folgen einer Satzungs­ änderung ein Mehrheitsaktionär Vorteile zu (ausschließlich) eigenen Gunsten verschafft.792 Gerade in Fällen von Interessenkonflikten kann eine Kontrolle durch den Aufsichtsrat oder ein anderes Kontrollgremium, etwa einen Beirat, schwierig werden, sofern dessen Mitglieder teilweise mit dem Mehrheitsinhaber verbunden sind.793 Das ist in Wagniskapitalfinanzierungen immer der Fall. Selbst wenn man diesem Problem dadurch begegnet, die Abbedingung als Zweckänderung nach Maßgabe von §  33 Abs.  1 S.  2 BGB analog mit der Fol­ ge gesteigerter Beschlussanforderungen einzustufen,794 bleiben die übrigen Schwierigkeiten bestehen, die bereits oben unter b) diskutiert wurden. Weitere Ausführungen sind daher an dieser Stelle entbehrlich.

4.  Unzulässige pauschale Abbedingung von Teilpflichten Scheidet eine pauschale Abbedingung der Treuepflicht insgesamt aus, ist damit die Möglichkeit zum Ausschluss von Teilinhalten noch nichts entschieden. Schließlich sieht selbst das Aktiengesetz vor, Ausnahmen vom Wettbewerbsver­ bot einräumen zu dürfen (§  88 Abs.  1 AktG). Die Vereinnahmung von Ge­ schäftschancen darf gestattet werden.795 Ähnliches gilt über die Treuepflicht hinaus, etwa bezogen auf die Gleichbehandlungspflicht: Die Ungleichbehand­ lung von Gesellschaftern ist erlaubt, sobald die Betroffenen zustimmen.796 Zu­ dem hält es die allgemeine Ansicht für zulässig, den Gleichbehandlungsmaß­

792 

Bebchuk, 102 Harv. L. Rev. 1820, 1836 ff. (1989). Bebchuk, 102 Harv. L. Rev. 1820, 1846 f. (1989). 794 So Hellgardt, FS Hopt, Band I, S.  765, 784 f., 792. 795  Für die Aktiengesellschaft: Mertens/Cahn, in: KK-AktG, §  88 Rn.  5; für die Gesell­ schaft mit beschränkter Haftung: Buck-Heeb, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, §  43 Rn.  41; Fleischer, in: MünchKommGmbHG, §  43 Rn.  88; Klöhn, in: Bork/Schäfer, §  43 Rn.  47; Paefgen, in: GK-GmbHG, §  43 Rn.  103 f.; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, §  35 Rn.  43. 796 Für die Aktiengesellschaft: Fleischer, in: Schmidt/Lutter, §   53a Rn.  37; Hüffer/Koch, §  53a Rn.  5; für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, §  14 Rn.  34; Emmerich, in: Scholz, §  14 Rn.  42; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, §  13 Rn.  33; Maul, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, §  13 Rn.  55; Merkt, in: MünchKommGmbHG, §  13 Rn.  292; Seibt, in: Scholz, §  14 Rn.  40; Weller, in: Bork/Schäfer, §  14 Rn.  19. 793 

506 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen stab797 im Wesentlichen frei festzulegen, etwa mit Hilfe von Sonderrechten für einzelne Gesellschafter.798 Es erscheint demnach nur konsequent, dass die ganz überwiegende Ansicht im Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung die pauschale Befreiung vom Wettbewerbsverbot799 zulässt.800 Umstritten sind nur die Mehrheitserfor­ dernisse. 801 Diese Meinung wird im Folgenden unter verschiedenen Gesichtspunkten ei­ ner kritischen Prüfung unterzogen. Das betrifft zunächst das Argument, die Mitglieder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung verfügten im Gegen­ satz zu Aktionären bereits dem Gesetz nach über die Freiheit, die internen Strukturen nach eigenen Wünschen zu gestalten (a]). Weiterhin ist fraglich, in welchem Umfang sich das gemäß §  37 Abs.  1 GmbHG bestehende Weisungs­ recht als Steuerungsinstrument eignet (b]). Ob Transaktionskostenersparnis und eine vergleichende Betrachtung des englischen Gesellschaftsrechts die herrschende Meinung zu stützen vermögen, ist Gegenstand der Unterabschnit­ te c) und d). a)  Freiheit zur Gestaltung der Innenverhältnisse in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung Mit der Freiheit der Anteilseigner zur Gestaltung der internen Verhältnisse ei­ ner Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu argumentieren,802 besagt bereits deshalb wenig, weil gerade die Frage zu beantworten ist, wo die Grenzen dieser 797  Nicht den Gleichbehandlungsgrundsatz insgesamt, s. die Nachweise in der vorherge­ henden Fußnote. 798 Für die Aktiengesellschaft: Fleischer, in: Schmidt/Lutter, §   53a Rn.  32; Hüffer/Koch, §  53a Rn.  5; für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, §  13 Rn.  34; Emmerich, in: Scholz, §  14 Rn.  42; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, §  13 Rn.  33; Maul, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, §  13 Rn.  55; Merkt, in: MünchKommGmbHG, §  13 Rn.  292; Weller, in: Bork/Schäfer, §  13 Rn.  19. 799  Zur grundsätzlichen Geltung eines Wettbewerbsverbotes in der Gesellschaft mit be­ schränkter Haftung BGH AG 1989, 354, 355; Buck-Heeb, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, Anh. §  6 Rn.  38; Jaeger, in: MünchKommGmbHG, §   35 Rn.   360; Kleindiek, in: Lutter/ Hommelhoff, Anh zu §  6 Rn.  20; Klöhn, in: Bork/Schäfer, §  43 Rn.  38; Paefgen, in: GK-­ GmbHG, §  43 Rn.  82; U.H.Schneider, in: Scholz, §  43 Rn.  153; Weller, in: Bork/Schäfer, §  13 Rn.  18; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, §  35 Rn.  41. 800  Statt aller: Armbrüster, ZIP 1997, 1269, 1277; Buck-Heeb, in Gehrlein/Ekkenga/Simon, Anh. §  6 Rn.  55; Jaeger, in: MünchKommGmbHG, §   35 Rn.   366; Kleindiek, in: Lutter/ Hommelhoff, Anh zu §  6 Rn.  23; Klöhn, in: Bork/Schäfer, §  43 Rn.  42; Paefgen, in: GK-­ GmbHG, §  43 Rn.  103; U.H.Schneider, in: Scholz, §  43 Rn.  185 ff.; Zöllner/Noack, in: Baum­ bach/Hueck, §  35 Rn.  43. A.A. Sina, DStR 1991, 40, 41. Im Aktienrecht nimmt die herrschen­ de Meinung dagegen lediglich an, das Wettbewerbsverbot könne in der Satzung pauschal eingeschränkt werden: Fleischer, in: Spindler/Stilz, §  88 Rn.  30; Spindler, in: Münch­Komm­ AktG, §  88 Rn.  28. A.A. Mertens/Cahn, in: KK-AktG, §  88 Rn.  8. 801  Hierzu die Nachweise in der vorstehenden Fußnote. 802  Buck-Heeb, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, Anh. §  6 Rn.  55.

B.  Rechtsformübergreifende Wertungen

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Freiheit liegen. Da das GmbHG keine ausdrücklichen Regelungen zur Treue­ pflicht an sich oder zu ihren Ausprägungen in Form von Wettbewerbsverbot und Verschwiegenheitspflicht enthält und sie deshalb lediglich ungeschriebener Grundsatz ist,803 sind die Schranken der Gestaltungsbefugnis anhand allgemei­ ner Wertungen zu entwickeln. Die aktienrechtliche Regelung in §  88 Abs.  1 AktG legt eher nahe, die Freiheit der Mitglieder bei der Satzungsgestaltung einzuschränken. Das gilt umso mehr, als die Rechtsprechung und weite Teile der Literatur §  88 AktG analog für Fra­ gen des gmbh-rechtlichen Wettbewerbsverbotes heranziehen. 804 b)  Steuerung des Geschäftsführerhandelns durch Weisungen Für die Abdingbarkeit von Teilinhalten der Treuepflichten der Geschäftsführer in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung scheint zu sprechen, dass diese Rechtsform und die Aktiengesellschaft Unterschiede aufweisen, die der umfas­ senden analogen Anwendung von §  88 AktG entgegenstehen. 805 So argumen­ tiert ein Teil der Literatur, anders als in der Aktiengesellschaft seien die Mitglie­ der einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach §  37 Abs.  1 GmbHG weisungsberechtigt und verfügten über die Mittel, den Geschäftsführer zu vol­ lem Arbeitseinsatz anzuhalten.806 Im Ergebnis vermag dies nicht zu überzeu­ gen: Die Pflicht zum vollen Arbeitseinsatz für die Gesellschaft ist nur ein Aspekt des Wettbewerbsverbotes.807 Der andere betrifft den Schutz der Gesellschaft vor Schaden. Der Geschäftsführer darf nicht in ihrem Geschäftsbereich seinen eigenen Vorteil verfolgen.808 Die Gefahr liegt diesbezüglich in den Fehlanrei­ zen: Ist der Geschäftsführer in einer anderen Gesellschaft tätig, wird er zum Die­ ner zweier Herren, die nicht nur beide an seiner Arbeitskraft interessiert sind, sondern sich beide seiner Kentnisse bedienen möchten. Eine Person, die bereits für eine Gesellschaft in leitender Position tätig ist, gewinnt ihren Wert für die Konkurrenz gerade aufgrund ihres unternehmensspezifischen Wissens. Dessen 803 

Hierzu statt aller Fleischer, in: MünchKommGmbHG, §  43 Rn.  152. S.  nur Paefgen, in: GK-GmbHG, §  43 Rn.  82 (§  88 Abs.  1 AktG analog); BGH AG 1989, 354, 355; Jaeger, in: MünchKommGmbHG, §  35 Rn.  364 (jeweils §  88 Abs.  2 AktG analog); Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, §  35 Rn.  43; wohl auch Klöhn, in: Bork/Schäfer, §  43 Rn.  40. Gegen die Analogiefähigkeit von §  88 AktG Armbrüster, ZIP 1997, 1269, 1276; BuckHeeb, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, Anh. §  6 Rn.  38. 805  Darauf verweisen etwa Armbrüster, ZIP 1997, 1269, 1276; Buck-Heeb, in: Gehrlein/ Ekkenga/Simon, Anh. §  6 Rn.  38. 806  Armbrüster, ZIP 1997, 1269, 1276. 807  Diesen Aspekt betont etwa Armbrüster, ZIP 1997, 1269, 1276. 808  BGH NJW-RR 1989, 1255, 1257. Aus der Literatur etwa Jaeger, in: MünchKommGm­ bHG, §  35 Rn.  360; Paefgen, in: GK-GmbHG, §  43 Rn.  82; Zöllner/Noack, in: Baumbach/ Hueck, §  35 Rn.  41. 804 

508 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen Ausnutzung zu Gunsten des Wettbewerbers findet typischerweise verdeckt statt. Die Weisungsrechte der Gesellschafter versagen hier vollständig. Häufig erfahren sie bestenfalls nachträglich, dass ein Informationstransfer stattgefun­ den hat. Selbst wenn sie dem Geschäftsführer abstrakt untersagen, keine Ge­ schäftsgeheimnisse zu übertragen, keine Arbeitnehmer abzuwerben und die Gesellschaft ordentlich zu führen. Dies alles im Einzelnen zu steuern ist nahezu unmöglich, weil das Weisungsziel regelmäßig nicht genau genug bezeichnet zu werden vermag. Nun mag Mancher einwenden, wenn alle Gesellschafter zustimmten, seien Schwierigkeiten bei der Kontrolle der Geschäftsführung Pech, das sich die Mit­ glieder selbst zuzuschreiben hätten. Mit der Abbedingung des Wettbewerbsver­ botes gingen sie eben das skizzierte Risiko ein. Das blendet allerdings zum ei­ nen die bereits beschriebene Problematik der Einschätzung langfristiger Ent­ wicklungen aus oder gewichtet diese zu schwach.809 Zum anderen bleibt die ebenfalls schon genannte Schwierigkeit, nach Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister das Pflichtenprogramm durch Satzungsänderung nachträglich anzupassen.810 c)  Transaktionskostenersparnis durch endgültige Regelung ex ante Einzuwenden, die generelle Abdingbarkeit des Wettbewerbsverbotes spare Transaktionskosten, weil nicht stets die Gesellschafterversammlung entschei­ den müsse, 811 ist ein zweifelhaftes Argument. Müssen die Geschäftsführer tat­ sächlich derart häufig die Einwilligung der Anteilseigner einholen, dass Trans­ aktionskosten zur signifikanten Größe anwachsen, wirft dies die Frage auf, ob die betreffende Person überhaupt in der Lage ist, umfassend für die Gesellschaft tätig zu werden. Die mehrfache Befassung der Gesellschafterversammlung mit Wettbewerbs­ tätigkeiten – oder ähnlichen Problemen der Interessenwahrungspflichten – ist ein Warnsignal, das den Mitgliedern Gelegenheit gibt, über die Organisation der Geschäftsführung nachzudenken. Dieser Aspekt ergänzt also eher die Stel­ lungnahme gegen die Möglichkeit zur pauschalen Abbedingung der Treue­ pflichten.

809  Vgl. oben §  1 III.2.b). Gesehen werden diese Risiken durchaus, etwa von Hellgardt, FS Hopt, Band I, S.  765, 781. 810  Oben 2.b)bb). 811  Hellgardt, FS Hopt, Band I, S.  765, 781.

B.  Rechtsformübergreifende Wertungen

509

d)  Kontrollüberlegung: Gesellschaftsrechtliches Wettbewerbsverbot in England Aus rechtsvergleichender Perspektive ist die Rechtslage in England interessant. In einer grundlegenden Entscheidung aus dem Jahr 1891812 befand das Gericht, eine Person könne Director in zwei Gesellschaften sein. Diese Regel hat die Rechtsprechung später bestätigt. 813 Das wird herrschend so interpretiert, als existiere kein allgemeines Wettbewerbsverbot für Geschäftsleiter in England.814 Doch hieraus ein Argument im Sinne der herrschenden Meinung zum Recht der deutschen Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu konstruieren, wäre be­ denklich: Das englische Schrifttum kritisiert die Judikatur mit deutlichen Worten.815 Ziel der Kritik ist sowohl die Grundannahme mit Blick auf die allgemeine Pflicht, Interessenkollisionen zu vermeiden,816 als auch die Inkonsistenz der Rechtsprechung im Vergleich zu sonstigen Personen, die Interessen Anderer wahrnehmen.817 Hinzu kommt, dass das englische Recht mehrere Regeln als Ausfluss der allgemeinen Pflicht kennt, Interessenkollisionen zu vermeiden, die funktional jedenfalls teilweise die Wirkungen erzielen, die einem Wettbewerbs­ verbot eigen sind. 818 Im Übrigen verweisen einige Autoren darauf, die Recht­ sprechung, die vor Inkrafttreten der Reformen durch den Companies Act 2006819 erging, werde sich wahrscheinlich mit der nunmehr geltenden allgemei­ nen Regelung zur Vermeidung von Interessenkonflikten in Section 175 des Companies Act ändern. 820 Das englische Recht als Vergleichsmaßstab zu bemü­ hen, hilft daher den Vertretern der herrschenden Meinung zum inländischen GmbH-Recht nicht weiter.

5.  Zulässigkeit von Pflichtenmodifikationen In den gesellschaftsrechtlichen Gesetzen ist die Möglichkeit angelegt, einzelne Pflichten hinsichtlich ihrer Reichweite zu modifizieren. Schon aus der Möglich­ 812  London and Mashonaland Exploration Co Ltd v New Mashonaland Exploration Co Ltd [1891] W.N. 165. 813  Bell v Lever Bros Ltd [1932] A.C. 161, 195; s. auch Item Software (UK) Ltd v Fassihi [2005] I.C.R. 450, 466 f. (Arden L.J., obiter). 814  S.  etwa Gower/Davies, Company Law, S.  414 f.; Palmer’s Company Law, 8.2912. Zur englischen Rechtsprechung aus dem deutschen Schrifttum Bedkowski, S.  280 ff. 815  Statt aller Christie, 55 MLR 506 ff. (1992); s. auch Gower/Davies, Company Law, S.  415; Palmer’s Company Law, 8.2912. 816  Christie, 55 MLR 506, 509 ff. (1992); Palmer’s Company Law, 8.2912. 817  Christie, 55 MLR 506, 513 ff. (1992); Überblick bei Bedkowski, S.  281. 818 Vgl. Bedkwoski, S.  280 ff. 819  „An Act to reform company law and restate the greater part of the enactments relating to companies; to make other provision relating to companies and other forms of business or­ ganisation; to make provision about directors’ disqualification, business names, auditors and actuaries; to amend Part 9 of the Enterprise Act 2002“, vom 08.11.2006. 820  Palmer’s Company Law, 8.2912.

510 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen keit, unterschiedliche Anteilsgattungen auszugeben und für Einzelfälle Aus­ nahmen vom Wettbewerbsverbot oder die Wahrnehmung von Geschäftschan­ cen zu gestatten, ergibt sich eine Vielzahl an Gestaltungsmöglichkeiten. Hier­ aus scheint sich ein Gedanke gegen die oben begründete Ansicht entwickeln zu lassen: Wenn etwa Vorzugseigner im Regelfall kein Stimmrecht haben, die Divididen­den­ansprüche der Inhaber von Stammanteilen im Rang nach den In­ habern von Vorzugsanteilen befriedigt werden – wo liegt der Unterschied im Vergleich zu einer pauschalen Abbedingung jedenfalls von Teilinhalten der Treuepflicht? Schließlich stellt sich hier genauso das Problem, zukünftige Ent­ wicklungen nicht verlässlich voraussehen zu können. Einer derartigen Gedankenführung läge allerdings die Vernachlässigung ent­ scheidender Unterschiede zur Konstellation der pauschalen Abbedingung der Treuepflicht oder eines ihrer Teilinhalte zugrunde. Bei der bloßen Modifikation ist zum einen der konkrete Regelungsgegenstand erkennbar und die Auswir­ kungen sind aktuell spürbar. Der Stammaktionär in einer Gesellschaft, die auch Vorzugsaktien ausgegeben hat, kennt im Zeitpunkt des Anteilserwerbs die ge­ naue Form der Begrenzung seiner Rechte. Außerdem lassen sich aufgrund der lediglich beschränkt wirkenden Modifikation ihre Folgen besser abschätzen. Es handelt sich nicht um mögliche Konsequenzen, die in der Zukunft nur unter Umständen eintreten, die jetzt noch nicht vorhergesehen werden können. 821

6.  Keine Besonderheiten bei börsennotierten Kapitalgesellschaften Es bleibt ein für die Abdingbarkeit von Treuepflichten in börsennotierten Kapi­ talgesellschaften vorgetragenes Argument zu diskutieren: Die Wirkung von Marktmechanismen als Mittel zur Begrenzung von Interessenkonflikten.822 Verwiesen wird insoweit vor allem auf den Markt für Unternehmenskontrolle („market for corporate control“), der bei zu stark opportunistischem Verhalten der Geschäftsleitung dafür sorge, dass es bei schlechtem Wirtschaften zu einer Unternehmensübernahme und einem Austausch des Managements komme.823 Dieses Argument ist aus zwei Gründen eher zurückhaltend zu bewerten: Erstens ist es aus empirischer Sicht keineswegs gesicherte Erkenntnis, dass ein solcher Markt für Unternehmenskontrolle in Deutschland tatsächlich existiert und so wirkt wie in der Theorie beschrieben.824 Die wenigen vorhandenen neu­ eren Beiträge, die sich speziell mit dem deutschen Markt befassen, kommen zu

821 

In diesem Sinne auch Sina, DStR 1991, 40, 41. Auf diese beruft sich Hellgardt, FS Hopt, Band I, S.  765, 793. 823  Hellgardt, FS Hopt, Band I, S.  765, 793. 824  Sehr skeptisch A.Arnold, Steuerung des Vorstandshandelns, S.  244 ff. 822 

B.  Rechtsformübergreifende Wertungen

511

eher skeptischen bis verneinenden Schlussfolgerungen. 825 Ein europäischer Markt für Unternehmenskontrolle existiert nicht.826 Zweitens hilft eine Übernahme nicht, falls ein wesentlicher Grund für die niedrige Unternehmensbewertung in schlechten Kontrollstrukturen besteht. Sollte es sich bei der vollständigen Abschaffung der Treuepflicht um eine Zweckänderung handeln, für die nach §  33 Abs.  1 S.  2 BGB analog die Zustim­ mung sämtlicher Mitglieder notwendig ist, gilt dies ebenso für den Actus Con­ trarius, die Wiedereinführung. Erlangt der übernehmende Investor keine hun­ dertprozentige Mehrheit, scheitert die Wiedereinführung der Treuepflicht schon an der fehlenden Stimmabgabe eines einzigen Gesellschafters.827 Das ver­ schärfte die schon angesprochene Problematik der nachträglichen Einführung der Treuepflicht ganz erheblich. Mit Blick auf die oben 2.b)bb) angestellten Überlegungen sollte daher auch bei börsennotierten Gesellschaften keine Ab­ bedingung von Treuepflichten möglich sein, weder pauschal noch mit Blick auf Teilinhalte.

7.  Penalty Default Rule als untauglicher Regelungsansatz Abschließend ist noch ein denkbarer Kritikpunkt an der hier vertretenen An­ sicht zu klären, der die Aufnahme von Treuepflichten als geltende Grundregel prinzipiell in Frage stellt: Vor allem das US-amerikanische rechtsökonomische Schrifttum diskutiert seit einer Weile unter der Überschrift „Penalty Default Rules“ Ordnungskonzepte, die diejenige Partei belasten, die an sich schützens­ wert ist (a]). Jedenfalls für gesellschaftsrechtliche Treuepflichten ist dies ein un­ tauglicher Regelungsansatz (b]). a)  Das Konzept der Penalty Default Rules aa)  Ausgangspunkt: Vollständige Verträge und Majoritarian Defaults Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Frage, welchen Inhalt insbesondere abdingbare Rechtsregeln haben sollten, die ausgleichen, dass die Vertragspartei­ 825 Etwa Andreas Hackethal/Reinhard H. Schmidt/Marcel Tyrell, Banks and German Corporate Governance: on the way to a capital-market-based system?, 13 Corporate Gover­ nance 397 (2005); Jens Köke, The market for corporate control in a bank-based economy: a governance device?, 10 Journal of Corporate Finance 53 (2004); positivere Bewertung bei Bessler/Holler, Capital Markets, die jedoch nur Veränderungen hin zu einem stärker kapital­ marktorientieren System feststellen, ohne eine pauschale Aussage zur Etablierung eines Marktes für Unternehmenskontrolle zu treffen. 826  Marc P. Umber/Michael H. Grote/Rainer Frey, Europe Integrates Less Than You Think, Frankfurt School – Working Paper Series 150, Frankfurt am Main: Frankfurt School of Finance & Management, August 2010. 827  §  33 Abs.  1 S.  2 BGB stellt auf die Zustimmung aller Mitglieder ab, nicht auf eine hun­ dertprozentige Mehrheit der bei der Mitgliederversammlung anwesenden Mitglieder.

512 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen en einen Sachverhalt nicht geregelt haben. Hintergrund ist das ökonomische Ideal des vollständigen Vertrags, der für sämtliche möglichen Risiken effiziente Verteilungsmechanismen enthält. Unvollständigkeit meint dann keinen Dissens im juristischen Sinne, sondern die Abwesenheit einer Klausel, die das in Rede stehende Risiko erfasst. 828 Bis vor einiger Zeit war der (rechts)ökonomische Ansatz, die Vereinbarung zu simulieren, die die Parteien getroffen hätten, hätten sie ohne Transaktions­ kosten in voller Kenntnis der zu regelnden Umstände über die Verteilung der Risiken verhandeln können. 829 Solche „Majoritarian Default Rules“ sollen Risi­ ken also der Partei zuweisen, wie es die Mehrzahl der Marktteilnehmer bevor­ zugte, verfügte sie über die Möglichkeit, den Vertrag ungehindert von Wissens­ lücken und Transaktionskosten zu formulieren.830 Dieser Ansatz entfaltete in der gesellschaftsrechtlichen Diskussion in den USA eine enorme Wirkung. 831 bb)  Penalty Default Rules als Regelungsanreiz Seit einer Weile sind jedoch andere Formen dispositiven Rechts in den Fokus gerückt, sogenannte Penalty Default Rules. 832 Diese belasten gerade die Partei, die nach dem eben umrissenen Mehrheitsgrundsatz die begünstigte wäre. 833 Sinn dieser Regulierungstechnik soll sein, Verhaltensanreize zu setzen, Infor­ mationen zu offenbaren, über die der Verhandlungspartner (oder ein Gericht) nicht verfügt. 834 Das verhindere, dass die Partei, auf deren Seite besonders große Risiken bestehen, aus strategischen Gründen diese Information verschweige und so ihre privaten Risiken zum Teil auf Dritte, etwa den Vertragspartner ver­ lagere. 835 Bestellt etwa ein Warenproduzent Ersatzteile für eine Maschine und hat er einen „Jahrhundertauftrag“, 836 hat er nach dem deutschen Schadenser­ satzrecht keinen Anreiz, diese Informationen offen zu legen. Gerät der Liefe­ rant verschuldet in Verzug, muss er vollständigen Schadensersatz leisten. Diese 828  Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, V.6 (S.   271). S.  auch den Überblick von Unberath/Cziupka, AcP 209 (2009), 37, 44 ff. mit weiteren Nachweisen. 829  Geprägt haben den Ausdruck Ayres/Gertner, 99 Yale L. J. 87, 93 (1989); s. auch Trebilcock, S.  121 f. 830  Ayres/Gertner, 99 Yale L. J. 87, 93 (1989); Trebilcock, S.  122. Im deutschen Schrifttum ausführlich hierzu Cziupka, S.  275 ff., 341 ff.; Kähler, S.  149 ff.; Unberath/Cziupka, AcP 209 (2009), 37, 48 ff. 831  S.  nur Easterbrook/Fischel, Econmic Structure, S.  2 2. 832 Grundlegend Ayres/Gertner, 99 Yale L. J. 87 (1989). 833  Ayres/Gertner, 99 Yale L. J. 87, 91 (1989): „[P]enalty defaults are purposefully set at what the parties would not want [...].“ (Kursivsetzung hinzugefügt) 834  Ayres/Gertner aaO. 835  Ayres/Gertner, 99 Yale L. J. 87, 97 ff. (1989). 836  An einer solchen Konstellation entzündete sich in den USA die Diskussion. Im engli­ schen Fall Hadley v. Baxendale, 156 Eng. Rep. 145 (1854) hatte das Gericht entschieden, der Müller, der das Ersatzteil bestellt habe, können keinen Schadensersatz beanspruchen, weil die Schadenshöhe für den Lieferanten nicht vorhersehbar gewesen sei.

B.  Rechtsformübergreifende Wertungen

513

Gefahr preist er vermutlich ein, so dass sämtliche Kunden, auch diejenigen mit „durchschnittlichen“ Schadensrisiken, eine Risikoprämie zahlen müssen. Sähe das deutsche Recht Schadensersatz nur vor, sofern der Schaden der Höhe nach vorhersehbar war, bestünde dieses Problem prinzipiell nicht.837 Unter die­ sen Umständen hätte der Produzent einen Anreiz, bereits bei Vertragsschluss auf seinen „Jahrhundertauftrag“ hinzuweisen. Die Parteien könnten eine maß­ geschneiderte vertragliche Lösung aushandeln. b)  Treuepflichten keine Penalty Default Rules Zwar scheiden für börsennotierte Gesellschaften vergleichbare Lösungen von vornherein aus, weil in anonymen Märkten keine Möglichkeit der Verhandlung besteht. Doch erscheint es jedenfalls dem Grunde nach nicht ausgeschlossen, Penalty Default Rules in geschlossenen Kapitalgesellschaften umzusetzen. So hat der Chief Justice des Delaware Supreme Court dafür plädiert, jedenfalls in Limited Liability Companies keine Treuepflichten als Standard vorzusehen.838 Die Kosten angesichts der Unklarheiten hinsichtlich der Reichweite und des konkreten Inhalts der Pflichten seien zu hoch verglichen mit ihrem Nutzen. 839 Eine entsprechende Penalty Default Rule böte den Vorteil, dass die Parteien eine maßgeschneiderte Lösung verhandeln könnten, wie es dem Ideal der „Con­ tractarians“ in den USA ohnehin schon länger entspräche.840 Träfe diese Über­ legung zu, spräche sie erst recht gegen die oben vertretene Ansicht, Treuepflich­ ten von Geschäftsleitern dürften nicht abdingbar ausgestaltet sein. Indes überzeugte eine solche Argumentation nicht. Das Konzept der Penalty Default Rules ersetzt dasjenige des Majoritarian Defaults nicht, sondern er­ gänzt es.841 Effiziente Auffangregeln sollen, so die Idee, variiert ausgestaltet sein und „at times [...] diverge from the “what the parties would have contracted for” principle.“842 Bei genauerer Betrachtung der Lage im Gesellschaftsrecht schei­ den Penalty Default Rules zumindest im Zusammenhang mit Treuepflichten aus: Im oben geschilderten Beispiel des Lieferantenverzuges sind die Vertrags­ pflichten bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses genau spezifizierbar. Der Besteller konnte angesichts seines „Jahrhundertauftrags“ die mögliche Scha­ denshöhe kalkulieren.

837 

Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen einmal ausgeblendet. Steele, 46 Am. Bus. L. J. 221, 239 ff. (2009); vgl. auch Ribstein, 2005 Ill. L. Rev. 209, 248 f., der allerdings Differenzierungen vornimmt. 839  Steele, 46 Am. Bus. L. J. 221, 239 f. (2009), unter Inbezugnahme von Ribstein, 2005 Ill. L. Rev. 209, 232 ff. 840  Statt aller: Butler/Ribstein, 65 Wash. L. Rev. 1, 7 (1990). 841  Ayres/Gertner, 99 Yale L. J. 87, 91 (1989). 842  Ayres/Gertner aaO. 838 

514 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen Das ist bei langfristig angelegten Beziehungen anders, weil weder sämtliche Risiken zuvor erkennbar sind noch sich Schadenshöhen für den Fall der Reali­ sierung bekannter Gefahren kalkulieren lassen. Hinzu kommt ein Komplexi­ tätsproblem: Selbst geschlossene Kapitalgesellschaften haben häufig so viele Mitglieder, dass eine für die individuellen Verhältnisse maßgeschneiderte Lö­ sung die Satzungen überfrachtete und zudem die Abstimmung der Absprachen untereinander einen enormen Verhandlungsaufwand mit einer entsprechenden Fehleranfälligkeit provozierte. Das spricht gegen die Übertragung des Konzepts der Penalty Default Rules auf Treuepflichten der Geschäftsleiter. Auf die Frage, ob das Konzept für sich genommen tragfähig ist, kommt es daher nicht an. 843

8. Folgerungen Die Treuepflichten der Geschäftsleitungsmitglieder gegenüber der Gesellschaft sind weder im Aktienrecht noch im Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung pauschal im Vorhinein abdingbar. Das gilt sowohl für die Disposition über diese Pflichten im Ganzen als auch für Teilinhalte, etwa das Wettbewerbs­ verbot. Angesichts ihrer Aufgabe, für nicht oder nur schlecht regelbare Sachver­ halte in einer „nach vorne offenen“ Beziehung Anpassungen an sich über die Zeit wandelnde Umstände zu ermöglichen, ist die Treuepflicht als wesentliches Instrument des Funktionenschutzes im Kapitalgesellschaftsrecht einzustufen. Möglich ist indes ein Verzicht auf ihre Wirkung im Einzelfall. Tritt eine kon­ krete Konfliktsituation auf, weil etwa ein Geschäftsführer eine Geschäftschan­ ce wahrnehmen möchte, liegen die Fakten offen und die Folgen der in Rede stehenden Handlung lassen sich konkret bewerten. Da insoweit die typischen Schwierigkeiten bei der Bewertung von Risiken, die sich erst zukünftig realisie­ ren, deutlich geringer sind als bei einer umfassenden allgemeinen Abbedingung, sollte insoweit Gestaltungsfreiheit bestehen. Ein gesetzliches Modell hierfür bietet §  88 Abs.  1 S.  1 AktG.

843 Hierzu

Cziupka, S.  460 ff.; Kähler, S.  149 ff., jeweils mit umfassenden Nachweisen.

C. Ergebnisse Ausgangspunkt dieses dritten Teils der Untersuchung ist die Frage, welche Wertungen es gibt, zwingende gesellschaftsrechtliche Regelungen zu rechtferti­ gen. Das ist nicht nur eine rechtspolitisch relevante Fragestellung, sondern mit Blick auf die Gestaltung der Kapitalgesellschaft durch Gesetz, Satzung und schuldvertragliche Nebenabrede eine mit immenser dogmatischer und prakti­ scher Bedeutung: Wenn nach herrschender Meinung im Schuldvertrag Verein­ barungen frei getroffen werden können, sofern nicht zwingende gesellschafts­ rechtliche Normen entgegenstehen, gleichzeitig aber solche Gestaltungsschran­ ken, die für die Satzungsebene gelten, grundsätzlich keine Geltung auf der schuldvertraglichen Ebene haben, bedarf es einer umfassenden Analyse der Wertungen, die allgemein für die Beschränkung von Gestaltungsfreiheit spre­ chen, das heißt unabhängig von der Regelungstechnik (Satzung oder Nebenab­ rede). Untersucht man von dieser Fragestellung ausgehend die Wertungen, die für die Rechtfertigung zwingenden Kapitalgesellschaftsrechts herangezogen werden, erweisen sich viele der in Rechtsprechung und Literatur präsentierten Argumente als zweifelhaft.

§  1  Zur Satzungsstrenge in der Aktiengesellschaft I.  Keine Notwendigkeit der Standardisierung durch zwingendes Recht Das gilt zunächst und besonders deutlich für die Aktiengesellschaft, hinsicht­ lich derer die in §  23 Abs.  5 AktG verankerte Satzungsstrenge die Gestaltungs­ freiheit in weitem Umfang und für das Privatrecht atypisch stark einschränkt. Die herrschende Meinung erklärt dies mit der Standardisierungshypothese, nach der ohne die Satzungsstrenge keine Vereinheitlichung der Rechtsform Ak­ tiengesellschaft zustande kommt, was Anleger abschrecke und den Kapital­ markt jedenfalls gefährde, wenn nicht gar zu seinem Zusammenbruch führe. Das überzeugt bereits deshalb nicht, weil es zahlreiche Beispiele für die Stan­ dardisierung komplexer Klauselwerke ohne zwingende Vorgaben im Umfang von §  23 Abs.  5 AktG gibt. Die ökonomische Netzwerktheorie bietet eine Mög­ lichkeit, Standardisierungsvorgänge zu erklären, die nicht auf zwingendem Recht beruhen. Rechtsregeln kommen wie andere Güter als Netzgüter in Be­

516 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen tracht. Netzgüter sind solche, deren Nutzen für die bisherigen Nutzer mit je­ dem weiteren Nutzer desselben Gutes steigt. Ein Beispiel hierfür ist das Telefon, hinsichtlich dessen jeder Inhaber profitiert, je mehr Personen über ein solches Gerät verfügen. Bei Rechtsregeln treten gleichfalls solche positiven Externalitä­ ten auf: Sich als Anbieter vergleichbarer Bedingungen zu bedienen, spart die Kosten der Erstellung neuer Klauseln und vermeidet Rechtsunsicherheit über deren Wirksamkeit. Nachfrager haben Vorteile, weil sich die Anbieter besser vergleichen lassen. Neue Standards kommen zustande, wenn sich das Markt­ umfeld wesentlich ändert. Ohne einen solchen äußeren Änderungsanreiz hin­ dern die hohen Wechselkosten der Nutzung neuer Standards, etwa Preisab­ schläge, die Anleger aufgrund der fehlenden Sicherheit im Umgang mit den neuen Klauseln vornehmen, unter Umständen sinnvolle Anpassungen etablier­ ter Bedingungswerke. Eine Gegenstrategie besteht darin, sogenannte fokale Punkte zu setzen. Bietet ein unabhängiger Dritter wie die Loan Market Associ­ ation oder die BIMCO allen Marktteilnehmern zur gleichen Zeit nach einem (bereichs-)öffentlich nachvollziehbaren Entstehungs- und Diskussionsprozess einen besseren Standard zur Übernahme an, lässt sich die genannte Hürde häu­ fig überwinden. Für staatliche Rechtssetzung bedeutet dies, dass, sofern Ände­ rungen gewünscht sind, in vielen Fällen abdingbares Recht genügt. Genuss­ scheine und Publikumspersonengesellschaften vermögen, anders als dies die herrschende Meinung suggeriert, nicht als Negativbeispiele dafür zu dienen, welche Folgen das Fehlen zwingender Regelungen im Umfang der Satzungs­ strenge hat. Es verbleiben lediglich drei legitime Anlässe, mittels zwingender Regelungen Gestaltungsbedingungen zu standardisieren: (i) Keine Herbeifüh­ rung adäquater Standards infolge abdingbarer Vorgaben; (ii) Notwendigkeit der sofortigen Durchsetzung von Änderungen und (iii) die Umsetzung gesell­ schaftspolitischer Ziele.

II.  Keine verfassungsrechtliche Notwendigkeit der Satzungsstrenge Für die Rechtfertigung zwingender Normen im Kapitalgesellschaftsrecht be­ lässt das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber weiten Raum. Konkrete Anforderungen an einen Mindestbestand zwingender Normen existieren nicht. Den Gesetzgeber binden prinzipiell lediglich die Gebote der Sachgerechtigkeit und Folgerichtigkeit. Indisponible Vorschriften implizieren diese nicht.

III.  „Anlegerschutz“ keine Rechtfertigung der Satzungsstrenge Die Notwendigkeit, Kapitalanleger zu schützen, rechtfertigt keine anderen Er­ gebnisse, insbesondere nicht die aktienrechtliche Satzungsstrenge. „Kapitalan­ legerschutz“ ist zunächst nicht mehr als ein Schlagwort, das sich auf ein durch­ aus noch näher zu beschreibendes Konzept bezieht. Im Kontext des §  23 Abs.  5

C. Ergebnisse

517

AktG, den die herrschende Meinung mit der Formel vom Kapitalanlegerschutz versucht zu legitimieren, ist zwar zuzugeben, dass die Norm nicht untermäßig wirkt. Dass die Vorschrift bestimmte Ausweichbewegungen und Finanzie­ rungsformen nicht erfasst, wäre, träfen die Prämissen der herrschenden Mei­ nung zu, sogar ein Argument für die Ausweitung zwingender Regelungen im Aktienrecht. Die entscheidende Schwierigkeit der aktienrechtlichen Satzungs­ strenge resultiert indes aus ihrem übermäßigen Effekt. Selbst die herrschende Meinung erkennt die überschießende Wirkung von §  23 Abs.  5 AktG bezogen auf geschlossene Aktiengesellschaften an. Darüber hinaus weist die Rechtsver­ gleichung darauf hin, auch in Publikumsgesellschaften mit weniger starren Vor­ gaben ein funktionsfähiges Kapitalgesellschaftsrecht erreichen zu können.

IV.  Keine rechtshistorische Rechtfertigung der Satzungsstrenge Aus der rechtshistorischen Entwicklung folgt entgegen einem recht großen Chor im Schrifttum nicht, dass die ausdrückliche Normierung der Satzungs­ strenge im Aktiengesetz 1965 lediglich den Nachvollzug der geltenden Rechts­ lage enthielt. Der Grundsatz der Satzungsstrenge war letztlich eine Erfindung des Reichsgerichts. Die Regierungsbegründung entbehrt jeden Versuchs einer materiellen Rechtfertigung dieses Eingriffs in die Privatautonomie.

V.  „Kapitalmarkteffizienz“ kein Argument gegen jede zwingende Regel Die Meinung eines Teils der Literatur, die mit Hilfe eines Hinweises auf Kapi­ talmarkteffizienz die Notwendigkeit jeder zwingenden Regelung bestreitet, überzeugt nicht. Das gilt vor allem deshalb, weil selbst dann, wenn schlechte Regeln über Preisabschläge „bestraft“ werden, letztere keine ausreichenden Verhaltensanreize setzen. Denn dass Preisabschläge einen wirksamen Kontra­ punkt zu Fehlanreizen bilden, setzt voraus, dass sie diejenigen, die für die „schlechten“ Klauseln verantwortlich sind, überhaupt treffen. Und genau hier liegt ein wesentliches Problem. Vielfach kompensieren Abwertungen den Vor­ teil, den sich Satzungsgestalter zulasten Dritter verschaffen, nicht vollständig. Hinzu kommen Zweifel an der Wirksamkeit des Preismechanismus angesichts der Ergebnisse der Kapitalmarktforschung und des Umgangs mit Bewertungs­ unsicherheiten in der Praxis.

518 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen

VI.  Kein „Seriositätsabstand“ zur Gesellschaft mit beschränkter Haftung Eines „Seriositätsabstandes“ zur Gesellschaft mit beschränkter Haftung bedarf es nicht. Haben die Marktteilnehmer kein Interesse daran, die mit Hilfe des Gesetzes zur Verfügung gestellten Grundmodelle in ihrer Unterschiedlichkeit in Anspruch zu nehmen, ist nicht nachvollziehbar, wieso ihnen die Divergenz aufgezwungen werden soll.

§  2  Rechtsformübergreifende Wertungen I.  „Gesellschafterschutz“ als Argument Nimmt man den Gesellschafterschutz als rechtsformübergreifenden Gesichts­ punkt für die Rechtfertigung von Gestaltungsbeschränkungen im Kapitalge­ sellschaftsrecht in den Blick, ist es zunächst notwendig, zwischen verschiede­ nen Regelungsproblemen zu differenzieren. Das Prinzip der Trennung von In­ haberschaft und Leitung sowie die damit eröffnete Möglichkeit des Einsatzes gesellschaftsfremder Dritter in Leitungsorganen verursacht den bekannten Prinzipal-Agenten-Konflikt im Vertikalverhältnis von Mitgliedern und Vor­ stand oder Geschäftsführung. Die Gesellschafter vermögen nicht ohne Weite­ res nachzuvollziehen, welche Handlungen die Angehörigen der Geschäftslei­ tungsorgane vornehmen und ob sie sich privat bereichern. Auf der horizontalen Ebene folgt aus dem Mehrheitsprinzip der Verlust des Schutzes vor Verände­ rungen, den im allgemeinen Vertragsrecht das Konsenserfordernis leistet. So vermag die Mehrheit die Geschicke der Gesellschaft zu bestimmen und ihre Risikostruktur zu verändern. Kapitalmaßnahmen führen potentiell zu einer Verwässerung der Anteile der Minderheit. Die betroffenen Gesellschafter, die etwa einen Einschluss in einen Verband befürchten, der nicht mehr ihren Inves­ titionspräferenzen entspricht, sehen sich der Schwierigkeit ausgesetzt, bei ei­ nem Austritt ihren Anteil vermögensmäßig unter Umständen nicht liquidieren zu können. Das kann daran liegen, dass vergangene Leistungen nicht vollstän­ dig kompensiert wurden oder an der Wirkung des Prinzips der beidseitigen Vermögensbindung, die Einlagen nicht zurückverlangen zu dürfen. Lösungsstrategien lassen sich entlang der vier Dimensionen Individual­ schutz, Kollektivschutz, Minderheitenschutz und Kapitalanlegerschutz entwi­ ckeln. Zentrale Mittel des Individualschutzes sind Mitverwaltungsrechte (vor allem das Stimmrecht), Kontrollrechte (insbesondere Auskunfts- und Ein­ sichtsrechte) und Vermögensrechte. Der Kollektivschutz, der sich auf die Wah­ rung der Mitgliederbelange in ihrer Gesamtheit richtet, dient der Bewältigung der Agency-Problematik im Verhältnis zur Geschäftsleitung. Seine Mittel sind

C. Ergebnisse

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Treuepflichten, Rechte zur Einflussnahme auf die Geschäftsführung und ­Rechte zu ihrer Überwachung. Wichtige präventiv wirkende Instrumente des Minderheitenschutzes sind Gleichbehandlungs- und Treuepflichten. Die ex post-Kontrolle verwirklichen Sonderrechte, die ausgleichen, dass die Mehrheit bestimmte Kollektivrechte nicht wahrnimmt. Der verbandsrechtliche Kapital­ anlegerschutz basiert nicht auf grundsätzlich anderen Mechanismen als die üb­ rigen Ansätze. Vielmehr beruht er auf Anpassungen an die typischen Probleme in Publikumsgesellschaften, insbesondere hinsichtlich der Beschaffung von In­ formationen vor Anteilserwerb sowie von Kollektivhandlungsproblemen und rationaler Apathie. Die Möglichkeit, mittels der eben skizzierten Lösungsstrategien den Rege­ lungsproblemen im Kapitalgesellschaftsrecht zu begegnen, rechtfertigt keines­ wegs automatisch ihre zwingende Ausgestaltung. So ging das Reichsgericht lange von der Annahme aus, jeder Minderheitsgesellschafter wisse, was ihn er­ warte, und sei deshalb selbst für seinen Schutz verantwortlich. Diese Betonung der Privatautonomie findet im Schrifttum nach wie vor Zustimmung und ent­ spricht der Rechtsprechung des Delaware Supreme Court jedenfalls für die ­Close Corporation. Indessen ist seit einiger Zeit das Problem ins Bewusstsein gerückt, dass die Ausübung von Privatautonomie vollständige Informationen voraussetzt. Erachteten Literatur und Gesetzgebung für eine Weile den Zwang zur Bereitstellung von Informationen als geeignete Strategie, freie und ange­ messene Entscheidungen zu gewährleisten („Informationsmodell“), haben in den letzten Jahren kognitionspsychologische und darauf aufbauende ökonomi­ sche Studien eine Vielzahl systematischer Defizite des menschlichen Erkennt­ nisprozesses zu Tage gefördert. Hinzu kommt die Überlastung der Marktteil­ nehmer mit gesetzlich erzwungenen Informationen, die sie selbst ohne Rück­ sicht auf die angesprochenen Probleme der Urteilsfindung kaum noch bewältigen können. Der Zwang zur Information stellt daher kein Allheilmittel hinsichtlich der Gewährleistung der Funktionsbedingungen der Pri­ vat­ autonomie dar. Das impliziert keineswegs die Unfähigkeit zur vernünftigen Besorgung der eigenen Angelegenheiten Privater. Doch ist im Einzelnen zu prüfen, wie weit diese Annahme trägt. Im Kapitalgesellschaftsrecht gewinnt die Frage nach den Grenzen des Selbstschutzes noch an Schärfe. Die eben angeris­ senen Defizite wirken aufgrund der auf Dauer angelegten Bindung der Beteilig­ ten im Verband stärker als bei Abschluss eines sofort abzuwickelnden Aus­ tauschverhältnisses. Das legt nahe, gesetzliche Regelungen jedenfalls insoweit vorzuhalten, als die Gestalter für nicht oder nur schlecht vorhersehbare Ent­ wicklungen keinen eigenständigen Schutz zu etablieren in der Lage sind. Ent­ sprechende Vorgaben müssen eine Balance finden zwischen der Grundregel der Annahme selbstverantwortlichen Regelungsvermögens und der Notwendig­ keit, die Konsequenzen begrenzter Rationalität und kognitiver Defizite zu be­ wältigen. Dies alles spricht dafür, Beschränkungen der Gestaltungsfreiheit un­

520 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen ter Verweis auf die Schutzbedürftigkeit von Gesellschafter nicht lediglich auf deren kognitive Defizite zu stützen. Um einen Gleichlauf mit der allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Dogmatik herzustellen, bedarf es des Nachweises weite­ rer belastender Umstände. Erst diese Kombination mehrerer Begründungsan­ sätze legitimiert den Eingriff in die Privatautonomie der Beteiligten. Für den Gesellschafterschutz kommt hierfür die Notwendigkeit des Funktionenschut­ zes in Betracht. Eines gesetzlich forcierten „Seriositätsabstandes“ zur Gesell­ schaft mit beschränkter Haftung bedarf es gleichfalls nicht. Sollten die Markt­ teilnehmer selbst die Unterschiede zwischen dieser Rechtsform und der Gestalt nicht börsennotierter Aktiengesellschaften beseitigen, spräche dies im Gegen­ teil dafür, die Satzungsstrenge abzuschaffen.

II.  Gestaltungsermöglichung und Gestaltungsvereinfachung als Argument Eine in den letzten Jahrzehnten in Deutschland wenig beleuchtete Aufgabe des Kapitalgesellschaftsrechts liegt darin, Regeln zur Ermöglichung und Vereinfa­ chung von Gestaltung anzubieten. Indem die einschlägigen Gesetze die Tren­ nung von Inhaberschaft und Leitung, die beidseitige Vermögenstrennung und die freie Übertragbarkeit der Anteile normieren, eröffnen sie den Marktteilneh­ mern die Chance, sich in einer Weise zu organisieren, wie ihnen das auf rein vertraglicher Grundlage oder mit Hilfe des Personengesellschaftsrechts nicht oder nur schwierig möglich wäre. Gestaltungsermöglichung in dem Sinne, dass die Beteiligten auf vertrags­ rechtlicher Grundlage vergleichbare Ergebnisse nicht erzielen könnten, ist das Prinzip der beidseitigen Vermögenstrennung. Der Schutz des individuellen Vermögens der Gesellschafter bewahrt diese davor, von Gläubigern der Gesell­ schaft wegen deren Verbindlichkeiten in Anspruch genommen zu werden. Zu­ mindest gegenüber Deliktsgläubigern ließe sich kein entsprechender vertragli­ cher Schutz einrichten, fehlte es an kapitalgesellschaftsrechtlichen Mechanis­ men. Zwang rechtfertigt dies freilich nicht. Jeder Gesellschafter hat die Möglichkeit, sich zu verpflichten, für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft einzustehen, etwa mittels einer Bürgschaft. Die zweite Komponente des Prinzips der beidseitigen Vermögenstrennung ist der Schutz des gemeinsamen Vermögens. Das Vermögen der Gesellschaft ist in gewissem Umfang vor dem Zugriff durch ihre Mitglieder und vor deren Gläu­ bigern geschützt. Den darin liegenden Befriedigungsvorrang zugunsten der Geschäftsgläubiger der Gesellschaft könnten die Gesellschafter nicht mit Hilfe vertraglicher Konstruktionen erreichen. Die dazu erforderlichen Vereinbarun­ gen mit sämtlichen Privatgläubigern der Mitglieder über Rangrücktritte kämen in der Praxis kaum zustande. Mit Deliktsgläubigern besteht schon keine Ver­ handlungsmöglichkeit. Um den Schutz des gemeinsamen Vermögens zu si­

C. Ergebnisse

521

chern, bedarf es jedenfalls eines Grundfundus an zwingenden Regeln. Ande­ renfalls hätten die Mitglieder es in der Hand, während des Bestehens der Ge­ sellschaft dieser Mittel zulasten ihrer Gläubiger zu entziehen. Der Gestaltungsvereinfachung dient zunächst die Trennung von Inhaber­ schaft und Leitung. Sie hat insofern keine ermöglichende Funktion, als es abs­ trakt denkbar wäre, dass die Gesellschafter Dritte auch ohne kapitalgesell­ schaftsrechtliche Hilfe als Geschäftsleiter bestellen. Angesichts des im deut­ schen Personengesellschaftsrecht geltenden Prinzips der Selbstorganschaft wäre allerdings fraglich, ob die Gerichte eine derartige privatautonome Regelung anerkennten. Einen Grund, die Trennung von Inhaberschaft und Leitung zwingend vorzusehen, gibt es nicht. Das Ziel der Gestaltungsvereinfachung liegt schließlich dem Grundsatz der freien Übertragbarkeit der Mitgliedschaft zugrunde. Auf vertragsrechtlicher Grundlage ließe sich die Übertragung eines Bündels an Rechten und Pflichten zwar durchaus organisieren, wie die neueren Entwicklungen im Personenge­ sellschaftsrecht zeigen. Doch sparen die Beteiligten Transaktionskosten, wenn das Gesetz den Gesellschaftern eine Möglichkeit zur Verfügung stellt, die Mit­ gliedschaft als solche prinzipiell ohne Bindung an die Zustimmung Anderer zu übertragen, ohne den Fortbestand des Verbandes zu gefährden. Zwingend sollte dieser Grundsatz jedenfalls insoweit wirken, als den Mitgliedern stets ein Weg offenstehen muss, den Anteil gegen Wertausgleich zu veräußern. Anderenfalls entstünde für einen Gesellschafter das Problem des Einschlusses („Lock-in“) in die Gesellschaft, also dauerhaft in einer Weise gebunden zu sein, die nicht den eigenen Investitionsinteressen entspricht.

III.  Funktionenschutz als Argument Die Aufgabe des Kapitalgesellschaftsrechts, Funktionenschutz zu sichern, er­ gibt sich aus dem Mehrheitsprinzip als Regelungsanlass. Einerseits beruht die Legitimität des Systems darauf, dass es die gewünschten Ergebnisse hervor­ bringt, das heißt zügige Entscheidungen ausgerichtet am Verbandszweck der Förderung der Interessen sämtlicher Gesellschafter. Die Verschiebung der Ent­ scheidungsmacht auf die Mehrheit eröffnet jedoch andererseits die Möglichkeit, sachfremde, also außerhalb des Verbandszwecks liegende Ziele zu verfolgen. Dem ist nicht nur im Hinblick darauf entgegenzuwirken, dass Angehörige der Minderheit individuell beeinträchtigt werden können, sondern gerade auch we­ gen der Erhaltung der Legitimation des Mehrheitsprinzips. Sobald sich typische Konstellationen herauskristallisieren, die die systematische Benachteiligung einer Gruppe ermöglichen und wahrscheinlich machen, gerät das Gesamtgefü­ ge in den Verdacht der Dysfunktionalität. Es bedarf also der Bereitstellung von Instrumenten, Beschlüssen zur Verfolgung verbandsexterner Ziele zumindest vorzubeugen.

522 3. Teil:  Gestaltungskontrolle im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht: Wertungen Das Regelungsziel des Funktionenschutzes ist paritätsneutral. Da das System sowohl wegen Handlungen der Mehrheit als auch aufgrund von Maßnahmen einer Minderheit – Stichwort: räuberische Aktionäre – unter Druck geraten kann, bedarf es einer an der Aufrechterhaltung des Ordnungssystems orientier­ ten Gestaltung von Rechtsregeln. Zwei Formen des Funktionenschutzes lassen sich unterscheiden: Zum einen ist es möglich, generell-abstrakte Normen vorzusehen, die ein bestimmtes Ver­ halten von vornherein gebieten oder verbieten. Das kommt vor allem für Situa­ tionen in Betracht, in denen Probleme aufgrund typischer Interessenkonflikte vorhersehbar sind und sich regelmäßig in vergleichbarer Weise auswirken. Zum anderen kommt in Betracht, bewegliche Schranken einzurichten. Beispiele hier­ für sind die Beschlusskontrolle und Treue- sowie Gleichbehandlungspflichten. Beide Formen des Funktionenschutzes basieren letztlich auf einem verfah­rens­ orientierten Konzept. Die Entscheidung über das „Ob“ der Inanspruchnahme bestimmter Rechte und Befugnisse liegt bei dem Begünstigten. Die Sinnhaftigkeit des Funktionenschutzes begründet nicht automatisch zu­ gleich die Notwendigkeit, ihn auf zwingendes Recht zu stützen. Können die Gesellschafter die zu regelnden Angelegenheiten nicht selbst steuern oder führt die eigenständige Regulierung zu Missbrauch, liegt die Einführung zwingender Normen jedoch nahe. Hier gewinnt ein Aspekt Bedeutung, den die Neue Insti­ tutionenökonomik betont, nämlich die Entwicklung einer Reihe von Opportu­ nismusproblemen in langfristig angelegten Vertragsbeziehungen. Die vollstän­ dige Regelung solcher Probleme scheidet jedoch aus, weil Verträge notwendig unvollständig bleiben. Es ist den Parteien schlicht nicht möglich, sämtliche zu­ künftigen Zustände zu berücksichtigen. Das rechtfertigt, den Ausschluss be­ stimmter Schutzmechanismen zu unterbinden. Entsprechende Rechtsregeln sind allerdings sinnvollerweise primär auf Verfahrenskontrolle hin auszurich­ ten, nicht auf eine umfassende Inhaltskontrolle. Ein Beispiel für kapitalgesellschaftsrechtlichen Funktionenschutz ist die Treuepflicht der Geschäftsleiter. Der pauschale Ausschluss ihrer Geltung für die Zukunft sollte, gleich ob vollständig oder hinsichtlich eines ihrer Teilinhal­ te, unterbunden werden. Die Treuepflicht stellt einen Weg zur Verfügung, nicht geregelte Opportunismusprobleme zu bewältigen, indem sie die Beteiligten in die Lage versetzt, in Konfliktsituationen eine vertragliche Lösung in Kenntnis der maßgeblichen Faktoren herbeizuführen. Typischerweise schaffen die Betei­ ligten, haben sie die Möglichkeit privatautonomer Gestaltung, keine anderwei­ tigen Mechanismen, die das Entfallen der Treuepflicht kompensierten.

4. Teil

Gestaltungsmöglichkeiten im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht am Beispiel von Venture Capital-Vereinbarungen Aufbauend auf den bisherigen Überlegungen dient dieser vierte Teil der Unter­ suchung dazu, die Grenzen der Freiheit zur Gestaltung von Kapitalgesellschaf­ ten in Deutschland auszuloten. Die Beispiele für dieses Unterfangen ergeben sich aus in Wagniskapitalfinanzierungen üblichen Klauseln. Da diese Abreden ihren Ursprung in einem äußerst flexiblen Gesellschaftsrecht haben, bieten sie einen guten Testfall für das deutsche Recht.1 Das erste Kapitel (Abschnitt A.) behandelt die Erlösbeteiligung der Investo­ ren in Form von Dividenden- und Liquidationsvorzügen sowie von Rechten zur Anteilskonversion, die zum Entfallen dieser Vorrechte führen. Es folgt die Betrachtung verschiedener Varianten der Einflusssicherung (Abschnitt B.) und der Finanzierungskontrolle (Abschnitt C.). Im vierten Kapitel richtet sich der Blick auf den Schutz vor Verwässerung und Abwertung (Abschnitt D.), im fünften (Abschnitt E.) steht die Bindung der Gründer an das Unternehmen im Vordergrund. Schließlich rücken Rückübertragungsrechte (Abschnitt F.) und Börseneinführungsrechte (Abschnitt G.) in den Fokus. Der Teil endet mit einer Schlussbetrachtung, die einige Beobachtungen zur Gestaltung von Beteili­ gungsvereinbarungen aus rechtsvergleichender Perspektive zusammenfasst (Abschnitt H.).

1 

S. bereits die Einleitung A. §  1.

A.  Erlösbeteiligung der Investoren und Konversionsrechte In den Vereinigten Staaten nutzen die Investoren in der weit überwiegenden Zahl der Fälle wandelbare Vorzugsanteile, die Dividenden- und Liquidations­ vorrechte enthalten.2 Das folgende Kapitel erörtert die Frage, wie sich diese Ge­ staltung im deutschen Recht nachbilden lässt, zum einen mittels Anteilsgestal­ tung, zum anderen auf schuldrechtlicher Ebene.

§  1  Dividendenpräferenzen Dividendenpräferenzen sollen den Investoren ermöglichen, im Rang vor den Gründern auf Gewinnausschüttungen der Gesellschaft an ihre Mitglieder zu­ greifen zu können.3 Sie dienen dazu, dass die Gründer, solange sie die Mehrheit in Geschäftsleitungs- und Aufsichtsorganen sowie auf Mitgliederebene stellen, sich nicht das Gesellschaftsvermögen qua Dividendenausschüttung einverlei­ ben,4 und sichern zusätzlich eine Mindestvergütung.5 Für die Gestaltung ent­ halten Aktiengesetz (I.) und GmbHG (II.) unterschiedliche Vorgaben.

I.  Gestaltung von Dividendenpräferenzen in der Aktiengesellschaft Dividendenpräferenzen lassen sich in der Aktiengesellschaft zum einen mit­ gliedschaftsrechtlich als Sonderrechte im Sinne von §  11 S.  1 AktG gestalten (1.), zum anderen schuldrechtlich (2.).

1. Vorzugsanteile Das Aktiengesetz lässt gemäß §  60 Abs.  3 Satzungsregelungen zu, nach denen die Gewinne nicht gemessen an den Anteilen am Grundkapital verteilt werden. Es ist also möglich, Vorzugsanteile als besondere Gattung im Sinne von §  11 S.  1 AktG zu schaffen. Hindernisse bezogen auf die Ausgestaltung der Aktien als teilnehmende Vorzugsanteile analog zu den Participating Preferred Shares 2 

1. Teil B. §  1. Zu den Steuerungswirkungen von Vorzügen bereits oben 1. Teil B. §  1 II. 4  Zu dieser Funktion von Dividendenvorrechten 1. Teil B. §  2 II.3.b). 5  Vgl. bereits 1. Teil B. §  2 II.3.a) 3 

A.  Erlösbeteiligung der Investoren und Konversionsrechte

525

US-rechtlicher Provenienz gibt es keine. Gleichzeitig sind die Beteiligten frei darin, die Gewinnbezugsrechte der Kapitalgeber auf die Vorzüge zu beschrän­ ken. 6 Die Möglichkeit, den Vorzug nachzahlbar auszugestalten,7 ergibt sich mittel­ bar aus §  139 Abs.  1 AktG. Danach kann das Stimmrecht bei solchen Aktien ausgeschlossen werden, die mit einem nachzuzahlenden Vorzug ausgestattet sind. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass die Investoren ihre Vorzüge durch stimmberechtigte Anteile sichern dürfen. 8 Da Vorzugsaktien mit Stimmrecht nicht den §§  139 ff. AktG unterliegen,9 ist die Regelung zum Nachzahlungsrecht in §  140 Abs.  2 AktG unerheblich.10 In­ soweit ist es demnach möglich, den Nachzahlungsanspruch zu begrenzen, um die Motivation der Gründer nicht über Gebühr zu beeinträchtigen.11 Allerdings ist es sinnvoll, in der Aktiengesellschaft einen solchen Nachzah­ lungsanspruch wenigstens dem Grunde nach vorzusehen. Das ergibt sich aus der Zuständigkeitsverteilung für die Feststellung des Jahresabschlusses. In der Aktiengesellschaft besteht das Problem, dass nicht, wie es §  46 Nr.  1 GmbHG für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung vorsieht, die Gesellschafter für die Auflösung der Gewinnrücklagen zuständig sind, sondern Vorstand und Aufsichtsrat im Rahmen ihrer Entscheidung gemäß §  172 AktG.12 Weiterhin dürfen Vorstand und Aufsichtsrat nach §  58 Abs.  2 S.  1 AktG bis zur Hälfte des Jahresüberschusses in andere Gewinnrücklagen einstellen. Damit haben die In­ vestoren, übertragen Vorstand und Aufsichtsrat die Entscheidung nicht nach §  173 Abs.  1 S.  1 AktG auf die Hauptversammlung,13 keine Möglichkeit, die Steuerung des für die Ausschüttung verbleibenden Betrages zu übernehmen. Sind die Investoren nicht über einen Nachzahlungsanspruch geschützt, verfü­ gen die Gründer über ein Mittel, die Vorzüge auszuhöhlen, indem sie den aus­ schüttungsfähigen Betrag durch Rücklagenbildung klein halten und die Rück­ lagen erst bei passender Gelegenheit, etwa nach dem Ausscheiden eines Kapital­ gebers, auflösen.14 Ein Weg des Schutzes ist der Nachzahlungsanspruch.15

6  Bayer, in: MünchKommAktG, §  60 Rn.  20; Drygala, in: KK-AktG, §  60 Rn.  42; Polte, S.  59 ff. Für stimmrechtslose Vorzugsaktien T.Bezzenberger, Vorzugsaktien, S.  51 ff. 7  Vgl. zu solchen Gestaltungen bereits 1. Teil B. §  2 II.2.b). 8  Hüffer/Koch, §  139 Rn.  4. 9  Hüffer/Koch, §  139 Rn.  4. 10  Hierzu statt aller G.Bezzenberger, in: GK-AktG, §   139 Rn.  25; T.Bezzenberger, Vor­ zugsaktien, S.  74 f. Zur avisierten Abschaffung dieses Zwangs in der Aktienrechtsnovelle BTDr 17/8989, S.  7, 16. 11  Zu diesem Problem bereits oben 1. Teil B. §  2 III.3.c). 12  Adler/Düring/Schmaltz, §  58 AktG Rn.  143. 13  Zur Stellung der Norm im Kompetenzgefüge Ekkenga, in: KK-AktG, §  173 Rn.  1. 14  Zur Zuständigkeit von Vorstand und Aufsichtsrat für die Auflösung von Rücklagen Adler/Düring/Schmaltz, §  58 AktG Rn.  143. 15  Baums/Möller, FS Buxbaum, S.  33, 48.

526

4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

Erst recht gilt dies aus Sicht solcher Investoren, die nicht selbst im Aufsichts­ rat vertreten sind. Aus ihrer Perspektive besteht unter Umständen die Gefahr des Trilateral Bargaining,16 weil sich die im Aufsichtsrat und Vorstand vertrete­ nen Parteien, also etwa andere Kapitalgeber und die Gründer, verbünden, um mit Hilfe der Rücklagenbildung verdeckt Vermögenswerte zu eigenen Gunsten umzuverteilen.17 Dieses Problem stellt sich etwa, wenn einer der Kapitalgeber seine Beteiligung vorzeitig aufgeben muss, weil die Laufzeit des Fonds endet, über den er seine Investition vorgenommen hat. Der Nachzahlungsanspruch kann unselbstständig oder selbstständig ausge­ staltet sein, also als Teil des Mitgliedschaftsrechts oder als ein durch einen Ge­ winnverwendungsbeschluss bedingter Anspruch.18 Ergänzend zum Nachzahlungsanspruch kommt zur Sicherung der Dividen­ denansprüche der Investoren die Kombination einer disquotalen Rücklagenbil­ dung mit einer daran anknüpfenden Gewinnverteilungsregel in Betracht (dazu unten III.).

2.  Gesellschafterabreden über Dividendenvorzüge Schuldrechtlichen Abreden der Gesellschafter über die Umverteilung der Divi­ denden nach der bzw. im Anschluss an die Gewinnverteilung stehen keine Be­ denken entgegen. Sie tangieren lediglich das Verhältnis der Vertragsparteien, so dass Vorrechte der Investoren nur gegenüber den Gründern existieren. Da die Interessen Dritter weder direkt noch mittelbar beeinträchtigt werden, besteht kein Anlass, an der Zulässigkeit solcher Verträge zu zweifeln.19 Schuldrechtliche Vorzüge führen dazu, dass die Gründer die an sie ausge­ schütteten Dividenden bis zu der vertraglich bestimmten Höhe an die Investo­ ren abführen müssen.

II.  Gestaltung von Dividendenpräferenzen in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung Im Gesetz über die Gesellschaft mit beschränkter Haftung gibt es keine Schran­ ke für die Einräumung von Gewinnvorzügen als Mitgliedschaftsrecht.20 Eben­ 16 

Zu diesem Problem 1. Teil A. §  2 V.2. Die Umverteilung resultiert daraus, dass der ausschüttungsfähige Betrag durch Rückla­ genbildung vermindert wird und Gründer und Investor 1 so lange mit der Auflösung warten, bis Investor 2 ausscheidet. 18  S.  nur BGHZ 7, 263, 264; G.Bezzenberger, in: GK-AktG, §  139 Rn.  2 2, §  140 Rn.  31 f.; Schröer, in: MünchKommAktG, §  139 Rn.  16 f. 19  Dazu bereits 2. Teil. C. §  1 II.3.b). 20  S.  statt aller Reichert/Weller, in: MünchKommGmbHG, §  14 Rn.  98; Ulmer/Casper, in: GK-GmbHG, §  5 Rn.  181. Ausführlich zu verschiedenen Gewinnverteilungsregeln in der Ge­ sellschaft mit beschränkter Haftung Ekkenga, in: MünchKommGmbHG, §  29 Rn.  189 ff. 17 

A.  Erlösbeteiligung der Investoren und Konversionsrechte

527

so wie in der Aktiengesellschaft ist die Gewährung von Nachzahlungsrechten zulässig.21 Schuldrechtliche Abreden der Gesellschafter untereinander, nach denen die Gewinne gemäß einem bestimmten Schlüssel verteilt werden, sind möglich.

III.  Sicherung des Dividendenvorrangs 1. Satzungsregelungen Da §  60 Abs.  1 AktG und §  29 Abs.  3 S.  1 GmbHG die Gewinnverteilung an die Beteiligungsquote knüpfen, besteht für die Investoren die Gefahr, gemessen an ihren Leistungen unterproportionale Zuwendungen zu erhalten. Das kann zum einen darauf beruhen, dass sie schuldrechtliche Zuzahlungen über pari erbrin­ gen. Zum anderen lässt sich nicht ausschließen, dass die Gründer unter Ausnut­ zung ihres Einflusses den Umfang des Bilanzgewinns manipulieren.22 Denkbar ist etwa die Ausnutzung bilanzrechtlicher Ansatzvorschriften mit dem Ziel, die stillen Reserven zu erhöhen 23 oder Rückstellungen höher als zwingend notwen­ dig zu bilden. Aufgrund des bei der Zugangs- und Folgebewertung bestehenden Ermessens besteht hier unter Umständen ein ganz erheblicher Spielraum.24 Während die Kapitalgeber wegen der in §  46 Nr.  1 GmbHG verankerten Zu­ ständigkeit der Gesellschafterversammlung in der Gesellschaft mit beschränk­ ter Haftung Einfluss zu nehmen in der Lage sind, hindert sie die aktienrechtli­ che Kompetenzverteilung an Steuerungsmaßnahmen, sofern sie im Aufsichtsrat nicht über eine Mehrheit verfügen: Da in der Aktiengesellschaft die Hauptver­ sammlung gemäß §  174 Abs.  1 S.  2 AktG an den von Vorstand und Aufsichtsrat festgestellten Jahresabschluss gebunden ist, können die Aktionäre den Bilanz­ gewinn und die ihn bestimmenden Faktoren nicht von der Entscheidungs­ grundlage zum Gegenstand eines Hauptversammlungsbeschlusses erheben.25 Als Gegenstrategie kommt theoretisch in Betracht, eine disquotale „andere Gewinnrücklage“ zu bilden (a]) und den Maßstab der Gewinnverteilung hieran zu binden (b]).

21 

Ulmer/Casper, in: GK-GmbHG, §  5 Rn.  186. S.  bereits oben I.1. 23  Für die Aktiengesellschaft Baums/Möller, FS Buxbaum, S.  33, 45; Möller, S.  56. 24  Zum Ermessen am Beispiel der Rückstellungsbewertung Ekkenga, in: KK-RLR, §  253 Rn.  46. 25  Ekkenga, in: KK-AktG, §  174 Rn.  2. 22 

528

4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

a)  Disquotale Rücklagenbildung aa)  Zulässigkeit disquotaler Rücklagenbildung Anders als in Personengesellschaften gibt es in Kapitalgesellschaften keine Ka­ pitalkonten der Gesellschafter.26 Aus diesem Grund ist fraglich, ob das Bilanz­ recht und das Gesellschaftsrecht ausreichenden Gestaltungsspielraum gewäh­ ren, trotzdem eine gesellschafterbezogene Rücklagenzuordnung vorzuneh­ men.27 (1)  Gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit Die Bildung von Gewinnrücklagen vollzieht sich grundsätzlich im Rahmen der Gewinnverwendung, sie ist noch keine Gewinnverteilung.28 Insofern ist es pro­ blematisch, die Zulässigkeit der disquotalen Rücklagenbildung im Wege eines Umkehrschlusses anhand von §  60 Abs.  3 AktG und §  29 Abs.  3 S.  2 GmbHG zu beurteilen.29 Gewinnverteilung und Gewinnverwendung sind strikt voneinan­ der zu trennende Verfahrensschritte,30 die jeweils unterschiedlichen Regeln fol­ gen. Daher bedarf es einer getrennten rechtlichen Beurteilung. Sedes materiae hinsichtlich der Befugnis der Gesellschafter zur Rücklagenbildung sind §  58 Abs.  3 S.  1 AktG und §  29 Abs.  2 GmbHG. Grundsätzlich erlauben die zitierten Vorschriften den Mitgliedern, im Rah­ men des Gewinnverwendungsbeschlusses Beträge in die „andere Gewinnrück­ lage“ einzustellen. Sowohl in der Aktiengesellschaft als auch in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung erkennt die allgemeine Ansicht grundsätzlich um­ fassende Gestaltungsfreiheit an.31 Beschließt die Haupt- oder Gesellschafterversammlung über die Höhe der zu bildenden „anderen Gewinnrücklagen“ und teilt sie diese intern den Gesell­ schaftern in einer bestimmten Höhe zu, bestimmt sie auf dieser Stufe des Ver­ fahrens lediglich das Ausschüttungskontingent, nicht den konkret auszuschüt­

26 

Blumers/Beinert/Witt, DStR 2002, 616. noch von Baums/Möller, FS Buxbaum, S.  33, 47, und Möller, S.  58, diskutierte Schütt-aus-hol-zurück-Verfahren bleibt im Folgenden unberücksichtigt, weil es aufgrund von Änderungen der steuerrechtlichen Grundlagen nicht mehr als attraktive Gestaltungsop­ tion in Betracht kommt, sh. Priester, DStR 2001, 795, 798. 28  Zu Ausnahmen, die allerdings lediglich dazu führen, dass die Rücklagenbildung bereits Teil der Ergebnisfeststellung wird, Ekkenga, in: MünchKommGmbHG, §  29 Rn.  16, 25. 29 So Blumers/Beinert/Witt, DStR 2002, 616; Erhart/Riedel, BB 2006, 2266, 2269. 30  Klare Differenzierung für das GmbH-Recht bei Ekkenga, in: MünchKommGmbHG, §  29 Rn.  82. 31 Für die Aktiengesellschaft Bayer, in: MünchKommAktG, §   58 Rn.  88 f.; Drygala, in: KK-AktG, §  58 Rn.  97; Henze, in: GK-AktG, §  58 Rn.  78. Für die Gesellschaft mit beschränk­ ter Haftung: Ekkenga, in: MünchKommGmbHG, §  29 Rn.  152; Hommelhoff/Hartmann/ Hillers, DNotZ 1986, 323, 325; Müller, in: GK-GmbHG, §  29 Rn.  81. 27 Das

A.  Erlösbeteiligung der Investoren und Konversionsrechte

529

tenden Gewinnanteil.32 Für dessen Berechnung steht nach wie vor ein Gesamt­ betrag zur Verfügung, der anhand der Formeln der §  60 Abs.  1 AktG und §  29 Abs.  3 S.  1 GmbHG oder nach Satzungsregelungen im Sinne von §  60 Abs.  3 AktG oder §  29 Abs.  3 S.  2 GmbHG auf die Gesellschafter verteilt werden kann. Die Grenze des §  254 Abs.  1 AktG ist hier nicht relevant, weil die Kapitalge­ ber selbst ein Interesse daran haben, die Eigenkapitalbasis der Gesellschaft nicht mit Ausschüttungen zu schwächen.33 Da die Gewinnverwendung nur die Interessen der gegenwärtigen Gesell­ schafter betrifft, bietet der gesellschaftsrechtliche Drittschutz keinen Ansatz, die Bildung von Quasi-Gesellschafterkonten zu verhindern. Aus dem Gesellschaftsrecht ergeben sich demnach weder bei der Aktienge­ sellschaft noch bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung Hürden, welche die disquotalen Rücklagenbildung behinderten.34 (2)  Bilanzrechtliche Zulässigkeit Das Bilanzrecht steht der disquotalen Rücklagenzuordnung gleichfalls nicht entgegen.35 Allein die von den Beteiligungsquoten abweichende Zuweisung von Rücklagen führt nicht dazu, jedenfalls den überschießenden Teil als Fremdka­ pital ansehen zu müssen, der der Dotierung in den Rücklagen nicht mehr zu­ gänglich sei.36 Das Schuldendeckungspotential bleibt erhalten.37 Für die Gläubiger ist maßgeblich, dass die Rücklagen insgesamt der Kapital­ gesellschaft zugeordnet sind. Interne Aufteilungen, die sich allein auf die Maß­ stäbe der Verteilung des Gewinns unter den Gesellschaftern beziehen, sind für sie irrelevant. Die Befriedigungsreihenfolge besteht fort. Auch die Bilanzgliederung ändert sich nicht. Insbesondere bedarf es keiner Aufgliederung der einheitlichen Position „Rücklagen“, die von den Vorgaben der §§  266 Abs.  3 A.III.4., 272 Abs.  3 HGB abwiche.38 Die Zuordnung der Rück­ lagen ist bloßes Internum des Gesellschafterverhältnisses und lässt sich etwa im Rahmen des Beschlusses über die Gewinnverwendung nach außen hin nach­ vollziehbar darlegen.39 32  Im Ergebnis ebenso Erhart/Riedel, BB 2006, 2266, 2269. Zur Differenzierung zwischen Ausschüttungskontingent und Bestimmung des auszuschüttenden Gewinnanteils für das GmbH-Recht Ekkenga, in: MünchKommGmbHG, §  29 Rn.  82, 87, 89. 33 Vgl. Baums/Möller, FS Buxbaum, S.  33, 46; Möller, S.  57. 34  Im Ergebnis auch Blumers/Beinert/Witt, DStR 2002, 616 f.; Erhart/Riedel, BB 2006, 2266, 2269 f.; Priester, GS Knobbe-Keuk, S.  293, 298 f. 35  Priester, GS Knobbe-Keuk, S.   293, 297 f.; zustimmend Blumers/Beinert/Witt, DStR 2002, 616 f. 36  Priester, GS Knobbe-Keuk, S.  293, 298. 37  Priester, GS Knobbe-Keuk, S.  293, 298. 38  Priester, GS Knobbe-Keuk, S.  293, 304. 39  Vgl. das ähnliche Modell von Priester, GS Knobbe-Keuk, S.  293, 304, der „Feststellungs­ beschlüsse“ anlässlich der Beschlussfassung über den Jahresabschluss vorschlägt.

530

4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

bb)  Sicherung der Rücklagenbildung (1)  Pflicht zur Rücklagenbildung in der Satzung Während in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung die Gesellschafter eine Pflicht zur Rücklagenbildung jedenfalls bei allseitiger Zustimmung vorsehen dürfen,40 ist die Lage in der Aktiengesellschaft umstritten. Ältere Stellungnah­ men verwiesen darauf, anders als §  58 Abs.  1 S.  1 AktG sehe §  58 Abs.  3 S.  1 AktG keine ausdrückliche Befugnis vor, eine entsprechende Satzungsregelung zu treffen.41 Zudem seien satzungsmäßige Rücklagen nicht erst im Rahmen der Gewinnverwendung zu bilden, sondern bereits bei der Feststellung des Ab­ schlusses.42 Wie die heute wohl allgemeine Ansicht zu Recht bemerkt, steht dem bereits entgegen, dass §  58 Abs.  3 S.  2 AktG erlaubt, jede Gewinnausschüttung an die Aktionäre auszuschließen.43 Darüber hinaus bliebe §  158 Abs.  1 Nr.  4c) AktG ohne die hier diskutierte Satzungsgestaltung ohne Anwendungsbereich.44 (2)  Kein „Aushungern“ Das in der Literatur diskutierten Probleme des „Aushungerns“ der Minder­ heit45 stellt sich im Kontext von Wagniskapitalfinanzierungen nicht. Die Rege­ lungen zur Rücklagenbildung dienen gerade dem Schutz vor einer Benachteili­ gung durch diejenigen Gesellschafter, die kraft ihrer Einflussmöglichkeiten die Gewinnvorrechte anderer Mitglieder aushöhlen können. (3)  Problem: Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln Gemäß §  212 Abs.  1 AktG stehen bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschafts­ mitteln den Aktionären die neuen Aktien zwingend im Verhältnis ihrer Anteile am bisherigen Grundkapital zu, selbst bei allseitiger Zustimmung zu einer ab­

40  Zur grundsätzlichen Zulässigkeit von Thesaurierungsklauseln in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung Ekkenga, in: MünchKommGmbHG, §  29 Rn.  152, 175; Müller, in: GK-GmbHG, §  29 Rn.  81. Die einschränkende Ansicht von Hommelhoff, ZGR 1986, 418, hat sich nicht durchgesetzt und bleibt an dieser Stelle außer Betracht. S.  dazu etwa Ekkenga, in: MünchKommGmbHG, §  29 Rn.  165 f.; Müller, in: GK-GmbHG, §  29 Rn.  84. 41  Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, §  58 Rn.  101; Lutter, in: KK-AktG, 2.  Aufl., §  58 Rn.  69. 42  Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, §  58 Rn.  102. 43  Bayer, in: MünchKommAktG, §  58 Rn.  94; Cahn/von Spannenberg, in: Spindler/Stilz, §  58 Rn.  89; Drygala, in: KK-AktG, §  58 Rn.  98; Fleischer, in: Schmidt/Lutter, §  58 Rn.  42; Henze, in: GK-AktG, §  58 Rn.  84. 44  Bayer, in: MünchKommAktG, §  58 Rn.  94; Cahn/von Spannenberg, in: Spindler/Stilz, §  58 Rn.  89; Drygala, in: KK-AktG, §  58 Rn.  98; Fleischer, in: Schmidt/Lutter, §  58 Rn.  42; Henze, in: GK-AktG, §  58 Rn.  84. 45  Hierzu für das GmbH-Recht Ekkenga, in: MünchKommGmbHG, §  29 Rn.  163 ff.

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weichenden Verteilung.46 Gleiches gilt wegen §  57j GmbHG nach ganz herr­ schender Meinung für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung.47 Verfügen die Gründer über ausreichende Beschlussmehrheiten, hilft den Ka­ pitalgebern die bislang diskutierte Rücklagenbildung nicht. Die Verankerung eines Sonderbeschlusserfordernisses in der Satzung scheitert in der Aktienge­ sellschaft daran, dass §  207 Abs.  2 AktG keinen Verweis auf §  182 Abs.  2 AktG enthält.48 Demgegenüber lassen sich in der Gesellschaft mit beschränkter Haf­ tung besondere Mehrheitsanforderungen niederlegen, §  57c Abs.  4 GmbH ver­ hindert dies nicht.49 Bei beiden Rechtsformen kommt in Betracht, die „anderen Gewinnrückla­ gen“ mit einer Zweckbestimmung zu versehen, wonach sie allein der Befriedi­ gung der disquotalen Rechte der Vorzugsgesellschafter im Rahmen der Ge­ winnverteilung dienen.50 §  208 Abs.  2 S.  2 AktG und §  57d Abs.  3 GmbHG ver­ hinderten dann die Umwandlung der Gewinnrücklagen. Grenzen hinsichtlich der festlegbaren Zwecke sehen diese Normen nicht vor.51 Allerdings dürfen die Gesellschafter die Zweckbindung aufheben.52 Letztlich bleiben damit nur zwei schuldrechtliche Wege der Sicherung: Prä­ ventiv wirken Stimmbindungsvereinbarungen, die sich auf die Beschlussfas­ sung in der Hauptversammlung über die Kapitalerhöhung aus Gesellschafts­ mitteln beziehen. Für den Fall der Durchführung einer solchen Kapitalmaß­ nahme kommt die Vereinbarung von Call Optionen zu Gunsten der Kapitalgeber in Frage, die sie berechtigen, von den Gründern die unverzügliche Übertragung neuer Anteile in einem Umfang zu verlangen, der die einstmalige disquotale Rücklagenzuweisung widerspiegelt.53 46  Zum zwingenden Charakter der Norm OLG Dresden, AG 2001, 532; Lutter, in: KKAktG, 2.  Aufl., §  212 Rn.  5 ff. S.  auch Hirte, in: GK-AktG, §  212 Rn.  15 ff. Eine teleologische Reduktion erwägend, die er aber selbst für „zugegebenermaßen völlig ungesichert[...]“ hält, Priester, GS Knobbe-Keuk, S.  293, 299 f. 47  Für die herrschende Meinung Lieder, in: MünchKommGmbHG, §  57j Rn.  10; Ulmer, in: GK-GmbHG, §  57j Rn.  7. Priester‚ in: Scholz, §  57j Rn.  2, plädiert für eine teleologische Re­ duktion. Gegen diesen etwa Lieder aaO. 48  Baums/Möller, FS Buxbaum, S.  33, 50; Möller, S.  60. 49  Lieder, in: MünchKommGmbHG, §  57c Rn.  21; Priester, in: Scholz, §  57c Rn.  2 ; Ulmer, in: GK-GmbHG, §  57c Rn.  6 . 50  Für die Aktiengesellschaft Baums/Möller, FS Buxbaum, S.  33, 50; Möller, S.  60. 51  Vgl. für die Aktiengesellschaft M.Arnold, in: MünchKommAktG, §  208 Rn.  33; Hirte, in: GK-AktG, §  208 Rn.  45; Lutter, in: KK-AktG, 2.  Aufl., §  208 Rn.  21; für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung Lieder, in: MünchKommGmbHG, §   57d Rn.   25; Priester, in: ­Scholz, §  57d Rn.  13 f.; Ulmer, in: GK-GmbHG, §  57d Rn.  15. 52  Für die Aktiengesellschaft M.Arnold, in: MünchKommAktG, §  208 Rn.  36; Hirte, in: GK-AktG, §  208 Rn.  46; Lutter, in: KK-AktG, 2.  Aufl., §  208 Rn.  21; für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung Lieder, in: MünchKommGmbHG, §  57d Rn.  27; Priester, in: Scholz, §  57d Rn.  14; Ulmer, in: GK-GmbHG, §  57d Rn.  16. 53 Allgemein für die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln M.Arnold, in: Münch­ KommAktG, §  212 Rn.  11; Priester, GS Knobbe-Keuk, S.  293, 300; für Venture Capital Baums/Möller, FS Buxbaum, S.  33, 50; Möller, S.  60 f.

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b)  Disquotale Gewinnverteilung nach disquotalen Rücklagen Gemäß §  60 Abs.  3 AktG und §  29 Abs.  3 S.  2 GmbHG dürfen die Satzungen von Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung einen anderen Modus der Gewinnverteilung als den nach Anteilen vorsehen. Weder die aktienrechtliche noch die gmbh-rechtliche Literatur befürwortet hier Ein­ schränkungen in grundsätzlicher Hinsicht.54 Allerdings ergeben sich für die Anbindung der Gewinnverteilung an die Rücklagen Unterschiede hinsichtlich der Rechtsformen, so dass zwischen Aktiengesellschaft und Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu differenzieren ist: aa)  Unzulässigkeit der Regelung in der Aktiengesellschaft Gemäß §  60 Abs.  1, 3 AktG müssen die Regeln für die Gewinnverteilung aus der Satzung selbst ersichtlich sein.55 Öffnungsklauseln in dem Sinne, dass die Satzung die Hauptversammlung ermächtigt, die Gewinnverteilungsregeln selbst festzulegen, sind damit unvereinbar.56 Zwar bedeutet dies nicht, dass sich der „Betrag“ selbst aus der Satzung zu ergeben hat.57 Das Aktiengesetz schreibt in §  60 Abs.  3 AktG lediglich von einer anderen „Art“ der Gewinnverteilung. Diese Formulierung ist wesentlich groß­ zügiger. Notwendig ist allein, dass der Berechnungsmodus aus der Satzung folgt.58 Doch führt die satzungsmäßige Verknüpfung der Gewinnberechnung an von der Hauptversammlung zu bildende disquotale andere Gewinnrückla­ gen zu einer angesichts von §  23 Abs.  5 S.  1 AktG nichtigen Kompetenzrege­ lung:59 Die Hauptversammlung darf angesichts der Regelungen in den §§  58 Abs.  3, 174 Abs.  1 AktG nur über den Gesamtbetrag des zu verteilenden Gewinns be­ schließen, nicht aber über die Höhe der dem einzelnen Aktionär zustehenden Dividende.60 Sichergestellt sein muss dafür, dass sich anhand der in der Satzung niedergelegten Formel die konkrete Höhe der auf jeden Gesellschafter entfal­ 54  Für das Aktienrecht Bayer, in: MünchKommAktG, §  60 Rn.  21; Drygala, in: KK-AktG, §  60 Rn.  41; Henze, in: GK-AktG, §  60 Rn.  17. Für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung Ekkenga, in: MünchKommGmbHG, §  29 Rn.  189, 195; Müller, in: GK-GmbHG, §  29 Rn.  94. 55  BGHZ 84, 303, 311; Bayer, in: MünchKommAktG, §  60 Rn.  16; Drygala, in: KK-AktG, §  60 Rn.  24; Henze, in: GK-AktG, §  60 Rn 18; Hüffer/Koch, §  60 Rn.  6. 56  Bayer, in: MünchKommAktG, §  60 Rn.  16; Drygala, in: KK-AktG, §  60 Rn.  24; Erhart/ Riedel, BB 2006, 2266, 2269; Henze, in: GK-AktG, §  60 Rn 18; Hüffer/Koch, §  60 Rn.  6; Tavakoli, DB 2006, 1882, 1884. 57  So jedoch Blumers/Beinert/Witt, DStR 2002, 616, 617; offenbar auch Erhart/Riedel, BB 2006, 2266, 2269. 58  Bayer, in: MünchKommAktG, §  60 Rn.  16; Drygala, in: KK-AktG, §  60 Rn.  24; Henze, in: GK-AktG, §  60 Rn 18; Hüffer/Koch, §  60 Rn.  6 . 59  Blumers/Beinert/Witt, DStR 2002, 616, 617; Erhart/Riedel, BB 2006, 2266, 2269. 60  BGHZ 84, 303, 311; Bayer, in: MünchKommAktG, §  60 Rn.  16; Drygala, in: KK-AktG, §  60 Rn.  24; Henze, in: GK-AktG, §  60 Rn 18; Hüffer/Koch, §  60 Rn.  6.

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lenden Dividende auf Grundlage des von der Hauptversammlung zu fassenden Gewinnverwendungsbeschlusses berechnen lässt. Der Hauptversammlung soll die beständige Änderung der Gewinnverteilungsregeln unmöglich sein. 61 Der Beschluss über die Rücklagenbildung ist prinzipiell Teil der gemäß §  58 Abs.  3 S.  1 AktG von der Hauptversammlung zu treffenden Gewinnverwendungsentscheidung. Doch steuert die Hauptversammlung bei einer Satzungsre­ gelung über die disquotale Gewinnverteilung, die sich an der Höhe quotenab­ weichend gebildeter Rücklagen orientiert, indirekt die Höhe der konkreten Dividende. Sie befindet nicht mehr nur über den Gesamtbetrag: Beschließt die Hauptversammlung über die Bildung anderer Gewinnrückla­ gen, definiert sie damit zwar auch das Ausschüttungskontingent, das heißt den insgesamt für die Gewinnverteilung zur Verfügung stehenden Betrag. Diese Maßnahme führt notwendig indirekt dazu, die Höhe des an jedes Mitglied aus­ zuschüttenden Gewinnanteils mitzubestimmen, weil der zu verteilende Ge­ samtbetrag sich jeweils ändert. Doch liegt die Besonderheit der hier in Rede stehenden Gestaltung darin, dass über die Zuteilung bestimmter Rücklagen­ quoten auf einzelne Gesellschafter zugleich deren konkreter Gewinnanteil be­ reits mit der Gewinnverwendungsentscheidung determiniert wird. Je nachdem, in welcher Höhe die Hauptversammlung einzelnen Aktionären intern Rückla­ gen zuweist, schwankt deren individuelle Dividende, ohne dass dies auf die Festlegung des Gesamtumfangs des Ausschüttungskontingents zurückzufüh­ ren wäre. Das in der Literatur nach wie vor übereinstimmend für maßgeblich gehaltene Urteil des Reichsgerichts, das die Klausel in der Satzung einer Nebenleistungs­ aktiengesellschaft als zulässig bewertete, bei der Gewinnverteilung die jährlich gelieferte Menge Rohspiritus zu berücksichtigen, 62 hilft nicht weiter. Die aus einer solchen Regelung verbundenen Schwankungen der Dividendenhöhe resul­ tieren aus Faktoren, die die Hauptversammlung nicht zu beeinflussen vermag. bb)  Zulässigkeit der Regelung in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung In der Gesellschaft mit beschränkter Haftung sind nach ganz überwiegender Ansicht Öffnungsklauseln zulässig, die, Zustimmung aller Betroffenen voraus­ gesetzt, Abweichungen von der satzungsmäßigen Gewinnverteilung zulassen.63 Danach sind Regelungen, die eine disquotale Gewinnverteilung an disquotale Rücklagenbildung koppeln, unbedenklich. Die Satzung muss nicht das Vertei­ 61  BGHZ 84, 303, 311; Bayer, in: MünchKommAktG, §  60 Rn.  16; Drygala, in: KK-AktG, §  60 Rn.  24; Henze, in: GK-AktG, §  60 Rn 18; Hüffer/Koch, §  60 Rn.  6; Tavakoli, DB 2006, 1882, 1884. 62  RGZ 104, 349, 350. Aus der Kommentarliteratur Bayer, in: MünchKommAktG, §  58 Rn.  21; Drygala, in: KK-AktG, §  60 Rn.  43; Henze, in: GK-AktG; §  60 Rn.  29. 63 BayObLG NJW-RR 2002, 248, 249; Peschke, S.  100 ff.; Priester, FS W.Müller, S.   113, 116 ff.; Tavakoli, DB 2006, 1882, 1884; Verse, in: Scholz, §  29 Rn.  75.

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lungsergebnis vorwegnehmen, sondern lediglich Bezugspunkte für seine Be­ rechnung festlegen. 64 Selbst diejenigen, die meinen, der Gesellschaftsvertrag dürfe die Gewinnver­ teilung nicht „schlechthin“ in das Belieben der Gesellschafterversammlung stellen,65 halten eine unterschiedliche Aufteilung ausgeschütteter und thesau­ rier­ter Gewinne für zulässig. 66 Möglich sind zudem Klauseln, welche die the­ sau­rierten Gewinnanteile bestimmten Gesellschaftern zuordnen und diese zu ­einem späteren Zeitpunkt voll dem begünstigten Mitglied im Rahmen der Ge­ winnausschüttung zuteilen, selbst wenn sich dessen Beteiligungsquote inzwischen verringert hat.67 Relevant ist allein, dass die Satzung wenigstens ausfüllungsbedürftige allgemeine Kriterien eines Gewinnverteilungsmaßstabes vorhält. 68 Klauseln wie die hier zu prüfende erfüllen diese Anforderungen. Für jeden Gesellschafter ist der Modus der Gewinnverteilung ersichtlich, insbesondere die Abhängigkeit von der disquotalen Rücklagenbildung. Um Neugesellschaf­ ter zu schützen, bedarf es allerdings wie im Fall der Öffnungsklauseln der indi­ viduellen Zustimmung zu dieser Maßnahme im Rahmen der Gewinnverwen­ dung. 69 Anderenfalls könnten diese nicht bei Erwerb abschätzen, in welchem Ausmaß ihr Gewinnbezugsrecht, eines der Kernelemente der Mitgliedschaft, verkürzt wäre oder zumindest von der Mehrheit verkürzt werden könnte.70 Im Übrigen erfüllen Satzungsbestimmungen der hier relevanten Art die Vo­ raussetzung, dass die Gesellschafter die Gewinnverteilung nur für ein bestimm­ tes Jahr konkretisieren, nicht aber für mehrere Jahre in der Zukunft.71

2.  Schuldrechtliche Gestaltungen Wollen die Beteiligten die oben diskutierten Gestaltungen nicht in die Satzung aufnehmen, etwa weil sie die Dividendenpräferenzen selbst lediglich im Rah­ men einer schuldrechtlichen Nebenabrede vereinbart haben, stehen einer ver­ traglichen Lösung keine Bedenken entgegen.72 Diese Verträge legen dann einen lediglich im Binnenverhältnis der Vertragsparteien verbindlichen Modus der 64 

Ekkenga, in: MünchKommGmbHG, §  29 Rn.  192. Roth, in: Roth/Altmeppen, §  29 Rn.  50; Witt, in: Bork/Schäfer, §  29 Rn.  28. 66  Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, §  29 Rn.  39; Priester, DStR 2001, 795, 797; Roth, in: Roth/Altmeppen, §  29 Rn.  48a. 67  Ekkenga, in: MünchKommGmbHG, §  29 Rn.  190. 68 So Roth, in: Roth/Altmeppen, §  29 Rn.  50; Witt, in: Bork/Schäfer, §  29 Rn.  28. 69 Zum Schutz künftiger Gesellschafter bei Öffnungsklauseln Priester, FS W.  Müller, S.  113, 120. 70  Im Zusammenhang mit Öffnungsklauseln Priester, FS W.Müller, S.  113, 121. 71 Dazu Ekkenga, in: MünchKommGmbHG, §  29 Rn.  192; Priester, FS W. Müller, S 113, 122. 72 Vgl. Priester, GS Knobbe-Keuk, S.  293, 301. 65 

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Beschlussfassung in der Haupt- oder Gesellschafterversammlung über die Bil­ dung anderer Gewinnrücklagen fest und ordnen diese für die Bedienung der Gewinnbezugsrechte im Rahmen der gewünschten disquotalen Verteilung zu.73 Die Wahl dieser Gestaltungsform außerhalb der Satzung hat den Vorzug der Flexibilität.74 Solche Stimmbindungsabreden hinsichtlich des Gewinnverwendungsbe­ schlusses der Hauptversammlung sind auch in der Aktiengesellschaft zulässig.75 Gläubiger berührt diese Form der Rücklagenbildung genauso wenig wie Neu­ erwerber. Eine über die Einlage hinausgehende Leistungspflicht im Sinne von §  54 Abs.  1 AktG ist damit nicht verbunden.76 Hinsichtlich der Gewinnvertei­ lung bleibt den Gestaltern in der Aktiengesellschaft wegen der oben unter b)aa) erläuterten Kompetenzproblematik ohnehin keine andere Wahl, als auf schuld­ vertragliche Abreden zurückzugreifen.

IV.  Schicksal des Dividendenvorzugs bei Börsengang und Liquidation 1.  Satzungsmäßig begründete Dividendenpräferenzen Bei satzungsmäßig begründeten Dividendenpräferenzen stellt sich das Pro­blem, dass sie bei einem Börsengang typischerweise entfallen77 und im Rahmen einer Liquidation im technischen Sinne78 kein Bilanzgewinn mehr entsteht, sondern lediglich das „nach der Berichtigung der Verbindlichkeiten verblei­bende Ver­ mögen der Gesellschaft“ verteilt wird (§  271 Abs.  1 AktG, 72 S.  1 ­GmbHG). Der Gewinnbeteiligungsanspruch wandelt sich zum Verteilungsanspruch hinsicht­ lich des verbleibenden Vermögens.79 Das erfasst etwaige Nachzahlungsrechte, weil diese, in der selbstständigen wie in der unselbstständigen Variante, stets einen Gewinnverwendungsbeschluss voraussetzen,80 der im Fall der Liquida­ tion ausbleibt, weil es keinen Gewinn mehr zu verwenden gibt. Damit stellt sich die Frage, wie die Investoren wenigstens wirtschaftlich ihre Vorzugsrechte durchsetzen können. Das ist insbesondere dann relevant, wenn sie, um die Eigenkapitalbasis der Gesellschaft nicht zu gefährden, bis zu diesen

73 

Priester, GS Knobbe-Keuk, S.  293, 301; ders., DStR 2001, 795, 797 f. Priester, DStR 2001, 795, 797 f. 75  Baums/Möller, FS Buxbaum, S.  33, 47; Möller, S.  58. 76  Baums/Möller, FS Buxbaum, S.  33, 47; Möller, S.  58 mit Fußnote 214. 77  Hierzu noch unten §  3. 78  Dazu noch unten §  2 vor I. „Liquidation“ in der Terminologie der Wagniskapitalfinan­ zierung meint auch andere Ereignisse als das gesellschaftsrechtliche Verfahren. 79  S.  nur K.Schmidt, in: GK-AktG, §   271 Rn.  3; H.F.Müller, in: MünchKommGmbHG, §  72 Rn.  1. 80 Statt aller G.Bezzenberger, in: GK-AktG, §   140 Rn.  31 f.; Schröer, in: Münch­Komm­ AktG, §  140 Rn.  16. 74 

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Ereignissen die Bildung anderer Gewinnrücklagen im unter III.1.a) beschriebe­ nen Sinne herbeigeführt haben. a) Börsengang Sehen die Dividendenvorrechte einen Nachzahlungsanspruch vor, kann dieser als selbständiges Recht ausgestaltet sein.81 In diesem Fall entsteht er unabhängig von der Mitgliedschaft als bedingter schuldrechtlicher Zahlungsanspruch und überdauert spätere Veränderungen. 82 Aufgrund der abschreckenden Wirkung auf potentielle Anleger, die bei nachzuzahlenden Dividenden befürchten müs­ sen, Gewinnausfälle zu erleiden,83 bieten sich zwei Gestaltungsvarianten an: In Betracht kommt zunächst, vor dem Börsengang den Nachzahlungsan­ spruch mit Zustimmung der Berechtigten aufzuheben und die Umwandlung der Rücklagen im Wege einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln vorzu­ sehen.84 In Verbindung mit der Vereinbarung einer Call Option der Investoren gegen die Gründer auf Übertragung einer bestimmten Zahl von Anteilen zum Ausgleich des Verlusts der den Kapitalgebern zugeordneten Rücklagen85 ließe sich so aus wirtschaftlicher Sicht die Bedienung der Vorrechte sicherstellen und gleichzeitig der gesamte Vorgang auf der Ebene der Altgesellschafter abwi­ ckeln.86 Weiterhin ist denkbar, die „anderen Gewinnrücklagen“ aufzulösen und den auf diese Weise vergrößerten ausschüttungsfähigen Betrag auf die Gesellschaf­ ter nach den Gewinnverteilungsregeln mit der Maßgabe zu verteilen, die erhal­ tenen Beträge im Wege einer regulären Kapitalerhöhung gegen Bareinlage wie­ der einzubringen. 87 Das sicherte einerseits die Liquidität der Gesellschaft.88 Andererseits setzten sich die Dividendenvorrechte der Investoren mittelbar in einer erhöhten Beteiligungsquote fort. b) Liquidation Für die Liquidation im gesellschaftsrechtlichen Sinne bleibt wegen der eingangs vor a) dargestellten Grundsätze allein der Weg, das Entfallen der Dividenden­ vorrechte über entsprechende Regelungen der Liquidationspräferenzen zu kompensieren, indem diese sich in dem Umfang erhöhen, in dem die Investoren in der Vergangenheit ausgefallen sind. 89 81 

S.  nur BGHZ 7, 263, 264; G.Bezzenberger, in: GK-AktG, §  139 Rn.  22 G.Bezzenberger, in: GK-AktG, §  139 Rn.  32. 83  Baums/Möller, FS Buxbaum, S.  33, 51; Möller, S.  61. 84  Baums/Möller, FS Buxbaum, S.  33, 51; Möller, S.  61. 85  Dazu bereits oben III.1.a)bb)(3). 86  S.  bereits Baums/Möller, FS Buxbaum, S.  33, 51; Möller, S.  61. 87  Baums/Möller, FS Buxbaum, S.  33, 51; Möller, S.  61. 88  Baums/Möller, FS Buxbaum, S.  33, 51; Möller, S.  61. 89  Vgl. ähnlich Baums/Möller, FS Buxbaum, S.  33, 51; Möller, S.  62. 82 

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2.  Schuldrechtlich begründete Dividendenpräferenzen Die eben beschriebenen Probleme treten nicht auf, sofern die Beteiligten die Vorrechte lediglich schuldrechtlich vereinbart haben. In diesem Fall kommt es nicht darauf an, ob „technisch“ ein Bilanzgewinn existiert oder ein Gewinnver­ wendungsbeschluss gefasst werden kann. Es steht den Vertragsparteien frei, für den Fall der Liquidation ebenso wie für einen Börsengang die gesonderte Zah­ lung auf die Rechte vorzusehen, die sie als „Dividendenpräferenzen“ definieren. Abgewickelt wird die Bedienung dieser Ansprüche stets nur unter den berech­ tigten und verpflichteten Altgesellschaftern. Gleichermaßen ist es möglich, die­ se Beträge nun in die Berechnung der Liquidationspräferenzen einzubeziehen.

V. Ergebnisse Dividendenpräferenzen lassen sich in der Aktiengesellschaft und in der Gesell­ schaft mit beschränkter Haftung als korporativ wirksame Gewinnverteilungs­ regel in der Satzung oder schuldrechtlich verankern. Um diese Rechte zu sichern, kommt zunächst die Vereinbarung eines Nach­ zahlungsanspruchs in Betracht. Zusätzlich bietet es sich an, entweder in schuld­ rechtlichen Vereinbarungen oder durch Satzungsbestimmung in Kombination mit entsprechenden Stimmbindungsvereinbarungen die Bildung disquotaler anderer Gewinnrücklagen zu veranlassen, die eine Grundlage für die disquota­ le Gewinnverteilung bilden. Bei der Aktiengesellschaft sind Abreden zur Ge­ winnverteilung in Anknüpfung an quotenabweichend gebildete Rücklagen je­ doch lediglich schuldrechtlich umsetzbar. Für Börsengänge und Liquidationen im technischen Sinne bedarf es besonde­ rer Vorkehrungen. Um keine Anleger abzuschrecken, sollten die Investoren im Vorfeld eines Börsenganges Rücklagen entweder im Wege einer Kapitalerhö­ hung aus Gesellschaftsmitteln in Eigenkapital umwandeln oder diese Positio­ nen auflösen und nach einer anschließenden Gewinnausschüttung die erlangten Beträge als Einlage im Rahmen einer regulären Kapitalerhöhung einbringen. In beiden Fällen erhalten sie zusätzliche Anteile, die den Verlust der Dividenden­ präferenz ausgleichen. Im Rahmen einer Liquidation im gesellschaftsrechtli­ chen Sinne bedarf es, um das Versagen der auf Gewinnverwendungen bezoge­ nen Nachzahlungsansprüche zu kompensieren, der entsprechenden Erhöhung der Liquidationspräferenzen. Mit Blick auf Liquidationen im untechnischen Sinne steht es den Beteiligten frei, das Fortbestehen und die Erfüllung der Divi­ dendenpräferenzen nach eigenem Gutdünken zu reglementieren. 

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§  2  Beteiligung am Liquidationserlös und Liquidationspräferenzen Liquidationspräferenzen gehören in Wagniskapitalfinanzierungen zu den typi­ schen Regelungsinhalten. Sie sehen vor, dass die Investoren im Fall der Liquida­ tion bei der Erlösverteilung in bestimmtem Umfang vor den Gründern zum Zuge kommen.90 Für das Verhältnis der Investoren untereinander gilt in der Regel ein Senioritätsprinzip, wonach die Rechte der zuletzt hinzugetretenen Kapitalgeber zuerst bedient werden (last in first out).91 „Liquidation“ meint im Kontext von Venture Capital nicht nur die Abwick­ lung im gesellschaftsrechtlich-technischen Sinne, sondern auch Formen des Ausscheidens der Mitglieder. Das betrifft etwa den Exit durch Anteilsveräuße­ rung an einen Dritten (Share Deal).92 Im Folgenden wird, getrennt nach Aktiengesellschaft (I.) und Gesellschaft mit beschränkter Haftung (II.), die Möglichkeit der Verankerung einer solchen bevorzugten Behandlung der Kapitalgeber geprüft. Gegenstand des letzten Un­ terabschnitts (III.) ist das Problem des „double dipping“, also die Frage, ob die Kombination von Dividenden- und Liquidationspräferenzen unter Umständen zu einer sittenwidrigen Benachteilung der Gründer führt.

I.  Liquidationspräferenzen in der Aktiengesellschaft Liquidationspräferenzen können in der Aktiengesellschaft auf mehreren Wegen verankert werden: Zunächst kommen Satzungsregelungen in Betracht, wie sich schon aus §  271 Abs.  2 AktG ergibt (hierzu 1.). Überdies sind schuldrechtliche Nebenabreden denkbar (2.).

1.  Satzungsregelungen zu Liquidationspräferenzen Sollen Liquidationspräferenzen in der Satzung verankert werden, ist anknüp­ fend an die eingangs hervorgehobene Unterscheidung zu differenzieren zwi­ schen Vorzügen für Liquidationen im technisch-aktienrechtlichen Sinne (hier­ zu a]) und solchen Vorgängen, die ihnen per Vereinbarung aus wirtschaftlicher Perspektive gleichgestellt werden (b]).

90  Zur Wirkungsweise und Funktion von Liquidationspräferenzen bereits oben 1. Teil B. §  2 III. Zu Gestaltungsvarianten in Deutschland Polte, S.  67 ff., sowie, mit Blick auf Venture Capital, Zirngibl/Kupsch, BB 2011, 579, 581 ff. 91  Inhester, in: Jesch/Striegel/Boxberger (Hrsg.), Rechtshandbuch Private Equity, S.  254; Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, H 124; Zirngibl/Kupsch, BB 2011, 579, 580. 92  S.  oben 1. Teil B. §  2 III.1. Zum deutschen Recht statt aller Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 170.

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a)  Abweichung von §  271 Abs.  2 AktG Verfügen die Investoren über Vorzugsaktien, also über Anteile einer besonde­ ren Gattung, erlaubt §  271 Abs.  2 AktG die Verankerung eines Verteilungsmaß­ stabes in der Satzung, der von dem gesetzlichen, das heißt der Verteilung nach Kapitalanteilen, abweicht.93 Die Formulierung „wenn nicht“ enthält die aus­ drückliche Gestattung der Abweichung im Sinne von §  23 Abs.  5 S.  1 AktG. In der Regel wird man davon ausgehen können, dass die Aufnahme einer entspre­ chenden Bestimmung in der Satzung auf bestimmte Aktien bezogen sein soll, so dass im Ergebnis Anteile unterschiedlicher Gattungen im Sinne von §  11 S.  1 AktG geschaffen werden, für die wiederum die Ausnahme des §  271 Abs.  2 AktG gilt. Die zu §  271 Abs.  1 AktG geführte Diskussion, ob die Liquidations­ beteiligung vollständig, d.h. für alle Anteilseigner, ausgeschlossen werden darf,94 ist angesichts der in §  271 Abs.  1 AktG fehlenden Ausnahmeklausel auf §  271 Abs.  2 AktG nicht übertragbar.  b)  Erlösaufteilung bei Liquidationen im untechnischen Sinne Satzungsbestimmungen zur Erlösaufteilung bei Liquidationen im untechni­ schen Sinne, also etwa im Fall eines Unternehmensverkaufs per Anteilsübertra­ gung (Share Deal), fallen nicht unter die aktienrechtlichen Regelungen, da es sie keine Abwicklung im Sinne der §§  264 ff. AktG ausgestalten. Der Sache nach handelt es sich bei den hier diskutierten Liquidiationspräfe­ renzen im untechnischen Sinne um die Vereinbarung eines zweistufigen Ver­ fahrens im Anschluss an die Anteilsveräußerung: Die veräußernden Gesell­ schafter müssen die Erlöse einem Pool zuführen, aus dem anschließend nach Befriedigungsrang zugeteilt wird. Solche Klauseln betreffen damit nicht das Verhältnis der Aktionäre zur Gesellschaft. Es geht nicht um den Verzicht auf mitgliedschaftliche Rechte, wie dies etwa im Fall des Verzichts auf Gewinnbe­ teiligung oder Liquidationserlösbeteiligung im technischen Sinne der Fall ist. Vielmehr sind Gegenstand der Vereinbarungen die Gewinne, die ein Gesell­ schafter aus der Veräußerung eines Vermögensgegenstandes erzielt. Die Inves­ toren wollen mit solchen „Liquidiationspräferenzen“ Zugriff auf den Kaufpreis erhalten, den die Gründer im Zuge der Anteilsveräußerung erzielen. Das be­ trifft nicht mehr die Ausgestaltung der Mitgliedschaft. Die Bestimmungen, die untechnische Liquidationspräferenzen festlegen, sind dogmatisch schuldrecht­ liche Vereinbarungen, also allenfalls formelle Satzungsbestandteile, die nicht 93  S.  nur Hüffer, in: MünchKommAktG, §   271 Rn.  22; Polte, S.  70; K.Schmidt, in: GKAktG, §  271 Rn.  7. 94  Dafür die ganz herrschende Meinung, s. nur Bachmann, in: Spindler/Stilz, §  271 Rn.  5; Kraft, in: KK-AktG, §  271 Rn.  3; Riesenhuber, in: Schmidt/Lutter, §  271, §  272 Rn.  10; K. Schmidt, in: GK-AktG, §  271 Rn.  7; Sethe, ZHR 162 (1998), 474, 483 ff. A.A. Hüffer, in: Mün­ chKommAktG, §  271 Rn.  6 .

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

§  23 Abs.  5 AktG unterliegen. Gleiches gilt für Liquidationspräferenzen, die die Verteilung der Erlöse nach einem Asset Deal regeln. Wegen der kapitalgesell­ schaftsrechtlichen Ausschüttungssperren ist in diesem Fall die Gesellschaft zu­ nächst zu liquidieren. Anschließend findet die Erlösverteilung nach Maßgabe der schuldrechtlichen Regelungen statt.

2.  Liquidationspräferenzen in schuldrechtlichen Nebenabreden Ein Teil der Literatur vertritt für schuldrechtliche Nebenabreden über Liquida­ tionspräferenzen, diese seien unzulässig. Die §§  23 Abs.  3 Nr.  4, 271 Abs.  2 AktG enthielten abschließende Regelungen, jede von dieser Norm abweichende Ver­ einbarung sei satzungspflichtig.95 Jedenfalls für schuldrechtliche Nebenabre­ den, die nicht formeller Satzungsbestandteil sind, soll die Unzulässigkeit von Präferenzen daraus folgen, dass Unbeteiligte davon ausgehen müssten, es beste­ he kein abweichender Verteilungsmaßstab.96 Diese Argumente überzeugen nicht, wie sogleich gezeigt wird. Für die Analyse stellt sich zunächst die Frage nach der Bedeutung von §  23 Abs.  3 Nr.  4 AktG (a]) und von §  271 Abs.  2 AktG (b]). Dann ist zu untersuchen, ob solche Absprachen unzulässig sind, weil sie die Einschätzung des Investi­ tions­risikos erschweren (c]). a)  Bedeutung von §  2 3 Abs.  3 Nr.  4 AktG §  23 Abs.  3 Nr.  4 AktG, nach dem die Satzung bestimmen muss, ob und welche Gattungen von Aktien bestehen, trifft die hier in Rede stehende Fallgestaltung nicht.97 §  23 Abs.  3 Nr.  4 AktG ermöglicht dem Neuerwerber von Anteilen fest­ zustellen, ob es Personen gibt, die ihm aufgrund mitgliedschaftsrechtlicher Ge­ winn- oder Liquidationsvorzüge bei den entsprechenden Verteilungentschei­ dungen vorgehen. Hat die Vereinbarung über die Bevorzugung einzelner Ge­ sellschafter nur schuldrechtliche Wirkung, entfaltet sie gegenüber nicht an sie gebundenen Anteilseignern keine (Dritt-)Wirkung. Sie wirkt nicht „nach oben“ in dem Sinne, dass die begünstigten Kapitalgeber von vornherein mehr als nach ihrer Beteiligungsquote angemessen beanspruchen dürften. Die Klausel führt lediglich dazu, dass nach der Verteilung, die dem gesetzlichen Modus folgt, eine weitere Verteilung im Innenverhältnis der an der Nebenabrede beteiligten Par­ teien stattfindet. Die an der Abrede Beteiligten bedürfen keines besonderen Schutzes, weil sie als Parteien der Vereinbarung von dieser Kenntnis haben.98 95 

Hoffmann/Hölzle, FB 2003, 113, 117; im Anschluss an diese Ziegert, S.  187. Hoffmann/Hölzle, FB 2003, 113, 117; Ziegert, S.  187. A.A. Brehm, S.  184; Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 173. 97 Anders Hoffmann/Hölzle, FB 2003, 113, 117 (bezogen auf schuldrechtliche Aktio­ närsvereinbarungen außerhalb der Satzung); Ziegert, S.  187. 98  Mit diesem Aspekt setzen sich Hoffmann/Hölzle, FB 2003, 113, 117, nicht auseinander. 96 

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Wird die Gesellschaft etwa mit den zu je einem Drittel beteiligten Mitgliedern A, B und C im gesellschaftsrechtlichen Sinne abgewickelt und besteht zwischen den Aktionären A und B eine schuldrechtliche Abrede über die Verteilung des Liquidationserlöses, gemäß der B die Hälfte des Gesamterlöses erhalten soll, geht dies nicht zu Lasten des C. Dieser erhält zunächst sein Drittel. Die Verein­ barung von A und B bezieht sich allein auf die Aufteilung der ihnen insgesamt zustehenden zwei Drittel. A muss so viel an B abgeben, dass B insgesamt die Hälfte des gesamten Liquidationserlöses enthält. C erfährt keinen Nachteil. Neuerwerber erfassen schuldrechtliche Liquidationspräferenzen ebenfalls nicht. Ein „Vorrecht“ eines Investors bezieht sich in diesem Fall von vornherein nur auf sein Verhältnis zu anderen Kapitalgebern und zu den Gründern, die Parteien des Schuldvertrages sind. Wurden allein Stammaktien ohne besondere Rechte im Sinne von §  11 S.  1 AktG ausgegeben, darf der Neuerwerber in vollem Umfang gleichrangig mit den Kapitalgebern an der Erlösverteilung teilnehmen. b)  Bedeutung von §  271 Abs.  2 AktG §  271 Abs.  2 AktG dient der Sicherung des Rechts der gegenwärtigen Aktionäre auf Beteiligung am Liquidationserlös sowie ihrer Gleichbehandlung.99 Wieso die Gesellschafter nicht auf diesen Schutz verzichten dürfen sollten, ist nicht ersichtlich. Das gilt erst recht für solche Konstellationen, die außerhalb des An­ wendungsbereichs der Norm liegen. Wie der Verkäufer eines Anteils mit seinem aus einem Verkauf erzielten Erlös umgehen soll, regelt die Vorschrift weder di­ rekt noch indirekt. c)  Erschwerung der Einschätzung des Investitionsrisikos Ein Teil der Literatur verweist darauf, Anleger und Gläubiger hätten ein erheb­ liches Interesse daran, zu erkennen, ob die Gründer durch eine Liquidations­ präferenz belastet seien.100 Dieses Interesse resultiere daraus, dass der Umfang der Gewinnaussichten der Gründer Rückschlüsse darauf zulasse, ob sie sich noch voll für den Unternehmenserfolg einsetzen oder infolge hoher Präferen­ zen zu Gunsten der Investoren ihr „langfristiges Engagement mittlerweile sel­ ber bezweifel[n].“101 Betroffen sind bei näherer Betrachtung nur Gläubiger, nicht auch Neugesell­ schafter: Bei Wagniskapitalfinanzierungen erwerben Neugesellschafter ihre Anteile nicht auf einem anonymen Markt ohne die Möglichkeit, sich vorher über die Verhältnisse der Gesellschaft zu informieren. Neue Mitglieder sind entweder Investoren, die die Verhandlungsmacht haben, sich Einsicht in die bis­ 99  Bachmann, in: Spindler/Stilz, §  271 Rn.  1; Hüffer, in: MünchKommAktG, §  271 Rn.  21; Riesenhuber, in: Schmidt/Lutter, §  271 Rn.  1. 100  Hoffmann/Hölzle, FB 2003, 113, 117 f. 101  Hoffmann/Hölzle, FB 2003, 113, 118.

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

herigen Finanzierungsvereinbarungen zu verschaffen, oder Personen, die auf der Seite der Gründer beitreten. Da insoweit die Kapitalgeber dafür sorgen wer­ den, dass das betreffende Neumitglied sich gleichfalls den Präferenzvereinba­ rungen unterwirft, ist diesbezüglich ein ausreichender Informationsfluss gesi­ chert. Damit verbleiben allein die Gläubiger als relevante Personengruppe. Der gemäß §  271 Abs.  1 AktG bestehende Befriedigungsvorrang zu Gunsten der Gläubiger bietet, anders als gelegentlich suggeriert wird,102 keinen vollstän­ digen Schutz. Reicht das Gesellschaftsvermögen nicht aus, erhalten die Gläubi­ ger nichts oder jedenfalls weniger als ihnen zusteht. Strengen sich die Gründer nicht genügend für den Unternehmenserfolg an, steigt die Wahrscheinlichkeit eines Fehlschlages. Diese Gefahr ist real.103 Doch hängt sie, und das ist der entscheidende Punkt, nicht spezifisch mit Liquidiationspräferenzen zusammen. Vielmehr ist sie Teil des allgemeinen In­ vestitionsrisikos, das jeder Gläubiger trägt. Träfe das Argument zu, allein der Umstand der Risikoerhöhung führe (mindestens) zu einer Offenlegungspflicht, müsste dies für jeden Einflussfaktor gelten. Betroffen wären etwa Vergütungs­ vereinbarungen. Diese sind – aus guten Gründen – nicht vollständig öffentlich einsehbar, obwohl sie ganz erhebliche Konsequenzen für die Motivation der Geschäftsleiter erzeugen. Gleiches gilt für die sonstige finanzielle Situation der Geschäftsleiter. So hat ein Gläubiger grundsätzlich keinen Anspruch darauf zu erfahren, ob ein Mitglied des Vorstands verschuldet ist oder unter bestimmten Krankheiten leidet, obwohl dies für die Entscheidung eines Gläubigers über den Vertragsschluss ebenfalls von Bedeutung sein kann. Den Gläubigerschutz bei Liquidationen im technischen Sinne des Aktienge­ setzes sichert §  272 AktG. Dass dieser nicht in allen Fällen optimal wirken mag,104 sei eingeräumt. Doch ändert diese Feststellung nichts daran, dass das Aktiengesetz bloß diesen Schutz vorsieht. Schuldrechtliche Abreden über Li­ quidationspräferenzen beeinträchtigen ihn nicht.

II.  Liquidationspräferenzen in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung In der Gesellschaft mit beschränkter Haftung existiert keine Vorschrift, die mit §  23 Abs.  3 Nr.  4 AktG vergleichbar wäre. §  72 S.  2 GmbHG lässt die satzungs­ mäßige Vereinbarung von Verteilungsregeln zu, die nicht an die Geschäftsantei­ le anknüpfen. Es besteht kein Grund, die Situation in der Gesellschaft mit be­ schränkter Haftung anders als die in der Aktiengesellschaft zu beurteilen.105 102 

Brehm, S.  185. Insofern zutreffend Hoffmann/Hölzle, FB 2003, 113, 118. Ähnlich Ziegert, S.  188. 104 Vgl. Hoffmann/Hölzle, FB 2003, 113, 118. 105 Zur Zulässigkeit von Liquidationsvorzügen H.F.Müller, in: MünchKommGmbHG, §  72 Rn.  17; Paura, in: GK-GmbHG, §  72 Rn.  10; K.Schmidt, in: Scholz, §  72 Rn.  14. 103 

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Die Vereinbarung von Präferenzen ist für Liquidationen im technischen Sinne sowohl in der Satzung als auch im Schuldvertrag möglich.106 Vorrechte für die Liquidation im untechnischen Sinne sind dagegen wie in der Aktiengesellschaft keine Ausgestaltung der Mitgliedschaft mehr.107 Daher kommen insoweit gleichfalls nur schuldrechtliche Abreden als Gestaltungsmit­ tel in Frage, die allenfalls als formeller Bestandteil der Satzung in diese aufge­ nommen werden können.

III.  Präferenzen und Risikoverteilung Ein Problem bei der Ausübung von Präferenzen kann darin bestehen, dass die Kapitalgeber gemessen an der von ihnen gehaltenen Beteiligung deutlich über­ proportional am Liquidationserlös profitieren. Doch lassen sich feste Ober­ grenzen für Präferenzen kaum sinnvoll festlegen (1.). Allenfalls kommt eine Ausübungskontrolle im Einzelfall in Betracht, wenn die Rechte der Investoren ein Mittel zur Verfügung stellen, Maßnahmen durchzusetzen, die einseitig zu Lasten der Gründer gehen (2.).

1.  Keine festen Obergrenzen für Präferenzen Aus Sicht der Gründer führen Vorzugsrechte der Investoren unter Umständen zu einem erheblichen Ungleichgewicht bei der Erlösverteilung.108 Machen die Kapitalgeber im Rahmen der Liquidation Dividendennachzahlungen geltend und bestehen zusätzlich Liquidationspräferenzen, bleibt für die Gründer häufig nicht mehr viel übrig.109 Dies nimmt ein Ansatz in der Literatur zum Anlass, solche Klauseln jedenfalls dann für unzulässig zu erklären, wenn die Vorzüge in der Summe die „Höhe des Investments zuzüglich einer Mindestrendite“ über­ schreiten.110 106 

So offenbar selbst Hoffmann/Hölzle, FB 2003, 113, 117. I.1.b). 108  Beispiel (von Hoffmann/Hölzle, FB 2003, 113): Kapitalgeber und Gründer halten je 50% der Anteile. Die Liquidationspräferenz der Investoren beläuft sich auf 4. Beträgt der Exiterlös insgesamt 10, erhalten sie zunächst 4. Ist die Liquidationspräferenz als „teilnehmen­ de“ (participating) ausgestaltet (hierzu oben 1. Teil B. §  2 III.2.), können sie anschließend in Höhe ihrer Beteiligungsquote noch einmal 3 aus den verbleibenden 6 beanspruchen. Insge­ samt erzielen die Kapitalgeber bei einem Gesamterlös von 10 unter den gegebenen Bedingun­ gen also 7, deutlich mehr als die Hälfte. Auf weitere Beispiele im Teil zum US-Recht sei ver­ wiesen, 1. Teil B. §  2 II.3. (Dividendenpräferenzen) und B. §  2 III.3. (Liquidationspräferen­ zen). 109 Zu den Auswirkungen einer anderen Form des Double-Dipping bei teilnehmenden Vorzugsanteilen, das aus der Kombination von Vorzügen und den allgemeinen Erlösbeteili­ gungsrechten resultiert, und zu Fragen der Klauselgestaltung in Deutschland Zirngibl/ Kupsch, BB 2011, 579, 580, 583. 110  Winkler, S.   237, im Rahmen einer Angemessenheitskontrolle nach §  307 Abs.  1 S.  2 BGB. Gegen die Anwendbarkeit der §§  305 ff. BGB bereits ausführlich oben 2. Teil A. §  2. 107  Oben

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Für einen solchen Maßstab ergibt sich keinerlei Anhaltspunkt aus dem Ge­ setz. Dass Präferenzregelungen nicht nur eine Sicherung der Investition bewir­ ken, sondern auch ein Rentabilitätsziel erreichen helfen sollen,111 ist zwar nicht abzustreiten. Woraus allerdings die rechtliche Notwendigkeit folgt, das „Parti­ zipationsziel“ der Gründer nicht hinter das „Renditeziel“ der Investoren zu stellen,112 bleibt unklar. Schon die Begriffe helfen nicht weiter: Das „Partizipa­ tionsziel“ der Gründer ist nichts anderes als ihr Renditeziel. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Vorzüge der Kapitalgeber bei ho­ hen Liquidationserlösen kaum noch von Bedeutung sind.113 Es überzeugt nicht, auf den Umfang der Präferenzen im Verhältnis zur Investition abzustellen. Maßgeblich kann, soll irgendeine Form von „Fairness“ der Erlösverteilung be­ urteilt werden, allein das Verhältnis von Präferenzen und Gesamterlös sein. Problematisch sind allenfalls die Situationen, in denen die Investoren einen Großteil des Erlöses vereinnahmen dürfen. Abstrakte Maßstäbe für die gerade noch zulässige Höhe von Vorrechten las­ sen sich demnach kaum rational begründbar aufstellen. Im Zusammenhang mit Buchwertklauseln ist anerkannt, dass diese nicht schon deshalb unwirksam sind, weil im Laufe der Zeit ein grobes Missverhältnis zwischen dem Betrag, der sich aufgrund der vertraglichen Vereinbarung ergibt, und dem wirklichen An­ teilswert eintritt.114 Hinzukommen müssen stets weitere Umstände.115 Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die Gründer der Vereinbarung von Präferenzen zu Gunsten der Investoren zugestimmt haben. Die Auswirkungen der Höhe dieser Vorrechte sind bereits bei Vertragsschluss vorhersehbar. Es ist für die Gründer nicht schwierig, sich auszurechnen, welcher Liquidationserlös mindestens erreicht werden muss, damit sie überhaupt oder in einem bestimm­ ten Umfang partizipieren. Die oben beschriebenen Defizite bei der Bewertung langfristig wirkender Entscheidungen116 kommen daher nicht in einem solchen Maße zum Tragen, dass die Grenzen des Selbstschutzes erreicht wären.117 Könnten sich die Gründer, tritt der „Ernstfall“ ein, darauf berufen, der Um­ fang der Kapitalgebervorzüge sei unangemessen hoch, käme dies einem Reu­ recht gleich.

111 So

Winkler, S.  236 f. In diesem Sinne Winkler, S.  237. 113  Beispiel: Erlös von 50, Liquidationspräferenz von 2, Beteiligung von Gründern und Kapitalgebern zu jeweils 50%. 114  BGHZ 123, 281, 286; BGH NJW 1993, 2101, 2102. Vgl. auch BGH NZG 2002, 176. 115  Nachweise in der vorhergehenden Fußnote. 116  3. Teil B. §  1 III.2. 117  S.  aber sogleich 2. zur Ausübungskontrolle im Einzelfall. 112 

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2.  Ausübungskontrolle im Einzelfall Die im vorigen Abschnitt gezogene Parallele zu Buchwertklauseln weist den Weg, mit Vorzugsrechten der Investoren umzugehen: Angesichts der fehlenden Möglichkeit, abstrakt gültige Maßstäbe für die „gerechte“ Höhe von Vorzügen festzulegen und mit Blick auf den typischerweise freiwilligen Vertragsschluss der Gründer kommt nur eine Ausübungskontrolle nach §  242 BGB in Betracht. Insoweit lassen sich zum einen die allgemeinen Überlegungen zu den Grenzen des Selbstschutzes heranziehen118 und zum anderen die Rechtsprechung zu den Buchwertklauseln nutzen. Daraus ergibt sich folgende Überlegung: Zwar haben die Gründer die Verein­ barungen freiwillig geschlossen. Nutzen die Kapitalgeber ihre Rechte aber in einer Weise, die bei Vertragsschluss nicht vorhersehbar war oder gegen die sich sinnvollerweise keine vertraglichen Schutzmechanismen vereinbaren lassen, kann dies jedoch zu einem Verstoß gegen Treu und Glauben führen. Für die Wagniskapitalfinanzierung lässt sich dies an einem Beispiel verdeutlichen, wel­ ches das Zusammenspiel der Vorzüge mit anderen Rechten demonstriert: Üblicherweise enthalten die Vereinbarungen sogenannte Mitnahmeklauseln (Drag Along Rights).119 Können die Investoren aufgrund solcher Rechte die Gründer zu einem Exit zwingen, eröffnet dies in Kombination mit Erlösvorzü­ gen unter Umständen einen Weg, die Gründer zu Maßnahmen zu bewegen, denen sie bei einer freien Entscheidung nicht zustimmten. Wollen die Kapital­ geber etwa ein lediglich mäßig erfolgreiches Unternehmen umstrukturieren, indem sie die ihrer Meinung nach weitgehend schlecht wirtschaftenden Grün­ der aus der Geschäftsleitung drängen und deren Beteiligungsumfang im Zuge der Hereinnahme eines weiteren Investors deutlich verringern (sogenannter „wash out“120),121 können sie diese vor die Wahl stellen: Entweder Zustimmung zur Umstrukturierung oder Herbeiführung der Liquidation durch Verkauf der eigenen Anteile122 in Kombination mit der Ausübung der Mitnahmeklausel. Be­ steht nun aus Sicht der Gründer die Gefahr, bei einer Liquidation vollständig leer auszugehen, fügen sie sich im Zweifel dem Willen der Kapitalgeber. Das ist vor allem in den Situationen von Bedeutung, in denen die Investoren ein Unter­ nehmen abwickeln wollen, weil sie die Mittel in ein gewinnträchtigeres Projekt reinvestieren möchten. Dann ist für ihre Entscheidung nicht die betriebswirt­ schaftliche Situation des bislang finanzierten Unternehmens selbst Entschei­ dungsmaßstab, sondern der Vergleich zwischen mehreren Investitionsobjekten ihres Portfolios. Dies begründet erhebliche Interessenkonflikte zwischen Kapi­ 118 

3. Teil B. §  1 III.3. Dazu E. §  4. 120  Eine Fallstudie für ein extremes Beispiel findet sich oben 1. Teil B. §  12 II. 121  Um die Stimmquoten der Gründer zu minimieren. 122  Gemeint: Die Anteile der Kapitalgeber. 119 

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

talgebern und Gründern, angesichts derer die Ausübung verschiedener vertrag­ licher Rechte attraktiv erscheint, um mit Hilfe dieses „Damoklessschwertes“ Zwang auszuüben.123

IV. Ergebnisse Präferenzrechte für die Liquidation im gesellschaftsrechtlichen Sinne lassen sich in der Satzung und schuldrechtlich gestalten, sowohl in der Aktiengesell­ schaft als auch in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Vorrechte für sol­ che Ereignisse, die die Praxis der Wagniskapitalfinanzierung darüber hinaus als „Liquidation“ beschreibt, sind demgegenüber in beiden Rechtsformen lediglich im Wege einer schuldrechtlichen Nebenabrede vereinbar.

§  3  Investorenrechte und Anteilskonversion in Deutschland In den USA sind die Preferred Shares der Investoren mit Klauseln ausgestattet, die bei einem Börsengang die automatische Konversion der Anteile in Stam­ manteile vorsehen124 und zusätzlich unter bestimmten Umständen ein Konver­ sionsrecht einräumen.125 Sie werden nun für Aktiengesellschaft (I.) und Gesell­ schaft mit beschränkter Haftung (II.) getrennt untersucht. Eine ausführliche Analyse der Zwecke und Auswirkungen dieser Klauseln bietet der erste Teil der Arbeit.126

I.  Anteilskonversion in der Aktiengesellschaft Für die Diskussion zur Konversion im deutschen Recht lassen sich zwei Fälle unterscheiden, die Umwandlung und der Umtausch.127 Bei einer Umwandlung (hierzu 1.) behält der Eigner seinen Anteil, der allerdings nach der mit der Maß­ nahme einhergehenden Inhaltsänderung andere Mitgliedschaftsrechte verkör­ pert.128 Der Umtausch führt zum Verlust der alten Aktie im Gegenzug für die Gewährung einer neuen mit anderen Rechten und Pflichten (unten 2.).129 Denk­ 123 Zur Damoklestheorie des Bundesgerichtshofs bei Hinauskündigungsklauseln noch ausführlicher unten D. §  2 I.1.b)aa). 124  Zur automatischen Konversion 1. Teil B. §  2 IV.2. 125  Zum Konversionsrecht 1. Teil B. §  2 IV.1. 126  Vgl. die Verweise in den beiden vorhergehenden Fußnoten. 127  Baums, FS Canaris, Band II, S.  3, 5. 128  Zur Einordnung der Umwandlung als Inhaltsänderung Baums, FS Canaris, Band II, S.  3, 6. 129  Baums, FS Canaris, Band II, S.  3, 6. Die von Baums aaO. genannte zweite Variante des Umtauschs – Aufhebung des bisherigen Rechts gegen Erwerb eines anderen Rechts – ist hier nicht von Bedeutung.

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bar ist schließlich die Kombination eines Umwandlungsrechts mit einer gegen die Gründer gerichteten schuldrechtlichen Call Option (unten 3.).

1. Anteilsumwandlung Die Umwandlung von Vorzugsanteilen in Stammanteile ließe sich verhältnis­ mäßig simpel erreichen, dürfte der Bestand gattungsprägender Rechte und Pflichten im Sinne von §  11 S.  1 AktG von vornherein an Bedingungen und Be­ fristungen geknüpft werden. Die Literatur zu Vorzugsrechten hält dies heute überwiegend jedenfalls grundsätzlich für möglich.130 Wie sich dies mit der ein­ hellig zu §  179 AktG vertretenen Meinung verträgt, nach der der Inhalt von Satzungsbestandteilen Bedingungen nicht zugänglich ist,131 bleibt unklar. Vor einer Stellungnahme (unter b]) ist es daher sinnvoll, zunächst den Meinungs­ stand zu skizzieren (a]). Da für die Untersuchung allein Bedingungen von Be­ deutung sind, bleibt die Befristungsproblematik ausgeblendet. a) Meinungsstand zu bedingten Satzungsbestimmungen Die Kritiker der herrschenden Meinung zur Möglichkeit der Bedingung von Vorzugsrechten wenden ein, solche Regelungen seien zu unsicher.132 Dieser An­ satz wird gleichfalls bemüht, um im Zusammenhang mit Satzungsänderungen und §  179 AktG zu begründen, warum Bedingungen als Klauselbestandteil ille­ gal seien.133 Durchgängig findet sich in der Kommentarliteratur die Formulie­ rung, bei Bedingungen im Sinne von §  158 BGB handele es sich wegen der Un­ gewissheit ihres Eintritts nicht um zulässigen Satzungsinhalt.134 Der Satzungs­ inhalt sei bedingungsfeindlich, es dürfe keine Unklarheit über die Geltung oder

130  Für die herrschende Meinung: OLG Karlsruhe OLGRspr 42, 215, 216; Baums/Möller, FS Buxbaum, S.  33, 56; G.Bezzenberger, in: GK-AktG, §  139 Rn.  27; Hüffer/Koch, §  141 Rn.  11; Polte, S.  131 f.; Vatter, in: Spindler/Stilz, §  11 Rn.  35; Werner, AG 1971, 69, 70; implizit auch Brändel, in: GK-AktG, §  11 Rn.  43. Anderer Ansicht Spindler, in: Schmidt/Lutter, §  139 Rn.  5; Zöllner, in: KK-AktG, 1.  Aufl., §  139 Rn.  13. Die Einschränkung von T.Bezzenberger, Vor­ zugsaktien, S.  77 f., (und, in der Übernahme von dessen Ansicht, G.Bezzenberger, in: GKAktG, §  139 Rn.  27) bezieht sich allein auf Vorzugsaktien ohne Stimmrecht und kann daher hier ausgeblendet bleiben (ebenso im gleichen Sachzusammenhang Baums/Möller aaO., Fuß­ note 111). 131  Hüffer/Koch, §  179 Rn.  26; Lutter, FS Quack, S.  301, 308 ff.; Seibt, in: Schmidt/Lutter, §  179 Rn.  36; U.Stein, in: MünchKommAktG, §  179 Rn.  50; Wiedemann, in: GK-AktG, §  179 Rn.  161; Zöllner, in: KK-AktG, 2.  Aufl., §  179 Rn.  199. 132  Spindler, in: Schmidt/Lutter, §  139 Rn.  50; Zöllner, in: KK-AktG, 1.  Aufl., §  139 Rn.  13. 133  Hüffer/Koch, §  179 Rn.  26; Lutter, FS Quack, S.   301, 309; Seibt, in: Schmidt/Lutter, §  179 Rn.  36; U.Stein, in: MünchKommAktG, §  179 Rn.  50; Wiedemann, in: GK-AktG, §  179 Rn.  161; Zöllner, in: KK-AktG, 2.  Aufl., §  179 Rn.  199. 134  Dies. aaO.

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Nichtgeltung einer Regelung geben. „Die Grundordnung der Organisation“ müsse „aus sich heraus stets festzustellen sein.“135 Allerdings vertreten die meisten Autoren zu §  179 AktG, die Satzung dürfe Klauseln vorsehen, „die nur im Falle des Eintritts bestimmter Umstände An­ wendung finden.“136 Dass sich so Ergebnisse erzielen lassen, die der einhellig für unzulässig gehaltenen bedingten Satzungsänderung entsprechen, gestehen die­ selben Kommentatoren zu, ohne dies argumentativ zu rechtfertigen.137 Auch in diesen Fällen ist die „Grundordnung der Organisation“ nicht „aus sich heraus [...] festzustellen [...].“ In beiden Situationen – bedingter Satzungsinhalt und be­ dingte Anwendbarkeit – existieren Bedingungen, die die Wirkung einer Sat­ zungsklausel an satzungsexterne Umstände knüpfen, deren Eintritt ungewiss ist. Allein die Regelungstechnik unterscheidet sich, nicht aber der Regelungseffekt. b) Stellungnahme Die folgende Stellungnahme erörtert zunächst die Grundlagen zur Bedingbar­ keit von Satzungsbestimmungen (aa]). Daran schließt sich die Diskussion der Umwandlung an, differenziert nach automatischen Umwandlungen, die sich unabhängig vom Willen der Anteilseigner bei Eintritt bestimmter Ereignisse vollziehen (bb]), und optionalen Umwandlungen, die auf einer Handlung des Inhabers beruhen (cc]). aa)  Zur Bedingbarkeit von Satzungsbestimmungen Die Formel von der Rechtssicherheit, die gefährdet sei, hat Lutter mit konkrete­ rem Inhalt gefüllt: Die Unsicherheit darüber, ob eine Satzungsbestimmung ver­ bindlich sei oder nicht, müsse deshalb zum Anlass für ein Unzulässigkeitsver­ dikt genommen werden, weil „[e]ine solche Situation […] ungeeignet als Grund­ lage von Rechten und Pflichten, Entscheidungen und Vertrauen für eine unbegrenzt große Zahl von Mitgliedern“ sei, die „nie [wüssten], woran sie ei­ gentlich sind.“138 Das vermag bereits deshalb nicht zu überzeugen, weil sich jeder Erwerber anhand der Satzung darüber informieren kann, welche Kautelen für seine An­ 135  Wiedemann, in: GK-AktG, §  179 Rn.  161. Der Sache ebenso die übrigen in der vorletz­ ten Fußnote Genannten. 136  U.Stein, in: MünchKommAktG, §  179 Rn.  51 (Kursivsetzung im Original). Der Sache nach ebenso Wiedemann, in: GK-AktG, §  179 Rn.  161. Dezidiert anderer Ansicht Lutter, FS Quack, S.  303, 309, nach dem „zu Recht unbestritten“ sein soll, „daß Bestimmungen der gel­ tenden, also eingetragenen Satzung – mögen sie auf der ursprünglichen Satzung beruhen oder durch Satzungsänderung geschaffen werden – jedenfalls für die Aktiengesellschaft […] nicht von einer Bedingung abhängig gemacht werden können […].“ (Kursivsetzung im Original) 137  U.Stein, in: MünchKommAktG, §  179 Rn.  51; Wiedemann, in: GK-AktG, §  179 Rn.  161. 138  Lutter, FS Quack, S.  301, 309.

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teile gelten.139 Darüber hinaus sieht das Aktiengesetz für zentrale Aspekte mit­ gliedschaftlicher Rechte Bedingungen vor. Das betrifft nicht nur die bedingte Kapitalerhöhung.140 Weitere Beispiele sind: – Abhängigkeit der Anteilsrechte eines Unternehmens von Mitteilungen nach den §§  20 Abs.  7 S.  1, 21 Abs.  4 S.  1 AktG; – Festsetzung eines Höchststimmrechts gemäß §  134 Abs.  1 S.  2 gemäß be­ stimmten Formeln;141 – Aufleben des Stimmrechts von Vorzugsaktionären nach §  140 Abs.  2 S.  1 AktG, falls der Vorzugsbetrag nicht gezahlt wird, bis zur Nachzahlung. Es gibt also keinen allgemeinen Grundsatz der Bedingungsfeindlichkeit der Satzung der Aktiengesellschaft. Die gegenwärtigen Aktionäre müssen genauso wie andere Marktteilnehmer die Unsicherheit des Bestands gewisser Rechte und Pflichten hinnehmen. Ergänzend ist zu vergegenwärtigen, dass §  11 S.  1 AktG die Möglichkeit der Schaffung gattungsbezogener Rechte voraussetzt, aber keine Zulässigkeitskriterien aufstellt. Aus diesen Beobachtungen lassen sich zwei Folgerungen ziehen, die erste in dogmatischer Hinsicht für den Prü­ fungsmaßstab, die zweite bezogen auf inhaltliche Beurteilungskriterien: (1)  §  2 3 Abs.  5 S.  2 AktG als Beurteilungsmaßstab Das Aktiengesetz knüpft also selbst verschiedene Rechte und Pflichten an Be­ dingungen. Weiterhin sieht es keine speziellen Regelungen zur Schaffung be­ sonderer Rechte im Sinne von §  11 S.  1 AktG vor. Damit sind bedingte Regelun­ gen lediglich eine Ergänzung gemäß §  23 Abs.  5 S.  2 AktG, keine Abweichung. §  23 Abs.  5 S.  1 AktG greift daher nicht. Das hat erhebliche Konsequenzen, weil nunmehr positiv begründet werden muss, woraus die Unzulässigkeit der hier diskutierten Klauseln konkret folgen soll. Es gilt gerade nicht die Grundregel der Unzulässigkeit. (2)  Materielle Beurteilungskriterien Bezogen auf materielle Bewertungskriterien ergibt eine Analyse der oben ge­ nannten positiv-rechtlichen Beispiele, dass der Eintritt der Bedingung regelmä­ ßig jeweils anhand der Einsichtnahme in das Handelsregister überprüft werden kann. Die Bestimmungen sind entweder Satzungsbestandteil (Höchststimm­ recht) oder lassen sich anhand von Unterlagen nachvollziehen, die zum Han­

139  So zu Recht im Zusammenhang mit der Bedingbarkeit von Vorzugsrechten G.Bezzenberger, in: GK-AktG, §  139 Rn.  27; Polte, S.  132. 140  Auf diese als Spezialfall verweist Lutter, FS Quack, S.  301, 310. 141  Das entwert das argumentative Gewicht von Lutters Beispiel (FS Quack, S.  301, 308) zur Beschränkung von Stimmrechten ganz erheblich.

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

delsregister eingereicht werden müssen (Beschlussanmeldung nach §  195 Abs.  1 S.  1 AktG, Jahresabschluss gemäß §  325 Abs.  1 S.  1 HGB). Die Einsichtnahme in das Handelsregister ist keine Belastung, die für Aktio­ näre börsennotierter Gesellschaften unzumutbar wäre. Wollen sie ihre Rechte und Pflichten beurteilen, bleibt ihnen kaum ein anderer Weg, als die Satzung einzusehen und die in Kraft getretenen Änderungen zu prüfen. bb)  Automatische Anteilsumwandlung Für eine Satzungsbestimmung zur automatischen Anteilsumwandlung, nach der die Vorzüge der Investoren mit einem bestimmten, öffentlich nachvollzieh­ baren Ereignis wie der Verkündung des Vorstandsbeschlusses, einen Börsen­ gang anzustreben,142 folgt aus den oben angestellten Überlegungen, dass solche Klauseln zulässig sind: Jeder Anteilseigner kann sich anhand öffentlich zugänglicher Quellen über die Ausstattung seiner Rechte informieren. Erwerber, die nach der Zulassung der Aktien zum Handel Anteile über die Börse erwerben, haben Sicherheit dar­ über, welche Rechte bestehen oder nicht bestehen. Besondere Maßnahmen zum individuellen Schutz sind nicht notwendig, der Börsenhandel wird nicht ge­ fährdet. Ein satzungsändernder Beschluss nach Maßgabe der §  179 Abs.  1, 3 S.  1 AktG über die Aufhebung der Vorzugsrechte ist nicht notwendig, wenn das Entfallen der Präferenzen bereits durch Bedingung geregelt ist.143 cc)  Optionale Anteilsumwandlung Räumt die Satzung den Vorzugsinhabern die Option ein, auf diese Rechte durch Erklärung gegenüber der Gesellschaft zu verzichten, scheint auf den ersten Blick das Problem zu bestehen, dass diese Handlung von außen kaum nachvoll­ ziehbar ist. Allerdings lässt sich hieraus nicht unter Verweis auf die oben unter aa) dargestellten Gedanken schließen, dies begründe die Unzulässigkeit solcher Bestimmungen. (1)  Geschlossene Kapitalgesellschaften Zunächst besteht bei geschlossenen Kapitalgesellschaften für jeden Anteilser­ werber die Möglichkeit, sich selbst zu schützen. So kann der Käufer auf einer Garantie bestehen, dass der Verkäufer die Rechte nicht ausgeübt hat. Weiterhin denkbar ist das Bestehen auf einer Information durch die Gesellschaft über den Zugang von Erklärungen über den Verzicht auf Vorzüge. Wer Anteile erwirbt 142  Es geht hier weniger darum, einen praxisgerechten Zeitpunkt zu finden, als um die Verdeutlichung des Grundgedankens. 143  S.  G .Bezzenberger, in: GK-AktG, §  141 Rn.  19.

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und auf solche Schutzmechanismen verzichtet, ist nicht schutzwürdig. Der Mehraufwand fällt angesichts der Tatsache, dass entsprechende Verträge ohne­ hin diverse Klauseln mit Zusicherungen und Nachweispflichten enthalten,144 kaum ins Gewicht. (2)  Börsennotierte Kapitalgesellschaften Anders ist dies bei börsennotierten Gesellschaften. Müssten die Nachfrager sich besonders absichern, weil sie mangels Kenntnis des Anteilsanbieters über Interna keine Möglichkeit der Nachprüfung haben, schädigte dies die Sicherheit und die Leichtigkeit des anonymen Börsenhandels. Doch lässt sich dieses Pro­ blem auffangen, indem die Zulässigkeit der optionalen Umwandlung davon ab­ hängig gemacht wird, dass diese Möglichkeit nur bis zu einem Börsengang be­ steht, dieser also zwingend die automatische Konversion auslöst. Jedenfalls in den USA enthalten die Wagniskapitalvereinbarungen häufig beide Bedingun­ gen, das heißt sowohl die Bestimmung über die automatische Umwandlung im Zuge eines Börsengangs als auch Klauseln zur optionalen Konversion.145 Fehlt es jedoch an einer solchen Begrenzung des Rechts zur Umwandlung, ist die Klausel angesichts der beschriebenen Gefahren unzulässig und mangels rechts­ geschäftlicher Gestaltungsmacht nichtig.146 Insoweit steht die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Anteilshandels entgegen. Abschließend sei darauf verwiesen, dass die optionale Konversion eine stark begrenzte Funktion hat:147 Verfügen die Vorzugsanteile neben den Präferenzen über reguläre Gewinnbezugsrechte pari passu mit den Stammeignern, handelt es sich also um teilnehmende Vorzugsaktien, führt die Ausübung einer solchen Klausel zu einem erheblichen wirtschaftlichen Verlust.148

2. Anteilsumtausch Der Anteilsumtausch in der Aktiengesellschaft, also die Hingabe der Vor­ zugsanteile im Tausch für Stammanteile, lässt sich kaum sinnvoll bewerkstelli­ gen. Voraussetzung für die Durchführung eines solchen Tausches ist, dass die Gesellschaft sich selbst Stammaktien in ausreichender Zahl beschafft. Der Er­ werb bereits existierender Anteile scheidet aufgrund der Schranke in §  71 Abs.  2

144  Genannt seien hier nur die Versicherung, dass der Veräußerer rechtmäßiger Inhaber der Anteile ist, Vertretungsnachweise, Vorlage von Urkunden über Abtretungen. Jedem Formu­ larbuch lassen sich weitere Vertragsklauseln entnehmen. 145  S.  oben 1. Teil B. §  2 IV.1., 2. 146  Zur Einordnung des §  23 Abs.  5 AkG als Grenze der rechtsgeschäftlichen Gestaltungsund Verfügungsmacht 2. Teil A.§  1.II.2.a)aa). 147  Vgl. zum Folgenden schon oben 1. Teil B. §  2 IV.1.b). 148  Hierzu bereits 1. Teil B. §  2 II.2.b), III.2.

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

S.  1 AktG als gangbarer Weg aus.149 Für neue Aktien müssten Kapitalerhö­ hungsmaßnahmen durchgeführt werden. Da der Umtausch auf Wunsch der Be­ rechtigten stattfinden soll, muss die Kapitalmaßnahme bereits beschlossen sein, damit der Umtausch nicht schon mangels „Vorrat“ scheitert. Entsprechende Möglichkeiten bieten zwar dem Grunde nach das bedingte und das genehmigte Kapital.150 Doch setzen diese jeweils die Aufbringung des geringsten Ausgabe­ betrages nach §  9 Abs.  1 AktG voraus. Das macht einen grundkapitalneutralen Tausch von alten Vorzugsanteilen gegen neu geschaffene Aktien unmöglich.151

3.  Kombination von Umwandlungsrechten und Call Optionen Im Schrifttum findet sich der Vorschlag, als Alternative zu einem Umtauschrecht den Inhabern von Vorzugsanteilen die Kombination aus einem Umwandlungs­ recht mit einer gegen die Stammaktionäre gerichteten Call Option zu gewäh­ ren.152 Im Zuge der Ausübung des Umwandlungsrechts entfielen die Vorzüge, aufgrund der Call Option ließen sich in wirtschaftlicher Hinsicht Preisanpas­ sungen verwirklichen.153 Gegen die Wirksamkeit dieser Lösung spricht nichts. Der Verweis auf Preisanpassungen verschleiert indes ein Stück weit die Funk­ tion der Konversionsrechte. Preisanpassungen sind im Zusammenhang mit der Verwässerung von Anteilswerten von Bedeutung, die dadurch entsteht, dass Investoren von der Warte einer späteren Runde aus betrachtet „zu viel“ für ei­ nen Anteil bezahlt haben, das heißt einen höheren Betrag als die neuen Kapital­ geber.154 Die Konversion hingegen hat zwar in gewisser Weise ebenfalls mit Verwässerungsschutz zu tun, doch liegen dem vollständig andere Bezugspunk­ te zugrunde. Deutlich wird das vor dem US-Gestaltungshintergrund: Die Konversionsrechte in den USA enthalten das Recht, einen Vorzugsanteil in mehrere Stammanteile umzuwandeln.155 Bei Non-participating Preferred Shares wird so der Verlust der Vorzüge ausgeglichen. Die Vergrößerung der Beteiligungsquote zu Lasten der Gründer, den bisherigen alleinigen Stamman­ teilseignern, kompensiert den Verlust des vorrangigen Erlöszugriffs.156 Gäbe es

149 

Baums/Möller, FS Buxbaum, S.  33, 57; Möller, S.  63. Problematik der Zweckbegrenzung beim bedingten Kapital gemäß §  192 Abs.  2 AktG kann hier ausgeblendet bleiben, weil eine solche Kapitalmaßnahme bereits aus anderen Gründen nicht in Betracht kommt. S.  dazu den Text. 151  Baums/Möller, FS Buxbaum, S.  33, 58; Möller, S.  6 4. 152  Baums/Möller, FS Buxbaum, S.  33, 58; Maidl/Kreifels, NZG 2003, 1091, 1093; Möller, S.  6 4 f. 153  Baums/Möller, FS Buxbaum, S.  33, 58; Möller, S.  6 4 f. 154  Ausführlich zum Verwässerungsschutz unten D. 155  1. Teil B. §  2 IV.1.b). 156  1. Teil B. §  2 IV.1.b)aa). 150 Die

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keine Verschiebung der Beteiligungsquote, erlitten die Investoren wirtschaftli­ che Nachteile, wie schon im ersten Teil erläutert wurde.157 Aus diesem Grund ist in Deutschland die hier erläuterte Lösung mit Call Optionen aus gestalterischer Sicht sogar sehr sinnvoll, sofern die Investoren über Vorzugsrechte verfügen, die im Zuge eines Börsenganges untergehen. Sol­ che Regelungen sind noch nicht einmal ansatzweise mit Hinauskündigungs­ klauseln zu vergleichen.158

II.  Anteilskonversion in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung Wie schon bei der Aktiengesellschaft ist angesichts der unterschiedlichen Mög­ lichkeiten der Gestaltung von Konversionsrechte als Anteilsumwandlung oder Anteilsumtausch eine diesbezüglich getrennte Darstellung angebracht. Zu­ nächst zur Anteilsumwandlung:

1. Anteilsumwandlung Für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung gelten, mutatis mutandis, die zur Aktiengesellschaft angestellten Überlegungen. Zunächst stellt sich nicht das Problem, den anonymen Anteilshandel an der Börse gewährleisten zu müs­ sen. Regelungen zur automatischen Konversion bei einem Börsengang sind hier irrelevant. Allenfalls ist das Problem zu bewältigen, eine solche Klausel im Zuge der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft zur Vorbereitung eines Börsengan­ ges zu vereinbaren.159 Die Problematik beschränkt sich damit auf die Frage, ob „Rechtssicherheit“ als Argument genügt, bedingte Satzungsklauseln zu untersagen. Die herrschende Meinung im Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haf­ tung zu Satzungsänderungen und §  53 GmbHG entspricht derjenigen zu §  179 AktG: Bedingte Satzungsänderungen sind nach ihr unzulässig.160 Als Begrün­ dung verweist diese Ansicht auf „Rechtssicherheit“.161 157 

S.  das Beispiel im 1. Teil B. §  2 IV.1.b)bb) am Ende. In der Sache wenig überzeugend deshalb Möller, S.  65, der freilich ebenfalls zum Ergeb­ nis kommt, dass die von ihm vorgeschlagene Lösung zulässig ist. 159 Vgl. Ziegert, S.  184. 160  Harbarth, in: MünchKommGmbHG, §  53 Rn.  168, 171; Priester, ZIP 1987, 280, 285; Priester/Veil, in: Scholz, §  53 Rn.  185; Ulmer, in: GK-GmbHG, §  53 Rn.  27. 161  Harbarth, in: MünchKommGmbHG, §  53 Rn.  168; Priester, ZIP 1987, 280, 285; Priester/Veil, in: Scholz, §  53 Rn.  185; Ulmer, in: GK-GmbHG, §  53 Rn.  27. Es wird bei Lektüre der einschlägigen Fundstellen nicht ganz deutlich, ob mit „bedingter Satzungsänderung“ nur die Verknüpfung des Wirksamwerdens der Satzungsänderung selbst gemeint ist oder, darüber hinausgehend, jede Möglichkeit einer bedingten Satzungsbestimmung. Im ersteren Fall wä­ ren bedingte Vorzüge zulässig. Für die Annahme, dass auch für §  53 GmbHG die weitere Aussage gilt spricht, dass als Nachweise durchgängig die aktienrechtlichen Kommentare zu §  179 AktG zitiert werden, die diese weitere Aussage zugrunde legen. 158 

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

Jedenfalls für die hier zu beurteilenden Umtauschregelungen vermag dies ebenso wenig wie bei der Aktiengesellschaft zu überzeugen. Der Käufer kann sich in ausreichender Weise schützen. Er hat zum einen ausreichende Informa­ tionsmöglichkeiten und ist zum anderen in der Lage, privatautonom für Schutz zu sorgen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass es keines zusätzlichen satzungsän­ dernden Gesellschafterbeschlusses bedarf, um die optionale Konversion durch­ zuführen.162 Die Vorzüge entfallen mit Eintritt der auflösenden Bedingung, also mit dem Verlangen des Berechtigten. Sollen den Vorzugseignern ihre Vor­ rechte nicht im Wege der Satzungsänderung genommen werden, liegt daher stets eine Zustimmung zur Rechtsänderung vor, die den Anforderungen des §  35 BGB analog entspricht.163

2. Anteilsumtausch Für den Anteilsumtausch gilt hinsichtlich seiner Durchführung im Wege einer Kapitalmaßnahme das, was für die Aktiengesellschaft gesagt wurde: Wegen der Notwendigkeit, den Mindestnennbetrag von einem Euro aufzubringen,164 kommen Kapitalmaßnahmen zur Durchführung eines Anteilsumtauschs nicht in Betracht.165 Grundsätzlich denkbar erscheint die Durchführung des Anteilsumtauschs, indem die Gesellschaft eigene Stammanteile erwirbt, um diese dann gegen die Vorzugsanteile der Investoren zu tauschen. §  33 GmbHG enthält keine dem §  71 Abs.  2 S.  1 AktG vergleichbaren Erwerbsgrenzen. Allerdings scheitert diese Lö­ sung in der Praxis daran, dass keine ausreichende Anzahl von Stammanteilen frei zur Verfügung steht. Vielmehr müsste die Gesellschaft diese von den Grün­ dern erwerben. Das führte immer dann, wenn die Investoren, bezogen auf die Gesamtmenge der Anteile, über die Anteilsmehrheit verfügen, zum vollständi­ gen Ausschluss der Stammeigner. Haben die Kapitalgeber mehr Vorzugsanteile als die Gründer Stammanteile, wäre Folge des „Umtausches“ vermittelt über den Zwischenerwerb der Gesellschaft, dass die Gründer ihre Mitgliedschafts­ rechte abgeben müssten, um den Investoren den Erwerb von Stammrechten zu ermöglichen.166 Dem werden die Gründer kaum zustimmen. 162 

So aber Möller, S.  96. Dies interpretiert Möller, S.  96, vor dem Hintergrund seiner Meinung, es bedürfe eines gesonderten Beschlusses, als weiteres Erfordernis. 164  Das ergibt sich mittelbar aus §  5 Abs.  2 S.  1 GmbHG und gilt auch für die Unternehmer­ gesellschaft, s. Schmitz, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, §  5a Rn.  10. 165  So im Ergebnis auch Möller, S.  95. 166  Vereinfachtes Beispiel: Es gibt insgesamt, das heißt unter Berücksichtigung von Vor­ zugsanteilen und Stammenteilen, 100 Anteile. Von diesen halten die Investoren 60 Vor­ zugsanteile, die Gründer 40 Stammanteile. Die Kapitalgeber haben ein Recht zum An­teils­ tausch, das technisch so abgewickelt wird, dass die Gründer verpflichtet sind, eine dem Um­ 163 

A.  Erlösbeteiligung der Investoren und Konversionsrechte

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Letztlich verbleibt damit für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung nur die bereits für die Aktiengesellschaft vorgeschlagene Lösung der Kombination einer Klausel zur Anteilsumwandlung mit einer gegen die Gründer gerichteten Call Option zu Gunsten der Investoren auf Übertragung einer bestimmten An­ zahl von Anteilen, die den Verlust der Vorzüge kompensiert.167

III. Ergebnisse Sowohl in der Aktiengesellschaft als auch in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung kommt die Regelung der Konversion von Vorzugsanteilen in Stamm­ anteile in Form von Umwandlungsklauseln in Betracht. Weder die automatische Umwandlung im Zuge eines Börsenganges noch die optionale Konversion ge­ fährdet die Funktion der Satzung, ausreichende Informationen über die Aus­ stattung der Anteile mit Rechten und Pflichten zu verschaffen. Bestimmungen zum Anteilstausch sind im deutschen Recht dagegen nicht sinnvoll umsetzbar, soweit der Tausch im Verhältnis Vorzugseigner – Gesellschaft durchgeführt werden soll. Als Ersatzkonstruktion bietet es sich an, ein Umwandlungsrecht mit einer gegen die Stammeigner gerichteten Call Option auf die Übertragung von Stammanteilen zu kombinieren.

tauschwunsch entsprechende Menge eigener (Stamm-)Anteile an die Gesellschaft zu übertragen, die diese Anteile anschließend an die Investoren abtritt. Wollen nun die Investo­ ren ihre Vorzugsanteile in Stammanteile umtauschen und kann dies nur erreicht werden, in­ dem die Gründer Stammanteile im Umfang des Tauschwunsches abgeben, sind die Gründer im Beispiel bereits dann nicht mehr Gesellschafter, wenn die Kapitalgeber 40 ihrer Anteile umtauschen wollen. 167  Möller, S.  96. S.  bei diesem aaO. auch die Hinweise zur praktischen Umsetzug der Klau­ sel.

B. Einflusssicherung Die Investoren sichern ihren Einfluss auf verschiedenen Wegen ab. Typische Vereinbarungsinhalte betreffen Stimmrechte (§  1), Informationsrechte (§  2), die Besetzung und Organisation des Aufsichtsrates (§  3), die Abberufung und Er­ nennung von Geschäftsleitungsmitgliedern (§  4) sowie Zustimmungsvorbehalte (Covenants, §  5).

§  1  Stimmrechte am Beispiel von Wagniskapitalvereinbarungen Die Bedeutung von Stimmrechten für die Mitglieder einer Kapitalgesellschaft bedarf keiner besonderen Erläuterung. Stimmrechte dienen dem Schutz der Mitgliedschaft hinsichtlich ihres Bestandes auf der einen und der Beeinflussung der Risikostruktur der Gesellschaft auf der anderen Seite. Im Kontext von Wagniskapitalfinanzierungen versuchen die Investoren, ihre gesetzlich bestehenden Rechte zu verstärken.168 So ist es in den USA üblich, die Preferred Shares der Kapitalgeber nicht mit einer Stimme pro Anteil auszustat­ ten, sondern mit mehreren nach Maßgabe der Zahl von Stammanteilen, die sie für die Umwandlung eines Vorzugsanteils erhalten („on an as-converted ba­ sis“).169 Weiterhin gehören gruppenbezogene Mehrheitserfordernisse, das soge­ nannte Class Voting, zum Standard der Vertragspraxis.170 Wegen §  12 Abs.  2 AktG scheidet eine direkte Übertragung dieser Lösung in die deutsche Gestaltungspraxis aus, soweit es um Aktiengesellschaften geht. Aus diesem Grund stellt sich die Frage nach möglichen Ersatzkonstruktionen (dazu I.). In der Gesellschaft mit beschränkter Haftung sperrt keine §  12 Abs.  2 AktG vergleichbare Norm den Gebrauch von Mehrfachstimmrechten, so dass mehr Gestaltungsoptionen zur Verfügung stehen (II.).

I. Aktiengesellschaft Vorzugsaktien dürfen zwar mit einem Stimmrecht ausgestattet werden (1.), nicht aber, wie eingangs schon gezeigt, mit Mehrfachstimmrechten. Höchst­ 168 

Hierzu bereits 1. Teil B. §  3 I.1. Oben 1. Teil B. §  3 II.1.b)aa). 170  1. Teil B. §  3 II.1.b)bb). 169 

B. Einflusssicherung

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stimmrechte und Sonderbeschlussanforderungen bieten nur in Grenzen ad­ äquaten Ersatz (2.). Die Gestaltungsaufgabe besteht deshalb darin, schuldrecht­ liche Ersatzkonstruktionen zu finden (3.). Gruppenbezogene Stimmrechte sind dagegen grundsätzlich zulässig (4.).

1.  Vorzugsaktien mit Stimmrecht Bereits die Formulierung von §  139 Abs.  1 AktG zeigt, dass Vorzugsaktien nicht notwendig ohne Stimmrecht gewährt werden müssen. Die Vorschrift gestattet den Stimmrechtsausschluss, zwingt aber nicht dazu.171 Vorzugsaktien mit Stimmrecht fallen lediglich nicht unter das Reglement der §§  139 ff. AktG.172 Damit ist es ohne weiteres möglich, den Investoren wie in den Vereinigten Staa­ ten sowohl Dividenden- und Liquidationspräferenzen als auch Stimmrecht zu gewähren. Das entscheidende Gestaltungsproblem besteht darin, Stimmrechte wie in den USA auf „as-converted basis“ zu gestalten.

2.  Das Verbot von Mehrfachstimmrechten als Gestaltungshindernis Stimmrechte auf einer satzungsmäßig fixierten „as-converted basis“ nach dem Vorbild der US-amerikanischen Gestaltungspraxis unterbindet §   12 Abs.   2 AktG. Die Gewährung von Stimmrechten nach Maßgabe der zukünftig gehal­ tenen Stammaktien ändert nichts daran, dass die Investoren aktuell mehr Stimmrechte erhielten, als die Zahl ihrer Anteile betrüge. In gewissem Umfang nachbilden lassen sich Mehrfachstimmrechte im deut­ schen Recht mittels Höchststimmrechten, indem nicht die Inhaber einer Ak­ tiengattung mehr Rechte erhalten, sondern der Umfang der Rechte anderer Ak­ tionäre beschränkt wird.173 §  134 Abs.  1 S.  2 AktG erlaubt solche Höchststimm­ rechte in nicht börsennotierten Aktiengesellschaften. Allerdings zieht §  134 Abs.  1 S.  6 AktG der Gestaltung Grenzen. Danach wir­ ken die Stimmrechtsbeschränkungen nicht bei der Berechnung von Kapital­ mehrheiten. Zwar lässt sich dies in gewissem Umfang durch satzungsmäßige Sonderregeln auffangen. So erlaubt §  179 Abs.  2 S.  2 AktG für Satzungsände­ rungen und §  182 Abs.  2 S.  3, Abs.  1 S.  2 AktG für die Kapitalerhöhung gegen Einlagen, die Kapitalmehrheit niedriger als drei Viertel des Grundkapitals an­ zusetzen. Doch gerade die aus Investorensicht wichtigen Vorschriften zum Be­ zugsrechtsausschluss und zur Ermächtigung für ein genehmigtes Kapital ent­

171  Bormann, in: Spindler/Stilz, §  139 Rn.  1; Hüffer/Koch, §  139 Rn.  4; Volhard, in: Münch­ KommAktG, §  139 Rn.  7. 172  Bormann, in: Spindler/Stilz, §  139 Rn.  1; Hüffer/Koch, §  139 Rn.  4; Volhard, in: Münch­ KommAktG, §  139 Rn.  7. 173  Baums, AG 1990, 21, 223.

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

halten zwingende Mehrheitserfordernisse, die keiner Absenkung zugänglich sind (§§  186 Abs.  3 S.  3, 202 Abs.  2 S.  3 AktG).174 Im Übrigen ist zu bedenken, dass eine vollständige Ausnutzung sämtlicher Abweichungsmöglichkeiten, die das Aktiengesetz zur Verfügung stellt, Anlass gäbe, über den Vorwurf nachzudenken, das Verbot von Mehrfachstimmrechten würde umgangen.175 Das gilt insbesondere deshalb, weil das Gesetz für den ein­ zig zulässigen Fall des Stimmrechtsausschlusses in den §§  139 ff. AktG besonde­ re Sicherungsmechanismen vorsieht.176

3.  Stimmbindungsvereinbarungen auf „as-converted basis“ Scheidet die Ausgestaltung von Stimmrechten auf „as-converted basis“ nach US-amerikanischem Vorbild aus, was die Gestaltung der Mitgliedschaftsrechte angeht, kommt eine schuldrechtliche Ausweichstrategie in Betracht. Denkbar ist, im Wege einer Stimmrechtsvereinbarung zwischen Gründern und Kapital­ gebern die Ausübung von Stimmrechten so zu regeln, dass das Stimmgewicht für die Abstimmungen auf Ebene der Beteiligungsvereinbarung auf einer „as-converted basis“ verteilt ist. Sind die Gründer, wie bei solchen Poolverein­ barungen üblich, an die so gefassten Beschlüsse hinsichtlich der Entscheidungs­ findung in der Hauptversammlung gebunden, lassen sich Effekte erzielen, die denen von Höchststimmrechten gleichkommen.177 Im Zusammenhang mit der Umgehung qualifizierter Beschlusserfordernisse im Aktienrecht durch Poolvereinbarungen hat ein Teil der Literatur allerdings geltend gemacht, dies beeinträchtige den Schutz von Minderheitsgesellschaftern in unzulässig starker Weise.178 Die aktienrechtlichen Vorgaben strahlten auf die schuldrechtliche Ebene aus.179 Dieser Gedanke ließe sich über Vorschriften zu Mehrheiten hinaus fortführen und auf §  12 Abs.  2 AktG beziehen: Ist Erhaltung von Mitbestimmungsmöglichkeiten zu Gunsten von Minderheitsaktionären das maßgebliche Argument, aktiengesetzliche Vorgaben zur Beschlussfassung auf schuldrechtliche Vereinbarungen zu übertragen, muss dies konsequenter­ weise für die Einräumung überproportionalen Stimmgewichts zu Gunsten ei­ ner Partei gelten.180

174 

Weitere Grenzen nennt Baums, AG 1990, 221, 225. Baums, AG 1990, 221, 224. 176  Baums, AG 1990, 221, 231. 177 Vor allem dann, wenn es keine weiteren Aktionäre gibt, die außerhalb der Stimm­ rechtsvereinbarung zwischen Gründern und Kapitalgebern stehen. 178  Habersack, ZHR 164 (2000), 1, 16 ff.; Enzinger, in: MünchKommHGB, §  119 Rn.  37; Pentz, in: MünchKommAktG, §  23 Rn.  195. 179  Habersack, ZHR 164 (2000), 1, 16; Enzinger, in: MünchKommHGB, §  119 Rn.  37; Pentz, in: MünchKommAktG, §  23 Rn.  195. 180  C.Schäfer, ZGR 2009, 768, 784. 175 

B. Einflusssicherung

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Für schuldrechtliche Konstruktionen, die der Einführung von Stimmbin­ dungsvereinbarungen zur Umsetzung einer Abstimmung auf „as-converted basis“ dienen, sind beide Aspekte von Relevanz. Die Einführung eines Mehr­ fachstimmrechts auf schuldrechtlicher Ebene geht damit einher, die Kapital­ mehrheiten anders zu bestimmen als vom Aktiengesetz in §  134 Abs.  1 S.  6 vor­ gesehen und so mittelbar die Mehrheitsanforderungen für bestimmte Maßnah­ men zu unterlaufen. Die Zulässigkeit solcher Gestaltungen ist zum einen mit Rücksicht auf den Regelungszweck von §  12 Abs.  2 AktG zu erläutern (dazu a]), zum anderen bezogen auf die Reichweite aktiengesetzlicher Mehrheitserforder­ nisse (unten b]). a)  Kein Unterlaufen des Schutzzwecks von §  12 Abs.  2 AktG Die endgültige Abschaffung von Mehrfachstimmrechten durch das „Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich“ wurde damit begründet, Mehrfachstimmrechte entsprächen nicht den Erwartungen des Kapitalmarktes an die Geltung des Prinzips „eine Stimme pro Anteil“ und schwächten die Eigen­tümer­kontrolle.181 Im Unterschied zu Vorzugsaktien ohne Stimmrecht, deren Struktur durch das Gesetz vorgezeichnet sei, könnten die Anleger die Existenz von Mehrfachstimmrechten nicht sinnvoll über Preisabschläge be­ rücksichtigen.182 Dies mag auf börsennotierte Gesellschaften zutreffen.183 Für geschlossene Kapitalgesellschaften gilt dies jedoch nicht.184 Wenn es keinen freien Anteils­ markt gibt und vor einem Beitritt zur Gesellschaft die Möglichkeit besteht, ohne größeren Aufwand und signifikante Verzögerung der Transaktion in die Satzung Einblick zu nehmen, ist die Gefahr deutlich geringer, von einer verän­ derten Abstimmungsstruktur „überrascht“ zu werden. Dementsprechend er­ kennt die allgemeine Ansicht im Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haf­ tung die Möglichkeit an, Mehrfachstimmrechte einzuräumen.185 Nun bezieht sich der vorgenannte Einwand auf die Satzungsgestaltung. Aus­ zuräumen bleibt das Gegenargument, die „Überraschung“ trete bei einer schuld­rechtlichen Regelung erst recht ein. Denn der Anteilserwerber gehe ange­ sichts von §  12 Abs.  2 AktG von gleich verteilten Stimmrechten aus. Die ver­ 181 

Begründung des Regierungsentwurfs vom 28.01.1998, BT-Dr. 13/9712, S.  12. Begründung des Regierungsentwurfs vom 28.01.1998, BT-Dr. 13/9712, S.  12. 183 Prononciert Heider, in: MünchKommAktG, §  12 Rn.  46. Zur parallel gelagerten Frage der Höchststimmrechte auch Baums, AG 1990, 221, 226. Skeptisch dagegen Peltzer, AG 1997, Sonderheft August 1997, 90, 98. 184  Baums, AG 1997, Sonderheft August 1997, 26, 36; Hüffer/Koch, §  12 Rn.  10. 185  OLG Frankfurt am Main, GmbHR 1990, 79, 80; BayOblG, NJW-RR 1986, 713, 714; Drescher, in: MünchKommGmbHG, §  47 Rn.  124; Hüffer/Schürnbrand, in: GK-GmbHG, §  47 Rn.  97; Roth, in: Roth/Altmeppen, §  47 Rn.  24; K.Schmidt, in: Scholz, §  47 Rn.  10; Teichmann, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, §  47 Rn.  21. 182 

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

deckte Regelung in einer Nebenabrede verschleiere die tatsächlichen Verhält­ nisse in der Gesellschaft. Diese Kritik trägt jedoch nicht. Da die schuldrechtliche Vereinbarung über die veränderten Stimmgewichte allein die Parteien des Vertrages trifft, erhält der Neuerwerber „volles“ Stimmrecht. Seine Abstimmungsmacht ist im Ver­ hältnis zu anderen Anteilseignern unbelastet. Anderes gilt nur, falls er sich nach Aufklärung über die Existenz der Stimmbindungsvereinbarung ihr freiwillig unterwirft. Hinzu kommt, dass selbst diejenigen, deren Rechte gebunden sind, eine bessere Position innehaben als die Aktionäre in einer Gesellschaft, die An­ teile mit Mehrfachstimmrechten ausgibt. Während die Mehrstimmrechte nicht einseitig von der benachteiligten Seite abgeschafft werden können (§  179 Abs.  3 AktG), bleibt den lediglich in einer Nebenabrede Gebundenen zumindest die Möglichkeit, diese nach §  723 Abs.  1 S.  2, Abs.  3 BGB außerordentlich zu kündi­ gen, wenn die anderen Gesellschafter ihre Rechte zur gezielten Beeinträchti­ gung anderer nutzen.186 Zudem ändert die Stimmbindungsvereinbarung nichts am Umfang der gesellschaftsrechtlichen Treuebindung der Inhaber der vertrag­ lich begründeten überproportionalen Stimmrechte.187 b)  Kein Unterlaufen aktiengesetzlicher Mehrheitserfordernisse Vereinbaren die an der Stimmbindungsvereinbarung Beteiligten, die Stimm­ rechte im Sinne einer „as-converted basis“ zu Gunsten der Investoren zu vertei­ len, umgehen sie die aktienrechtlichen Mehrheitserfordernisse. Das zeigt sich etwa beim Bezugsrechtsausschluss: Der Beschluss über den Ausschluss des Be­ zugsrechts bedarf nach §  186 Abs.  3 S.  2 AktG einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfasst. Sind die Gründer verpflichtet, in der Hauptversammlung so abzustimmen, wie es dem Abstimmungsergebnis auf der Ebene der Gesellschaft bürgerlichen Rechts entspricht, und verfügen die Kapitalgeber dort gemäß der vertraglichen Abrede zum Beispiel bei einem Kapitalanteil von 60% über Stimmrechte im Umfang von 80%, läuft §  186 Abs.  3 S.  2 AktG leer. Wie bereits vor a) beschrieben, hält ein Teil der Literatur im vergleichbaren Fall der Vereinbarung von vom Aktiengesetz abweichenden Mehrheitserforder­ nissen die schuldrechtliche Abrede für unzulässig.188 Drei Aspekte sind hier von 186  Zu Mehrheitsklauseln ähnlich BGHZ 179, 13, 25 Tz 24. Zur Einordnung von Beteili­ gungsvereinbarungen als Vertrag über eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oben 2. Teil A. §  2 II. 187  Zu Mehrheitsklauseln ähnlich BGHZ 179, 13, 25 Tz 25. Zum fehlenden Einfluss von Nebenabreden auf die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht oben 2. Teil C. §  2 II.2. 188  Habersack, ZHR 164 (2000), 1 ff.; Pentz, in: MünchKommAktG, §  23 Rn.  195. Anders die herrschende Meinung: BGHZ 179, 13, 19 Tz 13 ff.; C.Schäfer, ZGR 2009, 768, 781 ff.; König, ZGR 2005, 417, 421 ff.; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S.  207 ff.; Odersky, FS Lut­ ter, S.  557, 559 f.; K.Schmidt, ZIP 2009, 737, 742 f.; Zöllner, FS Ulmer, S.  725, 729 ff.

B. Einflusssicherung

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Bedeutung: Der Minderheitenschutz (aa]), Treuepflichten und Beschluss­kon­ trolle als Grenzen von Mehrheitsmacht (bb]) sowie die Sicherung der Funk­ tions­fähigkeit der Gesellschaft (cc]). aa) Minderheitenschutz Der Gedanke des Minderheitenschutzes189 spricht nicht gegen die Zulässigkeit der schuldrechtlichen Vereinbarung. Das ergibt sich nicht bereits aus dem Ein­ wand, schon der Verweis darauf, die Minderheitsaktionäre verzichteten auf ih­ ren Schutz, sei schief.190 Wenn gesetzliche Quoren auch keine fixen Minderhei­ tenrechte zu Gunsten individueller Mitglieder festlegen,191 sondern lediglich eine in ihrer Zusammensetzung nicht näher bestimmte und der gesetzlichen Konzeption nach nicht feste Anteilseignergruppe betreffen, liegt die Sache in der Praxis doch häufig anders, insbesondere in geschlossenen Gesellschaften: Existieren mehrere beständige Blöcke, gewinnen die Abstimmungsregelun­ gen des Aktiengesetzes faktisch die Bedeutung, bestimmten Gesellschaftern eine Möglichkeit einzuräumen, von der Mehrheit angestrebte Maßnahmen kraft Sperrminorität beeinflussen zu können. Verpflichten sich in einer solchen Situation sämtliche Minderheitseigner dazu, in der Hauptversammlung nach Maßgabe der – allein in der Hand der Mehrheit liegenden – Entscheidungen in der Personengesellschaft abzustimmen, verlieren sie den Schutz, den das Gesetz ihnen gewährt.192 Das kommt einem Verzicht im technischen Sinne zumindest sehr nahe. Grundsätzlich gilt zudem, dass Gesellschafter nicht dauerhaft für eine unbestimmte Anzahl von nicht näher definierten Fällen in der Zukunft unbeschränkt auf wesentliche mitgliedschaftliche Rechte verzichten können sollten.193 Doch lässt sich hieraus kein Argument gegen die in Rede stehenden Verträge ableiten.194 Der entscheidende Unterschied liegt darin, dass die Bindung im Personenge­ sellschaftsvertrag und damit die Beschränkung der Gesellschafterrechte nicht endgültig ist. Der Vertrag kann, worauf bereits oben unter a) verwiesen wurde, nach §  723 Abs.  1 BGB gekündigt werden. Die Wiederherstellung der eigenen Rechte hängt also nicht von der Mitwirkung der übrigen, bislang begünstigten Anteilseigner ab. Das ist etwa bei einer vom Gesetz abweichenden Ausgestal­ tung von Mitgliedschaftsrechten anders.195

189 

Zum Minderheitenschutz durch erhöhte Quoren König, ZGR 2005, 417, 428. Zöllner, FS Ulmer, S.  725, 743, gegen Habersack, ZHR 164 (2000), 1, 16 f. 191  C.Schäfer, ZGR 2009, 768, 779; Zöllner, FS Ulmer, S.  725, 743. 192  In eine ähnliche Richtung gehend wohl auch K.Schmidt, ZIP 2009, 737, 743. 193  Am Beispiel der Treuepflicht 3. Teil B. §  3 V. 194  Zöllner, FS Ulmer, S.  725, 743; Anders Habersack, ZHR 164 (2000), 1, 16 f. 195  Ausführlich zu diesem Problem im Zusammenhang mit der Frage nach der Abdingbar­ keit der Treuepflicht 3. Teil B. §  3 V. 190 So

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

Außerdem ist ein weiterer Gesichtspunkt zu berücksichtigen: Selbst diejeni­ gen, die schuldvertragliche Regelungen zu Abstimmungsmehrheiten für unzu­ lässig halten, können die Aktionäre nicht zwingen, an der Hauptversammlung teilzunehmen und dort ihre Stimmrechte auszuüben. Bleiben die Gesellschaf­ ter, die „an sich“ einem Vertrag über Quoren zustimmen würden, der Abstim­ mung fern, vermögen sie durch Verhaltensanpassung den Effekt zu erzielen, den eine vertragliche Klausel hätte. Da die besonderen Abstimmungserfordernisse an das „bei der Beschlussfassung vertretene Grundkapital“ anknüpfen,196 kann die Mehrheit selbst dann entscheiden, wenn der tatsächlich bei der Beschlussfas­ sung vertretene Teil des Grundkapitals kleiner ist als drei Viertel des gesamten Grundkapitals. bb)  Treuepflichten und Beschlusskontrolle Schließlich begrenzen gesellschaftsrechtliche Treuepflichten die Wirkung der Mehrheitsbestimmung in den schuldvertraglichen Abreden zwischen Investo­ ren und Gründern. Die korporationsrechtliche Beschlusskontrolle sichert die Minderheit zumindest gegen gezielte Beeinträchtigungen ihrer Position.197 Selbst wer eine Treuepflicht zwischen Aktionären ablehnt, muss sich in der hier relevanten Konstellation damit auseinandersetzen, dass jedenfalls auf Ebene der Gesellschaft bürgerlichen Rechts Treuepflichten zwischen den Gesellschaftern bestehen, die zugleich Mitglieder der Aktiengesellschaft sind. Nutzt die Mehrheit die Rechte, die ihr kraft Personengesellschaftsvertrag zu­ stehen, zur Benachteiligung der Minderheit, stellt das unter Umständen einen Verstoß gegen den Zweck der schuldrechtlichen Vereinbarung dar. Deren Ziel ist es gerade, die Ausübung der Rechte in der Kapitalgesellschaft sinnvoll zu regeln. Bedienen sich die Begünstigten ihrer Rechte nicht dazu, die Kapitalge­ sellschaft sich verändernden wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen, son­ dern etwa allein mit der Absicht, die übrigen Anteilseigner aus der Gesellschaft zu drängen, stellt dies einen Verstoß gegen die personengesellschaftsrechtlichen Treuepflichten dar. cc)  Sicherung der Funktionsfähigkeit der Gesellschaft Sprechen somit keine entscheidenden Argumente gegen die Zulässigkeit schuld­ recht­licher Vereinbarungen zu Mehrheitserfordernissen, kann zu Gunsten der Rechtmäßigkeit solcher Maßnahmen abschließend darauf verwiesen werden, 196  Beispiele: §§  52 Abs.  5 S.  1, 129 Abs.  1 S.  1, 179 Abs.  2 S.  1, 182 Abs.  1 S.  1, 186 Abs.  3 S.  2 , 193 Abs.  1 S.  1, 202 Abs.  2 S.  2, 221 Abs.  1 S.  2, 222 Abs.  1 S.  1, 262 Abs.  1 Nr.  2, 274 Abs.  1 S.  2 AktG. 197  BGHZ 179, 13, 25 Tz 25. Zu weitgehend C.Schäfer, ZGR 2009, 768, 781 f., der von einer Vermutung der Treuwidrigkeit von Beschlüssen ausgeht, die sich auf Strukturveränderungen in der Hauptgesellschaft richten.

B. Einflusssicherung

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dass sie unter Umständen die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft sichern: Vor­ schriften zu qualifizierten Quoren führen unter Umständen dazu, dringende Strukturveränderungen zu erschweren, weil die Minderheit sie blockiert.198 Sperren sich beispielsweise die Gründer gegen von den Kapitalgebern ange­ strebte ökonomisch sinnvolle Maßnahmen wie eine Kapitalerhöhung unter Be­ zugsrechtsausschluss zu Gunsten eines neuen Investors, die bei mangelndem Erfolg das Überleben der Gesellschaft sichern, bieten im Vorhinein getroffene Absprachen die Chance, notwendige Anpassungen vorzunehmen.

4.  Besondere Mehrheitserfordernisse nach Gruppen (Class Voting) Das Aktiengesetz sieht für einige wesentliche Entscheidungen bereits vor, dass Beschlüsse der Hauptversammlung der besonderen Zustimmung bestimmter Aktionärsgruppen bedürfen. Gemäß §  179 Abs.  3 S.  2 AktG ist etwa zur Abän­ derung von Rechten einer gesonderten Aktiengattung ein Sonderbeschluss der benachteiligten Aktionäre erforderlich. Sonderbeschlüsse sind weiterhin not­ wendig für fast alle Kapitalmaßnahmen.199 §  138 S.  1 AktG geht davon aus, dass in der Satzung weitere Sonderbeschlüsse vorgeschrieben werden dürfen. Doch hat das angesichts von §  23 Abs.  5 S.  1 AktG nur eingeschränkte Bedeutung. Lässt das Aktiengesetz die Beschlussfas­ sung mit einfacher Mehrheit zu, darf nach einhelliger Ansicht die Satzung diese Anforderungen nicht verschärfen, falls nicht besondere Ausnahmen erlaubt sind.200 §  138 S.  1 AktG gestattet nicht, Mehrstimmrechte „durch die Hinter­ tür“ einzuführen.201 Soweit das Gesetz zugesteht, „weitere Erfordernisse“ der Beschlussfassung in der Satzung festzulegen, 202 müssen diejenigen, denen ein Sonderbeschluss vor­ behalten ist, genau bezeichnet und anhand besonderer Merkmale von anderen Aktionären abgrenzbar sein.203 Das setzt in der Regel voraus, dass die Berech­ tigten Inhaber einer besonderen Anteilsgattung sind.204

198 

Zöllner, FS Ulmer, S.  725, 746. Abs.  2 S.  2, 193 Abs.  1 S.  3 i.V.m. 182 Abs.  2 S.  2, 202 Abs.  2 S.  4 i.V.m. 182 Abs.  2 S.  2, 221 Abs.  1 S.  4 i.V.m. 182 Abs.  2 S.  2, 222 Abs.  2 S.  2, 229 Abs.  3 i.Vm. 222 Abs.  2 S.  2, 237 Abs.  2 S.  1 i.V.m. 222 Abs.  2 S.  2. Keines Sonderbeschlusses bedarf es für die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, vgl. §  207 Abs.  2 und M.Arnold, in: MünchKommAktG, §  207 Rn.  15. 200  G.Bezzenberger, in: GK-AktG, §   138 Rn.  13; Volhard, in: MünchKommAktG, §  138 Rn.  18. Beispiel: §  113 Abs.  1 S.  4 AktG. 201  G.Bezzenberger, in: GK-AktG, §  138 Rn.  13. 202  Etwa in §  186 Abs.  3 S.  3 AktG. 203  G.Bezzenberger, in: GK-AktG, §   138 Rn.  14; Volhard, in: MünchKommAktG, §  138 Rn.  18. 204 Vgl. G.Bezzenberger, in: GK-AktG, §   138 Rn.  13; Volhard, in: MünchKommAktG, §  138 Rn.  18. 199  §§  182

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

In der Gesamtschau dürften die meisten Entscheidungsgegenstände, die in den Vereinigten Staaten einen Sonderbeschluss der Vorzugseigner vorausset­ zen, auch nach dem deutschen Aktienrecht der Voraussetzung eines Sonderbe­ schlusses von Vorzugsaktionären unterworfen werden können.205 Verzichten die Investoren darauf, sich Aktien einer besonderen Gattung im Sinne von §  11 S.  2 AktG ausgeben zu lassen, bleibt ihnen allerdings nur der Weg schuldrecht­ licher Nebenabreden, um ein dem Class Voting ähnelndes Entscheidungsver­ fahren zu sichern. Insoweit ist auf die Überlegungen zu verweisen, die im vor­ angegangenen Abschnitt zur Regelung von Stimmrechten in Nebenvereinba­ rungen angestellt wurden.

II.  Gesellschaft mit beschränkter Haftung In der Gesellschaft mit beschränkter Haftung dürfen die Gesellschafter nach allgemeiner Ansicht Mehrstimmrechte vereinbaren.206 Genauso ist es zulässig, Mehrheitserfordernisse zu verschärfen.207 Sonderrechte zu Gunsten einzelner Mitglieder sind daher unproblematisch.208 Das im Zusammenhang mit der Aktiengesellschaft vorgetragene Argument der Unzulässigkeit eines dauerhaften Rechtsverzichts für eine unbestimmte Anzahl von Fällen 209 trägt hier gleichfalls nicht, obwohl die entsprechenden Regelungen sogar die Ausgestaltung der Mitgliedschaftsrechte betreffen. Denn die konkreten Auswirkungen – Beeinträchtigung des Stimmrechts einer Seite – sind sofort sichtbar. Außerdem weiß jeder Gesellschafter von vornherein, welche Rechte er hat, die betroffenen Gründer sind an der Entscheidung beteiligt. Das ist ein Unter­ schied zu der Situation, die bei der Einführung des Verbotes von Mehrstimm­ rechten gemäß §  12 Abs.  2 AktG angeführt wurde. Es gibt keinen anonymen Markt für Anteile an Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Hinzu kommt, dass auch in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung die Treuepflicht und die materielle Beschlusskontrolle als Außengrenzen sicher­ stellen, dass gesellschaftsvertragliche Rechte nicht zur gezielten Beeinträchti­ gung von Minderheitenpositionen durchgeführt werden können, wenn ihnen kein anderer Zweck als eben dieser zugrunde liegt.210 205 

Für strukturverändernde Maßnahmen s. G.Bezzenberger, in: GK-AktG, §  138 Rn.  15. Frankfurt am Main, GmbHR 1990, 79, 80; BayOblG, NJW-RR 1986, 713, 714; Drescher, in: MünchKommGmbHG, §  47 Rn.  124; Hüffer/Schürnbrand, in: GK-GmbHG, §  47 Rn.  97; Roth, in: Roth/Altmeppen, §  47 Rn.  24; K.Schmidt, in: Scholz, §  47 Rn.  10; Teichmann, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, §  47 Rn.  21. 207  Drescher, in: MünchKommGmbHG, §   47 Rn.   125; Hüffer/Schürnbrand, in: GK-­ GmbHG, §  47 Rn.  21; K.Schmidt, in: Scholz, §  47 Rn.  10. 208  Dies. aaO. 209  Oben I.3.b)aa). 210  Zur Beschlusskontrolle in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung etwa Harbarth, 206  OLG

B. Einflusssicherung

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III. Ergebnisse In der Aktiengesellschaft lassen sich wie in den USA Vorzugsanteile mit Stimm­ recht schaffen. Die weitergehende Ausstattung solcher Aktien mit einem Stimmrecht auf „as-converted basis“ scheitert allerdings am in §  12 Abs.  2 AktG verankerten Verbot von Mehrfachstimmrechten. Diesbezüglich kommen je­ doch schuldrechtliche Regelungen in Betracht, die einen ähnlichen Effekt ha­ ben. Sonderbeschlussrechte der Investoren (Class Voting Rights) erlaubt das Aktiengesetz in weitem Umfang, vorausgesetzt, die Investoren verfügen über eine besondere Gattung von Aktien. In der Gesellschaft mit beschränkter Haftung sind alle diese Regeln in vollem Umfang zulässig.

§  2  Informationsrechte am Beispiel von Wagniskapitalvereinbarungen Über die Notwendigkeit – und Rechtfertigung – individueller Informations­ rechte von Gesellschaftern in der Kapitalgesellschaft besteht heute Einigkeit. Zwar sahen ursprünglich weder das Aktiengesetz noch das GmbHG einen indi­ viduellen Auskunftsanspruch zu Gunsten der Mitglieder vor, entsprechende Normen traten erst im Zuge der Aktiennovelle 1937 und der GmbH-Novelle 1980 in Kraft.211 Der Bundesgerichtshof hat allerdings bereits 1954 ein Informa­ tionsrecht für Eigner von Anteilen an einer Gesellschaft mit beschränkter Haf­ tung anerkannt.212 Heute gelten Auskunfts- und Einsichtsrechte als zwingend erforderliche „mitgliedschaftliche Grundrechte“213, die das Bundesverfassungs­ recht in den Schutzbereich des Art.  14 Abs.  1 GG einordnet.214 Auch in den USA sind Einsichts- und Auskunftsrechte zwingend ausgestaltet.215 §  220 DGCL in: MünchKommGmbHG, §  53 Rn.  105 f.; Ulmer, in: GK-GmbHG, §  53 Rn.  99 ff.; Winter, S.  135 ff. 211 Zur Aktiengesellschaft und der Rechtsprechung des Reichsgerichts Decher, in: GKAktG, §  131 Rn.  1 ff.; zur Gesellschaft mit beschränkter Haftung Hüffer/Schürnbrand, in: GK-GmbHG, §  51a Rn.  2. 212  BGHZ 14, 53, 55 ff. 213  Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, §  7 II.2.a)aa) (S.  374). Zur Ratio individueller Infor­ mationsrechte in der Publikumsgesellschaft (bezogen auf die Hauptversammlungs- und Aus­ kunftspublizität nach §  131 AktG) Merkt, Unternehmenspublizität, S.  257 ff. mit weiteren Nachweisen. 214  BVerfG NJW 2000, 349, 350. 215 Daher ist der Hinweis in der deutschen Literatur zu §   131 AktG trügerisch, das „US-amerikanische Recht“ enthalte „traditionell keinen ausdrücklichen Auskunftsan­ spruch“ (so Siems, in: Spindler/Stilz, §  131 Rn.  9; Decher, in: GK-AktG, §  131 Rn.  81 ff., stellt die Lage deutlich differenzierter dar, als Siems aaO. in Fußnote 36 suggeriert; das Gleiche gilt für den von Siems an derselben Stelle aufgeführten Aufsatz von Witt, AG 2000, 257, 258 ff.). Das gilt erst recht, wenn die kapitalmarktrechtlichen Offenlegungspflichten berücksichtigt

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

regelt die „Inspection of books and records“.216 Gemäß §  305(g) DLLC Act können in der Delaware Limited Liability Company diese Rechte zwar „res­ tricted“ werden. Ein vollständiger Ausschluss dürfte jedoch ebenfalls unzuläs­ sig sein.217 Rechtsprechung hierzu fehlt allerdings.218 Eine nähere Begründung der Rechtfertigbarkeit zwingender Informations­ rechte für Gesellschafter in Kapitalgesellschaften ist daher an dieser Stelle ent­ behrlich. In der Praxis spielen zwei Aspekte eine tragende Rolle: Die Beschrän­ kung von Auskunftsrechten unter Sachgesichtspunkten hinsichtlich ihrer ­Ausübung und die Ausweitung der gesetzlich vorgesehenen Informationsmög­ lichkeiten. Der zweite Aspekt ist der für Wagniskapitalfinanzierungen ent­ scheidende und steht daher im Folgenden im Vordergrund. Zunächst werden kurz die in typischen Gestaltungen vorzufindenden Vereinbarungen zu Infor­ werden, wie sie die Börsen zum Teil selbst festlegen (vgl. Decher, in: GK-AktG, §  131 Rn.  82; Witt, AG 2000, 257, 260 f.). 216  Zur Unabdingbarkeit Marmon v. Arbinet-Thexchange, Inc., 2004 WL 936512, 5 (Del. Ch. 2004) – Abbedingung im Certificate of Incorporation; State ex rel. Miller v. Loft, Inc., 156 A. 170 (Del. Super. Ct. 1931) – Abbedingung in einem Bylaw. S.  auch Loew’s Theatres, Inc. v. Commercial Credit Co., 243, A.2d 78, 81 (Del.Ch. 1968), wonach eine Klausel in der Cor­ porate Charter, die das Kontrollrecht an eine Mindestbeteiligung von 25% knüpft, wegen Verstoßes gegen §  220 DGCL unwirksam ist. 217  Dafür sprechen zwei Argumente: Zunächst wurden Auskunfts- und Einsichtsrechte im Gesellschaftsrecht des Staates Delaware vor Inkrafttreten von entsprechenden gesetzlichen Regelungen als Common Law-Grundsätze betrachtet, s. State ex rel. Miller v. Loft, Inc., 156 A. 170, 172 (Del. Super. Ct. 1931). Außerdem legt die Art und Weise der Formulierung im Gesetz das im Text vertretene Ergebnis nahe: Dürfen Rechte vollständig ausgeschlossen oder abweichend vom gesetzlichen Standard eingeräumt werden, wird dies üblicherweise durch die Wendung „may provide that“ angezeigt (Vgl. etwa §  302(a) DLLC Act, letzter Satz: „A limi­ ted liability company agreement may provide that any member or class or group of members shall have no voting rights.“; §  602 DLLC Act, zweiter Satz: „A limited liability company agreement may provide that a manager shall not have the right to resign as a manager of a li­ mited liability company.“ [Kursivsetzung jeweils hinzugefügt]). Wenn also nur eine Regelung möglich ist, die ein Recht „restricted“, ist die Unzulässigkeit des vollständigen Rechtsaus­ schlusses anzunehmen. 218  Dem Verfahren in Travel Centers of America, LLC v. Brog, 2008 WL 868107 (Del.Ch. 2008), lag zwar ein Ausschlusssachverhalt zugrunde; die Kläger scheiterten allerdings schon daran, dass sie in der Vergangenheit kein ausreichendes Interesse an dem Informationszugang gezeigt hatten, so dass das Gericht mit Verweis auf eine Art widersprüchliches Verhalten die Klage abwies. Für möglich hielt der Delaware Chancery Court allerdings eine Regelung, wo­ nach ein Limited Partnership Agreement den Zugang zu den „books and records“ einer be­ stimmten Klasse von Inhabern von Limited Partnership Units (~ Inhaber eines Kommandit­ anteils) verwehrte, die nicht zugleich „Limited Partner“ waren, Monterey Investments, Inc. v. Healthcare Props., L.P., 1997 WL 367038 (Del.Ch. 1997). Hierbei ist jedoch zu berücksichti­ gen, dass der Zessionar einer Limited Partnership Unit schon nach §  301(b)(2) des Delaware Limited Partnership Acts nicht ohne weiteres Gesellschafter wird („After the formation of a limited partnership, a person is admitted as a limited partner of the limited partnership: [...] [2] In the case of an assignee of a partnership interest, as provided in §  17-704(a) of this title and at the time provided in and upon compliance with the partnership agreement or, if the partner­ ship agreement does not so provide, when any such person’s permitted admission is reflected in the records of the limited partnership; […].“).

B. Einflusssicherung

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mationsrechten der Investoren unter Rückgriff auf die im ersten Teil der Arbeit erörterten Regelungsprobleme vorgestellt (I.), um anschließend zu untersuchen, welchen Spielraum das Gesetz für die individuelle Ausgestaltung von Informa­ tionsrechten in der Aktiengesellschaft (II.) und der Gesellschaft mit beschränk­ ter Haftung (III.) belässt.

I.  Inhalte und Regelungshintergrund von Informationsrechten Zwischen Wagniskapitalgebern und Gründern besteht ein erhebliches Informa­ tionsgefälle, jedenfalls in den ersten Finanzierungsrunden: Während die Grün­ der in den Geschäftsleitungsorganen vertreten sind und aufgrund ihrer tragen­ den Rolle bei der Unternehmensentwicklung über sämtliche Interna informiert sind, besetzen die Investoren in Deutschland aus steuerlichen Gründen allen­ falls Sitze in einem Aufsichtsgremium.219 Ihnen fehlt also ein effektiver Zugang zu umfassenden Informationen. Das erschwert nicht nur, die Mittelverwendung nachzuvollziehen und zu kontrollieren,220 sondern auch die von den Kapitalge­ bern erwartete und für den Unternehmenserfolg so wichtige Beratung.221 Die gesetzlichen Informationsrechte genügen hierfür nicht und bedürfen der Er­ gänzung.222 Typische Vereinbarungsinhalte betreffen die monatliche, gelegentlich noch häufigere Vorlage von Umsatzzahlen, Liquiditätsberichten, Zwischenberichten zur Geschäfts- und Produktentwicklung sowie die quartalsweise bilanzförmi­ ge Vorlage von Finanzberichten.223 Das geht weit über das hinaus, was etwa §  90 Abs.  1 S.  1 AktG vorsieht.

II.  Besondere Informationsrechte in der Aktiengesellschaft Aus aktienrechtlicher Perspektive ist die Freiheit zur Einräumung zusätzlicher Informationsrechte in zweierlei Hinsicht problematisch: Zunächst ist fraglich, ob die aktienrechtliche Satzungsstrenge Sperrwirkung entfaltet, weil die priva­ ten Maßnahmen von gesetzlichen Vorschriften entgegen §  23 Abs.  5 AktG ab­ weichen oder diese in unzulässiger Weise ergänzen. Das gilt für die Informati­ onsrechte der §§  90, 111, 131 AktG (unten 2.) und den in §  118 Abs.  1 S.  1 AktG niedergelegten Grundsatz der Ausübung von Aktionärsrechten in der Haupt­ 219 

Zu den steuerrechtlichen Gründen schon oben, 2. Teil A. §  2 II.3.c). Zu diesem Problem 1. Teil A. §  2 I.1. 221  Dazu oben 1. Teil A. §  2 I.2. Zur Bedeutung der Beratungstätigkeit als Erfolgsfaktor im deutschen Markt Schefczyk, S.  338 ff., 399 f. 222  Für Deutschland Inhester, in: Jesch/Striegel/Boxberger (Hrsg.), Rechtshandbuch Pri­ vate Equity, S.  247; Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 132. 223  Empirische Angaben zu Informationsinhalten und Häufigkeit der Vorlage finden sich bei Reißig-Thust/Brettel/Witt, FB 2004, 637, 645 (Tabelle 4). S.  auch Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 132 ff.; ders., NZG 2001, 1065, 1070. 220 

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

versammlung (dazu 3.). Sperren nicht schon diese Vorschriften in Verbindung mit §  23 Abs.  5 AktG die Gewährung besonderer Informationsmöglichkeiten an die Investoren, bleibt die Schwierigkeit zu klären, dass §  93 Abs.  1 S.  3 AktG den Vorstand und – in Verbindung mit §  116 S.  1 AktG – den Aufsichtsrat zur Verschwiegenheit verpflichtet, so dass die Herausgabe einer Vielzahl von Infor­ mationen an einen Gesellschafter möglicherweise daran scheitert (4.). Inwieweit sich die Weitergabe von Informationen an die Wagniskapitalgeber in ihrer Ei­ genschaft als herrschendes Unternehmen mit §  311 Abs.  1 AktG verträgt, ist Gegenstand der Überlegungen unter 5. Unterabschnitt 6. erläutert, ob der In­ formationstransfer möglicherweise deshalb zu einer Gefährdung der Gesell­ schaft führt, weil §  131 Abs.  4 AktG nach Ansicht einiger Autoren die strikte Pflicht zur Nachinformation sämtlicher Gesellschafter vorsieht. Ausgangs­ punkt der Überlegungen ist die Zulässigkeit der Aufnahme eines Informations­ rechtes in die Satzung. Ob es auch außerhalb der Satzung geregelt werden darf, wird unter 7. geklärt. Vorab (1.) bedarf es eines kurzen Blickes auf §  26 Abs.  1 AktG. Die heute all­ gemeine Ansicht erlaubt, in der Gründungssatzung besondere Auskunfts- und Einsichtsrechte als Sondervorteile zu regeln. Sollte sich das als überzeugend er­ weisen, prägte dies die folgenden Überlegungen vor. Denn wäre die Vereinba­ rung in der Gründungssatzung zulässig, müsste dies prinzipiell gleichermaßen für spätere Satzungsänderungen gelten. Es bedürfte besonders gewichtiger Ar­ gumente, wieso der zeitlich zufällige Akt der Eintragung den Gestaltungsspiel­ raum der Gesellschafter beschränken sollte, zumal die vor Eintragung in die Satzung aufgenommenen Sondervorteile fortbestünden.

1.  Auswirkungen von §  26 Abs.  1 AktG Die allgemeine Meinung erachtet es für zulässig, in der Gründungssatzung ein­ zelnen Gesellschaftern besondere Informationsrechte im Wege eines Sonder­ vorteils zu gewähren.224 Obwohl das einschlägige Schrifttum allerorten darauf verweist, die Grenzen der nach §  26 Abs.  1 AktG zulässigen Sondervorteile er­ gäben sich aus dem zwingenden Aktienrecht, fehlt es an einer Diskussion des Spannungsverhältnisses von als Sondervorteil gewährten Informationsrechten zu den §§  118 Abs.  1, 131 Abs.  1 AktG.225 Selbst diejenigen, die früher besondere Informationsrechte für nicht sonder­ vorteilsfähig im Sinne von §  26 Abs.  1 AktG hielten, stützten sich nicht auf die­

224  A.Arnold, in: KK-AktG, §  26 Rn.  11; Hüffer/Koch, §  26 Rn.  3; Pentz, in: MünchKomm­ AktG, §  23 Rn.  12; Röhricht, in: GK-AktG, §  26 Rn.  17; Seibt, in: Schmidt/Lutter, §  26 Rn.  7. 225 Vgl. A.Arnold, in: KK-AktG, §   26 Rn.  11, 8; Hüffer/Koch, §  26 Rn.  3; Limmer, in: Spindler/Stilz, §  26 Rn.  3 f.; Pentz, in: MünchKommAktG, §  23 Rn.  12 f.; Röhricht, in: GKAktG, §  26 Rn.  17, 9, 18; Seibt, in: Schmidt/Lutter, §  26 Rn.  7 f.

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se Vorschriften.226 Vielmehr rekurrierten sie auf das Argument, Herrschafts­ rechte könnten kein Sondervorteil nach §  26 Abs.  1 AktG, sondern allenfalls Sonderrecht gemäß §  11 S.  1 AktG sein.227 Da Wagniskapitalgeber an der Gründung der Gesellschaft regelmäßig nicht beteiligt sind 228 und §  26 Abs.  1 AktG ausschließlich für die Zeit vor Eintragung der Gesellschaft gilt,229 bedarf diese spezielle Frage des Verhältnisses von §  11 S.  1 AktG und §  26 Abs.  1 AktG hier keiner näheren Betrachtung. Das entschei­ dende Problem bestünde fort: Da besondere Rechte nach §  11 S.  1 AktG ebenfalls nur in den Grenzen des zwingenden Aktienrechts vorgesehen werden können, 230 bleiben die Auswir­ kungen der §§  118 Abs.  1, 131 Abs.  1 AktG offen. Das bedeutet zugleich, dass über die Zulässigkeit von als Sondervorteil gewährten Informationsrechten, an­ ders als im Schrifttum suggeriert, keineswegs entschieden ist. Das gilt insbeson­ dere deshalb, weil §  26 Abs.  1 AktG keine Ermächtigungsnorm enthält, so dass aus der hier vorgestellten Literaturansicht zur Reichweite der Norm nichts ab­ geleitet zu werden vermag.231 Die Prüfungsaufgabe liegt demnach darin, die Be­ deutung der gesetzlichen Informationsrechte für die Auslegung des §  23 Abs.  5 AktG zu ermitteln.

2.  Gesetzliche Informationsrechte und §  2 3 Abs.  5 AktG Die Möglichkeit, Informationsrechte in der Satzung zu verankern, die das Ak­ tiengesetz nicht ausdrücklich vorsieht, ist daran zu messen, inwieweit die ge­ setzlichen Informationsrechte mit Blick auf §  23 Abs.  5 AktG die privatautono­ me Regulierung ausschließen. Im Folgenden werden daher nach einer kurzen Überlegung zum gemäß §  23 Abs.  5 AktG geltenden Prüfungsmaßstab (a]) die Bedeutung von §  131 AktG (b]) sowie die der §§  90 Abs.  1 S.  1, 111 AktG (c]) näher erörtert. a)  Prüfungsmaßstab gemäß §  2 3 Abs.  5 AktG §  23 Abs.  5 S.  1 AktG untersagt Abweichungen vom Gesetz, die nicht ausdrück­ lich gestattet sind. Unter einer Abweichung versteht die Literatur, dass die Sat­ zung einen Sachverhalt anders regelt als das Gesetz, indem die aktienrechtliche 226 Vgl. Kraft, in: KK-AktG, Band 1, 2.   Aufl., §  26 Rn.  9; S.Wilhelmi, in: Godin, §  26 Anm.  2. Ebenso wenig erörterten Vertreter der schon früher vertretenen befürwortenden herrschenden Meinung die im Text genannten Normen, s. nur die Stellungnahme von Barz, in: GK-AktG, Band 1, Erster Halbband, 3.  Aufl., §  26 Anm.  5. 227  Kraft, in: KK-AktG, Band 1, 2.  Aufl., §  26 Rn.  9; S.Wilhelmi, in: Godin, §  26 Anm.  2. 228  Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 132. 229  Pentz, in: MünchKommAktG, §  26 Rn.  19; Röhricht, in: GK-AktG, §  26 Rn.  2 2. 230  Brändel, in: GK-AktG, §  11 Rn.  23; Dauner-Lieb, in: KK-AktG, §  11 Rn.  27; Hüffer/ Koch, §  11 Rn.  3. 231  Junker, ZHR 159 (1995), 207, 208.

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Vorschrift durch eine Satzungsbestimmung ersetzt wird.232 Das ist bei der Re­ gelung von Auskunfts- und Einsichtsansprüchen zu Gunsten einzelner Aktio­ näre außerhalb der Hauptversammlung nicht der Fall, nimmt man die beschrie­ bene Definition der Abweichung im Sinne von §  23 Abs.  5 S.  1 AktG wörtlich.233 Weder beschränken solche Klauseln das Fragerecht in der Hauptversammlung noch erweitern sie es. Sie betreffen die Hauptversammlung nicht. Hiergegen lässt sich nicht einwenden, die Abweichung liege eben darin, dass Informationsrechte gewährt würden, die über §  131 AktG hinausgingen. Das ändert nämlich nichts daran, dass das Fragerecht in der Hauptversammlung von der in Rede stehenden Klausel unberührt bleibt.234 Folge wäre die Anwendung von §  23 Abs.  5 S.  2 AktG und damit eine erhebliche Vereinfachung, die Zuläs­ sigkeit von Informationsrechten in der Satzung zu begründen, die über die §§  131, 90, 111 AktG hinausgehen. Indes entstünde ein Problem, würde §  23 Abs.  5 S.  1 AktG so interpretiert wie skizziert. Läge schon dann keine Abweichung, sondern lediglich eine Ergän­ zung von aktienrechtlichen Vorschriften vor, wenn diesen keine explizite Nega­ tivaussage zu Gestaltungen entnehmen wäre, die über sie hinausgingen, ergäbe sich die Konsequenz, das Aktiengesetz mit solchen Zusatzbestimmungen auf­ blähen zu müssen. Um diese unsinnige Folge zu vermeiden, ist es notwendig, bereits für §  23 Abs.  5 S.  1 AktG zu prüfen, ob die einschlägigen Normen abschließend wirken. Insofern ergibt sich eine Überschneidung zu §  23 Abs.  5 S.  2 AktG. Die Rüge der älteren Literatur, eine saubere Trennung von §  23 Abs.  5 S.  1 AktG und §  23 Abs.  5 S.  2 AktG lasse sich nicht durchhalten, trifft also durchaus zu.235

232  A.Arnold, in: KK-AktG, §  23 Rn.  137; Limmer, in: Spindler/Stilz, §  23 Rn.  29; Pentz, in: MünchKommAktG, §  23 Rn.  152; Röhricht, in: GK-AktG, §  23 Rn.  168; Seibt, in: Schmidt/ Lutter, §  23 Rn.  54. 233  Loges/Distler, ZIP 2002, 467, 470. Nicht angesprochen bei Brehm, S.  76 f., und Winkler, S.  118 ff., die sich nur mit §  23 Abs.  5 S.  2 AktG auseinandersetzen. 234  Das im Zusammenhang mit §  23 Abs.  5 S.  1 AktG genannte Argument von Loges/Distler, ZIP 2002, 467, 470, Informationsrechte des Akionärs außerhalb der Hauptversammlung würden vom Aktiengesetz nicht angesprochen, hat mit einer Abweichung im Sinne von §  23 Abs.  5 S.  1 AktG nichts zu tun. Denn ob eine aktienrechtliche Norm durch Satzungsbestim­ mungen ersetzt wird, muss von der Satzungsklausel aus beurteilt werden: Regelt diese den fraglichen Sachverhalt überhaupt nicht, liegt kein Fall der privatautonomen Substitution der gesetzlichen Vorschrift vor, sondern die Gewährung eines „Mehr“, die allein nach Maßgabe des §  23 Abs.  5 S.  2 AktG zu beurteilen ist. 235  So noch Barz, in: GK-AktG, Band 1, Erster Halbband, 3.  Aufl., §  23 Anm.  18. Kritisch hierzu Pentz, in: MünchKommAktG, §  23 Rn.  153; Röhricht, in: GK-AktG, §  23 Rn.  168.

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b)  Bedeutung von §  131 AktG aa)  Wortlaut und systematische Stellung im Aktiengesetz Wortlaut und systematische Stellung von §  131 AktG sprechen gegen den ab­ schließenden Charakter der Norm. §  131 Abs.  1 S.  1 AktG bezieht sich der For­ mulierung nach allein auf die Auskunft in der Hauptversammlung.236 Zudem findet sich die Vorschrift nicht im Dritten Teil des Aktiengesetzes, der allge­ mein die Verhältnisse zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern normiert, sondern im Vierten Teil im Rahmen der speziellen Regelungen zur Hauptver­ sammlung.237 Aus dem gleichen Grund lässt sich kein Rückschluss aus §  175 Abs.  2 AktG ziehen. Diese Norm dient ebenfalls der verbesserten Wahrneh­ mung der Stimmrechte in der Hauptversammlung.238 Mehr lässt sich ihr für die hier relevanten Fragen nicht entnehmen. bb) Kein Umkehrschluss aus §  131 Abs.  4 AktG für die Zulässigkeit Für die Zulässigkeit der Aufnahme von Informationsansprüchen der Investoren in die Satzung soll ein Umkehrschluss aus §  131 Abs.  4 AktG sprechen.239 Dass die Informationsweitergabe an Aktionäre außerhalb der Hauptversammlung grundsätzlich erlaubt ist, 240 sagt jedoch nichts darüber, ob diese einen Anspruch hierauf in der Satzung festschreiben dürfen. Die Norm wurde ausweislich der Regierungsbegründung zum Aktiengesetz 1965 geschaffen, um die vom Vorstand freiwillig durchgeführte Aktionärsin­ formation zu regeln.241 Ziel war die Pflicht, solche freiwillig gegebenen Infor­ mationen sämtlichen Gesellschaftern zur Verfügung zu stellen.242 Für das Pro­ blem der Verpflichtung der Gesellschaft zur Informationsweitergabe außerhalb der Hauptversammlung gibt die Norm also nichts her.243 cc)  §  131 AktG im System der aktienrechtlichen Informationsrechte Bei der Suche nach Regelungen zur Aktionärsinformation stößt man im Ak­ tien­gesetz an verschiedenen Stellen auf entsprechende Rechte zu Gunsten der 236 

Loges/Distler, ZIP 2002, 467, 470. Loges/Distler, ZIP 2002, 467, 470. 238  Ekkenga, in: KK-AktG, §  175 Rn.  14. 239  So aber Winkler, S.  119. 240  So das Argument von Winkler, S.  119. 241  Begründung Regierungsentwurf Aktiengesetz 1965, abgedruckt bei Kropff, Aktienge­ setz, S.  187. 242  Begründung Regierungsentwurf Aktiengesetz 1965, abgedruckt bei Kropff, Aktienge­ setz, S.  187. 243 A.A. Zetzsche, Aktionärsinformation, S.  319, der allerdings den Unterschied zwischen einem Recht der Gesellschaft zur Informationsweitergabe und einer Verpflichtung hierzu nicht beachtet. 237 

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

Aktionäre oder jedenfalls bestimmter Gesellschafter. Das wirft die Frage auf, ob hieraus gefolgert werden kann, §  131 AktG wirke abschließend, weil der Ge­ setzgeber für andere Informationsrechte besondere Normen vorhalte. Die herr­ schende Meinung verneint dies zu Recht.244 Eine nähere Betrachtung anderer Vorschriften über die Aktionärsinformation zeigt die Unterschiede zu §  131 Abs.  1 S.  1 AktG auf: Die §  293g Abs.  3, §  319 Abs.  3 S.  2, 4 und §  326 AktG betreffen einen Gegen­ stand, den die Aktionäre niemals selbst zu regeln in der Lage wären, nämlich Pflichten zur Information über andere Rechtssubjekte als die Gesellschaft, de­ ren Mitglied sie sind. Die Anteilseigner einer Aktiengesellschaft hätten mangels Regelungskompetenz keine Möglichkeit der Inkraftsetzung solcher Ansprü­ che, selbst wenn ihnen das Aktiengesetz umfassende Gestaltungsfreiheit zuge­ stünde. Ähnliches gilt für §  293f AktG. Der Zweck von §  327b Abs.  1 S.  2 AktG, der dem Hauptaktionär ein gegen die Gesellschaft gerichtetes Informations­ recht gewährt, ergibt sich ebenfalls nicht aus einem Vergleich mit §  131 Abs.  1 S.  1 AktG. Vielmehr sind Bezugspunkte der Norm die §§  93 Abs.  1 S.  3, 131 Abs.  3 AktG. §  327b Abs.  1 S.  2 AktG dient dazu, die Verschwiegenheitspflicht der Vorstandsmitglieder zu durchbrechen und dem Vorstand jede Möglichkeit abzuschneiden, den Wunsch nach Unterrichtung abzuwehren.245 Tertium Comparationis von §  131 AktG auf der einen und der §§  293g Abs.  3, 319 Abs.  3 S.  2, 4, §  326 und 327b Abs.  1 S.  2 AktG auf der anderen Seite ist also nicht allgemein die Regelung der Umstände, unter denen Aktionäre überhaupt Informationsrechte geltend machen dürfen. Demnach fehlt es an einer abschlie­ ßenden Regelung. dd)  Entwicklung von §  131 AktG in der Gesetzgebungsgeschichte Einen individuellen gesetzlichen Anspruch der Aktionäre auf Information gab es lange Zeit nicht. Er wurde erst mit dem Aktiengesetz 1937 in dessen §  112 AktG eingeführt. Die amtliche Begründung zum Aktiengesetz 1937 führt hin­ sichtlich des Gesetzgebungsanlasses aus, Zweck der Einführung des Informati­ onsrechtes sei es, einen Anspruch zu gewähren, der unabhängig vom Willen der Mehrheit bestehe.246 Bis zum Inkrafttreten von §  112 AktG 1937 erforderte die 244  Kersting, in: KK-AktG, §  131 Rn.  60; Kubis, in: MünchKommAktG, §  131 Rn.  158; Loges/Distler, ZIP 2002, 467, 470; Siems, in: Spindler/Stilz, §  131 Rn.  4; Spindler, in: Schmidt/ Lutter, §  131 Rn.  9. Aus dem monographischen Schrifttum Brehm, S.  76; Winkler, S.  118 f. A.A. Grisebach, S.  223; Wolf, S.  128. Die abweichende Ansicht von Fleischer, ZGR 2009, 505, 525, stützt sich auf §  118 Abs.  1 S.  1 AktG. Dieser Aspekt wird gesondert behandelt, weil er erst dann relevant wird, wenn nicht schon aus §  131 Abs.  1 AktG und der sonstigen Verteilung von Informationsrechten im Aktiengesetz die Unzulässigkeit einer ergänzenden Regelung im Sin­ ne von §  23 Abs.  5 S.  2 AktG folgt. 245  S.  nur Fleischer, in: GK-AktG, §   327b Rn.  8; Hüffer/Koch, §  327b Rn.  9, jeweils mit Nachweisen. 246  Amtliche Begründung zum Aktiengesetz 1937, abgedruckt bei Klausing, S.  95 f.

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Information einzelner Aktionäre, die nicht schon auf anderen Wegen Kenntnis­ se über die Verhältnisse der Gesellschaft erlangt hatten, einen Mehrheitsbe­ schluss. In Anbetracht der Gesetzgebungsgeschichte wäre also die Folgerung verfehlt, dem einzelnen Aktionär solle abseits der Regelung in §  131 Abs.  1 AktG niemals ein Informationsrecht zugebilligt werden können. Die amtliche Begründung zum Aktiengesetz 1937 spricht diese Frage nicht an. Die Regierungsbegründung zu §  131 in der Fassung des Entwurfs des Aktiengesetzes 1965 enhält ebenfalls keine einschlägigen Ausführungen.247 §  131 AktG ist demnach keine abschlie­ ßende Regelung, die gemäß §  23 Abs.  5 AktG die Aufnahme von Informations­ rechten zu Gunsten einzelner Aktionäre in die Satzung verhinderte. c)  Bedeutung der §§  9 0, 111 AktG §  23 Abs.  5 AktG greift auch nicht im Hinblick auf die Informationsrechte des Aufsichtsrates nach den §§  90, 111 AktG.248 Mit Rechten der Aktionäre befassen sich diese Vorschriften nicht. Eine implizit abschließende Regelung gemäß §  23 Abs.  5 S.  2 AktG sehen sie gleichfalls nicht vor. Dafür spricht bereits ihre systematische Stellung im Vier­ ten Teil des Aktiengesetzes. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte auszuma­ chen, die etwa unter teleologischen Gesichtspunkten mit Blick auf die §§  90, 111 AktG einer Satzungsbestimmung entgegenstünden, die den Mitgliedern be­ stimmte Informationsrechte zubilligte.249 Insbesondere trägt das Argument nicht, mit der Einräumung von Informationsrechten zu Gunsten der Aktionäre würde eine zweite Kontrollspur neben den Rechten des Aufsichtsrates gezogen, so dass eine Art verdrängende Konkurrenz an Überwachungsmechanismen entstünde, die de facto einer Strukturveränderung gleichkomme.250 §  131 Abs.  1 AktG lässt sich hierfür nicht als Stütze heranziehen. Dass die Auskunftsrechte des Aufsichtsrates diejenigen der Gesellschafter nicht substituieren, ergibt sich bereits aus den Materialien zum Aktiengesetz 1965. Mit der Beschränkung des Fragerechts des Aktionärs aus §  131 Abs.  1 S.  1 AktG sollten dem Aufsichtsrat seine Rechte nicht exklusiv zugewiesen werden. Vielmehr setzt die in §  131 Abs.  1 S.  1 AktG enthaltene Beschränkung eine Ab­ wägung zwischen dem Interesse der Gesellschaft an Geheimhaltung und dem Interesse der Aktionäre an Information um.251 Ziel war eine im Vergleich zur 247  Vgl. Begründung Regierungsentwurf Aktiengesetz 1965, abgedruckt bei Kropff, Ak­ tien­gesetz, S.   187. 248  Brehm, S.  76; Loges/Distler, ZIP 2002, 467, 470 f.; Winkler, S.  118. 249  Brehm, S.  76 f.; Loges/Distler, ZIP 2002, 467, 471. Vgl. auch Röhricht, in: GK-AktG, §  23 Rn.  190. 250  So aber Zetzsche, Aktionärsinformation, S.  318. 251  Begründung Regierungsentwurf Aktiengesetz 1965, abgedruckt bei Kropff, Aktienge­ setz, S.  185.

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Vorgängernorm §  112 Aktiengesetz in der Fassung des Aktiengesetzes 1937 res­ triktivere Fassung der Auskunftsrechte.252 Der Beginn des einschlägigen Passus in der Begründung des Regierungsentwurfs zum Aktiengesetz 1965 hebt das Interesse des Aktionärs an Information und deren Bedeutung für die Ausübung seiner Rechte ausdrücklich hervor.253 So nimmt die allgemeine Ansicht im Schrifttum zu Recht an, dass §  23 Abs.  5 AktG in Verbindung mit den §§  90, 111 AktG Satzungsgestaltungen nicht ent­ gegensteht, die unter Wahrung des gesellschaftsrechtlichen Gleichbehand­ lungsgrundsatzes ein Mehr an Informationsrechten zu Gunsten der Aktionäre einräumen.254

3.  Kein Hauptversammlungsbezug nach §  118 Abs.  1 S.  1 AktG Ein im Schrifttum bislang wenig beachtetes Problem resultiert aus §  118 Abs.  1 S.  1 AktG.255 Danach üben die Aktionäre ihre Rechte in der Hauptversamm­ lung aus, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Literatur zu §  118 Abs.  1 S.  1 AktG – im Gegensatz zu derjenigen zu §  131 Abs.  1 S.  1 AktG – ver­ weist durchgehend darauf, „im Prinzip“ falle das Auskunftsrecht der Aktionäre in die Kategorie der versammlungsgebundenen Rechte.256 In welchem Verhält­ nis diese Aussage zur jeweils herrschenden Meinung sowohl zu §  131 Abs.  1 AktG als auch zu §  26 Abs.  1 AktG steht, die es für zulässig hält, einzelne Akti­ onäre mit besonderen Informationsrechten auszustatten, ist unklar. Greift die Literatur §  118 Abs.  1 S.  1 AktG im Zusammenhang mit Informationsrechten überhaupt auf, stuft sie die Einräumung solcher Ansprüche jedenfalls in Form besonderer Rechte im Sinne von §  11 S.  1 AktG als unzulässigen Verstoß gegen „§  23 Abs.  5 AktG“ ein.257 Aus welchem Satz von §  23 Abs.  5 AktG dieses Er­ gebnis folgen soll, legt die zitierte Stellungnahme nicht offen. Fest steht nur, dass jedenfalls aus §  11 S.  1 AktG nichts hergeleitet werden kann, weil sich die Ausgestaltung besonderer Rechte ihrerseits nur in den Grenzen des zwingen­

252  Begründung Regierungsentwurf Aktiengesetz 1965, abgedruckt bei Kropff, Aktienge­ setz, S.  185. 253  Begründung Regierungsentwurf Aktiengesetz 1965, abgedruckt bei Kropff, Aktienge­ setz, S.  184. 254  Aus der allgemeinen Literatur statt aller A.Arnold, in: KK-AktG, §  23 Rn.  152; Hüffer/ Koch, §  23 Rn.  38; Pentz, in: MünchKommAktG, §  23 Rn.  161; Röhricht, in: GK-AktG, §  23 Rn.  190. Aus der Spezialliteratur zu Venture Capital: Brehm, S.  76 ff.; Loges/Distler, ZIP 2002, 467, 470 f.; Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 132 f.; Winkler, S.  118 ff. 255  Kurze Hinweise auf die Norm finden sich bei Fleischer, ZGR 2009, 505, 525; Zetzsche, Aktionärsinformation, S.  318 f., die die Reichweite von §  118 Abs.  1 AktG allerdings nicht nä­ her ausleuchten. 256  S.  nur Hoffmann, in: Spindler/Stilz, §  118 Rn.  8; Hüffer/Koch, §  118 Rn.  8; Mülbert, in: GK-AktG, §  118 Rn.  16; Spindler, in: Schmidt/Lutter, §  118 Rn.  16. 257  Fleischer, ZGR 2009, 505, 525.

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den Aktienrechts bewegen darf.258 Die Vorschrift hält also keine spezielle Ge­ staltungsermächtigung bereit. Ob es sich bei mitgliedschaftlichen Informationsrechten um eine nach §  23 Abs.  5 S.  1 AktG unzulässige Abweichung von §  118 Abs.  1 S.  1 AktG handelt, bedarf also nach dem Gesagten noch der Klärung. Dafür werden zunächst Wortlaut und Regelungssystematik geprüft (a]), danach der Normzweck unter Einbeziehung der Gesetzgebungsgeschichte (b], c]). a) Wortlaut und Systematik §  118 Abs.  1 S.  1 AktG bezieht sich auf die „Rechte“ der Aktionäre. Auf den ersten Blick meint das sämtliche aus der Mitgliedschaft fließende Aktionärs­ rechte.259 Reichte §  118 Abs.  1 S.  1 AktG tatsächlich so weit, läge in der Schaf­ fung von Informationsansprüchen als besondere Rechte nach §  11 S.  1 AktG eine Abweichung vom Gesetz.260 Denn die begünstigten Aktionäre könnten sie als „ihre Rechte“ außerhalb der Hauptversammlung ausüben, so dass §  118 Abs.  1 S.  1 AktG insoweit ersetzt würde.261 Da es an einer ausdrücklichen Ge­ stattung fehlt, handelte es sich um eine nach §  23 Abs.  5 S.  1 AktG unzulässige Regelung. Indes beschränkt die einhellige Auffassung zu §  118 Abs.  1 S.  1 AktG die im Anwendungsbereich der Norm liegenden Rechte grundsätzlich auf die Mitver­ waltungsrechte der Aktionäre.262 Selbst diesbezüglich gelten Ausnahmen. Aus­ genommen von der Bindung an die Hauptversammlung sind solche Rechte, bei denen sich das aus ihrer „gesetzlich bestimmten Eigenart“ ergibt.263 Versamm­ lungsgebunden soll „im Prinzip“ das Auskunftsrecht der Gesellschafter aus §  131 Abs.  1 AktG sein.264 Allerdings folgt dies schon aus dem Wortlaut von §  131 Abs.  1 AktG selbst, §  118 Abs.  1 S.  1 AktG ist hierfür nicht von Bedeutung. Welche Rechte unter §  118 Abs.  1 S.  1 AktG fallen, die nicht schon ihrer ge­ setzlichen Ausgestaltung nach ausdrücklich versammlungsbezogen sind, be­ darf deshalb weiterer Analyse. Daraus, dass vielfach die Ausübung bestimmter 258  Allgemeine Ansicht, Brändel, in: GK-AktG, §  11 Rn.  23; Dauner-Lieb, in: KK-AktG, §  11 Rn.  27; Hüffer/Koch, §  11 Rn.  3. 259  So etwa Hüffer/Koch, §  118 Rn.  7; Kubis, in: MünchKommAktG, §  118 Rn.  33, aller­ dings jeweils mit Einschränkungen in den folgenden Randnummern, s. die Nachweise in den folgenden Fußnoten. 260  Dazu, dass besondere Rechte im Sinne von §  11 S.  1 AktG immer mitgliedschaftliche Rechte sind, Dauner-Lieb, in: KK-AktG, §  11 Rn.  7 f. 261  Zur Ersetzung einer Regelung als Kennzeichen für eine Abweichung im Sinne von §  23 Abs.  5 S.  1 AktG bereits oben 2.a). 262  Hüffer/Koch, §  118 Rn.  8; Kubis, in: MünchKommAktG, §  118 Rn.  34; Mülbert, in: GKAktG, §  118 Rn.  11; Spindler, in: Schmidt/Lutter, §  118 Rn.  15.. 263 So Mülbert, in: GK-AktG, §  118 Rn.  19; gleichsinnig Hoffmann, in: Spindler/Stilz, §  118 Rn.  7; Kubis, in: MünchKommAktG, §  118 Rn.  34; Spindler, in: Schmidt/Lutter, §  118 Rn.  15. 264  Dies. aaO.

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Rechte, etwa das nach §  101 Abs.  2 S.  1 AktG, nicht zwingend an die Hauptver­ sammlung gebunden ist,265 zu folgern, für alle ungeregelten Fälle liefere §  118 Abs.  1 S.  1 AktG die Antwort auf die Frage nach der Ausübung, griffe zu kurz. Weil die Literatur übereinstimmend von vornherein nur eine bestimmte Kate­ gorie von Rechten, nämlich die Mitverwaltungsrechte, als Regelungsgegenstand von §  118 Abs.  1 S.  1 AktG betrachtet, wäre ein solches argumentum e contrario ein Fehlschluss. Weder der Wortlaut der Norm noch die Regelungssystematik des Aktienge­ setzes helfen demnach weiter hinsichtlich des Problems, ob die Aufnahme zu­ sätzlicher Informationsansprüche in die Satzung eine Abweichung vom Gesetz darstellt. Daher muss der Normzweck im Kontext der Gesetzgebungshistorie näher untersucht werden. Das betrifft, darauf sei zur Sicherheit hingewiesen, nicht die Frage, ob mit Hilfe einer teleologischen Auslegung einzelner Vor­ schriften des Aktiengesetzes die Zulassung einer Abweichung ermittelt werden darf.266 Hier geht es um das vorgelagerte Problem, überhaupt erst festzustellen, ob die in Rede stehende Regelung vom Gesetz abweicht. b)  Normzweck von §  118 Abs.  1 S.  1 AktG Über die Feststellung hinaus, §  118 Abs.  1 S.  1 AktG habe Bedeutung „im we­ sentlichen“267 oder sogar „ausschließlich“268 für das Stimmrecht, herrscht in der Kommentarliteratur erhebliche Unsicherheit hinsichtlich des Zwecks der Norm. Vorsichtig formuliert ein Autor, dieser „scheint […] darin zu bestehen, einen möglichst einheitlichen Informationsstand auf Seiten der abstimmenden Aktionäre herzustellen und dadurch das aktienrechtliche System einer mehr­ heitlichen Beschlußfassung zu effektuieren.“269 Direkt im Anschluss findet sich eine Relativierung.270 Die Ratio von §  118 Abs.  1 S.  1 AktG erschließt sich da­ nach aus dem Zusammenspiel mit §  131 Abs.  1 AktG.271 Andere meinen, §  118 Abs.  1 S.  1 AktG diene der „Mediatisierung“ des Ak­ tionärs­einflusses, indem dieser „[a]us Sicht der Gesellschaft […] in geordnete Bahnen gelenkt“ würde.272 Die Norm wolle die „Willensbildung außerhalb der 265  Dazu, dass es sich in diesem Beispielsfall um eine der Ausnahmen im Sinne von §  118 Abs.  1 S.  1 AktG handelt, etwa Hüffer/Koch, §  118 Rn.  9. 266  S.  h ierzu nur Röhricht, in: GK-AktG, §  23 Rn.  170, 176 mit Nachweisen. 267  Mülbert, in: GK-AktG, §   118 Rn.  6. Ähnlich Kubis, in: MünchKommAktG, §  118 Rn.  32. 268  Zöllner, in: KK-AktG, Band 1, 1.  Aufl., §  118 Rn.  3. 269  Mülbert, in: GK-AktG, §  118 Rn.  8 . 270  Mülbert, in: GK-AktG, §   118 Rn.  8, unter Verweis auf die Möglichkeit der Stimm­ rechtsvertretung und von Legitimationsaktionären. 271  Dieser Zusammenhang wird von Mülbert, in: GK-AktG, §  118 Rn.  8 , ausdrücklich mit Verweis auf §  131 AktG hergestellt. 272  Hüffer/Koch, §  118 Rn.  1; Kubis, in: MünchKommAktG, §   118 Rn.  31; Spindler, in: Schmidt/Lutter, §  118 Rn.  2. Wohl auch Hoffmann, in: Spindler/Stilz, §  118 Rn.  1.

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[Hauptversammlung]“ unterbinden.273 Was dies für die Zuordnung einzelner Rechte in den Anwendungsbereich des §  118 Abs.  1 S.  1 AktG bedeutet, bleibt unklar. Das gilt umso mehr, als das Aktiengesetz gerade Ausnahmen von der Hauptversammlungsbezogenheit für solche Rechte anerkennt, mit denen der begünstigte Aktionär starken Einfluss auszuüben vermag, etwa durch ein Ent­ sendungsrecht gemäß §  101 Abs.  2 S.  1 AktG. Diese Unklarheiten lassen sich mit Hilfe einer genaueren Analyse der Gesetzgebungsgeschichte näher aufklären: c)  Gesetzgebungshistorie von §  118 Abs.  1 AktG §  131 Abs.  1 AktG steht historisch in keinem Zusammenhang mit §  118 Abs.  1 S.  1 AktG. Das Auskunftsrecht beruht auf den Neuerungen des Aktiengesetzes 1937.274 Demgegenüber fand die Ursprungsregelung des heutigen §  118 Abs.  1 S.  1 AktG bereits mit dem Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch 1870 Eingang in die aktienrechtliche Gesetzgebung.275 Zu diesem Zeitpunkt war, wie bereits oben unter 2.b)dd) ausgeführt, ein gesetzlicher Anspruch auf Auskunft zu Gunsten einzelner Aktionäre unbekannt. Der Zweck von §  118 Abs.  1 S.  1 AktG kann daher mit Blick auf seine historischen Wurzeln nicht darin beste­ hen, Abstimmungen auf gleicher Informationsgrundlage zu sichern. Weder war diese Überlegung relevant für die Aktienrechtsnovelle 1884 noch zogen sie spä­ tere Entwurfsverfasser im Zuge der Gesetzgebungsmaßnahmen 1897, 1937 oder 1965 heran. Das Regelungsanliegen von §  118 Abs.  1 S.  1 AktG und seiner Vorgängervor­ schriften ergibt sich vielmehr mit Blick auf die Art und Weise der Stimmrechts­ ausübung: aa)  ADHGB 1870 und Rechtsausübung in der Hauptversammlung Bereits Art.  224 Abs.  1 ADHGB 1870 sah vor, dass die Aktionäre ihre ihnen in den Angelegenheiten der Gesellschaft zustehenden Rechte in der Generalver­ sammlung ausüben. Doch hatte die Generalversammlung nur die Rechte, die ihr die Satzung beließ.276 Viele Fragen waren gesetzlich noch ungeregelt. So fehlte es etwa an Vorschriften zur Erhöhung des Grundkapitals.277 Den Gesell­ 273  Hoffmann, in: Spindler/Stilz, §  118 Rn.  1. Ähnlich Kubis, in: MünchKommAktG, §  118 Rn.  31. Weniger strikt offenbar Spindler, in: Schmidt/Lutter, §  118 Rn.  2. 274  Dazu bereits oben 2.b)dd). 275  Fälschlicherweise führen einige Kommentatoren §  118 Abs.  1 S.  1 AktG auf §  250 HGB 1897 zurück, etwa Hoffmann, in: Spindler/Stilz, §  118 Rn.  3. 276  Dazu etwa Renaud, S.  498 f. 277  Entsprechende Regelungen wurden erst mit der Aktienrechtsnovelle 1884 getroffen, s. §  11 der Begründung des am 07.09.1883 dem Bundesrat vorgelegten Entwurfs eines Gesetzes betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften, abge­ druckt in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, 5. Legislaturpe­ riode, IV. Session 1884, Band 3, Anlage Nr.  21, S.  282 ff.

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

schaftern stand in viel höherem Maße als heute Gestaltungsfreiheit zu.278 Unter anderem durften sie die Befugnis zur Satzungsänderung auf einzelne Personen oder gar Gesellschaftsorgane delegieren.279 bb)  Änderungen durch die Aktienrechtsnovelle 1884 Erst Art.  215 Abs.  1 ADHGB in der Fassung der Aktienrechtsnovelle 1884 schob hier einen Riegel vor.280 In diesem Zusammenhang ist die Fortführung des Art.  224 Abs.  1 ADHGB 1870 im durch die Aktienrechtsnovelle 1884 neu geschaffenen Art.  221 Abs.  1 ADHGB zu sehen. Dieser Norm lag die Absicht zugrunde, die Übertragung wichtiger Entschei­ dungsrechte auf Einzelne oder auf Organe zu unterbinden. Zentrales Anliegen der Novelle 1884 war die Stärkung der Generalversammlung, der zur alleinigen Entscheidung diejenigen Angelegenheiten übertragen werden sollten, die die „Grundverfassung der Gesellschaft betreffen.“281 Das bezogen die Entwurfs­ verfasser auf die Satzungsänderung und die Erhöhung des Grundkapitals.282 Sie erklärten: „Hinsichtlich der übrigen Gegenstände, welche der Beschlußfassung der Ge­ neralversammlung vorzubehalten sind,“ ließe „sich jedoch ein allgemeines, für unanfechtbar zu bezeichnendes Prinzip nicht aufstellen […].“283 Maßgeblich seien insoweit „Zweckmäßigkeitsrücksichten“.284 Der Entwurf, so ist zu lesen, schließe die Delegationsbefugnis daher nur in einzelnen Fällen aus. Im Übrigen müsse „das Gesetz es dem Gesellschaftsvertrage vorbehalten, die noch hierher zu ziehenden Gegenstände zu bestimmen […].“285 Es blieb also hinsichtlich der nicht besonders geregelten Gegenstände bei dem bis dato geltenden Grundsatz, wonach die Befugnisse der Generalversammlung dem Gestaltungswillen der Gesellschafter überlassen waren.286 Ausgenommen hiervon wurden nur solche Modifikationen des Kerns der Gesellschaftsstruk­ tur, die aus Kapitalerhöhungen und Satzungsänderungen folgen. cc)  Die Reform des Jahres 1897 Die 1897 vollzogene Reform des Aktienrechts brachte keine Neuerungen mit sich. Art.  221 Abs.  1 ADHGB ging auf in §  250 HGB 1897. Die Entwurfsver­ fasser der Novelle 1897 erkannten die grundsätzlich bestehende Befugnis der 278 

Dazu ausführlich 3. Teil A. §  4 I. Stenographische Berichte (Fußnote 277), S.  293 (linke Spalte). 280  S.  Stenographische Berichte (Fußnote 277), S.  327 f. (rechte Spalte). 281  Stenographische Berichte (Fußnote 277), S.  293 (linke Spalte). 282  Stenographische Berichte (Fußnote 277), S.  293 (linke Spalte). 283  Stenographische Berichte (Fußnote 277), S.  293 (linke Spalte). 284  Stenographische Berichte (Fußnote 277), S.  293 (linke Spalte). 285  Stenographische Berichte (Fußnote 277), S.  293 (rechte Spalte). 286  Dazu 3. Teil A. §  4 I. 279 

B. Einflusssicherung

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Gesellschafter an, in der Satzung Kompetenzabgrenzungen vorzunehmen und bestimmte Entscheidungen der Generalversammlung vorzuenthalten.287 Der Gestaltungsfreiheit wurden im Vergleich zur Rechtslage seit der Novelle 1884 lediglich punktuell weitere Schranken gesetzt.288 Diese Einzelregelungen betrafen wiederum Strukturfragen wie die Einführung eines gesetzlichen Be­ zugsrechts, Sonderrechte für bestimmte Fälle der Verwendung des Gesell­ schaftsvermögens und den Schutz der Mitgliedschaft vor ihrer Beseitigung durch Amortisation.289 „Im Uebrigen“, so führen die Verfasser in der Begründung aus, stehe „der Entwurf in Uebereinstimmung mit dem geltenden Recht auf dem Standpunkte, daß die Grenze der als gemeinschaftlich geltenden Angelegenheiten, innerhalb welcher sich der Einfluß der Generalversammlung bethätigt, bei der Aktienge­ sellschaft nicht zu eng gezogen werden“ dürfe.290 dd)  Zwischenergebnis zu den Entwicklungen 1870 – 1897 Die im 19. Jahrhundert getroffenen Regelungen zu den Befugnissen der Gene­ ralversammlung, der heutigen Hauptversammlung, zielten nicht auf eine um­ fassende Konzentration der Ausübung von Aktionärsrechten ab. Vielmehr ging es darum, der Hauptversammlung zentrale Befugnisse zuzuweisen, die die Struktur der Gesellschaft tangieren. Zweck der Normsetzung war es, die vorher übliche Praxis zu unterbinden, dass sich einzelne Personen Sonderrechte ver­ schafften, die ihnen ermöglichten, allein und nichtöffentlich wichtige Entschei­ dungen zu treffen. Sämtliche Sondervorschriften, die nicht Kapitalmaßnahmen oder Satzungsänderungen betrafen, bezogen sich auf den Schutz der Mitglied­ schaftsrechte der einzelnen Aktionäre vor Eingriffen seitens der Mehrheit. ee)  Neuordnung der Hauptversammlung im Aktiengesetz 1937 Der mit §  102 Abs.  1 AktG 1937 vollzogene neue und heute in §  118 Abs.  1 S.  1 AktG fortgeschriebene Regulierungsansatz bezog sich nicht mehr auf die bis dahin den Gesetzgebungsprozess treibende Problematik der Abgrenzung von Generalversammlungskompetenz und individuellen Mitgliederrechten. Moti­ 287 Vgl. zu dem §   221 Abs.  1 ADHGB entsprechenden §  209 des ersten Entwurfs eines Handelsgesetzbuchs für das Deutsche Reich von 1895 dessen Begründung, S.  127 (abgedruckt in: Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Band 2, 1. Halb­ band, S.  127) und zur endgültigen Fassung in §  250 die Denkschrift zur Reichstagsvorlage, S.  309 (abgedruckt in: Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Band 2, 2. Halbband, S.  1069). 288  S.  d ie Begründung des ersten Entwurfs, S.  127 (Nachweis wie vor). 289 S.   die Begründung des ersten Entwurfs zum Handelsgesetzbuch von 1897, S.   127 (Nachweis Fußnote 287). 290  Begründung des ersten Entwurfs zum Handelsgesetzbuch von 1897, S.  127 f. (Nachweis Fußnote 287).

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

vation war vielmehr die Einschränkung von Hauptversammlungskompetenzen im Verhältnis zu Vorstand und Aufsichtsrat.291 Die noch nach §  250 HGB statthafte Einflussnahme „in Bezug auf die Füh­ rung der Geschäfte“ wurde abgeschafft. In Kombination mit §  70 Abs.  1 AktG 1937, der Vorgängernorm des heutigen §  76 Abs.  1 AktG, lag in §  102 Abs.  1 AktG nach Stellungnahmen in der Literatur „auch für die AG. [die] Anerken­ nung des „Führergedankens“ […]“.292 „Dem „anonymen Kapital““ seien „die „Giftzähne“ ausgezogen worden […].“293 Gemäß der amtlichen Begründung zum Aktiengesetz 1937 sollte der Vorstand nicht länger „von der Masse der un­ verantwortlichen Aktionäre abhängig“ sein.294 Die Informationsrechte blieben unberührt. Diese waren nicht relevant für das Ziel der Einschränkung der Hauptversammlungskompetenzen. Regelungs­ ziel des Aktiengesetzes 1937 war in erster Linie eine Neuverteilung der Ge­ schäftsführungskompetenzen und der Macht, Entscheidungen mit grundsätzli­ cher Bedeutung zu treffen. ff)  Rechtsausübung in der Hauptversammlung im Aktiengesetz 1965 In der Begründung des Regierungsentwurfs zum Aktiengesetz 1965 konstatier­ ten deren Verfasser lapidar, der Entwurf halte in §  118 Abs.  1 am geltenden Recht fest.295 Zwar verkehrte §  23 Abs.  4 AktG296 den im 19. Jahrhundert anerkannten Grundsatz in sein Gegenteil, wonach im Zweifel den Aktionären die Befugnis zustand, die Kompetenzen der Hauptversammlung selbständig zu regeln.297 Doch lässt sich hieraus kein Argument gegen die Zulässigkeit individueller In­ formationsrechte gewinnen. Dafür spricht die Aussage, das Aktiengesetz 1965 halte mit Blick auf §  118 Abs.  1 AktG am bis dato „geltenden Recht“ fest. gg)  Folgerungen aus der Gesetzgebungsgeschichte zu §  118 Abs.  1 AktG Die Ausführungen zur Gesetzgebungsgeschichte haben gezeigt, dass Ziel der Normen von Art.  224 Abs.  1 ADHGB 1870 an die Sicherung von Befugnissen zu Gunsten der Hauptversammlung war. So erklärt sich auch, dass §  118 Abs.  1 S.  1 AktG Bedeutung vor allem für das Stimmrecht hat – dieses ist das zentrale Mittel, Änderungen der Gesellschaftsstruktur herbeizuführen. Allein hierin besteht demnach der Zweck des §  118 Abs.  1 S.  1 AktG: Er soll sicherstellen, dass 291 

Amtliche Begründung zum Aktiengesetz 1937, abgedruckt bei Klausing, S.  88. Klausing, Einleitung, S.  60. 293  Klausing, Einleitung, S.  61. 294  Amtliche Begründung zum Aktiengesetz 1937, abgedruckt bei Klausing, S.  3, s. auch S.  56. 295  Begründung Regierungsentwurf Aktiengesetz 1965, abgedruckt bei Kropff, Aktienge­ setz, S.  164. 296  Der heutige §  23 Abs.  5 AktG. 297  Ausführlich 3. Teil A. §  4 I. – III. 292 

B. Einflusssicherung

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Strukturentscheidungen grundsätzlich allein von der Hauptversammlung ge­ troffen werden. Von der Vorschrift betroffene Aktionärsrechte, hinsichtlich derer die Aus­ übung auf die Hauptversammlung beschränkt ist, sind also nur solche Mitver­ waltungsrechte, die sich auf derartige Maßnahmen beschränken. Das meint zunächst das Stimmrecht. Darüber hinaus erfasst §  118 Abs.  1 AktG solche Rechte, die einzelnen Aktionären Maßnahmen ermöglichen, die „an sich“ die Hauptversammlung veranlasst. Als Beispiel sei die Besetzung des Aufsichtsrats genannt: Gemäß §  101 Abs.  1 S.  1 AktG wählt, von den dort genannten Ausnah­ men abgesehen, die Hauptversammlung den Aufsichtsrat. Das Entsendungs­ recht zu Gunsten Einzelner oder der Eigner bestimmter Aktien knüpft hieran an: Weil es um eine Entscheidung geht, die grundsätzlich im Wege der Stimm­ rechtsausübung in der Hauptversammlung getroffen wird, bedarf es für die Abweichung einer Sonderregelung. Anderenfalls würde das Regelungsziel un­ terlaufen, zentrale Maßnahmen nur durch die Hauptversammlung treffen zu lassen. Informationsrechte hingegen bereiten die Entscheidungsfindung allenfalls vor. Selbst wenn keine Sonderrechte zu Gunsten bestimmter Anteilseigner oder Aktionärsgruppen bestehen, gewährleistet das Aktiengesetz niemals vollstän­ dige informationelle Gleichbehandlung. So erkennt die ganz herrschende Mei­ nung derart viele Ausnahmen zu §  131 Abs.  4 AktG an, 298 dass die Entscheidun­ gen in der Hauptversammlung nicht von einer Masse gleich gut (oder schlecht) informierter Gesellschafter getroffen werden. Gerade für die Situation, in der klassischerweise ein erheblicher Konflikt zwischen Mehrheit und Minderheit besteht, weil eine Anteilseignerseite die Gesellschaft im konzernrechtlichen Sinne beherrscht, versagt §  131 Abs.  4 AktG in den meisten Fällen.299 d)  Ergebnis zu §  118 Abs.  1 AktG Im Ergebnis sind mitgliedschaftliche Informationsansprüche, die als besondere Rechte nach §  11 S.  1 AktG festgelegt werden, keine Abweichung von §  118 Abs.  1 S.  1 AktG. Die Erörterung des Normzwecks und der Gesetzgebungsge­ schichte hat gezeigt, dass §  118 Abs.  1 S.  1 AktG solche Gestaltungen überhaupt nicht erfasst. Der allgemein gehaltene Wortlaut, der generell auf die Rechte der Aktionäre abstellt, ist aus heutiger Sicht das Ergebnis einer zu großzügigen For­ mulierung. Daher taugt er nicht als Gegenargument. Die hier in Rede stehenden Rechte zu Gunsten der Investoren sind deshalb lediglich Ergänzungen zu §  118 Abs.  1 S.  1 AktG, indem sie den Informationsanspruch überhaupt erst schaffen und zudem seine Ausübung regeln.  298 

S.  nur Kersting, in: KK-AktG, §  131 Rn.  4 41 ff. Kersting aaO.

299 Hierzu

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

4.  Verschwiegenheitspflicht nach §  93 Abs.  1 S.  3 AktG a) Problemaufriss Das entscheidende Problem hinsichtlich der Zulässigkeit von Informationsrech­ ten zu Gunsten der Investoren ergibt sich aus der in §  93 Abs.  1 S.  3 AktG ver­ ankerten Verschwiegenheitspflicht des Vorstands. Der Umfang der Verschwie­ genheitspflicht steht nicht zur Disposition der Satzungsgestalter.300 Was geheim oder vertraulich ist, ist objektiv zu bestimmen.301 Selbst Mehrheitsaktionären darf nicht schon aufgrund dieser Stellung ein Geheimnis offenbart werden.302 Daher ist es zweifelhaft, wenn ein Teil des Schrifttums argumentiert, die Möglichkeit zur Informationsweitergabe an Wagniskapitalgeber beruhe auf der Verpflichtung der Gesellschaft im Beteiligungsvertrag selbst.303 Dem liegt eine doppelte Unterstellung zugrunde, die voraussetzt, was erst noch zu begründen ist: Die Zulässigkeit einer solchen Verpflichtung sub specie §  93 Abs.  1 S.  3 AktG und, dies angenommen, die Gelegenheit zur Regelung außerhalb der Satzung. Zwar erkennt die Literatur prinzipiell an, dass der Vorstand auf Grundlage einer Abwägungsentscheidung im Interesse der Gesellschaft Informationen an Dritte weitergeben darf.304 Doch sind die Grenzen nach wie vor unklar. So plä­ dieren einige Stimmen in der Literatur im Zusammenhang mit Due Dili­gencePrüfungen dafür, diese nur zuzulassen, wenn die Gesellschaft ein „überragen­ des, anders nicht erreichbares“ Interesse an der Offenlegung habe, um „gewis­ sermaßen […] eine einmalige und unwiederbringliche unternehmerische Chance“ wahrnehmen zu können.305 Auf den ersten Blick ist selbst diese restriktive Voraussetzung erfüllt. So ver­ weist die einschlägige Literatur durchgängig darauf, ohne die Einräumung von Ansprüchen zu Gunsten des Investors beteilige sich dieser nicht an der zwin­ gend auf den Kapitalzufluss angewiesenen Gesellschaft.306 Allerdings stellen sich zwei Probleme, die in der Literatur zu Venture Capital-Finanzierungen bislang weitestgehend außer Betracht geblieben sind: 300  BGHZ 64, 325, 326 f. (zum Aufsichtsrat); Fleischer, in: Spindler/Stilz, §  93 Rn.  162; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, §  93 Rn.  8; Spindler, in: MünchKommAktG, §  93 Rn.  142, jeweils mit Nachweisen. 301  Fleischer, in: Spindler/Stilz, §  93 Rn.  162; Hopt/Roth, in: GK-AktG, §  93 Rn.  199; Spindler, in: MünchKommAktG, §  93 Rn.  142, jeweils mit Nachweisen. 302  Spindler, in: MünchKommAktG, §  93 Rn.  125. 303  So in der Tat Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 135. 304  Fleischer, in: Spindler/Stilz, §  93 Rn.  169; Hüffer/Koch, §  93 Rn.  31; Hopt/Roth, in: GKAktG, §  93 Rn.  300; Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, §  93 Rn.  22; Lutter, ZIP 1997, 613, 617; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, §  93 Rn.  120; Spindler, in: MünchKommAktG, §  93 Rn.  133, jeweils mit Nachweisen. 305  Lutter, ZIP 1997, 613, 617. Anders (= großzügiger) die herrschende Meinung, s. ausführ­ lich Spindler, in: MünchKommAktG, §  93 Rn.  137 mit zahlreichen Nachweisen. 306  Brehm, S.  7 7; Winkler, S.  119. Grundsätzlich auch Mellert, NZG 2003, 1091, 1099.

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Erstens die Reichweite des Gleichbehandlungsgrundsatzes aus §  131 Abs.  4 AktG und der maßgebliche Unterschied hinsichtlich der Übermittlung von In­ formationen an den Investor; diesem werden, anders als etwa bei einer Due Di­ ligence, nicht nur einmalig Informationen zum Zweck der Unternehmensprü­ fung als Vorbedingung der Beteiligung zur Verfügung gestellt. Vielmehr soll er auch und gerade für den Zeitpunkt nach dem Anteilserwerb laufend Informa­ tio­nen erhalten, die häufig dem Grunde nach unter die Verschwiegenheitspflicht des §  93 Abs.  1 S.  3 AktG fallen.307 Ein Wagniskapitalgeber fordert nicht nur aus Anlass der Beteiligungsentscheidung einmal Daten über die Gesellschaft ein. Vielmehr möchte er einen kontinuierlichen Informationsfluss sichern. Das geht weit über das hinaus, was bei einer Due Diligence üblich ist. Zweitens ist vollständig unbehandelt, inwieweit §  311 Abs.  1 AktG dem In­ formationsfluss Grenzen setzt oder diesen sogar ermöglicht. Am Anfang steht im Folgenden die Untersuchung von Bezugspunkt und Inhalt des für die Entscheidung über die Offenlegung nach §  93 Abs.  1 S.  3 AktG maß­ geblichen Unternehmensinteresses sowie der Zweck der Verschwiegenheits­ pflicht (b]). Der anschließende Abschnitt demonstriert die Bedeutung von In­ formationsrechten als Instrument des Schutzes geschäftsführungsferner Ge­ sellschafter und zeigt auf, dass die in Wagniskapitalvereinbarungen üblichen Vereinbarungen privatautonom geschaffene Mechanismen etablieren, die ein aktiengesetzliches Defizit ausgleichen (unten c]). Dass dieser Regulierungs­ wunsch unter Umständen mit der fehlenden Abdingbarkeit von §  93 Abs.  1 S.  3 AktG und daher mit §  23 Abs.  5 S.  1 AktG konfligiert, wird unter d) näher dis­ kutiert. Am Ende des Abschnitts rücken zwei Sonderprobleme in den Fokus, nämlich die Verringerung des Umfangs der Gründerbeteiligung im Laufe der Finanzierung (e]) sowie die Arbeitnehmervergütung durch Aktien (f]). Beide Konstellationen erfordern eine kritische Bewertung der interessenbezogenen Wertungen aus den vorangegangenen Abschnitten, die sich im Wesentlichen da­ rauf beziehen, dass die Investoren mit den Informationsrechten jedenfalls zu Beginn der Finanzierung zu ihren Lasten bestehende Informationsasymmetri­ en beheben wollen. b)  Zweck der Verschwiegenheitspflicht und Unternehmensinteresse Die Verschwiegenheitspflicht gemäß §  93 Abs.  1 S.  3 AktG dient dem Schutz der Gesellschaft vor Wettbewerb und ihrem Ansehen.308 Was der Verschwiegen­ heitspflicht unterliegt, beurteilt sich grundsätzlich objektiv nach dem Unter­ 307  Ansatzweise Bedenken hinsichtlich der Informationsrechte bezogen auf §  93 Abs.  1 S.  3 AktG finden sich bei Mellert, NZG 2003, 1091, 1099, die aber in der Literatur nicht aufgegrif­ fen worden sind. 308  Fleischer, in: Spindler/Stilz, §  93 Rn.  160; Hopt/Roth, in: GK-AktG, §  93 Rn.  280.

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

nehmensinteresse.309 Der Vorstand ist auch insoweit Verwalter der in der Ge­ sellschaft gebündelten Vermögensinteressen Anderer.310 Um aus diesen Grundlagen konkretere Anhaltspunkte für die Abwägung zwischen Geheimhaltungsinteresse und Offenlegung von Informationen zu ge­ winnen, bedarf es der Präzisierung, worin das Unternehmensinteresse im Zu­ sammenhang mit der Verschwiegenheitspflicht besteht. aa)  Schutz der Gruppen in der Aktiengesellschaft Der Bundesgerichtshof hat zu der vergleichbaren Problematik der Offenbarung von Geheimnissen seitens des über §  116 S.  1 AktG ebenfalls nach §  93 Abs.  1 S.  3 AktG gebundenen Aufsichtsrates ausgeführt, das Interesse des Unternehmens decke sich „vielfach, aber nicht immer, mit den Interessen der im Aufsichtsrat repräsentierten Gruppen […]“.311 Maßgeblich ist sind also grundsätzlich die In­ teressen der in der Gesellschaft verbundenen Gruppen. bb)  Vergleich von §  93 Abs.  1 S.  3 AktG mit §  51a Abs.  1 GmbHG Ein weiterer Schritt hin zur besseren Erfassung des Unternehmensinteresses lässt sich tun, vergleicht man die Lage in der Aktiengesellschaft mit derjenigen in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. §  51a Abs.  1 GmbHG billigt den Gesellschaftern ein gemäß §  51a Abs.  3 unabdingbares und sehr weitreichendes Auskunfts- und Einsichtsrecht zu. Dieser frappierende Unterschied zwischen den aktienrechtlichen und gmbh-rechtlichen Regelungen erklärt sich, wenn der Schutzzweck der Verschwiegenheitspflicht – Schutz der Gesellschaft im und vor Wettbewerb – 312 mit der Regelungskonzeption von Aktiengesetz und Gm­ bHG in Bezug gesetzt wird: Das Aktiengesetz geht von der Aktiengesellschaft als Publikumsgesellschaft aus, einer Kapitalsammelstelle, deren Anteile auf einem öffentlich zugänglichen Markt, der Börse, gehandelt werden.313 Dieser Vorstellung nach sind die Mit­ glieder anonym, der Erwerb und die Veräußerung von Aktien findet regelmäßig nicht von Angesicht zu Angesicht und ohne Eintritts- sowie Austrittskontrolle seitens der übrigen Gesellschafter statt. Ganz anders die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, legt man die Mo­ dellvorstellung zugrunde, auf der das GmbHG seit der Novelle des Jahres 1980 309  BGHZ 64, 325, 329 (zum Aufsichtsrat); BGHZ 135, 48, 57; Fleischer, in: Spindler/Stilz, §  93 Rn.  160; Hopt/Roth, in: GK-AktG, §  93 Rn.  190; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, §  93 Rn.  113; Spindler, in: MünchKommAktG, §  93 Rn.  119. 310  Grundmann, Treuhandvertrag, S.  103 ff.; Hopt/Roth, in: GK-AktG, §  93 Rn.  279. 311  BGHZ 64, 325, 331. 312  Nachweise oben Fußnote 308. Der oben erwähnte Ansehensschutz kann hier außer Betracht bleiben. 313  Statt aller Fleischer, ZIP 2006, 541; Hommelhoff, in: Roth, System der Kapitalgesell­ schaften, S.  26, 37; Röhricht, in: GK-AktG, §  23 Rn.  167.

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basiert: Wenige Gesellschafter, persönliche Kontakte der Mitglieder unterein­ ander, Teilhabe der Gesellschafter an den Vorgängen innerhalb der Gesellschaft oder jedenfalls Nähe zur Gesellschaft.314 Im Unterschied zur gesetzestypischen Aktiengesellschaft erhält also nur ein kleiner Personenkreis die Informationen, der zudem ein erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse daran hat, dass diese nicht nach außen dringen. Außerdem werden Auskünfte nicht der Gesellschaf­ tergesamtheit quasi öffentlich erteilt, sondern nur denjenigen Mitgliedern, die ihre Rechte geltend machen.315 Der im Zusammenhang mit §  93 Abs.  1 S.  3 AktG relevante Schutz vor Wett­ bewerb tritt bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung also zurück. Zwar unterliegen die Geschäftsführer einer Verschwiegenheitspflicht.316 Dennoch können die Gesellschafter umfassende Informationen erlangen. Der Schutz vor Wettbewerb resultiert daraus, dass gemäß der dem Gesetz zugrunde liegenden Konzeption der Gesellschaft mit beschränkter Haftung nur wenige Personen Kenntnis erlangen, die überdies aufgrund ihrer wirtschaftlichen Nähe zur Ge­ sellschaft alle ein erhebliches Eigeninteresse daran haben, den wirtschaftlichen Erfolg nicht zu gefährden, indem sie Geschäftsgeheimnisse in den Markt drin­ gen lassen. Das Problem des Wettbewerbsschutzes ist demnach weniger eines der Rechts­ form als eines des Realtypus: In „geschlossenen“ Kapitalgesellschaften sorgt bereits das Eigeninteresse der Mitglieder dafür, dass nicht bereits aus dem In­ formationstransfer als solchem eine Gefährdung der Gesellschaft folgt, indem der Empfänger sofort in Wettbewerb zu ihr tritt. cc)  Folgerungen für Wagniskapitalfinanzierungen Der eben erwähnte Gedanke des Eigeninteresses am Schutz vor Wettbewerb lässt sich für Wagniskapitalfinanzierungen fruchtbar machen: Mit Wagniskapi­ tal finanzierte Gesellschaften haben wenige Mitglieder. Diese sind alle am wirt­ schaftlichen Erfolg der Gesellschaft interessiert, gerade die Investoren profitie­ ren davon, dass sie prosperiert. Die Unternehmensentwicklung hängt von der Umsetzung einer innovativen Geschäftsidee ab. Drängen Informationen hierü­ ber nach außen, gefährdete dies die Durchführung des Projekts – und damit die Vergütung sämtlicher Beteiligter – ganz erheblich. Insofern gibt es ein Eigenin­ teresse daran, Informationen nicht „nach außen“ offenzulegen. 314  Fleischer, in: MünchKommGmbHG, Einl. Rn.  115; Hommelhoff, in: Roth, System der Kapitalgesellschaften, S.   26, 40; A.Hueck, S.   8. Zum hiervon abweichenden Leitbild des ­GmbHG 1892 Fleischer, in: MünchKommGmbHG, Einl. Rn.  68 ff. 315  BGHZ 135, 48, 54. 316  Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, §   43 Rn.  25; Buck-Heeb, in: Gehrlein/Ekkenga/Si­ mon, §  43 Rn.  42; Fleischer, in: MünchKommGmbHG, §  43 Rn.  199; Kleindiek, in: Lutter/ Hommelhoff, §  43 Rn.  20; Klöhn, in: Bork/Schäfer, §  43 Rn.  48; Paefgen, in: GK-GmbHG, §  43 Rn.  149; U.H.Schneider, in: Scholz, §  43 Rn.  144; Zöllner/Noack, §  35 Rn.  40.

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

Das gilt prinzipiell auch für Corporate Venture Capital, also in den Fällen, in denen sich größere Unternehmen als Kapitalgeber betätigen. Zwar ist hier die Gefahr größer, dass sich der Investor aufgrund seiner eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit der Informationen bedient, um sie zu eigenem Nutzen zu verwer­ ten.317 Doch handelt es sich hierbei um Ausnahmen. Das Primärziel der Inves­ tition ist auch bei Industrieinvestoren der Erfolg der finanzierten Gesellschaft. Von vornherein anderes zu unterstellen, ginge zu weit. c)  Informationsanspruch als Schutz geschäftsführungsferner Gesellschafter Der Anspruch eines Gesellschafters auf Information dient dazu, dass er seine Rechte sinnvoll ausüben kann. Das betrifft nicht nur die Vermögensrechte, son­ dern auch diejenigen, die durch Verwaltungsentscheidungen die Steuerung der Geschäftsführung ermöglichen. Aus Sicht der Investoren besteht ein erhebli­ ches Bedürfnis nach Informationen (aa]), das gegen die Verschwiegenheits­ pflicht abzuwägen ist (bb]). aa)  Informationsbedürfnis der Investoren Dass Investoren an besonderen Informationsrechten interessiert sind, ergibt sich aus der tatsächlichen Machtverteilung in wagniskapitalfinanzierten Gesell­ schaften: Die Kapitalgeber erhalten in Deutschland aus steuerlichen Gründen kein Amt im Vorstand.318 Im Aufsichtsrat haben sie jedenfalls zu Beginn der Finanzierung keine Mehrheit. Dagegen verfügen die Gründer über einen unein­ geschränkten Informationszugang. Aus ihren Reihen wird der Vorstand be­ setzt, sie sind die wichtigsten – und zu Beginn der Finanzierung häufig: die einzigen – Mitarbeiter des Unternehmens, die nicht nur Einblick in die Lage der Gesellschaft haben, sondern ihre Entwicklung maßgeblich vorantreiben. Bliebe es nun bei den gesetzlichen Informationsansprüchen, wären die Kapi­ talgeber Opfer einer stark asymmetrischen Wissensverteilung. Das Aktienge­ setz böte keine ausreichende Handhabe, zumal die Rechte des Aufsichtsrates nach §§  90, 111 AktG weniger weit reichen als diejenigen, die die Investoren in der Praxis für notwendig erachten.319 Die Informationsrechte dienen demnach (auch) dazu, informationelle Gleichbehandlung herzustellen.320 Die Beteiligten schaffen privatautonom das Ergebnis, welches das GmbHG durch §  51a Abs.  1 GmbHG zu gewährleisten sucht. Die Norm soll den Anteilseignern die Infor­ mation über Vorgänge und den Zustand der Gesellschaft ermöglichen, die we­ der zusätzlich ein Amt als Geschäftsführer bekleiden noch als Angehörige der 317 Vgl.

Pfeifer, BB 1999, 1665, 1671. Dazu oben 2. Teil A. §  2 II.3.c). 319  S.  Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 132. 320 Im Ergebnis ebenso Baums/Möller, in: Hommel/Knecht (Hrsg.), Start-Up-Manage­ ment, S.  396, 401; Brehm, S.  77 f. 318 

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Mehrheit auf sonstigen Wegen über die Mittel verfügen, sich die für die Aus­ übung ihrer Verwaltungsrechte notwendigen Einblicke zu verschaffen.321 bb)  Informationsbedürfnis und Verschwiegenheitspflicht Für sich genommen ist das geschilderte Informationsbedürfnis freilich kein Ar­ gument, die Verschwiegenheitspflicht gemäß §  93 Abs.  1 S.  3 AktG aufzuhe­ ben.322 Denn diese besteht dem Wortlaut nach unabhängig von der Anzahl der Gesellschafter. Zudem sieht das Aktiengesetz eben gerade keine routinemäßige Information aller Aktionäre vor. Darüber hinaus führt der kontinuierliche In­ formationsfluss auf den ersten Blick genau die Gefahren herbei, die §  93 Abs.  1 S.  3 AktG eindämmen soll, nämlich die Verbreitung von Unternehmensinterna an eine Vielzahl von Personen. Dass der Gesellschaft die Finanzierung entgeht, wenn die Investoren keine Informationsrechte erhalten,323 ist vor diesem Hintergrund für sich genommen wenig aussagekräftig. Dieses Argument lässt sich nämlich umkehren: Ist es al­ len Kapitalgebern verboten, Informationsrechte zu erhalten, ohne etwa einen Beherrschungsvertrag abzuschließen,324 verlieren sie ihrerseits Investitions­ möglichkeiten. Dass sie unter diesen Umständen doch bereit wären, unter In­ kauf­nahme fehlender exklusiver Auskunftsansprüche finanzielle Mittel bereit­ zustellen, ist jedenfalls nicht völlig ausgeschlossen. Allerdings würde eine solche Argumentation den Notwendigkeiten der Wag­ niskapitalfinanzierung nicht gerecht. Die Informationsrechte sind, vor allem in den ersten Finanzierungsrunden, weniger eine einseitige Begünstigung der In­ vestoren, die diese ausschließlich zu eigenem Nutzen verwerten, als Vorausset­ zung, ihren Unterstützungs- und Beratungspflichten nachzukommen. Erst die regelmäßigen und umfassenden Auskünfte über die Unternehmensentwicklung und die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft versetzen sie in die Lage, eine ih­ rer wichtigsten Aufgaben zu erfüllen, die Beratung der Gründer in Geschäfts­ führungsfragen. Die Verweigerung besonderer Auskunftsansprüche liefe mittelbar auf eine wirtschaftliche Benachteiligung der Gesellschafter hinaus, die in juristischer Hinsicht über weniger Rechte verfügen. Das Schrifttum geht einhellig davon

321  Grunewald, ZHR 146 (1982), 211, 218 f.; K.Schmidt, FS Kellermann, S.  389, 397; Teichmann, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, §  51a Rn.  1; Hüffer/Schürnbrand, in: GK-GmbHG, §  51a Rn.  7. Das anerkennt selbst Mertens, FS Werner, S.  557, 569. 322  So aber Brehm, S.  7 7 f. 323  So das Argument von Brehm, S.  7 7; Winkler, S.  119. Grundsätzlich auch Mellert, NZG 2003, 1091, 1099. 324  Zur Möglichkeit der Informationsweitergabe bei Geltung eines Beherrschungsvertra­ ges statt aller Hopt/Roth, in: GK-AktG, §  93 Rn.  288; Löbbe, S.  111 f.

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

aus, es bestehe eine Aufklärungspflicht gegenüber Beratern, wenn dies dafür erforderlich sei, den Vorstand im Interesse der Gesellschaft zu unterstützen.325 Die Ausgestaltung als Anspruch auf Offenlegung gewährleistet eine konti­ nuierliche Pflicht zur Berichterstattung in standardisierter Form. Erst diese versetzt die Investoren in die Lage, eine sinnvolle Kontrolle und Beratung der Geschäftsleitung durchzuführen.326 Darüber hinaus hilft die Ordnung der Art und Weise der Berichterstattung dem Vorstand bei der Erfüllung seiner Lei­ tungsaufgaben. Die geschäftlich unerfahrenen Gründer-Vorstände können vor­ hersehen, welche Daten sie wann weitergeben müssen. Das zwingt sie dazu, von vornherein betriebswirtschaftliche Kriterien zum Maßstab ihres Handelns zu machen und ein hieran orientiertes System der Unternehmenskontrolle aufzu­ bauen. d)  Auswirkungen von §  2 3 Abs.  5 S.  1 AktG Ein Einwand dagegen, den Investoren einen Anspruch auf Information zu ge­ währen, ergibt sich nun scheinbar aus §  23 Abs.  5 S.  1 AktG: Mag die Weitergabe der Informationen im Regelfall im Unternehmensinteresse liegen, führt ein un­ modifizierter Anspruch auf Offenlegung zu einer Abweichung von §  93 Abs.  1 S.  3 AktG. Denn jedenfalls zu Gunsten einer Partei wird die Verschwiegen­ heitspflicht aufgehoben. §  311 Abs.  1 AktG bietet keinen Lösungsansatz, weil aus ihm kein eigenständiger konzernrechtlicher Informationsanspruch folgt.327 Die notwendige gesetzliche Zulassung fehlt also. Die Parteien können demnach den Anspruch nicht so gestalten, dass die Wagniskapitalgeber jederzeit und un­ abhängig von den Interessen der Gesellschaft die Offenlegung jeglicher Infor­ mationen verlangen dürfen. Anderenfalls höben sie §  93 Abs.  1 S.  3 AktG auf. Das scheint dafür zu sprechen, einen Anspruch auf Information als unzulässig anzusehen. Indes wäre dieser Schluss verfrüht: aa)  Unternehmensinteresse als Rechtfertigungsgrund Die Möglichkeit zu verneinen, ein besonderes Recht der Investoren zu schaffen, führte zu einem wenig sinnvollen Ergebnis. Da der Vorstand der Aktiengesell­ schaft gerade zu Beginn der Finanzierung mit Gründern besetzt ist, stünde die Offenlegung ausgerechnet im Belieben derjenigen, die unter Anreizgesichts­ punkten dringend der Kontrolle bedürfen. Dies wurde alles schon erläutert und

325  Hüffer/Koch, §  93 Rn.  31; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, §   93 Rn.  120; Spindler, in: MünchKommAktG, §  93 Rn.  135. 326  Die Wichtigkeit standardisierter Information der Gesellschafter zur Ermöglichung der Kontrolle der Geschäftsführung in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung betonte be­ reits Lutter, ZGR 1982, 1, 7. 327  Dazu noch unten 5.

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ist hier nicht zu wiederholen.328 Erkennt man an, dass es das Unternehmensin­ teresse erfordert, den Kapitalgebern die Informationen im hier relevanten Um­ fang zur Verfügung zu stellen, folgt hieraus schon eine Offenlegungspflicht der Organmitglieder gegenüber der Gesellschaft.329 Diesen Anspruch sozusagen zusätzlich per Satzungsklausel „nach außen“ zu kehren, hilft dabei, den Infor­ mationsfluss in sinnvoller Weise zu strukturieren.330 Der Zweck der Verschwie­ genheitspflicht – Schutz der Gesellschaft vor Wettbewerb und ihres Ansehens – steht ebenfalls dem Grunde nach dem hier diskutierten Anspruch nicht entge­ gen.331 Es geht allein darum, im Einzelfall den Datentransfer verhindern zu können, wenn dies ausnahmsweise gemäß §  93 Abs.  1 S.  3 AktG erforderlich sein sollte. bb)  §  93 Abs.  1 S.  3 als Durchsetzungshindernis Der gangbare Mittelweg besteht darin, einen Informationsanspruch anzuer­ kennen und §  93 Abs.  1 S.  3 AktG als situationsbezogene rechtshindernde Ein­ rede zu betrachten. Damit bleibt das aktienrechtliche Pflichtenprogramm unan­ getastet: Der Vorstand muss nach wie prüfen, ob die Informationsweitergabe im Unternehmensinteresse liegt und darf sie gegebenfalls verweigern. Insbeson­ dere im Fall von Corporate Venture Capital sind die Informationsinteressen von finanzierter Gesellschaft und industriellem Kapitalgeber sorgfältig abzu­ wägen. Möchten die Investoren hiergegen vorgehen, obliegt es ihnen, im Pro­ zess darzulegen, dass die Voraussetzungen für die Weitergabe erfüllt sind. Mancher mag einwenden, diese Überlegungen seien in der Praxis hinfällig – öffne man einmal die Tür zur standardisierten Informationspflicht, erfüllten die Gründer-Vorstände diese selbst dann, wenn sie an sich den Transfer unter­ lassen müssten. Insbesondere in Anbetracht des finanziellen Drucks, den die Investoren aufzubauen in der Lage seien, sei realistischerweise von vorauseilen­ dem Gehorsam auszugehen. Zwar ist diese Gefahr nicht von der Hand zu weisen. Doch ist sie nicht derart außergewöhnlich, dass sie Anlass gäbe, vom hier verfolgten Lösungsansatz ab­ zugehen. Das Problem ist nicht nur im Recht des faktischen Konzerns im Zu­ sammenhang mit §  311 Abs.  1 AktG bekannt, sondern allgemein im Verhältnis von Vorstand und Großaktionär. Es existiert unabhängig davon, ob ein An­ spruch auf Information besteht oder nicht. Sobald ein Anteilseigner über aus­ reichenden finanziellen oder durch Stimmrechte vermittelten Einfluss verfügt, gerät der Vorstand unter Druck. 328  Allgemein oben 1. Teil A. §  1, §  2 I.1., III.2., IV.; im Zusammenhang mit Informations­ rechten in diesem Abschnitt oben I. 329  S.  Hüffer/Koch, §  93 Rn.  31; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, §  93 Rn.  120. 330  Oben c)bb). 331  Oben b).

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e)  Sonderproblem 1: Verringerter Umfang der Gründerbeteiligung in späteren Runden Gegen die bislang geltend gemachten Gründe für die Zulässigkeit besonderer Informationsansprüche zu Gunsten der Investoren scheint jedenfalls mit Blick auf spätere Stadien der Wagniskapitalfinanzierung zu sprechen, dass die Grün­ der vielfach nicht mehr im Vorstand vertreten sind und ihr Beteiligungsumfang unter Umständen signifikant gesunken ist, etwa nach Durchführung einer Down Round.332 In diesem Fall verfügen sie nicht mehr kraft Organstellung über den Zugang zu sämtlichen vertraulichen Informationen. Folge solcher Vorgänge ist offenbar, dass die Auskunftsrechte der Kapitalgeber nicht mehr informationelle Gleichbehandlung sicherstellen, sondern den Investoren sogar eine überlegene Position verschaffen. Diese Überlegung trifft im Ergebnis allerdings nicht zu. Selbst nach einer Down Round und erheblich reduziertem Beteiligungsumfang arbeiten die Gründer weiterhin in Schlüsselpositionen. Die Verringerung der Anteilsquote und der Verlust von Organämtern ändert nichts daran, dass die Gründer die wichtigsten Wissensträger und maßgeblich an der Unternehmensentwicklung beteiligt sind. Sie werden also mit Blick auf den Zugang zu Informationen nicht zu Außenseitern. Im Übrigen gilt das Argument, dass die Informationsweitergabe an die In­ vestoren dazu dient, die Wahrnehmung ihrer Beratungs- und Kontrollaufgaben zu ermöglichen. Das gilt sogar erst recht, wenn die maßgebliche Partizipation der Gründer an der Geschäftsleitung erst dazu geführt hat, dass aufgrund der wirtschaftlich wenig erfolgreichen Entwicklung eine Down Round notwendig wurde. f)  Sonderproblem 2: Arbeitnehmervergütung durch Aktien Erhalten Arbeitnehmer, die nicht zugleich Gründer sind, Anteile als Vergü­ tung, was insbesondere in späteren Finanzierungsphasen nicht ausgeschlossen ist, stellt sich die Frage nach der Reichweite der bislang vorgetragenen Argu­ mentation. Denn in diesem Fall tritt eine weitere Gruppe hinzu, deren Bedürf­ nisse die Definition des Unternehmensinteresses prägen. Die Personen, um die es hier geht, haben unter Umständen nur begrenzten Zugang zu wesentlichen Informationen, weil sie weder in zentralen Stellen der Produktentwicklung ar­ beiten noch Organmitglied sind. Dennoch gibt es keinen Anlass, die Investoren von einem privilegierten Informationszugang auszuschließen. Den Arbeitnehmern kommt nämlich mittelbar die Beratungs- und Kontroll­ tätigkeit der Investoren zugute, die wiederum den Informationsfluss erfordert. Sie sind als Personen, deren Vergütung von der Werthaltigkeit der Anteile ab­ 332 

Vgl. oben 1. Teil B. §  12.

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hängt, genauso wie die übrigen Mitglieder daran interessiert, die Position der Gesellschaft im Wettbewerb nicht zu gefährden. g) Zwischenergebnis Mit der Erkenntnis, dass die Informationserteilung gerade die Unterstützungs­ tätigkeit der Investoren ermöglicht, ist der Bogen zum Unternehmensinteresse geschlossen, anhand dessen die Offenlegung von nach §  93 Abs.  1 S.  3 AktG geschützten Informationen zu prüfen ist: Legt man für die Konkretisierung des Unternehmensinteresses die Interessen der einzelnen an der Gesellschaft betei­ ligten Gruppen zugrunde,333 bringt die Weitergabe der Informationen sämtli­ chen Gesellschaftern Vorteile, das heißt Gründern wie Investoren. Selbst wenn noch eine dritte Partei beteiligt sein sollte, etwa Angel Investors aus dem Seed Stage334 oder Arbeitnehmer, die Anteile als Vergütung erhalten, ändert sich nichts an dieser Beurteilung. Indirekt profitieren diese ebenfalls von den Wertsteigerungen, die auf der Beratungstätigkeit der Wagniskapitalgeber beruhen. Das Gleiche gilt für die Kontrolle über die Mittelverwendung, die die Wag­ niskapitalgeber durchführen. Angesichts eines geringen Beteiligungsumfangs und der damit einhergehenden schlechten Einflussmöglichkeiten derjenigen Anteilseigner, die weder Gründer noch Investor sind, wirkt aus ihrer Sicht auch insoweit die Tätigkeit der bevorzugt Informierten vorteilhaft. Gäbe es keine Informationsrechte zu Gunsten der Kapitalgeber, brächte dies keine Verbesserung der Stellung der dritten Partei, etwa der Arbeitnehmer, mit sich. Denn an der besseren Position von Gründern und Investoren – diese sind immerhin im Aufsichtsrat vertreten – hinsichtlich der Erlangung von Informa­ tionen änderte sich nichts. Der Zweck der Verschwiegenheitspflicht, die Stellung der Gesellschaft im Wettbewerb und ihr Ansehen zu schützen, wird ebenfalls nicht unterlaufen. Die Zahl der informierten Personen ist klein, zudem haben sie ein Interesse daran, dass Unternehmensgeheimnisse nicht nach außen dringen.335

5.  Informationsanspruch als Regelungsgegenstand und §  311 AktG Wie bereits im zweiten Teil der Arbeit ausgeführt, sind die Wagniskapitalgeber herrschendes Unternehmen im Sinne von §  17 Abs.  1 AktG.336 Sie unterliegen also §  311 Abs.  1 AktG. Die ganz herrschende Meinung zum Recht des fakti­ schen Konzerns verneint einen allgemeinen Anspruch des herrschenden Unter­ 333 

Dazu oben b)aa). Dazu Einleitung A. §  2 II.2. 335  Vgl. bereits oben b)cc) und Immenga, Kapitalgesellschaft, S.  299. 336  2. Teil B. §  2 I.2. 334 

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nehmens auf Informationen gegen die abhängige Gesellschaft.337 Aus §  311 Abs.  1 AktG folgt im Gegenteil ein Verbot der Informationsweitergabe im fak­ tischen Konzern, wenn diese für die abhängige Gesellschaft nachteilig wäre.338 Damit sind im Folgenden nur noch die Fragen zu beantworten, ob die Infor­ mationsweitergabe mit §  311 Abs.  1 AktG zu vereinbaren ist, weil es an einem Nachteil fehlt (a]), und ob der Anspruch selbst als Nachteil im Normsinne zu qualifizieren ist (b]). a)  Berechtigung zur Informationsweitergabe mangels Nachteils Maßstäbe, wann die Weitergabe von Informationen zu einem Nachteil führt, hat die Literatur bislang nur in Ansätzen herausgearbeitet. Die herkömmliche Formel der Verminderung von Chancen und Ertragserwartungen der abhängi­ gen Gesellschaft339 hilft nur eingeschränkt. Die Beeinträchtigung der Interessen der Gesellschaft liegt häufig nicht im „Verlust“ der Information, sondern folgt erst aus ihrer Nutzung seitens des herrschenden Unternehmens.340 Die Gefahr besteht darin, dass die Wagniskapitalgeber die Informationen gebrauchen, um andere Gesellschaften aus ihrem Investitionsportfolio zu fördern oder, bei In­ dustrieinvestoren, in der eigennützigen Verwertung. aa) Kein Nachteil bei gleichzeitigem Vorteil Nach einer im Schrifttum zu §  311 Abs.  1 AktG vertretenen Ansicht entfällt der aus einer Informationsweitergabe herrührende Nachteil, falls sich der Empfän­ ger verpflichtet, die Informationen nicht eigennützig zu verwerten, sondern sie allein für die Ausübung von Kontrolle über die abhängige Gesellschaft zu ge­ brauchen.341 Selbst wenn man dies für zu weitgehend hält, folgt hieraus nicht, jede Infor­ mationsweitergabe für nachteilig halten zu müssen. Resultieren aus der Offen­ legung zugleich Vorteile, liegt bereits kein Nachteil vor.342 So ist etwa für das Konzerncontrolling anerkannt, dass der Datentransfer „regelmäßig“ vorteil­ 337  S.  nur Altmeppen, in: MünchKommAktG, §  311 Rn.  422; Fabritius, FS Huber, S.  705, 710; Fleischer, ZGR 2009, 505, 535; Koppensteiner, in: KK-AktG, §  311 Rn.  147 mit Fußnote 376; Lutter, Information, Rn.  179; S.Schneider, S.  195 f.; Singhof, ZGR 2001, 146, 159. 338  Fleischer, ZGR 2009, 505, 535; Koppensteiner, in: KK-AktG, §  311 Rn.  147 mit Fußnote 376; S.Schneider, S.  195 f.; Singhof, ZGR 2001, 146, 159. Andere Akzentuierung bei Lutter, Information, Rn.  179: Rederecht. 339  BGHZ 141, 79, 84; BGH NJW 2009 850, 851 Tz 8; (kritisch) Altmeppen, in: Münch­ KommAktG, §  311 Rn.  157 ff.; Habersack, in: Emmerich/Habersack, §  311 Rn.  39; Hüffer/ Koch, §  311 Rn.  24; Koppensteiner, in: KK-AktG, §  311 Rn.  36, 50. 340  Löbbe, S.  114. 341  Habersack, in: Emmerich/Habersack, §  311 Rn.  51a; Löbbe, S.  114 ff. Vgl. auch Fabritius, FS Huber, S.  705, 711 ff. 342  Fabritius, FS Huber, S.  705, 713; Lutter, Information, Rn.  178 unter b); der Sache nach ebenso S.Schneider, S.  183.

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haft für die abhängige Gesellschaft ist, weil die Kontrollmaßnahmen bei der Aufdeckung von Fehlentwicklungen helfen können.343 Daraus leitet ein Teil der Literatur sogar die Pflicht im Innenverhältnis des Vorstands zur abhängigen Gesellschaft ab, die hierfür notwendigen Informationen weiterzugeben.344 Dies lässt sich für den besonderen Kontext der Wagniskapitalfinanzierung345 rück­ binden an den herkömmlichen Nachteilsbegriff mit seiner vermögensrechtli­ chen Ausrichtung: bb)  Vorteil einer Informationsweitergabe Die Informationsweitergabe dient gerade dazu, den wirtschaftlichen Erfolg der abhängigen Gesellschaft herbeizuführen. Die Ertragsaussichten einer mit Ven­ ture Capital finanzierten Gesellschaft werden mit der Offenlegung – jedenfalls voraussichtlich – verbessert, vor allem im Vergleich zu der Lage, in der sich die Gesellschaft befände, würde sie allein von den geschäftlich unerfahrenen Grün­ der-Vorständen gesteuert. Die Gründer sind stets auf Beratung in Fragen der Geschäftsentwicklung und Führung eines Unternehmens angewiesen. Nähmen die Wagniskapitalge­ ber diese Aufgabe nicht wahr, müsste die Gesellschaft teure externe Berater be­ schäftigen. Hierfür reichte das Kapital in der Regel nicht aus. Indem die Inves­ toren die Beraterrolle übernehmen, ersparen sie der Gesellschaft Liquiditätsab­ flüsse für die ansonsten notwendige Vergütung dritter Personen. Bereits im Kontext von §  93 Abs.  1 S.  3 AktG wurde auf die Vorteile einer strukturierten Berichterstattung hingewiesen.346 Daraus ergibt sich ein weiterer Ansatz, die Nachteilhaftigkeit der Informati­ onsweitergabe zu verneinen: Nach herrschender Meinung liegt kein Nachteil vor, wenn der Vorstand einer unabhängigen Gesellschaft wie der Vorstand der abhängigen Gesellschaft hätte handeln können, ohne hierfür nach §  93 Abs.  1 S.  2 AktG zu haften.347 Hätte der Vorstand einer unabhängigen Gesellschaft also ebenfalls Informationen nach außen geben müssen, um einem Unterneh­ mensberater seine Tätigkeit zu ermöglichen, spricht dies dafür, in der hier rele­

343  Altmeppen, in: MünchKommAktG, §  311 Rn.  439. Allgemeiner Koppensteiner, in: KKAktG, §  311 Rn.  147: Sachgerechte Wahrnehmung von Einflussmöglichkeiten liegt im Interes­ se der Gesellschaft, was die Weitergabe von Informationen legitimiere. 344  Altmeppen, in: MünchKommAktG, §  311 Rn.  439. 345  Zur Notwendigkeit, die besondere Lage der abhängigen Gesellschaft bei der Prüfung der Nachteilhaftigkeit einer Maßnahme zu berücksichtigen, Habersack, in: Emmerich/Ha­ bersack, §  311 Rn.  41. 346  Oben II.4.c)bb). 347  BGHZ 175, 365, 368 Tz 11; BGH NJW 2009, 850, 851 Tz 9; Habersack, in: Emmerich/ Habersack, §  311 Rn.  40; Hüffer/Koch, §  311 Rn.  25; Koppensteiner, in: KK-AktG, §   311 Rn.  36. Wohl auch, trotz seiner von der herrschenden Meinung abweichenden Konzeption, Altmeppen, in: MünchKommAktG, §  311 Rn.  168.

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

vanten Situation der Offenlegung von Daten gegenüber den Wagniskapitalge­ bern nicht anders zu entscheiden. b)  Informationsanspruch selbst kein Nachteil Kritisch mag man einwenden, die bisherigen Ausführungen erklärten nur, wa­ rum der Vorstand der abhängigen Gesellschaft berechtigt zur Informationswei­ tergabe sei, nicht aber, dass ein entsprechender Anspruch der Wagniskapitalge­ ber mit §  311 Abs.  1 AktG konform gehe. Zumindest theoretisch denkbar ist die Situation, dass der Gründer-Vorstand die Informationsweitergabe verweigert – oder verweigern müsste – und die Wagniskapitalgeber auf Erfüllung beharren. Hier gelten die gleichen Überlegungen wie im Zusammenhang mit der aktien­ rechtlichen Verschwiegenheitspflicht aus §  93 Abs.  1 S.  3 AktG.348 §  311 Abs.  1 AktG fungiert in diesem Fall als situationsbezogene Schranke.

6.  Informationspflichten und §  131 Abs.  4 AktG Abschließend bleibt zu klären, ob sich aus §  131 Abs.  4 AktG ein Hindernis für die Informationsweitergabe ergibt. Dies ließe sich mit der Überlegung be­ gründen, dass, eine Pflicht zur Nachinformation sämtlicher Gesellschafter unter­stellt, die Informationen jedenfalls in späteren Finanzierungsstadien mög­ licherweise an derart viele Aktionäre weitergegeben werden müssten, dass hier­ aus eine Gefahr für die Gesellschaft entstünde, weil die Wahrung ihrer Ge­ schäftsgeheimnisse nicht mehr sicher wäre. Das Problem resultiert konkret daraus, dass §  131 Abs.  4 AktG nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht in Abweichung vom allgemeinen aktienrecht­ lichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§  53a AktG) strikt gilt, also keine sachli­ che Rechtfertigung der Ungleichbehandlung von Aktionären vorsieht.349 Dann wäre die beschränkte Reichweite der Offenlegung nicht gewährleistet. Doch steht die herrschende Meinung zu §  131 Abs.  4 AktG zu Recht auf ei­ nem anderen Standpunkt und sieht in §  131 Abs.  4 AktG nur eine spezielle Aus­ prägung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes, ohne dass hieran Be­ sonderheiten hinsichtlich möglicher Ungleichbehandlungen geknüpft wären.350 Die Vorschrift ist von den Verfassern des Aktiengesetzes 1965 zu einer Zeit konzipiert worden, als der heutige §  53a AktG noch nicht als Norm Eingang in den Gesetzestext gefunden hatte.351 Die Begründung zum Regierungsentwurf 348 

Oben II.4.d)bb). Duden, FS Caemmerer, S.  499, 508 ff.; Kersting, in: KK-AktG, §  131 Rn.  426. 350  Statt aller Decher, in: GK-AktG, §  131 Rn.  334; Fleischer, ZGR 2009, 505, 538; Hüffer/ Koch, §  131 Rn.  36; Kubis, in: MünchKommAktG, §  131 Rn.  125; Kuntz, Informationsweiter­ gabe, S.  145 f.; Pentz, FS Priester, S.  593, 604 ff.; Siems, in: Spindler/Stilz, §  131 Rn.  72; Spindler, in: Schmidt/Lutter, §  131 Rn.  95; Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S.  510 ff. 351  §  53a wurde erst durch das Gesetz zur Durchführung der Zweiten Richtlinie des Rates 349 

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des Aktiengesetzes verweist für §  131 Abs.  4 AktG lediglich auf den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz, ohne diesen mit Blick auf die Nachinformations­ pflicht zu modifizieren.352 Sie führt Ausnahmen auf, die selbst diejenigen ak­ zeptieren, die strikte Gleichbehandlung fordern.353 Diese Inkonsistenz damit zu rechtfertigen, in einem faktischen Konzern wer­ de Auskunft nicht an den Aktionär in dieser Eigenschaft, sondern in seiner Ei­ genschaft als herrschendes Unternehmen gegeben,354 überzeugt kaum. Dass dieses Argument überhaupt herangezogen und nicht als unzulässige Umge­ hungsstrategie gebrandmarkt wird, ist gerade Indiz dafür, Ausnahmen von der Nachinformationspflicht zulassen zu dürfen. Eine solche Ausnahme folgt im Kontext von Venture Capital-Finanzierungen aus den besonderen Informationsrechten zu Gunsten der Investoren.355 Die Sachgründe wurden bereits ausführlich erläutert und sind hier nicht noch ein­ mal aufzuführen.356

7.  Schuldrechtliche Abreden über besondere Informationsrechte Die bisherige Diskussion zur Zulässigkeit besonderer Informationsrechte zu Gunsten der Wagniskapitalgeber bezog sich allein auf satzungsmäßig begrün­ dete Sonderrechte im Sinne von §  11 S.  1 AktG. Nun ist noch die Frage zu beant­ worten, ob vergleichbare Ansprüche auch in schuldrechtlichen Abreden zwi­ schen den Investoren und der Gesellschaft vereinbart werden können. Zunächst lässt sich erwägen, §  26 Abs.  1 AktG analog anzuwenden (dazu a]). Anschlie­ ßend ist zu klären, ob sich aus allgemeinen Grundsätzen eine Grenze der Ge­ staltungsmacht ergibt, die die Satzungspflichtigkeit der Informationsrechte be­ gründet (b]). a)  Keine analoge Anwendung von §  26 Abs.  1 AktG Die Literatur hält es für zulässig, in der Gründungssatzung besondere Informa­ tionsrechte vorzusehen.357 Gemäß allgemeiner Ansicht gilt §  26 Abs.  1 AktG der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts vom 13.12.1978, BGBl. I S.  1959, in das Aktiengesetz eingefügt. 352 Vgl. Begründung zum Regierungsentwurf des Aktiengesetzes 1965, abgedruckt bei Kropff, S.  187. 353  Vgl. die Begründung aaO. mit Kersting, in: KK-AktG, §  131 Rn.  4 41 ff. 354  Kersting, in: KK-AktG, §  131 Rn.  4 44, in Übereinstimmung mit der ganz herrschenden Meinung (s. nur Koppensteiner, in: KK-AktG, §  312 Rn.  8; Kubis, in: MünchKommAktG, §  131 Rn.  142, jeweils mit weiteren Nachweisen). 355  Brehm, S.  87; Loges/Distler, ZIP 2002, 467, 471 (mit Blick auf §  53a AktG). 356  Oben 4. 357  A.Arnold, in: KK-AktG, §  26 Rn.  11, 8; Hüffer/Koch, §  26 Rn.  3; Limmer, in: Spindler/ Stilz, §  26 Rn.  3 f.; Pentz, in: MünchKommAktG, §  23 Rn.  12 f.; Röhricht, in: GK-AktG, §  26 Rn.  17, 9, 18; Seibt, in: Schmidt/Lutter, §  26 Rn.  7 f.

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jedoch allein für die Gründungssatzung, nach der Eintragung der Gesellschaft soll die in dieser Vorschrift verankerte Satzungspflicht nicht mehr greifen.358 Jedenfalls auf den ersten Blick erscheint es wenig überzeugend, bis zur Ein­ tragung der Gesellschaft die Einräumung von Sondervorteilen auf schuldver­ traglicher Basis ausdrücklich zu verhindern und Satzungspflicht zu befürwor­ ten, ab Eintragung aber anders zu urteilen. Aus Sicht Dritter entschiede ein zeitlich zufälliger Akt im Handelsregister über die Publizität von Rechten, die unter Umständen erhebliche Begünstigungen einzelner Gesellschafter vorse­ hen. Fraglich ist daher, ob §  26 Abs.  1 AktG zumindest insoweit analog für die Zeit nach Eintragung herangezogen werden muss, dass Sondervorteile wie etwa Informationsrechte als grundsätzlich satzungspflichtige Bestimmungen nicht per Schuldvertrag regelbar sind. Indes fehlt es an der planwidrigen Regelungslücke. Mit der Einführung der Vorgängernorm von §  26 Abs.  1 AktG, Art.  209b ADHGB in der Fassung der Aktienrechtsnovelle 1884, sollte Transparenz über die Einflussmöglichkeiten Einzelner hergestellt werden.359 Gesetzgebungsanlass war, dass sich bis zu die­ ser Regelung die Gründer besondere Rechte einräumten, insbesondere Zu­ griffsrechte auf das Gesellschaftsvermögen, ohne dass später eintretende Ge­ sellschafter das zu erkennen vermochten.360 Die Gefährlichkeit ergab sich daraus, dass zur Zeit der Aktienrechtsnovelle 1884 die Gründer in der Gestaltung der Gesellschaftsverhältnisse noch weitge­ hend frei waren. So gab es insbesondere kaum festgefügte Entscheidungsrechte der Generalversammlung und keine klare Kompetenzabgrenzung zwischen Vorstand und Generalversammlung.361 Nach dem heutigen Stand der aktienrechtlichen Gesetzgebung mit ihrer weit­ gehenden Absage an die Gestaltungsfreiheit (§  23 Abs.  5 AktG) und angesichts der Trennung zwischen den Kompetenzen von Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung stehen den Aktionären nicht mehr die Möglichkeiten zur Verfügung, in einem der Rechtslage im Vorfeld der Novelle 1884 vergleichbaren Maße Sondervorteile „im Dunkeln“362 zu schaffen. Vor diesem Hintergrund betrachtet ist §  26 Abs.  1 AktG nicht mehr als ein Rudiment, das sich zwar be­ währt haben mag,363 dessen Gesetzgebungsanlass sich aber überholt hat. Die Regelungslücke, der Art.   209b ADHGB begegnete, wurde auf andere Weise beseitigt. 358 

Pentz, in: MünchKommAktG, §  26 Rn.  19; Röhricht, in: GK-AktG, §  26 Rn.  22. Stenographische Berichte (oben Fußnote 277), S.  265 (linke Spalte). 360  S.  d ie plastische Beschreibung in den stenographischen Berichten aaO. Zum gesetzge­ bungsgeschichtlichen Hintergrund auch Junker, ZHR 159 (1995), 207, 209 f. 361  Dazu noch unten B. §  5 I.3.b)aa). 362  Stenographische Berichte (oben Fußnote 277), S.  265 (linke Spalte). 363  So die Begründung des Regierungsentwurfs zum Aktiengesetz 1965, abgedruckt bei Kropff, S.  45. 359 

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Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass der Abschluss von Vereinbarungen der hier diskutierten Art in die Zuständigkeit des Vorstands fällt. Dieser wiede­ rum ist der Gesellschaft zur Treue verpflichtet, so dass er, anders als die Grün­ der, die widerstreitenden Interessen sämtlicher Gesellschafter und sonstiger Gruppen berücksichtigen muss. Die Gefahr eines „Hinterzimmergeschäfts“ ohne Einbeziehung der Interessen von an der Vereinbarung Unbeteiligten ist damit deutlich kleiner. b)  Allgemeine Gestaltungsgrenzen Fraglich ist nun, ob die allgemeinen Gestaltungsgrenzen der §  93 Abs.  1 S.  3 AktG und §  311 Abs.  1 AktG sowie der allgemeine Gleichbehandlungsgrund­ satz der vertraglichen Verankerung besonderer Informationsrechte entgegen­ stehen. aa)  Schuldrechtliche Informationsrechte und §  93 Abs.  1 S.  3 AktG Obwohl schuldrechtliche Nebenabreden mit Blick auf das Trennungsprinzip nicht unmittelbar wegen §  23 Abs.  5 S.  1 AktG als unzulässige Abweichung von §  93 Abs.  1 S.  3 AktG für unwirksam erklärt werden können,364 stellt sich das Problem doch aus anderer Perspektive. Denn die aktienrechtliche Verschwie­ genheitspflicht wird allgemeiner Ansicht nach jedenfalls mit Blick auf den An­ stellungsvertrag als zwingend eingestuft.365 Die gesamte Diskussion um die Zulässigkeit einer Due Diligence rührt daher, dass die Literatur einen schuld­ vertraglichen Offenlegungsanspruch gemeinhin nicht für ausreichend erachtet, die Verschwiegenheitspflicht zu durchbrechen.366 Die Geltung von §  93 Abs.  1 S.  3 AktG über die Satzungsebene hinaus ergibt sich daraus, dass der mit der Norm bezweckte Schutz unabhängig davon gewährleistet sein muss, ob Infor­ mationsansprüche auf Satzungsebene oder durch Schuldvertrag vorgesehen werden. In beiden Fällen besteht die Gefahr der Schädigung der Gesellschaft im Wettbewerb, wenn vertrauliche Informationen und Geschäftsgeheimnisse in den Markt dringen. Der Hinweis, die organschaftliche Treuepflicht und das „eindeutig feststell­ bare (Finanzierungs-)Interesse der AG“ zwängen zur Offenlegung, genügt je­ denfalls nicht, die Zulässigkeit von schuldrechtlich verankerten Ansprüchen auf 364  Zum Trennungsprinzip bereits oben 2. Teil C. Entgegen Brehm, S.  79, lässt sich aus der Theorie von der Verbandsordnung im weiteren Sinne nicht die Zulässigkeit schuldrechtlicher Abreden über die Durchbrechung der Verschwiegenheitspflichten des Vorstands damit be­ gründen, mit solchen Nebenabreden würde eine Schattensatzung geschaffen. Hieraus ergibt sich gerade im Gegenteil aller Anlass, solche Abreden kritisch zu überprüfen. Da hier ohne­ hin der Trennungstheorie gefolgt wird, ist dieser Aspekt nicht weiter zu vertiefen. 365  Fleischer, in: Spindler/Stilz, §  93 Rn.  162; Hopt/Roth, in: GK-AktG, §  93 Rn.  47; Spindler, in: MünchKommAktG, §  93 Rn.  142. 366  Dies. aaO.

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

Information zu begründen.367 Zum einen betrifft dies nur die Möglichkeit des Informationstransfers, nicht aber die Frage, ob die Investoren einen Anspruch als Gegenstück erhalten dürfen.368 Zum anderen gibt die Erkenntnis, die Gesell­ schaft habe ein Interesse an der Offenlegung, noch keinen Hinweis darauf, wel­ ches der zulässige Regelungsort ist. Genauso ließe sich nämlich argumentieren, zwar sei die Vereinbarung eines Informationsanspruches zulässig, dieser bedür­ fe aber der Regelung in der Satzung.369 Im Ergebnis besteht hierfür jedoch kein Anlass. Die besondere Vorschrift des §  26 Abs.  1 AktG, die bei der Gründung dazu zwingt, Vereinbarungen der hier in Rede stehenden Art in die Satzung aufzunehmen,370 beansprucht nach Ein­ tragung der Gesellschaft keine Geltung, weder direkt noch analog.371 Hinsichtlich der Voraussetzungen von §  93 Abs.  1 S.  3 AktG selbst lassen sich die oben angestellten Überlegungen übertragen.372 Nochmals hervorgehoben sei, dass die Ausgestaltung der Investoreninformation als Anspruch zulässig ist. Der Vorstand kann – und muss – bei Anhaltspunkten, dass das Unternehmen­ sinteresse der Offenlegung entgegensteht, die rechtshindernde Einrede erhe­ ben, er sei wegen §  93 Abs.  1 S.  3 AktG an der Weitergabe gehindert. Etwas anderes folgt nicht etwa daraus, dass sich neben der Gesellschaft die Gründer verpflichten, in ihrer Eigenschaft als Vorstands- oder Aufsichtsrats­ mitglieder erlangte Informationen an die Investoren weiterzugeben. Die Grün­ der können ihre Bindung an die aktienrechtlichen Verschwiegenheitspflichten nicht dadurch umgehen, dass sie sich „als Aktionäre“ zum Transfer verpflich­ ten. Diese Maßnahme änderte nichts an ihrer Bindung „als Organmitglied“ zur Verschwiegenheit. bb)  Schuldrechtliche Informationsrechte und §  311 Abs.  1 AktG Für §  311 Abs.  1 AktG gelten, mutatis mutandis, die oben entwickelten Grund­ sätze.373 Die Anwendung von §  311 Abs.  1 AktG ist gleichfalls unabhängig vom Regelungsort der Informationsrechte. Im Zusammenhang mit schuldrechtlich begründeten Informationsansprü­ chen ist ein weiterer Aspekt aufzugreifen, der dafür spricht, schuldrechtliche Regelungen zu Ansprüchen der Kapitalgeber auf Offenlegung nicht für unzu­ lässig zu halten: Sie wirken schwächer als besondere Rechte im Sinne von §  11 367 

So allerdings Brehm, S.  79 (Kursivsetzung im Original hier weggelassen). Dazu schon oben 4. 369 So Loges/Distler, ZIP 2002, 467, 473. A.A. Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 132; Winkler, S.  119. 370  Zur Einordnung von Informationsrechten als Sondervorteile im Sinne von §  26 Abs.  1 AktG bereits oben 1. 371  Dazu oben a). 372  Oben 4. 373  Oben 5. 368 

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S.  1 AktG. Während diese in der Mitgliedschaft verankert sind und ohne Zu­ stimmung der Betroffenen wegen §  179 Abs.  3 AktG nicht aufgehoben werden können, handelt es sich bei schuldrechtlichen Ansprüchen lediglich um ein kündbares Dauerschuldverhältnis. Selbst wenn die ordentliche Kündigung aus­ geschlossen ist, bleibt stets die Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung gemäß §  723 Abs 1 S.  2, Abs.  3 BGB.374 Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die Investoren die erlangten Informationen zu eigennützigen Zwecken nutzen, kann der Vorstand nicht nur die konkret anstehende Berichterstattung verwei­ gern, sondern mit Wirkung für die Zukunft die Pflicht insgesamt aufheben. cc)  Schuldrechtliche Informationsrechte und Gleichbehandlung Der aktienrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz führt gleichfalls nicht zu Problemen, weder in seiner allgemeinen Form des §  53a AktG noch in der be­ sonderen Ausprägung des §  131 Abs.  4 AktG. Eine schuldrechtliche Abrede über die Information der Wagniskapitalgeber ist ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung der Anteilseigner. Die Ungleichbehandlung findet nicht willkürlich statt, sondern strukturiert und vorhersehbar. Es besteht ein Interes­ se der Gesellschaft an der Informationsweitergabe an die Investoren, um die Beratung in Geschäftsführungsfragen zu ermöglichen,375 die Informationswei­ tergabe ist hierfür geeignet und zwingend erforderlich. Dass die Offenlegung im Interesse der übrigen Anteilseigner liegt, wurde oben bereits erläutert.376 Damit liegen die Voraussetzungen einer zulässigen Ungleichbehandlung vor.377

III.  Besondere Informationsrechte in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung In der Gesellschaft mit beschränkter Haftung können den Investoren Informa­ tionsrechte in erheblichem Umfang eingeräumt werden. Bereits §  51a Abs.  1 GmbHG sieht einen Auskunftsanspruch zu Gunsten jedes Gesellschafters vor. Die Verschwiegenheitspflicht der Geschäftsführer ist daher von vornherein kraft Gesetzes begrenzt. §  51a Abs.  2 S.  1 GmbHG erlaubt den Geschäftsfüh­ rern allein dann die Weigerung, Informationen offenzulegen, wenn die Gefahr besteht, dass der Gesellschafter sie zu gesellschaftsfremden Zwecken verwen­ den möchte und zu befürchten ist, dass dies zu einem nicht unerheblichen Nachteil zu Lasten der Gesellschaft führt. Dieser Regelung liegt der Gedanke 374  Zur Einordnung der Beteiligungsvereinbarung als Vertrag über eine Gesellschaft bür­ gerlichen Rechts oben 2. Teil A. §  2 II. 375  Oben 4.c)bb). 376  Oben 4.c)bb). 377 Zu den hier verwandten Kriterien der Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung BGHZ 120, 141, 150; Drygala, in: KK-AktG, §  53a Rn.  17.

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

zugrunde, Gesetzgebungsgegenstand seien geschlossene Kapitalgesellschaf­ ten.378 Mag dies mit Blick auf den tatsächlichen Befund zur Größe und Ausgestal­ tung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung problematisch sein,379 ent­ spricht jedenfalls eine wagniskapitalfinanzierte Kapitalgesellschaft dieser Modell­vorstellung.380 In Verbindung mit der Gestaltungsbefugnis der Gesell­ schafter aus §  45 Abs.  1 GmbHG steht es den Anteilseignern daher frei, Infor­ mationsrechte so in der Satzung zu gestalten, wie sie es für angemessen hal­ ten.381 §  46 Nr.  6 GmbHG bildet kein Hindernis.382 Zum einen ist die Norm dispo­ sitiv,383 zum anderen wird das Recht der Gesellschafterversammlung aus §  46 Nr.  6 GmbHG durch die Einrichtung eines Berichtssystems nicht ersetzt, son­ dern lediglich ergänzt. Das entspricht dem Verhältnis von §  46 Nr.  6 GmbHG und §  51a Abs.  1 GmbHG. Die Vereinbarung von Informationsrechten in schuldvertraglichen Abspra­ chen zwischen Gesellschaft und Investoren ist in der Gesellschaft mit be­ schränkter Haftung angesichts von §  51a Abs.  1 GmbHG ebenfalls unproblema­ tisch.384 Solche Absprachen konkretisieren lediglich die Rechte, die den Gesell­ schaftern ohnehin zustehen. Zwar greift §  311 Abs.  1 AktG nicht, wenn die abhängige Gesellschaft eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist.385 Doch gilt insoweit ein Schädi­ gungsverbot zu Lasten des herrschenden Gesellschafters, das eine Nachteilszu­ fügung verbietet.386 Allerdings ist hier unter Berücksichtigung des oben zur

378  Mertens, FS Werner, S.   557, 558 f.; Teichmann, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, §  51a Rn.  37. S.  zu dieser Konzeption bereits oben 4.b)bb). 379  Kritisch etwa Mertens, FS Werner, S.  557 ff. 380  Oben 4.b)cc). 381  Im Kontext von Wagniskapitalfinanzierungen Brehm, S.  8 0 f.; Winkler, S.  120. Allge­ mein zur Zulässigkeit der Einrichtung von Informations- und Berichtssystemen Hillmann, in: MünchKommGmbHG, §   51a Rn.   95; Hüffer/Schürnbrand, in: GK-GmbHG, §   51a Rn.  71 ff. 382  Brehm, S.  81. 383  Hüffer/Schürnbrand, in: GK-GmbHG, §  46 Rn.  93; Liebscher, in: MünchKommAktG, §  46 Rn.  202; Teichmann, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, §  45 Rn.  8. 384  Brehm, S.  81; Winkler, S.  121. 385  BGHZ 95, 330, 340; Casper, in: GK-GmbHG, Anh. §  7 7 Rn.  5 4; Koppensteiner, in: KKAktG, Vorb. §  311 Rn.  34; Liebscher, in: MünchKommAktG, §  13 Anh. Rn.  318; Maul, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, Anh. zu §  13 Rn.  7, 51; Servatius, in: Michalski, Syst.Darst.4 Rn.  401 ff. 386  BGHZ 65, 15, 18 f.; Casper, in: GK-GmbHG, Anh. §  7 7 Rn.  5 4; Emmerich, in: Scholz, Anhang §  13 Rn.  71; Liebscher, in: MünchKommAktG, §  13 Anh. Rn.  338; Maul, in: Gehr­ lein/Ekkenga/Simon, Anh. zu §  13 Rn.  61; Servatius, in: Michalski, Syst.Darst.4 Rn.  402; je­ weils mit weiteren Nachweisen.

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Lage in der Aktiengesellschaft Ausgeführten davon auszugehen, dass die Infor­ mationsweitergabe keinen Nachteil darstellt.387

IV. Ergebnisse Informationsrechte zu Gunsten der Wagniskapitalgeber können sowohl in der Satzung als auch in schuldrechtlichen Abreden vereinbart werden, unabhängig von der Rechtsform der finanzierten Gesellschaft. Die Offenlegung der Infor­ mationen rechtfertigt sich daraus, dass sie erst die für den wirtschaftlichen Er­ folg der Gesellschaft zwingend notwendige Beratung und Kontrolle der Grün­ der hinsichtlich der Geschäftsplanung und Geschäftsleitung ermöglicht.

§  3  Besetzung und Organisation des Aufsichtsrates In Deutschland nutzen die Gestalter den Aufsichtsrat, um den Investoren die Möglichkeit der Kontrolle über die Geschäftsführung und die Mittelverwen­ dung zu verschaffen. Das betrifft konkret die Vorgabe besonderer Beschluss­ mehrheiten, die Einrichtung von Zustimmungsvorbehalten hinsichtlich we­ sentlicher Maßnahmen und Rechte zur Entsendung bestimmter Personen in den Aufsichtsrat. Das Recht der unternehmerischen Mitbestimmung bleibt im Folgenden unberücksichtigt. In der Wagniskapitalfinanzierung liegt die Unter­ nehmensgröße regelmäßig unter den maßgeblichen Schwellen.

I.  Der Aufsichtsrat in der Aktiengesellschaft Das deutsche Aktienrecht legt in den §§  95 ff. AktG zwingend die dualistische Struktur der Aktiengesellschaft fest, es gibt immer einen Aufsichtsrat. Damit verbleibt im Zusammenhang mit dem Thema der Gestaltung der Kapitalgesell­ schaft allein die Frage, in welchem Umfang die Kompetenzen und die innere Ordnung des Aufsichtsrates privatautonomer Regelung in der Satzung zugäng­ lich sind. Aus dem Bereich der Wagniskapitalfinanzierung bieten sich zwei Be­ zugspunkte an, die die Reichweite des Einflusses der Investoren betreffen: Zum einen geht es darum, ob die Satzung Vorgaben zur Beschlussfassung im Auf­ sichtsrat vorsehen darf, die jedenfalls im Ergebnis den Kapitalgebern ein Veto­ recht bezogen auf Abstimmungen im Organ einräumen (dazu 1.). Zum anderen stellt sich das Problem, welche Grenzen für Zustimmungsvorbehalte gelten, deren Einführung §  111 Abs.  4 S.  2 AktG grundsätzlich gestattet (unten 2.). Da­ rüber hinaus sind die Möglichkeiten zu beleuchten, bestimmte Personen in den Aufsichtsrat entsenden zu können (3.). 387 

Vgl. oben 5.a).

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

1.  Vorgaben zu Mehrheiten bei der Beschlussfassung Obwohl §  108 Abs.  1 AktG als die Vorschrift, die die allgemeinen Regelungen für die Beschlussfassung des Aufsichtsrates enthält, keine besondere Vorgaben für Mehrheiten festlegt, geht die ganz herrschende Meinung im Aktienrecht da­ von aus, es gelte jedenfalls für die Fälle gesetzlich vorgesehener Beschlussfas­ sung zwingend der Grundsatz der einfachen Mehrheit.388 Wer dies zugrunde legt, muss mit Blick auf §  23 Abs.  5 S.  1 AktG Satzungsre­ gelungen als rechtswidrig einstufen, die im Aufsichtsrat vertretenen Investoren ein Vetorecht einräumen oder jedenfalls andere als einfache Mehrheiten vorse­ hen, die dem in einem bestimmten Umfang beteiligten Kapitalgeber zumindest faktisch eine Vetoposition verschaffen.389 Diese herrschende Meinung wird im Folgenden nach einem einführenden Überblick über die gesetzliche Ausgangs­ lage (a]) kritisch im Hinblick auf die Vorgaben des §  23 Abs.  5 S.  1 AktG (unten b]) und §  23 Abs.  5 S.  2 AktG (c]) diskutiert. a)  Gesetzliche Ausgangslage Das Aktiengesetz kennt keine allgemeine Vorschrift, die für die Beschlussfas­ sung im Aufsichtsrat Mehrheiten vorgibt. Über den eben erwähnten §  108 Abs.  1 AktG hinaus enthält das Aktiengesetz drei Normen mit Angaben zu Beschluss­ mehrheiten: Für die Einberufung der Hauptversammlung zum Wohl der Ge­ sellschaft im Sinne von §  111 Abs.  3 S.  1 AktG „genügt“ nach §  111 Abs.  3 S.  2 AktG die einfache Mehrheit. Über die Abberufung eines Aufsichtsratsmitglie­ des gemäß §  103 Abs.  3 S.  1 AktG beschließt der Aufsichtsrat gleichfalls mit ein­ facher Mehrheit (§  103 Abs.  3 S.  2 AktG). §  124 Abs.  3 S.  5  HS.  1 AktG geht eben­ so von einfacher Mehrheit aus und regelt Besonderheiten für die mitbestimmte Aktiengesellschaft.390 388  Für die herrschende Meinung Drygala, in: Schmidt/Lutter, §  108 Rn.  28 ff.; Habersack, in: MünchKommAktG, §  108 Rn.  24; Hüffer/Koch, §  108 Rn.  8; Hopt/Roth, in: GK-AktG §  108 Rn.  36; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, §  108 Rn.  62; Spindler, in: Spindler/Stilz, §  108 Rn.  22. A.A. Jürgenmeyer, ZGR 2007, 112, 122 ff. 389  Speziell zum Vetorecht Drygala, in: Schmidt/Lutter, §  108 Rn.  29; Hüffer/Koch, §  108 Rn.  8; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, §  108 Rn.  63. 390  Ergänzt werden die aktienrechtlichen Vorschriften für mitbestimmte Gesellschaften durch Sondernormen des Mitbestimmungsrechts, die als Grundsatz nach §  29 Abs.  1 Mitbe­ stG 1976 die einfache Mehrheit vorsehen, aber für verschiedene Fälle Abweichungen festle­ gen. Beispiele: §  29 Abs.  2 MitbestG 1976: Zwei Stimmen für den Aufsichtsratsvorsitzenden bei Stimmengleichheit anlässlich der ersten Beschlussfassung nach §  29 Abs.  1; §  27 Abs.  1: Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters mit Zweidrittelmehrheit; §  31 Abs.   2: Bestellung der Mitglieder des Vertretungsorgans mit Zweidrittelmehrheit. §   8 ­MontanMitbestG ergänzt das in Abs.  1 S.  2 vorgesehene Mehrheitsprinzip auf verschiedene Weise. Das Mitbestimmungsrecht bleibt für die folgenden Betrachtungen außen vor, weil die Aktiengesellschaften, um die es bei Wagniskapitalfinanzierung geht, ihm nicht unterliegen und es zudem nach ganz herrschender Ansicht nicht über §  23 Abs.  5 AktG auf die Gestaltung der Aktiengesellschaft einwirkt, sondern – nur – in seinem Anwendungsbereich eigenständig

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Greift man weiter aus, lässt sich als aktienrechtliche Norm noch Art.  50 Abs.  1 lit. b) SE-VO heranziehen, nach dem grundsätzlich das Erfordernis ein­ facher Mehrheit gilt, soweit Verordnung oder Satzung nichts anderes bestim­ men. Die zitierten gesetzlichen Bestimmungen beschäftigen sich, abgesehen von einigen besonderen Vorgängen, sämtlich nicht ausdrücklich mit den allgemei­ nen Anforderungen an die Beschlussmehrheiten bei Abstimmungen des Auf­ sichtsrates. Aus diesem Grund ist unter Heranziehung von Gesetzgebungshis­ torie, Systematik und Teleologie zu untersuchen, ob die hier in Rede stehenden Satzungsregelungen als Abweichung oder Ergänzung vom Aktiengesetz nach Maßgabe des §  23 Abs.  5 AktG unwirksam sind. b)  Satzungsregelungen zu Beschlussmehrheiten und §  2 3 Abs.  5 S.  1 AktG Die Literatur verweist zur Begründung, warum qualifizierte Mehrheiten unzu­ lässig seien, darauf, die §§  103 Abs.  3 S.  2, 111 Abs.  3 S.  2 AktG enthielten einen allgemeinen Rechtsgedanken (dazu aa]), und argumentiert zudem, (nur) das Er­ fordernis der einfachen Mehrheit sichere die Funktionsfähigkeit des Aufsichts­ rates (unten bb]).391 Jedenfalls mit dem ersten Argument bezieht sie sich implizit auf §  23 Abs.  5 S.  1 AktG als Prüfungsmaßstab – Regelungen entgegen einem allgemeinen Rechtsgedanken sind eine Abweichung vom (ungeschriebenen) Gesetz. Ob ein solcher Rechtsgedanke existiert, ist allerdings zweifelhaft: aa)  Bedeutung der §§  103 Abs.  3 S.  2 , 111 Abs.  3 S.  2 AktG Gegen die Ansicht, die §§  103 Abs.  3 S.  2, 111 Abs.  3 S.  2 AktG seien Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens, der auch §  108 Abs.  1 AktG zugrunde lie­ ge, spricht die Entstehungsgeschichte ([1]), die Satzungsfreiheit für die Gestal­ tung der inneren Ordnung des Aufsichtsrats impliziert ([2]): (1)  Entstehungsgeschichte der §§  103 Abs.  3 S.  2 , 111 Abs.  3 S.  2 AktG Die zitierten Vorschriften sind relativ jung, sie beruhen auf den Neuerungen des Aktiengesetzes 1965. Die zweite Aktienrechtsnovelle 1884 stärkte zwar die Stel­ lung des Aufsichtsrats als eigenständiges obligatorisches Organ der Aktienge­

Zwangswirkung entfaltet. Zum letzten Punkt statt aller Jürgenmeyer, ZGR 2007, 112, 125; Hüffer/Koch, §  23 Rn.  34; Röhricht, in: GK-AktG, §  23 Rn.  172; implizit auch BGH NZG 2012, 347, 348 Tz 11 (Nichtigkeit einer vom Mitbestimmungsgesetz abweichenden Regelung ergebe sich direkt aus dessen §  7 Abs.  1; §  23 Abs.  5 AktG wird nicht erwähnt). 391  Habersack, in: MünchKommAktG, §  108 Rn.  24; Hüffer/Koch, §  108 Rn.  8; Hopt/Roth, in: GK-AktG §  108 Rn.  36; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, §  108 Rn.  62. Ausführlich zur Ent­ wicklung der Diskussion Jürgenmeyer, ZGR 2007, 112, 118 ff., mit zahlreichen Nachweisen auch zu älteren Stellungnahmen.

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sellschaft.392 Doch enthielt sie keine besonderen Vorgaben für die innere Ord­ nung des Aufsichtsrates. Erstmalig führte die Aktienrechtsnovelle 1937 mit §  92 – die Vorlage für den heutigen §  107 AktG – eine Norm ein, die die interne Or­ ganisation des Aufsichtsrates betraf. Darin war jedoch noch nicht einmal aus­ drücklich die Vorgabe enthalten, dass der Aufsichtsrat durch Beschluss ent­ scheidet.393 Die heutigen Regelungen der §§  103 Abs.  3 S.  2, 111 Abs.  3 S.  2 AktG waren ebenfalls nicht Bestandteil der Novelle 1937. Sie wurden, ebenso wie der heutige §  108 Abs.  1 AktG, erst mit dem Aktiengesetz 1965 eingeführt. §  108 Abs.  1 AktG sollte lediglich den Beschluss als Entscheidungsform festschreiben, über Mehrheitserfordernisse schweigen sich die Materialien aus.394 Die Sätze 1 und 2 des §  103 Abs.  3 AktG in seiner heutigen Fassung entspre­ chen den ersten beiden Sätzen des §  103 Abs.  3 AktG 1965. Die Voraussetzung der einfachen Stimmenmehrheit wurde nicht weiter begründet. Es findet sich lediglich die Passage, wonach allein der Aufsichtsrat für den Antrag auf Abbe­ rufung eines Aufsichtsratsmitglieds aus wichtigem Grund zuständig sein soll, „der darüber mit einfacher Mehrheit beschließt.“395 Etwas mehr bietet die Be­ gründung zu §  111 Abs.  3 S.  2 AktG, der gleichfalls auf dem Aktiengesetz 1965 beruht: „Damit die Hauptversammlung immer schon dann einberufen wird, wenn die Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder die Einberufung […] für erforderlich hält, wird in Absatz 3 Satz 2 bestimmt, daß für den Beschluß […] die einfache Mehrheit genügt. Weder die Satzung noch die Geschäftsordnung können für diesen Beschluß eine qualifzierte Mehr­ heit oder Einstimmigkeit fordern.“396

Weitere Bemerkungen zu Mehrheitserfordernissen für Beschlüsse im Aufsichts­ rat finden sich weder in den Materialien zu den Aktienrechtsnovellen 1884 und 1937 noch in denjenigen zum Aktiengesetz 1965. Die Verfechter der herrschenden Meinung können sich auch nicht darauf be­ rufen, das Aktiengesetz 1965 habe an einer einhelligen Ansicht im Schrifttum nichts ändern wollen. Eine solche gab es nicht. Vor 1965 vertrat die überwiegen­ de Zahl der Kommentatoren, es gelte das Mehrheitsprinzip und nicht der Grundsatz der Einstimmigkeit.397 Ob allerdings in der Satzung qualifizierte 392 Hierzu

Lieder, Aufsichtsrat, S.  129 ff., 137 ff. §  92 Abs.  2 AktG 1937 forderte lediglich, „[ü]ber die Verhandlungen und Beschlüsse des Aufsichtsrats“ eine Niederschrift anzufertigen, Abs.  3 regelte die Beschlussfassung durch schriftliche Stimmabgabe. 394  S.  Begründung des Regierungsentwurfs zum Aktiengesetz 1965, abgedruckt bei Kropff, S.  151. 395  Begründung des Regierungsentwurfs zum Aktiengesetz 1965, abgedruckt bei Kropff, S.  143. 396  Begründung des Regierungsentwurfs zum Aktiengesetz 1965, abgedruckt bei Kropff, S.  155. 397  Schlegelberger/Quassowski, Aktiengesetz, 3. Auflage 1939, §   92 Rn.  17; Schmidt, in: 393 

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Mehrheiten verankert werden durften, war weder eindeutig geklärt noch disku­ tierte das Schrifttum unterschiedliche Ansichten.398 Soweit die Literatur über­ haupt ein Argument für die zwingende Geltung des Mehrheitsprinzips jeden­ falls in einigen Fällen vortrug, berief sie sich auf die Notwendigkeit, zügige Entscheidungen zu gewährleisten.399 (2)  Freiheit zur Gestaltung der inneren Ordnung des Aufsichtsrats Eine eindeutige Stellungnahme für die einfache Abstimmungsmehrheit als nicht abdingbare Regelung lässt sich demnach weder der Entstehungsgeschichte des Aktiengesetzes noch dem Stand des Schrifttums vor den Novellierungen des Aktiengesetzes 1965 entnehmen. Die eben zitierte Passage der Begründung zu §  111 Abs.  3 S.  2 AktG spricht eher dafür, Satzungsfreiheit zu unterstellen. Hätten die Gesetzesverfasser tatsächlich die einfache Stimmenmehrheit als all­ gemeines – und zwingendes – Prinzip der Beschlussfassung angesehen, wäre die oben zitierte Bemerkung zu §  111 Abs.  3 S.  2 AktG überflüssig, weder die Sat­ zung noch die Geschäftsordnung dürften für „diesen Beschluß“ etwas anderes festlegen. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass es vor dem Aktiengesetz 1965 kein all­ gemeines Prinzip der Satzungsstrenge gab, es vielmehr in der heute aus §  23 Abs.  5 AktG folgenden Form erst mit diesem Regelwerk eingeführt wurde.400 Einen umfassenden Grundsatz, wonach in der Satzung nur geregelt werden dürfe, was das Aktiengesetz ausdrücklich gestatte, gab es bis zum Aktiengesetz 1965 nicht401 und gibt es auch heute nicht in einem umfassenden Sinne.402 Aus den §§  103 Abs.  3 S.  2, 111 Abs.  3 S.  2 AktG lässt sich damit entgegen der herrschenden Meinung nichts zu Gunsten eines zwingenden Prinzips der Be­ schlussfassung mit einfacher Mehrheit im Aufsichtsrat herleiten.403

GK-AktG, 1.  Aufl., §  92 Anm.  17. Ausführlich zur Diskussion Jürgenmeyer, ZGR 2007, 112, 115 f. 398 Vgl. Schlegelberger/Quassowski, Aktiengesetz, 3. Auflage 1939, §  92 Rn.  17, einerseits („Die Satzung kann für bestimmte Beschlüsse eine erhöhte Mehrheit vorschreiben.“) und Schmidt, in: GK-AktG, 1.  Aufl., §  92 Anm.  17, andererseits (Keine erhöhte Mehrheit zulässig „für Beschlüsse, zu deren Fassung der Aufsichtsrat jederzeit in der Lage sein muß, um seine gesetzlichen Aufgaben erfüllen zu können, wie z.B. für die Bestellung und den Widerruf von Vorstandsmitgliedern.“). 399  Vgl. das Zitat in der vorhergehenden Fußnote aus der Kommentierung von Schmidt, in: GK-AktG, 1.  Aufl., §  92 Anm.  17. 400  Dazu ausführlicher 3. Teil A. §  4. 401  3. Teil A. §  4 I., III. 402  Ergänzungen aktiengesetzlicher Vorschriften sind nach §  23 Abs.  5 S.  2 AktG prinzipi­ ell zulässig. 403  Im Ergebnis wie hier Jürgenmeyer, ZGR 2007, 112, 134 f., unter Verweis darauf, dass die §§  103 Abs.  3 S.  2, 111 Abs.  3 S.  2 AktG Sondersituationen betreffen.

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

bb)  Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrates Das Hauptargument, welches die Literatur schon vor dem Aktiengesetz 1965 zu Gunsten des Mehrheitsprinzips anführte, ist die Erhaltung der Funktionsfähig­ keit des Aufsichtsrates. Der Aufsichtsrat soll schnell entscheiden können, Be­ stimmungen zu qualifizierten Mehrheiten erschwerten die positive Beschluss­ fassung.404 Diese gebetsmühlenhaft wiederholte Behauptung wird allerdings nicht weiter belegt.405 Insbesondere setzt sich die herrschende Meinung nicht damit auseinander, dass das Bundesverfassungsgericht die Erschwerung der Entscheidungsfindung im Aufsichtsrat durch die mitbestimmungsrechtlichen Regelungen im Mitbestimmungsurteil genauso wenig als per se bedenklich an­ gesehen hat wie der Bundesgerichtshof eine Satzungsklausel über Zweidrittel­ mehrheiten für bestimmte Wahlentscheidungen der Hauptversammlung für problematisch hielt.406 Der Bundesgerichtshof führte aus: „Die Forderung nach einer 2/3 Mehrheit für bestimmte Wahlen ist nicht ungewöhnlich und in der Regel auch erfüllbar. Sie setzt bei einer Aufsichtsratswahl nur voraus, daß ri­ valisierende Aktionärsgruppen gegebenenfalls bereit sind, Personalwünsche im Interes­ se des Unternehmens bis zu einem gewissen Grade zurückzustellen, um die notwendige Organbestellung nicht an solchen Sonderwünschen scheitern zu lassen. Der hierdurch bedingte Zwang zur Einigung, der im allgemeinen darauf hinauslaufen wird, daß auch Minderheiten im Aufsichtsrat vertreten sind, kann […] zu angemessenen Lösungen bei­ tragen und vor allem eine ausgewogenere Besetzung des Aufsichtsrats gewährleisten; er dient damit einem durchaus schutzwürdigen Zweck.“407

In dieser Argumentation des Bundesgerichtshofs liegt der Kern der Begrün­ dung, warum qualifizierte Mehrheiten jedenfalls in geschlossenen Aktiengesell­ schaften in die Satzung aufgenommen werden können sollten: Der Modus der Abstimmung nach einfacher Stimmenmehrheit führt unter Umständen zu einer einseitigen Bevorteilung einer Anteilseignergruppe (sogleich [1]). Außerdem sind die Auswirkungen typischerweise bestehender schuldrechtlicher Neben­ abreden zu berücksichtigen ([2]). Das Problem, bei einem größer werdenden Aufsichtsrat einen effektiven Abstimmungsmechanismus zu sichern, löst indi­ rekt das Mitbestimmungsrecht ([3]). (1)  Qualifizierte Mehrheit als Instrument des Minderheitenschutzes Diejenige Seite, die die Mehrheit der Mitglieder im Organ stellt, vermag ihre Sicht der Dinge ohne Rücksicht auf die übrigen Aufsichtsräte durchzusetzen. 404  Zum geltenden Recht: Habersack, in: MünchKommAktG, §  108 Rn.  24; Hüffer/Koch, §  108 Rn.  8; Hopt/Roth, in: GK-AktG §  108 Rn.  36; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, §  108 Rn.  62. Zum Aktiengesetz 1937: Schmidt, in: GK-AktG, 1. Auflage 1939, §  92 Anm.  17. 405  Kritisch daher Jürgenmeyer, ZGR 2007, 112, 132. 406  BVerfGE 50, 290, 352, 355, 357; BGHZ 76, 191, 193 f. Hierauf verweist schon Jürgenmeyer, ZGR 2007, 112, 131. 407  BGHZ 76, 191, 194.

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Die Verpflichtung auf das Wohl des gesamten Aktionariats und die Interessen der Gesellschaft wirkt als abstrakte Regel dem Anreiz, die eigenen Interessen ohne Rücksicht auf den Widerspruch anderer durchzusetzen, eher in der Theo­ rie als in der Praxis entgegen. Solange die Aufsichtsratsmehrheit ihre Vor­ machtstellung nicht in extremer Weise ausnutzt, ist die Minderheit machtlos, weil auch Rechte wie das aus §  103 Abs.  3 S.  1 AktG versagen. Ein wichtiger Grund zur Abberufung kann bei Geltung des einfachen Mehrheitsprinzips nicht schon darin liegen, dass die Minderheit für ihre Anliegen keinen Beschluss zu erzwingen vermag. Wird die für die Beschlussfassung maßgebliche Schwelle dagegen etwa auf eine Zweidrittelmehrheit gehoben, zwingt dies die Aufsichtsratsmitglieder zur Kooperation und zur Berücksichtigung der Interessen der „Gegenseite“. So können etwa die Investoren, die aufgrund der Verschiebung der Beteiligungs­ verhältnisse im Laufe der Finanzierung mit Wagniskapital in der Regel inner­ halb weniger Runden über die Möglichkeit verfügen, mehr als die Hälfte der Aufsichtsratsposten zu besetzen, die Gründer nicht vollständig außer Acht las­ sen, was die Zustimmung zu Geschäftsführungsmaßnahmen angeht. Das si­ chert die Beachtung des Wohles aller an der Gesellschaft Beteiligten eher als die Anreizstruktur, die die herrschende Meinung implizit errichtet. Die Gefahr querulatorischen Verhaltens, das durch Sperrminoritäten durch­ aus begünstigt wird, ist kein taugliches Gegenargument. Insoweit helfen Regeln wie §  103 Abs.  3 S.  1, 2 AktG und §  85 Abs.  1 S.  1 AktG.408 Wichtige Entschei­ dungen lassen sich im Fall einer ungerechtfertigten Blockade zur Not mit Hilfe der Gerichte herbeiführen. Dass dies Zeit und Geld kostet, sei zugestanden. Doch gilt das ebenso und vermutlich noch mehr für die Lösung der herrschen­ den Meinung, da hier der Minderheit überhaupt kein anderes Mittel als das Be­ mühen um richterliche Eingriffe bleibt, gegen die Mehrheit vorzugehen. (2)  Bedeutung schuldrechtlicher Nebenabreden Aus praktischer Sicht ist eine weitere Überlegung zu berücksichtigen: Gerade in geschlossenen Gesellschaften sind alle oder die meisten Mitglieder durch schuldrechtliche Nebenabreden gebunden, die eigene Abstimmungsmechanis­ men vorsehen. Häufig vollziehen die Vertreter dieser Vertragsparteien im Auf­ sichtsrat nur noch nach, was zuvor unter den schuldrechtlich gebundenen Ak­ tionären abgestimmt wurde. Die Schwierigkeiten, auf die die herrschende Mei­ nung zur Begründung des Zwanges zur einfachen Beschlussmehrheit im Aufsichtsrat verweist, stellen sich also ohnehin, wenn auch auf anderer Ebene. Eine Satzungsklausel über qualifizierte Mehrheiten hat insoweit den Vorteil der Publizität. Für Außenstehende, seien sie Gläubiger oder Beitrittswillige, ist von 408 

Jürgenmeyer, ZGR 2007, 112, 132 f.

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

vornherein erkennbar, dass in der Gesellschaft besondere Abstimmungsmecha­ nismen gelten, die vom Normalfall abweichen. Sehen die Gesellschafter in den schuldrechtlichen Nebenabreden zum Aus­ gleich ihrer jeweiligen Interessen bestimmte Abstimmungsmechanismen vor, dient das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit im Aufsichtsrat darüber hi­ naus gerade der Wahrung der Interessen sämtlicher Aktionäre, auf die die Mit­ glieder dieses Gremiums verpflichtet sind. Insbesondere verringert sich die Ge­ fahr, dass derjenige, der mit seinen Anliegen auf Ebene der Gesellschafter nicht durchdringt, nunmehr mit Hilfe einer Aufsichtsratsentscheidung das unter­ läuft, was zuvor eine qualifizierte Mehrheit als günstig für sich und damit in der Regel für die Gesellschaft insgesamt befunden hat. (3)  Effiziente Entscheidungsfindung im größer werdenden Aufsichtsrat Nun mag ein Vertreter der herrschenden Ansicht einwenden, die bislang vorge­ stellten Argumente träfen möglicherweise auf geschlossene Gesellschaften mit verhältnismäßig wenigen Aktionäre zu. Ab einer bestimmten Aktionärszahl, die häufig mit einem steigenden Grundkapital und mit einer wegen §  95 S.  4 AktG gleichzeitig steigenden Zahl von Aufsichtsratsmitgliedern einhergeht, steige jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass eine Klausel zu qualifizierten Mehr­ heiten im Aufsichtsrat zu den hier bezweifelten funktionalen Schwierigkeiten führe. Bei börsennotierten Gesellschaften verliere zudem der Gedanke an Rele­ vanz, es sei sinnvoll, einen Gleichlauf zwischen Abstimmungsprozessen auf Ebene der durch schuldrechtliche Nebenabreden verbunden Mitglieder und im Aufsichtsrat sicherzustellen. Denn die Börsennotierung führe zu einer stärke­ ren Streuung der Anteile. Das ist alles nicht von der Hand zu weisen. Doch sieht das Gesetz ab einer gewissen Größe eine zwingende Beschlussregelung für den Aufsichtsrat vor, die widersprechende Satzungsbestimmungen verdrängt. Die §§  1 Abs.  1, 29 Abs.  1 MitbestG 1976 etablieren das Prinzip der einfachen Mehrheit ab einer Beschäf­ tigtenzahl von in der Regel 2000 Arbeitnehmern unabhängig von einer Börsen­ notierung. Jedenfalls ab einer gewissen Größe der Aktiengesellschaft sichert die Rechtsordnung also die Umstellung auf einen Abstimmungsmechanismus, der den Verhältnissen Rechnung trägt.409 Im Übrigen ist die herrschende Meinung selbst nicht in letzter Konsequenz stringent. Sie lässt Satzungsklauseln zu, nach denen Stimmenthaltungen als Ne­ gativvotum gezählt werden.410 Das führt, wie ein Teil der Kommentarliteratur zutreffend feststellt, zur mittelbaren Verankerung des Erfordernisses einer qua­ 409  Zur fehlenden Beeinträchtigung der Kapitalmarktfähigkeit von Aktien durch Klauseln zu qualifizierten Mehrheiten Jürgenmeyer, ZGR 2007, 112, 130 f. 410  BayObLG AG 2003, 427, 429; Habersack, in: MünchKommAktG, §  108 Rn.  25; Hopt/ Roth, in: GK-AktG, §  108 Rn.  32; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, §  108 Rn.  60.

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lifizierten Mehrheit, weil nicht mehr die Mehrheit der abgebenen Stimmen maßgeblich ist, sondern die Mehrheit der anwesenden Mitglieder.411 c)  Satzungsregelungen zu Beschlussmehrheiten und §  2 3 Abs.  5 S.  2 AktG Stellen Satzungsregelungen zur Beschlussfassung im Aufsichtsrat mit qualifi­ zierter Mehrheit nach dem oben Gesagten kein Problem des §  23 Abs.  5 S.  1 AktG dar, bleibt noch die Frage, ob sie nicht eine unzulässige Ergänzung akti­ enrechtlicher Vorschriften im Sinne von §  23 Abs.  5 S.  2 AktG enthalten. Das ist auf Grundlage der oben angestellten Überlegungen gleichfalls zu verneinen.412 d)  Unzulässigkeit von Vetorechten zu Gunsten einzelner Aufsichtsratsmitglieder Aus der Zulässigkeit von Klauseln über qualifizierte Mehrheiten folgt nicht die Rechtmäßigkeit von Vetorechten zu Gunsten einzelner Aufsichtsratsmitglieder. Insofern trifft das Argument der herrschenden Meinung zu,413 §  108 Abs.  1 AktG fordere jedenfalls den Beschluss des Kollegialorgans, der bei einem Veto­ recht nicht mehr gewährleistet wäre, da in dieser Situation alles vom entspre­ chend Berechtigten abhinge.414

2.  Zustimmungsvorbehalte (Covenants) Investoren fordern im Zusammenhang mit der Vergabe von Wagniskapital häu­ fig bestimmte Zustimmungsvorbehalte zu ihren Gunsten. Praktisch umgesetzt werden solche Abreden unter anderem mit Hilfe eines Katalogs an Zustim­ mungsvorbehalten unter Zuhilfenahme von §  111 Abs.  4 S.  2 AktG.415 Gegen die Zulässigkeit der üblichen Bestimmungen416 bestehen dem Grunde nach keine Bedenken. Sie beschränken sich im Einklang mit der Kommentarli­ teratur auf grundlegende Geschäfte, die, gemessen an der Unternehmensgröße, die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage in erheblichem Maße beeinflussen und signifikante strategische Bedeutung haben.417 Die Zustimmungsrechte 411 

Drygala, in: Schmidt/Lutter, §  108 Rn.  30. Im Ergebnis ebenso, mit weiteren Überlegungen, denen hier nicht nachgegangen wer­ den muss, Jürgenmeyer, ZGR 2007, 112, 130 ff. 413  Das, soweit ersichtlich, auch von Jürgenmeyer (ZGR 2007, 112 ff.) nicht bestritten wird. 414  So schon zu §  92 AktG 1937 Schlegelberger/Quassowski, §  92 Rn.  18. Aus der neueren Kommentarliteratur Habersack, in: MünchKommAktG, §  107 Rn.  66. 415  Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 139. 416  Übersicht unten §  5 I.1. 417 Zu dieser inhaltlichen Anforderung etwa Brouwer, S.  94 ff.; Fleischer, BB 2013, 835, 839 ff.; Habersack, in: MünchKommAktG, §  111 Rn.  106; Hopt/Roth, in: GK-AktG, §  111 Rn.  6 41; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, §  111 Rn.  84. Hier ist nicht der Ort, sämtliche denkba­ ren Gestaltungen im Einzelnen zu prüfen. Es geht nur um die Regelbarkeit dem Grunde nach. 412 

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

werden zudem konkret beschrieben, es gibt keine bloße Beschreibung der Art des Geschäfts nach.418 Zustimmungsvorbehalte, die der Aufsichtsrat ausübt, dürfen sich allerdings nur auf das Vorstandshandeln beziehen. Dem Aufsichtsrat solche Rechte mit Blick auf Hauptversammlungsbeschlüsse einzuräumen, scheidet aus. Dies ent­ spricht heute zu Recht der allgemeinen Meinung.419 Über §  111 Abs.  4 S.  2 hin­ ausgehende Befugnisse in die Satzung aufzunehmen, setzte zentrale Struktur­ vorgaben des Aktienrechts außer Kraft und wäre daher mit §  23 Abs.  5 S.  1 AktG nicht vereinbar.

3.  Rechte zur Entsendung von Mitgliedern in den Aufsichtsrat Für die Verankerung von Rechten der Investoren zur Entsendung von Mitglie­ dern in den Aufsichtsrat kommen grundsätzlich zwei Wege in Betracht, näm­ lich eine Satzungsbestimmung im Rahmen von §  101 Abs.  2 S.  1 AktG (a]) und schuldvertragliche Abreden zwischen den Gesellschaftern, die die Abstimmung über die Aufsichtsratswahl in der Hauptversammlung regeln (b]). a)  Entsendungsrechte in der Satzung §  101 Abs.  2 S.  1 AktG gestattet die Begründung des Rechts zur Entsendung von Mitgliedern in den Aufsichtsrat für einzelne Aktionäre, so dass die Investoren sich bis zur in §  101 Abs.  2 S.  4 AktG genannten Grenze „Plätze“ sichern ­können. b)  Entsendungsrechte in schuldrechtlichen Vereinbarungen Beanspruchen die Kapitalgeber, eine höhere Anzahl von Mitgliedern des Auf­ sichtsrates entsenden zu können, steht ihnen nach herrschender Meinung die Möglichkeit offen, mit den Gründern eine entsprechende Stimmbindungsver­ einbarung über die Wahl in der Hauptversammlung zu treffen.420 Gleiches gilt, wenn das Entsendungsrecht vollständig schuldrechtlich geregelt werden soll.421 418  Vgl. zur Notwendigkeit der Eingrenzung Brouwer, S.  123 ff.; Fleischer, BB 2013, 835, 839 ff.; Habersack, in: MünchKommAktG, §  111 Rn.  106; Hopt/Roth, in: GK-AktG, §  111 Rn.  6 43; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, §  111 Rn.  85 f. 419  S.  nur Grundmann, in: GK-AktG, §  133 Rn.  123; Peifer, in: MünchKommAktG, §  182 Rn.  20; Schröer, in: MünchKommAktG, §  133 Rn.  56; Stein, in: MünchKommAktG, §  179 Rn.  148; Wiedemann, in: GK-AktG, §  179 Rn.  134, §  182 Rn.  41; Zöllner, in: KK-AktG, Band 5/1, 2.  Aufl., §  179 Rn.  171. A.A. zu §  133 allein Zöllner, in: KK-AktG, 1.  Aufl., §  133 Rn.  106, der sich damit aber in Widerspruch zu seiner sonst geäußerten Ansicht bei §  179 setzt (s. vor­ stehenden Nachweis). 420  S.  nur RGZ 133, 90, 94; Groß-Bölting, S.  233; Habersack, in: MünchKommAktG, §  101 Rn.  13; Hopt/Roth, in: GK-AktG, §  101 Rn.  26; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, §  101 Rn.  26; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S.  278. Im Venture Capital-Kontext Brehm, S.  88 ff.; Winkler, S.  116. 421  Dies. aaO.

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Dem hält eine Literaturmeinung entgegen, weil der Effekt eines schuldrecht­ lichen Entsendungsrechts demjenigen eines satzungsmäßig verankerten ent­ spreche, sei dem Wort „nur“ in §  101 Abs.  2 S.  1 AktG die Satzungspflichtigkeit solcher Regelungen zu entnehmen.422 Sachliches Argument ist das Informa­ tions­interesse Dritter und zukünftiger Gesellschafter, die sich anhand der Sat­ zung über die wesentlichen Verhältnisse in der Gesellschaft informieren können sollten.423 aa)  Trennungstheorie und Gesetzgebungsgeschichte Zuzugestehen ist zunächst, dass weder die Trennungstheorie424 noch der Hin­ weis auf den gesetzgebungsgeschichtlichen Hintergrund425 für die Zulässigkeit schuldrechtlicher Entsendungsrechte sprechen: Die – oben ausführlich erläuterte – 426 Trennungstheorie gibt selbst keine Maßstäbe dafür vor, in welchem Umfang die Gesellschaftervereinbarungen wirksam sind.427 Der historische Grund für die Einführung des §  101 Abs.  2 S.  1 AktG war, dem Staat die Möglichkeit zu sichern, in Aufsichtsräten gemischtwirtschaftli­ cher Unternehmen Sitze zu erhalten.428 Wäre dies als Sonderregelung zu inter­ pretieren, von der ausschließlich der Staat profitieren sollte, spräche dies tenden­ ziell sogar eher gegen die Wirksamkeit schuldrechtlicher Abreden zu Gunsten anderer Parteien. Indes hat diese Auslegung weder im Gesetzeswortlaut Nie­ derschlag gefunden noch lassen sich entsprechende Anhaltspunkte aus den Ma­ terialien gewinnen. Damit ergibt sich aus der Regierungsbegründung kein Ar­ gument gegen die Zulässigkeit der hier in Rede stehenden Vereinbarungen, al­ lerdings auch keines für ihre Rechtmäßigkeit.429 Damit verbleibt nur, die oben gerügten negativen Dritteffekte der fehlenden Publizität auf ihre Auswirkun­ gen hin zu bewerten.

422  Ziegert, S.  144, für eine Abrede, die „a) [...] eine Mehrheit der Stimmen bündelt, b) die Abstimmung von der Weisung nur einer Vertragspartei der Stimmbindungsvereinbarung [ab­ hängig macht] und c) [...] durch gewisse Druckmittel, wie z.B. Vertragsstrafen [Komma fehlt] durchgesetzt werden kann.“ Der Sache nach ebenso Wolf, S.  122. 423  Ziegert, S.  146. 424  Auf diese verweist Brehm, S.  89. 425  Auf diese beruft sich Noack, S.  278. Zum Inhalt dieses Arguments im Einzelnen so­ gleich im Text. 426  2. Teil C. 427 Zutreffend Ziegert, S.  147 f. 428  Vgl. Begründung Regierungsentwurf Aktiengesetz 1965, abgedruckt bei Kropff, Ak­ tien­gesetz, S.  138 f. 429  Im Ergebnis ähnlich Ziegert, S.  145.

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

bb)  Fehlende Publizität von Strukturregelungen Dass die fehlende Publizität schuldrechtlicher Nebenabreden ein Problem ist, weil so dauerhaft Strukturen geschaffen werden können, die von außen nicht nachvollziehbar sind,430 lässt sich nicht bestreiten. Es handelt sich um eine Ne­ benwirkung des rigiden deutschen Aktienrechts, das die Gesellschafter mit §  23 Abs.  5 AktG geradezu zwingt, verdeckte Regelungen zu treffen. Allerdings gilt es hier zu bedenken, dass, nähme man dieses Problem zum Anlass, schuldrechtliche Gesellschafterabreden für unwirksam zu halten, die meisten dieser Verträge dieses Schicksal unabhängig von ihrem Inhalt erlitten. Diese Konsequenz zu ziehen, bedürfte angesichts ihrer Radikalität gewichtiger Argumente. Das gilt weniger, weil die ganz herrschende Meinung solche Ver­ einbarungen für wirksam hält. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass eine derart weitreichende Folge der Einführung von §  23 Abs.  5 AktG durch das Aktienge­ setz 1965431 den Entwurfsverfassern nicht vor Augen gestanden haben dürfte. Im Gegenteil: Nach der Regierungsbegründung zum Aktiengesetz 1965 war die Satzungs­ strenge keine neuartige Vorgabe, sondern setzte lediglich das um, was die Ver­ fasser für die herrschende Meinung hielten.432 Schuldrechtliche Nebenabreden waren allerdings bis dato keineswegs ungewöhnlich. Das Reichsgericht, gewis­ sermaßen als Erfinder der Satzungsstrenge,433 hielt solche Absprachen stets für grundsätzlich möglich.434 Vor diesem Hintergrund bedarf es einer besonderen Begründung, wieso Ge­ sellschafterabreden außerhalb der Satzung unwirksam sein sollen. Die Beein­ trächtigung Dritter und zukünftiger Gesellschafter muss über das normale Maß hinausgehen. Sie darf mit anderen Worten nicht allein aus der fehlenden Einsehbarkeit organisationsrelevanter Regelungen resultieren. An einer solchen Beeinträchtigung fehlt es hier: Anders als etwa Vereinbarungen über die Bilanzpolitik sind Klauseln über die Besetzung des Aufsichtsrates nicht unmittelbar bewertungsrelevant.435 Die Berechnung der zukünftigen Dividenden hängt weder aus Sicht von Gläubigern noch aus derjenigen von Beitrittswilligen unmittelbar davon ab, welche Perso­ nen dem Aufsichtsrat angehören. Über die Machtstrukturen im Aktionariat, die sich typischerweise auf der Ebene des Aufsichtsrates widerspiegeln, lassen sich auf Grundlage der aktienrechtlichen und, bei börsennotierten Gesellschaf­ 430  So das Argument gegen die Zulässigkeit schuldrechtlicher Entsendungsrechte von Ziegert, S.  146 f. 431  Damals noch als §  23 Abs.  4 AktG. Ausführlich zur Entstehungsgeschichte 3. Teil A. §  4. 432  Im Einzelnen dazu 3. Teil A. §  4 III. 433  3. Teil A. §  4 II.2.a). 434  Im Zusammenhang mit Entsendungsrechten etwa RGZ 133, 90, 93. 435  Zum Problem von Absprachen über die Bilanzpolitik 3. Teil A. §  1 V.1.a).

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ten, anhand der wertpapierhandelsrechtlich geforderten Meldungen bei Über­ schreiten bestimmter Schwellenwerte Rückschlüsse ziehen. Schließlich ist ein wesentlicher Unterschied zwischen schuldvertraglichen und satzungsmäßigen Entsendungsrechten zu berücksichtigen: Die erste Vari­ ante ermöglicht im Gegensatz zur zweiten nicht, das Erfordernis eines Haupt­ versammlungsbeschlusses gemäß §  101 Abs.  1 S.  1 AktG auszuschalten. Haben die sich verabredenden Aktionäre nicht ohnehin die Stimmenmehrheit, können sie die Abrede nicht gegen den Willen der übrigen Gesellschafter durchsetzen. Verfügen sie dagegen über die notwendigen Quoren, hätten die restlichen Mit­ glieder selbst bei Fehlen einer Absprache kein Mittel in der Hand, das Abstim­ mungsergebnis zu verhindern.

II.  Der Aufsichtsrat in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung 1.  Satzungsbestimmungen zur qualifizierten Mehrheit im Aufsichtsrat §  52 Abs.  1 GmbHG verweist weder auf §  108 Abs.  1 AktG noch auf §  103 Abs.  3 S.  2 AktG.436 Dementsprechend billigt der überwiegende Teil der Kommentar­ literatur den Satzungsgestaltern der Gesellschaft mit beschränkter Haftung ei­ nen größeren Spielraum zu als die herrschende Meinung bei der Aktiengesell­ schaft: Soweit nicht einzelne Vorschriften des Aktiengesetzes oder des Mitbe­ stimmungsrechts besondere Vorgaben machen, sind höhere Anforderungen als die einfache Mehrheit zulässig.437 Gelegentlich wird eine weitere Ausnahme für die Selbstorganisation des Auf­ sichtsrats als notwendig angesehen.438 Diese zuletzt genannte Einschränkung ist mit Rücksicht auf die oben angestellten Überlegungen zur Tragweite des Funktionsfähigkeitsarguments abzulehnen.439 In einem Beirat können gleichfalls besondere Mehrheiten vorgesehen wer­ den.440

2. Zustimmungsvorbehalte Wird in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung ein Aufsichtsrat eingerich­ tet, können Maßnahmen der Geschäftsführung wie bei der Aktiengesellschaft 436 

Dazu etwa Spindler, in: MünchKommGmbHG, §  52 Rn.  476. Nießen, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, §  52 Rn.  120; Heermann, in: GK-GmbHG, §  52 Rn.  79; Spindler, in: MünchKommGmbHG, §  52 Rn.  484. 438  Spindler, in: MünchKommGmbHG, §  52 Rn.  484. Insgesamt skeptisch unter Verweis auf die aktienrechtliche Literatur Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, §  52 Rn.  231. 439  Vgl. oben I.1.b)bb). 440  Heermann, in: GK-GmbHG, §  52 Rn.  342; Spindler, in: MünchKommGmbHG, §  52 Rn.  696. 437 

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

im Wege eines Vorbehalts an seine Zustimmung gebunden werden.441 Gleiches gilt für einen Beirat.442

3.  Rechte zur Entsendung von Mitgliedern Aufgrund der Satzungsfreiheit für die Gestaltung mitbestimmungsfreier Auf­ sichtsräte und von Beiräten in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung sind Entsendungsrechte unproblematisch.443

III. Ergebnisse Anders als die herrschende Ansicht meint, dürfen die Beteiligten in der Satzung besondere Beschlussmehrheiten für die Entscheidung im Aufsichtsrat fest­ schreiben, soweit nicht Sonderregeln bestehen. Zustimmungsvorbehalte (Co­ venants) lassen sich über §  111 Abs.  2 S.  4 AktG verankern, soweit sie das Vor­ standshandeln betreffen. Hauptversammlungsbezogene Rechte sind dagegen rechtswidrig. Rechte zur Entsendung von Mitgliedern in den Aufsichtsrat las­ sen sich im Rahmen des §  101 Abs.  2 AktG in der Satzung niederlegen. Im Üb­ rigen sind Abreden der Gesellschafter untereinander zulässig, die die Abstim­ mung in der Hauptversammlung über die Besetzung des Aufsichtsrates regeln. In der Gesellschaft mit beschränkter Haftung bestehen hinsichtlich keiner dieser Bestimmungen Gestaltungsschranken. Insbesondere dürfen die Beteilig­ ten mangels dem Aktienrecht vergleichbarer Sondervorschriften Mehrheitsan­ forderungen und Entsendungsrechte ohne Bindung an numerische Grenzen festlegen.

§  4  Abberufung und Bestellung von Geschäftsleitungsmitgliedern Beteiligungsvereinbarungen in den USA enthalten verschiedene Rechte zu Gunsten der Investoren, Mitglieder des Board of Directors abzuberufen und zu bestellen.444 Diese Rechte sollen insbesondere in Krisensituationen ermögli­ chen, mittels des zügigen Austauschs von Geschäftsleitungsmitgliedern eine Restrukturierung der Gesellschaft durchzuführen. Außerdem dienen sie der Dynamisierung des Beteiligungsverhältnisses.445 441  Brouwer, S.  128 ff.; Heermann, in: GK-GmbHG, §   52 Rn.   110; U.H.Schneider, in: ­Scholz, §  52 Rn.  129; ausführlich Spindler, in: MünchKommGmbHG, §  52 Rn.  327, 334 ff. 442  Heermann, in: GK-GmbHG, §  52 Rn.  349; Spindler, in: MünchKommGmbHG, §  52 Rn.  668. 443  S.  nur Heermann, in: GK-GmbHG, §   52 Rn.  42 (zum fakultativen Aufsichtsrat) und Rn.  326 (zum Beirat). Für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung auch Ziegert, S.  148 f. 444  1. Teil B. §  3 III. 445  Zu beiden Aspekten oben 1. Teil B. §  3 I.3.

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Während solche Besetzungsrechte angesichts von §  46 Nr.  5 GmbHG in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung unproblematisch erscheinen (II.), gibt in der Aktiengesellschaft die Kompetenzzuweisung an den Aufsichtsrat gemäß §  84 Abs.  1 S.  1, Abs.  3 AktG Anlass, die Wirksamkeit schuldrechtlicher Rege­ lungen in Zweifel zu ziehen, die dem US-Vorbild nachempfunden sind (I.).

I.  Abberufung und Bestellung von Vorstandsmitgliedern Ein satzungsmäßiges Sonderrecht zu Gunsten der Investoren, das diesen die Möglichkeit einräumte, unter bestimmten Umständen ein Mitglied des Vor­ stands abzuberufen oder zu bestellen, scheitert bereits an §  23 Abs.  5 S.  1 AktG in Verbindung mit §  84 Abs.  1 S.  1, Abs.  3 AktG.446 Schuldrechtliche Bindungen der Gesellschaft gegenüber den Kapitalgebern, die den Aufsichtsrat verpflich­ ten, nach Weisung entsprechende Maßnahmen vorzunehmen, sind nach einhel­ liger Ansicht nichtig.447 Dogmatisch folgt dies indes nicht aus §  134 BGB,448 sondern aus dem Fehlen rechtsgeschäftlicher Gestaltungsmacht.449 Gemäß §  116 S.  1 AktG haben die Mitglieder des Aufsichtsrates ihr Amt im Interesse der Gesellschaft auszuüben, das heißt konkret: im Interesse sämtlicher Konstituentengruppen.450 Die Norm lässt sich schuldrechtlich genauso wenig abbedingen wie die Vorstandspflichten aus §  93 Abs.  1 AktG.451 Anderenfalls bestünde die Möglichkeit, kraft privatautonomer Vereinbarung grundlegende Strukturen des Aktienrechts zu verändern. Das Weisungsrechts eines Investors wäre nichts anderes als eine Teilaufhebung der Kompetenzgliederung, die Ziel des Aktiengesetzes 1937 war.452 Im Ergebnis erhielten Gesellschafter gerade den Einfluss auf die Geschäfts­ leitung, vermittelt etwa über §  111 Abs.  1 AktG, der ihnen entzogen werden sollte. Die Geschäftsführungskompetenz des Vorstandes genügt nicht, im Wege eines Vertragsschlusses mit Gesellschaftern die Strukturvorgaben des Aktien­ gesetzes außer Geltung zu setzen. Das ist kein Problem des Dürfens, sondern schon eines des Könnens. Unzulässig ist schließlich die Bindung eines Aufsichtsratsmitglieds, das seine Position aufgrund eines satzungsmäßigen Entsendungsrechts des Anweisenden 446  Baums/Möller, FS Buxbaum, S.  33, 68; Brehm, S.  121; Grisebach, S.  2 27 f.; Möller, S.  49; Winkler, S.  122 f.; Wolf, S.  148 f.; Ziegert, S.  159. Allgemein Noack, S.  278; Pfeifer, BB 1999, 1665, 1671. Aus der Kommentarliteratur Kort, in: GK-AktG, §  84 Rn.  27 f.; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, §  84 Rn.  7; Spindler, in: MünchKommAktG, §  84 Rn.  12. 447  Baums/Möller, FS Buxbaum, S.  33, 68; Brehm, S.  121; Grisebach, S.  2 27 f.; Möller, S.  49; Winkler, S.  122 f.; Wolf, S.  148 f.; Ziegert, S.  159. 448  So etwa Brehm, S.  121; Ziegert, S.  159. 449  Dazu oben 2. Teil A. §  2 II.2.a)aa). 450  Vgl. bereits Baums, Geschäftsleitervertrag, S.  67. 451  S.  nur Habersack, in: MünchKommAktG, §  116 Rn.  6 4 mit weiteren Nachweisen. 452  Oben §  2 II.3.c)ee).

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

erlangt hat, an Weisungen.453 Die Möglichkeit der jederzeitigen Abberufung dieses Aufsichtsratsmitglieds gemäß §  103 Abs.  2 S.  1 AktG ist qualitativ ver­ schieden von einer Weisungsbefugnis.454 Letztlich bleibt als Ausweg nur, die Amtszeiten von Vorstandsmitgliedern knapp zu bemessen, zumal die vorzeitige Abberufung gemäß §  84 Abs.  3 S.  1 AktG einen wichtigen Grund erfordert.455

II.  Abberufung und Bestellung von Geschäftsführungsmitgliedern In der Gesellschaft mit beschränkter Haftung lassen sich nach allgemeiner An­ sicht in der Satzung Sonderrechte über die Bestellung und Abberufung von Mitgliedern der Geschäftsführung zu Gunsten einzelner Gesellschafter vorse­ hen.456 §  38 Abs.  2 GmbHG verlangt im Gegensatz zu §  84 Abs.  3 S.  1 AktG keinen wichtigen Grund für die Abberufung. Es steht den Gesellschaftern frei, Abberufungsgründe in der Satzung vorzusehen.457

§  5  Zustimmungsvorbehalte (Covenants) zu Gunsten der Investoren Kapitalgesellschaften zeichnen sich im Vergleich zu Personengesellschaften un­ ter anderem dadurch aus, dass Inhaberschaft und Leitung grundsätzlich ge­ trennt sind, was Fremdorganschaft möglich macht.458 Diese Trennung kann nur durchgeführt werden, indem das Gesetz den Gesellschaftern jedenfalls als Grundregel die Geschäftsführungsbefugnis entzieht und sie der Geschäftslei­ tung zuweist. Die technische Umsetzung unterscheidet sich allerdings nach Rechtsform ganz erheblich: Während §  37 Abs.  1 GmbHG eine weitgehende Bindung der Geschäftsführer an die Mitglieder zulässt, steuert §  76 Abs.  1 AktG in die entgegengesetzte Richtung. Vor diesem Hintergrund sind Zustimmungs­ vorbehalte in Wagniskapitalvereinbarungen differenziert zu betrachten, je nachdem, ob sie Aktiengesellschaften (I.) oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung (II.) betreffen.

453  BGHZ 36, 296, 306; Baums, Geschäftsleitervertrag, S.  67; Winkler, S.  123. A.A. Noack, S.  279. 454  Winkler, S.  123, gegen Noack, S.  279. 455  Baums/Möller, FS Buxbaum, S.  33, 70; Ziegert, S.  159 f. 456  Aus der Literatur zur Wagniskapitalfinanzierung Brehm, S.  122; Grisebach, S.  2 26 f.; Heitzer, FB 2002, 471, 474; Möller, S.  81; Winkler, S.  122; Ziegert, S.  160. Allgemein OLG Düs­ seldorf GmbHR 1990, 219, 220; Paefgen, in: GK-GmbHG, §  38 Rn.  146; Stephan/Tieves, in: MünchKommGmbHG, §  38 Rn.  28; U.H.Schneider, in: Scholz, §  38 Rn.  23; Pfeifer, BB 1999, 1665, 1671. 457  Ziegert, S.  160. Beispiele bei Heitzer, FB 2002, 471, 474. 458  S.  3. Teil B. §  2 II.1.

B. Einflusssicherung

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Vor der Diskussion dieser Fragen ist noch darauf hinzuweisen, dass Co­ venants im Rahmen von Venture Capital-Finanzierungen in einem anderen Licht als die entsprechenden Vereinbarungen im Kontext von Fremdkapitalver­ gabe zu betrachten sind: Darlehenscovenants geben einem gesellschaftsfremden Dritten Einflussrechte. Dagegen regeln Zustimmungsvorbehalte in Beteili­ gungsvereinbarungen auf verschiedenen Ebenen die Innenstruktur der Gesell­ schaft, sowohl vertikal im Verhältnis von Mitgliedern und Geschäftsleitung als auch horizontal im Verhältnis der Gesellschafter untereinander.

I.  Zustimmungsvorbehalte und Kompetenzverteilung in der Aktiengesellschaft §  76 Abs.  1 AktG begründet das Prinzip der Leitungsautonomie des Vorstands in der Aktiengesellschaft. Zudem sieht das Aktiengesetz mit dem Aufsichtsrat eine Kontrollinstanz vor, die zwischen Hauptversammlung und Vorstand ange­ siedelt ist und nicht abbedungen werden kann. Jedenfalls bei erster Betrachtung stehen privatautonom gestaltete Zustimmungsvorbehalte zu Gunsten der In­ vestoren in ihrer Eigenschaft als Aktionäre in gewisser Weise quer zum System. Im Anschluss an einen kurzen Überblick über denkbare Regelungsinhalte (1.) werden in diesem Abschnitt lediglich Zustimmungsvorbehalte geprüft, die die Investoren in ihrer Eigenschaft als Aktionäre ausüben. Die Darstellung dif­ ferenziert zwischen Satzungsregelungen (2.) und der Vereinbarung von Co­ venants in schuldrechtlichen Abreden (3.). Abreden, die in den Anwendungsbe­ reich des §  111 Abs.  4 S.  2 AktG fallen, sind Gegenstand des Abschnitts über den Aufsichtsrat, um nicht sachlich verknüpfte Fragen auseinanderzureißen.459 Aufgrund der in der Einleitung dieser Arbeit vorgenommenen Themeneingren­ zung bleibt der Aspekt des Gläubigerschutzes durch Covenants außen vor.460

1. Covenantkategorien An dieser Stelle können nicht sämtliche Typen von Covenants in ihren besonde­ ren fallweisen Ausprägungen aufgelistet und behandelt werden. Das gäbe dem Abschnitt den Anstrich eines Handbuchs und trüge wenig dazu bei, allgemein im Zusammenhang mit Zustimmungsvorbehalten relevante Rechtsprobleme zu analysieren. Die Darstellung beschränkt sich deshalb auf eine Reihe häufiger vorkommender Regelungsinhalte nach ihrem Thema, nicht nach der Form, wie sie konkret in verschiedenen Vereinbarungen niedergelegt wurden. Genannt

459 

460 

Oben §  3 I.2. Dazu Einleitung A. §  4 I.

618

4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

seien unter Verweis auf die Ausführungen im ersten Teil der Arbeit zum USRecht:461 (1)  Veränderungen der Gesellschaftsstruktur im weiteren Sinne: –  Veräußerung sämtlicher oder aller wesentlichen Vermögensgegenstände der Ge­ sellschaft –  Änderung des Unternehmensgegenstandes –  Umwandlungsmaßnahmen, Joint Ventures und strategische Allianzen –  Durchführung eines Börsenganges (2)  Veränderung der Risikostruktur der Gesellschaft: – Wechsel des Geschäftsfeldes, Aufgabe eines Geschäftsfeldes, Beschreiten eines neuen Geschäftsfeldes –  Darlehen über einem bestimmten Betrag –  Ausgabe neuer Anteile –  Auszahlung von Dividenden –  Einhaltung eines bestimmten Verhältnisses von Aktiva und Passiva (3) Sonstiges: –  Ernennung oder Abberufung von Vorstandsmitgliedern –  Änderung von Vorstandsgehältern –  kein Wechsel des Wirtschaftsprüfers

Für die sogleich folgende Analyse der Möglichkeit, den Investoren bestimmte Zustimmungsvorbehalte einzuräumen, ist es wichtig, sich vor Augen zu führen, dass die meisten dieser Klauseln Regelungsgegenstände betreffen, für die das Aktiengesetz bereits Vorgaben enthält. Von vornherein in die Zuständigkeit des Aufsichtsrates fallen etwa die Ernennung und Abberufung von Vorstandsmit­ gliedern sowie die Änderung von Vorstandsgehältern (§§  84, 87 AktG). Die Hauptversammlung ist zuständig für die Verwendung des Bilanzgewinns und damit die Auszahlung von Dividenden (§  119 Abs.  1 Nr.  2 AktG), die Änderung des Unternehmensgegenstandes (§§  23 Abs.  3 Nr.  2, 179 Abs.  1 S.  1 AktG), sowie die Veräußerung sämtlicher oder aller wesentlicher Vermögensgegenstände der Gesellschaft (§  179a Abs.  1 S.  1 AktG462 und „Holzmüller“/„Gelatine“-Recht­ sprechung463).

461  Vgl. oben 1. Teil B. §  3 IV. Aus der deutschen Literatur s. Inhester, in: Jesch/Striegel/ Boxberger (Hrsg.), Rechtshandbuch Private Equity, S.  248; Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F Rn.  136 ff. 462  §  179a Abs.  1 S.  1 AktG erfasst auch solche Fälle, in denen zwar nicht das „ganze“ Ver­ mögen übertragen wird, aber bei der Gesellschaft nur unwesentliche Vermögensgegenstände verbleiben, BGHZ 83, 122, 128; Stein, in: MünchKommAktG, §  179a Rn.  17 mit weiteren Nachweisen. 463  BGHZ 83, 123 (Holzmüller); BGHZ 159, 30 (Gelatine I); BGH ZIP 2004, 1001 (Gela­ tine II).

B. Einflusssicherung

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2.  Zustimmungsvorbehalte in der Satzung Für die Umsetzung von Vereinbarungen über Zustimmungsvorbehalte zu Gunsten von Aktionären kommen zwei Varianten in Betracht: Rechte, die die Investoren selbst bezogen auf die Beschlussfassung in der Hauptversammlung ausüben (a]) sowie solche, die ihnen gegenüber der Gesellschaft zustehen und welche die Durchführung von Maßnahmen betreffen, die an sich in die Zustän­ digkeit des Vorstands fallen (b]). a)  Hauptversammlungsbezogene Zustimmungsvorbehalte Einige der üblichen Zustimmungsvorbehalte fallen nach dem Regelungsmodell des Aktiengesetzes in die Zuständigkeit der Hauptversammlung. Möchten die Investoren Sonderrechte in der Satzung festschreiben, stellt sich die Frage, ob §  23 Abs.  5 AktG Sperrwirkung entfaltet. Immerhin eröffnen die §§  133 Abs.  1, 179 Abs.  2 S.  3 AktG und verschiedene Spezialnormen wie §  182 Abs.  1 S.  3 AktG den Satzungsgestaltern die Möglichkeit, „weitere Erfordernisse“ für die Beschlussfassung in die Satzung aufzunehmen. Die herrschende Meinung zu §  179 Abs.  2 S.  3 AktG erachtet es unter Bezug­ nahme auf diese Normen für zulässig, Vorgaben zu machen, die die Zustim­ mung bestimmter Aktionäre oder bestimmter Aktiengattungen verlangen.464 Gleiches gilt für die Kapitalerhöhung gegen Einlagen im Hinblick auf §  182 Abs.  1 S.  3 AktG.465 Kritiker wenden dagegen sowohl zu §  179 Abs.  2 S.  3 AktG als auch zu §  182 Abs.  1 S.  3 AktG ein, die Untersagung von Mehrstimmrechten durch §  12 Abs.  2 AktG stehe solchen Gestaltungen entgegen (hierzu bb]).466 Weiterhin spreche gegen besondere Zustimmungsvorbehalte zu Gunsten ein­ zelner Aktionäre, dass nicht einzelne Aktionäre entschieden, sondern die Hauptversammlung als Organ (sogleich aa]).467 Ähnlich argumentiert eine star­ ke Ansicht zu §  133 Abs.  1 AktG.468 Zu berücksichtigen ist schließlich die Rechtsprechung zur Drittwirkung der Grundfreiheiten des AEUV und die Be­ deutung der Kapitalverkehrsfreiheit (unten cc]).

464  Hüffer/Koch, §  179 Rn.  23; Stein, in: MünchKommAktG, §  179 Rn.  142; Wiedemann, in: GK-AktG, §  179 Rn.  133; Zöllner, in: KK-AktG, 2.  Aufl., §  179 Rn.  169. 465  Lutter, in: KK-AktG, Band 5/1, 2.  Aufl., §  182 Rn.  14; Peifer, in: MünchKommAktG, §  182 Rn.  20; Wiedemann, in: GK-AktG §  182 Rn.  41. 466  G.Bezzenberger, in: GK-AktG, §  138 Rn.  13; Servatius, in: Spindler/Stilz, §  182 Rn.  24. 467  Servatius, in: Spindler/Stilz, §  182 Rn.  24. 468  Grundmann, in: GK-AktG, §  133 Rn.  123 unter Verweis auf §  12 AktG; Volhard, in: MünchKommAktG, Band 4, 2.  Aufl. 2004, §  133 Rn.  56; Zöllner, in: KK-AktG, 1.  Aufl., §  133 Rn.   105 (ohne Begründung). A.A. (für Zulässigkeit von Sonderbeschlusserfordernissen) Rieckers, in: Spindler/Stilz, §  133 Rn.  41; Schröer, in: MünchKommAktG, §  133 Rn.  4 4, die jedoch beide nur gesetzliche Sonderbeschlüsse behandeln und das Problem satzungsmäßiger Sonderbeschlusserfordernisse außer Betracht lassen.

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

aa)  Organzuständigkeit und Individualrechte Das Argument, es entschieden nicht einzelne Aktionäre, sondern die Hauptver­ sammlung als Organ, beruht auf einem Zirkelschluss, da das gewünschte Er­ gebnis als Prämisse dient: Die §§  133 Abs.  1, 179 Abs.  2 S.  3 AktG, 182 Abs.  1 S.  3 AktG eröffnen gerade die Möglichkeit, „weitere Erfordernisse“ aufzustellen, obwohl sie dem Grunde nach einen Beschluss der Hauptversammlung als Or­ gan vorsehen. Sonderrechte einzelner Gruppen von Aktionären sind schon im Gesetz ver­ ankert, im Rahmen von Kapitalerhöhungen gegen Einlagen etwa in §  182 Abs.  2 S.  1 AktG. Gemäß dieser Vorschrift hängt der Beschluss der Hauptversamm­ lung von der Zustimmung der Aktionäre jeder Gattung ab. §  182 Abs.  2 S.  2 AktG verlangt einen Sonderbeschluss. Für solche Sonderbeschlüsse sieht §  138 S.  1 AktG für das Verfahren vor, dass sie entweder in einer gesonderten Ver­ sammlung dieser Aktionäre oder in einer gesonderten Abstimmung gefasst werden. Mangelt es an zwingenden Vorschriften wie etwa §  141 Abs.  3 S.  1 AktG, darf grundsätzlich frei über das geeignete Verfahren entschieden wer­ den.469 §  118 Abs.  1 S.  1 AktG vermag das Ergebnis der hier kritisierten Meinung ebenfalls nicht zu stützen – noch nicht einmal formal und zeitlich müssen die zum Sonderbeschluss berechtigten Aktionäre ihre Stimmen „in der Hauptver­ sammlung“ abgegeben. Es handelt sich demnach um eine im Aktiengesetz nicht ungewöhnliche Regelungstechnik, zwischen dem Beschluss der Hauptver­ sammlung als Organ und der Zustimmung einzelner Aktionäre per Sonderbe­ schluss inhaltlich, örtlich und zeitlich zu differenzieren. bb)  Mehrstimmrechte und Höchststimmrecht Der einfache Verweis auf §  12 Abs.  2 AktG ist für sich genommen nicht geeig­ net, die Unzulässigkeit satzungsmäßiger Vetorechte zu Gunsten einzelner Aktio­näre zu begründen. Das Aktiengesetz verbietet kategorisch allein Mehr­ stimmrechte, Höchststimmrechte nach §  134 Abs.  1 S.  2 AktG nur für börsen­ notierte Gesellschaften. §   134 Abs.   1 S.   5 AktG untersagt wiederum, Höchststimmrechte zu Lasten lediglich einzelner Aktionäre innerhalb einer Anteilsgattung einzuführen.470 Diese zuletzt genannte Einschränkung macht es notwendig, Gesellschaften, in denen es nur eine Anteilsgattung gibt ([1]), von solchen getrennt zu behandeln, in denen die Mitglieder über Aktien verschiede­ ner Gattungen verfügen ([2]).

469  470 

Statt aller Hüffer/Koch, §  138 Rn.  3. Statt aller Hüffer/Koch, §  134 Rn.  14.

B. Einflusssicherung

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(1)  Nur eine Anteilsgattung Sollten sich Investoren, deren Anteile derselben Gattung entstammen wie die Aktien der Gründer, ein Vetorecht einräumen lassen, enthielte dies der Sache nach ein Höchststimmrecht unter Verstoß gegen §  134 Abs.  1 S.  5 AktG. Denn eine derartige Befugnis wäre eine Regelung, nach der die Stimmen der Gründer niemals die notwendige Stimmenmehrheit herbeiführen könnten. Es macht ma­ teriell keinen Unterschied, ob die Satzung eine Regelung mit einem Schwellen­ wert enthält, nach der die Gründer nicht mehr als 74,99% an Stimmen erreichen können, oder ob die Wirksamkeit des Beschlusses trotz Überschreitens der Grenze von 75% von der Billigung anderer Gesellschafter abhängt. Existiert nur eine Aktiengattung, sehen §  12 Abs.  2 AktG und §  134 Abs.  1 S.  5 AktG ein konsistentes System vor, das von einer Stimme pro Anteil ausgeht. (2)  Unterschiedliche Anteilsgattungen Verfügen Gründer und Investoren über der Gattung nach verschiedene Ak­ tien,471 ist die Lage anders.472 Hier gilt als Ausgangspunkt die herrschende Mei­ nung, nach der die Beschränkung einer Gattung zum Vorteil einer anderen mit §  134 Abs.  1 S.  5 AktG zu vereinbaren ist.473 Da sich die Investoren lediglich einen Zustimmungsvorbehalt einräumen las­ sen, besteht nicht die Gefahr, dass sie, ohne die Kapitalmehrheit innezuhaben, die Geschicke der Gesellschaft so steuern, als seien sie Eigner von Anteilen mit Mehrstimmrechten.474 Die Investoren, denen Sonderrechte gewährt werden, können kraft dieser nicht gegen den Willen der übrigen Anteilseigner eine Maß­ nahme erzwingen. Wendet sich die Hauptversammlungsmehrheit gegen die Durchführung einer Satzungsänderung, läuft der Zustimmungsvorbehalt der Kapitalgeber leer. Sie können allein verhindern, dass ein an sich den gesetzlichen Mehrheitserfordernissen genügender Hauptversammlungsbeschluss Wirksam­ keit erlangt. Der Einwand, durch Obstruktion lasse sich ebenso die Durchführung der Maßnahmen erzwingen wie durch die Möglichkeit ihrer unmittelbaren Durch­

471 Konkret: Die Gründer über Stammaktien, die Investoren über Vorzugsaktien mit Stimmrecht. 472  Das Sonderproblem von Vetorechten von Vorzugsaktionären, deren Anteile über kein reguläres Stimmrecht verfügen, bleibt hier ausgeblendet (vgl. dazu Grundmann, in: GKAktG, §  134 Rn.  70). Bei Wagniskapitalfinanzierungen werden die Investoren immer auf Stimmrechten bestehen. 473  Baums, AG 1990, 221, 224; Grundmann, in: GK-AktG, §   134 Rn.  70; Hüffer/Koch, §  134 Rn.  14; Schröer, in: MünchKommAktG, §  134 Rn.  12. A.A. Zöllner, in: KK-AktG, Band 1, 1.  Aufl., §  134 Rn.  46. 474  Zu diesem Gedanken als Grund für das Verbot von Mehrstimmrechten Baums, AG 1990, 221, 223.

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

setzung kraft Stimmenmehrheit,475 führt nicht dazu, die Unzulässigkeit der hier in Rede stehenden Satzungsbestimmungen annehmen zu müssen. Zum ei­ nen liegt diese Gefahr bereits im gesetzlichen System begründet, das Höchst­ stimmrechte billigt.476 Zum anderen ist zu bedenken, dass jedenfalls bei Wag­ niskapitalfinanzierungen das Höchststimmrecht dem Minderheitenschutz dient und wirtschaftlichen Fehlanreizen entgegenwirkt: Wie im ersten Teil ausführlich beschrieben wurde, besteht gerade zu Beginn der Finanzierung die Gefahr, dass die Gründer die Mittel vereinnahmen, wel­ che die Investoren zur Verfügung gestellt haben.477 Da sich die Kapitalgeber, anders als in den Vereinigten Staaten, nicht über Mehrstimmrechte478 schützen können, haben sie als Inhaber einer Minderheitsbeteiligung eine rechtlich nach­ teilige Position, was die Kontrolle von Maßnahmen angeht, die in der Kompe­ tenz der Hauptversammlung stehen. Insofern bieten satzungsmäßig verankerte Zustimmungsvorbehalte den unter Anreizgesichtspunkten notwendigen Schutz und sind im deutschen Recht das einzige Instrument, Risikostrukturverände­ rungen und den Transfer finanzieller Mittel zu beeinflussen. Gerade für den Fall unterschiedlicher Anteilsgattungen lässt sich dieser Ge­ danke der Notwendigkeit des Schutzes der Inhaber einer Gattung vor Benach­ teiligung durch die Inhaber einer anderen Gattung als Regelungsanlass nach­ weisen, wie die Vorschriften zu besonderen Zustimmungsrechten und Sonder­ beschlüssen zeigen, wenn besonders wichtige Entscheidungen zu fällen sind. Genannt seien hier nur die §§  141 Abs.  1, 3 S.  1, 179 Abs.  3 S.  1, 2 und 182 Abs.  2 S.  1, 2 AktG. Da die Risiken in nicht ausdrücklich geregelten Sachverhalten nicht notwendig weniger groß sind als in den geregelten, ist es sinnvoll, den Beteiligten zu gestatten, die Satzung adäquat auszugestalten. Das eröffnet ihnen die Möglichkeit, das Maß an Schutz an die besonderen Verhältnisse der Gesell­ schaft und ihres wirtschaftlichen Umfeldes anzupassen. cc)  Art.  6 3 AEUV und Zustimmungsvorbehalte Stimmrechtsschranken, Zustimmungsvorbehalte und Sonderrechte für be­ stimmte Anteilseigner waren bereits mehrfach Gegenstand von Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof, der solche Bestimmungen in weitem Umfang als Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit für unzulässig erklärt hat. Verwie­ sen sei auf die Rechtsprechung zum VW-Gesetz,479 zum Erfordernis der staat­ lichen Genehmigung bestimmter gesellschaftsrechtlicher Strukturmaßnahmen im spanischen Recht480 sowie zu Sonderaktien, die mit besonderen Zustim­ 475 

Vgl. im Zusammenhang mit Höchststimmrechten Baums, AG 1990, 221, 225. Kritisch hierzu Baums, AG 1990, 221, 225; Grundmann, in: GK-AktG, §  134 Rn.  70. 477  1. Teil A. §  2 I.1. 478  Regelungen zum „voting on an as-converted basis“. 479  EuGH, Rs. C-112/05, Slg. 2007, I-8995. 480  EuGH, Rs. C-463/00, Slg. 2003, I-4581.

476 

B. Einflusssicherung

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mungsvorbehalten zu Gunsten des Staates einhergingen („golden shares“).481 In der deutschen aktienrechtlichen Literatur werden unter Verweis auf diese Rechtsprechung Bedenken gegen jede Form von Höchststimmrechten erho­ ben.482 (1)  Zustimmungsvorbehalte zu Gunsten Privater Jedenfalls für den Fall, dass ausschließlich private Kapitalgeber Zustimmungs­ vorbehalte ausüben dürfen, besteht kein Grund, diese Vereinbarungen unter europarechtlichen Gesichtspunkten anzuzweifeln. Eine einheitliche und allge­ meingültige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur mittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten gibt es nicht. Für die Kapitalverkehrsfreiheit fehlt es an einer einschlägigen Entscheidung. Insofern muss auf die Judikatur zu anderen Grundfreiheiten Bezug genommen werden: Die horizontale Drittwirkung der Personenverkehrsfreiheiten erkennt der Europäische Gerichtshof schon länger an,483 lehnte sie im Bereich der Waren­ verkehrsfreiheit dagegen bis vor kurzem prinzipiell ab.484 In einer neueren Ent­ scheidung vollzog er eine Kehrtwende.485 Allerdings war Grund hierfür, dass ein Privater mit staatlicher Ermächtigung ehemals hoheitliche Aufgaben wahr­ nahm und so de facto die Entscheidungen traf, die ohne eine solche Autorisie­ rung Sache des Staates wären.486 Das deckt sich mit der inzwischen wohl vor­ herrschenden Einordnung der Drittwirkungs-Rechtsprechung insgesamt in den Problemkreis der Übertragung ehemals als genuin hoheitlich verstandener Aufgaben auf Private durch staatliche Ermächtigung.487 Dies lässt sich insofern rechtfertigen, als es aus Sicht der Marktteilnehmer keinen Unterschied macht, ob eine Marktzugangsschranke direkt vom Staat errichtet wird oder durch ei­ nen Privaten in Ausübung der ihm staatlich übertragenen Kontrollbefugnisse. Auf private Wagniskapitalgeber trifft dies von vornherein nicht zu. Sie wer­ den nicht mit staatlicher Autorisierung tätig und sollen keine Kontrollbefugnis­ se im hoheitlichen Interesse vornehmen. 481  EuGH, Rs. C-483/99, Slg. 2002, I-4781. S.  aber auch EuGH, Rs. C-503/99, Slg. 2002, I-4809. 482  Grundmann, in: GK-AktG, §  134 Rn.  20 f., 63. 483  S.  aus neuerer Zeit etwa EUGH, Rs. C-172/11, NZA 2012, 863, 865 – Erny/Daimler. 484  EuGH, Rs. 311/85, Slg. 1987, 3801 Tz. 30 – VVR/Sociale Dienst van de Plaatselijke en Gewestelijke Overheidsdiensten; EuGH, Slg. 1988, Rs. 65/86, Slg. 1988, 5249 Tz. 11 – Bayer/ Süllhöfer. Überblick über die Rechtsprechung bei Kingreen, in: Calliess/Ruffert, Art.  36 AEUV Rn.  112; Schmahl/Jung, NVwZ 2013, 607, 608. 485  EuGH, Rs. C-171/11, EuZW 2012, 797 (Fra.bo Spa/Deutsche Vereinigung des Gasund Wasserfaches e. V. [DVGW] – Technisch-Wissenschaftlicher Verein). 486 S.   EuGH, Rs. C-171/11, EuZW 2012, 797, 799 Tz. 31. Interpretation wie hier von Schmahl/Jung, NVwZ 2013, 607, 609. 487  Kingreen, in: Calliess/Ruffert, Art.  36 AEUV Rn.  114; Schmahl/Jung, NVwZ 2013, 607, 609.

624

4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

(2)  Zustimmungsvorbehalte zu Gunsten öffentlicher Investoren Weniger klar scheint die Situation auf den ersten Blick zu sein, falls sich „der Staat“, etwa über den High-Tech Gründerfonds488 , als Investor betätigt. In der Entscheidung zum VW-Gesetz aus dem Jahr 2007 hat der Europäische Ge­ richtshof in der Begründung auf das Problem der Aufrechterhaltung „eine[r] stärkere[n] und unabänderbare[n] Position öffentlicher Akteure […]“ abge­ stellt.489 Es bestehe das Risiko, dass die „öffentlichen Akteure ihre Stellung un­ ter bestimmten […] Umständen zur Wahrung von Allgemeininteressen nutzen, die möglicherweise den wirtschaftlichen Interessen der betreffenden Gesell­ schaft und damit den Interessen der anderen Aktionäre zuwiderlaufen.“490 Ausschließen lässt sich dieses Risiko nicht vollständig. Der „Staat“ vermag etwa als Gesellschafter des High-Tech Gründerfonds jedenfalls mittelbar die Ausübung von Zustimmungsvorbehalte zu beeinflussen. Doch sollte bei nähe­ rer Betrachtung die Kapitalverkehrsfreiheit keine Unwirksamkeit begründen: Die Covenants dienen gerade nicht dem Ziel, gegen die Interessen der Gesell­ schaft und ihrer Mitglieder allgemeinpolitische Anliegen durchsetzen zu kön­ nen. Vielmehr treten insofern die öffentlich-rechtlichen Investoren wie private Kapitalgeber und gemeinsam mit diesen auf. Aus Sicht der ausländischen Anle­ ger wirkt dies vermutlich eher attraktiv als abschreckend, weil die Beteiligung eines staatlich getragenen Investors immerhin dafür spricht, dass das geförderte Projekt bestimmte Qualitätsanforderungen erfüllt und seine Finanzierung zu­ mindest für eine gewisse Dauer gesichert ist. b)  Vorstandsbezogene Zustimmungsvorbehalte Die Besonderheit vorstandsbezogener Zustimmungsvorbehalte liegt darin, dass die begünstigten Investoren zugleich Mitglieder der Gesellschaft sind. Es stellt sich also nicht das Problem, welche Rechte gesellschaftsfremde Dritte, etwa Darlehensgeber, haben dürfen. Das Aktiengesetz lässt von der Regel des §  76 Abs.  1 AktG nur in engen Grenzen Ausnahmen zu, vor allem in §  111 Abs.  4 S.  2 AktG.491 Eine satzungs­ mäßige Einschränkung der Leitungskompetenz des Vorstands in Form von Zu­ stimmungsvorbehalten zu Gunsten von Aktionären verstieße gegen §  23 Abs.  5 S.  1 AktG und wären deshalb mangels Gestaltungsbefugnis nichtig.492 In Be­ tracht kommen daher allenfalls schuldrechtliche Regelungen.493 488 www.high-tech-gruenderfonds.de. 489 

EuGH, Rs. C-112/05, Slg. 2007, I-8995 Tz 74. Ähnlich EuGH aaO. Tz 78 f. EuGH, Rs. C-112/05, Slg. 2007, I-8995 Tz 79. 491  Zum Zusammenhang dieser Vorschrift mit der Geschäftsführungskompetenz des Vor­ stands Brouwer, S.  92 ff. 492  Im Ergebnis wohl einhellige Ansicht, siehe nur LG München I, NZG 2012, 1152, 1153; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, §  76 Rn.  42 f. 493  Zu diesen unten 3. 490 

B. Einflusssicherung

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3.  Schuldrechtlich begründete Zustimmungsvorbehalte Schuldrechtliche Zustimmungsvorbehalte lassen sich auf zwei Wegen veran­ kern: In Vereinbarungen der Gesellschafter untereinander, soweit es um die Be­ schlussfassung in der Hauptversammlung geht (a]), und in Verträgen der Inves­ toren mit der Aktiengesellschaft (b]). a)  Zustimmungsvorbehalte in Gesellschaftervereinbarungen Verabreden sich die Gesellschafter untereinander im Wege einer Stimmbin­ dungsabrede, dass zu bestimmten Gegenständen kein Beschluss in der Haupt­ versammlung ohne Zustimmung der Investoren gefasst werden soll, tritt das Problem der Vereinbarkeit dieser Regelung mit dem Grundsatz „eine Aktie, eine Stimme“ auf. Das gilt insbesondere, sofern sämtliche Mitglieder über An­ teile gleicher Gattung verfügen. In diesem Fall untersagen die §§  12 Abs.  2, 134 Abs.  1 S.  5 AktG die Einführung von Höchst- und Mehrfachstimmrechten, so dass das genannte Prinzip jedenfalls für die Satzung kategorisch greift. Das be­ trifft auch Abreden in der Satzung. Die Zulässigkeit der hier in Rede stehenden schuldrechtlichen Vetorechte vermag also nicht schon damit begründet zu wer­ den, die Betroffenen hätten sich schließlich aus freien Stücken entsprechend ver­ pflichtet. Doch sind die Wirkungen satzungsmäßiger Zustimmungsrechte mit solchen auf schuldrechtlicher Basis in der Sache kaum vergleichbar. Die Bindung an Letztere ist einfacher zu beenden, da es keiner Satzungsänderung bedarf. Der Austritt aus der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die mit der Stimmbindungs­ abrede begründet wurde, genügt. Das hängt vom Willen des Einzelnen ab. We­ gen §  723 Abs.  3 BGB kann ihm das Recht zur außerordentlichen Kündigung nicht genommen werden. Außerdem ist der Schutz der benachteiligten Gesell­ schafter in gewisser Weise stärker als bei einer satzungsmäßigen Regelung. Besteht ein satzungsmäßiges Vetorecht, ist diese Befugnis nicht an besondere Ziele gebunden. Allenfalls mag man im Einzelfall an einen Verstoß gegen das allgemeine Schikaneverbot denken oder unter Umständen, bei Zugrundelegung der Girmes-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, an die Verletzung aktien­ rechtlicher Treuepflichten.494 Bei schuldrechtlichen Zustimmungsvorbehalten gibt es eine stärkere Zweck­ bindung der Gesellschafter untereinander. Die Parteien von Wagniskapitalver­ einbarungen verfolgen als besonderes Ziel die Förderung der finanzierten Ge­ sellschaft.495 Verweigern die Berechtigten die Zustimmung aus eigennützigen Gründen, die nicht auf den Förderzweck rückführbar sind, haben die übrigen 494  Zu dem Problem der Treuepflicht der Aktionäre untereinander, dem hier nicht näher nachzugehen ist, etwa Hüffer/Koch, §  53a Rn.  14. 495  Zur Einordnung der Wagniskapitalvereinbarung als Gesellschaft bürgerlichen Rechts bereits 2. Teil A. §  2 II.

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

Gesellschafter zum einen die Möglichkeit, wegen Vertragsverletzung zu klagen, und können zum anderen, sofern sie über ausreichende Mehrheiten verfügen, trotz Vetos einen wirksamen Hauptversammlungsbeschluss herbeiführen. b)  Zustimmungsvorbehalte in Verträgen mit der Gesellschaft Nach einer Literaturansicht darf sich die Aktiengesellschaft jedenfalls für Kapi­ talerhöhungen verpflichten, die Maßnahme entweder an die Zustimmung eines Dritten zu binden oder sogar ganz zu unterlassen.496 Materiell berühren solche Zustimmungsvorbehalte die Leitungs- und Ge­ schäftsführungskompetenz des Vorstands. Das Aktiengesetz lässt von der Re­ gel des §  76 Abs.  1 AktG nur in engen Grenzen Ausnahmen zu, vor allem in §  111 Abs.  4 S.  2 AktG.497 Der Vorstand muss die Verpflichtung umsetzen, in­ dem er etwa der Hauptversammlung keinen entsprechenden Beschlussvor­ schlag unterbreitet oder die Durchführung eines Hauptversammlungsbeschlus­ ses verweigert. Außerdem sind, das berücksichtigt die Literatur häufig nur unzureichend, unter Umständen auch die Kompetenzen der Hauptsversammlung tangiert. Das zeigt sich wiederum deutlich am Beispiel von Wagniskapitalfinanzierun­ gen: Deren Besonderheit liegt darin, dass die begünstigten Investoren stets zu­ gleich Mitglieder der Gesellschaft sind und qua Covenant einem einzelnen Ge­ sellschafter der Sache nach ermöglicht wird, ein Abstimmungsergebnis herbei­ zuführen, das „eigentlich“ besonderen Mehrheitsanforderungen und sonstigen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen genügen muss. Es stellt sich also nicht das Problem, welche Rechte gesellschaftsfremde Dritte, etwa Darlehensgeber, erhalten dürfen. Vielmehr steht die Frage im Vordergrund, in welchem Maße einem Aktionär schuldrechtliche Ansprüche gegen die Gesellschaft eingeräumt werden können, die aktienrechtliche Strukturvorgaben berühren. Im gegebenen Zusammenhang ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Ver­ fasser des Aktiengesetzes 1937 in Abkehr vom bis zu dessen Inkrafttreten gel­ tenden Zustand die Befugnis der – damals – Generalversammlung zur Kontrol­ le von Geschäftsführungsangelegenheiten im Wesentlichen abschaffen wollten (sogleich aa]). Da die US-Gesellschaftsrechte Einfluss auf die Gesetzgebung hatten, eröffnet sich die Möglichkeit, mit Hilfe einer rechtsvergleichenden Be­ 496  Bungert/Wansleben, ZIP 2013, 1841, 1844; Kiefner, ZHR 178 (2014), 547, 597; Krause, CFL 2013, 192, 194 ff.; Peifer, in: MünchKommAktG, §  182 Rn.  20; Wansleben, Konzern 2014, 29; Wiedemann, in: GK-AktG, §  182 Rn.  37, allerdings mit Einschränkungen. A.A. etwa OLG München NZG 2013, 459, 461; LG München I, NZG 2012, 1152, 1153; Hüffer/Koch, §  76 Rn.  41 (jedenfalls im Grundsatz); Lutter, in: KK-AktG, 2.  Aufl., §  182 Rn.  15; Otto, NZG 2013, 930, 934 ff.; Picot/Land, DB 1999, 570, 573; Servatius, in: Spindler/Stilz, §  182 Rn.  24; Technau, AG 1998, 445, 457. Kritisch bis ablehnend auch Spindler, in: MünchKommAktG, §  76 Rn.  27a f. 497  Zum Zusammenhang dieser Vorschrift mit der Geschäftsführungskompetenz des Vor­ stands Brouwer, S.  92 ff.

B. Einflusssicherung

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trachtung den Interpretationsrahmen zu erweitern (bb]), um so auf breiterer Grundlage Schlussfolgerungen zu ziehen (cc]). aa)  Organisationsrechtliche Änderungen durch das Aktiengesetz 1937 Ziel des Aktiengesetzes 1937 war die Einführung der strikten Trennung der Befugnisse von Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung, verbunden mit der Etablierung der Vormachtstellung des Vorstands in Geschäftsführungsfra­ gen. Die Phrase von der Durchsetzung des „Führerprinzips“ in der Aktienge­ sellschaft498 ist ebenso bekannt wie diejenige, wonach „[d]em „anonymen“ Ka­ pital […] die „Giftzähne“ ausgezogen worden“ seien, indem das nach alter Rechtslage bestehende Mitbestimmungsrecht der Aktionäre angesichts „der grundlegend veränderten Stellung von Vorstand und Aufsichtsrat in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht einen anderen Inhalt bekommen“ habe.499 Vor diesem Hintergrund – einer kategorischen Aussage in §  76 Abs.  1 AktG und eines eindeutigen mit dem Aktiengesetz 1937 verfolgten Regelungsziels – erscheint es zweifelhaft, einem Aktionär ein Vetorecht in Fragen einzuräumen, die im Verhältnis der Gesellschaftsorgane dem Vorstand und dem Aufsichtsrat zugewiesen sind, in jedem Fall aber der Zuständigkeit der Hauptversammlung entzogen werden sollten. Indes bleibt noch ein weiterer Aspekt zu betrachten, bevor die Stärke der ge­ nannten Argumente gewürdigt werden kann, nämlich das Regelungsvorbild, dessen sich die Verfasser des Aktiengesetzes 1937 offenbar bedienten: Die Vor­ schriften zur Stellung des Board of Directors in der Corporation in den Ver­ einigten Staaten. bb)  Vergleich mit der Unabhängigkeit des Board of Directors (1)  Ausgangspunkt: Das US-Recht als historisches Regelungsvorbild Eine 1934 erschienene Monographie zu „Wirtschaftsführertum und Ver­ tragsethik im neuen Aktienrecht“ plädierte unter Heranziehung der Lage in den USA dezidiert dafür, „die Herrschaft der Generalversammlung in der bis­ herigen Form zu beseitigen.“500 Weiter heißt es, es erscheine dem Verfasser „zweckmäßig, das Verhältnis zwischen Vorstand und Generalversammlung ähnlich zu gestalten, [sic] wie das Verhältnis zwischen director und stockhol­ ders’ meeting.“501 Das meinte die Unabhängigkeit des Vorstands von der Gene­ 498 

Klausing, S.  60. Hierzu Bahrenfuss, S.  86 ff. Klausing, S.  61. Zu den Änderungen bereits oben §  2 II.3.c). Zu den Zielen des Aktien­ gesetzes 1937 in breiterem Kontext Assmann, in: GK-AktG, Einleitung Rn.  152 ff. Zum Ein­ fluss des US-Rechts von Hein, Rezeption, S.  169 ff. 500  Zahn, S.  93. Zum Einfluss des US-Rechts auch von Hein, Rezeption, S.  169 ff. 501  Zahn, S.  94. 499 

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

ralversammlung in Geschäftsführungsfragen.502 „Um Einzelfragen der Ge­ schäftsführung der Aktiengesellschaft“ solle sich der Aktionär „gar nicht mehr kümmern.“503 Die hier zitierte Arbeit fand allem Anschein nach Eingang in die Vorberei­ tungsarbeiten zum Aktienrecht 1937.504 Unabhängig davon ist jedenfalls nach­ weisbar, dass gerade die Regelungen zur Unabhängigkeit des Board of Directors in den Gesetzgebungsarbeiten eine tragende Rolle gespielt haben.505 Das ist von erheblicher Bedeutung: Wenn in den Vereinigten Staaten Zustimmungsvorbehalte zu Gunsten von Anteilseignern zulässig sind, obwohl insbesondere in Delaware die Gerichte die unabhängige Stellung des Board of Directors betonen, spricht dies dafür, mit Rücksicht auf die Gesetzgebungsgeschichte jedenfalls prinzpiell ebenfalls ein eher liberales Verständnis des §  76 Abs.  1 AktG zugrunde zu legen. Dass sich im Einzelfall unter systematischen Gesichtspunkten Abweichungen ergeben kön­ nen, wird damit nicht in Abrede gestellt. An dieser Stelle geht es vorrangig dar­ um, gewissermaßen hinsichtlich des Vorverständnisses zur Funktionsweise und Reichweite von §  76 Abs.  1 AktG eine Regelinterpretation dieser Norm zu etablieren, die weniger restriktiv ist als im deutschen Schrifttum oftmals kol­ portiert. (2)  Zustimmungsvorbehalte und Director Independence in den USA Der Ansatzpunkt für eine solche Sicht auf §  76 Abs.  1 AktG liegt im Zusam­ menhang mit dieser Untersuchung in der Gestaltungspraxis an der US-ameri­ kanischen Ostküste, wo Bestimmungen in Investors’ Rights Agreements vor­ kommen, die Covenants aus Fremdkapitalfinanzierungen ähneln und auch die hier diskutieren Zustimmungsvorbehalte festlegen.506 Aus Sicht des deutschen Betrachters stehen solche Vereinbarungen nicht ohne Weiteres mit §  141(a) DGCL im Einklang, der dem Board of Directors die Geschäftsleitung exklusiv zuweist.507 Dieser Grundsatz ist nicht neu, sondern war bereits im für die Ent­

502 

Zahn, S.  94. Zahn, S.  95. 504  Vgl. dazu und zum Einfluss des US-amerikanischen Gesellschaftsrechts auf das Akti­ engesetz 1937 Schubert, Einleitung, in: ders., Akademie für Deutsches Recht 1933–1945, Band 1, S.  X LVII. Vgl. auch den Hinweis bei Zahn, S.  2, der Ausschuss für Aktienrecht in der Aka­ demie für deutsches Recht habe ihn aufgefordert, seine Anregungen für die Aktienrechtsre­ form vorzutragen. 505  von Hein, Rezeption, S.  182 f., mit ausführlichen Nachweisen. 506  Siehe (kritisch) O’Connor et al., Emerging Growth Companies, 19-1. 507  „The business and affairs of every corporation organized under this chapter shall be managed by or under the direction of a board of directors, except as may be otherwise provi­ ded in this chapter or in its certificate of incorporation.“ 503 

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stehung des Aktiengesetzes 1937 relevanten ersten Drittel des zwanzigsten Jahrhunderts Prämisse der Judikatur.508 Fremdkapitalcovenants sind offenbar unter organisationsrechtlichen Ge­ sichtspunkten fast nie problematisch.509 Demgegenüber verfahren die Gerichte nach wie vor einigermaßen streng mit Vereinbarungen, die die Übertragung von Aufgaben, die grundsätzlich dem Board zugewiesen sind, an Dritte vorse­ hen. Lässt §  141(a) DGCL die Delegation grundsätzlich zu, muss doch immer die Aufsicht durch das Board gewährleistet sein. Routineaufgaben und das Ta­ gesgeschäft dürfen auf Officer und andere Angestellte übertragen werden.510 Binden sich jedoch einzelne Mitglieder des Board of Directors vertraglich an die Zustimmung von Anteilseignern, ist dies illegal. In der grundlegenden Ent­ scheidung Abercrombie v. Davies aus dem Jahr 1956 erklärte der Delaware Chancery Court „Agents Agreements“ für unzulässig, in denen sich Mitglieder des Board of Directors gegenüber bestimmten Anteilseigner verpflichteten, bei Abstimmungen in deren Interesse und nach deren Vorgaben (als „Agent“ der Anteilsinhaber) zu handeln.511 Das Gericht führte aus: „This means that our corporation law does not permit actions or agreements by stock­ holders which would take all power from the board to handle matters of substantial management policy. This is particularly true absent 100% stockholder approval, which is not present here.”512

Und weiter: 508  Siehe das in Delaware in Abercrombie v. Davies, 35 Del.Ch. 599, 123 A.2d 893, 898 (Del.Ch. 1956) zugrunde gelegte Urteil Manson v. Curts, 223 N.Y. 313, 322 f. (N.Y. 1918): „In corporate bodies, the powers of the board of directors are, in a very important sense, original and undelegated. The stockholders do not confer, nor can they revoke, those powers. They are derivative only in the sense of being received from the state in the act of incorporation. […] The recognition of this principle is absolutely necessary in the affairs of every corporation whose powers are vested in a board of directors. […] All powers directly conferred by statute, or impliedly granted, of necessity, must be exercised by the directors who are constituted by the law as the agency for the doing of corporate acts. In the management of the affairs of the corporation, they are dependent solely upon their own knowledge of its business and their own judgment as to what its interests require.“ Weitere Nachweise bei Zahn, S.  9 0 f. 509  Das Board of Directors genießt insoweit den Schutz der Business Judgment Rule, aus neuerer Zeit etwa Kallick v. Sandridge Energy, Inc., 68 A.3d 242 (Del.Ch. 2013). Im Ergebnis wie im Text zum Gesellschaftsrecht in den USA bezogen auf Fremdkapitalcovenants Heinrich, Covenants, S.  320. Im Insolvenzfall besteht für die berechtigten Gläubiger allerdings die Gefahr, nachrangig bedient zu werden oder sogar selbst gegenüber anderen Gläubigern zu haften, s. dazu die kurzen Bemerkungen bei Heinrich, Covenants, S.  319, und oben 1. Teil B. §  12 IV.2. 510  Canal Capital Corp. v. French, 1992 WL 159008 (Del.Ch. 1992), 3; Cahall v. Lofland, 114 A. 224, 229 (1921). 511 Sachverhaltsbeschreibung Abercrombie v. Davies, 123 A.2d 893, 895 (Del.Ch. 1956), reversed on other grounds, 130 A.2d. 338 (Del. 1957). 512  Abercrombie v. Davies, 123 A.2d 893, 898 (Del.Ch. 1956), reversed on other grounds, 130 A.2d. 338 (Del. 1957).

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

„My conclusions are based on the provisions of the Agreement which substantially en­ croach on the duty of directors to exercise independent judgment, upon the provisions which permit the possibility that director action will be dictated by an outsider and fi­ nally, upon the provision which can have the consequence of shifting control of the board from a majority to a minority.“513

Aus dieser Rechtsprechung lässt sich nun nicht der Umkehrschluss ziehen, jede Vereinbarung, die einen Director an die Mitwirkung eines Dritten binde, be­ gründe einen Verstoß gegen §  141(a) DGCL. Vielmehr entscheiden die Gerichte in den USA von Einzelfall zu Einzelfall, ob eine Regelung derart einschneidend wirkt, dass eine „abdication of authority“ vorliegt.514 Die einem Paketerwerber gegenüber eingegangene Verpflichtung, in den auf die Transaktion folgenden fünf Jahren keine Kapitalerhöhung durchzuführen, hielt der Delaware Chancery Court nicht für einen dem Abercrombie-Urteil vergleichbaren Fall und befand die Regelung für wirksam.515 (3)  Abdication of Authority und Venture Capital Dass von einem deutschen Standpunkt das eben genannte Urteil zu den „Agents Agreements“ Anlass geben sollte, die zitierte Gestaltungspraxis an der Ost­ küste der USA kritisch zu beleuchten, erschütterte einen US-amerikanischen Richter vermutlich kaum. Denn ein solcherart von Systemdenken geprägtes Vorgehen passte nicht zu seiner Rechtskultur. Vom Text des §  141(a) DGCL ausgehend eine in erster Linie normdurchsetzungsorientierte Betrachtung an­ zustellen und als Grundsatz eine Schranke der Gestaltungsfreiheit anzuneh­ men, widerspräche fundamental dem an Gestaltungsfreiheit orientierten Den­ ken in den Vereinigten Staaten. Dies betonte im Zusammenhang mit den Ent­ scheidungsbefugnissen des Board of Directors nach dem Recht von Delaware einer der seinerzeit einflussreichsten Richter am Delaware Chancery Court in einem Aufsatz.516 Die notwendige Kontrolle gewährleisten die Gerichte im Wege einer Kontrolle von Maßnahmen nach dem Grundsatz von Treu und Glauben ­(„Equity“).517

513  Abercrombie v. Davies, 123 A.2d 893, 900 (Del.Ch. 1956), reversed on other grounds, 130 A.2d. 338 (Del. 1957). 514 Siehe Sample v. Morgan, 914 A.2d 647, 671 mit Fußnote 77 (Del.Ch. 2007): „The so-cal­ led “abdication” authority upon which Sample relies applies to a more extreme situation when the directors can be thought to have given away to a third-party powers that are so crucial to management that the directors are essentially no longer in control of the corporation.“ (Kur­ sivsetzung im Zitat hinzugefügt). Als Beleg folgt unter anderem ein Hinweis auf die Entschei­ dung Abercrombie v. Davies (123 A.2d 893, 900 [Del.Ch. 1956], reversed on other grounds, 130 A.2d. 338 [Del. 1957]). 515  Sample v. Morgan aaO. 516  Strine, 60 Bus.Law. 877, 879 (2005). 517  Strine, 60 Bus.Law. 877, 879, 880 (2005).

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Im Grundsatz gilt also die Vermutung, dass jede Handlung – also auch eine, die die Befugnisse der Directors beschränkt – gerade wegen §  141(a) DGCL und der gestaltungseröffnenden Funktion des Delaware General Corporation Law erlaubt ist.518 Das Board of Directors darf die Gesellschaft verpflichten, weil ihm die Leitungskompetenz zusteht. Die Unabhängigkeitsregel impliziert dem­ nach im US-amerikanischen Verständnis, die Gesellschaft und damit mittelbar sich selbst als Board nach eigenem Willen Beschränkungen unterwerfen zu können.  Insofern ist es unzulässig, von der Unwirksamkeit wegen Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit im einen Fall (Agent-Agreement) auf die Rechtswid­ rigkeit der Vereinbarung in einem anderen (Covenants in Venture Capital-Ver­ einbarungen) zu schließen. cc) Folgerungen (1)  Bindung an Gesellschafter als kompetenzrechtliches Problem Die Leitungsautonomie des Vorstands ist, das verdeutlicht die rechtshistori­ sche Perspektive, vor allem Ergebnis der Trennung der Kompetenzen des Vor­ stands im Verhältnis zu denjenigen der Hauptversammlung.519 Insoweit ging es um die Entmachtung der Gesellschafter und die Verselbständigung des Lei­ tungsorgans. Damit geraten sämtliche Bindungen des Vorstands an Zustim­ mungsvorbehalte von Aktionären zum organisationsrechtlichen Problem.520 Umgekehrt lässt sich festhalten: Dass eine Bindung des Vorstands an gesell­ schaftsfremde Dritte wenigstens dem Grunde nach möglich sein muss, ergibt sich aus der Notwendigkeit, Verträge mit Dritten zu schließen, um die Ge­ schäfte der Aktiengesellschaft betreiben zu können. Für solche Vereinbarun­ gen ist zu berücksichtigen, dass es jedenfalls im Prinzip keinen Überschnei­ dungsbereich hinsichtlich von Organkompetenzen im Binnenverhältnis gibt. Doch entstehen eventuell Probleme, wenn Dritte Rechte erhalten, die mit de­ nen der Gesellschafter konfligieren521 oder die unabhängige Leitung verhin­ dern. Allerdings wird dies nur selten zu einer Überschreitung der Grenzen der Gestaltungsmacht führen.522

518  Vgl. dazu auch die Analyse der Quickturn-Entscheidung, Strine, 60 Bus.Law. 877, 895 f. (2005). 519  Oben aa). 520  Das gestehen selbst diejenigen zu, die weitreichende Bindungen des Vorstands an Ak­ tionäre zulassen wollen, siehe die Nachweise oben in Fußnote 496. 521  Zu denken ist vor allem an §  293 Abs.  1 AktG und das Problem des sog. „verdeckten Beherrschungsvertrags“. 522  Bindungen an Gesellschaftsfremde können allerdings in haftungsrechtlicher Hinsicht mit Blick auf die Sorgfaltspflichten des Vorstands problematisch werden. Zur Differenzie-

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

Diese Differenzierung findet eine Stütze in der oben dargestellten abdication of authority-Judikatur und dem Umstand, dass Fremdkapitalcovenants in De­ laware großzügig beurteilt werden.523 Selbst das grundsätzlich eher gestaltungs­ fördernde Gesellschaftsrecht von Delaware untersagt Vereinbarungen, die den Directors Entscheidungsfreiheit nehmen,524 indem sie in vertraglichen Abreden einzelnen Gesellschaftern weitreichende Zustimmungsvorbehalte gegenüber der Corporation einräumen. Die Aussagekraft des rechtsvergleichenden Blick in das Gesellschaftsrecht von Delaware ist dabei besonders stark: Wenn zur Zeit der Diskussion der Reform des Aktienrechts, die mit dem Aktiengesetz 1937 in Gesetzesform gegossen wurde, bestimmte in den USA geltende Grundsätze als Regelungsvorbild für das deutsche Recht dienten, wäre eine rein auf das deut­ sche Aktienrecht in seiner gegenwärtigen Form bezogene Auslegung sogar un­ vollständig. (2)  Differenzierung nach Kompetenzzuweisungen Mit der Leitungsautonomie des Vorstands zu Gunsten der Wirksamkeit schuld­ rechtlich vereinbarter Zustimmungsvorbehalte zu argumentieren,525 beruht auf einer Prämisse, die es erst noch zu belegen gilt: Dass der Vorstand hinsichtlich des maßgeblichen Gegenstandes überhaupt Leitungsautonomie hat. Das ist hin­ sichtlich verschiedener Regelungen, die typischer Inhalt von Zustimmungsvor­ behalten sind, durchaus fraglich. Nach §  119 Abs.  1 Nrn. 5 und 6 AktG entschei­ det die Hauptversammlung über Satzungsänderungen sowie Maßnahmen der Kapitalbeschaffung und der Kapitalherabsetzung. Diesbezüglich stehen dem Vorstand grundsätzlich keinerlei Entscheidungskompetenzen zu.526 Im An­ wendungsbereich dieser und anderer Vorgaben, die ausdrücklich die Hauptver­ sammlung als Entscheidungsorgan benennen, geht das Argument der Leitungs­ autonomie fehl. Dann ist es auch irrelevant, wie dies ein Teil der Literatur je­ doch vorschlägt, zwischen Leitung und Geschäftsführung zu differenzieren und von vornherein nur solche Verpflichtungen für problematisch zu halten, die rung zwischen kompetenzrechtlichen und haftungsrechtlichen Aspekten Fleischer, in: Spind­ ler/Stilz, §  76 Rn.  69; ders., FS Schwark, S.  137, 155. 523 Vgl. Abercrombie v. Davies, 123 A.2d 893, 900 (Del.Ch. 1956), reversed on other grounds, 130 A.2d. 338 (Del. 1957). Zur Behandlung von Fremdkapitalcovenants 2. Teil A. §  1 II.2.c)aa). 524  Zu dieser Einschränkung vgl. bereits Sample v. Morgan, 914 A.2d 647, 671 mit Fußnote 77 (Del.Ch. 2007). 525 So etwa Bungert/Wansleben, ZIP 2013, 1841, 1844; Krause, CFL 2013, 192, 194 ff.; Wansleben, Konzern 2014, 29, unter Wiederholung der bereits im früher veröffentlichten Bei­ trag geäußerten Argumente. 526  Auf §  119 Abs.  1 verweist auch Otto, NZG 2013, 930, 935 (allerdings mit dogmatisch problematischer Folgenerwägung bei und in Fußnote 38; es geht nicht um §  134 BGB, sondern um die Grenzen der rechtsgeschäftlichen Gestaltungsmacht, vgl. dazu 2. Teil A. §  1 II.2.a]aa]). Sondernormen wie §  202 AktG seien hier einstweilen ausgeblendet.

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die Leitung im technischen Sinne betreffen.527 Der Vorstand hat hinsichtlich einiger Maßnahmen schlicht nicht die Möglichkeit freier Entscheidung, weil ihm ab initio die Entscheidungskompetenz fehlt. Wer also Verpflichtungen ge­ genüber Aktionären bewerten möchte, sollte, sofern und soweit organisations­ rechtliche Gesichtspunkte untersucht werden, die Strukturentscheidungen des Aktiengesetzes vollständig in Augenschein nehmen. Die Formel von der Lei­ tungsautonomie des Vorstandes hat ihre Grenzen. (3)  Beispiel: Verzicht auf Satzungsänderungen und Kapitalerhöhungen Verlangt ein Investor, der bereits Gesellschafter ist oder dies im Zuge der Kapi­ talvergabe werden möchte, von der Gesellschaft die Vereinbarung eines Ver­ zichts auf Satzungsänderungen und Kapitalerhöhungen, bewegt sich die Abre­ de im Regelungsbereich von §  119 Abs.  1 AktG, also innerhalb der Zuständig­ keiten der Hauptversammlung. Auf den ersten Blick lässt sich einwenden, die Hauptversammlung würde nicht schlechter gestellt. Sie entscheide ohnehin nur auf Vorlage eines Beschluss­ vorschlages seitens des Vorstandes, nicht jedoch aus eigener Initiative.528 Das trifft indes nicht zu. Die Vereinbarung muss, um ihr Ziel zu erreichen, sämtliche Wege sperren, Satzungsänderungen und Kapitalerhöhungen herbeizuführen. Sie wirkt nur dann effektiv, wenn sie auch die gemäß §  122 Abs.  2 S.  1 AktG bestehende Möglichkeit der Minderheit ausschließt, Gegenstände auf die Tages­ ordnung setzen zu lassen. Das aber ist ein Bereich, in dem der Vorstand niemals Entscheidungsfreiheit hat, so dass das Schlagwort von der Leitungsautonomie nicht hilft. Aus zwei Gründen vermag das weitere Argument nicht zu überzeugen, der Abschluss beschränkender Vereinbarungen müsse dann möglich sein, wenn diese Abreden „folgerichtige“ Unterstützungsmaßnahmen zu anderen Transak­ tionen wie einer Unternehmensübernahme darstellten.529 Zum einen lässt sich hiermit nahezu alles begründen. Irgendein Zusammenhang, der sich als ökono­ misch notwendiger Hintergrund rationalisieren lässt, ergibt sich stets. Jeder In­ vestor argumentiert, Erfolgsbedingung der Transaktion seien bestimmte Be­ 527  Für eine solche Differenzierung etwa Bungert/Wansleben, ZIP 2013, 1841, 1844; Krause, CFL 2013, 192, 196. 528  Vgl. etwa Fleischer, in: Spindler/Stilz, §  76 Rn.  78. Vgl. im Zusammenhang mit Business Combination Agreements auch Reichert, ZGR 2015, 1, 22 f., der meint, hier sei von vornherein nicht die Leitungsebene, sondern allein die Geschäftsführungsebene betroffen, sofern der Verzicht zeitlich befristet sei. Der Vorschlag, für die Übergangsphase bis zur Erlangung der Gesellschafterstellung von der Zulässigkeit der hier diskutierten Vereinbarungen auszugehen (so Kiefner, ZHR 178 [2014], 547, 559 ff.), ist für Venture Capital-Vereinbarungen nicht ein­ schlägig, weil die Zustimmungsrechte nicht nur dieses Stadium betreffen, sondern auch (und gerade) in der Zeit danach gelten sollen. 529  In diesem Sinne Fleischer, in: Spindler/Stilz, §  76 Rn.  78; ders., FS Schwark, S.  137, 152; Krause, CFL 2013, 192, 196. Der Sache nach ebenso Bungert/Wansleben, ZIP 2013, 1841, 1844.

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schränkungen. Zum anderen lässt sich das Problem in einer Weise lösen, die für das Recht von Delaware der Chancery Court angedeutet hat:530 Herbeiführung eines Hauptversammlungsbeschlusses. Wenn für Kapitalmaßnahmen und Sat­ zungsänderungen grundsätzlich die Aktionäre zuständig sind, muss im Vorfeld der Vereinbarung eine entsprechende Ratifikation stattfinden. Das mag aus praktischer Sicht wenig erfreulich sein, weil es Zeit und Geld in Anspruch nimmt. Aber das ändert nichts an der aktienrechtlichen Kompetenzordnung. Als Sonderproblem bleibt die Ausübung der Ermächtigung, Aktien aus ei­ nem genehmigten Kapital auszugeben. Jedenfalls hier, so jedenfalls ein großer Teil des einschlägigen Schrifttums, gehe es um eine Entscheidung, die allein dem Vorstand obliege.531 Unabhängig davon, ob dieses Argument per se über­ zeugt oder ob nicht angesichts der lediglich abgeleiteten Kompetenz des Vor­ standes die Berufung auf Leitungsautonomie problematisch ist:532 Begründet wird ein Sonderrecht zugunsten eines einzelnen Gesellschafters oder einer Ak­ tionärsgruppe. Eine derartige Vereinbarung führt mithin dazu, dass nicht mehr das Gesellschaftsinteresse bzw. das Interesse der Gesellschaftergesamtheit die Entscheidung über die Ausübung des genehmigten Kapitals leitet, sondern das Partikularinteresse einzelner Anteilseigner. Gerade diese Gefahr nahm der De­ laware Chancery Court in seinem bereits oben genannten Urteil zum Anlass für seine Entscheidung.533 Auch insoweit bleibt die Herbeiführung eines Haupt­ versammlungsbeschlusses als gangbarer Weg. Der Heranziehung dieses Judikats lässt sich nicht entgegenhalten, das Ge­ richt habe ausdrücklich darauf abgestellt, das „Agent-Agreement“ sei einer um­ fassenden Beschränkung von Geschäftsführungsentscheidungen gleichgekom­ men,534 während die Covenants nur bestimmte Maßnahmen beträfen. Auf diese Weise würde verschleiert, um welche Maßnahmen es im Kontext von Beteili­ gungsvereinbarungen geht: Gerade die für Bestand und Finanzierung einer Ge­ sellschaft wichtigen.535

530 

Vgl. das Zitat oben bei Fußnote 512, letzter Satz. Bungert/Wansleben, ZIP 2013, 1841, 1844; Fleischer, in: Spindler/Stilz, §  76 Rn.  78; Kiefner, ZHR 178 (2014), 547, 597 (für die Zeit bis zur Erlangung der Aktionärsstellung); Krause, CFL 2013, 192, 196 f.; Reichert, ZGR 2015, 1, 22 f. 532  Zum Organisationsrecht des genehmigten Kapitals Ekkenga, AG 2001, 567 ff., 615 ff. 533 Vgl. Abercrombie v. Davies, 123 A.2d 893, 899 (Del.Ch. 1956), reversed on other grounds, 130 A.2d. 338 (Del. 1957): „By this Agreement these stockholders and their respre­ sentatives have agreed in advance to follow a procedure which if honored by the agents in their director capacity would obligate them to vote in a predetermined manner even though they might thereby be voting contrary to their own best judgment on matters within the province of the board.“ 534 Siehe Abercrombie v. Davies, 123 A.2d 893, 898 (Del.Ch. 1956), reversed on other grounds, 130 A.2d. 338 (Del. 1957): „The difficulty I have with this contention is that the Agreement purports to cover all matters which might come before the board of directors.” 535  Siehe oben 1. 531 

B. Einflusssicherung

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Ob „sämtliche“ oder „nahezu alle“ Entscheidungen vorab von den berechtig­ ten Gesellschaftern gebilligt werden müssen oder „nur“ die existenziellen, be­ gründet bei einer gefahrbezogenen Betrachtung keinen Unterschied. Wer die wichtigen Vorgänge zu steuern vermag, muss über die Kontrolle des Tagesge­ schäfts keinen Gedanken verlieren. Angesichts dieses Umfangs von Einwir­ kungsmöglichkeiten kommt es auch nicht in Betracht, das oben erwähnte Urteil des Delaware Chancery Court zur Wirksamkeit eines zeitlich begrenzten Ver­ zichts auf Kapitalerhöhungen heranzuziehen.536 Darin ging es nur im diese konkrete Klausel, die zudem im Gegensatz zu den hier in Rede stehenden Be­ stimmungen von vornherein befristet war. Dogmatisch betrachtet überschreitet der Vorstand mit der Vereinbarung ei­ nes Zustimmungsvorbehalts der hier diskutierten Art die Grenzen seiner durch §  76 Abs.  1 AktG gewährten Gestaltungsmacht.537 Das zieht als Rechtsfolge (schwebende) Unwirksamkeit nach sich.

II.  Zustimmungsvorbehalte in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung In der Gesellschaft mit beschränkter Haftung sind Zustimmungsvorbehalte zu Gunsten einzelner Gesellschafter in der Satzung nach allgemeiner Ansicht zu­ 37 Abs.   1 lässig.538 Wegen der Möglichkeit, die Geschäftsführer gemäß §   ­GmbHG Weisungen zu unterwerfen, lassen sich die zur Aktiengesellschaft an­ gestellten Überlegungen nicht übertragen. Angesichts der damit eröffneten Freiheit zur Gestaltung sind schuldrechtliche Abreden unüblich 539 und werden aus diesem Grund hier nicht gesondert behandelt.

III. Ergebnisse Ein hauptversammlungsbezogenes Vetorecht können sich Investoren, die einer AG beitreten, dann einräumen lassen, wenn Gründer und Kapitalgeber über je verschiedene Anteilsgattungen verfügen. Existiert jedoch nur eine Anteilsgat­ tung, verstieße eine solche Klausel gegen §  134 Abs.  1 S.  5 AktG. Vorstandsbezogene Zustimmungsvorbehalte lassen sich in der Satzung einer Aktiengesellschaft nicht begründen. Vertragliche Zustimmungsvorbehalte (Covenants), die zwischen einer Aktiengesellschaft und Aktionären vereinbart 536  Sample v. Morgan, 914 A.2d 647 (Del.Ch. 2007). Hierzu im Kontext des §  76 Abs.  1 AktG Fleischer, FS Schwark, S.  137, 152. 537  Vgl. zur dogmatischen Einordnung von §  76 Abs.  1 AktG oben 2. Teil A. §  1 II.2.c)aa). 538  OLG Stuttgart NZG 2000, 490, 491 f.; Drescher, in: MünchKommGmbHG, §  47 Rn.  49; Hüffer/Schürnbrand, in: GK-GmbHG, §  47 Rn.  27; K.Schmidt, in: Scholz, §  47 Rn.  12; Teichmann, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, §  47 Rn.  17. 539  Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 137.

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

werden, sind ebenfalls unzulässig. Zwar lässt sich anhand einer rechtsverglei­ chenden und rechtshistorischen Analyse von §  76 Abs.  1 AktG argumentieren, der Grundsatz der Leitungsautonomie untersage nicht jede Form der Bindung des Vorstandshandelns an die Zustimmung Dritter. Doch unterliefe die Bin­ dung an die Zustimmung eines Gesellschafters angesichts der mit dem Aktien­ gesetz 1937 eingeführten scharfen Trennung der Kompetenzen von Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung eine grundlegende Strukturentscheidung des Aktienrechts. Ziel der Neuerungen des Aktiengesetzes 1937 war es gerade, den Aktionären ihren Einfluss auf die Geschäftsführung zu nehmen. Covenants zu Gunsten einzelner Mitglieder sollen indes genau dieses Ziel erreichen. Sie sind daher unzulässig. In der Gesellschaft mit beschränkter Haftung bestehen dagegen schon ange­ sichts des Weisungsrechts des §  37 Abs.  1 GmbHG keine Bedenken gegen Zu­ stimmungsvorbehalte, gleich ob in der Satzung oder in einem Schuldvertrag verankert.

C. Finanzierungskontrolle Ein wesentliches Element von Wagniskapitalfinanzierungen ist die sogenannte gestaffelte Finanzierung.540 Das meint nicht nur die Aufteilung der Mittelverga­ be auf mehrere „Runden“, sondern zusätzlich die lediglich schrittweise Leis­ tung des bei Beteiligung zugesagten Kapitals nach dem Erreichen bestimmter Entwicklungsschwellen („Meilensteine“) innerhalb einer Runde.541 Diese Ge­ staltung der Finanzierung erfordert aus Kapitalgebersicht, dass die Abrede kei­ ne unbedingte Pflicht zur vollständigen Leistung des als Investitionssumme avisierten Betrages bei Anteilserwerb vorsieht. Daher scheidet die Verpflich­ tung auf einen „Mehrbetrag“, ein „korporatives“ Agio wegen der Pflicht zu des­ sen vollständiger Leistung bereits bei Anmeldung der Gesellschaft (§§  36 Abs.  2, 36a Abs.  1 AktG) oder der Kapitalerhöhung gegen Einlagen (§§  188 Abs.  2 S.  1, 36 Abs.  2, 36a Abs.  1 AktG) als Gestaltungsvariante aus. Im Aktienrecht bleibt wegen der §§  54, 55 AktG allein die Möglichkeit, schuldrechtliche Zuzahlungs­ pflichten zu vereinbaren.542 Nach der Diskussion der materiellrechtlichen Fragen zur Zulässigkeit schuld­ rechtlicher Zuzahlungspflichten für die Aktiengesellschaft (unter §  1) und der Möglichkeit der Gestaltung von Zuzahlungspflichten für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (sub §  2) werden im dritten Abschnitt (§  3) als Anschluss­ fragen der Maßstab für die Auslegung einer Vereinbarung über Zuzahlungen ebenso wie die Bilanzierung betrachtet.

§  1  Gestaffelte schuldrechtliche Zuzahlungspflichten in der Aktiengesellschaft Die Zulässigkeit schuldrechtlicher Zuzahlungspflichten bedarf unter verschie­ denen Aspekten der eingehenderen Untersuchung: Zunächst enthält das Ak­ tien­gesetz an verschiedenen Stellen Vorschriften zu Mehrbeträgen. Das betrifft zum einen das Gebot der Volleinzahlung in §  36a Abs.  1 AktG, zum anderen die sich wegen §  255 Abs.  2 S.  1 AktG ergebende Notwendigkeit, bei Bezugsrechts­ 540 

Oben 1. Teil B. §  4 I. Zu den Wirkungen gestaffelter Finanzierungen am Beispiel der Lage in den USA oben 1. Teil B. §  4 I.1., II. 542  Baums/Möller, in: Hommel/Knecht (Hrsg.), Start-Up-Management, S.  396, 399. 541 

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

ausschluss einen höheren Ausgabebetrag als den „niedrigsten Ausgabebetrag“ festzusetzen. Hinsichtlich dieser Regelungen stellt sich die Frage, ob die Verein­ barung schuldrechtlicher Zuzahlungspflichten den Anforderungen genügt (§  255 Abs.  2 S.  1 AktG, dazu IV.) und ob sie zur Umgehung zwingender Nor­ men (§  36a Abs.  1 AktG) führt (sogleich I.). Das Problem der Umgehung ist des Weiteren zu prüfen vor dem Hintergrund der aktienrechtlichen Kompetenz­ ordnung, weil die Zuzahlung nicht von der Hauptversammlung beschlossen, sondern unter Umständen zwischen Gesellschaft und Investor vereinbart wird (II.). Außerdem unterwerfen sich die Aktionäre, die eine Zuzahlung auf schuld­ vertraglicher Grundlage versprechen, Leistungspflichten über ihre Einlage hin­ aus, was im Lichte der §§  54, 55 AktG nach Rechtfertigung verlangt (III.). Wei­ terhin sind besondere Anforderungen an den Abschluss und die Ausgestaltung solcher Verträge (V.) und prozedurale Erfordernisse wie etwa die Notwendig­ keit einer Kontrolle durch den Handelsregister (VI.) zu betrachten.

I.  Vorüberlegung: Schutzzweck des §  36a Abs.  1 AktG §  36a Abs.  1 AktG soll die Kapitalaufbringung sichern.543 Welche konkreten Schutzziele sich damit verbinden, ist allerdings nicht ganz klar. Die der In­ kraftsetzung von §  36a Abs.  1 AktG zugrunde liegenden Regelungsmotive sind „heute nicht mehr sicher feststellbar“.544 Doch ist die Herausarbeitung der Ratio Legis von großer Bedeutung insbe­ sondere für Schuldverträge über Zuzahlungen, wie sie bei Wagniskapitalfinan­ zierungen genutzt werden. Denn diese Vereinbarungen sehen vor, dass die Mit­ telvergabe erst nach und nach bei Erreichen bestimmter Meilensteine stattfin­ det, also gerade nicht auf einmal, wie dies §  36a Abs.  1 AktG vorgibt. Sollte sich herausstellen, dass §  36a Abs.  1 AktG ein allgemeiner Regelungsgedanke zu­ grunde liegt, der auch für schuldrechtliche Gestaltungen Geltung beansprucht, ergäbe sich hieraus ein erhebliches Problem für die Praxis. Daher wird der Schutzzweck eingehend untersucht, geordnet nach den Gruppen Gläubiger (1.), gegenwärtige Gesellschafter (2.) und zukünftige Ge­ sellschafter („Anleger“, 3.).

1. Gläubigerschutz Teile des Schrifttums meinen, §  36a Abs.  1 AktG diene jedenfalls auch dem Gläubigerschutz.545 Das Aktiengesetz messe der Einzahlung von Aufgeldern „größte Bedeutung zu“, was sich unter anderem an der Abhängigkeit der Ent­ 543 

Statt aller Hüffer/Koch, §  36a Rn.  1. Pentz, in: MünchKommAktG, §  36a Rn.  6 . 545  Herchen, S.  321 ff., 325; Schippel, FS Steindorff, S.  249, 257. 544 

C. Finanzierungskontrolle

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stehung der Gesellschaft und der Verbindung der Wirksamkeit einer Kapitaler­ höhung mit der Leistung des Agios zeige.546 Zusätzlich ließe sich auf §  150 Abs.  3 Nr.  1 AktG verweisen, der die nach §  272 Abs.  2 Nr.  1 HGB zu bildende Kapitalrücklage547 in den Kapitalschutz der Ak­ tiengesellschaft einbezieht.548 Die herrschende Meinung schreibt §  150 AktG eine gläubigerschützende Funktion zu.549 Das wirft die Frage auf, so ließe sich der Faden von Befürwortern des Verbots schuldrechtlicher Zuzahlungspflich­ ten weiterspinnen, ob daraus die gläubigerschützende Wirkung von §  36a Abs.  1 AktG resultiert, sofern und weil sich §  150 Abs.  3 AktG mittelbar auf das Agio erstreckt. Doch ist das Agio eine Leistung, die nur unter bestimmten Bedingungen überhaupt eingefordert werden kann (dazu a]). Zudem vermag §  36a Abs.  1 AktG nichts gegen die sogenannte „Agiotage“ auszurichten (unten b]). a)  Pflicht zur Agioaufbringung als kontingente Leistungspflicht Das Eingreifen der eingangs zitierten Normen und damit auch ihre Wirkung zu Gunsten von Gläubigern hängt daran, dass überhaupt ein Aufgeld vorgesehen wird.550 Der Ausgabebetrag für neue Aktien, die im Wege einer Kapitalerhö­ hung gegen Einlagen geschaffen werden sollen, ist grundsätzlich frei bestimm­ bar.551 Schon aus diesem Grund vermag das Argument nicht zu überzeugen, die Zu­ lassung schuldrechtlicher Vereinbarungen über Zusatzleistungen fördere „die Gefahr unzureichender Kapitalaustattung der Gesellschaft.“552 Es gibt im Kapi­ talgesellschaftsrecht gerade keine Normen, die eine in irgendeiner Form „ange­ messene“ Kapitalisierung fordern.553 Dem Grunde nach ist die Pflicht zur Auf­ bringung eines Agio also eine kontingente Leistungspflicht – ihr Entstehen setzt grundsätzlich eine entsprechende Entscheidung der Hauptversammlung oder der Verwaltung voraus. Hieran ändert §  36a Abs.  1 AktG nichts. Das Ak­ tiengesetz zwingt nicht zur Festsetzung eines Agios. 546 

Schippel, FS Steindorff, S.  249, 257. Hierzu statt aller Mock, in: KK-RLR, §  272 Rn.  119. 548 Vgl. H.-P.Müller, FS Heinsius, S.  591, 593. 549  Brönner, in: GK-AktG, §  150 Rn.  2 ; Ekkenga, in: KK-AktG, §  150 Rn.  4 f.; Hennrichs/ Pöschke, in: MünchKommAktG, §  150 Rn.  4; Hüffer/Koch, §  150 Rn.  1. 550  Baums, FS Hommelhoff, S.  61, 82; Brehm, S.  59; Groß-Bölting, S.  2 21; H.-P.Müller, FS Heinsius, S.  591, 593; Priester, FS Brandner, S.  97, 111; ders., FS Lutter, S.  617, 627; ders., FS Röhricht, S.  467, 471. Gegen eine gläubigerschützende Funktion wenigstens im Ergebnis auch Ekkenga, VGR 2000, 77, 96 f.; Groß-Bölting, S.  221; Schorling/Vogel, AG 2003, 86, 88 f.; Technau, AG 1998, 445, 449. 551  S.  nur Hüffer/Koch, §  182 Rn.  23 mit Nachweisen. Zu den in der Praxis üblichen Preis­ feststellungsverfahren Kuntz, in: Ekkenga/Schröer, §  8 Rn.  125 ff. 552 So Herchen, S.  323. 553  Zur Angemessenheit des Grundkapitals Eidenmüller/Engert, AG 2005, 97 ff. 547 

640

4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

b)  §  36a Abs.  1 AktG und „Agiotage“ Ein Teil der Literatur versucht §  36a Abs.  1 AktG damit zu erklären, das Volleinzahlungsgebot solle „Luftbuchungen“ verhindern,554 ohne dies genauer auszuführen. Einen Fingerzeig für die nähere Bestimmung dessen, welches Re­ gelungsziel mit der Verhinderung von „Luftbuchungen“ verbunden sein kann, lässt sich aus der Gesetzgebungsgeschichte gewinnen: Ein Ziel der Aktienrechtsnovelle 1884 war die Verhinderung der damals häu­ figer vorkommenden „Agiotage“.555 Art.  210 ADHGB, der Vorläufer des heuti­ gen §  36a Abs.  1 AktG, hob die Mindesteinzahlung auf ein Viertel an und eta­ blierte für den Mehrbetrag das Volleinzahlungsgebot. Letzteres wird in den Materialien knapp damit begründet, es „[erscheine] gerechtfertigt […], darauf zu bestehen, daß außer dem Viertheil des Nominalbetrages auch der den letzte­ ren übersteigenden Mehrbetrag, das agio [sic], eingezahlt sei.“556 Mit dem Gläubigerschutz hängt dies auf den ersten Blick insofern zusammen, als vor dem Inkrafttreten der Aktienrechtsnovelle 1884 vielfach die finanzielle Lage einer Gesellschaft deutlich besser dargestellt wurde, als sie wirklich war. Das Vorgehen entsprach im Wesentlichen dem, was heute unter der Überschrift „Window Dressing“ behandelt wird: Die Einzahlung kurz vor Ende des Ge­ schäftsjahres, um die Gewinn- und Verlustrechnung zu manipulieren, ver­ knüpft mit einem Abzug der Mittel nach der Erstellung des Jahresabschlusses.557 Das ist der Inhalt der in der Literatur als „Luftbuchung“ titulierten Strategie. Das Problem resultiert aus der Signalwirkung, die mit dem in der Gewinn- und Verlustrechnung vorzufindenden Ausweis von Gewinnen, die „eigentlich“ kei­ ne sind, einhergeht. Gläubiger nehmen diese Informationen wahr und entschei­ den unter anderem auf dieser Grundlage über die Vergabe von Krediten und sonstige Vertragsschlüsse mit der Gesellschaft. Doch hält §  36a Abs.  1 AktG im Ergebnis kein wirksames Mittel gegen solche Vorgehensweisen bereit. Die Vorschrift verlangt lediglich die Volleinzahlung im Rahmen der Kapitalaufbringungskontrolle. Die Mittelverwendung betrifft die Norm nicht.558 Wollen die Gesellschafter tatsächlich die oben geschilderte Manipulation vornehmen, setzt deren Erfolg sogar voraus, der Gesellschaft vor der Erstellung der Gewinn- und Verlustrechnung finanzielle Mittel in mög­ lichst großem Umfang zuzuführen. Die entscheidende regulatorische Schwierigkeit liegt also nicht in der Sicher­ stellung des Mittelzuflusses, sondern in der Verhinderung des Mittelabflusses. 554 So Pentz, in: MünchKommAktG, §   36a Rn.  6; Pentz/Priester/Schwanna, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft, S.  42, 81 mit Fußnote 104. 555  Lüssow, S.  173. 556  Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, 5. Legislaturperio­ de, IV. Session 1884, Band 3, Anlage Nr.  21, S.  273 li Sp. 557  S.  Ekkenga, in: KK-AktG, §  150 Rn.  5. 558 Ähnlich Strehle, S.  130.

C. Finanzierungskontrolle

641

Eine solche Bindungswirkung zu erzeugen ist Ziel des §  150 AktG, der weiter unten behandelt wird.559 Insofern bleibt die Bemerkung in den Materialien zur Aktienrechtsnovelle 1884 zur Rechtfertigung des Volleinzahlungsgebotes rät­ selhaft. „Luftbuchungen“ im hier beschriebenen Sinne vermag §  36a Abs.  1 AktG nicht zu verhindern. Dieser Ansatz taugt deshalb nicht zur Konkretisierung des Normzwecks. c) Zwischenergebnis §  36a Abs.  1 AktG hat keine gläubigerschützende Funktion. Im Fall von Kapi­ tal­erhöhung mit Bezugsrecht ist ein Agio nur dann einzuzahlen, wenn die Hauptversammlung oder der Vorstand es beschließt. Die Norm vermag die Ge­ fahr der „Agiotage“ oder von „Luftbuchungen“ nicht einzudämmen. Damit verbleiben nur der Schutz gegenwärtiger Gesellschafter und der Anlegerschutz als Ansatzpunkte für die Bestimmung des Normzwecks.

2.  Schutz gegenwärtiger Gesellschafter und Volleinzahlungsgebot Mit der Möglichkeit, einen Mehrbetrag festzusetzen, können sich die Altaktio­ näre davor schützen, dass die Neugesellschafter Anteile zu einem Preis erwer­ ben, der unter deren „wahrem“ Wert liegt.560 Diese Gefahr besteht etwa dann, wenn Aktien zu einem niedrigen Nennwert ausgegeben werden, der ihrem wirtschaftlichen Wert nicht entspricht.561 Nun verlangt §  36a Abs.  1 AktG nicht nur, wie bei dem geringsten Ausgabe­ betrag, die Einzahlung eines Viertels, sondern die Volleinzahlung bereits bei Anmeldung. Das lässt Meilensteinvereinbarungen schwierig rechtfertigbar er­ scheinen: Sieht §  36a Abs.  1 AktG die Einzahlung des gesamten Mehrbetrags bereits bei Anmeldung vor, wird fraglich, wie sich gestaffelte Finanzierungen mit diesem Grundsatz vertragen. So mag die schuldrechtliche Zuzahlung als solche möglich sein, sofern sie in wirtschaftlicher Hinsicht einem korporativem Agio gleicht. Doch scheidet möglicherweise die Gestaltung aus, die geschuldete Leistung erst nach und nach infolge des Überschreitens bestimmter Schwellen zu erbringen. Dass §  36a Abs.  1 AktG schuldrechtliche Zuzahlungen nicht er­ fasst, räumt diese Bedenken nicht unmittelbar aus.562 Da diese Problematik über die Frage hinausführt, welche Zwecke §  36a Abs.  1 AktG überhaupt verfolgt, wird sie in einem gesonderten Abschnitt unter Be­

559 

Unten §  3 II.2.b). Priester, FS Lutter, S.  627, 629. 561  Priester, FS Lutter, S.  627, 629. 562 Anders Lüssow, S.  184. 560 Grundlegend

642

4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

rücksichtigung der Besonderheiten der Wagniskapitalfinanzierung behan­ delt.563

3. Anlegerschutz Um Anlegerschutz geht es in §  36a Abs.  1 AktG nicht.564 Personen, die nach der Entstehung der Pflicht zur Agioleistung Anteile erwerben, sind vor der Belas­ tung, ausstehendes Agio zu leisten,565 jedenfalls bei Gutgläubigkeit geschützt. Nach §  10 Abs.  2 S.  1 AktG müssen Aktien auf den Namen lauten, wenn sie vor der vollen Leistung des Ausgabebetrages ausgegeben werden. Verstößt die Ge­ sellschaft hiergegen und gibt Inhaberanteile aus, haftet deren Erwerber nicht für ausstehende Einlagen.566 Die Verkehrsfähigkeit der Aktie steht damit nicht im Fokus von §  36a Abs.  1 AktG.567 Aus dem Gedanken des Anlegerschutzes lässt sich damit kein valides Argument gegen die Zulässigkeit schuldrechtlicher Zuzahlungspflichten entwickeln.568

II.  Kein Verstoß gegen die aktienrechtliche Kompetenzordnung Schuldrechtliche Vereinbarungen über Zusatzleistungen sollen nach einer in der Literatur vertretenen Meinung deshalb bedenklich sein, weil sie eine Kompe­ tenzverlagerung von der Hauptversammlung hin zum Vorstand bewirkten.569 Während die Festsetzung eines Mehrbetrages im Sinne von §  36a Abs.  1 AktG wegen §  182 Abs.  3 AktG der Zustimmung der Hauptversammlung bedürfe,570 setze der Vorstand bei der schuldrechtlichen Vereinbarung einer zusätzlichen Zahlung deren Bedingungen allein fest.571 Weiterhin befinde die Verwaltung und nicht, wie in den §§  27, 183 Abs.  1, 205 Abs.  1 AktG angelegt, das Aktiona­ riat, darüber, ob Sacheinlagen an die Stelle von Geldeinlagen treten.572 Diese Einwände überzeugen im Ergebnis nicht. §  182 Abs.  3 AktG lässt es gerade zu, dass der Vorstand über den Ausgabebetrag bestimmt, sofern dieser

563  Unten

V. Ekkenga, VGR 2000, S.  77, 96 Fußnote 53; Herchen, S.  324. Abweichend etwa Priester, FS Brandner, S.  97, 111; Schorling/Vogel, AG 2003, 86, 87 f.; Strehle, S.  126; Technau, AG 1998, 445, 449. 565  Hierauf stellen ab etwa Priester, FS Brandner, S.  97, 111; Schorling/Vogel, AG 2003, 86, 88; Strehle, S.  126; Technau, AG 1998, 445, 449. 566  RGZ 144, 138, 145; OLG Köln AG 2002, 92, 93; Brändel, in: GK-AktG §  10 Rn.  33; Dauner-Lieb, in: KK-AktG, §  10 Rn.  37; Hüffer/Koch, §  10 Rn.  6. 567  Ekkenga, VGR 2000, S.  7 7, 96 Fußnote 53; Herchen, S.  324. 568  Im Ergebnis auch Schorling/Vogel, AG 2003, 86, 88. 569  Herchen, S.  315 ff. 570  Dazu nur Hüffer/Koch, §  182 Rn.  2 2. 571  Herchen, S.  315. 572  Herchen, S.  316. 564 

C. Finanzierungskontrolle

643

im Hauptversammlungsbeschluss nicht festgelegt wird.573 Noch freier kann der Vorstand nach §  204 Abs.  1 AktG beim genehmigten Kapital handeln.574 Weiterhin geht es nicht um die „Ersetzung“ von Pflichten zur Bareinlage durch Sacheinlagepflichten, selbst wenn die Zusatzleistung in einer Sacheinlage besteht. Die schuldrechtliche Vereinbarung über eine Zusatzleistung vermag an der Bareinlagepflicht nichts zu ändern. Die Anteilserwerber müssen die Barein­ lage in vollem Umfang erbringen. Sie sind nicht berechtigt, ganz oder teilweise durch Sachleistung zu erfüllen. Alles, was sie zusätzlich der Gesellschaft zugu­ tekommen lassen, ist eben dies – eine Zusatzleistung. Gäbe es die diesbezügliche schuldrechtliche Pflicht nicht, könnten die Aktien unter aktienrechtlichen Ge­ sichtspunkten genau für den Ausgabebetrag erworben werden, der sich aus dem Hauptversammlungsbeschluss oder der Festsetzung des Vorstands ergibt. Legen die Gesellschafter Wert darauf, dass ein Agio im Sinne von §  36a Abs.  1 AktG gezahlt wird, steht ihnen jederzeit frei, den Beschluss entsprechend zu fassen.575 §  182 Abs.  3 AktG sieht keine besonderen Mehrheitserfordernisse vor, so dass jedenfalls bei einer Kapitalerhöhung ohne Bezugsrechtsausschluss die überstimmte Minderheit nicht in rechtserheblicher Weise die Verwässerung ih­ rer Anteile als Problem geltend machen kann.576 Weiterhin sind, worauf bereits Priester aufmerksam gemacht hat, die der Ka­ pitalerhöhung zustimmenden Aktionäre jedenfalls mittelbar in der Position, die wirtschaftlichen Auswirkungen schuldrechtlicher Zusatzleistungen zu berück­ sichtigen. Im Rahmen der Festsetzung des Ausgabebetrages nach §  182 Abs.  3 AktG werden sie diesen nur niedrig oder gar lediglich auf Höhe des Mindestbe­ trages festsetzen, wenn sie sich der Zusatzleistungen sicher sind und meinen, die Finanzierung der Gesellschaft sei gewährleistet.577 Im Kontext von Wagniskapitalfinanzierungen ist weiterhin zu berücksichti­ gen, dass der Vorstand der Gesellschaft in verschiedener Hinsicht der Kontrolle der Altaktionäre unterliegt. Das gilt zum einen für die intensive Überwachung durch den Aufsichtsrat, in dem Vertreter der Gründer und der Investoren sit­ zen. Zum anderen betrifft das den Vorstand selbst, dessen Mitglieder in erster Linie von den Gründern gestellt werden. Die Personen, die als „Verwaltung“ über die schuldrechtlichen Zusatzleistungen mitentscheiden, haben in ihrer Ei­ genschaft als Gesellschafter ein Eigeninteresse daran, dass keine Finanzie­ rungslücke entsteht und die Zuzahlung oder eine Sachleistung in ausreichen­ dem Maße das wirtschaftliche Fortkommen fördert. 573 

Priester, FS Röhricht, S.  467, 472. Auf §  204 Abs.  1 AktG verweist bereits Priester, FS Röhricht, S.  467, 472. 575  Priester, FS Röhricht, S.  467, 472. 576  Gegen die Verwässerung schützt sie gerade ihr Bezugsrecht. Zur Möglichkeit, den Preis unter Beachtung des §  9 Abs.  1 AktG grundsätzlich frei festzulegen, wenn das Bezugsrecht nicht ausgeschlossen ist, Lutter, in: KK-AktG, §  182 Rn.  23; Peifer, in: MünchKommAktG, §  182 Rn.  48. 577  Priester, FS Röhricht, S.  467, 472. 574 

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

III.  Keine Umgehung der §§  54, 55 AktG Das Aktiengesetz begrenzt in §  54 Abs.  1 AktG die Verpflichtung der Aktionä­ re zur Leistung von Einlagen auf den Ausgabebetrag der Aktien. Der „Mehrbe­ trag“ im Sinne von §  36a Abs.  1 AktG, das gesellschaftsrechtliche Agio, ist Teil dieses Betrages.578 §  54 Abs.  1 AktG dient der Begrenzung des internen Haf­ tungsrisikos im Verhältnis von Aktionär und Gesellschaft.579 Die Vorschrift soll den Gesellschafter davor schützen, unter Druck weitere Leistungen zu er­ bringen.580 §  55 Abs.  1 AktG gestattet unter bestimmten Bedingungen, den In­ habern vinkulierter Anteile Nebenleistungspflichten aufzuerlegen. §  55 Abs.  1 AktG ermöglicht, die Schranke des §  54 Abs.  1 AktG zu durchbrechen und ist in erster Linie historisch zu erklären.581 Die §§  54, 55 AktG verwirklichen das Prinzip der beidseitigen Vermögens­ trennung im Kapitalgesellschaftsrecht, indem sie auch für die Zeit nach dem Anteilserwerb die Vermögenssphären von Gesellschafter und Gesellschaft ge­ trennt halten und grundsätzlich jede Form der Zusatzleistung ausschließen, selbst wenn es sich nicht um einen Nachschuss im technischen Sinne handelt.582 Das verhindert die Vereinnahmung der Investitionskraft der Gesellschafter im weitesten Sinne, weil über monetäre Leistungen hinaus auch solche präkludiert werden, die lediglich Geldwert haben, etwa Dienstleistungen, die die Gesell­ schaft sonst aus dem eigenen Vermögen vergüten müsste. Mit dieser Begren­ zung der Pflichten erreichen die §§  54, 55 AktG zugleich, die Aktie besonders handelsfähig zu machen.583 Die herrschende Ansicht geht davon aus, die §§  54, 55 AktG stünden der Ver­ einbarung schuldrechtlicher Zuzahlungspflichten nicht entgegen.584 Die Ge­ genmeinung erhebt drei Einwände, die im Folgenden unter Einbeziehung der Besonderheiten der Wagniskapitalfinanzierung näher geprüft werden:585 Schuld­recht­liche Vereinbarungen über Zuzahlungspflichten beruhten auf wirt­ schaftlichem Zwang (hierzu 1.) und stünden dem Informationsinteresse zu­ künftiger (2.) sowie gegenwärtiger Gesellschafter entgegen (3.).

578 

S.  nur Hüffer/Koch, §  9 Rn.  2. Bungeroth, in: MünchKommAktG, §  54 Rn.  2; Fleischer, in: Schmidt/Lutter, §  54 Rn.  1; Drygala, in: KK-AktG, §  54 Rn.  3; Henze, in: GK-AktG, §  54 Rn.  4. 580 Vgl. Drygala, in: KK-AktG, §  5 4 Rn.  57; Henze, in: GK-AktG, §  5 4 Rn.  7 7. 581  Dazu etwa Drygala, in: KK-AktG, §  55 Rn.  3 ff. 582  Zum Prinzip der beidseitigen Vermögenstrennung 3. Teil B. §  2 I. 583  In diesem Sinne etwa Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S.  128. 584  OLG München WM 2007, 123, 126; Baums, FS Hommelhoff, S.  61, 79; Bungeroth, in: MünchKommAktG, §  54 Rn.  30; Drygala, in: KK-AktG, §  54 Rn.  48 ff.; Fleischer, in: Schmidt/ Lutter, §  54 Rn.  20; Gerber, MittBayNot 2002, 305, 206; Henze, in: GK-AktG, §  54 Rn.  53 ff.; Lüssow, S.  38 ff.; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S.  128; Priester, FS Röhricht, S.  467, 469; Strehle, S.  134 ff. 585  Nachweise im Textverlauf. 579 

C. Finanzierungskontrolle

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1.  Interesse von Investoren an schuldrechtlichen Vereinbarungen Ein Teil der Literatur trägt vor, „im Zweifel“ bestehe in „den Fällen, in denen die Zusatzleistungen die Funktion eines Agio haben sollen, […] wirtschaftlicher Zwang zur Eingehung der Vereinbarung […].“586 Diese Aussage trifft nicht zu. Häufig haben gerade Investoren – das heißt die Anteilserwerber – ein Interesse daran, die Zuzahlung lediglich schuldrechtlich auszugestalten. Ein Beispiel hierfür ist die Wagniskapitalpraxis, in der das Set­ zen von Meilensteinen Bedingung für die Kapitalvergabe ist. Das ermöglicht eine Verwendungs- und Entwicklungskontrolle, die bei sofortiger Leistung nach Maßgabe des §  36a Abs.  1 AktG gerade nicht möglich wäre. Das schließt nicht aus, dass es Situationen gibt, in denen Druck ausgeübt wird. Doch aus dieser empirischen Beobachtung abzuleiten, schuldrechtlichen Zuzahlungsabreden ginge stets Zwang voraus, vermag angesichts des eben ge­ nannten Gegenbeispiels nicht zu überzeugen.

2.  Zum Informationsinteresse künftiger Mitglieder Wenig tragfähig als Grundlage für eine Kritik an der herrschenden Meinung ist der Hinweis auf das Interesse künftiger Mitglieder, sich umfassend über die Finanzierungsverhältnisse der Gesellschaft zu informieren.587 Haben die einzelnen Erwerber keinen vollständigen Überblick über die „ab­ solute Höhe der Einlagen“ und werden – vermeintlich – wesentliche Pflichten „außerhalb des Gesellschaftsvertrages“ begründet, folgt hieraus noch nicht, dass Investoren „vermehrt zurückschrecken.“588 Die Pflichten, um die es geht, kommen der Gesellschaft und damit mittelbar sämtlichen Anteilseignern zugu­ te. Gäbe es die schuldrechtliche Vereinbarung über die Zuzahlung nicht, stün­ den schlicht weniger Betriebsmittel zur Verfügung. Verdeutlichen lässt sich dies wiederum anhand von Venture Capital-Finanzierungen:589 Wegen der mit der Finanzierung junger Unternehmen verbundenen Gefah­ ren 590 werden sich die meisten Investoren nicht auf eine nach den Vorgaben des §  36a Abs.  1 AktG zu erfüllende Verpflichtung einlassen, Gelder in der Höhe zu vergeben, die sie im Rahmen schuldrechtlicher Abreden versprechen.591 Denn sie müssten die Einlage vollständig zu Beginn der „Runde“ aufbringen und be­ gäben sich auf diese Weise der Möglichkeit, die Mittelverwendung zu kontrol­ 586  Herchen, S.  318. Ähnlich offenbar Wolf, S.  97, der meint, es fehle an Freiwilligkeit, weil ein Anspruch auf Zuzahlung bestehe. Dass diese konkrete Verpflichtung auf der individuel­ len Zustimmung des Investors beruht, übergeht Wolf aaO. 587  Darauf rekurriert Herchen, S.  319 ff. Ablehnend Strehle, S.  136. 588  So aber Herchen, S.  320. 589  Hierauf verweist auch Baums, FS Hommelhoff, S.  61, 75. 590  Ausführlich oben 1. Teil A. 591  Zum Inhalt dieses „Versprechens“ noch unten VI.

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lieren und neue Mittel nach Maßgabe des Unternehmenserfolgs zuzuführen. Als Alternative stünde allein zur Verfügung, bei Erreichen eines Meilensteins eine neuerliche Kapitalerhöhung durchzuführen. Die Zahl der Kapitalmaßnah­ men stiege um ein Vielfaches, verbunden mit Zeitverzögerungen, zusätzlichen Kosten und Unsicherheit über die Fortführung der Finanzierung. Wie der Grundsatz, dass der Umfang der Leistungsverpflichtung transparent sein soll,592 die Unzulässigkeit schuldrechtlicher Vereinbarungen zu begründen vermag, ist nicht nachvollziehbar. Wichtig für die Bestimmung des Umfangs der eigenen Rechte und Pflichten bezogen auf die Mitgliedschaft ist allein die Einlageverpflichtung. Dass Angaben im Zeichnungsschein und in der Satzung Beweissicherungsfunktion haben, führt nicht zu einer abweichenden Bewer­ tung.593 Denn Beweise sollen nur insoweit gesichert werden, als die Identifika­ tion derjenigen festzuhalten ist, die zur Einlageleistung verpflichtet sind.594 Sollte es sich bei der im Schuldvertrag zugesicherten Leistung um eine Sach­ leistung handeln, ist dies gleichfalls unschädlich.595 Das Interesse daran, die Werthaltigkeit der Sacheinlage nachzuvollziehen,596 bezieht sich darauf, dass der Sacheinleger im Verhältnis zum Bareinleger nicht eine geringere Leistung pro Anteil erbringt. Wiederum geht es allein darum, die Gleichheit der Beteili­ gungsverhältnisse zu wahren. Nun mag man einwenden, gerade dieses Problem trete in verschärfter Form auf, wenn schuldrechtliche Leistungspflichten in die Angemessenheitsprüfung gemäß §  255 Abs.  2 S.  1 AktG einbezogen würden. Das ist nicht von der Hand zu weisen und weiter unten noch näher zu erörtern.597 Doch folgt hieraus nicht zwingend die Unzulässigkeit der schuldrechtlichen Abrede. Sofern diesbezüg­ lich eine ausreichende Transparenz und Werthaltigkeitskontrolle gewährleistet ist, sind die Gefahren nicht größer, als sie bei Sacheinlagen ohnehin schon sind.

3.  Zum Informationsinteresse gegenwärtiger Gesellschafter Die gegenwärtigen Gesellschafter, das heißt die Personen, die im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages über schuldrechtliche Zuzahlungen zwischen Ge­ sellschaft und Beitrittswilligem bereits Mitglieder sind, haben ebenfalls das In­ teresse, die Gleichheit der Beteiligungsverhältnisse zu wahren. Das gilt insbe­ sondere dann, wenn ihr Bezugsrecht ausgeschlossen ist und sie befürchten müs­ 592 

Herchen, S.  320, 321. Herchen, S.  321. 594  Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S.   322 (im Zusammenhang mit §   55 Abs.   1 ­GmbHG). Insofern vermag diese Stelle entgegen Herchen, S.  321 (mit Fußnote 994) nicht als Beleg für ihre Ansicht zu dienen. 595 Anders Herchen, S.  321 f. 596  Hierauf stellt Herchen ab (S.  322). 597  Unten VI.2. 593 Anders

C. Finanzierungskontrolle

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sen, dass ein Ausgabebetrag unangemessen niedrig ist, weil die schuldrechtlich versprochenen Leistungen keinen ausreichenden Wert haben.598 Hier gilt allerdings, was bereits oben zur Wahrung der Interessen zukünfti­ ger (Mit-)Gesellschafter ausgeführt wurde. Dem grundsätzlich berechtigten Anliegen, die Gleichheit der Beteiligungsverhältnisse zu wahren, widerspre­ chen Abreden über schuldrechtliche Zuzahlungen allenfalls dann, wenn es kei­ ne Kontroll- und Offenlegungsvorgaben gibt. Bestehen und Umfang solcher Vorgaben sind Gegenstand der folgenden Abschnitte.

IV.  Agio, Bezugsrechtsausschluss und §  255 Abs.  2 S.  1 AktG Das entscheidende Problem der Zulässigkeit schuldrechtlicher Zuzahlungs­ pflichten stellt sich bei Kapitalerhöhungen, die unter Bezugsrechtsausschluss stattfinden. Hier ist die Gefahr der Verwässerung der Anteile der Minderheits­ aktionäre besonders groß, insbesondere dann, wenn Teile der Anteilseigner­ mehrheit als Erwerber auftreten und zu ihren Gunsten das Bezugsrecht ausge­ schlossen wird.599 Gerade im Zuge der Wagniskapitalfinanzierung kann dies relevant werden, sofern ein Investor, der bereits Gesellschafter ist, anlässlich einer neuen Finanzierungsrunde weitere Anteile erwerben möchte. Den Verwässerungschutz bei bezugsrechtsfreien Kapitalerhöhungen gewähr­ leistet vor allem §  255 Abs.  2 S.  1 AktG. Danach ist ein Kapitalerhöhungsbe­ schluss anfechtbar, sofern der in ihm angegebene Ausgabebetrag oder der Min­ destbetrag, unter dem die neuen Aktien nicht ausgegeben werden sollen, unan­ gemessen niedrig ist. Mit Blick auf schuldrechtlich vereinbarte Zusatzleistungen ergibt sich daraus unter Umständen ein Problem, je nachdem, ob die Angemessenheitsprüfung allein den Ausgabebetrag als solchen oder auch weitere Umstände erfasst (näher 1.). Für Letzteres spricht, dass im Vordergrund des §  255 Abs.  2 S.  1 AktG nicht die Finanzierungssicherung, sondern das Finanzierungsziel steht (2.). Die strengere Kapitalaufbringungskontrolle bei Sacheinlagen ist kein valider Ein­ wand gegen die Rechtmäßigkeit der hier in Rede stehenden Verträge (3.).

1.  Das Problem des Bezugspunktes der Angemessenheitsprüfung Aus §  255 Abs 2 S.  1 AktG ergibt sich jedenfalls bei erster Lektüre ein Problem für die üblichen Meilensteinvereinbarungen: Liegt „der sich aus dem Erhö­ hungsbeschluß ergebende Ausgabebetrag“,600 das heißt die sich aus dem Be­ schluss ergebende Zahl, niedriger, als es dem Anteilswert bezogen auf den 598 

Insofern zutreffend Herchen, S.  320. S.  Hirte, Bezugsrechtsausschluß, S.  80 ff., und unten D. §  1 I. 600  Gleiches gilt für den Mindestbetrag. Aus Gründen der Lesbarkeit wird im Text nur der Ausgabebetrag als maßgebliche Größe genannt. 599 

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

„wahren“ Wert des Unternehmens entspricht,601 folgt hieraus offenbar die Un­ angemessenheit des Ausgabebetrages.602 Daraus ließe sich der Schluss ziehen, dass, wenn etwa der Nennwert der Anteile selbst nicht „angemessen“ hoch im Sinne von §  255 Abs.  2 S.  1 AktG ist, zwingend ein Mehrbetrag im Sinne von §  36a Abs.  1 AktG festgesetzt werden muss. Nur so erscheint ein ausreichender „Ausgabebetrag“ gewährleistet. 603 Sollte über den – für sich genommen unange­ messenen – Nennbetrag hinaus lediglich eine schuldrechtliche Zuzahlungsver­ pflichtung bestehen, widerspricht dies, so die Fortführung des Gedankens, dem Wortlaut des §  255 Abs.  2 S.  1 AktG, wonach gerade „der sich aus dem Erhö­ hungsbeschluß ergebende Ausgabebetrag“ angemessen hoch zu sein hat. Damit wäre im Interesse der Minderheitsgesellschafter bei Sachleistungen auch die Durchführung der Werthaltigkeitskontrolle durch Prüfer (§  183 Abs.  3 S.  1 AktG) und das Registergericht (§  184 Abs.  3 S.  2) gesichert. 604 Bei genauerer Be­ trachtung vermag diese Argumentation jedoch nicht die Unzulässigkeit schuld­ rechtlicher Aufgelder zu begründen:

2.  Maßgeblichkeit der Sicherung des Finanzierungszieles §  255 Abs.  2 S.  1 AktG soll nicht das Finanzierungsergebnis sicherstellen, son­ dern das Finanzierungsziel. 605 Der Ausgabebetrag entspricht nicht notwendig dem Bezugspreis, den die Anteilserwerber entrichten.606 Überdies verlangt das Aktiengesetz für die Eintragung und damit das Wirksamwerden der Kapitaler­ höhung nicht die volle Einlageleistung bei Anmeldung, sofern auf ein Agio ver­ zichtet und beispielsweise der Nennwert der Anteile hoch genug angesetzt wur­ de. Hier gelten nur die Minimalvorgaben der §§  36a Abs.  1, 188 Abs.  2 S.  1 AktG. Ein striktes Finanzierungsgleichgewicht im Verhältnis von Alteignern und Neugesellschaftern sieht das Aktiengesetz also nicht vor. 607 Hinzu kommt, dass Preisabschläge in gewissem Rahmen trotz §  255 Abs.  2 S.  1 AktG akzeptiert werden, um den Absatzerfolg zu fördern. 608 Das gilt vor allem, wenn aufgrund einer Gesamtabwägung Umstände dafür sprechen, dass dies, etwa wegen der besonderen Bedeutung neuer Aktionäre, im Gegenzug die langfristige Unternehmensentwicklung positiv beeinflusst. 609

601 

Zur Maßgeblichkeit des „wahren“ Wertes statt aller Hüffer/Koch, §  255 Rn.  5. In diesem Sinne Becker, NZG 2003, 510, 514; Herchen, S.  333; Strehle, S.  143 f. 603 So Becker, NZG 2003, 510, 514; Herchen, S.  333; Strehle, S.  143 f. 604  Herchen, S.  335. 605  Ekkenga/Jaspers, in: Ekkenga/Schröer, §  4 Rn.  155. 606  Ekkenga/Jaspers, aaO. 607  Ekkenga/Jaspers, aaO. 608  Hüffer, in: MünchKommAktG, §  255 Rn.  17; K.Schmidt, in: GK-AktG, §  255 Rn.  12. 609  OLG Jena, AG 2007, 31, 35; Hüffer, in: MünchKommAktG, §  255 Rn.  17; K.Schmidt, in: GK-AktG, §  255 Rn.  12. 602 

C. Finanzierungskontrolle

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Die oben vorgestellte Variante der Lektüre des §  255 Abs.  2 S.  1 AktG, die den Fokus auf das Wort „Ausgabebetrag“ richtet, vermag all dies nicht recht zu er­ klären und ist zu eng, weil sie als Bezugspunkt der Angemessenheitsprüfung allein diese Zahl im Verhältnis zum Unternehmenswert wählt. Ist Zweck des §  255 Abs.  2 S.  1 AktG die Sicherung eines bestimmten Finanzierungszieles und sorgen die Kapitalaufbringungsvorschriften nicht dafür, dass die Kapitalerhö­ hung stets nur bei voller Leistung der Einlage eingetragen wird, bedarf es einer adäquaten Ausrichtung der Wertkontrolle. „Unangemessen“ ist der Ausgabebe­ trag nur dann, wenn er angesichts der konkreten Umstände zu einer Verwässe­ rung der Beteiligung der Altaktionäre zu führen droht. 610 Das spricht dafür, sonstige Ansprüche der Gesellschaft gegen die Erwerber berücksichtigen zu dürfen, also auch schuldrechtliche Zuzahlungspflichten, die Investoren im Vor­ feld einer Kapitalerhöhung eingegangen sind.

3.  Anforderungen an die Kapitalaufbringungskontrolle Das Argument, die Kapitalaufbringungskontrolle sei bei schuldrechtlichen Zu­ zahlungen nicht gleichwertig mit derjenigen bei einem gesellschaftsrechtlichen Agio, insbesondere mit Blick auf Sacheinlagen, 611 steht dem nicht entgegen. Ist dies das einzig relevante Bedenken, lässt sich Abhilfe schaffen, indem schuld­ rechtliche Zuzahlungspflichten besonderen Anforderungen unterworfen wer­ den. In Betracht kommen bestimmte inhaltliche Anforderungen an die Ausge­ staltung der Vereinbarungen sowie die Kontrolle der Vereinbarungen durch die Hauptversammlung und das Registergericht. Das wird weiter unten näher un­ tersucht. 612 Zuvor ist zu klären, ob die Besonderheit der Staffelung der schuld­ rechtlichen Zuzahlungspflichten in Wagniskapitalfinanzierungen nicht schon generell die Unzulässigkeit solcher Vereinbarungen begründet.

V.  Das Sonderproblem der Staffelung nach Meilensteinen Im Unterschied zu herkömmlichen schuldrechtlichen Zusatzleistungspflichten sehen Meilensteinvereinbarungen vor, dass die Leistungspflicht abhängig vom Eintritt bestimmter Bedingungen ist, nämlich dem Überschreiten der Meilen­ steine. Wird der maßgebliche Schwellenwert verfehlt, soll dies zur Verweige­ rung noch ausstehender Leistungen berechtigen oder jedenfalls zu einer Verrin­ gerung des Umfanges der Pflichten führen. 613 Daraus folgt zumindest bei erster Betrachtung ein erhebliches Problem: 610 

Im Ergebnis ebenso Mellert, NZG 2003, 1096, 1097. Herchen, S.  319, 321 ff. 612  Unten VI. und VII. 613  Vgl. 1. Teil B. §  4. 611 Eindringlich

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

Zwar darf für die Prüfung der Angemessenheit des Ausgabebetrages im Sinne von §  255 Abs.  2 S.  1 AktG das Bestehen einer schuldrechtlichen Pflicht zur Er­ bringung zusätzlicher Leistungen berücksichtigt werden. Doch steht dies of­ fenbar unter dem Vorbehalt, dass diese Pflicht derjenigen zur Leistung eines korporativen Agios insofern gleichkommt, als dass sie in vollem Umfang in un­ mittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Mindesteinlage zu erfüllen ist. Soll die Staffelung der Zahlungspflichten nun genau dies verhindern, um als Investor die Kontrolle über die Mittelverwendung und die Unternehmensent­ wicklung zu behalten, existiert weder eine enge zeitliche Verknüpfung mit der Erbringung der Mindesteinlage noch eine unbedingte Leistungspflicht. 614 Im Zusammenhang mit dem bedingten Kapital erkennt die herrschende Mei­ nung eine verzögerte Angemessenheitsprüfung an. Doch folgt hieraus kein Ar­ gument für die Zulässigkeit gestaffelter Finanzierungen (1.). Diese lässt sich je­ doch begründen, indem eine teleologische Betrachtung unter Heranziehung des Schutzzwecks von §  255 Abs.  2 S.  1 AktG angestellt wird (2.).

1.  Keine Vergleichbarkeit mit bedingtem Kapital Für die Festsetzung des Ausgabebetrages nach §  193 Abs.  2 Nr.  3 AktG genügt nach herrschender Meinung die Angabe eines Mindestausgabebetrages. Im Üb­ rigen darf der Vorstand ermächtigt werden, den endgültigen Ausgabebetrag festzulegen. 615 Damit kann eine erhebliche zeitliche Lücke zwischen dem Hauptversammlungsbeschluss und der Konkretisierung des angemessenen Ausgabebetrages liegen. Diese zeitliche Streckung ist jedoch nicht vergleichbar mit derjenigen bei ei­ ner gestaffelten Finanzierung nach Maßgabe einer Meilensteinvereinbarung. Bei einem bedingten Kapital findet auch die Aktienausgabe erst deutlich nach dem Hauptversammlungsbeschluss statt. Die Angemessenheitsprüfung wird also nicht erst nach Anteilsausgabe durchgeführt, sondern in engem zeitlichen Zusammenhang mit dieser. Investoren, die sich auf eine Meilensteinvereinba­ rung zu stützen vermögen, halten jedoch bereits sämtliche Anteile und möchten nachträglich das Ergebnis der bereits durchgeführten Angemessenheitsprüfung zu eigenen Gunsten korrigieren.

2.  Keine Verwässerung der Gründerbeteiligung Scheidet ein Vergleich zum bedingten Kapital aus, bleibt allein eine teleologi­ sche Betrachtung gestaffelter Zuzahlungspflichten, die den Zweck des §  255 614 

Kritisch daher Groß-Bölting, S.  224 f. 181, 144, 151 Tz 12 ff.; aus der Literatur mit weiteren Nachweisen Fuchs, in: MünchKommAktG, §  193 Rn.  12 ff. 615  BGHZ

C. Finanzierungskontrolle

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Abs.  2 S.  1 AktG zum Maßstab erhebt. Dieser ist darauf gerichtet, die Aktionä­ re, deren Bezugsrecht ausgeschlossen ist, vor einer Verwässerung ihrer Beteili­ gung zu schützen, indem die Neugesellschafter daran gehindert werden, ihre Aktien unter dem „wahren“ Wert zu erwerben. Dafür wiederum wird als Vor­ bereitung der Kapitalmaßnahme eine Unternehmensbewertung durchgeführt, die wesentlich auf einer Prognose über zukünftige Zahlungsflüsse beruht. Dies vorausgeschickt, lassen sich zwei Fälle unterscheiden, die für die Unter­ suchung der Zulässigkeit von Meilensteinabreden wichtig sind: Im ersten er­ reicht das Unternehmen sämtliche Schwellenwerte und die Investoren erbrin­ gen alle Leistungen, die der Vertrag vorsieht (hierzu a]). Im zweiten verweigern die Kapitalgeber die weitere Mittelvergabe, weil ein Meilenstein verpasst wurde (unten b]). a)  Erreichen sämtlicher Meilensteine Entwickelt sich das Unternehmen wie geplant, werden sämtliche Meilensteine erreicht und die Investoren zahlen jeden Teilbetrag. In der Summe leisten sie damit in einem Umfang, der dem entspricht, als hätten sie bei einem korporati­ onsrechtlichen Agio bereits vor Anmeldung der Kapitalerhöhung voll erfüllt. Mehr zu leisten sind sie nicht verpflichtet. Die Kapitalgeber haben dann insge­ samt in angemessenem Umfang geleistet, so dass es nicht zu einer Benachteili­ gung der übrigen Gesellschafter kommt. b)  Verfehlen eines Meilensteines Schwieriger zu lösen ist das Problem, wenn ein Meilenstein verfehlt wird und die Investoren aus diesem Grund – nach dem Vertragstext zu Recht – die Leis­ tung einer weiteren Zuzahlung verweigern. Insoweit ist es hilfreich, sich zu­ nächst vor Augen zu führen, dass die Kapitalgeber selbst in diesem Fall nicht „nichts“ gezahlt haben. Denn eingefordert wurde bereits bei Ausgabe der An­ teile der geringste Ausgabebetrag. Zudem haben die Investoren, sofern es sich bei dem verfehlten Meilenstein um einen der späteren handelt, auf Grundlage der Ursprungsbewertung der Anteile schon Zusatzleistungen erbracht. aa)  Ausbleiben der Zuzahlung ab Verfehlen eines Meilensteins Ein Vertreter der Gründer mag an dieser Stelle einwenden, das ändere nichts am oben beschriebenen Problem des Ausbleibens der Zusatzleistungen ab dem Ver­ fehlen eines Schwellenwertes. Da §  255 Abs.  2 S.  1 AktG auf die Ausgabe der Anteile abstelle, wie schon der Wortlaut der Norm zeige, sei der Zeitraum da­ nach für die Beurteilung der Angemessenheit auszublenden. Hier handele es sich um das Risiko, das jeder Investor zu tragen habe. Unternehmensbewertun­ gen trügen stets die Unsicherheit in sich, im Nachhinein als zu optimistisch zu

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

gelten. Das sei bloß die Kehrseite der Gefahr für die Altgesellschafter, ebenfalls im Nachhinein festzustellen, dass die Bewertung zu pessimistisch war und die Neuaktionäre von der retrospektiven Warte aus doch „zu wenig“ gezahlt haben. Nachträgliche Modifikationen der Angemessenheitsprüfung zuzulassen, führe zu Rechtsunsicherheit und sei angesichts der immer vorhandenen Ungenauig­ keit von Unternehmens- und Anteilsbewertungen problematisch. Wer in dieser Weise argumentiert, vernachlässigt allerdings ein entscheidendes Detail: bb)  Schutz vor Fehlbewertungen Gerade bei jungen Unternehmen ist die Durchführung einer Unternehmensbe­ wertung – und damit die Angemessenheitsprüfung – wegen der schlechten Daten­grundlage mit noch mehr Unsicherheiten behaftet, als es jede Unterneh­ mensbewertung ohnehin schon ist. Die Meilensteine sind für die Unterneh­ mens­entwicklung wichtige Stufen, die der Bewertung zugrunde gelegt werden müssen. Bestünde von Anfang an die Vermutung, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit etwa die Entwicklung eines Prototyps scheitert, müsste der Unternehmenswert bei Null liegen. Zahlungsströme in der Zukunft wären in diesem Fall mangels vermarktbaren Produkts nicht zu erwarten. Sollte Grund zur Annahme bestehen, dass das Erreichen bestimmter Schwellenwerte inner­ halb bestimmter Zeitfenster unwahrscheinlich ist, sänke der Unternehmens­ wert, weil zu berücksichtigende Zahlungen erst später stattfänden. Die Abzin­ sung auf den Barwert wirkte stärker. Bei reiferen Unternehmen spielt das Überschreiten bestimmter Schwellen­ werte in kurzer Zeit eine deutlich geringere Rolle. Denn hier können bereits feste Strukturen, vermarktungsfähige Produkte und die Stellung im Wettbe­ werb einschließlich der Umsätze mit den bisher vorhandenen Produkten als Ba­ sis herangezogen werden. In dieser Situation ist das Risiko, dass die Anteilser­ werber „überzahlen“, weniger groß.616 Es gibt also zumindest ein legitimes In­ teresse der Anteilserwerber, das heißt bei Wagniskapitalfinanzierungen: der Investoren, daran, der Gefahr der sich ex post herausstellenden Fehlbewertung begegnen zu können. c)  Geringere Investitionssummen bei Unzulässigkeit Wären Staffelungen nach Meilensteinen unzulässig, führte dies angesichts der beschriebenen Schwierigkeiten nicht dazu, dass sämtliche Investitionen ein 616  Selbstverständlich ist es nicht ausgeschlossen, wenn die Unternehmensbewertung etwa auf die Entwicklung eines wichtigen neuen Produkts Rücksicht genommen hat, das für die Unternehmensentwicklung von besonderer Bedeutung ist (Beispiel: Entwicklung eines neuen Fahrzeugtyps, der das bisherige Erfolgsmodell des Kraftfahrzeugherstellers ablösen soll). Dennoch verbleibt ein wesentlicher Unterschied zur Wagniskapitalfinanzierung: Hier soll überhaupt erst ein Produkt entwickelt werden.

C. Finanzierungskontrolle

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korporatives Agio oder zumindest eine unbedingte schuldrechtliche Leistungs­ pflicht einschlössen. Vielmehr würden die Kapitalgeber, um ihr Risiko in über­ schaubarem Umfang zu halten, die Investitionssummen verkleinern und die Vergabe weiterer Mittel von mehreren Kapitalmaßnahmen abhängig machen. Anstelle der schuldrechtlich geregelten Leistungen nach Meilensteinerreichung müsste bei Erreichen jedes Markers eine Kapitalerhöhung durchgeführt wer­ den. Auf diese Weise ließe sich dem Problem der „Überzahlung“ begegnen: Statt der Aufteilung der geplanten Investition in einen sofort zu leistenden Teil (be­ zogen auf den geringsten Ausgabebetrag) und einen nach und nach zuzufüh­ renden (Zuzahlungen), vergäben die Kapitalgeber von Kapitalerhöhung zu Ka­ pitalerhöhung einen kleineren Gesamtbetrag, der auf dem jeweils für die kon­ krete Kapitalmaßnahme „angemessenen“ Ausgabebetrag beruhte. Und eben dieser angemessene Ausgabebetrag fiele geringer aus, würde zuvor ein Meilen­ stein verfehlt. Die Investoren würde entweder einen deutlich geringeren Betrag pro Anteil bezahlen als in der vorangegangenen Runde oder aber von der Fort­ führung der Finanzierung ganz absehen. Dieser Vergleich belegt die Äquivalenz zwischen der herkömmlichen Metho­ de gestaffelter Finanzierung unter Zuhilfenahme schuldrechtlich begründeter Pflichten zu zusätzlichen Leistungen und einem Vorgehen, das bei jedem Mei­ lenstein eine Kapitalerhöhung erforderlich machte. Die vom Bezugsrecht ausge­ schlossenen Aktionäre werden also nicht benachteiligt, wenn die Praxis das herkömmliche Modell der Meilensteinfinanzierung beibehält. Im Gegenteil: d)  Staffelung als Finanzierungssicherung Die Staffelung schuldrechtlicher Zuzahlungen garantiert im Ergebnis sogar eine größere Finanzierungssicherheit. Werden die Meilensteine erreicht, ist die Zuführung weiterer Mittel sicher, unterstellt, jede dieser Bestimmungen sei als Anspruch im Sinne von §  194 Abs.  1 BGB auszugestalten. 617 Ceteris paribus können die Kapitalgeber die Leistung dann nicht verweigern. Im Kapitalerhöhungsmodell wäre dies nicht der Fall, es gäbe in jedem Fall Ent­ scheidungsfreiheit. Dies böte ein enormes Erpressungspotential zu Gunsten der Investoren.

VI.  Anforderungen an den Schuldvertrag Nachdem die Zulässigkeit gestaffelter schuldrechtlicher Zuzahlungspflichten dem Grunde nach geklärt ist, bedarf es einer Analyse der Anforderungen an die konkrete Gestaltung dieser Vereinbarungen. Konkret betrifft das zum einen 617  Zu diesen inhaltlichen Anforderungen an die Ausgestaltung von meilensteinbasierten Zuzahlungspflichten als Anspruch unten VI.2.

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

die Frage, ob sämtliche Gesellschafter an der Abrede beteiligt sein müssen, um die Minderheit zu schützen (1.), zum anderen das Problem der Sicherung des Mittelzuflusses (2.).

1.  Keine Notwendigkeit allseitiger Vereinbarungen bei Bezugsrechtsausschluss Soll die Angemessenheit des Ausgabebetrages von Aktien im Sinne von §  255 Abs.  2 S.  1 AktG damit begründet werden, dass schuldrechtliche Zuzahlungs­ pflichten bestehen, müssen diese ausreichend sicher sein. 618 Ein Vertrag, der al­ lein zwischen Gesellschaft und Investor besteht, kann ohne Zustimmung der übrigen Gesellschafter unter schuldrechtlichen Gesichtspunkten ohne Weiteres aufgehoben werden. 619 Um dieser Gefahr zu begegnen, fordert ein Teil der Lite­ ratur den allseitigen Vertragsschluss, also die Beteiligung sämtlicher Altgesell­ schafter. 620 Um diese Forderung zu bewerten, ist zunächst das Argument des Minderheitenschutzes auszuleuchten (a]), um es dann mittels eines Vergleich zum Minderheitenschutz beim korporativen Agio auf seine Tragfähigkeit hin zu überprüfen (b]). a)  Minderheitenschutz als Argument Dass die Aktionäre es mit ihrer Zustimmung zur Kapitalerhöhung in der Hand haben, ob sie darauf vertrauen wollen, dass der Vorstand die Vereinbarung im Namen der Gesellschaft nicht wieder aufhebt, spricht nicht gegen die Notwen­ digkeit des Zwanges zur Beteiligung der Altaktionäre. 621 Der Zweck des §  255 Abs.  2 S.  1 AktG besteht gerade darin, die Minderheit vor der Verwässerung ihrer Beteiligung zu schützen. Da Kapitalerhöhung und Bezugsrechtsaus­ schluss keines einstimmigen Beschlusses bedürfen, stehen die Minderheitsge­ sellschafter möglicherweise ohne Handlungsoption da, sollte es zu dem hier beschriebenen Problem kommen. Sie haben es gerade nicht „in der Hand“, auf pflichtgemäßes Vorstandsagieren zu vertrauen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Bezugsrecht nicht ausgeschlossen ist. Hier hat die Hauptversammlung – und damit die Mehrheit – im Rahmen des §  182 Abs.  3 AktG Entscheidungsfreiheit, den Ausgabebetrag festzusetzen. In­

618  Oben

IV.2. Hermanns, ZIP 2003, 788, 791; Priester, FS Röhricht, S.  467, 472 f.; Strehle, S.  143. 620  Hermanns, ZIP 2003, 788, 791; Strehle, S.   144 mit Fußnote 499. Unklar Priester, FS Röhricht, S.  467, 472 f., der zunächst zustimmt, dass die Vereinbarungen wie von Hermanns vorgeschlagen „davon abhängig zu machen“ seien, dass sich sämtliche Altaktionäre beteiligen, dann aber ausführt, „[u]nmittelbare Aktionärsvereinbarungen“ erschienen „empfehlens­ wert“, sie seien jedoch nicht „als zwingend […] anzusehen.“ 621  Anders offenbar Priester, FS Röhricht, S.  467, 473. 619 

C. Finanzierungskontrolle

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soweit kommen die Schutzzwecküberlegungen, die im Zusammenhang mit §  255 Abs.  2 S.  1 AktG gelten, nicht zum Tragen. 622 Praktiker mögen einwenden, diese Lösung sei in Gesellschaften mit einer größeren Anzahl von Mitgliedern nur schwierig, bei börsennotierten Gesell­ schaften überhaupt nicht umsetzbar. Setze sich die hier dargestellte Ansicht durch, sei die inzwischen gängige Gestaltungspraxis623 zum Scheitern verur­ teilt. Allerdings wird so vom gewünschten Ergebnis auf die Rechtslage ge­ schlossen. Das Gesetz räumt dem Minderheitenschutz in §  255 Abs.  2 S.  1 AktG Vorrang ein. Inzwischen allgemeiner Ansicht nach müssen die Angemessen­ heitsvorgaben bereits im Rahmen der Festsetzung des Ausgabebetrages berück­ sichtigt werden, wenn es sich um eine bezugsrechtsfreie Kapitalerhöhung han­ delt. 624 Die Gewährung einer anderen Gestaltungsoption als die Festsetzung eines korporativen Agios darf nicht dazu führen, dieses Schutzsystem zu ge­ fährden. b)  Vergleich mit dem Minderheitenschutz bei korporativem Agio Mag dies auf den ersten Blick für den Zwang zum allseitigen Abschluss der Zu­ zahlungsvereinbarungen sprechen, folgt bei näherer Betrachtung ein anderes Ergebnis aus dem Vergleich mit dem korporativen Agio. Die von der Literatur für denkbar gehaltene Vertragsaufhebung setzt praktisch voraus, dass der Vor­ stand der Gesellschaft mitwirkt. Ohne seine Zustimmung bleiben die Investo­ renpflichten bestehen. Ob die Investoren eine angemessene Leistung für die von ihnen erworbenen Anteile erbringen, liegt in der Verantwortung des Vorstands. Dieser hat die Ausgabebedingungen festzulegen und zu kontrollieren. Das ist nun genau die Lage, in der sich der Vorstand befindet, sofern die Hauptversammlung keine besonderen Vorgaben für die Festlegung des Ausga­ bebetrages nach §  182 Abs.  3 AktG macht. Bei einer bezugsrechtsfreien Kapital­ erhöhung ist es Aufgabe des Vorstands, den „angemessenen Ausgabebetrag“ – gegebenenfalls mit Agio – festzulegen. 625 Das Gesetz hält insofern keine prä­ ventiv wirkenden Kontrollinstrumente für die dem Erhöhungsbeschluss nicht zustimmende Minderheit bereit. Sie ist allein auf die Anfechtung nach §  255 Abs.  2 S.  1 AktG verwiesen.626 Handelt der Vorstand rechtswidrig, indem er einen zu niedrigen (unangemessenen) Ausgabebetrag bestimmt, trifft ihn die

622 

Vgl. IV.2. Wandel der Gestaltungspraxis weg vom gesellschaftsrechtlichen Agio hin zu schuldrechtlichen Vereinbarungen über zusätzliche Leistungen von Dryander/Niggemann, in: Hölters, §  182 Rn.  58. 624  Ekkenga/Jaspers, in: Ekkenga/Schröer, §  4 Rn.  154; Lutter, in: KK-AktG, §  182 Rn.  26 f.; Peifer, in: MünchKommAktG, §  182 Rn.  47; Wiedemann, in: GK-AktG, §  182 Rn.  68. 625  Lutter, in: KK-AktG, §  182 Rn.  26; Wiedemann, in: GK-AktG, §  182 Rn.  68. 626 Vgl. Lutter, in: KK-AktG, §  182 Rn.  26 f.; Wiedemann, in: GK-AktG, §  182 Rn.  68. 623 Zum

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

Pflicht zum Schadensersatz gegenüber der Gesellschaft nach §  93 Abs.  2 S.  1 AktG. 627 Wer angesichts dieses Regelungshintergrundes den allseitigen Abschluss von Verträgen über schuldrechtliche Zuzahlungspflichten verlangt, möchte im Er­ gebnis einen stärkeren Schutz zu Gunsten der Minderheit vorsehen, als ihn das Aktiengesetz selbst mit Blick auf das korporative Agio gewährt. Sollte der Vor­ stand an der Aufhebung der Abrede über die Zuzahlungspflichten mitwirken, ohne dies auf anderem Wege auszugleichen, verstößt er gegen seine eben be­ schriebenen Pflichten, für einen angemessenen Ausgabebetrag zu sorgen. In der Sache besteht kein Unterschied, ob der Ausgabebetrag zu niedrig ist, weil ein korporatives Agio zu gering bemessen wurde oder weil schuldrechtliche Zu­ zahlungspflichten entfallen. Die Ergebnisse gleichen sich aus Sicht der Minder­ heit. Dann aber besteht kein Anlass, vom aktiengesetzlichen Regelungsmodell der nachgelagerten Kontrolle abzuweichen. Weiterhin bleibt zu bedenken, dass nicht schon die abstrakte Beschreibung einer Gefahr – Vertragsaufhebung – dazu zwingt, die Legitimation einer gängi­ gen Praxis anzuzweifeln, die bislang nicht zu einer Masse von Missbrauchsfäl­ len geführt hat. Im Gegenteil: Die Marktteilnehmer erachten schuldrechtliche Vereinbarungen über Zuzahlungen vielfach für sinnvoll und wickeln sie ord­ nungsgemäß ab. Wieso dann jedenfalls für Gesellschaften mit einem größeren Mitgliederkreis, bei dem der Abschluss allseitiger Verträge schwierig bis un­ möglich wird, ein faktisches Verbot solcher Abreden eingeführt werden sollte, leuchtet nicht ein. Anzeichen für einen neuerlichen „Gründerkrach“ wegen „Agiotage“ bestehen jedenfalls nicht. 628

2.  Sicherung des Mittelzuflusses Die Kapitalgeber haben einen Anreiz, die Voraussetzungen ihrer Leistungs­ pflichten möglichst „weich“ zu gestalten. Um die Kontrolle über ihre Zuzah­ lungspflichten zu sichern, ist es für sie sinnvoll, sich die Entscheidung über das Erreichen der Meilensteine vorzubehalten. In den USA hängt die weitere Kapi­ talvergabe in der Regel von der Zustimmung der Investoren ab, etwa indem bestimmte Mehrheitserfordernisse für die Abstimmung über das Erreichen der maßgeblichen Schwelle festgelegt werden. 629 Ein Rechtsstreit mit den Kapital­ gebern, der etwa am Vorwurf der treuwidrigen Verweigerung der weiteren Zu­ zahlung ansetzt, hat angesichts der dünnen Kapitaldecke der Gesellschaft we­ nig Aussicht auf Erfolg.630 Darüber hinaus führt selbst ein erfolgreich zu Guns­ ten der Gesellschaft zu Ende gebrachter Prozess im Ergebnis nicht weiter. Neue 627 Hierzu

Lutter, in: KK-AktG, §  182 Rn.  27. Zur Agiotage bereits oben I.1.b). 629  1. Teil B. §  4 II.2. 630  Oben 1. Teil B. §  4 II.2. 628 

C. Finanzierungskontrolle

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Kapitalgeber werden sich einer Gesellschaft eher zurückhaltend nähern, deren Gründer dafür bekannt sind, gegenüber den Investoren eine Konflikthaltung einzunehmen. Sollen unter diesen Umständen schuldrechtliche Zuzahlungsvereinbarungen in die Angemessenheitsprüfung nach §  255 Abs.  2 S.  1 AktG einbezogen wer­ den, setzt dies voraus, dass die Leistungsvoraussetzungen inhaltlich derart prä­ zise und anhand objektiver Maßstäbe nachvollziehbar beschrieben sind, dass Dritte das Erreichen des Meilensteins beurteilen können. Prüfstein ist hier, ob externe Gutachter in der Lage sind, allein anhand eines Soll-Ist-Vergleichs der Vereinbarung mit dem tatsächlichen Entwicklungsstand des Unternehmens zu entscheiden. Das schließt etwa Mehrheitsregelungen aus. 631

VII.  Prozedurale Anforderungen Neben den inhaltlichen Anforderungen an die Gestaltung von Meilensteinver­ einbarungen sind prozedurale Sicherungen des Mittelzuflusses notwendig. Das erfordert vor allem die Bekanntmachung der Vereinbarung in der Hauptver­ sammlung (1.). Eine Kontrolle durch das Handelsregister ist dagegen grund­ sätzlich unzulässig (2.).

1.  Beteiligung der Hauptversammlung Steht den Aktionären das Recht zu, den Beschluss über die Kapitalerhöhung gemäß §  255 Abs.  2 S.  1 AktG wegen Unangemessenheit anzufechten, müssen sie in die Lage versetzt werden, die Grundlagen der Beurteilung zu prüfen. Hierfür ist es notwendig, die Vereinbarungen in analoger Anwendung von §  124 Abs.  2 S.  2 AktG bekanntzumachen. 632 Zwar besteht grundsätzlich keine Pflicht, Preisberechnungsverfahren im Hauptversammlungsbeschluss festzulegen. 633 Doch kann hieraus nicht gefol­ gert werden, diese Freiheit impliziere, schuldrechtliche Vereinbarungen geheim halten zu dürfen. Wer den hier vorgeschlagenen Weg ablehnt, bürdet den ohne­ hin gefährdeten Minderheitsaktionären ein erhebliches Prozessrisiko auf: Werden die Zusatzvereinbarungen wenigstens ihrem wesentlichen Inhalt nach nicht schon im Beschluss offenbart, müssen die Minderheitsgesellschafter auf Grundlage einer Berechnung des Ausgabepreises Anfechtungsklage erhe­ ben, die auf die schuldrechtlichen Abrede keine Rücksicht nimmt. Wendet nun der die Gesellschaft vertretende Vorstand im Prozess ein, der Betrag sei ange­ 631 

Vgl. dazu das Beispiel im 1. Teil B. §  4 II.2. Priester, FS Röhricht, S.  467, 472; ebenso Groß-Bölting, S.  225. 633  Zu den dann maßgeblichen Grenzen des Vorstandsermessens Ekkenga, in: Ekkenga/ Schröer, §  4 Rn.  236; Hüffer/Koch, §  182 Rn.  25. 632 

658

4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

messen und legt erst in diesem Stadium die Verträge vor, unterliegen die Kläger mangels Begründetheit ihrer Klage und haben die Prozesskosten zu tragen. Vielfach wird die Vorlage der Vereinbarung in der Praxis faktisch ohnehin Voraussetzung dafür sein, überhaupt eine Hauptversammlungsmehrheit für die Kapitalmaßnahme herbeizuführen, weil die Altaktionäre nicht in ausreichender Zahl einen Beschluss fassen werden, der zur Ausgabe von Aktien für einen sehr niedrigen Betrag führt. 634

2. Registerkontrolle Das Bayerische Oberste Landesgericht entschied, jedenfalls dann, wenn die Ge­ sellschaft einen eigenen Anspruch auf Leistung aus einer Abrede über schuld­ recht­liche Zuzahlungen ableiten könne, müsse die Vereinbarung dem Register­ gericht zur Prüfung vorgelegt werden. 635 Das Registergericht habe zu untersu­ chen, ob diese Abreden „als gewollte Einlagen zu betrachten“ seien.636 a)  Prüfungspflicht des Registerrichters Ein solches Verlangen der Vorlage jeder Zuzahlungsvereinbarung ist von den Prüfungskompetenzen des Registergerichts trotz des in §  26 FamFG637 veran­ kerten Amtsermittlungsgrundsatzes grundsätzlich nicht gedeckt. 638 Zwar hat das Handelsregister auch eine Kontrollfunktion. 639 Doch führt dies nicht dazu, jeden Hauptversammlungsbeschluss auf Anfechtbarkeit hin überprüfen und gegebenenfalls die Eintragung des Beschlusses verweigern zu dürfen.640 Nach herrschender Meinung ist die materielle Kontrolle von Hauptversammlungsbe­ schlüssen unzulässig, sofern lediglich Individualinteressen der gegenwärtigen Aktionäre betroffen sind. 641 Diese verfügen über einen ausreichenden Anreiz, ihre individuellen Anfechtungsrechte wahrzunehmen. 642 634 

Priester, FS Röhricht, S.  467, 472. BayObLG, ZIP 2002, 1484, 1485 f. 636  BayObLG, ZIP 2002, 1484, 1486. 637  Ehemals §  12 FGG. 638  Ebenso etwa Groß-Bölting, S.  230 f.; Hermanns, ZIP 2003, 788, 791; Priester, FS Röh­ richt, S.  467, 474 f.; Servatius, in: Spindler/Stilz AktG §  188 Rn 28; Strehle, S.  206 ff. A.A. Dittert, S.  139; Herchen, S.  362 ff. 639 Grundlegend im Zusammenhang mit der Eintragung anfechtbarer Hauptversamm­ lungsbeschlüsse Lutter, NJW 1969, 1873, 1875 f. 640  Lutter, NJW 1969, 1873, 1876 ff. Auch die weitere Ansicht gewährt Kontrollbefugnis nur bei evidenten Rechtsmängeln, s. Wiedemann, in: GK-AktG, §  181 Rn.  25. 641 Grundlegend Lutter, NJW 1969, 1873, 1878; ders., in: KK-AktG, §  184 Rn.  15. Ebenso etwa Servatius, in: Spindler/Stilz, §  184 Rn.  21; Wiedemann, in: GK-AktG, §  181 Rn.  25 (aller­ dings weitergehend bei offensichtlichen Rechtsmängeln). Für ein „ausnahmsweise“ bestehen­ des Recht des Handelsrichters, sich schuldrechtliche Vereinbarungen über Zusatzleistungen vorlegen zu lassen, Hüffer/Koch, §  36a Rn.  2a. 642  Zum Anreizproblem Lutter, NJW 1969, 1873, 1878. 635 

C. Finanzierungskontrolle

659

Im Zusammenhang mit schuldrechtlich vereinbarten Zusatzleistungen geht es allein um den Schutz der gegenwärtigen Gesellschafter. 643 Obwohl nach herrschender Ansicht bei einem Bezugsrechtsausschluss bereits eine teleologi­ sche Reduktion von §  182 Abs.  3 AktG dafür spricht, einen angemessenen Aus­ gabebetrag vorsehen zu müssen, sieht das Aktiengesetz zu Gunsten der betrof­ fenen Minderheitsaktionäre bei Verletzung dieser Vorgaben lediglich das An­ fechtungsrecht gemäß §   255 Abs.   2 S.   1 AktG vor. 644 Es widerspräche der gesetzlichen Regelungssystematik, eine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle durch den Registerrichter zu etablieren. b)  Prüfungsrecht des Registerrichters Ein Prüfungsrecht steht ihm allenfalls im wenig wahrscheinlichen Fall zu, dass er über konkrete Anhaltspunkte verfügt, als Ziel der Vereinbarung ein korpo­ ratives Agio zu vermuten. Insoweit gilt der allgemeine Grundsatz, wonach of­ fenkundige, also nicht erst aufgrund einer Ermittlung aufgedeckte Mängel zum Anlass weiterer Untersuchungen genommen werden dürfen. 645 Diesbezüglich geht der in der Literatur pauschal gegen die zitierte Entscheidung des Bayeri­ schen Obersten Landesgerichts vorgetragene Einwand, die Prüfungskompe­ tenz des Handelsgerichts erstrecke sich nicht auf außerhalb der Kapitalerhö­ hung und der Hauptversammlung getroffene Vereinbarungen, weil diese schul­ drechtlicher Natur seien, 646 am Sachproblem vorbei:647 Wollten die die Gesellschafter eine korporativ wirksame Regelung außerhalb von Satzung und Hauptversammlung treffen, fehlte ihnen hierzu die Rege­ lungskompetenz und die Vereinbarungen wären nichtig. 648 Das zöge den dann offensichtlichen Mangel nach sich, dass der im Hauptversammlungsbeschluss festgesetzte Ausgabebetrag nicht den gesetzlichen Vorgaben entspräche. Das mag zugegebenermaßen ein selten vorkommendes Ereignis sein. Ob es ausge­ schlossen ist, weil die Gesellschafter „niemals“ ein gesellschaftsrechtliches Agio zu vereinbaren beabsichtigten,649 darf indes füglich bezweifelt werden. 650 643 

Oben I.

644  Insofern

wenig überzeugend Dittert, S.  139, der die Vorlagepflicht pauschal damit be­ gründet, dies erfordere das „Kapitalschutzsystem“. Zu dieser gesetzlichen Systematik Wiedemann, in: GK-AktG, §  182 Rn.  68. Zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen Lutter, in: KK-AktG, §  182 Rn.  27. 645  S.  Peifer, in: MünchKommAktG, §  182 Rn.  23. 646 Z.B. Gerber, MittBayNot 2002, 305, 306; Schorling/Vogel, AG 2003, 86, 91; Wagner, DB 2004, 293, 295. 647 Ähnlich Strehle, S.  210 f. 648  S.  zur Dogmatik bereits oben 2. Teil A. §  1 II. 649 So Strehle, S.  213. 650  Vgl. etwa die Hinweise auf „erhebliche Rechtsunsicherheit“ hinsichtlich der Abgren­ zung bei Heckschen, DStR 2001, 1437, 1444 (zur Gesellschaft mit beschränkter Haftung); Wagner, DB 2004, 293, 295, geht offenbar davon aus, es gebe in der Praxis Gestaltungen, nach denen Erhöhungsbeschluss und Vereinbarung ein einheitliches Geschäft darstellen.

660

4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

Dass die Gesellschaft einen eigenen Anspruch auf die versprochene Zusatz­ leistung hat, genügt jedoch nicht für die Annahme von Offenkundigkeit. Häu­ fig gibt es einen solchen Anspruch schon deshalb, um die Abwicklung der schuldrechtlichen Vereinbarungen zu vereinfachen. Besteht ein Wahlrecht zwi­ schen korporativem Agio und schuldrechtlichen Vereinbarungen, 651 kann nicht immer dann, wenn die vertragliche Abrede zu Gunsten der Gesellschaft aus­ fällt, eine materielle Kontrolle durch den Handelsrichter die Folge sein. Dies ließe sich mit der Grundentscheidung für den Rechtsschutz nach §  255 Abs.  2 S.  1 AktG nicht übereinbringen.

§  2  Zulässigkeit gestaffelter Zuzahlungspflichten in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung I.  Zuzahlungspflichten in der Satzung Anders als in der Aktiengesellschaft erlauben die §§  26 ff. GmbHG die Veranke­ rung von Zahlungspflichten der Gesellschafter über ihre Einlageleistung hinaus in Form sogenannter Nachschusspflichten. Satzungsmäßig verankerte Nach­ schusspflichten richten sich auf Geldleistungen. 652 Das Gesetz lässt es zu, die Einzahlungspflicht an bestimmte Bedingungen zu knüpfen.653 Für die Entste­ hung der Nachschusspflicht ist zusätzlich ein Gesellschafterbeschluss notwen­ dig. 654 Dessen Zustandekommen bedarf in der Wagniskapitalfinanzierung wie­ derum einer entsprechenden schuldrechtlichen Stimmbindung. Über die Möglichkeit hinaus, in der Satzung Regelungen zu Nachschuss­ pflichten vorzusehen, kommt in Betracht, Meilensteinbestimmungen als Ne­ benleistungspflichten im Sinne von §  3 Abs.  2 GmbHG zu begründen.655 Für solche „andere Verpflichtungen“ können die Gesellschafter nach Belieben spe­ zielle Voraussetzungen in der Satzung verankern.656 Notwendig ist allein, die Leistungspflicht hinsichtlich Umfang und zeitlicher Entstehung aus Sicht der Betroffenen bestimmbar auszugestalten. 657

651  Das auch vom Bayerischen Obersten Landesgericht keineswegs abgestritten wird, vgl. ZIP 2002, 1484, 1486. 652  Kuntz, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, §  26 Rn.  2. 653  Kuntz, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, §  26 Rn.  5; Müller, in: GK-GmbHG, §  26 Rn.  35. 654  Kuntz, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, §  26 Rn.  6; Müller, in: GK-GmbHG, §  26 Rn.  39. 655  Möller, S.  85. 656  Simon, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, §  3 Rn.  49 f.; Ulmer/Löbbe, in: GK-GmbHG, §  3 Rn.  86. 657  BGH NJW-RR 1989, 228, 229; Simon, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, §  3 Rn.  49; Ulmer/Löbbe, in: GK-GmbHG, §  3 Rn.  84.

C. Finanzierungskontrolle

661

II.  Schuldrechtliche Zuzahlungspflichten Die weit überwiegende Ansicht hält schuldrechtliche Zuzahlungspflichten in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung für unproblematisch. 658 Es gebe kei­ ne §  36a Abs.  1 AktG vergleichbare Norm, zudem falle ein Agio nicht unter §  19 Abs.  2 GmbHG, so dass der Kapitalaufbringungsschutz weniger streng sei. 659 Entgegengehalten wird dem, dies stünde im Konflikt zu den Grundsätzen ord­ nungsgemäßer Unternehmensfinanzierung (dazu 1.) und vernachlässige die In­ formationsfunktion der Satzung (unten 2.). Wie schon bei der Aktiengesell­ schaft sind weiterhin die Bedeutung von §  255 Abs.  2 S.  1 AktG (analog), die Notwendigkeit allseitiger Vereinbarungen und die Kontrolle durch das Regis­ tergericht zu diskutieren (3., 4. und 5.).

1.  Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensfinanzierung Eine Literaturmeinung vertritt, die „Ersetzung von Einlagen durch“ schuld­ rechtlich begründete Zuzahlungen, die nicht in gleichem Maße der Kapitalauf­ bringungskontrolle unterlägen, stünden in Konflikt mit den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Unternehmensfinanzierung. 660 Um die bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung „immer wieder“ zu beobachtende Unterkapitalisie­ rung einzudämmen, sollten sämtliche von den Gesellschaftern zur Verfügung gestellten Beiträge abgesichert werden. 661 Das Eigenkapitalersatzrecht zeige, dass der Wahlfreiheit der Gesellschafter hinsichtlich der Gesellschaftsfinanzie­ rung „objektive Grenzen“ gesetzt seien. 662 Dies vermag bereits deshalb nicht zu überzeugen, weil es bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung genauso wenig gesetzliche Vorgaben zur angemesse­ nen finanziellen Ausstattung gibt wie bei der Aktiengesellschaft.663 Die Recht­ sprechung zum Eigenkapitalersatzrecht bezog sich auf die Finanzierung in der Krise und betraf Situationen, in denen eine Unterfinanzierung bereits offen­ kundig war.664 Abgesehen davon, dass diese Regeln inzwischen abgeschafft wurden: Da es über die Mindestkapitalvorgaben hinaus gerade keinen Zwang gibt, im Interesse der Gläubiger zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen, kann nicht jede Ka­ pitalmaßnahme als „Krise“ gewertet werden, in der ein ordnungsgemäß han­ 658 

BGH ZIP 2007, 2416, 2417; Priester, FS Lutter, S.  617, 633. BGH ZIP 2007, 2416, 2417; Priester, FS Lutter, S.  617, 633. 660  Herchen, S.  345. 661  Herchen, S.  345. 662  Herchen, S.  345 f., bezogen auf das zur Zeit der Veröffentlichung noch geltende Recht. 663  Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, Einl. Rn.  18. Vgl. auch BGHZ 176, 204, zur (grundsätzlich ausgeschlossenen) Haftung wegen Unterkapitalisierung. 664 Überblick zum alten Recht bei Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, Vor §   64 Rn.  121. 659 

662

4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

delnder Kaufmann der Gesellschaft weiteres Eigenkapital zugeführt hätte. Das Problem der Unterfinanzierung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung wurde im Rahmen der Vorbereitung des Gesetzes zur Modernisierung des ­GmbH-Rechts665 ausführlich diskutiert, ohne dass die Anforderungen an die Kapitalausstattung verschärft worden wären. 666

2.  Informationsfunktion der Satzung Gegen die Zulässigkeit schuldrechtlicher Zuzahlungspflichten in der Gesell­ schaft mit beschränkter Haftung wendet ein Teil der Literatur ein, die Aufnah­ me eines korporationsrechtlichen Agio als Nebenleistung in die Satzung ge­ währleiste bessere Publizität.667 Dies sei der Preis für die Gestaltungsfreiheit der Mitglieder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. 668 Künftige Ge­ sellschafter müssten die Möglichkeit haben, sich über die Verhältnisse der Ge­ sellschaft zu informieren. Dieses Argument wurde bereits für schuldrechtliche Zuzahlungspflichten bei der Aktiengesellschaft diskutiert. 669 Für die Gesellschaft mit beschränkter Haf­ tung gelten die gleichen Erwägungen. Die Verpflichtungen gehen als nicht mit­ gliedschaftsrechtlich begründete Pflichten nicht auf Anteilserwerber über.670 Dieser Umstand ist keineswegs deshalb irrelevant, weil Neugesellschafter um­ fassend Einblick in die Machstrukturen der Gesellschaft haben müssten. 671 Trä­ fe dieser Einwand zu, implizierte das, sämtliche Nebenabreden in der Satzung als gesellschaftsrechtliche Regelungen verankern zu müssen. Das lässt sich in dieser Tragweite nicht begründen. 672 Insbesondere ist das Interesse an Information nicht damit gleichzusetzen, dass zwingende Vorschriften für Publizität sorgen. Hierfür bedarf es eines In­ formationsgefälles, das nicht durch eigene Bemühungen des Neugesellschafters beseitigt werden kann.673 Der Beitrittswillige hat durchaus die Möglichkeit, nach dem Bestehen von Nebenabreden zu fragen. Sollten die Altmitglieder Zweifel am finanziellen Zustand der Gesellschaft nicht unter Hinweis auf die schuldrechtlichen Zuzahlungspflichten beseitigen wollen, ist jeder potentielle Erwerber ausreichend gewarnt. Außerdem begünstigen bereits bestehende 665  Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräu­ chen (MoMiG) vom 23.10.2008, BGBl. I, S.  2026. 666 S.   zum Ganzen ausführlich Schall, Gläubigerschutz, S.  37 ff.; kurzer Überblick bei Gehrlein, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, Einl. Rn.  4 ff. 667  Herchen, S.  340. 668  Herchen, S.  340. 669  Oben §  1 I.3. 670  Das anerkennt auch Herchen, S.  341. 671 So Herchen, S.  341. 672  Vgl. 2. Teil C. §  2 II.2.b). 673  Vgl. hierzu Kuntz, Informationsweitergabe, S.  127 ff.

C. Finanzierungskontrolle

663

schuldrechtliche Zuzahlungspflichten Neugesellschafter jedenfalls mittelbar. Denn über die gesetzlichen Vorgaben hinaus kann die Gesellschaft auf weitere Mittel zugreifen. Es gibt entgegen einer abweichenden Stellungnahme im Schrifttum im Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung keinen Grundsatz, wonach Gesell­ schafter nur die in der Satzung festgelegten Pflichten treffen dürfen.674 Schon der normative Anknüpfungspunkt fehlt. Das GmbHG enthält keine den §§  54, 55 AktG vergleichbaren Vorgaben. Außerdem kann die Übernahme schuld­ recht­licher Zuzahlungspflichten für den Betroffenen niemals „intransparent“ sein, weil ihr Entstehen seine Zustimmung voraussetzt.675 Dass nicht jeder Ver­ pflichtung wirtschaftlicher Zwang zugrunde liegt, 676 sondern umgekehrt häufig ein Interesse der Investoren am Abschluss der fraglichen Verträge besteht, wur­ de oben bereits dargestellt. 677 Insbesondere professionelle Investoren verlassen sich ohnehin nicht auf An­ gaben in der Satzung, sondern führen eine Due Diligence Prüfung durch, um sich einen eigenen Eindruck von der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft zu verschaffen.

3.  Bedeutung von §  255 Abs.  2 S.  1 AktG analog Der Hinweis darauf, schuldrechtliche Zuzahlungspflichten begünstigten zu­ künftige Gesellschafter, weil die Gesellschaft über die Vorschriften zum Min­ destkapital und zur Kapitalaufbringung sowie -erhaltung hinausgehend auf zusätzliche Mittel zugreifen könne, erfährt auf den ersten Blick eine Einschrän­ kung, wenn eine bezugsrechtsfreie Kapitalerhöhung im Raum steht. Denn inso­ weit gilt §  255 Abs.  2 S.  1 AktG analog, so dass auch bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung ein am „wahren“ Unternehmenswert gemessener Ausga­ bebetrag gewählt werden muss. Insoweit haben die Altmitglieder nicht mehr die Wahl, wie sie die Preisgestaltung vornehmen. Allerdings kann hier auf das zur Aktiengesellschaft Gesagte verwiesen wer­ den. §  255 Abs.  2 S.  1 AktG schützt nicht die Neugesellschafter, sondern allein die gegenwärtigen Mitglieder. 678

4.  Keine Notwendigkeit allseitiger Vereinbarung Handelt es sich um eine bezugsrechtsfreie Kapitalerhöhung, in deren Rahmen zur Wahrung der Angemessenheit im Sinne von §  255 Abs.  2 S.  1 AktG analog 674 

So jedoch Herchen, S.  343. Nicht überzeugend daher Herchen, S.  343. 676  So offenbar Herchen, S.  344. 677  Oben §  1 III.1. 678  Oben §  1 V.2. 675 

664

4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

schuldrechtliche Zuzahlungspflichten vereinbart werden, greifen für die Ge­ sellschaft mit beschränkter Haftung die Argumente, die bereits zur Aktienge­ sellschaft vorgetragen wurden. Es ist keine allseitige Vereinbarung aus Gründen des Minderheitenschutzes notwendig. 679

5.  Keine Pflicht zur Registerkontrolle Für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung wurde bereits vor der Entschei­ dung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vertreten, es müsse jedenfalls bei Sacheinlagen eine umfassende Wertkontrolle durch den Registerrichter ge­ ben. 680 Unabhängig davon, wie man dazu steht, 681 lässt sich jedenfalls keine stets geltende Pflicht begründen, die Vereinbarungen über schuldrechtliche Zu­ zahlungspflichten beim Handelsregister einzureichen. Diesbezüglich ist auf die oben zur Aktiengesellschaft angestellten Überlegungen zu verweisen. 682 Wenn selbst bei der Aktiengesellschaft die Vorlagepflicht grundsätzlich zu verneinen ist, obwohl es dort eine umfassende Prüfung des Wertes von Sacheinlagen gibt,683 kann für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung nichts anderes ­gelten.

§  3  Anschlussfragen Sind schuldrechtliche Zuzahlungspflichten rechtswirksam begründbar, stellt sich die Frage, wie sie von einem „korporativen Agio“ abgegrenzt werden kön­ nen (I.). Zudem bedarf die Bilanzierung einer eingehenderen Betrachtung (II.).

I.  Abgrenzung von „korporativem“ und „schuldrechtlichem“ Agio Selbst wer, wie hier im Einklang mit der herrschenden Meinung vertreten, ein Wahlrecht zugesteht, Zusatzpflichten schuldrechtlich oder korporativ auszuge­ stalten, muss die Frage beantworten, welches Ziel die Beteiligten mit ihrer Ver­ einbarung „in Wirklichkeit“ zu verfolgen beabsichtigen. 684 Einzelne Autoren meinen, die Abgrenzung zwischen schuldrechtlicher und mitgliedschaftlicher

679  Oben §  1 VI.1. Ausführlich zu den Gefahren für die Minderheitsgesellschafter in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung bei bezugsrechtsfreien Kapitalerhöhungen Heckschen, DStR 2001, 1437 ff. 680  Geßler, BB 1980, 1385, 1387. 681  Ablehnend etwa Priester, FS Lutter, S.  617, 634. 682  Oben §  1 VII.2. 683  Überblick bei Priester, FS Lutter, S.  617, 622 ff. 684  Insofern zutreffend Herchen, S.  308.

C. Finanzierungskontrolle

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Leistungspflicht sei nicht bezogen auf die gewünschte Rechtsnatur der Verein­ barung vorzunehmen, sondern nach dem von den Parteien gewollten Inhalt. 685 Da es „realitätsfern“ und „künstlich“ wirke, „Zusatzpflichten für Gesell­ schafter, die für die Gesellschaft unternehmensnotwendig“ seien, „die korpora­ tive Natur abzusprechen“, 686 die Leistung vom Gesellschafter ohne gleichwerti­ ge Gegenleistung erbracht werde687 und es „maßgeblich“ um „die Erbringung einer Leistung zur Förderung des Gesellschaftszwecks“ gehe, müsse die diesbe­ zügliche Pflicht als korporative eingestuft werden. 688 Dies stelle die These von der Wahlfreiheit in Frage. 689 Diese Argumentation beruht auf einer falschen Prämisse: Wenn Wahlfreiheit besteht, kann das Ziel in Form der Erbringung einer Leistung an die Gesell­ schaft gerade nicht mehr der entscheidende Anknüpfungspunkt sein, die zu­ grunde liegende Pflicht als gesellschaftsrechtliche oder schuldrechtliche einzu­ stufen. Denn dass dieses Ziel auf beiden Wegen legal verfolgt werden kann, steht für die Zwecke der Prüfung bereits fest.

II.  Bilanzierung schuldrechtlicher Aufgelder Ein inzwischen recht großer Teil der Literatur vertritt die Ansicht, anlässlich von Kapitalerhöhungen schuldrechtlich vereinbarte Zuzahlungen seien §  272 Abs.  2 Nr.  1 HGB zuzuordnen, so dass sie bei der Aktiengesellschaft unter §  150 Abs.  3 und Abs.  4 AktG fielen. 690 Das entzöge die erbrachten Leistungen der Dispositionsbefugnis der Gesell­ schafter und ordnete sie – vermittelt durch die Kapitalerhaltungsvorschriften – den Gläubigern zu. Den Gesellschaftern wäre verwehrt, die Rücklagen aufzu­ lösen und als Gewinn auszuschütten. 691 Im Ergebnis bestünde eine strikte Ver­ mögenstrennung, die der Gesellschaft zur Verfügung gestellte Betriebsmittel öffentlich nachvollziehbar endgültig aus dem Privatvermögen der Gesellschaf­ ter ausgliederte. Die Mitglieder behielten noch nicht einmal das Rückgewin­ nungspotential via Gewinnausschüttung.

685 

Herchen, S.  308. Herchen, S.  309. 687  Herchen, S.  310. 688  Herchen, S.  311 (dort auch das letzte Zitat). Ähnlich Groß-Bölting, S.  2 28, der aus dem engen zeitlichen Zusammenhang von schuldrechtlicher Zuzahlung und Kapitalmaßnahme die Anwendbarkeit des §  272 Abs.  2 Nr.  1 HGB ableitet. 689  Herchen, S.  311. 690  Adler/Düring/Schmaltz, §  272 HGB Rn.  9 0; Baums, FS Hommelhoff, S.  61, 83 ff.; Becker, NZG 2003, 510, 515 ff.; Groß-Bölting, S.  227 f.; Mock, in: KK-RLR, §  272 Rn.  163; Reiner, in: MünchKommHGB, §  272 Rn.  68, 103; Strehle, S.  153 ff., 171. Anders etwa Ekkenga, in: KK-AktG, §  150 Rn.  28; Mellert, NZG 2003, 1096, 1098; Priester, FS Lutter, S.  617, 629, 631. 691 Vgl. Ekkenga, in: KK-AktG, §  150 Rn.  5. 686 

666

4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

Das wirft die Frage auf, inwieweit eine solche Vermögenstrennung geboten ist, ob es also einer zwingenden Durchsetzung der Dotierung schuldrechtlicher Zuzahlungspflichten gemäß §  272 Abs.  2 Nr.  1 HGB bedarf, obwohl die ver­ tragliche Abrede in der Regel gerade nicht hierauf abzielt. 692 Für die Antwort ist zunächst das §  272 Abs.  2 Nr.  1 HGB zugrunde liegende Regelungsmotiv her­ auszuarbeiten, Vermögensstrukturmanipulationen zu verhindern (1.), und an­ schließend zu untersuchen, ob schuldrechtliche Zuzahlungsvereinbarungen diese Gefahr begründen (2.).

1.  Die Gefahr der Vermögensstrukturmanipulation als Regelungsmotiv Der gesetzgebungsgeschichtliche Ursprung des §  272 Abs.  2 Nr.  1 HGB liegt in Art.  185b ADHGB 1884. Die Norm steht im Kontext des Ziels, einen zwingend einzurichtenden „Reservefonds“ der Aktiengesellschaft zu regeln. 693 Der Um­ stand, „daß der Gewinn, welcher bei Errichtung der Gesellschaft oder bei einer Erhöhung des Grundkapitals durch Ausgabe von Aktien über Pari […] erzielt wird, ohne Rücksicht auf die schon erzielte Höhe des Reservefonds diesem zu­ gewiesen wird,“ rechtfertige sich „daraus, daß ein solcher Gewinn nicht im ge­ wöhnlichen Geschäftsverlaufe erzielt ist und deshalb nicht zur Verteilung als Dividende geeignet erscheint.“694 Verhindert werden solle auch, „daß die Erhö­ hung des Grundkapitals lediglich in der Hand der Koterie zur Agiotage benutzt wird.“695 Das Problem solcher Strategien liegt in der damit erzeugten Täuschung über die Vermögensstruktur, wie bereits oben beschrieben wurde. 696 Insofern dient §  272 Abs.  2 Nr.  1 HGB in Verbindung mit §  150 AktG aus heutiger Sicht dem Marktschutz, indem sowohl künftige Gläubiger als auch Anleger davor geschützt werden sollen, auf Grundlage manipulierter Gewinn­ angaben in der Gewinn- und Verlustrechnung Entscheidungen über den Ab­ schluss von Geschäften mit der Gesellschaft oder über den Beitritt zu ihr zu treffen.697 Erreicht wird dies mit Hilfe einer Abflusssperre. Nach §  272 Abs.  2 Nr.  1 HGB ausgewiesene Positionen können nicht ohne Weiteres aufgelöst werden.

692 

Dazu die Hinweise bei Strehle, S.  154. Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, 5. Legislaturperio­ de, IV. Session 1884, Band 3, Anlage Nr.  21, S.  305 re Sp. 694  Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, 5. Legislaturperio­ de, IV. Session 1884, Band 3, Anlage Nr.  21, S.  305 re Sp.  695  Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, 5. Legislaturperio­ de, IV. Session 1884, Band 3, Anlage Nr.  21, S.  305 re Sp. 696  Oben §  1 I.1.b). 697  S.  Ekkenga, in: KK-AktG, §  150 Rn.  5. 693 

C. Finanzierungskontrolle

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2.  Keine Vermögensstrukturmanipulation Angesichts des Zweckes der Verhinderung der „Agiotage“ soll nach Ansicht einiger Autoren bilanzrechtlich keine Wahlfreiheit bestehen, über den gerings­ ten Ausgabebetrag des §  9 Abs.  1 AktG hinausgehende Zuzahlungen nach §  272 Abs.  2 Nr.  4 HGB statt gemäß §  272 Abs.  2 Nr.  1 HGB zu bilanzieren. 698 Zuzah­ lungen dienten der Verbesserung der Eigenkapitalbasis der Gesellschaft. 699 Zwar sei dies weder Konsequenz des Wortlauts noch europarechtlicher Vorga­ ben.700 Doch folge das Ergebnis daraus, dass die Parteien anderenfalls §  150 AktG umgingen.701 In der Tat scheint es widersprüchlich, bei einer Leistung, die in engem sachli­ chen und zeitlichem Zusammenhang mit der Einlageleistung steht und zum Teil überhaupt erst die Angemessenheit des Ausgabebetrages im Sinne von §  255 Abs.  2 S.  1 AktG gewährleistet, die Bilanzierung nach §  272 Abs.  2 Nr.  4 HGB zuzulassen.702 a)  Kein Zwang zur Verbesserung der Eigenkapitalbasis Indes vermag dieses Argument nicht zu erklären, wieso bei Kapitalerhöhun­ gen ohne Bezugsrechtsausschluss Anteile zum niedrigsten Ausgabebetrag selbst dann ausgegeben werden dürfen, wenn der „wahre“ Wert der Aktien deutlich höher liegt. §  255 Abs.  2 S.  1 AktG verhindert dies nicht. Die Kapitalaufbrin­ gungsvorschriften dienen eben nicht der Gewährleistung eines „angemessenen“ Kapitals. Im Zusammenhang mit bezugsrechtsfreien Kapitalmaßnahmen soll die Angemessenheitsklausel des §  255 Abs.  2 S.  1 AktG Minderheitenschutz si­ chern. So mögen Zuzahlungen in der Praxis zwar dazu dienen, zusätzliche Betriebs­ mittel bereitzustellen. Doch einen gesetzlich begründeten Zwang zur Verbesse­ rung der Eigenkapitalbasis im gesellschaftsrechtlichen Sinn sieht das Aktienge­ setz nicht vor. Das wird noch deutlicher, wenn man sich vor Augen führt, dass Zuzahlungen typischerweise nur im Rahmen von Kapitalerhöhungen anfallen, diese Maßnahmen aber wiederum im Belieben der Mitglieder stehen.

698 

Baums, FS Hommelhoff, S.  61, 83 ff.; Becker, NZG 2003, 510, 516. Baums, FS Hommelhoff, S.  61, 85. 700  Baums, FS Hommelhoff, S.  61, 84; kritisch, aber letztlich unentschieden, Becker, NZG 2003, 510, 515. 701  Baums, FS Hommelhoff, S.  61, 85; Becker, NZG 2003, 510, 516; Strehle, S.  163 ff, der auf S.  168 meint, §  150 AktG könne „zu einer Bilanzierung nach §  272 Abs.  2 Nr.  1 HGB zwingen […].“ 702 Auf den Sachzusammenhang stellen etwa ab Adler/Düring/Schmaltz, §   272 HGB Rn.  9 0; Strehle, S.  160. 699 

668

4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

b)  Keine Entziehung gebundenen Kapitals Kaum nachvollziehbar ist das Argument, den Gläubigern werde im Wege der Vereinbarung einer Bilanzierung schuldrechtlicher Zuzahlungen nach §  272 Abs.  2 Nr.  4 HGB „gebundenes Kapital entzogen.“703 Da es zunächst darum geht, die Zuführung der Mittel in einer bestimmten Weise bilanzrechtlich zu erfassen und gerade nicht ihre Ausschüttung, kann von der Entziehung gebun­ denen Kapitals keine Rede sein. Es handelt sich um einen Zirkelschluss. Im Übrigen setzt der Verweis auf Gläubigerschutz und die Erhaltung gebun­ denen Kapitals voraus, dass es bei Aufgeldern um Gläubigerschutz geht, indem diesen eine Befriedigungsreserve zur Verfügung gestellt wird.704 Das trifft glei­ chermaßen nicht zu. Der Zweck der §§  150 AktG, 272 Abs.  2 Nr.  1 HGB besteht eben nicht primär darin, die Kapitalausstattung der Gesellschaft zu verbessern. Das ist allenfalls ein Nebeneffekt. In erster Linie sollen die bereits ausführlich beschriebenen Manipulationspraktiken im Sinne einer „Agiotage“ verhindert werden.705 Die Bilanzierung schuldrechtlich vereinbarter Zuzahlungen nach §  272 Abs.  2 Nr.  4 HGB ist in der Praxis seit langer Zeit üblich und hat bislang offenbar nicht zu größeren Verwerfungen geführt. Daher erscheint es überzogen streng, aus einer abstrakten Manipulationsgefahr ein Bilanzierungsgebot abzuleiten, das im Ergebnis dazu führt, dass für §  272 Abs.  2 Nr.  4 HGB kaum noch ein An­ wendungsbereich bleibt. Zudem zeigt §  150 AktG mit seiner Beschränkung auf die Nummern 1 bis 3 des §  272 Abs.  2 HGB, dass eben nicht jede Leistung der Gesellschafter an die Gesellschaft der Disposition des Aktionariats entzogen sein soll. Dass „freiwil­ lige Zuzahlungen“ aus anderen Gründen getätigt werden, als der Gesellschaft Betriebsmittel zuzuführen, ist eher unwahrscheinlich. Insofern decken sich die wirtschaftlichen Leistungsanlässe von §  272 Abs.  2 Nr.  1 und Nr.  4 HGB. c)  Andere Schutzmechanismen Darüber hinaus gibt es durchaus andere Wege, den befürchteten betrügerischen Praktiken entgegenzuwirken: Bei börsennotierten Gesellschaften greift das Verbot der Marktmanipulation des §  20a Abs.  1 WpHG, die zugrunde liegenden Verträge sind bei einem Verstoß gegen diese Norm nichtig nach §  134 BGB.706 Außerdem besteht die Möglichkeit, dem Window Dressing im Einzelfall unter bilanzrechtlichen Gesichtspunkten entgegenzusteuern.707 Des pauschalen Ver­ bots einer wirtschaftlich für sinnvoll gehaltenen und in den meisten Fällen nicht 703 So

Strehle, S.  174. Davon ausgehend Strehle, S.  174. 705  Dazu oben 1. 706  S.  Ekkenga, Der Konzern 2011, 321, 324. 707 Vgl. Ekkenga, Der Konzern 2011, 321, 324. 704 

C. Finanzierungskontrolle

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zu einer Gefährdung der Marktteilnehmer führenden Gestaltungspraxis bedarf es demnach nicht.

3.  Europarechtliche Aspekte Die Kapitalrichtlinie708 fordert keine andere Einstufung sonstiger Zuzahlun­ gen, die auf schuldrechtlicher Grundlage beruhen.709 Dafür spricht bereits, dass Art.  15 Abs.  1 lit. c) der Richtlinie lediglich die Ausschüttung der Rücklagen untersagt, die das nationale Recht für nicht ausschüttbar erklärt.710 In den euro­ päischen Regelungen findet sich keine Vorgabe, welche Leistungen überhaupt als Rücklage zu bilanzieren und in welchem Umfang Rücklagen der Ausschüt­ tung entzogen sind.711

III.  Recht auf Teilnahme an weiteren Kapitalerhöhungen Neben der Pflicht zur Teilnahme an Kapitalerhöhungen stellt sich aus Sicht der Investoren die Frage nach der Kehrseite der Medaille, nämlich danach, ob sie berechtigt sind, an weiteren Kapitalerhöhungen teilzunehmen. In der Aktienge­ sellschaft sichert dies das gesetzliche Bezugsrecht gemäß §  186 Abs.  1 S.  1 AktG. Im GmbH-Recht plädiert die ganz herrschende Meinung trotz Fehlens einer §  186 Abs.  1 AktG entsprechenden Regelung gleichfalls für die Anerkennung eines gesetzlichen Bezugsrechts.712 Insofern bedarf es demnach keiner besonde­ ren Regelungen.

§  4  Ergebnisse Schuldrechtliche Vereinbarungen über Zusatzleistungen sind zulässig. Sie ver­ stoßen in der Aktiengesellschaft weder gegen §  36a Abs.  1 AktG noch sind sie als Umgehung der §§  54, 55 AktG oder als Verstoß gegen die aktienrechtliche 708  Richtlinie 76/91/EWG in der Fassung der Richtlinie 2006/68/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 zur Änderung der Richtlinie 77/91/EWG des Rates in Bezug auf die Gründung von Aktiengesellschaften und die Erhaltung und Ände­ rung ihres Kapitals, ABl. L 264 vom 25.09.2006, S.  32. 709  So offenbar Lutter, in: Lutter (Hrsg.), Kapital der Aktiengesellschaft, S.1, 5 mit Hin­ weisen auf das abweichende englische Schrifttum; Mülbert/Birke, 3 EBOR 695, 704, 720 (2002). 710  T.Bezzenberger, Kapital, S.  27; Schall, Gläubigerschutz, S.  35. 711  T.Bezzenberger, Kapital, S.  27; Schall, Gläubigerschutz, S.  35 f. 712  M.Arnold/Born, in: Bork/Schäfer, §   55 Rn.  21; Bormann, in: Gehrlein/Ekkenga/Si­ mon, §  55 Rn.  17; Lieder, in: MünchKommGmbHG, §  55 Rn.  70; Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, §  55 Rn.  17; Priester, in: Scholz, §  55 Rn.  42; Zöllner/Fastrich, §  55 Rn 20. A.A. Roth, in: Roth/Altmeppen, §  55 Rn.  20; Ulmer, in: GK-GmbHG, §  55 Rn.  45 ff., die allerdings aufgrund der Gleichbehandlungs- und Treuepflicht zu vergleichbaren Ergebnissen gelangen.

670

4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

Kompetenzordnung zu werten. Bei bezugsrechtsfreien Kapitalerhöhungen können solche Verträge dazu dienen, Angemessenheit im Sinne von §  255 Abs.  2 S.  1 AktG herzustellen. Es müssen sich nicht sämtliche Gesellschafter an der Abrede beteiligen. Allerdings sind die Leistungspflichten derart auszugestalten, dass ihr Bestehen nicht von einer weiteren Entscheidung des Verpflichteten nach Abschluss abhängt. Die Verträge sind der Hauptversammlung in Analogie zu §  124 Abs.  2 S.  2 AktG bekannt zu machen. Grundsätzlich gibt es keine Pflicht, sie dem Handelsregister vorzulegen. Etwas anderes gilt nur, wenn der Registerrichter offenkundige Anhaltspunkte hat, die Wirksamkeit der Abrede anzuzweifeln. In der Gesellschaft mit beschränkter Haftung können solche Abreden eben­ falls getroffen werden. Sie sind weder unter dem Gesichtspunkt ordnungsgemä­ ßer Unternehmensfinanzierung zweifelhaft noch bestehen unter anderem Blickwinkel Hindernisse. Im Übrigen gewährt das Gesetz mit §  3 Abs.  2 Gmb­ HG und den §§  26 ff. GmbHG die Möglichkeit, Meilensteinbestimmungen als materielle Satzungsregelungen niederzulegen. Die Abgrenzung zwischen Vereinbarungen über schuldrechtliche Zusatz­ pflichten und solche über korporative Pflichten ist nicht nach dem Finanzie­ rungsziel vorzunehmen, sondern danach, welcher Form sich die Parteien bedie­ nen wollen. Zu bilanzieren sind die Zuzahlungen, die aufgrund einer schuldrechtlichen Abrede geleistet werden, nach §  272 Abs.  2 Nr.  4 HGB, nicht gemäß §  272 Abs.  2 Nr.  1 HGB.

D.  Schutz vor Verwässerung und Abwertung Ein Element von Beteiligungsvereinbarungen sind Abreden über preisbasierten Verwässerungsschutz. Werden Anteile in einer Finanzierungsrunde zu einem niedrigeren Preis ausgegeben als diejenigen, die ein Investor in einer früheren Runde erworben hat (sogenannte Down Round),713 sollen derartige Klauseln die – wirtschaftlich betrachtet – rückwirkende Korrektur des Preises pro Anteil ermöglichen.714 Diese Verwässerungsschutzklauseln gibt es in zwei unter­ schiedlich starken Formen – „Full Ratchet“ und „Weighted Average“:715 Die erste Variante räumt dem Kapitalgeber das Recht ein, den Preis der Anteile aus einer früheren Runde nachträglich auf den Preis der Anteile aus einer späteren Runde zu senken. Mit der zweiten erhält der Investor das Recht, nach einer bestimmten Formel einen mittleren Wert zwischen dem Preis der früheren und dem der aktuellen Runde zu erreichen.  Die deutsche Praxis nutzt zur Ausgestaltung solcher Rechte das Instrument des genehmigten Kapitals und die Ausgabe von Optionsanleihen, die das Recht enthalten, Aktien zum Nennwert zu beziehen.716 Um zu gewährleisten, dass allein die Kapitalgeber neue Anteile beziehen, muss das Bezugsrecht der übri­ gen Gesellschafter, vor allem das der Gründer, ausgeschlossen werden.717 Die Legalität dieser Praxis ist Gegenstand der Überlegungen im ersten Abschnitt (§  1). Weiterhin besteht die Möglichkeit, den Investoren auf schuldrechtlicher Ebe­ ne Rechte gegen die Gründer zu gewähren, wonach diese an die Kapitalgeber in einem bestimmten Umfang Anteile übertragen müssen. Diese Abreden weisen eine gewisse Nähe zu Hinauskündigungsklauseln auf, so dass ihre Zulässigkeit nicht ohne Weiteres feststeht (unten §  2).

713 

Zum Begriff der Down Round im 1. Teil Fußnote 40 und 1. Teil B. §  12 I. S.  im Einzelnen oben 1. Teil B. §  5 I.2.a) und II. 715  S.  dazu bereits die ausführlichen Erläuterungen im 1. Teil B. §  5 I.2.a), II. 716  Im ersteren Sinne von Einem/Schmid/Meyer, FB 2003, 879, 881, im zweiten Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 97. Vgl. auch Maidl/Kreifels, NZG 2003, 1091, 1093. Zur schuldrechtlichen Gestaltung solcher Verwässerungsschutzklauseln unten §  2. 717  Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 97. 714 

672

4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

§  1  Verwässerungsschutz mittels genehmigten Kapitals und Optionsanleihen Das entscheidende Problem des Verwässerungsschutzes mittels genehmigten Kapitals und Optionsrechten ist die Rechtfertigung des Bezugsrechtsausschlus­ ses.718 Aus Sicht der Kautelarpraxis stellt sich daher die Frage, wie weit die Frei­ heit reicht, den Beteiligungsumfang und damit die Gewinn- und Stimmrechte von Gesellschaftern im Rahmen von Strukturänderungen zu steuern. Als Bei­ spiel hierfür kann wiederum eine typische Vereinbarung aus dem Bereich der Wagniskapitalfinanzierung herangezogen werden, nämlich die Gestaltung des von den Investoren häufig gewünschten Verwässerungsschutzes.719 Der folgende Abschnitt widmet sich den Anforderungen an den Bezugs­ rechtsausschluss, zunächst bei der Aktiengesellschaft (I.), dann bei der Gesell­ schaft mit beschränkter Haftung (II.). Fragen der Angemessenheitskontrolle sind Gegenstand des Abschnitts III. Anschließend richtet sich der Blick auf schuldrechtliche Vereinbarungen, welche die Durchführung des Bezugsrechts­ ausschlusses gewährleisten sollen (IV.).

I.  Bezugsrechtsausschluss in der Aktiengesellschaft Sowohl §  221 Abs.  4 S.  2 AktG als auch §  203 Abs.  1 S.  1 AktG verweisen auf die allgemeinen Vorschriften zum Bezugsrecht und zu seinem Ausschluss in §  186 AktG.720 Unabhängig davon, ob der Verwässerungsschutz durch die Ausgabe von Optionsanleihen oder durch ein genehmigtes Kapital verwirklicht werden soll, haben sämtliche Aktionäre ein Bezugsrecht auf die Optionsanleihen oder die neuen Aktien.721 Daher ist im Zusammenhang mit Verwässerungsschutzre­ gelungen die Frage zu beantworten, ob der Ausschluss des Bezugsrechts zu Lasten der Gründer und weiterer Altaktionäre möglich ist, um einem bereits an der Gesellschaft beteiligten Investor Anteile für die Inanspruchnahme seiner Verwässerungsschutzklausel zukommen zu lassen. Nach einer kurzen Einführung zu den Gemeinsamkeiten der Anforderungen an einen Bezugsrechtsausschluss bei der Ausgabe von Optionsanleihen und ei­ nem genehmigten Kapital (1.) widmet sich die folgende Darstellung der Frage, wie das Gesellschaftsinteresse am Bezugsrechtsausschluss bestimmt wird (2.), 718  Das Bezugsrecht in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist im GmbHG nicht ausdrücklich geregelt, wird aber ganz herrschend angenommen, s. nur Bormann, in: Gehr­ lein/Ekkenga/Simon, §  55 Rn.  16. 719  Zur preisbasierten Antidilution Protection in den USA oben 1. Teil B. §  5 II. 720  Auf die besondere Vorschrift des §  203 Abs.  2 AktG kommt es im vorliegenden Zusam­ menhang nicht an. 721  Im Fall der Optionsanleihen folgt das Bezugsrecht aus der besonderen Anordnung in §  221 Abs.  4 S.  1 AktG.

D.  Schutz vor Verwässerung und Abwertung

673

um dann die Besonderheiten der Down Round als Situation, in der der Verwäs­ serungsschutz zum Tragen kommt, zu diskutieren (3.). Daran knüpft die Be­ trachtung eines Sonderproblems beim genehmigten Kapital an, das dann auf­ tritt, wenn mehrere Anteilsgattungen existieren (4.). Den Schluss bildet die Pro­ blematik des angemessenen Ausgabebetrages gemäß §  255 Abs.  2 S.  1 AktG (5.).

1. Einführung Für den Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre bei der Ausgabe von Op­ tions­anleihen gelten die materiellen Anforderungen, die bei der regulären Kapi­ talerhöhung zu beachten sind.722 Die Maßnahme muss demnach im Gesell­ schaftsinteresse liegen, geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne sein.723 Damit gleichen sich die Anforderungen an den Bezugsrechtsaus­ schluss bei der Ausgabe von Optionsanleihen und beim genehmigten Kapital zumindest hinsichtlich der Notwendigkeit des Vorliegens des Gesellschaftsin­ teresses. Ein Interesse der Gesellschaft am Ausschluss verlangen selbst diejeni­ gen, die meinen, die materiellen Anforderungen an die Rechtfertigung des Be­ zugsrechtsausschluss beim genehmigten Kapital lägen niedriger als bei der re­ gulären Kapitalerhöhung.724 Unterschiede gibt es erst hinsichtlich der übrigen Kriterien (Erforderlichkeit etc.). Problematisch bei Verwässerungsschutzvereinbarungen ist schon das Vorlie­ gen eines Interesses der Gesellschaft, so dass beide Umsetzungsvarianten ge­ meinsam behandelt werden können: Ziel ist nämlich vor allem, den berechtigten Investoren die Zahl an neuen Anteilen oder Optionsanleihen zukommen zu lassen, die es ihnen ermöglicht, die angestrebte rückwirkende Preissenkung durchzusetzen.725 Dafür wollen die Kapitalgeber der Gesellschaft möglichst keine Mittel zuführen. Der Verwässerungsschutz dient gerade der Preisjustie­ rung nach unten. Eine Pflicht der Investoren, weiteres Kapital zuzuführen, er­ schwerte dies.726 Dass sie der Gesellschaft überhaupt etwas für die Anteile zah­ 722 OLG München ZIP 2009, 718, 720; vgl. für Genussrechte nach §   221 Abs.  3 AktG BGHZ 141, 146; Habersack, in; MünchKommAktG §   221 Rn.   185; Hüffer/Koch, §  221 Rn.  42 f.; Lutter, in: KK-AktG, §  221 Rn.  56. Die Rechtsprechung zu Ausnahmen bei Genuss­ rechten (BGHZ 120, 141, 146 f.) ist hier nicht relevant. Denn Optionsanleihen führen stets zu einer Gefährdung der mitgliedschafts- und vermögensrechtlichen Stellung der Aktionäre. 723  Statt aller BGHZ 71, 40, 43 ff.; BGHZ 125, 239, 241; Hüffer/Koch, §  186 Rn.  25. 724 Etwa Kindler, ZGR 1998, 35, 39, 42; anders die herrschende Meinung, etwa Bayer, in: MünchKommAktG, §  203 Rn.  110; Hirte, in: GK-AktG, §  203 Rn.  63; Ekkenga, AG 2001, 567, 569, jeweils mit Nachweisen zum Streitstand. 725 Berechnungsbeispiele für die verschiedenen Typen preisbasierter Verwässerungs­ schutzklauseln wurden schon oben im 1. Teil unter B. §  5 II.1. und 2. dargestellt. 726  Weil der Durchschnittspreis der Anteile automatisch höher liegt. Hat der Altinvestor für seine ursprünglich erhaltenen Aktien 10 gezahlt und will er in der neuen Runde auf einen Durchschnittspreis für sämtliche Aktien von 5 kommen, macht es einen erheblichen Unter­ schied, ob die neuen Anteile, die im Zuge der Ausübung seiner Verwässerungsschutzrechte

674

4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

len, liegt an den Vorschriften im Aktiengesetz zum geringsten Ausgabebetrag, wie ihn §§  9 Abs.  1, 8 Abs.  2 S.  1, Abs.  3 S.  3 AktG festlegen. Die Frage nach der Rechtfertigung des Bezugsrechtsausschlusses stellt sich also im Kontext eines Vorgehens, das anders als die typische Kapitalmaßnahme nicht der Finanzierung der Gesellschaft dient, sondern den finanziellen Interes­ sen einiger Altgesellschafter.

2.  Gesellschaftsinteresse am Bezugsrechtsausschluss Feste Maßstäbe für die Feststellung des „Gesellschaftsinteresses“ gibt es nicht.727 Grundsätzlich dient all das dem Interesse der Gesellschaft, was ihren Bestand, ihre Funktionsfähigkeit und die Erfüllung ihrer Aufgaben „begüns­ tigt und gewährleistet.“728 Vor allem der Gesellschaftszweck ist zu beachten.729 Die Kapitalmaßnahme unter Bezugsrechtsausschluss muss „zum Besten der Gesellschaft und damit letztlich aller Aktionäre“ sein.730 Dem zugrunde liegt die Vorstellung, der Vorteil der Gesellschaft komme indirekt auch den Gesell­ schaftern zugute, die konkret durch den Ausschluss ihres Bezugsrechts benach­ teiligt werden.731 Eine für die sogleich zu Down Rounds anzustellenden Überlegungen wichti­ ge Ausnahme von der Notwendigkeit, allen Aktionären ein Bezugsrecht zubil­ ligen zu müssen, sind Sanierungssituationen. Befindet sich die Gesellschaft in der Krise, billigen Rechtsprechung und Literatur, das Bezugsrecht der Altge­ sellschafter auszuschließen, wenn ein Neuinvestor die Mittelvergabe davon ab­ hängig macht, die Anteilsmehrheit zu erlangen und dafür die Vergabe der neuen Aktien „en bloc“ notwendig ist.732 Insoweit gilt allerdings, dass die Krise der Gesellschaft und die damit einhergehende Notwendigkeit, Kapitalmaßnahmen zu Sanierungszwecken durchzuführen, nicht schon per se den Ausschluss des Bezugsrechts rechtfertigt.733 Selbst in einer Sanierungssituation gilt, dass der Ausschluss nur ausnahmsweise in Betracht kommt.734

ausgegeben werden (gegebenfalls nach Ausübung der Optionsrechte der Anleihen), ihrerseits einen Preis von 0, 1 oder 2 haben. 727  S.  schon Zöllner, Schranken, S.  17. 728  Zöllner, Schranken, S.  23. 729  Ganz herrschende Meinung, statt aller Hüffer/Koch, §  186 Rn.  26; Peifer, in: Münch­ KommAktG, §  186 Rn.  75; Wiedemann, in: KK-AktG, §  186 Rn.  139; Zöllner, Schranken, S.  24. 730  BGHZ 71, 40, 50. Hierzu Schockenhoff, S.  31 ff. 731  Schockenhoff, S.  33, 81. 732  BGH NJW 1982, 2444, 2446 (insoweit nicht in BGHZ 83, 319, abgedruckt); LG Heidel­ berg AG 1989, 447, 448; Hüffer/Koch, §  186 Rn.  31; Lutter, in: KK-AktG, §  186 Rn 70; Peifer, in: MünchKommAktG, §  186 Rn.  95. 733 Vgl. dies. aaO. 734  LG Heidelberg AG 1989, 447, 448; vgl. auch BGH NJW 1982, 2444, 2446.

D.  Schutz vor Verwässerung und Abwertung

675

3.  Verwässerungsschutz in Down Rounds und Bezugsrechtsausschluss Die Situation beim Down Round Financing ähnelt auf den ersten Blick der eben beschriebenen Sanierungssituation: Die Gesellschaft bedarf der Zuführung neuer Mittel im Wege einer neuen Finanzierungsrunde. Ein neuer Investor ist allerdings nur unter der Bedingung zur Beteiligung bereit, dass die Anteile niedriger bewertet werden als in der vorangegangenen Finanzierungsrunde, da sich die Geschäfte nicht so entwickelt haben wie von den alten Kapitalgeber erhofft. Ohne die Zuführung neuer Mittel wird die Gesellschaft zahlungsunfä­ hig. Es ist gerade Zweck der rundenbasierten Finanzierung, regelmäßig über die Fortführung der Gesellschaft und des Unternehmens zu entscheiden.735 a)  Keine Vergleichbarkeit mit Sanierungssituationen Indes gibt es einen entscheidenden Unterschied zu der Situation, in der der Be­ zugsrechtsausschluss in einer „herkömmlichen“ Sanierungslage die Beteiligung eines neuen Investors sicherstellen soll. In diesem Fall wirkt der Bezugsrechts­ ausschluss zu Gunsten des Kapitalgebers, der neue Mittel bereitstellt und hier­ für eine Mehrheitsbeteiligung erlangen möchte. Die Kapitalmaßnahme, die der Durchsetzung des Verwässerungsschutzes dient, führt jedoch nicht zur Beteili­ gung eines neuen Investors. Sie wird allein zu Gunsten der geschützten bisheri­ gen Kapitalgeber vorgenommen. Die aus der Kapitalmaßnahme stammenden Anteile oder Optionsanleihen kommen ausschließlich ihnen zugute. Im Gegen­ zug erhält die Gesellschaft aus den oben genannten Gründen nahezu keine neu­ en Mittel oder jedenfalls deutlich weniger, als dem wahren Wert der neuen Ak­ tien oder Optionsanleihen entsprächen. Wie bereits dargestellt, ist eine wesentliche Funktionsvoraussetzung von Ver­ wässerungsschutzrechten, der Gesellschaft möglichst wenig Mittel pro neuer Aktie zur Verfügung zu stellen, weil sich ansonsten die rückwirkende Senkung des durchschnittlichen Anteilspreises nicht durchführen ließe.736 Häufig möch­ ten solchermaßen geschützte Investoren nicht an der weiteren Finanzierung teilnehmen. Das erklärt die Existenz von Klauseln wie „Pay to Play“ und „Pull Up“, die dem entgegensteuern sollen.737 Die Beteiligung des neuen Investors bedarf in jedem Fall einer weiteren Ka­ pitalmaßnahme, die eigenständig zu beurteilen ist. Damit verbietet sich jeder Vergleich mit den Sanierungsszenarien, in denen die Rechtsprechung bislang den Bezugsrechtsausschluss gebilligt hat. Mangels Gesellschaftsinteresses ist der Bezugsrechtsausschluss nicht gerechtfertigt.

735 

1. Teil B. §  4 I.2. S.  oben 1. 737  Oben 1. Teil B. §  5 III.1., 2. 736 

676

4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

An dieser Bewertung ändert sich auch dann nichts, begreift man die für die Ausnutzung des Verwässerungsschutzes notwendige Kapitalmaßnahme sowie die Kapitalerhöhung, im Rahmen derer der neue Investor Anteile erwirbt, als einheitlichen Vorgang. Übt ein Investor in einer Down Round eine Verwässe­ rungsschutzklausel aus und muss zu deren Durchsetzung das Bezugsrecht der übrigen Altgesellschafter ausgeschlossen werden, kommt der Ausschluss nicht demjenigen zugute, der die Gesellschaft mit neuem Kapital ausstattet. Ziel der Wagniskapitalgeber, die ihren Schutz zur Geltung bringen wollen, ist nicht die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft. Ihnen geht es allein darum, eigene Verluste zu vermeiden. Ein zusätzlicher Hinweis darauf, dass die Ausübung von Verwässerungsschutzrechten dem Gesellschaftsinteres­ se eher zuwiderläuft, ist die in der Praxis vorkommende Verknüpfung der Betei­ ligung neuer Investoren mit der Bedingung, dass die früheren Investoren auf ihre Rechte verzichten.738 b)  Ausgleich der Gefahr des Window Dressing Man mag einwenden, im Interesse der Gesellschaft liege die Funktion von Ver­ wässerungsschutzklauseln, dem Fehlanreiz zum Window Dressing zu begeg­ nen.739 Doch begründet dies nicht die Zulässigkeit des Bezugsrechtsausschlus­ ses. Das gilt zunächst im Verhältnis zu sonstigen Altgesellschaftern, das heißt solchen, die nicht der Gründerseite angehören. Angel Investors und andere Alt­ investoren, die nicht von Verwässerungsschutzklauseln profitieren, werden ge­ nauso beeinträchtigt wie die Gründer. Mit Blick auf die Gründer ist zudem zu berücksichtigen, dass Window Dres­ sing nur selten solche Effekte haben wird, die eine Absenkung der Beteiligung in dem Umfang rechtfertigten, wie es die Folge der vollen Ausübung von Ver­ wässerungsschutzklauseln wäre. Wollen sich die Investoren vor Window Dres­ sing schützen, können sie dies allenfalls auf schuldvertraglichem Wege tun.740 Dann wird der Konflikt auf der Ebene ausgetragen, auf der er sich entzündet, nämlich im Verhältnis von Gründern und Kapitalgebern. Die Gesellschaft und die übrigen Anteilseigner bleiben in diesem Fall außen vor, neue Investoren werden nicht abgeschreckt und die Gesellschaft kann ihre Anteile zum best­ möglichen Preis zuteilen. c)  Erhaltung der Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft Die Investoren haben zwei Möglichkeiten, die Finanzierung der Gesellschaft und ihre Zahlungsfähigkeit argumentativ zu verwerten: Zum einen machen sie 738 

Für die USA oben 1. Teil B. §  5 II.1.d). Dazu oben 1. Teil B. §  5 II.1.d). 740  Dazu noch unten §  2. 739 

D.  Schutz vor Verwässerung und Abwertung

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Verwässerungsschutz üblicherweise bereits zur Bedingung ihres Beitritts. Ohne Bezugsrechtsausschluss stellten sie kein Geld zur Verfügung, so dass die Gesellschaft niemals Zahlungsfähigkeit erlangte (hierzu aa]).741 Zum anderen könnten sie in der Down Round einwenden, ohne ihre Zustimmung zur Kapi­ talerhöhung käme es nicht zum Beitritt neuer Gesellschafter, so dass die Zah­ lungsfähigkeit der Gesellschaft aufgrund der fehlenden Zuführung zusätzlicher Mittel leide (bb]). aa)  Verwässerungsschutz als Finanzierungsbedingung Das Argument, ohne Verwässerungsschutz verweigerten Investoren von vorn­ herein den Beitritt zur Gesellschaft, ist in zweierlei Hinsicht problematisch: Erstens fordert es, was nach §  23 Abs.  5 S.  1 AktG in Verbindung mit §  186 Abs.  1 S.  1 AktG gerade unmöglich ist: Die Abbedingung des Bezugsrechts von Altaktionären für die Zukunft. Wer das Argument der Beitrittsbedingung ak­ zeptiert, stellt das gesetzliche Bezugsrecht letztlich zur Disposition der Gesell­ schafter. Das entspricht gerade nicht dem aktienrechtlichen Modell. Ein Ver­ zicht der Gründer auf ihr Bezugsrecht mit Wirkung für die Zukunft wäre eine illegale Abweichung vom Gesetz im Sinne von §  23 Abs.  5 S.  1 AktG. Zudem ist fraglich, wie weit der hier kritisierte Einwand überhaupt trägt. Im Ergebnis ist zweifelhaft, ob die fehlende Möglichkeit, das gesetzliche Bezugs­ recht von vornherein auszuschließen, dazu führte, dass sämtliche Kapitalgeber ihr Geschäft aufgäben. Verändern, durchaus zum Nachteil der Gründer, wür­ den sich vermutlich nur die sonstigen Finanzierungsbedingungen, um das hö­ here Risiko zu kompensieren, etwa mittels großzügiger bemessener Dividen­ den- und Liquidationsvorzüge. Zweitens hindert die Verneinung der Möglichkeit des Bezugsrechtsausschlus­ ses ex ante nicht, den Investoren Verwässerungsschutz zu gewähren. Jedenfalls prinzipiell steht es Kapitalgebern und Gründern frei, auf schuldrechtlicher Ebe­ ne im Verhältnis untereinander Maßnahmen zu vereinbaren, die dem Verwässe­ rungschutz dienen. Denkbar sind etwa bedingte Übertragungsverpflichtungen, die sich entweder auf Altanteile beziehen oder auf die Bezugsrechte der Grün­ der.742 Die Zulässigkeit solcher Gestaltungen wird unten gesondert behandelt.743 bb)  Erhaltung der Zahlungsfähigkeit nach Beteiligung Ein Investor, der seine Verwässerungsschutzrechte durchsetzen will, argumen­ tiert möglicherweise, wenn der Bezugsrechtsausschluss nicht zustande komme, stimme er der weiteren Kapitalerhöhung nicht zu, die der Beteiligung des neuen 741 

So das Argument von Brehm, S.  132; Ziegert, S.  199. Zur letztgenannten Variante Martinius/Stubbert, BB 2006, 1977, 1981. 743  Unten §  2. 742 

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

Kapitalgebers dienen soll. Als Gesellschafter sei er schließlich nicht verpflichtet, eine solche Maßnahme mitzutragen. Ohne Kapitalerhöhung finde aber keine Mittelzufuhr statt. Die Gesellschaft gerate damit angesichts ihrer dünnen Ka­ pitaldecke sehr schnell an den Rand der Zahlungsunfähigkeit und werde insol­ venzreif. Das Interesse der Gesellschaft am Bezugsrechtsausschluss hinsichtlich der Kapitalmaßnahme zur Durchführung des Verwässerungsschutzes liege also wirtschaftlich betrachtet in der Erhaltung ihrer Zahlungsfähigkeit. Das vermag im Ergebnis nicht zu überzeugen. Weigert sich der Altinvestor, der Kapitalerhöhung zur Aufnahme des neuen Investors zuzustimmen, und würde infolge dieser Weigerung die Gesellschaft zahlungsunfähig im insol­ venzrechtlichen Sinne, träte aktienrechtlich gemäß §  262 Abs.  1 Nr.  3 AktG mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Auflösung der Gesellschaft ein.744 Die Lage gliche derjenigen im „Girmes“-Fall, in dem der Bundesgerichtshof die Verweigerung der Zustimmung durch einen Minderheitsaktionär in einer Sa­ nierungssituation im Hinblick auf §  262 Abs.  1 Nr.  2 AktG als treuwidrig erach­ tete, weil eine Minderheit die Auflösung nicht erzwingen könne.745 Hieran lässt sich anknüpfen: Sofern die mit Verwässerungsschutzklauseln ausgestatteten Investoren nicht über die nach §  262 Abs.  1 Nr.  2 AktG notwendige Beschlussmehrheit verfügen, liegt es nicht in ihrer Hand, die Auflösung der Gesellschaft gegen den Willen der Gründer zu erzwingen. Ob sie diesbezüglich – erst – in der Hauptversamm­ lung die Zustimmung zur Kapitalerhöhung verweigern oder ob sie – schon – von vornherein die Durchführung der Hauptversammlung ablehnen, ist hierfür irrelevant. Folge ist angesichts der wirtschaftlich problematischen Situation einer mit Wagniskapital finanzierten Gesellschaft alsbald die Zahlungsunfähigkeit im Sinne von §  17 Abs.  2 InsO und die daraus resultierende Pflicht, nach §  15a Abs.  1 S.  1 InsO den Insolvenzantrag zu stellen, der zur Eröffnung des Insol­ venzverfahrens oder zur Ablehnung mangels Masse führt und damit zur Auflö­ sung der Gesellschaft nach §  262 Abs.  1 Nr.  3 oder Nr.  4 AktG. Der Kapitalge­ ber, der sich der Kapitalerhöhung verweigert und damit indirekt die Auflösung der Gesellschaft bewirkt, führt eine Folge herbei, die er bei ordnungsgemäßem Vorgehen ohne ausreichende Stimmenmehrheit nicht herbeiführen könnte. Hieraus ergibt sich die Pflicht, der Kapitalmaßnahme zuzustimmen. d)  §  311 Abs.  1 AktG als Obstruktionsverbot Die Kapitalgeber sind herrschendes Unternehmen im Sinne von §  17 Abs.  1 AktG und unterliegen daher dem Nachteilszufügungsverbot des §  311 Abs.  1 744  Das Gleiche gilt, sofern die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abge­ lehnt wird, §  262 Abs.  1 Nr.  4 AktG. 745  BGHZ 129, 136, 152.

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AktG.746 Anhand dieser Norm lässt sich ein weiteres Argument konstruieren, wieso die Investoren die Durchführung einer Kapitalerhöhung nicht blockieren dürfen: „Nachteil“ im Sinne der zuletzt genannten Vorschrift sind alle Maßnahmen, die das Vermögen oder die Ertragskraft der Gesellschaft betreffen.747 Der Ein­ tritt der Insolvenzreife und die damit einhergehende Auflösung der Gesell­ schaft erfüllen diese Voraussetzung. Da die Auflösung nicht den gesetzlich vor­ gesehenen Weg des §  262 Abs.  1 Nr.  2 AktG nähme, sondern auf einer Maßnah­ me des Investors beruhte, die an sich den Anforderungen an eine privatautonom herbeigeführte Auflösung nicht genügte, und da zudem kein Ausgleich im Sin­ ne von §  311 Abs.  1 AktG geleistet würde,748 wäre das Handeln des Kapitalge­ bers rechtswidrig. Das zöge die Schadensersatzpflicht des §  317 Abs.  1 S.  1 AktG nach sich. Scha­ densersatz gemäß §  317 Abs.  1 S.  1 AktG ist vorrangig auf Naturalrestitution im Sinne von §  249 Abs.  1 BGB gerichtet.749 Diese Naturalrestitution bestünde nun, Sanierungsfähigkeit der Gesellschaft unterstellt, gerade in der Zustimmung zur Durchführung der Kapitalerhöhung mit dem Zweck, einem neuen Investor die Beteiligung im Gegenzug für eine angemessene Bareinlage zu ermöglichen. Im Ergebnis folgt also aus §  311 Abs.  1 AktG die Pflicht des Altinvestors, sich der Kapitalerhöhung nicht entgegenzustellen. Daher darf er sich nicht darauf berufen, der Bezugsrechtsausschluss zu seinen Gunsten liege schon deshalb im Interesse der Gesellschaft, weil diese ansonsten, das heißt ohne zweite Kapital­ maßnahme mit dem Zweck der Beteiligung des neuen Kapitalgebers, überhaupt keine neuen Mittel vereinnahmen könne. Dass dies nicht gleichzeitig zu der Pflicht führt, über die Zustimmung zur Kapitalerhöhung hinaus selbst an dieser teilzunehmen und Kapital nachzuschießen, bedarf keiner weiteren Begrün­ dung.750

4.  Besonderheiten im Rahmen eines genehmigten Kapitals Beim genehmigten Kapital kann sich ein weiteres Problem hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Bezugsrechtsausschlusses ergeben: Existieren zwei An­ teilsgattungen, etwa weil die Gründer über Stammaktien und die Investoren über Vorzugsaktien verfügen, erstreckt sich nach vielfach vertretener Meinung das Bezugsrecht sämtlicher Gesellschafter auf sämtliche ausgegebene Anteilsar­ 746 

Oben 2. Teil B. §  2 I.2. S.  nur Koppensteiner, in: KK-AktG, §  311 Rn 72. 748  Der notwendige Ausgleich bestünde genau in der Mittelzuführung an die Gesellschaft, die der sich auf die Verwässerungsschutzklausel berufende Kapitalgeber nicht vornehmen möchte. 749  Statt aller: Koppensteiner, in: KK-AktG, §  317 Rn.  20. 750  Vgl. auch BGHZ 129, 136, 151. 747 

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ten.751 Das Bezugsrecht beschränkt sich dieser Ansicht gemäß also nicht auf neue Anteile der Gattung, deren Anteile ein Gesellschafter bereits hält. Zu die­ sem Zweck ist es notwendig, das Bezugsrecht auszuschließen. Allerdings halten die Vertreter der eben erwähnten Ansicht den Ausschluss zur Erhaltung der Gattungseinheit stets für zulässig.752 Damit ergeben sich keine Unterschiede zu den Ergebnissen der Autoren, die das Bezugsrecht von vornherein nur gat­ tungsbezogen zuweisen.753

5.  Unangemessener Ausgabebetrag nach §  255 Abs.  2 S.  1 AktG Stimmen sämtliche Gesellschafter dem Bezugsrechtsausschluss zu, bedarf die­ ser nach allgemeiner Ansicht keiner materiellen Rechtfertigung, so dass auch kein Gesellschaftsinteresse nachzuweisen ist.754 Nicht aufgehoben wird mit die­ ser Zustimmung allerdings die Wertschwelle des §  255 Abs.  2 S.  1 AktG, wonach ein Anfechtungsrecht im Sinne von §  243 AktG besteht, wenn der sich aus dem Erhöhungsbeschluss ergebende Ausgabebetrag unangemessen niedrig ist.755 Diese Norm gilt sowohl für das genehmigte Kapital756 als auch (analog) für die Ausgabe von Optionsanleihen.757 Ohne die schwierigen Details dessen, was „unangemessen niedrig“ im Sinne von §  255 Abs.  2 S.  1 AktG ist, näher aufklären zu müssen, ergibt sich bei Ver­ wässerungsschutzklauseln schon aus ihrer Konzeption notwendig das Unter­ schreiten der gesetzlichen Wertgrenze: Verwässerungsschutzklauseln erfüllen ihren Zweck nur, wenn die Anteile oder Optionsanleihen, die der Umsetzung des Verwässerungsschutzes dienen, 751  In diesem Sinne etwa Hüffer/Koch, §  186 Rn.  8; Lutter, in: KK-AktG, §  186 Rn.  3, 17; Rittig, NZG 2012, 1292, 1293; Werner, AG 1971, 69, 73. 752  S.  nur Lutter, in: KK-AktG, §  186 Rn.  68; Rittig, NZG 2012, 1292, 1293 ff.; Werner, AG 1971, 69, 73. 753  In letzterem Sinne die wohl heute herrschende Meinung, s. etwa G.Bezzenberger, FS Quack, S.  153, 161; T.Bezzenberger, Vorzugsaktien, S.  153; Frey/Hirte, DB 1989, 2465, 2468; Groß, AG 1993, 449, 452; Peifer, in: MünchKommAktG, §  186 Rn.  27; Wiedemann, §  186 Rn.  69. 754  Statt aller Hüffer/Koch, §  186 Rn.  25. Diese Zustimmung gibt es in der Praxis keines­ wegs immer; so bezeichnen Anwälte den Abschluss von Abstimmungsvereinbarungen unter Beteiligung sämtlicher Gesellschafter als „Idealfall“, von Einem/Schmidt/Meyer, BB 2004, 2702, 2704. 755  Freilich wiederum gebunden daran, dass nicht sämtliche Gesellschafter der Ausgabe unter Wert zustimmen. Dann läuft §  255 Abs.  2 S.  1 AktG leer. 756  Hüffer/Koch, §  255 Rn.  1; K.Schmidt, in: GK-AktG, §   255 Rn.  3; Stilz, in: Spindler/ Stilz, §  255 Rn.  1. 757  OLG Bremen AG 1992, 268, 270; OLG München NZG 2006, 784, 788 f.; Hirte, in: GKAktG, §  221 Rn.  143; K.Schmidt, in: GK-AktG, §  255 Rn.  6; Stilz, in: Spindler/Stilz, §  255 Rn.  13. Hinsichtlich des bedingten Kapitals zur Bedienung der Optionsanleihen (§  192 Abs.  2 Nr.  1 AktG) ist zu beachten, dass die Aktionäre kein gesetzliches Bezugsrecht haben (BGH AG 2006, 246, 247; Hüffer/Koch, §  192 Rn.  3).

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möglichst niedrig bewertet sind. Nur so lässt sich erreichen, dass rückwirkend der durchschnittliche Anteilspreis in wirtschaftlicher Hinsicht gesenkt wird.758 Die Optionsanleihen etwa werden üblicherweise zu A 1 ausgegeben.759 Das liegt in den meisten Fällen erheblich unter dem, was angemessen ist: a)  Optionsanleihen und §  255 Abs.  2 S.  1 AktG Dies folgt schon aus einem Vergleich zur Anteilsbewertung. Zwar ist unklar, wie sich Optionsanleihenwert und Anteilswert genau zueinander verhalten.760 Doch kommt es darauf nicht an. Sobald ein Investor für neue Anteile deutlich mehr als A 1 zahlt und in dieser Runde zugleich im Rahmen der Verwässerungs­ schutzvorkehrungen Optionsanleihen zu A 1 ausgeben werden, ergibt sich, dass die Optionsanleihen gemessen an den aktuell ausgegebenen Aktien zu niedrig bewertet sind. Je erfolgreicher die Geschäfte geführt werden und je später im Finanzie­ rungszyklus der Investor beitritt, desto höher liegt der Wert der Anteile und desto stärker sprechen die Indizien dafür, dass die Ausgabe von Optionsanlei­ hen für einen Preis von A 1 gegen §  255 Abs.  2 S.  1 AktG analog verstößt. b)  Genehmigtes Kapital und §  255 Abs.  2 S.  1 AktG Bei der Ausgabe von Anteilen unter Ausnutzung eines genehmigten Kapitals ist zunächst zu vergegenwärtigen, dass die Festlegung der Ausgabebedingungen, die für §  255 Abs.  2 S.  1 AktG maßgeblich ist, gemäß §  204 Abs.  1 S.  1 AktG so­ wohl im Hauptversammlungsbeschluss vorgenommen werden kann als auch erst, bei entsprechender Ermächtigung, vom Vorstand.761 Im letzteren Fall be­ zieht sich die Angemessenheitskontrolle auf die Vorstandsentscheidung.762 Legt erst der Vorstand die Ausgabebedingungen fest, geschieht dies im Zuge der Verhandlungen über den Beitritt eines neuen Investors. Dies ist der Zeit­ punkt, in dem aus Sicht des früheren Kapitalgebers der Verwässerungsschutz relevant wird, weil sich jetzt zeigt, dass der neu Hinzutretende einen geringeren Preis pro Aktie zahlen möchte als der in einer vorherigen Finanzierungsrunde Beigetretene für seine Anteile. Greift nun ein Kapitalgeber auf seine Verwässe­ rungsschutzrechte zurück und übt der Vorstand seine Ermächtigung in der Weise aus, dass er die Anteile für den Mindestbetrag von A 1 pro Aktie ausgibt, existiert ein Vergleichsmaßstab für die Angemessenheitsprüfung nach §  255

758 

S.  schon oben 1. von Einem/Schmid/Meyer, FB 2003, 879, 881. 760  S.  etwa (zu Genussrechten) Ebenroth/Müller, BB 1993, 509, 513: „Wertfeststellung der Genußrechte in Relation zu den Aktien schwierig“. 761  S.  h ierzu Ekkenga, AG 2001, 615, 622. 762  BGHZ 136, 133, 141; BGHZ 144, 290, 295. 759 

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

Abs.  2 S.  1 AktG – die Bewertung der Aktien aus der anderen Kapitalmaßnah­ me durch den neuen Investor. Damit besteht ein aktuell messbarer Marktpreis. Diesen kann der Altinvestor nicht für die Anteile aus dem genehmigten Ka­ pital zahlen, will er seinen Verwässerungsschutz durchsetzen. Der von ihm ge­ zahlte Preis pro Aktie muss denjenigen deutlich unterschreiten, den der neue Kapitalgeber bietet. Nur so vermag der Durchschnittspreis für die vom frühe­ ren Kapitalgeber erworbenen Anteile rechnerisch gesenkt zu werden. Die Un­ terbewertung ist Verwässerungsschutzregeln also inhärent. Sie funktionieren nur, wenn der Geschützte die Aktien zu einem möglichst geringen Preis be­ zieht, der zwingend unter dem Marktpreis liegen muss. Damit ist das Ergebnis der Angemessenheitsprüfung für den Fall vorgezeich­ net, dass bereits die Hauptversammlung die Ausgabebedingungen im Ermäch­ tigungsbeschluss festlegt. Auch hier lässt sich ein aktueller Marktpreis als Ver­ gleich heranziehen. Dabei handelt es sich um den Preis, den der Investor für die Anteile zahlt, die er „regulär“ erwirbt. Der Verwässerungsschutz ist seine Be­ dingung für den Beitritt und wird daher gleichzeitig oder kurz nach seinem Beitritt in Kraft gesetzt. Wiederum gilt: Wenn der Verwässerungsschutz wirk­ sam sein soll, muss der Preis der Anteile aus dem genehmigten Kapital unter dem Preis für die sonstigen Aktien liegen, weil nur so der durchschnittliche Preis bezogen auf sämtliche Anteile gesenkt werden kann.

II.  Bezugsrechtsausschluss und Verwässerungsschutzklauseln in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung 1.  Bezugsrechte in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung Auch wenn im GmbH-Recht noch nicht endgültig geklärt ist, ob analog §  186 Abs.  1 AktG ein gesetzliches Bezugsrecht der Gesellschafter besteht,763 verlan­ gen sämtliche Autoren, der Ausschluss von Mitgliedern vom Bezug neuer An­ teile müsse im Gesellschaftsinteresse liegen und verhältnismäßig im weiteren Sinne sein.764 Die Literatur stellt teilweise höhere Anforderungen als in der Ak­ tiengesellschaft.765 In der Konsequenz gilt für die Gesellschaft mit beschränk­ ter Haftung also erst recht das oben für die Aktiengesellschaft begründete Er­ gebnis.766 Zwar vertreten einige Kommentatoren, §  221 Abs.  4 AktG finde auf Genuss­ rechte einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung keine Anwendung.767 Wäre 763 

Vgl. bereits die Nachweise in C. §  3 III. Für die herrschende Meinung Lieder, in: MünchKommGmbHG, §  55 Rn.  86 ff., 104; für die Gegenansicht Ulmer, in: GK-GmbHG, §  55 Rn.  48. 765  Lieder, in: MünchKommGmbHG, §  55 Rn.  70. 766  Oben I.3. 767  Fastrich, in: Baumbach/Hueck, §  29 Rn.  91; Müller, in: GK-GmbHG, Anh. §  29 Rn.  30; 764 

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dies richtig, stellte sich die gleiche Frage bei Optionsanleihen, für die im Akti­ enrecht hinsichtlich des Bezugsrechts dieselbe Norm gilt. Das hätte erhebliche Folgen für die Bewertung des Verwässerungsschutzes. Allerdings kann das Problem letztlich dahinstehen. Jedenfalls für sogenannte Finanzierungsgenuss­ scheine erwägen selbst diejenigen, die §  221 Abs.  4 AktG grundsätzlich nicht für analog anwendbar halten, ein Bezugsrecht.768 Dann muss dies auch für Op­ tions­anleihen gelten. Anders als viele Genussscheine gefährden die Optionsanleihen, um die es im Zusammenhang mit Verwässerungsschutzrechten geht, die Beteiligung derjeni­ gen, die keine Optionsanleihen erhalten. Aufgrund dieser Verwässerungsgefah­ ren ist davon auszugehen, dass hier in Analogie zu §  221 Abs.  4 AktG ein Be­ zugsrecht besteht. Die Gefährdungslage ist keine andere als in der Aktiengesell­ 221 Abs.   4 AktG schaft. Der Hinweis darauf, es fehle gerade an einer §   vergleichbaren Norm, ist kein taugliches Gegenargument. Denn das Gleiche gilt für die Möglichkeit der Ausgabe von Optionsanleihen, wie sie §  221 Abs.  1 AktG vorsieht.

2.  Zulässigkeit des Bezugsrechtsausschlusses Haben die Altmitglieder demnach auch in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung Bezugsrechte unabhängig von der gewählten Variante des Verwässe­ rungsschutzes, sind die zur Aktiengesellschaft angestellten Überlegungen übertragbar. Der Bezugsrechtsausschluss ist also ebenfalls unzulässig, soweit er der Umsetzung von Verwässerungsschutzvereinbarungen im Wege von Kapi­ talmaßnahmen dienen soll, unabhängig davon, ob Optionsanleihen ausgegeben werden oder ein genehmigtes Kapital genutzt wird.769

3. Angemessenheitskontrolle Ebenso sind die Überlegungen zur Angemessenheitskontrolle übertragbar. Zwar existiert keine §  255 Abs.  2 S.  1 AktG vergleichbare Norm. Doch unab­ hängig von der analogen Anwendbarkeit der Norm770 ist anerkannt, dass die neuen Anteile nicht zu unangemessen niedrigen Preisen ausgegeben werden Seibt, in: Scholz, §  14 Rn.  72. Fastrich und Müller wollen (jeweils aaO.) jedoch wenigstens den Gleichbehandlungsgrundsatz als Schranke anwenden. Für ein Bezugsrecht analog §  221 Abs.  4 AktG dagegen Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, §  55 Rn.  60. 768  Fastrich, in: Baumbach/Hueck, §  29 Rn.  91. 769  Zwar gilt in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung §  311 Abs.  1 AktG nicht (statt aller: Maul, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, Anh. zu §  13 Rn.  51), so dass anders als oben in I.3.d) auf diese Norm nicht abgestellt werden kann. Doch sind in der Gesellschaft mit be­ schränkter Haftung Treuepflichten der Gesellschafter allgemein anerkannt, so dass es im Er­ gebnis keine Unterschiede gibt. 770  Für eine analoge Anwendung plädieren etwa Lieder, in: MünchKommGmbHG, §  55

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dürfen.771 Selbst wenn für das GmbH-Recht von einer Versubjektivierung der Angemessenheitsprüfung auszugehen wäre, so dass es auf die Erkennbarkeit der Unterbewertung im Zeitpunkt der Beschlussfassung ankäme,772 ergäben sich keine Abweichungen zu dem oben zum Aktienrecht begründeten Ergebnis. Auch für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung gilt, dass die Anteile, die im Rahmen der Verwässerungsschutzmaßnahmen ausgegeben werden, notwen­ dig möglichst niedrig – und damit unter dem „inneren Wert“ der Anteile – be­ preist werden müssen, um das Ziel der Verwässerungsschutzklauseln zu errei­ chen.773

III.  Schuldrechtliche Vereinbarungen über den Bezugsrechtsausschluss Unter gestalterischen Aspekten liegt der Einwand nahe, die Ausführungen zur fehlenden Rechtfertigung des Bezugsrechtsausschlusses hätten für die Praxis nur in wenigen Fällen Bedeutung.774 Schließlich komme es auf die materielle Rechtfertigung des Bezugsrechtsausschlusses nicht an, wenn sämtliche Gesell­ schafter der Maßnahme zustimmen. Diese Zustimmung werde durch Stimm­ bindungsvereinbarungen gesichert, in denen sich die Gründer und andere Alt­ gesellschafter gegenüber den durch Verwässerungsschutzbestimmungen ge­ schützen Investoren verpflichteten, im Fall der Inanspruchnahme dieser Klauseln die Durchführung zu fördern, insbesondere ihr Stimmrecht entspre­ chend auszuüben.775 Kombiniert mit einer Vertragsstrafenregelung776 gewähr­ leiste das die einheitliche Stimmausübung. Vergleichbares gelte, wenn die Gründer ihr Bezugsrecht an die berechtigten Kapitalgeber aufgrund einer ­ schuld­rechtlichen Grundlage übertrügen.777 Wer diesen Einwand formuliert, berücksichtigt indes einen entscheidenden Punkt nicht: Selbst wenn sich sämtliche Gesellschafter an der Abrede beteiligen,778 besei­ tigen weder eine Stimmbindungsvereinbarung noch eine schuldrechtliche Ver­ Rn.  100; Rottnauer, ZGR 2007, 401, 436. Gegen eine Analogie, aber für „die Heranziehung der Grundsätze des §  255 II AktG“ OLG Stuttgart NZG 2000, 156, 158. 771 Statt aller OLG Stuttgart, NZG 2000, 156, 158; Heckschen, DStR 2001, 1437, 1443; Lieder, in: MünchKommGmbHG, §  55 Rn.  100; Rottnauer, ZGR 2007, 401, 436; Ulmer, in: GK-GmbHG, §  55 Rn.  25, jeweils mit weiteren Nachweisen. 772  Dafür etwa OLG Stuttgart, NZG 2000, 156, 158 f. Kritisch Rottnauer, ZGR 2007, 401, 436. 773  Oben I.5. 774  In diesem Sinne etwa Martinius/Stubert, BB 2006, 1977, 1981. 775 Zu solchen Stimmbindungsvereinbarungen im Zusammenhang mit Verwässerungs­ schutzklauseln etwa von Einem/Schmid/Meyer, BB 2004, 2702, 2704. 776 Vertragsstrafenregelungen sind üblich, s. von Einem/Schmidt/Meyer, FB 2003, 879, 880, 881; dies., BB 2004, 2702, 2704. 777  Brehm, S.  132; Martinius/Stubert, BB 2006, 1977, 1981. 778  Was nicht immer der Fall ist, vgl. von Einem/Schmid/Meyer, BB 2004, 2702, 2704, die allseitige Vereinbarungen als „Idealfall“ bezeichnen.

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pflichtung zur Übertragung des Bezugsrechts sämtliche Schwierigkeiten. Sol­ che Verträge verlagern sie lediglich auf eine andere Ebene. Es ergibt sich ein neues Problem, nunmehr hinsichtlich der Wirksamkeit dieser Abreden. Ihr Effekt besteht nämlich darin, die Gründer zur Mitwirkung an einer Maß­ nahme zu verpflichten, die häufig zu einer erheblichen Reduktion des Umfan­ ges ihrer Beteiligung an der finanzierten Gesellschaft führt. Je nach Ausgestal­ tung der Verwässerungschutzregelungen kann sich der Beteiligungsumfang innerhalb einer Finanzierungsrunde von etwas über 30% auf deutlich unter 5% verringern. Das wurde oben bereits ausführlich erläutert.779 Im Ergebnis führt dies zu einer Situation, die der Hinauskündigung gleicht: Ob die Gründer aus der Gesellschaft gedrängt werden oder jedenfalls in ei­ nem Maße an Einfluss verlieren, dass sie nicht mehr in relevantem Umfang auf die Geschicke der Gesellschaft einwirken können,780 liegt nicht in ihrer Hand, sondern allein im Ermessen der Investoren, die über Verwässerungsschutzrech­ te verfügen. Das zwingt nicht dazu, diese Klauseln im Sinne der hergebrachten Recht­ sprechung des Bundesgerichtshofs zu Hinauskündigungsklauseln stets wegen Verstoßes gegen §  138 Abs.  1 BGB für nichtig zu erklären. Immerhin kann der Kapitalgeber sein Recht nur in einer Down Round ausüben. Insofern existiert jedenfalls ein Ansatz, einen Sachgrund als Voraussetzung bejahen zu können. Diese Problematik stellt sich genauso im Zusammenhang mit Vereinbarungen zum Verwässerungsschutz, die rein schuldvertraglich konzipiert sind, also nicht im Wege von Kapitalmaßnahmen im bislang diskutierten Sinne durchge­ setzt werden. Aufgrund dieses Zusammenhangs wird die Frage nach der Wirk­ samkeit schuldrechtlicher Abstimmungsvereinbarungen gemeinsam mit Ver­ wässerungsschutzabreden auf schuldrechtlicher Basis behandelt.781

IV. Ergebnisse Vereinbarungen zum Verwässerungsschutz zu Gunsten der Investoren, die durch Kapitalmaßnahmen oder die Ausgabe von Wandelanleihen umgesetzt werden sollen, scheitern im deutschen Recht sowohl daran, dass das Gesell­ schaftsinteresse am Bezugsrechtsausschluss fehlt, als auch an der notwendigen Unterbewertung der Anteile und Anleihen. Auf der Ebene der Kapitalgesell­ schaft lassen sich also keine Bestimmungen zum preisbasierten Verwässerungs­ schutz durchsetzen. Anderes gilt nur dann, wenn sämtliche Gesellschafter so­ wohl dem Bezugsrechtsausschluss als auch der Unterbewertung zustimmen.

779 

Oben 1. Teil B. §  5 II.1., 2. und die Fallstudie im 1. Teil B. §  12 II. Etwa weil sie ihre Sperrminorität verlieren. 781  Unten §  2 I.3. 780 

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§  2  Schuldrechtliche Verwässerungsschutzklauseln Schuldrechtliche Verwässerungsschutzklauseln berechtigen den Begünstigten, von den Gründern die kompensationslose Übertragung von so vielen Anteilen aus deren Bestand782 zu verlangen, bis in wirtschaftlicher Hinsicht der Preis pro Anteil auf die gewünschte Größenordnung gesenkt ist. Sachlich ähneln diese Vereinbarungen Hinauskündigungsklauseln insoweit, als der Anteilsverlust der Gründer vom Ermessen der Berechtigten abhängt.783 Die sich anschließenden Überlegungen befassen sich mit der Zulässigkeit die­ ser schuldrechtlichen Form des Verwässerungsschutzes, getrennt nach Aktien­ gesellschaft (I.) und Gesellschaft mit beschränkter Haftung (II.). Mitbehandelt werden aufgrund der sachlich vergleichbaren Problematik Stimmbindungsver­ einbarungen über die Zustimmung zur Durchführung von Verwässerungs­ schutz durch Kapitalmaßnahmen.784

I.  Schuldrechtlicher Verwässerungsschutz in der Aktiengesellschaft Im Folgenden werden die beiden eben beschriebenen Klauseln auf ihre Zuläs­ sigkeit hin überprüft, zunächst – unter 1. – in ihrer starken Form („Full Ratchet“), dann in der Version mit Gewichtung (2.). Abschließend folgt ein Blick auf Stimmbindungsvereinbarungen über die Zustimmung zu Verwässe­ rungsschutzvarianten durch Kapitalmaßnahmen (3.).

1.  Starke Verwässerungsschutzklauseln („Full Ratchet Rights“) Starke Verwässerungsschutzklauseln führen in der Regel dazu, dass die Beteili­ gungsquote der Gründer stark sinkt, häufig in den niedrigen einstelligen Be­ reich. Das wurde oben bereits dargestellt.785 Zur Rechtfertigung wird darauf verwiesen, die Investoren müssten sich vor der zu positiven Darstellung des Unternehmenswertes („Window Dressing“) schützen. Zudem hebt ein Teil der Literatur hervor, solche Klauseln dienten dem Interesse der Kapitalgeber, ihre Beteiligung vor Verschlechterung zu schützen (zu beiden Argumenten unten b]).786 Ob im Einzelfall die Abschlusskontrolle der Ausübungskontrolle vor­ geht, ist Gegenstand des Unterabschnitts (c]). Zunächst ist jedoch die Wirkung 782  Hierin liegt der entscheidende Unterschied zum Verwässerungsschutz mit Hilfe von Kapitalmaßnahmen in der oben dargestellten Form. 783  Dazu bereits oben §  1 I.3., Text vor a). 784  Vgl. zu den für die Kapitalmaßnahmen selbst einschlägigen Regelungen bereits §  1 I. 785  Fallstudie im 1. Teil B. §  12 II., weitere Berechnungsbeispiele im 1. Teil B. §  5 II.1.b), c) aa). 786  S.  einstweilen nur Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 96. Weitere Nachweise unten im Text im Rahmen der Sachprüfung.

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starker Verwässerungsschutzklauseln anhand eines Vergleichs zu Hinauskün­ digungsklauseln herauszuarbeiten (a]). a)  Auswirkungen starker Verwässerungsschutzklauseln Verwässerungsschutzklauseln der hier zu untersuchenden starken Form wir­ ken, wie bereits eingangs angedeutet, ähnlich wie Hinauskündigungsklauseln. Die betroffenen Gründer werden infolge der „Todesspirale“787 von einer zweistelligen Beteiligungsquote innerhalb einer Finanzierungsrunde in die Po­ sition eines Kleinstaktionärs gedrängt. Das trifft sie wirtschaftlich sogar noch härter als diejenigen, die einer typischen Hinauskündigung unterliegen. Denn die Gründer verlieren nicht nur sämtliche Gewinnbezugsrechte für die Zu­ kunft. Ihnen kommen zudem sämtliche Aussichten abhanden, für ihre bislang erbrachten Tätigkeiten vergütet zu werden. Hier gilt es, sich die besondere Lage bei Wagniskapitalfinanzierungen zu vergegenwärtigen: Aufgrund der dünnen Kapitaldecke der Gesellschaft erhalten die Gründer für ihre Tätigkeit lediglich ein geringes Gehalt ausgezahlt. Sie arbeiten gestützt auf die Hoffnung, dass sich das Unternehmen wie gewünscht entwickelt, so dass sie Vermögenszuwächse über die Steigerungen des Anteilswertes erzielen. Je reifer das Unternehmen ist, desto mehr Know-how ist zu Gunsten der Ge­ sellschaft und ihrer Mitglieder in dieser gebunden, etwa durch Patentrechte. Damit verfügen die Gründer nicht mehr exklusiv über dieses Wissen. Außer­ dem können sie es aufgrund der juristischen Zuordnung in die Sphäre der Ge­ sellschaft nicht mehr frei verwerten. Verlieren die Gründer nun nahezu sämtli­ che Anteile, verlieren sie demnach jede Chance, vergangene Leistungen wirt­ schaftlich zu kompensieren. Diesbezüglich ist außerdem zu berücksichtigen, dass sie dies selbst dann nicht ohne Weiteres hätten tun können, wenn sie es gewollt hätten, etwa indem sie einige ihrer Anteile veräußern. Die verschiede­ nen Regelungen zu deren Bindung („Vesting“)788 versperren ihnen auch diesen Weg. Ob und in welchem Umfang die Verwässerungsschutzklausel ausgeübt wird, richtet sich nach dem freien Ermessen der berechtigten Kapitalgeber. Im Unter­ schied zu Hinauskündigungsklauseln ist das Ereignis der Ausübung allerdings definiert: Nur in einer „Down Round“, wenn also in einer Runde die Anteils­ bewertung niedriger ausfällt als in einer früheren Runde, kann der Investor sein Recht nutzen.789 Doch folgt hieraus kein wesentlicher Unterschied zu der Situ­ ation, die der Bundesgerichtshof bei Hinauskündigungsklauseln als problema­ tisch erachtet. Vielmehr wird man im Gegenteil sagen müssen: Gerade in einer wirtschaftlich schwierigen Lage ist der Hebel, über den die Kapitalgeber mit 787 

Oben 1. Teil B. §  5 II.1.c)aa). Dazu 1. Teil B. §  6 II.2. und unten E. §  2. 789  Zum Begriff der Down Round oben 1. Teil Fußnote 40 und 1. Teil B. §  12 I. 788 

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einer Full Ratchet-Klausel verfügen, besonders lang und damit besonders wir­ kungsvoll. Angesichts des für die Gründer bestehenden Dilemmas, sogar die Aussicht zu verlieren, wenigstens Vergütung für ihre bislang geleistete Tätigkeit zu erlangen, ist der Druck, sich Wünschen der Investoren zu beugen und seine Mitgliedschaftsrechte entsprechend auszuüben, immens. b) Rechtfertigungsansätze Angesichts der erheblichen Auswirkungen starker Verwässerungsschutzklau­ seln zu Lasten der Gründer stellt sich wie bei Hinauskündigungsklauseln die Frage nach den Grenzen der Gestaltungsfreiheit. Der Bundesgerichtshof rückt inzwischen von seinem Sittenwidrigkeitsverdikt über Hinauskündigungsklau­ seln ab, sofern Sachgründe für die Vereinbarung dieser Abreden vorliegen (dazu aa]). Das öffnet den Weg in die Prüfung, welche Gesichtspunkte für die Rechtfer­ tigung der Verwässerungsschutzklauseln in Betracht kommen. So ergibt sich bei Wagniskapitalfinanzierungen ein regelungsbedürftiges Anreizproblem: Aus Sicht der Investoren besteht die Gefahr, dass die Gründer, die gleichzeitig Mitglieder der Geschäftsleitung sind, den Zustand der Gesellschaft zu positiv darstellen, um die Fortführung der Finanzierung zu sichern („Window Dres­ sing“).790 Ob dies Full Ratchet Rights rechtfertigt, ist Gegenstand der unter bb) angestellten Überlegungen. Weiterhin berufen sich die Investoren typischerweise darauf, in einer Down Round müssten sie gegen eine zweifache Verwässerung ihrer Beteiligung ge­ schützt werden. Diese folge daraus, dass sie nicht nur, wegen des Eintritts neuer Kapitalgeber, Einbußen in ihrer Beteiligungsquote hinzunehmen hätten, son­ dern sich zusätzlich der Wert ihrer Beteiligung verringere, weil sie im Vergleich zu den Neugesellschaftern „überzahlt“ hätten.791 Dem liegt offenbar der Ge­ danke zugrunde, ohne das von ihnen, den Altinvestoren, zur Verfügung gestell­ te Kapital hätte das Unternehmen niemals in Gang gebracht werden können, so dass sie einen Ausgleich benötigten. Nachdem dies unter cc) einer näheren Be­ trachtung unterzogen wurde, ist abschließend sub dd) dem Argument nachzu­ gehen, die Gründer hätten die Vereinbarung freiwillig abgeschlossen. aa)  Vorüberlegung: Rechtfertigung von Hinauskündigungsklauseln Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verstoßen Vereinbarungen, die das Recht gewähren, ein Mitglied ohne sachlichen Grund aus einer Gesell­ 790 

Ausführlich 1. Teil A. §  2 IV. Brehm, S.  133; Martinius/Stubert, BB 2006, 1977, 1981; von Einem/Schmid/Meyer, BB 2004, 2702, 2703; Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 96. Die „Überzahlung“ ergibt sich aus dem Vergleich von aktuellem Anteilspreis und in der vorherigen Runde gezahltem Anteilspreis. In einer „Down Round“ liegt der aktuelle Preis unter dem früheren. 791 

D.  Schutz vor Verwässerung und Abwertung

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schaft auszuschließen, grundsätzlich gegen §  138 Abs.  1 BGB.792 Solche „Hin­ auskündigungsklauseln“ seien geeignet, als Diszplinierungsmittel vergleichbar mit dem „Damoklesschwert“ eingesetzt zu werden, das den betroffenen An­ teilseigner daran hindere, von seinen Mitgliedschaftsrechten freien Gebrauch zu machen.793 Der Bundesgerichtshof hat diese Rechtsprechung in neuerer Zeit gelockert und geurteilt, bei Vorliegen besonderer Umstände entfalle das Verdikt der Sit­ tenwidrigkeit. Im Zusammenhang mit Management- und Mitarbeiter-Beteili­ gungs-Modellen etwa stellte der Zweite Senat darauf ab, die Koppelung des frei­ en Widerrufs der Geschäftsführerbestellung und der Beendigung der Gesell­ schafterstellung sei zulässig, weil der Beteiligung Anreizfunktion zukomme.794 In einem anderen Urteil befand er, die Hinauskündigung einer Mehrheitsgesell­ schafterin seitens des Minderheitsgesellschafters sei möglich, weil die Gekün­ digte ihre Stellung ohne Einsatz eigener finanzieller Mittel erlangt und sich der Kapitalgeber „ganz in [ihre] Hand […] gegeben“ habe.795 bb)  Schutz vor Window Dressing Window Dressing, also die übermäßig positive Darstellung des Unternehmens­ zustands, kann in zwei Situationen relevant werden: Zum einen besteht die Ge­ fahr bereits bei der Unternehmensbewertung im Vorfeld einer Finanzierungs­ runde, wenn es um die sogenannte Pre-money Bewertung geht (sogleich [1]).796 Insbesondere in Boomphasen haben die Gründer gelegentlich die Möglichkeit, auf einer sehr aggressiven Unternehmensbewertung zu bestehen, indem sie äu­ ßerst optimistische Annahmen über die Entwicklung zugrunde legen. Zum an­ deren ergibt sich die Gefahr des Window Dressing im Verlaufe einer Finanzie­ rungsrunde, wenn die Gründer das Erreichen eines Meilensteines nachweisen müssen, um weitere Mittel zu erhalten. Ein Weg, diesen Fehlanreizen zu begeg­ nen, ist die Begrenzung des Investitionsrisikos durch Verwässerungsschutz­ klauseln.797 Allerdings stellt sich bei Full Ratchet Rights die Frage, ob diese Klauseln nicht zu einer Überkompensation führen (dazu [2]). (1)  Aggressive Unternehmensbewertung Der erste Rechtfertigungsgrund, die Gefahr aggressiver Unternehmensbewer­ tung, trägt nicht. Die Investoren müssen sich insoweit vorhalten lassen, selbst 792 S.   nur BGHZ 164, 97, 101 mit Nachweisen. Eingehende (kritische) Diskussion der Rechtsprechungsentwicklung bei Hey, Freie Gestaltung, S.  212 ff. 793  BGHZ 81, 263, 268; BGHZ 164, 97, 101. 794  BGHZ 164, 98, 102 f.; BGHZ 164, 107, 111 f., 114. 795  BGHZ 112, 103, 110. 796  Zum Begriff der Pre-money Bewertung 1. Teil Fußnote 165. 797  S.  bereits 1. Teil B. §  5 II.1.d).

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

an der Bewertung beteiligt gewesen zu sein. Wenn sie einen aus ihrer Sicht über­ höhten Preis bezahlen, ist nicht einsichtig, wieso sie später zu vollen Lasten der Gründer eine Korrektur in einem Umfang sollen vornehmen dürfen, die die Gründer auf „kaltem Wege“ aus der Gesellschaft drängt. Es geht hier nicht um den Schutz vor ungewissen Entwicklungen in der Zukunft, die derzeit noch nicht absehbar waren. Vielmehr wollen sich die Investoren davor schützen, dass ihre Hoffnung enttäuscht wird, eine in der Vergangenheit getätigte Investition werde sich lohnen. Investieren die Kapitalgeber in ein Unternehmen, obwohl sie davon ausge­ hen, dass es zu hoch bewertet ist, haben sie in Kenntnis aller Umstände eine Entscheidung getroffen, deren Risiken erkennbar waren. Einem auf junge Un­ ternehmen spezialisierten Kapitalgeber, der auf Basis einer aggressiven Bewer­ tung Anteile erwirbt, ist vorzuhalten, dass der Fehler bereits in der Gegenwart – im Zeitpunkt des Anteilserwerbs – vorliegt. Es geht insoweit bei genauerer Betrachtung nicht um den Schutz vor einem Wertverlust in der Zukunft. Der Investor hat bereits im Zeitpunkt des Erwerbs überzahlt. Der in der Zukunft eintretende „Verlust“ ist nichts anderes als die Korrektur dieser Überbewer­ tung. Intern hätte der Kapitalgeber für seine Anteile bereits im Zugangszeit­ punkt nicht den höheren Wert ansetzen dürfen. (2)  Erfolgsdarstellung bei Meilensteinen Stellen die Gründer die Umstände im Zusammenhang mit Meilensteinen zu erfolgreich dar, führen Full Ratchet Rights zur Überkompensation. Die Grün­ der verlieren nicht nur Anteile in der Zahl, wie es nötig wäre, die zu positive Bewertung auszugleichen. Denn berechnet wird die im Rahmen der starken Verwässerungsschutzklausel notwendige Leistung der Gründer an die Investo­ ren ausgehend vom ursprünglich entrichteten Anteilspreis. Das maximiert den Unterschied zwischen dem aktuellen Preis und dem von den geschützten Kapi­ talgebern gezahlten. Besonders deutlich wird die Benachteiligung der Gründer in einer Situation, in der sie bei einem der letzten Meilensteine der Runde Window Dressing betrieben haben und das Unternehmen sich vorher wie ge­ wünscht entwickelt hat. Dann führt die hier diskutierte Bestimmung dazu, dass das Erreichen der ersten Meilensteine wirtschaftlich betrachtet ausgeblendet wird, obwohl insoweit den Gründern kein Vorwurf zu machen ist. Im Ergebnis bürden die Investoren den Gründern so nicht nur auf, Überbewertungen auszu­ gleichen, sondern weiterhin, allgemeine Marktrisiken zu Gunsten der Kapital­ geber zu kompensieren. cc)  Schutz vor wirtschaftlicher Fehlentwicklung Der insbesondere von Praktikern geltend gemachte Zweck von Verwässerungs­ schutzklauseln, die Investoren vor einer „Überzahlung“ in der vergangenen

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Runde zu schützen, die sich nachträglich anhand der in der aktuellen Runde vorgenommenen Anteilsbewertung zeige, ist nicht geeignet, Full Ratchet Rights zu rechtfertigen. Das betrifft sowohl allgemeine Marktrisiken (dazu [1]) als auch die Auswirkungen wirtschaftlicher Fehlentscheidungen der Gründer ([2]). (1)  Schutz vor allgemeinen Marktrisiken Können die Investoren selbst dann Ausgleich verlangen, wenn die Gründer das Unternehmen korrekt führen und sich ohne ihr Zutun die Umstände des Wirt­ schaftens ändern, verlagern die Kapitalgeber das Investitionsrisiko vollständig auf die Gründer.798 Damit gleichen die Investoren ihre Beteiligung hinsichtlich sämtlicher Gefahren einem mit einem Fremdkapitaltitel verbundenen Festan­ spruch an. An positiven Entwicklungen partizipieren sie dagegen voll. Letztlich steht dies sogar im Widerspruch zur Vereinbarung des gemeinsamen Zwecks im Rahmen der Beteiligungsvereinbarung: Schließen sich Investoren und Gründer zusammen, um die wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft zu fördern, an der sie jeweils als Gesellschafter beteiligt sind, ist dies kaum damit zu vereinbaren, dass sich eine Partei – die der Kapitalgeber – eine Stellung verschafft, die materiell die gemeinsame Zweckför­ derung aufhebt, indem der anderen Seite sämtliche Risiken zugeteilt werden. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass Full Ratchet Rights die Grundsätze der Anteilsbewertung im Zusammenhang mit Kapitalerhöhungen auf den Kopf stellen: Die Anteilsbewertung beruht notwendig auf einer Prognose. Erhalten nun – einige – Erwerber aus einer Kapitalerhöhung die Möglichkeit, nachträgli­ che Korrekturen vorzunehmen, andere Anteilseigner jedoch nicht, ist eine Ver­ gleichbarkeit der Investitionsbedingungen nicht mehr gewährleistet. Der Verwässerungsschutz, den §  255 Abs.  2 S.  1 AktG zu Gunsten derjenigen bieten soll, deren Bezugsrechte ausgeschlossen sind, bezieht sich auf den Zeit­ punkt der Kapitalmaßnahme. Hiervon ausgehend wird ermittelt, wie hoch der Ausgabebetrag sein muss, um mittels einer über sämtliche Mitglieder hinweg vorgenommenen Bewertung sicherzustellen, dass Altgesellschafter und Neuak­ tionäre zu vergleichbaren Konditionen beteiligt sind. Darf eine Seite Änderun­ gen veranlassen, ist dieses System nicht mehr aufrechtzuerhalten. Besonders schwer wiegt, und das ist der entscheidende Punkt bezogen auf die Risikoverteilung bei Wagniskapitalfinanzierungen, dass die Investoren ihrer­ seits Fehlbewertungen nicht ausgleichen. Stellt sich im Nachhinein heraus, dass die Unternehmensbewertung hätte deutlich günstiger für die Gründer ausfallen müssen, geben die Kapitalgeber keine Anteile ab. Nach der Logik der Rechtfer­ tigung von Verwässerungsschutzklauseln, wie sie die Investoren zugrunde le­ gen, müsste dies jedoch bei jeder „Up Round“ der Fall sein, wenn also der An­ teilswert in der neuen Runde höher liegt als in der vorhergehenden. Allein dies 798 

Winkler, S.  177.

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

entspräche der Annahme, dass jede „Down Round“ ein Indikator für die Not­ wendigkeit einer ex post vorzunehmenden Wertanpassung ist. (2)  Schutz vor wirtschaftlichen Fehlentscheidungen der Gründer Die Investoren meinen möglicherweise, jedenfalls bei Geschäftsführungsfeh­ lern der Gründer sei ein Ausgleich gerechtfertigt. Schließlich stellten sie, die Kapitalgeber, die zur Unternehmensführung notwendigen Mittel zur Verfü­ gung. Insoweit liege eine Parallele zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofs nahe, wonach der Mehrheitsgesellschafterin die Anteile ohne sachlichen Grund entzogen werden dürfen, wenn sie diese aufgrund der finanziellen Leistung des Kündigenden erlangt hat und dieser wirtschaftlich von ihren Bemühungen in der Geschäftsführung abhängig war.799 Doch vermag das ebenfalls die starke Wirkung der Full Ratchet Rights nicht zu rechtfertigen: Die Gründer erbringen ihrerseits in erheblichem Umfang Leistungen zu Gunsten der Gesellschaft, indem sie ihr Wissen sowie ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen. Zwar genügt dies nicht allein für die wirtschaftliche Ent­ wicklung des Unternehmens. Doch reicht umgekehrt die Bereitstellung finan­ zieller Mittel seitens der Investoren genauso wenig aus, ein Unternehmen er­ folgreich zu führen. Betriebsmittel stellen beide Parteien zur Verfügung, ledig­ lich die Art der Leistungen unterscheidet sich. Daher kommt ein Vergleich mit der eben genannten Entscheidung nicht in Betracht. Zu berücksichtigen ist ein weiterer Aspekt: Während etwa im Fall der Manager-Beteiligungs-Modelle die Mitglieder der Geschäftsleitung, die mit dem Ausscheiden ihre Anteile verlieren, bis zu diesem Zeitpunkt zum Teil in ganz erheblichem Umfang für ihre Tätigkeit Vergütung in Form von Gewinnausschüttungen bezogen haben,800 fehlt es an entsprechen­ den Zahlungen an die Gründer. Diese erzielen aufgrund der dünnen Kapitalde­ cke des Unternehmens im Verlaufe der Wagniskapitalfinanzierung nur in gerin­ gem Umfang Einkünfte aus ihrer Tätigkeit. Die Kompensation für in der Ver­ gangenheit geleistete Dienste wird wirtschaftlich in die Zukunft verlagert, in der Hoffnung auf einen wirtschaftlichen Erfolg. Verlieren die Gründer ihre Anteile, können sie noch nicht einmal ihr Knowhow in vollem Umfang weiter nutzen. Soweit es bereits in der Gesellschaft ge­ bunden ist, etwa in Form von Patenten, oder sie aufgrund von Wettbewerbsver­ boten ihr Wissen und ihre Erfahrungen nicht verwerten dürfen, sind sie sogar darin beschränkt, sich ein neues Betätigungsfeld zu suchen. Die Investoren vereinnahmen also über eine Full Ratchet Klausel selbst die Gewinnbezugschancen der Gründer, die die bislang erbrachten Leistungen ver­ 799 

BGHZ 112, 103, 110. Angaben in BGHZ 164, 98, 103 – Gewinnausschüttungen über dem Geschäfts­ führergehalt. 800  S.  d ie

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güten helfen sollen. Darüber hinaus profitieren die Kapitalgeber in vollem Um­ fang von eintretenden Verbesserungen der Unternehmensentwicklung und können die auf den Leistungen der Gründer beruhenden Vorteile801 allein bean­ spruchen, ohne hierfür ihrerseits Ausgleich zahlen zu müssen. dd)  Freiwilliger Vertragsschluss kein Einwand Mancher mag einen Einwand erheben, der im Zusammenhang mit Hinauskün­ digungsklauseln seit längerem in Teilen der Literatur Beifall findet: So schwer die Folgen der Klauselausübung für die Gründer auch sein mögen – die Gründer selbst haben den Investoren diese Rechte mit der Zustimmung zum Vertrag ein­ geräumt.802 Im Zusammenhang mit Hinauskündigungsklauseln hat die Litera­ tur immer wieder darauf verwiesen, jedenfalls bei deren freiwilliger Vereinba­ rung sei nicht einzusehen, wieso sich der Hinauszukündigende gerade in der Situation, in der die von ihm selbst mit dem Kündigenden getroffene Abrede durchgesetzt werden solle, auf Sittenwidrigkeit berufen dürfe.803 In der Tat scheint dies auf den ersten Blick an widersprüchliches Verhalten zu grenzen. Diese Überlegungen greifen angesichts der sachlichen Nähe von Hinauskündi­ gungsklauseln und starken Verwässerungsschutzklauseln auch im letzteren Fall. Doch wer allein auf die Freiwilligkeit des Vertragsschlusses abstellt, übersieht den entscheidenden Punkt, nämlich die Notwendigkeit, die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft zu erhalten. 804 Starke Verwässerungsschutzklauseln versetzen die Berechtigten in die Lage, die Gründer systematisch zu benachteiligen. Ge­ rade in einer wirtschaftlich problematischen Situation, in der die Investoren ei­ nen Anreiz haben, sämtliche Vorteile auf sich umzuleiten805 und möglicherwei­ se einschneidende Umstrukturierungsmaßnahmen notwendig sind, hindert das über den Gründern schwebende „Damoklesschwert“ diese daran, ihre gesell­ schaftsrechtlichen Rechte auszuüben, etwa gegen die Kapitalgeber zu stimmen. Das bringt den gesamten Ansatz des Kapitalgesellschaftsrechts ins Wanken, Legitimation durch Verfahren in Form von Mehrheitsbeschlüssen zu gewähr­ leisten. Das gilt insbesondere angesichts des oben dargestellten Problems, dass die Gründer, anders als die Gesellschafter in sonstigen Hinauskündigungsfäl­ len, im Zeitpunkt der Klauselausübung noch keine vollständige Vergütung für vergangene Dienste erhalten haben.806 Der freiwillige Abschluss ist demnach kein Grund, die hier in Rede stehen­ den Regelungen als unproblematisch einzustufen und jede Form der Kontrolle 801 

Wiederum sei verwiesen auf die Nutzung von Patenten. Brehm, S.  133. 803  Dazu bereits mit Nachweisen 3. Teil B. §  1 III.1. 804  Ausführlich 3. Teil B. §  3. 805  Vgl. allgemein zu diesem Problem der einseitigen Vereinnahmung von Kooperations­ vorteilen 3. Teil B. §  3 I.2. 806  Dazu oben cc)(2). 802 So

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

abzulehnen. Damit steht freilich noch nicht fest, wie weit eine solche Überprü­ fung geht, ob also eine Abschlusskontrolle durchgeführt werden sollte oder ob eine Ausübungskontrolle ausreicht: c)  Abschlusskontrolle versus Ausübungskontrolle Wurde oben bereits die Nähe von Verwässerungsschutzklauseln und Hinaus­ kündigungsklauseln betont, ist nun einem Gedanken nachzugehen, der in jün­ gerer Zeit im Zusammenhang mit der zuletzt genannten Variante immer mehr Anhänger gewinnt: Die Verlagerung von einer Abschlusskontrolle über §  138 Abs.  1 BGB hin zu einer Ausübungskontrolle nach §  242 BGB.807 Damit ließe sich einerseits berücksichtigen, dass die Vereinbarungen freiwillig abgeschlos­ sen wurden, andererseits aber den anerkanntermaßen große Missbrauchsgefah­ ren begegnen, 808 indem wenigstens im Einzelfall ein Einschreiten möglich bleibt. 809 Indes stellt sich dieses Problem nur, wenn es überhaupt denkbar ist, dass es eine Variante der Klauselausübung gibt, der legitime Interessen des Berechtig­ ten zugrunde liegen. Gerade hieran fehlt es jedoch im Kontext von starken Ver­ wässerungsschutzklauseln. Ihre Wirkung ist stets derart einschneidend, dass ihre Durchsetzung niemals gerechtfertigt sein kann. Zwar bestehen Fehlanrei­ ze, denen die Kapitalgeber mit starken Verwässerungsschutzklauseln entgegen­ steuern. Doch bringt deren Ausübung immer eine deutliche Überkompensation mit sich. Die Verfahrenskontrolle führte stets dazu, die Nutzung des Rechts im konkreten Fall zu unterbinden. Hiergegen spricht bei oberflächlicher Betrachtung, dass die Investoren Full Ratchet Rights möglicherweise nicht voll nutzen, das Maß der Ausübung also nicht automatisch dem vertraglich Möglichen entspricht. Doch kann die Klau­ sel eben so, wie sie im Vertrag steht, niemals legal genutzt werden. Die Umdeu­ tung der Klausel hin zu einer Regelung, die lediglich abgestuft eingesetzt wer­ den darf und lediglich einen bestimmten Berechnungsmodus vorgibt, scheidet daher aus. Sittenwidrige Klauseln können nach einhelliger Ansicht nicht in eine „gerade noch“ wirksame Vereinbarung umgedeutet werden.810

807 Stellvertretend Hey, Freie Gestaltung, S.  216 ff.; Verse, DStR 2007, 1822, 1825 ff., jeweils mit Nachweisen. Nach wie für Abschlusskontrolle Armbrüster, ZGR 2014, 333, 358 ff. 808  Die von den Vertretern der Ansicht, die seit jeher die Freiwilligkeit des Abschlusses als Rechtfertigungsargument heranzieht, niemals in der Sache bestritten wurden. Es ging immer nur um das Problem, ob die Freiwilligkeit des Abschlusses impliziert, in die konkrete Reali­ sierung dieser Gefahren eingewilligt zu haben, und ob dies vor Gericht hinzunehmen ist. 809  Dazu bereits oben 3. Teil. B. §  3 IV.2. 810  BGHZ 68, 204, 206 f.; BGH NJW 1986, 2944, 2945.

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2.  Gewichtete Verwässerungsschutzklauseln („Weighted Average“) Gewichtete Verwässerungsschutzklauseln wirken weniger stark als Full Ratchet Rights. Nach einem Vergleich beider Varianten (a]) folgen die Analyse von Rechtfertigungsgründen gewichteter Verwässerungsschutzklauseln (b]) und der Möglichkeit, diese lediglich im Wege einer Ausübungskontrolle zu er­ fassen (c]). a)  Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu starkem Verwässerungsschutz Wie Full Ratchet Rights dienen gewichtete Verwässerungsschutzklauseln aus Sicht der Investoren einerseits als Instrument, dem Fehlanreiz zum Window Dressing entgegenzusteuern, andererseits dazu, wirtschaftliche Fehlentwick­ lungen zu kompensieren. Im Unterschied zu Full Ratchet Rights führt die Aus­ übung von gewichteten Verwässerungsschutzklauseln nicht von vornherein zu einem (nahezu) vollständigen Ausschluss der Gründer aus der Gesellschaft. Das gilt jedenfalls für sogenannte „broad based“-Klauseln.811 Die Beteiligung der Gründer vermindert sich zwar. Doch bleiben sie in signifikantem Umfang Ge­ sellschafter. Die Formel, nach der der Verwässerungsschutz durchgeführt wird, ist unter Umständen so angelegt, dass die Wirkung derjenigen einer Full Ratchet-Klau­ sel gleichkommt. Insoweit gelten die zuvor angestellten Überlegungen zur Un­ zulässigkeit. Abstrakte Grenzen lassen sich hier nicht definieren. Jedenfalls dann, wenn die Gründer von einer zweistelligen Beteiligungsquote in einen Bereich gedrängt werden, der unter fünf Prozent liegt, sind gewichtete Verwäs­ serungsschutzklauseln den starken Versionen gleichzustellen. Dies entspricht der Wertung des §  327a Abs.  1 S.  1 AktG. Ab dieser Quote wird die Beteiligung eines Aktionärs als so wenig bedeutsam erachtet, dass er auf das Schicksal der Gesellschaft keinen wesentlichen Einfluss mehr zu nehmen vermag und sich sein Interesse nur noch auf Vermögensrechte beschränkt.812 Die Annahme zum Anteilseignerinteresse mag man anzweifeln. Doch ändert dies nichts am Befund, dass eine Person mit Kleinstbeteiligung das Unterneh­ mensschicksal nicht mitbestimmt. Das ist im Zusammenhang mit Wagniskapi­ talfinanzierungen wichtig, weil die Ausübung bestimmter Formen des Verwäs­ serungsschutzes dazu führt, dass innerhalb einer Runde die Gründer von einer Stellung als Aktionäre mit teilweise deutlich über Sperrminoritäten hinausge­ henden Beteiligungen in eine Position rücken, die das Bundesverfassungsge­ richt im Wesentlichen als diejenige eines potentiellen Störers betrachtet. 813

811 

Hierzu oben 1. Teil B. §  5 II.2. S.  BVerfG NJW 2007, 3268, 3270. 813  S.  BVerfG NJW 2007, 3268, 3270. 812 

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

b)  Rechtfertigung gewichteter Verwässerungsschutzklauseln Da selbst die „moderaten“ Versionen von Verwässerungsschutzklauseln dazu führen können, dass Quotenverschiebungen in erheblichem Umfang eintreten, ist ein Blick auf die Begründungsansätze notwendig, die zur Rechtfertigung vorgetragen werden. Denn von der Warte der Gründer aus stellen auch Verluste von 10% oder 15% ihrer Anteile ein ganz erhebliches Druckmittel dar. Die Si­ tuation ist insoweit nicht grundlegend anders als im Fall der starken Verwässe­ rungsschutzklauseln und Hinauskündigungsklauseln. Das gilt insbesondere deshalb, weil die Gründer im Laufe der Finanzierung ohnehin regelmäßig Beeinträchtigungen ihrer Beteiligungsquote hinnehmen müssen, sobald weitere Investoren im Zuge einer neuen Runde durch bezugs­ rechtsfreie Kapitalerhöhungen Gesellschaftsanteile erwerben. Wenn sie nun zu­ sätzlich aufgrund von Sonderrechten der Altinvestoren Anteile abgeben müs­ sen, wirkt dies in wirtschaftlich schwierigen Situationen unter Umständen ver­ heerend. Damit ist auch für Weighted Average-Klauseln vor dem Hintergrund der Rechtsprechung zu Hinauskündigungsklauseln zu untersuchen, worin die Rechtfertigung solcher Maßnahmen liegt. Wie schon im Zusammenhang mit Full Ratchet Rights lässt sich differenzie­ ren zwischen dem Schutz vor Window Dressing (dazu aa]) und dem Schutz vor wirtschaftlichen Verschlechterungen (bb]). aa)  Schutz vor Window Dressing Verwässerungsschutzklauseln, die auf einer gewichteten Formel basieren, bie­ ten grundsätzlich die Möglichkeit, einen an das Ausmaß des Window Dressing angepassten Wertausgleich durchzuführen. Jedenfalls bei den milderen Varian­ ten ist eine Überkompensation zu Gunsten der Kapitalgeber ausgeschlossen, wie sie bei Full Ratchet Rights notwendigerweise eintritt. Insbesondere dann, wenn die Gründer nicht von Beginn an die den Meilensteinen zugrunde liegen­ den Werte zu positiv darstellen, erscheint der Ansatz eines Wertes zwischen neuem und altem Anteilspreis als nicht zu einschneidend. Hier sind zwei Um­ stände zu Gunsten der Investoren in Rechnung zu stellen: Zunächst sind es die Gründer, denen ein Fehlverhalten vorzuwerfen ist. Inso­ fern lässt sich die Wirkung von Verwässerungsschutzklauseln mit einer Ver­ tragsstrafe vergleichen. Darüber hinaus ist es in der Praxis nur schwierig mög­ lich, die Auswirkungen des Window Dressing exakt zu bewerten. Ist das Fehl­ verhalten der Gründer nachweisbar, steht immerhin fest, dass die Kapitalgeber Mittel vergeben haben, die sie bei ordnungsgemäßer Vertragsdurchführung nicht zugeführt und wahrscheinlich anderweitig gewinnbringend eingesetzt hätten. Mit Blick auf diese Aspekte bietet eine gewichtete Formel den Ansatz für einen Kompromiss zwischen den berechtigten Interessen der Kapitalgeber und denjenigen der Gründer.

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Weighted Average-Klauseln sind demnach grundsätzlich geeignet, Schutz vor Window Dressing zu gewähren, ohne die Gründer stets und notwendig übermäßig zu benachteiligen. bb)  Schutz vor wirtschaftlichen Verschlechterungen (1)  Schutz vor allgemeinen Marktrisiken Wie starke Verwässerungsschutzrechte verlagern Weighted Average-Klauseln jedenfalls dann das allgemeine wirtschaftliche Risiko in weitem Umfang auf die Gründer, sofern sie in jeder Down Round ausgeübt werden dürfen, unabhängig von den Ursachen des Wertverfalls.814 Teile der Literatur halten dies für grundsätzlich unproblematisch. Mangels anderer zur Verfügung stehender Sicherheiten und wegen der funktionalen Ver­ gleichbarkeit von Wagniskapital mit Darlehen müssten Wertverluste über An­ teilsverschiebungen aufgefangen werden. 815 Die Verwässerungsschutzklausel soll also die Aufgabe erfüllen, die bei einer Fremdkapitalfinanzierung Sicher­ heiten haben, indem sie die Rückzahlung etwa eines Darlehens selbst für den Fall gewährleisten, dass der Schuldner selbst nicht mehr zahlen kann. Diese Argumentation ist fragwürdig: Verwässerungsschutzklauseln sollen primär nicht im Verhältnis von Gründern und geschützten Investoren oder im Verhältnis von Kapitalgebern und finanzierter Gesellschaft die „Rückerstat­ tung“ der vergebenen Mittel sichern. Es geht vielmehr vor allem um das Verhält­ nis von Altinvestoren und Neuinvestoren.816 Zahlen die Neuinvestoren einen geringeren Betrag pro Anteil als die Altinvestoren, erzielen die Kapitalgeber unterschiedliche Erträge pro Anteil bei Exit. Dies wirkt sich negativ auf das Renommee der Altinvestoren im Wettbewerb um neue Anleger aus. Insofern geht es nicht in erster Linie um Sicherung gegen eintretende Verluste, sondern um die Sicherung gegen die Beeinträchtigung von Gewinnaussichten. Die Verlagerung allgemeiner Marktrisiken auf die Gründer ist nicht zu recht­ fertigen. Insbesondere die oben angestellten Überlegungen zur Funktion der Gründerbeteiligung als Vergütungssicherung für in der Vergangenheit erbrach­ te Leistungen sind übertragbar.817 (2)  Schutz vor wirtschaftlichen Fehlentscheidungen der Gründer Der Schutz vor Managementfehlern bietet gleichfalls keinen geeigneten Ansatz­ punkt zur Rechtfertigung der Ausübung gewichteter Verwässerungsschutz­

814 

Winkler, S.  176. Winkler, S.  176 f. 816  Dazu die Nachweise oben in Fußnote 791. 817  Oben 1.b)cc)(2). 815 

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klauseln. Insoweit ist auf die weiter oben vorgetragenen Argumente zu verwei­ sen.818 cc)  Verfahrenskontrolle statt Inhaltskontrolle Der Schutz vor Window Dressing ist ein legitimes Ziel und durch Verwässe­ rungsschutzklauseln, die gewichtete Formeln vorsehen, grundsätzlich in einer Weise erreichbar, dass die Gründer nicht von vornherein in unangemessener Weise benachteiligt werden. Dies und der Umstand des freiwilligen Vertrags­ schlusses sprechen dafür, keine Sittenwidrigkeit solcher Bestimmungen anzu­ nehmen. Angesichts der oben beschriebenen Gefahren der erheblichen Beein­ trächtigung der Gründer, die – Stichwort: „Damoklesschwert“ – unter funktio­ nalen Gesichtspunkten nicht toleriert werden sollte, bedarf es jedoch einer Ausübungskontrolle nach §  242 BGB. Nur so ist ausgeschlossen, dass die Inves­ toren sich der Regelungen bedienen, um allgemeine Marktrisiken auf die Grün­ der überzuwälzen. Zwei weitere Schranken sind zu beachten: Auch wenn eine gewichtete For­ mel ermöglicht, einen angemessenen Ausgleich zu leisten zwischen dem Inves­ toreninteresse an der Kompensation der Zuführung nicht in dieser Weise ge­ schuldeter Mittel und dem Schutz der Gründer vor der Entwertung ihrer bisher ohne adäquate Vergütung erbrachten Leistungen, gilt dies nicht für jeden Be­ rechnungsmodus. Je näher die auf seiner Basis kalkulierten Ergebnisse denen kommen, die eine Full Ratchet-Klausel begründete, desto früher im Verlaufe der Runde müssen die Gründer Window Dressing betrieben haben. Anderen­ falls kommt es doch zu einer erheblichen Überkompensation der Kapitalgeber. Es ist an diesen, den Umfang des Ausgleichs plausibel zu machen. Angesichts der oben erwähnten Schwierigkeiten einer nachträglichen exakten Bewertung der Auswirkungen des Fehlverhaltens der Gründer bedarf es keines Nachwei­ ses im Detail. Weiterhin kommt Verwässerungsschutz nur in Betracht für den Ablauf der Runde, in der der Investor die Anteile erworben hat, auf die sich die Klauseln beziehen.819 Denn vor jeder neuen Runde findet eine Unternehmensbewertung statt, so dass deren Ergebnisse genutzt werden können, um zu prüfen, ob Window Dressing stattgefunden hat. Liegt der Anteilswert in der neuen Runde mindestens auf dem Niveau der vorherigen („Flat Round“) oder darüber („Up Round“), spricht dies dafür, dass die Ziele der abgelaufenen Runde erreicht wurden und jedenfalls im Rahmen einer Gesamtbetrachtung die Investoren keinen wirtschaftlichen Nachteil aufgrund eines Fehlverhaltens der Gründer erlitten haben. 818  Oben 819 Vgl.

1.b)cc)(2). Weitnauer, NZG 2001, 1065, 1066.

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Dürften Kapitalgeber über mehrere Runden hinweg Verwässerungsschutz­ rechte ausüben, liefe dies darauf hinaus, ihnen Rechte gegen die Gründer zuzu­ gestehen wegen eines Fehlverhaltens, das sie, die Altinvestoren, überhaupt nicht treffen kann, da sie hinsichtlich vergangener Runden keine Leistungspflichten mehr haben. Betreiben die Gründer Window Dressing, führt dies lediglich zu Lasten derjenigen Kapitalgeber zu einer Zuvielleistung, deren Leistungspflich­ ten sich an den konkret in der laufenden Runde zu passierenden Meilensteinen ausrichten.

3.  Stimmbindungsvereinbarungen über Verwässerungsschutz mittels Kapitalmaßnahmen Die zu den Verwässerungsschutzklauseln in Schuldverträgen entwickelten Lö­ sungen sind auf Stimmbindungsvereinbarungen zu übertragen, die die Durch­ führung von Verwässerungsschutzmaßnahmen durch Kapitalerhöhung sicher­ stellen sollen. 820 Die Umsetzung des Verwässerungsschutzes im Wege von Ka­ pitalerhöhungen findet lediglich in technischer Hinsicht auf anderem Wege statt. Das Pflichtenprogramm aus den dazugehörigen Stimmbindungsvereinba­ rungen verteilt die Risiken in materieller Hinsicht nicht anders als in vollstän­ dig schuldrechtlich abzuwickelnden Abreden.

II.  Schuldrechtlicher Verwässerungsschutz in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung Die Rechtsprechung zu Hinauskündigungsklauseln gilt auch für solche Bestim­ mungen, die in dem Gesellschaftsvertrag einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung festgelegt wurden. 821 Für Verwässerungsschutzklauseln ergeben sich wegen der Nähe zu Hinauskündigungsklauseln daher keine Gründe für eine abweichende Behandlung. Unter Sachgesichtspunkten unterscheiden sich die zu diskutierenden Probleme nicht von denen, die sich angesichts schuldrechtlich verankerten Verwässerungsschutzes ergeben. Daher ist hier auf die Ausführun­ gen zum Verwässerungsschutz in der Aktiengesellschaft zu verweisen.

III. Ergebnisse Schuldrechtliche Regelungen der Gesellschafter untereinander über den Ver­ wässerungsschutz in Down Rounds sind zulässig, sofern es sich um Weighted Average-Regelungen handelt. Die mit dem Anteilsverlust einhergehenden Ein­ 820  Zu den speziellen gesellschaftsrechtlichen Fragen wie Bezugsrechtsausschluss und An­ gemessenheit des Ausgabebetrages bereits oben §  1. 821  S.  BGHZ 112, 103, 107 f.

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

bußen der Betroffenen lassen sich rechtfertigen, sofern die Rechte nur ausgeübt werden, um Window Dressing zu verhindern. Eine Angemessenheitskontrolle wird den Interessen der Beteiligten am besten gerecht. Die Ausübung von Ver­ wässerungsschutzrechten als Sanktion für Fehler bei der Geschäftsführung oder bei einer Verschlechterung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse scheidet dagegen aus. Starke Verwässerungsschutzklauseln (Full Ratchet Rights) sind sittenwidrig nach §  138 Abs.  1 BGB. Sie verschieben die Investitionsrisiken vollständig auf die Gründer und wirken noch gravierender als Hinauskündigungsklauseln. Den belasteten Mitgliedern wird unter Umständen sogar die Möglichkeit der Vergütung für bereits erbrachte Leistungen genommen. Die Ausübung starker Verwässerungsschutzklauseln geht stets mit einer Überkompensation der Be­ rechtigten einher.

§  3  Pay to Play und Pull Ups Insbesondere in Situationen, in denen ein Investor seine Verwässerungsschutz­ rechte ausüben kann, hat er in der Regel wenig Anreiz, an der Kapitalerhöhung teilzunehmen, die die Mittel für die nächste Finanzierungsrunde verschaffen soll. Er erhält aufgrund seiner Rechte eine größere Anzahl weiterer Anteile, ohne hierfür neues Kapital bereitstellen zu müssen. Kann einer der alten Kapitalgeber aus anderen Gründen keine zusätzlichen Mittel mehr zuführen, etwa weil er selbst nicht mehr über ausreichende Gelder von eigenen Anlegern verfügt, ergibt sich ein Problem. Insoweit soll ein In­traInvestoren-Konflikt vermieden werden, der möglicherweise daraus resultiert, dass der Altgesellschafter als Trittbrettfahrer von den Anstrengungen derjeni­ gen Kapitalgeber profitiert, die sich an der Fortführung der Finanzierung betei­ ligen, ohne jedoch selbst noch nennenswerte Beiträge zu leisten. Klauseln über Pay to Play (I.) und Pull Ups (II.) sollen diesem Fehlanreiz entgegensteuern. Während die erste Variante auf einer Sanktion beruht, bietet die zweite eine Belohnung: Pay to Play-Regelungen sehen vor, dass derjenige Nachteile erleidet, der sich nicht an einer neuen Finanzierungsrunde beteiligt, und sind in Deutschland wie in den USA gebräuchlich.822 Die in Deutschland offenbar kaum bekannten Pull Up-Vereinbarungen enthalten Rechte, die statt einer Sanktion bei Nichtbeteiligung an einer weiteren Finanzierungsrunde ei­ nen Anreiz setzen, erneut zu investieren. Der Anreiz besteht darin, den Altin­

822  Für die USA oben 1. Teil B. §  5 I.2.c), III.1. Für Deutschland Inhester, in: Jesch/Striegel/ Boxberger (Hrsg.), Rechtshandbuch Private Equity, S.  245; Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 102.

D.  Schutz vor Verwässerung und Abwertung

701

vestoren die Option einzuräumen, ihre alten Vorzugsanteile in solche der neuen Serie zu konvertieren und damit zugleich deren bessere Rechte zu erhalten. 823

I.  Pay to Play Vorzüge, die als gattungsprägendes Sonderrecht gestaltet sind, können auflö­ send bedingt werden. 824 Damit besteht die Möglichkeit, bereits bei ihrer Schaf­ fung adäquate Einschränkungen vorzunehmen. In der Praxis üblich ist in Deutschland allerdings die Lösung, die für den Rechtsverlust bei Fehlen einer Satzungsregelung notwendige Zustimmung des Betroffenen bereits vorab in einer Gesellschaftervereinbarung zu verankern.825 Ein satzungsändernder Beschluss gegen den Willen der Vorzugseigner scheidet aus. In der Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist aufgrund der analogen An­ wendung von §  35 BGB die individuelle Zustimmung jedes einzelnen Rechtsin­ habers notwendig, 826 in der Aktiengesellschaft ein gattungsbezogener Sonder­ beschluss gemäß §  179 Abs.  3 S.  1 AktG. 827 §  35 BGB gilt in der Aktiengesell­ schaft insoweit nicht, weil §  179 Abs.  3 S.  1 AktG die Zustimmung der einzelnen betroffenen Aktionäre entbehrlich machen soll.828 §  141 Abs.  1 AktG findet keine Anwendung, da die Anteile Stimmrecht gewähren. Sind die Vorrechte nicht korporativ verankert, sondern lediglich Bestandteil schuldrechtlicher Nebenvereinbarungen, müssen aufgrund des vertragsrechtli­ chen Konsensprinzips die Betroffenen individuell der Änderung zustimmen.829 Auch hier sind auflösende Bedingungen denkbar. Der Bestand des Anspruchs ist in diesem Fall von vornherein beschränkt.

823  Oben 1. Teil B. §  5 III.2. Zur Staffelung von Anteilen nach Serien in Deutschland etwa Zirngibl/Kupsch, BB 2011, 579, 580. 824  S.  bereits oben A. §  3 I.1. 825  Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 102. 826  BGH NJW-RR 1989, 542, 543; A.Arnold, in: Bork/Schäfer, §  53 Rn.  18; Bayer, in: Lut­ ter/Hommelhoff, §  53 Rn.  24; Harbarth, in: MünchKommGmbHG, §  53 Rn.  181; Priester/ Veil, in: Scholz, §  53 Rn.  48; Ulmer, in: GK-GmbHG, §  53 Rn.  136; Zöllner/Noack, in: Baum­ bach/Hueck, §  53 Rn.  35. 827  S.  Stein, in: MünchKommAktG, §  179 Rn.  178, 186; Wiedemann, in: GK-AktG, §  179 Rn.  138, 143. Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 102 in Verbindung mit F 65, bezieht sich offenbar allein auf die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, wenn er §  35 BGB analog hervorhebt. Zur Unanwendbarkeit von §  179 Abs.  3 AktG in der Gesellschaft mit beschränk­ ter Haftung Ulmer, in: GK-GmbHG, §  53 Rn.  136. 828  Stein, in: MünchKommAktG, §  179 Rn.  178; Wiedemann, in: GK-AktG, §  179 Rn.  138. 829  Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 102.

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

II.  Pull Ups Pull Up-Regelungen setzen voraus, dass die Berechtigten bei Teilnahme an der Kapitalerhöhung die Möglichkeit haben, ihre alten Anteile in solche zu konver­ tieren, die den neuen ausstattungsmäßig gleichstehen.830 Wie bereits oben erwähnt, kommen für eine Konversion technisch sowohl die Anteilsumwandlung als auch der Anteilstausch in Betracht. 831 Aufgrund des Aufwandes eines Anteilstausches erscheint allein der Weg der Anteilsumwand­ lung praktikabel. Dogmatisch betrachtet müssen die Vorzüge der alten Anteile verändert werden. Das lässt sich im Wege eines satzungsändernden Beschlusses umsetzen. Problematisch ist diesbezüglich lediglich, die Zustimmung der Ge­ sellschafter zu sichern, die diese Maßnahme belastet. Das betrifft in der Regel die Gründer sowie Kapitalgeber, die nicht an der Kapitalerhöhung teilnehmen. Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: Die Gründer halten Stammanteile, Investor I Vorzugsanteile der Serie A, In­ vestor J solche der Serie B und Neuinvestor N erhält Serie C. Die Liquidations­ vorzüge der Serie A haben den Multiplikator „1x“, die der Serie B „1,3x“ und die der Serie C „1,5x“. 832 Die Reihenfolge bei der Befriedigung der Liquidations­ vorrechte ist C > B > A. Kann nun J seine Anteile in solche der Serie C konver­ tieren, belastet dies I und die Gründer, weil ihre Aussichten auf Beteiligung am Liquidationserlös sinken. In der Aktiengesellschaft sind nach §  179 Abs.  3 S.  1 AktG gattungsbezogene Sonderbeschlüsse notwendig. Im Beispiel müssten also die Gründer sowie I zu­ stimmen. Vergleichbares gilt in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Trotz Fehlens einer §  179 Abs.  3 S.  1 AktG vergleichbaren Vorgabe bedarf die nachträgliche Einführung von Vorzugsrechten der Zustimmung der nichtbe­ günstigten Gesellschafter.833 Diese Zustimmung lässt sich über Stimmbindungsvereinbarungen sämtlicher Gesellschafter untereinander sicherstellen. Die Auswirkungen solcher Verträge sind mit Verwässerungsschutzklauseln nicht zu vergleichen. Insbesondere ist das Ausmaß der Mediatisierung der Rechte der Gründer weniger einschnei­ dend. Zwar verschlechtern sich nominal ihre Gewinnbezugsrechte. Allerdings steigen ihre Gewinnaussichten insgesamt, weil die Ausübung der Pull Up-Rech­ te damit einhergeht, dass die „aufsteigenden“ Kapitalgebern neue Mittel zur Verfügung stellen und so die finanzielle Lage der Gesellschaft verbessert wird. 830  Unterstellt, dass sich die Vorzüge unterscheiden und die Vorrechte der neuen Aktien Vorteile aufweisen, etwa weil sie umfassender sind oder im Rang vorgehen. 831  Oben A. §  3 I. 832  Die Multiplikatoren beziehen sich auf den investierten Betrag „x“. Zur Problematik dieser Multiplikatoren bereits oben 1. Teil B. §  2 III.3.c). 833  S.  nur Harbarth, in: MünchKommGmbHG, §  53 Rn.  179; Priester/Veil, in: Scholz, §  53 Rn.  179; Ulmer, in: GK-GmbHG, §  53 Rn.  135.

D.  Schutz vor Verwässerung und Abwertung

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Für die Annahme von Sittenwidrigkeit nach §  138 Abs.  1 BGB gibt es keinerlei Anhaltspunkte. 

E.  Bindung der Gründer Die Möglichkeit der freien Übertragbarkeit der Anteile ist eine wichtige Ergän­ zung zum Mehrheitsprinzip. 834 Der Gesellschafter, dem nicht die ausreichende Stimmmacht zusteht, Risikoänderungen zu beeinflussen, kann die Gesellschaft durch Veräußerung seines Anteils verlassen. Doch sehen sowohl §  68 Abs.  2 S.  1 AktG als auch §  15 Abs.  5 GmbHG die Möglichkeit vor, die Übertragung zu erschweren, indem sie an die Zustimmung der Gesellschaft geknüpft wird. Ins­ besondere in personalistischen Kapitalgesellschaften mit wenigen Mitgliedern besteht vielfach ein erhebliches Interesse daran zu kontrollieren, wer austritt und wer eintritt.835 Bei Wagniskapitalfinanzierungen spielt dieser Aspekt eine maßgebliche Rolle. 836 Angesichts dieses Spannungsverhältnisses vom Grundsatz der freien Über­ tragbarkeit der Mitgliedschaft als Ausgleich des Mehrheitsprinzips und dem Interesse daran, den Gesellschafterbestand zu beeinflussen, stellt sich die Frage, welche Grenzen der freien Gestaltung von Bestimmungen über die Anteilsbin­ dung zu ziehen sind. Das gilt nicht nur für Regelungen in der Satzung, sondern auch für schuldrechtliche Vinkulierungsabsprachen und andere Vereinbarun­ gen, die den Anteilstransfer beeinträchtigen, etwa Vorkaufsrechte und Einzie­ hungsklauseln. Wiederum bietet die Wagniskapitalfinanzierungspraxis reich­ haltiges Anschauungsmaterial für verschiedene Formen der hier relevanten privaten Gestaltungsvarianten. Das betrifft die Anteilsvinkulierung (dazu §  1), Regelungen zum sogenannten Vesting837 (§  2), Vorerwerbsrechte und Andie­ nungspflichten (§  3), Mitnahmeklauseln (§  4.), Mitveräußerungsrechte (§  5) so­ wie Rückübertragungsrechte (§  6).

834 

Oben 3. Teil B. §  2 II.2.b). allgemeinem Zusammenhang Lutter/Drygala, in: KK-AktG §  68 Rn.  58; Wiedemann, Übertragung, S.  82 f. 836  Ausführlich oben 1. Teil B. §  6 II.3.c)bb). In allgemeinem Zusammenhang Lutter/Drygala, in: KK-AktG §  68 Rn.  58; Wiedemann, Übertragung, S.  82 f. 837  Zum Vesting bereits oben 1. Teil B. §  6 II.2. 835 In

E.  Bindung der Gründer

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§  1  Anteilsvinkulierung Gemäß §  68 Abs.  2 AktG und §  15 Abs.  5 GmbHG steht jedenfalls die Satzung zur Verfügung, um Anteile zu vinkulieren. Ein Problem satzungsmäßiger An­ teilsvinkulierungen, das sich bei Aktiengesellschaft und Gesellschaft mit be­ schränkter Haftung in gleicher Weise stellt, betrifft die Zulässigkeit von Vorga­ ben für die Ermessensausübung hinsichtlich der Zustimmungserklärung (dazu I.). Mit Blick auf schuldvertragliche Vinkulierungen (unten II.) ist insbesondere die Frage zu beantworten, inwieweit solche Vereinbarungen bei der Aktienge­ sellschaft überhaupt zulässig sind.

I.  Anteilsvinkulierung durch Satzungsregelung §  68 Abs.  2 S.  4 AktG gestattet es, in der Satzung die Gründe zu bestimmen, aus denen die Zustimmung verweigert werden darf. Im GmbHG fehlt es an einer parallel formulierten Norm. §  15 Abs.  5 GmbHG erlaubt lediglich allgemein, die Abtretung der Geschäftsanteile an weitere Voraussetzungen zu knüpfen. Nach übereinstimmender Meinung im Schrifttum eröffnet dies der Sache nach ebenfalls die Möglichkeit, inhaltliche Kriterien für die Zustimmungsentschei­ dung in den Gesellschaftsvertrag aufzunehmen. 838 Diesbezüglich ist fraglich, welche Kriterien die Satzung nennen darf und welche Maßstäbe für die Ermes­ sensausübung gelten (hierzu 1.). Zudem bedarf die übliche Praxis in Wagniska­ pitalfinanzierungen näherer Betrachtung, die Erteilung der Zustimmung an die Einhaltung schuldrechtlicher Vereinbarungen zu knüpfen (unten 2.).

1.  Vorgaben für die Ermessensausübung in der Satzung a) Grundsätze Das Gesetz sieht keine ausdrücklichen Grenzen für Regelungen vor, die in der Satzung hinsichtlich der Entscheidung über die Zustimmung zur Anteilsüber­ tragung vorgesehen werden dürfen. Weder gibt es eine Beschränkung auf wich­ tige Gründe noch sonstige Vorgaben. 839 Abgesehen von gesetzlichen Schran­ ken, die aus anderen Vorschriften resultieren,840 zieht allein das Rechtsmiss­ brauchsverbot der Freiheit zur Satzungsgestaltung Schranken. 841 Es ist daher 838  OLG Hamm NJW-RR 2001, 109, 111; Reichert/Weller, in: MünchKommGmbHG, §  15 Rn.  408; Seibt, in: Scholz, §  15 Rn.  127; Löbbe, in: GK-GmbHG, §  15 Rn.  253. 839  Für das Aktienrecht Bayer, in: MünchKommAktG, §  68 Rn.  60; Lutter/Drygala, in: KK-AktG, §  68 Rn.  65; Merkt, in: GK-AktG, §  68 Rn.  388; für das GmbH-Recht vgl. die in der vorhergehenden Fußnote Genannten aaO. 840  Überblick bei Merkt, in: GK-AktG, §  68 Rn.  390 ff. 841  Lutter/Drygala, in: KK-AktG, §   68 Rn.  65; wohl auch Merkt, in: GK-AktG, §  68 Rn.  392. Die übrigen Kommentierungen setzen dies offenbar stillschweigend voraus.

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

zulässig, etwa besondere berufliche Qualifikationen des Erwerbers zu for­ dern. 842 Mit einer solchen Regelung wird dem Gesellschafter nicht die Möglich­ keit zur Veräußerung generell genommen. b)  Keine Zulässigkeit von Zustimmungsverboten Die wohl herrschende Meinung im Aktienrecht verneint die Möglichkeit, Zu­ stimmungsverbote in die Satzung aufzunehmen. Sie beruft sich hierfür auf den Wortlaut des §  68 Abs.  2 S.  4 AktG (dazu aa]) und die Entstehungsgeschichte (bb]).843 Dem wird unter Ergänzung durch eine teleologische Betrachtung (cc]) und anhand eines Vergleichs zur abweichenden Lage in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (dd]) nachgegangen: aa)  Wortlaut von §  6 8 Abs.  2 S.  4 AktG Die Verwendung der Vokabel „darf“ rechtfertigt entgegen einer in der Literatur geäußerten Ansicht durchaus den Schluss, hätten die Gesetzesverfasser Verbote für zulässig gehalten, wäre „muss“ das Wort der Wahl gewesen.844 Zwischen dem Innenverhältnis von beschlussberechtigtem Organ und Gesellschaft sowie dem Außenverhältnis von Vorstand und Aktionär zu differenzieren, führt zu keinem abweichenden Ergebnis. 845 Selbst wenn für die Bindung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft „müssen“ nichts anderes als „darf nicht“ heißt, 846 ändert dies nichts daran, dass §  68 Abs.  2 S.  4 AktG sich eben nur auf das Innen­ verhältnis bezieht. Da die Erklärung über die Zustimmung im Außenverhältnis gemäß §  68 Abs.  2 S.  2 AktG immer der Vorstand abgibt,847 vermag die genann­ te Regelung zum „Dürfen“ von vornherein nur das Verhältnis von beschließen­ dem Organ und Gesellschaft zu regeln. Zuzugeben ist allerdings, dass diese Betrachtung für sich genommen noch keine abschließende Beurteilung ermöglicht. Immerhin ließe sich im Sinne der hier abgelehnten Ansicht argumentieren, die herrschende Meinung hätte eine Verkomplizierung des Wortlauts zur Folge. Im Gesetz hätte geschrieben wer­ 842  Vgl. für das Aktienrecht Bayer, in: MünchKommAktG, §  68 Rn.  60; Lutter/Drygala, in: KK-AktG, §  68 Rn.  71; Merkt, in: GK-AktG, §  68 Rn.  389; für das GmbH-Recht Löbbe, in: GK-GmbHG, §  15 Rn.  232, 236. 843 Für die herrschende Meinung Bayer, in: MünchKommAktG, §   68 Rn.  62; Cahn, in: Spindler/Stilz, §  68 Rn.  53; Hüffer/Koch, §  68 Rn.  14; Merkt, in: GK-AktG, §  68 Rn.  399; Reuter, Privatrechtliche Schranken, S.  436. A.A. etwa Asmus, S.  77; Lutter/Drygala, in: KKAktG, §  68 Rn.  70; Lutter/Schneider, ZGR 1975, 182, 185 mit Fußn. 4; Schrötter, DB 1977, 2265, 2268 f. 844  In diesem Sinne die in der vorhergehenden Fußnote genannten Vertreter der herrschen­ den Meinung, jeweils aaO. 845  So jedoch Lutter/Schneider, ZGR 1985, 182, 185 Fußn. 4; im Anschluss an diese Asmus, S.  77. 846  Lutter/Schneider, ZGR 1985, 182, 185 Fußn. 4. 847  Statt aller Hüffer/Koch, §  68 Rn.  15.

E.  Bindung der Gründer

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den müssen „darf oder muss“. Allein „darf“ durch „muss“ zu ersetzen, brächte das Problem mit sich zu entscheiden, ob nunmehr bloß ermessensleitende Kri­ terien Gegenstand der Satzung sein könnten. bb)  Gesetzgebungsgeschichte von §  6 8 Abs.  2 S.  4 AktG Die Gesetzgebungsgeschichte bietet gleichfalls keine Anhaltspunkte, die eine sichere Entscheidung in die eine oder andere Richtung rechtfertigten:848 Nach §  61 Abs.  3 S.  3 AktG 1937, der Vorgängernorm der heutigen Vorschrift, durfte die Zustimmung nur aus wichtigem Grund verweigert werden. Um Unklarhei­ ten zu vermeiden, die wegen §  23 Abs.  5 AktG849 zu einer weitreichenden Ein­ schränkung der Freiheit zur Satzungsgestaltung hätten führen können, ent­ schieden sich die Gesetzesverfasser dafür, die Voraussetzung des wichtigen Grundes zu streichen und zu gestatten, dass „[d]ie in der Satzung bestimmten Gründe […] keine wichtigen Gründe zu sein [brauchen].“850 „[I]m Interesse der Rechtssicherheit“ sei es „erwünscht, daß die Verweigerungsgründe durch die Satzung konkretisiert werden […].“851 Die Veränderungen des Gesetzestextes beruhten demnach auf zwei Zielen: Vergrößerung der Gestaltungsspielräume zu Gunsten des Satzungsgebers und Rechtssicherheit sowohl für die Inhaber vinkulierter Namensaktien als auch für das entscheidungsberechtigte Organ, weil das Ergebnis der Entscheidung auf­ grund der Satzungsregelung vorhersehbar wird. Mit einem Zustimmungsverbot erreichen die Gestalter das höchste Maß an Rechtssicherheit. Insbesondere Neugesellschafter können bereits im Rahmen ihrer Erwerbsüberlegungen einbeziehen, welche Hindernisse sich ergeben, wenn sie ihre Anteile wieder veräußern möchten. Wer trotzdem wie die Vertre­ ter der herrschenden Meinung dafür plädiert, die Gestaltungsfreiheit einzu­ schränken, muss hierfür angesichts der Absicht der Verfasser des Aktiengeset­ zes 1965, mehr Flexibilität als im Aktiengesetz 1937 einzuräumen, schlagende Sachgründe anführen. cc)  Teleologische Betrachtung von §  6 8 Abs.  2 S.  4 AktG Ein solcher Sachgrund für die Möglichkeit, Zustimmungsverbote vorzusehen, soll mit Blick auf geschlossene Aktiengesellschaften insbesondere im Interesse

848 A.A. (im Sinne der herrschenden Meinung) insbesondere Bayer, in: Münch­ Komm­ AktG, §  68 Rn.  62. 849  Damals: §  23 Abs.  4 AktG. 850  Begründung des Regierungsentwurfs zum Aktiengesetz 1965, abgedruckt bei Kropff, S.  88. 851  Begründung des Regierungsentwurfs zum Aktiengesetz 1965, abgedruckt bei Kropff, S.  88.

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

an der Kontrolle des Gesellschafterkreises liegen.852 Gerade in der Wagniskapi­ talfinanzierung spielt dieser Aspekt eine wichtige Rolle: Insbesondere in den frühen Stadien der Unternehmensentwicklung sind die Gründer die zentralen Mitarbeiter. Gehen sie, bedeutet dies regelmäßig das wirtschaftliche Ende. Die Investition der Kapitalgeber wird in einem solchen Fall vollständig entwertet. 853 Aus diesem Grund ist es von wesentlicher Bedeu­ tung, dass die Gesellschaft die Kontrolle über den Mitgliederwechsel ausübt und nur Personen an die Stelle des Gründers treten lässt, die persönlich zu den übri­ gen Gründern passen, vergleichbare fachliche Kompetenzen mitbringen und sich den Bedingungen unterwerfen, die für die anderen Beteiligten gelten.854 Ein satzungsmäßiges Zustimmungsverbot sichert vor diesem Hintergrund die schuldrechtlichen Vereinbarungen der Mitglieder untereinander ab. Für alle Parteien macht es deutlich, dass die Anteilsveräußerung zwingend an bestimm­ te Voraussetzungen geknüpft ist. Das hilft zudem, einen Prozess um die Frage der richtigen Ermessensausübung durch das entscheidungsbefugte Organ von vornherein zu vermeiden. Außerdem wird das Pflichtenprogramm des Vor­ stands855 hinreichend eindeutig bestimmt. Das ist insbesondere deshalb von Be­ deutung, weil Investoren in Deutschland aus steuerrechtlichen Gründen keine Vorstandsmitglieder stellen und dieses Organ daher ausschließlich mit den ge­ schäftlich unerfahrenen Gründern besetzt ist.856 Die skizzierten Ziele lassen sich aber grundsätzlich auch dann erreichen, wenn die Satzung lediglich entsprechende Leitlinien zur Ermessensausübung fixiert. Diese binden das im Innenverhältnis zur Beschlussfassung zuständige Organ, es hat kein freies Ermessen mehr. 857 Im Gegensatz zu einer starren Ver­ botsbestimmung bleibt dann noch die Möglichkeit, auf besondere Umstände reagieren zu können, die bei Aufnahme der Klausel in die Satzung nicht vorher­ sehbar waren. dd)  Vergleich zur Lage in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung Es verbleibt ein Einwand, der aus der Rechtslage bei der Gesellschaft mit be­ schränkter Haftung resultiert: Dort ist die Errichtung einer festen Schranke zulässig.858 Dann wird fraglich, wieso bei einem nicht ganz eindeutigen Wort­ 852 

Schrötter, DB 1977, 2265, 2268. Oben 1. Teil A. §  2 III.2. 854  Zu diesen Problemen bereits oben 1. Teil A. §  2 III. Allgemein im Zusammenhang mit Vinkulierungsklauseln auch Lutter/Grunewald, AG 1989, 109. 855  Dessen Zuständigkeit unterstellt. 856  Dazu oben 2. Teil A. §  2 II.3.c). 857  Vgl. BGH NJW 1987, 1019, 1020. 858  RGZ 80, 175, 179; BayObLG AG 1989, 173, 175; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, §  15 Rn.  57; Brandes, in: Bork/Schäfer, §  15 Rn.  5; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, §  15 Rn.  38; Reichert/Weller, in: MünchKommGmbHG, §  15 Rn.  393; Löbbe, in: GK-GmbHG, §  15 Rn.  220; Winter, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, §  15 Rn.  68; Wiedemann, Übertragung, S.  76 f. 853 

E.  Bindung der Gründer

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laut im Aktienrecht Entsprechendes ausgeschlossen sein soll. Die Begründung ergibt sich indirekt aus dem Schutzzweck des Grundsatzes der freien Übertrag­ barkeit der Mitgliedschaft in Kapitalgesellschaften. Dieser dient dazu, dem Gesellschafter den Austritt aus der Gesellschaft zu ermöglichen, weil es an der im Personengesellschaftsrecht vorhandenen Option der Kündigung der Mitgliedschaft fehlt.859 Im GmbH-Recht kompensiert ein außerordentliches Recht zum Austritt den vollständigen Ausschluss der Abtre­ tung vinkulierter Anteile. 860 Sollte sich entgegen einer zunehmenden Zahl von Autoren im Aktienrecht dort die Ansicht halten, dass ein solches außerordentliches Austrittsrecht nicht besteht, 861 sind Zustimmungsverbote keine zulässigen Vinkulierungsregelun­ gen. Anderenfalls bliebe nichts übrig von dem Schutz, den der Grundsatz der freien Übertragbarkeit der Mitgliedschaft in Kapitalgesellschaften gewährleis­ ten soll. Dass es stets zwingend eine Möglichkeit geben muss, seinen Anteil zu veräußern, war bereits Gegenstand des dritten Teils der Arbeit.862

2.  Verknüpfung der Zustimmung mit schuldrechtlichen Vereinbarungen Ein Teil der Literatur meint, das über die Zustimmung beschließende Organ dürfe seine Entscheidung nicht an die Einhaltung schuldrechtlicher Veräuße­ rungsbeschränkungen wie Vorerwerbsrechte knüpfen, wenn diese nur teilweise ausgeübt würden.863 Gleiches solle für Mitveräußerungsrechte (Tag Along Rights) gelten. 864 Beide Befugnisse der Investoren dienten allein diesen, nicht aber der Gesellschaft. 865 Grundlage für diese Betrachtung ist ein Vergleich mit einer Entscheidung über die Zustimmung nach freiem Ermessen: Die Zulässig­ keit der Satzungsregelung soll sich danach richten, ob eine hypothetische Er­ messensentscheidung – fehlende Regelungen in der Satzung unterstellt – recht­ mäßig wäre.866 Das ist bereits deshalb abzulehnen, weil damit aus der (fehlenden) Rechtmä­ ßigkeit einer Einzelentscheidung in einer bestimmten Situation auf die (fehlen­ de) Zulässigkeit einer allgemeinen Regelung in der Satzung geschlossen würde. Dem zuständigen Organ verbleibt nach der hier vertretenen Ansicht stets ein Ermessen, selbst wenn die Satzung Ausübungskriterien vorsieht. 867 Sollte also 859 

3. Teil B. §  2 II.2.b). S.  nur Fastrich, in: Baumbach/Hueck, §  15 Rn.  38; Reichert/Weller, in: Münch­Komm­ GmbHG, §  15 Rn.  393. 861  Ausführlich hierzu Klöhn, Abfindungsansprüche, S.  45 ff. 862  3. Teil B. §  2 II.2.b). 863  Winkler, S.  149 ff. 864  Winkler, S.  154 ff. Zu Mitveräußerungsrechten (Tag Along Rights) unten §  5. 865  Winkler, S.  152, 155. 866  Winkler, S.  151. 867  Dazu 1.b)cc). 860 

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

im konkreten Fall das Gesellschafterinteresse an der Zustimmung weit über­ wiegen, kann das Organ die Zustimmung sogar dann erteilen, wenn die Sat­ zung als Grundsatz etwas anderes verlangt. Hinzu kommt ein weiterer Aspekt: Die von der hier kritisierten Meinung vorgeschlagene Prüfung einer hypothetischen Ermessensentscheidung basiert auf einem unzulässigen Vergleich. Die Maßstäbe, die nach dem Bundesgerichts­ hof für eine solche nicht von der Satzung beeinflusste Entscheidung gelten, sind gerade nicht diejenigen, die greifen, wenn die Gesellschafter Sonderregelungen getroffen haben. Gibt die Satzung Kriterien vor, sind diese maßgeblich und schränken das Ermessen ein.868 Inwieweit ein von den Interessen der Aktionäre zu unterscheidendes abstraktes Gesellschaftsinteresse existiert und bei der Zu­ stimmungsentscheidung nach §  68 Abs.  2 AktG zu berücksichtigen ist, unter­ stellt das Gesetz prinzipiell der Gestaltungshoheit der Gesellschafter. Das ent­ spricht ausdrücklich der oben dargestellten Begründung zu §  68 Abs.  2 AktG in der Fassung der Aktienrechtsnovelle 1965.869

II.  Schuldrechtliche Anteilsvinkulierung in der Aktiengesellschaft In der Praxis üblich und bei der Aktiengesellschaft wegen der aus §  68 Abs.  2 AktG resultierenden Beschränkung der Möglichkeit satzungsmäßiger Anteils­ vinkulierung auf Namensaktien sinnvoll sind entsprechende schuldrechtliche Abreden zur Bindung von Inhaberaktien.870 Allerdings halten gewichtige Stim­ men solche Verträge in der Aktiengesellschaft entgegen der herrschenden Mei­ nung871 für illegal. 872 Gegen die Zulässigkeit schuldrechtlicher Vinkulierungs­ vereinbarungen in der Aktiengesellschaft, also solcher Abreden, die die Über­ tragung der Anteile außerhalb der Satzung per Schuldvertrag an die Zustimmung der Gesellschaft binden, erheben sie drei Bedenken:873 Schuldrechtliche Vinku­ lierungen umgingen die gesetzlichen Vinkulierungserfordernisse der §§   68 Abs.  2, 180 Abs.  2 AktG (dazu 1.), hebelten die aktienrechtliche Kompetenzord­ nung aus (2.) und beraubten §  136 Abs.  2 AktG seiner Wirkung (dazu 3.).

868  Vgl. etwa BGH NJW 1987, 1019, 1020. In dieser Entscheidung prüfte der Bundesge­ richtshof zunächst, ob die Satzung ermessensbeschränkende Kriterien enthielt, um sich erst nach einer verneinenden Antwort dem Problem zuzuwenden, welche Interessen der Vorstand zu berücksichtigen hatte. 869  S.  1.b)bb). 870  Im GmbH-Recht stellt sich diese Frage angesichts der zur Verfügung stehenden Gestal­ tungsfreiheit nicht in vergleichbarer Weise. 871  Etwa BayObLG AG 1989, 173, 176; Barthelmeß/Braun, AG 2000, 172, 174 ff.; Bayer, in: MünchKommAktG, §  68 Rn.  41; Lutter/Drygala, in: KK-AktG, §  68 Rn.  57; Merkt, in: GKAktG, §  68 Rn.  525; Noack, NZG 2013, 281, 283. Offen gelassen von BGH ZIP 2013, 263, 265. 872  Immenga, AG 1992, 79; Otto, AG 1991, 369. 873  Nachweise im Textverlauf.

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1.  Keine Umgehung der gesetzlichen Vinkulierungserfordernisse Die Vertreter der Meinung, die schuldrechtliche Vinkulierungsklauseln für un­ zulässig halten, verweisen darauf, §  68 Abs.  2 AktG sei abschließend, Vereinba­ rungen außerhalb der Satzung stellten eine Umgehung des sich aus §  68 Abs.  2 AktG ergebenden Grundsatzes der freien Übertragbarkeit der Anteile dar. 874 Zudem handele es sich um eine nach den §§  54 Abs.  1, 55 Abs.  1 S.  1 AktG unzu­ lässige Nebenleistungsverpflichtung.875 Um dies beurteilen zu können, ist es hilfreich, sich vorab die Auswirkungen schuldrechtlicher Vinkulierungen in der Form zu vergegenwärtigen, wie sie in der Praxis regelmäßig auftreten, nämlich im Verbund mit einer Vertragsstrafen­ regelung für den Fall der Veräußerung ohne oder gegen die Zustimmung der Gesellschaft (dazu a]). Hieran anküpfend wird ein Problem aufgegriffen, das im Zusammenhang mit schuldrechtlichen Vinkulierungen bislang wenig Beach­ tung erfahren hat – die Reichweite des Grundsatzes der freien Übertragbarkeit der Mitgliedschaft (b]). Wenn hieraus, wie im Schrifttum vorgetragen, die Un­ zulässigkeit einer satzungsmäßigen Vinkulierung von Inhaberaktien folgte, 876 bedürfte es eines erheblichen Begründungsaufwandes, wieso dies bei einer schuldrechtlichen Anteilsbindung anders sein sollte. Jedenfalls bei einem ver­ tragstreuen Verhalten des Inhabers wäre er genauso an der Übertragung der Mitgliedschaft gehindert wie bei einer entsprechenden Satzungsbestimmung. Den Abschluss bilden Überlegungen zur Bedeutung von §  68 Abs.  2 AktG für die Kompetenzordnung in der Aktiengesellschaft (c]). a)  Auswirkungen schuldrechtlicher Vinkulierungen mit Vertragsstrafenvereinbarung Wer die praktischen Wirkungen satzungsmäßiger Vinkulierungsklauseln mit entsprechenden schuldrechtlichen Abreden vergleichen will, muss berücksichti­ gen, dass in der Praxis regelmäßig Vertragsstrafenvereinbarungen getroffen werden, um die schuldrechtliche Regelung zu verstärken. Solche Klauselkombi­ nationen erzielen faktisch Effekte, die der einer satzungsmäßigen Anteilsbin­ dung nahezu gleichkommen. Der Hinweis auf §  137 BGB und den rechtlichen Unterschied zwischen der als Ausnahme zu §  137 S.  1 BGB dinglich wirkenden satzungsmäßigen Be­ schränkung gemäß §  68 Abs.  2 S.  1 AktG und der „nur“ schuldrechtlich wirken­ den, aber nach §  137 S.  2 BGB zulässigen Verpflichtung, Aktien nicht ohne Zu­

874 

Otto, AG 1991, 369, 373 f. Immenga, AG 1992, 79, 81. 876  Nachweise sogleich im Text. 875 

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stimmung der Gesellschaft zu übertragen, 877 trifft durchaus zu. Doch handelt es sich aus rechtstatsächlicher Sicht um eine eher technische Differenz. 878 Für denjenigen, dessen Anteile der Vinkulierung unterliegen, sind die unter­ schiedlichen Konsequenzen der Regelungen in Satzung oder Schuldvertrag ver­ gleichbar. Im Fall des §  68 Abs.  2 AktG vermag er nicht wirksam zu übertragen, weil seine Verfügungsbefugnis eingeschränkt ist. Konsequenz der Zustim­ mungsverweigerung ist allerdings nur, dass der Aktionär Mitglied der Gesell­ schaft bleibt und damit nach wie vor deren Wert als Aktivposten in seiner Ver­ mögensbilanz verbuchen kann. Wer dagegen die schuldrechtliche Vinkulie­ rungsvereinbarung ignoriert und wegen §  137 S.  1 BGB wirksam seine Anteile auf einen Dritten überträgt, hat aufgrund der Vertragsstrafenregelung eine Geldsumme zu zahlen, die die wirtschaftlichen Vorteile der Transaktion regel­ mäßig zunichte macht. Je nachdem, wie die Vertragsstrafe bemessen wird, muss der Betroffene unter Umständen eine Strafe in Höhe des erhaltenen Kaufpreises entrichten. 879 Das stellt ihn sogar noch schlechter, als wäre die Transaktion schon nicht zustande gekommen, weil es an der Zustimmung fehlte. 880 Ergebnis ist in beiden Fällen, dass der Aktionär das Geschäft nicht vornimmt. b)  Die freie Übertragbarkeit der Mitgliedschaft Opinione communis geht die deutsche Literatur davon aus, die satzungsmäßige Vinkulierung von Inhaberaktien sei unzulässig, entsprechende Satzungsbe­ stimmungen nichtig.881 Als Begründung dient stets der Verweis auf den Grund­ satz der freien Übertragbarkeit der Mitgliedschaft. 882 Der Zweck dieses Grund­ satzes wird im Schutz der gegenwärtigen Aktionäre gesehen: Weil sie bei Zu­ grundelegung der herrschenden Meinung im Aktienrecht kein außerordentliches

877  Auf diesen dogmatischen Unterschied als Argument beziehen sich Barthelmeß/Braun, AG 2000, 172, 174; Dittert, S.  155; Noack, NZG 2013, 281, 283. 878  Insoweit zutreffend Wolf, S.  108. 879  Die Vertragsstrafenvereinbarung kann so gestaltet sein, dass die Geldsumme der Höhe nach unbestimmt ist und ihre Konkretisierung gemäß den Vorgaben des §  315 BGB in das Ermessen des Gläubigers gestellt wird, s. nur BGH NJW 1985, 2021; BGH NJW 1985, 191, 192; Lindacher, in: Soergel, §  339 Rn.  5. 880  Jedenfalls dann, wenn der Erwerbswillige keinen eigenen Schadensersatzanspruch hat. In dieser Situation steht der Aktionär besser als bei einer schuldrechtlichen Vinkulierung, die mit einer Vertragsstrafenregelung verstärkt wird, weil er wenigstens seinen Anteil und damit den Vermögensgegenstand behält. Bei dem Verstoß gegen eine schuldrechtliche Vinkulierung erwirbt sein Vertragspartner wegen §  137 S.  1 BGB in der Regel (d.h. abgesehen von Kollusi­ onsfällen) wirksam und der nunmehr ehemalige Aktionär verliert wegen der fällig werdenden Vertragsstrafenzahlung auch den Aktivposten in seinem Vermögen. 881  Bayer, in: MünchKommAktG, §  68 Rn.  34; Cahn, in: Spindler/Stilz, §  68 Rn.  28; Lutter/Drygala, in: KK-AktG, Anh. §  68 Rn.  33; Merkt, in: GK-AktG, §  68 Rn.  196. 882  Dies. aaO.

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Austrittsrecht haben, muss sichergestellt sein, dass sie wenigstens per Veräuße­ rung ihres Anteils ihre Mitgliedschaft aufgeben können.883 Wenn dem Grundsatz der freien Übertragbarkeit tatsächlich eine derartige Bedeutung zukommt, stellt sich allerdings die Frage, wie dies mit der gleichfalls herrschenden Meinung übereinzubringen ist, welche die schuldrechtliche Vin­ kulierung von Inhaberaktien für zulässig hält. Wäre tatsächlich abstrakt zu ge­ währleisten, dass der Eigner seine Inhaberanteile jederzeit ohne Bindung an die Zustimmung der Gesellschaft884 zu transferieren vermag, würde die Annahme, im Schuldvertrag andere Vereinbarungen treffen zu dürfen, zweifelhaft. Die Berufung auf Vertragsfreiheit, die im Schuldrecht eben gelte, hilft hier nicht weiter. Fraglich ist gerade, ob die (vermeintlich) dem Aktienrecht zugrunde lie­ gende Wertung auf Schuldverträge durchschlägt. Sofern dem Grundsatz der freien Übertragbarkeit Gewicht beizumessen ist, tritt als zusätzliches Problem in den Blick, dass die Regelung des §  68 Abs.  2 AktG ihn unter materiellen Aspekten in Frage stellt. Denn der Austritt aus der Aktiengesellschaft ist auch dann nur durch Übertragung der Mitgliedschaft möglich, wenn das Mitglied oder sogar sämtliche Anteilseigner allein über Na­ mensaktien verfügen. Für diese Fälle rügt jedoch niemand die Möglichkeit der Vinkulierung, obwohl solche Regelungen die freie Übertragung der Mitglied­ schaft beeinträchtigen. Vor dem Hintergrund dieser Ungereimtheiten erscheint eine vertiefte Analy­ se angebracht, ob sich die bisher in der Literatur vertretene Ansicht halten lässt. Dass die Frage nicht einfach mit einem Umkehrschluss aus §  68 Abs.  2 AktG als bedeutungslos jedenfalls für die Satzungsebene abgetan werden kann, zeigt be­ reits ein Blick auf die dürftige dogmatische Grundierung der herrschenden Mei­ nung (aa]). Wenn §  68 Abs.  2 AktG tatsächlich nichts für die Lösung des Prob­ lems hergibt, wovon das Schrifttum offenbar – überwiegend unausgesprochen – ausgeht, bleibt nur der Rückgriff auf materielle Ordnungsprinzipien des Ka­ pitalgesellschaftsrechts. Anknüpfend an diese Vorüberlegungen wird die herr­ schende Meinung zur Unzulässigkeit der satzungsmäßigen Vinkulierung von Inhaberaktien unter zwei Aspekten diskutiert, nämlich bezogen auf den Grundsatz der freien Übertragbarkeit der Mitgliedschaft einerseits (bb]) und mit Blick auf den Funktionenschutz andererseits (cc]). 883  Das wird nicht immer klar beschrieben, steht aber als unausgesprochene Prämisse im Hintergrund des Verweises auf den Grundsatz der freien Übertragbarkeit. Im Kommentie­ rungstext klar hergestellt wird der oben im Text dargestellte Argumentationsgang von Cahn, in: Spindler/Stilz, §  68 Rn.  28. 884  Zu ergänzen wäre wohl „und ohne Bindung an die Zustimmung der Mitgesellschafter“. Denn auch eine derartige Abrede beschränkt die freie Übertragbarkeit. Da sich das Problem aber ausreichend anhand des Beispiels der Bindung des Anteilstransfers an die Zustimmung der Gesellschaft erläutern lässt, bleibt die Variante der Notwendigkeit der Zustimmung von Mitgesellschaftern im Text außen vor.

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aa)  Dogmatische Vorüberlegungen Die aktienrechtliche Kommentarliteratur leitet die Nichtigkeit einer Satzungs­ klausel, die die Vinkulierung von Inhaberaktien vorsieht, nicht aus einer be­ stimmten Norm ab, sondern stellt dieses Ergebnis lediglich fest.885 Niemand Geringeres als Alfred Hueck bemerkte, §  68 AktG sage über Inhaberaktien nichts aus. 886 Ein einfacher Umkehrschluss genügt daher nicht, die hier disku­ tierte Bestimmung als „Abweichung vom Gesetz“ im Sinne von §  23 Abs.  5 S.  1 AktG zu qualifizieren. Eine im wertpapierrechtlichen Schrifttum geäußerte Stellungnahme verweist auf §  137 S.  1 BGB zur Herleitung der Nichtigkeit satzungsmäßiger Vinkulie­ rungen von Inhaberaktien.887 Das ist im Hinblick auf das Verhältnis von §  137 S.  1 BGB und §§  23 Abs.  5, 68 Abs.  2 AktG fragwürdig. §  137 S.  1 BGB besagt, dass die Befugnis zur Verfügung über ein veräußerliches Recht nicht durch Rechtsgeschäft ausgeschlossen oder beschränkt werden kann. Die Anwendung der Norm setzt also voraus, dass es überhaupt ein veräußerliches Recht gibt. Steht den Beteiligten die Möglichkeit offen, das betroffene Recht bereits als un­ veräußerliches auszugestalten oder es in ein solches umzuwandeln, ist Resultat die Unanwendbarkeit von §  137 S.  1 BGB. So verhält es sich mit der Vinkulie­ rung von Namensaktien: §  68 Abs.  2 AktG stellt ausdrücklich die Möglichkeit zur Verfügung, die Übertragung an die Zustimmung der Gesellschaft zu koppeln. Nun fehlt es für Inhaberaktien zwar an einer solchen ausdrücklichen Vorgabe. Doch ergibt sich die Befugnis zur entsprechenden Regulierung aus der Freiheit der Satzungsge­ stalter. Die Gründer und später die Aktionäre haben es grundsätzlich in der Hand, die Mitgliedschaftsrechte nach ihrem Willen im Rahmen des aktienge­ setzlich Zulässigen zu formen. Diese Gestaltungsbefugnis ist §  137 S.  1 BGB vorgelagert. §  137 S.  1 BGB kommt ausschließlich dann zum Tragen, wenn das Gesetz ein Recht von vornherein als übertragbar definiert. Das beurteilt sich für Inhaberaktien nach dem Aktiengesetz. Sollte dem Aktiengesetz unter Heranziehung von §  68 Abs.  2 AktG zu ent­ nehmen sein, dass andere als Namensaktien nicht vinkuliert werden dürfen, sind solche Klauseln bereits als Abweichung vom Aktiengesetz (§  23 Abs.  5 S.  1 AktG) oder jedenfalls als unzulässige Ergänzung (§  23 Abs.  5 S.  2 AktG) nich­ tig. Anders gewendet: Grund für die Nichtigkeit ist bei unzulässigen Abwei­ chungen und Ergänzungen eben dies – die unzulässige Abweichung oder Er­ gänzung vom Aktiengesetz. Ob eine Vereinbarung vorliegt, die die Beschrän­

885 Vgl. Bayer, in: MünchKommAktG, §  68 Rn.  34; Cahn, in: Spindler/Stilz, §  68 Rn.  28; Lutter/Drygala, in: KK-AktG, Anh. §  68 Rn.  33; Merkt, in: GK-AktG, §  68 Rn.  196. 886  A.Hueck, in: Baumbach/Hueck, AktG, §  68 Rn.  16. 887  Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere, §  25 I.2.b) (S.  216).

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kung eines veräußerlichen Rechts im Sinne von §  137 S.  1 BGB vorsieht, ist nicht mehr relevant. Wenn nun das Aktiengesetz keine ausdrückliche Regelung zur satzungsmä­ ßigen Vinkulierung von Inhaberaktien enthält, vermag nur die Heranziehung allgemeiner Wertungen ein abschließendes Urteil zu begründen. Das bietet die Möglichkeit, im Wege einer juristischen Differentialdiagnose Gemeinsamkei­ ten und Unterschiede satzungsmäßiger und schuldrechtlicher Anteilsbindun­ gen zu betrachten. bb)  Der Grundsatz der freien Übertragbarkeit der Mitgliedschaft Der Regelungszweck von §  68 Abs.  2 AktG, die Eröffnung der Möglichkeit zur Kontrolle des Gesellschafterkreises, wurde oben bereits angesprochen.888 Nun haben nicht nur die Mitglieder von Aktiengesellschaften, die Namensaktien ausgeben, unter Umständen ein Interesse an einer Übersicht über den Gesell­ schafterbestand und diejenigen, die austreten oder eintreten wollen, sondern auch die Aktionäre einer Gesellschaft, deren Anteile auf den Inhaber lauten. Das verlangt eine Klärung, wieso der letzteren Gruppe die Vinkulierung in der Satzung untersagt sein soll. Wie bereits erwähnt, greift die aktienrechtliche Kommentarliteratur auf den Grundsatz der freien Übertragbarkeit der Anteile zurück.889 Einige verweisen zusätzlich darauf, insbesondere bei der Aktiengesellschaft sei dies von erhebli­ cher Bedeutung, weil den Aktionären nach herrschender Meinung kein Aus­ trittsrecht zustehe. 890 Darauf, dass dieser Gedanke genauso bei Namensaktien gelten müsste und insoweit keine Unterschiede zwischen Inhaberanteilen und Namensanteilen bestehen, wurde oben schon verwiesen. 891 Bereits zum Aktienrecht im Allge­ meinen Deutschen Handelsgesetzbuch in seiner Fassung des Jahres 1861 findet sich folgende Bemerkung: „Die freie Uebertragbarkeit der Actien ist zwar ein naturale der Commandit-Actienge­ sellschaft (sowie der Actiengesellschaft), keineswegs jedoch ein essentiale […]“.892

Im Anschluss zitiert der Autor die Motive des für die Entstehung des Allgemei­ nen Deutschen Handelsgesetzbuchs 1861 maßgeblichen preußischen Entwurfs, nach denen „es zuweilen das Interesse der Gesellschaft mit sich bringen [kann],

888  Oben

I.1.b)cc). Bayer, in: MünchKommAktG, §  68 Rn.  34; Cahn, in: Spindler/Stilz, §  68 Rn.  28; Lutter/Drygala, in: KK-AktG, Anh. §  68 Rn.  33; Merkt, in: GK-AktG, §  68 Rn.  196.. 890 Etwa Cahn, in: Spindler/Stilz, §  68 Rn.  28. 891  Oben vor aa). 892  Hahn, ADHGB, Band 1, Art.  182 §  3. 889 

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in dieser Beziehung [d.h. hinsichtlich der freien Übertragbarkeit der Aktien] etwas Anderes [sic] zu bestimmen.“893 Festzuhalten ist also: Dass das Prinzip der freien Übertragbarkeit bei Inha­ beraktien den von der Bindung an die Zustimmung Dritter freien Transfer si­ chert, ist ein Prüfungsergebnis, kann aber nicht selbst Argument sein. Die Be­ gründung für die Einschränkung der Gestaltungsfreiheit bei Inhaberaktien muss sich aus anderen Gesichtspunkten ergeben. cc)  Funktionenschutz als Regelungsziel Bietet der individuelle Schutz der gegenwärtigen Aktionäre in Form des Grund­ satzes der freien Übertragbarkeit der Anteile entgegen der in der Literatur vor­ zufindenden Meinung einen eher schwankenden argumentativen Boden, bleibt ein anderer Anknüpfungspunkt für die Prüfung der Reichweite des §  68 Abs.  2 AktG: Die Basis bietet die Grundkonzeption des Aktiengesetzes als einer Rege­ lungsordnung, der die Vorstellung zugrunde liegt, Gegenstand der Gesetzge­ bung sei – jedenfalls in erster Linie – eine börsennotierte oder zumindest eine auf den Börsengang angelegte Gesellschaft.894 Das rückt die Fungibilität der Aktie als maßgeblichen Gesichtspunkt in den Vordergrund und damit die Er­ wartungen und den Schutz der Marktteilnehmer. Maßgeblich sind Überlegun­ gen zur Aufgabe des Aktienrechts, die Funktionsfähigkeit der Aktiengesell­ schaft zu schützen, zum einen hinsichtlich ihrer Funktion als „Kapitalsammel­ stelle“, zum anderen bezogen auf den sicheren Ablauf gesellschaftsinterner Vorgänge. Auf den ersten Blick scheint diese marktbezogene Betrachtung schon deshalb angreifbar, weil vinkulierte Namensaktien an der Börse gehandelt werden. So verfügen beispielsweise die in den Deutschen Aktienindex aufgenommenen Ge­ sellschaften Allianz SE, Deutsche Lufthansa AG und die Münchener Rückver­ sicherungs-Gesellschaft Aktiengesellschaft über vinkulierte Namensaktien. 895 Doch zeigt eine Betrachtung der Unterschiede von Inhaberaktien und Na­ mensaktien hinsichtlich des gutgläubigen Erwerbs, aus welchen rechtlichen Be­ sonderheiten erhebliche Probleme bei der Zulässigkeit der satzungsmäßigen Vinkulierung von Inhaberaktien resultierten:

893  Motive zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten aus dem Jahr 1857, S.  87, abgedruckt in: Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staa­ ten Nebst Motiven, Zweither Teil: Motive, Berlin 1857. Zitat dieser Stelle bei Hahn, ADHGB, Band 1, Art.  182 §  3. 894  Statt aller Fleischer, ZIP 2006, 541; Hommelhoff, in: Roth, System der Kapitalgesell­ schaften, S.  26, 37; Röhricht, in: GK-AktG, §  23 Rn.  167. 895  Stand 2013, nachprüfbar über die Internetseiten der oben aufgeführten Gesellschaften.

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(1)  Gutgläubiger Erwerb satzungsmäßig vinkulierter Namensaktien Ist eine Namensaktie wirksam satzungsmäßig vinkuliert und damit nicht frei im Sinne von §  137 S.  1 BGB übertragbar, kommt ein gutgläubiger Erwerb des Anteils allein bei einem Transfer im Wege des Indossaments in Betracht. Nur für diesen Fall verweist §  68 Abs.  1 S.  2 AktG auf Art.  16 Abs.  2 WG.896 Bei börsengehandelten Namensaktien ist zu berücksichtigen, dass Zulassungsvor­ aussetzung ein Blankoindossament ist897 und wegen §  367 Abs.  1 S.  3, 1 HGB die Voraussetzungen, guten Glauben anzunehmen, schwieriger zu erfüllen sind.898 Wird die Namensaktie durch Zession übertragen, scheidet ein gutgläu­ biger Erwerb von vornherein aus.899 Unabhängig davon, ob der Erwerb gültig war oder nicht, sieht §  67 Abs.  2 S.  1 AktG die unwiderlegliche Vermutung vor, dass der in das Aktienregister Eingetragene im Verhältnis zur Gesellschaft als Aktionär gilt.900 Er allein kann sämtliche Anteilseignerrechte wirksam aus­ üben und ist der Aktiengesellschaft zur Erfüllung von Gesellschafterpflichten verpflichtet.901 (2)  Gutgläubiger Erwerb satzungsmäßig vinkulierter Inhaberaktien Bei Inhaberaktien liegen die Dinge anders. Ein gutgläubiger Erwerb wäre, die Zulässigkeit der satzungsmäßigen Vinkulierung unterstellt, bei fehlender Zu­ stimmung von vornherein ausgeschlossen. Für die Übertragung gelten aus­ schließlich die §§  929 ff. BGB, gegebenfalls in Verbindung mit §  367 Abs.  1 S.  1 HGB. Einen Verweis auf Art.  16 Abs.  2 WG enthält das Aktiengesetz nicht, maßgeblich sind §§  932 ff. BGB.902 Außerdem fehlt ein dem Aktienregister ver­ gleichbares Verzeichnis und somit auch eine §  67 Abs.  2 S.  1 AktG ähnelnde Re­ gelung.903 896  Schon hier ist die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs aufgrund von Zweifeln an den besitzrechtlichen Voraussetzungen der Übertragung stark umstritten (s. nur Cahn, in: Spindler/Stilz, §  68 Rn.  19). Teilweise wird sogar vertreten, guter Glaube an die Zustim­ mungsfreiheit scheide bereits deshalb aus, weil bei Namensaktien immer mit einer Vinkulie­ rung gerechnet werden müsse (so Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere, §  25 III.1. [S.  218]). Zur Anwendbarkeit von §  67 Abs.  1 S.  2 AktG i.V.m. Art.  16 Abs.  2 WG auf vinkulierte Na­ mensaktien Merkt, in: GK-AktG, §  68 Rn.  82, 105. 897 Hierzu Merkt, in: GK-AktG, §  68 Rn.  2 28. 898 Vgl. Merkt, in: GK-AktG, §  68 Rn.  101 f. 899  Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere, §  25 III.1. (S.  218). 900  Hierzu statt aller Hüffer/Koch, §  67 Rn.  13. 901 Näher Hüffer/Koch, §  67 Rn.  14 f. 902  Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere, §  25 III.1. (S.  218). 903  Das gilt bei Umsetzung der Aktienrechtsnovelle 2013 bei nicht börsennotierten Akti­ engesellschaften für den Fall, dass nach §  10 Abs.  1 Nr.  2 AktG (in der Fassung des Regie­ rungsentwurfs vom 30.12.2011, BR-Dr. 852/11) die Sammelurkunde ordnungsgemäß hinter­ legt ist. Die in der zitierten Norm genannte Ausnahme kann als Sonderregelung hier außen vor bleiben. Sie berührt nicht den sachlichen Kern der im Text angestellten Überlegungen.

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Derjenige, zu dessen Gunsten etwa die Verwahrstelle eine Umbuchung vor­ genommen hat, kann daher nicht unter Berufung auf den Rechtsschein verlan­ gen, die Gesellschaft müsse ihn als Anteilseigner behandeln. Das gilt umgekehrt ebenso. Selbst wenn die betreffende Person also bei der Verwahrstelle als Inha­ berin der Inhaberaktie verzeichnet ist, übt sie die Mitgliedschaftsrechte im Ver­ hältnis zur Gesellschaft nicht wirksam aus. Hinzu kommt, dass es bei Inhaberaktien mangels Aktienregisters nicht an­ nähernd eine Beteiligungstransparenz wie bei Namensaktien gibt. Die aktienund wertpapierhandelsrechtlichen Meldepflichten entstehen zum einen erst ab bestimmten Schwellenwerten, zum anderen weisen sie Lücken auf.904 Ob die jüngeren Reformen des Wertpapierhandelsgesetzes die Defizite sämtlich beho­ ben haben, lässt sich füglich bezweifeln.905 Beide Faktoren – keine §  67 Abs.  2 S.  1 AktG vergleichbare Norm, schlechte Beteiligungstransparenz – führten zu erheblichen Unsicherheiten, ließe man die Vinkulierung von Inhaberaktien in der Satzung zu. Erwerbsinteressierte müssten erheblichen Aufwand betreiben, um sicherzustellen, dass der Veräuße­ rer der Anteile Berechtigter ist. Die Kosten einer Due Diligence-Prüfung bei einem Paketerwerb etwa stiegen ganz erheblich. Im Ergebnis ließe sich jedoch keine Sicherheit über die Wirksamkeit des Erwerbs erreichen, weil es keinen Gutglaubensschutz hinsichtlich der ordnungsgemäßen Zustimmung zum Vor­ erwerb gäbe. Das erschwerte nicht nur den Börsenhandel, sondern auch den außerbörslichen Handel. Die Untersagung der satzungsmäßigen Vinkulierung von Inhaberaktien dient demnach unter Effizienzgesichtspunkten der Aufrechterhaltung der Han­ delbarkeit der Anteile sowie dem Schutz der Funktionsfähigkeit der Aktienge­ sellschaft. (3) Gesellschafterschutzaspekte Ein weiteres Argument für die Annahme, dass das Aktiengesetz implizit von der Unzulässigkeit satzungsmäßiger Vinkulierungen von Inhaberaktien aus­ geht, ist §  180 Abs.  2 AktG. Diese Norm verlangt für einen Hauptversamm­ lungsbeschluss über die Einführung der Vinkulierung von Namensaktien die Zustimmung aller betroffenen Aktionäre. Eine vergleichbare Vorschrift gibt es für Inhaberaktien nicht. Es gälten somit die weniger anspruchsvollen regulären Mehrheitserfordernisse des §  179 Abs.  2 S.  1 AktG. Wieso ausgerechnet bei In­ haberaktien eine derartige Erleichterung zum Zuge kommen sollte, wäre jedoch unter materiellen Gesichtspunkten unerklärlich. Das Schutzbedürfnis derjeni­ gen, die über Inhaberaktien verfügen, ist nicht geringer zu achten als die Inter­ 904  Zum letzteren Punkt Burgard, AG 1992, 41 ff.; Holland/Burg, NZG 2006, 601 (l. Sp.); Emmerich, in: Emmerich/Habersack, §  20 Rn.  4. 905 Vgl. Emmerich, in: Emmerich/Habersack, §  20 Rn.  4.

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essen von Namensaktionären. Im Gegenteil: Während ein Namensaktionär ohnehin schon nach dem Aktiengesetz gewisse Erschwerungen hinsichtlich der Abwicklung einer Anteilsübertragung hinnehmen muss, geht der Inhaber einer Inhaberaktie von der einfachen Übertragbarkeit aus. Angesichts dieser Ver­ kehrserwartungen die Schwelle für die Einführung einer Vinkulierung niedri­ ger anzusetzen als bei Namensaktien, bliebe unerklärlich. (4) Folgerungen Die Begründung der Literatur, eine satzungsmäßige Vinkulierung von Inha­ beraktien scheide aus, weil die freie Übertragbarkeit der Aktie gesichert werden müsse, hat sich als zweifelhaft erwiesen. Maßgeblich für die Untersagung der Vinkulierung von Inhaberaktien ist nicht der Schutz des veräußerungswilligen Anteilseigners. Die wesentlichen Argumente resultieren vielmehr aus dem Schutz der Funktionsfähigkeit der Aktiengesellschaft und aus der Notwendig­ keit, einen reibungslosen Ablauf von Anteilsübertragungen sicherzustellen, um die Erwartungen der Nachfrageseite an die rechtssichere Abwicklung von Wertpapiergeschäften nicht zu enttäuschen und so den Handel zu erschweren. Bei einer schuldrechtlichen Vinkulierung treten diese Probleme nicht auf. In­ soweit greift §  137 S.  1 BGB zum Schutz des Rechtsverkehrs, ein gutgläubiger Erwerb bleibt möglich. Soweit oben unter (3) darauf verwiesen wurde, de lege lata spreche jedenfalls auch ein Umkehrschluss aus §  180 Abs.  2 AktG gegen die Zulässigkeit von Satzungsklauseln über die Anteilsbindung bei Inhaberaktien, stellt sich die Lage bei vertraglichen Regelungen gleichfalls anders dar: Gemäß §  180 Abs.  2 AktG darf die Vinkulierung von Namensaktien durch Beschluss der Hauptversammlung nur in die Satzung aufgenommen werden, wenn sämtliche betroffenen Gesellschafter zustimmen. Genauso verhält es sich bei schuldrechtlichen Vinkulierung von Inhaberaktien. Der Bindungsabrede unterliegen nur die Mitglieder, die sich ihr unterwerfen. Jeder einzelne Gesell­ schafter, für dessen Anteile besondere Übertragungsvoraussetzungen gelten sollen, muss individuell sein Einverständnis in Form des Konsenses zum Ver­ tragsschluss erteilen. c)  §  6 8 Abs.  2 AktG und aktienrechtliche Kompetenzordnung Der Großteil des Schrifttums sieht den Zweck des §  68 Abs.  2 AktG darin, be­ sondere gesetzliche Anforderungen an die Kontrolle des Gesellschafterbestan­ des stellen oder speziellen wirtschaftlichen Interessen Wirkung verleihen zu können.906 Das geht konform mit der Begründung zur Einführung der Vorgän­ gernorm im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch 1861 in Art.  223 Abs.  1 in Verbindung mit Art.  182 Abs.  3. So führen die Motive zum für das Allgemei­ 906 Ausführlich

Merkt, in: GK-AktG, §  68 Rn.  199 ff.

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ne Deutsche Handelsgesetzbuch 1861 wichtigen Entwurf eines Handelsgesetz­ buchs für die Preußischen Staaten an der einschlägigen Stelle aus, es scheine „angemessen, die Zulässigkeit derartiger Klauseln des Gesellschaftsvertrages [zur Vinkulierung] im Gesetz ausdrücklich zuzulassen […].“907 Eine Ansicht im Schrifttum versteht die Norm jedoch (auch) kompetenz­ rechtlich und leitet hieraus ein Argument gegen die Zulässigkeit schuldrechtli­ cher Vinkulierungen ab.908 Ratio der §§  68 Abs.  2, 180 Abs.  2 AktG sei, dem Vorstand abweichend vom aktienrechtlichen Regelmodell Einfluss auf die Zu­ sammensetzung des Aktionärskreises einzuräumen.909 Dieser als Kompe­tenz­ erweiterung verstandene Normzweck zwinge zu der Folgerung, ein solches Mehr an Befugnissen dürfe nur nach den in den §§  68 Abs.  2, 180 Abs.  2 AktG niedergelegten Voraussetzungen akzeptiert werden.910 Die aktienrechtliche „Grundzuständigkeit“ für „die Zusammensetzung der Mitgliederstruktur der Hauptversammlung“911, die als Messlatte für die behauptete Kompetenzmeh­ rung des Vorstandes dient, soll bei der Hauptversammlung liegen.912 Von dieser Warte aus wird die Kompetenzzuschreibung an den Vorstand in §  68 Abs.  2 S.  2 AktG für außergewöhnlich gehalten. Einzelne Aktionäre seien insoweit nicht dispositionsbefugt, die Kompetenz zur Ermächtigung des Vorstandes stehe al­ lein der Hauptversammlung insgesamt zu.913 Diese Sichtweise überzeugt nicht: aa)  Zuständigkeit im Innenverhältnis und im Außenverhältnis Das Gesetz sieht in §  68 Abs.  2 S.  1 AktG die Bindung der Anteilsübertragung „an die Zustimmung der Gesellschaft“ vor. Im Übrigen unterscheidet die Norm zwischen der Erteilung der Zustimmung im Außenverhältnis und der Be­ schlussfassung über die Entscheidung im Innenverhältnis.914 Nur für das Au­ 907  Motive zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten aus dem Jahr 1857, S.  87, abgedruckt in: Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preußischen Staa­ ten Nebst Motiven, Zweither Teil: Motive, Berlin 1857. 908  Otto, AG 1991, 369, 374, 375. 909  Otto, AG 1991, 369, 375. Anders als Otto aaO. in den Fußnoten 39 und 40 suggeriert, sah das seinerzeitig der von ihm als Belegautor zitierte Marcus Lutter (im KK-AktG und ge­ meinsam mit Barbara Grunewald in AG 1989, 109, 111) keineswegs ebenso. Zwar führte Lutter in der damals aktuellen zweiten Auflage des KK-AktG zu §  68 in Rn.  49 aus, Zweck der Vinkulierung sei die Abwehr eines von den zuständigen Organen nicht gewünschten Einflus­ ses auf die Gesellschaft (ebenso Lutter/Drygala, in: KK-AktG, §  68 Rn.  58). Doch bezog sich diese Aussage eben gerade nicht auf eine besondere Ermächtigung des Vorstands als Ausnah­ me zu dessen nach allgemeinen aktienrechtlichen Regelungen begründeten Kompetenzen. Bezugspunkt war und ist in den Stellungnahmen Lutters und seiner Mitautoren die Aktienge­ sellschaft, nicht speziell der Vorstand. Diese Sichtweise trifft zu, wie sogleich oben im Text näher ausgeführt wird. 910  Otto, AG 1991, 369, 375. 911  Otto, AG 1991, 369, 373. 912  Otto, AG 1991, 369, 373. 913  Otto, AG 1972, 369, 375. 914  Vgl. bereits oben I.1.b)aa).

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ßenverhältnis schreibt das Gesetz in §  68 Abs.  2 S.  2 AktG zwingend die Zustän­ digkeit des Vorstandes fest. Das ist allerdings keine Ausnahme, sondern viel­ mehr die Bestätigung der allgemeinen aktienrechtlichen Regelung des §  82 Abs.  1 AktG. Damit verbleibt, soll in §  68 Abs.  2 AktG tatsächlich eine Beson­ derheit liegen, lediglich das Innenverhältnis der Gesellschaft zu ihren Organen Hauptversammlung, Aufsichtsrat und Vorstand als Betrachtungsgegenstand. Mit Blick auf §  68 Abs.  2 S.  2 AktG ist diesbezüglich zunächst festzuhalten, dass die Autoren der Materialien zum Aktiengesetz 1965 die Grundregel der Vorstandszuständigkeit mit dem Anliegen der Rechtsklarheit begründen. Es sollen keine Zweifel über die Kompetenzverteilung bleiben, wenn die Satzung schweigt.915 Wiederum bleibt es damit beim aktienrechtlichen Prinzip, für das Innenverhältnis niedergelegt in §  76 Abs.  1 AktG, wonach grundsätzlich der Vorstand in Angelegenheiten der Gesellschaft tätig wird. Dass es sich um eine Angelegenheit der Gesellschaft handelt, ergibt sich schon aus deren Stellung als Vertragspartei der schuldrechtlichen Vinkulierung. bb)  Klarstellungsfunktion von §  6 8 Abs.  2 AktG Des Weiteren ist der Regelungskontext des §  68 Abs.  2 AktG zu berücksichti­ gen. Zunächst gestattet er die satzungsmäßige Vinkulierung von Namensakti­ en. Das ist angesichts des Gebots der Satzungsstrenge von erheblicher Bedeu­ tung. Ohne eine entsprechende gesetzliche Vorschrift wäre höchst fraglich, ob die Gesellschafter den mit der Ausgabe von Namensaktien regelmäßig verfolg­ ten Zweck der Kontrolle des Mitgliederkreises effektiv verfolgen könnten. Dieser zuletzt genannte Punkt war der maßgebliche Anlass, überhaupt die Vinkulierungsmöglichkeit ausdrücklich in aktienrechtlichen Regelungen fest­ zuschreiben. Auf die einschlägige Passage der Motive zum Entwurf eines Han­ delsgesetzbuchs für die Preußischen Staaten aus dem Jahr 1857 wurde bereits hingewiesen.916 Überlegungen zur Abgrenzung der Kompetenzen von Haupt­ versammlung und Vorstand haben dabei keine Rolle gespielt.

2.  Kein Verstoß gegen die aktienrechtliche Kompetenzordnung Gegen die Zulässigkeit schuldrechtlicher Vinkulierungen soll sprechen, dass diese entgegen der aktienrechtlichen Neutralitätspflicht dem Vorstand die Mög­ lichkeit eröffne, Einfluss auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises zu nehmen.917

915  Begründung zum Regierungsentwurf des Aktiengesetzes 1965, abgedruckt bei Kropff, S.  88. 916  Oben bei Fußnote 893. 917  Immenga, AG 1992, 79, 81; Otto, AG 1991, 369, 373 f.

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

Unabhängig davon, ob eine solche Neutralitätspflicht außerhalb spezieller kapitalmarktbezogener Situationen überhaupt existiert:918 Ihre Existenz änder­ te nichts daran, dass schuldrechtliche Vinkulierungen kein kompetenzrechtli­ ches Problem sind, das diese Pflicht berührte.919 Wer im Aktienrecht die Pflicht des Vorstands zur Neutralität bejaht, stützt sich auf die Erwägung, angesichts von möglichen Eigeninteressen des Vor­ stands hinsichtlich der Gesellschafterstruktur920 müsse gesichert sein, dass der Vorstand den Interessen der Gesellschaft und denen der Aktionäre den Vor­ rang einräume.921 Diese Gefahren lassen sich auf der schuldrechtlichen Ebene lösen. Bereits auf dieser besteht eine ausreichende Steuerungswirkung, die ei­ ner – unterstellten – aktienrechtlichen Neutralitätspflicht gleichkommt. Von einem Verstoß gegen die aktienrechtliche Kompetenzordnung kann daher kei­ ne Rede sein: Der Schuldvertrag zwischen der Gesellschaft und den Mitgliedern enthält seinerseits ein Pflichtenprogramm, das den Vorstand mittelbar bindet. Die Ab­ rede über die schuldrechtliche Vinkulierung steht zum einen typischerweise im Zusammenhang mit Abreden der Gesellschafter untereinander. Die Vinkulie­ rung etwa ist nur ein Teil der Vereinbarungen, die Investoren und Gründer über den Gesellschafterwechsel und dessen Bedingungen in Beteiligungsvereinba­ rungen treffen. Diese Absprachen wiederum dienen dem Zweck der sinnvollen Organisation der Wagniskapitalfinanzierung und sollen einige der mit ihr ver­ bundenen Risiken einhegen. Sie wirken auf die Klausel über die schuldrechtli­ che Anteilsbindung zurück und definieren die maßgeblichen Interessen für die Abwägungsentscheidung über die Zustimmung. Außerdem beschreiben die Vereinbarungen über die Zustimmungsrechte der Gesellschaft regelmäßig, insoweit vergleichbar mit §  68 Abs.  2 S.  4 AktG, Ereig­ nisse und Kriterien, die die Aktiengesellschaft, vertreten durch den Vorstand, berücksichtigen muss. Entscheidet der Vorstand entgegen diesen Vorgaben, ver­ letzt er seine Pflichten gegenüber der Gesellschaft und haftet nach §  93 Abs.  2 S.  1 AktG. Darüber hinaus steht dem Austrittswilligen bei der unrechtmäßigen Verweigerung der Zustimmung die Möglichkeit zu, die Gesellschaft wegen Vertragsverletzung in Anspruch zu nehmen und im Wege der Natural­restitu­ tion die nachträgliche Billigung zu fordern. 918  Für eine aktienrechtliche Neutralitätspflicht etwa Mertens/Cahn, in: KK-AktG, §  76 Rn.  26; Spindler, in: MünchKommAktG, §  76 Rn.  37; dagegen etwa Hüffer/Koch, §  76 Rn.  40; Kort, in: GK-AktG, §  76 Rn.  147 f. Zur kapitalmarktrechtlichen Neutralitätspflicht in Über­ nahmesituationen Ekkenga, FS Kümpel, S.  95 ff. 919  Für den hier nicht einschlägigen Fall strategischer Allianzen in diesem Sinne auch Barthelmeß/Braun, AG 2000, 172, 176. 920  Etwa deshalb, weil der Vorstand bei Erwerb der Anteilsmehrheit durch eine bestimmte Person befürchten muss, ausgewechselt zu werden, vgl. Hopt/Roth, in: GK-AktG, §  93 Rn.  214. 921  S.  Hopt/Roth, in: GK-AktG, §  93 Rn.  214; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, §  93 Rn.  26.

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Im Ergebnis gleicht die schuldrechtliche Bindung also der gemäß §  68 Abs.  2 AktG vorgenommenen satzungsmäßigen Vinkulierung von Namensaktien: Die Zustimmung wird im Außenverhältnis erteilt vom Vorstand, der im Innenver­ hältnis der Gesellschaft gegenüber verpflichtet ist, die Kriterien zu beachten, die die Satzung vorgibt. Im Fall der rechtswidrigen Zustimmungsverweigerung haftet der Vorstand im Innenverhältnis und der betroffene Gesellschafter kann auf Erteilung der Zustimmung klagen.

3.  Keine Umgehung von §  136 Abs.  2 AktG Einige Autoren ziehen §  136 Abs.  2 AktG als Indiz für die Unzulässigkeit schuld­ rechtlicher Vinkulierungen heran.922 Zwar gestehen sie zu, dass der Wortlaut der Vorschrift diese Vereinbarungen nicht trifft.923 Doch gewähre die schuld­rechtliche Bindung der Anteilsübertragung an die Zustimmung der Ge­ sellschaft dem Vorstand unzulässigen Einfluss auf die Willensbildung in der Hauptversammlung.924 Anlass für die Einführung des §  136 Abs.  3 AktG 1965, des heutigen §  136 Abs.  2 AktG, sei gewesen, „alle, auch und gerade außerhalb des korporationsrechtlichen Bereichs durch Individualvereinbarungen begrün­ dete Einflußnahmen der Verwaltung auf die Willensbildung der Hauptver­ sammlung so weit wie möglich [zu] verhindern […].“925 Das müsse zu einer wei­ ten Auslegung der Norm führen.926 Dieses Ergebnis stützten Parallelwertungen zu den Regelungen, die der Aktiengesellschaft die Ausübung von Rechten aus eigenen Anteilen verhindern, etwa §  71b AktG.927 Auch insoweit wolle der Ge­ setzgeber den Einfluss der Verwaltung auf die Entscheidungsfindung in der Hauptversammlung begrenzen.928 Diese Argumente sind jedenfalls auf den ersten Blick nicht von der Hand zu weisen. So taugt der Hinweis auf den freiwilligen Abschluss kaum als Einwand gegen die eben skizzierte Ansicht. §  136 Abs.  2 AktG nimmt auf Freiwilligkeit keine Rücksicht. Jeder Stimmbindungsvertrag zwischen Aktiengesellschaft und Aktionär ist nichtig. Vergleichbares gilt für den Hinweis darauf, während eine Weisung direkten Einfluss nehme, beeinflussten Zustimmungsentschei­ dungen das Abstimmungsverhalten „lediglich indirekt und mittelbar“.929 Die schuldrechtliche Vinkulierung versetzt die Verwaltung in die Lage, Druck auf den gebundenen Aktionär hinsichtlich seines Stimmverhaltens aus­ zuüben. So ist es denkbar, dass der Vorstand dem Aktionär androht, die Zu­ 922 

Immenga, AG 1992, 79, 81; Otto, AG 1991, 369, 376 ff. Otto, AG 1991, 369, 376. 924  Immenga, AG 1992, 79, 81; Otto, AG 1991, 369, 376 f. 925  Otto, AG 1991, 369, 378. 926  Otto, AG 1991, 369, 378. 927  Otto, AG 1991, 369, 377, 378. 928  Otto, AG 1991, 369, 377. 929  Dittert, S.  156; ähnlich offenbar Noack, NZG 2013, 281, 283. 923 

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

stimmung zur Veräußerung zu verweigern, sollte der Gesellschafter nicht wunschgemäß abstimmen. Außerdem besteht die Gefahr der Zustimmungsver­ weigerung, falls der Erwerbswillige aus Sicht des Vorstands unerwünscht ist, etwa weil er einen Ruf als „kritischer Aktionär“ hat. Aus Sicht des Betroffenen wirkt eine solche Drohung in den meisten Fällen kaum schwächer als die Unter­ werfung unter ein Weisungsrecht, das ausdrücklich als solches bezeichnet wird. Indes vermögen diese Bedenken die Unzulässigkeit von schuldrechtlichen Vinkulierungen nicht zu begründen. Die geschilderten Probleme bestehen sämtlich auch bei einer satzungsmäßigen Vinkulierung nach §  68 Abs.  2 AktG. Dass diese – trotzdem – zulässig ist, spricht dafür, dass es jedenfalls einer beson­ deren Begründung bedarf, dem Regelungsgegenstand nach vergleichbare schuld­rechtliche Vereinbarungen für nichtig zu erklären. §  68 Abs.  2 AktG als Ausnahmevorschrift zu verstehen, die lediglich einen Grundsatz bestätige, führt in einen Zirkelschluss: Ob §  68 Abs.  2 AktG eine Sonderregel enthält, ist gerade die Frage.

4. Ergebnisse Schuldrechtliche Vinkulierungen von Inhaberaktien sind in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung für zulässig zu erachten. Die §§  68 Abs.  2, 136 Abs.  2 AktG sind nicht geeignet, unter Verweis auf die aktienrechtliche Kompe­ tenzordnung ein anderes Ergebnis zu begründen.

§  2  Vesting Regelungen zum Vesting sind ein wichtiger Teil der Gestaltung von Wagniska­ pitalvereinbarungen, um die Bindung der Gründer an das Unternehmen zu si­ chern.930 Zugleich sollen diese Bestimmungen verhindern, dass der auf eigenen Wunsch oder mit Sachgrund seiner Aufgaben entbundene Gründer die Früchte der Anstrengungen der weiterhin im Unternehmen tätigen Gesellschafter ver­ einnahmt, ohne selbst noch Beiträge leisten zu müssen.931 Im deutschen Recht stehen zwei Gestaltungsvarianten zur Verfügung, dieses Ziel umzusetzen: In Betracht kommt zunächst die Aufnahme eines Einzie­ hungsrechts in die Satzung (dazu I.).932 Alternativ denkbar ist die Vereinbarung einer Call Option zu Gunsten der Mitgesellschafter in einer schuldrechtlichen Vereinbarung, auf Grundlage derer die Berechtigten die Übertragung sämtli­

930 

S.  bereits 1. Teil B. §  6 II.2. Speziell zum Trittbrettfahrertum bereits 1. Teil A. §  2 III.3.a). 932  Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 178. 931 

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cher oder eines Teils der Anteile der Gründer an sich oder Dritte verlangen können (dazu II.).933

I.  Einziehungsrechte als Vestingregelung Wie bereits eingangs geschildert, ist es in der Praxis durchaus üblich, Vestingre­ gelungen zu treffen, die den Ausschluss des betroffenen Mitglieds durch Zwangseinziehung regeln. Da §  237 AktG und §  34 GmbHG unterschiedliche Anforderungen an dieses Verfahren stellen, trennt die folgende Darstellung nach Gesellschaftsformen.

1.  Einziehungsrechte in der Aktiengesellschaft Nach §  237 Abs.  1 AktG können Aktien zwangsweise eingezogen werden, ent­ weder im Wege einer gemäß §  237 Abs.  1 S.  2, Alt. 1 AktG in der Satzung ange­ ordneten oder nach Maßgabe einer konform mit §  237 Abs.  1 S.  2, Alt. 2 AktG gestatteten Einziehung. Dem Grunde nach sind Vestingregelungen in der Form von Einziehungsrechten zu Gunsten der Gesellschaft also zulässig.934 Solche Bestimmungen sind allerdings nur in den Grenzen des Aktienrechts möglich, die §§  54, 55 AktG gelten.935 Die Einziehung darf nicht dazu einge­ setzt werden, Druck auf einen Aktionär auszuüben, um diesen zur Erbringung von Leistungen zu zwingen, die über die Einlageleistung hinausgehen.936 Das ist für die Wagniskapitalfinanzierung ein Problem, weil die Bestimmun­ gen zum Vesting gerade verhindern sollen, dass ein Gründer die Mitarbeit ein­ stellt und trotzdem an den Erträgen teilhat, die die übrigen Gesellschafter er­ wirtschaften (hierzu a]).937 Keinen Ausweg bietet das Argument, die Verweige­ rung der weiteren Mitarbeit liefere einen wichtigen Grund in der Person des Aktionärs zum Ausschluss, der unabhängig von den §§  54, 55 AktG bestehe (unten b]). a)  Erzwingung einer Nebenleistung entgegen den §§  54, 55 AktG Die Formulierung, der Gläubiger solle nicht von den Erträgen profitieren, die auf den Anstrengungen anderer beruhen, lässt sich zur Verdeutlichung des im Zusammenhang mit den §§  54, 55 AktG bestehenden Problems umkehren: Der 933 

Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 178. S.  Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 178 f.; Winkler, S.  201. 935  RG JW 1928, 2622, 2624 f.; Lutter, in: KK-AktG, §  237 Rn.  39; Oechsler, in: Münch­ KommAktG, §  237 Rn.  38; Sethe, in: GK-AktG, §  237 Rn.  56. Für andere Ausschlussverfah­ ren Grunewald, Ausschluss, S.  55, 197. 936  Nachweise in der vorhergehenden Fußnote. 937  S.  bereits oben vor I., zum allgemeinen Problem des Trittbrettfahrertums 1. Teil A. §  2 III.3.a). 934 

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

Gründer soll zur Leistung angehalten werden können, solange er Gesellschafter ist. Das führt zur Unzulässigkeit von Einziehungsregelungen jedenfalls in den Fällen, in denen der betroffene Gesellschafter die Mitarbeit aus eigenem Ent­ schluss beendet.938 In diesem Fall dient die Androhung der Zwangseinziehung dazu, ihn zu einer Leistung zu veranlassen, die über seine Einlagepflicht hin­ ausgeht. Kein tauglicher Einwand ist das Argument, die Dienstleistungspflicht des Gründers beruhe auf einem Schuldvertrag, so dass das hier thematisierte Prob­ lem überhaupt nicht in den Anwendungsbereich der §§  54, 55 AktG falle.939 Zweck der Vestingregelungen ist es, den Gründer – unabhängig von einer schuld­rechtlichen Verpflichtung – zur andauernden Tätigkeit für die Gesell­ schaft anzuhalten. Solche Klauseln steuern dem Trittbrettfahrertum nur entge­ gen, wenn sie auch in den Situationen zur Geltung gelangen, in denen die Dienstleistungspflicht endet, weil der Dienstverpflichtete die Primärleistungs­ pflicht durch Kündigung zum Erlöschen gebracht hat. Arbeitet der Gründer weiter für das Unternehmen, obwohl keine schuldver­ tragliche Pflicht mehr besteht, erbringt er eine Leistung, die ihre Grundlage allein in seiner Mitgliedschaft hat. Seine Stellung als Gesellschafter bietet erst die Möglichkeit, ihn unter Androhung der Einziehung zur Leistung zu be­ wegen. b)  Beendigung der Mitarbeit kein wichtiger Grund in der Person Nach herrschender Meinung ist die Einziehung zulässig, wenn ein wichtiger Grund in der Person des Aktionärs hierfür spricht.940 Liegt ein solcher wichti­ ger Grund in der Person vor, gibt es keine Kollision mit den §§  54, 55 AktG.941 Die Basis dieser Erwägungen bietet eine funktionenbezogene Überlegung: Das Interesse am Fortbestand der Gesellschaft und der Sicherung der Verfolgung des gemeinsamen Zwecks hat Vorrang vor den Individualinteressen der Mit­ glieder.942 Daran anknüpfend scheint das Argument valide, wonach der Gründer, der die Mitarbeit beende, aber seine Beteiligung behalten wolle, das gesamte Kon­ zept der Unternehmensentwicklung bedrohe. Schließlich beruht dieses darauf, dass die Gründer ihre Arbeitskraft und ihre Fachkenntnisse umfassend zur 938  So im Zusammenhang mit Venture Capital Winkler, S.  201. Allgemein bereits früher Grunewald, Ausschluss, S.  232 f. 939  In diesem Sinne Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 179. 940  Lutter, in: KK-AktG, §   237 Rn.  50; Oechsler, in: MünchKommAktG, §  237 Rn.  36; Sethe, in: GK-AktG, §  237 Rn.  53, jeweils mit weiteren Nachweisen zum teilweise abweichen­ den älteren Schrifttum. S.  auch Grunewald, Ausschluss, S.  55 ff. 941  Grunewald, Ausschluss, S.  56. 942  Lutter, in: KK-AktG, §  237 Rn.  50, unter Berufung auf die allgemeine Diskussion zur Funktion des Ausschlusses aus wichtigem Grund bei Grunewald, Ausschluss, S.  19 ff.

E.  Bindung der Gründer

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Verfügung stellen. Derjenige, der dies unterlässt, gefährdet den Zusammenhalt der Gesellschafter untereinander und verstößt gegen die bei Beginn der Finan­ zierung einvernehmlich zugrunde gelegte Abrede über die Aufgabenverteilung zwischen Gründern und Investoren. Unter Umständen bedroht dies sogar den Fortbestand von Unternehmen und Gesellschaft insgesamt. Indes schließt das Aktiengesetz diesen Einwand aus. Der Sache nach stützt er sich nämlich auf die implizite Annahme einer Einlagepflicht der Gründer, zur Förderung des gemeinsamen Zwecks Dienstleistungen erbringen zu müssen, sei es in Organen oder als „bloße“ Angestellte. Solche Pflichten können jedoch ge­ mäß §  27 Abs.  2, 2.  HS AktG kein Gegenstand von Sacheinlagen oder Sachüber­ nahmen sein. Wäre das Argument zulässig, die Gründer müssten für die Gesell­ schaft im Unternehmen tätig sein, hieße das nichts anderes, als dies zur Voraus­ setzung für den Erhalt und die Beibehaltung des Aktionärsstatus zu erheben. Das bedeutet im Ergebnis, die Einstellung der Mitarbeit nach Beendigung entsprechender dienstvertraglicher Pflichten nicht per se als wichtigen Grund in der Person des Gesellschafters betrachten zu dürfen, der die Einziehung rechtfertigte. c)  Verzicht auf den Schutz der §§  54, 55 AktG aa)  Gestattete Einziehung Sollen die §§  54, 55 AktG den Aktionär davor schützen, zusätzliche Leistungen erbringen zu müssen, stellt sich die Frage nach der Möglichkeit zum Verzicht auf diesen Schutz. Zwar kann dies angesichts von §  23 Abs.  5 S.  1 AktG nicht für einen dauerhaften Verzicht gelten, der etwa im Erwerb von Anteilen gesehen werden könnte, die mit Einziehungsklauseln belastet sind. Doch sperrt dies nicht die Einziehung bei ausdrücklich erklärter Zustimmung des Gesellschaf­ ters, selbst wenn er zuvor die Mitarbeit aus eigenem Entschluss beendet hat. Die oben angestellten Überlegungen stehen dem nicht entgegen. Denn die Einziehung vermag in diesem Fall nicht der Ausübung von Druck auf den Ge­ sellschafter zu dienen, um ihn zur Mehrarbeit zu zwingen. Vielmehr wünscht er selbst das Ausscheiden aus der Gesellschaft. Es kann aus seiner Sicht gute Gründe dafür geben, seine Mitgliedschaft auf diese Weise zu beenden. Findet sich etwa kein Dritter, der aus Sicht der übrigen Gesellschafter den Platz des Austrittswilligen einzunehmen vermag, und wollen die übrigen Mitglieder die Anteile nicht erwerben, bietet es sich an, die Einziehungslösung zu wählen. Aus den im Gesetzestext des §  237 Abs.  1 AktG auftauchenden Worten „zwangsweise“ und „Zwangseinziehung“ ergibt sich kein Grund, die Einzie­ hung gemäß dieser Norm nur für zulässig zu halten, wenn der betroffene Ge­ sellschafter die Zustimmung verweigert und nicht freiwillig ausscheidet. Es entspricht einhelliger Meinung, die Einziehung auf Grundlage dieser Vorschrift

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

zur Umsetzung sämtlicher Zwecke durchführen zu können, hinsichtlich derer eine Kapitalherabsetzung möglich wäre. Eine Beschränkung auf bestimmte Zielsetzungen gibt es also nicht.943 Um Missverständnissen vorzubeugen: Es handelt sich hier nicht insofern um eine „freiwillige“ Einziehung, als allein der Wunsch des betroffenen Mitglieds relevant wäre.944 Die Freiwilligkeit bezieht sich ausschließlich darauf, die zwin­ gend vorgesehene Einziehung auch in den Fällen umsetzen zu können, in denen ohne Zustimmung des Gesellschafters die Maßnahme zu einem Verstoß gegen die §§  54, 55 AktG führte. bb)  Angeordnete Einziehung Dies gilt auch für die angeordnete Einziehung. Zwar müssen insoweit die Grün­ de für die Ausführung bereits im Vorhinein bestimmt sein945 und die Einzie­ hung für den Fall der gründerseitigen Beendigung der Mitarbeit ist nach dem oben Ausgeführten illegal. Doch führt dies nicht zur Unzulässigkeit der hier vertretenen Zustimmungslösung insgesamt. Das ergibt sich aus folgender Kon­ trollüberlegung: Die Satzung muss nicht alle Voraussetzungen der Einziehung im Vorhinein festlegen.946 Insoweit ist die betreffende Bestimmung in eine gestattete Einzie­ hung umzudeuten.947 Immerhin lässt sich der Satzung entnehmen, dass die Zwangseinziehung von Anteilen – prinzipiell – möglich sein soll. In der Konse­ quenz müssen die Gesellschafter nun in Anbetracht des §  237 Abs.  1 S.  2, Alt. 2 AktG einen gesonderten Beschluss über die Einziehung fassen, der lediglich der sachlichen Rechtfertigung im Einzelfall bedarf.948 Ist die Satzungsbestimmung über die angeordnete Einziehung nach der frei­ willigen Beendigung der Mitarbeit wegen Verstoßes gegen die §§  54, 55 AktG gemäß §  23 Abs.  5 S.  1 AktG unwirksam, enthält die Satzung juristisch betrach­ tet keine Regelung. Gleichzeitig steht jedoch fest, dass die Gesellschafter jeden­ falls grundsätzlich Zwangseinziehungen ermöglichen wollten. Hätten sie die Unwirksamkeit der fraglichen Bestimmung bereits von Beginn an berücksich­ tigt, hätten sie eine wirksame Regelung im Wege der Gestattung treffen dürfen. 943  Lutter, in: KK-AktG, §  237 Rn.  13; Oechsler, in: MünchKommAktG, §  237 Rn.  4; Sethe, in: GK-AktG, §  237 Rn.  13. 944  Ob eine solche Form der Einziehung in der Satzung geregelt werden darf, ist umstrit­ ten. S.  einerseits (bejahend) Sethe, in: GK-AktG, §  237 Rn.  49, andererseits (verneinend) Lutter, in: KK-AktG, §  237 Rn.  43. 945  Lutter, in: KK-AktG, §   237 Rn.  34; Oechsler, in: MünchKommAktG, §  237 Rn.  28; Sethe, in: GK-AktG, §  237 Rn.  58. 946 Deutlich: Lutter, in: KK-AktG, §  237 Rn.  4 4. 947  Lutter, in: KK-AktG, §   237 Rn.  34; Oechsler, in: MünchKommAktG, §  237 Rn.  35; Sethe, in: GK-AktG, §  237 Rn.  58. 948  S.  Lutter, in: KK-AktG, §  237 Rn.  4 4, 47; Oechsler, in: MünchKommAktG, §  237 Rn.  42; Sethe, in: GK-AktG, §  237 Rn.  60 f.

E.  Bindung der Gründer

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Deren Ausübung wäre bei Zustimmung des betroffenen Gesellschafters zuläs­ sig. Es leuchtete nun nicht ein, im letztgenannten Fall die Zwangseinziehung zu erlauben, nicht aber im ersten. Das spricht für eine Umdeutung der nichtigen Klausel in die Gestattung der Einziehung im Sinne von §  237 Abs.  1 S.  2, Alt. 2 AktG. Notwendig ist dann lediglich ein zusätzlicher Gesellschafterbeschluss und die Zustimmung des betroffenen Gesellschafters. d) Ergebnis Das angesichts der Konfliktlage wenig erfreuliche Ergebnis ist, dass die §§  54, 55 AktG den Ausschluss des Gründers ohne seine Zustimmung verhindern, obwohl dies nicht unerhebliche Interessenkonflikte nach sich ziehen kann. Hier zeigt sich die problematische Konzeption des Aktiengesetzes, allein auf eine börsennotierte Gesellschaft ausgerichtet zu sein. So mag die Beschränkung der Leistungspflicht auf die Einlage nach Maßgabe der §§  54, 55 AktG für Publi­ kumsgesellschaften ihren Sinn haben. In geschlossenen Gesellschaften jedoch ist diese Beschränkung unter Umständen schädlich. Wieder zwingt das Aktien­ gesetz dazu, auf eine von Außenstehenden nicht nachvollziehbare schuldrecht­ liche Nebenabrede auszuweichen.949 Anderes gilt nur dann, wenn der Gesellschafter der Einziehung zustimmt, entweder im Rahmen des Beschlusses über eine gestattete Einziehung gemäß §  237 Abs.  1 S.  2, Alt. 2 AktG oder vor Ausübung der angeordneten Einziehung im Sinne von §  237 Abs.  1 S.  2, Alt. 1 AktG.

2.  Einziehungsrechte in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung §  34 Abs.  1 GmbHG lässt es zu, im Gesellschaftsvertrag die Einziehung von Geschäftsanteilen zu regeln. Gemäß §  34 Abs.  2 GmbHG ist es erlaubt, die Zwangseinziehung ohne die Zustimmung des Anteilsberechtigten vorzusehen. Die oben für die Aktiengesellschaft diskutierten Probleme stellen sich nicht, weil es an Vorschriften fehlt, die den §§  54, 55 AktG gleichen. Aus diesem Grund ist die ausdrücklich angeordnete Einziehung für den Fall der Beendi­ gung der Mitarbeit seitens des Gründers unproblematisch.950 Da es genügt, in der Satzung als Einziehungsgrund „aus wichtigem Grund“ vorzusehen,951 bedarf es allerdings keiner solchen Konkretisierung in der Sat­ zung. §  34 Abs.  2 GmbHG wird großzügiger ausgelegt als §  237 Abs.  1 S.  2, Alt. 1 AktG.

949 

S.  a llgemein zu diesem Problem bereits oben 3. Teil A. §  1 V.1.c). Winkler, S.  193. 951  BGHZ 65, 22, 28; BGH NJW 1995, 1358, 1359; Strohn, in: MünchKommGmbHG, §  34 Rn.  42; Ulmer/Habersack, in: GK-GmbHG, §  34 Rn.  38. 950 

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

Dem steht nicht entgegen, dass die Rechtsprechung die Untätigkeit eines Ge­ sellschafters als solche nicht als Rechtfertigungsgrund für einen Ausschluss an­ sieht.952 Gleichzeitig hebt sie nämlich hervor, dass dann, wenn es einen sachli­ chen Grund für den Ausschluss gebe, dieser auch ohne entsprechende Satzungs­ bestimmung durchgeführt werden könne.953 Ein solcher zusätzlicher Grund liegt vor: Die Unzumutbarkeit des Verbleibens eines Gründers, der nicht mehr für die Gesellschaft im Unternehmen tätig wird, führt zu erheblichen Interessenkon­ flikten – Stichwort: Trittbrettfahrertum.954 Die Lage in einer mit Wagniskapital finanzierten Gesellschaft weicht von derjenigen in einer typischen geschlosse­ nen Gesellschaft ab, deren Aufbau und Fortbestand nicht von vornherein dar­ auf beruht, dass sämtliche Mitglieder über ihren finanziellen Beitrag hinaus tä­ tig werden. Auf Regelungen im Schuldvertrag kommt es für die gmbh-rechtliche Zuläs­ sigkeit der Einziehung nicht an.955 Solche Vereinbarungen dienen allenfalls der Auslegung von Abreden über die Beschlussfassung und zur Begründung von Schadensersatzansprüchen des betroffenen Gesellschafters gegen die übrigen Mitglieder, sollte das in der Satzung als wichtiger Grund definierte Ereignis auf der schuldrechtlichen Ebene anders deklariert worden sein.

3.  Abfindungsregelungen für Good Leaver und Bad Leaver Es ist üblich, Abfindungsregelungen differenziert danach zu treffen, ob der Ge­ sellschafter sein Ausscheiden zu vertreten hat (Bad Leaver) oder nicht (Good Leaver).956 Für die Zwangseinziehung als Folge einer gründerseitigen Kündi­ gung des Dienstvertrages957 wird in der Regel die Abfindung – in der aktien­ rechtlichen Terminologie des §  237 Abs.  2 S.  3 AktG: das Entgelt – lediglich auf den Buchwert festgesetzt.958 Mittlerweile erkennt die ganz herrschende Meinung die Abfindung nach dem Buchwert in personalistischen Kapitalgesellschaften an, handele es sich um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder um eine Aktiengesellschaft.959 952 OLG Hamm GmbHR 1998, 1081, 1082. Zweiflend am wichtigen Grund allerdings Winkler, S.  195. 953  OLG Hamm GmbHR 1998, 1081, 1082. 954  S.  bereits oben vor I., zum allgemeinen Problem des Trittbrettfahrertums 1. Teil A. §  2 III.3.a). 955  Dies verkennt Winkler, S.  194 f. 956  Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 178. 957  Und, so ist der Vollständigkeit halber zu ergänzen, bei Vorstandsmitgliedern nach de­ ren Abberufung als Organ. 958  Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 197. 959  Für die Aktiengesellschaft: Lutter, in: KK-AktG, §  237 Rn.  67; Oechsler, in: Münch­ KommAktG, §  237 Rn.  67; Sethe, in: GK-AktG, §  237 Rn.  69, 73. A.A. Veil, in: Schmidt/Lut­ ter, §  237 Rn.  17; gegen Veil zu Recht Sethe aaO. Der Bundesgerichtshof hält lediglich den

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Differenzierungen bei der Bestimmung des Abfindungsentgelts nach dem Grund der Einziehung sind erlaubt.960 Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze ergeben sich keine Zweifel hinsicht­ lich der Zulässigkeit der typischen Bestimmungen in Wagniskapitalvereinba­ rungen.961 Die Details sind hier nicht zu diskutieren, insoweit existiert ein rei­ cher Korpus an Rechtsprechung und Spezialliteratur zu Sonderkonstellatio­ nen.962 Für die Zwecke der Darstellung genügt es festzuhalten, dass die Abfindung zu Buchwerten möglich und Differenzierungen zwischen Good Leavern und Bad Leavern zulässig sind.

II.  Schuldrechtliche Vereinbarungen: Call Optionen In schuldrechtlichen Vereinbarungen geregelte Call Optionen zu Gunsten der Mitgesellschafter sind insofern problematisch, als sie die Möglichkeit eröffnen, nach eigenem Ermessen einen Anteilseigner aus der Gesellschaft auszuschlie­ ßen. Das rückt sie, jedenfalls auf den ersten Blick, in die Nähe von Hinauskün­ digungsklauseln (dazu 1.). Weiterhin stellt sich zumindest in der Aktiengesell­ schaft die Frage, ob solche Abreden die Schranken der §§  54, 55 AktG unterlau­ fen (unten 2.).

1.  Call Optionen und die Hinauskündigungsrechtsprechung Der Bundesgerichtshof betont in seiner Rechtsprechung zu Hinauskündi­ gungsklauseln, bei Vorliegen besonderer Gründe sei ein Ausschließungsrecht zu billigen und begründe keinen Verstoß gegen §  138 Abs.  1 BGB.963 In jüngerer Zeit hat das Gericht solche Gestaltungen akzeptiert, welche die Beendigung der Gesellschafterstellung an die Beendigung von Management- und Mitarbeitertä­ tigkeiten knüpften.964 Es hob in der Urteilsbegründung unter anderem auf die vollständigen Abfindungsausschluss für unzulässig, sofern die Anteile gegen Entgelt erwor­ ben wurden, s. BGH ZIP 2013, 263, 265. Für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Ständige Rechtsprechung seit BGHZ 65, 22, 29; Strohn, in: MünchKommGmbHG, §  34 Rn.  257; Ulmer/Habersack, in: GK-GmbHG, §  34 Rn.  85. 960 Ausführlich Grunewald, Ausschluss, S.  171 ff. S.  zudem Lutter, in: KK-AktG, §   237 Rn.  68; Strohn, in: MünchKommGmbHG, §  34 Rn.  263. Daran ändert auch BGH ZIP 2013, 263, 265, nichts. Der Bundesgerichtshof verwarf lediglich eine Klausel, nach der Anteile ent­ schädigungslos an die Gesellschaft übertragen werden sollten, führte im Übrigen aber nur aus, die Entschädigung dürfe nicht „unangemessen gering[…]“ ausfallen. 961  So auch Winkler, S.  198 ff., auch zu weiteren Berechnungsmethoden, die nichts an der grundsätzlichen Zulässigkeit von Abfindungsregeln ändern, die zwischen Good Leavern und Bad Leavern differenzieren. 962  Zum Problem des nachträglich eintretetenden Missverhältnisses im Fall von Buchwert­ klauseln etwa BGHZ 123, 281, 283 ff.; Strohn, in: MünchKommGmbHG, §  34 Rn.  240 ff., mit zahlreichen Nachweisen. 963  Grundlegend BGHZ 112, 103, 108. 964  BGHZ 164, 98, 102 f.; BGHZ 164, 107, 111 f., 114.

732

4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

Anreizfunktion der Beteiligung ab, die jeweils für die Dauer der Tätigkeit im Unternehmen bestehe.965 Früher schon hielt der Bundesgerichtshof fest, der sachliche Grund für den Ausschluss liege in der Beendigung der Mitarbeit.966 Gegenteiliges gelte nur für die willkürliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses.967 Doch könne die fragli­ che Satzungsbestimmung entsprechend einschränkend ausgelegt werden.968 Angesichts des erheblichen Konfliktpotentials, das entstünde, behielte ein Gründer nach Beendigung der Mitarbeit im Unternehmen seine Anteile,969 liegt ein sachlicher Grund für die Möglichkeit der Beendigung der Mitgliedsstellung vor.970 Es geht insoweit nicht nur um die nun nicht mehr erfüllbare Anreizfunk­ tion für die Dauer der Mitarbeit. Problematisch ist daher gegebenfalls allein eine Regelung, die die Abfindung zu niedrig bemisst.971

2.  Keine Umgehung der §§  54, 55 AktG Wie schuldrechtlich begründete Zuzahlungspflichten sollen auch die hier rele­ vanten Call Optionen rechtmäßig sein.972 Dem ist zuzustimmen. Zwar mag auf den ersten Blick insbesondere aus Sicht des betroffenen Gesellschafters kein Unterschied darin bestehen, ob er auf Grundlage eines in der Satzung niedergelegten Einziehungsrechts der Gesell­ schaft oder mit einer schuldrechtlich verankerten Call Option der übrigen Mit­ glieder dazu gezwungen wird, für die Gesellschaft im Unternehmen tätig zu sein. Doch unterscheiden sich die Folgen beider Regelungsarten bei näherer Be­ trachtung erheblich: Bereits der Verpflichtungsgrund entsteht nicht durch Anteilserwerb per se, sondern nur mit besonderer Zustimmung des Gründers. Weiterhin hat der Ge­ sellschafter es in der Hand, den Umfang seiner Verpflichtung zu begrenzen, weil er den Gesellschaftsvertrag, der die Pflicht begründet, sich auf Ebene der Aktiengesellschaft einzubringen, zumindest außerordentlich kündigen kann. §  723 Abs.  3 BGB schützt ihn. Dagegen vermag ein Aktionär ohne Mitwirkung der übrigen Mitglieder die Satzung nicht zu ändern, die ihn – mittelbar über die Einziehungsklausel – zur Tätigkeit anhält.

965 

BGHZ 164, 98, 103. BGH NJW 1983, 2880, 2881. 967  BGH NJW 1983, 2880, 2881. 968  BGH NJW 1983, 2880, 2881. 969  Zu diesen Problemen im 1. Teil A. §  2 III.2., 3.a). 970  Im Ergebnis ebenso Winkler, S.  192. 971  Zur Zulässigkeit von Buchwertklauseln bereits oben I.3. 972  Winkler, S.  203. 966 

E.  Bindung der Gründer

733

III. Ergebnisse Die in der Finanzierungspraxis üblichen Vestingregelungen sind zulässig. Al­ lerdings ist zu berücksichtigen, dass in der Aktiengesellschaft die Zwangsein­ ziehung insoweit ausgeschlossen ist, als sie auch in den Fällen durchgesetzt wer­ den soll, in denen der Gründer aus eigenem Entschluss seine Tätigkeit in einem Organ oder als sonstiger Angestellter beendet und der Einziehung nicht zu­ stimmt. Insoweit sperrt §  23 Abs.  5 S.  1 AktG in Verbindung mit den §§  54, 55 AktG eine entsprechende Satzungsregelung. Eine Ausweichmöglichkeit bieten für diese Fälle schuldrechtliche Regelungen wie die oben besprochenen Call Optionen.

§  3  Vorerwerbsrechte und Andienungspflichten (Rights of First Offer) Wie bereits im ersten Teil der Arbeit im Zusammenhang mit der Vertragsgestal­ tung in den USA beschrieben, enthalten Wagniskapitalvereinbarungen schuld­ rechtliche Abreden über Vorerwerbsrechte und Andienungspflichten (Rights of First Offer).973 Sie verpflichten die betroffenen Gesellschafter, in der Regel die Gründer, ihre Anteile den Berechtigten anzubieten, bevor sie einen Vertrag mit einem nicht der Gesellschaft angehörigen Käufer schließen. In Deutschland treffen typischerweise nur die Gesellschafter untereinander solche Vereinba­ rungen.974 Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Vorerwerbsrechte wurde im ersten Teil bereits ausführlich erläutert, auf die entsprechenden Ausführungen sei verwiesen.975 Nach der dogmatischen Einordnung von Vorerwerbsrechten (I.) schwenkt der Blick zur Zulässigkeit dieser Abreden (II.). Abschließend folgt die Prüfung der Zulässigkeit solcher Klauseln als Vereinbarungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter (III.).

I.  Dogmatische Einordnung von Vorerwerbsrechten Dogmatisch betrachtet, unterscheidet sich das Vorerwerbsrecht vom Vorkaufsrecht im Sinne der §§  463 ff. BGB dadurch, dass es für seine Ausübung keinen bereits abgeschlossenen Vertrag über den Kaufgegenstand voraussetzt, sondern die Verkaufsabsicht genügt.976

973 

Oben 1. Teil B. §  6 II.3. S.  Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 156. 975  1. Teil B. §  6 II.3.c). 976  Zum Unterschied zwischen Vorerwerbsrechten und Vorkaufsrechten bereits oben 1. 974 

734

4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

Im Unterschied zu einer Option oder einem Ankaufsrecht liegt die Entschei­ dung über den Vertragsschluss nicht allein im Ermessen des Berechtigten.977 Vergleichbar sind Vorerwerbsrechte mit der sogenannten „Vorhand“, die im Kern die Verpflichtung vorsieht, den Berechtigten über die Veräußerungsab­ sicht in Kenntnis zu setzen sowie ihm ein vorrangiges Angebot zu bestimmten Bedingungen zu machen.978 Ob Vorerwerbsrechte, wofür viel spricht, einen Unterfall der Vorhand darstellen, oder ob es sich um eine eigenständige Gestal­ tung handelt,979 kann letztlich dahinstehen. Da die Vorhand nur als Etikett für nicht unter eines der klarer umrissenen Rechte subsumierbare Vereinbarungen (wie das Vorkaufsrecht) dient980 und sie nicht von besonderen Vorschriften ge­ regelt wird, ist die Bezeichnung irrelevant. Maßgeblich ist der konkrete Klau­ sel­inhalt.

II.  Zulässigkeit von Vorerwerbsrechten der Gesellschafter Wie in den USA gibt es in Deutschland Gestaltungsvarianten, nach denen das Vorerwerbsrecht gestuft je nach Beteiligungsquote der Anspruchsinhaber aus­ geübt werden darf, gegebenenfalls in mehreren Runden.981 Die Zulässigkeit die­ ser nachgelagerten Vorerwerbsrechte wird im Anschluss an die Untersuchung der einfachen Variante geprüft. Diese erfasst solche Gestaltungen, die aus­ schließlich den Erwerb der zu veräußernden Anteile „im Ganzen“ ermöglichen.

1.  Einfache Vorerwerbsrechte Vorerwerbsrechte verpflichten den Gesellschafter zu einer Leistung, nämlich zum Angebot seiner Anteile an andere Mitglieder. In der Aktiengesellschaft steht daher §  23 Abs.  5 S.  1 AktG in Verbindung mit den §§  54, 55 AktG einer Satzungsregelung entgegen.982 Dass jedenfalls bei vinkulierten Anteilen der Teil B. §  6 II.3.a). Allgemein zu Erwerbsvorrechten bereits G.Hueck, FS Larenz, S.  749, 752; im Zusammenhang mit Venture Capital ebenso Winkler, S.  133. 977 Allgemein G.Hueck, FS Larenz, S.  749, 752; für Wagniskapital Winkler, S.  133. 978  Zur Vorhand Ellenberger, in: Palandt, Vor §  145 Rn.  24; G.Hueck, FS Larenz, S.  749, 752. 979  So offenbar Winkler, S.  133, dessen Abgrenzung aber angesichts seiner (korrekten) Be­ schreibung des typischen Inhalts von Vorerwerbsrechten auf S.  132 nicht recht nachvollzieh­ bar ist. 980  S.  statt aller Ellenberger, in: Palandt, Vor §  145 Rn.  24. 981  Zum deutschen Recht Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 156. Zum US-Recht oben 1. Teil B. §  6 II.3.a). 982 Allgemein G.Hueck, FS Larenz, S.  749, 755; Drygala, in: KK-AktG, §  5 4 Rn.  23 mit weiteren Nachweisen; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S.   283; für Wagniskapital Baums/Möller, FS Buxbaum, S.  33, 75; Möller, S.  70; Winkler, S.  134; Ziegert, S.  177. Vgl. auch BayObLG AG 1989, 173, 174 (für Rückübertragungspflichten zwischen Gesellschafter und Gesellschaft).

E.  Bindung der Gründer

735

Grundsatz der freien Übertragbarkeit der Mitgliedschaft schon durchbrochen ist, vermag eine Anwendung des weniger restriktiven §  23 Abs.  5 S.  2 AktG nicht zu begründen.983 Es ist für die hier in Rede stehende Bestimmung nicht relevant, ob §  68 Abs.  2 AktG eine abschließende Regelung für vinkulierte An­ teile enthält.984 Denn es bleibt dabei, dass die betroffenen Aktionäre zu einer Leistung verpflichtet werden, die die §§  54, 55 AktG nicht vorsehen. In der Gesellschaft mit beschränkter Haftung gestattet dagegen §  3 Abs.  2 GmbHG entsprechende Kautelen.985 Bedenken gegen schuldrechtlich begründete Vorerwerbsrechte bestehen kei­ ne.986 Die Kontrolle über den Mitgliederkreis dient, wie im ersten Teil auführ­ lich diskutiert wurde, dem Schutz der verbleibenden Mitglieder, unabhängig davon, ob sie der Gründerseite oder den Investoren zuzurechnen sind.987 Es gibt daher keinen Anlass, die Belastung des Verpflichteten in die Nähe sittenwidri­ ger Knebelungen zu rücken.988

2.  Pro rata-Vorerwerbsrechte Besteht über die Zulässigkeit einfacher Vorerwerbsrechte Einigkeit, hält ein Teil der Literatur pro rata-Vorerwerbsrechten für illegal. Diese führten zu einer zu starken Benachteiligung des betroffenen Gründers im Verhältnis zu den Be­ rechtigten.989 In der Tat kann die bloß teilweise Nutzung von Vorerwerbsrechten zu wirt­ schaftlichen Beeinträchtigungen führen, etwa weil der Dritte ganz vom Kauf der übrigen Anteile Abstand nimmt oder seine Zahlungsbereitschaft sinkt.990 Indes genügt diese Unannehmlichkeit nicht zur Unangemessenheit der Abrede, weder nach §  138 Abs.  1 BGB (a]) noch bei Zugrundelegung eines weniger stren­ gen Maßstabes analog zu §  307 Abs.  1 S.  2 BGB (b]):

983 Anders Kalss/Fleischer, AG 2013, 693, 702, für Vorkaufsrechte anderer Gesellschafter. Dieses Argument lässt sich hier dem Grunde nach übertragen. 984  Darauf stellen ab Kalss/Fleischer, AG 2013, 693, 702. 985 Allgemein G.Hueck, FS Larenz, S.  749, 755, 757; Reichert/Weller, in: MünchKomm­ GmbHG, §   15 Rn.   394 mit weiteren Nachweisen; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S.  283; für Wagniskapital Möller, S.  100 f.; Winkler, S.  134. 986  Winkler, S.  136 f.; Ziegert, S.  177. Zur Diskussion um die Zulässigkeit schuldrechtlicher Vinkulierungen, die auch für die hiesigen Klauseln relevant ist, bereits ausführlich oben §  1 II. 987  So auch Winkler, S.  137. Ausführlich oben 1. Teil B. §  6 II.3.c)bb). 988  Im Ergebnis ebenso Winkler, S.  136. 989  Winkler, S.   137 f., im Rahmen der Angemessenheitskontrolle nach §  307 Abs.  1 S.  2 BGB. Gegen die Anwendbarkeit der §§  305 ff. BGB bereits ausführlich im 2. Teil A. §  2. 990  Bedenken in diese Richtung auch bei Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 156.

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

a)  Keine Sittenwidrigkeit nach §  138 Abs.  1 BGB Gegen die Anwendung von §  138 Abs.  1 BGB spricht, dass nach wie vor das – starke – Interesse der übrigen Anteilseigner besteht, sowohl den Austritt des Gründers zu kontrollieren als auch den Gesellschafterkreis vor dem Eintritt Externer zu schützen. Im Übrigen hat der Gründer sich freiwillig auf die Ver­ einbarung eingelassen. Ihre Folgen sind bereits bei Vertragsschluss im Wesent­ lichen vorhersehbar. In Anbetracht der oben angestellten Überlegungen zu den Grenzen des Selbstschutzes991 besteht kein Anlass, die Regelung hinsichtlich ihrer potentiellen Auswirkungen als so wenig vorhersehbar zu werten, dass sie von vornherein für unzulässig erklärt werden müsste. Zudem führt die Wahr­ nehmung der vertraglichen Rechte seitens der übrigen Mitglieder im Regelfall nicht zur Entziehung der Existenzgrundlage des Belasteten, anders als dies etwa bei Verwässerungsschutzklauseln der Fall sein kann.992 Ihm wird lediglich verwehrt, eine seines Erachtens bessere Verkaufschance wahrzunehmen. Nut­ zen die Berechtigten die Klausel in Kombination mit einer Vinkulierung im Einzelfall dazu, dem Gründer gezielt die Chance der Veräußerung an einen Dritten zu entziehen, um Schaden zu verursachen, bleibt der Weg über die Missbrauchskontrolle nach §  242 BGB. Jedenfalls einige negative Folgen, etwa die Verärgerung des Dritten über die Verringerung des ihm zugänglichen Beteiligungspakets, die unter Umständen den offerierten Preis pro Anteil sinken lässt, sind bei geschicktem Verhalten des Gründers in Grenzen vermeidbar. Will er seine Anteile veräußern, hat er die Möglichkeit, zunächst, das heißt vor der Verhandlung mit Dritten, gesell­ schaftsintern die Bereitschaft zu klären, Anteile zu übernehmen. Ob dieses Vorgehen in Betracht kommt, mag von der Gestaltung der Klausel abhängen. Doch beseitigt die Chance einer vorherigen Diskussion keineswegs das hier dis­ kutierte Risiko in toto. b)  Keine Unangemessenheit im Sinne von §  307 Abs.  1 S.  2 BGB aa)  Vorerwerbsrecht sämtlicher Gesellschafter Auch die Heranziehung eines Maßstabes, der der Angemessenheitskontrolle nach Maßgabe des §  307 Abs.  1 S.  2 BGB gleicht, führt nicht zur Unzulässigkeit von pro rata-Vorerwerbsrechten.993 Um dies zu erklären, ist ein einführender Vergleich zwischen der Ausübung eines Vorerwerbsrechtes „im Ganzen“ und eines in der pro rata-Variante anhand von Beispielen hilfreich.

991 

3. Teil B. §  1 III.3. Dazu oben D. §  2 I.1.a). 993 Anders Winkler, S.  138 f., von seinem Standpunkt aus konsequent. Ausführlich gegen die Heranziehung der §§  305 ff. BGB 2. Teil A. §  2. 992 

E.  Bindung der Gründer

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Ausgangsbeispiel (Vorerwerbsrecht „im Ganzen“): Die Gründer A, B und C halten 20%, 10% und 10% der Anteile. Investor I verfügt über 35%, Investor J über 25%. A möchte die Gesellschaft verlassen und führt bereits mit D Kaufverhandlungen über seine Beteiligung. Von den übri­ gen Gesellschaftern verfügt allein I über ausreichende Mittel, die Anteile des A „im Ganzen“ zu erwerben. I übt sein Vorerwerbsrecht aus. Auf diese Weise er­ langt er die einfache Abstimmungsmehrheit, die „Gründerbank“ verliert sogar die Sperrminorität. Abwandlung (Vorerwerbsrecht pro rata): Beziehen B, C und J quotenmäßig und üben sie diese Rechte vollständig aus, behalten B und C gemeinsam die Sperrminorität, I bleibt unter 50%. Die Wir­ kung wäre einem Bezugsrecht bei Kapitalerhöhungen vergleichbar. Nun reicht die Abwandlung nicht zum Beweis aus, dass Vorerwerbsrechte pro rata keine unangemessenen Ergebnisse zu Lasten des Gesellschafters herbei­ führen, der aus der Gesellschaft ausscheiden möchte. Aus Sicht des A findet in der Abwandlung gleichfalls ein Erwerb „im Ganzen“ statt. Pro rata wird die Beteiligung allein im internen Verhältnis der verbleibenden Mitgliedern aufge­ teilt. Doch zeigt eine weitere Analyse der Abwandlung, welche Konflikte ohne anteilige Vorerwerbsrechte entstünden. Könnten die verbleibenden Gesell­ schafter im Verhältnis zum Ausscheidenden lediglich „im Ganzen“ erwerben, verursachte dies unter Umständen erhebliche Probleme bei der Verteilung: Um die internen Beteiligungsrelationen aufrechtzuerhalten, bedarf es immer noch einer quotenbezogenen Aufteilung der Anteile, wie das Beispiel gezeigt hat. Hieraus resultierten erhebliche Fehlanreize. So vermag ein Gesellschafter, der sein Vorerwerbsrecht nicht wahrnehmen möchte, die übrigen Mitglieder unter Druck zu setzen, indem er die Ausübung des Vorerwerbsrechts insgesamt zu vereiteln droht. Eine weitere Abwandlung verdeutlicht dies: B, C und J verfügen über Vorerwerbsrechte. Der Vertrag sieht vor, dass diese gegenüber einem ausscheidenden Gesellschafter nur insgesamt ausgeübt werden dürfen, im Innenverhältnis jedoch die Kosten nach Beteiligungsquote zu tragen sind, ebenso wie die Verteilung der erworbenen Anteile pro rata vorzunehmen ist. C, der kein Interesse an der Ausübung seines Rechts hat, will sich nicht an dem Vorerwerb beteiligen. B und J dagegen möchten ihr Recht unbedingt wahr­ nehmen, um den Beitritt des gesellschaftsexternen Erwerbswilligen E zu ver­ hindern. B und J müssten nun den gesamten Kaufpreis aufbringen, wollen sie C daran hindern, die Transaktion insgesamt zu blockieren. Gegen diese Problembeschreibung lässt sich einwenden, sie setze eine pro ra­ ta-Verteilung im Innenverhältnis voraus. Die beschriebenen Schwierigkeiten träten ohne eine solche Klausel nicht auf. Doch provozierte dies eben die Lage,

738

4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

die im Ausgangsbeispiel bestand. Ein Vorerwerbsrecht, das nur von einem Ge­ sellschafter im Ganzen ausgeübt werden kann, führt zu einer erheblichen Ver­ schiebung der Beteiligungsverhältnisse zu Lasten derjenigen, die über ein der­ artiges Vorerwerbsrecht nicht verfügen. Außerdem wären Regelungen über die Ausübung der Vorerwerbsrechte notwendig für den Fall, dass mehrere Altge­ sellschafter am Erwerb interessiert sind. bb)  Vorerwerbsrechte nur für Investoren Es verbleibt das Argument, dass unter Umständen nur die Investoren über ein Vorerwerbsrecht verfügen, so dass die Veränderung der Beteiligungsverhältnis­ se zu Lasten der „Gründerbank“ unabhängig davon eintritt, ob es sich um Vor­ erwerbsrechte „im Ganzen“ oder pro rata handelt. Das mag im Einzelfall so sein. Doch ist das zum einen Folge der Entscheidung der Gründer, bei Ab­ schluss des Beteiligungsvertrages auf ein solches Recht zu verzichten. Die Aus­ wirkungen dieses Verhaltens sind vorhersehbar, so dass kein Grund besteht, unter Schutzgesichtspunkten gegenzusteuern.994 Zum anderen bleiben wenigstens die Quoten im Verhältnis der Kapitalgeber untereinander gewahrt. In Anbetracht dieser Regelungskonflikte bringt die Lösung eines echten pro rata-Vorerwerbsrechts die wenigsten Nachteile mit sich. Der Gesellschafter, der ausscheiden möchte, muss daher abwägen, ob für ihn ein größtmöglicher Kauf­ preis wichtiger ist oder ein zügiges Ausscheiden. Wie deutlich geworden sein sollte, führt es nicht weiter, pro rata-Vorerwerbsrechte wie ein reguläres Aus­ tauschverhältnis zwischen zwei Parteien zu betrachten.995

III.  Vorerwerbsrechte der Gesellschaft Vorerwerbsrechte zu Gunsten der Gesellschaft wirken der Sache nach ähnlich wie Vinkulierungsklauseln: Ohne Zustimmung der Berechtigten kann der Ge­ sellschafter seine Anteile nicht veräußern oder jedenfalls nicht zu den Kondi­ tionen, die ihm ein bestimmter gesellschaftsexterner Dritter bietet. Insoweit sind die Überlegungen zur schuldrechtlichen Anteilsvinkulierung übertrag­ bar.996 Es gibt keinen Grund, die Wirksamkeit entsprechender schuldrechtli­ cher Abreden unter anderen Gesichtspunkten prinzipiell anzuzweifeln.997

994 

Vgl. 3. Teil B. §  1 III. So jedoch der Ansatz von Winkler, S.  138 f. 996 Ebenso Noack, NZG 2013, 281, 283 f., und implizit die Gegner solcher Regeln, die beide Gestaltungsvarianten einheitlich diskutieren: Immenga, AG 1992, 79; Otto, AG 1991, 369. Davon geht auch der Bundesgerichtshof aus, s. BGH ZIP 2013, 263, 264 f. Ausführlich zu schuldrechtlichen Vinkulierungen oben §  1 II. 997  Noack, NZG 2013, 281, 284. Die abweichende Ansicht (Immenga, AG 1992, 79; Otto, 995 

E.  Bindung der Gründer

739

Für Satzungsregelungen gelten die oben unter II.1. angestellten Überlegun­ gen. Danach sind solche Bestimmungen in der Aktiengesellschaft unzulässig, in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung dagegen möglich.  Inhaltlich bestehen gegen schuldrechtliche Gestaltungen keine Bedenken. Insbesondere dürfte sich bei Vorerwerbsrechten zu Gunsten der Gesellschaft nicht das Problem von pro rata-Konditionen stellen, weil insoweit die Erhal­ tung der Beteiligungsverhältnisse der Gesellschafter untereinander nicht maß­ geblich ist.

IV. Ergebnisse Schuldrechtliche Vorerwerbsrechte sind zulässig. Das gilt sowohl für den übri­ gen Gesellschaftern eingeräumte Rechte als auch für solche der Gesellschaft. In die Satzung können sie nur bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung auf­ genommen werden, in der Aktiengesellschaft sperren die §§  23 Abs.  5 S.  1, 54, 55 AktG entsprechende Gestaltungen. Inhaltlich steht weder der Ausgestaltung als einfaches Vorerwerbsrecht, das auf den Erwerb der Anteile „im Ganzen“ gerichtet ist, noch pro rata-Vorer­ werbsrechten etwas entgegen.

§  4  Mitnahmeklauseln (Drag Along Rights) Mitnahmeklauseln sollen die Investoren vor einer Erpressung durch die Grün­ der schützen, indem diese zur Veräußerung ihrer Anteile in dem Zeitpunkt ge­ zwungen werden können, in welchem die Kapitalgeber ihre Beteiligung aufge­ ben.998 Der Anspruchsinhalt solcher Rechte richtet sich auf eine durch das Ver­ langen aufschiebend bedingte Pflicht der Gründer, ihre Anteile an den Käufer der Investorenanteile zu veräußern.999 Die Zulässigkeit dieser Gestaltungsvari­ anten ist für Aktiengesellschaft und Gesellschaft mit beschränkter Haftung ge­ trennt zu untersuchen.

AG 1991, 369) nennt insoweit keine speziellen Argumente, die von denen abwichen, die sie zur schuldrechtlichen Vinkulierung vorträgt. Offen gelassen von BGH ZIP 2013, 263, 265. 998  S.  bereits oben 1. Teil B. §  6 III. 999  Maidl/Kreifels, NZG 2003, 1091, 1095; Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 160. Priester, FS Hopt, Band I, 1139, 1140 f., erweitert dies um Call Optionen, die auf den Verkauf der Anteile an die Berechtigten gerichtet sind. Da sich die Sachprobleme gleichen und die folgenden Überlegungen daher übertragbar sind, werden Call Optionen dieser Art hier nicht gesondert diskutiert.

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

I.  Mitnahmeklauseln in der Aktiengesellschaft 1.  Mitnahmeklauseln in der Satzung Die §§  54, 55 AktG beschränken die mitgliedschaftsrechtlichen Pflichten, denen ein Aktionär unterworfen werden kann. Hieraus folgert die Literatur zu Recht mit Blick auf §  23 Abs.  5 S.  1 AktG die Unzulässigkeit von Mitnahmeklauseln in der Satzung.1000 Zwar erhalten die belasteten Gesellschafter im Zeitpunkt der Ausübung der Klausel möglicherweise den „wahren“ Wert für ihre Anteile. Denn die Mitver­ äußerungsklausel verpflichtet nicht zwingend zum Verkauf unter Wert.1001 Im Gegenteil: Denkbar und praktisch durchaus durchsetzbar sind Regelungen zu Mindestpreisen oder zur Bewertung durch neutrale Dritte.1002 Doch ist dies für die Frage, ob eine Zusatzleistung erbracht werden muss, nicht relevant. Denn die §§  54, 55 AktG stellen auf die Einlageleistung ab und damit auf die Zeit des Bestands der Mitgliedschaft, nicht auf ihr Ende. Unterliegt der Inhaber einer Aktie Mitveräußerungspflichten, führt dies zu einer Ungewissheit über die Dauer der zukünftigen Zahlungsströme. Ein An­ teilserwerber vermag aus diesem Grund nicht vollständig zu kalkulieren, in welchem Maß er an zukünftigen Gewinnausschüttungen partizipiert. Aus sei­ ner Sicht verringert die Option der Investoren den Anteilswert. Insbesondere dann, wenn er befürchten muss, dass der bei einer erzwungenen Veräußerung erzielte Preis unter seiner individuellen Bewertung liegt, kompensiert selbst der Marktpreis diese Einbuße nicht vollständig. Denn die beschriebene Unsicher­ heit schlägt sich darin nieder, dass der Käufer weniger zahlen wird, als dies ohne Anteilsbelastung der Fall wäre. Das führt zu einer niedrigeren Bewertung der Aktien der Gründer. Die Gründer ihrerseits sind nicht in der Lage, dies bereits bei Anteilserwerb, konkret: bei der Berechnung ihrer Einlageleistung, zu berücksichtigen. Da sie in Wagniskapitalfinanzierungen in der Regel ohnehin nur den geringsten Aus­ gabebetrag gemäß §  9 Abs.  1 AktG zahlen, sind weitere Abzüge ausgeschlossen. Das aber bedeutete, dass sie überzahlten: Obwohl der Wert ihrer Einlage nied­ riger als der geringste Ausgabebetrag wäre, müssten sie den geringsten Ausga­ bebetrag voll aufbringen. Hieraus ergibt sich eine Belastung über die Einlage­ pflicht des §  54 Abs.  1 AktG hinaus. 1000  Baums/Möller, FS Buxbaum, S.  33, 75; Fleischer/Schneider, DB 2012, 961, 964 f.; Ziegert, S.  170; implizit auch Winkler, S.  217. Für die insoweit grundsätzlich vergleichbaren Hin­ auskündigungsklauseln ebenso RGZ 49, 77, 79; Drygala, in: KK-AktG, §  54 Rn.  24; Fleischer, in: Schmidt/Lutter, §  54 Rn.  15; Grunewald, Ausschluss, S.  232; Henze, in: GK-AktG, §  54 Rn.  47. Anders RGZ 120, 177, 180. 1001  Zu Gestaltungsvarianten im deutschen Recht Priester, FS Hopt, Band I, S.  1139, 1140; Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 162. Vgl. zum US-Recht oben 1. Teil B. §  6 III. 1002  Nachweise in der vorhergehenden Fußnote.

E.  Bindung der Gründer

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2.  Mitnahmeklauseln in schuldrechtlichen Vereinbarungen Die Literatur prüft Mitnahmeklauseln anhand der Rechtsprechung zu Hinaus­ kündigungsklauseln, weil beide Bestimmungen dazu führen, dass ein Mitglied gegen seinen Willen und ohne seine Zustimmung aus der Gesellschaft ausge­ schlossen werden kann.1003 Daraus folgt allerdings nicht die Unzulässigkeit von Drag Along-Vereinbarungen. Unbedenklich sind Mitnahmeklauseln allerdings nicht schon deshalb, weil der Investor seine Befugnis in der Regel nicht willkürlich, sondern nach wirt­ schaftlichen Kriterien ausüben wird.1004 Denn das ändert nichts am Recht der Kapitalgeber, nach freiem Ermessen zu entscheiden.1005 Die Gleichzeitigkeit des Ausscheidens von Investoren und Gründern vermag ebenfalls keine ausreichen­ de Rechtfertigung zu liefern, weil der Berechtigte immer noch in erheblichem Maße im Sinne der Damoklesschwert-Theorie Druck ausüben kann.1006 Die Rechtfertigung für Mitnahmeklauseln liegt darin, dass die gesamte Fi­ nanzierungsform „Venture Capital“ von vornherein nur auf eine bestimmte Dauer angelegt ist und die Investoren eine spezielle Aufgabe erfüllen: Die Rolle der Kapitalgeber ist für alle Beteiligten ersichtlich darauf beschränkt, die An­ schubfinanzierung bereitzustellen und bei dem Aufbau des Unternehmens mit­ zuwirken. Um dieses Geschäftsmodell verfolgen zu können, ist es notwendig, den Ausstieg bereits bei Beteiligungserwerb sichern.1007 Dies ist sämtlichen Parteien bei Vertragsschluss bekannt.1008 Da die Gründer ohne die Beteiligung der Investoren wesentlich schlechtere Finanzierungsmög­ lichkeiten hätten und es ihnen häufig an geschäftlicher Erfahrung gebricht,1009 profitieren sie erheblich von einer solchen Partnerschaft auf Zeit.1010 Umgekehrt erhielten die Gründer bei Fehlen einer solchen Klausel einen langen Hebel, den Ausstieg der Investoren zu gefährden.1011 Es hilft den Kapitalgebern im Fall ei­ ner solchen Erpressung nicht, das Recht zu haben, ihre Anteile zu veräußern. Denn die übrigen Gesellschafter können dessen Ausübung effektiv unterbin­ den.1012 Es geht, das ist ein entscheidender Unterschied zu Hinauskündigungs­ 1003  Becker, S.  140; Martinius/Stubert, BB 2006, 1977, 1978; Priester, FS Hopt, Band I, S.  1139, 1141; Winkler, S.  214. 1004  In diesem Sinne jedoch Becker, S.  141; Martinius/Stubert, BB 2006, 1977, 1982. 1005  Priester, FS Hopt, Band I, S.  1139, 1147; ebenso Fleischer/Schneider, DB 2012, 961, 966. 1006  Fleischer/Schneider, DB 2012, 961, 966. A.A. Fett/Spiering, in: Fett/Spiering (Hrsg.), Handbuch Joint Venture, Kapitel 7 Rn.  6 46. 1007  Brehm, S.  171 f.; Fleischer/Schneider, DB 2012, 961, 966; Martinius/Stubert, BB 2006, 1977, 1982; Priester, FS Hopt, Band I, S.  1139, 1147. 1008  Fleischer/Schneider, DB 2012, 961, 966; Priester, FS Hopt, Band I, S.  1139, 1147. 1009  Dazu im 1. Teil A. §  1. 1010 Ähnlich Fleischer/Schneider, DB 2012, 961, 967. 1011  Dazu bereits oben vor I. und 1. Teil B. §  6 III. 1012  Nicht berücksichtigt von und im Ergebnis nicht überzeugend daher Winkler, S.  235 (im Rahmen der Kontrolle nach den §§  305 ff. BGB; dagegen bereits 2. Teil A. §  2).

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

klauseln, gerade nicht darum, sich mit der Beendigung der Mitgliedschaft eines anderen Gesellschafters die Früchte von dessen Anstrengungen einzuverleiben, die in der Zukunft anfallen. Insoweit ist es von Bedeutung, dass die Kapitalge­ ber gleichzeitig mit den Gründern ausscheiden. Dies alles schließt freilich nicht aus, im Einzelfall eine Kontrolle nach §  242 BGB durchzuführen, etwa falls der Erwerber von einem niedrigen Aus­ stiegspreis profitiert, weil er wirtschaftlich auf der Seite des Ausübungsberech­ tigten steht.1013 Problematisch können Drag Along Vereinbarungen vor allem dann werden, wenn der Kapitalgeber über Vorzugsrechte bei der Erlösvertei­ lung die Möglichkeit hat, einen niedrigen Verkaufspreis an anderer Stelle auszu­ gleichen: Liquidationspräferenzen etwa beziehen sich auf den erzielten Gesamt­ erlös. In diesen gehen die Gegenleistungen ein, die die Gründer für ihre Anteile erhalten haben. Mit Hilfe ihrer vorrangigen Zugriffsrechte sind die Investoren nun in der Lage, ihre Rendite zu sichern. Der für ihre eigenen Anteile erzielte Preis ist nicht mehr als ein Berechnungsfaktor unter mehreren. Die entscheiden­ de Größe bildet der Gesamterlös.

II.  Mitnahmeklauseln in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung In der Gesellschaft mit beschränkter Haftung gilt das oben zu Mitnahmeklau­ seln in der Aktiengesellschaft Gesagte entsprechend, soweit es um die Rechtfer­ tigung dieser Bestimmungen geht. Da die Hinauskündigungsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs Satzungsbestimmungen ebenso trifft wie schuldrechtli­ che Vereinbarungen,1014 ist der Regelungsort – Satzung oder schuldrechtliche Nebenabrede – unerheblich. Mangels Vorschriften, die den §§  54, 55 AktG glei­ chen, dürfen solche Vereinbarungen in die Satzung der Gesellschaft aufgenom­ men werden.1015

§  5  Mitveräußerungsrechte der Investoren (Tag Along Rights) Mitveräußerungsrechte der Investoren (Tag Along Rights) können in verschie­ dener Form ausgestaltet sein.1016 Unabhängig von diesen Details geht es der Sa­ che nach darum, dass die Gründer ihre Anteile sollen nur veräußern können dürfen, wenn die Kapitalgeber zur gleichen Zeit die Möglichkeit zum Verkauf

1013  Fleischer/Schneider, DB 2012, 961, 967; für Ausübungskontrolle nach §  242 BGB auch Schmolke, Grenzen, S.  678. 1014  S.  BGHZ 112, 103, 108. 1015  Fleischer/Schneider, DB 2012, 961, 964; Priester, FS Hopt, Band I, S.  1139, 1149. 1016 Zur Funktion von Mitveräußerungsrechten bereits oben 1. Teil B. §  6 IV. Zu verschie­ denen Gestaltungsvarianten Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 158.

E.  Bindung der Gründer

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zu gleichen wirtschaftlichen Bedingungen haben.1017 Das impliziert vor allem ein Recht der Investoren, die Veräußerung der Mitgliedschaftsrechte der Grün­ der zu unterbinden, typischerweise durch satzungsmäßige oder schuldrechtli­ che Vinkulierung.1018

I.  Mitveräußerungsrechte in der Aktiengesellschaft 1.  Mitveräußerungsrechte in der Satzung Hinsichtlich der Zulässigkeit von Mitveräußerungsrechten ist zwischen dem Anspruch gegen die Gründer und der Vinkulierung zu dessen Absicherung zu differenzieren: Jedenfalls bei Namensaktien ist die satzungsmäßige Vinkulierung nach §  68 Abs.  2 S.  1 AktG unbedenklich. Mit den §§  54, 55 AktG gibt es insoweit keinen Konflikt. §  68 Abs.  2 S.  1 AktG bietet gerade die Möglichkeit, Namensaktien durch eine solche Bindung zu belasten. Der Anspruch selbst ist allerdings eine über die §§  54, 55 AktG hinausgehen­ de Belastung der Gründer.1019 Denn das Mitveräußerungsrecht der Kapitalge­ ber wirkt sich, wie die Mitnahmeklauseln, auf den Anteilspreis aus, weil ein Dritter einkalkulieren muss, die Beteiligung nicht zu seinen Bedingungen auf­ geben zu können.1020

2.  Schuldrechtliche Abreden über Mitveräußerungsrechte Schuldrechtliche Abreden über Mitveräußerungsrechte und entsprechende Vinkulierungen auf dieser Ebene sind zulässig, Bedenken bestehen diesbezüg­ lich keine.1021 Das gilt auch für solche Klauseln, die vorsehen, dass die Investo­ renanteile vorrangig zu veräußern sind. 1017 

Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 158. S.  Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 159. Eine Put Option, das heißt das Recht der Investoren, die Anteile an die Gründer zu bestimmten Konditionen veräußern zu können, wird in der Regel nicht als Alternative (so aber offenbar Fleischer/Schneider, DB 2012, 961, 963), sondern nur als Ergänzung in Betracht kommen (vgl. Weitnauer, in: Weitnau­ er, Venture Capital, F 165). Essentiell ist die Möglichkeit, den Gründern die Veräußerung ih­ rer Anteile zu versagen. Ansonsten bestünde immer die Gefahr, jedenfalls für die Dauer bis zur Durchsetzung der Put Option, mit einem „Fremden“ in der Gesellschaft eingeschlossen zu sein, der über ein schlechteres technisches Know-how als die Gründer verfügt oder aus anderen Gründen zur Mitarbeit ungeeignet ist. 1019  Fett/Spiering, in: Fett/Spiering (Hrsg.), Handbuch Joint Venture, Kapitel 7 Rn.  6 47; Fleischer/Schneider, DB 2012, 961, 965; Winkler, S.  141; im Ergebnis ebenso, wenn auch nicht unter Verweis auf die §§  54, 55 AktG, Ziegert, S.  173 ff. 1020  Vgl. zum gleichgelagerten Problem bei Mitnahmeklauseln oben §  4 I.1. 1021  Fett/Spiering, in: Fett/Spiering (Hrsg.), Handbuch Joint Venture, Kapitel 7 Rn.  6 47; Fleischer/Schneider, DB 2012, 961, 965; Winkler, S.  141; Ziegert, S.  175 f. Zur schuldrechtlichen Vinkulierung in der Aktiengesellschaft oben §  1 II. 1018 

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

Im Gegensatz zu einer in der Literatur geäußerten Ansicht ist dies keine ein­ seitige Benachteiligung der Gründer, weil das „Desinvestmentinteresse“ zu ih­ ren Lasten verschoben würde.1022 So zu argumentieren lässt die ursprüngliche Zielsetzung der Finanzierungsvereinbarung außer Betracht: Gründer und Kapitalgeber haben sich darüber geeinigt, dass für die Förde­ rung eines Projektes, das von bestimmten Personen, den Gründern, betrieben wird, finanzielle Mittel bereitgestellt werden. Wäre es allein zulässig, die jewei­ ligen Anteile verhältnismäßig1023 zu veräußern, müssten die Investoren unter Umständen hinnehmen, dass ein Dritter in signifikantem Umfang Aktien er­ würbe, obwohl ihm unter Umständen aus Sicht der Kapitalgeber die Qualifika­ tion für die Mitwirkung im Unternehmen fehlte. Das ließe nur die Möglichkeit, die Transaktion insgesamt zu untersagen, in­ dem sich die Investoren auf allgemeine Vinkulierungsabreden beriefen. Konse­ quenz wäre, dass weder Gründer noch Investoren Anteile veräußerten. Fänden die Kapitalgeber kurz danach einen Käufer für ihre Aktien, könnten sie ihre Beteiligung übertragen. Die Gründer hätten, sofern der neue Käufer nicht sämtliche Anteile übernehmen möchte, keine Möglichkeit, dem zu widerspre­ chen.1024 Das Ergebnis wäre damit genau das, was bei der Zulässigkeit einer Vorrangregelung einträte. Wieso dies möglich sein soll,1025 nicht aber die Ver­ einbarung eines Mitveräußerungsrechts mit derselben Folge, ist nicht nachvoll­ ziehbar.

II.  Mitveräußerungsrechte in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung In der Gesellschaft mit beschränkter Haftung hält §  15 Abs.  5 GmbHG die Möglichkeit bereit, unabhängig von der betroffenen Anteilsgattung Mitveräu­ ßerungsrechte samt Vinkulierungsabreden in der Satzung zu verankern.1026 Ge­ gen schuldrechtliche Regelungen dieser Art gibt es keine Einwände.1027

1022 So Winkler, S.  145 (im Rahmen einer Kontrolle nach den §§  305 ff. BGB; dagegen be­ reits 2. Teil A. §  2). 1023  Oder, noch strenger, allein für den Fall, dass der Dritte sämtliche Anteile erwirbt. 1024  Allerdings nimmt Winkler – konsequent – an, es gebe Schranken der Vinkulierung der Gründeranteile, s. dens., S.  149 ff. Dies wurde bereits oben unter §  3 II.2.b) im Zusammenhang mit pro rata-Vorerwerbsrechten mit ausführlicher Begründung abgelehnt. 1025  Dass es möglich ist, bestreitet auch Winkler an keiner Stelle. Es gibt abseits besonderer Abreden grundsätzlich keine Pflicht der Investoren, ihre Anteile nur mit Zustimmung der Gründer zu veräußern. 1026  Fleischer/Schneider, DB 2012, 961, 964; Winkler, S.  142; Ziegert, S.  176. 1027  Dies. aaO.

F.  Rückübertragungsrechte (Redemption Rights) Wagniskapitalgeber lassen sich häufig Rückübertragungsrechte (Redemption Rights)1028 einräumen, die ihnen gestatten, entweder von der Gesellschaft oder von ihren Mitgesellschaftern die Übernahme ihrer Anteile zu bestimmten Kon­ ditionen zu verlangen.1029 Dies dient der Gewährleistung der Möglichkeit zum Ausstieg aus der Beteiligung und damit der privatautonomen Sicherung der freien Übertragbarkeit der Anteile zu diesem Zweck.1030 Gegen die Kapitalgeber gerichtete Rückübertragungsrechte der Gesellschaft sollen demgegenüber die Gewinnbezugsrechte der Investoren begrenzen.1031 Sie kommen in der Praxis selten vor1032 und bleiben hier mangels grundsätzlicher Bedeutung außer Betracht.1033 Angesichts der Erwerbsbeschränkungen in §  71 AktG, für die es keine Paral­ lele im Recht der Gesellschaft mit beschränkten Haftung gibt, sind Rücküber­ tragungsrechte getrennt nach Gesellschaftsform zu beurteilen.

§  1  Rückübertragungsrechte in der Aktiengesellschaft I.  Rückübertragungsrechte der Investoren gegen die Gesellschaft Das Aktienrecht sieht für den Erwerb eigener Anteile durch die Gesellschaft in §  71 Abs.  1 AktG verschiedene Schranken vor, die bei der Gestaltung von Rückübertragungsrechten Schwierigkeiten bereiten. Als realistische Optionen 1028 

Zur Gestaltung in den USA 1. Teil B. §  8. Für Deutschland Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 164. 1030  Zum Zweck und zu den Auswirkungen von Rückübertragungsrechten ausführlich 1. Teil B. §  8 II. 1031  1.Teil B. §  8 II.2. 1032  Für die USA oben 1. Teil B. §  8 II.2.; für Deutschland ergibt sich dies etwa daraus, dass Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 164, sie überhaupt nicht als Regelungsgegen­ stand erwähnt. 1033  Solche Rückübertragungsrechte können im Wege von Regelungen zur Zwangseinzie­ hung ausgestaltet werden. Die Zwangseinziehung als Gestaltungsmittel wurde bereits im Zu­ sammenhang mit dem Vesting auf ihre Tauglichkeit hin überprüft, flexibel individuellen Re­ gelungsbedürfnissen entgegenzukommen, s. oben E. §  2.I. Die Gestaltungsgrenzen des §  71 AktG werden im Folgenden im – praktisch wichtigen – Zusammenhang von Rücknahme­ pflichten der Gesellschaft erörtert. 1029 

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

bleiben nur §  71 Abs.  1 Nr.  8 AktG sowie §  71 Abs.  1 Nr.  6 AktG.1034 Angesichts der Grenze in §  71 Abs.  2 S.  1 AktG, wonach auf die von der Gesellschaft gehal­ tenen Anteile infolge eines Erwerbs nach §  71 Abs.  1 Nr.  8 AktG nicht mehr als 10% des Grundkapitals entfallen dürfen, bleibt lediglich §  71 Abs.  1 Nr.  6 AktG als Gestaltungsoption (1.).1035 Weiterhin kommt die Zwangseinziehung gemäß §  237 Abs.  1 S.  1 AktG in Betracht (2.).

1.  Rückerwerb nach §  71 Abs.  1 Nr.  6 AktG Der Rückerwerb nach §  71 Abs.  1 Nr.  6 AktG dient der Vorbereitung der Kapi­ talherabsetzung durch Einziehung im Sinne von §  237 Abs.  1 S.  1 Alt. 2 AktG.1036 Voraussetzung des Rückerwerbs ist daher stets ein vorher gefasster Kapitalher­ absetzungs- und Einziehungsbeschluss gemäß §  237 Abs.  2 AktG.1037 Bedenken gegen die Durchführung des Rückerwerbs in dieser Weise bestehen keine.1038 In praktischer Hinsicht ergibt sich gegebenfalls die Schwierigkeit, die notwendi­ gen Beschlussmehrheiten zu organisieren. Die Lösung für dieses Problem sind Stimmbindungsvereinbarungen.1039 Allenfalls ließe sich einwenden, der Rückerwerb von Anteilen zum „wahren Wert“ oder zu einem sonstigen, für die Investoren günstigen Preis benachteilige die übrigen Gesellschafter, soweit diese gleichfalls ihre Beteiligung gerne auf­ lösten, ihr Begehren aber nicht berücksichtigt wird. Doch versagt die Berufung auf den aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, soweit die Investoren über eine eigene Anteilsgattung verfügen. Kann die Zwangseinziehung gemäß §  237 Abs.  1 S.  1 Alt. 1 AktG für verschiedene Gattungen unterschiedlich ausge­ staltet sein, ohne dass dies zu einem Verstoß gegen §  53a AktG führt,1040 wäre es unverständlich, an §  71 Abs.  1 Nr.  6 AktG andere Anforderungen zu stellen und eine entsprechende Satzungsregel für unzulässig zu halten. Das gilt insbesonde­ re deshalb, weil die „Zwangs“einziehung keinen Zwang voraussetzt, sondern in Umsetzung eines entsprechenden Gesellschafterverlangens durchgeführt wer­ den kann.1041 Dogmatisch handelt es sich um eine zulässige Ergänzung der Sat­ zung nach §  23 Abs.  5 S.  2 AktG.  1034 

Baums/Möller, FS Buxbaum, S.  33, 60. Die Investoren halten regelmäßig mehr als 10% der Anteile. Eine Rückübertragungs­ klausel, die nicht den vollständigen Exit ermöglichte, verfehlte ihren Zweck. Wie hier im Er­ gebnis auch Baums/Möller, FS Buxbaum, S.  33, 60. 1036  Statt aller: Lutter/Drygala, in: KK-AktG, §  71 Rn.  231. 1037  Lutter/Drygala, in: KK-AktG, §  71 Rn.  232. 1038  Zum notwendigen Beschlussinhalt, der hier keiner Erläuterung bedarf, Baums/Möller, FS Buxbaum, S.  33, 62; Ziegert, S.  192. 1039  Im Ergebnis wie hier (Satzungsregelung zur Verhinderung eines Verstoßes gegen §  53a AktG) Baums/Möller, FS Buxbaum, S.  33, 62. 1040 Hierzu Drygala, in: KK-AktG, §  53a Rn.  28; Lutter, in: KK-AktG, §  237 Rn.  32, 63; Oechsler, in: MünchKommAktG, §  237 Rn.  36; Sethe, in: GK-AktG, §  237 Rn.  30. 1041  S.  bereits oben E. §  2 I.1.c)aa) mit Nachweisen. 1035 

F.  Rückübertragungsrechte (Redemption Rights)

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2.  Rückerwerb durch Zwangseinziehung nach §  2 37 Abs.  1 S.  1 Alt. 1 AktG Eine weitere Möglichkeit der Umsetzung von Rückerwerbsrechten ist die Zwangseinziehung nach §  237 Abs.  1 S.  1 Alt. 1 AktG für den Fall des Gesell­ schafterverlangens.1042 Wie schon oben bemerkt, darf diese auch mit dessen Willen oder sogar auf dessen Veranlassung hin durchgeführt werden.1043 Sie weist gegenüber der Rückerwerbsvariante des §  71 Abs.  1 Nr.  6 AktG den Vor­ teil auf, dass die Verankerung in der Satzung einen Hauptversammlungsbe­ schluss entbehrlich macht und insofern die Position der Investoren keiner zu­ sätzlichen Sicherung über Stimmbindungsvereinbarungen bedarf.1044

II.  Rückübertragungsrechte der Investoren gegen die Mitgesellschafter Grundsätzlich denkbar sind schuldvertragliche Abreden darüber, dass die Mit­ gesellschafter auf Verlangen der Investoren verpflichtet sind, die Anteile der Kapitalgeber zu übernehmen. Sofern der festgelegte Preis den Marktwert der Anteile nicht übersteigt, bestehen keine Bedenken gegen den Abschluss eines derartigen Vertrages. Einwenden ließe sich allenfalls, dass gegen die Mitgesellschafter gerichtete Rückübertragungsrechte als „umgekehrte“ Hinauskündigungsklausel nutzbar scheinen. Denn regelmäßig verfügen die verpflichteten Gesellschafter nicht über ausreichende finanzielle Mittel, die Beteiligung der Investoren zu Markt­ preisen zu übernehmen. Werden sie hierzu gezwungen, hat dies zumindest er­ hebliche wirtschaftliche Belastungen zur Folge, unter Umständen sogar die Insolvenz der Betroffenen, können sie die Anteile der Investoren nicht unmit­ telbar selbst an Dritte veräußern. Unter Umständen ergibt sich für die An­ spruchsinhaber hieraus die Chance, unter Verweis auf die Klausel und die Fol­ gen ihrer Ausübung für die belasteten Gesellschafter Maßnahmen in ihrem In­ teresse durchzusetzen. Doch rechtfertigt dies kein Sittenwidrigkeitsverdikt auf Grundlage des §  138 Abs.  1 BGB. Insoweit ist vor allem zu berücksichtigen, dass die Drohung der Investoren weniger stark wirkt als die sonst mit Hinauskündi­ gungsklauseln verbundenen Möglichkeiten, ein Übel anzudrohen: Entwickelt sich die Gesellschaft erfolgreich, haben die Investoren kein Inter­ esse daran, ihre Anteile vor Ablauf der geplanten Beteiligungsdauer zurückzu­ geben, da sie sich sonst Gewinnchancen nähmen. Im Übrigen bestehen in einer solchen Situation typischerweise keine Schwierigkeiten, den Ausstieg durch die Veräußerung an einen Dritten zu einem möglichst hohen Preis zu realisieren. Befindet sich die Gesellschaft dagegen in einer wirtschaftlich schwierigen Situ­ 1042 

Dafür etwa Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 164. Oben E. §  2 I.1.c)aa). 1044  Baums/Möller, FS Buxbaum, S.  33, 63; Ziegert, S.  193. Zu den Einzelheiten des Klausel­ inhalts, die hier nicht näher erläuterungsbedürftig sind, Baums/Möller aaO., S.  62 f. 1043 

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4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

ation und müssen die Gründer ohnehin fürchten, dass die Insolvenz bevorsteht oder sie jedenfalls nur geringe Erlöse aus einer Liquidation der Gesellschaft er­ zielen, ist die Gefahr der Ausübung der Rückübertragungsrechte ein zu ver­ nachlässigender Faktor. Darüber hinaus ist in Rechnung zu stellen, dass die übrigen Gesellschafter sich freiwillig verpflichtet haben und bis zu einem gewissen Grad die Auswir­ kungen der Rückübertragungsrechte bewerten können.1045 Das gilt insbesonde­ re, wenn deren Geltendmachung an bestimmte Konditionen wie eine Mindest­ haltedauer und andere Bedingungen geknüpft ist. Die Gefahr der willkürlichen Ausübung ist im Vergleich zu Hinauskün­ digungsklauseln damit deutlich geringer, so dass die Ausübungskontrolle nach §  242 BGB ausreicht, missbräuchlichem Verhalten im Einzelfall entgegenzu­ wirken.

§  2  Rückübertragungsrechte in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung In der Gesellschaft mit beschränkten Haftung ist die Umsetzung von Rücküber­ tragungsrechten in Form von Satzungsbestimmungen unter Zuhilfenahme von §  34 Abs.  1 GmbHG erlaubt.1046 Zu beachten ist hier das nach ganz herrschender Meinung bestehende Beschlusserfordernis des §  46 Nr.  4 GmbHG.1047 Aller­ dings wird es überwiegend für zulässig erachtet, die Entscheidungskompetenz auf andere Gesellschaftsorgane zu verlagern.1048 Weiterhin in Betracht kommt eine Satzungsregelung über die Einziehung eigener Anteile unter Beachtung von §  33 Abs.  2 GmbHG.1049

§  3  Ergebnisse Rückübertragungsrechte zu Gunsten von Investoren lassen sich sowohl im Ak­ tienrecht als auch im Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung per Ein­ 1045 

Vgl. zur Relevanz der Vorhersehbarkeit oben 3. Teil B. §  1 III.3.a). Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 164; Ziegert, S.  194. 1047  Fastrich, in: Baumbach/Hueck, §   34 Rn.   14; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, §   34 Rn.  20; Sandhaus, in: Gehrlein/Ekkenga/Simon, §   34 Rn.   32; Strohn, in: MünchKomm­ GmbHG, §  34 Rn.  18; Thiessen, in: Bork/Schäfer, §  34 Rn.  29; H.P.Westermann, in: Scholz, §  34 Rn.  42. Abweichend Ziegert, S.  195. 1048  Fastrich, in: Baumbach/Hueck, §   34 Rn.   14; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, §   34 Rn.  20; Strohn, in: MünchKommGmbHG, §  34 Rn.  24; Ulmer/Habersack, in: GK-GmbHG, §  34 Rn.  115; H.P.Westermann, in: Scholz, §  34 Rn.  42, jeweils mit Nachweisen zum Streitstand. Einschränkend Görner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, §  34 Rn.  14. 1049  Möller, S.  97 f.; Ziegert, S.  196. 1046 

F.  Rückübertragungsrechte (Redemption Rights)

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ziehungsrecht in der Satzung verankern. Weiterhin kommt der Erwerb eigener Anteile durch die Gesellschaft in Betracht. Möglich, wenn auch unter prakti­ schen Gesichtspunkten wenig sinnvoll, ist die Regelung von Rückübertra­ gungsrechten gegenüber den Mitgesellschaftern in einer schuldrechtlichen Ver­ einbarung.

G. Börseneinführungsrechte Im Unterschied zu Zustimmungsvorbehalten enthalten Börseneinführungs­ rechte Initiativrechte. Sie greifen stärker in die Entscheidungsautonomie des Vorstands ein. Solche Klauseln entziehen dem Organ die Möglichkeit, die Durchführung bestimmter Maßnahmen von den Marktgegebenheiten und der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft abhängig zu machen. Demand Re­ gistration Rights US-amerikanischer Prägung gestatten es den Kapitalgebern, von der Gesellschaft zu verlangen, zu einem grundsätzlich ihnen genehmen Zeitpunkt die Registrierung ihrer Anteile durch die Corporation zu verlangen. Derartige Börseneinführungsrechte gehören in den USA zu den üblichen Ver­ einbarungen im Rahmen von Venture Capital Finanzierungen.1050 Ob der Vor­ stand den Zeitpunkt für günstig hält, ist bei Initiativrechten unerheblich. Angesichts des spezifisch US-rechtlichen Hintergrundes der sogenannten „S-3 rights“ beschränkt sich die Betrachtung hier auf Ansprüche auf Börsenein­ führung (Demand Registration Rights, §  1) und Platzierungsvorrechte (Piggy­ back Rights, §  2).1051

§  1  Anspruch auf Börseneinführung (Demand Registration Rights) Die Literatur geht einhellig davon aus, der Anspruch auf Börseneinführung tangiere die Leitungskompetenz des Vorstands gemäß §  76 Abs.  1 AktG.1052 Dennoch halten nicht Wenige entsprechende schuldrechtliche Vereinbarungen zwischen Wagniskapitalgebern und Gesellschaft für erlaubt, einzelne Autoren befürworten sogar die satzungsmäßige Regelung als Sondervorteil im Sinne von §  26 Abs.  1 AkG.1053 Bevor dies im Einzelnen diskutiert werden kann (unter II.), ist es angebracht, die kapitalmarktrechtlichen Rahmenbedingungen von Börseneinführungs­ 1050 

Zu Börseneinführungsrechten in den USA 1. Teil B. §  7 . Zu „S-3 rights“ im 1. Teil B. §  7 II.3. 1052  Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 166; Winkler, S.   223; implizit ebenso Baums/Möller, FS Buxbaum, S.  33, 81; Möller, S.  73 f.; Ziegert, S.  181 f. 1053  Für Sondervorteil Ziegert, S.  183; für schuldvertragliche Regelungen Baums/Möller, FS Buxbaum, S.  33, 82; Möller, S.  74. Anderer Ansicht, das heißt für Unzulässigkeit, Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 166; Winkler, S.  223. 1051 

G. Börseneinführungsrechte

751

rechten in den Vereinigten Staaten und in Deutschland zu vergleichen (I.). Die Frage, ob der Vorstand über den Börsengang allein oder nur nach Entscheidung der Hauptversammlung befinden darf, bleibt hier ausgeblendet.1054 Verhindert schon §   76 Abs.   1 AktG die Vereinbarung eines Börseneinführungsrechts, kommt es nicht mehr darauf an, welche Befugnisse die Hauptversammlung hat.

I.  Kapitalmarktrechtliche Rahmenbedingungen in Deutschland und den USA Für die Registrierung von Wertpapieren in den USA gilt kein §  7 Abs.  1 S.  1 BörsZulVO vergleichbarer Grundsatz der Gesamtzulassung.1055 Der für die Börseneinführung maßgebliche Securities Act 1933 gestattet die Registrierung einzelner Anteilstranchen, wenn nicht der Securities Exchange Act 1934 auf­ grund des Überschreitens bestimmter Kennzahlen den vollständigen Börsen­ gang unabhängig vom Willen der Gesellschafter und des Board of Directors erzwingt.1056 Das hat Bedeutung für die Folgen, die sich an eine Börsennotierung knüpfen. Während in Deutschland für sämtliche Anteile einer Gattung etwa das Markt­ manipulationsverbot nach §  20a Abs.  1 WpHG voll zur Geltung kommt,1057 be­ schränken sich vergleichbare Vorgaben in den Vereinigten Staaten auf „any se­ curity registered on a national securities exchange“ oder beziehen sich auf „the market for any such security.“1058 Weiterhin kennt das US-Kapitalmarktrecht keine dem deutschen §  15 Abs.  1 S.  1 WpHG vergleichbare Ad hoc-Mitteilungs­ pflichten.1059 Die Börseneinführung von Anteilen der Wagniskapitalgeber infolge der Aus­ übung von Demand Registration Rights wirkt sich demnach in den USA nicht so stark auf die Beteiligung der übrigen Gesellschafter aus wie in Deutschland. Sie ist eher ein individueller Weg des Ausstiegs aus der Gesellschaft. Insbeson­ dere für die Auswahl des passenden Marktumfeldes hat dies erhebliche Bedeu­ tung: Wenn die Investoren die Registrierung ihrer Beteiligung erzwingen, müs­

1054 

Dazu mit Nachweisen Kuntz, in: Ekkenga/Schröer, §  8 Rn.  222. 1. Teil B. §  7 I. Zum Grundsatz der Gesamtzulassung Kuntz, in: Ekkenga/Schröer, §  8 Rn.  212. 1056  Die maßgebliche Norm ist Section 12(g) SEA ’34. Diese Vorschrift ist im Rahmen von Wagniskapitalfinanzierungen wegen der geringen Größe der finanzierten Unternehmen irre­ levant und kann daher außer Betracht bleiben. 1057  Zum Anwendungsbereich der §§  13 ff. WpHG und zu den kapitalmarktrechtlichen Zu­ lassungsfolgepflichten Kuntz, in: Ekkenga/Schröer, §  8 Rn.  135 ff., 248 ff. 1058  Sec. 9(a)(1) SEA ’34. Ebenso etwa zu Short-Sales und Stop-Loss Orders Sec. 10(a)(1) SEA ’34. Die für den Insiderhandel bedeutsame Verbotsnorm Sec. 10(b) SEA ’34 erfasst dage­ gen auch „any security not so registered“. 1059 Dazu Kuntz, Informationsweitergabe, S.  69 ff. 1055 

752

4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

sen allein sie die Nachteile hinnehmen, die aus der Anteilsbewertung zu einem in zeitlicher Hinsicht ungünstig geplanten Börsengang herrühren.1060

II.  Börseneinführungsrechte und Leitungsautonomie des Vorstands Die Literatur schlägt zwei Wege vor, Börseneinführungsrechte einzuführen: Die Festlegung als Sondervorteil in der Satzung (1.) und den Abschluss eines schuldrechtlichen Vertrages zwischen Gesellschaft und Investoren (2.).1061

1.  Börseneinführungsrechte als Sondervorteil und §  76 Abs.  1 AktG Der Autor, der die Gestaltung von Börseneinführungsrechten als Sondervorteil im Sinne von §  26 Abs.  1 AktG erwägt, verweist für die Zulässigkeit solcher Regelungen darauf, Verhaltenspflichten dürften zum Gegenstand solcher Sat­ zungsbestimmungen gemacht werden.1062 Abstrakt stimmt das zwar.1063 Doch müssen sich Sondervorteile ihrerseits in­ nerhalb des von §  23 Abs.  5 AktG gezogenen Rahmens bewegen. Angesichts der unbestrittenen Einordnung der Entscheidung über einen Börsengang als Lei­ tungsentscheidung1064 bedarf es insbesondere einer Auseinandersetzung mit der Frage, ob es Argumente dafür gibt, die Einschränkung der Kompetenzen des Vorstandes trotz §  23 Abs.  5 S.  1 AktG für zulässig zu halten. Eine entspre­ chende Begründung liefert der Verfechter der Sondervorteilslösung nicht.1065 Ein Ansatz lässt sich mit Blick auf die oben ausführlich beschriebene1066 Ge­ setzgebungsgeschichte gewinnen: War Regelungsvorbild des §  76 Abs.  1 AktG die Unabhängigkeit des Board of Directors (auch) in der Delaware-Corporation und werden Demand Registration Rights in den USA routinemäßig vereinbart, kommt möglicherweise eine rechtshistorisch induzierte teleologische Redukti­ on des deutschen Rechts in Betracht. Teleologisch reduziert würde nicht §  23 Abs.  5 S.  1 AktG, sondern §  76 Abs.  1 AktG mit dem Ziel, dass der Grundsatz der Satzungsstrenge von vornherein nicht breit genug streute, um die hier in Rede stehende Bestimmung zu erfassen. Anders formuliert: Wenn §  76 Abs.  1 1060  Denkbar ist dies etwa in den Fällen, in denen die Investoren den Exit herbeiführen müssen, weil sie selbst gegenüber ihren eigenen Anlegern verpflichtet sind, die Beteiligungen abzuwickeln. Vgl. oben 1. Teil B. §  2 IV.2.b)aa)(1). 1061  Für Sondervorteil Ziegert, S.  183; für schuldvertragliche Regelungen Baums/Möller, FS Buxbaum, S.  33, 82; Möller, S.  74. Anderer Ansicht, das heißt für Unzulässigkeit, Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 166; Winkler, S.  223. 1062  Ziegert, S.  183. 1063  So das Argument von Ziegert, S.  183. Zu Verhaltenspflichten als Sondervorteil Junker, ZHR 159 (1995), 207, 213. 1064  Dies wird auch von Ziegert nicht bestritten. 1065  S.  Ziegert, S.  181 ff., 183. 1066  Oben B. §  5 I.3.b)bb)(1).

G. Börseneinführungsrechte

753

AktG von vornherein flexibler angelegt ist, als dies in der deutschen Kommen­ tarliteratur häufig suggeriert wird, steht §  23 Abs.  5 S.  1 AktG jedenfalls nicht im Grundsatz gewissen Einschränkungen der Leitungsautonomie des Vor­ stands entgegen. Im Ergebnis kann dies jedoch dahinstehen. In Anbetracht der Reichweite eines „deutschen“ Demand Registration Rights versagen rechtsver­ gleichend-rechtshistorisch gewonnene Argumente: a)  Auswirkungen auf sämtliche Gesellschafter Bezogen auf die gegenwärtig üblichen Regelungen zu Börseneinführungsrech­ ten führt der Hinweis auf das US-Recht nicht weiter, weil die dortigen Regelun­ gen unter kapitalmarktrechtlichen Gesichtspunkten weniger stark wirken.1067 In Deutschland hat die Entscheidung, einen Börsengang durchzuführen, wegen des Grundsatzes der Gesamtzulassung Folgen für sämtliche Aktionäre. Ist das Marktumfeld ungünstig, tragen im Unterschied zur Lage in den Vereinigten Staaten nicht nur die Anspruchsinhaber wirtschaftliche Nachteile, sondern auch die übrigen Mitglieder. Nun mag man einwenden, Letztere seien nicht gezwungen, ihre Anteile zu veräußern. Ihnen stehe es frei abzuwarten, bis sich die Umstände zu ihren Gunsten verändert haben. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Ge­ sellschaft als Konsequenz eines Börsenganges in einem wirtschaftlich proble­ matischen Umfeld möglicherweise einen Reputationsschaden davontrüge und außerdem sämtliche Anteile von den börsen- und wertpapierhandelsrechtlichen Zulassungsfolgen erfasst würden. Für Paketerwerber bedeutete dies unter Um­ ständen erhebliche Mehrkosten, weil für Transaktionen dieser Art mehr Regeln zu beachten sind als bei einem Kauf von Anteilen einer nicht börsennotierten Gesellschaft. Das wiederum benachteiligte die verbleibenden Gesellschafter, weil sie eventuell diese Mehrkosten bei einem Verkauf in Form eines Preisab­ schlags zu tragen hätten. Insofern beträfe ein Börseneinführungsrecht in Deutschland die Gesamtheit der Gesellschafter. b)  Unzulässige Einschränkung der Leitungskompetenz des Vorstands Dies leitet über zur „abdication of authority“-Rechtsprechung, gemäß der Be­ stimmungen kritisch zu sehen sind, die dazu führen, dass ein Außenseiter dem Board Entscheidungen vorgibt, und möglicherweise die Kontrolle von der Mehrheit auf die Minderheit der Anteilseigner verlagern.1068 Zwar hielt die Rechtsprechung eine Klausel für zulässig, die einem Paketerwerber garantierte, in den auf die Transaktion folgenden fünf Jahren finde keine Kapitalerhöhung

1067 

1068 

Oben I. Dazu mit Nachweisen oben B. §  5 I.3.b)bb)(2), (3).

754

4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

statt.1069 Doch handelte es sich hierbei um die Pflicht zu einem Unterlassen und nicht um ein Initiativrecht, dessen Umsetzung sich kaum sinnvoll rückgängig machen lässt, falls die Tragweite der eines Börsenganges entspricht. Der Vor­ stand in Deutschland befände sich, wären Börseneinführungsrechte zulässig, also in einer Situation, die der „abdication of authority“-Doktrin zumindest nahe käme. Erschwerend kommt hinzu, dass die eben zitierte Judikatur schuldrechtliche Vereinbarungen betraf, es hier aber um Satzungsregelungen geht, die die Gesell­ schafter treffen. Aus diesem Grund ist hier das Argument irrelevant, die Ent­ scheidungsfreiheit des Leitungsorgans impliziere die Möglichkeit, sich selbst mittelbar zu beschränken.1070 Insgesamt spricht dies selbst dann für die Unzulässigkeit von satzungsmäßi­ gen Börseneinführungsrechten, wenn §  76 Abs.  1 AktG in rechtsvergleichender Perspektive großzügiger interpretiert wird als in der deutschen Literatur üblich.

2.  Schuldrechtliche Vereinbarungen über Börseneinführungsrechte Sind satzungsmäßige Börseneinführungsrechte wegen der mit ihnen verbunde­ nen Begrenzung der Leitungsautonomie mit §  76 Abs.  1 AktG und deshalb mit §  23 Abs.  5 S.  1 AktG nicht zu vereinbaren, stellt sich die Frage, welche Relevanz dies für die schuldrechtliche Ebene hat. §  23 Abs.  5 S.  1 AktG selbst gibt nach der vorzugswürdigen Trennungstheorie für die Antwort nichts her.1071 Die dogmatische Lösung liegt in der Einordnung von §  76 Abs.  1 AktG als Schranke der rechtsgeschäftlichen Gestaltungsmacht:1072 Leitungsentscheidungen trifft in der deutschen Aktiengesellschaft im Ver­ hältnis der Organe untereinander allein der Vorstand. Die Hauptversammlung ist nur in bestimmten Ausnahmefällen zu beteiligen. Diese Strukturentschei­ dung des Aktiengesetzes 19371073 würde unterlaufen, könnten sich Aktionäre durch Schuldvertrag Initiativrechte in Leitungsangelegenheiten sichern. Solche Vereinbarungen ermöglichten gerade die Rückverlagerung von Zuständigkeiten auf die Hauptversammlung, die §  76 Abs.  1 AktG in Verbindung mit dem schmalen Katalog des §  119 Abs.  1 AktG vermeiden soll. Weiterhin ist auf die bereits geschilderten Auswirkungen von Ansprüchen auf Börseneinführung im deutschen Recht zu verweisen.1074 Dass ein Demand Registration Right auf einem Schuldvertrag beruht, ändert nichts an seiner Funktion, die Durchsetzung von Partikularinteressen sicherzustellen. Auf­ 1069 

Sample v. Morgan, 914 A.2d 647 (Del.Ch. 2007). Dazu oben B. §  5 I.3.b)bb)(3). 1071  Ausführlich oben 2. Teil C. §  1. 1072  Dazu bereits oben 2. Teil A. §  1 II.2.c)aa). 1073  Oben B. §  5 I.3.b)aa). 1074  Oben I. 1070 

G. Börseneinführungsrechte

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grund der Bindung der Gesellschaft an den Vertrag müsste der Vorstand bei Gültigkeit der Vereinbarung den Börsengang sogar dann betreiben, wenn er dies an sich für nachteilig hielte.

§  2  Platzierungsvorrechte (Piggyback Rights) Piggyback Rights kommt in Deutschland angesichts des Prinzips der Gesamt­ zulassung1075 ein anderes Gewicht zu als in den Vereinigten Staaten: Während diese Rechte dort einem Gesellschafter ermöglichen sollen, dass seine Anteile überhaupt registriert werden, geht es hierzulande lediglich um Vorrechte bei der Platzierung.1076 Insoweit stellt sich wiederum das Problem einer Beeinträchti­ gung der Leitungsautonomie des Vorstands (dazu I.). Angesichts der Bevorzu­ gung einer Anteilseignergruppe ist zudem die Vereinbarkeit solcher Regelungen mit dem aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des §  53a AktG zu prüfen (unten II.).

I.  Platzierungsvorrechte und Leitungsautonomie Die Literatur hält Platzierungsvorrechte zu Recht für vereinbar mit §  76 Abs.  1 AktG.1077 Zunächst handelt es sich nicht um eine grundlegende Entscheidung der Unternehmensführung und damit um eine Leitungsaufgabe im eigentlichen Sinn.1078 Die für das Unternehmen maßgebliche strategische Entscheidung ist diejenige über den Börsengang selbst. Diese trifft jedoch im Fall von Platzie­ rungsvorrechten allein der Vorstand. Insoweit sind Piggyback Rights also be­ deutungslos. Der Abschluss eines Vertrages über Platzierungsvorrechte ist nicht der „Leitung“, sondern der „Geschäftsführung“ zuzurechnen, so dass weniger strenge Maßstäbe gelten.1079 Von Bedeutung für die inhaltliche Bewertung des Platzierungsvorrechts ist nun, dass im Unterschied zum Anspruch auf Börseneinführung oder anderen Initiativrechten die Entscheidung über die Geschäftsführungsmaßnahme allein in der Hand des Vorstands liegt. Er selbst befindet darüber, ob und zu welchen Konditionen den Investoren Platzierungsvorrechte eingeräumt werden.1080 Be­ 1075 

Oben §  1 I. Zu dieser deutschen Variante Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 166. 1077  Weitnauer, in: Weitnauer, Venture Capital, F 166; Winkler, S.  2 26 f. 1078  Vgl. zu dieser Beschreibung von „Leitung“ im Sinne von §  76 Abs.  1 AktG Kort, in: GK-AktG, §  76 Rn.  29; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, §  76 Rn.  4; Spindler, in: Münch­Komm­ AktG, §  76 Rn.  15 f. 1079  Zu dieser der herrschenden aktienrechtlichen Literatur folgenden Einteilung und der im Text genannten Konsequenz Kort, in: GK-AktG, §  76 Rn.  29; Mertens/Cahn, in: KKAktG, §  76 Rn.  4; Spindler, in: MünchKommAktG, §  76 Rn.  17 f. 1080 Ähnlich Winkler, S.  2 26. 1076 

756

4. Teil:  Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland

zogen auf den Börsengang wird lediglich der Zeitpunkt der Entscheidung vor­ verlagert.1081

II.  Platzierungsvorrechte und Gesellschaftergleichbehandlung 1.  Allseitig vereinbarte Platzierungsvorrechte Sind sämtliche Gesellschafter an der Abrede über die Platzierungsvorrechte be­ teiligt, bedarf die Ungleichbehandlung von vornherein keiner weiteren Recht­ fertigung. Es ist anerkannt, dass die Benachteiligten der konkreten Maßnahme zustimmen und so auf ihre Rechte aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz ver­ zichten können.1082 Um einen solchen Fall handelt es sich hier: Es geht um eine bestimmte Ungleichbehandlung, deren Inhalt und deren Auswirkungen bereits im Verzichtszeitpunkt vorhersehbar sind. Damit unter­ scheidet sich die Abrede über ein Platzierungsvorrecht von einer, die pauschal – und unzulässigerweise – das Gleichbehandlungsgebot „für zukünftige Kapi­ talerhöhungen“ ausschließt.1083

2.  Fraktionsabsprachen über Platzierungsvorrechte Stimmt mindestens ein Mitglied der Vereinbarung nicht zu, ist die Möglichkeit der sachlichen Rechtfertigung von Platzierungsvorrechten zu prüfen. Die Un­ gleichbehandlung muss zur Förderung eines wesentlichen Interesses der Ge­ sellschaft geeignet, das mildeste Mittel (erforderlich) und angemessen sein.1084 Diese Voraussetzungen sind erfüllt: Der Platzierungsvorrang dient nicht allein den Interessen der Kapitalgeber, sondern auch denen der übrigen Gesellschafter und damit der Gesamtgesell­ schaft. Der vollständige „Exit“ der Investoren entspricht zum einen der Ge­ schäftsgrundlage, auf der die gesamte Finanzierung der Gesellschaft bis hin zum Börsengang basiert. Das Konzept der Wagniskapitalfinanzierung beruht gerade auf der zeitlich begrenzten Beteiligung der Investoren. Wenn dies die allseits für die Ermöglichung der Entwicklung der Gesellschaft akzeptierte Einstiegsbedingung ist, muss als Kehrseite der „glatte“ Ausstieg möglich sein. Das gilt insbesondere deshalb, weil der Exit nicht nur den Kapitalgebern dient, sondern auch den übrigen Gesellschaftern und zukünftigen Mitgliedern: 1081 Überzeugend

Winkler, S.  227. S.  nur Bungeroth, in: MünchKommAktG, §  53a Rn.  19; Drygala, in: KK-AktG, §  53a Rn.  34; Henze/Notz, in: GK-AktG, §  53a Rn.  93. 1083  Zu diesem Beispiel Drygala, in: KK-AktG, §  53a Rn.  33; Fleischer, in: Schmidt/Lutter, §  53a Rn.  38. 1084  Bungeroth, in: MünchKommAktG, §  53a Rn.  14; Drygala, in: KK-AktG, §  53a Rn.  17; Henze/Notz, in: GK-AktG, §  53a Rn.  71. 1082 

G. Börseneinführungsrechte

757

Indem die Kapitalgeber ihre Beteiligung aufgeben, verschwindet zugleich eine Anteilseignergruppe mit erheblichen Sonderrechten. Aus Sicht von Anle­ gern, die etwa im Rahmen einer zukünftigen Kapitalerhöhung angesprochen werden sollen, erhöht dies die Attraktivität der Gesellschaft, weil der Erwerb eines Stammanteils nicht (mehr) gleichbedeutend ist mit dem Erwerb einer nachrangigen Stellung in vielen mitgliedschaftlich bedeutsamen Fragen wie Ge­ winnverteilung (Stichwort: Erlösvorzüge) und Stimmrecht (Stichwort: Sonder­ beschlüsse). Ein milderes Mittel kommt nicht in Betracht, soll der vollständige Ausstieg der Investoren gewährleistet sein. Ohne Platzierungsvorrang ist die Gefahr größer, dass Kapitalgeber nicht sämtliche Anteile veräußern können und sie in der Gesellschaft verbleiben. Das wäre, um zum Angemessenheitsaspekt überzugehen, von der Warte der Gesellschaft aus hinsichtlich der Machtverteilung in ihr problematisch. Es ver­ bliebe nunmehr eine Aktionärsgruppe, die aufgrund verschiedener Satzungsbe­ stimmungen und schuldrechtlicher Nebenabreden mit anderen Altgesellschaf­ tern erhebliche Einflussmöglichkeiten genösse, ohne über signifikanten Beteili­ gungsumfang zu verfügen. Damit entstünde unter Umständen ein erhebliches Missverhältnis zwischen Beteiligungsquote und aus der Beteiligung fließendem Einfluss. Das Ergebnis wäre vor dem Hintergrund des §  53a AktG als ironisch zu bezeichnen: Die Sicherstellung der Gleichbehandlung im Zuge der Platzie­ rung führte zu einer verstärkten Ungleichbehandlung der Aktionäre nach Ab­ schluss des Börsenganges.

§  3  Ergebnisse Ansprüche auf Börseneinführung lassen sich in Deutschland weder in der Sat­ zung noch schuldrechtlich begründen. In den Vereinigten Staaten wirken sich Demand Registration Rights weniger stark als in Deutschland aus, weil es kei­ nen Grundsatz der Gesamtzulassung sämtlicher Anteile einer Gattung gibt. Die Anteilsregistrierung zu einer wirtschaftlich ungünstigen Zeit betrifft in den USA daher im Wesentlichen nur denjenigen, der die Klausel nutzt. Ange­ sichts der in Deutschland mit einem Börsengang verbundenen Auswirkungen auf sämtliche Gesellschafter muss gewährleistet sein, dass der Vorstand die Ent­ scheidungshoheit behält, um die Interessen sämtlicher Gesellschafter berück­ sichtigen zu können. Nur so lässt sich verhindern, dass die Handlung eines Ak­ tionärs erhebliche Dritteffekte entfaltet. Platzierungsvorrechte, die deutsche Version der Piggyback Rights, sind dage­ gen zulässig.

H.  Gestaltung von Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland und den USA im Vergleich Trotz der Gestaltungsschranken im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht lassen sich die meisten Klauseln nachbilden, die in den USA Bestand von Beteiligungs­ vereinbarungen sind.1085 Der Aufwand ist jedenfalls in der Aktiengesellschaft gelegentlich deutlich größer, weil die Satzungsstrenge schuldrechtliche Ersatz­ konstruktionen erfordert.1086 Grundlegende Unterschiede folgen zunächst aus den Strukturvorgaben des deutschen Aktienrechts, das zwingend einen Aufsichtsrat vorsieht.1087 Das macht es für die Investoren deutlich schwieriger, Besetzungs- und andere Kon­ trollrechte zu installieren. Im Ergebnis ist eine Kombination von Satzungsbe­ stimmungen und schuldrechtlichen Abreden notwendig, der US-Gestaltungs­ praxis vergleichbare Finanzierungskautelen zu etablieren. Ein weiterer Faktor sind die divergierenden kapitalmarktrechtlichen Rah­ menbedingungen. Die Möglichkeit, den Exit über die Börse nach individuellen Präferenzen vorzunehmen, besteht in Deutschland wegen des Prinzips der Ge­ samtzulassung nicht. Darüber hinaus ist das deutsche Recht deutlich stärker auf gesellschaftsrecht­ lichen Präventivschutz ausgelegt als das Delaware General Corporation Law. Deutlich wurde dies im Zusammenhang mit den Verwässerungsschutzklauseln, denen mit dem gesetzlichen Bezugsrecht sowie der Angemessenheitskontrolle nach §  255 Abs.  2 S.  1 AktG (analog) deutlich engere Grenzen gezogen sind als in Delaware. Auch auf schuldrechtlicher Ebene gelten mehr Restriktionen, die Hinauskündigungsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs wirkt hier fort. Ob diese Schranken immer negativ zu bewerten sind, ist eine andere Frage. Zum einen bewerten auch US-Beobachter Klauseln wie „Full Ratchet Rights“ als unfair. Zum anderen regeln sich jedenfalls im Silicon Valley einige Fragen anders als in Deutschland, weil Investoren und Gründer in einem eng vernetz­ ten sozialen Umfeld agieren. Eine solchermaßen begründete Verhaltenskontrol­ le fehlt in Deutschland weitestgehend. Insoweit bieten strengere rechtliche Vor­ gaben einen gewissen Ausgleich. 1085 

So bereits Baums/Möller, FS Buxbaum, S.  33, 87. Baums/Möller, FS Buxbaum, S.  33, 87. 1087 Ebenso Baums/Möller, FS Buxbaum, S.  33, 87. 1086 Ähnlich

H.  Gestaltung von Beteiligungsvereinbarungen in Deutschland und den USA

759

Insgesamt lässt sich feststellen, dass jedenfalls die kapitalgesellschaftsrechtlichen Konditionen keine Ursache für den wenig entwickelten Markt für Wagniskapital in Deutschland sind.

Zusammenfassung1 Einleitung  Gegenstand der Arbeit ist die Gestaltung von Kapitalgesellschaf­ ten zwischen Privatautonomie und zwingendem Recht unter Berücksichtigung der Regelungsprobleme der Wagniskapitalfinanzierungspraxis. Der Begriff der „Kapitalgesellschaft“ bezeichnet in dieser Untersuchung sol­ che Verbände, die sich durch die Merkmale der Trennung von Inhaberschaft und Leitung, der freien Übertragbarkeit der Mitgliedschaft und des Prinzips der beidseitigen Vermögenstrennung von sämtlichen anderen privatrechtlichen Vereinigungsformen unterscheiden. Betrachtungsobjekt im deutschen Recht sind demnach die Aktiengesellschaft und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, nicht jedoch die Kommanditgesellschaft auf Aktien. Insbesondere im Aktienrecht gelten nach herrschender Meinung zwei entge­ gengesetzte Regelungsprinzipien: Während auf Satzungsebene der in §  23 Abs.  5 AktG niedergelegte Grundsatz der Satzungsstrenge den Beteiligten enge Gren­ zen zieht, soll auf der schuldrechtlichen Ebene kraft Privatautonomie sogar ge­ regelt werden können, was aktienrechtlich untersagt sei, sofern nicht zwingende Regeln entgegenstehen. Das ist zunächst deshalb bemerkenswert, weil die schuldrechtlichen Verein­ barungen nach einhelliger Ansicht die für die Organisation der Gesellschaft „eigentlich“ bedeutsamen Abreden enthalten, sowohl horizontal im Verhältnis der Mitglieder untereinander als auch vertikal für die Beziehung zwischen Ge­ sellschaft und Anteilseignern. Weiterhin stellt sich die Frage, ob nicht, wenn das Aktienrecht nahezu durchgängig zwingende Normen enthält, bereits auf Grundlage der Formel der herrschenden Meinung jedenfalls prima facie für die Verträge außerhalb der Satzung der Spielraum deutlich kleiner sein müsste. Be­ stehen gute Gründe, auf Satzungsebene strenge Regeln vorzusehen, ist nicht ohne Weiteres einsichtig, wieso diese Gründe nicht unterhalb der Satzung eben­ falls zum Tragen kommen sollten. Wer auf diese Überlegung hin nach der Rechtfertigung für die einem freiheit­ lichen System fremde Technik eines weitreichenden privatrechtlichen Gestal­ tungshindernisses wie der Satzungsstrenge sucht, gelangt schnell zu dem Pro­ 1  Die Struktur der Zusammenfassung entspricht der Struktur der Arbeit. Anhand der in der Zusammenfassung angegebenen Gliederungspunkte (A., §  1, I. etc.) lässt sich der entspre­ chende Abschnitt in der Arbeit finden.

762

Zusammenfassung

blem, das Peter Hommelhoff als „unerledigte Aufgabe“ bezeichnet hat: Die kritische Überprüfung der Legitimation der Satzungsstrenge in ihrer konkre­ ten Ausgestaltung.2 In der Gesellschaft mit beschränkter Haftung stellt sich das Problem zwar angesichts der Möglichkeit, wenigstens das Innenverhältnis weitgehend nach den Wünschen der Mitglieder zu gestalten, weniger scharf. Doch bleibt auch hier die konzeptionelle Frage, in welchem Verhältnis schuldrechtliche Regelun­ gen zur Satzung und zu den gesetzlichen Vorgaben stehen. Um diese Probleme diskutieren zu können, ist eine anwendungsbezogene Perspektive unabdingbar – wer sich mit der Gestaltung von Kapitalgesellschaf­ ten befasst, muss ihre tatsächliche Formung in der Praxis berücksichtigen. Zu diesem Zweck bietet es sich an, Vereinbarungen zu Wagniskapitalfinanzierun­ gen als Folie zu nutzen, weil diese sämtliche Aspekte der Organisation einer Kapitalgesellschaft betreffen und sowohl in der Satzung als auch schuldvertrag­ lich umgesetzt werden. Diese Abreden heranzuziehen erscheint auch deshalb lohnenswert, weil sie die Chance bieten, das Thema in einem breiteren – rechtsvergleichenden – Rah­ men zu behandeln: Ihren Ursprung haben Venture Capital-Vereinbarungen in den USA. Sie beruhen auf gesellschaftsrechtlichen Vorgaben, die ein erhebliches Maß an Gestaltungsfreiheit einräumen. Damit stellen sie einen Testfall für die Möglichkeiten und Grenzen privatautonomer Modellierung von Kapitalgesell­ schaften in Deutschland dar. Sollten sich bestimmte Klauseln nur in der Sat­ zung, nur in einer Nebenabrede oder überhaupt nicht festlegen lassen, öffnet dies die Tür zur Analyse der Rechtfertigung zwingender Regelungen. Darüber hinaus bietet dieser komparative Zugang die Chance, die Landkarte zur „terra incognita im Verbandsrecht“3, den schuldrechtlichen Nebenabreden, von eini­ gen weißen Flecken zu befreien.

Teil 1  Der erste Teil der Arbeit greift die zuletzt genannten Teilaspekte auf und skizziert im ersten Kapitel die Interessenlage der Beteiligten. Hierauf ba­ siert die ausführliche Untersuchung von in den USA genutzten Vereinbarun­ gen. Sie analysiert diese im zweiten Kapitel als Lösungsmodell und hinsichtlich ihrer Einbettung in die maßgeblichen Regelungsmaterien. Das dient nicht nur der Untersuchung von Beteiligungsvereinbarungen in den Vereinigten Staaten. Vielmehr soll so eine Folie für die weitere Arbeit gewonnen werden, wie in ei­ nem System, das weitgehende Gestaltungsfreiheit vorsieht, die Beteiligten Ka­ pitalgesellschaften nach ihrem Willen formen.

2  3 

Hommelhoff, in: Roth, System der Kapitalgesellschaften, S.  26, 47. Noack, Gesellschaftervereinbarungen, Vorwort.

Zusammenfassung

763

A. Im vertikalen Verhältnis von Kapitalgebern und Gründern bestehen Unsi­ cherheiten und Informationsasymmetrien, weil beide Seiten über wenige An­ haltspunkte verfügen, die Vertragspartner und das zu finanzierende Projekt selbst zu beurteilen. Den Gründern fehlen typischerweise finanzielle Mittel, Sicherheiten und geschäftliche Erfahrung. Das macht die Bereitstellung von Ka­ pital aus Sicht der Investoren zu einem höchst riskanten Unterfangen. Daraus resultiert ihr Interesse, möglichst viele Kontroll- und Informationsrechte zu erhalten. Bereits dies spricht für die Wahl einer Eigenkapitalbeteiligung, um zumindest die entsprechenden mitgliedschaftlichen Rechte zu erlangen. Kon­ flikte zwischen Gründern und Kapitalgebern können daraus resultieren, dass für Letztere die Beteiligung lediglich auf einen begrenzten Zeitraum von weni­ gen Jahren angelegt ist, so dass für Erstere ein Anreiz besteht, möglichst viele Vorteile in möglichst kurzer Zeit zu vereinnahmen, solange die externe Unter­ nehmensfinanzierung gesichert erscheint. Um zu gewährleisten, dass die Grün­ der sich ausreichend anstrengen, bedarf es verschiedener Sicherungen, in regel­ mäßigen Abständen den Stand der Entwicklung zu überprüfen. Im horizonta­ len Verhältnis der Gesellschafter können sich Schwierigkeiten daraus ergeben, dass das Hinzutreten neuer Anteilseigner im Verlaufe der Finanzierung die Beteiligungsverhältnisse und damit den Umfang der jeweiligen Mitsprache­ rechte verschiebt. Des Weiteren besteht die Gefahr, dass der Weggang eines Gründers aufgrund des damit verbundenen Wissensverlustes zum Scheitern des gesamten Projekts führt. Sämtliche Vereinbarungen müssen dynamisch ange­ legt sein, um Veränderungen der wirtschaftlichen Bedingungen und der Betei­ ligungsverhältnisse zu kompensieren. B. §  1. In den USA versuchen die Gestalter, den eben skizzierten Risiken auf verschiedenen Wegen zu begegnen: Gründer und Investoren erhalten Anteile unterschiedlicher Gattungen, namentlich Stammanteile und Vorzugsanteile („Preferred Shares“). Aufgrund der Vorrechte der Kapitalgeber sind die Grün­ der gezwungen, sich für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens einzu­ setzen, wollen sie nicht leer ausgehen. §  2 I. Die Vorrechte bestehen aus Dividendenvorzügen und Liquidationsvor­ zügen. II. Erstere dienen der Sicherung des Kapitalflusses während der Laufzeit der Finanzierung und dem Schutz davor, dass die Gründer, die jedenfalls zu Beginn über die Mehrheit im Board of Directors und in der Gesellschafterversamm­ lung verfügen, Ausschüttungen an den Investoren vorbei veranlassen. III. Letztere sichern die Rückerstattung des geleisteten Investments bei der Auflösung des Beteiligungsverhältnisses und, in Kombination mit den Dividen­ denvorzügen, in wirtschaftlicher Hinsicht die Verzinsung des eingesetzten Ka­ pitals. Sind die Präferenzen zu umfangreich bemessen, wirkt dies auf die Grün­ der unter Umständen demotivierend, weil sie selbst bei moderatem Erfolg nicht an der Erlösverteilung partizipieren.

764

Zusammenfassung

IV. Ein weiteres Element der Preferred Shares in den Vereinigten Staaten sind Konversionsrechte, die den Berechtigten in der Regel sowohl eine Option zur Anteilsumwandlung einräumen als auch einen entsprechenden Zwang für den Fall eines Börsenganges vorsehen. Die überwiegende Zahl der Ökonomen schreibt der Option zur Konversion eine starke Anreizwirkung zu. Die Kapi­ tal­geber erhielten wegen der Möglichkeit, aufgrund der Umwandlung ihrer An­ teile in Stammanteile in vollem Umfang, das heißt nicht nur beschränkt auf ihre Vorzüge, an der Erlösverteilung teilzuhaben, einen Anreiz, weiter in das Unter­ nehmen zu investieren. Außerdem würden die Gründer davon abgehalten, das Unternehmen zu positiv zu bewerten – Window Dressing zu betreiben –, weil sie befürchten müssten, dass die Investoren konvertieren und infolge dessen eine höhere Quote bei der Erlösverteilung erzielten. Indes trifft diese Theorie in den meisten Fällen die Praxis nicht. Die typische Gestaltung von Vorzugsanteilen formt diese als teilnehmende oder „participating“ Preferred Shares aus, so dass deren Inhaber unabhängig von der Option zur Wandlung nach Befriedigung ihrer Dividenden- und Liqui­ dationsvorrechte in vollem Umfang auf gleicher Ebene wie die Stammanteils­ eigner an der Verteilung des verbleibenden Erlöses teilhaben. In dieser Situation ginge die Konversion sogar mit einem Verlust einher. Die Erklärung für die Konversionsklauseln ist demnach an anderer Stelle zu suchen. Ansätze hierfür gibt es drei: Erstens dienen sie dazu, im Falle eines Börsenganges eine einheitliche An­ teilsstruktur zu schaffen, die Anleger und Emissionsbanken typischerweise hö­ her bewerten als eine „Dual Class Structure“. Zweitens sollen sie das sogenann­ te Grandstanding verhindern, also das verfrühte Betreiben eines Börsengangs seitens eines der Investoren. Drittens sprechen steuerrechtliche Motive in den USA für die Schaffung unterschiedlicher Anteilsklassen während der Finanzie­ rung. Dies gilt zum einen im Vergleich von Vorzugsanteilen und Darlehensfi­ nanzierung. Zum anderen betrifft das die Vergütung der Gründer. Existiert eine den Stammanteilen übergeordnete Anteilsklasse, werden die Stammanteile steuerrechtlich sehr niedrig bewertet. Das ist deshalb wichtig, weil die Vergü­ tung der Gründer in den USA typischerweise in Stammanteilen und Optionen auf diese besteht. Eine niedrige Bewertung sichert eine niedrige Steuerlast. Müssten die Gründer gewissermaßen zum „wahren Wert“ Steuern entrichten, wären sie mangels anderer Finanzierungsquellen gezwungen, Anteile und Op­ tionen in erheblichem Umfang zu veräußern, um ihre Steuerschuld zu beglei­ chen. V. Aus einer Gesamtschau der bislang erörterten Gestaltungsbedingungen ergibt sich, dass es, anders als im ökonomischen Schrifttum häufig suggeriert, keineswegs ein Zeichen gestalterischen Amateurverhaltens ist, wenn in Deutschland statt wandelbarer Vorzugsanteile eine Kombination aus Eigenund Fremdkapital als Beteiligungsform gewählt wird. Funktional entsprechen

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die vorrangig zu befriedigenden Gläubigerrechte der Investoren den Dividen­ den- und Liquidationsvorzügen. Die Mitgliedschaftsrechte gewährleisten die Teilhabe an der Verteilung des verbleibenden Erlöses. Die in den USA die Ge­ staltung maßgeblich prägenden steuerrechtlichen Überlegungen haben in Deutschland keine Relevanz. §  3 I. Die Kapitalgeber sichern ihren Einfluss auf die Geschäftsführung auf drei Ebenen: Stimmrechte, Kontrolle des Board of Directors und Zustim­ mungsvorbehalte, sogenannte Covenants. II. Typischerweise erhalten sie Mehrfachstimmrechte auf einer „as-converted basis“, das heißt gemessen an der Zahl der Stammanteile, in die sie ihre Vor­ zugsanteile umwandeln können. Zudem sind Regelungen zu Sonderbeschlüssen und qualifizierten Mehrheitserfordernissen sowie gesonderte Stimmbindungs­ vereinbarungen mit den Gründern üblich. III. Im Board of Directors sind die Investoren selbst oder durch eine von ih­ nen beauftragte Person vertreten. Da die Gründer wenigstens zu Beginn der Finanzierung häufig über die Anteilsmehrheit verfügen und nach den allgemei­ nen Regeln damit die Mehrheit des Board of Directors stellten, ist es aus Kapi­ tal­gebersicht notwendig, Ausgleichsmechanismen zu schaffen. Diese bestehen in Vereinbarungen über die Größe des Organs und seine Besetzung sowie in Abstimmungsvereinbarungen. IV. Komplementär hierzu werden vor allem an der Ostküste der USA Zu­ stimmungsvorbehalte vereinbart, die den Investoren das Recht geben, bestimm­ ten Maßnahmen im Vorhinein zu widersprechen. §  4 I. Ein wesentliches Instrument der Finanzierungskontrolle ist das soge­ nannte Staging, das heißt die gestaffelte Finanzierung. Das meint zum einen die Streckung der Investition über mehrere Runden, zu deren Beginn das Unter­ nehmen neu bewertet und danach neue Mittel zugeführt werden. Zum anderen teilen die Kapitalgeber ihre Leistung innerhalb einer Runde in mehrere Tran­ chen und vergeben diese abhängig vom Erreichen bestimmter Meilensteine in Form wirtschaftlicher Kennzahlen oder Stadien der Produktentwicklung. II. In beiden Fällen haben die Gründer bei genauerer Betrachtung der in der Vertragspraxis verwandten Formulierungen keinen Anspruch auf die Zufüh­ rung weiterer Mittel. Vielmehr liegt die endgültige Entscheidung regelmäßig bei den Investoren, denen etwa Bezugsrechte oder Meilensteinvereinbarungen eher die Option einräumen, sich an der weiteren Finanzierung des Unternehmens beteiligen zu können. §  5 I. Die Kapitalgeber legen Wert darauf, sich vor einer Verwässerung ihrer Beteiligung zu schützen. Dabei geht es darum sicherzustellen, dass sie im Ver­ gleich zu später eintretenden Investoren nicht „zu viel“ für ihre Anteile bezah­ len. Diese Form der „downside protection“ kommt in Situationen zum Tragen, in denen Neugesellschafter weniger Geld pro Anteil zahlen müssen als die Alt­ gesellschafter in einer vorangegangenen Runde (Down Round). Außerdem

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müssen sich die Investoren davor schützen, dass die Gründer Wert- und Stimm­ rechtsverschiebungen durch gesellschaftsrechtliche Maßnahmen wie etwa eine Anteilsteilung herbeiführen. II. Preisbasierten Schutz bieten Klauseln, die das Recht gewähren, aus wirt­ schaftlicher Sicht den ursprünglich entrichteten Preis pro Anteil nachträglich nach unten anzupassen. Weighted Average Rights orientieren sich am Durch­ schnitt mehrerer Runden, Full Ratchet Rights am niedrigsten Preis. Diese zuletzt genannte Variante führt in der Regel nahezu zum Ausschluss der ­ Gründer aus der Gesellschaft. Da auch Neuinvestoren der Ausübung solcher Verwässerungsschutzbestimmungen häufig kritisch gegenüberstehen, sehen Beteiligungsvereinbarungen Mechanismen vor, die gegenläufige Anreize set­ zen: III. Pay to Play-Regelungen bestrafen diejenigen Investoren mit dem Verlust ihrer Dividenden- und Liquidationsvorzüge, die sich nicht an der weiteren Fi­ nanzierung beteiligen. Pull Up Provisions setzen einen positiven Anreiz, indem sie die Altinvestoren berechtigen, eine bestimmte Anzahl ihrer alten Vor­ zugsanteile in solche umzuwandeln, die in der neuen Runde ausgegeben wer­ den. Das ist deshalb relevant, weil die neue Anteilsserie in der Regel über höher­ rangige Vorzüge verfügt. IV. An die Seite dieser Kautelen treten Bestimmungen zur „Structural An­ tidilution Protection“, die bei Anteilsteilungen und Dividendenausschüttungen zum Zuge kommen. V. Vervollständigt werden die eben beschriebenen Klauseln durch Abreden zu Bezugsrechten, die in Delaware, anders als in Deutschland, nicht bereits ge­ setzlich gesichert sind. §  6. Wesentlicher Inhalt von Beteiligungsvereinbarungen sind Abreden über die Bindung der Gründer an das Unternehmen und die Gesellschaft sowie der Schutz davor, dass diese ausscheiden, aber ihre Anteile behalten und so als Tritt­ brettfahrer von den Anstrengungen anderer profitieren. I. Hierzu dienen nachvertragliche Wettbewerbsverbote und, soweit das kali­ fornische Vertragsrecht greift, Informationsweitergabeverbote. Die zweite Va­ riante soll ausgleichen, dass das kalifornische Vertragsrecht wettbewerbsbe­ schränkende Vereinbarungen untersagt. II. Zentrales Element der Gründerbindung sind Übertragungsbeschränkun­ gen, die zum einen Anteilsvinkulierungen vorsehen, zum anderen Bestimmun­ gen zum sogenannten Vesting. Vestingregelungen kombinieren zeitlich befris­ tete Verfügungsverbote unter Erlaubnisvorbehalt mit Rückkaufrechten der Gesellschaft. Nach Ablauf bestimmter Fristen erhält der Gründer ein „vested interest“ hinsichtlich eines beschränkten Teils der betroffenen Vergütung. Die Gesamtdauer der Bindung beträgt in der Regel zwischen drei und fünf Jahre. Hinzu kommen Absprachen über Vorerwerbsrechte und Andienungspflich­ ten für den Fall, dass ein Gründer aus der Gesellschaft ausscheiden möchte, in­

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dem er seine nicht mehr durch die Vestingbestimmungen gebundenen Anteile an einen Dritten zu veräußern sucht. Solche Vorerwerbsrechte und Andie­ nungspflichten dienen sowohl dem Interesse der übrigen Gesellschafter, den Gesellschafterbestand zu kontrollieren, als auch dazu, das oben angesprochene Risiko des Trittbrettfahrens durch den nicht mehr im Unternehmen tätigen Gründer auszuschalten. III. Mitnahmeklauseln – Drag Along Rights – verpflichten die Gründer, ihre Anteile in der gleichen Weise wie die Investoren zu veräußern, also an die glei­ che Partei zum gleichen Preis. Das soll eine Blockade der Unternehmensveräu­ ßerung verhindern. IV. Mitveräußerungsrechte – Tag Along Rights – geben den Investoren, selten auch den Gründern, das Recht, von einem veräußernden Mitglied zu verlangen, dass dieses mit seinem Vertragspartner die Übernahme der Anteile des Berech­ tigten zu gleichen Konditionen mitverhandelt. Das schützt den Begünstigten vor einem Einschluss in der Gesellschaft, die Gesellschafter mit für ihre Ent­ wicklung wesentlichem Know-how verloren hat. V. Außerdem bestehen Veräußerungsverbote („IPO lock-ups“) für den Fall eines öffentlichen Angebotes. §  7 I. Im Zusammenhang mit Regelungen zu Börsengängen ist zu beachten, dass es in den USA keinen Grundsatz der Gesamtzulassung gibt und Anteilsin­ haber über kein gesetzliches Recht verfügen, selbst einen Antrag auf Registrie­ rung ihrer Anteile zu stellen, um ein öffentliches Angebot durchführen zu kön­ nen. Daher bedarf es vertraglicher Vereinbarungen. II. Investoren lassen sich einen gegen die Gesellschaft gerichteten Anspruch einräumen, die Anteilsregistrierung bei der Securities and Exchange Commis­ sion zu beantragen (Demand Registration Rights). Damit erhält der Berechtigte die Möglichkeit, selbst aus einer Minderheitsposition heraus den Exit zu betrei­ ben und so den Einschluss in die Gesellschaft zu vermeiden. III. Einem ähnlichen Zweck dienen Huckepackrechte oder Piggyback Rights, die erlauben, sich an einem von einem anderen Gesellschafter betriebenen Re­ gistrierungsvorgang zu beteiligen. §  8 I. Mit Rückübertragungsrechten (Redemption Rights) stellen die Investo­ ren sicher, dass sie unter bestimmten Umständen, die zumeist Liquidationser­ eignissen gleichen, ihre Anteile an die Gesellschaft zu für sie günstigen Kondi­ tionen veräußern können. II. Diese Rechte sind in der Praxis aufgrund der dünnen Kapitaldecke der Gesellschaft nur schwierig durchsetzbar und dienen in erster Linie als Druck­ mittel, die Zustimmung der Gründer für einen bestimmten Weg der Beteili­ gungsauflösung herbeizuführen. Nur selten finden sich Rückübertragungs­ rechte der Gesellschaft gegen die Kapitalgeber. §  9 I. Rückkaufrechte in verschiedenen Variationen geben den Berechtigten, in der Regel der Gesellschaft oder den Investoren, die Möglichkeit, von den

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ausscheidenden Gründern deren nach den Vestingregeln noch gebundene An­ teile zu erwerben. II. Insbesondere hinsichtlich der Anteile, die Gründern als Vergütung ge­ währt wurden, stellen solche Klauseln eine erhebliche Belastung dar, sofern sie gleichzeitig mit einer von den Investoren veranlassten Beendigung des Dienst­ verhältnisses genutzt werden können. Jedenfalls in Delaware erscheint es zuläs­ sig, solche in Deutschland als Hinauskündigungsklausel bekannten Gestaltun­ gen durchzusetzen. §  10 I. Die Vergütung der Gründer durch Stammanteile und Optionen hier­ auf ist aus steuerrechtlicher Sicht vorteilhaft. Vergütung für geleistete Dienste unterliegt der Income Tax, deren Grenzsteuersatz denjenigen der Capital Gains Tax deutlich übersteigt, die für Anteilsveräußerungen greift. II. Werden im Zeitpunkt t1 statt einer Barvergütung Anteile gewährt, kann der Gründer diese im Zeitpunkt t2 veräußern. Die zwischenzeitlichen Wertge­ winne unterliegen nicht mehr der Income Tax. Hätte der Gründer dagegen be­ reits in t1 eine volle Vergütung in bar erhalten, wäre auf diese insgesamt Income Tax zu entrichten gewesen. III. Stock Options bringen im Vergleich zu einer Barvergütung gleichfalls steuerliche Vorteile mit sich: Die Ausübung sogenannter Incentive Stock Op­ tions ist in der Regel kein steuerpflichtiges Ereignis. Das liegt erst in der Veräu­ ßerung der Anteile, die auf die Optionsausübung hin gewährt wurden. Wiede­ rum fällt nur Capital Gains Tax an, keine Income Tax. IV. Es gibt verschiedene weitere Formen der Vergütung durch Optionen, doch sind diese in steuerlicher Hinsicht sämtlich weniger günstig. Phantom Stocks und Stock Appreciation Agreements ähneln aus wirtschaftlicher Per­ spektive der Vergütung mit Stock Options. V. Die Bedeutung des Steuerrechts für die Strukturierung von Wagniskapi­ talbeteiligungsverhältnissen durch unterschiedliche Anteilsgattungen ergibt sich aus folgendem Umstand: Da sich die Besteuerung der verschiedenen „taxable events“ nach dem Fair Market Value der Anteile richtet, ist es aus Sicht der Gründer wichtig, diesen möglichst niedrig zu halten. Die Steuerverwaltung akzeptiert Bewertungen von Stammanteilen mit lediglich 0,01 USD mit dem Argument, es existiere eine übergeordnete Anteilsklasse, nämlich die Preferred Shares. So ergibt sich für die Gründer aufgrund der von der Finanzverwaltung eingeräumten Gestaltungsmöglichkeiten die Chance, ihre Vergütung zu Wer­ ten zu versteuern, die erheblich unter ihrem Barwert liegen, und sie zudem je­ denfalls teilweise einer günstigeren Steuerart als der Income Tax zu unterwer­ fen. Nach Auskünften von Praktikern liegt hierin einer der wesentlichen Grün­ de für die starke Nutzung von Convertible Preferred Shares in den USA. Für den Fall einer Änderung der Praxis der Finanzverwaltung hielten es befragte Anwälte für wahrscheinlich, dass viele Gestalter auf wandelbare Fremdkapital­ titel zurückgriffen.

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§  11 I. Ein Nebeneffekt der geschilderten Strukturierungsüberlegungen ist die Gefahr einer erheblichen Verwässerung der Gründerbeteiligung bereits mit Beginn der Finanzierung. Um die Bedienung der Optionen zu sichern, die den Gründern und sonstigen Beschäftigten gewährt werden, schaffen die Beteilig­ ten in der Regel bereits bei Gründung einen Stock Option Pool mit einem Vor­ rat noch nicht ausgegebener (non-issued) Anteile. II. Achten die Gründer nicht darauf, dass dieser Pool bei der Berechnung der Beteiligungsverhältnisse von den Investoren unberücksichtigt bleibt, erhalten die Kapitalgeber überproportional viele Anteile. Es macht einen erheblichen Unterschied, ob die Berechnung einer Beteiligungsquote von 40% sich auf sämtliche, das heißt ausgegebene (issued) und nicht ausgegebene (non-issued), Anteile bezieht oder nur auf die bereits ausgegebenen. §  12 I. Im Fall eines Down Round Financing, wenn also der Preis pro Anteil in der aktuellen Runde unter dem einer früheren Runde liegt, sind die Gründer jedenfalls bei Geltung des Rechts von Delaware kaum davor geschützt, aus der Gesellschaft gedrängt zu werden. II. Zeigen lässt sich dies an einem aufsehenerregenden Fall, der Mitte der Neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts vor Gericht gelangte („Alantec“). III. Zwar gelten in der Delaware Close Corporation auf Mitgliederebene kei­ ne gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten der Anteilseigner untereinander und die Gerichte interpretieren den vertragsrechtlichen Covenant of Good Faith and Fair Dealing deutlich enger als hiesige Richter den deutschen Grundsatz von Treu und Glauben. Doch hat „Alantec“ den Marktteilnehmern Prozessrisi­ ken vor Augen geführt, so dass in einer Down Round inzwischen bestimmte Maßnahmen getroffen werden, um die Gründer wenigstens formal zu schützen. Dazu gehören Bezugsrechtsangebote an die Gründer (Rights Offerings) und die Ratifikation durch Beschlüsse unabhängiger Directors. IV. Sonstige Kontrollmechanismen gibt es wenige. Nur in Extremfällen ord­ nen Gerichte die Umwandlung von Preferred Shares in Common Shares oder Equitable Subordination an. §  13. Für die Beurteilung von Venture Capital-Finanzierungen ist es wesent­ lich, die Region zu berücksichtigen, deren Vertragspraxis analysiert wird. Ins­ besondere den Markt im Silicon Valley prägen Besonderheiten, die sich etwa an der Ostküste der USA nicht finden. I. Das Fehlen von Schutzmechanismen zugunsten der Gründer, wie etwa eben für das Down Round Financing beschrieben, wird zumindest teilweise durch eine externe Verhaltenskontrolle der Investoren mit Hilfe von Reputati­ onsmechanismen und Syndizierungen ausgeglichen. Ein Kapitalgeber, der sich „zu hart“ verhält, verliert Geschäftschancen, weil Gründer mit guten Projekten auf andere Investoren ausweichen. Die in einem Syndikat zusammengeschlosse­ nen Kapitalgeber achten darauf, nicht aufgrund des exzessiven Verhaltens eines Beteiligten Rufschäden zu erleiden. Weiterhin zu beachten ist, dass aus histori­

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schen Gründen eine einheitliche Gründerkultur herrscht, die für eine enge Ver­ netzung von Gründern sorgt. II. Darüber hinaus führen die Opportunitätskosten juristischer Auseinan­ dersetzungen dazu, dass Investoren sich lieber unter Inkaufnahme wirtschaftli­ cher Verluste von mäßig erfolgreichen Unternehmen trennen, um die wiederge­ wonnen Mittel besser zu reinvestieren, statt einen Prozess zu führen. Die Kapi­ talgeber setzen daher nicht sämtliche Rechte durch, die sie haben. III. Außerdem ist der Beratungsmarkt sehr eng, er wird von wenigen Kanz­ leien beherrscht, die typischerweise für beide Marktseiten tätig sind. Um nicht einen signifikanten Teil der Mandantschaft zu verlieren, haben die Berater ein Interesse daran, jedenfalls in einem gewissen Rahmen für ausgeglichene Bedin­ gungen und Verhaltensweisen zu sorgen. IV.–VI. Diese Umstände sowie eine Vielzahl von Transaktionen sorgen für eine weitreichende Standardisierung der Vertragspraxis und ein verhältnismä­ ßig geringes Maß an Prozessen.

Teil 2  Der zweite Teil der Untersuchung leitet über in das deutsche Recht und legt die dogmatischen Grundlagen für die folgenden Teile. Er hat die Kon­troll­ instrumente des allgemeinen Privatrechts und des Kapitalgesellschaftsrechts zum Gegenstand. A. §  1. Im ersten Kapitel des zweiten Teils steht die Frage im Zentrum, welche allgemeinen Lehren zu Gestaltungsschranken für Abreden im Gesellschafts­ recht gelten. I. Instrumente wie das „Wesen“ der Gesellschaft und die Typentheorie kom­ men genauso wenig als Gestaltungsschranke in Betracht wie die Institutionen­ theorie oder der Numerus Clausus. Das Wesensargument ist ein Kryptoargu­ ment, das keine Struktur aufweist (1.). Die Typentheorie eignet sich gleichfalls nicht, vorhersehbare Grenzen der Privatautonomie zu errichten (2.). Mit dem Numerus Clausus lassen sich jedenfalls für die Ausgestaltung einer in der Rechtsordnung vorgesehenen Rechtsform keine scharfen Trennlinien zwischen zulässigen und unzulässigen Abreden ziehen. Letztlich müsste nämlich typolo­ gisch begründet werden, welche Gestaltungen bei an sich zulässigen Abwei­ chungen vom Gesetz so a-typisch sind, dass sie als extra-typische für unzulässig zu erklären wären (3.). Institutionenbezogene Ansätze kommen gleichfalls nicht in Betracht. Das gilt sowohl für die Innentheorie, die angesichts fehlender nor­ mativer Anknüpfungspunkte starke Verwandtschaft mit dem Wesensargument aufweist, als auch für die Variante, die Institutionen unter Rückgriff auf sozio­ logische Vorarbeiten als Außenschranken begreift (4.). Insoweit ist der Nutzen unklar, den diese Theorie gegenüber einer differenzierten herkömmlichen Be­ trachtung bietet, um Rechtsentwicklungen nachzuzeichnen.

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II. Damit verbleiben im Ergebnis allein die allgemeinen privatrechtlichen Schranken: Zwingendes Recht, Verbotsgesetze, die guten Sitten, die Grenzen rechtsgeschäftlicher Gestaltungsmacht sowie Gesetzesumgehung. Dass die §§  134, 138 und 242 BGB Anwendung finden, ist unstreitig (1.). Viele zwingende Vorschriften der kapitalgesellschaftsrechtlichen Gesetze lassen sich als Grenze der rechtsgeschäftlichen Gestaltungsmacht einordnen, einer eigenständigen Kategorie der allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Dogmatik (2.). Das gilt etwa für Kompetenzregeln wie §  76 Abs.  1 AktG und §  53 Abs.  1 ­GmbHG, Satzungs­ vorbehalte und Begrenzungen wie §  23 Abs.  5 AktG. Der Verweis auf Geset­zes­ umgehung dagegen ist per se kein Argument, einer Vereinbarung die Wirksam­ keit zu versagen (3.). Letztlich bedarf es für die Entscheidung, ob es sich um eine zulässige oder eine unzulässige „Umgehung“ handelt, einer genauen Analyse des Wirkungsbereichs der betroffenen Norm. §  2 I. Beteiligungsvereinbarungen fallen nicht in den Anwendungsbereich der §§  305 ff. BGB. Maßgebliches Abgrenzungsmerkmal zwischen Austauschver­ trägen und Verträgen, die in den Anwendungsbereich der Bereichsausnahme „Verträge auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts“ im Sinne von §  310 Abs.  4 S.  1 BGB fallen, ist das Vorliegen eines gemeinsamen Zwecks. II. Beteiligungsvereinbarungen sind als Innengesellschaften bürgerlichen Rechts nach Maßgabe der Bereichsausnahme für Verträge auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts von der AGB-Kontrolle ausgenommen. Die Parteien der schuldrechtlichen Nebenabrede verfolgen einen gemeinsamen Zweck, die För­ derung des finanzierten Unternehmens, und stellen Know-how und Arbeits­ kraft (Gründer) sowie finanzielle Mittel und Beratungsleistungen (Investoren) zur Verfügung. Sie wollen ein eigenes, ihren Bedürfnissen angepasstes Organi­ sationsrecht für die Kapitalgesellschaft schaffen und ihr Zusammenwirken im Einzelnen in einer Weise regeln, wie es vor allem §  23 Abs.  5 S.  1 AktG in der Satzung nicht zuließe. III. Eine teleologische Reduktion des §  310 Abs.  4 S.  1 BGB scheidet aus. We­ der kommt eine Einschränkung des Anwendungsbereichs mit dem Argument in Betracht, die Norm gelte nur für materielle Satzungsbestandteile, noch sind die vom Bundesgerichtshof praktizierte Inhaltskontrolle von Gesellschaftsver­ trägen und die Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen vergleichbar. Ty­ pologische Kriterien sind ungeeignet, die Reichweite des §  310 Abs.  4 S.  1 BGB näher zu bestimmen. Da Gründer keine Verbraucher sind, scheidet selbst für diejenigen die AGB-Kontrolle aus, die meinen, bei Verbraucherverträgen gälten die §§  305 ff. BGB unabhängig vom Vertragsgegenstand. B. §  1. Das Vertragskonzernrecht, Betrachtungsobjekt des zweiten Kapitels im zweiten Teil, bietet gleichfalls keinen Ansatz, die Gestaltung von Beteili­ gungsvereinbarungen einzuschränken. Zwar tendieren einige Gerichte und Tei­ le der Literatur dazu, Abreden wie Business-Combination-Agreements und andere Verträge, die Einflussmöglichkeiten auf die Gesellschaft einräumen, als

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„verdeckte Beherrschungsverträge“ den §§  291 ff. AktG (direkt oder analog) zu unterwerfen. §  2. Unabhängig davon, ob dieser Ansatz überzeugt, trifft er Wagniskapital­ finanzierungen nicht. Die Investoren wollen die Gesellschaft nicht im Fremdin­ teresse steuern und in keine übergeordnete Interessenstruktur einordnen. Inso­ fern fehlt es an der typischen Konzerngefahr. Außenstehende Gesellschafter gibt es in der Regel nicht. Gläubiger müssen im Regelfall nicht befürchten, dass aufgrund der Einbettung in eine gesellschaftsübergreifende Finanzplanung ge­ zielt und beständig Mittel entzogen werden. Im Übrigen sind die Kapitalgeber als herrschendes Unternehmen im Sinne von §  17 Abs.  1 AktG einzustufen, so dass §  311 Abs.  1 AktG gilt. Wer aus den Schutzlücken der §§  311 ff. AktG ablei­ tet, die Beteiligten umgingen das Vertragskonzernrecht und hätten die §§  291 ff. AktG zu beachten, unterläuft die gesetzliche Anerkennung des faktischen Kon­ zerns. Einen Zwang zum Abschluss von Beherrschungsverträgen gibt es gerade nicht. Sofern eine stille Gesellschaft besteht, fällt diese als Teilgewinnabführungs­ vertrag unter §  292 Abs.  1 Nr.  2 AktG. Doch schlägt das nicht auf die Beteili­ gungsvereinbarung durch, die die Investoren in ihrer Eigenschaft als Eigenka­ pitalgeber mit der Gesellschaft und den Gründern abgeschlossen haben. C. §  1. Das dritte Kapitel nimmt das Problem der Einheit und Vielheit der Verbandsordnung in den Blick, also das Verhältnis der Regelungsebenen Ge­ setz, Satzung und schuldrechtliche Nebenabrede. Der erste Abschnitt handelt von der Frage, wie sich Widersprüche von schuldrechtlichen Nebenabreden zur Satzung auswirken. Für die Antwort differenziert die Darstellung zwischen formellen und materiellen Satzungsbestandteilen: Schuldrechtliche Nebenabreden, die formelle Satzungsbestandteile betreffen, sind wirksam. Allseitig geschlossene Verträge heben die im Satzungsdokument niedergelegten Bestimmungen auf. Fraktionsabsprachen sind gleichfalls gültig und enthalten eine weitere schuldrechtliche Abrede der an ihr Beteiligten. Schuldrechtliche Nebenabreden, die im Widerspruch zu in der Satzung ge­ troffenen korporativen Regelungen stehen, insbesondere solche, die den Ab­ schluss von Stimmbindungsvereinbarungen untersagen, sind unwirksam, so­ fern sie satzungsgleich wirken, also Dritteffekte entfalten. Den Gesellschaftern fehlt in solchen Fällen die Kompetenz, Regelungen anders als im Wege einer Satzungsänderung zu schaffen. §  2. Entgegen der Lehre von der Verbandsordnung im weiteren Sinne können Schuldverträge nicht herangezogen werden, um den Inhalt der Treuepflichten zu konkretisieren oder Satzungsbestimmungen auszulegen. Das in erster Linie vom Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit satzungsdurchbrechenden Be­ schlüssen bemühte Argument der Prozessökonomie ist dogmatisch nicht ­haltbar. Das entscheidende materielle Argument gegen die Möglichkeit, schuld­ recht­liche Vereinbarungen zur Satzungsinterpretation und zur Konkretisie­

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rung von Treuepflichten zu nutzen, resultiert aus dem mit der Satzungspublizi­ tät verbundenen Drittschutz. Könnten die Gesellschafter den Inhalt der Sat­ zungsbestimmungen mittels eines Schuldvertrages ausgestalten, wären Gläubiger und am Anteilserwerb Interessierte nicht mehr in der Lage, mittels Registereinsicht wenigstens die Grundstrukturen der Gesellschaft zu beurtei­ len.

Teil 3  Der dritte Teil der Arbeit rückt die Wertungen der Gestaltungskontrol­ le im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht in den Mittelpunkt und damit das Thema der Rechtfertigung zwingender Regeln im Kapitalgesellschaftsrecht: A.  Das erste Kapitel behandelt die Satzungsstrenge in der Aktiengesellschaft als herausstechendes Beispiel für weitreichende Beschränkungen der Gestal­ tungsfreiheit. §  1 I. Der erste Abschnitt stellt die Standardisierungshypothese der herr­ schenden Meinung auf den Prüfstand, nach der ohne die aktienrechtliche Sat­ zungsstrenge keine Vereinheitlichung der Rechtsform Aktiengesellschaft zu­ stande kommt, was Anleger abschrecke und schließlich zum Zusammenbruch des Kapitalmarkts führe. II. Das überzeugt bereits deshalb nicht, weil es zahlreiche Beispiele für die Standardisierung komplexer Klauselwerke ohne zwingende Vorgaben im Um­ fang von §  23 Abs.  5 AktG gibt. Die Corporate Charters von Public Corpora­ tions in den USA, die überwiegend dem Gesellschaftsrecht von Delaware unter­ liegen, sind nahezu uniform, obwohl das Delaware General Corporation Law weitreichende Freiheiten lässt (1.). Divergenzen weisen die Satzungen lediglich hinsichtlich einer Klausel auf. Doch korrelieren diese Vorgaben mit Unterschie­ den in den einzelstaatlichen Übernahmerechten. Weitere Beispiele für verein­ heitlichte Klauselwerke sind Beteiligungsvereinbarungen, komplexe Kreditver­ einbarungen und Anleihebedingungen (2.). Als Randnotiz interessant ist, dass trotz Fehlens einer aktienrechtlichen Gesetzgebung die Satzungen der Vorläu­ fer der heutigen Aktiengesellschaft in der Region des heutigen Deutschland zu Beginn des neunzehnten Jahrhundert offenbar in weitem Umfang standardi­ siert waren (3.). III. Die als Erklärungsansatz von einigen Autoren bemühte Delegationsthe­ orie, nach der die Gestalter die Anpassung der Satzung dem Gesetzgeber über­ ließen, indem sie diese stets dem Gesetz entsprechend abfassten, überzeugt nicht (1.). Sie ist zu eng, weil sie sich lediglich auf die Public Corporation bezieht und andere Gestaltungen nicht erfasst. Außerdem vermag sie nicht zu erklären, wieso die Beteiligten hinsichtlich der Befreiung der Directors von der Pflicht zum Schadensersatz wegen Sorgfaltspflichtverletzungen systematisch die Mög­ lichkeit des §  102(b)(7) DGCL nutzen, von der gesetzlichen Grundregel abzu­ weichen.

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Dagegen bietet die ökonomische Netzwerktheorie eine Möglichkeit, Stan­ dardisierungsvorgänge zu erklären, die nicht auf zwingendem Recht beruhen. Rechtsregeln kommen wie andere Güter als Netzgüter in Betracht (2.). Netzgü­ ter sind solche, deren Nutzen für die bisherigen Nutzer mit jedem weiteren Nutzer desselben Gutes steigt. Ein Beispiel hierfür ist das Telefon, hinsichtlich dessen jeder Inhaber profitiert, je mehr Personen über ein solches Gerät verfü­ gen. Bei Rechtsregeln treten gleichfalls solche positiven Externalitäten auf: Sich als Anbieter vergleichbarer Bedingungen zu bedienen, spart die Kosten der Er­ stellung neuer Klauseln und vermeidet Rechtsunsicherheit über deren Wirk­ samkeit. Nachfrager haben Vorteile, weil sich die Anbieter besser vergleichen lassen. Neue Standards kommen zustande, wenn sich das Marktumfeld wesent­ lich ändert. Ohne einen solchen äußeren Änderungsanreiz hindern die hohen Wechselkosten der Nutzung neuer Standards, etwa Preisabschläge, die Anleger aufgrund der fehlenden Sicherheit im Umgang mit den neuen Klauseln vorneh­ men, unter Umständen sinnvolle Anpassungen etablierter Bedingungswerke. Eine Gegenstrategie besteht darin, sogenannte fokale Punkte zu setzen. Bietet ein unabhängiger Dritter wie die Loan Market Association oder die Baltic and International Maritime Conference (BIMCO) allen Marktteilnehmern zur glei­ chen Zeit nach einem (bereichs-)öffentlich nachvollziehbaren Entstehungs- und Diskussionsprozess einen besseren Standard zur Übernahme an, lässt sich die genannte Hürde häufig überwinden. Für staatliche Rechtssetzung bedeutet dies, dass, sofern Änderungen gewünscht sind, in vielen Fällen abdingbares Recht genügt. Damit ein Standardisierungsprozess aufgrund von Netzwerkeffekten in Gang kommt, müssen sämtlichen Marktteilnehmern die Informationen über die Standards öffentlich zur Verfügung stehen (3.). IV. Genussscheine und Publikumspersonengesellschaften vermögen, anders als dies die herrschende Meinung suggeriert, nicht als Negativbeispiele dafür dienen, welche Folgen das Fehlen zwingender Regelungen im Umfang der Sat­ zungsstrenge hat. Genussscheine sind in der Praxis zwar in vielen Varianten zu finden und es gibt kaum Börsenhandel (1.). Doch handelt es sich um eine höchst erfolgreiche Form der Unternehmensfinanzierung, die bei Anbietern und Nachfragern gleichermaßen beliebt ist. Praktiker heben gerade die Bedeutung der Freiheit zur individuellen Gestaltung als Erfolgsfaktor heraus. Zwangsre­ geln wirkten demnach schädlich. Publikumspersonengesellschaften in Deutsch­ land waren zwar in den Siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wegen verschiedener Defizite hinsichtlich des Anlegerschutzes Gegenstand einer Viel­ zahl von Urteilen des Bundesgerichtshofs (2.). Allerdings waren diese Probleme Folge einer bereits zuvor eingetretenen, steuerrechtlich induzierten Standardi­ sierung. Bereits die erste grundlegende Entscheidung des Bundesgerichtshofs rekurrierte auf Merkmale, die typisch für sogenannte Publikumspersonenge­ sellschaften seien. Hinzu kommt, dass die Gestalter die Folgen des Fehlens jeg­

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licher gesetzlicher Modelle im Personengesellschaftsrecht zu bewältigen hatten. Ohne auf den Typus etwa einer handelsrechtlichen Publikumskommanditge­ sellschaft zurückgreifen zu können, waren sie gezwungen, sich dem Kapitalge­ sellschaftsrecht entstammender Regelungsmuster zu bedienen, um für eine Vielzahl von Gesellschaftern passende Organisationsvorgaben zu etablieren. Hätte der Gesetzgeber ein entsprechendes (abdingbares) Vorbild im Handelsge­ setzbuch geschaffen, hätten die Gestalter sich seiner bedienen können und die Anleger eine Referenz für die Bewertung privatautonomer Gestaltungen ge­ habt. Als Kritik vorzutragen, auch die Gestaltung von Genussscheinbedingungen und Publikumspersonengesellschaften unterläge Schranken in Form der Klau­ selkontrolle nach den §§  305 ff. BGB oder §  242 BGB, so dass letztlich genauso Schranken existierten wie sie §  23 Abs.  5 AktG vorsehe, überzeugt nicht (3.). Denn der Regulierungsansatz unterscheidet sich grundlegend: Während die zu­ erst genannte Klauselkontrolle lediglich Extremfällen vorbeugt und innerhalb des von ihr gezogenen Rahmens verschiedene Gestaltungsvarianten genutzt werden dürfen, untersagt §  23 Abs.  5 S.  1 AktG von vornherein jede Abwei­ chung vom Gesetz. V. Überdies ist zu berücksichtigen, dass selbst die herrschende Meinung zur Notwendigkeit der zwingenden Standardisierung der Rechtsform Aktienge­ sellschaft eine Ausnahme anerkennt, nämlich schuldrechtliche Nebenabreden. Für diese Verträge, die in der Praxis für die Organisation der Aktiengesellschaft bedeutsame Regelungen vorsehen, soll Gestaltungsfreiheit gelten, weil die Be­ teiligten in die Lage versetzt werden müssten, ihren Umständen angemessene Anpassungen der Verbandsgestalt vorzunehmen. Das widerspricht diametral den sonst vorgetragenen Argumenten. Fehlende Drittbetroffenheit ist kein vali­ des Argument (1.). Angesichts der andauernden Wirkung und der Möglichkeit, für die Finanzpolitik wichtige Absprachen zu treffen, etwa hinsichtlich der Bi­ lanzpolitik, haben solche Verträge das Potential, die Investitionsplanung Drit­ ter erheblich zu beeinflussen. Selbst in börsennotierten Gesellschaften sorgen die Publizitätsvorschriften für keine angemessene Transparenz (2.). Die struk­ turelle Starrheit der Aktiengesellschaft mit Blick auf das dualistische Modell vermögen auch schuldrechtliche Nebenabreden nicht zu überwinden (3.). VI. Es verbleiben lediglich drei legitime Anlässe, mittels zwingender Rege­ lungen Gestaltungsbedingungen zu standardisieren: Keine Herbeiführung ad­ äquater Standards infolge abdingbarer Vorgaben (1.); Notwendigkeit der sofor­ tigen Durchsetzung von Änderungen (2.) und die Umsetzung gesellschaftspoli­ tischer Ziele (3.). Den Einfluss von Common Law-Gestaltungsmustern mag Mancher bekla­ gen, doch sperrt bereits das Europarecht die Einführung protektionistischer nationaler Vorschriften (4.).

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§  2. Im nächsten Abschnitt stehen die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Setzung zwingenden Kapitalgesellschaftsrechts im Vordergrund. I.  Das Bundesverfassungsgericht begreift Kapitalgesellschaftsrecht in erster Linie als ermöglichendes Recht, das den Bürgern die Chance bieten soll, sich bestimmter Handlungsoptionen im Wege eines kollektiven Zusammenschlus­ ses zu bedienen, die ihnen das Vertragsrecht allein nicht böte. II. Ausgangspunkt für konkrete Beurteilung von Gesellschafterrechten und sie tangierende Normen ist das Alleineigentum als Paradigma. Hieraus leitet das Gericht ab, das Mitgliedschaftsrecht bestehe verfassungsrechtlich aus zwei Komponenten, nämlich Mitwirkungs- und Einwirkungsrechten auf der einen und Vermögensrechten auf der anderen Seite. III. Die Grundrechtsprüfung nimmt das Bundesverfassungsgericht auf Grundlage einer einfachrechtlichen Vorprägung des Art.  14 Abs.  1 S.  1 GG vor und akzeptiert so §  23 Abs.  5 AktG als Ausgangsbasis (1.). Es hat die Gebote der Sachgerechtigkeit (2.) und der Folgerichtigkeit (3.) formuliert, die den Gesetzge­ ber dazu anhalten, ein aufeinander abgestimmtes Vorschriftengefüge zu schaf­ fen, das die Interessen sämtlicher Beteiligten gegeneinander abwägt und konsis­ tent ist. Für Minderheitsgesellschafter in der Aktiengesellschaft gilt nach dem Bundesverfassungsgericht ein Vorrang des Vermögensschutzes, selbst starke Einschränkungen von Kontroll- und Einwirkungsrechten nimmt es hin (4.). IV. Für die Rechtfertigung zwingender Normen im Kapitalgesellschaftsrecht belässt das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber weiten Raum. Mit der einfachrechtlichen Vorprägung der Grundrechtsprüfung wird eine Petitio Principii zum verfassungsgerichtlich sanktionierten Prinzip erhoben. Konkrete Anforderungen an einen Mindestbestand zwingender Normen existieren nicht. Den Gesetzgeber binden prinzipiell lediglich die Gebote der Sachgerechtigkeit und Folgerichtigkeit. Indisponible Vorschriften implizieren diese nicht. §  3 I. Die Notwendigkeit, Kapitalanleger zu schützen, rechtfertigt die aktien­ rechtliche Satzungsstrenge nicht. „Kapitalanlegerschutz“ ist zunächst nur ein Schlagwort. Im Kontext des §  23 Abs.  5 AktG, den die herrschende Meinung mit der Formel vom Kapitalanlegerschutz versucht zu legitimieren, ist zwar zu­ zugeben, dass die Norm nicht untermäßig wirkt. Dass die Vorschrift bestimm­ te Ausweichbewegungen und Finanzierungsformen nicht erfasst, wäre, träfen die Prämissen der herrschenden Meinung zu, sogar ein Argument für die Aus­ weitung zwingender Regelungen im Aktienrecht. II. Die entscheidende Schwierigkeit der aktienrechtlichen Satzungsstrenge resultiert indes aus ihrem übermäßigen Effekt. Selbst die herrschende Meinung erkennt die überschießende Wirkung von §  23 Abs.  5 AktG bezogen auf ge­ schlossene Aktiengesellschaften an. Darüber hinaus weist die Rechtsverglei­ chung darauf hin, auch in Publikumsgesellschaften mit weniger starren Vorga­ ben ein funktionsfähiges Kapitalgesellschaftsrecht erreichen zu können.

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§  4 I. Der vierte Abschnitt des ersten Kapitels im dritten Teil stellt die histo­ rische Entwicklung der Satzungsstrenge dar. Im Oktroi- und Konzessionssys­ tem waren aufgrund der hoheitlichen Befugnisse keine besonderen aktienrecht­ lichen Normen notwendig. Funktional übernahmen staatliche Vorgaben die Aufgabe detaillierterer gesetzlicher Vorschriften. II. Im System der Normativbestimmungen, das das Oktroi- und Konzessi­ onssystem ersetzte, nahm die Regelungsdichte erheblich zu. Ein ausdrücklich geregeltes Prinzip der Satzungsstrenge gab es jedoch nicht. In den Materialien zu den verschiedenen aktienrechtlichen Gesetzgebungen des neunzehnten Jahr­ hunderts finden sich Aussagen, die bei allen im Einzelfall zugunsten der Ein­ schränkung von Gestaltungsfreiheit gehaltenen Plädoyers die Modellierung des Innenverhältnisses jedenfalls grundsätzlich als Gesellschafteraufgabe ansehen (1.). Der Grundsatz der Satzungsstrenge war letztlich eine Erfindung des Reichsgerichts, das diesen in zwei Urteilen auf logisch fragwürdige Weise be­ gründete. Die instanzgerichtliche Rechtsprechung folgte dem Reichsgericht nicht durchgehend (2.). In der Literatur, soweit sie das Problem diskutierte, überwog die Skepsis (3.). III. Mit dem Aktiengesetz 1965 trat §  23 Abs.  4, die Vorgängernorm des heu­ tigen §  23 Abs.  5 AktG, als vermeintlicher Nachvollzug der herrschenden Mei­ nung in Kraft. Die Regierungsbegründung entbehrt jeden Versuchs einer mate­ riellen Rechtfertigung dieses systemfremden Eingriffs in die Privatautonomie. Im Ergebnis bietet die Rechtsgeschichte keine Legitimation des heute geltenden §  23 Abs.  5 AktG. §  5. Der fünfte Abschnitt im ersten Kapitel des dritten Teils analysiert die Gestaltungskontrolle durch den Kapitalmarkt. I. Insoweit ist zunächst festzuhalten, dass es auf den einzelnen Anleger, ins­ besondere den Privatanleger, nicht ankommt: Selbst wenn nicht jeder Anleger individuell korrekt zu bewerten vermag, garantiert doch die Teilnahme profes­ sioneller Akteure auf den Kapitalmärkten wie Analysten, Investmentbanken und Wirtschaftsprüfer, dass neue Informationen erfasst, verbreitet und ausge­ wertet werden. II. Auf den Kapitalmarkt als Kontrollinstanz zu verweisen, ist problema­ tisch. Die Wirksamkeit der Kontrolle setzt voraus, dass „Strafen“ in Form von niedrigen Preisen für schlechte Satzungsbestimmungen von denen getragen werden, die die Satzungen gestalten oder gestaltet haben. Daran fehlt es häufig, weil die Gestalter entweder nicht mehr Mitglied der Gesellschaft sind und des­ halb keine Anteile mehr halten, oder weil die Verantwortlichen mit Hilfe der schlechten Klauseln Vorteile erzielen, deren Wert die Einbußen aus der Abwer­ tung kompensiert. Das bedeutet im Ergebnis, dass sogar informationseffiziente Kapitalmärkte keine ausreichende Kontrolle „schlechter“ Klauseln gewährleis­ ten. Selbst wenn es zu Abwertungen kommt und der Preis die Qualität von Satzungsbestandteilen widerspiegelt, erwächst hieraus nicht automatisch ein

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Gegengewicht zum (Fehl-)Anreiz für Insider, solche Bestimmungen in Kraft zu setzen, die objektiv betrachtet der guten Unternehmensführung nicht dienlich sind. III.–V. Zu diesen Schwierigkeiten kommt, dass an der Wirksamkeit des Preis­ mechanismus noch aus anderen Gründen zu zweifeln ist. So gibt es inzwischen eine Vielzahl von Hinweisen auf die fehlerhafte Verarbeitung von Informatio­ nen im Markt. Der Preis ist offenbar nicht immer „richtig“. Zudem besagt die Effizienzmarkthypothese bei genauerer Betrachtung jedenfalls ihren Ursprün­ gen nach nicht, Marktpreise entsprächen dem „wahren Wert“ des Gegenstandes. Angesichts dieser Probleme sprechen die besseren Argumente gegen den Vor­ 23 Abs.   5 AktG bezogen auf börsennotierte Aktiengesellschaften schlag, §   teleologisch zu reduzieren und de lege lata mehr Gestaltungsfreiheit zuzulas­ sen. §  6. Eines „Seriositätsabstandes“ der Aktiengesellschaft zur Gesellschaft mit beschränkter Haftung bedarf es nicht. Haben die Marktteilnehmer kein Inter­ esse daran, die mit Hilfe des Gesetzes zur Verfügung gestellten Grundmodelle in ihrer Unterschiedlichkeit in Anspruch zu nehmen, ist nicht nachvollziehbar, wieso ihnen die Divergenz aufgezwungen werden soll. B. Das zweite Kapitel des dritten Teils wendet sich rechtsformübergreifenden Aspekten der Rechtfertigung zwingenden Kapitalgesellschaftsrechts zu. §  1 I. Der erste Abschnitt betrifft den Gesellschafterschutz als Regelungsge­ genstand des Kapitalgesellschaftsrechts. Aufgrund der Besonderheiten der Ma­ terie ergeben sich verschiedene Regelungsprobleme. Das Prinzip der Trennung von Inhaberschaft und Leitung sowie die damit eröffnete Möglichkeit des Ein­ satzes gesellschaftsfremder Dritter in Leitungsorganen verursacht den bekann­ ten Prinzipal-Agenten-Konflikt im Vertikalverhältnis von Mitgliedern und Vorstand oder Geschäftsführung (1.). Die Gesellschafter vermögen nicht ohne Weiteres nachzuvollziehen, welche Handlungen die Angehörigen der Ge­ schäftsleitungsorgane vornehmen und ob sie sich privat bereichern. Auf der horizontalen Ebene folgt aus dem Mehrheitsprinzip der Verlust des Schutzes vor Veränderungen, den im allgemeinen Vertragsrecht das Konsenser­ fordernis leistet (2.). So vermag die Mehrheit die Geschicke der Gesellschaft zu bestimmen und ihre Risikostruktur zu verändern. Kapitalmaßnahmen führen potentiell zu einer Verwässerung der Anteile der Minderheit. Die betroffenen Gesellschafter, die etwa einen Einschluss in einen Verband befürchten, der nicht mehr ihren Investitionspräferenzen entspricht, sehen sich der Schwierig­ keit ausgesetzt, bei einem Austritt ihren Anteil vermögensmäßig unter Umstän­ den nicht liquidieren zu können. Das kann daran liegen, dass vergangene Leis­ tungen nicht vollständig kompensiert wurden, oder an der Wirkung des Prin­ zips der beidseitigen Vermögensbindung, die Einlagen nicht zurückverlangen zu dürfen.

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II. Lösungsstrategien lassen sich entlang der Dimensionen Individualschutz, Kollektivschutz und Minderheitenschutz entwickeln. Zentrale Mittel des Individualschutzes sind Mitverwaltungsrechte (vor allem das Stimmrecht), Kon­ troll­rechte (insbesondere Auskunfts- und Einsichtsrechte) und Vermögensrech­ te (1.). Der Kollektivschutz, der sich auf die Wahrung der Mitglieder in ihrer Gesamtheit richtet, dient der Bewältigung der Agency-Problematik im Verhält­ nis zur Geschäftsleitung (2.). Seine Mittel sind Treuepflichten, Rechte zur Ein­ flussnahme auf die Geschäftsführung und Rechte zu ihrer Überwachung. Wichtige präventiv wirkende Instrumente des Minderheitenschutzes sind Gleichbehandlungs- und Treuepflichten. Die ex post-Kontrolle verwirklichen Sonderrechte, die ausgleichen, dass die Mehrheit bestimmte Kollektivrechte nicht wahrnimmt (3.). III. Die Möglichkeit, mittels der eben skizzierten Lösungsstrategien den Re­ gelungsproblemen im Kapitalgesellschaftsrecht zu begegnen, rechtfertigt kei­ neswegs automatisch ihre zwingende Ausgestaltung. So ging das Reichsgericht lange von der Annahme aus, jeder Minderheitsgesellschafter wisse, was ihn er­ warte, und sei deshalb selbst für seinen Schutz verantwortlich (1.). Diese Beto­ nung der Privatautonomie findet im Schrifttum nach wie vor Zustimmung und entspricht der Rechtsprechung des Delaware Supreme Court jedenfalls für die Close Corporation. Indessen ist seit einiger Zeit das Problem ins Bewusstsein gerückt, dass die Ausübung von Privatautonomie vollständige Informationen voraussetzt (2.). Erachteten Literatur und Gesetzgebung für eine Weile den Zwang zur Bereit­ stellung von Informationen als geeignete Strategie, freie und angemessene Ent­ scheidungen zu gewährleisten („Informationsmodell“), haben allerdings in den letzten Jahren kognitionspsychologische und darauf aufbauende ökonomische Studien eine Vielzahl systematischer Defizite des menschlichen Erkenntnispro­ zesses zu Tage gefördert. Hinzu kommt die Überlastung der Marktteilnehmer mit gesetzlich erzwungenen Informationen, die sie selbst ohne Rücksicht auf die angesprochenen Probleme der Urteilsfindung kaum noch bewältigen kön­ nen. Der Zwang zur Information stellt daher kein Allheilmittel hinsichtlich der Gewährleistung der Funktionsbedingungen der Privatautonomie dar. Das im­ pliziert keineswegs die Unfähigkeit zur vernünftigen Besorgung der eigenen Angelegenheiten Privater. Doch ist im Einzelnen zu prüfen, wie weit diese An­ nahme trägt. Im Kapitalgesellschaftsrecht gewinnt die Frage nach den Grenzen des Selbst­ schutzes noch an Schärfe. Die eben angerissenen Defizite wirken aufgrund der auf Dauer angelegten Bindung der Beteiligten im Verband stärker als bei Ab­ schluss eines sofort abzuwickelnden Austauschverhältnisses (3.). Das legt nahe, gesetzliche Regelungen jedenfalls insoweit vorzuhalten, als die Gestalter für nicht oder nur schlecht vorhersehbare Entwicklungen keinen eigenständigen Schutz zu etablieren in der Lage sind. Entsprechende Vorgaben müssen eine

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Balance finden zwischen der Grundregel der Annahme selbstverantwortlichen Regelungsvermögens und der Notwendigkeit, die Konsequenzen begrenzter Rationalität und kognitiver Defizite zu bewältigen. Dies alles spricht dafür, Be­ schränkungen der Gestaltungsfreiheit unter Verweis auf die Schutzbedürftig­ keit von Gesellschafter nicht lediglich auf deren kognitive Defizite zu stützen. Um einen Gleichlauf mit der allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Dogmatik her­ zustellen, bedarf es des Nachweises weiterer belastender Umstände. Erst diese Kombination mehrerer Begründungsansätze legitimiert den Eingriff in die Pri­ vatautonomie der Beteiligten. Für den Gesellschafterschutz kommt hierfür die Notwendigkeit des Funktionenschutzes in Betracht. §  2. Der zweite Abschnitt im zweiten Kapitel des dritten Teils wendet sich der Aufgabe des Kapitalgesellschaftsrechts zu, Regeln zur Gestaltungsermögli­ chung und Gestaltungsvereinfachung bereitzuhalten. Indem die einschlägigen Gesetze die Trennung von Inhaberschaft und Leitung, die beidseitige Vermö­ genstrennung und die freie Übertragbarkeit der Anteile normieren, eröffnen sie den Marktteilnehmern die Chance, sich in einer Weise zu organisieren, wie ih­ nen das auf rein vertraglicher Grundlage oder mit Hilfe des Personengesell­ schaftsrechts nicht oder nur schwierig möglich wäre. I. Gestaltungsermöglichung in dem Sinne, dass die Beteiligten auf vertrags­ rechtlicher Grundlage vergleichbare Ergebnisse nicht erzielen könnten, ist das Prinzip der beidseitigen Vermögenstrennung. Der Schutz des individuellen Vermögens der Gesellschafter bewahrt diese davor, von Gläubigern der Gesell­ schaft wegen deren Verbindlichkeiten in Anspruch genommen zu werden (1.). Zumindest gegenüber Deliktsgläubigern ließe sich kein entsprechender vertrag­ licher Schutz einrichten, fehlte es an kapitalgesellschaftsrechtlichen Mechanis­ men. Zwang rechtfertigt dies freilich nicht. Jeder Gesellschafter hat die Mög­ lichkeit, sich zu verpflichten, für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft einzu­ stehen, etwa mittels einer Bürgschaft. Die zweite Komponente des Prinzips der beidseitigen Vermögenstrennung ist der Schutz des gemeinsamen Vermögens (2.). Das Vermögen der Gesellschaft ist in gewissem Umfang vor dem Zugriff durch ihre Mitglieder und vor deren Gläubigern geschützt. Den darin liegenden Befriedigungsvorrang zugunsten der Geschäftsgläubiger der Gesellschaft könnten die Gesellschafter nicht mit Hilfe vertraglicher Konstruktionen erreichen. Die dazu erforderlichen Verein­ barungen mit sämtlichen Privatgläubigern der Mitglieder über Rangrücktritte kämen in der Praxis kaum zustande. Mit Deliktsgläubigern besteht schon keine Verhandlungsmöglichkeit. Um den Schutz des gemeinsamen Vermögens zu si­ chern, bedarf es jedenfalls eines Grundfundus an zwingenden Regeln. Ande­ renfalls hätten die Mitglieder es in der Hand, während des Bestehens der Ge­ sellschaft dieser Mittel zulasten ihrer Gläubiger zu entziehen. II. Der Gestaltungsvereinfachung dient zunächst die Trennung von Inhaber­ schaft und Leitung (1.). Es hat insofern keine ermöglichende Funktion, als es

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abstrakt denkbar wäre, dass die Gesellschafter Dritte auch ohne kapitalgesell­ schaftsrechtliche Hilfe als Geschäftsleiter bestellen. Angesichts des im deut­ schen Personengesellschaftsrecht geltenden Prinzips der Selbstorganschaft wäre allerdings fraglich, ob die Gerichte eine derartige privatautonome Regelung an­ erkennten. Einen Grund, die Trennung von Inhaberschaft und Leitung zwin­ gend vorzusehen, gibt es nicht. Das Ziel der Gestaltungsvereinfachung liegt schließlich dem Grundsatz der freien Übertragbarkeit der Mitgliedschaft zugrunde (2.). Auf vertragsrechtli­ cher Grundlage ließe sich die Übertragung eines Bündels an Rechten und Pflichten zwar durchaus organisieren, wie die neueren Entwicklungen im Per­ sonengesellschaftsrecht zeigen. Doch sparen die Beteiligten Transaktionskos­ ten, wenn das Gesetz den Gesellschaftern eine Möglichkeit zur Verfügung stellt, die Mitgliedschaft als solche prinzipiell ohne Bindung an die Zustimmung Anderer zu übertragen, ohne den Fortbestand des Verbandes zu gefährden. Zwingend sollte dieser Grundsatz jedenfalls insoweit wirken, als den Mitglie­ dern stets ein Weg offenstehen muss, den Anteil gegen Wertausgleich zu veräu­ ßern. Anderenfalls entstünde für einen Gesellschafter das Problem des Ein­ schlusses („Lock-in“) in die Gesellschaft, also dauerhaft in einer Weise gebun­ den zu sein, die nicht den eigenen Investitionsinteressen entspricht. §  3 I. Die im dritten Abschnitt des zweiten Kapitels des dritten Teils beschrie­ bene Aufgabe des Kapitalgesellschaftsrechts, Funktionenschutz zu sichern, er­ gibt sich aus dem Mehrheitsprinzip als Regelungsanlass. Einerseits beruht die Legitimität des Systems darauf, dass es die gewünschten Ergebnisse hervor­ bringt, das heißt zügige Entscheidungen ausgerichtet am Verbandszweck der Förderung der Interessen sämtlicher Gesellschafter. Die Verschiebung der Ent­ scheidungsmacht auf die Mehrheit eröffnet jedoch andererseits die Möglichkeit, sachfremde, also außerhalb des Verbandszwecks liegende Ziele zu verfolgen. Dem ist nicht nur im Hinblick darauf entgegenzuwirken, dass Angehörige der Minderheit individuell beeinträchtigt werden können, sondern gerade auch we­ gen der Erhaltung der Legitimation des Mehrheitsprinzips. Sobald sich typische Konstellationen herauskristallisieren, die die systematische Benachteiligung einer Gruppe ermöglichen und wahrscheinlich machen, gerät das Gesamtgefü­ ge in den Verdacht der Dysfunktionalität. Es bedarf also der Bereitstellung von Instrumenten, Beschlüssen zur Verfolgung verbandsexterner Ziele zumindest vorzubeugen. II. Das Regelungsziel des Funktionenschutzes ist paritätsneutral. Da das Sys­ tem sowohl wegen Handlungen der Mehrheit als auch aufgrund von Maßnah­ men einer Minderheit – Stichwort: räuberische Aktionäre – unter Druck geraten kann, bedarf es einer an der Aufrechterhaltung des Ordnungssystems orientier­ ten Gestaltung von Rechtsregeln. III. Zwei Formen des Funktionenschutzes lassen sich unterscheiden: Zum ei­ nen ist es möglich, generell-abstrakte Normen vorzusehen, die ein bestimmtes

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Verhalten von vornherein gebieten oder verbieten. Das kommt vor allem für Situationen in Betracht, in denen Probleme aufgrund typischer Interessenkon­ flikte vorhersehbar sind und sich regelmäßig in vergleichbarer Weise auswirken. Zum anderen kommt in Betracht, bewegliche Schranken einzurichten. Beispie­ le hierfür sind die Beschlusskontrolle und Treue- sowie Gleichbehandlungs­ pflichten. Beide Formen des Funktionenschutzes basieren letztlich auf einem verfahrensorientierten Konzept. Die Entscheidung über das „Ob“ der Inan­ spruchnahme bestimmter Rechte und Befugnisse liegt bei dem Begünstigten. IV. Die Sinnhaftigkeit des Funktionenschutzes begründet nicht automatisch zugleich die Notwendigkeit, ihn auf zwingendes Recht zu stützen. Können die Gesellschafter die zu regelnden Angelegenheiten nicht selbst steuern oder führt die eigenständige Regulierung zu Missbrauch, liegt die Einführung zwingender Normen jedoch nahe. Hier gewinnt ein Aspekt an Bedeutung, den die Neue Institutionenökonomik betont, nämlich die Entwicklung einer Reihe von Op­ portunismusproblemen in langfristig angelegten Vertragsbeziehungen. Die vollständige Regelung solcher Probleme scheidet jedoch aus, weil Verträge not­ wendig unvollständig bleiben. Es ist den Parteien schlicht nicht möglich, sämt­ liche zukünftigen Zustände zu berücksichtigen. Das rechtfertigt, den Aus­ schluss bestimmter Schutzmechanismen zu unterbinden. Entsprechende Rechtsregeln sind allerdings sinnvollerweise primär auf Verfahrenskontrolle hin auszurichten, nicht auf eine umfassende Inhaltskontrolle. V. Ein Beispiel für kapitalgesellschaftsrechtlichen Funktionenschutz ist die Treuepflicht der Geschäftsleiter. Der pauschale Ausschluss ihrer Geltung für die Zukunft sollte, gleich ob vollständig oder hinsichtlich eines ihrer Teilinhal­ te, unterbunden werden. Die Treuepflicht stellt einen Weg zur Verfügung, nicht geregelte Opportunismusprobleme zu bewältigen, indem sie die Beteiligten in die Lage versetzt, in Konfliktsituationen eine vertragliche Lösung in Kenntnis der maßgeblichen Faktoren herbeizuführen. Typischerweise schaffen die Betei­ ligten, haben sie die Möglichkeit privatautonomer Gestaltung, keine anderwei­ tigen Mechanismen, die das Entfallen der Treuepflicht kompensierten. Das lässt sich anhand eines Rechtsvergleichs zur Delaware Limited Liability Company nachweisen.

4. Teil  Der vierte Teil der Arbeit widmet sich der Untersuchung von Beteili­ gungsvereinbarungen in Deutschland und testet vor dem Hintergrund der im zweiten Kapitel des ersten Teils gezeichneten Folie des US-Modells Reichweite und Grenzen der Freiheit zur Gestaltung deutscher Kapitalgesellschaften aus. A. Das erste Kapitel analysiert die Möglichkeit, Erlösbeteiligungsrechte und Konversionsrechte der Investoren zu vereinbaren. §  1 I. Dividendenpräferenzen lassen sich in der Aktiengesellschaft sowohl auf Satzungsebene als auch schuldrechtlich begründen. Im ersten Fall schaffen

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die Gestalter Vorzugsaktien, die den Vorrang auch im Verhältnis zur Gesell­ schaft verankern. Um ein Aushöhlen der Präferenzen zu verhindern, ist es sinn­ voll, die Anteile mit einem Nachzahlungsrecht auszustatten. Im zweiten Fall handelt es sich um eine Abrede, die die Gründer verpflichtet, an sie ausgeschüt­ tete Dividenden in einem bestimmten Umfang an die berechtigten Kapitalgeber abzuführen. II. In der Gesellschaft mit beschränkter Haftung bestehen die gleichen Ge­ staltungsoptionen. III. Stellen die Gründer die Mehrheit der Mitglieder in den Organen der Ge­ sellschaft, haben sie die Möglichkeit, im Rahmen der Feststellung des Jahresab­ schlusses den Umfang des Ausschüttungspotentials zu manipulieren. Als Ge­ genstrategie bietet es sich an, die Bildung von im Verhältnis zum Beteiligungs­ umfang der Investoren disquotalen „anderen Gewinnrücklagen“ vorzusehen und diese mit disquotalen Gewinnverteilungsmaßstäben zu kombinieren. Ent­ sprechenden Satzungsregelungen steht zumindest in der Gesellschaft mit be­ schränkter Haftung weder aus gesellschaftsrechtlicher noch aus bilanzrechtli­ cher Sicht etwas entgegen. In der Aktiengesellschaft ist dagegen allein die quo­ tenabweichende Rücklagenbildung per Satzungsregelung verwirklichbar, nicht jedoch eine hieran anknüpfende Gewinnverteilungsklausel. Insoweit sind die Gestalter auf schuldrechtliche Vereinbarungen zu verweisen. Um die Durchsetzung dieser Strategie zu sichern, lassen sich eine Pflicht zur Rücklagenbildung in der Satzung niederlegen und Stimmbindungsvereinba­ rungen schließen. Vor einer Umwandlung der Rücklagen im Wege einer Kapi­ talerhöhung aus Gesellschaftsmitteln schützen die Investoren allein schuld­ rechtliche Abreden, die zum einen die Beschlussfassung regulieren und zum anderen eine gegen die Gründer gerichtete Call Option enthalten, nach Durch­ führung einer entsprechenden Kapitalmaßnahme eine bestimmte Anzahl von Anteilen auf die Investoren zu übertragen. IV.  Für den Börsengang und für die Liquidation im gesellschaftsrechtlichen Sinne sehen Konversionsklauseln in der Regel vor, dass als Teil der Mitglied­ schaft konzipierte Vorzugsrechte untergehen. Außerdem schreckt das Bestehen noch nicht erfüllter selbständiger Nachzahlungsansprüche unter Umständen Anleger ab. Die Investoren müssen passende Kompensationsmechanismen vor­ sehen. Für Börsengänge kommt in Betracht, Nachzahlungsansprüche aufzuheben und bestehende andere Gewinnrücklagen im Wege einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln umzuwandeln. Gemeinsam mit der Verpflichtung der Gründer, eine bestimmte Zahl von Anteilen auf die Investoren zu übertragen, lässt sich der Verlust der den Kapitalgebern disquotal zugeordneten Rücklagen und von Nachzahlungsansprüchen ausgleichen. Alternativ hierzu kommt in Betracht, bestehende Rücklagen aufzulösen und Gewinne an die Investoren

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auszuschütten, die diese anschließend im Rahmen einer regulären Kapitalerhö­ hung gegen Einlagen für neue Anteile wieder einbringen. Im Fall einer Liquidation im gesellschaftsrechtlichen Sinne bleibt allein die Möglichkeit, das Entfallen der Vorzugsrechte mittels entsprechend erhöhter Li­ quidationspräferenzen zu kompensieren. Existieren die Dividendenvorrechte lediglich auf schuldrechtlicher Ebene visà-vis den Gründern, bestehen die eben geschilderten Probleme nicht. Den Par­ teien bleibt es unbenommen, die Durchsetzung der von ihnen als „Dividenden­ vorrecht“ bezeichneten Ansprüche auch in Situationen vorzusehen, in denen eine Gewinnausschüttung gesellschaftsrechtlich nicht mehr stattfinden kann. §  2. Präferenzrechte für Liquidationen im gesellschaftsrechtlichen Sinne las­ sen sich sowohl in der Aktiengesellschaft als auch in der Gesellschaft mit be­ schränkter Haftung in der Satzung und schuldrechtlich gestalten. Vorrechte für solche Ereignisse, die die Praxis der Wagniskapitalfinanzierung darüber hinaus als „Liquidationsereignis“ beschreibt, etwa die Beteiligungsauflösung mittels Anteilsverkaufs („Share Deal“), sind demgegenüber in beiden Rechtsformen le­ diglich im Wege einer schuldrechtlichen Nebenabrede vereinbar. §  3. Sowohl in der Aktiengesellschaft als auch in der Gesellschaft mit be­ schränkter Haftung kommt die Regelung der Konversion von Vorzugsanteilen in Stammanteile in Form von Umwandlungsklauseln in Betracht. Weder die automatische Umwandlung im Zuge eines Börsenganges noch die optionale Konversion gefährdet die Funktion der Satzung, ausreichende Informationen über die Ausstattung der Anteile mit Rechten und Pflichten zu verschaffen. Be­ stimmungen zum Anteilstausch sind im deutschen Recht dagegen nicht sinnvoll umsetzbar, soweit der Tausch im Verhältnis Vorzugseigner – Gesellschaft durchgeführt werden soll. Als Ersatzkonstruktion bietet es sich an, ein Um­ wandlungsrecht mit einer gegen die Stammeigner gerichteten Call Option auf die Übertragung von Stammanteilen zu kombinieren. B. Das zweite Kapitel des vierten Teils der Arbeit handelt von den Möglich­ keiten der Kapitalgeber, ihren Einfluss auf die Gesellschaft zu sichern. Typische Vereinbarungsinhalte betreffen Stimmrechte (§  1), Informationsrechte (§  2), die Besetzung und Organisation des Aufsichtsrates (§  3), die Abberufung und Er­ nennung von Geschäftsleitungsmitgliedern (§  4) sowie Zustimmungsvorbehalte (Covenants, §  5). §  1 I. In der Aktiengesellschaft lassen sich wie in den USA Vorzugsanteile mit Stimmrecht schaffen. Die weitergehende Ausstattung solcher Aktien mit einem Stimmrecht auf „as-converted basis“ scheitert allerdings am in §  12 Abs.  2 AktG verankerten Verbot von Mehrfachstimmrechten. Diesbezüglich kommen je­ doch schuldrechtliche Regelungen in Betracht, die einen ähnlichen Effekt ha­ ben. Sonderbeschlussrechte der Investoren (Class Voting Rights) erlaubt das Aktiengesetz in weitem Umfang, vorausgesetzt, die Investoren verfügen über eine besondere Gattung von Aktien.

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II. In der Gesellschaft mit beschränkter Haftung sind alle diese Regeln in vollem Umfang zulässig. §  2 I. Aufgrund der Informationsasymmetrien zwischen Investoren und Gründern verlangen die Kapitalgeber besondere Informationsrechte, die vor al­ lem Finanzkennzahlen und die Produktentwicklung betreffen. II. Diese Informationsrechte sind in der Aktiengesellschaft sowohl in der Sat­ zung als auch in schuldrechtlichen Abreden begründbar. Weder die §§  131, 90, 111 AktG noch §  118 Abs.  1 AktG sperren in Verbindung mit §  23 Abs.  5 AktG die Gestaltung. §  118 Abs.  1 AktG resultiert gesetzgebungsgeschichtlich be­ trachtet aus dem Ziel, die Kompetenzen der Hauptversammlung festzulegen. Informationsrechte waren kein Gegenstand der Bestrebungen, die Ausübung von Aktionärsrechten auf die Hauptversammlung zu konzentrieren. Auch §  93 Abs.  1 S.  3 AktG steht der Begründung von Informationsrechten nicht grund­ sätzlich entgegen. Die Offenlegung der Informationen rechtfertigt sich daraus, dass sie erst die für den wirtschaftlichen Erfolg der Gesellschaft zwingend not­ wendige Beratung und Kontrolle der Gründer hinsichtlich der Geschäftspla­ nung und Geschäftsleitung ermöglicht. Der Vorstand ist allerdings verpflichtet, im Einzelfall zu prüfen, ob nicht ausnahmsweise das Gesellschaftsinteresse die Weitergabe verhindert. §  311 Abs.  1 AktG sperrt die Erfüllung der Informati­ onsansprüche gleichfalls nicht grundsätzlich. In der Regel liegt in der Weiterga­ be bereits kein Nachteil. §  131 Abs.  4 AktG wirkt ebenso wenig wie die bislang zitierten Normen als Hindernis. Die Norm ist Ausfluss des allgemeinen Gleich­ behandlungsgrundsatzes und lässt die unterschiedliche Behandlung von Aktio­ nären zu. Der notwendige Sachgrund folgt wie schon bei §  93 Abs.  1 S.  3 AktG aus dem Gesellschaftsinteresse an der Weitergabe der Informationen. Der schuldrechtlichen Ausgestaltung von Informationsrechten zugunsten der Wagniskapitalgeber steht in der Aktiengesellschaft kein Hindernis entge­ gen. Die Überlegungen zu den auch auf schuldrechtliche Vereinbarungen an­ wendbaren §  93 Abs.  1 S.  3 AktG und §  311 Abs.  1 AktG kommen mutatis mutandis in gleicher Weise zum Tragen wie im Zusammenhang mit satzungs­ mäßigen Informationsrechten. III. In der Gesellschaft mit beschränkter Haftung können den Investoren Informationsrechte in erheblichem Umfang eingeräumt werden. Bereits §  51a Abs.  1 GmbHG sieht einen Auskunftsanspruch zugunsten jedes Gesellschaf­ ters vor. Die Verschwiegenheitspflicht der Geschäftsführer ist daher von vorn­ herein kraft Gesetzes begrenzt. §  3. In Deutschland nutzen die Gestalter den Aufsichtsrat, um den Investoren die Möglichkeit der Kontrolle über die Geschäftsführung und die Mittelver­ wendung zu verschaffen. Das betrifft konkret die Vorgabe besonderer Be­ schlussmehrheiten, die Einrichtung von Zustimmungsvorbehalten hinsichtlich wesentlicher Maßnahmen und Rechte zur Entsendung bestimmter Personen in den Aufsichtsrat.

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I. In der Aktiengesellschaft lassen sich diese Regeln bei genauerer Analyse in weiterem Umfang umsetzen, als die herrschende Ansicht es für zulässig hält: Zutreffender Meinung nach dürfen die Beteiligten in der Satzung besondere Beschlussmehrheiten für die Entscheidung im Aufsichtsrat festschreiben, so­ weit nicht Sonderregeln bestehen. §  108 Abs.  1 AktG sieht bereits im Wortlaut keinen Grundsatz der einfachen Mehrheit vor. Sachgesichtspunkte für die Be­ schränkung, gerade in Gesellschaften mit überschaubarem Gesellschafterkreis, gibt es keine. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass das Recht der unternehmeri­ schen Mitbestimmung dazu beiträgt, ab einer bestimmten Unternehmensgröße das Prinzip der einfachen Mehrheit zu etablieren, indem es dieses zwingend vorschreibt. Unterhalb der relevanten Schwellenwerte bedarf es jedoch keiner Begrenzung der Satzungsautonomie. Zustimmungsvorbehalte (Covenants) las­ sen sich über §  111 Abs.  4 S.  2 AktG verankern, soweit sie das Vorstandshandeln betreffen. Hauptversammlungsbezogene Rechte sind dagegen rechtswidrig. Rechte zur Entsendung von Mitgliedern in den Aufsichtsrat lassen sich im Rah­ men des §  101 Abs.  2 AktG in der Satzung niederlegen. Im Übrigen sind Abre­ den der Gesellschafter untereinander zulässig, die die Abstimmung in der Hauptversammlung über die Besetzung des Aufsichtsrates regeln. II. In der Gesellschaft mit beschränkter Haftung bestehen hinsichtlich keiner dieser Bestimmungen Gestaltungsschranken. Insbesondere dürfen die Beteilig­ ten mangels dem Aktienrecht vergleichbarer Sondervorschriften Mehrheitsan­ forderungen und Entsendungsrechte ohne Bindung an numerische Grenzen festlegen. §  4 I. Ein satzungsmäßiges Sonderrecht zugunsten der Investoren, das diesen die Möglichkeit einräumte, unter bestimmten Umständen ein Mitglied des Vor­ stands abzuberufen oder zu bestellen, scheitert bereits an §  23 Abs.  5 S.  1 AktG in Verbindung mit §  84 Abs.  1 S.  1, Abs.  3 AktG. Schuldrechtliche Bindungen der Gesellschaft gegenüber den Kapitalgebern, die den Aufsichtsrat verpflich­ ten, nach Weisung entsprechende Maßnahmen vorzunehmen, sind nach einhel­ liger Ansicht nichtig. Unzulässig ist schließlich die Weisungsbindung eines Aufsichtsratsmitglieds, das seine Position aufgrund eines satzungsmäßigen Entsendungsrechts des Anweisenden erlangt hat. II. In der Gesellschaft mit beschränkter Haftung lassen sich nach einhelliger Ansicht in der Satzung Sonderrechte über die Bestellung und Abberufung von Mitgliedern der Geschäftsführung zugunsten einzelner Gesellschafter vorse­ hen. §  5 I. Vertragliche Zustimmungsvorbehalte (Covenants), die zwischen einer Aktiengesellschaft und Aktionären vereinbart werden, sind unzulässig. Zwar lässt sich anhand einer rechtsvergleichenden und rechtshistorischen Analyse von §  76 Abs.  1 AktG argumentieren, der Grundsatz der Leitungsautonomie untersage nicht jede Form der Bindung des Vorstandshandelns an die Zustim­ mung Dritter. Doch unterliefe die Bindung an die Zustimmung eines Gesell­

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schafters angesichts der mit dem Aktiengesetz 1937 eingeführten scharfen Tren­ nung der Kompetenzen von Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung eine grundlegende Strukturentscheidung des Aktienrechts. II. In der Gesellschaft mit beschränkter Haftung bestehen dagegen schon mit Rücksicht auf das Weisungsrecht des §  37 Abs.  1 GmbHG keine Bedenken ge­ gen Zustimmungsvorbehalte. C. Ein wesentliches Element von Wagniskapitalfinanzierungen ist die im dritten Kapitel des vierten Teils diskutierte gestaffelte Finanzierung. Das meint nicht nur die Aufteilung der Mittelvergabe auf mehrere „Runden“, sondern zu­ sätzlich die lediglich schrittweise Leistung des bei Beteiligung zugesagten Ka­ pitals nach dem Erreichen bestimmter Entwicklungsschwellen („Meilensteine“) innerhalb einer Runde. Diese Gestaltung der Finanzierung erfordert aus Kapi­ talgebersicht, dass die Abrede keine unbedingte Pflicht zur vollständigen Leis­ tung der avisierten Investitionssumme bei Anteilserwerb vorsieht. Daher schei­ det die Verpflichtung auf einen „Mehrbetrag“, ein „korporatives“ Agio wegen der Pflicht zu dessen vollständiger Leistung bereits bei Anmeldung der Gesell­ schaft (§§  36 Abs.  2, 36a Abs.  1 AktG) oder der Kapitalerhöhung gegen Einlagen (§§  188 Abs.  2 S.  1, 36 Abs.  2, 36a Abs.  1 AktG) als Gestaltungsvariante aus. Im Aktienrecht bleibt wegen der §§  54, 55 AktG allein die Möglichkeit, schuld­ rechtliche Zuzahlungspflichten zu vereinbaren. §  1. Schuldrechtliche Vereinbarungen über Zusatzleistungen verstoßen in der Aktiengesellschaft weder gegen §  36a Abs.  1 AktG (I.) noch sind sie als Umge­ hung der §§  54, 55 AktG (III.) oder als Verstoß gegen die aktienrechtliche Kom­ petenzordnung (II.) zu werten. Bei bezugsrechtsfreien Kapitalerhöhungen kön­ nen solche Verträge dazu dienen, Angemessenheit im Sinne von §  255 Abs.  2 S.  1 AktG herzustellen (IV.). Die Staffelung nach Meilensteinen ist per se kein Un­ wirksamkeitsgrund (V.). Es müssen sich nicht sämtliche Gesellschafter an der Abrede beteiligen (VI.). Allerdings sind die Leistungspflichten derart auszuge­ stalten, dass ihr Bestehen nicht von einer weiteren Entscheidung des Verpflich­ teten nach Abschluss abhängt. Die Verträge sind der Hauptversammlung in Analogie zu §  124 Abs.  2 S.  2 AktG bekannt zu machen. Grundsätzlich gibt es keine Pflicht, sie dem Handelsregister vorzulegen (VII.). Etwas anderes gilt nur, wenn der Registerrichter offenkundige Anhaltspunkte hat, die Wirksamkeit der Abrede anzuzweifeln. §  2. In der Gesellschaft mit beschränkter Haftung können solche Abreden ebenfalls getroffen werden (II.). Sie sind weder unter dem Gesichtspunkt ord­ nungsgemäßer Unternehmensfinanzierung problematisch noch bestehen unter anderem Blickwinkel Hindernisse. Im Übrigen gewährt das Gesetz mit §  3 Abs.  2 GmbHG und den §§  26 ff. GmbHG die Möglichkeit, Meilensteinbestim­ mungen als materielle Satzungsregelungen niederzulegen (I.). §  3. Die Abgrenzung zwischen Vereinbarungen über schuldrechtliche Zu­ satzpflichten und solche über korporative Pflichten ist nicht nach dem Finanzie­

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rungsziel vorzunehmen, sondern danach, welcher Form sich die Parteien bedie­ nen wollen (I.). Zu bilanzieren sind die Zuzahlungen, die aufgrund einer schuld­ rechtlichen Abrede geleistet werden, nach §  272 Abs.  2 Nr.  4 HGB, nicht gemäß §  272 Abs.  2 Nr.  1 HGB (II.). D. Ein Element von Beteiligungsvereinbarungen sind die im vierten Kapitel erörterten Abreden über preisbasierten Verwässerungsschutz. Werden Anteile in einer Finanzierungsrunde zu einem niedrigeren Preis ausgegeben als diejeni­ gen, die ein Investor in einer früheren Runde erworben hat (sogenannte Down Round), sollen derartige Klauseln die – wirtschaftlich betrachtet – rückwirken­ de Korrektur des Preises pro Anteil ermöglichen. Diese Verwässerungsschutz­ klauseln gibt es in zwei unterschiedlich starken Formen – „Full Ratchet“ und „Weighted Average“: Die erste Variante räumt dem Kapitalgeber das Recht ein, den Preis der Anteile in einer späteren Runde auf den Preis der Anteile aus einer vorangegangenen Runde zu senken. Mit der zweiten erhält der Investor das Recht, nach einer bestimmten Formel einen mittleren Wert zwischen dem Preis der früheren und dem der aktuellen Runde zu erreichen.  §  1. Vereinbarungen zum Verwässerungsschutz zugunsten der Investoren, die durch Kapitalmaßnahmen oder die Ausgabe von Wandelanleihen umgesetzt werden sollen, scheitern im deutschen Recht sowohl daran, dass das Gesell­ schaftsinteresse am Bezugsrechtsausschluss fehlt, als auch an der notwendigen Unterbewertung der Anteile und Anleihen (I.). Auf der Ebene der Kapitalge­ sellschaft lassen sich also keine Bestimmungen zum preisbasierten Verwässe­ rungsschutz durchsetzen. Anderes gilt nur dann, wenn sämtliche Gesellschaf­ ter sowohl dem Bezugsrechtsausschluss als auch der Unterbewertung zustim­ men. Da in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Ergebnis auch diejenigen, die eine Analogie zu §  186 AktG ablehnen, den Ausschluss der Alt­ eigner vom Bezug neuer Anteile nach den Maßstäben beurteilen, die für den Bezugsrechtsausschluss gelten, sind die Überlegungen zum Aktienrecht über­ tragbar (II.). §  2. Schuldrechtliche Regelungen der Gesellschafter untereinander über den Verwässerungsschutz in Down Rounds sind in Aktiengesellschaft und Gesell­ schaft mit beschränkter Haftung zulässig, sofern es sich um Weighted Avera­ ge-Regelungen handelt. Die mit dem Anteilsverlust einhergehenden Einbußen der Betroffenen lassen sich rechtfertigen, sofern die Rechte nur ausgeübt wer­ den, um Window Dressing zu verhindern. Eine Angemessenheitskontrolle wird den Interessen der Beteiligten am besten gerecht. Die Ausübung von Verwässe­ rungsschutzrechten als Sanktion für Fehler bei der Geschäftsführung oder bei einer Verschlechterung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse scheidet dagegen aus. Starke Verwässerungsschutzklauseln (Full Ratchet Rights) sind sittenwidrig nach §  138 Abs.  1 BGB. Sie verschieben die Investitionsrisiken vollständig auf die Gründer und wirken noch gravierender als Hinauskündigungsklauseln.

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Den belasteten Mitgliedern wird unter Umständen sogar die Möglichkeit der Vergütung für bereits erbrachte Leistungen genommen. Die Ausübung starker Verwässerungsschutzklauseln geht stets mit einer Überkompensation der Be­ rechtigten einher. §  3. Insbesondere in Situationen, in denen ein Investor seine Verwässerungs­ schutzrechte ausüben kann, hat er in der Regel wenig Anreiz, an der Kapitaler­ höhung teilzunehmen, die die Mittel für die nächste Finanzierungsrunde ver­ schaffen soll. Er erhält aufgrund seiner Rechte eine größere Anzahl weiterer Anteile, ohne hierfür neues Kapital bereitstellen zu müssen. Kann einer der ­alten Kapitalgeber aus anderen Gründen keine zusätzlichen Mittel mehr zufüh­ ren, etwa weil er selbst nicht mehr über ausreichende Gelder von eigenen An­ legern verfügt, ergibt sich ein Problem. Insoweit soll ein Intra-Investoren-Kon­ flikt vermieden werden, der möglicherweise daraus resultiert, dass der Altge­ sellschafter als Trittbrettfahrer von den Anstrengungen derjenigen Kapi­tal­geber profitiert, die sich an der Fortführung der Finanzierung beteiligen, ohne jedoch selbst noch nennenswerte Beiträge zu leisten. Klauseln über Pay to Play und Pull Ups sollen diesem Fehlanreiz entgegen­ steuern. Während die erste Variante auf einer Sanktion beruht, bietet die zweite eine Belohnung: Pay to Play-Regelungen sehen vor, dass derjenige Nachteile erleidet, der sich nicht an einer neuen Finanzierungsrunde beteiligt, und sind in Deutschland wie in den USA gebräuchlich (I.). Umsetzen lassen sich diese Klauseln über die auflösende Bedingung von Vorzugsrechten oder die Absiche­ rung der Zustimmung zu ihrer Aufhebung mittels entsprechender Stimmbin­ dungsvereinbarungen. Die in Deutschland offenbar kaum bekannten Pull Up-Vereinbarungen ent­ halten Rechte, die statt einer Sanktion bei Nichtbeteiligung an einer weiteren Finanzierungsrunde einen Anreiz setzen, erneut zu investieren (II.). Pull Up-Regelungen setzen voraus, dass die Berechtigten bei Teilnahme an der Ka­ pitalerhöhung die Möglichkeit haben, ihre alten Anteile in solche zu konvertie­ ren, die den neuen ausstattungsmäßig gleichstehen. Aufgrund des Aufwandes eines Anteilstausches erscheint allein der Weg der Anteilsumwandlung prakti­ kabel. Dogmatisch betrachtet müssen die Vorzüge der alten Anteile verändert werden. Das lässt sich im Wege eines satzungsändernden Beschlusses umsetzen. E. Das fünfte Kapitel des vierten Teils untersucht verschiedene Formen, die Gründer an das Unternehmen zu binden. Das betrifft konkret die Anteilsvin­ kulierung (§  1), Regelungen zum sogenannten Vesting (§  2), Vorerwerbsrechte und Andienungspflichten (§   3), Mitnahmeklauseln (§   4) sowie Mitveräuße­ rungsrechte (§  5). §  1. §  68 Abs.  2 AktG und §  15 Abs.  5 GmbHG gestatten es, in der Aktienge­ sellschaft beschränkt auf Namensaktien, Anteile zu vinkulieren. I. Sowohl in der Satzung der Aktiengesellschaft als auch im Gesellschaftsver­ trag der Gesellschaft mit beschränkter Haftung lassen sich Gründe festlegen,

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aus denen die Zustimmung verweigert werden darf. Zustimmungsverbote scheiden jedenfalls in der Aktiengesellschaft aus. II. Schuldrechtliche Vinkulierungen sind in der Aktiengesellschaft zulässig. Die §§  68 Abs.  2, 136 Abs.  2 AktG sind nicht geeignet, unter Verweis auf die aktienrechtliche Kompetenzordnung ein anderes Ergebnis zu begründen. §  2. Für Regelungen zum Vesting stehen im deutschen Recht zwei Gestal­ tungsvarianten zur Verfügung: I. In Betracht kommt zunächst die Aufnahme eines Einziehungsrechts in die Satzung. Grundsätzlich ermöglichen sowohl §  237 Abs.  1 S.  1 AktG als auch §  34 Abs.  1, 2 GmbHG solche Regelungen. Doch ist in der Aktiengesellschaft zu beachten, dass wegen der §§  54, 55 AktG die Einziehung gegen den Willen des Gesellschafters unzulässig ist, sofern dies die Reaktion auf die von diesem er­ klärte Kündigung der Mitarbeit oder Aufgabe einer Organposition darstellen soll. Anderenfalls würde er zu Leistungen gezwungen, die über seine Einlage­ pflicht hinausgingen. Zwischen „Good Leavern“ und „Bad Leavern“ hinsicht­ lich der Abfindungshöhe zu differenzieren, ist in beiden Rechtsformen möglich. II. Alternativ denkbar ist die Vereinbarung einer Call Option zugunsten der Mitgesellschafter in einer schuldrechtlichen Vereinbarung, auf Grundlage derer die Berechtigten die Übertragung sämtlicher oder eines Teils der Anteile der Gründer an sich oder Dritte verlangen können. §  3. Vorerwerbsrechte und Andienungspflichten (Rights of First Offer) sind ein typischer Bestandteil von Beteiligungsabreden. Sie verpflichten die betroffe­ nen Gesellschafter, in der Regel die Gründer, ihre Anteile den Berechtigten an­ zubieten, bevor sie einen Vertrag mit einem nicht der Gesellschaft angehörigen Käufer schließen. Dogmatisch handelt es sich um der sogenannten Vorhand vergleichbare Gestaltungen (I.). Schuldrechtliche Vorerwerbsrechte sind zuläs­ sig. Das gilt sowohl für den übrigen Gesellschaftern eingeräumte Rechte (II.) als auch für solche der Gesellschaft (III.), unabhängig davon, ob die Vorerwerbs­ rechte nur im Ganzen oder auch nach Beteiligungsquote pro rata ausgeübt wer­ den dürfen. In die Satzung können sie nur bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung aufgenommen werden, in der Aktiengesellschaft sperren die §§  23 Abs.  5 S.  1, 54, 55 AktG entsprechende Gestaltungen. §  4. Mitnahmeklauseln (Drag Along Rights) sollen die Investoren vor einer Erpressung durch die Gründer schützen, indem diese zur Veräußerung ihrer Anteile in dem Zeitpunkt gezwungen werden können, in welchem die Kapital­ geber ihre Beteiligung aufgeben. Der Anspruchsinhalt solcher Rechte richtet sich auf eine durch das Verlangen aufschiebend bedingte Pflicht der Gründer, ihre Anteile an den Käufer der Investorenanteile zu veräußern. In der Aktiengesellschaft scheidet die satzungsmäßige Verankerung wegen der §§  54, 55 AktG aus, schuldrechtliche Vereinbarungen hingegen sind möglich (I.). In der Gesellschaft mit beschränkter Haftung kommen beide Gestaltungs­ varianten in Betracht (II.).

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§  5. Mitveräußerungsrechte der Investoren (Tag Along Rights) sollen sichern, dass die Gründer ihre Anteile nur veräußern können dürfen, wenn die Kapital­ geber zur gleichen Zeit die Möglichkeit zum Verkauf zu gleichen wirtschaftli­ chen Bedingungen haben. I. Die §§  54, 55 AktG sperren die Regelung in der Satzung der Aktiengesell­ schaft, schuldrechtlichen Abreden steht nichts entgegen. II. In der Gesellschaft mit beschränkter Haftung hält §  15 Abs.  5 GmbHG die Möglichkeit bereit, unabhängig von der betroffenen Anteilsgattung Mitveräu­ ßerungsrechte samt Vinkulierungsabreden in der Satzung zu verankern. Gegen schuldrechtliche Regelungen dieser Art gibt es keine Einwände. F. Wagniskapitalgeber lassen sich häufig Rückübertragungsrechte (Redemp­ tion Rights) einräumen, die ihnen gestatten, entweder von der Gesellschaft oder von ihren Mitgesellschaftern die Übernahme ihrer Anteile zu bestimmten Kon­ ditionen zu verlangen. Dies dient der Gewährleistung der Möglichkeit zum Ausstieg aus der Beteiligung und damit der privatautonomen Sicherung der freien Übertragbarkeit der Anteile zu diesem Zweck. Rückübertragungsrechte zugunsten von Investoren lassen sich sowohl im Aktienrecht (§  1) als auch im Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (§  2) per Einziehungsrecht in der Satzung verankern. Weiterhin kommt der Erwerb eigener Anteile durch die Gesellschaft in Betracht. Möglich, wenn auch unter praktischen Gesichtspunk­ ten wenig sinnvoll, ist die Regelung von Rückübertragungsrechten gegenüber den Mitgesellschaftern in einer schuldrechtlichen Vereinbarung. G. In den Vereinigten Staaten sehen Beteiligungsvereinbarungen Ansprüche auf Durchführung einer Registrierung der Gesellschaft zum Zweck eines öf­ fentlichen Angebots vor (Demand Registration Rights). Weiterhin sind die In­ vestoren typischerweise berechtigt, an einer von einem anderen Gesellschafter oder der Gesellschaft selbst betriebenen Registrierung teilzunehmen (Piggy­ back Rights). §  1. Im deutschen Recht ist die erste Variante illegal. Anders als im US-Kapi­ talmarktrecht gilt in Deutschland der börsenrechtliche Grundsatz der Gesamt­ zulassung, so dass ein erstes öffentliches Angebot von Anteilen nicht nur den berechtigten Investor beträfe, sondern die Gesellschaft und alle übrigen Mit­ glieder (I.). Müsste der Vorstand dem Verlangen eines einzelnen Aktionärs Fol­ ge leisten, hieße das, einem Partikularinteresse Vorrang einzuräumen. Das ist mit §  76 Abs.  1 AktG unvereinbar (II.). §  2. Platzierungsvorrechte, die deutsche Version der Piggyback Rights, sind dagegen zulässig. Insoweit nimmt der Vorstand lediglich eine Entscheidung über eine Geschäftsführungsfrage vorweg, die er genauso im Zuge des Börsen­ ganges zu treffen hätte (I.). Insoweit bietet §  76 Abs.  1 AktG keinen Anlass zu Zweifeln an der Wirksamkeit der Klausel. Die Maßnahme ist selbst dann legal, wenn ihr nicht sämtliche Gesellschafter zustimmen und daher das Gleichbe­ handlungsgebot zum Tragen kommt (II.). Das Ausscheiden einer Gesellschaf­

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tergruppe mit Sonderrechten liegt im Interesse der Gesellschaft und rechtfertigt die Ungleichbehandlung.  H. Trotz der Gestaltungsschranken im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht lassen sich die meisten Klauseln nachbilden, die in den USA Bestand von Betei­ ligungsvereinbarungen sind. Der Aufwand ist jedenfalls in der Aktiengesell­ schaft gelegentlich deutlich größer, weil die Satzungsstrenge schuldrechtliche Ersatzkonstruktionen erfordert. Das deutsche Recht setzt stärker auf Präven­ tivschutz als das Delaware General Corporation Law, was aber per se nicht ne­ gativ wirkt. Insgesamt lässt sich feststellen, dass jedenfalls die kapitalgesell­ schaftsrechtlichen Konditionen keine Ursache für den wenig entwickelten Markt für Wagniskapital in Deutschland sind.

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Stichwortverzeichnis Abberufung – Aufsichtsrat  602, 607 – CEO  117 f. – Director  117 f. – Geschäftsführer 616 – Vorstand 615 – siehe auch Board Control Abdication of Authority  629, 630 ff. Abfindung, bei Einziehung  730 Abschlusskontrolle  497, 694, 698 Accelerated Vesting, siehe Vesting Added Value, siehe Value Added adverse Selektion, siehe Market for Lemons AGB-Inhaltskontrolle – Bereichsausnahme Gesellschaftsrecht, siehe dort – Gründer und Verbraucherbe­ griff  286 ff. – Venture Capital-Vereinbarung  248 ff. – Verbraucherbegriff  275 ff. – Verbraucherbegriff (Deutschland)  275 – Verbraucherbegriff (europäisch)  277 ff. Agio – Abgrenzung schuldrechtliches und korporatives 664 – Bilanzierung schuldrechtlichen Agios  665 ff. – Satzung (AG)  637 – Satzung (GmbH)  660 – schuldrechtliches (AG)  660 ff. – schuldrechtliches (GmbH)  661 ff. – schuldrechtliches und Bezugsrechts­ ausschluss  647 ff. Aktie (Deutschland) – Anteil, siehe dort – Freie Übertragbarkeit, siehe Freie Übertragbarkeit Mitgliedschaft – Vorzugsaktie  524, 538

– Umtauschrecht 551 – Vinkulierung, siehe dort – Vorzugsrecht, siehe Preference – wandelbare Vorzugsanteile  546 ff. – Wandlungsrecht  547 ff. – siehe auch Preference; Share; Aktiengesetz 1937  579, 627 Aktiengesetz 1965  435, 580 Aktienrecht – ADHGB  426, 428, 431, 577, 578 – Entwicklung in Deutschland  425 ff. – HGB 1897  431, 578 – Novelle 1870 428 – Novelle  1884  428 f., 578, 666 – Oktroi- und Konzessionssystem  425 – Preußisches Aktiengesetz 1843 426, 358 Aktienrechtsnovelle 1884, siehe Aktienrecht Alantec 188 Allgemeine Geschäftsbedingungen, siehe AGB Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch (ADHGB), siehe Aktienrecht andere Zuzahlungen in die Kapital rücklage  665, 667 Andienungspflicht, siehe Vorerwerbsrecht; Right of First Refusal Angel Investoren  13, 117, 591, 676 Anlegerschutz – Begriff 422 – Gesellschafterschutz, siehe dort – und Satzungsstrenge, siehe dort Anteil – Conversion (USA), siehe dort – Stock Split (USA)  130, 140 – Teilung  130, 140 – Umtausch, siehe Konversion (Deutschland)

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Stichwortverzeichnis

– Umwandlung, siehe Konversion (Deutschland) – Vesting, siehe dort – Veräußerungsbeschränkungen, siehe dort – Vinkulierung, siehe dort Anteilseigentum  411 ff. Anteilsumtausch, siehe Konversion (Deutschland) Anteilsumwandlung, siehe Konversion (Deutschland) Anteilsvinkulierung, siehe Vinkulierung Antidilution, siehe Verwässerungsschutz Antidilution Protection, siehe Verwässerungsschutz Antidilution Rights, siehe Verwässerungsschutz Anwaltsmarkt, Besonderheiten im Silicon Valley  210 ff. Arbeitnehmerschutz 20 Articles of Association, siehe Satzung Articles of Incorporation, siehe Satzung as-converted Basis  – Minderheitenschutz 561 – Stimmbindungsvereinbarung auf…  558 ff. – Stimmrecht Deutschland  556, 557, 558 – Stimmrecht USA  56, 111, 130, 134 – und Verbot von Mehrfachstimmrech­ ten 557 Asset Stripping, siehe Benachteiligung früherer Kapitalgeber Aufgeld, siehe Agio Aufsichtsrat – AG  601 ff. – Beschlussmehrheiten (Satzung)  603 ff. – Besetzung  610 ff., 614 – Covenants  609, 613; siehe auch dort – Entsendungsrecht  610, 614 – Geschäftsordnung 605 – GmbH  613 ff. – innere Ordnung  605 – Kontrolle  601 ff. – Maßnahmen des Vorstandes (Zustimmung)  609, 624 – qualifizierte Mehrheitsentschei­ dung  603 ff.

– Vetorecht zugunsten einzelner Mitglieder 609 – Zustimmungsrecht  609, 624; siehe auch dort – Zustimmungsvorbehalt, siehe Zustimmungsrecht – siehe auch Board Control;  Board of Directors; Zustimmungsrecht Aushöhlung der Ansprüche der Gründer – siehe auch Verwässerung Ausschließung eines Gesellschafters – in der AG  725 – in der GmbH  729 – Satzung  725 ff. – Schuldvertrag  731 ff. – siehe auch Ratchet-Klauseln Austrittskontrolle, siehe Right of First Refusal Ausübungskontrolle  497, 694, 698 Bad Leaver 730 Baltic and International Maritime Conference (BIMCO) 375 Bedingbarkeit von Satzungsbestimmungen  548 ff. begrenzte Rationalität  460, 461 ff. Behavioral Law and Economics  461 ff. Beherrschungsvertrag, siehe verdeckter Beherrschungsvertrag Benachteiligung früherer Kapitalgeber – Aneignung schwierig bewertbarer Vermögenswerte  56 ff. – Asset Stripping  56 ff. – Dilution 55 – Verwässerung der Beteiligung  55 Bereichsausnahme AGB, siehe Bereichsausnahme Gesellschaftsrecht Bereichsausnahme Gesellschaftsrecht – und materielle Satzungsbestandtei­ le  262 ff. – keine teleologische Reduktion für Gesellschaftervereinbarungen  270 ff. – typologische Abgrenzung, Untaug­ lichkeit  268 – Vergleich Gesellschaftsvertragskont­ rolle und AGB-Kontrolle  265 – siehe auch AGB-Inhaltskontrolle

Stichwortverzeichnis

Beschluss – Aufsichtsrat, siehe dort – Mehrheitserfordernisse  562, 563 – Minderheitenschutz 561 – Satzungsdurchbrechend 333 Besteuerung USA  175 ff. Beteiligungsphasen  12, 14 Beteiligungsvertrag, siehe Venture Capital-Vereinbarung Beteiligungszyklus, siehe Beteiligungsphasen Bewertung – Down Round, siehe dort – Post Money, siehe dort – Pre Money, siehe dort Bewertungskorrektur – Down Round, siehe dort – Ratchet Right, siehe Ratchet-Klausel Bezugsrecht – Ausschluss  647 ff. – AG  672 ff. – Mindestpreis  647 ff., 663 – USA, siehe Preemptive Right und Rights Offering – Verzicht 677 – siehe auch Verwässerungsschutz Bias  461 ff. BIMCO, siehe Baltic and International Maritime Conference Bindung – Anteilsvinkulierung, siehe Vinkulierung – Gründer  146 ff., 704 ff. – siehe auch Veräußerungsbeschränkungen; Vesting; Vorerwerbsrecht Board Control  – Bedeutung für Venture Capital  105 ff., 108 – Deutschland  601 ff., 614 ff. – USA  114 ff. – siehe auch Aufsichtsrat; Board of Directors Board of Directors – Besetzung  115 ff. – Board Control, siehe dort – Control Flip, siehe dort – Enthaftung 362 – Haftung  189 ff., 628

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– Kontrolle  114 ff. – Leitungsautonomie 628 – Machtverschiebung 117 – Sitzverteilung 115 – Treuepflichten  189 ff. – Voting Switch, siehe dort Börseneinführungsrecht – Anspruch auf Börseneinfüh­ rung  750 ff. – Demand Registration Right, siehe dort – Deutschland  750 ff. – Gesellschaftergleichbehandlung 753, 756 – kapitalmarktrechtliche Rahmenbedin­ gungen 751 – Leitungsautonomie Vorstand  753, 755 – Platzierungsvorrecht 755 – schuldrechtlicher Anspruch auf Börseneinführung 754 – schuldrechtliches Platzierungsvor­ recht 756 – als Sondervorteil  752 – USA  161 ff. – siehe auch Piggyback Right; Registration Right Börsengang – Börseneinführungsrecht, siehe dort – Registration Right, siehe dort – und Dividendenpräferenz (Deutsch­ land), siehe dort – und Dividend Preference (USA), siehe dort – IPO Lock-Up, siehe dort – Registration, siehe dort – Zulassungsantrag, siehe Börsenzulassung Börsenzulassung – Deutschland 751 – USA, siehe Registration – siehe auch Börsengang Bounded Rationality, siehe begrenzte Rationalität Bridge Financing 97 Bridge Loan 97 Buy-Sell-Agreement, siehe Repurchase Right

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Stichwortverzeichnis

California Effect 209 Call Option, siehe Option Cap, siehe Preference Capital Gains Tax (USA) 177 Carve Out, siehe Liquidation Preference (USA) Class Voting  111, 563 Common Share – Begriff 62 – Besteuerung als Vergütungsbestand­ teil 177 – Stimmrecht 62 Common Stock, siehe Common Share Common Stock Warrant 97 – Original Issue Discount  98 Contingency Fees 212 Contractarian Approach  26 ff. Control Flip  118 f. Conversion (USA) – automatisch  88 ff. – Funktion  83 ff., 89 ff. – Gestaltungspraxis  83, 88 – Gestaltungsgrundlagen  83, 88 – Grandstanding, siehe dort – Mandatory  88 ff. – und Window Dressing  84, 85 – siehe auch Konversion (Deutschland) Conversion Right, siehe Conversion (USA) Convertible Bond 96 Convertible Debt  15, 96, 97 ff. Convertible Preferred Share (USA) 62, 65 ff., 95 ff. – siehe auch Conversion (USA); Preference; Vorzugsaktie Convertible Share, siehe Conversion Corporate Charter  350 ff., 360 Covenants – Arten  120, 617 – Zulässigkeit (Deutschland)  609, 616 ff. – Zulässigkeit (USA)  119 – siehe auch Zustimmungsrecht Co-Sale, siehe Right of Co-Sale Covenant of Good Faith and Fair Dealing  67, 68 Cumulative Dividend, siehe Dividend Preference (USA) Cut-back 163

Debt Security  96, 97 Deferred Compensation Scheme 177 Delaware General Corporation Law (DGCL) 32 Delegationstheorie 360 Demand Right, siehe Demand Registration Right Demand Registration Right – Begriff 162 – Cut-back, siehe dort – Deutschland, siehe Börseneinführungsrecht – Funktion  161, 163 – Haircut, siehe dort – Lock-up 163 – USA  162 ff. – siehe auch Börseneinführungsrecht; Registration Right Demotivation der Gründer als Regelungsproblem 81 Dilution, siehe Verwässerung dispositives Recht  25, 377 disquotale Gewinnverteilung – AG  524 ff., 532 – GmbH 526 disquotale Rücklagenbildung – bilanzrechtliche Zulässigkeit  529 – gesellschaftsrechtliche Zulässig­ keit 528 – Sicherung  530 ff. Dividend Preference (USA) – cumulative 72 – cumulative „if earned“  72 – Gestaltungsgrundlagen 71 – Gestaltungspraxis  72 ff. – non-cumulative 72 – Schutz vor Vorteilsnahme seitens der Gründer 75 – Vergütungsfunktion 74 – Verknüpfung mit anderen Rechten  73 – siehe auch Dividendenpräferenz (Deutschland) Dividende, siehe Dividend Preference (USA) und Dividendenpräferenz (Deutschland) Dividendenpräferenz (Deutschland) – Börsengang  535 ff.

Stichwortverzeichnis

– disquotale Rücklagenbildung, siehe dort – disquotale Gewinnverteilung, siehe dort – Gesellschafterabrede (AG)  526 – Gestaltung (AG)  524 – Gestaltung (GmbH)  526 – Liquidation 536 – Sicherung Dividendenvorrang (Satzung)  527 ff. – Sicherung Dividendenvorrang (schuldrechtlich) 534 – siehe auch Aktie; Anteil; Preference Dividendenvorrecht – Deutschland: siehe Dividendenpräferenz – USA: siehe Dividend Preference Doctrine of Inevitable Disclosure 149 Double Dipping 99 Down Round  187 ff. Downside Protection 126 Drag Along Right, siehe Mitnahmeklausel Drittorganschaft 449 Dual Class Structure  62 ff. Dynamisierung – Beteiligungsverhältnis 47 – Notwendigkeit 47 Early Stage 12 Effizienzmarkthypothese 440 Einflusssicherung – Deutschland  556 ff. – USA  105 ff. – siehe auch Aufsichtsrat; Board Control; Covenants; Informationsrechte; Stimmrechte; Zustimmungsrechte Einheitliche Verbandsordnung, siehe Nebenabrede; Satzung Einkommensteuer (USA) 177 Eintrittskontrolle, siehe Right of First Refusal Einziehung – Abfindungsregelungen 730 – AG  725 ff. – Call Option  731 – GmbH 729 – Hinauskündigungsrechtsprechung 731

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– Satzung  725 ff., 729 – schuldrechtlich  731 ff. – siehe auch Good Leaver; Bad Leaver; Vesting Employee Retirement Income Security Act (ERISA) 116 Employee Stock Purchase Plans 181, 184 ff. Entsendungsrecht, siehe Aufsichtsrat Equitable Subordination  198 ff. Equity Recapture – Dienstvertragliche Aspekte  171 – Gesellschaftsrechtliche Aspekte  172 ff. – siehe auch Repurchase Right Erlösverteilung, siehe Dividenenpräferenz (Deutschland); Dividend Preference (USA) Erlösvorzüge, siehe Dividenenpräferenz (Deutschland); Dividend Preference (USA) Erpressung, siehe Hold-up Exitklauseln  159, 161, 167 Fair Market Value (USA) – gesellschaftsrechtlich  158, 167 – steuerrechtlich 178 Fair Price 191 Fair Value 166 faktischer Konzern, Bestehen 301  Fiduciary Duties als Steuerungsinstrument  189 ff. – siehe auch Treuepflicht Finanzierungskontrolle, siehe Finanzierung Finanzierungsphasen – Frühphase (Early Stage)  12 – Expansionsphase (Expansion Stage)  12 – Seed Stage  14 – Spätphase (Late Stage)  12 Finanzierungsrunde 13 Flat Round 215 Fokaler Punkt – Begriff 376 – Funktion 376 – Grenzen abdingbaren Rechts als…  472 Fraktionsabsprache  324, 330, – siehe auch Nebenabrede Free Riding 

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Stichwortverzeichnis

– als Regelungsproblem  53 – und Verwässerungsschutz  129 – und Vesting  152 – und Vorerwerbsrechte  157 Freeze out 194 Freie Übertragbarkeit Mitgliedschaft – Funktion  716 ff. – Gestaltungsvereinfachung  486 ff. – Rechtfertigung gesetzlichen Zwangs 488 – vinkulierte Aktie  705 ff., 710 ff. Full Ratchet Right – AG  686 ff. – Auswirkungen  133 ff. – Begriff  131, 132 – Carve-out 136 – Deutschland  686 ff. – Funktionsweise 132 – praktischer Sinn  135 – Rechtfertigungsansätze  688 ff. – Schutz vor Window Dressing  136, 689 ff. – Schutz vor wirtschaftlicher Fehlentwicklung  690 ff. – und syndizierte Beteiligungsstrukturen 135 – Todesspirale 133 – USA  132 ff. Fully Diluted Basis 495 Funktionenschutz – Begriff 490 – Formen  493 f. – Funktion 491 – Mehrheitsprinzip als Regelungsanlass 490 – Paritätsneutralität 492 – Rechtfertigung gesetzlichen Zwangs  494 f. – durch Verfahrensregeln  489 ff., 497 – Treuepflicht als Mittel  497 ff. – Verhältnis zum Individualschutz  492 f. Funktionsäquivalenz Convertible Preferred Share und kombinierte Fremd- und Eigenkapitalfinanzierung  100 ff. Genehmigtes Kapital – Verwässerungsschutz 679

– Zustimmungsvorbehalt 633 Genussrecht – geringes Standardisierungsmaß  382 ff. – siehe auch Standardisierung Genussschein, siehe Genussrecht Gesamtzulassung, Grundsatz der  751 Geschäftsordnung Aufsichtsrat, siehe Aufsichtsrat Gesellschafterschutz – Anlegerschutz, siehe dort – Individualschutz, siehe dort – Kollektivschutz, siehe dort – Minderheitenschutz, siehe dort – Regelungsprobleme  448 ff. – Gesellschaftervereinbarung – AGB-Inhaltskontrolle, siehe dort – siehe auch Nebenabrede Gesetzesumgehung 247 Gesetzliches Verbot 241 Gestaffelte Finanzierung, siehe Staging Gestaltungsermöglichung  477 ff. Gestaltungsfreiheit  – im Privatrecht  23 ff. – Grenzen, allgemein  23 ff., 220 ff. – Grenzen, Kapitalgesellschafts­ recht  293 ff., 345 ff. – siehe auch zwingendes Recht Gestaltungskontrolle – Instrumente  220 ff. – Kapitalmarkt  438 ff. – Wertungen  345 ff. Gestaltungsmacht, Grenzen der  241 ff. Gestaltungsvereinfachung  485 ff. Gewerbliche Infektion 255 Gewinnbeteiligung, siehe Dividend (USA); Dividende (Detuschland) Gewinnverteilung – disquotal, siehe disquotale Gewinnverteilung – quotenabweichend, siehe quotenabweichende Gewinnverteilung Gewinnvorzug, siehe Dividendendenpräferenz (Deutschland); Dividend Preference (USA) Gobble-Up 144 Good Leaver 730 Grandstanding 90

Stichwortverzeichnis

Grenzen der rechtsgeschäftlichen Gestaltungsmacht, siehe Gestaltungsmacht Gruppenstimmrechte, siehe Stimmrecht Haircut 163 Hinauskündigung  685, 687, 688, 731 Höchststimmrecht  557, 558, 620 f. – siehe auch Stimmrecht Hold-up  – Regelungsproblem  50 ff. – und Anteilskonversion  92 – und Meilensteinfinanzierung (Sta­ ging) 122 – und Vesting  153 Home Run  49, 210 Huckepackrecht, siehe Piggyback Right „if earned“ Dividende, siehe Dividend Preference (USA) Incentive Stock Options (USA) 180 Income Tax, siehe Einkommensteuer (USA) Individualschutz  451, 492 Information Overload  367, 460 Informationsasymmetrie  44, 50, Informations- und Kontrollrechte – Deutschland  565 ff. – Hauptversammlungsbezug  574 ff. – Satzung (AG)  567 ff. – Satzung (GmbH)  599 – schuldvertragliche (AG)  595 ff. – schuldvertragliche (GmbH)  599 – USA 120 – Verschwiegenheitspflicht Vor­ stand  582 ff. Informationsmodell – Bias, siehe dort – Grenzen der Informationsverarbeitung 461 – Grenzen des Informationsmodells  457 ff. – Grenzen des Selbstschutzes  467 ff. – Grundlagen 458 – Information Overload, siehe dort – Informationskosten 460 – und zwingendes Recht  470 ff. – siehe auch Selbstverantwortung

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Informationsrecht, siehe Informationsund Kontrollrechte Informationsweitergabeverbot – Verschwiegenheitspflicht Vor­ stand  582 ff. – USA  149 ff. Inhaberschaft und Leitung, Trennung von – Gestaltungsvereinfachung 485 – Rechtfertigung gesetzlichen Zwan­ ges 486 Initial Public Offering (IPO), siehe Börsengang Institutionentheorie – Außenschranken 238 – Innenschranken  233 ff. IPO lock-up 161 Kalashian v. Advent VI Limited Partnership, siehe Alantec Kapitalerhöhung – Bezugsrecht, siehe dort – genehmigte, siehe Genehmigtes Kapital – Kapitalmaßnahmen und Verwässe­ rungsschutz 699 – Zustimmungsvorbehalt 633 Kapitalertragsteuer (USA), siehe Capital Gains Tax (USA) Kapitalgesellschaft – Begriff 6 – Funktion von Kapitalgesellschafts­ recht  448 ff. Kapitalmarkt, Gestaltungskontrolle durch…, siehe Gestaltungskontrolle Kapitalmarkteffizienz, siehe Effizienzmarkthypothese Kappung, siehe Preference Kognitive Defizite, siehe Bias Kollektivschutz 452 Kompetenzregeln – Grenzen der Gestaltungsmacht  245 ff. – und Zustimmungsvorbehalte  626 ff. Konversion (Deutschland) – AG  546 ff. – Anteilsumtausch 551 – Anteilsumwandlung  547 ff. – Automatisch 550

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Stichwortverzeichnis

– Bedingbarkeit von Satzungsbestim­ mungen 548 – Begriff 546 – GmbH  553 ff. – Kombination von Umwandlungsrechten und Call Option  552 – optionale 550 – siehe auch Conversion (USA) Konzern – faktischer Konzern, siehe dort – Konzerngefahr  302 ff. – Konzernrecht und Venture Capi­ tal  299 ff. – Vertragskonzern  297 ff. Konzerngefahr, siehe Konzern Konzessionssystem  425 ff. Korporative Satzungsbestimmungen  – AGB-Kontrolle 262 – Grenze der Gestaltungsmacht  243 – Nebenabrede, Verhältnis zu  325 ff.

– Ausübungskontrolle 545 – GmbH 542 – Liquidationsereignis, siehe Liquidation – Satzungsregelung (AG)  538 f. – Satzungsregelung (GmbH)  542 – schuldrechtlich (AG)  540 f. – schuldrechtlich (GmbH)  542 – im untechnischen Sinne  539 – Risikoverteilung 543 – siehe auch Liquidation Preference (USA) Liquidationsvorrecht, siehe Liquidation Preference (USA); Liquidationspräferenz (Deutschland) Liquidationsvorzug, siehe Liquidation Preference (USA); Liquidationspräferenz (Deutschland) Living Dead 49 Loan Market Association (LMA) 375 Lock-Up, siehe IPO lock-up

Later Stage, siehe Finanzierungsphasen Leitungsautonomie  245, 627 ff., 752 ff. Liberaler Paternalismus 475 Limited Liability Company (LLC)  390 ff. Limited Partnership  390 ff. Liquidation – Begriff 76 – Liquidation Event  76 – Liquidationsereignis 538 – Liquidationspräferenz, siehe dort – Liquidation Preference (USA), siehe dort Liquidationsereignis, siehe Liquidation Liquidation Event, siehe Liquidation Liquidation Preference (USA) – Auswirkung  78 ff., 102 – Cap  78, 81 – Carve-Out 83 – Demotivation der Gründer  81 ff. – Funktion  63 f., 102 f. – Gestaltungsgrundlage 76 – Gestaltungspraxis  77 ff. – Non-participating  77, 81 – Participating  77, 78 ff. Liquidationspräferenz (Deutschland) – AG  538 ff.

Managementunterstützung – Investoren  108, 252 ff. – Value Added, siehe dort Mandatory Conversion, siehe Conversion Mandatory Redemption, siehe Redemption Right (USA) Market for Lemons 50 Market Stand-off 161 Marktversagen  – fehlender Genussscheinhandel als… 383 – Informationsdefizite und…  458 Mehr(fach)stimmrecht, siehe as-converted Basis Mehrstimmrechtsverbot, siehe as-converted Basis Meilenstein – Anforderungen an Schuldver­ trag  653 ff. – Begriff  121, 124 – Deutschland  649 ff. – ex ante vereinbarter  123 ff. – Hauptversammlung, Beteiligung  657 – Hold-up, siehe dort – und Minderheitenschutz  654 – prozedurale Anforderungen  657 ff.

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– schuldrechtlich vereinbarte  653 ff. – Überprüfung durch Handelsregister  658 ff. – USA  123 ff. – siehe auch Staging Meilensteinfinanzierung, siehe Meilenstein Milestone, siehe Meilenstein Minderheitenschutz  – Bezugsrechtsausschluss, Rechtferti­ gung  675 ff. – als Lösungsstrategie  453 – Meilenstein, siehe dort – Stimmbindungsvereinbarung, siehe as-converted Basis Mitnahmeklausel (Drag Along Right) – AG  740 ff. – Deutschland  739 ff. – GmbH 742 – Satzung  740, 742 – schuldrechtlich  741, 742 – USA, siehe Drag Along Right Mitnahmerecht, siehe Mitnahmeklausel Mitveräußerungspflicht, siehe Mitveräußerungsklausel Mitveräußerungsrecht (Tag Along Right) – AG  743 ff. – Deutschland  742 ff. – GmbH 744 – Satzung 743 – schuldrechtlich 743 – USA, siehe Tag Along Right – siehe auch Right of Co-Sale Mitverwaltungsrechte – Informations- und Kontrollrechte, siehe dort – Stimmbindung, siehe Stimmrecht – Zustimmungsrecht, siehe dort Multiples  – Liquidationsvorzug 77 – Performance Deal  142 Namensaktie – gutgläubiger Erwerb  717 – Mitveräußerungsrecht 743 – Vinkulierung  705, 714

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National Venture Capital Association (NVCA)  12, 214 Natur der Sache  222 ff. Nebenabrede – allseitig getroffene  323, 327 – Außenwirkung  327 ff. – Bedeutung für Satzungsausle­ gung  332 ff., 339 – Deutschland  320 ff. – Fraktionsabsprache, siehe dort – USA 353 – Verhältnis zur Satzung  318 ff. – Widerspruch zur Satzung  320 ff. – Widerspruch zu materiellen Satzungsregelungen  325 ff. – Widerspruch zu formellen Satzungsregelungen  323 ff. Nebenleistungspflichten  – Call Optionen  732 – Einziehungsrechte  725 ff. – schuldrechtliche Zuzahlungspflich­ ten  644 ff. Netzwerk – im Silicon Valley  205 ff. – siehe auch Netzwerktheorie Netzwerktheorie – fokaler Punkt, siehe dort – Entwicklung neuer Standards  371 ff. – Netzwerkeffekte  363 ff. – Netzgüter 364 – Rechtliche Regelungen als Netzgü­ ter 365 – Schelling-Punkt, siehe fokaler Punkt – Transaktionskostenreduzierung  365 ff. – Vertragsmuster  365 ff. – Wechselkosten 371 Nexus of Contracts, siehe Contractarian Approach Noncompetition Agreement, siehe Wettbewerbsschranken Non-participating Liquidation Preference, siehe Liquidation Preference (USA); Liquidationspräferenz (Deutschland) Nonstatutory Stock Options 181 Note – Bridge Loan, siehe dort – Promissory Note  96

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Numerus Clausus – Begriff 230 – Funktion 231 – Gesellschaftsformen  230 ff. Ökonomische Analyse des Rechts 34 Oktroi-System 425 Option – Call Option  552, 731 – Put Option  743 Original Issue Discount 98 Overinvestment, siehe Überinvestition Paritätsneutralität, siehe Funktionenschutz Participating Liquidation Preference, siehe Liquidation Preference (USA); Liquidationspräferenz (Deutschland) Pay to Play  132, 141 Penalty Default Rule – Begriff 511 – Funktion 512 – Treuepflicht als, siehe Treuepflicht Performance Deal 142 Personengesellschaft – Publikumspersonengesellschaft, siehe dort – Standardisierung 386 ff. Piggyback Right (Huckepackrecht) – Deutschland 755  – USA 165 – siehe auch Börseneinführungsrecht; Registration Right Platzierungsvorrecht, siehe Börseneinführungsrecht; Piggyback Right Pool – Pre Money-Bewertung, siehe dort – Stock Option Pool, siehe dort Post Money-Bewertung 75 Präferenz, siehe Preference Preemptive Right – Ausgestaltung 143 – Auswirkungen 145 – Funktion 145 – Grundlagen 143 – Rights Offering  195 – siehe auch Bezugsrecht Preference

– Arten 65 – Cap  78, 81 – Kappung, siehe Cap – Dividend Preference (USA), siehe dort – Dividendenpräferenz (Deutschland), siehe dort – Liquidation Preference (USA), siehe dort – Liquidationspräferenz (Deutschland), siehe dort – Multiples, siehe dort – vertragsrechtliche Interpretation (USA)  76 ff. – siehe auch Dividende; Liquidation Preisbasierter Verwässerungsschutz – Arten  131 ff. – Deutschland  671 ff. – Pay to Play, siehe dort – Pull Ups, siehe dort – Ratchet-Klauseln, siehe dort – Structural Antidilution Protection, siehe dort – USA  126 ff. – siehe auch Verwässerung; Verwässerungsschutz Pre Money-Bewertung – Auswirkung Stock Option Pool  75, 186 – Begriff 75 Preußisches Aktiengesetz, siehe Aktienrecht Prinzipal-Agenten-Beziehung  48 ff. Privatautonomie – Informationsmodell, siehe dort – Selbstschutz, siehe Individualschutz; Informationsmodell Private Equity – Begriff 12 – Verhältnis zu Venture Capital  12 – siehe auch Venture Capital Promissory Note, siehe Note Prozessökonomie 335 Publikumspersonengesellschaft – Deutschland  386 ff. – Limited Liability Company (LLC), siehe dort – Limited Partnership, siehe dort

Stichwortverzeichnis

– und Standardisierung (Deutsch­ land)  386 ff. – und Standardisierung (USA)  390 ff. – USA  390 ff. Pull up  132, 141 Rangverteilung, Signalwirkung 101 Ratchet-Klausel – Full Ratchet Right, siehe dort – Retroactive Ratchet  133 – Weighted Average-Klausel, siehe dort Ratchet Right, siehe Ratchet-Klausel Rechtsvergleichung – Delaware General Corporation Law als Vergleichsobjekt  32 – Methode 31 Redemption, siehe Redemption Right (USA) Redemption Right (USA) – Ausgestaltung  167, 169 – Auswirkung auf Besteuerung  178 f. – Begriff 166 – Funktion  166, 168 – Redemption Right der Investo­ ren  167 ff. – Redemption Right der Gesell­ schaft 169 – Mandatory Redemption  167 – Siehe auch Rückübertragungsrecht (Deutschland) – Registration – Antragsrecht (USA)  161 – Funktion 163 – Registration Right, siehe dort Registration Right – Ausgestaltung  162, 165 – Demand Registration Right, siehe dort – Grundlagen 162 – Piggyback Right, siehe dort – S-3 Right, siehe dort – siehe auch Börseneinführungsrecht Registrierung, siehe Registration Repurchase Right – Ausgestaltung 169 – Equity Recapture, siehe dort – siehe auch Rückkaufrecht Reputation, Markt für  205 ff. Reverse Vesting, siehe Vesting

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Right of Co-Sale 159; siehe auch Tag Along Right Right of First Offer 144; siehe auch Preemptive Right; Vorerwerbsrecht Right of First Refusal – Begriff 154 – Funktion  155 ff. – siehe auch Share Transfer Restrictions Rights Offering, siehe Preemptive Right Risk of Forfeiture 179 Risk-shifting 59 Rückgaberecht, siehe Redemption Right (USA); Rückübertragungsrecht (Deutschland) Rückkaufrecht, siehe Rückübertragungsrecht (Deutschland) Rücknahmerecht, siehe Redemption Right (USA); Rückübertragungsrecht (Deutschland) Rückübertragungsrecht (Deutschland) – AG  745 ff. – GmbH 748 – Investoren gegen Gesellschaft  745 ff. – Investoren gegen Mitgesellschafter  747 – siehe auch Redemption Right (USA) Rundenbasierte Finanzierung  12 f. S-3 Right 165 Satzung (Deutschland) – Auslegung und Nebenabrede  332 ff. – Bedingbarkeit von Satzungsbestim­ mungen, siehe dort – Satzungsstrenge, siehe dort – Verhältnis zu Nebenabreden  320 ff. – siehe auch Nebenabrede Satzung (USA), siehe Corporate Charter Satzungsstrenge – Aktiengesetz 1965 435 – Anlegerschutz  422 ff. – Geschichte  425 ff. – Konzessionssystem, siehe dort – Oktroi-System, siehe dort – Rechtfertigung  345 ff. – Standardisierung, siehe dort – System der Normativbestimmungen, siehe dort – teleologische Reduktion  445 – übermäßige Wirkung  423

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Stichwortverzeichnis

– untermäßige Wirkung  422 – siehe auch Satzung Schelling-Punkt, siehe fokaler Punkt Schuldrechtliches Agio, siehe Agio Schuldrechtliches Aufgeld, siehe Agio Schutz des gemeinsamen Vermögens  8 f., 480 ff. Schutz des Gesellschaftsvermögens  8 f., 483 Schutz des Privatvermögens  8, 477 ff. Selbstverantwortung, siehe Informationsmodell Selektionsproblem 50 Self Selection, siehe Selektionsproblem Serie/Series, siehe rundenbasierte Finanzierung Share Transfer Restrictions – Ausgestaltung  150, 154 – Auswirkung  155 ff. – Funktion  156 f. – Grundlagen 150 – IPO Lock-Up, siehe dort – Market Stand-Off, siehe dort – Vesting, siehe dort – Right of First Refusal, siehe dort – Vorerwerbsrecht, siehe dort Signaling – Rangverteilung, siehe dort – Sicherheiten, siehe dort Signalwirkung, siehe Signaling Sonderrecht, siehe Informations- und Kontrollrecht; Zustimmungsrecht Sondervorteil, siehe Preference Staged Financing, siehe Staging Staging – als zusätzliche Leistungspflicht  644 – Deutschland  637 ff. – Funktion 122 – gestaffelte schuldrechtliche Zuzah­ lungspflichten (AG)  637 ff. – gestaffelte schuldrechtliche Zuzah­ lungspflichten (GmbH)  661 ff. – Grundformen 121 – Hold-up, siehe dort – USA  121 ff. – siehe auch Meilenstein; Nebenleistungspflichten stand-aside 163

Standardisierung – Änderungsanreize  371 ff., 374 – Baltic and International Maritime Conference (BIMCO), siehe dort – Delegationstheorie, siehe dort – geduldetes Fehlen im Aktien­ recht  399 ff. – Genussrecht, siehe dort – Genussschein, siehe Genussrecht – Kapitalgesellschaftsrecht als Mit­ tel  345 ff. – komplexe Vereinbarungen  356 – Loan Market Association, siehe dort – Netzwerkeffekte  363 ff., 371 ff. – Netzwerktheorie, siehe dort – öffentliche Informationen als Voraus­ setzung 378 – ohne gesetzlichen Zwang  350 ff. – Personengesellschaft, siehe dort – Public Corporation USA  350 ff. – Publikumspersonengesellschaft, siehe dort – Satzungsstrenge, siehe dort – Standardisierungsanreize  363 ff. – Standardisierungshypothese, siehe dort – Venture Capital-Vereinbarungen, siehe dort – Vertragsmuster, siehe dort – zwingendes Recht  345 ff. Standardisierungshypothese 347 Steuerrecht USA  175 ff. Stille Beteiligung, siehe stille Gesellschaft Stille Gesellschaft  21, 290, 314 Stimmbindung, siehe Stimmrecht Stimmbindungsvereinbarung, siehe Stimmrecht Stimmrecht – Bindung  558 ff., 625 – Class Voting (USA)  111 – Class Voting (Deutschland)  563 ff. – Deutschland  556 ff., 625 – Höchststimmrecht, siehe dort – Mehrfachstimmrecht (Deutschland, AG) 557 – Mehrfachstimmrecht (Deutschland, GmbH) 564 – Mehrfachstimmrecht (USA), siehe as-converted Basis

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– Nebenabrede  558 ff., 625 – Stimmbindung auf „as-converted Basis“  558 ff. – USA 109 – siehe auch „as-converted Basis“ Stimmrechtsbindung, siehe Stimmrecht Stock, siehe Share Stock Option – Incentive Stock Options, siehe dort – Nonstatutory Stock Options, siehe dort – Unqualified Stock Options, siehe dort – Stock Option Pool, siehe dort Stock Option Pool – Auswirkungen auf Gründerbeteili­ gung 186 – Grundlagen 185 Stock Split, siehe Anteil Structural Antidilution Protection 139 substantial Risk of Forfeiture 179 Syndizierung – Grandstanding, siehe dort – im Silicon Valley  205 – als Mittel der Verhaltenskontrolle  205 – Netzwerkeffekte 205 System der Normativbestimmungen  428 ff. Tag Along Right, siehe Mitveräußerungsrecht Take Along, siehe Mitveräußerungsrecht Term Sheet 15 Todesspirale, siehe Full Ratchet Right Trade Sale  76, 86; siehe auch Liquidationsereignis Trennung von Inhaberschaft und Leitung, siehe Inhaberschaft und Leitung Trennungsgrundsatz, siehe Vermögenstrennung Trennungsprinzip, siehe Vermögenstrennung Treu und Glauben – Deutschland  688 ff., 696 ff., 731 – USA, siehe Duty of Good Faith and Fair Dealing Treuepflicht – Abdingbarkeit  499 ff.

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– Director (USA)  189 ff. – Funktion 498 – Funktionenschutz, siehe dort – Modifikation 509 – als Penalty Default Rule  511 ff. – als Steuerungsinstrument  498 – als Verfahrensregel  493 f., 497 – siehe auch Fiduciary Duty Trilateral Bargaining 54 Trittbrettfahrertum, siehe Free Riding Tunneling 58 Typentheorie 228 Überinvestition 59 Umtauschrecht  551, 554; siehe auch Conversion (USA) Unterinvestition 48 Underinvestment, siehe Unterinvestition Unqualified Stock Options 181 Unternehmensbewertung, siehe Bewertung Value Added 108 Venture Capital-Vereinbarung – AGB-Inhaltskontrolle, siehe dort – Gesellschaft bürgerlichen Rechts  250 ff. – Deutschland  524 ff. – als dynamischer Vertrag  47 – faktischer Konzern, siehe dort – Regelungskonflikte  43 ff. – Standardisierung  209, 211, 214, 356 – USA  41 ff., 61 ff. – Verdeckter Beherrschungsvertrag, siehe dort – Vertragskonzern, siehe Konzern – Vergleich Deutschland-USA  758 Venture Capital – Abgrenzung zu Private Equity  12 – Angel Investoren, siehe dort – Begriff 12 – Finanzierungsphasen, siehe dort – Regelungsprobleme  41 ff. – USA  43 ff. Veräußerungsbeschränkungen – Andienungspflicht, siehe Vorerwerbsrecht – Mitveräußerungsrechte, siehe dort

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Stichwortverzeichnis

– Mitnahmeklauseln, siehe dort – Vesting, siehe dort – Vinkulierung, siehe dort – Vorerwerbsrecht, siehe dort – siehe auch Share Transfer Restriction Verbotsgesetz 241 Verdeckter Beherrschungsvertrag 300 Vergütung – Gründer (USA) 177 – Gründer (USA), Bedeutung Steuer­ recht 177 – Rückforderung, siehe Equity Recapture – steuerrechtliche Rahmenbedingungen (USA)  176 ff. Vermögenstrennung – beidseitige  8, 477 ff. – Gestaltungsermöglichung  477 ff. – Rechtfertigung gesetzlichen Zwan­ ges  479, 484 – Schutz des gemeinsamen Vermögens, siehe dort – Schutz des individuellen Vermögens, siehe Schutz des Privatvermögens Verschwiegenheitspflicht Vorstand  582 ff. Vertragskonzern, siehe Konzern Vertragsmuster – Baltic and International Maritime Conference, siehe dort – Loan Market Association, siehe dort – National Venture Capital Association, siehe dort – Netzwerkeffekte, siehe Netzwerktheorie Verwässerung – Begriff  127 ff. – Fully Diluted Basis, siehe dort – preisbasierter Schutz vor, siehe Verwässerungsschutz – Schutz vor, siehe Verwässerungsschutz Verwässerungsschutz – AG  672 ff., 686 ff. – Bezugsrechtsausschluss in Down Rounds (AG)  675 ff. – Bezugsrechtsausschluss in Down Rounds (GmbH)  682 ff. – Deutschland  671 ff.

– genehmigtes Kapital  479 – GmbH  682 ff. – Optionsanleihen 681 – Pay to Play, siehe dort – preisbasierter  131, 132 ff., 139 – Pull Ups, siehe dort – schuldrechtliche Vereinbarung über Bezugsrechtsausschluss 684 – Stimmbindungsvereinbarungen 699 – Verwässerungsschutzklauseln (schuldrechtlich), siehe RatchetKlauseln – Structural Antidilution Protection, siehe dort – Typologie, 131 f. – USA 126 ff. Vesting – abgestuftes Vesting  152 – accelerated Vesting  153 – AG  725 ff. – Begriff 152 – Deutschland  724 ff. – Einziehungsrechte als Vestingrege­ lung  725 ff. – Funktion  150 ff. – GmbH  729 ff. – Good Leaver/Bad Leaver-Regeln  730 – Reverse Vesting  154 ff. – Satzung (Deutschland)  725 ff. – schuldrechtlich  731 ff. – USA  152 ff. – siehe auch Veräußerungsbeschränkungen Vetorecht, siehe Zustimmungsrecht Vinkulierung – Ermessensausübung in der Satzung, Vorgaben  705 ff. – und Inhaberaktie  715 – Satzung (AG)  705 ff. – Satzung (GmbH)  705 ff. – schuldrechtlich  710 ff. – Vesting, siehe dort Vorerwerbsrecht – dogmatische Einordnung  733 – einfache 734 – Gesellschaft 738 – Gesellschafter 734 – pro-rata  735 ff.

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– siehe auch Right of First Offer Vorhand 733 Vorkaufsrecht 733 Vorrecht – Dividende, siehe dort – Liquidation, siehe dort – siehe auch Aktie; Anteil; Preference; Vorzugsaktien Vorstand – Abberufung 615 – Abdication of Authority, siehe dort – Bestellung 615 – und Informationsrechte  582 ff. – Leitungsautonomie, siehe dort – Verschwiegenheitspflicht, siehe dort – und Zustimmungsvorbehalte  624, 626 ff. Vorzugsaktien – Deutschland  524, 538 – USA  62, 65 ff. – Wandlungsrecht (Deutschland), siehe dort – siehe auch Aktie; Anteil; Preference Vorzugsrecht, siehe Preference Voting Switch, siehe Control Flip Wagniskapital, siehe Venture Capital Wagniskapitalvereinbarung, siehe Venture Capital-Vereinbarung wandelbare Vorzugsanteile (Deutschland), siehe Aktie; Convertible Preferred Share (USA); Vorzugsaktie Wandlungsrecht (Deutschland)  546 ff. – siehe auch Conversion (USA) Warrant, siehe Common Stock Warrant Wash-out  145, 187 Wechselkosten, siehe Netzwerktheorie Weighted Average-Klausel – Begriff  131, 137 – broad based  137 – Deutschland  695 ff. – Full Ratchet Right, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu  695 – narrow based  137 – Rechtfertigung  696 ff. – Schutz vor Window Dressing  696 – Schutz vor wirtschaftlichen Ver­ schlechterungen 697

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– USA  137 ff. Weisungsrecht, siehe Zustimmungsrecht Wesen der Sache, siehe Natur der Sache Westküste (USA), siehe California Effect Wettbewerbsschranken – Doctrine of Inevitable Disclosure, siehe dort – Informationsweitergabeverbot (USA) 149 – Nachvertragliche (USA)  147 – Noncompetition Agreement  147 Wettbewerbsverbot, siehe Wettbewerbsschranken Window Dressing  – Begriff 54 – und Conversion Right  84, 85 – und Full Ratchet Right, siehe dort – und Weighted Average Klausel (Deutschland) 696 Zombie, siehe Living Dead Zustimmungsbedürftige Maßnahmen, siehe Covenants Zustimmungsrecht – für Investoren  616 ff. – GmbH 635 – hauptversammlungsbezogene  619 ff. – und Kompetenzverteilung in der AG  626 ff. – Satzung  619 ff. – schuldrechtlich (in Gesellschaftvereinbarungen) 625 – schuldrechtlich (mit der Gesell­ schaft)  626 ff. – vorstandsbezogene  624 ff. – siehe auch Covenants Zustimmungsvorbehalt, siehe Zustimmungsrecht Zuzahlung – in die Kapitalrücklage  665 ff. – Satzung (GmbH)  660 – schuldrechtliche (AG)  637 ff. – schuldrechtliche (GmbH)  661 ff. – siehe auch Agio Zwingendes Recht – Begriff 25 – Gestaltungsfreiheit, siehe dort

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Stichwortverzeichnis

– Grenzen des Selbstschutzes, siehe Informationsmodell – Rechtfertigung im Privatrecht (allgemein)  23 ff. – Rechtfertigung im Gesellschafts­ recht  345 ff.

– Schranke der rechtsgeschäftlichen Gestaltungs- und Verfügungs­ macht 241 – Verbotsgesetz 241 – siehe auch dispositives Recht